Deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs: Alltag und Beziehungen zur indigenen Bevölkerung, 1884-1919 [1. Aufl.] 9783839428368

This volume highlights a piece of colonial history hardly regarded in research until today, which adds a new facet to th

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German Pages 678 Year 2014

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Table of contents :
Inhalt
Danksagung
I. EINLEITUNG
1. Forschungshintergrund
2. Thematischer Hintergrund: Die Südsee und die deutsche Kolonialpolitik
II. VOM KAISERREICH IN DIE KOLONIEN
3. Frauen und Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich
4. Wege in die Kolonien und Ausreisemotive
5. Gesellschafts- und Bildungsstand der ausreisenden Frauen
6. Das Rollenbild der „Deutschen Kolonialfrau“
III. ALLTAG AM ANDEREN ENDE DER WELT
7. Ankunft und erste Eindrücke
8. Die Wohnsituation
9. Berufsbilder und Alltagsgestaltung
10. Kein Paradies – Schwierigkeiten des Lebensalltages in der Fremde
11. Die soziale Stellung der deutschen Frauen innerhalb der weißen Kolonialbevölkerung
IV. STEREOTYPE UND BEGEGNUNGEN
12. „Rassen“-Stereotype und „Rassenmischung“
13. Die Beziehungen zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung
14. Folgen der Kulturbegegnungen – Gegenseitige Prägung?
V. KRIEG UND ABSCHIED
15. Gründe für die Rückkehr vor Kriegsausbruch
16. Der Erste Weltkrieg in der Südsee und die Folgen
17. „Viel Geheul“: Emotionen bei der Abreise
VI. FAZIT
18. Zusammenfassung der Ergebnisse
19. Schlussfolgerungen und Ausblick
ANHANG
Quellen- und Literaturverzeichnis
Verzeichnis der deutschen Frauen, die sich in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs aufhielten
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Deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs: Alltag und Beziehungen zur indigenen Bevölkerung, 1884-1919 [1. Aufl.]
 9783839428368

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Livia Loosen Deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs

Histoire | Band 69

2014-08-28 16-47-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 027a375652012988|(S.

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4) TIT2836.p 375652012996

Für Willi

Livia Loosen (Dr. phil.) promovierte am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt und lebt in Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind deutsche Kolonialgeschichte und Geschlechtergeschichte.

2014-08-28 16-47-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 027a375652012988|(S.

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4) TIT2836.p 375652012996

Livia Loosen

Deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs Alltag und Beziehungen zur indigenen Bevölkerung, 1884-1919

2014-08-28 16-47-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 027a375652012988|(S.

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4) TIT2836.p 375652012996

Bei der vorliegenden Studie handelt es sich um eine Dissertationsschrift, die im Rahmen eines ordentlichen Promotionsverfahrens am Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien an der Universität Erfurt entstanden ist. Ich danke dem Förderausschuss des Deutschen Akademikerinnen Bundes e.V., der die Veröffentlichung dieser Dissertation mit einem Druckkostenzuschuss unterstützt hat.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2014 transcript Verlag, Bielefeld

Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlagkonzept: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: Missionarsfrau Johanna Diehl mit ihrer Familie und Einwohnern von Bogadjim (Neuguinea), um 1912, © Archiv- und Museumsstiftung der VEM, Bildarchiv, Archivnr. 204-108 Lektorat & Satz: Livia Loosen, Thomas Rigotti Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar Print-ISBN 978-3-8376-2836-4 PDF-ISBN 978-3-8394-2836-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2014-08-28 16-47-08 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 027a375652012988|(S.

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Inhalt

Danksagung | 9

I.

E INLEITUNG 1.

Forschungshintergrund | 15

1.1 1.2 1.3 1.4 1.5

Fragestellung und Forschungsziel | 15 Forschungsstand | 19 Quellenlage | 29 Das Problem der fehlenden indigenen Perspektive | 39 Theoretische Rahmung und Aufbau der Arbeit | 42

2.

Thematischer Hintergrund: Die Südsee und die deutsche Kolonialpolitik | 51

2.1 Die Südseegebiete und ihre indigene Bevölkerung | 51 2.2 Erwerb der Kolonialgebiete in der Südsee | 64 2.3 Grundzüge der deutschen Verwaltung der Südsee-Kolonien | 69

II. V OM KAISERREICH IN DIE KOLONIEN 3.

Frauen und Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich | 87

4. Wege in die Kolonien und Ausreisemotive | 97 4.1 Institutionell geförderte Ausreisen | 98 4.1.1 Der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft | 98 4.1.2 Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien | 107 4.1.3 Christliche Missionsgesellschaften in den Kolonien | 114 4.2 Individuelle Ausreisen | 132 4.2.1 Ehe und Arbeitssuche als Ausreisemotive | 132 4.2.2 Sinnsuche in der Südsee: Frauen als „Aussteigerinnen“ | 136 4.2.3 Sonderfall: (Forschungs-)Reisende Frauen | 142 5.

Gesellschafts- und Bildungsstand der ausreisenden Frauen | 151

6.

Das Rollenbild der „Deutschen Kolonialfrau“ | 175

III. ALLTAG AM ANDEREN E NDE DER WELT 7.

Ankunft und erste Eindrücke | 185

8.

Die Wohnsituation | 199

9. Berufsbilder und Alltagsgestaltung | 217 9.1 Missionsangehörige | 218 9.1.1 Evangelische Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern | 219 9.1.2 Katholische Missionsschwestern | 234 9.2 Ehefrauen von Pflanzern und anderen Privatleuten | 239 9.3 Ehefrauen von Beamten | 248 9.4 Krankenschwestern | 257 9.5 Lehrerinnen und weitere alleinstehende Frauen | 266 9.6 (Forschungs-)Reisende | 273 10. Kein Paradies – Schwierigkeiten des Lebensalltages in der Fremde | 279

10.1 Einsamkeit, Heimweh und Anpassung | 280 10.2 Klima und Krankheiten | 288 11. Die soziale Stellung der deutschen Frauen innerhalb der weißen Kolonialbevölkerung | 301

11.1 Beziehungen zu anderen deutschen Frauen und der übrigen weißen Bevölkerung | 301 11.2 Das Verhältnis zum anderen Geschlecht: Die Südsee-Kolonien als Ort der Emanzipation? | 328

IV. STEREOTYPE UND BEGEGNUNGEN 12. „Rassen“-Stereotype und „Rassenmischung“ | 353

12.1 12.2 12.3 12.4

„Südsee-Mythos“ und „Menschenfresser-Inseln“ | 353 Der Zusammenhang von Kolonialismus und Rassismus | 361 Indigene Frauen und weiße Männer | 367 Die Position der Frauen in der sogenannten „Mischehen-Debatte“ | 379

13. Die Beziehungen zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung | 415

13.1 Beobachtung und Beschreibung | 416 13.2 Interaktion | 429 13.3 Das besondere Verhältnis zwischen Missionsangehörigen und indigener Bevölkerung | 450 13.3.1 Evangelische Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern | 456 13.3.2 Katholische Missionsschwestern | 493 13.4 Angst oder Anziehung? – Indigene Männer aus der Perspektive deutscher Frauen | 533 14. Folgen der Kulturbegegnungen – Gegenseitige Prägung? | 541

V.

KRIEG UND ABSCHIED 15. Gründe für die Rückkehr vor Kriegsausbruch | 555 16. Der Erste Weltkrieg in der Südsee und die Folgen | 559 17. „Viel Geheul“: Emotionen bei der Abreise | 581

VI.

FAZIT

18. Zusammenfassung der Ergebnisse | 589 19. Schlussfolgerungen und Ausblick | 613

ANHANG Quellen- und Literaturverzeichnis | 619 Verzeichnis der deutschen Frauen, die sich in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs aufhielten | 647

Danksagung

Auf diesen Moment habe ich mich sehr lange gefreut: Das Manuskript ist so gut wie druckfertig und nun kann ich endlich all denjenigen danken, die zu seiner Entstehung beigetragen haben. Chronologisch gesehen, muss ich zuerst meinem Patenonkel Wilfried Johann danken, der mir vor langer Zeit über 60 digitalisierte Ausgaben der Zeitschrift Kolonie und Heimat schenkte und wohl kaum ahnte, dass er mir damit Arbeit für Jahre bescherte. Die Lektüre von Kolonie und Heimat weckte mein Interesse am Schicksal der Frauen in den Deutschen Kolonien, woraus zunächst eine Magisterarbeit und schließlich eine Dissertation entstand, die in leicht überarbeiteter Fassung zu diesem Buch wurde. Prof. Dr. Günther Heydemann von der Universität Leipzig bestärkte mich dankenswerterweise in meinem Rechercheinteresse und stellte den Kontakt zu Prof. Dr. Hermann Hiery von der Universität Bayreuth her, der schließlich einer meiner beiden Doktorväter wurde. Ihm bin ich zu besonderem Dank verpflichtet, weil er das Projekt seit der Anfangsphase begleitet und unterstützt hat. Er hat mich immer wieder an seiner beeindruckten Detailkenntnis der Geschichte der „Südsee-Kolonien“ teilhaben lassen, mir manch wichtigen Recherchehinweis gegeben, mir Einblick in sein Quellenmaterial gewährt und nützliche Kontakte hergestellt. Prof. em. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Reinhard wurde in seiner Funktion als Fellow am Max-Weber-Kolleg der Universität Erfurt mein zweiter Doktorvater. Ich danke ihm aus ganzem Herzen dafür, dass er mir immer gezeigt hat, dass er Vertrauen in meine Arbeitsweise hat und mir viel Freiraum gelassen hat – aber bei Bedarf auch stets sehr hilfsbereit und verlässlich zur Stelle war. Dem Max-Weber-Kolleg danke ich dafür, dass ich dort als Doktorandin angenommen wurde und so die Chance bekam, mein Dissertationsprojekt in einem sehr angenehmen Arbeitsumfeld zu realisieren. Von den Mitgliedern des Kollegs erhielt ich viele wichtige Hinweise und Denkanstöße, für die ich ebenso dankbar bin wie für die dort entstandenen freundschaftlichen Kontakte. Außerdem hat das Kolleg dankenswerterweise meine Archivreisen finanziell unterstützt und nicht zuletzt dafür gesorgt, dass meine Promotion von zwei Stiftungen gefördert wurde: Zunächst erhielt ich ein Stipendium des

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Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft, anschließend wurde meine Arbeit aus Mitteln der Kirchen- und Klosterkammer finanziert. Beiden bin ich sehr dankbar, dass sie mir ermöglicht haben, meinen Forschungsinteressen nachzugehen und die Arbeit zu einem guten Ende zu führen. Dem DAAD danke ich dafür, dass er durch ein Kurzstipendium meine Archivreise nach Neuseeland und Samoa unterstützt hat. In den Archives New Zealand in Wellington stand mir Uili Fecteau sehr hilfsbereit und kenntnisreich bei der Recherche zur Seite; ihm danke ich genauso wie Delphina Lee, Amela Silipa und ihren Kollegen von der Archiv-Abteilung des Ministry of Education, Sports and Culture in Apia / Samoa. Ich danke auch den Mitarbeitern des Bundesarchivs in BerlinLichterfelde, außerdem besonders den Verantwortlichen in den Archiven der verschiedenen Missionen, die mir vertrauensvoll Zugang zu ihren Akten gewährt haben: Norbert Wenger vom Archiv der Missionsschwestern vom Hlst. Herzen Jesu in Hiltrup, Wolfgang Apelt und Julia Besten von der Archiv- und Museumsstiftung der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal-Barmen, Brigitte Hagelauer vom Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau sowie den Schwestern der Liebenzeller Mission, die mich besonders gastfreundlich aufnahmen. Hier verdanke ich meine Auskünfte vor allem Schw. Ilse Szaukellis. Schw. Regina Rupprecht vom Archiv der Steyler Missionarinnen in Rom danke ich ebenfalls dafür, dass sie mich mit Quellenmaterial und Informationen versorgt hat. Pater Dr. Alois Greiler bin ich für die Bereitstellung des Reisetagebuches einer Maristen-Missionsschwester dankbar. Ich möchte auch den Mitarbeitern meiner beiden liebsten Arbeitsorte danken, da sie meine Studien (ohne sich dessen bewusst zu sein) viele Jahre begleitet haben: es handelt sich um die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig und vor allem die wunderschöne Leipziger Unibliothek Bibliotheca Albertina, deren umfangreicher Bestand an kolonialen Publikationen mich immer wieder beeindruckt hat. Frau Dr. Marion Melk-Koch vom Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig danke ich dafür, dass sie mich in die Welt der Ethnologie Ozeaniens eingeführt hat und mir Zugang zu ihrer großen Sammlung an entsprechender Literatur gewährt hat. Viele in dieses Buch eingeflossene Informationen sind jedoch in keiner noch so großen Bibliothek und in keinem Archiv zu finden: sie stammen aus Quellenmaterial, das mir von Privatleuten aus ihrem eigenen Besitz zur Auswertung überlassen wurde. Ich bin sehr dankbar für jeden nützlichen Hinweis, der zur Auffindung dieser Quellen geführt hat und ganz besonders natürlich dafür, dass mir diese von ihren Besitzern anvertraut wurden – schließlich haben einige von ihnen einer Fremden über diese oftmals sehr privaten Aufzeichnungen Einblicke in ihre Familiengeschichte gewährt. In diesem Sinne danke ich vor allem Eugen Solf. Das Tagebuch seiner Großmutter, der Gouverneursfrau Johanna Solf, lesen zu dürfen, gehörte für mich zu den schönsten Momenten meiner Recherche. Ebenso fasziniert haben mich die umfangreichen Aufzeichnungen der Missionarin Valesca Schultze, für die ich

D ANKSAGUNG

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Marlies und Franz Pfeil herzlich danke, und die Schilderungen der Krankenschwester Auguste Hertzer, für die ich Frank Reiter sehr dankbar bin. Ich danke außerdem Frau Dr. Susanne Froehlich, die mir Briefe der Missionarsfrau Elise Pilhofer zur Verfügung stellte und Karl Baumann, der mir die Lebenserinnerungen der Gretel Kuhn zugänglich machte. Ulrich Fellmann danke ich nicht nur dafür, dass er mir das Tagebuch der Missionarsfrau Johanna Fellmann schon vor der Veröffentlichung anvertraute und sein Einverständnis dazu gab, dass ich Kopien ihrer unzähligen langen Privatbriefe lesen durfte, sondern auch für viele freundliche E-Mails mit nützlichen Hintergrundinformationen. Ebenso lang wie Fellmann begleitet auch Dieter Klein schon mein Forschungsinteresse an den Frauen der deutschen Südsee. Ihm bin ich sehr dankbar für viele interessante Auskünfte, u.a. zu den Frauen im Sonnenorden, und vor allem für die Erlaubnis, Fotografien aus seiner Sammlung abzudrucken. Ein besonderer Dank gebührt auch Tanja Hammel. Ähnliche Forschungsinteressen haben uns zusammengeführt und für regen fachlichen Austausch gesorgt. Ich danke ihr dafür, dass sie einen Teil der Arbeit Korrektur gelesen hat und für den Hinweis auf das Tagebuch der Missionarsfrau Justine Vetter, dessen Transkription sie mir freundlicherweise überließ. Außerdem versorgte sie mich mit zahlreichen Kopien von Privatbriefen Justine Vetters – deren Nachkommen danke ich dafür, dass sie dazu ihr Einverständnis gaben. Frau Dr. Katharina Stornig bin ich sehr dankbar, dass sie mir ihre Dissertation über die Steyler Missionsschwestern im kolonialen Togo und Neuguinea schon vor der Publikation zur Verfügung stellte, womit sie mir sehr geholfen hat. Ein riesengroßer Dank geht außerdem an all meine Freunde. Sie haben mich und die Entstehung dieser Arbeit auf vielfältige Weise unterstützt und mir durch ihre Freundschaft immer wieder neue Kraft und Motivation geschenkt. Für ihr gründliches Korrektur lesen und wichtige Anregungen danke ich Anne Tietjen, Birte Launert, Christine Porzelius, Iris Müller, Martin Röw und Mira Keune. Anne Dänner, Annika Golsong, Ina Piciu und Ulrike Spohn danke ich dafür, dass sie mir während meiner Archivreisen Asyl gewährt haben. Stefanie Hocke hat mich bei meinen Aufenthalten in Bayreuth viele Male beherbergt, bekocht und chauffiert – vielen Dank! Außerdem danke ich allen Freunden aus vollem Herzen dafür, dass sie geduldig meine Südsee-Geschichten ertragen haben und immer wieder dafür gesorgt haben, dass auch der Feierabend und die Entspannung nicht zu kurz kamen. Den Schluss dieser lang geratenen Danksagung möchte ich meiner Familie widmen. Ich danke besonders meinen Eltern, Corinna und Hannes Loosen, die mir mein Studium ermöglicht haben und mich ermutigt haben, meinen Interessen nachzugehen. Ebenso wie meine Schwester, Lea Koopmann, haben sie mich immer unterstützt und motiviert, wofür ich allen dreien sehr danke. Meinen kleinen Töchtern Ronja und Luisa bin ich ungemein dankbar dafür, dass sie mir jeden Tag zeigen, was wirklich wichtig ist im Leben – der größte Dank ge-

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bührt jedoch ihrem Vater, meinem Liebsten: Thomas Rigotti. Er hat meine Arbeit von Anfang an begleitet, an allen Höhen und Tiefen Anteil genommen, sich mit unendlicher Geduld all meine Sorgen und Zweifel angehört und mich unzählige Male bestärkt, ermutigt und beraten. Nicht zuletzt hat er die gesamte Arbeit Korrektur gelesen und die Formatierung übernommen. Dafür und für alles andere kann ich ihm kaum genug danken.

I. Einleitung

1. Forschungshintergrund

1.1 F RAGESTELLUNG UND F ORSCHUNGSZIEL Dass es im Pazifik, der bereits im 16. Jahrhundert als „Südsee“ bezeichnet wurde, früher einmal deutsche Kolonien gab, ist vielen Menschen heute nicht mehr bewusst.1 Doch vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg standen der nordöstliche Teil Neuguineas mit dem vorgelagerten Bismarck-Archipel, die nördlichen Salomonen, die Karolinen, die Palau-Inseln, die Marianen, die Marshallinseln, die Insel Nauru und die beiden Samoa-Inseln Upolu und Savai’i unter deutscher Verwaltung.2 Schon Zeitgenossen beklagten die geringe Popularität der deutschen Südseegebiete, hatten aber auch Erklärungen dafür zur Hand: „Wenn unsere Besitzungen im Stillen Ozean trotz ihrer großen Naturschönheiten so sehr viel weniger das Interesse der Allgemeinheit besitzen als unsere afrikanischen Kolonien und selbst in sonst kolonial gut gebildeten Kreisen Deutschlands meist nur sehr oberflächlich bekannt sind, so hat das seine natürlichen Ursachen in der weiten Entfernung vom Mutterlande, der Schwierigkeit der Kommunikationen und der Erschließung und nicht zuletzt in einem gewissen Misstrauen hinsichtlich der gesundheitlichen Verhältnisse, über die in früheren Zeiten manch ungünstiges Urteil verbreitet worden ist.“3

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2 3

Zu den Bezeichnungen „Pazifik“, „Südsee“ und „Ozeanien“ siehe Mückler, Hermann: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, Wien 2009, S. 15f. Zur Definition der Begriffe „Kolonie“, „Kolonisation“ und „Kolonialismus“ siehe: Reinhard, Wolfgang: Kleine Geschichte des Kolonialismus, Stuttgart 2008², S. 1-3; vgl. Ders.: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, in: Kraft, Claudia / Lüdtke, Alf / Matschukat, Jürgen (Hrsg.): Kolonialgeschichten. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, Frankfurt a.M. 2010, S. 67-91, hier S. 79f. Zur geographischen Orientierung vgl. Abb. 1, 2 u. 6. Ein deutsches Gouverneursheim in der Südsee, (ohne Verf.), in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 38, S. 2.

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Rund ein Jahrhundert nach der Veröffentlichung dieser Einschätzung stellt sich die Situation immer noch ähnlich dar: Wird heute die deutsche Kolonialzeit thematisiert, stehen wie ehedem die einst deutschen Besitzungen in Afrika im Fokus der Aufmerksamkeit, während die sogenannten „Südsee-Kolonien“ immer noch wenig Beachtung finden. Doch auch die Studien, die sich mit der deutschen Vergangenheit dieser Gebiete auseinandersetzen, vernachlässigen dabei eine Personengruppe stark: Die Frauen. Dabei bestand die deutsche Kolonialbevölkerung keinesfalls nur aus Männern, auch wenn die historische Aufarbeitung der Kolonialzeit zuweilen diesen Eindruck entstehen lassen könnte. Die Schicksale und Erfahrungen von deutschen Ehefrauen, Krankenschwestern, Lehrerinnen, weiblichen Missionsangehörigen und anderen Frauen, die sich in den Südsee-Gebieten niederließen, schlummern gebannt auf vergilbtem Papier, verborgen in Archiven, Bibliotheken oder auf privaten Dachböden und bergen eine Perspektive auf die Ereignisse, die bisher größtenteils ignoriert wurde. Mit der vorliegenden Untersuchung, die auf der unveröffentlichten Magisterarbeit der Verfasserin aufbaut, soll das geändert werden:4 Hier stehen die Schriftzeugnisse der betreffenden Frauen im Mittelpunkt, um dem Gesamtbild der Geschichte der „Deutschen Südsee“ ein weiteres Puzzlestück hinzuzufügen. Beleuchtet werden Alltag, Rollenbild und soziale Stellung deutscher Frauen in den SüdseeKolonien des Kaiserreichs, wobei besonderer Wert auf die Analyse des Verhältnisses zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung gelegt wird. Ziel dieser Arbeit ist es, durch Analyse des verfügbaren Quellenmaterials eine möglichst umfassende Untersuchung des Frauenlebens in den Südsee-Kolonien vorzulegen, so wie sie etwa für „Deutsch-Südwestafrika“, das heutige Namibia, längst existiert.5 Dabei soll die Frage beantwortet werden, aus welcher Situation heraus und aus welchen Motiven sich deutsche Frauen dazu entschlossen, ihre Heimat zu verlassen und sich in den Südsee-Gebieten niederzulassen. Wer waren diese Frauen, aus welchem Milieu stammten sie und wie bereiteten sie sich auf ihr neues Leben in den Kolonien vor? In diesem Zusammenhang wird auch darauf eingegangen, welches Rollenbild die sogenannte „deutsche Kolonialfrau“ gemäß den damaligen gesell-

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Loosen, Livia: Das Rollenbild der deutschen Frau in den Südseekolonien des Kaiserreiches: Erfahrungen und Selbsterkenntnisse, unveröffentlichte Magisterarbeit, Historisches Seminar der Universität Leipzig, 2007. In der Magisterarbeit wurde bereits auf die meisten der in der vorliegenden Untersuchung behandelten Themenaspekte kurz eingegangen, allerdings deutlich weniger intensiv: Die Quellengrundlage bestand lediglich aus publizierten Texten, weder das umfangreiche Archivmaterial noch Tagebücher und Briefe aus Privatbesitz wurden damals einbezogen. Ausführlich: Smidt, Karen: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“. Auswanderung, Leben und soziale Konflikte deutscher Frauen in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1884-1920. Eine sozial- und frauengeschichtliche Studie, Magdeburg 1995.

1. F ORSCHUNGSHINTERGRUND | 17

schaftlichen Erwartungen und der Agitation der kolonialen Frauenbewegung zu erfüllen hatte. Wie sollte der spezifisch weibliche Anteil an der Kolonisierung aussehen? In wie weit die Frauen den in sie gesetzten Erwartungen vor Ort tatsächlich gerecht wurden, wird anhand der Rekonstruktion ihres Alltagslebens in den SüdseeKolonien deutlich. Da bisher über das Leben der deutschen Frauen dort kaum etwas bekannt ist, wird hier ausführlich auf verschiedene Aspekte des Alltags eingegangen. Dabei soll die Frage beantwortet werden, in wie weit sich die Lage der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien von ihrer Situation in der Heimat unterschied, ob sich ihre Stellung in Gesellschaft und Paarbeziehung änderte und ob sich ihnen womöglich in den Kolonien größerer Spielraum zur Emanzipation bot. Schließlich versprach die koloniale Agitation den Frauen in den Kolonien eine geachtetere Stellung als in der Heimat, ein besonderes partnerschaftliches Verhältnis zwischen Eheleuten und die Möglichkeit zum Aufbau einer neuen Existenz.6 Bei der Untersuchung des Alltagslebens der deutschen Frauen in den Kolonien werden diese nach ihren verschiedenen Berufen, beziehungsweise nach Beruf ihres Ehemannes getrennt beleuchtet. Eine Besonderheit der vorliegenden Arbeit liegt darin, dass sowohl Krankenschwestern, Lehrerinnen und andere alleinstehende Frauen, Ehefrauen von Beamten und Privatleuten, als auch katholische und evangelische Missionsangehörige in die Untersuchung einbezogen werden. Zudem werden auch Reisende berücksichtigt, die sich nur vorübergehend in den Südsee-Kolonien aufhielten. Die meisten bisher zu Frauen in den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten erschienen Studien widmen sich entweder nur den weiblichen Missionsangehörigen (meist einer bestimmten Mission) oder nur den übrigen Frauen. Da jedoch das Quellenmaterial zu den Südsee-Kolonien weniger umfangreich als beispielsweise zu „Deutsch-Südwestafrika“ ist, erschien es hier möglich, diese beiden Seiten einzubeziehen. So konnten die Erfahrungen unterschiedlichster Frauen in die Untersuchung einfließen, wobei auf die zahlreichen einzelnen Missionen selbstverständlich nicht so detailliert und tiefgehend eingegangen werden konnte wie in einer missionshistorischen Studie. Doch das ist auch gar nicht das Ziel der vorliegenden Arbeit. Vielmehr soll ein Gesamtbild des deutschen Frauenlebens in der Südsee entworfen werden, wozu nun einmal sowohl die Missionsangehörigen als auch die übrigen Frauen gehören, die überdies mancherorts in Beziehung zueinander traten und viele Erfahrungen miteinander teilten. Der Einbezug dieser beiden Seiten bringt zudem den großen Vorteil mit sich, dass zwischen ihnen bisher nicht möglich gewesene Vergleiche gezogen werden können. So kann das besondere Verhältnis zwischen den weiblichen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung analysiert und später den Beziehungen zwischen den übrigen deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung gegenüber gestellt werden. Die Untersuchung dieser Be6

Vgl. Kapitel 4.1.1 u. 11.2.

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gegnungen, bei denen in unterschiedlichen Kontaktsituationen völlig verschiedene Kulturen aufeinander trafen, stellt das Herzstück der Arbeit dar. Besonderes Augenmerk wird in diesem Zusammenhang auch auf deutsch-indigene Paarbeziehungen und deren Auswirkung gelegt. Wo immer die Quellen diese Möglichkeit zulassen, soll auch die Perspektive der indigenen Bevölkerung einbezogen werden.7 An dieser Stelle muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass die vorliegende Untersuchung eine lokale Differenzierung verlangt: In den thematisierten Gebieten lebte eine kaum überschaubare Zahl von verschiedenen Ethnien, die teilweise stark voneinander abweichende Sozialsysteme und Bräuche hatten und unterschiedlich auf die Kolonisierung und Missionierung reagierten. Daher können keine Erkenntnisse über die indigene Bevölkerung der Südsee-Kolonien im Allgemeinen gewonnen werden. Eine solche homogene Gesellschaft existierte dort nicht. Die Aussagekraft der Ergebnisse beschränkt sich daher nur auf das jeweils thematisierte Gebiet. Berücksichtigt werden konnten naturgemäß nur solche Regionen, in denen deutsche Frauen lebten, die darüber auch Bericht erstatteten. Es wurde also eine vom Quellenmaterial abhängige Konzentration auf Teilgebiete der Südsee-Kolonien und ihre Bewohner vorgenommen, wobei jeweils aus dem Text zu erkennen ist, um welche Region es sich handelt. Aus den Ergebnissen der Quellenanalyse soll hervorgehen, in wie weit das Urteil der deutschen Frauen über die jeweilige indigene Bevölkerung von den Stereotypen beeinflusst war, die den kolonialen Diskurs im Kaiserreich prägten. Führten die eigenen Erfahrungen, die die Frauen in den Kolonien machten, zu einer Revision von möglicherweise bestehenden Vorurteilen? Gaben sie pauschale Urteile über die damals sogenannten „Eingeborenen“ ab oder kamen sie zu individuellen Einschätzungen? Nicht zu Letzt stellte sich bei der Analyse der Beziehungen auch die Frage, ob und in wie fern beide Seiten von der Begegnung mit der jeweils anderen Kultur geprägt wurden. Fand eine gegenseitige Beeinflussung statt? Die vorliegende Arbeit möchte Antworten auf diese Fragen geben und so ein Gesamtbild vom Leben und Wirken deutscher Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs erstellen. Zusammenfassend lauteten die wichtigsten erkenntnisleitenden Forschungsfragen bei der Recherche und Quellenanalyse: 1. Aus welchen Motiven hielten sich deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs auf? 2. Welche Erwartungen wurden in die ausreisenden Frauen gesetzt und inwieweit erfüllten sie diese in den Kolonien tatsächlich? 3. Wie gestaltete sich der Alltag der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien und welchen Tätigkeiten gingen sie nach? 7

Auf die Problematik der dürftigen Quellenlage die indigene Perspektive betreffend wird in Kapitel 1.4 eingegangen.

1. F ORSCHUNGSHINTERGRUND | 19

4. Änderte sich die soziale Stellung der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien im Vergleich zum Mutterland? 5. Inwieweit gestaltete sich das Geschlechterverhältnis zwischen deutschen Frauen und deutschen Männern in den Südsee-Kolonien anders als im Kaiserreich – bot sich den Frauen in der Fremde ein größerer Emanzipationsspielraum? 6. Wie gestaltete sich der Kontakt zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung und welche Beziehungen entwickelten sich? Welche Auswirkungen hatten diese Begegnungen?

1.2 F ORSCHUNGSSTAND Die akademische Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit in der Südsee begann erst in den 1970er Jahren, da sich bis dahin das Interesse der Forschung primär auf die großen Kolonialmächte England und Frankreich erstreckt hatte. Bezüglich der deutschen Kolonialgeschichte konzentrierte man sich lange ganz auf die Kolonien in Afrika. Die deutsche Vergangenheit der Südsee hingegen galt lange als „sträflich vernachlässigt“.8 Unter den Ende der 70er Jahre entstandenen Studien zur deutschen Südseegeschichte sind die Aufsatzsammlung Germany in the Pacific and the Far East von John Moses und Paul Kennedy aus dem Jahr 1977 und die Monografie von Peter Hempenstall Pacific Islanders under German Rule von 1978 hervorzuheben.9 An deutschsprachiger Literatur zu diesem Thema stand die Arbeit von Wolfgang Treue über Die Tätigkeit der Jaluit-Gesellschaft auf den Marshall-Inseln von 1976 lange alleine.10 Im Jahr 1982 wurde New Guinea under the Germans, eine allgemeine Geschichte Deutsch-Neuguineas, von Stewart Firth veröffentlicht.11 Vier Jahre später legte Malama Meleisea mit The Making of Modern Samoa eine Geschichte Samoas aus samoanischer Sicht vor.12 1990 erschien von Gerd Hardach eine Geschichte der Marianen unter deutscher Herrschaft, 1991 eine kolonialge-

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Sack, Peter: Zum Vorwort der englischen Originalausgabe, in: Hahl, Albert: Gouverneursjahre in Neuguinea. Überarbeitete Neuauflage. Herausgegeben von Wagner, Wilfried, Hamburg 1997, S. VIII-XIII, hier S. VIII. 9 Moses, John A. / Kennedy, Paul M. (Hrsg.): Germany in the Pacific and Far East, 18701914, St. Lucia / Queensland 1977; Hempenstall, Peter: Pacific Islanders under German Rule. A study in the meaning of colonial resistance, Canberra 1978. 10 Treue, Wolfgang: Die Jaluit-Gesellschaft auf den Marshall-Inseln 1887-1914. Ein Beitrag zur Kolonial- und Verwaltungsgeschichte in der Epoche des Deutschen Kaiserreiches, Berlin 1976. 11 Firth, Stewart: New Guinea under the Germans, Carlton 1982. 12 Meleisea, Malama: The Making of Modern Samoa. Traditional authority and colonial administration in the history of Western Samoa, Suva 1987.

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schichtliche Fallstudie über die Karolinen-Inseln in deutscher Zeit von Helmut Christmann, Peter Hempenstall und Dirk Ballendorf, 1995 Hermann Hierys Das Deutsche Reich in der Südsee.13 Im Jahr 2001 gab dieser ein Handbuch über die deutsche Südsee heraus, das ein unverzichtbares Nachschlagewerk für verschiedenste Aspekte der deutschen Vergangenheit der Südseegebiete ist.14 Momentan wird es für eine Neuauflage überarbeitet. Seit 2002 erscheinen in der ebenfalls von Hiery herausgegebenen Reihe Quellen und Forschungen zur Südsee wissenschaftliche Untersuchungen zu verschiedenen die Südsee betreffenden Themen und edierte Quellen, wie etwa die für die vorliegende Arbeit wichtigen Tagebücher der Missionarsfrauen Johanna Diehl und Johanna Fellmann, die 2005 und 2009 veröffentlicht wurden.15 2011 unternahm Johannes Voigt den Versuch, einen Überblick über die Geschichte Australiens und Ozeaniens zu geben, wobei er allerdings die deutsche Kolonialzeit auf nur wenigen Seiten abhandelte.16 In Hermann Mücklers 2012 erschienenem Buch Kolonialismus in Ozeanien stellen die deutschen Aktivitäten zwar ebenfalls nur ein Unterkapitel dar, werden aber ausführlicher als bei Voigt behandelt.17 Zudem werden sie hier in einem Zusammenhang mit anderen kolonialen Themen und dem Vorgehen der übrigen Kolonialmächte im Pazifik in Zusammenhang gestellt, was interessante Vergleichsmöglichkeiten eröffnet. Auch wenn insgesamt zu konstatieren ist, dass die historische Aufarbeitung der deutschen Präsenz in der Südsee zunimmt, so stehen die Veröffentlichungen zu diesem Thema doch immer noch weit hinter den Untersuchungen zur Kolonialzeit in 13 Hardach, Gerd: König Kopra. Die Marianen unter deutscher Herrschaft 1899-1914, Stuttgart 1990; Christmann, Helmut / Hempenstall, Peter / Ballendorf, Dirk A.: Die Karolinen-Inseln in deutscher Zeit. Eine kolonialgeschichtliche Fallstudie, Münster 1991; Hiery, Hermann J.: Das Deutsche Reich in der Südsee (1900-1921). Eine Annäherung an die Erfahrungen verschiedener Kulturen, Göttingen 1995. 14 Hiery, Hermann J.: Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001. 15 Klein, Dieter (Hrsg.): Jehova se nami nami. Die Tagebücher der Johanna Diehl. Missionarin in Deutsch-Neuguinea 1907-1913, Wiesbaden 2005; Fellmann, Ulrich (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel. Tagebücher der Missionarsfrau Johanna Fellmann aus Deutsch-Neuguinea 1896-1903, Wiesbaden 2009. 16 Im Personenregister tauchen nicht einmal die langjährigen deutschen Gouverneure Albert Hahl und Wilhelm Solf auf, wohingegen sowohl der Missionar Johann Flierl als auch der Maler Emil Nolde genannt werden. Generell ist die Auswahl und Gewichtung der Themen dieses Buches oft nicht nachvollziehbar. Dessen Gliederung ist zudem sehr verwirrend: Mal wird Ozeanien unterteilt in Melanesien, Neuseeland und Hawaii, mal in Melanesien, Polynesien, Hawaii und Mikronesien, mal nur in Melanesien und Polynesien, dann wieder ist „übriges Ozeanien“ ein Unterpunkt von Neuseeland; siehe Voigt, Johannes: Geschichte Australiens und Ozeaniens. Eine Einführung, Köln 2011. 17 Mückler, Hermann: Kolonialismus in Ozeanien. Kulturgeschichte Ozeaniens, Band 3, Wien 2012.

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Afrika zurück. Zudem haben alle genannten Werke eines gemeinsam: Frauen tauchen darin entweder gar nicht auf oder werden nur flüchtig erwähnt. „Das deutsche Kolonialzeitalter erscheint in der wissenschaftlichen Diskussion vorwiegend als eine Geschichte, die von Männern bestimmt wurde. Der Anteil der Frauen an der kolonialen Sozialgeschichte wurde bisher von der deutschen Historiographie vernachlässigt“, schrieb die Historikerin Karen Smidt 1995.18 Fast zwanzig Jahre später ist immerhin festzustellen, dass das wissenschaftliche Interesse am weiblichen Anteil der deutschen Kolonialgeschichte unter dem Einfluss der Postcolonial Studies19 und im Zuge des Aufblühens der historischen Frauen- und Geschlechtergeschichte zugenommen hat. In den von den postkolonialen Theorien beeinflussten neueren Forschungsarbeiten zur Kolonialgeschichte ist die Relevanz der Geschlechterfrage mittlerweile weitestgehend anerkannt.20 Wird auf den weiblichen Anteil an der Kolonisation genauer eingegangen, handelt es sich jedoch um Einzelstudien, während Frauen in allgemeinen kolonialgeschichtlichen Abhandlungen immer noch höchstens marginal vertreten sind.21 Gründe für die späte und nach wie vor mangelhafte wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Thema sind zum einen in der Tatsache zu suchen, dass deutlich weniger Frauen als Männer in die Kolonien ausreisten, was besonders auf die Südseegebiete zutrifft. Dies verdeutlicht die folgende Übersicht:

18 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 282; vgl. Dietrich, Anette: Weiße Weiblichkeiten. Konstruktionen von „Rasse“ und Geschlecht im deutschen Kolonialismus, Bielefeld 2007, S. 8: „Der Zusammenhang zwischen der ersten Frauenbewegung und dem Kolonialismus ist wenig erforscht, da die europäische Kolonialgeschichte bis vor kurzem als eine männliche Eroberungsgeschichte galt [...].“ Auch in einem Forschungsüberblick zu Frauen und Kolonialismus von 2009 heißt es: „Zudem ist die deutsche Kolonialgeschichte in erster Linie als Geschichte von weißen Männern konstruiert und geschrieben worden [...]“, siehe: Gippert, Wolfgang: Frauen und Kolonialismus. Einblicke in deutschsprachige Forschungsfelder, in: Ariadne. Forum für Frauenund Geschlechtergeschichte, Heft 56, Nov. 2009, S. 6-13, hier S. 6. 19 Zu Inhalten und Wirkungen der Postcolonial Studies siehe Kerner, Ida: Postkoloniale Theorien zur Einführung, Hamburg 2012; Castro Varela, Maria do Mar / Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung, Bielefeld 2009; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 25-39. 20 vgl. Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 13; vgl. Gippert, W.: Frauen und Kolonialismus, S. 6. 21 So tauchen etwa in dem jüngst erschienenen, oben genannten Buch Kolonialismus in Ozeanien von Hermann Mückler die weiblichen Vertreter der Kolonialmächte nicht auf.

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Tab. 1: Anzahl der Deutschen über 15 Jahre in den Südsee-Kolonien des Deutschen Reiches (Stand: 1. Januar 1913)22

Deutsch-Neuguinea (altes Schutzgebiet) Mikronesien Samoa Deutsche Südsee

Männer 514

Frauen 164

Gesamt 678

192 222 928

53 63 280

245 285 1208

Insgesamt gab es also selbst in der Schlussphase der deutschen Herrschaft nur 280 deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien, denen mehr als dreimal so viele Männer gegenüberstanden. Zum anderen wurden Frauen zur damaligen Zeit in eine passive, häusliche Rolle gedrängt, so dass sie sehr selten als Entscheidungsträger und selbstständig Agierende in den Quellen auftauchen. Frauen hatten keinen Einfluss auf die Kolonialpolitik, errangen keine militärischen Siege, leiteten bis auf sehr wenige Ausnahmen weder Pflanzungen noch Expeditionen und beteiligten sich nicht am Phosphatabbau. Hinzu kommt, dass Frauen wesentlich seltener als Männer ihre Erlebnisse und Erfahrungen in der Fremde zu Papier gebracht haben.23 Der sich aus diesen Gründen ergebene Mangel an Quellen ist ein weit verbreitetes Problem bei der Erforschung von Frauengeschichte.24 Allerdings kommt bei genaueren Nachforschungen oft noch einiges Quellenmaterial von und über Frauen ans Licht, das bisher einfach übergangen wurde, wie auch bei der Recherche zur vorliegenden Arbeit deutlich wurde.25 Mit der Rolle der deutschen Frauen in den Kolonien des Kaiserreichs setzte sich in Deutschland als eine der ersten Martha Mamozai 1982 in ihrem Buch Herrenmenschen. Frauen im deutschen Kolonialismus auseinander, das 1989 unter dem Titel Schwarze Frau, weiße Herrin erschien.26 Sie legte den regionalen Schwer22 Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und in der Südsee 1912/13, Amtliche Jahresberichte, Berlin 1914, Statistischer Teil, S. 30-35. 23 Vgl. Pytlik, Anna: Die schöne Fremde – Frauen entdecken die Welt, Stuttgart 1991, S. 96; Hagemann, Karen: „Ich glaub’ nicht, daß ich Wichtiges zu erzählen hab’...“. Oral History und historische Frauenforschung, in: Vorländer, Herwart (Hrsg.): Oral History. Mündlich erfragte Geschichte, Göttingen 1990, S. 29-48, hier S. 33. 24 Vgl. Mamozai, Martha: Schwarze Frau, weiße Herrin. Frauenleben in den deutschen Kolonien, Reinbek bei Hamburg, 1989, S. 170. 25 Vgl. Kapitel 1.3. 26 Mamozai, Martha: Herrenmenschen. Frauen im deutschen Kolonialismus, Reinbek bei Hamburg 1982; vgl. auch Dies.: Einheimische und „koloniale“ Frauen, in: BechhausGerst, Marianne / Leutner, Mechthild (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, Berlin 2009, S. 14-30.

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punkt auf die Kolonien in Afrika und widmete sich thematisch vor allem dem Verhältnis zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung. Dabei argumentierte sie mitunter sehr einseitig, um zu belegen, dass sich weiße Frauen sowohl als „Komplizinnen“ ihrer gewalttätigen Männer als auch eigenverantwortlich der rassistischen (Mit-)Täterschaft bei Misshandlungen der indigenen Bevölkerung schuldig machten. In ähnlich ausgerichteten Untersuchungen wurde Mamozais Buch trotz dessen eher polemischen als wissenschaftlichen Charakters immer wieder aufgegriffen.27 Deutlich gewinnbringender für die vorliegende Arbeit war die Auseinandersetzung mit Karen Smidts Dissertation „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“ von 1995.28 Auf umfangreicher Quellenanalyse beruhend wurde hier erstmals ausführlich die Geschichte der deutschen Frauen nachgezeichnet, die sich in der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ niederließen, wobei auf der Suche nach den Ausreisemotiven auch die koloniale Frauenbewegung im Kaiserreich aufgearbeitet wurde. Mit dieser setzte sich auch Lora Wildentahl in German Women for Empire auseinander.29 Sie geht auf verschiedene Strömungen und Ziele innerhalb der kolonialen Frauenbewegung ein und spannt dabei den Bogen von den 1880er Jahren bis zur Weimarer Republik und dem Nationalsozialismus. Die Südsee-Kolonien spielen dabei auch bei ihr kaum eine Rolle. Unter dem Einfluss der aus der angloamerikanischen Wissenschaft kommenden Gender Studies und Critical Whiteness Studies30 rückte in den letzten Jahren das Themenfeld „Rasse und Geschlecht“ stärker ins Interesse der Forschung, was auch für die Aufarbeitung des Kolonialismus wichtige Impulse lieferte.31 Birthe Kundrus bereicherte die Auseinandersetzung mit der Geschlechterdimension der deutschen 27 Beispielsweise Gränzer, Sieglinde: Die deutsche Frau in den Kolonien. Erzieherin der heidnischen Frauenwelt und Trägerin deutscher Zucht und Sitte, in: Hinz, Manfred / Patemann, Heldgard / Meier, Arnim (Hrsg.): Weiss auf schwarz. Kolonialismus, Apartheid und afrikanischer Widerstand, Berlin 1986², S. 110-113; Engelhardt, Kerstin: Weiße deutsche Frauen. Kolonialistinnen in der Vergangenheit, Rassistinnen in der Gegenwart. Das Beispiel Namibias, in: Hügel, Ika u.a. (Hrsg.): Entfernte Verbindungen. Rassismus, Antisemitismus, Klassenunterdrückung, Berlin 1993, S. 118-137. 28 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“. 29 Wildenthal, Lora: German Women for Empire, 1884-1945, Durham / London 2001. 30 Zu Inhalten und Wirkung der Critical Whiteness Studies siehe: Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 40-49. 31 Vgl. beispielsweise Gouda, Frances: Das „unterlegene“ Geschlecht der „überlegenen“ Rasse. Kolonialgeschichte und Geschlechterverhältnisse, in: Schissler, Hanna (Hrsg.): Geschlechterverhältnisse im historischen Wandel, Frankfurt a.M. 1993, S. 185-203; Walgenbach, Katharina: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“. Koloniale Diskurse über Geschlecht, „Rasse“ und Klasse im Kaiserreich, Frankfurt a.M. 2005; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten.

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Kolonialgeschichte seit Ende der 1990er Jahre mit mehreren wichtigen Beiträgen, wobei sie einen Schwerpunkt auf kulturgeschichtliche und rassenpolitischen Fragen legte.32 Katharina Walgenbach übertrug in ihrer 2005 erschienenen Untersuchung „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“ den Forschungsansatz der Critical Whiteness Studies auf die kolonialen Diskurse über Geschlecht, „Rasse“ und Klasse im Kaiserreich.33 Die Zeitschrift Kolonie und Heimat, die auch für die vorliegende Arbeit eine wichtige Quelle darstellt, bildet dabei Walgenbachs wichtigste Textbasis für die Diskursanalyse. Ebenfalls mit den Kategorien Whiteness und Gender im Kolonialismus befasst sich Anette Dietrichs Arbeit Weiße Weiblichkeiten von 2007, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass sie die Schnittstellen und argumentativen Verbindungen von kolonialer und frauenrechtlicher Politik herausarbeitet und die Verknüpfungen von Emanzipationskonzepten und Geschichte des Rassismus aufzeigt.34 Inhaltlich bietet die Studie indes wenig Neues. Zudem werden auch hier fast ausschließlich die deutschen Kolonien in Afrika einbezogen, ohne dass dies bei verallgemeinernden Aussagen über „Frauen in den Kolonien“ immer deutlich gemacht würde. Dass in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem weiblichen Anteil an der Kolonialgeschichte die Südseegebiete nach wie vor kaum berücksichtigt werden, hat auch der 2009 erschienene Sammelband Frauen in den deutschen Kolonien gezeigt, der sich vorwiegend mit der Geschichte von Frauen in China und Afrika befasst.35

32 Vgl. beispielsweise Kundrus, Birthe: „Weiß und herrlich“. Überlegungen zu einer Geschlechtergeschichte des Kolonialismus, in: Friedrich, Annegret u.a. (Hrsg.): Projektionen. Rassismus und Sexismus in der visuellen Kultur, Marburg 1997, S. 41-50; Dies.: Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Kolonialismus, Frankfurt a.M. 2003; Dies.: Moderne Imperialisten. Das Kaiserreich im Spiegel seiner Kolonien, Köln 2003; Dies.: Weiblicher Kulturimperialismus. Die imperialistischen Frauenverbände des Kaiserreiches, in: Conrad, Sebastian / Osterhammel, Jürgen (Hrsg.): Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871-1914, Göttingen 2004, S. 213-235; Dies.: „Die Farbe der Ehe“. Zur Debatte um die kolonialen Mischehen im Kaiserreich, in: Ernst, Waltraud / Bohle, Ulrike (Hrsg.): Geschlechterdiskurse zwischen Fiktion und Faktizität, Hamburg 2006, S. 135-151. 33 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“. 34 Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten; vgl. Loosen, Livia: Rezension zu Anette Dietrich: Weiße Weiblichkeiten, in: Denzel, Markus A. / Dhrampal-Frick, Gita / Gründer, Horst / Hiery, Hermann u.a. (Hrsg.): Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 10, Wiesbaden 2011, S. 270-273. 35 Eine Ausnahme stellt dar: Loosen, Livia: „Trägerinnen deutscher Bildung, deutscher Zucht und Sitte“. Alltag und Rollenbild deutscher Frauen in den Südseekolonien des Kaiserreichs, in: Bechhaus-Gerst, M. / Leutner, M. (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, S. 40-49.

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Auf Grund der schlechten Verbindung zum extrem weit entfernten Mutterland so wie einer weit aus dünneren europäischen Besiedlung, die sich zudem in ihrer Zusammensetzung deutlich von der in den afrikanischen Kolonien unterschied,36 weisen die Südsee-Kolonien jedoch ganz andere Bedingungen als die deutschen Kolonien in Afrika auf. Diese unterschiedlichen Voraussetzungen lassen es fraglich erscheinen, ob die Befunde für Afrika generalisierend auf das gesamte deutsche Kolonialgebiet übertragen werden dürfen, wie es bisher zuweilen geschieht. Noch kann somit kein umfassendes Urteil über das Wirken der Frauen in den deutschen Kolonien gefällt werden. Hier setzt die vorliegende Arbeit an: Bisher nicht berücksichtigte Quellen wurden ausgewertet, um so eine möglichst umfassende Darstellung der zahlreichen Aspekte des Frauenlebens explizit in den deutschen SüdseeKolonien zu schaffen. Wie bereits im vorhergehenden Kapitel angekündigt, werden dabei auch weibliche Missionsangehörige einbezogen, anders als in den meisten oben genannten bisher erschienenen Einzelstudien zu deutschen Frauen in den Kolonien. Auch innerhalb der Missionsgeschichtsschreibung wurden die Frauen lange Zeit vernachlässigt. Hermann Mückler bezeichnet die Missionsgeschichte zu Recht als sehr „männerlastig“.37 Er weist darauf hin, dass zu Missionsschwestern und Missionarsfrauen deutlich weniger detaillierte biographische Daten als zu den männlichen Missionsangehörigen vorliegen. Diese unterschiedliche Quellenlage führt er darauf zurück, dass die kirchliche Administration wohl den männlichen Missionaren mehr Aufmerksamkeit schenkte und daher die Aufzeichnungen zu den weiblichen Missionsmitgliedern nicht mit der gleichen Akribie führte und bewahrte. Dennoch lässt sich in den betreffenden Missionsarchiven breites Quellenmaterial auch zu den weiblichen Missionsangehörigen finden, das sich bei den Missionarsfrauen allerdings häufig in den Akten ihrer Ehemänner „versteckt“ und bisher zu großen Teilen unbeachtet blieb.38 Auch der umfangreichen Korrespondenz der katholischen Schwestern wurde lange Zeit wenig Interesse zu teil.

36 Vgl. Kapitel 11.1. 37 Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 109. Zur dürftigen Forschungs- und Quellenlage hinsichtlich der weiblichen Missionsangehörigen siehe auch: Eckl, Andreas: Grundzüge einer feministischen Missionsgeschichtsschreibung. Missionarsgattinnen, Diakonissen und Missionsschwestern in der deutschen kolonialen Frauenmission, in: Bechhaus-Gerst, M. / Leutner, M. (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, S. 132. 38 So findet man beispielsweise in den Akten der Neuendettelsauer und der Rheinischen Missionare zwischen deren Berichten und Briefen häufig auch Schreiben ihrer Ehefrauen.

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In den letzten Jahren wurde die Rolle von Frauen in der Mission jedoch verstärkt untersucht.39 Zunächst wurde dieser Thematik vor allem im englischsprachigen Raum nachgegangen, wobei die Forschungen von Bronwen Douglas, Diane Langmore, Patricia Grimshaw und Margaret Jolly auf diesem Gebiet besonders hervorzuheben sind.40 Sie berücksichtigten allerdings nicht die in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehenden deutschen Frauen in den betreffenden Gebieten. Nancy Lutkehans hingegen, die sich ebenfalls mit der Geschlechterdimension der Missionsgeschichte auseinandersetzt, hat in einem 1999 erschienenen Beitrag die Steyler Missionsschwestern in Deutsch-Neuguinea thematisiert.41 Im deutschsprachigen Raum wurde als erstes und besonders intensiv die Situation von weiblichen Angehörigen der Basler Mission untersucht: Den Anfang machte Simone Prodolliet 1987 mit der Monografie Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber, in der die Verfasserin dem Export des europäischen Frauenideals in die Kolonien durch die Basler Mission nachgeht.42 1994 erschien Erlitten und erstritten. Der Befreiungsweg von Frauen in der Basler Mission 1816-1966 von Waltraud Haas, 2001 folgte Missionsbräute. Pietistinnen des 19. Jahrhunderts in der Basler Mission von Dagmar Konrad, vier Jahre später die Arbeit Frauenmission und Frauenemanzipation von Christine Keim.43 Die Basler

39 Vgl. van der Heyden, Ulrich: Aktuelle missionsgeschichtliche Forschungen zu Mission und direkter Kolonialherrschaft im deutschen Kolonialimperium 1884/85-1918/19, Berlin 2010, S. 66. 40 Vgl. beispielsweise Langmore, Diane: Missionary Lives. Papua 1874-1914, Honolulu 1989; Dies.: A neglected force. White women missionaries in Papua 1874-1914, in: Journal of Pacific History, Vol. 17/3, 1982, S. 138-157; Grimshaw, Patricia: Missions, Colonialism and the Politics of Gender, in: Barry, Amanda / Cruickshank, Joanna / BrownMay, Andrew / Grimshaw, Patricia (Hrsg.): Evangelists of Empire? Missionaries in Colonial History [online], University of Melbourne eScholarship Research Centre, Melbourne 2008; Dies.: Paths of Duty. American missionary wives in ninteenth-century Hawaii, Honululu 1989; Jolly, Margaret: „To Save the Girls for Brighter and Better lives“. Presbyterian Missions and Women in the South of Vanuatu, in: Journal of Pacific History, Vol. 26, 1991, S. 27-48; Douglas, Bronwen: Encounters with the Enemy? Academic Readings of Missionary Narratives on Melanesians, in: Comparative Studies in Society and History, Vol. 43/1, 2001, S. 37-64. 41 Lutkehaus, Nancy C.: Missionary Maternalism. Gendered images of the Holy Spirit Sisters in Colonial New Guinea, in: Huber, Mary T. / Lutkehaus, Nancy C. (Hrsg.): Gendered Missions. Women and Men in Missionary Discourse and Practice, Michigan 1999, S. 207-235. 42 Prodolliet, Simone: Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber. Die Basler Frauenmission und der Export des europäischen Frauenideals, Zürich 1987. 43 Haas, Waltraud C.: Erlitten und erstritten. Der Befreiungsweg von Frauen in der Basler Mission 1816-1966, Basel 1994; Konrad, Dagmar: Missionsbräute. Pietistinnen des 19.

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Mission war zwar nicht in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs tätig, doch können diese Veröffentlichungen auch für die Auseinandersetzung mit den dort stationierten deutschen Missionen interessante Impulse und Vergleichsmöglichkeiten bieten. Dasselbe gilt etwa für die Monografie von Annemarie Töpperwien über Rheinische Missionarsfrauen in Indonesien.44 Erst in jüngster Zeit rückten auch weibliche deutsche Missionsangehörigen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs ins Blickfeld: 2012 erschien die Monografie Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea von Tanja Hammel.45 Wichtigste Quellen zu den deutschen Frauen sind hier die Tagebücher der Missionarsfrauen Johanna Fellmann, Justine Vetter und Johanna Diehl, die auch für die vorliegende Untersuchung ausgewertet wurden. Insgesamt bleibt Hammels Quellenbasis schmal, angesichts der Tatsache, dass die Monografie eine überarbeitete Masterarbeit darstellt, ist sie dennoch erstaunlich umfangreich und bietet einen interessanten Einblick in ein bis dato kaum untersuchtes Forschungsthema. Die von Hammel thematisierte Neuendettelsauer Missionarsfrau Vetter ist auch eine der Frauen, die in Mi stori. Frauen erzählen Geschichte vorgestellt werden, das ebenfalls 2012 erschien.46 Hier wurde von Seiten der Mission die Initiative ergriffen, einen „Beitrag dazu [zu] leisten, die Randständigkeit von Frauen in der Missionsgeschichtsschreibung und die Marginalisiserung der Frauengeschichsschreibung überhaupt zu überwinden“.47 Die Veröffentlichung stützt sich zwar überwiegend auf Quellen aus dem Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau, hat allerdings einen weniger akademischen Charakter: „Die Ich-Form, in der die meisten Biografien dargestellt sind, ist fingiert und dem Charakter der Veröffentlichung als Erzählbuch geschuldet“, schreibt die Herausgeberin im Vorwort.48 Das Buch ist dennoch gut geeignet, um sich einen einen ersten Eindruck vom Alltag der Frauen in der Mission und der Bandbreite ihrer Lebenswege zu verschaffen.

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Jahrhunderts in der Basler Mission, Münster 2001; Keim, Christine: Frauenmission und Frauenemanzipation. Eine Diskussion in der Basler Mission im Kontext der frühen ökumenischen Bewegung (1901-1928), Münster 2005. Töpperwien, Annemarie: Seine „Gehülfin“. Wirken und Bewährung deutscher Missionarsfrauen in Indonesien 1865-1930, Köln 2004². Hammel, Tanja: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, 1884-1914, Hamburg 2012. Jahnel, Claudia (Hrsg.): Mi stori. Frauen erzählen Geschichte, Neuendettelsau 2012; darin zu Missionarsfrau Vetter: Becker, Annegret: Justine Wilhelmine Caroline Vetter, geb. Schmidt. Im Fieberland, S. 54-63. Ebd., S. 11. Ebd.

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Im Jahr 2013 erschien Sisters Crossing Boundaries. German Missionary Nuns in Colonial Togo and New Guinea, 1897-1960 von Katharina Stornig.49 Die Verfasserin bezieht sich in dieser Monografie, bei der es sich um ihre leicht abgewandelte Dissertation handelt, auf die Steyler Missionsschwestern. Stornigs gründliche Analyse der in den Archiven des Ordens lagernden Schriftzeugnisse konnte für die vorliegende Studie immer wieder ergänzend herangezogen werden. Stornig und Hammel, die bisher offenbar die einzigen sind, die ausführlich das Leben deutscher Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs untersucht haben, beziehen sich allerdings jeweils nur auf eine Teilregion der Kolonien und eine eng begrenzte Frauengruppe. Bisher gibt es keine Untersuchungen zu deutschen weiblichen Angehörigen der übrigen in den verschiedenen deutschen Südsee-Kolonien vertretenen Missionen. Auch zu den meisten anderen Frauengruppen, die in der vorliegenden Arbeit thematisiert werden, ist nichts oder kaum etwas veröffentlicht worden. So gibt es zu den Krankenschwestern vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien zwar eine medizinhistorische Doktorarbeit von 1986, diese hat jedoch einige Quellen nicht berücksichtigt, enthält Ungenauigkeiten und Fehler und geht nicht ausführlich auf die Situation in den Südsee-Kolonien ein.50 Dort lebende Ehefrauen von Beamten, Pflanzern und anderen Privatleuten, Lehrerinnen und weitere alleinstehende Frauen sowie die meisten hier einbezogenen Reisenden – bis auf Elisabeth Krämer-Bannow51 – wurden bisher noch nicht untersucht. Diese Lücken möchte die Verfasserin der vorliegenden Arbeit schließen und so die vielen Facetten des Frauenlebens in den deutschen Südsee-Kolonien aufzeigen.

49 Stornig, Katharina: Sisters Crossing Boundaries. German Missionary Nuns in Colonial Togo and New Guinea, 1897-1960, Göttingen 2013. 50 Naarmann, Bernhard: Koloniale Arbeit unter dem Roten Kreuz. „Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien“ zwischen 1888-1917, Münster 1986. 51 Pytlik, Anna: Träume im Tropenlicht. Forscherinnen auf Reisen. Elisabeth KrämerBannow in Ozeanien 1906-1910, Marie Pauline Thorbecke in Kamerun 1911-1913, Reutlingen 1997; vgl. Imsel, Freia: Kunst und Kannibalen. Elisabeth Krämer-Bannow – Ethnographin in der Südsee, in: Kokot, Waltraud (Hrsg.): Pionierinnen der Ethnologie, Trier 2002, S. 140-159; zu reisenden Frauen generell vgl.: Jedamski, Doris / Jehle, Hiltgund / Siebert, Ulla (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“. Frauenreisen – Reisefrauen. Dokumentation des interdisziplinären Symposiums zur Frauenreiseforschung, Bremen 21.-24. Juni 1993, Zürich 1994.

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1.3 Q UELLENLAGE Wie aus der Darlegung des Forschungsstandes deutlich wurde, wird in großen Teilen der vorliegenden Arbeit Neuland betreten. Über weite Strecken stand daher kaum oder keine Sekundärliteratur zur Verfügung. Dem Aufspüren und Auswerten von Quellenmaterial von und über deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs kam daher fundamentale Bedeutung zu. Ego-Dokumente von Frauen, die die betreffenden Gebiete aus eigener Anschauung kannten und ihre Erfahrungen zu Papier gebracht haben, stehen im Mittelpunkt der Untersuchung. Der Begriff „Ego-Dokument“ soll hier nach Winfried Schulze folgendermaßen definiert werden: „Es sollen darunter alle jenen Quellen verstanden werden, in denen ein Mensch Auskunft über sich selbst gibt, unabhängig davon, ob dies freiwillig – also etwa in einem persönlichen Brief, einem Tagebuch, einer Traumniederschrift oder einem autobiographischen Versuch – oder durch andere Umstände bedingt geschieht.“52

Sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht nehmen innerhalb dieser Quellengruppe Selbstzeugnisse in Form von Briefen und Tagebüchern eine besonders wichtige Stellung für die vorliegende Arbeit ein, da die Schreiberinnen hier meist unmittelbar ihre Erlebnisse und Empfindungen schilderten und so Momentaufnahmen aus ihrem Alltag lieferten.53 Die Diarien der Missionarsfrauen Johanna Diehl und Johanna Fellmann liegen ediert vor.54 Die Tagebücher der Missionarin 52 Schulze, Winfried: Ego-Dokumente: Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung „EGO-DOKUMENTE“, in: Ders. (Hrsg.): EgoDokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996, S. 11-30, hier S. 21. 53 In welchem Verhältnis die Bezeichnungen „Selbstzeugnisse“ und „Ego-Dokumente“ zueinander stehen, ist in der Forschung umstritten: Mal werden sie synonym verwendet, mal stellen Selbstzeugnisse eine spezielle Untergruppe von Ego-Dokumenten dar. Ich schließe mich dieser zweiten Auffassung an und stütze mich dabei auf Henning, Eckart: Selbstzeugnisse. Quellenwert und Quellenkritik, Berlin 2012, v.a. S. 12, 14f, 18, 28-34; vgl. zu der Diskussion auch Ulbrich, Claudia / Medick, Hans / Schaser, Angelika: Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven, in: Dies. (Hrsg.): Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven, Köln 2012, S. 1-19, hier S. 2-5. 54 Vgl. Kapitel 1.2, Fußnote 15. Kürzlich wurde auch das Tagebuch der Kaufmannsfrau Paula David veröffentlicht, die mit ihrem Ehemann zehn Jahre in Tonga und Samoa lebte. Ihr Aufenthalt in Samoa fällt allerdings in den Zeitraum bevor die Inseln deutsches Kolonialgebiet wurden (Paula David verließ Samoa bereits im Januar 1897). Zudem enthalten ihre knappen Aufzeichnungen aus dieser Zeit leider wenig für diese Arbeit brauchbare Informationen. Sehr bereichert wird der Band durch die im Anhang abge-

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Valesca Schultze und der Gouverneursfrau Johanna Solf befinden sich in Privatbesitz, ebenso wie Tagebuchfragmente und die Lebenserinnerungen der Krankenschwester Auguste Hertzer.55 Die Erinnerungen Hertzers thematisieren allerdings vor allem ihre Jugend und ihre Zeit in Deutsch-Ostafrika und liefern keine Informationen über die späteren Jahre in Neuguinea – sie geben jedoch immerhin Aufschluss über die Herkunft der Verfasserin und ihren Weg zur Tätigkeit als Krankenschwester in den Kolonien. Die Tagebuch-Fragmente stammen zwar aus ihrer Zeit in der Südsee, sind jedoch leider nur sehr knapp und unvollständig. Auch von der Ehefrau des Leiters der Neuguinea-Kompagnie, Gretel Kuhn, liegen Lebenserinnerungen in Privatbesitz vor, deren Quellenwert aber durch den sehr großen zeitlichen Abstand zwischen Kuhns Aufenthalt in Neuguinea und der Aufzeichnung ihrer Erinnerungen gemindert wird:56 Kuhn sprach diese erst über 50 Jahre nach ihrer Abreise aus dem ehemals deutschen Kolonialgebiet auf Tonband, welches einige Jahre später von ihrer Tochter transkribiert wurde. Nach diesen langen Jahren erinnerte sich Kuhn nicht mehr an alles korrekt, wie sie selbst zu Beginn der Aufzeichnungen zugab, und es besteht zudem die Gefahr, dass sie das Erlebte in der Retrospektive idealisierte.57 Dennoch wurden ihre Erinnerungen in die vorliegende Untersuchung einbezogen, da sie einen interessanten Einblick in den kolonialen Alltag einer gut situierten deutschen Frau in Neuguinea geben und besonders in Bezug auf die Kriegsjahre unter australischer Besatzung aufschlussreich sind. Die vorhergehenden quellenkritische Bemerkungen sollten jedoch nicht in Vergessenheit geraten, wenn diese Aufzeichnungen herangezogen werden. Freundlicherweise wurden die genannten Tagebücher und Lebenserinnerungen von ihren jetzigen Besitzern der Verfasserin der vorliegenden Arbeit zur Auswertung überlassen. Ebenso großzügig wurden Privatbriefe der Missionarsfrauen Johanna Fellmann, Elise Pilhofer und Justine Vetter aus Familienbesitz zur Verfüdruckten Fotografien aus dem Besitz Paula Davids, die sowohl über einheimische als auch europäische Lebensweise in Tonga und Samoa Ende des 19. Jahrhunderts Aufschluss geben, siehe: Schlossmuseum Sondershausen / Bade, James N. (Hrsg.): Zehn Jahre auf den Inseln der Südsee 1887-1897. Aus dem Tagebuch der Paula David, Dresden 2011. 55 Schultze, Valesca: Tagebuch (März 1886-März 1910), in Privatbesitz von Marlies und Franz Pfeil, Quedlinburg; Solf, Johanna: Tagebuch (Sept. 1908-Sept. 1909), in Privatbesitz, Solf-Familienarchiv, Kronberg; Hertzer, Auguste: Lebenserinnerungen (drei Bände) und Tagebuch-Fragmente (Mai 1891-Jan. 1893), in Privatbesitz von Frank Reiter, Berlin. 56 Kuhn, Gretel: Erinnerungen an Rabaul (1914-1921), Tonbandbesprechung aus dem Jahr 1975, niedergeschrieben von ihrer Tochter Charlotte von Cossel, geb. Kuhn, Lüneburg 1981, in Privatbesitz von Karl Baumann, Fassberg. 57 Vgl. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 1: „An Vieles erinnere ich mich nicht mehr genau, manches kommt mir auch erst während des Besprechens des Bandes in Erinnerung. Das will ich dann nachholen.“; siehe auch: Henning, E.: Selbstzeugnisse, S. 37.

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gung gestellt; zudem Privatbriefe der Pflanzersfrau Emmy Müller an Auguste Hertzer.58 Die meisten Briefe, die für diese Arbeit ausgewertet wurden, sind jedoch solche von weiblichen Missionsangehörigen, die sich in den Archiven der jeweiligen Missionen befinden. Im Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau liegt zudem auch das Tagebuch der Missionarsfrau Justine Vetter.59 Im Zuge der Recherche wurden neben dem Archiv der Neuendettelsauer Mission das Archiv der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal-Barmen besucht, wo der Bestand der Rheinischen Mission aufbewahrt wird; außerdem das Archiv der Liebenzeller Missionsschwestern in Bad Liebenzell. In diesen Archiven konnten nicht nur Briefe, sondern teilweise auch Lebensläufe, Zeugnisse, Verträge, Personalbögen, Verlobungs- und Hochzeitsanzeigen, Nachrufe und weitere Dokumente gefunden werden, die über das Leben der Frauen Auskunft geben. Auf katholischer Seite wurde im Archiv der Missionsschwestern vom Hlst. Herzen Jesu in Hiltrup bei Münster recherchiert, außerdem mit Kopien von Briefen, Nachrufen und Chroniken aus dem Archiv der Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes (der sogenannten „Steyler Missionsschwestern“) gearbeitet.60 Welche Quellen im Einzelnen zu den Angehörigen der jeweiligen Missionsgesellschaften zur Verfügung standen, wird im Zuge von deren Vorstellung in Kapitel 4.1.3 dargelegt. Die in den Archiven lagernden Briefe der weiblichen Missionsangehörigen richteten sich in den meisten Fällen an die jeweilige Missionsleitung. So schrieben die Liebenzeller Schwestern und Missionarsfrauen beispielsweise stets an Pfarrer Coerper in Liebenzell, welcher der Mission im Untersuchungszeitraum vorstand und

58 Fellmann, Johanna: Briefe (1897-1910), zitiert aus Privatbesitz, seit 2011 befindet sich der Nachlass Fellmann im Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau. Einige Briefe und Tagebuchauszüge von Johanna Fellmann finden sich auch ediert in: Steenken, Helmuth: Die frühe Südsee. Lebensläufe aus dem „Paradies der Wilden“. Texte und Bilder zu einer multimedialen Südsee-Ausstellung, Oldenburg 1997, S. 136-218. Pilhofer, Elisabeth (Elise), geb. Flierl: Briefe (Juli 1914-Aug. 1923), in Privatbesitz von Susanne Froehlich, Ihringen; Vetter, Justine: Briefe (Feb. 1899-Dez. 1900), zitiert aus Privatnachlass Theodor Vetter, Memmingen, in Kopie zur Verfügung gestellt von Tanja Hammel, Basel. Seit 2012 befinden sich Teile des Nachlasses Vetter im Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau. Müller, Emmy: Briefe an Auguste Hertzer (Juli 1918-Dez. 1922), in Privatbesitz von Frank Reiter, Berlin. 59 AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 60 Auf einen Besuch dieses Archivs in Rom wurde verzichtet, da die genannten Quellen in Kopie vorlagen und zudem mit der im vorhergehenden Kapitel erwähnten Dissertation von Katharina Stornig erst kürzlich eine ausführliche Forschungsarbeit über die Steyler Schwestern in Neuguinea vorgelegt wurde, die für die vorliegende Arbeit genutzt werden konnte.

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schilderten ihm die Ereignisse ihres Arbeitsalltags im Missionsfeld.61 Die Neuendettelsauer Missionsgehilfinnen waren vertraglich verpflichtet, der Missionsleitung in der Heimat zweimal im Jahr über ihre Arbeit zu berichten.62 Ihre Briefe sind in der Regel an den Missionsinspektor adressiert. Die Missionarsfrauen der Neuendettelsauer und Rheinischen Mission schrieben ebenfalls häufig an den Inspektor, allerdings bestand dazu keine formale Verpflichtung, schließlich standen die Missionarsfrauen nicht in einem Vertragsverhältnis mit der Mission.63 Wie dem Quellenmaterial zu entnehmen ist, wurde von den Neuendettelsauer Missionsfrauen erwartet, dass sie Briefe an die sogenannten „Missionsfreundinnen“ sandten; manchmal werden sie auch „an das Missionskränzchen“ adressiert.64 Offensichtlich trafen sich in diesem „Kränzchen“ in Neuendettelsau regelmäßig Frauen, die sich für die Arbeit der Mission interessierten und diese unterstützen wollten. In ihren Briefen an diese Missionsfreundinnen schildern die Missionarsfrauen ihren Alltag in der Fremde, wobei sie sich meist darum bemühten, bildlich und unterhaltsam zu schreiben. Die Briefe erwecken den Eindruck, als sollten sie zu Spenden für die Mission anregen, da häufig erwähnt wurde, an was es den Missionszöglingen oder der Station grade mangelte. Zudem bedankten sich die Frauen in diesen Schreiben für Geldund Sachspenden der Missionsfreundinnen und sahen ihre Berichte offenbar als kleine Gegenleistung für diese Unterstützung an. Bei den anderen untersuchten evangelischen Missionen fand sich nichts Vergleichbares. Die katholischen Schwestern schrieben nicht nur an die „ehrwürdige Mutter“ die ihrem Mutterhaus vorstand, also dem Kloster, aus dem sie stammten, sondern verfassten auch sogenannte „Unterhaltungsbriefe“, die auch an ihre Mitschwestern im Mutterhaus gerichtet waren.65 Hier versuchten sie stets, ihren Alltag im Missionsgebiet besonders

61 Vgl. Kalmbach, Karl: Mit Gott von Mensch zu Mensch. Aus der Geschichte der Liebenzeller Mission, Lahr 1999, S. 185. 62 Vgl. Vertrag zwischen der Gesellschaft für inn. u. äuß. Mission i. S. der luth. Kirche mit Fräulein Elisabeth Markert, Neuendettelsau, 11. Nov. 1910, § 3, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. 63 Vgl. hierzu Kapitel 4.1.3 und 9.1.1. 64 Vgl. Emilie Keyßer an ein „liebes verehrtes Fräulein“ (ohne Namensnennung), Sattelberg, 30. Aug. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; siehe außerdem beispielsweise: Dies. an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 3. Juli 1912 u. Sattelberg, Okt. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1; Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; Lucie Wagner an das Missionskränzchen, Wareo, 4. Jan. 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1; Else Hoh an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 9. Jan. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.26. 65 Vgl. beispielsweise Schw. Angela an das Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; Schw.

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lustig oder spannend darzustellen. Neben den Briefen an Vorgesetzte, Mitschwestern und „Missionsfreundinnen“ fanden sich sowohl in den Akten der katholischen als auch der evangelischen Missionen immer wieder private Briefe der Missionsangehörigen an Eltern, Geschwister oder Freunde, die offenbar meist schon kurz nach ihrem Eintreffen der Missionsleitung zur Information und zur Aufbewahrung übergeben wurden.66 Manchmal wurde entsprechende Korrespondenz aber auch nachträglich durch Familienangehörige den Archiven überlassen.67 Die Nachkommen zweier Rheinischer Missionarsfamilien haben private Briefe ihrer Vorfahren ediert und gedruckt, sie allerdings nicht veröffentlicht. Diese privaten Editionen sind nun ebenfalls im Archiv der Vereinten Evangelischen Mission einzusehen.68 Bei den übrigen Briefen der evangelischen Missionsangehörigen hat man es mit – in der Regel handschriftlichen – Originalen zu tun, die in alter deutscher Kurrentschrift verfasst, viele Bögen eng beschriebenes Papier füllen. Sowohl die Briefe der Steyler Missionsschwestern als auch der Herz-Jesu-Schwestern lagen jedoch transkribiert vor. Im Archiv der letzteren in Hiltrup bestand vielfach die Möglichkeit, die Transkription mit Kopien der Originalschriftstücke zu vergleichen, wobei deutlich wurde, dass die Transkription gewissenhaft und vollständig erfolgt war. Während zu den Missionsangehörigen also in den Missionsarchiven eine Vielzahl von Quellen zur Verfügung stand, die größtenteils bisher von der Forschung ignoriert wurde, war es ungleich schwieriger, Informationen zu den übrigen deutschen Frauen zu finden, die in die Südsee-Kolonien ausreisten. Hier halfen die Bestände verschiedener Nationalarchive weiter: Im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde lagert der Bestand des Reichskolonialamtes sowie der der Deutschen Koloni-

Elisabeth an das Mutterhaus, St. Paul, 2. Mai 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet. 66 Das geht daraus hervor, dass teilweise auch Auszüge von Privatbriefen zeitnah in den Missionsorganen publiziert wurden, beispielsweise Karl Becker an seine Eltern, Truk, 30. Jan. 1915, Chinas Millionen, 16. Jg. (1915), Nr. 6, S. 140; vgl. auch Elli Arff an ihre Lieben, Bogadjim, 3. Aug. 1893, RMG 2.143: Bemerkung am oberen Briefrand: „An alle, die gerne näheres über die l.[etzten] Tage meines l.[ieben] Mannes erfahren möchten“; vgl. Elisabeta Markert an eine „liebe Freundin“ (ohne Namensnennung), ohne Ort und Datum, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. 67 Beispielsweise AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. 68 Adam, Otto (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein. Im Dienste der Rheinischen Mission. Karl Becker – Laura, geb. Schütte. Ein Missions- und Familienleben in Briefen, KreuztalBuschhütten 1994, unveröffentlicht, Bibliothek der VEM, Sig. 2-033013; Dassel, Irmgard, Ursel und Hans (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt. Briefe des Missionarsehepaares der Rheinischen Missionsgesellschaft Adolf und Bertha Dassel 1892-1898, 1998, unveröffentlicht, RMG Prov. 68.

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algesellschaft.69 Hier waren zum einen Akten zu finden, die allgemein über die Lebenssituation in den Südsee-Kolonien Aufschluss geben, etwa über die Entwicklung der Bevölkerungszahlen und der Infrastruktur, das Medizinalwesen sowie über das Verhältnis der verschiedenen Missionen zur Kolonialverwaltung.70 Außerdem wurden bedeutende Ereignisse dokumentiert, die auch Thema dieser Arbeit sind, wie etwa der Überfall auf die Missionsstation St. Paul in Neuguinea, die Einführung des sogenannten „Mischehenverbotes“ in Samoa oder große Forschungsreisen ins Kolonialgebiet.71 Die Akten der Kolonialgesellschaft enthalten zudem Informationen über die Gründung und Entwicklung des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, den Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien sowie über die Kolonialfrauenschulen in Witzenhausen und Bad Weilbach.72 Zusätzlich zu den in Berlin lagernden Akten wurden die Bestände der lokalen deutschen Kolonialverwaltung der verschiedenen Südseegebiete herangezogen. Die betreffenden Akten aus der deutschen Verwaltung Samoas lagern zu einem Großteil im neuseeländischen Nationalarchiv in Wellington, teilweise aber auch noch in Apia in Samoa. In den in Wellington eingesehenen Akten, die überwiegend aus dem Bestand „AGCA“ („Archives oft the German Colonial Administration“) stammten, konnten Anfragen und Bewerbungen von deutschen Frauen gefunden werden, die sich direkt bei der lokalen Kolonialverwaltung nach einer Anstellung in den Kolonien erkundigten.73 Zudem lagert hier die Personalakte von Ludovica Schultze, die an der Regierungsschule in Apia unterrichtete.74 Einige der Akten gaben Aufschluss über Vereine und das gesellschaftliche Leben in Samoa sowie über das Verhältnis zwischen Einheimischen und Fremden.75 Andere thematisieren die Rechtsverhältnisse der Mischlinge und Mischehen, so dass auch hier nützliches Material für das Kapitel über die sogenannte „Mischehen-Debatte“ zu finden war.76 Zudem lagern im Archiv in Wellington – wie auch im Bundesarchiv in Berlin – zahlreiche Sitzungsprotokolle des Gouvernementsrates, Firmenverzeichnisse, Jahresberichte und ähnliches, so dass sich auch außerhalb der „großen Themen“ viele nützliche kleine Details aufspüren ließen, die für die vorliegende Arbeit wertvolle Hinweise lieferten. Bis auf wenige Ausnahmen sind die in Neuseeland lagernden

69 BArch, R 1001: Bestand des Reichskolonialamtes; BArch, R 8023: Bestand der Deutschen Kolonialgesellschaft. 70 Beispielsweise BArch, R 1001/6520-6528; 2567-2573. 71 Beispielsweise BArch, R 1001/2577; 2362-2366; 2370-2380; 5431-5433a. 72 Beispielsweise BArch, R 8023/153-157 u. 159; 166, 166a u. 168; 984 u. 985; vgl. zum Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft auch BArch, R 1001/6693. 73 ANZ(W), AGCA 6051/0119. 74 ANZ(W), AGCA 6051/0141. 75 ANZ(W), AGCA 6051/0379f; 0474f. 76 ANZ(W), AGCA 6051/0407-0411.

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Schriftstücke auf Deutsch verfasst, teils hand- und teils maschinenschriftlich. Die Bestände „IT“ („Island Territories Department“) und „Samoa-BMO“ („British Military Occupation, Samoa“) enthalten Akten, die die neuseeländische Verwaltung Samoas nach der Machtübernahme bei Kriegsausbruch anlegte, wobei sie auf die deutschen Akten aufbaute und diese weiterführte, so dass auch in diesen Beständen neben englischen deutsche Akten aus weit zurückliegenden Jahren zu finden sind. Unter anderem sind hier viele Standesamtakten enthalten, in denen zahlreiche Aufgebote dokumentiert sind.77 Außerdem finden sich in den damals neu angelegten Akten der neuseeländischen Verwaltung zum Teil interessante Informationen über die verbliebenen deutschen Ansiedler und das Schicksal der bei Kriegsausbruch inhaftierten Deutschen; weiterhin Deportationslisten, in denen noch verbliebene und 1920 aus Samoa ausgewiesene Deutsche aufgelistet sind.78 Die Akten der Bestände „IT“ und „Samoa-BMO“ sind nicht wie die übrigen genannten auf Film, sondern im Original einsehbar. Ebenso stehen die in Samoa lagernden Akten aus der deutschen Zeit bisher nur im Original und in teilweise sehr schlechtem Zustand zur Verfügung, an einer Digitalisierung wird aber seit einigen Jahren gearbeitet. Für die vorliegende Untersuchung interessant waren hier vor allem die Personalakten der Beamtinnen, die als Lehrerinnen oder Sekretärinnen für das deutsche Gouvernement in Apia tätig waren.79 In diesen Akten finden sich jeweils Bewerbungsschreiben, Lebensläufe, Korrespondenz mit dem Gouvernement zu verschiedenen Themen, Anträge, Beschwerden, medizinische Gutachten, Kündigungen, etc. Auch den allgemeineren Akten zu Dienstwohnungen, Urlaubsanträgen, Heimreisen, Vergütungen der Beamten ließen sich Informationen über die Lebensumstände dieser für das Gouvernement tätigen Frauen entnehmen.80 Weiterhin waren besonders die beiden Akten zum Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien (später: Deutscher Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien) für diese Arbeit aufschlussreich.81 Zum einen fanden sich hier zahlreiche Informationen über die in Samoa tätigen Krankenschwestern, zum anderen liefern diese Schriftstücke Informationen über die Struktur, Tätigkeit und Mitglieder der Abteilung Apia des Deutschen Frauenvereins. Die Akten der lokalen Kolonialverwaltung Deutsch-Neuguineas, die heute größtenteils in den National Archives of Australia in Canberra liegen, konnten in Kopie teils im Bundesarchiv in Berlin,82 teils aus dem Privatbesitz von Professor 77 Beispielsweise ANZ(W), Samoa-BMO 470, S 8; Samoa-BMO 494, T 168/05-176/05; Samoa-BMO 495. 78 ANZ(W), IT 275, Ex 29/17, 1-3. 79 MESC(AU), S3-IG11-F3; S3-IG11-F4; S3-IG11-F9; IG10-F2-IA-62. 80 MESC(AU), S2-IG6-F1; S2-IG6-F2; S2-IG5-F3; S2-IG5-F4; IG-135-15-Vol.1-File 4. 81 MESC(AU), S15-IG86-F4, XI.6, Vol. 1; S15-IG86-F5,XI.6,Vol. 3. 82 BArch, R174F: Behörden des Schutzgebietes Deutsch-Neuguinea (Filmkopie).

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Dr. Hermann Hiery am Lehrstuhl in Bayreuth eingesehen werden.83 Es handelt sich bei den untersuchten Akten vor allem um zahlreiche Gerichtsakten der lokalen Bezirks- und Stationsgerichte. Hier wurden unter anderem Ehestreitigkeiten sowohl unter der indigenen als auch unter der europäischen Bevölkerung dokumentiert, zudem finden sich die Unterlagen zur Ermordung der deutschen Pflanzersfrau Wolff durch Einheimische in diesem Aktenbestand.84 Darüber hinaus enthalten die Akten aus Canberra auch Informationen über die mikronesischen Inseln, die zum Verwaltungsbiet „Deutsch-Neuguinea“ gehörten – etwa über die Unruhen auf Ponape im Jahr 1910.85 Insgesamt waren in diesen Akten allerdings deutlich weniger für diese Arbeit gewinnbringenden Informationen zu finden als in denjenigen, die in den Archiven in Berlin, Wellington und Apia liegen. Neben allen bisher genannten unpublizierten Quellen, die sich teils in Privatbesitz, teils in Missions- und teils in Nationalarchiven befinden, bilden auch publizierte Quellen die Basis der vorliegenden Arbeit. Besonders wichtig waren hier verschiedenen Kolonial-, Vereins- und Missionszeitschriften:86 Die Kolonialzeitschriften geben nicht nur Auskunft über wichtige Ereignisse in den verschiedenen Kolonialgebieten, sondern sie machen vor allem deutlich, welches Bild von den Kolonien und seinen Bewohnern im Deutschen Kaiserreich vorherrschte und in der Presse verbreitet wurde. Manchmal wurden hier auch Artikel abgedruckt, die deutsche Frauen über ihre Erfahrungen in den Südsee-Kolonien geschrieben hatten und die als Primärquellen für diese Arbeit herangezogen wurden. Eine besondere Bedeutung für die vorliegende Untersuchung kommt innerhalb der Kolonialzeitschriften dem Publikationsorgan des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft namens Kolonie und Heimat zu, das vor allem den spezifisch weiblichen Anteil an der Kolonisierung thematisiert und Rückschlüsse auf das Idealbild der „deutschen Kolonialfrau“ ermöglicht. Auf den Verein und die Bedeutung des Blattes wird in einem eigenen Teilkapitel eingegangen.87 Ebenso wichtig für diese Arbeit wie Kolonie und Heimat sind die Missionszeitschriften: Auch jede der in den deutschen Südseegebieten tätigen Missionen gab mindestens ein Periodikum heraus, in denen über die Missionsangehörigen und ihre Aktivitäten im Missionsfeld berichtet wurde. Besonders die in diesen Zeitschriften abgedruckten Briefe und Berichte weiblicher Missionsangehöriger aus den Südsee-Gebieten sind aufschlussreich. Allerdings

83 Hierbei handelt es sich um Akten aus den Beständen NAA, G 254: Administrative records of German New Guinea u. NAA, G 255: correspondence files, imposed number series. 84 NAA, G 255, 88: Ermordung der Frau Wolff u. Kind in Paparatava. 85 BArch, R 174F/80024. 86 Eine Auflistung aller für diese Arbeit verwendeten Periodika mit ausführlichen bibliographischen Angaben findet sich im Quellenverzeichnis im Anhang. 87 Siehe Kapitel 4.1.1.

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muss bei der Lektüre dieser Texte stets berücksichtigt werden, dass ihren Verfasserinnen bewusst war, dass sie veröffentlicht werden konnten. Rückschläge, Enttäuschungen und Kritik sind daher höchst selten in diesen Texten zu finden. Schließlich sollte für die Mission geworben und daher vor allem ihre Erfolge dargestellt werden. Das gleiche gilt im Übrigen für die Veröffentlichungen in Kolonie und Heimat, die weitere Frauen zu einer Übersiedlung in die Kolonien ermutigen sollten und daher ebenfalls in aller Regel den dortigen Alltag positiv schilderten. Auch bei der Auswertung der Vereinszeitschrift Unter dem Roten Kreuz des Deutschen Frauenvereins vom roten Kreuz für die Kolonien muss Ähnliches berücksichtigt werden.88 Die hier abgedruckten Briefe von Krankenschwestern aus ihren Einsatzgebieten sollten ebenfalls Vorgesetzte und Leser zufrieden stellen, kritische Töne waren daher nicht angebracht. Da jedoch leider kein Archiv des Vereins mehr besteht, waren diese abgedruckten Briefe und Artikel über die Aktivitäten des Frauenvereins und Tätigkeiten der Krankenschwestern eine sehr wichtige Quellenbasis, die wie oben erwähnt teilweise durch Informationen aus amtlichen Akten über den Verein und das Gesundheitswesen in den Kolonien ergänzt werden konnte. Weitere für diese Arbeit als Quelle herangezogene Periodika waren amtliche Publikationen wie das Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea und das Samoanische Gouvernementsblatt; zudem die in deutscher und englischer Sprache herausgegebene Samoanische Zeitung.89 Zu allen für die vorliegende Untersuchung verwendeten Zeitschriften und Zeitungen finden sich ausführliche bibliographische Angaben im Quellenverzeichnis im Anhang dieser Arbeit. Außerdem wird im weiteren Textverlauf auf Spezifika der einzelnen Quellen jeweils im Kontext desjenigen Themenaspekts genauer eingegangen, für den sie herangezogen wurden. Zu guter Letzt soll noch darauf hingewiesen werden, dass einige Frauen ihre Erfahrungen in den Südsee-Kolonien auch als Bücher veröffentlichten, die natürlich ebenfalls als Quellen genutzt wurden: Frieda Zieschank hat ihre Erlebnisse in dem Buch Ein Jahrzehnt in Samoa publiziert und außerdem einen Roman mit dem Titel Ein verlorenes Paradies geschrieben, der ebenfalls ihre Zeit in dieser Kolonie reflektiert.90 Auch einige der reisenden Frauen, die in dieser Arbeit thematisiert werden, haben ihre Reiseberichte in Buchform veröffentlicht.91 Da insgesamt verglichen mit „Deutsch-Südwestafrika“ kaum

88 Auch diesem Verein widmet sich ein eigenes Unterkapitel: siehe Kapitel 4.1.2. 89 Zur Samoanischen Zeitung vgl. Riese, Julius: The Samoanische Zeitung (1901-1914). Images of the Samoan People and Culture in a German Colonial Newspaper, unpublished research paper, Universität Heidelberg 2008. 90 Zieschank, Frieda: Ein Jahrzehnt in Samoa (1906-1916), Leipzig 1918; Dies.: Ein verlorenes Paradies, Leipzig 1923. 91 Krämer-Bannow, Elisabeth: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee. Wanderungen auf Neumecklenburg 1908-1909, Berlin 1916; Rechinger, Lily und Karl: Streifzüge durch

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Erinnerungsliteratur deutscher Frauen aus den Südsee-Kolonien als Quelle zur Verfügung steht, wurden ergänzend auch Publikationen von deutschen Männern herangezogen, die über ihren Aufenthalt in den Südsee-Kolonien berichteten und dabei nicht selten auch Informationen über den Alltag der Frauen in den Kolonien lieferten.92 Insgesamt zeigte sich, dass zum gewählten Thema zwar deutlich weniger Quellenmaterial zur Verfügung steht als zu „Deutsch-Südwestafrika“, schon allein weil viel weniger deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien lebten. Dennoch ist die Quellenbasis breit genug, um verschiedene Aspekte des Alltags der deutschen Frauen dort zu beleuchten. Wie oben dargelegt, ließen sich allerdings vor allem zu Frauen, die nicht im Dienst einer Institution in die Kolonien ausgereist waren, nur schwer Quellen finden. Öffentlich in Zeitschriften oder in Form von Büchern meldete sich außerdem nur eine kleines Grüppchen selbstbewusster Frauen zu Wort, die einem daher bei der Recherche immer wieder begegnen, während andere im Verborgenen bleiben. Zu den im Quellenmaterial sehr präsenten Frauen zählen beispielsweise Frieda Zieschank, Antonie Brandeis und Elisabeth Krämer-Bannow, auf die später noch ausführlich eingegangen wird. Diese wenigen Autorinnen dürfen jedoch nicht automatisch als Sprecherinnen für alle deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien verstanden werden. Sicherlich stellte sich für manche die Situation in den Kolonien anders dar, weil sie abweichende Erfahrungen machten. Durch das Hinzuziehen anderer Quellengattungen, wie etwa privater Briefe und Tagebücher, aber auch amtlicher Publikationen und Verwaltungsdokumente, sollen daher diese Einzelperspektiven in einen größeren Rahmen gestellt und durch andere Schilderungen ergänzt oder kontrastiert werden, um so möglichen Verzerrungen vorzubeugen. Da der Großteil der deutschen Frauen sich im Dienst einer der Missionen in den Südsee-Kolonien aufhielt und diese daher auch in der vorliegenden Arbeit breiten Raum einnehmen, erscheint es gerechtfertigt, dass die Berichte der Missionsangehörigen quantitativ den größten Anteil an den untersuchten Quellen haben. Neben der hohen Anzahl der Missionsangehörigen unter den Frauen ist dies auch durch die sorgsame Archivierung und damit vergleichsweise leichte Zugänglichkeit der Missionsquellen zu erklären. Der Überhang dieser Schriftzeugnisse bringt es mit sich, dass insgesamt weniger Quellen zu Samoa als zu Deutsch-Neuguinea vorliegen, wo deutsche Missionsangehörige vor allem tätig waren. Eine gewisse Unausgewogenheit der Quellenbasis dieser Arbeit ist also den historischen Gegebenheiten geschuldet. Durch Einbezug der genannten zur Verfügung stehenden Quellen unterschiedlichster Gattung, Urheberschaft und regionaler Herkunft sollen im Folgenden verDeutsch-Neuguinea und auf den Salomons-Inseln. Eine botanische Forschungsreise, Berlin 1908; Schafroth, Marie M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, Bern 1916. 92 Vgl. Verzeichnis der publizierten Quellentexte im Anhang.

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schiedene Facetten der Situation der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs gewissenhaft nachgezeichnet werden. Dabei ist der Verfasserin bewusst, dass ihre Quelleninterpretation immer nur eine Lesart von vielen möglichen ist und nur eine spezifische und vom subjektiven Standpunkt geprägte Sichtweise auf die historischen Ereignisse darstellen kann.93

1.4 D AS P ROBLEM DER FEHLENDEN INDIGENEN P ERSPEKTIVE Im oben vorgestellten Quellenmaterial, auf dem diese Arbeit basiert, scheint die indigene Perspektive nicht vertreten zu sein. Es wurden Briefe, Tagebücher, Reiseberichte, Monografien und Zeitschriftenartikel genannt, die deutsche Frauen verfasst haben – doch keine Texte, die aus der Feder indigener Verfasser oder Verfasserinnen stammen. In der Tat ist die fehlende indigene Perspektive ein Problem, besonders wenn es um die Analyse des Verhältnisses zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung geht. Dieser Problematik musste sich schließlich auch die ursprüngliche Themenstellung dieses Dissertationsprojekts beugen: Anfangs hatte sich die Verfasserin zum Ziel gesetzt „Deutsche und indigene Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs“ zu untersuchen. Damit sollte der berechtigten, vor allem von postkolonialen Theoretikern vertretenen Forderung nachgekommen werden, den indigenen Anteil an der Kolonialgeschichte nicht zu vernachlässigen, die Kolonisierten nicht zu Objekten zu degradieren, sondern auch ihre Stimme zu hören und ihre Perspektive in die Geschichte einzuschreiben.94 Es sollte dem Bewusstsein Rechnung getragen werden, dass die Kolonisierten ebenfalls handelnde Subjekte waren, die die Kolonisierenden und die gemeinsame Geschichte prägten. Doch je weiter die Recherche voran schritt, desto deutlich wurde, dass dem Anspruch, diese beiden Frauengruppen und ihren Alltag unter den Bedingungen der deutschen Ko-

93 Vgl. Morat, Daniel: Braucht man für das Verstehen eine Theorie? Bekenntnisse eines Neohermeneutikers, in: Hacke, Jens / Pohlig, Matthias (Hrsg.): Theorie in der Geschichtswissenschaft. Einblicke in die Praxis des historischen Forschens, Frankfurt a.M. 2008, S. 41-52, hier S. 51 u. Barberowski, Jörg: Gibt es eine historische Wirklichkeit und wie können Historiker von ihr erzählen? Überlegungen zum Verhältnis von Geschichte und Ethnologie, in: Hacke, J. / Pohling, M. (Hrsg): Theorie in der Geschichtswissenschaft, S. 93-107, hier S. 96f, 104f. 94 Zu postkolonialen Theorien siehe: Kerner, Ida: Postkoloniale Theorien zur Einführung, Hamburg 2012; Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorien. Zu Gayatri Spiviaks Kritik an dem Versuch, die authentische subalterne Stimme einzufangen: ebd., S. 71-77.

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lonialherrschaft in den Südsee-Kolonien gleichermaßen zu untersuchen, auf Grund der Quellenlage nicht gerecht zu werden ist. Vor der Missionierung und Kolonisierung kannten die indigenen Bewohner der Südseegebiete überwiegend keine Schrift in unserem Sinne. Vor allem die Missionsangehörigen und später auch das Lehrpersonal der Regierungsschulen bemühten sich zwar erfolgreich, ihren Schülern Schreiben und Lesen beizubringen, doch schlägt sich das im Quellenmaterial aus dem Untersuchungszeitraum noch kaum nieder. Nur vereinzelt finden sich beispielsweise in den Akten der lokalen Kolonialverwaltung Briefe an den Gouverneur, die von samoanischen Würdenträgern verfasst wurden, weibliche Absender sucht man jedoch vergeblich.95 Am ehesten vertreten ist die Stimme der Frauen in Prozessakten aus den verschiedenen Südseegebieten:96 Hier sind auch die Zeugenaussagen von Frauen protokolliert und übersetzt. In aller Regel sind diese jedoch äußerst knapp und spätestens durch die Übersetzung ins Deutsche oder Englische in standardisierte Floskeln gegossen, so dass ihr Quellenwert für die Fragestellung dieser Untersuchung als sehr gering zu veranschlagen ist. Wo sich auf der Basis dieser Unterlagen dennoch Aussagen über die indigene Perspektive treffen lassen, wurde diese selbstverständlich einbezogen. Eine weitere Quelle indigener Urheberschaft sind Briefe von Missionsschülern an die Missionsleitung in der Heimat, an dorthin aus den Südseegebieten zurückgekehrte Missionsangehörige oder an deutsche Leser der Missionszeitschriften.97 Auch diese Briefe geben allerdings wohl nicht wirklich eine indigene Perspektive wieder: Häufig ist offensichtlich, dass sie auf Veranlassung des Lehrpersonals in den Missionsschulen oder durch Zureden von anderen Missionsangehörigen verfasst wurden und sie enthalten im Wesentlichen ebenfalls floskelhafte Versicherungen, dass man sich über die Missionierung und den neu gewonnenen Glauben freue sowie für Spenden an die Mission dankbar sei. Auf Grund des geringen Quellenwertes wurden diese Briefe nicht näher berücksichtigt. An der ursprünglichen Themenstellung konnte also aus Mangel an Quellen nicht festgehalten werden, die Untersuchung fokussiert nun ganz auf die deutschen Frauen. Immer noch bildet jedoch die Analyse der Beziehungen zwischen diesen und der indigenen Bevölkerung einen Schwerpunkt der Arbeit. Doch auch hierbei bereitet natürlich die schwer zu ermittelnde indigene Perspektive Schwierigkeiten.

95 Vgl. beispielsweise Korrespondenz zwischen dem Alii Sili Mataafa und Gouverneur Solf in ANZ(W), AGCA 6050/0107. 96 Vgl. beispielsweise verschiedene Akten zu Ehestreitigkeiten und Scheidungen in MESC(AU), IDC-8-F4-CE33; IDO-15-F10 (K.B.17); ebenso NAA, G254, 6; G255, 201. 97 Vgl. beispielsweise Briefe der Missionszöglinge an Missionarsfrau Bergmann und Sohn, übersetzt von Missionarsfrau Helmich, Ragetta, 1906; RMG 2.140, Band IV (Nachlass Bergmann); Elise an die Mitglieder des Jugendbundes in Deutschland, Ronkiti, 28. Sept. 1909, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 3. Jg. (1910), Nr. 1, S. 7.

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So kann und will diese Arbeit nicht den Anspruch erheben, indigene und deutsche Sichtweisen auf die koloniale Interaktion gleichermaßen zu rekonstruieren. Doch sie möchte versuchen, wo immer es möglich ist, auch die indigene Perspektive zu berücksichtigen, die oft „zwischen den Zeilen“ der deutschen Schriftzeugnisse sichtbar wird. Nicht selten verstricken sich die Schilderungen der deutschen Frauen in aufschlussreiche Widersprüche oder spiegeln Spannungen, die sonst nicht explizit thematisiert werden: So etwa wenn das Verhältnis zu den indigenen Angestellten als positiv geschildert wird und zugleich davon die Rede ist, dass diese Fluchtversuche unternahmen oder wenn der Widerstand der indigenen Bevölkerung gegen Bekehrungsbemühungen der weiblichen Missionsangehörigen deutlich wird.98 Diesen „versteckten“ Informationen wurde bei der Analyse des Quellenmaterials besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Auch die Anthropologin Bronwen Douglas plädiert dafür, in kolonialen Texten nach verborgenen Spuren der indigenen Frauen zu suchen.99 Zwar seien diese oft schwer zu finden und in den Schriftzeugnissen der Kolonisierenden zu „decodieren“. Doch besonders der Vergleich von kolonialen Texten aus unterschiedlichsten Quellen sei sehr aufschlussreich, um mehr über einheimische Frauen in dieser Zeit zu erfahren.100 Ähnlich hält Margaret Jolly die Analyse von europäischen Missionstexten für fruchtbar, um etwas über die indigene Reaktion auf die Mission zu erfahren: „it is possible to discern local responses from the European missionary accounts and even to catch glimpses of the relations between European missionary women and local women.“101 Das Bemühen um die Perspektive der indigenen Bevölkerung muss dennoch eher als Ergänzung verstanden werden, welche die Berichte der deutschen Frauen stützen oder kontrastieren kann. Letztlich konnte die vorliegende Arbeit nicht nur auf Grund der Quellenlage, sondern auch auf Grund der europäischen Identität der Verfasserin, nur aus eurozentrischer Perspektive geschrieben werden.102 Sie wurde allerdings in dem selbstkritischen Bewusstsein verfasst, dass damit nur eine Seite

98

Vgl. beispielsweise Nolde, Emil: Welt und Heimat. Die Südseereise 1913-1914, Köln 2002 (Erstausgabe 1936), S. 70f; Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 17. Okt. 1897, 8. u. 16. Aug. 1898, 28. Aug. 1907, zitiert aus Privatbesitz; Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner Herz-Jesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 52. 99 Douglas, Bronwen: Provocative Readings in Intransigent Archives. Finding Aneitymese Women, in: Oceania, Vol. 70/2, 1999, S.111-129, hier S. 112f. 100 Ebd.; ähnlich: Dies.: Encounters with the Enemy?, S. 41. 101 Jolly, M.: „To Save the Girls for Brighter and Better lives“, zitiert nach Douglas, B.: Encounters with the Enemy?, S. 53f. 102 Vgl. Reinhard, W.: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, S. 79.

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der Geschichte erzählt werden kann und ist daher bemüht, wo immer es möglich erscheint, den Blick zu weiten und die indigenen Akteure einzubeziehen.

1.5 T HEORETISCHE R AHMUNG

UND

AUFBAU

DER

ARBEIT

„Man braucht Theorien, damit man versteht, dass es kein zufrieden stellendes Verfahren gibt, die Welt zu erschließen. Aber sie helfen einem nicht dabei, Geschichten zu erzählen. Sie etikettieren diese Geschichten allenfalls.“103 (JÖRG BARBEROWOSKI, PROFESSOR FÜR GESCHICHTE

OSTEUROPAS, HUMBOLDT-UNIVERSITÄT

ZU BERLIN)

Etikettieren soll dieses Kapitel die vorliegende Arbeit nicht in dem Sinn, dass sie hier einer bestimmten Theorie und der daraus folgenden Methodik unterstellt werden soll. Eine solch starre Festlegung kann die Gefahr bergen, den Quellen nicht mehr unvoreingenommen genug gegenübertreten und sie nicht ergebnisoffen genug analysieren zu können. Doch wie bereits deutlich geworden sein dürfte, erhielt diese Arbeit Impulse durch verschiedene Theorieströmungen, die sowohl die Auswahl der einleitend genannten Forschungsfragen als auch deren Bearbeitung prägten. Um auf Barberowski zurück zu kommen: Diese Theorien haben der Verfasserin nicht geholfen, Geschichten zu erzählen, doch sie hatten Einfluss darauf, welche Geschichten wie erzählt wurden. Kritische Kolonialismusforschung kann kaum betrieben werden, ohne Erkenntnisse aus dem Bereich postkolonialer Theorien zu berücksichtigen.104 Der Begriff „postkolonial“ wurde in der Forschung immer wieder diskutiert und kritisiert, blieb jedoch trotz aller Klärungsversuche unscharf. In den 1970er Jahren beschrieb er innerhalb der politischen Theorie die Situation ehemaliger Kolonien. Weiter gefasst wurde er ab den 1990er Jahren, in denen sich die Postcolonial Studies zunächst ins-

103 Barberowski, Jörg: Brauchen Historiker Theorien? Erfahrungen beim Verfassen von Texten, in: Ders. (Hrsg.): Arbeit an der Geschichte. Wie viel Theorie braucht die Geschichtswissenschaft?, Frankfurt a.M. 2009, S.117-127, hier S. 126; vgl. auch Morat, Daniel: Braucht man für das Verstehen eine Theorie? Bekenntnisse eines Neohermeneutikers, in: Hacke, Jörg / Pohlig, Matthias (Hrsg.): Theorie in der Geschichtswissenschaft. Einblicke in die Praxis des historischen Forschens, Frankfurt a.M. 2008, S. 4152, hier S. 50f. 104 Vgl. Reinhard, W.: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, S. 79.

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besondere in Großbritannien und den USA als Teil der Cultural Studies etablierten. Fortan bezeichnete er alle kolonisierten Kulturen vom Moment der Kolonisierung bis zur Gegenwart.105 Dabei wird betont, dass jede Region der Welt von den Auswirkungen des Kolonialismus betroffen sei – selbst in Ländern, die keine eigene Kolonialgeschichte hätten, hätten kolonialistische Diskurse Spuren hinterlassen. Eine Geschichte des Westens könne nicht ohne eine Geschichte der Kolonialländer geschrieben werden und vice versa.106 In Abgrenzung zur traditionellen Kolonialismusforschung, die meist politische und ereignisgeschichtliche Schwerpunkte setzt, rücken postkoloniale Studien die kulturelle und diskursive Dimension des Kolonialismus in den Vordergrund.107 Postkoloniale Studien stützen sich vor allem auf die französische Theorietradition, besonders häufig werden Michel Foucault, Jacques Derrida und Jacques Lacan herangezogen.108 Entsprechend spielt die Auseinandersetzung mit dem Zusammenhang von Wissen und Macht sowie mit der Entstehung dominanter Diskurse innerhalb kolonialer und nachkolonialer Lebenswirklichkeiten eine wichtige Rolle.109 Die vorliegende Arbeit möchte sich jedoch weder explizit den Ideen und Konzepten dieser Denker bedienen, noch sich einem strengen methodischen Korsett kolonialer Diskursanalyse unterwerfen, welche ein wichtiges Werkzeug postkolonialer Forschung ist – wie es beispielsweise Katharina Walgenbach in ihrer themenverwandten Studie „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“110 getan hat. Daher ist auch nicht nötig, an dieser Stelle auf Edward Said, Gayatri Chakravorty Spivak und Homi Bhaba, die als „Heilige Dreifaltigkeit“ der postkolonialen Theoretiker bezeichnet werden, und ihre einflussreichen Texte und Konzepte näher einzugehen, zumal dazu auf Sekundärliteratur verwiesen werden kann.111 Einige Anregungen aus dem Bereich postkolonialer Theorien flossen jedoch in diese Arbeit ein: Sie prägten etwa das schon thematisierte Bemühen um die indigene Perspektive, sowie die Frage danach, ob und in wie fern Kolonisierte und Kolonisierende sich gegenseitig beeinflussten. Auch die Schwerpunktsetzung auf die Untersuchung des kolonialen Alltags, die Beschäftigung mit Konstruktionen „des Anderen“ und die fundamentale Bedeutung, die der Interpretation der Text-

105 Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorie, S. 23; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 26. 106 Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorie, S. 11, 24. 107 Vgl. Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 27. 108 Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorie, S. 25. 109 Vgl. ebd., S. 24; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 28f. 110 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“; Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorie, S. 24. 111 Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorie, S. 25, außerdem S. 29-109, zu den Vordenkern der „Heiligen Dreifaltigkeit“ vgl. S. 127f; Kerner, I.: Postkoloniale Theorien, S. 66-110; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 32-34.

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quellen für den Erkenntnisgewinn zukommt, lassen sich dazu zählen – wobei letzteres auch schlicht den Grundlagen des historischen Arbeitens sowie der Quellenlage und dem Forschungsstand zuzuschreiben ist. Dass nicht nur das Bild der Kolonisierten, als den „völlig Anderen“, diskursiv geschaffen wurde wie postkoloniale Theoretiker hervorheben, sondern auch die „weiße Identität“ konstruiert ist, wird vor allem im Rahmen der Critical Whiteness Studies betont.112 Diese haben sich ebenfalls in den 1990er Jahren im angloamerikanischen Raum unter anderem aus den Cultural Studies und der Rassismusforschung entwickelt und problematisieren, dass „Whiteness“, also das „Weiß-sein“, als das „Normale“, „Unmarkierte“ gilt, von dem sich alles andere als nicht dieser Norm entsprechend abhebt. „Whiteness“ bleibt weitgehend unsichtbar und zeigt sich erst in der Abgrenzung vom Fremden, durch das Markieren der Unterschiede.113 „Das dominante Selbst braucht offenbar ein subordiniertes Anderes, um sich selbst zu definieren“, wie Katharina Walgenbach in diesem Zusammenhang schreibt.114 Dies lässt sich besonders gut im kolonialen Kontext zeigen: Die eigene Identität der Kolonisierenden als „Weiße“ wird durch die Abgrenzung von den Kolonisierten konstruiert.115 Was im Mutterland nicht weiter thematisiert hätte werden müssen, beispielsweise die eigene Art zu kochen, sich zu kleiden, zu wohnen oder Feste zu begehen, wird plötzlich zum Merkmal einer „weißen Kultur“ und diskursiv verbreitet.116 Dieser Prozess wird bei der Beschäftigung mit der kolonialen Frauenbewegung gut deutlich und floss unter anderem in die Überlegungen zum Kapitel über das Rollenbild der „Deutschen Kolonialfrau“ mit ein, vor allem aber in die Untersuchung rassisch begründeter Stereotype und des Verhältnisses der deutschen Frauen zur indigenen Bevölkerung. Besonders in der Diskussion um die sogenannten „Mischehen“ in den Kolonien, der ein Kapitel der vorliegenden Arbeit gewid-

112 Vgl. Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 40-49; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 17-43. 113 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 19. 114 Ebd., S. 23. 115 Vgl. ebd. 116 Den Begriff „Kultur“ möchte ich in dieser Arbeit gemäß der Definition von Wolfgang Reinhard verstanden wissen: „Kultur umfasst demnach die Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Gruppe einschließlich der mentalen Grundlagen. Dazu gehören die technisch-materiellen Grundlagen des Daseins und die materielle Produktion ebenso wie die hohe Kultur und deren Erzeugnisse (Bau- und Kunstwerke, Literatur, Musik usf.). Vor allem aber gehören dazu die Gesamtheit der tradierten Denk-, Sprach-, Beziehungs- und Verhaltensmuster samt ihrem Niederschlag in Institutionen.“, siehe Reinhard, Wolfgang: Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie, München 2006², S. 12.

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met ist, wird deutlich, dass die Grenze zwischen „weiß“ und „schwarz“ konstruiert und dem geschichtlichen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen ist.117 Auch wenn die vorliegende Arbeit also aus den genannten Forschungsrichtungen Impulse erhielt, so versteht sie sich doch in erster Linie als ein Beitrag zur Frauen- und Geschlechtergeschichte, die der Kulturgeschichte zugeordnet wird.118 Wie Rebekka Habermas hervorhebt, war der Weg lang bis zu einer „theoretisch hoch ambitionierten Frauen- und Geschlechtergeschichte, die gerade in den letzten Jahren die zentralen Debatten innerhalb der Geschichtswissenschaft maßgeblich mitgeprägt hat“.119 Während bereits in den Geschichtsdarstellungen der Frühen Neuzeit Frauen zu finden sind, verloren sie ihren selbstverständlichen Platz in der Historie Ende des 18. Jahrhunderts. Die nun entstehende akademische Geschichtswissenschaft schloss Frauen als Objekte der Geschichtsforschung weitgehend aus, was sich erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wieder zu ändern begann.120 Grund dafür war, dass Frauen sich mittlerweile den Zugang zu den Universitäten erkämpft hatten und erste Historikerinnen begannen, sich mit Themen der Frauengeschichte zu befassen. Ihre innovativen Arbeiten gerieten jedoch im Verlauf der beiden Weltkriege in Vergessenheit und erst unter dem Einfluss der Frauenbewegung in den 1960er Jahren erstarkte das Interesse an Frauengeschichte erneut.121 Verknüpft mit der Forderung nach politischer und gesellschaftlicher Gleichberechtigung der Geschlechter wurde daran gearbeitet, den Ausschluss der Frauen aus der Geschichte wieder rückgängig zu machen, was sich auch in einer allmählichen Institutionalisierung der Frauengeschichte bemerkbar machte. In den siebziger Jahren wurden erste Seminare, Konferenzen, Studienprogramme und Zeitschriften zur Frauengeschichte angeboten – zunächst allerdings nur im englischsprachigen Raum. Frankreich und Deutschland zogen in den achtziger Jahren langsam nach.122 Zunächst interessierte sich die Frauengeschichte vor allem für Fragen von Macht und Ungleichheit und nahm die Frau primär als in allen Zeiten und überall unterdrücktes Wesen war.123 Diese einseitige Herangehensweise, die die Frauen als ahis117 Vgl. Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 41. 118 Vgl. Dinges, Martin: Neue Kulturgeschichte, in: Eibach, Joachim / Lottes, Günther (Hrsg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch, Göttingen 2002, S. 179181, 192. 119 Habermas, Rebekka: Frauen- und Geschlechtergeschichte, in: Eibach, Joachim / Lottes, Günther (Hrsg.): Kompass der Geschichtswissenschaft. Ein Handbuch, Göttingen 2002, S. 231-245, hier S. 230. 120 Ebd., S. 232. 121 Ebd. 122 Ebd., S. 232f. 123 Zu dem von Simone de Beauvoir in ihrem Buch von 1949 La Deuxième Sexe entwickelten sogenannten „Unterdrückungsansatz“ siehe: Habermas, R.: Frauen- und Geschlechtergeschichte, S. 233f.

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torische, machtlose Opfer ohne eigene Handlungsoptionen darstellte, geriet jedoch bald in die Kritik. Zunehmend wurde „Geschlecht“ nicht mehr nur als starre und unveränderliche Kategorie begriffen, sondern der Begriff um eine neue Dimension erweitert: Der nun auch in die deutsche Diskussion eingebrachten Begriff „gender“, der von der biologischen Kategorie „sex“ abgegrenzt wird, soll darauf verweisen, dass „Geschlecht“ als gesellschaftlich konstruierte und damit historisch wandelbare Rolle verstanden werden kann.124 Judith Butler ging sogar so weit, selbst die geschlechtsspezifische Körperlichkeit für Fiktion zu erklären und Geschlechtsidentität einzig und allein als kulturelles Konstrukt darzustellen.125 Beeinflusst durch diese radikal dekonstruktivistischen Impulse setzte sich die Überzeugung durch, dass sich die Bedeutung von Geschlecht und damit die Rolle der Frau je nach Epoche verändert, außerdem wuchs die Sensibilität für Unterschiede zwischen den Lebenswelten von Frauen unterschiedlicher „Rassen-“ und „Klassenzugehörigkeit“.126 Konsequenterweise nahm die Forschung bald darauf ebenfalls zur Kenntnis, dass nicht nur „Weiblichkeit“ eine kulturell konstruierte Kategorie darstellt, sondern das Selbe auch für „Männlichkeit“ gilt, da diese beiden Kategorien in einem engen Verhältnis stehen und sich wechselseitig bedingen – somit war das Forschungsfeld Männergeschichte geboren, das gemeinsam mit der Frauengeschichte die Geschlechtergeschichte bildet.127 Seit dieser Entwicklung der Geschlechtergeschichte in den 1980er und 1990er Jahren hat sich viel getan.128 Mittlerweile weist dieses Forschungsfeld eine große Bandbreite von Themen und methodischen Ansätzen auf, auch wenn dessen Institutionalisierung in der deutschen Forschungslandschaft in geringerem Maß vorangeschritten ist als in den USA. Der systematische Blick auf nicht-westliche, vor allem koloniale Situationen wurde im Jahr 2006 von Gisela 124 Vgl. ebd., S. 235f; Rosenhaft, Eve: Zwei Geschlechter – eine Geschichte? Frauengeschichte, Männergeschichte, Geschlechtergeschichte und ihre Folgen für unsere Geschichtswahrnehmung, in: Eifert, Christiane / Epple, Angelika / Kessel, Martina u.a. (Hrsg.): Was sind Frauen? Was sind Männer? Geschlechterkonstruktionen im historischen Wandel, Frankfurt a.M. 1996, S. 257-274; Opitz-Belakhal, Claudia: Geschlechtergeschichte, Frankfurt a.M. 2010, S. 11-18. 125 Rosenhaft, E.: Zwei Geschlechter – eine Geschichte?, S. 257. 126 Vgl. Habermas, R.: Frauen- und Geschlechtergeschichte, S. 236. 127 Ebd., S. 236; Rosenhaft, E.: Zwei Geschlechter – eine Geschichte?, S. 260; vgl. OpitzBelakhal, C.: Geschlechtergeschichte, S. 10f. 128 Zum großen Einfluss des Lingusitic turn auf die Geschlechtergeschichte und zu neueren Entwicklungen innerhalb dieses Forschungsfeldes vgl. Habermas, R.: Frauen- und Geschlechtergeschichte, S. 237-245; außerdem: Bock, Gisela: Geschlechtergeschichte auf alten und neuen Wegen. Zeiten und Räume, in: Osterhammel, Jürgen / Langewiesche, Dieter / Nolte, Paul (Hrsg.): Wege der Gesellschaftsgeschichte. Geschichte und Gesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft, Sonderheft 22, Göttingen 2006, S. 45-66.

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Bock als „bedeutendste Innovation der neunziger Jahre, welche die Geschlechtergeschichte auch weiterhin bestimmen wird“ eingeschätzt.129 Als zentrale Themen in diesem Kontext führt Bock unter anderem Frauen und Geschlechterbeziehungen in kolonialen und postkolonialen Regionen, Mischehen zwischen Kolonisierenden und Kolonisierten sowie die vielfältigen Verhaltensweisen und Aktivitäten europäischer Frauen in Kolonien und Metropolen an, womit der unmittelbare inhaltliche Bezug zur vorliegenden Arbeit hergestellt ist.130 Deren Themenstellung bietet die Möglichkeit zu prüfen, ob und in wie fern sich Fremd- und Selbsterwartungen an die Rolle der deutschen Frau in den Südsee-Kolonien im Vergleich zum Mutterland veränderten. Die hier gestellte Frage nach dem Wandel der Geschlechterbilder unter spezifischen räumlichen, zeitlichen und gesellschaftlichen Bedingungen ist also eine für das vorgestellte Forschungsfeld ebenso typische wie die nach den Beziehungen und Wechselwirkungen zwischen den deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung. Wie bereits erwähnt, wird besonders die Methode der Diskursanalyse gerne zur Bearbeitungen postkolonialer und geschlechtsgeschichtlicher Fragestellungen herangezogen.131 Der Historiker Achim Landwehr, der ein Standard-Einführungswerk zur historischen Diskursanalyse verfasst hat, schreibt, dass vermutlich in keinem anderen thematischen Bereich, wie dem des Verhältnisses zwischen den Geschlechtern, so deutlich würde, dass Diskurse die Wirklichkeit nicht abbilden, sondern erst hervorbringen würden.132 Schließlich hätten sich Frauen im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verbesserte Position erkämpfen und in frühere „Männerdomänen“ vordringen können, obwohl man im 19. Jahrhundert davon überzeugt gewesen sei, dass sie dazu aus psychischen und physischen Gründen nicht in der Lage wären. „Die Biologie der Frau hat sich seither nicht verändert – der Diskurs über die Rolle der Frau sehr wohl“, konstatiert Landwehr.133 Die für die Diskursanalyse zentrale Überzeugung, dass die Wirklichkeit immer eine bereits diskursiv gedeutete Wirklichkeit ist, weil eine für uns sprachlich nicht zugängliche Wirklichkeit überhaupt nicht zugänglich ist, wird hier geteilt.134 Eben-

129 Bock, G.: Geschlechtergeschichte auf alten und neuen Wegen, S. 58. 130 Ebd., S. 59-62. 131 Vgl. ebd., S. 61; Habermas, R.: Frauen- und Geschlechtergeschichte, S. 237-239; Castro Varela, M. / Dhawan, N.: Postkoloniale Theorie, S. 24. Zu den theoretischen Wurzeln, den Inhalten, dem wissenschaftlichen Wert und der praktischen Durchführung der historischen Diskursanalyse siehe: Landwehr, Achim: Historische Diskursanalyse, Frankfurt a.M. 2008. 132 Landwehr, A.: Historische Diskursanalyse, S. 21. 133 Ebd. 134 Ebd., S. 26.

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so scheint die daraus abzuleitende Feststellung unbezweifelbar, dass Quellen nicht eine frühere Wirklichkeit enthalten, sondern nur „frühere Konstruktionen von Wirklichkeiten“, wie von diskursanalytisch arbeitenden Historikern betont wird.135 Dennoch ist nicht unumstritten, ob und in wie fern das methodische Instrumentarium der historischen Diskursanalyse tatsächlich einen erheblichen Mehrwert im Vergleich zur „klassischen“ historischen Quellenarbeit mit sich bringt.136 Katharina Walgenbach betont, die besondere Qualität der Diskursanalyse liege darin, dass die bei der Quellenanalyse erhobenen Daten gesellschaftlich kontextualisert würden137 – doch ohne eine solche Kontextualisierung ist ohnehin keine sinnvolle historische Forschung denkbar. So wurde auch bei der Analyse der für die vorliegende Arbeit herangezogenen Quellen nach dem situativen, dem medialen, dem institutionellen und dem historischen Kontext gefragt, wie von Landwehr gefordert138 – ohne dass diese Untersuchung sich explizit der historischen Diskursanalyse verschreiben möchte. Um Antworten auf die eingangs gestellten Forschungsfragen zu finden, wurden nach der Recherche und der darauf folgenden Zusammenstellung des oben vorgestellten Quellenkorpus allerdings systematisch solche Fragen an die Texte gestellt, die auch für die historische Diskursanalyse grundlegend sind, etwa: Welche Quellengattung liegt vor? Wer hat den Text verfasst? An welchen Adressaten richtet er sich? In welcher Situation wurde er geschrieben? Zu welcher Zeit? Was sind die wichtigsten Inhalte? Welche Intentionen oder Emotionen lassen sich erkennen? etc. In einem zweiten Schritt wurden nicht nur verschiedene Ego-Dokumente derselben Verfasserin (beziehungsweise desselben Verfassers) mit einander verglichen, sondern auch die Texte verschiedener Urheberschaft untereinander und dabei folgende Aspekte geprüft: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich zwischen den Texten innerhalb einer bestimmten Frauengruppe – etwa den Missionsschwestern oder den Krankenschwestern – in der Darstellung finden und unterscheiden sich diese Quellen von solchen aus einer anderen Frauengruppe? Oder einer anderen Region? Und wenn ja: worin? Welche Themen wurden in den Quellen besonders häufig behandelt und auf welche Weise? Was lässt sich daraus in Bezug auf das damals „Sagbare“ schließen? Was wurde ausgespart und was könnte der Grund dafür gewesen sein? Welche wiederkehrenden Erzählstrukturen, Topoi und

135 Zitiert nach Kleinau, Elke: Diskurs und Realität. Zum Verhältnis zwischen Sozialgeschichte und Diskursanalyse, in: Aegerter, Veronika / Graf, Nicole / Imboden, Natalie u.a. (Hrsg.): Geschlecht hat Methode. Ansätze und Perspektiven in der Frauen- und Geschlechtergeschichte. Beiträge der 9. Schweizerischen Historikerinnentagung 1998, Zürich 1999, S. 31-47, hier S. 37. 136 Vgl. zu Problemen mit dem Diskurs-Begriff und der historischen Diskursanalyse: Landwehr, A.: Historische Diskursanalyse, S. 7, 13f. 137 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 117. 138 Landwehr, A.: Historische Diskursanalyse, S. 107f, vgl. S. 112-115.

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Stereotype sind erkennbar – und wo weicht eine Quelle von diesen gefundenen Mustern ab? All diese und einige weitere Fragen wurden an das Quellenmaterial herangetragen, wobei nicht versäumt wurde, die in den Egodokumenten dargestellten Inhalte wo es möglich war durch weiteres oben bereits genanntes Quellenmaterial zu verifizieren, zu falsifizieren oder zu ergänzen, um so ein möglichst umfassendes Bild vom Leben der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs zu erhalten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden dem Leser in vier großen Hauptkapiteln dargelegt, nachdem zuvor in einer inhaltlichen Einleitung die thematisierten Regionen sowie der Erwerb dieser Kolonialgebiete durch das Deutsche Reich und die Grundzüge deren Verwaltung kurz vorgestellt werden. Unter dem Titel Vom Kaiserreich in die Kolonien wird im ersten Hauptkapitel die Situation der Frauen im Kaiserreich und der damalige Stand der Frauenbewegung erläutert sowie verschiedene Motive für die Ausreise von deutschen Frauen in die Kolonien aufgezeigt. Dabei werden institutionell geförderte und individuelle Ausreisen unterschieden und im Zuge dessen wichtige Institutionen der kolonialen Frauenbewegung vorgestellt. Auch auf den Gesellschafts- und Bildungsstand der ausreisenden Frauen wird in diesem Kapitel eingegangen, was deren Vorbereitung auf ihr Leben in den Kolonien mit einschließt. Im letzten Unterkapitel wird dann zusammenfassend das Rollenbild der „deutschen Kolonialfrau“ vorgestellt. Das zweite inhaltliche Hauptkapitel Alltag am anderen Ende der Welt widmet sich zuerst der Reise der Frauen in die Kolonien, ihrer Ankunft und ihren ersten Eindrücken von der neuen Heimat, erläutert dann ihre Wohnsituation in der Fremde und geht anschließend ausführlich auf Berufsbilder und Alltagsgestaltung der unterschiedlichen thematisierten Frauengruppen ein. Daraufhin werden die „Schattenseiten“ des kolonialen Alltags beleuchtet, zu denen neben Einsamkeit und Heimweh vor allem die gesundheitlichen Risiken zählten. Im letzten Unterkapitel wird dann die soziale Stellung der deutschen Frauen innerhalb der weißen Kolonialbevölkerung näher betrachtet, wobei neben den Beziehungen zu anderen deutschen Frauen und der übrigen weißen Gesellschaft vor allem das Verhältnis zum anderen Geschlecht im Fokus steht. Hier wird der wichtigen Frage nachgegangen, ob die Südsee-Kolonien womöglich ein Ort der Emanzipation waren und inwiefern sich die Rolle der deutschen Frauen hier von der im Mutterland unterschied. Das dritte inhaltliche Hauptkapitel mit dem Titel Stereotype und Begegnungen widmet sich den Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung und ist damit für die vorliegende Arbeit von besonderer Bedeutung. Bevor diese genauer untersucht werden, werden zunächst die damals verbreiteten Stereotype über die indigene Bevölkerung der Südseegebiete vorgestellt. In diesem Kontext werden zudem die Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Rassismus beleuchtet und daran anschließend wird eine besonders in Bezug auf Samoa leidenschaftlich geführte Debatte näher betrachtet: Sie drehte sich um die sogenann-

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ten „Mischehen“ zwischen deutschen Männern und indigenen Frauen und ein mögliches Verbot dieser Verbindungen. In diesem Kapitel wird vor allem die Geschlechtsdimension der Debatte berücksichtigt und aufgezeigt, welche Rolle die Frauen hier spielten. Anschließend werden die Beziehungen zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung ausführlich untersucht, wobei verschiedene Themenaspekte getrennt beleuchtet werden: Zunächst werden nur die Beobachtungen und Beschreibungen, die die deutschen Frauen über die indigene Bevölkerung zu Papier brachten, dann die Interaktion zwischen den beiden Seiten betrachtet. Da den Missionsangehörigen und ihren Ego-Dokumenten wie bereits erwähnt quantitativ ein besonders hoher Stellenwert innerhalb der vorliegenden Arbeit zukommt und der Missionskontext zudem viele Besonderheiten für die Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung mit sich bringt, werden evangelische und katholische Missionsangehörige separat in zwei eigenen Unterkapiteln behandelt. Anschließend wird kurz darauf eingegangen, wie die deutschen Frauen die indigenen Männer wahrnahmen und ob sie sich von ihnen womöglich bedroht oder angezogen fühlten. Die Beschäftigung mit der Frage, welche Folgen die Kontakte zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung hatten und ob und in wie fern in diesem Zusammenhang von einer gegenseitigen Prägung gesprochen werden kann, bildet den Schluss dieses Hauptkapitels. Das letzte ist mit Krieg und Abschied überschrieben und wendet sich entsprechend der Abreise der deutschen Frauen aus den Südsee-Kolonien zu. Hier werden sowohl Gründe für die Rückkehr vor Beginn des Ersten Weltkrieges angeführt als auch die Auswirkungen des Kriegsausbruchs für die Südsee-Kolonien und ihre deutschen Bewohnerinnen dargelegt. Abschließend werden auch die Emotionen, die die Frauen in Zusammenhang mit ihrer Abreise aus den Kolonien schilderten, thematisiert. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung und ein daraus folgendes Fazit bilden den Schluss der vorliegenden Arbeit.

2.

Thematischer Hintergrund: Die Südsee und die deutsche Kolonialpolitik

In diesem einleitenden Kapitel werden die für die vorliegende Arbeit relevanten Südsee-Gebiete und ihre indigene Bevölkerung kurz vorgestellt. Auf Grund der ungeheuer großen kulturellen Diversität in der Pazifikregion kann dieser Überblick naturgemäß nur vereinfachend ausfallen. Er soll lediglich einen Eindruck davon vermitteln, in welche Lebenswelt der deutsche Kolonialismus eindrang. Für weiterführende Informationen wird auf die umfangreiche ethnologische Forschungsliteratur zu allen hier thematisierten Gebieten verwiesen.1 Anschließend soll ein kurzer Überblick über den Erwerb und die Grundzüge der deutschen Verwaltung dieser Kolonien gegeben werden.

2.1 D IE S ÜDSEEGEBIETE UND IHRE INDIGENE B EVÖLKERUNG Die Gebiete, die Ende des 19. Jahrhunderts zu den sogenannten „deutschen SüdseeKolonien“ wurden, liegen in der Region Ozeanien. Diese wird im Westen von Teilen Südost- und Ostasiens, den Philippinen und Australien begrenzt, im Osten vom amerikanischen Doppelkontinent.

1

Eine gute erste Orientierung mit umfassenden Literaturhinweisen bietet Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens; siehe auch: Strathern, Andrew / Stewart, Pamela J. / Carucci, Laurence M. u.a.: Oceania. An Introduction to the Cultures and Identities of Pacific Islanders, Durham 2002.

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Abb. 1: Ozeanien mit den drei Großregionen Melanesien, Mikronesien und Polynesien2

fn2

2

Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S.14.

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Insgesamt umfasst Ozeanien rund 7500 Inseln, Riffe und Atolle. Dabei ist besonders das Verhältnis von Wasser- zu Landfläche beeindruckend: Inklusive seiner Nebenmeere ist der pazifische Ozean 181,34 Millionen km² groß, wobei die Gesamtfläche aller Inseln in Ozeanien nur 1,3 Millionen km² beträgt (inklusive Neuseeland und Neuguinea, ohne Australien).3 Neuguinea ist die zweitgrößte Insel der Welt, bei den übrigen ehemaligen deutschen Kolonialgebieten handelt es sich jedoch um zahlreiche kleine oder sogar winzige Inseln. Ihre Lage im Südpazifik bringt für alle ehemals deutschen Südseegebiete tropisches Klima mit sich. Ganzjährig herrscht mehr oder weniger die gleiche Sonneneinstrahlung und eine kaum schwankende Temperatur zwischen 25 und 30°C mit hoher Luftfeuchtigkeit, relativ gleichmäßig über das Jahr verteilten reichlichen Niederschlägen und ebenfalls gleichmäßig wehenden Passatwinden.4 Auf den teilweise hohen Bergen ist die Durchschnittstemperatur natürlich geringer, in Neuguinea kommt es in den Gipfellagen über 3000m sogar manchmal zu leichtem Frost.5 Auch Samoa ist bergig, die höchste Erhebung misst hier rund 1850m, wohingegen einige der mikronesischen Inseln sehr flach sind. So liegt beispielsweise der höchste Punkt der Marshallinseln bei 10 Meter über NN.6 Neuguinea, der Bismarck-Archipel und die Salomonen-Insel Bougainville liegen in der Subduktionszone zwischen der Pazifischen und der Indo-Australischen Platte. Folge des Zusammenstoßens dieser Platten sind Vulkanismus und sehr häufige Erdbeben, die auch im untersuchten Quellenmaterial immer wieder geschildert werden.7 Diese Naturphänomene sind auch in einigen mikronesischen Inselgruppen nicht selten und auf der Samoa-Insel Savai’i waren ebenfalls während der deutschen Regierungszeit vulkanische Aktivitäten spürbar, so kam es dort beispielsweise 1902 und 1905 zu Ausbrüchen.8 Die riesige ozeanische Inselwelt wird seit 1832 nach einem Vorschlag des französischen Entdeckers und Geographen Dumont d’Urville unterteilt in die Großregionen Melanesien („Schwarzinselwelt“), Mikronesien („Kleininselwelt“) und Poly3 4

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Ebd., S. 15. Buchholz, Hanns: Die naturräumliche Struktur der ehemaligen deutschen Südseekolonien, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 59-91, hier S. 59. Ebd., S. 82. Ebd., S. 71, 75; vgl. auch: Samoa. Allgemeine Auskunft und Adressbuch, hrsg. Im Auftrag und mit Unterstützung des kaiserl. Gouvernements zu Apia, Apia 1903, BArch, R 1001/2269, S. 5. Buchholz, H.: Die naturräumliche Struktur der ehemaligen deutschen Südseekolonien, S. 78. Ebd., S. 71, 83f; vgl. auch: Samoa. Allgemeine Auskunft und Adressbuch, hrsg. Im Auftrag und mit Unterstützung des kaiserl. Gouvernements zu Apia, Apia 1903, BArch, R 1001/2269, S. 5.

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nesien („Vielinselwelt“). Diesem „geographisch etwas willkürlich und ethnographisch bedingt zu akzeptierendem Schema“9 folgt man trotz aller kritischen Einwände noch heute, daher soll es auch in dieser Arbeit Verwendung finden. Abb. 2: Die ehemals deutschen Gebiete in Melanesien und Mikronesien10

Zu Melanesien zählen unter den zeitweise deutschen Gebieten der Nordosten Neuguineas, der Bismarck-Archipel und die nördlichen Salomonen. Dieses Gebiet umfasste zusammen ungefähr 240.000 km².11 Die Besonderheit Melanesiens gegenüber Polynesien und Mikronesien ist die wesentlich größere ethnische und sprachliche

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Koch, Gerd: Die Menschen der Südsee, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 113-131, hier S. 113; siehe auch Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 16-20; vgl. Vorwort in Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. XVII; Hiery, Hermann J. / MacKenzie, John (Hrsg.): European Impact and Pacific Influence. British and German Colonial Policy in the Pacific Islands and the Indigenous Response, London 1997, S. 1. 10 © Gründer, Horst: Geschichte der deutschen Kolonien, Verlag Schöningh, Paderborn, 6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2012, UTB 1332, S. 194. 11 Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 36. Jg.(1915), S. 457.

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Vielfalt.12 Linguisten gehen davon aus, dass man auf Neuguinea und den umliegenden Inseln bis zu 1200 unterschiedliche Sprachen finden kann, was einem Fünftel aller Sprachen der Welt entspricht.13 Dieser Umstand erschwerte die Arbeit der ersten europäischen Missionare und Händler und korreliert mit der Existenz unzähliger verschiedener Kulturphänomene, die in Melanesien zum Teil immer noch beobachtet werden können. Als sich das Interesse der Deutschen auf Melanesien zu richten begann, lebte die indigene Bevölkerung in kleinen sozialen Einheiten zusammen. Einzelne Siedlungen wurden von jeweils bis zu 300 Individuen bewohnt, in Einzelfällen gab es auch größere Siedlungsgemeinschaften. Über die Anzahl der einheimischen Gesamtbevölkerung lagen lange Zeit keine zuverlässigen Zahlen vor.14 Den offiziellen Schätzungen für das Jahr 1910 zufolge soll es im deutschen Melanesien rund 300.000 Einheimische gegeben haben.15 Die zentrale soziale Struktur war das mehrstufig gegliederte Verwandtschaftssystem. Die Mitglieder einer Abstammungsgruppe beriefen sich meistens auf einen gemeinsamen Ahnen. Die Dörfer waren gewöhnlich autonome politische Einheiten und verfügten nicht über ausgeprägte Herrschaftssysteme. Der Dorfgemeinschaft stand ein big man vor, der aber nur Empfehlungen für das gemeinschaftliche Handeln abgeben konnte und nicht allein entscheidungsberechtigt war. Die big men wurden auf Grund besonderer Eignung und Leistung bestimmt, nur in einigen östlichen Archipelen Melanesiens existierte teilweise auch erbliches Häuptlingstum. Abgesehen von den auf Geschlecht und Alter basierenden Standesunterschieden gab es keine soziale Schichtung. Die meisten Pflichten wie Jagen, Ackerbau, Viehzucht und Hausbau wurden in gesellschaftlicher Arbeitsteilung ausgeübt, wobei es eine klare Trennung zwischen männlichen und weiblichen Tätigkeiten gab.16 Den Frauen oblag in den meisten Regionen die Arbeit in den Pflanzungen (für grobe Arbeiten wie für die Rodung neuer Anbauflächen waren jedoch die Männer 12 Mückler, H.. Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 67; zu Melanesien siehe auch: Thilenius, Georg (Hrsg.): Ergebnisse der Südsee-Expedition 1908-1910, A. Melanesien (4 Bände, siehe Literaturverzeichnis). 13 Strathern, A. / Stewart, P. / Carucci, L. u.a.: Oceania, S. 40. 14 Vgl. beispielsweise Jahresbericht über die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee im Jahre 1901/1902, Berlin 1903, S. 91: „Aus der bisherigen Kenntnis über die Zahl und Verteilung der Eingeborenen auf das Schutzgebiet endgültige Schlüsse zu ziehen ist zur Zeit noch nicht angängig.“ 15 Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und in der Südsee 1909/10, Berlin 1911, Statistischer Teil, S. 3. 16 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 67-72; Koch, G.: Die Menschen der Südsee, S. 113-120; zu den Bevölkerungszahlen siehe: Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1909/10. Amtliche Jahresberichte, Berlin 1911, Statistischer Teil, S. 2.

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zuständig). Angebaut wurden vor allem Taro, Yams, Süßkartoffeln und Bananen. Außerdem zählten Kokosnüsse und Brotfrüchte zu den wichtigsten pflanzlichen Lebensmitteln. Zu den Frauen-Tätigkeiten gehörten neben der Feldarbeit auch die Zubereitung der Nahrung, das Züchten von Schweinen, das Sammeln von kleinen Meerestieren auf dem Riff und verschiedene Handarbeiten: So beispielsweise die Herstellung von Röcken und Schurzen, das Flechten von Matten und Körben und das Knüpfen von Netzen und Taschen. Die Männer hingegen gingen zum Fischfang und auf die Jagd, wo sie wilde Schweine, Vögel sowie verschiedene kleine Beutelund Nagetiere erlegten. Außerdem waren sie für Bau-, Holz- und Schnitzarbeiten zuständig.17 Abb. 3: „Papua-Frauen im Festschmuck“ (Originalbeschriftung, ohne Jahr)18 Abb. 4: „Papua-Häuptling, Südsee“ (Originalbeschriftung, ohne Jahr)19

Frauen waren in Melanesien den Männern in der Regel untergeordnet und sowohl von vielen bedeutenden Kulthandlungen als auch vom Kollektiveigentum an Boden ausgeschlossen, besaßen aber Nutzungsrechte. Wichtige Entscheidungen wurden in der Regel von Männern getroffen und auch die Abstammung wurde meist nach vä-

17 Parkinson, Richard: Dreißig Jahre in der Südsee. Land und Leute, Sitten und Gebräuche im Bismarckarchipel und auf den deutschen Salomoinseln, Stuttgart 1907, S. 163, 210, 213 u. 791. 18 Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, CD-Code: 7101/3162/3897/7101_3162_3897_0101 (Laut persönlicher Information von Prof. Dr. Hermann Hiery handelt es sich um Frauen aus der Umgebung von Madang.). 19 Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, CD-Code: 7101/3162/3897/7101_3162_3897_0102 (Laut persönlicher Information von Prof. Dr. Hermann Hiery handelt es sich um einen Mann aus der Umgebung von Madang.).

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terlicher Seite (patrilinear) bestimmt. Auf einigen Inseln richtete sie sich jedoch nach der Mutter (matrilinear), beispielsweise auf der Salomonen-Insel Bougainville und auf „Neu-Mecklenburg“ (heute New Ireland). In Gebieten außerhalb des Hochlandes waren kommunale Gruppenentscheidungsprozesse auch unter Einbindung älterer Frauen von Bedeutung; besonders in matrilinear organisierten Gesellschaften, in denen Frauen die Verantwortungen über den Boden hatten. Dennoch kann verallgemeinernd konstatiert werden, dass die Frauen in Melanesien weitgehend keine oder nur geringe Möglichkeiten der politischen Teilhabe hatten. Im deutschen Quellenmaterial spiegelt sich die wahrgenommene untergeordnete Stellung der melanesischen Frauen in den häufigen Beschreibungen als „Arbeitstier“ des Mannes wider.20 Als die Deutschen Teile Melanesiens ihrer kolonialen Verwaltung unterstellten, lernten sie die dortigen traditionellen segmentären, egalitären Gesellschaften als relativ instabil kennen, was eng damit zusammenhing, dass die big men ihre erworbene Position immer wieder gegen Konkurrenten verteidigen mussten. Obwohl einzelne Dorfgemeinschaften durch Tauschrituale und gemeinsame Feste verbunden waren, konstatierte der Ethnologe Gerd Koch: „Man könnte sagen, dass praktisch jede melanesische Gemeinschaft ständig im Krieg mit mindestens einer der Nachbargruppen [war].“21 Die Befriedung der Region und damit auch die Erhöhung der Sicherheit für die europäische Bevölkerung war daher eines der vorrangigsten Ziele der Kolonialadministration. Im Vergleich zu Melanesien weist Mikronesien zwar eine geringere ethnische Vielfalt auf, ist aber dennoch keinesfalls als kulturell homogen zu betrachten – was kaum verwundert angesichts der Tatsache, dass Mikronesien 2300 kleine Inseln umfasst, die über eine Meeresfläche von acht Millionen Quadratkilometern verstreut liegen.22 Schätzungen zufolge hatte der deutsche Teil Mikronesiens – der die

20 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 71f; Schilderung der einheimischen Frau als „Arbeitstier“ beispielsweise in: Medizinalberichte über die deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1910/11, S. 657; vgl. Schnee, Heinrich: Bilder aus der Südsee, Berlin 1904, S. 38 u. 96; Wendland, Wilhelm: Im Wunderland der Papuas, Berlin 1939, S. 12 u. Vieweg, Burkhard: Big fellow man. Muschelgeld und Südseegeister. Authentische Berichte aus Deutsch-Neuguinea 1906-1909, Weikersheim 1990, S. 349. 21 Koch, G.: Die Menschen der Südsee, S. 117; Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 70. 22 Zu Mikronesien vgl. Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 219-258; Koch, G.: Die Menschen der Südsee, S. 124-128 u. Thilenius, Georg (Hrsg.): Ergebnisse der Südsee-Expedition 1908-1910, B. Mikronesien (25 Bände, siehe Literaturverzeichnis).

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Marianen-, Palau-, Karolinen- und Marshall-Inseln sowie Nauru umfasste – um 1900 ungefähr 54.400 Einwohner.23 Die mikronesische Bevölkerung lebte in den meisten Regionen in streng hierarchisierten Gesellschaften zusammen, die sich aus verschiedenen Klanen zusammensetzten. Vielerorts herrschte traditionell ein „Klassensystem“, das von den Rangunterschieden zwischen Adel und Volk, sowie Abhängigkeitsverhältnissen und Tributzahlungen geprägt war – allerdings gab es auch Inseln, auf denen die traditionelle Gesellschaft keine Einteilung in Ränge kannte, wie etwa die Karolinen-Insel Truk (heute Chuuk).24 Anders als in den meisten Regionen Melanesiens war der Einfluss der Frauen in weiten Teilen Mikronesiens bedeutend (und ist es teilweise bis heute). Traditionell ist hier das Land überwiegend in weiblichem Besitz, Nutzungsrechte werden der mütterlichen Abstammungslinie folgend weitergegeben. So sind alle Inselgesellschaften der Karolinen (bis auf Yap) und der Marshall-Inseln matrilinear organisiert; soziale Rechte und Pflichten, Status und Nachfolge richten sich nach der mütterlichen Linie. Grundlegende Entscheidungen werden in Frauenversammlungen getroffen. Die politischen Funktionen werden jedoch überwiegend an Männer weitergegeben, die das matrilineare System nach außen hin repräsentieren. Dieser Gesellschaftsordnung liegt ein Weltbild zugrunde, dass von der Einheit zweier gleichwertiger Hälften ausgeht: Komplementäre Gegensatzpaare kooperieren miteinander oder stehen in fruchtbarem Wettbewerb. In diesen geschlechtssymmetrischen Gesellschaften wurde bei wichtigen Entscheidungen ein Konsens angestrebt und die Balance zwischen männlichen und weiblichen Interessen gesucht. So gab es beispielsweise auf Palau nicht nur Männer- sondern auch Frauenklubs mit gleichen Machtbefugnissen. Auch die Frauenklubs hatten interne und externe Gerichtsbarkeit und waren außerdem verantwortlich für die Einhaltung der Bräuche und Regeln, die die Frauen des Dorfes betrafen. Frauen waren in alle Arbeits- und Entscheidungsbereiche einbezogen. Beide Geschlechter waren durch ihre starke gegenseitige Abhängigkeit eng mit einander verbunden.25

23 Hardach, Gerd: Die deutsche Herrschaft in Mikronesien, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 508-534, hier S. 514. 24 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 222, 227, 235, 237f, 242, 246, 253, 257; Koch, G.: Die Menschen der Südsee, S. 124. 25 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 225, 235, 253; zur besonderen Rolle der Frauen in Palau vgl. Heinemann, Evelyn: Die Frauen von Palau. Zur Ethnoanalyse einer mutterrechtlichen Kultur, Frankfurt a.M. 1995 u. Lauterbach, Claudia: Von Frauen, Machtbalance und Modernisierung. Das etwas andere Geschlechterverhältnis auf der Pazifikinsel Palau, Opladen 2001, hier v.a. S. 13; Dies.: „Bitang ma bitang“. Geschlechterbalance und Modernisierung in Palau, in: Ferro, Katarina / Wolfsberger, Margit: Gender and Power in the Pacific, Münster 2003, S. 93-126.

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Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern konzentrieren sich in dieser nicht-patriarchalen Gesellschaft nicht nur auf das Verhältnis zwischen Ehefrau- und Ehemann, sondern vor allem das Verhältnis zwischen Bruder und Schwester ist von großer Bedeutung und die Grundlage eines komplexen Tauschsystems: In ihrer Rolle als Ehefrau arbeitet die Frau für ihren Ehemann und beschafft Nahrungsmittel, wofür sie von ihm Geld erhält, das er wiederum von seinen Schwestern bekommt. Denn in ihrer Rolle als Schwestern sind die Frauen verantwortlich für die finanziellen Verpflichtungen der Brüder und verwalten daher das Einkommen. Das Geld, das sie ihren Brüdern zuteilen, benötigen diese wiederum als Ehemänner für ihre Frauen. Brüder tragen die Verantwortung für die Kinder der Schwestern und müssen sie außerdem mit Nahrungsmitteln für den Tausch versorgen. In diesem System variieren also Rolle und Einfluss ein und derselben Frau, je nachdem ob sie als Schwester oder Ehefrau agiert.26 Abb. 5: „Geschmückte eingeborene Frauen von den Karolinen“ (Originalbeschriftung, ohne Jahr)27

26 Heinemann, E.: Die Frauen von Palau, S. 28f. Was hier unter „Geld“ zu verstehen ist, erklärt der Exkurs Geld und geldähnliche Wertmaßstäbe in Ozeanien, in: Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 137-148; siehe auch: Krämer, Augustin: Palau. 3. Teilband, ESE II, B, 3., Hamburg 1926, S. 156-160. 27 Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main, CD-Code: 7101/3162/3411/7101_3162_3411_0100 (Laut persönlicher Information von Prof. Dr. Hermann Hiery handelt es sich um eine Aufnahme von Bezirksamtmann Georg Fritz von der Karolinerkolonie auf Saipan.).

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Auf einigen mikronesischen Inseln standen den Frauen außerdem besondere Möglichkeiten offen, Einfluss auf ihre eigene gesellschaftliche Stellung, das Ansehen ihrer Abstammungsgruppe oder des Dorfes zu nehmen: Auf der Karolineninsel Yap wurden junge Frauen für ein oder zwei Jahre aus einem Nachbardorf angeworben, um den Männern im Männerhaus zu Diensten zu sein, wobei ihre Tätigkeit sowohl Haushaltsaufgaben als auch Liebesdienste einschloss. Diese als mispil bezeichneten jungen Frauen wurden für ihre Tätigkeit reich entlohnt und genossen hohes Ansehen, daher handelte es sich um ein begehrtes Amt. Ein ähnlicher Brauch herrschte auf Palau: Hier war es üblich, dass ein junges Mädchen nach den ersten sexuellen Erfahrungen in einem befreundeten Dorf drei Monate als mengol im Männerklub lebte, um sich einen potentiellen Ehemann zu suchen. Nach Ablauf dieser Zeit bereiteten die Verwandten des Mädchens für die Familie des ausgewählten Mannes ein „Abschlussessen“ und der Mann zahlte eine bestimmte Summe Geld. Kehrte die mengol mit dem verdienten Geld zurück in ihr Dorf, erhöhten sich ihr Prestige und ihre soziale Stellung. Außerdem unternahmen die palauanischen Frauenklubs manchmal Gruppenausflüge zu dem Männerklub eines anderen Dorfes (blolobel oder klumengelungel), um durch sexuelle Kontakte die Bindungen zwischen den Dörfern zu festigen und Geld für das eigene Dorf zu erwerben. Diese Bräuche wurden in gegenseitigem Einvernehmen gepflegt und boten den Frauen neben den anderen genannten Vorteilen Einblick in die ihnen sonst verschlossene Sphäre der Klubhäuser der Männer.28 Wie auch in Melanesien lebten die Menschen in Mikronesien von Fischfang, Jagd, Ackerbau und Viehzucht, wobei auch eine ähnliche Aufgabenteilung zwischen den Geschlechtern herrschte. Die Männer waren außerdem für den Bau der perfekt konstruierten Auslegerboote zuständig, für die die Mikronesier ebenso wie für ihr navigatorisches Geschick berühmt waren.29 Samoa war die einzige deutsche Kolonie in Polynesien. Im Gegensatz zu Melanesien und Mikronesien kennzeichnet Polynesien eine relativ große kulturelle, sprachliche und gesellschaftliche Homogenität.30 Die erste offizielle Bevölkerungsstatistik der deutschen Verwaltung aus dem Jahr 1900 gibt für die Gruppe der sogenannten „Eingeborenen“ eine Anzahl von 32.815 Personen an, wobei in dieser Zahl auch 195 nichtsamoanische Südseeinsulaner inkludiert sind.31 Nach Abzug dieser

28 Müller, Wilhelm: Yap. 1. Halbband, ESE II, B, 2., Hamburg 1917, S. 232f; Krämer, A.: Palau. 3. Teilband, S. 276f; Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 239. 29 Vgl. zu Bootsbau und Navigation: Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 268-276. 30 Strathern, A. / Stewart, P. / Carucci L. u.a.: Oceania, S. 153; Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 149. 31 Jahresbericht über die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee im Jahre 1900/1901, Berlin 1902, S. 104f u. Anlage G. I, S. 270-273.

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Bevölkerungsgruppe ist demnach von 32.620 Samoanern auszugehen.32 Als Samoa zum deutschen Einflussgebiet wurde, fand man dort eine komplexe gesellschaftliche Organisation vor. Von der traditionellen samoanischen Lebensweise, der sogenannten fa’a Samoa, hat bis heute vieles den modernen Einflüssen zum Trotz überdauert. In der traditionellen samoanischen Gesellschaft hängt die Stellung des Einzelnen stark vom Prestige seiner aiga ab. Darunter versteht man die großen Familienverbände, aus denen sich jedes Dorf zusammensetzt. Eingeschlossen sind alle im Haushalt geborenen oder adoptierten Kinder wie auch in anderen Dörfern lebende Verwandte. Das jeweilige Oberhaupt einer aiga trägt den Titel matai und repräsentiert die aiga nach außen. Die aiga schließt alle ein, die an den Titel und das Land des matais gebunden sind. Dem matai wird sein Titel durch seine Abstammungsgruppe zugewiesen, wobei genealogische Kriterien ebenso eine Rolle spielen wie persönliche Verdienste und Charaktereigenschaften. Die einzelnen matais unterscheiden sich von einander in Rang, Ansehen und Macht. Die wichtigsten matais werden als ali’i bezeichnet (chiefs). Jedem ali’i steht ein als tulafale bezeichneter Sprecher zur Seite, der ihm bei der Ausübung seiner politischen und sonstigen Aufgaben unterstützt. Entscheidungen werden in der Ratsversammlung fono gefällt, in der jede aiga durch einen Platz und eine Stimme vertreten ist. Dem fono stehen die Dienste vieler Gruppen zur Verfügung: Die Gemeinschaft der Titel-losen Männer (aumaga) und die der unverheirateten Frauen, die zum Dorf gehören (aualuma); außerdem gibt es noch eine Vereinigung der Frauen von Häuptlingen und Sprechern (faletua ma tausi), die den fono unterstützt. Vom fono werden Aufgaben an diese „Untergruppen“ verteilt.33

32 Jahresbericht über die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee im Jahre 1900/1901, Anlage G. I, S. 271; vgl. Hiery, Hermann J.: Die deutsche Verwaltung Samoas, in: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914, S. 649-676, hier S. 656. 33 Strathern, A. / Stewart, P. / Carucci, L. u.a.: Oceania, S. 141f; Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 174–178.

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Abb. 6: Die Samoa-Inseln (Karte von 1907)34

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34 Karte „Samoa-Inseln“ zum Artikel „Samoa“, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage, 17. Band, Leipzig u. Wien 1907.

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Abb. 7: Ein fono (Aufnahme aus den 1870er Jahren)35

Dem Häuptling zur Seite steht traditionell eine taupou, eine sogenannte „Dorfjungfrau“. Dieses sehr geachtete Amt, das einem schönen und charakterlich geeigneten Mädchen aus der Häuptlingsfamilie übertragen wird, existiert in Samoa mancherorts noch heute. Das zur taupou erkorene Mädchen wird sorgsam erzogen, von aller schweren Arbeit befreit und stets von Anstandsdamen begleitet, die es auf seine zukünftigen Aufgaben vorbereiten und über seine Jungfräulichkeit wachen. Bei Eintritt der Geschlechtsreife erhält dieses Mädchen dann offiziell den Titel taupou und trägt ihn in der Regel bis zur Hochzeit. Die taupou repräsentiert ihre Gemeinde nach außen hin, empfängt die Besucher ihres Dorfes, ist für die Zubereitung des Zeremonialgetränkes Kava zuständig und führt außerdem in festlichem Aufputz die samoanischen Steh- und Sitztänze an. Sie gilt als spirituelle Führerin einer Dorfgemeinschaft und ist außerdem Vorsteherin der aulauma.36 Dem angesehenen Amt der taupou schrieb der deutsche Gouverneur von Samoa Schultz(-Ewerth) die verhältnismäßig hohe Stellung der Frau in der samoanischen Gesellschaft zu.37 Auch in der Ehe wurden die Frauen laut Schultz „verhältnismäßig und durchschnittlich gut“ behandelt; nie seien sie in Samoa „das Lasttier des Mannes“.38 Ein weiterer Grund für die Achtung, die man Frauen entgegen brachte, lag 35 Koloniales Bildarchiv, Universitätsbibliothek Frankfurt am Main CD-Code: 0079/4210b/0079_4210b_0247. 36 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 175f; Krämer, Augustin: Die Samoa-Inseln, Entwurf einer Monographie mit besonderer Berücksichtigung DeutschSamoas, Band I, Stuttgart 1903, S. 32-34. 37 Schultz-Ewerth, Erich: Erinnerungen an Samoa, Berlin 1926, S. 89. 38 Ebd., S. 89.

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wohl auch darin, dass die Frauen in teilweise jahrelanger Arbeit die feinen Matten flochten, die den Reichtum der Familien ausmachten sowie vor allem wichtige rituelle Bedeutung hatten und zum Teil immer noch haben.39 Neben der Herstellung der kostbaren Matten und anderer Handarbeiten waren die Frauen zuständig für leichte Tätigkeiten im Haushalt sowie für das Sammeln von kleinen Meerestieren und Fischen in der Lagune.40 Die Beschaffung der übrigen Nahrung und deren Zubereitung war in Samoa jedoch traditionell Männersache.41 Das schloss neben dem Fischfang und der Jagd auch den Anbau und die Pflege der wichtigsten Nutzpflanzen ein: Auch in Samoa lieferten Kokospalmen, Bananen, Brotfruchtbäume, Taro und Yams die Hauptnahrung.42 Außerdem versuchte jede Familie über einen ansehnlichen Schweinebestand zu verfügen, da Schweinefleisch sehr beliebt war.43 Gekocht wurde von den Männern im traditionellen Erdofen umu.44 Diese Rollenverteilung stieß bei den Europäern, für die es selbstverständlich war, dass die Frauen alle Tätigkeiten in Haushalt und Küche übernahmen, auf Verwunderung und Unverständnis. Doch die abweichenden Geschlechterbilder waren bei weitem nicht die einzigen Traditionen, die durch den wachsenden Einfluss der Europäer in Ozeanien herausgefordert wurden.

2.2 E RWERB DER K OLONIALGEBIETE

IN DER

S ÜDSEE

Lange Zeit hatte das Deutsche Kaiserreich die Kolonialpolitik der anderen Mächte nur beobachtet ohne selbst Gebiete für sich zu reklamieren. Noch 1883 hatte sich Bismarck ausdrücklich gegen deutsche Kolonien ausgesprochen. Doch seit den 1870er Jahren formierte sich eine kleine, aber einflussreiche koloniale Bewegung. Am Übersee-Handel interessierte Kreise übten verstärkt Druck aus und das öffentliche Interesse an kolonialen Erwerbungen wuchs ebenso wie die Furcht, bei der „Aufteilung der Welt“ zu kurz zukommen und hinter den Kolonialmächten zurückzubleiben. Verstärkt wurden die kolonialen Bestrebungen außerdem durch den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, der den Nationalstolz des frisch geeinten

39 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 176; Schultz, Erich: Die wichtigsten Grundsätze des Samoanischen Familien- und Erbrechtes, Apia ca. 1909, S. 6, in: ANZ(W), AGCF 6069/0863; Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band I, S. 28-31 u. 2. Band, Stuttgart 1903, S. 297 40 Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band II, S. 89f. 41 Schultz-Ewerth, E.: Erinnerungen an Samoa, S. 89; Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band, II S. 136 u. 144. 42 Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band II, S. 136. 43 Ebd., S. 159. 44 Ebd., S. 131f u. 144.

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Staates stärkte und auch eine überseeische Ausdehnung des neuen Kaiserreichs möglich erscheinen ließ.45 Die Besiedelung neuer Gebiete sollte zudem einen Ausweg für das Problem des explosionsartigen Bevölkerungswachstums bieten. Auf Grund der industriellen Revolution hatten sich die gesundheitliche Lage und die Lebensqualität deutlich verbessert, so dass die Bevölkerungszahl immer mehr anwuchs, was sich bald auf den Arbeitsmarkt auswirkte. Wegen der durch den raschen gesellschaftlichen Wandel entstandenen Probleme herrschte ein allgemeines Krisenbewusstsein in Deutschland, was zu zahlreichen Emigrationen vor allem in die USA führte. Diese Emigrationen wurden als Verlust für das Deutsche Reich empfunden, was nach damaliger Sicht nicht für die Ausreise in eigene Kolonien zutraf. Die Bevölkerungs- und Auswanderungsfrage lieferte daher wichtige Argumente für die Kolonialbefürworter.46 Der Erwerb von Kolonien wurde in der Regel dadurch eingeleitet, dass ein privates Handelsunternehmen Gebiete in Übersee als Handelsstützpunkt erwarb und dann das Deutsche Reich einen Schutzbrief über diese Besitzungen ausstellte. Auf Grund der Konkurrenz durch andere Großmächte und des „Versagens sämtlicher Großhandelsfirmen in den Schutzgebieten“ wurden diese nach relativ kurzer Zeit in formelle staatliche Kolonien des Deutschen Kaiserreichs umgewandelt.47 So beginnt die Epoche der deutschen Kolonialerwerbungen damit, dass am 24. April 1884 dem Tabakhändler Franz Adolf Lüderitz der Reichsschutz für seine in Südwestafrika erworbenen Gebiete zugesichert wurde. Im gleichen Jahr wurden erst am 5. Juli Togo, dann am 14. Juli Kamerun unter deutschen Reichsschutz gestellt. Als viertes Schutzgebiet in Afrika kam am 27. Februar 1885 Ostafrika hinzu.48 Die pazifische Inselwelt lag seit Ende der 1850er Jahre in der Interessensphäre deutscher Handelsfirmen, die sich zunächst am Walfang und dann immer stärker am Handel mit dem wichtigsten Produkt der Region, dem getrockneten Mark der Kokosnuss (Kopra), beteiligten. Innerhalb von zwei Jahrzehnten gelang es ihnen, eine dominierende Stellung im Südsee-Handel einzunehmen. Diese Firmen nutzten vor Ort den Kontakt zu sogenannten beachcombers. Mit diesem Ausdruck werden

45 Conrad, Sebastian: Deutsche Kolonialgeschichte, München 2008, S. 22-24; Gründer, Horst: Die historischen und politischen Voraussetzungen des deutschen Kolonialismus, in Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 27-58, hier S. 28f. 46 Conrad, S.: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 24f; Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 28f; Hempenstall, Peter: Mikronesier und Deutsche, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 583-603, hier S. 584. 47 Gründer, H.: Die historischen und politischen Voraussetzungen des deutschen Kolonialismus, S. 42. 48 Ebd., S. 42f; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 15. Jg. (1894), S. 193.

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die ersten Europäer bezeichnet, die sich in größerer Zahl in der Südsee niederließen. Es handelt sich um desertierte Matrosen, die die Inseln der Südsee zu ihrem dauerhaften Aufenthaltsort gewählt hatten. Viele von ihnen waren mit einheimischen Frauen verheiratet und waren frühe Mittler zwischen der europäischen und der indigenen Kultur, so dass sie deutschen Handelsfirmen erste Anlaufpunkte in der Fremde sein konnten.49 Da auch England, Amerika und Australien ihren Einfluss im Pazifik immer weiter ausdehnten, war die Reichsregierung bereit, den erfolgreichen deutschen Handel in dieser Region gegen die ausländische Konkurrenz zu unterstützen. Auch unter militärstrategischen Aspekten schienen Besitzungen in der Südsee als Stützpunkte für die deutsche Marine attraktiv. So schlossen deutsche Seeoffiziere eine Reihe von Verträgen mit einheimischen Herrschern, wobei das polynesische Inselreich im Zentrum des Interesses lag. Im Jahr 1877 befanden sich bereits 87 Prozent des Exports und 79 Prozent des Imports nach Samoa und Tonga in deutschen Händen – vor allem in den Händen des Hamburger Handelshauses Johann Cesar Godeffroy & Sohn.50 Neben Polynesien geriet in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch zunehmend die größte melanesische Insel Neuguinea ins deutsche Interesse. 1882 wurde ein „Neuguinea-Konsortium“ gegründet, aus dem die Kolonialgesellschaft Neuguinea-Kompanie hervorging. Das Konsortium bestand aus dem Bankier Adolph von Hansemann, Bismarcks Privatbankier Gerson von Bleichröder und weiteren Großfinanziers. Dr. Otto Finsch, der Forschungsagent des Konsortiums, erwarb im Herbst 1884 für die Gesellschaft mehrere Gebiete im Nordosten von Neuguinea, um dort Plantagen und Häfen anzulegen. Die erworbenen Gebiete bekamen den Schutz des deutschen Reiches zugesichert. Im November und Dezember 1884 wurde an verschiedenen Stellen in Nordost-Neuguinea, auf New Britain (später Neupommern) und den umliegenden Inseln die deutsche Flagge gehisst.51 Bei der endgültigen Festlegung der deutschen und englischen Interessensphären am 6. April 1886 wurden Nordost-Neuguinea (Kaiser-Wilhelmsland), der Bismarck-Archipel (mit den Inseln Neumecklenburg, Neulauenburg und Neupommern) und die nordwestlichen Salomonen mit Buka, Bougainville, Choiseul und Ysabel als deutsches Eigentum bestätigt.52

49 Hiery, Hermann J.: Zur Einführung: Die Deutschen und die Südsee, in: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914, S. 1-26, hier S. 1f; Gründer, H.: Die historischen und politischen Voraussetzungen des Kolonialismus, S. 44. 50 Gründer, H.: Die historischen und politischen Voraussetzungen des deutschen Kolonialismus, S. 44. 51 Ebd., S. 44f. 52 Ebd., S. 45; Schnee, Heinrich (Hrsg.): Deutsches Koloniallexikon, 3 Bände, Leipzig 1920, Band II, S. 629f.

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Die Landeshoheit über dieses Gebiet lag seit 1885 in den Händen der Neuguinea-Kompanie. Da die Kompanie aber an der administrativen Erschließung der Kolonie nicht interessiert und durch den anhaltenden Konflikten mit den Einheimischen überfordert war, übernahm das Deutsche Reich 1899 die Verwaltung Deutsch-Neuguineas.53 Außerdem hatte das Deutsche Reich auf Drängen der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft und der Firma Robertson & Hernsheim 1885 die Marshallinseln erworben.54 Robertson & Hernsheim hatte zudem im Januar 1885 um Reichsschutz für die Karolinen gebeten, um ihre dortige Monopolstellung zu sichern. Bismarck hatte daraufhin die deutsche Flagge auf den Karolinen und den Palauinseln hissen lassen, womit der Protest der Spanier geweckt wurde, die die Karolinen entdeckt und benannt hatten. Erst im Jahr 1899, als Spanien im spanisch-amerikanischen Krieg unterlag, konnte das Deutsche Reich Spanien die Karolinen, Marianen und Palauinseln für 25 Millionen Pesetas abkaufen.55 Die am westlichen Rand der Gilbertinseln gelegene Insel Nauru hatte das Reich bereits 1888 annektiert und dem Verwaltungsgebiet der Marshallinseln angeschlossen.56 Als letztes „Schutzgebiet“ erwarb das Deutsche Reich Samoa. Mehr noch als die anderen Territorien im Pazifik hatte Samoa für die Deutschen einen ganz besonderen, emotionalen Wert, der in Kontrast zur tatsächlichen geringen Bedeutung der Kolonie für das Reich stand. Eine seltene Ausnahme bildet daher der klarsichtige Hinweis eines Zeitgenossen auf „die ungeheure Lächerlichkeit der völligen Verhältnislosigkeit zwischen politischer und sonstiger Bedeutung“ Samoas.57 Gemeinhin galt Samoa damals als „Perle der Südsee“, seine Bewohner als im Vergleich mit anderen Kolonialvölkern kulturell weit entwickelt und schön. Samoa war daher ein Prestigeobjekt der deutschen Kolonialpolitik.58 So schrieb etwa Georg Wegener

53 Gründer, H.: Die Geschichte der deutschen Kolonien, S. 193-195; Hiery, Hermann J.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, in: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001 S. 198-238, hier S. 299. 54 Hardach, G.: Die deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 511. 55 Laut Mückler lassen sich die 25 Millionen Pesetas in ca. 17 Millionen Mark umrechnen, wobei er den entsprechenden Wert einer Mark aus dem Jahr 1881 mit 6,40 Euro (im Jahr 2008) angibt. Der Kaufpreis der Inseln betrug demzufolge fast 109 Millionen Euro, vgl. Mückler, H.: Kolonialismus in Ozeanien, S. 110; siehe auch: Gründer, H.: Die historischen und politischen Voraussetzungen des deutschen Kolonialismus, S. 45f; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 21. Jg. (1900), S. 226/227. 56 Hardach, G.: Die deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 512. 57 Siegfried Genthe zitiert nach: Wegener, Georg: Samoa. Reiseschilderungen von Dr. Siegfrid Genthe, Berlin 1908, S. 11. 58 Vgl. Hiery, H. : Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 27-30; Hempenstall, Peter: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, in: Hiery, Her-

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1908 Samoa sei „diejenige unserer Kolonien, die unser Volk am meisten mit Liebe und Stolz sein eigen nennt“.59 Es handle sich bei Samoa um ein Gebiet, „das an landschaftlichem Zauber wie an Poesie des Volkstums seinesgleichen auf der Erde nur wenig kennt“.60 Seit 1889 regierten dort Amerikaner, Engländer und Deutsche gemeinsam, um ihren rivalisierenden Interessen so gut wie möglich gerecht zu werden. Doch diese Lösung konnte den schon lange schwelenden Konflikt, in dessen Verlauf sich die ausländischen Mächte immer wieder in innersamoanische Machtkämpfe eingemischt und diese für ihre eigenen kolonialen Interessen zu instrumentalisieren versucht hatten, nicht dauerhaft beenden. Erst 10 Jahre später konnte endlich eine Lösung gefunden werden: 1899 gab England seine Interessen schließlich auf und erhielt dafür den Großteil der Salomonen (bis auf Bougainville und Buka) und die Tongainseln als Protektorat, was am 14. November 1899 im sogenannten Samoa-Vertrag festgehalten wurde. Der zweite Teil des Vertrages wurde am 2. Dezember 1899 zwischen Amerika und dem Deutschen Reich geschlossen. Samoa wurde zwischen diesen beiden Mächten aufgeteilt, wobei das Deutsche Reich mit den Inseln Upolu und Savai’i den größeren Teil erhielt. Am 1. März 1900 wurde in Apia die deutsche Flagge gehisst.61 Zwei Jahre bevor die Entscheidung über Samoa fiel, hatte das Deutsche Reich außerdem Kiautschou in China als „Pachtgebiet“ für 99 Jahre erworben.62 Mit diesen letzten Erwerbungen im Pazifik war der Aufbau des deutschen Kolonialreiches abgeschlossen. Insgesamt entsprach die Bevölkerung des deutschen Kolonialreichs zwar weniger als einem Fünftel der deutschen Bevölkerung, flächenmäßig übertraf das Kolonialreich das Mutterland aber nun fast um das Sechsfache.63 Deutschland verfügte damit nach Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden über das viertgrößte europäische Kolonialreich.64

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mann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 690-711, hier S. 690. Wegener, G.: Samoa, Vorwort S. X. Ebd. Gründer, H.: Die historischen und politischen Voraussetzungen des deutschen Kolonialismus, S. 46; Mückler, H.: Kolonialismus in Ozeanien, S. 75f; Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 21. Jg. (1900), S. 226f. Gründer, H.: Die historischen und politischen Voraussetzungen des deutschen Kolonialismus, S. 46. Ebd., S. 47. Conrad, S.: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 22.

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2.3 G RUNDZÜGE DER DEUTSCHEN V ERWALTUNG DER S ÜDSEE -K OLONIEN Die Südsee-Kolonien und der Charakter der deutschen Verwaltung dieser Gebiete unterschieden sich in vielerlei Hinsicht von der Situation der deutschen Kolonialgebiete in Afrika. Ein Spezifikum der Südsee-Kolonien war ihre extreme Peripherielage und die deutlich schlechtere Anbindung ans Mutterland. Die Bevölkerung war lange Zeit nahezu abgeschnitten von der Außenwelt und die Kommunikation mit der Heimat war extrem schwierig: So betrug beispielsweise im Jahr 1896 die Dauer der Postdampfschiffverbindung zwischen Neapel und Friedrich-Wilhelmshafen in Neuguinea 45 Tage.65 Bis eine schriftliche Anfrage aus der Südsee Berlin erreichte, konnte es also über sieben Wochen dauern – bis eine Antwort auf die Frage kam, demnach mindestens 14 Wochen, also über drei Monate. Auch noch zwei Jahre vor Kriegsausbruch lag die Briefbeförderungsdauer von Deutschland nach Rabaul amtlichen Quellen zufolge noch bei 42 bis 49 Tagen.66 Nach Apia in Samoa war die Post aus Deutschland zu dieser Zeit ebenfalls 42 Tage unterwegs wenn der Weg über Sydney gewählt wurde, jedoch nur 26 bis 28 Tage wenn sie über San Francisco befördert wurde.67 Noch schwieriger war die Kommunikation für die Deutschen in Teilen des mikronesischen Inselgebietes, beispielsweise auf den Marianen.68 Von der Insel Nauru berichtet Missionsschwester Stanisla im Jahr 1904, der Postdampfer hielte nur ungefähr eine Stunde. „Wir können also die Nachrichten, die wir mit demselben erhalten, erst später mit dem nächsten Schiff, oft erst nach einem Vierteljahr, beantworten.“69 Alternativen zum Schriftverkehr gab es anfangs nicht, ab 1905 verfügte aber die Karolineninsel Yap über eine Kabel- und ab 1909 (wie auch die zu Palau gehörende Insel Angaur) über eine Funkstation, Nauru erhielt 1913 eine Funkstation.70 Samoa 65 Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 17. Jg. (1896), S. 200. 66 Adressbuch für Deutsch-Neuguinea, Samoa, Kiautschou. Nach amtlichen Quellen bearbeitet, dreizehnte Ausgabe, Berlin 1913, S. 11. 67 Ebd., S. 39. 68 Klein-Arendt, Reinhard: Die Nachrichtenübermittlung in den deutschen Südseekolonien, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 177-197, hier S. 180f. 69 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Sr. Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. Die Situation hatte sich 1908 aber offenbar deutlich verbessert: Nun konnte in Nauru mindestens einmal im Monat Post empfangen und abgesendet werden, vgl. Klein-Arendt, R.: Die Nachrichtenübermittlung in den deutschen Südseekolonien, S. 181; Zur Postübermittlung nach und von Samoa: ebd., S. 181f. 70 Klein-Arendt, R.: Die Nachrichtenübermittlung in den deutschen Südseekolonien, S. 186, 188-191.

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war bis zum Ende der deutschen Verwaltung nie per Kabel, sondern nur per Funk an das Welttelegraphennetz angeschlossen, zu dem Neuguinea bis zum Kriegsausbruch weder über Kabel noch Funk Zugang hatte.71 Für Neuguinea bestimmte Telegramme wurden daher an eine möglichst nahe Kabelstation befördert und von dort aus per Post weitergeschickt.72 Mit den langen Kommunikationswegen lässt sich auch die weitgehende Autonomie der deutschen Lokalverwaltung in der Südsee erklären:73 Dringende Entscheidungen mussten ohne Rücksprache mit der Metropole getroffen werden. Dieser Umstand begünstigte eine Sonderentwicklung im Vergleich zu Afrika, das besser an Europa angebunden war. Deutsche Kolonialbeamte waren in der Südsee weit mehr als in Afrika ihr eigener Herr, ihre Persönlichkeit war daher mehr als anderswo ausschlaggebend für den Stil der lokalen Kolonialverwaltung.74 Häufig mussten situative, pragmatische und unbürokratische Problemlösungen gewählt werden, die sich vor Ort ohnehin oft als zweckmäßiger erwiesen als realitätsfremde Anweisungen aus der Metropole. Ludwig Kohl-Larsen, ehemaliger kaiserliche Regierungsarzt und Vertreter des Bezirksamtmanns auf Yap, schreibt über die Amtsführung in der Südsee in seinen Lebenserinnerungen: „Ob man den Bürokratismus nach der Insel importieren wollte oder nicht, lag an einem selbst. Wo wie hier sich der Himmel ungeschmälert über eine Insel wölbt und das weite Band des Meeres ihre Riffe umspülte, musste man als weißer, besser noch als weiser Beamter das Unkraut der Paragraphen und Bestimmungen zu Hause lassen.“75

Die vergleichsweise zurückhaltende Einflussnahme und das geringe Interesse des Mutterlandes an den Kolonien in der Südsee ist jedoch nicht nur mit der eingangs zitierten „weiten Entfernung vom Mutterlande und der Schwierigkeit der Kommunikationen“76 zu erklären. Noch wichtiger ist wohl, dass die Südsee-Kolonien im Gegensatz zu „Deutsch-Südwestafrika“ nie als Siedlungskolonien galten und die Anzahl der dort lebenden Deutschen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges sehr

71 Ebd., S. 187. 72 Ebd.; vgl. eine Bemerkung der Gouverneursfrau von Samoa: „Alles wartet gespannt auf die nächsten beiden [...] Dampfer, die ev. schon Kabel vom neuen Reichskanzler bringen.“, in: Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 27. Juli 1909, in Privatbesitz. 73 Klein-Arendt, R.: Die Nachrichtenübermittlung in den deutschen Südseekolonien, S. 178 u. 194. 74 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 231; Ders.: The Neglected War. The German South Pacific and the Influence of World War I, Honolulu 1995, S. 260. 75 Kohl-Larsen, Ludwig: Erinnerungen aus meinem Leben, Lindau-Reutin / Bodensee 1970, S. 92. 76 Ein deutsches Gouverneursheim in der Südsee, (ohne Verf.), in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 38, S. 2.

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klein war. In vielen zeitgenössischen Quellen wird betont, dass weder Samoa noch Neuguinea und das mikronesische Inselgebiet als tropische Kolonien für die Ansiedlung von Europäern gut geeignet seien.77 Man hielt vor allem auf Grund der klimatischen Auswirkungen auf die Gesundheit für Europäer einen dauerhaften Aufenthalt in den Südsee-Kolonien für schädlich, auch wenn Samoa als gesünder galt als Deutsch-Neuguinea: „Eine dauernde Heimstätte sich dort zu errichten, die nachfolgende Generation im Schutzgebiete selbst heranwachsen zu sehen und dem Sohne das begonnene Lebenswerk zur Weiterführung zu übergeben, ist in den Tropen kaum und nur in Ausnahmefällen möglich.“78 Nicht nur in vielen Erfahrungsberichten sondern auch von amtlicher Seite wurden die Gefahren und Unannehmlichkeiten für die Kolonisten in der Südsee betont.79 Über Samoa las man beispielsweise in einer offiziellen Informationsbroschüre im Jahr 1909: „Samoa ist infolge seiner klimatischen und wirtschaftlichen Eigentümlichkeiten kein Land für Kleinsiedlung [...] Wer aber mit hinreichenden Mitteln versehen hierherkommt, wird sich, um Enttäuschungen zu entgehen, zu vergegenwärtigen haben, dass ein arbeitsreiches, meist einsames und der Abwechslung entbehrendes Leben ihm bevorsteht.“80

Einwanderungswillige Deutsche wurden also keineswegs ermutigt, in der Südsee ihr Glück zu versuchen, teilweise wurde sogar explizit davon abgeraten.81 So ist es kaum verwunderlich, dass sich nur wenige Deutsche in den Südsee-Kolonien ansiedelten, wie bereits Tabelle 1 zeigte. Auch wirtschaftlich waren die Kolonialgebiete in der Südsee nie bedeutend, selbst wenn manche Zeitgenossen das anders sehen wollten und den Wert und die Leistungen „ihrer“ Kolonie zum Teil extrem überschätzten.82 Obwohl sich die Wirtschaft der Südsee-Kolonien erfolgreich entwickel77 Vgl. beispielsweise Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 15, S. 8; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 3. Jg. (1890), Nr. 1; Festrede Seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem Roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 63; Parkinson, Richard: Im Bismarck-Archipel. Erlebnisse und Beobachtungen auf der Insel Neu-Pommern (NeuBrandenburg), Leipzig 1887, S. 92. 78 Festrede Seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem Roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 63. 79 Beispielsweise: Sonderabdruck aus Das deutsche Schutzgebiet Samoa, Apia 1909/10, S. 19, ANZ(W), AGCA 6051/0418 u. Gouverneur Hahl an Eugen Lischke, Herbertshöhe, 24. Dez. 1904, BArch, R 1001/2262. 80 Sonderabdruck aus Das deutsche Schutzgebiet Samoa, Apia 1909/10, S. 22, ANZ(W), AGCA 6051/0418. 81 Beispielsweise Deutsche Kolonialzeitung, 3. Jg. (1886), Nr. 5, S. 132; verschiedene Zeitungsausschnitte und Briefe dieses Inhalts finden sich außerdem in BArch, R 1001/2269. 82 Siehe beispielsweise Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 159; Krämer-Bannow, Elisabeth: Der hohe Wert des deutschen Südsee-Schutzgebietes, in: Kolonie und Heimat,

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te, war ihr Beitrag zur Gesamtleistung der Kolonien nie höher als 8,3 Prozent. Insgesamt hatte die deutsche Südsee 1913 einen Anteil am Gesamthandel des Deutschen Reiches von nur 0,06 Prozent.83 Hauptexportprodukt der Südsee-Kolonien war Kopra, das getrocknete Mark der Kokosnuss. Weitere Ausfuhrprodukte waren Kakao, Kautschuk, Guttapercha, Kaffee, Schildpatt und Tabak.84 Auf den mikronesischen Inseln Nauru und Angaur wurden außerdem während der deutschen Kolonialzeit große Phosphatvorkommen entdeckt, so dass 1906 in Nauru und 1909 auf Angaur mit dem lukrativen Abbau begonnen wurde.85 Dennoch brachten die Südsee-Kolonien ebenso wenig wie diejenigen in Afrika ein Plusgeschäft für das Deutsche Reich.86 Im Folgenden soll nun ein kurzer Überblick darüber gegeben werden, wie sich die deutsche Kolonialherrschaft in den einzelnen Südsee-Kolonien gestaltete. Als das Deutsche Reich die Verwaltung Deutsch-Neuguineas übernahm, wurde das Gebiet administrativ in zwei Hauptgebiete unterteilt: Das Festland (KaiserWilhelmsland) und den Bismarck-Archipel. Zum Verwaltungszentrum wurde zunächst Friedrich-Wilhelmshafen in Kaiser-Wilhelmsland bestimmt, 1899 wurde es jedoch nach Herbertshöhe im wirtschaftlich bedeutenderen Archipel verlegt. Im Jahr 1910 wechselte der Sitz des Gouvernements und des Obergerichts in das rund 30 km von Herbertshöhe entfernte Rabaul.87 Während sein Vorgänger Rudolf von Bennigsen und sein Nachfolger Eduard Haber jeweils nur kurze Zeit die Geschicke der Kolonie lenkten, prägte Gouverneur Dr. Albert Hahl in seiner zwölfjährigen Amtszeit das deutsche Neuguinea wie kein Zweiter. Der Volkswirt und Jurist war ab 1896 kaiserlicher Richter im BismarckArchipel, ab 1899 Vize-Gouverneur und von 1902 bis 1914 schließlich Gouverneur von Deutsch-Neuguinea. Hahl baute eine effiziente Verwaltung auf und gründete zahlreiche Bezirksämter und Regierungsstationen.88 Um die in viele kleine segmentäre Gesellschaften zersplitterte, unruhige Kolonie unter Kontrolle zu bringen, versuchte der Gouverneur, die einheimische Bevölkerung in die Kolonialpolitik einzubinden; indem er einheimische Verwaltungsbeamte einsetzte. Es wurden sogenannte luluai, „Häuptlinge der Regierung“, ernannt,

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11. Jg. (1917/18), Nr. 29, S. 4f; Diehl, Wilhelm: Was man mit Schlangen erleben kann, in: Der kleine Missionsfreund, 65. Jg. (1919), Nr. 9, S. 68f. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 21f. Vgl. Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, z.B. 31. Jg. (1910), S. 403f. Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 201; Hardach, G.: Die Deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 523f. Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 215. Ebd., S. 193; vgl. Deutsches Kolonialblatt, 21. Jg. (1910), Nr. 8, S. 312. Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 303; Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 193.

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die als Ortsvorsteher eine Mittlerstellung zwischen den Einheimischen und der deutschen Verwaltung einnehmen sollten. Jedes Dorf durfte einen solchen luluai vorschlagen, der dann ermächtigt wurde, interne kleinere Konflikte zu regeln und schwerwiegende Probleme an die Kolonialverwaltung weiterzuleiten. Die luluai hatten auch dafür zu sorgen, dass bestimmte Quoten unbezahlter Arbeit geleistet wurden. Sie bekamen für ihre Dienste ein Gehalt und durften außerdem zehn Prozent der Kopfsteuer, die sie für die deutsche Regierung einzutreiben hatten, für sich verwenden. Nicht immer blieben Konflikte zwischen diesen Ortsvorstehern, die zunehmend zwangsmäßig ernannt wurden, und deren Dorfgemeinschaften aus.89 Neben der Einbeziehung der indigenen Bevölkerung in die Verwaltung versuchte Hahl auch, sie in das Wirtschaftssystem der Kolonien zu integrieren und ihre Landbesitzrechte zu schützen. Diese Politik stabilisierte die unruhigen Verhältnisse in Neuguinea. Dennoch kam es unter Hahl wie unter seinem Vorgänger von Bennigsen auch immer wieder zu brutalen sogenannten „Strafexpeditionen“ gegen straffällig gewordene Einheimische und ihre Dorfgemeinschaften. Zwar war Hahl überzeugt, dass Gewalt mit Gegengewalt begegnet werden müsse, doch bemühte er sich in der Regel um den Aufbau friedlicher Beziehungen und um politische Konfliktlösungen.90 Er hatte erkannt, dass die Interessen der einheimischen Bevölkerung so weit wie möglich berücksichtigt werden mussten und ihre Einbeziehung in die Kolonialpolitik dringend nötig war, um wirtschaftliche und politische Erfolge in den Kolonien zu erzielen.91 Hahl besaß ein außergewöhnliches Maß an Verantwortungsbewusstsein für alle Einwohner der Kolonie und wird von Hiery als „Glücksfall für die Kolonie, vielleicht sogar der beste Kolonialbeamte, den Deutschland besaß“ bezeichnet.92 Ein Missionar schrieb im Jahr 1902 über Hahl: „Der Gouverneur hat die Herzen der Bevölkerung gewonnen; er macht den Eindruck eines gerechten, menschenfreundlichen und weisen Herrschers.“93 Anlässlich von Hahls Abreise aus der Kolonie im April 1914 heißt es in einem Abschiedsschreiben der Methodist Missionary Society of Australasia, die im Bismarck Archipel tätig war: „May we be allowed to say that Your Excellency’s firm and invariable usage to resist all encroachments on the liberty of the subject, even though a coloured subject, and all attempts to

89 Hiery, H. J.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 301f; Gründer, H.: Die Geschichte der deutschen Kolonien, S. 196; Mückler, H.: Kolonialismus in Ozeanien, S. 179. 90 Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 198. 91 Ebd., S. 195. 92 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 299f. 93 Deutsche Kolonialzeitung, N. F. 15 (1902), Nr. 32, S. 316; Auch Historiker aus dem pazifischen Raum, die der deutschen Kolonialherrschaft kritisch gegenüberstehen, bewerten Hahl überwiegend positiv, so z.B. der Australier Stewart Firth: vgl. Firth, S.: New Guinea under the Germans, S. 166.

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unduly interfere with the rights of person and property of the natives has been a matter of genuine satisfaction to our society. The united force of the European settlers has only too often been in an opposite direction, and we desire to congratulate Your Excellency on the consistency with which you have fought the cause of the native against the claims of those whose one admitted aim is to ‚make money‘, [...]. [...] we cannot but recognise that the views of Your Excellency are liberal views, and beyond any doubt sincere and single in the intention to benefit the native people.“94

Wie in diesem Zitat deutlich wird, waren nicht alle europäischen Einwohner der Kolonie mit der Politik Hahls zufrieden. Vor allem die Pflanzungs- und Handelsbetriebe wünschten sich eine stärkere Unterstützung ihrer Interessen durch das Gouvernement, wenn nötig auch zu Lasten der einheimischen Bevölkerung. Einige der vom Gouverneur vorgeschlagenen Arbeiterverordnungen begünstigten die indigenen Arbeiter in den Augen dieser Europäer zu sehr.95 Der Gouverneur hielt dennoch an seiner Politik fest und konnte bei seiner Abreise auf eine erfolgreiche Regierungszeit zurückblicken. Er hatte die Verwaltung, die medizinische Versorgung und das Bildungswesen ausgebaut.96 Die Scholarisationsquote lag bei 3,2 Prozent und damit höher als in den meisten deutschen Kolonien in Afrika.97 Außerdem wurden in seiner Regierungszeit Telefonsprechanlagen in Herbertshöhe und Rabaul errichtet sowie zahlreiche Straßen gebaut, was für die Ausbreitung des Landfriedens von großer Bedeutung war.98 Diese Erfolge dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die deutsche Verwaltung auf weite Teile des kleinteiligen, schwer zu erschließenden Kolonialgebietes kaum Einfluss hatte: Über große Teile Neu-Pommerns, Bougainvilles und KaiserWilhelmslands schreibt Horst Gründer, sie hätten „allenfalls unter nomineller Verwaltung“ gestanden.99 Bei Kriegsbeginn seien die Bezirke am Huon-Golf das einzige Gebiet auf dem Festland gewesen, in dem die Kontrolle stellenweise weiter als 50 km landeinwärts reichte. Die Verwaltung des mikronesischen Inselgebietes wurde während der deutschen Herrschaft mehrfach umstrukturiert. Zunächst wurden die Marshallinseln eigenständig verwaltet, zuerst durch einen sogenannten „Kaiserlichen Kommissar“, dann wurde 1893 der neue Titel des „Landeshauptmanns“ geschaffen. Obwohl es geo-

94 Chairman of the Methodist Missionary Society of Australasia working in the Bismarck Archipel to Gouverneur Hahl, Vatnabara, Ulu, 13. April 1914, BArch, R 1001/2568. 95 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 306. 96 Gründer, H.: Geschichte der Deutschen Kolonien, S. 198, 201. 97 Ebd., S. 201. 98 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 308. 99 Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 205; vgl. Firth, S.: New Guinea under the Germans, S. 92.

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graphisch nahe gelegen hätte, wurden die anderen Inselgebiete des deutschen Mikronesiens, also die Karolinen und Marianen, nicht von den Marshallinseln aus mitverwaltet. Stattdessen entschied man sich 1899, diese beiden Inselgruppen dem Gouverneur von Deutsch-Neuguinea zu unterstellen. Es wurden drei Bezirksämter eingerichtet: In Ponape für die Ostkarolinen, in Yap für die Westkarolinen und die Palau-Gruppe und in Saipan für die Marianen.100 Auf Grund der großen Entfernung zum Gouvernement in Herbertshöhe wurden den Bezirksamtmännern auf den Karolinen und Marianen eine gewisse Eigenständigkeit zugestanden. Die deutsche Verwaltung Mikronesiens war also vergleichsweise dezentralisiert und für eine erfolgreiche Kolonisierung war die Persönlichkeit der regierenden Beamten, die Exekutive, Legislative und Judikative in sich vereinten, von entscheidender Bedeutung.101 1906 wurde schließlich die gesonderte Verwaltung der Marshallinseln aufgehoben: Die Inseln wurden fortan ebenfalls durch einen Bezirksamtmann verwaltet, der dem Gouverneur von Deutsch-Neuguinea unterstellt war. Die Reform der Kolonialpolitik in der Ära Dernburg führte 1907 nochmals zu einer Neuorganisation der Verwaltung, so dass Mikronesien am Ende der deutschen Herrschaftszeit in nur noch zwei zur Kolonie Deutsch-Neuguinea gehörende Verwaltungseinheiten unterteilt war: In das „Westliche Inselgebiet“ mit dem Bezirksamt Jap und das „Östliche Inselgebiet“ mit dem Bezirksamt Ponape.102 Die Präsenz der deutschen Verwaltung und der Missionen lösten teilweise in der mikronesischen Gesellschaft einen erheblichen sozialen Wandel aus: Das betrifft vor allem die Marshallinseln, wo das Deutsche Reich die erste Kolonialmacht war, während die Marianen bereits durch die Kolonialherrschaft der Spanier geprägt waren und die Deutschen auf in dieser Zeit geschaffene Strukturen zurückgreifen konnten. Auf den Marshallinseln und Karolinen stützte sich die deutsche Verwaltung auf die traditionelle Oberschicht, unterwarf die indigene Gesellschaftsstruktur aber einem Modernisierungsprozess. Die Macht der Häuptlinge wurde eingeschränkt, die Rechtsprechung weitgehend auf die deutsche Verwaltung übertragen und dem deutschen Recht angepasst sowie die alte indigene Oberschicht durch eine neue Verwaltungselite ersetzt, die ihren Einfluss der deutschen Kolonialmacht verdankte.103 Derartige Maßnahmen wurden jedoch nicht flächendeckend umgesetzt, zumal der deutsche Einfluss und die damit verbundenen Veränderungen für die indigene Bevölkerung sich ohnehin bei weitem nicht auf alle mikronesischen Inseln erstreckten. Die großen Entfernungen zwischen den Inseln verhinderten eine regelmäßige 100 Vgl. Auswärtiges Amt an das Gouvernement in Herbertshöhe, Berlin, 20. Juli 1899, BArch, R 174F/80016. 101 Hempenstall, P.: Mikronesier und Deutsche, S. 599. 102 Hardach, G.: Die Deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 516. 103 Ebd., S. 530.

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Präsenz der Verwaltungsbeamten, so dass Hempenstall dazu bemerkt: „Auf den äußeren Atollinseln blieb der deutsche Einfluss belanglos; jahrelange Unterbrechungen lagen zwischen den Besuchen.“104 Angesichts des geringen Personalumfangs für dieses weitläufige Gebiet kann das kaum verwundern. Im Jahr 1912 waren insgesamt nur 25 deutsche Kolonialbeamte in Mikronesien tätig, wobei Ärzte, Lehrer, Sanitäter und die Besatzung des einzigen Regierungsbootes bereits mitgerechnet sind. Hardach verweist darauf, dass die Kolonialbeamten auf Grund ihrer geringen Anzahl vielseitig sein mussten: So traten Verwaltungsbeamte auch als Richter auf und Ärzte und Sanitäter als Verwaltungsbeamte.105 Ein zentrales Anliegen der deutschen Kolonialverwaltung war auch im mikronesischen Inselgebiet die Sicherung bzw. Herstellung des Landfriedens. Auf der Insel Ponape kam es dennoch im Jahr 1910 zur sogenannten „Sokehs-Rebellion“, einer Erhebung des Stammes der Sokehs (man findet in den amtlichen deutschen Quellen und in der Sekundärliteratur auch die Schreibweise „Dschokadsch“ 106), die „eines der blutigsten Kapitel in der Kolonialgeschichte des Pazifiks“ darstellt.107 Anlass war der sich unter den Einheimischen regende Widerstand gegen die von der deutschen Verwaltung eingeführte Kopfsteuer, die ersatzweise als Arbeitsleistung eingefordert werden konnte. Was mit einer Arbeitsniederlegung beim Straßenbau im Oktober 1910 begann, weitete sich zu einem langwierigen militärischen Konflikt aus und konnte erst im Februar 1911 mit Unterstützung des deutschen Ostasiengeschwaders, 300 deutschen Soldaten und verbündeten indigenen Kämpfern beendet werden. Es gab zahlreiche Verletzte und Tote auf beiden Seiten, 17 Anführer des Aufstandes wurden zum Tode verurteilt und 460 Sokehs zum lebenslangen Exil.108 Trotz dieser dramatischen Ereignisse konstatiert Hempenstall, dass die Erhebung auf Ponape „eher eine Ausnahme“ gewesen sei und „dass das Pendeln zwischen europäischer Macht und einheimischem Widerstand, europäischen Vorstellungen und traditionellen Praktiken, überall im Inselgebiet Kompromisse [hervorbrachte]“.109 Es gelang den Deutschen schließlich, friedliche Beziehungen sowohl 104 Hempenstall, P.: Mikronesier und Deutsche, S. 600. 105 Hardach, G.: Die Deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 516. 106 Beispielsweise: Oswald an RKA (Telegramm), eingegangen am 26. Dez. 1910, BArch, R 1011/3009; außerdem mehrfach in Hempenstall, P.: Mikronesier und Deutsche. 107 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 231. 108 Bericht über die Unruhen auf Ponape, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 2. Jg. (1910), Nr. 23, S. 2f; Hempenstall, P.: Mikronesier und Deutsche, S. 593-598; Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 231f. Zu diesem dunklen Kapitel der deutschen Kolonialherrschaft in der Südsee vgl. außerdem Morlang, Tobias: Rebellion in der Südsee. Der Aufstand auf Ponape gegen die deutschen Kolonialherrn 1910/11, Berlin 2010. Aktenmaterial zu den Vorgängen auf Ponape befindet sich in BArch, R 1001/3009. 109 Hempenstall, P.: Mikronesier und Deutsche, S. 601.

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zwischen den Mikronesiern und der Kolonialmacht als auch innerhalb der mikronesischen Bevölkerung herzustellen.110 In der deutschen Kolonie Samoa gab die natürliche Gliederung in die beiden Inseln Upolu und Savai’i die Einteilung in zwei Verwaltungsbezirke vor. Die Stadt Apia, der Regierungssitz der Kolonie, stellte einen weiteren eigenen Verwaltungsbezirk dar. Inklusive der zwischen diesen zwei Inseln liegenden nur wenige Quadratkilometer großen Eilande Manono und Apolima umfasste das deutsche Verwaltungsgebiet eine Fläche von rund 2570 km². Diese Größe entspricht ungefähr der heutigen Größe des Saarlands.111 Die deutsche Kolonialpolitik in Samoa wurde vor allem durch den langjährigen Gouverneur Wilhelm Solf geprägt. Er bekleidete dieses Amt von 1900 bis 1911, was Horst Gründer als „ausgesprochenen Glücksgriff“ für Samoa bezeichnet.112 Solf, ein studierter Orientalist und Jurist, stammte aus dem gehobenen Berliner Mittelstand und war ein weltgewandter Mann, der bereits Erfahrungen im deutschen Konsulat in Indien gesammelt hatte, als er 1898 Bezirksrichter in Deutsch-Ostafrika wurde. Ab 1899 war er als Munizipalitätspräsident von Apia tätig und im Jahr 1900 wurde er schließlich zum Gouverneur von Samoa ernannt.113 Solf bemühte sich, die kulturelle Identität der Samoaner zu bewahren. Wie Gouverneur Hahl war er überzeugt, dass die Mitarbeit und das Vertrauen der Einheimischen nötig waren, um einen wirtschaftlichen Nutzen aus der Kolonie ziehen zu können. Er hielt „den Eingeborenen“ für das wichtigste Gut der Kolonien und „seine Erhaltung und Förderung“ für „das A und O aller Kolonialpolitik“.114 Hempenstall ist der Ansicht, dass Solf zwar weit davon entfernt war, „die wirtschaftlichen Motive der Kolonialisierung gering zu schätzen“, er sich aber „diametral gegen dessen Missbräuche und die grundlegende Annahme, dass eingeborene Gesellschaften nichts als Arbeitstiere für

110 Hardach, G.: Die Deutsche Herrschaft in Mikronesien, S. 531. Auch Mückler bewertet das Verhältnis zwischen Kolonialmacht und Einheimischen abgesehen vom SokehsAufstand als „konstruktiv und vergleichsweise moderat“ und schreibt: „Das Verhältnis der kolonialen Administratoren zu den Einheimischen gestaltete sich aber nicht immer so konfrontativ wie in diesem speziellen Fall.“, siehe Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 231f. 111 Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 36. Jg. (1915), S. 457. 112 Gründer, H.: Geschichte der Deutschen Kolonien, S. 206, vgl. zu Wilhelm Solf: Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 13. Jg. (1900), Nr. 12, S. 121 u. Samoanische Zeitung, 12. Jg. (1912), Nr. 7, S. 1f; außerdem ausführlich: Hempenstall, Peter / Mochida, Paula: The lost man. Wilhelm Solf in German History, Wiesbaden 2005. 113 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 700; Samoanische Zeitung, 12. Jg. (1912), Nr. 7, S. 1. 114 Festrede Seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem roten Kreuz, 23. Jg. (1912), Nr. 6/7, S. 63.

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die expandierende Wirtschaft darstellten“ wandte.115 Solf selbst schrieb dazu 1919 in seinem politischen Vermächtnis: „Bei dem selbstverständlichen Wunsch unserer Regierung, für unser deutsches Vaterland Vorteile aus den Kolonien zu ziehen, habe ich nie vergessen, daß unsere Kolonien die Heimat sind von Menschen, denen wir unseren Schutz versprochen haben, für die wir sorgen müssen. Diesen Standpunkt habe ich als Gouverneur meinen Beamten eingeschärft und habe ihn später als verantwortlicher Leiter unserer Kolonialverwaltung für sämtliche deutsche Kolonien als Leit- und Grundsatz aufgestellt.“116

Der Gouverneur vertrat die Ansicht, dass eine grundlegende Landeskenntnis und der persönliche Kontakt mit den Samoanern unabdingbar waren, um als Autorität anerkannt zu werden. So reiste er viel und hielt zahlreiche Versammlungen ab, um einheimische Meinungsbilder einzuholen und sein politisches Vorgehen zu erklären.117 Alle radikalen Maßnahmen hielt Solf in Samoa für schädlich, stattdessen versuchte er, seine Ziele möglichst ohne Gewalt und mit viel Geduld und Flexibilität zu erreichen und plädierte dafür, sich in die einheimische Bevölkerung hineinzuversetzen, um sie verstehen zu lernen:118 „Erst wenn man kennen gelernt hat, was dem Samoaner lieb und wert ist, was ihm heilig oder profan gilt, was er für dumm und klug hält, was ihm gut und böse dünkt, warum er dieses als wichtig, jenes als Lappalie auffasst, erst dann versteht man seine Gedanken und erst dann kann man den Argumenten seiner Logik begegnen. Ungebildete Leute, also das Gros der weissen Ansiedler, werden sich immer schlecht mit den Eingeborenen stehen, weil sie sich in fremde Gedankengänge nicht hineinfinden können und weil sie den Eingeborenen lediglich als corpus vile für ihre Erwerbsabsichten ansehen. […] Ich führe das Alles an, um zu illustrieren, dass die Samoaner anders denken und fühlen als wir, dass sie deswegen anders behandelt

115 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 700. Hempenstall attestiert Solf außerdem „a natural respect for the intrinsic value of exotic cultures and a readiness to deal with the Samoans on their own terms“, siehe Hempenstall, P.: Pacific Islanders under German Rule, S. 32. 116 Solf, Wilhelm: Kolonialpolitik. Mein politisches Vermächtnis, Berlin 1919, S. 42f; siehe auch Hempenstall, P.: Pacific Islanders under German Rule, S. 54. 117 Davidson, James W.: Samoa mo Samoa. The Emergence of the Independent State of Western Samoa, Melbourne 1967, S. 78; vgl. Solf, J.: Tagebuch, diverse Einträge, in Privatbesitz. 118 Hempenstall, P. / Mochida, P.: The Lost Man, S. 61; Gründer, H: Geschichte der Deutschen Kolonien, S. 207; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 13. Jg. (1900), Nr. 12, S. 121.

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werden müssen und vor allem, dass es eine Widersinnigkeit ist, unsere Strafgesetze und unsere Strafverfahren gegen sie anzuwenden.“119

Solfs Ziel war es, die staatliche Organisation der Samoaner zwar zu modernisieren und mit den deutschen Interessen in Einklang zu bringen, aber ihre soziale Grundordnung nach Möglichkeit zu erhalten.120 Gleich zu Beginn der deutschen Herrschaft sicherte Solf den Samoanern Selbstverwaltung zu, was die Befugnis einschloss, innere Angelegenheiten nach samoanischem Recht selbstständig zu regeln: „[...] Solf in fact accepted the wisdom of fa’a Samoa resolution of conflicts“, schreibt der samoanische Historiker Meleisea.121 Die Repräsentanten der samoanischen Selbstregierung wurden vom Gouverneur mit einem Treue- und Gehorsamseid auf die deutsche Fahne verpflichtet; sie erhielten eine Angestelltenurkunde und ein monatliches Gehalt. Der höchste samoanische Beamte war Mata’afa, für den der Titel Ali’i Sili („Hoher Häuptling“) geschaffen wurde. Nach Mata’afas Tod Anfang 1912 wurde dieser Titel nicht neu vergeben, stattdessen wurden im Juni 1913 die höchsten Repräsentanten der Tamasese- und Malietoa-Linien zu gleichberechtigten obersten samoanischen Beratern des Gouverneurs (Fautua) ernannt.122 Neben diesen Umstrukturierungen setzte Solf weitreichende Maßnahmen durch, um die Landrechte der Einheimischen zu klären und zu schützen. Zu diesem Zweck rief er 1903 die Land- und Titelkommission ins Leben, die zahlreiche Konflikte beilegen konnte und so einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Friedens leistete.123 Der Gouverneur versuchte, das einheimische Land weitgehend vor dem Zugriff der Europäer zu bewahren. Er wollte die Zahl der Europäer in Samoa und deren Verbindungen zur einheimischen Bevölkerung möglichst gering halten und diese vor den Praktiken unehrlicher Händler schützen. Solf verbot die Vergabe von Krediten an die einheimische Bevölkerung, außerdem untersagte er den Verkauf von Alkohol und Waffen an Samoaner sowie das Glücksspiel.124

119 Solf, W.: Kolonialpolitik, S. 42. 120 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 654. 121 Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 115 (fa’a Samoa meint nach traditioneller samoanischer Art); vgl. zur Selbstverwaltung: Auszug aus einer Ansprache Solfs an die samoanischen Häuptlinge vom 14. Aug. 1900, in: Sack, Peter: Das deutsche Rechtswesen in Polynesien, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 676-689, hier S. 678. 122 Mückler, H.: Kolonialismus in Ozeanien, S. 175f; Samoanisches Gouvernements-Blatt, Band IV (1913), Nr. 45, S. 4; vgl. Erlass Kaiser Wilhelms vom 21. März 1910; BArch, R 1001/3065. 123 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 658. 124 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 657-666; Davidson, J. W.: Samoa mo Samoa, S. 78.

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Eine Besonderheit der deutschen Kolonialherrschaft in Samoa war die generelle Befreiung der Samoaner von Arbeitsleistungen für Europäer, die die samoanischen Würdenträger vom Gouverneur erbeten hatten. Da die Samoaner in der Regel nicht bereit waren, für die Deutschen zu arbeiten, wurden schon seit den 1880er Jahren melanesische Lohnarbeiter (meist von den Salomonen) nach Samoa geholt. Um die Arbeit auf den wachsenden Plantagenflächen zu bewältigen, warb man zudem ab 1903 auch chinesische Lohnarbeiter (sogenannte „Kulis“) an, deren oft unmenschliche Behandlung und Geringschätzung sowohl von europäischer als auch von samoanischer Seite ein dunkles Kapitel in der Geschichte der Kolonie darstellen.125 Der Respekt, den Solf den ursprünglichen Bewohnern der Inseln und ihrer Kultur zollte, spiegelt sich auch in der Tatsache wider, dass alle Nicht-Einheimischen ab 1900 offiziell als „Fremde“ bezeichnet wurden, was dem Gouverneur viele Deutsche verübelten, die diese Titulierung als „unhaltbar“ und „geschmacklos“ empfanden. Solf rechtfertigte die Bezeichnung damit, dass er sie aus der englischen Gesetzessprache übernommen habe, wo „Foreigner“ schlicht als Gegenstück zu „Native“ benutzt würde. Laut Solf handelte es sich dabei um einen neutralen Begriff, doch viele Deutsche wollten nicht hinnehmen, dass beispielsweise in der Regierungsschule in Apia „fremde Kinder“ unterrichtet wurden und der Gottesdienst für die Europäer in der „Fremdenkirche“ stattfand. Unerträglicher schien noch, dass selbst der Gouverneur in Samoa ein „Fremder“ war.126 Solfs Politik stieß auf die Kritik einer kleinen, aggressiven Gruppe von europäischen Pflanzern unter der Führung des Leutnants und Pflanzers Richard Deeken, die für eine „härtere“ Kolonialpolitik plädierte und die Ausbeutung von Boden und einheimischer Arbeitskraft als Hauptzweck der Kolonisierung ansah. Viele dieser Kleinsiedler waren von Deekens 1901 erschienenem Buch Manuia Samoa! in die Kolonie gelockt worden. Auf der Basis zweifelhafter Berechnungen propagierte der Verfasser, dass man als Pflanzer in Samoa leicht ein Vermögen erwirtschaften könne.127 Besorgt berichtete der stellvertretende Gouverneur von Samoa, Heinrich Schnee, an die Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes:

125 Davidson, J. W.: Samoa mo Samoa, S. 77; Hiery, H. J.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 657, 669f. 126 Stellungnahme Solfs vom 16. Juni 1906, BArch, R 1001/2759; Samoanisches Gouvernements-Blatt, Band III (1912), Nr. 3, S. 2; Hiery, H.: The Neglected War, S. 8. 127 Deeken, Richard: Manuia Samoa! Samoanische Reiseskizzen und Beobachtungen, Berlin 1901. Zu Deeken vgl. Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 704; Mückler, H.: Kolonialismus in Ozeanien, S. 100 u. Wohltmann, F.: Pflanzung und Siedlung auf Samoa, in: Beihefte zum Tropenpflanzer. Wissenschaftliche und praktische Abhandlungen über tropische Landwirtschaft, Band V, Nr. 1, Berlin 1904, S. 68f. Auch Johanna Solf erwähnt in ihrem Tagebuch beispielsweise die Ankunft eines Baron Droste in Samoa, der „auf Deeken herein-

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„Fast mit jedem Dampfer treffen jetzt eine Anzahl von Ansiedlern aus Deutschland in Apia ein, welche auf Samoa Kakaopflanzungen anlegen wollen. Anscheinend befindet sich ein Theil dieser Ansiedler nicht im Besitze derjenigen Geldmittel, welche zur Anlage einer den Lebensunterhalt des Pflanzers sicherstellenden Kakaopflanzung erforderlich sind.[...] So weit ersichtlich, sind die Ansiedler zum grösseren Theil durch die übertrieben günstigen Darstellungen des Leutnants Deeken in mündlichen Vorträgen und in der Schrift ‚Manuia Samoa‘ zur Auswanderung nach Samoa veranlasst worden. Es dürfte sich empfehlen, den Deeken’schen Darstellungen in geeigneter Weise entgegenzutreten.“128

In mehreren Zeitungen wurde davor gewarnt, auf Deekens Berechnungen zu vertrauen, da er die Kosten viel zu niedrig angesetzt habe.129 Diejenigen, die von diesen Warnungen nicht erreicht wurden, mussten in Samoa oft enttäuscht feststellen, dass ihr Kapital für ihre Pläne nicht ausreichte, der Zugang zu Land starken Beschränkungen unterlag und die Kolonialleitung nicht bereit war, die Samoaner zu Arbeiten für die Europäer zu zwingen oder ausreichend andere billige Arbeitskräfte für die Pflanzungen zur Verfügung zu stellen. Denn, wie die Ehefrau des Gouverneurs in ihrem Tagebuch vermerkte, ihr Mann wollte „für die Zukunft kolonisieren [...], nur nicht für die augenblicklich hier ansässigen beach-comber und Pflanzer!“.130 Unzufrieden mit dieser Situation nutzten die Siedler ihre Kontakte im Reichstag, um Solfs Politik anzugreifen131 – mit dem Ziel, dass der Gouverneur von seinem Posten abberufen und durch eine Führung ersetzt würde, die die Kolonie einzig zum Wohl der deutschen Siedler regieren sollte. Sie beklagten sich nicht nur darüber, dass die einheimische Bevölkerung angeblich von der Kolonialregierung „verwöhnt“ würde, sondern auch über die ihrer Ansicht nach zu vielen Reglementierungen durch die Verwaltung, durch die sie sich eingeschränkt fühlten und über die Machtstellung der größten deutschen Firma DHPG, der Deutschen Handelsund Plantagengesellschaft der Südsee Inseln. Trotz aller Querelen gelang es Solf aber stets, die Oberhand zu behalten.132

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132

gefallen“ sei u. schon nach vier Wochen wieder abreiste, siehe: Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 6. Juni u. 12. Juli 1909, in Privatbesitz. Schnee an das Auswärtige Amt / KA, Apia, 27. Juni 1902, BArch, R 1001/2269; ebenso Samoanische Zeitung, 2. Jg. (1902), Nr. 6, S. 1. Verschiedene Zeitungsausschnitte hierzu finden sich in BArch, R 1001/2269; vgl. auch Samoanische Zeitung, 2. Jg. (1902/03), Nr. 6, S. 1. Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 26. Mai 1909, in Privatbesitz [Herv. i.O.]. Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 704; vgl. Johanna Solfs Bemerkung über eine Reichstagsversammlung über Samoa: „Aus Erzberger sprachen offensichtlich Deeken'sche Einflüsse.“, in: Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 8. Juni 1909, in Privatbesitz. Zu Kritik an Solf siehe beispielsweise: Koloniale Zeitschrift, 4. Jg. (1903), Nr. 19, S. 355f u. 365-368; Abdruck eines Artikels aus dem Hamburger Fremdenblatt, in: Samoa-

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Doch nicht nur mit den deutschen Kleinsiedlern geriet der Gouverneur in Konflikt: Zeitweise kam es auch zu Auseinandersetzungen mit Teilen der samoanischen Bevölkerung, da die durch die Kolonialregierung veranlassten gesellschaftlichen Veränderungen nicht überall auf Akzeptanz stießen – zumal der Gouverneur teilweise die von ihm eingesetzten Bezirksverwalter über diejenigen stellte, denen die Dörfer traditionell Ehrerbietung schuldig waren.133 Sehr angespannt war die Situation als es Häuptling Lauaki im Jahr 1909 gelang, eine Gruppe von Häuptlingen und mehrere Hundert Krieger um sich zu scharen, die unter anderem einige der von Solf vorgenommen Umstrukturierungen rückgängig machen und ihrer eigenen Position mehr Gewicht verleihen wollten. Nach langen Verhandlungen gelang es, Lauaki und seine Anhänger zur Aufgabe zu überreden. Er und seine Anhänger wurden daraufhin mit ihren Familien ins Exil auf die Insel Saipan verbannt und die Lage beruhigte sich. Dass dieser Konflikt friedlich beigelegt werden konnte und nicht in einen Kolonialkrieg mündete, stellt einen nicht zu unterschätzenden diplomatischen Erfolg Gouverneur Solfs dar.134 Hempenstall ist der Ansicht, dass die traditionelle Politik durch die deutschen Maßnahmen nur für eine kurze Epoche der Sicht der Kolonialverwaltung entzogen

nische Zeitung, 12. Jg. (1912); Nr. 7, S. 1f; außerdem Korrespondenz und verschiedene Zeitungsartikel in BArch, R 1001/2269 u. 2270; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 12. Okt. 1900; vgl. Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 704; Ders.: Native Resistance and German Control Policy in the Pacific. The Case of Samoa and Ponape, in: Moses, John A. / Kennedy, Paul M. (Hrsg.): Germany in the Pacific and far East, 1870-1914, St. Lucia / Queensland 1977, S. 209-233, hier S. 219; Ders. / Mochida, P.: The Lost Man, S. 76-79; Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 657. 133 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 705; Ders.: Native Resistance and German Control Policy in the Pacific, S. 209-231. 134 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 703. Den Konflikt mit Lauaki und die angespannte Situation bis zu dessen Beendigung schildert auch Gouverneursfrau Johanna Solf ausführlich in ihrem Tagebuch, vgl.: Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 14. Jan.-1. April 1909, in Privatbesitz; vgl. zu den Unruhen in Samoa auch BArch, R 1001/3070f. – Wilhelm Solf betonte der Verwaltung Saipans gegenüber, dass die Verbannten politische Gefangene seien, und die Häuptlinge, die in Samoa eine geachtete Stellung innehatten, nicht zu „gewöhnlichen Arbeiten“ heranzuziehen seien. Diese rücksichtsvolle Behandlung der Verbannten stieß in der heimatlichen Presse teilweise auf großes Unverständnis, vgl. Gouverneur Solf an das Kaiserliche Gouvernement in Saipan, an Bord der Titania, 19. April 1909 u. Zeitungsausschnitt aus den Hamburger Nachrichten vom 10. Aug. 1909, BArch, R 174F/80023.

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wurden, Konflikte aber untergründig weiterschwelten.135 Zum Ausbruch schwerwiegender Auseinandersetzungen kam es während der deutschen Kolonialzeit jedenfalls nicht, so dass Samoa als außergewöhnlich ruhige Kolonie bezeichnet werden kann.136 Das gilt auch für die Regierungszeit von Solfs Nachfolger Erich Schulz(-Ewerth), der 1912 die Regierung der Kolonie übernahm, sehr vertraut mit der samoanischen Kultur war und Solfs Politik fortführte.137 Zwar bemerkte er wachsende Probleme zwischen alten und neuen Eliten und sich verstärkende rassenpolitische Schwierigkeiten, doch beendete der Erste Weltkrieg dann ohnehin die deutsche Verantwortung für Samoa bevor sich die Konflikte entladen konnten.138 Neben der Befriedung Samoas konnte die Deutsche Kolonialherrschaft eine deutlich gesteigerte wirtschaftliche Produktivität als Erfolg verbuchen. Nicht nur von deutschen Pflanzungsbetrieben wurden riesige Plantagen angelegt, sondern auch von den Samoanern forderte die Kolonialverwaltung, jährlich eine Mindestzahl von Kokospalmen zu pflanzen.139 Außerdem trieb die deutsche Verwaltung den Ausbau der Infrastruktur voran. Es wurden Brücken errichtet, der Hafen ausgebaut und Straßen verbreitert oder neu geschaffen. Der Bau der geplanten Schmalspurbahn wurde allerdings ebenso durch den Kriegsausbruch verhindert wie die Kanalisation und Wasserversorgung für Apia. Das Ortsfernsprechnetz in Apia konnte 1906 in Betrieb genommen werden.140 Auch der Ausbau des Schulsystems war Solf ein wichtiges Anliegen, was zu einer Scholarisationsquote von 29,4 Prozent führte; so hoch lag sie in keiner anderen deutschen Kolonie.141 Insgesamt wurde die deutsche Kolonialherrschaft in der Retrospektive – vor allem nach dem Eindruck der neuseeländischen Kolonialpolitik – von vielen Samoanern positiv bewertet und sie erinnerten sich an Gouverneur Solf als „tineitaua“, den „Zerstörer des Krieges“.142

135 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 705. 136 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 297. 137 Zu Lebenslauf und Charakter von Gouverneur Schulz siehe: Samoanische Zeitung, 12. Jg. (1912), Nr. 27, S. 1; vgl. Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 654; Ders.: The Neglected War, S. 9. 138 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 707f. 139 Hempenstall, P.: Pacific Islanders under German rule, S. 35, 51; Davidson, J.: Samoa mo Samoa, S. 78. 140 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 673f. 141 Gründer, H: Geschichte der Deutschen Kolonien, S. 214. 142 Hempenstall, P.: Grundzüge der samoanischen Geschichte in der Zeit der deutschen Herrschaft, S. 690; Ders. / Mochida. P.: The Lost Man, S. 64.

II. Vom Kaiserreich in die Kolonien

3.

Frauen und Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich

Sich die gesellschaftliche Situation der Frauen im Kaiserreich vor Augen zu führen, ist nicht nur von großer Bedeutung, um die soziale Stellung der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien beurteilen und mit derjenigen in ihrer Heimat vergleichen zu können. Vielmehr können in diesem Zusammenhang Fragen nach den Motiven für die Ausreise eine Antwort finden und der Ursprung einiger für die koloniale Agitation bedeutender Diskurse entdeckt werden. Welchem Rollenbild sollten Frauen also im Kaiserreich entsprechen und welche Rechte und Pflichten hatten sie damals? Wie weit war die Frauenbewegung zum Zeitpunkt der deutschen Kolonialerwerbungen fortgeschritten? Die Idee der Gleichwertigkeit der Geschlechter, für die die erste Frauenbewegung in Deutschland eintrat, war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit in mancher Hinsicht schon stärker ausgeprägt als im 19. Jahrhundert. Noch bis zum 18. Jahrhundert bezog sich der Begriff „Familie“ nicht auf die soziale Kleingruppe aus Eltern und Kindern, sondern auf das Haus oder den Hof; dazu zählten beispielsweise auch Gesinde und Gäste. Mittelpunkt dieser Produktions-, Reproduktions- und Konsumtionsgemeinschaft bildete das Ehepaar, das als Arbeitspaar gesehen wurde. Beide erwirtschafteten ihren Lebensunterhalt gemeinsam und waren aufeinander angewiesen. Die Ehefrau als Hausherrin war für die Organisation des Haushaltes verantwortlich; ihr unterstand auch das zugehörige Gesinde. Zwar stand der Mann zweifelsohne hierarchisch über der Frau, er hatte die rechtliche Vormundschaft und das Züchtigungsrecht über sie und sie schuldete ihm Gehorsam, doch die Arbeit beider Ehepartner war unerlässlich für den jeweils anderen, beider Beitrag zum Wohl der Familie galt als gleichwertig.1

1

Schaser, Angelika: Frauenbewegung in Deutschland 1848-1933, Darmstadt 2006, S. 9f; vgl. Gestrich, Andreas: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, München 2010², S. 4.

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Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts trennten sich aber Erwerbs- und Privatleben zunehmend. Der Mann arbeitete außerhalb des Hauses oder Hofes und erhielt dafür einen Lohn, während die Frau zuhause blieb und sich um das Wohl der Familie kümmerte. Damit verbunden war eine Abwertung der Stellung der Frau: Der Mann verdiente nun alleine den Lebensunterhalt für die Familie und vertrat die Familie nach außen, während die Frau nicht mehr unmittelbar am Erwerb beteiligt war. Damit wurde der öffentliche Bereich immer mehr aufgewertet und der häusliche – und damit der Bereich der Frau – immer mehr abgewertet. Die Frau geriet somit immer mehr unter die Vormundschaft ihres Mannes.2 Zwar war für beide Geschlechter die Ehe ein erstrebenswertes Ziel, doch während die Männer ihre Ehelosigkeit mit einer Karriere wettmachen und so trotzdem Ansehen genießen konnten, galt für Frauen das Lebensziel als verpasst, wenn sie nicht heirateten. Da ihre ganze Sozialisation und Erziehung darauf ausgerichtet war, eine gute Ehefrau zu werden, stießen alternative Lebensentwürfe auf Unverständnis. Die Weiblichkeit dieser Frauen wurde „massiv in Frage gestellt“.3 Das traditionelle Geschlechterbild im 19. Jahrhundert betonte die angeblich „von Natur und Evangelium gebotene“ Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau.4 Man war überzeugt davon, dass die Biologie der Geschlechter eng verknüpft mit den jeweiligen charakterlichen und geistigen Eigenschaften war. So konnte man in Meyers Konversationslexikon von 1905 unter der Überschrift „Geschlechtseigentümlichkeiten“ Folgendes lesen: „Das Nervensystem ist im allgemeinen beim weiblichen Geschlecht reizbarer […]. Auch psychische Geschlechtseigentümlichkeiten finden sich vor; beim Weibe behaupten Gefühl und Gemüt, beim Manne Intelligenz und Denken die Oberhand; die Phantasie des Weibes ist lebhafter als die des Mannes, erreicht aber selten die Höhe und Kühnheit wie bei letzterem.“5

2 3

4

5

Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 9-11; vgl. hierzu auch Gestrich, A.: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, S. 101f. Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 13; vgl. Popp, Adelheid: Freie Liebe und bürgerliche Ehe, in: Frederiksen, Elke (Hrsg.): Die Frauenfrage in Deutschland 18651915. Texte und Dokumente, Stuttgart 1988, S. 162-169, hier S. 168f. Zitiert nach Nave-Herz, Rosemarie: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, Bonn 1988, S. 19f; vgl. Schraut, Sylvia: Bürgerinnen im Kaiserreich. Biografie eines Lebensstils, Stuttgart 2013, S. 9. Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Auflage, Leipzig 1905, S. 686.

3. F RAUEN

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Angeblich ihrer Biologie entsprechend, wurde die Frau durch ihre familiäre Rolle definiert.6 Während die Männer nach damaliger Auffassung für Kampf und Arbeit bestimmt waren, sollten die Frauen „in der Pflege reiner, warmer und inniger Gefühle, in der Bewahrung der Güter, die der Mann erworben, in der Ordnung, Leitung und dem Schmuck des Hauses, die von Gott ihnen anvertraute Aufgabe suchen“.7 Durch ihr „Sein und Walten“ sollte das Haus zu „einer Stätte der Harmonie und des Friedens“ werden.8 Dieses Rollenbild wird auch in der Zeitschrift Kolonie und Heimat immer wieder betont und gehört zum Kern der Agitation des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, wie im weiteren Verlauf dieser Arbeit deutlich werden wird. Helene Lange, die Leiterin des Bundes Deutscher Frauenvereine (BDF) beklagte 1889 das Frauenideal der meisten ihrer Zeitgenossen, dass sich durch „Passivität“, „Weichheit“, „Nachgiebigkeit“ und „Aufgehen in der Sorge für das körperliche Wohl des Mannes und der Kinder“ auszeichnete.9 Als erstrebenswerte weibliche Tugenden galten damals „Unschuld, Sanftmut und Bescheidenheit, Artigkeit, Schamhaftigkeit und ein freundliches aufgeheitertes Wesen“.10 Die Erziehung nach diesem Ideal hinderte viele Frauen lange Zeit daran, vehementer für eine Verbesserung ihrer sozialen Lage einzutreten. Dennoch kann die Zeit von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als „Jahrhundert der Frauen“ bezeichnet werden, da in diesen Jahren die Frauenbewegung in Deutschland erstarkte, sich organisierte und wichtige Verbesserungen für die Situation der Frauen errang. Bis dahin war es jedoch ein weiter Weg: Die Frauenbewegung in Deutschland reicht bis in die 1840er Jahre zurück. Wichtige Impulse erhielt sie durch die Revolution im Jahr 1848, auf die allerdings Jahre des Stillstands folgten, nachdem gegen die ersten emanzipatorischen Ideen hart vorgegangen worden war. In den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde die Bewegung dann aber wieder stärker und fand ihren Ausdruck in der ersten deutschen Frauenkonferenz, die 1865 von Luise Otto-Peters in Leipzig veranstaltet wurde. Außerdem gründetet Otto-Peters im gleichen Jahr zusammen mit anderen

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Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 91f; Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 29; vgl. Kasbauer, Sixta: Die Teilnahme der Frauenwelt am Missionswerk, Münster 1928, S. 46. 7 Zitiert nach Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 20. 8 Ebd. 9 Zitiert nach Stoehr, Irene: „Organisierte Mütterlichkeit“. Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Hausen, Karin (Hrsg.): Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, München 1987², S. 225-253, hier S. 230f; vgl. Gestrich, A.: Die Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, S. 5f. 10 Zitiert nach Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 21; vgl. Schraut, S.: Bürgerinnen im Kiaserreich, S. 16.

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Frauen zunächst den Leipziger Frauenbildungsverein, dann im Oktober desselben Jahres den Allgemeinen Deutschen Frauenverein (ADF), den sie 30 Jahre lang leitete. Somit ist Luise Otto-Peters eine der Schlüsselfiguren der Anfangszeit der deutschen Frauenbewegung. Die Frauenkonferenz und die Gründung des ADF markierten den Beginn der organisierten Frauenbewegung.11 Daraufhin wurde die „Frauenfrage“ lebhaft in der Öffentlichkeit diskutiert und von ihren Kritikern, die an den traditionellen Geschlechterbildern festhalten wollten und teilweise auch Konkurrenz um Arbeitsplätze durch Frauen fürchteten, scharf angegriffen. Dennoch wurde die Frauenbewegung immer stärker, was sich vor allem in der Gründung zahlreicher Frauenvereinigungen manifestierte: Am Anfang des 20. Jahrhunderts existierte kaum eine Stadt im Deutschen Reich, in der die Frauenbewegung nicht durch einen Verein vertreten war: So gab es beispielsweise im Jahr 1908 im Deutschen Reich 71 Reichsverbände, 510 Landes- und Bezirksverbände sowie 7281 Ortsvereine. Insgesamt wurde die Mitgliederzahl in Frauenvereinen auf 859.215 Personen geschätzt, was nach den Daten der Volkszählung von 1905 5,4 Prozent der weiblichen Bevölkerung über 18 Jahre entsprach.12 Die zahlreichen deutschen Frauenvereine waren im März 1894 unter dem Dachverband Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) gebündelt worden, was als äußerst wichtiger Schritt für die Organisation und Artikulation der Fraueninteressen gewertet wurde. Die Mitgliederzahlen des BDF beliefen sich um die Jahrhundertwende auf 70.000 Mitglieder und stiegen bis zum Ersten Weltkrieg auf 250.000 an.13 Geleitet wurden die Frauenorganisationen von Frauen aus dem Bürgertum, teilweise auch aus dem Adel. Im Mittelpunkt ihrer Bemühungen standen Forderungen nach Bildungs- und Berufsmöglichkeiten für (bürgerliche) Frauen, aber auch die Verbesserung der sozialen Lage der Unterschicht. Die Arbeiterinnen fühlten sich allerdings bald von den bürgerlichen Frauenvereinen bevormundet, so dass sich die Frauenbewegung in eine bürgerliche und eine proletarische spaltete. Während die bürgerliche Frauenbewegung Veränderungen für die Frauen innerhalb der bestehenden Gesellschaftsordnung anstrebte, war die proletarische Frauenbewegung, die sich vor allem mit dem Namen Clara Zetkin verbindet, radikaler in ihren Forderun-

11 Zu den Anfängen der Frauenbewegung vgl: Gerhard, Ute: Über die Anfänge der Frauenbewegung um 1848. Frauenpresse, Frauenpolitik, Frauenvereine, in: Hausen, Karin (Hrsg.): Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. Und 20. Jahrhundert, München 1987², S. 200–224; Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 1-87; Schraut, S.: Bürgerinnen im Kaiserreich, S. 110f; Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 9-54, hier S. 19. 12 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 40. 13 Ebd., S. 42; Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung, S. 41; Kolonie und Heimat, 8. Jg. (1914/15), Nr. 47, S. 10.

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gen: Sie wollte volle Emanzipation der Frauen durch Veränderungen der bürgerlichen Gesellschaft zum Sozialismus oder Revolution erreichen.14 Zu diesem Zweck organisierten sich die Arbeiterinnen mit der Entstehung der sozialistischen Parteien und der Arbeitervereine zunehmend in Interessenvertretungen. Sie ordneten sich also den Parteiinteressen unter, während die bürgerliche Frauenbewegung sich keiner bestimmten Partei verschrieb, aber den liberalen Parteien nahe stand.15 Zum offenen Bruch zwischen der bürgerlichen und proletarischen Frauenbewegung kam es 1894 mit der Gründung des BDF, da den sozialistisch orientierten Vereinen der Beitritt zu dieser Dachorganisation verwehrt wurde – mit der Begründung, dass der politische Charakter dieser Vereine gegen das Reichsvereinsgesetz verstoße.16 Denn das im März 1850 in Preußen erlassene Vereinsgesetz verbot „Frauenspersonen, Schülern und Lehrlingen“ die Mitwirkung an politischen Vereinen und ihre Teilnahme an politischen Versammlungen. Dieses Gesetz wurde später von den meisten deutschen Ländern übernommen, so dass es bis 1908 fast für alle deutschen Frauen galt.17 Die bürgerliche Frauenbewegung ist für die vorliegende Arbeit von größerer Bedeutung, da der Großteil der in der kolonialen Frauenbewegung aktiven Frauen dem bürgerlichen Lager zuzuordnen ist; die proletarische Frauenbewegung soll daher hier nicht weiter thematisiert werden.18 Ohnehin haben die bürgerlichen Frauen die Frauenbewegung deutlich dominiert: Laut Schätzungen von Ute Gerhard kamen 85 Prozent der Frauen aus bürgerlichen Kreisen, 10 Prozent aus Arbeiterfamilien und 5 Prozent aus dem Adel.19 Die im Folgenden getroffenen Aussagen beziehen sich daher primär auf bürgerliche Frauen. Um die Selbstständigkeit und Mündigkeit der Frauen zu erkämpfen, war eines der wichtigsten Anliegen der bürgerlichen Frauenbewegung das Recht der Frauen auf Bildung und Arbeit. Die Frauen aus den ärmeren Bevölkerungsschichten waren zu dieser Zeit schon längst gezwungen, durch eigene Lohnarbeit zum Lebensunterhalt der Familie dazu zu verdienen. Viele proletarische Frauen, vor allem in den

14 Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 34, 38f. 15 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 3. 16 Frederiksen, E. (Hrsg.): Einleitung. Zum Problem der Frauenfrage um die Jahrhundertwende, in: Dies. (Hrsg.): Die Frauenfrage in Deutschland 1865-1915. Texte und Dokumente, Stuttgart 1988, S. 5-43, hier S. 18f. 17 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 19. 18 Die neuere Forschung weist darauf hin, dass eine strikte Trennung zwischen bürgerlicher und proletarischer Frauenbewegung nicht möglich und nicht sinnvoll ist, da beide Seiten einige gemeinsame Ziele hatten und zum Teil auch zusammenarbeiteten, um diese zu erreichen. Außerdem haben sich beide Richtungen im Laufe der Zeit weiterentwickelt und verändert. Vgl. Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 3. 19 Zitiert nach Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 2.

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Städten, arbeiteten im wachsenden Industriesektor. Die bürgerlichen Frauen sahen diese Entwicklung mit Sorge. Sie fürchteten, diese Frauen könnten ihrer „natürlichen Rolle“ nicht mehr gerecht werden und müssten ihre familiären Pflichten vernachlässigen. Für die bürgerlichen Frauen selbst kam derartige einfache Lohnarbeit aus Standesgründen nicht in Frage. Sie wollten daher für Frauen das Recht auf eine bessere Bildung, eine berufliche Qualifikation und somit auf eine selbstständige materielle Existenz durchsetzen. Dieses Ziel zu erreichen, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts immer dringlicher, denn die Zahl der vermögenslosen Frauen in der Mittelschicht stieg. Es gibt mehrere Gründe für die von Katharina Walgenbach als „prekär“ bezeichnete damalige soziale Situation der bürgerlichen Frauen, die die Zeitgenossen schlicht als „die Frauenfrage“ diskutierten:20 Die Kriege in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die verstärkte Zahl von auswandernden jungen Männern und ein weiblicher Geburtenüberschuss hatten im Deutschen Reich zu einem statistischen Überschuss an Frauen im heiratsfähigen Alter geführt. Daher gab es viele unverheiratete Frauen, für deren materielle Versorgung kein Ehemann aufkam. Außerdem verschlechterte sich zu dieser Zeit die soziale Lage des Bürgertums insgesamt. Den Frauen fehlte daher zunehmend eine angemessene Mitgift und sie hatten kaum Möglichkeiten, ihre Situation mit eigenständiger Erwerbsarbeit zu verbessern.21 Trotz ihrer finanziellen Nöte wurde nämlich von bürgerlichen Frauen „die Imitation eines aristokratischen Lebensstils erwartet, der sich durch Konsum und Müßiggang auszeichnete“.22 Berufstätigkeit war mit diesem Rollenbild kaum zu vereinbaren und ohnehin standen den Frauen damals nur sehr wenige Erwerbsmöglichkeiten offen. Aus Standesgründen boten sich für Töchter aus bürgerlichen Familien lange Zeit höchstens die Alternativen, Gouvernante, Gesellschafterin oder Lehrerin zu werden. Allerdings wurden diese Tätigkeiten schlecht entlohnt und der Lehrerinnenberuf war zudem sehr überlaufen. Außerdem bereiteten die Mädchenschulen ihre Schülerinnen nicht ausreichend auf eine Tätigkeit als Lehrerin vor, so dass Frauen zunächst nur als schlecht bezahlte 20 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 141; Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 17. 21 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 17; Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewgung in Deutschland, S. 16f; Keim, C.: Frauenmission und Frauenemanzipation, S. 80; vgl. Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 2, S. 8; Ein weiblicher Beruf, (ohne Verf.), in: Die Gartenlaube, Jg. 1888 , Nr. 8, S. 131. Zum statistischen Überschuss von Frauen im heiratsfähigen Alter vgl. die Angaben in den Statistischen Jahrbüchern für das Deutsche Reich. 22 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 141; hierzu ausführlich: Meyer, Sibylle: Die mühsame Arbeit des demonstrativen Müßiggangs – Über die häuslichen Pflichten der Beamtenfrauen im Kaiserreich, in: Hausen, Karin (Hrsg.): Frauen suchen ihre Geschichte. Historische Studien zum 19. und 20. Jahrhundert, München 1987², S. 175-197.

3. F RAUEN

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Hilfslehrerinnen arbeiten konnten.23 Erst ab 1863 durften die Frauen in Preußen auch feste Anstellungen im öffentlichen Dienst annehmen, was ihnen später auch die Möglichkeit eröffnete, im Dienst der Kolonialverwaltung tätig zu sein. Wenn sie jedoch heirateten, waren sie unter Verlust der Pensionsberechtigung zu entlassen.24 Um die beruflichen Möglichkeiten für Frauen zu verbessern, schien der Frauenbewegung das Recht auf Bildung und Arbeit wichtigste Grundvoraussetzung. Die Frauenbewegung definierte sich im Kaiserreich daher primär als Frauenbildungsbewegung; unter den Aktivistinnen fanden sich besonders viele Lehrerinnen.25 Erste Erfolge konnten mit der Durchsetzung der Mädchenschulreformen in Preußen (1908), Sachsen (1910), Bayern und Hessen (1911) verbucht werden. Zusammen mit der Schulreform wurde auch das Immatrikulationsrecht für Frauen in Preußen durchgesetzt, in Baden bestand es bereits seit 1899/1900, in Bayern seit 1903, in Württemberg seit 1904 und in Sachsen seit 1906; zuvor waren Frauen höchstens als Gasthörerinnen geduldet gewesen.26 Das Frauenstudium entwickelte sich von da an langsam aber stetig. Im Sommersemester 1914 gab es 6,6 Prozent Frauen unter den Immatrikulierten, obwohl weiterhin viele Vorbehalte gegen Akademikerinnen bestanden.27 Hinter den bildungsreformatorischen Zielen standen politische Ambitionen der Frauenbewegung lange Zeit zurück. Zwar wurde die Forderung nach politischer Gleichberechtigung immer wieder gestellt, doch blieb dies für die deutsche Frauen-

23 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 27; Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 16f; Schraut, S.: Bürgerinnen im Kaiserreich, S. 25f; Koch, Christiane: Wenn die Hochzeitsglocken läuten... Glanz und Elend der Bürgerfrauen im 19. Jahrhundert, Marburg / Lahn 1985, S. 433; Braun, Lily: Die wirtschaftliche Lage der Lehrerinnen, in: Frederiksen, Elke (Hrsg.): Die Frauenfrage in Deutschland 18651915. Texte und Dokumente. Stuttgart 1988, S. 328-330; Huerkamp, Claudia: Die Lehrerin, in: Frevert, Ute / Haupt, Heinz-Gerhard (Hrsg.): Der Mensch des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1999, S. 176-200, hier S. 176; Schrey, Käthe: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, Leipzig 1915², S. 62f. 24 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 28; zum sogenannten „Lehrerinnenzölibat“ siehe Huerkamp, C.: Die Lehrerin, S. 196–199. 25 Zur besonderen Rolle der Lehrerinnen unter den Vorkämpferinnen für Frauenrechte siehe Huerkamp, C.: Die Lehrerin, S. 171f, 181. 26 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 36; Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 41; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 21. 27 Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 65f; zum Frauenstudium und den Vorbehalten dagegen siehe auch: Schraut, S.: Bürgerinnen im Kaiserreich, S. 121-124.

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bewegung zunächst ein kaum erreichbar scheinendes Fernziel.28 Der Kampf um Gleichberechtigung wurde den Frauen durch die herrschende Rechtslage, besonders durch das schon erwähnte Reichsvereinsgesetz, erschwert. Da Frauenvereine aufgelöst werden konnten, wenn der Verdacht bestand, sie seien politisch aktiv, betonten die Organisationen in der Anfangszeit ihre politische Neutralität und setzten sich primär für Frauenbildung und karitative Ziele ein. Im März 1908 trat dann jedoch die Vereinsfreiheit für Frauen in Kraft. Frauen durften nun Parteimitglieder werden, besaßen jedoch weiterhin weder aktives noch passives Wahlrecht.29 Die Forderung nach dem Frauenwahlrecht blieb lange Zeit nur ein zweitrangiges Ziel der Frauenbewegung und wurde hauptsächlich von kleinen, radikalen Frauengruppierungen artikuliert.30 Erst ab 1917 wurde die Frage stärker diskutiert und auch der BDF forderte nun politische Mitbestimmung. Das Kriegsende brachte schließlich im November 1918 die gewünschte Neuerung, so dass Frauen und Männer jetzt zumindest formal die gleichen Rechte und Pflichten in den Bereichen Bildung, Beruf und Politik hatten.31 Während der deutschen Kolonialzeit waren Frauen jedoch noch von der politischen Einflussnahme weitestgehend ausgeschlossen. Nicht nur in der Politik, sondern auch im Privaten hatten Männer die Entscheidungshoheit. Der §1354 des Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich von 1896 schrieb die untergeordnete Stellung der Frau in der Ehe fest: „Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.“32 Auch das Vermögen der Frauen war der Verwaltung und Nutznießung der Männer unterworfen, so dass die meisten Frauen von ihren Ehemännern finanziell völlig abhängig waren.33 Bei der Wahl des Ehemannes, der fortan über ihr Leben bestimmte, hatten viele Frauen damals kaum Mitspracherecht. So klagt die Frauenrechtlerin Adelheid Popp 1895 über die Eheschließung in „den besitzenden Klassen“: „Die niedrigsten Motive sind nur zu häufig maßgebend. Oder ist es anders als niedrig, wenn die Tochter eines reichen Hauses wider ihren Willen durch ‚strebsame‘, eitle Eltern einem

28 Frederiksen, E. (Hrsg.): Einleitung, S. 36; Schaser, A.: Frauenbewegung in Deutschland, S. 24. 29 Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung in Deutschland, S. 42. 30 Vgl. Kolonie und Heimat, 8. Jg. (1914/15), Nr. 49, S. 10; zum Frauenstimmrecht siehe außerdem:Schraut, S.: Bürgerinnen im Kaiserreich, S. 130-133. 31 Nave-Herz, R.: Die Geschichte der Frauenbewegung, S. 48f. 32 Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896, Leipzig 1896², S. 302, § 1354. 33 Ebd., S. 305f, § 1363 u. Meyer, S.: Die mühsame Arbeit des demonstrativen Müßiggangs, S. 192.

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Manne vermählt wird, nur weil er einen ‚Namen‘ hat und Ansehen nach außen genießt? Wie selten wird das Mädchen gefragt, ob sie den Mann liebt, er wird ihr einfach aufgedrungen, und sie muß gehorchen. Sie muß den Mann heiraten, für den ihr Herz nicht spricht, einzig und allein, weil sie ein Weib ist, dem Zwang unterworfen von Jugend auf.“34

Schlechte Behandlung in der Ehe erduldeten die meisten Frauen den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechend: „Wenn der Mann was immer tut, wenn er neben der angetrauten Frau noch Frauen hat, so viel er will, und diese Frauen wechselt von einem Tag zum anderen, muß es die Frau dulden, weil sie als Schwächere, als die Rechtlose betrachtet wird, weil das Mädchen schon darnach erzogen wird, dass sie ihrem Manne gehorchen muß, dass der Mann viel tun darf, was ihr nicht erlaubt ist. Dadurch gewöhnt man das Weib, alles vom Manne hinzunehmen.“35

Die rechtlichen Hürden für eine Ehescheidung waren damals hoch und für Frauen mit wirtschaftlichen Risiken sowie mit gesellschaftlicher Ächtung verbunden. Es war kaum möglich, danach noch eine geachtete soziale Stellung einzunehmen. Geschiedene Männer traf die gesellschaftliche Missachtung hingegen weit weniger hart.36 Die damals herrschende rechtliche und gesellschaftliche Lage vermittelt zwar einen Eindruck von der sozialen Stellung der Frau im deutschen Kaiserreich, die durch ihre Unterordnung unter die männliche Bevölkerung gekennzeichnet war. Dennoch hatten die Frauen je nach gesellschaftlicher und finanzieller Stellung, Bildungsstand, Tätigkeit und nicht zuletzt je nach Ehepartner unterschiedliche Entfaltungsmöglichkeiten, die bei den in dieser Arbeit thematisierten Frauen jeweils genauer analysiert werden müssen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Lage der (bürgerlichen) Frauen in dem Zeitraum, der in dieser Arbeit untersucht wird, rechtlich und häufig auch finanziell unbefriedigend war. Zur gleichen Zeit gewann die Frauenbewegung an Dynamik und organisierte sich in verschiedenen Verbänden, um diese Situation vor allem durch das Recht auf Bildung und Arbeit zu verbessern. Obwohl die Bewegung einige Erfolge verzeichnen konnte, hatten die Frauen im Untersuchungszeitraum noch keine entscheidenden politischen Mitbestimmungsrechte errungen. Aus heutiger Sicht gerät allerdings oft in Vergessenheit, dass als Ziel der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung (anders als das der proletarischen Frauenbe34 Popp, A.: Freie Liebe und bürgerliche Ehe, S.163f. 35 Ebd., S. 164f. 36 Zu Scheidungen im Kaiserreich siehe: Gestrich, A.: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, S. 33f.

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wegung!) nicht die völlige soziale und politische Gleichstellung von Mann und Frau im Vordergrund stand, sondern die Anerkennung ihrer Gleichwertigkeit.37 Der Beitrag der Frauen zum Gelingen und Fortbestehen der Gesellschaft sollte erkannt und ihre Bedeutung als „Managerin“ der Familie respektiert werden.38 Mann und Frau sollten sich mit den ihnen zugeschriebenen Fähigkeiten und Eigenschaften, die als angeboren galten, ergänzen.39 Dabei sollte die Frau im traditionellen Sinne „weiblich“ sein und in der Rolle als Hausfrau, Gattin und Mutter aufgehen.40 Diese Überzeugung liegt auch der Agitation der Befürworter von Frauenausreisen in die Kolonien zugrunde.

37 Keim, C.: Frauenmission und Frauenemanzipation, S. 78; Gestrich, A.: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, S. 6. 38 Vgl. Koch, C.: Wenn die Hochzeitsglocken läuten, S. 348f. 39 Ebd., S. 363. 40 Prodolliet, S.: Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber, S. 47; Keim, C.: Frauenmission und Frauenemanzipation, S. 78.

4.

Wege in die Kolonien und Ausreisemotive

Aus welchen Motiven heraus fassten Frauen, die bis dahin oft kaum mehr als ihren Geburtsort kannten, den Entschluss, das Deutsche Reich zu verlassen, um sich in den Kolonien anzusiedeln? Was bewog sie, ihre vertraute Heimat, ihre Familie und ihre Freunde zurück zu lassen und eine viele Wochen lange Reise auf sich zu nehmen, um sich dann tausende Kilometer entfernt von zuhause neuen Herausforderungen zu stellen? Welche Mittel und Wege standen zur Verfügung, um den Entschluss zur Ausreise in die Tat umzusetzen? Wenn man diesen Fragen nachgehen möchte, empfiehlt es sich, zwischen institutionell geförderten und individuellen Ausreisen zu unterscheiden. Während bei ersteren die Reise in die Kolonien von bestimmten Vereinen oder Missionen unterstützt und organisiert wurde, sollen alle anderen, bei denen das nicht der Fall war, hier als „individuelle“ Ausreisen verstanden werden. Diese Unterscheidung ist deswegen so bedeutend, weil die institutionelle Einbindung in der Regel mit einer klar definierten Aufgabe und einer ganz bestimmten Rollenzuschreibung an die Frauen verbunden war. In diesen Fällen war die Aussendung der Frauen mit einer bestimmten Agenda der Institution verbunden. Die Agitation der jeweiligen Vereinigung hat wohl bei vielen Frauen erst den Entschluss zur Übersiedlung in die Kolonien geweckt oder bestärkt. Die Frauen, die auf private Initiative in die Kolonien kamen sowie ihre Motive für diese Entscheidung sind schwerer zu greifen. Anders als die folgende der Übersicht dienliche schematische Trennung suggeriert, überschnitten sich in der Realität meist verschiedene Motive, die die Frauen schließlich zur Ausreise bewegten. Da die größte Gruppe der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien die Missionsangehörigen waren, sind die institutionell eingebundenen Ausreisen in der deutlichen Überzahl. Diese sollen zuerst thematisiert werden, bevor dann auf die individuellen Ausreisen eingegangen wird.

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4.1 I NSTITUTIONELL

GEFÖRDERTE

AUSREISEN

Die für diese Arbeit bedeutendsten Institutionen, die Frauen in die Kolonien aussandten, waren der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft, der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien und vor allem die christlichen Missionsgemeinschaften. Diese Institutionen lieferten den Frauen durch ihre inhaltlichen Ziele Motive für die Ausreise und unterstützten deren Umsetzung organisatorisch und finanziell. Im Folgenden sollen sie näher vorgestellt werden. 4.1.1 Der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft Der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft konzentrierte seine Arbeit im Untersuchungszeitraum zwar auf die deutschen Kolonien in Afrika, vor allem „Deutsch-Südwestafrika“, dennoch kommt ihm auch für die Beschäftigung mit den Frauen in den Südsee-Kolonien zentrale Bedeutung zu.1 Zunächst kann der Verein schon deswegen nicht außer Acht gelassen werden, weil in ihm sehr viele Frauen aktiv waren, die zur „kolonialen Frauenarbeit“ ihren Teil beitragen wollten. Die Mitgliederzahl stieg seit der Gründung schnell und beständig, so dass der Bund im Jahr 1914 rund 18.680 Mitglieder hatte.2 Zudem wurden im Publikationsorgan des Bundes, Kolonie und Heimat, auch Artikel von und über Frauen in den SüdseeKolonien und die dortige Lebenssituation veröffentlicht.3 So ist also davon auszugehen, dass die Lektüre dieser Zeitschrift das Bild geprägt hat, das die ausreisenden Frauen von ihrer neuen Heimat in die Kolonie mitbrachten, zumal Kolonie und Heimat laut Birthe Kundrus die beliebteste Kolonialzeitschrift war und schon drei Jahre nach der Erstveröffentlichung 100.000 Abonnenten verzeichnen konnte.4 Vor allem aber ist Kolonie und Heimat eine zentrale Quelle, um herauszufinden, welches Rollenbild von der Frau in den Kolonien damals vorherrschte und welche Erwartungen in die auswandernden Frauen gesetzt wurden. Mit der besonderen Rolle der deutschen Frau im Kolonialismus beschäftigen sich die Beiträge immer wieder und kreieren so ein ganz bestimmtes Frauenbild, das sich in der noch jungen Kolo-

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Vgl. Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 20, S. 9. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 87f; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 72; Frobenius, Else: Die Führerinnen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 37, S. 2f, hier S. 3. Kopien der ersten Probenummer von Kolonie und Heimat vom 15. Juli 1907 sowie Glückwünsche zur Gründung dieser Zeitschrift von der Leitung des RKA und vom Reichskanzler finden sich in BArch, R 8023/153. Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 12, Fußnote 34.

4. W EGE IN

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A USREISEMOTIVE | 99

nialnation erst manifestieren musste. Walgenbach bezeichnet daher den Frauenbund als „Identitätsagentur in der Geschlechtergeschichte des deutschen Kolonialismus“.5 Anders als beim Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien oder den Missionsgesellschaften lassen sich bei der Beschäftigung mit dem Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft nicht nur Informationen über eine bestimmte Gruppe von Frauen mit eng definiertem Tätigkeitsfeld finden (beispielsweise nur über Krankenschwestern oder nur über Missionsangehörige). Aus diesem Grund ist der Zugang über den Frauenbund sinnvoll, um sich einen ersten Eindruck über das Rollenbild der Frau in den Kolonien zu verschaffen, ohne bereits auf bestimmte Berufsgruppen zu fokussieren.6 Daher wird hier der Frauenbund auch vor dem Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien und den Missionsgesellschaften behandelt, obwohl diese Vereinigungen älter als der Frauenbund sind. Erst als Deutschland schon über zwei Jahrzehnte eine Kolonialmacht war, wurde im Jahr 1907 der Deutschkoloniale Frauenbund von Adda von Liliencron gegründet.7 Im Folgenden wird der Bund unter dem Namen Frauenbund der Deut5

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Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 83; Dies.: Zwischen Selbstaffirmation und Distinktion. Weiße Identität, Geschlecht und Klasse in der Zeitschrift „Kolonie und Heimat“, in: Winter, Carsten / Thomas, Tanja / Hepp, Andreas (Hrsg.): Medienidentitäten. Identität von Globalisierung und Medienkultur, Köln 2003, S. 136-152, hier S. 139. Dennoch wird im weiteren Verlauf des Textes deutlich werden, dass auch der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft nur eine bestimmte Gruppe von Frauen repräsentierte und ansprach; beziehungsweise Frauen in der Berichterstattung des Vereins unterrepräsentiert sind, die nicht dem erwünschten Rollenbild entsprachen. Unterlagen zum Frauenbund finden sich vor allem im Bestand der Deutschen Kolonialgesellschaft in den Akten BArch, R 8023/153-159 u. 162; zu Geschichte und Wesen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft siehe auch: Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 55-74; Frobenius, E.: Die Führerinnen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 37, S. 2f; Dies.: Deutsche Frauenarbeit in den Kolonien, in: Deutsche Kolonialzeitung, 35. Jg. (1918), Nr. 6, S. 90f. – Der Gründung des Frauenbundes vorausgegangen waren die Bemühungen des proletarischen Vereins Frauenwohl um eine stärkere Einbindung der Frauen in die Kolonialbewegung: Die Vorsitzende des Vereins, die linke Frauenrechtlerin Minna Cauer, hatte mit diesem Ziel mehrfach mit dem damaligen Kolonialdirektor Dernburg Kontakt aufgenommen und ihn auch zu einer Unterredung getroffen – um dann aus der Presse zu erfahren, dass von anderer Seite die Gründung eines kolonialen Frauenbundes in Angriff genommen wurde, ohne dass die Vorarbeiten des Vereins Frauenwohl berücksichtigt wurden, vgl. Korrespondenz zwischen Cauer und Dernburg, Berlin, Jan.-April 1907 sowie verschiedene Schriften des Vereins Frauenwohl, beides in BArch, R 1001/6693; vgl. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 137f; Dietrich, Anette: Konstruktionen Weißer Weiblichkeit. Emanzipationsdiskurse im Kontext des Ko-

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schen Kolonialgesellschaft behandelt, den er ein Jahr später erhielt. Das Protektorat übernahm die Herzogin zu Mecklenburg, nach ihrem Tod erfüllte diese Funktion ihr Mann Herzog Johann Albrecht.8 Die Ziele des Frauenbundes werden in einer „Aufforderung zum Beitritt in den Deutschkolonialen Frauenbund“ in der ersten Ausgabe von Kolonie und Heimat genannt. Dort heißt es: „Der Deutschkoloniale Frauenbund bezweckt: a. Die Frauen aller Stände für die kolonialen Fragen zu interessieren. b. Deutsche Frauen und Mädchen, die sich in den Kolonien niederlassen wollen, mit Rat und Tat zu unterstützen, und die Fraueneinwanderung in die Kolonien anzuregen. c. Die Schulfrage in den Kolonien zu fördern. d. Frauen und Kindern beizustehen, die in den Kolonien schuldlos in Not geraten sind. e. Den wirtschaftlichen und geistigen Zusammenhang der Frauen in den Kolonien mit der Heimat zu erhalten und zu stärken.“9

Die Einwanderung von deutschen Frauen in die Kolonien sollte zum „Schutze des Deutschtums in den Kolonien“ gefördert werden.10 Konkret wollte der Frauenbund junge Frauen für das Leben in den Kolonien interessieren, sie für die Ausreise vorbereiten und ihnen eine Anstellung „drüben“, wie man die Kolonialgebiete häufig umschrieb, vermitteln. Die ausgesandten Frauen sollten im Idealfall einen deutschen Siedler heiraten, mit ihm eine Familie in der Kolonie gründen und damit sogenannte „Mischehen“ zwischen Deutschen und Einheimischen verhindern.11 Kundrus bezeichnet dieses Konzept als „nur schlecht als Arbeitsmarktpolitik getarnte öffentliche Eheanbahnung“.12 Schließlich war die folgende Überzeugung in kolonialen Kreisen weitgehend Konsens: „In der That muss es für jeden […] auf der Hand liegen, dass es ausschließlich darauf ankommt, deutsche Mädchen ins Land zu bringen, um eine reine Bevölkerung zu erhalten, und lonialismus, in: Bechhaus-Gerst, Marianne / Gieseke, Sunna (Hrsg.): Koloniale und postkoloniale Konstruktionen von Afrika und Menschen afrikanischer Herkunft in der deutschen Alltagskultur, Frankfurt a.M. 2006, S. 33-44, hier S. 40f. 8 Frobenius, Else: 30 Jahre koloniale Frauenarbeit, Aachen 1936, S. 7. 9 Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 1, S. 13; ebenso: Satzung des Deutschkolonialen Frauenbundes vom 1. Mai 1907, § 2, BArch, R 8023/153. 10 Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 1, S. 13; Walgenbach, K.: „“Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 83; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 63. 11 Vgl. Hedwig Heyl an Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, Berlin, 24. Okt. 1913, BArch, R 8023/156; Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 44, S. 8; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 88. 12 Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 83.

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dass die Unterbringung der Mädchen in einem Dienstverhältnis dabei lediglich Mittel zum Zweck ist.“13

Auf die offensichtlich rassenpolitische Zielsetzung dieses Programms wird an späterer Stelle zurück zu kommen sein. In seinen Schriften stellte der Frauenbund eine enge Verbindung zwischen seinen kolonialen Zielen und der geschilderten prekären Situation der Frauen im Deutschen Reich her. Die Ausreise in die Kolonien wurde als Lösung der sogenannten „Frauenfrage“ nahe gelegt. In einer Ausgabe von Kolonie und Heimat aus dem Jahr 1909 heißt es: „Es ist Aufgabe der Frauenbewegung, die Bahn frei zu machen für Frauenarbeit jeglicher Art in den Kolonien, und damit der Lösung der heimatlichen Frauenfrage näher zu treten. Im Mutterland besteht Überschuss an Frauen, der große Ehelosigkeit zur Folge hat und Millionen von Frauen ins Erwerbsleben treibt […] In der Kolonie aber herrscht wie wir gesehen haben, ein Mangel an weissen Frauen, es sind somit die Vorbedingungen gegeben, dass die einwandernden Frauen ihrem natürlichen Beruf entgegengeführt werden.“14

Unter dem „natürlichem Beruf“ der Frau wurde ihre Rolle als Ehefrau und Mutter verstanden, die als Erfüllung der von der Natur vorgesehenen weiblichen Bestimmung angesehen wurde. In den ersten Jahren organisierte die Deutsche Kolonialgesellschaft (DKG) die Ausreise der Frauen und unterstützte diese finanziell. Die DKG war 1887 als Zusammenschluss vom Deutschen Kolonialverein und der Gesellschaft für Deutsche Kolonisation gegründet worden und vertrat unter anderem wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche Interessen, die mit der kolonialen Expansion Deutschlands zusammenhingen.15 Die DKG bezahlte sowohl Dienstmädchen, denen eine Anstellung in den Kolonien vermittelt worden war, als auch Frauen, die einen Verlobten, Ehemann oder Verwandten in den Kolonien hatten, die Ausreise dorthin, um den Siedlungsprozess in den Kolonien zu fördern.16 Die ersten beiden Frauen, die auf Betreiben der DKG ausreisten, waren zwei Verlobte im Jahr 1897. Ein Jahr später machten bereits zwölf Frauen von diesem Angebot Gebrauch, ein weiteres Jahr später bereits 111.17 Nach seiner Gründung übernahm dann der Frauenbund die Auswahl und Vermittlung der jungen Frauen, die Überfahrt wurde weiterhin von der DKG bezahlt.18 Der Plan des Frauenbundes, die Ausreise der 13 14 15 16 17 18

Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 12. Jg. (1899), Nr. 28, S. 249. Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 2, S. 8. Schnee, H. (Hrsg.): Deutsches Kolonial-Lexikon, 1. Band, S. 302. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 87. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 91. In Kapitel 6 wird näher auf die Umstände, unter denen die Vermittlung durch den Frauenbund erfolgte, eingegangen. Denn an diesem Prozess lässt sich ablesen, welche Erwar-

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Frauen selbst zu finanzieren, um nicht mehr auf die DKG angewiesen zu sein und von diesem kontrolliert zu werden, konnte vor Kriegsausbruch nicht mehr verwirklicht werden.19 Unabhängig davon, wie zweifelhaft aus heutiger Sicht die Ziele des Bundes wirken müssen, ließen sich die Frauen des frühen 20. Jahrhunderts offensichtlich schnell für sie begeistern: Bereits nach drei Monaten hatte der junge Bund 1.000 Mitglieder. Zwar konnten auch Männer Mitglieder werden, zentrale Ämter durften aber nur von Frauen besetzt werden.20 Obwohl der Frauenbund Frauen aller Stände mit seinem Programm ansprechen wollte, stammten seine Mitglieder überwiegend aus dem mittleren und gehobenen Bürgertum. Die Frauen der Gründergeneration des Bundes stammten aus Familien von Militärs und Kolonialbeamten, hatten enge Verbindungen zur DKG und sind als konservativ einzuschätzen.21 Die Mitgliederstruktur war weniger aristokratisch als die des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien und man gab sich weniger elitär, dennoch war der Frauenbund und seine Ziele besonders für Frauen und Männer mit hohem kulturellen und ökonomischen Kapital attraktiv.22 In den letzten Jahren seines Bestehens dominierten unter den Mitgliedern Familien, die mit dem Auswärtigen Amt, den Kolonialen Schutztruppen und der Marine in Verbindung standen.23 Im Jahr 1908 entschloss sich der Deutschkoloniale Frauenbund zu einem engeren organisatorischen Anschluss an die DKG, was sich unter anderem in der oben erwähnten Namensänderung niederschlug.24 Im Jahr 1911 wurde das Verhältnis der DKG zum Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft noch einmal präzisiert und die Kompetenzen der beiden Vereinigungen genau festgelegt. Demnach war der Frauenbund zwar ein selbstständiger eingetragener Verein, aber korporatives Mitglied der DKG. Beide Vereinigungen legten fest, ihre Interessen gegenseitig zu fördern. Der Frauenbund sollte zuständig für die Auswahl der in die Kolonien zu sendenden Frauen sein, sich dabei aber an die Bestimmungen des Präsidenten der Kolonialgesellschaft halten. Finanzielle Leistungen der DKG, die unter anderem die Kosten für die Ausreise der Frauen übernahm, musste der Frauenbund bei der Veröffentlichung der Namen der Ausreisenden in Kolonie und Heimat hervorheben. Außerdem wurde festgelegt, dass Männer dem Frauenbund nur angehören durften,

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tungen an die Frauen gestellt wurden und welchen Kriterien Ausreisewillige erfüllen mussten. Walgenbach, K.: Die weiße Frau als Trägerin deutschen Kultur, S. 91. Ebd., S. 86. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 138f. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 88. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 149. Ebd., S. 145; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 87.

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wenn sie zugleich Mitglied der DKG waren.25 Trotz dieser Vereinbarungen kam es jedoch immer wieder zu Reibereien zwischen den beiden Vereinen.26 1909 wurde Freifrau von Richthofen erste Vorsitzende, starb aber im Jahr darauf und Hedwig Heyl wurde ihre Nachfolgerin.27 Unter Hedwig Heyls „straffer Organisation“ stieg die Zahl der Mitglieder von 3925 im Jahr 1909 auf 18.680 im Jahr 1914, die in 141 über ganz Deutschland verstreute Abteilungen organisiert waren.28 In Heyls Amtszeit schloss sich der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft dem Bund Deutscher Frauenvereine an und bewegte sich näher auf die Linie der gemäßigten bürgerlichen Frauenbewegung zu.29 Zwei große Projekte des Frauenbundes wurden ebenfalls in dieser Zeit vollendet: In Keetmannshoop in „Deutsch-Südwestafrika“ wurde ein „Heimathaus“ für die ausgereisten deutschen Frauen errichtet und in Lüderitzbucht (ebenfalls „Deutsch-Südwestafrika“) ein Jugendheim. Ein weiteres Projekt war die Sammlung von Büchern und Entsendung von Bibliotheken nach „Deutsch-Südwest“.30 Im Mutterland organisierten die immer zahlreicher werdenden Ortsverbände des Frauenbundes Kolonialfeste, Vorträge über die Kolonien, Kaffeekränzchen, Theaterabende und Bastelstunden. So wollten die Frauen die Bekanntheit des Bundes steigern, neue Mitglieder gewinnen und Geld für die Ziele des Bundes einnehmen. Über diese Aktivitäten wurde in Kolonie und Heimat in der Rubrik Mitteilungen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, die meistens auf Seite 8 oder 9 der Zeitschrift zu finden sind, stets lobend berichtet. Hauptaufgabe des Bundes blieb jedoch die Vermittlung von Frauen in die Kolonien, wozu auch die Betreuung der Frauen bis zu ihrer Ankunft gehörte. Wie schon erwähnt, konzentrierte sich die Arbeit des Frauenbundes auf „Deutsch-Südwestafrika“. Dennoch gab es seit 1909 auch eine Abteilung „DeutschNeuguinea“ in Rabaul, an die sich deutsche Frauen wenden konnten, wenn sie beispielsweise eine Anstellung in dieser Kolonie suchten.31 Im April 1913 hatte die

25 Deutsche Kolonialzeitung, 29. Jg. (1912), Nr. 27, S. 469. 26 Vgl. Korrespondenz zwischen DKG und Frauenbund in BArch, R 8023/154, 156 u. 157 (in R 8023/156 findet sich außerdem das Protokoll einer Sitzung zur Regelung des Verhältnisses zwischen den beiden Vereinen vom 27. Juni 1912). 27 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 87f; Frobenius, E.: 30 Jahre koloniale Frauenarbeit, S. 50. 28 Schnee, H. (Hrsg.): Deutsches Koloniallexikon, Band 1, S. 662. 29 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 156. 30 Z.B. Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910/11), Nr. 49, S. 8; 3. Jg. (1909/10), Nr. 18, S. 8; vgl. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 95-99; Schnee, H. (Hrsg.): Deutsches Koloniallexikon, Band 1, S. 662. 31 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 89; Niessen-Deiters, Leonore: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten. Nach Originalbe-

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Abteilung 151 Mitglieder.32 Vorsitzende war Luise Hahl, die Ehefrau des Gouverneurs.33 In der Gründungsphase schrieb sie über die Ziele des Bundes in Neuguinea: „Die Förderung der Fraueneinwanderung in großem Zuge kommt für die Kolonie heute in absehbarer Zeit nicht in Frage. Solange nicht die Möglichkeit geboten ist, auf bequem erreichbaren Höhenkurorten jederzeit Erholung zu suchen wird es nicht möglich sein, auf einen längeren Aufenthalt deutscher Frauen rechnen zu dürfen. Die besondere Aufgabe des Bundes für Deutsch-Neuguinea suche ich daher in der Förderung des wirtschaftlichen und geistigen Zusammenschlusses der Frauen in der Kolonie selbst unter Anlehnung an den Verband in der Heimat.[...] Die zerstreute Art der Ansiedelung im Schutzgebiet verbietet ein häufiges und regelmäßiges Zusammenkommen ebenso, wie die Erörterung allgemeiner Fragen in besonderen Versammlungen.“34

Unter Hahls Leitung setzte sich der Frauenbund unter anderem für eine Frauenabteilung im Krankenhaus ein und unterstützte gemeinsam mit dem Schulverein die Europäerschule.35 Einem Bericht über die Jahreshauptversammlung 1913 der Abteilung Neuguinea ist zu entnehmen, dass der Schwerpunkt der Arbeit aber auf Beratung und Werbung lag: „Unsere Haupttätigkeit besteht in der Erteilung von Rat und Auskunft. Die Lebensbedingungen der Frau in der Kolonie sind Gegenstand dauernder Prüfung, ihre Hebung, Besserung wird erstrebt, so dass der Zustrom erfreulich sich verbreitern möchte!“36

Als Luise Hahl mit ihrem Mann im Frühling 1914 Neuguinea verließ, wurde Gertrud Wick, die Ehefrau des Regierungsarztes, Vorsitzende der Abteilung des Frauenbundes. Über ihre Tätigkeit ist kaum mehr überliefert, als dass sie sich für Bildschmuck im Europäerkrankenhaus in Namanula einsetzte.37

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richten aus fünf Erdteilen, Berlin 1913, S. 73-85; Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 5. Jg. (1913), Nr. 9, S. 6. Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 5. Jg. (1913), Nr. 9, S. 6. Hahl, Luise: Bericht über die Sitzung des Frauenbundes, Herbertshöhe, 20. April 1909, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 1. Jg. (1909), Nr. 8, S. 67 (Kopie in R 1001/5730); Aufruf des Frauenbundes der DKG Abteilung Neuguinea, Rabaul, 1. April 1911, BArch, R1001/ 5731. Amtsblatt für das Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea, 1. Jg. (1909), Nr. 5, S. 6. Vgl. verschiedene Schreiben in BArch, R 1001/5730 u. 5731; außerdem Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 4. Jg. (1912), Nr. 8, S. 8. Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 5. Jg. (1913) , Nr. 9, S. 6. Ebd., 6. Jg. (1914), Nr. 12, S. 7.

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Dem offiziellen Adressbuch für Deutsch-Neuguinea, Samoa und Kiautschou ist zu entnehmen, dass sich die Abteilung „Deutsch-Neuguinea“ im Jahr 1912 offenbar in weitere Unterabteilungen gegliedert hatte: Neben der Abteilung in Rabaul werden je eine in Finschhafen und auf der Marshallinsel Jaluit aufgeführt.38 In Samoa hingegen konnte der Frauenbund offenbar gar nicht Fuß fassen. Weder im erwähnten Adressbuch, noch in den in Wellington lagernden Akten zum Vereinsleben in dieser Kolonie oder den in Samoa eingesehenen Akten wurde der Frauenbund genannt. Die Gouverneursfrau Johanna Solf, die in dieser Abteilung bestimmt eine wichtige Position bekleidet hätte, erwähnt in ihrem Tagebuch ebenfalls lediglich ihren Vorsitz in der Abteilung des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien, mit keinem Wort aber den Frauenbund.39 Angesichts der Tatsache, dass selbst die Gründung einer Abteilung der DKG unter den Ansiedlern in Samoa wenig Anklang fand, während diese in „Deutsch-Neuguinea“ im Jahr 1912 fünf Abteilungen hatte, ist es wenig erstaunlich, dass auch der Frauenbund in Samoa nicht vertreten war.40 Der Bund verfügte also weder überall in den Südsee-Kolonien über Abteilungen, noch organisierte er Ausreisen dorthin, obwohl in Kolonie und Heimat von Zeit zu Zeit über die deutsche Südsee berichtet wurde. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Agitation des Frauenbundes und das in Kolonie und Heimat vertretene Geschlechterbild auch bei einigen der in dieser Arbeit thematisierten Frauen den Entschluss zur Ausreise und die Selbstwahrnehmung beeinflusst haben. Aus den Quellen wird deutlich, dass auch in der Südsee Kolonie und Heimat gelesen wurde. So ist die Zeitschrift etwa auf der Liste der im öffentlichen Lese-

38 Adressbuch für Deutsch-Neuguinea, Samoa, Kiautschou. Nach amtlichen Quellen bearbeitet, dreizehnte Ausgabe, Berlin 1913, S. 17. 39 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 2. Dez. 1908, in Privatbesitz. 40 Formal bestand zwar offenbar schon seit den 1890er Jahren eine Abteilung der DKG in Apia, in der Wilhelm Solf Mitglied war. Doch im Juni 1903 ermahnte der Präsident des Vereins, Herzog von Mecklenburg, persönlich Gouverneur Solf, darauf hinzuwirken, die Abteilung auszubauen und zu festigen, da der Vorsitzende der Abteilung bisher bei den ansässigen Deutschen „nicht genügend Entgegenkommen“ gefunden habe. Solf notierte aber noch im Mai 1904, dass er eine erfolgreiche Neugründung der Abteilung auf Grund der Spannungen unter den Ansiedlern momentan für aussichtslos halte und noch 1912 wird im Adressbuch unter den Vereinen keine Abteilung der DKG in Samoa aufgeführt; vgl. Briefwechsel zwischen Herzog von Mecklenburg und Gouverneur Solf (1903) u. Aktennotiz von Solf, Mai 1904, ANZ(W), AGCA 6051/0357 sowie Adressbuch für Deutsch-Neuguinea, Samoa, Kiautschou, S. 17 u. 45. Im Januar 1914 wurde in der Samoanischen Zeitung erneut zu einer Gründung einer Ortsgruppe Samoa der DKG aufgerufen. In Deutsch-Neuguinea war die Zahl der Abteilungen mittlerweile auf sechs gestiegen: Samoanische Zeitung, 14. Jg. (1914), Nr. 3, S. 1f.

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zimmer in Apia zur Verfügung stehenden Zeitschriften zu finden.41 Das Blatt wurde offenbar als Medium genutzt, um sowohl die geistige Verbindung mit dem Mutterland als auch mit den anderen Kolonialgebieten aufrechtzuerhalten. Im Tagebuch der in Neuguinea stationierten Krankenschwester Auguste Hertzer liest man beispielsweise: „Die Kolonie und Heimat ist ein sehr geeignetes Blatt, mit seinen lieben alten Freunden sich noch einmal im Leben die Hand über weite Meere zu schütteln. – Soeben lese ich in Nr. 17 des Blattes den Aufsatz ‚Aus der deutschen Kolonialgeschichte‘.“42 Die Forschungsreisende Elisabeth Krämer-Bannow berichtete, sie habe in Kolonie und Heimat einen Artikel über die Stadt Rabaul gelesen, die sie auf ihrer Reise auch selbst besuchte.43 Die Leserinnen des Blattes waren nicht nur Rezipientinnen, sondern konnten zudem sowohl Autorinnen als auch Objekt der Berichte sein. Kolonie und Heimat sorgte dafür, die Leserinnen wenn nicht zu Akteurinnen, dann wenigstens zu Zeuginnen des wachsenden Engagements der Frauen in der Kolonialbewegung zu machen. Der Frauenbund organisierte insgesamt zwischen 1908 und 1914 die Ausreisen von 561 Dienstmädchen und sonstigen weiblichen Angestellten in die Kolonien.44 Bei Kriegsbeginn wurde die Organisation von Ausreisen eingestellt und erst im Jahr 1926 wieder aufgenommen.45 Kolonie und Heimat erschien während des Krieges in verkürzten „Kriegsnummern“. Selbst nachdem Deutschland sowohl den Krieg als auch die Kolonien verloren hatte, setzte sich der Bund weiterhin für koloniale Ziele ein.46 Sein Ende fand der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft als er im Juni 1936 „freiwillig“ seine Selbstständigkeit aufgab, um seiner Auflösung zu entgehen und dem nationalsozialistischen Reichskolonialbund einverleibt wurde.47

41 Vgl. Ausschnitt der Samoanischen Zeitung vom 5. Juni 1909, in: ANZ(W) AGCA 6051/0379. 42 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, S. 1 (ohne Datum), in Privatbesitz. 43 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 153. 44 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 163. 45 Ebd., S. 191 u. Schnitzker, Margarete: Bericht über die Stellenvermittlung nach Südwestafrika, in: Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft (Hrsg.): Koloniale Frauenarbeit, Berlin 1927, S. 24-27, hier S. 24f, zitiert aus Kopie in BArch, R 1001/6693. 46 Zu den Zielen des Frauenbundes nach dem Krieg vgl.: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 32, S. 7. 47 Wildenthal L.: German Women for Empire, S. 185.

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4.1.2 Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien Bereits 20 Jahre früher als der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft wurde im Jahr 1887 der Deutschnationale Frauenbund gegründet, um die Krankenpflege in Deutsch-Ostafrika zu organisieren.48 Ein Jahr später ging daraus der Deutsche Frauenverein für die Krankenpflege in den Kolonien hervor.49 Im Jahr 1899 erschien zum ersten Mal das Vereinsorgan Unter dem roten Kreuz, das die wichtigste Quelle für Informationen über die Entwicklung des Vereins darstellt. Besonders interessant sind die hier veröffentlichten Briefe, die die Schwestern von ihrer Wirkungsstätte an den Vereinsvorstand schrieben. Auch im Deutschen Kolonialblatt finden sich immer wieder Informationen über die Arbeit des Frauenvereins. 1909 schloss dieser sich dem Deutschen Roten Kreuz an, erhielt eine neue Satzung und nannte sich nun Deutscher Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien.50 Unter diesem Namen soll er auch in dieser Arbeit behandelt werden. Gegen Zahlung einer Mitgliedsgebühr konnten „Frauen und Jungfrauen“ ordentliche Mitglieder des Vereins werden, Männer konnten als außerordentliche Mitglieder dem Verein ebenfalls beitreten.51 Hauptaufgabe des Vereins war: „[...] die Ausübung der Krankenpflege und Förderung aller auf Kranken-, Wohlfahrts- und Gesundheitspflege zielenden Einrichtungen und Bestrebungen in den deutschen Kolonien, insbesondere auch die Fürsorge für das heranwachsende Geschlecht vom zartesten Kindesalter an und die Linderung von Notständen unter der Bevölkerung.“52

Man hielt die „unausgesetzte Sorgfalt der weiblichen Pflege für die Genesung eine wesentliche Vorbedingung“ und die „weibliche Pflegetätigkeit“ für besonders ge-

48 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 34-41; Zur Entstehung und Geschichte des Vereins siehe auch: Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, Berlin 1937, S. 1-24; Deutsche Kolonialzeitung, NF 1. Jg. (1888), Nr. 40, S. 317; Unter dem roten Kreuz, 18. Jg. (1907), Nr. 5, S. 49f. 49 Jahresbericht des Frauenvereins über das Jahr 1888, in: BArch, R 8023/166; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 34. 50 Neue Satzung des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien, in: BArch, R 8023/162; Davies, Margrit: Das Gesundheitswesen im Kaiser-Wilhelmsland und im Bismarckarchipel, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 18841914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 417-449, hier S. 437. 51 Unter dem roten Kreuz, 1. Jg. (1889/90), Nr. 1, S. 4. 52 Satzung des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien, § 1, in: BArch, R 8023/162.

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eignet und für die Kranken am wohltuendsten.53 Eine zeitgenössische Quelle sagte über die Frau als Krankenschwester, sie sei „dank ihrer sanften Natur, ihren zarten Händen sowie nicht zuletzt dank ihrer angeborenen Charaktereigenschaften natürlicherweise den Männern in der Krankenpflege weit überlegen“.54 In seiner Festrede anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Frauenvereins betonte Staatssekretär Solf dementsprechend, „daß neben der Pflege des Hauses und der Fürsorge für die Kinder seit uralten Zeiten das Hauptgebiet weiblicher Pflichten und weiblicher Rechte die Krankenpflege, die Wohlfahrtspflege überhaupt“ sei, die er als „ureigenste Domäne der Frau“ bezeichnete.55 Die Tätigkeit in den Kolonien wurde als „Möglichkeit segensreichster Betätigung gerade der vornehmsten und besten Fraueneigenschaften“ gepriesen.56 Die Schwestern waren im Auftrag von staatlichen und privaten Krankenhäusern und Lazaretten in den deutschen Kolonien tätig. Die ersten vom Frauenverein ausgesandten Schwestern arbeiteten ab 1888 in Deutsch-Ostafrika.57 Im Gegensatz zu dem oben vorgestellten Frauenbund der deutschen Kolonialgesellschaft sandte der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien jedoch nicht nur nach Afrika, sondern auch in die Südsee Frauen aus, so dass die Schwestern des Vereins zu der in dieser Arbeit thematisierten Frauengruppe zählen. Im Februar 1891 reisten die ersten beiden Schwestern in die Südsee: Auguste Hertzer und Hedwig Saul machten sich auf den Weg in das Hospital der Neuguinea-Kompanie in Finschhafen (Deutsch-Neuguinea), das aber während ihrer Anreise nach Stephansort verlegt 53 Lehr, Ludwiga: Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, in: Koloniale Rundschau, 5. Jg. (1913), Nr. 11, S. 674, ähnlich: Unbekannter Verfasser: Ein weiblicher Beruf, in: Die Gartenlaube, Jg. 1888, Nr. 8, S. 131. 54 Zitiert nach Grunhewer, Herbert: Die Kriegskrankenpflege und das Bild der Krankenschwester im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in: Bleker, Johanna / Schmiedebach, HeinzPeter (Hrsg.): Medizin und Krieg. Vom Dilemma der Heilberufe 1865-1985, Frankfurt a.M. 1987, S. 141. 55 Festrede Seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 63. 56 Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 27; ebenso: Lehr, Ludwiga: Über die Leistungen des Roten Kreuzes in den deutschen Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, Berlin 1910, S. 932945, hier S. 944f. 57 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 39. Im Juli 1888 wurde auch die bereits als Missionskrankenschwester in Deutsch-Ostafrika arbeitende Auguste Hertzer vom Frauenverein angeworben. Auf ein Schreiben von Gräfin Marta Pfeil hin, trat Hertzer mit Einverständnis ihrer bisherigen Arbeitgeber in die Dienste des Frauenvereins über und betrieb gemeinsam mit einer anderen Schwester ein kleines Hospital in Daressalam; vgl: Hertzer, A.: Lebenserinnerungen, S. 53-55, in Privatbesitz. Später war Hertzer in Neuguinea tätig.

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wurde, so dass die Frauen dort ihren Dienst antraten. Während eine der Schwestern vorrangig als Pflegekraft eingesetzt werden sollte, sollte die andere vor allem für die Wirtschaftsführung zuständig sein. Die Neuguinea-Kompagnie übernahm einen Teil der Reisekosten der Schwestern, stellte ihnen eine Unterkunft und gewährte ihnen beim Einkaufen die gleichen Vergünstigungen wie den ansässigen Beamten. Die übrigen Kosten für Unterhalt, Dienstkleidung und die Besoldung übernahm der Frauenverein.58 Das dritte Land, in dem deutsche Krankenschwestern des Frauenvereins ihre Tätigkeit aufnehmen konnten, war ab 1892 Deutsch-Kamerun. 1893 kam „DeutschSüdwestafrika“ und 1894 Togo hinzu. In Tsingtau arbeiteten deutsche Schwestern ab 1902 und in Samoa ab 1903.59 Im Jahr 1913 waren sämtliche Schwesternposten der dem Reichskolonialamt und Reichsmarineamt unterstehenden Lazarette in den Schutzgebieten ausschließlich von Schwestern des Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien besetzt.60 Die Krankenschwestern verpflichteten sich vertraglich für eine bestimmte Dienstzeit in den Kolonien zu bleiben, die für Deutsch-Neuguinea und Samoa drei Jahre betrug. Falls der Vertrag drei Monate vor Ablauf der Dienstverpflichtung von keiner der beiden Seiten gekündigt wurde, verlängerte er sich noch einmal um ein Jahr. Anschließend reisten die Schwestern zurück in die Heimat und konnten sich von dort aus aufs Neue in eine der Kolonien senden lassen.61 Der Verein bezahlte die Ausbildung der Krankenschwestern, ihr Gehalt, die Reisekosten sowie ihre Dienstkleidung und Ausrüstung.62 Außerdem sicherte er den Schwestern durch ei-

58 Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 2, S. 10; Nr. 3, S. 17; Nr. 4, S. 27; vgl. Einladung zur Feier der Abordnung der beiden Schwestern in BArch, R 8023/166; siehe auch: Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, S. 8f u. Davies, Margrit: Public Health and Colonialism. The Case of German New Guinea 1884-1914, Wiesbaden 2002, S. 77. 59 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 39f. Wildenthal schreibt, in Samoa seien Schwestern des Vereins erst ab 1905 tätig gewesen, diese Angabe stimmt aber nicht mit dem Quellenmaterial überein, vgl.: Unter dem roten Kreuz, 14. Jg. (1903), Nr. 12, S. 145; Auswärtiges Amt / KA an Gouvernement in Apia, Berlin 12. Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 60 Festrede Seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 64 . 61 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege und seinen Schwestern, Berlin, wahrsch. Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4; Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 75. 62 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege und seinen Schwestern, Berlin, wahrsch. Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4; Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien und dem

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nen Vertrag mit der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes eine mietfreie möblierte Unterkunft in der Kolonie zu sowie freie Verköstigung durch die Krankenhausküche, freie Wäsche und kostenlose medizinische Versorgung.63 Der Verein ermöglichte den Frauen also, eine gesellschaftlich anerkannte und standesgemäße Tätigkeit zu erlernen und verhalf ihnen zu einem gesicherten Einkommen.64 Dass sie dem geachteten Beruf einer Krankenschwester zudem in einem exotischen Umfeld nachgehen konnten, wo sie dringend gebraucht wurden und mit ihrem Beruf dem Vaterland in der Fremde einen Dienst erweisen konnten, lieferte den Schwestern weitere Anreize zur Ausreise im Dienst des Frauenvereins.65 So liest man in einem zeitgenössischen Berufsratgeber: „[...] der Gedanke, sich in Wahrheit als Kulturvorkämpferin fühlen zu dürfen, wird der Kolonialschwester über manches Ungemach hinweghelfen.“66 Lora Wildenthal weist darauf hin, dass nicht selten eine persönliche oder finanzielle Krise der Auslöser für den Wunsch gewesen sei, als Krankenschwester in die Kolonien zu gehen, diese Vermutung liegt beispielsweise bei früh verwitweten Frauen wie Mathilde Knigge nahe, die in Friedrich-Wilhelmshafen in Neuguinea stationiert war.67 Neben der Krankenpflege in den Kolonien hatte sich der Frauenverein auch hygienische Maßnahmen zur Trinkwassergewinnung und zur Reinhaltung von Brunnen, sowie den Bau von Krankenhäusern zur Aufgabe gemacht. Außerdem halfen die Schwestern durch mikroskopische Arbeiten bei der Erforschung und Bekämpfung von Malaria und der Schlafkrankheit. Ein weiteres Ziel war es, durch professionelle Säuglingspflege die hohe Säuglingssterblichkeit in den Kolonien zu senken und Wöchnerinnen zu betreuen. Auch im Bereich der Kinderbetreuung war der Verein tätig: Er kümmerte sich um den Unterhalt der Kindergärten und stellte Schwestern zur Leitung von Kindergärten und -krippen zur Verfügung.68 In einigen Bereichen, wie der Einrichtung von Kindergärten und Erholungsheimen, stimmten die Ziele des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die

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Auswärtigen Amt / KA, Berlin 21. Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4; vgl. Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 133. Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien und dem Auswärtigen Amt / KA, Berlin, 21. Aug. 1903, MESC(AU), S15IG86-F4; Unter dem roten Kreuz, 23. Jg. (1912), Nr. 2, S. 19; vgl. Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 133. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 188. Vgl. Unter dem roten Kreuz, 13. Jg. (1902), Nr. 8, S. 80. Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 134. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 41; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 6. Jg.(1893), Nr. 11, S.146; Unter dem roten Kreuz, 3. Jg. (1892), Nr. 4, S. 25; vgl. auch schriftliche Anfragen von ausreisewilligen Krankenschwestern in BArch, R 1001/6034/1. Festrede seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem Roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 64.

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Kolonien mit denen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft überein. Um sich nicht durch Konkurrenz zu behindern, sondern „freundschaftlich nebeneinanderzuwirken“, wurde im Februar 1913 ein Abkommen zwischen den beiden Frauenvereinigungen geschlossen. Darin verpflichteten sich die Vereine, sich gegenseitig von Satzungsänderungen und geplanten Projekten in Kenntnis zu setzen und ihr Vorgehen miteinander abzusprechen.69 Das umfangreiche karitative Programm des Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien fand zahlreiche Anhänger und Förderer, besonders in elitären Kreisen. Lora Wildenthal betont, dass der Frauenverein zwar von der allgemein populären kolonialen Begeisterung profitierte, aber keinesfalls eine Organisation für oder von gewöhnlichen Menschen war: Der Verein zeichnete sich durch die aktive Beteiligung des wohlhabendsten und höchsten Adels aus und stand unter dem Protektorat der Kaiserin. Laut Wildenthal waren ungefähr 14 Prozent der Mitglieder adelig und ungefähr 12 Prozent waren dem Militär zuzurechnen, wobei sich diese beiden Gruppen teilweise überschnitten. Auch Beamte und das Bildungsbürgertum waren stark vertreten. Damit waren die Vereinsmitglieder finanziell und sozial bei weitem besser gestellt als die Krankenschwestern, die der Verein in die Kolonien sandte.70 Durch die Unterstützung des Adels, des Militärs und des Beamtentums errang der Verein eine hervorragende gesellschaftliche Stellung. Im Laufe der Vereinsgeschichte entstanden im gesamten deutschen Reich zahlreiche Abteilungen und Landesverbände, die teilweise unter hochherrschaftlichem Schutz standen.71 Nicht nur die vielen wohlhabenden Förderer, sondern auch die Erlöse aus Wohlfahrtslotterien und Kunstveranstaltungen sorgten für ein erhebliches Vereinskapital. Die Mitglieder des Frauenvereins organisierten außerdem Teestunden und Bazare zu Gunsten des Vereins und trafen sich zu Nähabenden, um Verbandssachen, Handtücher und ähnliches für die Ausrüstung der Lazarette zu fertigen.72 Außerdem wuchs die Anzahl der beitragszahlenden Mitglieder beständig: Bei der Gründung im Jahr 1888 betrug die Mitgliederzahl 250 und stieg auf rund 20.000 Mitglieder im Jahr 1914.73 69 Unter dem roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 78; vgl. zur „Abgrenzung der Arbeitsgebiete zwischen Frauenbund und Frauenverein“ auch die gleichnamige Akte: BArch, R 8023/162. 70 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 41. 71 Ersichtlich ist die starke Einbindung des Adels beispielsweise an den hochadeligen Absenderinnen der veröffentlichten Glückwunschtelegramme zum 25-jährigen Vereinsjubiläum: Unter dem roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 68; vgl. Wildentahl, L.: German Women for Empire, S. 41; Lehr, L.: Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, S. 679; Dies.: Über die Leistungen des Roten Kreuzes in den deutschen Kolonien, S. 943f; Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, S. 18 72 Beispielsweise: Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 9/10, S. 71f. 73 Quellen für Mitgliederzahlen: Unter dem roten Kreuz und Deutsches Kolonialblatt.

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Ab 1896 gab es auch eine Abteilung des Vereins in Apia in Samoa und ab 1906 in Herbertshöhe in Neuguinea.74 Die Abteilung Apia stellte in den letzten beiden Jahren vor der Jahrhundertwende auf Grund der politischen Wirren in Samoa allerdings ihre Tätigkeit ein und wurde erst im Oktober 1903 erneut zum Leben erweckt.75 Vorausgegangen war die Schenkung eines Hospitals an den Kaiser durch einen reichen Bürger Apias namens Kunst. Mit dem Bau dieses Hospitals in Apia wurde auch die dortige Abteilung des Frauenvereins, unter anderem auf Initiative des Regierungsarztes Dr. Schwesinger, neu gegründet. Zur Vorsitzenden wurde bei der ersten Hauptversammlung nach der Neugründung Frau Dietze gewählt (nachdem Gouverneur Solf 1908 seine frisch angetraute Ehefrau mit nach Samoa gebracht hatte, übernahm dann diese den Vorsitz), die ehemalige Vorsitzende Gebauer zu ihrer Stellvertreterin und Valesca Schultze, die Leiterin der PapautaMädchenschule, zur Schriftführerin. Gemeinsam mit den Herren Traub, Krüger und Schwesinger bildeten sie den Vorstand des Vereins. Bei der Neugründung der Abteilung hatte der Verein 47 deutsche Mitglieder, auch nicht deutsche Mitglieder wurden dazu eingeladen, mit gleichem Stimmrecht beizutreten.76 Gouverneur Solf, der selbst seit 25. August 1903 ordentliches Vereinsmitglied war, unterstützte die Neugründung indem er dem Verein 750 Mark übergab, die ihm aus früheren Jahren noch für wohltätige Zwecke zur Verfügung standen. 77 Er äußerte die Hoffnung, dass der Verein sich nicht nur der Kranken-, sondern auch der Armenfürsorge annehme und hoffte, dass sämtliche Weißen der Kolonie dem Verein beitreten würden.78 Diesen Wünschen des Gouverneurs kam man nach: Den 74 Zeitungsausschnitt aus der Samoanische Zeitung, 3. Okt. 1913, in MESC(AU), S15IG86-F4; Unter dem roten Kreuz, 8. Jg. (1897), Nr. 2, S. 15f u. Nr. 8, S. 70; 9. Jg. (1898), Nr. 5, S. 36; Naarmann, B.: Koloniale Arbeit unter dem Roten Kreuz, S. 16f; Schlossmuseum Sondershausen / Bade, J. (Hrsg.): Zehn Jahre auf den Inseln der Südsee, Eintrag vom 14. Nov. 1896, S. 36. Bemerkenswert ist, dass Paula David hier berichtet, Mitglieder der Vereinsabteilung in Samoa seien „weiße, halb- und ganz schwarze Frauen, welche mit Weißen verheiratet sind.“ 75 Zu den Aktivitäten der Abteilung Apia in den 1890er Jahren (also vor der deutschen Kolonialherrschaft über Samoa) unter der damaligen Vorsitzenden, der Gattin des Konsuls Geißler: vgl. Unter dem roten Kreuz, 8. Jg. (1897), Nr. 8, S. 70. Zur Neugründung der Abteilung: Zeitungsausschnitt aus der Samoanische Zeitung, 3. Okt. 1913, in MESC(AU), S15-IG86-F4. 76 Zeitungsausschnitt aus der Samoanischen Zeitung, 3. Okt. 1913, in MESC(AU), S15IG86-F4 77 Ebd.; Solfs Mitgliedskarte der Abteilung Apia des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien findet sich in derselben Akte. 78 Zeitungsausschnitt aus der Samoanischen Zeitung, 3. Okt. 1913, in MESC(AU), S15IG86-F4. Anlässlich der Übergabe einer Privatspende eines Siedlers an den Frauenverein wiederholt der Gouverneur im März 1909 seine Bitte, mit den Vereinsmitteln auch Ar-

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Akten ist zu entnehmen, dass im Jahr 1904 zur Unterstützung hilfsbedürftiger Europäer (eines Geisteskranken und eines invaliden Handwerkers) 290 Mark bewilligt wurden und die Zahl der Vereinsmitglieder auf 89 stieg. Um das Vereinsvermögen zu vergrößern und „sich für Notstände den bei der isolierten Lage Samoas so notwendigen Reservefonds zu schaffen“ wurden von den Vereinsmitgliedern mit Unterstützung der London Missionary Society Spenden gesammelt. Außerdem veranstaltete der Verein Näh-Nachmittage und Ausstellungen zu wohltätigen Zwecken.79 Im Zuge des Aufbaus des neuen Hospitals in Apia wurden beim Vereinsvorstand in Deutschland zwei Krankenschwestern angefordert. Daraufhin machten sich im August 1903 Else Langenbeck und Anna Stein als erste Krankenschwestern des Vereins auf die lange Reise nach Samoa. Im gleichen Jahr wurde in Herbertshöhe in Neuguinea ein neues Gouvernementskrankenhaus errichtet, in dem Schwester Therese Wagner ihren Dienst antrat.80 Die Zahl der Schwestern in den Hospitälern der verschiedenen Südseegebiete war leichten Schwankungen unterworfen, die sich nach dem jeweiligen Bedarf an Arbeitskräften und dem Gesundheitszustand der Schwestern richteten. Als der Krieg ausbrach, waren in den Südsee-Kolonien acht Schwestern des Vereins tätig: Drei in Apia, eine in Herbertshöhe, eine in FriedrichWilhelmshafen, zwei in Rabaul und eine auf Jaluit. Insgesamt waren zu dieser Zeit 66 Schwestern in den Kolonien stationiert, die teilweise auch während der Kämpfe ihre Tätigkeit ausübten.81 Die Schwestern, die sich bei Kriegsausbruch in der Heimat aufhielten, wurden zum Kriegsdienst zur Verfügung gestellt.82 Auch nach dem Verlust der Kolonien setzte der Frauenverein seine Arbeit fort. Er kümmerte sich in dieser Zeit um die aus den Kolonien zurückkehrenden Landsleute.83 Im Jahr 1919 beschloss der Verein, auch weiterhin die wenigen noch verbliebenen Deutschen in Übersee zu betreuen.84 Wie alle Vereine des Roten Kreuzes wurde auch der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien im Jahr 1936 Teil des nationalsozialistischen Roten Kreuzes. Er verlor seine Autonomie und wurde zur Hauptabteilung Übersee.

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menunterstützung zu leisten: Gouverneur Solf an die Vorsitzende Frau Solf-Dotti, Apia 9. März 1909, MESC(AU), S15-IG86-F4. Kopie des Jahresberichtes des Frauenvereins für Krankenpflege für 1904 (Zeitungsausschnitt) u. Ausschnitt aus der Samoanischen Zeitung vom 19. Dez. 1913, in MESC(AU), S15-IG86-F4; siehe auch: Samoanische Zeitung, 5. Jg. (1905), Nr. 22, S. 1. Unter dem roten Kreuz, 14. Jg. (1903), Nr. 12, S. 145; 15. Jg. (1904), Nr. 6, S. 58. Unter dem roten Kreuz, 23. Jg. (1912), Nr. 2, S. 16; 24. Jg. (1913), Nr. 2, S. 15; Nr. 4, S. 40; Nr. 8, S. 80; 27. Jg. (1916), 4. Sonderausgabe, S. 3. Unter dem roten Kreuz, 25. Jg. (1914), Nr. 9, S. 97. Lehr, Ludwiga: Die Kriegsarbeit des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien, in: Deutsche Kolonialzeitung, 35. Jg. (1918), Nr. 9, S. 132-134. Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, S. 23.

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Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Frauenverein allerdings als Schwesternschaft Übersee e.V. neu gegründet, so dass die Grundidee des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien bis heute weiterlebt.85 4.1.3 Christliche Missionsgesellschaften in den Kolonien In der Reihe der zu nennenden Institutionen, die Frauen in die Kolonien aussandten, dürfen die Missionen nicht fehlen. In ihrem Dienst reisten die ersten und mit Abstand meisten deutschen Frauen in die Südsee. So waren von den Anfang 1913 in der Deutschen Südsee lebenden 280 deutschen Frauen rund die Hälfte Missionsangehörige. 28 Frauen waren mit Geistlichen und Missionaren verheiratet, 108 waren ledige oder verwitwete Missionsangehörige, die meisten davon waren katholische Missionsschwestern.86 Für Frauen gab es je nach Konfession verschiedene Möglichkeiten, als Missionsangehörige in den Südseegebieten tätig zu sein: Entweder als katholische Missionsschwester oder als Ehefrau eines evangelischen Missionars oder als evangelische Missionsschwester oder -gehilfin. Letztere unterstützten ihre Mission als Hebamme, Krankenschwester, Lehrerin oder Haushaltshilfe und wurden auch als Laienschwestern oder Laienmissionarinnen bezeichnet.87 Häufig heirateten diese Gehilfinnen später Missionare, wodurch sich ihre Stellung innerhalb der Missionsgesellschaft und ihr Aufgabenbereich veränderten. Etwas verwirrend kann beim Quellenstudium wirken, dass auch die verheirateten Missionarsfrauen in den Quellen meist als „Schwestern“ bezeichnet werden.88 Zu Beginn der Missionierung in der Südsee wurden noch keine deutschen Frauen eingesetzt, diese Pionierrolle übernahmen ausschließlich Männer. Wurde ein neues Missionsfeld ins Auge gefasst, sandte man zunächst erste Vorposten von der Heimat in das betreffende Gebiet, um einen geeigneten Ort für die Stationsgründung ausfindig zu machen. War solch ein Ort gefunden, wurde die Missionsstation

85 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 185. 86 Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1912/13, Amtliche Jahresberichte, Berlin 1914, Statistischer Teil, S. 30-35 (Stand: 1. Jan. 1913). 87 Vgl. Steffen, Paul: Missionsbeginn in Neuguinea. Die Anfänge der Rheinischen, Neuendettelsauer und Steyler Missionsarbeit in Neuguinea, Nettetal 1995, S. 161 (Steffen scheint die Ansicht zu vertreten, dass nur Laienmissionarinnen, die als Krankenschwestern arbeiteten, auch als „Missionsschwestern“ bezeichnet wurden, dagegen spricht jedoch vielfältiger anderer Gebrauch, sowohl in den Quellen als auch in der Sekundärliteratur.). 88 Vgl. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, S. 1, Fußnote 3: „Als Geschwister wurden lutherische Missionsehepaare bezeichnet, ein Missionar analog als Bruder sowie seine Frau als Schwester.“

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angelegt, zu der später meist neben dem Wohnhaus und der Kirche auch ein Schulgebäude, ein Gebäude zur Unterbringung von sogenannten Kostschülern89 sowie verschiedene Wirtschaftsgebäude, Werkstätten und Pflanzungen gehörten. Von dort aus versuchten die Missionare Einfluss auf die Bevölkerung in den umliegenden Siedlungen zu gewinnen und sie zum christlichen Glauben zu bekehren. Hatte man genug Missionspersonal zur Verfügung, wurden von der ersten Niederlassung aus weitere Stationen gegründet, so dass sich das Missionsgebiet immer weiter ausbreitete. Allerdings dauerte es oft viele Jahre, bis die ersten Einheimischen sich taufen lassen wollten. Die häufig geringen Erfolge mussten die Missionen mit vielen Opfern bezahlen. Besonders in der Anfangsphase waren die Missionare durch ihre Pionierrolle sehr gefährdet: Die medizinische Versorgung und die Infrastruktur waren schlecht und es kam relativ häufig zu Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung. Der Rheinische Missionar Albert Hoffman hielt in seinen Lebenserinnerungen für das Jahr 1892 fest, dass „von Neu-Guinea eine Todesnachricht nach der anderen kam“ und „die zwei jungen Missionare Bösch und Scheidt ermordet wurden“.90 Er schrieb Neuguinea sei „als ein Todesland bekannt“.91 Auch noch 1912 hieß es im Steyler Missionsboten, die Mission in Kaiser-Wilhelmsland werde „durch Sterbefälle in letzter Zeit hart heimgesucht“.92 Häufig trafen die Missionen als erste Vorboten der westlichen Kultur in den Kolonialgebieten ein, noch bevor die Machtübernahme durch die Kolonialregierung erfolgte. Als die Südseegebiete unter deutsche Verwaltung fielen, war die Bevölkerung von Samoa überwiegend längst christianisiert, während in Neuguinea die Missionare gerade in viele bisher unberührte Regionen als erste Weiße vordrangen.93 Durch ihre Pionierrolle hatten die Missionare großen Einfluss auf das Verhältnis zwischen der indigenen Bevölkerung und den Weißen. Horst Gründer bezeichnet 89 Kostschüler kamen aus dem weiteren Umland der Missionsstation und erhielten dort gegen Arbeitsleistung Unterricht, Kost und Logis. 90 Hoffmann, Albert: Lebenserinnerungen eines Rheinischen Missionars. Band I: Auf dem Missionsfeld in Neu-Guinea, Barmen 1948, S. 97; vgl. Unbekannter Verfasser: Aus einem Frauenleben in der Mission, in: Des Meisters Ruf, 7. Jg. (1915), Nr. 1, S. 3; verschiedene Berichte aus dem Jahr 1891 über die Ankunft der Rheinischen Missionare und die Morde in BArch, R 1001/2569. 91 Hoffmann, A.: Lebenserinnerungen eines Rheinischen Missionars, S. 99; siehe auch Gründer, Horst: Christliche Heilsbotschaft und weltliche Macht. Studien zum Verhältnis von Mission und Kolonialismus. Gesammelte Aufsätze herausgegeben von Post, FranzJoseph / Küster, Thomas / Sorgenfrey, Clemens, Münster 2004, S. 111. 92 Steyler Missionsbote, 40. Jg. (1912/13), Nr. 1, S. 16. 93 Hempenstall, Peter J.: Europäische Missionsgesellschaften und christlicher Einfluß in der deutschen Südsee. Das Beispiel Neuguinea, in: Bade, Klaus J.: Imperialismus und Kolonialmission. Kaiserliches Deutschland und koloniales Imperium, Wiesbaden 1982, S. 226-242, hier S. 227.

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den Zeitpunkt der Etablierung der Missionen als „point of no return“ und betont, dass die Missionen nicht nur die Landnahme der Kolonialherren direkt oder indirekt vorbereiteten, sondern vor allem die traditionellen Lebensgewohnheiten, Wertvorstellungen und Sozialstrukturen der Einheimischen erschütterten.94 Besonders über ihre Bildungseinrichtungen übten die Missionen großen Einfluss auf die indigene Bevölkerung aus. Sie bauten das Schulsystem in den Südseegebieten auf und dominierten es auch während der Kolonialherrschaft: Hiery gibt für das Jahr 1911 den Prozentsatz der einheimischen Schüler, die eine Missionsschule besuchten (gegenüber denen, die in einer Regierungsschule unterrichtet wurden) mit 97 Prozent an.95 Entsprechend boten die Schulen den Missionen Zugriff auf eine sehr große Bevölkerungsgruppe, die sie nach ihren Vorstellungen ausbilden und prägen wollten. Neben der Gründung von Schulen war die Errichtung von Werkstätten und das Anlegen von Plantagen eine weitere wichtige Säule, auf die sich die Missionsarbeit stützte. Dort versuchten die Missionare, die Einheimischen „zur Arbeit zu erziehen“.96 Gleichzeitig trugen sie so zur Finanzierung der Missionen und auch zur weiteren Ausbreitung des Evangeliums bei. Durch die angebotene Ausbildung, aber auch durch karitative Dienste, besonders durch Krankenpflege, gelang es den Missionaren häufig, intensiven und vertrauensvollen Kontakt zur indigenen Bevölkerung herzustellen.97 Dafür war das Erlernen der einheimischen Sprachen die wichtigste Grundvoraussetzung. Die ersten Missionare waren daher immer auch Sprachforscher, die versuchten, Wörterbücher und Grammatiken zusammenzustellen und christliche Texte in die einheimischen Sprachen zu übersetzen.98 Außerdem hatten

94 Gründer, H.: Christliche Heilsbotschaft und weltliche Macht, S. 110. 95 Hiery, Hermann J.: Schule und Ausbildung in der deutschen Südsee, in: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 198-238, hier S. 201; zur dominanten Stellung der Missionen im Schulsystem vgl. außerdem: König, von: Die Eingeborenen-Schulen in den Deutschen Kolonien Afrikas und der Südsee, in: Koloniale Rundschau, 4. Jg. (1912), Nr. 12, S. 728, 731f. 96 Vgl. Gründer, Horst: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, in: Becker, Frank (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung. Zur Politik der Rasse im deutschen Kolonialreich, Stuttgart 2004, S. 27-41, hier S. 34f; vgl. Kapitel 13.3. 97 Steffen, Paul: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 343-383, hier S. 362. 98 Vgl. „Liste der Eingeborenensprachen des Vikariats“ und „Anfänge des ‚Vaterunsers‘ in 31 Südseesprachen“, in: Meyer, Otto: Missionar und Wissenschaft, in: Hüskes, Josef (Hrsg.): Pioniere der Südsee. Werden und Wachsen der Herz-Jesu-Mission von Rabaul zum Goldenen Jubiläum 1882-1931, Hiltrup 1932, S. 185-196, hier S. 196; Verzeichnis der sprachwissenschaftlichen Arbeiten der Neuendettelsauer Missionare, in: Pilhofer,

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viele von ihnen großes Interesse an der einheimischen Lebensweise, sammelten Ethnographika und hielten ihre Beobachtungen schriftlich fest, was noch heute von großem Wert für die ethnologische Forschung ist.99 Seit dem frühen 19. Jahrhundert wurden systematisch Frauenmissionen aufgebaut, da man dem Einsatz weiblicher Kräfte für den Erfolg der Missionierung große Bedeutung beimaß.100 Sie sollten vor allem dabei helfen, die „heidnische Frauenwelt zu heben“ indem sie „Frauenarbeit für Frauen“ leisteten.101 Dieses missionarische Konzept entstand aus der Erfahrung, dass Frauen in vielen Kulturen Zutritt zu speziellen Frauenbereichen möglich war, der Männern verwehrt blieb. Zudem wurden Frauen von der einheimischen Bevölkerung meistens als weniger bedrohlich empfunden. Die Missionsschwestern sollten durch ihre Arbeit an und mit den indigenen Frauen zur „Bekehrung, Civilisierung und Christianisierung der wilden Völkerstämme der Südsee“ beitragen.102 Der Wille, christliches Gedankengut in der Fremde zu verbreiten und „zum Wohle so vieler armer, unglücklicher Heiden“ zu wirken, war für die Frauen, die im Dienst einer Missionsgemeinschaft standen, wohl meist das wichtigste Motiv für die Ausreise in die Südsee-Kolonien.103 Ziel war die Bekehrung möglichst vieler Einheimischer zum christlichen Glauben. Im Gegensatz zu den evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern sahen die katholischen Missionsschwestern eine Rückkehr in die Heimat nicht vor. Sie wollten im Missionsfeld leben und sterben.104 Die Aussendung in die Ferne galt den Frauen als Krönung ihres Schwesterndaseins. So schrieb Schwester Angela von der Herz-Jesu-Mission vor ihrer Ausreise in die Südsee: „Sie können sich kaum vorstellen, mit welcher

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Georg: Die Geschichte der Neuendettelsauer Mission, Band 2, Neuendettelsau 1963, S. 309f; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 110. Vgl. Fischer, Hans: Randfiguren der Ethnologie. Gelehrte und Amateure, Schwindler und Phantasten, Berlin 2003, S. 94f. Keim, C.: Frauenmission und Frauenemanzipation, S. 32; vgl. Kasbauer, S.: Die Teilnahme der Frauenwelt am Missionswerk, S. 82. Zitiert nach Keim, C.: Frauenmission und Frauenemanzipation, S. 35. Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128; zu den Aufgaben der Schwestern siehe Kapitel 9.1.2 dieser Arbeit; vgl. Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 109f; Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 370; Kasbauer, S.: Die Teilnahme der Frauenwelt am Missionswerk, S. 115; Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 89. Schw. Stanisla an ihre Familie, Hiltrup, 6. April 1902, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. Schw. Anna an ihr Familie, Hiltrup, 7. Aug. 1902, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet; Schw. Stanisla an ihre Familie, Hiltrup, 6. April 1902, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet.

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Freude und Begeisterung wir den Augenblick herbeisehnen, der uns zu unseren lieben Wilden bringen soll.“105 Auch Schwester Anna war vor der Ausreise voll überschwänglicher Vorfreude: „Welch herrlicher Beruf und welch schönes Ziel ist doch der Beruf, dem lieben Heiland Seelen, ja viele Seelen zuführen zu können.“106 Zwar war den Frauen bewusst, dass dies eine anstrengende und gefährliche Aufgabe war, doch gab ihnen ihr Glaube die nötige Motivation: „Es ist ja für den lieben Heiland, und das Wort ,Um Jesu willen‘ versüßt uns jedes Opfer“.107 Ähnliche Beteuerungen findet man in den Quellen immer wieder, so schreibt beispielsweise eine Schwester aus dem Missionsfeld. „Ich bin fest davon überzeugt, daß ich hier Gottes Willen erfülle und an meinem Platze bin und fühle mich überglücklich, meine Kräfte für die armen Schwarzen opfern zu dürfen.“108 Für die Frauen, die nicht einer zölibatären Schwesternschaft angehörten, gab es neben dem Wunsch, das eigene Leben dem Glauben zu widmen, dem religiösen Sendungsbewusstsein, einer philanthropischen Grundhaltung und womöglich auch einer Portion Abenteuerlust ein weiteres Motiv für die Ausreise in die Kolonien: Die Ehe.109 Einige Missionarsfrauen begleiteten ihren schon in der Heimat angetrauten Ehemann bei der Ausreise in die Kolonien. Die meisten gingen jedoch die Ehe mit einem Missionar erst vor Ort ein, traten die Ausreise aber meist schon als Verlobte an. Das Motiv für die Ausreise konnte also auch eine anstehende Versorgungsehe sein, die die finanzielle und soziale Lage der Frauen sichern sollte.110 Sehr häufig traten die sogenannten „Missionsbräute“ die Ausreise an, ohne ihren zukünftigen Ehemann, der schon im Missionsfeld lebte, persönlich zu kennen.111 Es war 105 Schw. Angela, zitiert in: Eine Trauerbotschaft aus der Südsee-Mission, in: Monatshefte, 21. Jg. (1904), S. 448. 106 Schw. Anna an ihr Familie, Hiltrup, 7. Aug. 1902, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet. 107 Abdruck eines Briefes von Schw. Stanisla, Schw. Magdalena und Schw. Hubertine, Genua, 3. Aug. 1902, in: Monatshefte, 19. Jg. (1902), S. 449. 108 Schw. Brigitta an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 31. Mai 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. 109 Zur großen Bandbreite der Motive der Frauen, einer Mission beizutreten vgl.: Predelli, Line Nyhagen / Miller, Jon: Piety and Patriarchy. Contested Gender Regimes in Nineteenth-Century Evangelical Missions, in: Huber, Mary T. / Lutkehans, Nancy C.: Gendered Missions. Women and Men in Missionary Discourse and Practise, Michigan 1999, S. 67–111, hier S. 71f. 110 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 285; zu den Motiven der „Missionsbräute“ für die Hochzeit mit einem Missionar in der Fremde vgl. auch: Konrad, D.: Missionsbräute, S. 64-67. 111 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, S. X; Mathilde Wagner an den Missionsinspektor, Speyer, Sept. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4. 26; 4.34/3; 4.39/1; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 179.

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üblich, dass die Missionare sich vor einer Verheiratung erst einige Zeit alleine im Missionsgebiet einleben sollten. Die Rheinische Mission sah für ihre Missionare beispielsweise eine Frist von zwei Jahren vor, die sie ehelos in der Fremde verbringen sollten.112 Erst danach konnten sie auf eine Hochzeit hoffen. Wenn sie nicht schon vor ihrer Ausreise eine Verlobung eingegangen waren, mussten die Missionare von der Südsee aus um ihre Braut werben.113 Häufig baten die Missionare einen Freund in der Heimat, ein Familienmitglied oder auch die Missionsleitung, eine geeignete Braut für sie zu finden.114 Die „Missionsbräute“ scheinen diesen „Heiratsvermittlern“ vertraut zu haben und bemühten sich im Übrigen, sich bis zu ihrer Ausreise brieflich näher mit ihrem Bräutigam bekannt zu machen. Aus den Quellen geht hervor, dass die Frauen sowohl ihre Aussendung im Dienst der Mission als auch die Auswahl des Bräutigams ohnehin als göttlichen Willen verstanden, dem sie folgen wollten.115 So schreibt beispielsweise „Missionsbraut“ Johanna Heider: „Im Juni 1901 kam der Ruf von Gott an mich, dem mir noch unbekannten Missionar August Hanke als Gehilfin nach Neu-Guinea zu folgen. Gott der Herr schenkte mir bald die erbetene Freudigkeit dazu.“116 Offenbar musste Johanna Heider sich also erst mit dem Gedanken anfreunden, Missionar Hanke nach Neuguinea zu folgen. Eine andere „Missionsbraut“ bekennt sich explizit zu ihrer ursprünglichen Abneigung gegenüber der Ausreise nach Neuguinea, fügt sich jedoch letztlich auch dem göttlichen Willen: „Nach Neu-Guinea führt mich der Herr, in das Land dahin ich nie wollte. Nun bin ich hier und danke meinem Gott, dass er mich so geführt. Mein Herz hat nur noch einen Wunsch: Herr, gebrauche mich wo und wie du willst.“117 Für die „Missionsbräute“ war also offenbar die Verheiratung mit einem Missionar eine willkommene Möglichkeit, ihrem Glauben zu dienen, so dass die beiden Ausreismotive Heiratswunsch und religiöse Überzeugung im Grunde kaum zu trennen sind.

112 Töpperwien, A.: Seine „Gehülfin“, S. 21; Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 2. 113 Vgl. Hoffmann, Albert: Lebenserinnerungen eines Rheinischen Missionars, Band I, S. 181-185. 114 Vgl. beispielsweise Georg Eiffert an den Missionsinspektor, Bogadjim, 14. Feb. u. 22. Juni 1913, RMG 2.159; Johannes Barkemeyer an den Missionsinspektor, Siar, 6. Juni 1895, RMG 2.147. 115 Vgl. beispielsweise: Mathilde Wagner an den Missionsinspektor, Speyer, Sept. 1910, Vorl. Nr. 4.34/3. 116 Lebenslauf von Johanna Heider, in: Lebenslaufbuch, RMG 553; vgl. auch: Lebensläufe von Luise Neuhaus, Laura Schutte u. Maria Müller, in: Lebenslaufbuch, RMG 553 u. 554; Mathilde Wagner an den Missionsinspektor, Speyer, Sept. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.34/3. 117 Lebenslauf von Frau Missionar Eckershoff, RMG 2.158.

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Auch die Frauen, die mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche als ledige Missionshelferin ins Feld ausreisten, wurden von den schon dort anwesenden alleinstehenden Missionaren umworben, was oft zur Verheiratung führte. Heute wie damals ist nicht zu entscheiden, ob die Option der Ehe mit einem Missionar nicht für viele Frauen der eigentliche Beweggrund für die Ausreise war. Der Neuendettelsauer Missionar Johann Flierl ging auf diese Problematik in einem Brief an den Missionsinspektor in der Heimat ein: „Es hat auch sein Mißliches, wenn ledige Helferinnen mit der ausgesprochenen oder unausgesprochenen Absicht herausgesandt werden, daß sie hier Missionarsfrauen werden sollen. Noch heikler ist die Sache, wenn sie selbst mit solcher Absicht herausgehen. Am Besten sie können gesandt werden und gehen selber mit der schlichten einfältigen Absicht, led. Miss. Schwestern und Gehilfinnen zu sein. Kommts später wie von selbst und ungesucht zu einer Veränderung, dann (seis) auch gut. Kommt eine christl. Schwester mit der lauteren Absicht, hier weiter nichts als ledige Gehilfin zu werden, so könnte es ein großer Schmerz für sie sein, irgendwie merken zu müssen, daß ihr Weg so missdeutet würde, als hätte sie nur an einen Mann kommen wollen. Werden hingegen mehrere ledige Helferinnen ausgesandt, mehr offen mit der Absicht Miss. Frauen zu werden, so können, da auch mehr heiratsbedürftige Missionare hier sind, auch unangenehme und unschöne Rivalitäten entstehen.“118

Zwar war es offenbar von der Neuendettelsauer Missionsleitung erwünscht, dass die ledigen Missionshelferinnen ohne feste Heiratsabsichten in die Kolonie ausreisten, doch wurde ihnen andererseits die Möglichkeit einer Ehe mit einem Missionar von Anfang an in Aussicht gestellt.119 Die allein stehenden Missionare erwarteten die Ankunft der ledigen Frauen sehnsüchtig und hielten sich mit ihren Avancen nicht lange zurück. Flierl beschrieb beispielsweise, wie Missionar Hansche die Eignung Fräulein Heumanns als mögliche Heiratskandidatin erörterte, obwohl diese grade erst vom Schiff gekommen war und mit Fieber im Nebenzimmer lag. Flierl beklagte: „Ledige Helferinnen, auf welche die Freier warten und darunter ganz desperate, das ist eine unangenehme Sache.“120 Auch die Liebenzeller Schwestern entschlossen sich in Ausnahmefällen während ihres Aufenthalts im Missionsfeld zur Hochzeit. So nahm beispielsweise Schwester Lina Lühling im zweiten Jahr ihres Aufenthaltes in der Südsee den Heiratsantrag von Bruder Wiese an.121 Dieser hatte seine erste Frau bei einer dramati118 Johann Flierl an den Missionsinspektor, Sattelberg, 2. Jan. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 4.9. 119 Missionsleitung an Emilie Heumann, Neuendettelsau, 30. Okt. 1901, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4. 120 Johann Flierl an den Missionsinspektor, Sattelberg, 2. Jan. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 4.9. 121 Schw. Lina Lüling an den Pfarrer, Colonie, 7. März 1909, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“.

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schen Mehrlingsgeburt verloren.122 Zwei der ursprünglich wohl drei Babies überlebten die Frühgeburt und wurden von Schwester Lüling und Schwester Weichel aufgezogen.123 Der Witwer fragte schließlich Lüling ob sie „ihm eine Gefährtin und den Kindern eine Mutter werden wolle.“124 Nach zwei Monaten Bedenkzeit stimmte Lüling zu, da sie „eine gewisse Zuneigung zu Br. Wiese“ empfand und ihr „die lieben Kleinen sehr ans Herz gewachsen“ waren.125 Schwester Weichel erklärte sich später nach Rücksprache mit dem Missionsleiter und ihren Eltern bereit, die „Lebensgefährtin“ – wie sie selbst es ausdrückte – von Bruder Seibold zu werden.126 Die Missionare waren auf die tätige Unterstützung einer Ehefrau im Missionsalltag angewiesen. Der Neuendettelsauer Missionar Pilhofer unterstreicht ausdrücklich die Bedeutung dieser Frauen für die Missionsarbeit: „Ihre im Stillen geleisteten Dienste treten zwar nach außen nicht besonders hervor; sie bildeten jedoch eine wichtige und notwendige Ergänzung der Arbeit des Mannes.“127 Die Missionarsfrauen, die also keine eigenständige Position in der Mission hatten, sondern primär ihren Ehemann in seiner Tätigkeit unterstützen sollten, wurden wiederum selbst von den Missionsgehilfinnen unterstützt. Anders als die Missionarsfrauen standen diese in einem Vertragsverhältnis mit der Missionsleitung und ihre Rechte und Pflichten wurden vor der Ausreise schriftlich fixiert. Den Neuendettelsauer Missionsgehilfinnen wurde für ihre Arbeit ein Gehalt von 400 bis 500 Mark jährlich zugesichert und sie erhielten freie Unterkunft. Sie waren an die Statuten der Neuguinea-Mission gebunden und dem Senior derselben sowie dem Leiter der betreffenden Missionsstation unterstellt. Nach fünf Jahren durften sie auf Kosten der Mission heimreisen; bei einer früheren Rückkehr wurde ihnen proportional zur bereits geleisteten Dienstzeit ein Anteil der Kosten erstattet.128 122 Nachruf für Elfriede Wiese, geb. Kohring, verstorben am 19. Feb. 1908 auf Ponape, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 6, S. 114f; Abdruck eines Briefes von Ernst Wiese an die Missionsleitung, ohne Ort und Datum, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 7, S. 135f. 123 Schw. Lina Lüling an den Pfarrer, Ron Kiti, 20. Feb. 1909, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“. 124 Schw. Katharina Weichel an den Pfarrer, Ron Kiti, 21. Feb. 1909, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katahrina“; Schw. Lina Lüling an den Pfarrer, Colonie, 7. März 1909, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“. 125 Schw. Lina Lüling an den Pfarrer, Colonie, 7. März 1909, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“. 126 Schw. Katharina Weichel an den Pfarrer, ohne Ort und Datum, (wohl 2. Jahreshälfte 1910) u. Schw. Katahrina Weichel an den Pfarrer, Ponape, 2. Dez. 1910, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katharina“. 127 Zitiert nach Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 160. 128 Missionsleitung an Emilie Heumann, Neuendettelsau, 30. Okt. 1901 u. Vocation, Neuendettelsau, 15. April 1902, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4; „Vertrag der Gesellschaft für

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Im Folgenden werden diejenigen christlichen Missionen vorgestellt, die deutsche Frauen in die Südsee-Kolonien aussandten. Zugleich soll deutlich gemacht werden, welches Quellenmaterial zu den einzelnen Missionen zur Verfügung stand und einbezogen wurde. Die Reihenfolge richtet sich dabei nach ihrer Konfession und dem Jahr der Ankunft in der Südsee. Zunächst zu den katholischen Missionen: Im Jahr 1890 ließen sich die ersten vier deutschen Missionare der katholischen Herz-Jesu-Mission in DeutschNeuguinea nieder.129 Die Herz-Jesu-Mission war im Bismarck-Archipel, genauer dem damaligen „Neupommern“, und auf den Marshall-Inseln tätig.130 Da die Missionare um weibliche Verstärkung gebeten hatten, fragte Bischof Couppé bei einer Europareise bei der Gemeinschaft Töchter Unserer lieben Frau vom heiligsten Herzen Jesu in Issoudun um Unterstützung an. Die Bitte wurde erfüllt und die ersten fünf Missionsschwestern von dort trafen im Jahr 1892 in der Herz-Jesu-Mission in Neuguinea ein.131 Die ersten Schwestern waren meist französischer, dann auch holländischer und deutscher Nationalität.132 Am 5. März 1900 wurden in Hiltrup bei Münster die Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu eigens gegründet, um deutsche Schwestern für die Mission in der Südsee auszubilden.133 Die ersten fünf Schwestern dieser Gemeinschaft konnten schon zwei Jahre später in die Südsee ausreisen.134 Die Zahl der Schwestern wuchs in den weiteren Jahren, laut einer Übersicht von 1911 waren damals schon 31 Schwestern in Neupommern und 15 auf den Marshalls stationiert.135

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inn. u. äuß. Mission in S. der luth. Kirche mit Fräulein Elisabet Markert aus Wallmersbach“, Neuendettelsau, 11. Nov. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 352; Bley, Bernhard: Die Herz-Jesu-Mission in der Südsee. Geschichtliche Skizze über das Apostolische Vikariat Rabaul, Hiltrup 1925, S. 21. Hezel, Francis X.: Deutsche Katholische Missionen in Mikronesien, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 558569, hier S. 563; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 345-359. Kleintitschen, August: Die Schwestern in der Mission, in: Hüskes, Josef (Hrsg.): Pioniere der Südsee, S. 136-144, hier S. 136f. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 353; Bley, B.: Die Herz-Jesu-Mission in der Südsee, S. 23; Kleintitschen, A.: Die Schwestern in der Mission, S. 136. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 353; Kleintitschen, A.: Die Schwestern in der Mission, S. 140. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 354; Bley, B.: Die Herz-Jesu-Mission in der Südsee, S. 49; Kleintitschen, A.: Die Schwestern in der Mission, S. 140; Schw. Georgia: Marshall-Insel. Chronik 1902-1919, S. 1 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902 -1919 I“, unverzeichnet. Monatshefte, 28. Jg. (1911), S. 109.

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Die Herz-Jesu-Mission ist für die vorliegende Arbeit auf Grund ihrer Größe, ihrer langen Wirkungszeit in der Kolonie und vor allem der vielen dort tätigen Schwestern von großer Bedeutung. Zudem stand umfangreiches Quellenmaterial zur Verfügung: Das Archiv der Hiltruper Missionsschwestern enthält neben Verträgen, Berichten und Chroniken aus den verschiedenen Einsatzgebieten vor allem die Briefe der Missionsschwestern aus der Südsee an das Mutterhaus in Hiltrup. Letztere stammen allerdings alle aus dem Missionsgebiet im Bismarck-Archipel, Briefe der Schwestern von den Marshallinseln sind weder im Archiv in Hiltrup noch im Generalarchiv in Rom vorhanden.136 Eine gewisse Kompensation dieses Mangels ist durch private Briefe der Schwester Stanisla von den Inseln Jaluit und Nauru an ihre Familie möglich.137 Zudem standen die Monatshefte der Herz-Jesu-Mission als ergiebige Quelle zur Verfügung. Die zweite katholische Mission, die nach Deutsch-Neuguinea kam, war die Gesellschaft des Göttlichen Wortes, die nach ihrem niederländischen Gründungsort Steyl meist als Steyler Mission bezeichnet wird. Die ersten Steyler Missionare waren 1896 in Friedrich-Wilhelmshafen angekommen und hatten auf der Insel Tumleo, die vor der Küste Neuguineas im Westen des deutschen Gebietes liegt, die „Heilig-Geist-Mission“ gegründet.138 Trotz anfänglicher Schwierigkeiten ließen sich die Missionare nicht entmutigen und es gelang ihnen schließlich, gute Beziehungen zu den Einheimischen herzustellen und ihr Einflussgebiet weiter auszudehnen.139 Im März 1899 trafen die ersten vier Steyler Missionsschwestern auf Tumleo ein.140 Ihre Gemeinschaft nannte sich Dienerinnen des Heiligen Geistes und war 1889 gegründet worden.141 Von 1899 bis 1914 kamen insgesamt 52 deutsche

136 Dies ergab die eigene Recherche in Hiltrup und die Nachfrage beim zuständigen Archivar Herrn Wenger. Gründe für das Fehlen dieser Briefe konnte er nicht nennen. 137 AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla (Kopien) aus dem Privatbesitz der Familie“, unverzeichnet. 138 Steffen, P.: Missionsbeginn in der Südsee, S. 177; Ders.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 361. 139 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 184f, S. 186-206; zu den anfangs schwierigen Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung berichtet Pater Eberhard Limbrock über den Stamm der Malol: „In den folgenden Jahren schickten sie uns [...] von Zeit zu Zeit die Liebesnachricht, sie kämen bei erster Gelegenheit herüber, um uns alle zu ermorden.“, Steyler Missionsbote, 41. Jg. (1913/14), Nr. 2, S. 22. 140 Neuß, Perboyre Schw.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des heiligen Geistes“. Ein schlichter Kranz zu ihrem silbernen Jubelfest, Steyl 1914, S. 29; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 179; Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 25. 141 Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 343; ausführlich zu den Steyler Missionsschwestern: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, zur Gründung und Entwicklung der Missionsgemeinschaft v.a. S. 34-42; vgl. auch: Generallei-

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Schwestern in die Mission. Bei Kriegsausbruch waren 46 Schwestern in Neuguinea stationiert, wobei knapp die Hälfte von ihnen auf der Zentralstation St. Michael in Alexishafen tätig war, während sich die übrigen auf acht weitere Standorte verteilten.142 Mit der Tätigkeit der Steyler Schwestern hat sich Katharina Stornig in ihrer Dissertation ausführlich auseinandergesetzt, wie bereits erwähnt wurde.143 Ihre Ergebnisse fließen in diese Untersuchung ebenso mit ein wie meine eigene Auswertung des Missionsorgans Steyler Herz-Jesu-Bote (später Steyler Missionsbote) und einiger in Kopie vorliegender Briefe, Nachrufe und Chroniken aus dem Historischen Archiv der Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes in Rom sowie verschiedene ordensgeschichtliche Publikationen. Die katholische Gesellschaft Mariens („Maristenmission“) war schon seit 1845 durch überwiegend französisches Missionspersonal in Samoa vertreten, als sie ihren Einfluss 1899 auch auf die Shortlandinseln ausdehnten, die zu diesem Zeitpunkt noch unter deutscher Verwaltung standen.144 Dies änderte sich jedoch einige Monate später durch den Samoa-Vertrag.145 Um auch weiterhin im deutschen Teil der Salomonen präsent zu sein, erwarb die Mission im Jahr 1900 auch auf der SalomonenInsel Bougainville Land bei Kieta, wo sich die ersten zwei Maristen im Oktober 1901 niederließen.146 Die ersten Maristen-Missionsschwestern kamen im April 1901 in die Südsee.147 Insgesamt wurden bis zum Ersten Weltkrieg 17 deutsche Maristen-Schwestern auf die Salomonen und nach Samoa ausgesandt.148 Da im Archiv des Ordens in Rom nur wenige Briefe dieser Schwestern als Quelle zur Verfügung

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tung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, Steyl 1929, S. 11f, 16. Zu den verschiedenen Missionsstationen und ihrem jeweiligen Personal vgl. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 182-185, 201; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 186-212, 255. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 372f; Gründer, H.: Die Etablierung des Christentums auf Samoa, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 636-648, hier S. 638; Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 63, 89. Vgl. hierzu Kapitel 2.2. Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 89; Steffen, P:. Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 375. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 376. Diese Information ist einer Liste der ausgesandten Schwestern zu entnehmen (erstellt von Schw. Patricia Leamy SMSM, Generalat Rom, 12. Feb. 2000), die mir freundlicherweise von Pater Dr. Alois Greiler zur Verfügung gestellt wurde.

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stehen149 und die deutschen Maristen in den Südsee-Gebieten des Kaiserreichs im Untersuchungszeitraum eine vergleichsweise geringe Rolle spielen, werden die Maristen-Missionsschwestern im Folgenden nicht näher berücksichtigt. Als die Karolinen und Marianen von spanischem in deutschen Besitz wechselten, kamen auch deutsche Missionare auf die Inseln. Die deutschen Kapuziner unterstützten ab 1903 auf den Karolinen ihre spanischen Mitbrüder, ab 1904 auf den Marianen.150 Auch auf Palau war der Orden tätig. Um bei der Führung der Missionsschulen zu helfen, kamen auf Bitten der Missionare 1907 die ersten Schwestern auf die Karolinen. Es wurden je drei für Ponape und Jap bestimmt. Es handelte sich um Schwestern des Heiligen Franziskus aus Luxemburg-Limpertsberg. Diese Congegration war in Baden gegründet worden und von dort stammten fast alle in die Südsee ausgesandten Schwestern.151 Im Jahr 1914 waren – verteilt auf vier Stationen in den Ost- und Westkarolinen und Palau – insgesamt zehn von ihnen für die Kapuziner Mission tätig.152 Es handelt sich also um eine relativ kleine Gruppe von Schwestern, die zudem nur wenige Jahre der deutschen Verwaltungszeit in der Südsee verbrachten. Schilderungen ihres Missionsalltages, die die Schwestern teilweise selbst verfasst haben und die sich in den Jahresberichten der Kapuziner finden, wurden aber in die Untersuchung einbezogen. Der erste evangelische Missionar traf im Juli 1886 in Finschhafen in Neuguinea ein. Es handelte sich um den bereits zitierten Johann Flierl, der der lutherischen Neuendettelsauer Mission angehörte.153 Das von seinem Ankunftsort per Schiff gut zu erreichende Dorf Simbang im Huon-Golf wurde als erste Niederlassung gewählt. Ende September 1886 erhielt Flierl Verstärkung durch Missionar Tremel und als im September 1887 noch ein dritter Missionar als Verstärkung eingetroffen war, konnte Flierl seine Frau, die sich noch in Australien aufhielt, nach Neuguinea holen.154 Sie war somit die erste Missionarsfrau der Neuendettelsauer Mission in Neuguinea. Im Zuge der weiteren Ausdehnung des Missionsgebietes und der damit verbunde149 Auskunft von Archivarin Schw. M. Emerentiana Cooney SMSM, per E-Mail vom 24. Nov. 2010 u. 9. Dez. 2010, für die ich herzlich danke. 150 Hezel, Francis X.: Deutsche katholische Missionen in Mikronesien, S. 559f. 151 Jahresbericht über die Tätigkeit der Kapuziner der Rheinisch-Westphälischen Ordensprovinz in der Mission der Karolinen (1906), Saarlouis 1907, S. 11-13. 152 Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner-Ordensprovinz auf den Karolinen, Marianen- und Palau-Inseln in der deutschen Südsee, Jahresbericht 1914, S. 15. 153 Pech, Rufus: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea 1886-1921, in Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 384-416, hier S. 387. 154 Ebd.; zu Louise Flierl siehe auch: Lienert-Emmerlich, Heide: Louise Flierl, geb. Auricht. Anfänge, in: Jahnel, Claudia (Hrsg.): Mi stori. Frauen erzählen Geschichte, Neuendettelsau 2012, S. 30-53.

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nen Gründung neuer Stationen, kamen in den nächsten Jahren immer mehr Frauen – sowohl Ehefrauen der Missionare als auch ab 1889 Missionsgehilfinnen, die teilweise in den Quellen auch als Missionsschwestern bezeichnet werden – in der Südsee an. Der Missionsstatistik von 1915 ist zu entnehmen, dass damals verteilt auf 16 Stationen drei Missionsschwestern, 21 Missionarsfrauen (von denen sich zu der Zeit vier im Urlaub befanden) und zwei erwachsenen „Missionstöchter“ für die Neuendettelsauer Mission in Neuguinea tätig waren.155 Zudem arbeiteten dort bis 1914 sieben Missionsgehilfinnen.156 Archivmaterial zu diesen Frauen, das vor allem in ihrer Korrespondenz mit der Missionsleitung und dem sogenannten „Missionskränzchen“ in der Heimat besteht, konnte im Archiv Mission eine Welt in Neuendettelsau eingesehen werden. Hier befinden sich außerdem Lebensläufe, Zeugnisse und Verträge. Zudem standen das dort aufbewahrte Tagebuch der Missionarsfrau Justine Vetter, sowie private Briefe von dieser und Elise Pilhofer, die Kirchlichen Mitteilungen und das Neuendettelsauer Missionsblatt als Quellen zur Verfügung. Im Februar 1887 landeten die ersten Missionare der Rheinischen Mission in Neuguinea.157 Diese Missionsgesellschaft war 1828 aus dem Zusammenschluss von vier Missionsvereinen aus Elberfeld, Barmen, Köln und Wesel entstanden und vereinte Reformierte, Lutherische und Preußisch-Unierte Missionskreise.158 Die erste Missionsstation in Neuguinea wurde in der Nähe des Dorfes Bogadjim gegründet, nahe der Niederlassung der Neuguinea-Kompagnie in Stephansort, von wo aus sie sich später weiter ausbreitete.159 Obwohl die Rheinische Mission eine große und in anderen Missionsgebieten sehr erfolgreiche Missionsgemeinschaft war, war ihre Arbeit in Deutsch-Neuguinea sehr mühselig, durch viele Rückschläge geprägt und nicht besonders fruchtbar.160 Zudem wurde die dortige Arbeit der Mission durch 155 Neuendettelsauer Missionsblatt, 6. Jg. (1916), Nr. 3, S. 20; vgl. hierzu auch Pilhofer, G.: Die Geschichte der Neuendettelsauer Mission in Neuguinea, S. 291-295: Liste der Frauen der Missionare und Laienmissionare (die Liste enthält nur die verheirateten Frauen!). 156 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 161. 157 Ebd., S. 27f; vgl. zur Rheinischen Mission in Deutsch-Neuguinea die Akte BArch, R 1001/2569. 158 Pech, R.: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 403. 159 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 28. 160 Bade, Klaus J.: Colonial Missions and Imperialism. The Background to the Fiasco of the Rhenish Mission in New Guinea, in: Moses, John A. / Kennedy, Paul M.: Germany in the Pacific and Far East, 1870-1914, St. Lucia / Queensland 1977, S. 313-346, hier S. 331-341; Pech, R.: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 403. Auch die Missionare selbst äußerten sich in ihren Briefen bisweilen frustriert über die mangelnden Fortschritte, beispielsweise: Eiffert, Georg: Zusammenfassender Bericht über die Jahre 1914-18, Keku, 6. Dez. 1918, RMG 2.159.

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zahlreiche Konflikte sowohl innerhalb des Missionspersonals als auch zwischen den Missionsangehörigen und Regierungsbeamten behindert.161 Im Jahr 1902 wurde in der Deutschen Kolonialzeitung konstatiert, dass es der Rheinischen Missionsgesellschaft in Bogadjim und Siar trotz jahrelanger Arbeit nicht gelungen sei, „die Erwachsenen an sich zu ziehen“.162 Erst ein Jahr später fand nach 16 Jahren Missionsarbeit in Bogadjim die erste Taufe statt.163 Diese geringen Erfolge musste die Rheinische Mission mit vielen Todesopfern in den eigenen Reihen bezahlen. Allein in den ersten 20 Jahren nach Missionsbeginn in Neuguinea erlagen 19 Missionare, Missionarsfrauen und Missionarskinder ihren Krankheiten. Neun Missionare mussten aus gesundheitlichen Gründen die Heimreise antreten.164 Der Personalbestand der Rheinischen Mission blieb im gesamten Untersuchungszeitraum klein: Bei Kriegsausbruch verfügte die Mission in Neuguinea über zwölf Missionare (von denen drei zu diesem Zeitpunkt beurlaubt waren), einen Laienbruder und zehn Missionarsfrauen.165 Anders als die Neuendettelsauer Mission sandte die Rheinische Mission im Untersuchungszeitraum keine ledigen Missionsgehilfinnen oder -schwestern in die Südsee.166 Den Spuren der Missionarsfrauen wurde im Archivbestand der Rheinischen Mission in Wuppertal-Barmen nachgegangen. Es konnten neben den Lebensläufen der Missionarsfrauen, teils umfangreiche Korrespondenz ausgewertet werden, die sich meist an die Missionsleitung richtete. Zudem diente das bereits erwähnte, edierte Tagebuch der Missionarsfrau Johanna Diehl als wertvolle Quelle.167 Schon seit 1875 arbeiteten die Weysleyanischen Methodisten, die bereits seit 1829 auch in Samoa tätig waren, im Bismarck-Archipel. Das Zentrum ihres Ein-

161 Beispielsweise Konflikt zwischen Missionar Bergmann und Bezirksamtmann Böther und Assessor Wolff, Korrespondenz hierzu in: RMG 2.140; Missionar Ernst Weber an Gouverneur Hahl, Siar, 30. Mai 1908 u. Bericht über Missionar Webers Konflikt mit der Regierung von Missionsinspektor Kriele, Ragetta, 20. April 1909, beides in: RMG 2.155; Korrespondenz von Missionar Wilhelm Blum und Missionsinspektor Kriele über Konflikte zwischen den Missionaren Schütz und Gräb, in: RMG 2.153. 162 Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 15. Jg. (1902), Nr. 31, S. 307. 163 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 34. 164 Ebd., S. 31. 165 Ebd., S. 81. 166 Das geht zum einen aus den Quellen hervor und wurde zum anderen bestätigt durch den Archivar der Archiv- und Museumsstiftung der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal-Barmen, Wolfgang Apelt. Vgl. auch Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 81. 167 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami.

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flussgebietes lag in der Blanche Bucht.168 Als die Region unter deutsche Verwaltung fiel, wurde diese ursprünglich britische methodistische Mission, die über Australien in den Pazifik gekommen war, von der Kolonialregierung aufgefordert, deutsche Missionare nach Neuguinea zu senden. Dadurch werden die Methodisten für die vorliegende Untersuchung interessant: Im Jahr 1897 wurde Heinrich Fellmann als erster deutscher methodistischer Missionar nach Neuguinea geschickt und brachte seine junge Ehefrau Johanna mit, deren Tagebuch so wie ihre zahlreichen langen Briefe sehr ergiebige Quellen darstellen.169 Abgesehen von den Schriftzeugnissen Johanna Fellmanns spielen aber die weiterhin englisch dominierten Wesleyanischen Methodisten keine bedeutende Rolle für die vorliegende Untersuchung. Ähnlich verhält es sich mit der englischen London Missionary Society (LMS), für die Valesca Schultze als einzige deutsche Missionsschwester ab Mai 1890 in Samoa tätig war. Sie arbeitete dort als Lehrerin, Krankenschwester und Hebamme und leitete die Papauta Mädchenschule. Ihre aufschlussreichen Tagebücher wurden als Quelle einbezogen, ihre Missionsgesellschaft ist für diese Arbeit auf Grund deren Nationalität aber nicht weiter von Belang.170 Erst im 20. Jahrhundert kam die nach ihrem Sitz im Schwarzwald benannte evangelische Liebenzeller Mission nach Ozeanien, nachdem sie zuvor als deutscher Zweig der China Inland Mission ihr Haupttätigkeitsfeld in Fernost hatte.171 Die Liebenzeller Mission hat ihre Wurzeln im Neupietismus und in der Erweckungsbewegung und war 1899 gegründet worden. Ab 1906 waren die Liebenzeller auf den Karolinen tätig: Zunächst auf Ponape, ab 1907 auch auf Chuuk (damals Truk genannt). Auf diesen Inseln standen deutsche Frauen sowohl als Missionsschwestern als auch als Missionarsfrauen im Dienst der Liebenzeller Mission. Anfang 1913 waren auf Ponape zwei Missionarsfrauen und zwei Missionsschwestern sowie auf 168 Pech, R.: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 385; Gründer, H.: Die Etablierung des Christentums auf Samoa, S. 638; Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 66, 87. 169 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel. – Der Nachlass Fellmann wird seit 2011 im Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau aufbewahrt. Zu Heinrich Fellmann siehe auch: Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 165f. 170 Schultze, V.: Tagebuch, in Privatbesitz. Zu Valesca Schultze siehe auch: Goodall, Norman: A History of the London Missionary Society 1895-1945, London 1954, S. 359f u. 617. 171 Zur Missionstätigkeit der Liebenzeller Mission in der Südsee siehe: Rauchholz, Manuel: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, bisher unveröffentlicht, erscheint voraussichtlich in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee. Ein Handbuch, 3. Auflage. Ich danke dem Verfasser herzlich für die Bereitstellung des Textes. Außerdem: Kalmbach, Karl: Mit Gott von Mensch zu Mensch. Aus der Geschichte der Liebenzeller Mission, Münster 1999, S. 89-92, 97, 194f.

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Truk zwei Missionarsfrauen und vier Missionsschwestern stationiert, insgesamt also zehn Frauen.172 Im Frühjahr 1914 wagten die Liebenzeller den Sprung nach Melanesien, wo eine Station auf Manus errichtet wurde, einer der nördlich von Neuguinea liegenden Admiralitätsinseln. Bei Kriegsausbruch stand diese Mission aber noch ganz am Anfang, Frauen waren für sie hier noch nicht tätig.173 Zwar handelt es sich also auch hier nur um eine kleine Gruppe von weiblichen Missionsangehörigen, die nur wenige Jahre unter deutscher Verwaltung in der Südsee tätig war, doch decken die Liebenzeller eine im vorliegenden Quellenmaterial ansonsten erst wenig repräsentierte Region der Südsee-Kolonien, nämlich die Karolinen, ab. Dieser Umstand, die gute Quellenlage, die anteilig große Zahl von Frauen unter dem ausgesandten Missionspersonal (gegen Ende des Untersuchungszeitraums waren sogar mehr Frauen als Männer für die Liebenzeller Mission in der Südsee tätig)174 und vor allem deren besonderer Status innerhalb der Missionsarbeit175 machen die Liebenzeller Mission für diese Untersuchung interessant. In ihrem Archiv finden sich umfangreiche Briefe und Unterlagen sowohl der Ehefrauen von Liebenzeller Missionaren als auch der Missionsschwestern, die für diese Arbeit ausgewertet wurden. Außerdem standen zahlreiche Berichte dieser Frauen aus der Südsee zur Verfügung, die in den Missionsorganen Der Missionsbote aus der deutschen Südsee und Chinas Millionen abgedruckt wurden.176 Das Verhältnis der Missionen untereinander war häufig durch Rivalität und Konflikte geprägt, besonders dort, wo sie in enger Nachbarschaft um den Einfluss auf die einheimische Bevölkerung konkurrierten, so wie beispielsweise die Wesleyanischen Methodisten und die Herz-Jesu-Mission auf der Gazellenhalbinsel, die Steyler und die Rheinische Mission in der Nähe von Madang oder die Kapuziner und die Liebenzeller Mission in den Karolinen.177 172 Vgl. Die Adressen unserer Geschwister, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 2, S. 40. 173 Pech, R.: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 413; Kalmbach, K.: Mit Gott von Mensch zu Mensch, S. 97; Rauchholz, M.: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, S. 5. 174 Vgl. verschiedene Auflistungen des Missionspersonals und deren Adressen, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), diverse Nummern. 175 Zur besonderen Rolle der Frauen in der Liebenzeller Mission, die sich durch vergleichsweise große Handlungsspielräume und aktive Beteiligung an der Seelsorge auszeichnete, vgl. Kapitel 9.1.1. 176 Der Missionsbote aus der deutschen Südsee erschien bis Dezember 1912, danach ging er in Chinas Millionen auf. 177 vgl. Hempenstall, P.: Europäische Missionsgesellschaften und christlicher Einfluß in der deutschen Südsee, S. 231f; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 91f, 263; vgl. unbekannter Verfasser: Was die römisch-katholische Mission für die deutsche Südsee tut, in: Chinas Millionen, 8. Jg. (1907), Nr. 3, S. 51; Abdrucke von Briefen der

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So heißt es beispielsweise im Jahresbericht der Liebenzeller Mission für das Jahr 1913 über die Katholiken: „Daß die Katholiken wieder weiter vorgedrungen sind, war nicht anders zu erwarten; haben sie doch von jeher, wie es scheint, besondere Neigung gehabt, deutsches Land mit römischem Sauerteig heimzusuchen, und bekanntlich betreibt die römische Kirche in unseren Kolonien eine ganz besonders ausgedehnte Propaganda. [...] Es ist ja fast überall auf unseren Kolonialgebieten dasselbe Bild. Die römische Kirche spielt sich solange als loyal auf, als sie daraus irgendwelche Vorteile für sich ziehen kann. Sieht sie einen vorteilhafteren Weg für sich, so kümmert sie sich wenig um Abmachungen, Versprechungen oder auch Verordnungen der Regierungen. Will die Regierung irgendwie einschreiten, so muss Herr Erzberger im Reichstag Geschrei erheben, und erschrocken zuckt die betroffene Menschheit zusammen.“178

Voneinander abweichende Missionskonzepte, Gebietsstreitigkeiten, unterschiedliche Mittel- und Personalausstattung (auf diesem Gebiet waren die katholischen Missionen den evangelischen gewöhnlich überlegen)179 sowie divergierende Positionen zur Kolonialregierung brachten immer wieder neues Streitpotential mit sich. Diese Konflikte, die sich im Quellenmaterial in vielen geringschätzigen Kommentaren über die Rivalen widerspiegeln, spielten sich – wie an den oben genannten Beispielen bereits deutlich wird – vor allem zwischen den beiden großen Konfessionen ab, während die Beziehungen der Missionen gleicher Konfession oft freundschaftlich waren. So hatte beispielsweise die Herz-Jesu-Mission gute Beziehungen zur Steyler Mission, stand aber nicht nur den Methodisten, sondern auch der Neuendettelsauer Mission sehr ablehnend gegenüber. Bezüglich des Verhältnisses zwischen Steyler und Neundettelsauer Mission, die sich am Huongolf in Kaiser-Wilhelmsland gegenüberstanden, spricht Paul Steffen sogar von „offene[r] Rivalität, die sich in bitterer Feindschaft und nicht selten in Haß ausdrückte“.180 Die Neuendettelsauer und die Rheinische Mission hatten hingegen ein geschwisterliches Verhältnis, was

Schwestern Klara Köster und Elise Hugenschmidt an die Missionsleitung, ohne Ort und Datum, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911), Nr. 7, S. 150. 178 Jahresbericht für das Jahr 1913. Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 164f. Matthias Erzberger war Abgeordneter der katholischen Partei „Zentrum“ im Reichstag. 179 Hempenstall, P.: Europäische Missionsgesellschaften und christlicher Einfluß in der deutschen Südsee, S. 232; vgl. beispielsweise Jahresbericht für das Jahr 1913. Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 168, hier heißt es über die Insel Truk: „Immerhin sind auf Truk schon sechs männliche katholische Missionare. Was die Zahl betrifft, so werden wir wohl kaum mit ihnen Schritt halten können [...].“; vgl. Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 29. 180 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 264.

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sich unter anderem darin äußerte, dass die Angehörigen beider Missionen sich gegenseitig als Gäste auf ihren jeweiligen Stationen aufnahmen.181 Nicht nur unter den verschiedenen Missionen, sondern auch zwischen den einzelnen Missionen und der Kolonialverwaltung kam es ebenfalls zu Unstimmigkeiten, wofür sowohl Machtkonkurrenz und unterschiedliche Zielvorstellungen als auch persönliche Animositäten immer wieder Anlässe boten. Besonders der Dauerkonflikt zwischen dem katholischen Bischoff Couppé und Gouverneur Hahl fand in den Akten breiten Niederschlag.182 Aber auch die Rheinische Mission geriet wiederholt mit Vertretern der Kolonialverwaltung aneinander.183 Grundsätzlich wurde jedoch von politischer Seite anerkannt und genutzt, dass die Missionen einen entscheidenden Beitrag zur Befriedung und Ausbildung der einheimischen Bevölkerung leisteten und damit auch der Entwicklung und „wirtschaftlichen Hebung“ der Kolonie dienten:184 „Das Bestreben, die Eingeborenen zunächst dadurch, dass man sie die Verfolgung des ‚labora‘ lehrt, sittlich und wirtschaftlich zu heben, und ihnen dann das ‚ora‘ beizubringen, wird

181 Zu diesem gesamten Absatz: Steffen, P.: Die katholischen Missionen in DeutschNeuguinea, S. 352, 371; Ders.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 169-172, 262-265, 283-285; Mückler, H.: Mission in Ozeanien, S. 85; vgl. Elli Arff an den Inspektor, Bogadjim, 29. Aug. 1894, RMG 2.143; Adam Hoh an den Inspektor, Bogadjim, 20. Dez. 1897, AMEW, Vorl. Nr. 4.26 – Auch die 1918 gemeinsam von Rheinischer, Neuendettelsauer und Liebenzeller Mission verfasste Eingabe an den Reichskanzler, die die Bitte enthielt, sich bei den Friedensverhandlungen für den Erhalt der deutschen Gebiete in der Südsee einzusetzen, um den Fortbestand der Mission zu sichern, belegt, dass die beteiligten Missionen durchaus auch ihre Kräfte vereinen konnten, um für gemeinsame Interessen einzutreten: vgl. Neuendettelsauer Missionsblatt, 8. Jg. (1918), Nr. 5, S. 30f. 182 Vgl. Gouverneur Hahl an das Auswärtige Amt / KA, Herbertshöhe, 7. Juli 1905, BArch, R 1001/ 2578; Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 378; außerdem Unstimmigkeiten zwischen der Herz-Jesu-Mission und Landeshauptmann Schmiele, vgl. Korrespondenz in: BArch, R 1001/2570 u. 2571. Zu den Konflikten zwischen Missionen und Kolonialregierung in der Südsee siehe außerdem Hempenstall, P.: Europäische Missionsgesellschaften und christlicher Einfluss in der deutschen Südsee, S. 231. 183 Beispielsweise Konflikt zwischen Missionar Bergmann und Bezirksamtmann Böther und Assesor Wolff, Korrespondenz hierzu in: RMG 2.140; Missionar Ernst Weber an Gouverneur Hahl, Siar, 30. Mai 1908 u. Bericht über Missionar Webers Konflikt mit der Regierung von Missionsinspektor Kriele, Ragetta, 20. April 1909, beides in: RMG 2.155. 184 Deutsche Kolonialzeitung, 28. Jg. (1911), Nr. 23, S. 389; vgl. Solf, W.: Kolonialpolitik, S. 33; Hempenstall, P.: Europäische Missionsgesellschaften und christlicher Einfluß in der deutschen Südsee, S. 229.

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von nahezu allen Kolonialpolitikern dankbar anerkannt. Die christliche Mission kann für die Erschließung überseeischer Gebiete unschätzbare Dienste leisten.“ 185

Dies betonte auch der Theologe und Missionswissenschaftler Joseph Schmidlin: „Der Staat vermag die Schutzgebiete sich wohl äußerlich an- und einzugliedern; das tiefere Ziel der Kolonialpolitik, die innere Kolonisation, muss ihm die Mission vollbringen helfen“.186 Dazu trugen deutsche Frauen einen erheblichen Teil bei.

4.2 I NDIVIDUELLE AUSREISEN Neben den Frauen, deren Übersiedlung in die Südsee-Kolonien von christlichen Missionen oder dem Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien organisiert wurde, gab es selbstverständlich auch solche, die sich unabhängig von einer Institution zu einem Leben in den Kolonien entschlossen. Zwar baten einige von ihnen das Reichskolonialamt oder den Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft um Informationen oder finanzielle Unterstützung für ihre Reisepläne, doch da sich die Förderung von Ausreisen auf „DeutschSüdwestafrika“ konzentrierte, mussten die hier thematisierten Frauen ihre Reise individuell organisieren.187 Quellenmaterial zu diesen Frauen ist ungleich schwerer zu finden, da hier in den meisten Fällen nicht auf Archive oder Publikationsorgane betreffender Institutionen zurückgegriffen werden kann. Um sich dieser Gruppe zu nähern, sollen daher im Folgenden verschiedene Ausreisemotive der nicht an eine Institution gebundenen Frauen dargestellt werden. 4.2.1 Ehe und Arbeitssuche als Ausreisemotive Abgesehen von den zölibatär lebenden Missionsschwestern reisten die meisten Frauen mit oder zu ihren Ehemännern in die Südsee, die dort beispielsweise als Händler oder Pflanzer ihr Geld verdienten, eine Anstellung als Beamter oder Arzt hatten oder als Seeleute arbeiteten. Einige Einwanderer versuchten auch, sich als Handwerker selbstständig zu machen oder einem anderen dienstleistenden Gewerbe nachzugehen. So erwähnt etwa der Zeitzeuge Otto Schellong die Ankunft eines Ehepaares in Finschhafen, das eine „Speiseanstalt“ eröffnen und Vieh halten woll185 Deutsche Kolonialzeitung, 22. Jg. (1905), Nr. 4, S. 32. 186 Schmidlin, Joseph: Die katholischen Missionen in den deutschen Schutzgebieten, Münster 1913, zitiert nach: Gründer, Horst (Hrsg.): „...da und dort ein junges Deutschland gründen“. Rassismus, Kolonien und kolonialer Gedanke vom 16. bis zum 20. Jahrhundert, München 1999, S. 256. 187 Verschiedene Anfragen dieser Art finden sich beispielsweise in BArch, R 1001/2274.

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te.188 Zu den Frauen, die ihren Ehemännern in die Südsee folgten, zählen beispielsweise auch einige der durch ihre Veröffentlichungen prominent in den Kolonialzeitschriften vertretenen Damen: Etwa Arztfrau Frieda Zieschank, Beamtengattin Antonie Brandeis und die Ehefrau des Direktors der Deutschen Samoa Gesellschaft, Else Deeken.189 Aber auch ledige Frauen reisten in die Südsee, nicht selten allerdings mit dem Vorsatz, dort eine Ehe einzugehen. Sie traten die Ausreise oft schon als Verlobte an, wobei ihre Ausreise Reaktion auf die Brautwerbung eines Mannes sein konnte, dem sie bisher noch nie persönlich begegnet waren. Denn auch unter Männern, die keiner Mission angehörten, kam es vor, dass sie von der Kolonie aus eine Braut in der Heimat suchten, beziehungsweise von Verwandten oder Freunden um sie werben ließen: „Wie wenige sind wohl in der Lage, heimzureisen, um sich eine Frau aus der Heimat holen zu können […]. Einige besinnen sich wohl auf eine sympathische Bekanntschaft oder Tanzstundenliebe aus der Vaterstadt und entschließen sich […] da mal anzufragen oder sie schreiben an Eltern, Geschwister, Freunde und bitten um Vermittlung […].“190

So geht es auch dem Bräutigam der Protagonistin in dem von Frieda Zieschank verfassten Kolonialroman Ein verlorenes Paradies: Da er es sich nicht leisten kann, seine Pflanzung im Stich zu lassen, um in der Heimat selbst eine Braut zu suchen, beauftragt er seine Mutter, die Wahl für ihn zu treffen. Daraufhin vermittelt diese den Kontakt zur Romanheldin, um die er – unterstützt von seinen Verwandten in der Heimat – schließlich erfolgreich per Brief wirbt.191 In Kolonie und Heimat finden sich zudem immer wieder Kontaktanzeigen und Heiratsgesuche; meist von in den Kolonien lebenden deutschen Männern, die per Annonce eine deutsche Frau kennen lernen wollten, wie beispielsweise folgende: „Briefwechsel mit junger Dame in der Heimat sucht gebildeter Pflanzer. Gefl. Angebote unter […] erbeten“.192 Aber auch Frauen ergriffen auf diesem Weg die Initiative: „Dame, 28 Jahre alt, schlank, hübsche Erscheinung, musikalisch, in allen Zweigen des Haushalts bewandert, etwas Barvermögen, später mehr, wünscht mit

188 Schellong, Otto: Alte Dokumente aus der Südsee. Zur Geschichte der Gründung der Kolonie. Erlebtes und Eingeborenstudien, Königsberg 1934, S. 44. 189 Zu den Veröffentlichungen der genannten Frauen siehe Quellenverzeichnis im Anhang. 190 Zieschank, Frieda: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. 191 Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 10-17. 192 Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 25, S. 4 der Nachrichtenbeilage.

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Farmer oder Beamten in d. Kol. in Briefwechsel zu treten, zwecks baldiger Heirat. Ernste Offert., möglichst Bild, erbeten unter [...].“193 Einige Frauen reisten auch unverheiratet in die Kolonien, um dort eine Anstellung als Lehrerin, Kindergärtnerin, Erzieherin, Sekretärin oder Haushaltshilfe zu finden oder sich selbstständig zu machen. Bevorzugt gesucht wurden allerdings Stellen in den deutschen Kolonialgebieten in Afrika, deren Klima als gesundheitlich besser verträglich galt als in der Südsee. So waren in Kolonie und Heimat beispielsweise folgende Anzeigen zu lesen: „Junge gebildete Dame aus guter Familie, sehr gewandt, einige Sprachkenntnisse, im Haushalt erfahren, in Bureautätigkeit, Stenographie, Schreibmaschine bewandert, sucht in gesunder Kolonie, am liebsten Deutsch-Südwestafrika, geeignete Position als Repräsentantin, Gesellschafterin, Sekretärin, auch im kaufm. Betriebe. Familien-Anschluss erwünscht. Gefl. Offerten erbeten unter […].“194 „Frl. aus gut. Fam., 29 J., sucht Stelle in d. Kolon. Zur selbständ. Führung d. Haushalt. Sie war jahrel. in groß. Hauswesen tätig, ist im Kochen, Nähen, Haus- u. Gartenarbeit sehr bewandert. Sie ging auch auf eine Farm u. wäre bereit, vorher noch einen kolonialwirtschaftlichen Kurs durchzumachen [...].“195

Ähnliche Stellengesuche deutscher Frauen, die beispielsweise eine Arbeit als Haushaltshilfe oder Sekretärin suchten, wurden auch vor Ort in den Kolonien, etwa in der Samoanischen Zeitung, veröffentlicht.196 Außer in verschiedenen Periodika finden sich Belege für in den Kolonien nach Arbeit suchenden Frauen auch in den Akten der Kolonialbehörden: Sowohl die betreffenden Institutionen in Berlin als auch die lokale Verwaltung in den Kolonien selbst wurden immer wieder von Frauen angeschrieben und um Informationen oder direkt um eine Anstellung im Kolonialdienst gebeten.197 So ging beispielsweise die 18-jährige Kindergärtnerin Grete Schefezyk vor, die den Wunsch hatte, sich „in einer deutschen Kolonie nützlich zu machen“.198 Diese Formulierung und die Tatsa-

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Ebd., 6. Jg. (1912/13), Nr. 17, S. 15. Ebd., 3. Jg. (1909/10), Nr. 2, S. 2 der Nachrichtenbeilage. Ebd., 6. Jg. (1912/13), Nr. 17, S. 15. Beispielsweise Samoanische Zeitung, 2. Jg. (1902/03), Nr. 1, S. 3. Beispielsweise verschiedene Anfragen von deutschen Frauen an das Gouvernement in Apia in ANZ(W), AGCA 6051/0119. 198 Grete Schefezyck an Heinrich Schnee, Dresden-Neustadt, 2. Nov. 1911, BArch, R1001/2271. – Die Verfasserin des Briefes verfolgte ihr Ziel erfolgreich weiter: Aus einem weiteren Schreiben geht hervor, dass sie eine Anstellung als Kinderfräulein bei der Arztfrau Frieda Zieschank in Apia erhalten hat: Schefezyck an den Kaiser, Dresden-

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che, dass sie in ihrem Brief erwähnt, eine Leserin von Kolonie und Heimat zu sein, lassen vermuten, dass die Agitation der kolonialen Frauenbewegung sie in ihrem Entschluss beeinflusst hat. Sie erklärt sich bereit, in der Fremde auch einen anderen als den erlernten Beruf auszuüben und hat eine klare Präferenz bezüglich des Ausreiseziels: „Mein lebhaftester inniger Wunsch wäre nun, nach Samoa zu kommen.“199 Die Anfragen stammten überwiegend von Lehrerinnen (aber beispielsweise auch von einer Korrespondentin), die in der Regel bereits Berufserfahrung hatten und gerne in Zukunft ihrer Tätigkeit in einer Kolonie nachgehen wollten. Meist wurden ihre Gesuche allerdings ablehnend beantwortet, da in den Südseegebieten nur sehr wenige Stellen für weibliche Angestellte im Kolonialdienst zur Verfügung standen.200 Offenbar wurden die Bewerbungen aber aufgehoben und zum Teil bei späterem Bedarf darauf zurückgegriffen. So war es etwa bei der Lehrerin Angela Pfister, deren Initiativbewerbung vom Gouvernement in Samoa zunächst abgelehnt wurde, bis Pfister dann aber doch einige Zeit später an der Regierungsschule eingestellt wurde.201 Ihrer Kollegin Ludovica Schultze wurde nach ihrer ersten Anstellung in den Jahren 1894 und 1896 bis 1898 als Kindergärtnerin an der deutschen Schule erneut eine Stelle in Apia angeboten (diesmal als Lehrerin), woraufhin sie gerne noch einmal nach Samoa ausreiste – nicht zuletzt da ihre ältere Schwester Valesca ebenfalls dort lebte und für die London Missionary Society tätig war.202 Bei ihrer erneuten Anstellung wurde Ludovica Schultze verbeamtet, was eine gesicherte und angesehene Position versprach. Dies könnte auch für die im Gouvernement in Apia tätigen alleinstehenden Stenographinnen und Maschinenschreiberinnen Elisabeth Matthiessen und Meta Mars einer der Beweggründe für die Ausreise gewesen

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Neustadt, 21. Feb. 1913, BArch, R1001/2271. Zwar taucht Schefezyck in den Akten dann einige Jahre nicht mehr auf, ihr Name findet sich aber schließlich auf den Listen wieder, die die neuseeländische Besatzung Samoas zur Organisation der Ausweisung der deutschen Bevölkerung aus der Kolonie anlegte: vgl. Liste der Angehörigen der verschiedenen „classes“, ohne genaues Datum (wohl 1920), ANZ(W), IT 1/275, Ex 29/17(2). Ebd. Anfragen von deutschen Frauen an das Gouvernement in Apia und Antwortschreiben in ANZ(W), AGCA 6051/0119. Vgl. Korrespondenz zwischen Pfister und dem Gouvernement Apia, ANZ(W), S3IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). Korrespondenz betreffend die Wiedereinstellung von Ludovica Schultze in BArch, R 1001/2759 u. ANZ(W), AGCA 6051/0141; siehe auch Samoanische Zeitung, 2. Jg. (1902/03), Nr. 16, S. 1. Weitere Anfragen von arbeitsuchenden Frauen z.B. BArch, R 1001/ 60341/1; R 1001/2760; R 8023/153; ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa).

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sein.203 Letztere hatte wie Ludovika Schultze zudem nahe Verwandte in Apia, und es ist davon auszugehen, dass der Familienanschluss ein weiteres Ausreisemotiv darstellte.204 Wie aus dem Quellenmaterial hervorgeht, haben neben der bereits erläuterten schlechten finanziellen und sozialen Lage vieler deutscher Frauen in der Heimat, der Suche nach einem Bräutigam oder einer Arbeitsstelle und der Agitation der kolonialen Frauenbewegung bei einigen Frauen auch Fernweh und eine Portion Abenteuerlust den Wunsch zur Ausreise in die Kolonien geweckt. 4.2.2 Sinnsuche in der Südsee: Frauen als „Aussteigerinnen“ Diejenigen Frauen, für die Abenteuerlust das leitende Motiv für die Ausreise war, haben dem damals vorherrschenden konservativen Rollenbild der „deutschen Kolonialfrau“ ebenso wenig entsprochen wie die „Aussteigerinnen“. Diese wollten in der Fremde, nachdem sie Europa mit seiner als einengend empfundenen westlichen Zivilisation hinter sich gelassen hatten, alternative Lebenskonzepte verwirklichen. Die als paradiesisch imaginierte Südsee schien sich besonders gut zu eignen, um Ideen zu verwirklichen, deren Ursprung vor allem in der sogenannten Lebensreform-Bewegung zu suchen ist. Diese Bewegung, die in den 1880er Jahren entstand, propagierte eine Rückkehr zum Ursprünglichen, Natürlichen, das von den Kulturzwängen der industrialisierten Zivilisation auf ungesunde Art und Weise überwuchert worden sei. Freikörperkultur, Naturheilkunde, Vegetarismus, Antialkoholismus, generell die Betonung eines natürlichen Lebensstils, sollten den Menschen zu einem gesunden Leben im Einklang mit sich und der Natur verhelfen.205 Im Kontext dieser zivilisationskritischen und spirituellen Bewegung ist auch der Sonnenorden des Nürnberger Apothekers August Engelhardt zu sehen, der ein prominentes Bei-

203 Vgl. Personalakte Ludovica Schultze: ANZ(W), AGCA 6051/0141; Personalakte Meta Mars: MESC(AU), S3-IG11-F3; Personalakte Elisabeth Matthiessen: MESC(AU), S3IG11-F4. 204 Vgl. Gutachten von Regierungsarzt Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3IG11-F4. Auch für eine weitere Verwandte von Valesca und Ludovica Schultze war der Familienanschluss das Ausreisemotiv: Um in der Nähe der beiden Schwestern zu sein, ließ sich Thusnelda Schultze ebenfalls kurzzeitig in Samoa als Lehrerin nieder, vgl.: O Le Sulu Samoa, Mati 1911, Vol. 11, New Series, S. 48; Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 11. Aug. u. 28. Dez. 1909 [wahrscheinlich handelte es sich in Wirklichkeit um das Jahr 1908, vgl. Kapitel 7, Fußnote 6], Feb. 1910 (ohne Tag), in Privatbesitz. 205 Schwab, Andreas: Monte Verità – Sanatorium der Sehnsucht, Zürich 2003, S. 34-49; Mönter, Sven: Following a South Seas Dream. August Engelhardt and the Sonnenorden, Auckland 2008, S. 31-34; Wedemeyer-Kolwe, Bernd: „Der neue Mensch“. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Würzburg 2004, S. 194f.

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spiel für ein von Deutschen aufgebautes „Utopia“ in den Südsee-Kolonien darstellt:206 Engelhardt, der 1870 in Nürnberg geboren worden war, interessierte sich sehr für die „Gesunderhaltung der Menschheit“ und kam bald zu dem Schluss, dass diese am besten durch ein „reines Naturleben“ zu erreichen sei. Auf der Suche nach einem Ort, an dem sich dieser Lebensstil ungestört verwirklichen ließe, reiste er nach Neuguinea. Sein Paradies schien er gefunden zu haben, als er im September 1902 die Insel Kabakon in der Neulauenburg-Gruppe des Bismarck-Archipels erworben hatte, wo er fortan lebte und Kokospflanzungen betrieb. Er lief nackt umher und ernährte sich ausschließlich vegetarisch, vor allem von Kokosnüssen.207 Die große Bedeutung von Kokosnüssen war neben der von ihm angebeteten Sonne der wichtigste Bestandteil seiner Lehre, die er als Kokovorismus bezeichnete. Für ihn hatten die Nüsse eine erkenntnisfördernde Funktion: „Nur sie [die Kokosnuss] genießen, heißt die Welt erkennen, verstehen, heißt die Dinge sehen, wie sie sind“.208 Er behauptete: „[...] wir müssen zum Urquell allen Lebens, aller irdischen und himmlischen Kraft: Zur Sonne zurückkehren, wir müssen SONNENKINDER WERDEN. Das reine Sonnenkind kennt keine Sorgen“.209 Engelhardt

206 Aktenmaterial zu August Engelhardt und seinem Sonnenorden: BArch, R 1001/2262; außerdem ausführlich zu diesem Thema: Klein, Dieter: Neuguinea als deutsches Utopia. August Engelhardt und sein Sonnenorden, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 450-458; Ders.: Der Sonnenorden in der Südsee – Engehards Traum vom Paradies, in: Müller, Andrea / Roder, Hartmut (Hrsg.): 1001 Nacht. Wege ins Paradies, Mainz 2006, S. 85-92; Ders.: Engelhard und Nolde: Zurück ins Paradies, in: Steenken, Helmuth: Die frühe Südsee. Lebensläufe aus dem Paradies der Wilden, Oldenburg 1997, S. 114-124; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, besonders S. 1-27. – Dass Engelhardts Ideen und das Schicksal seines Sonnenordens auch heute noch eine gewisse Faszination ausüben, zeigten jüngst die Diskussionen um den viel beachteten Roman Imperium, in dem Christian Kracht die historischen Fakten mit dichterischer Freiheit arrangiert, vgl. Kracht, Christian: Imperium, Köln 2012. Kurz zuvor war bereits ein anderer Roman über den „Kokovoren“ erschienen, der jedoch kein vergleichbares Medienecho auslöste: Buhl, Marc: Das Paradies des August Engelhardt, Frankfurt a.M. 2011. 207 Gouverneur Hahl an das Auswärtige Amt / KA, Herbertshöhe, 11. Aug. 1903, BArch, R 1001/2262; Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 258; Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 450-452. 208 Bethmann, August / Engelhardt, August: Eine sorgenfreie Zukunft. Das neue Evangelium. Tief- und Weitblicke für die Auslese der Menschheit – zur Beherzigung für alle – zur Überlegung und Anregung, Insel Kabakon bei Herbertshöhe (Bismarck-Archipel) 1906, S. 61. 209 Bethmann, A. / Engelhardt, A.: Eine sorgenfreie Zukunft, S. 13 [Herv. i.O.]

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glaubte, dass die Sonne über die Haarwurzeln das menschliche Hirn ernähre.210 In der von ihm gepriesenen Lebensweise sah er eine Rückkehr des Menschen aus den Irrungen der Moderne zu seiner ursprünglichen Bestimmung: „Der kokovore Sonnenmensch ist der Mensch, wie er sein soll. Er ist die Einheit und die Einfachheit selbst.“211 Er entwickelte missionarischen Eifer und pries in Flugblättern und Werbeschriften die Vorzüge des Lebens in seinem Sonnenorden an: Hier könne man nicht nur gesund und völlig sorglos leben, sondern auch billig.212 Engelhardt empfand sich als Stifter einer neuen Religion und rief „alle reinen Fruchtesser“ in der Welt dazu auf, sich ihm anzuschließen und „sich zu einer Fruchtesserkolonie großen Stils zu vereinigen“.213 Er wollte mit dem Sonnenorden zunächst Kabakon, dann den BismarckArchipel, darauf Neuguinea und die Inseln des Stillen Ozeans und schließlich das tropische Zentral- und Südamerika, das tropische Asien und das äquatoriale Afrika besiedeln.214 Die Aufnahmebedingungen der „äquatorialen Siedlungsgesellschaft“ waren erstens „Empfehlung zweier glaubwürdiger Personen“ und zweitens „1000 Mk. einmalige Anzahlung“, wobei „Unbemittelte nach Verhältnissen“ zahlen sollten und „Arme nichts“.215 Allerdings legte Gouverneur Hahl fest, dass Engelhard für jeden seiner neu eintreffenden Anhänger 700 Mark bar als Kaution bei der Gouvernementskasse hinterlegen musste, um bei Bedarf Kosten für Krankenversorgung und Heimfahrt zu decken.216 Offenbar konnten sich tatsächlich einige „zivilisationsmüde“ Europäer für Engelhardt und seine Ziele begeistern, auch wenn ihm schon bald von ärztlicher Seite attestiert wurde, dass sein Verstand „durch beginnende Paranoia zerrüttet“ würde.217 Der erste, der Engelhardts Ruf Folge leistete, ein 24jähriger Helgoländer, starb allerdings bereits nach sechs Wochen aus unbekannten Gründen. Im Juni 1904 traf der damals berühmte Kapellmeister Max Lützow auf Kabakon ein, der in der Süd-

210 211 212 213 214 215 216

Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 259. Bethmann, A. / Engelhardt, A.: Eine sorgenfreie Zukunft, S. 33. Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 261. Klappentext zu Bethmann, A. / Engelhardt, A.: Eine sorgenfreie Zukunft. Bethmann, A. / Engelhardt, A.: Eine sorgenfreie Zukunft, S. 63. Ebd., S. 64. Gouverneur Hahl an August Engelhardt, Herbertshöhe, 11. Aug. 1903 u. Gouverneur Hahl an das Auswärtige Amt / KA, Herbertshöhe, 11. Aug. 1903, BArch, R 1001/2262. 217 Vgl. Gouverneur Hahl an das Auswärtige Amt / KA, Herbertshöhe, 11. Aug. 1903, BArch, R 1001/2262.

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see eine „Astralmusik“ zu finden hoffte und sich an Bord des Dampfers Prinz Waldemar mit dem rheinischen Missionarsehepaar Hoffmann angefreundet hatte.218 In seiner Blütezeit soll der Sonnenorden bis zu 30 Mitglieder gehabt haben; diese Zahl wird allerdings angezweifelt und berücksichtigt wahrscheinlich auch vorübergehende Besucher.219 Aus den Akten ersichtlich ist jedenfalls – spätestens nach Ankunft des prominenten Lützow auf Kabakon – ein reges Interesse an Engelhardts Gemeinschaft, wobei von amtlicher Seite diesbezügliche Anfragen mit einer dringenden Warnung vor dem Anschluss an die Sonnenbrüder beantwortet wurden.220 Die Kolonialverwaltung hatte Engelhardts Treiben zwar von Anfang an skeptisch beobachtet, wurde jedoch nicht gegen den Sonnenorden aktiv. Gouverneur Hahl berichtete an die Kolonialabteilung in Berlin: „Das Übel ist [...] noch nicht so weit vorgeschritten, um ein Eingreifen des Gerichts herbeifuehren zu koennen. Engelhardt bewegt sich korrekt in der guten Gesellschaft.“221 Bei den meisten Neuankömmlingen, die die amtlichen Warnungen nicht kannten oder ignorierten, wandelte sich die anfängliche Euphorie bald in Ernüchterung und Enttäuschung:222 So war die Verweildauer „dieser frühen Hippies“, wie Hermann Hiery sie bezeichnet, oft sehr kurz, da sich schnell herausstellte, dass Engelhardts Lebensweise in der Praxis nicht ohne Beeinträchtigung der Gesundheit durchzuhalten war.223 Es kam zu mehreren Unglücks- und Krankheitsfällen unter ungeklärten Umständen, auch der erwähnte Lützow starb.224 Unter den Mitgliedern des Sonnenordens waren auch einige Frauen, zumindest eine von ihnen ist auch fotografisch gemeinsam mit Engelhardt festgehalten.225 Es soll sich bei ihr um Anna Schwab, die Verlobte des 1906 auf Kabakon eingetroffe-

218 Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 453; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 9f, 127; Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 259; Hoffmann, A.: Lebenserinnerungen, S. 321-326; vgl. außerdem mehrere Zeitungsausschnitte und Korrespondenz zum Sonnenorden in BArch, R 1001/2262. 219 Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 454; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 10. 220 Auswärtiges Amt / KA an Carl Seifert, Berlin, 7. Juni 1905, BArch, R 1001/2262. 221 Gouverneur Hahl an das Auswärtige Amt / KA, Herbertshöhe, 11. Aug. 1903, BArch, R 1001/2262. 222 Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 260. 223 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 58. 224 Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 259f; Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 454. 225 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 58.

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nen August Bethmann handeln, der ein wichtiger Partner und Freund August Engelhardts war.226 Abb. 8: v. l.: August Bethmann, Anna Schwab (Verlobte Bethmanns), August Engelhardt auf Kabakon (1906)227

Laut eines Zeitungsberichtes handelte es sich bei Bethmanns Braut um ein junges Mädchen, die ihm „verlockt von seinen Schilderungen“ auf die Insel folgte.228 Es wird spekuliert, ob ein Streit um sie zwischen den beiden Männern in Zusammenhang mit dem mysteriösen Tod Bethmanns stehen könnte.229 Nach dem Tod ihres Bräutigams reiste die junge Frau offenbar wieder zurück nach Deutschland und lebte später als „Anarchistin und Lesbierin“ auf dem Monte Verità in Ascona.230 Auch 226 Klein, Dieter: Der Sonnenorden in der Südsee – Engelhardts Traum vom Paradies, in: Müller, Andrea / Roder, Hartmut (Hrsg.): 1001 Nacht, Wege ins Paradies, Mainz 2006, S. 90; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 127. 227 Archiv Dieter Klein / Wuppertal, Aufnahme von Missionar Heinrich Fellmann. 228 Kreuz-Zeitung vom 22. Nov. 1908, Zeitungsausschnitt in BArch, R 1001/2262. 229 Vgl. Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 127. 230 Kreuz-Zeitung vom 22. Nov. 1908, Zeitungsausschnitt in BArch, R 1001/2262; vgl.: Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 455; Ders.: Der Sonnenorden in der Südsee, S. 90. – Zu dem im Jahr 1900 gegründeten „vegetarischen Sanatorium“ und „utopi-

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das spätere Kindermädchen der Gouverneurskinder Berta und Carola Hahl, ein gewisses Fräulein Henning, soll eine ehemalige Anhängerin des Sonnenordens gewesen sein, diesen aber 1911 verlassen haben.231 Ein Hinweis auf ein weiteres weibliches Mitglied des Sonnenordens findet sich in einem Artikel der New York Times vom 20. Juni 1911.232 Dort wird berichtet, der Universitätspräsident Dr. Stone sei von seiner Ehefrau Victoria H. Stone verlassen worden. Mrs. Stone, die ihren Mann in Europa (wohl in Göttingen) kennen gelernt habe und vor ihrer Hochzeit als Chemikerin tätig gewesen sei, habe ihren Ehemann und ihre zwei Söhne in Amerika zurück gelassen, um sich von der Welt zurückzuziehen, wozu sie von der indischen Yoga-Philosophie angeregt worden sei.233 Dr. Stone und seine Söhne seien „heartbroken“ und würden sie gerne wieder aufnehmen, doch könnten sie Mrs. Stone nicht erreichen. Das letzte, was man von ihr gehört habe, sei, dass sie auf die Südsee-Insel Kabakon gefahren sei, um sich dort einem Sonnenanbeter-Kult anzuschließen.234 Leider ist das Quellenmaterial zu Mrs. Stone und den anderen weiblichen Mitgliedern des Sonnenordens sehr dürftig und es konnten keinerlei Selbstzeugnisse gefunden werden. So kann an Hand des genannten Materials lediglich belegt werden, dass einige Frauen Engelhards Aufruf folgten – die Erfahrungen, die sie auf Kabakon machten, bleiben jedoch im Dunkeln. Selbst als alle Anhänger von ihm abgefallen waren, lebte der mittlerweile körperlich stark heruntergekommene Engelhardt weiterhin nach seiner Lehre auf Kabakon, magerte immer mehr ab und wurde zur Attraktion für neugierige Südseereisende.235 So berichtet auch Emil Nolde in seinen Lebenserinnerungen, er und seine Frau Ada seien auf einer kleinen Insel auf einen langhaarigen, nur mit einem Lendenschurz bekleideten Mann gestoßen, der in der Südsee das Paradies suchte und sich nur von Kokosnüssen und Süßkartoffeln ernährte. Nolde berichtet, der Mann

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schen Experiment“ Monte Verità in Ascona, das als eines der herausragendsten Beispiele für die Lebensreformbewegung gilt, siehe: Schwab, A.: Monte Verità – Sanatorium der Sehnsucht. Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 454; Ders.: Der Sonnenorden in der Südsee, S. 89; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 14 u. 126f. „Dr. Stone of Purdue University Deserted by Wife, a Sun Worshipper“, in: The New York Times, 20. Juni 1911. Für den Hinweis auf Victoria Stone und die Zusendung einer Kopie des Zeitungsausschnittes danke ich herzlich Dieter Klein. Zur Yoga-Rezeption im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert siehe: WedemeyerKolwe, B.: „Der neue Mensch“, S. 138-153. „Dr. Stone of Purdue University Deserted by Wife, a Sun Worhipper“, in: The New York Times, 20. Juni 1911. Medizinal-Berichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1905/06, S. 260f; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 16f.

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habe geglaubt, dass Kopfhaare Intelligenz geben und sei sehr erstaunt gewesen, dass Noldes noch nie von ihm gehört hätten.236 Unter unbekannten Umständen starb August Engelhardt am 6. Mai 1919 – und mit ihm zwar sein Sonnenorden, nicht aber der Wunsch, in der Südsee einen paradiesischen Gegenentwurf zur europäischen Gesellschaft zu finden, den sich auch einige deutsche Frauen in der Kolonie erfüllen wollten.237 4.2.3 Sonderfall: (Forschungs-)Reisende Frauen Bisher wurden nur Frauen thematisiert, die in die Südsee-Kolonien ausreisten, um sich dort meist für mehrere Jahre oder sogar für den Rest ihres Lebens häuslich niederzulassen. Diese Frauen sollen auch im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen. Es gab in der Südsee jedoch auch einige reisende deutsche Frauen, die ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben sollen. Frauen, die im Untersuchungszeitraum Reisen in exotische Gebiete unternahmen, betätigten sich häufig ethnographisch und sammelten Belegstücke der materiellen Kultur der indigenen Bevölkerung oder verfolgten andere Forschungsziele. Sie waren also oft nicht nur Reisende mit touristischen Interessen, sondern auch Forschungsreisende, die sich in ihren Schriften bewusst als solche inszenierten. Die Reisenden stellen in mancher Hinsicht einen Sonderfall innerhalb der untersuchten Gruppe deutscher Frauen in der Südsee dar: Sie hielten sich in der Regel deutlich kürzer in den Kolonien auf als die übrigen Frauen, waren aus anderen Motiven aus Deutschland aufgebrochen und verfolgten andere Ziele. Anders als die Frauen, die sich in den Kolonien für längere Zeit niederließen, lernten sie meist viele verschiedene Regionen und deren unterschiedliche Bevölkerung kennen. So waren sie sie in der Lage, Vergleiche anzustellen – zu tiefergehenden, sich über mehrere Jahre entwickelnden Beziehungen zu Einheimischen konnte es jedoch nicht kommen. Dies umso mehr, da häufig keine Zeit oder auch keine Motivation vorhanden war, um die Sprache der indigenen Bevölkerung zu lernen. So ist zu vermuten, dass die Perspektive der reisenden Frauen auf die deutschen Südsee-Kolonien und ihre Bewohner sich von derjenigen der dort ansässigen deutschen Frauen unterschied. Ob dies tatsächlich der Fall war, soll im weiteren Verlauf dieser Untersuchung deutlich werden. Doch zunächst stellt sich die Frage, warum und unter welchen Umständen Frauen überhaupt solche lange Reisen antraten.

236 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 91f; ebenfalls von einem Besuch bei August Engelhardt berichtet Gretel Kuhn, nennt ihn aber fälschlicherweise „Herrn Leonhardt“, vgl. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 56, in Privatbesitz. 237 Klein, D.: Neuguinea als deutsches Utopia, S. 457; Mönter, S.: Following a South Seas Dream, S. 21.

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Im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert begannen europäische Frauen unterschiedlicher sozialer Herkunft verstärkt, immer weitere und waghalsigere Reisen zu unternehmen, so dass die historische Frauenreiseforschung auf diese Epoche ihren Schwerpunkt legt.238 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren reisende Frauen zumindest in gehobenen Gesellschaftskreisen keine Seltenheit mehr. Hunderte von Frauen unternahmen zwischen 1850 und dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs Reisen auch in ferne Gebiete. Um die Jahrhundertwende waren für Mädchen Reisen nach England oder Frankreich, wo sie ihre Sprachkenntnisse verbessern sollten, häufig Bestandteil einer guten Ausbildung.239 Aus verschiedenen Gründen, unter denen Abenteuerlust und Fernweh nicht zu vernachlässigen sind, begaben sich Frauen aber auch in exotischere Gebiete – die häufig sehr lange Reisedauer war dabei schon allein durch die damals zur Verfügung stehenden Transportmittel bedingt.240 Auf der Suche nach Motiven der Reisenden lässt sich zunächst zwischen allein reisenden Frauen und mitreisenden Ehefrauen unterscheiden.241 Bei letzteren ist das deutlichste Motiv für die Reise, dass sie ihren Ehemann auf einer von ihm geplanten Reise begleiten wollten oder sollten. Allerdings konnten auch diese Frauen durchaus eigene professionelle Interessen als Reisemotiv haben und über einen eigenen Arbeitsbereich verfügen, wie es etwa bei den Forschungsreisenden Elisabeth Krämer-Bannow und Lily Rechinger der Fall war, die gemeinsam mit ihren Männern in der Südsee forschten.242 Dieser eigene Arbeitsbereich ergab sich häufig aus dem besonderen Zugang, den Frauen zur indigenen Welt hatten: Ihnen standen auch spezielle Frauenräume offen, wie etwa der Harem im Orient oder in Ozeanien spezielle Frauenversammlungshäuser, Geburtsstätten und andere Orte, die von Männer nicht betreten werden durften. So konnten die Forscherinnen an Informationen über das indigene Frauenleben gelan-

238 Jedamski, D. / Jehle, H. / Siebert, U. (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“, S. 9; Siebert, Ulla: Grenzlinien. Selbstrepräsentation von Frauen in Reisetexten 1871-1914, Münster 1998, S. 5; Schraut, S.: Bürgerinnen im Kaiserreich, S. 102f. 239 Beer, Bettina: Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie. Ein Handbuch, Köln 2007, S. 265; vgl. Gippert, W.: Frauen und Kolonialismus, S. 6. 240 Kullik, Rosemarie: Frauen „gehen fremd“. Eine Wissenschaftsgeschichte der Wegbereiterinnen der deutschen Ethnologie, Bonn 1990, S. 46f. 241 Jehle, Hiltgund: „Gemeiniglich verlangt es aber die Damen gar nicht sehr nach Reisen...“. Eine Kartographie zur Methodik, Thematik und Politik in der historischen Reiseforschung, in: Jedamski, D. / Jehle, H. / Siebert, U. (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“, S. 16-35, hier S. 18. 242 Ulla Siebert betont ebenfalls ausdrücklich, dass auch mitgereiste Ehefrauen eigene Reiseinteressen haben konnten und wendet sich damit gegen Hiltgund Jehles Annahme, dass Ehefrauen „eine Reise nicht aus eigenem Antrieb oder Interesse“ unternahmen, vgl. Siebert, U.: Grenzlinien, S. 36.

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gen, die Männer nie erhalten hätten.243 Einheimische Frauen vertrauten den fremden Geschlechtsgenossinnen eher als männlichen Ethnologen Einzelheiten zu Verhütungs- und Geburtspraktiken, Menstruationsriten und anderen „Frauenthemen“ an oder unterwiesen sie in speziellen Frauenhandwerksarbeiten, wie beispielsweise verschiedenen Flechttechniken. Außerdem war es leichter, bei den Einheimischen Vertrauen zu erwecken, wenn Frauen eine Expedition begleiteten: „Eine versöhnende Wirkung hatte es immer, wenn Frauen dabei waren, dann erwarteten die Eingeborenen weniger Feindliches; denn sie selbst senden vor kriegerischen Handlungen ihre Frauen und Kinder in den Busch.“244 Dass Frauen auf Grund der genannten Vorteile für ethnologische Forschungsreisen sehr nützlich sein konnten, wurde bald erkannt.245 Viele reisende Frauen schilderten ihre Beobachtungen in Briefen oder Reiseberichten, manche verarbeiteten das Erlebte in Romanen.246 Die Verbindung von Reisen und Schreiben wurde von der Forschung teilweise als doppelter Ausbruch aus der traditionell für Frauen vorgesehenen Rolle gewertet.247 Im Kontrast zum damaligen Rollenkonzept, das vorsah, dass der Mann hinaus in die Welt zieht, während die Frau das Heim hütet, boten Reisen Frauen die Möglichkeit, die ihnen zugeschriebene Sphäre des Häuslichen zu verlassen, so dass Frauenreisen im 19. und frühen 20. Jahrhundert häufig mit Emanzipation und Befreiung verbunden werden.248 Oft brachten die Frauen die Erfüllung ihrer von der Gesellschaft auferlegten Pflichten erst hinter sich, bevor sie sich auf Reisen begaben, so dass ihr Alter zu diesem Zeitpunkt schon recht hoch war: „Viele hatten schon erwachsene Kinder, waren Witwe oder geschieden, als sie sich zum ersten Mal in die Welt hinauswag-

243 Deeken, Annette / Bösel, Monika: „Vers l’Orient“: Reisejournale von Frauen des 19. Jahrhunderts, in: Jedamski, Doris / Jehle, Hiltgund / Siebert, Ulla (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“. Frauenreisen – Reisefrauen. Dokumentation des interdisziplinären Symposiums zur Frauenreiseforschung, Bremen 21.-24. Juni 1993, Zürich 1994, S. 5977, hier S. 66, 69; Beer, B.: Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie, S. 295. 244 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 98. 245 Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 20. 246 Beispielsweise Veröffentlichungen von Alma Karlin, Elisabeth Krämer-Bannow, Lilly Rechinger u.a., siehe Quellenverzeichnis im Anhang. 247 Siebert, Ulla: Frauenreiseforschung als Kulturkritik, in: Jedamski, Doris / Jehle, Hiltgund / Siebert, Ulla (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“. Frauenreisen – Reisefrauen. Dokumentation des interdisziplinären Symposiums zur Frauenreiseforschung, Bremen 21.-24. Juni 1993, Zürich 1994, S. 148-173, hier S. 157; vgl. Gippert, W.: Frauen und Kolonialismus, S. 6. 248 Pytlik, A.: Die schöne Fremde – Frauen entdecken die Welt, S. 14f, 26.

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ten“.249 Andere blieben – wohl auch auf Grund ihrer oft jahrelangen Reisen – unverheiratet und kinderlos. Rosemarie Kullik, die sich mit den Wegbereiterinnen der Ethnologie beschäftigt hat, zitiert die spätere Ethnologin Elisabeth Gerdts-Rupp (1888-1972), die erklärt, warum sie davon träumte, in eine der Südsee-Kolonien auszureisen: „Es war nicht mehr bloß Sehnsucht nach Landschaft, Sonne und Natürlichkeit; es war ein tiefer Ekel vor europäischem Leben überhaupt, diesem grauen, eingezwängten, überwachten Schritt-machen auf vorgezeichneter Bahn, – dem Ellbogenkampf mit scheinheilig bemäntelter Gier überall – dem langweiligen Geschrei von Kultur, wo ich keine sah.“250

Die Exotik der Südsee habe schon in jungen Jahren eine sehr starke Faszination auf Gerdts-Rupp ausgeübt: „Während ihrer Schulzeit wusste sie ‚in der Südsee besser bescheid als in den Straßen‘ ihrer Heimatstadt. Sie ‚sprach samoanisch und wusste die Namen aller Königstöchter mit richtiger Betonung‘ [...].“251 In diesem Fall waren die Motive für die (schließlich durch den Ersten Weltkrieg verhinderte) Reise also eine starke Faszination für die Südsee, die sich auch aus einer kulturkritischen Haltung und der Ablehnung der Situation in der Heimat speiste, der die junge Frau gerne entkommen wollte. Dieses „Fluchtmotiv“ hebt Kullik in ihrer Untersuchung immer wieder hervor, „d.h. Ausbruch aus den bestehenden Verhältnissen, Befreiung aus den vorgeschriebenen, starren Normen, Bestätigung der eigenen – wenn auch nur temporären – Unabhängigkeit und die Suche nach alternativen (Über-)lebensmöglichkeiten und -formen.“252 Die verschiedenen genannten Beweggründe finden sich auch bei den Frauen wieder, die im Untersuchungszeitraum in die deutschen Südsee-Kolonien reisten: Lily Rechinger begab sich mit ihrem Ehemann Karl auf eine botanische und zoologische Sammel- und Forschungsreise, die zugleich ihre Hochzeitsreise war und sie im Jahr 1905 unter anderem nach Samoa, Neuguinea und auf die Salomonen führte. Dort war Lily Rechinger ihrem Mann dabei behilflich, eine Sammlung für seinen Arbeitgeber, das Naturhistorische Hofmuseum in Wien, fertigzustellen. Das „Studium der Eingeborenen“ interessierte das Paar dabei nur am Rande, dennoch finden sich auch über die einheimische Lebensweise interessante Kommentare in ihrem Reisebericht.253 Während Lily Rechinger ihren Mann nicht nur begleitete,

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Ebd., S. 31; vgl. Schraut, S.: Bürgerinnen im Kaiserreich, S. 105. Zitiert nach Kullik, R.: Frauen „gehen fremd“, S. 37f. Ebd., S. 50. Ebd., S. 47. Rechinger, L. u. K.: Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln; vgl. Dies.: Bericht über eine naturwissenschaftliche Reise nach den Samoa- und Salo-

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sondern selbst fleißig botanisierte und archivierte, spielte Ada Nolde, die Ehefrau des berühmten Malers Emil Nolde, eine vergleichsweise passive Rolle: Sie nahm gemeinsam mit ihrem Mann 1913/14 an der „Medizinisch-demographischen Expedition“ des Reichskolonialamtes nach Neuguinea teil, wobei ihr Mann vor allem die Einheimischen studierte und malte, während Ada primär zur weiblichen Begleitperson der ebenfalls an der Expedition beteiligten jungen Krankenschwester Gertrud Arnthal bestimmt war. Durch ihre Reiseschilderungen, die auch ihrem Mann als Grundlage für seine spätere literarische Verarbeitung der Südseereise dienten, tritt Ada Nolde dennoch als interessant für die vorliegende Untersuchung hervor.254 Auch der Maler Max Pechstein war in Begleitung seiner Ehefrau Charlotte Pechstein in den deutschen Südsee-Kolonien unterwegs. Den gemeinsamen Sohn bei den Eltern des Malers in Zwickau zurücklassend, bestieg das Ehepaar im April 1914 in Genua den Dampfer und reiste über Ceylon, Indien und die Philippinen auf die Palau-Inseln. Dort gefiel es dem Maler so gut, dass er sich dauerhaft niederlassen wollte, doch der Ausbruch des Ersten Weltkrieges machte diese Pläne zunichte: Die japanischen Besatzer deportieren das Ehepaar Pechstein zunächst nach Nagasaki, von wo aus über Umwegen die Rückkehr in die Heimat angetreten wurde. Anders als Emil Nolde erwähnt Max Pechstein in seinem Reisebericht seine Frau kaum, nur wenige Bemerkungen und das Changieren zwischen „ich“ und „wir“, „mich“ und „uns“ in seinem Bericht verweisen darauf, dass er nicht allein reiste.255 Hedwig Koch, die zweite Frau des berühmten Bakteriologen Robert Koch, tritt leider ebenfalls im Quellenmaterial kaum in Erscheinung. Es ist zwar bekannt, dass sie ihren Mann auf seinen zahllosen Reisen begleitete und im Zuge dessen Anfang 1900 auch einige Wochen mit ihm in Neuguinea verbrachte, wo er MalariaForschung betrieb. Doch leider liegen keine Hinweise auf Tagebuchaufzeichnungen, Briefe oder andere Egodokumente vor – was wohl auch daran liegt, dass Hedwig Koch bald nach ihrer Ankunft an Malaria erkrankte, das Chinin nicht vertrug und so schon im Februar 1900 die Heimreise antreten musste.256 mons-Inseln, in: Deutsches Kolonialblatt, 17. Jg. (1906), Nr. 17, S. 574f; siehe auch: Samoanische Zeitung, 5. Jg. (1905), Nr. 20, S. 2. 254 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 14; Reuther, Manfred / Nolde Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde. Die Südseereise. 1913-1914, Köln 2008, S. 58-66. Hier ist nicht nur Ada Noldes Reisebericht („Einige Erinnerungen“) abgedruckt, sondern es finden sich auch Fotografien, die sie selbst in der Südsee aufgenommen hat. 255 Pechstein, Max: Palau. Zeichnungen und Notizen aus der Südsee, Feldafing 1956; Ders.: Erinnerungen, Wiesbaden 1960, S. 54-101. 256 Vasold, Manfred: Robert Koch. Der Entdecker von Krankheitserregern. Aus der Reihe Spektrum der Wissenschaft – Biografie, 2/2002, S. 91f; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Irmgard aus Stephansort, in: Unter dem roten Kreuz, 11. Jg. (1900), Nr. 5, S. 54 u. Johanna Fellmann an ihre Mutter, 1. Jan. 1900, zitiert aus Privatbesitz: „Geheimrat Koch ist mit seiner Frau jetzt in Neu Guinea. Sie war Schauspielerin und soll sehr ko-

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Deutlich interessanter für die vorliegende Untersuchung ist Elisabeth KrämerBannow:257 Sie begleitete ihren Ehemann Augustin Krämer während der deutschen Kolonialzeit auf mehreren Expeditionen in die betreffenden Südseegebiete (unter anderem auf die berühmte Hamburger Südsee-Expedition, die ihr Mann im zweiten Jahr leitete) und hielt ihre Erlebnisse und Erkenntnisse auch schriftlich fest; außerdem fertigte sie eine große Zahl von Federzeichnungen und Aquarellen an, um die Expeditionen bildlich zu dokumentieren.258 So liefert Krämer-Bannow für diese Untersuchung nicht nur Informationen über eine deutsche Forschungsreisende in den Südsee-Kolonien, sondern auch über die indigenen Frauen, deren Alltagsleben ihr Forschungsinteresse galt. Auch bei Elisabeth Krämer-Bannow ist das Reisemotiv also die Begleitung ihres Mannes, jedoch wird ihr auch eine eigene Aufgabe im Rahmen der Expedition zugeschrieben, was ihr zudem ein professionelles Motiv verschafft.259 Während die bisher genannten Frauen mehrheitlich gemeinsam mit ihren Ehemännern in die Südsee kamen (eine Ausnahme bildete die erwähnte Krankenschwester Arnthal), erwähnt die Reisende Marie Schafroth in ihrem Bericht keinen

kett sein, er ist schon ein alter Herr, von seiner ersten Frau geschieden. [...] Der Gouverneur ist sehr befreundet mit ihnen. Man ist allgemein gespannt, wie es ihm mit seiner Malaria-Theorie gehen wird.“ 257 Zu Elisabeth Krämer-Bannow siehe v.a.: Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht; KrämerBannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee; Feldnotizen von KrämerBannow in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Georg-August-Universität Göttingen. Weiteres, im Hamburgischen Museum für Völkerkunde lagerndes Quellenmaterial zur Hamburger Südsee Expedition und zu Elisabeth Krämer-Bannow, war leider während diese Arbeit erstellt wurde nicht zugänglich. Vgl. zu Krämer-Bannow auch: Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 16. Sept. u. 17. Okt. 1908, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 19. Okt. 1909, in Privatbesitz [Datierung entspricht dem Original, Schultze irrte sich hier jedoch im Jahr, es muss 1908 gewesen sein, vgl. Kapitel 7, Fußnote 6]. 258 Ebd.; außerdem Krämer-Bannow, E.: Deutsches Frauenleben in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 37, S. 6; Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 18, 20; zur Hamburger Südseeexpedition siehe Fischer, Hans: Die Hamburger SüdseeExpedition. Über Ethnographie und Kolonialismus, Frankfurt a.M. 1981 u. Schindlbeck, Markus: Deutsche wissenschaftliche Expeditionen und Forschungen in der Südsee bis 1914, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 132-154, hier S. 149f. 259 Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 20; Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, Vorwort, S. VI.

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Begleiter.260 Zwar ist sie wohl in einer Gruppe von europäischen Dampferpassagieren unterwegs, doch offenbar unabhängig. Obwohl sie genau genommen als Schweizerin nicht in die Gruppe der hier zu untersuchenden Frauen zählt, soll ihr Reisebericht auf Grund seiner aufschlussreichen Schilderungen nicht unberücksichtigt bleiben. Schafroth erfüllte sich mit dieser Fahrt, die sie unter anderem in den Bismarck-Archipel, auf die Karolinen und nach Polynesien führte, offenbar einen lang gehegten Wunsch: „Dadurch erfüllte sich mir in reifen Jahren ein Kindheitstraum. Leibhaftige Menschenfresser auf ihren Palmeninseln im südlichen stillen Weltmeer zu besuchen, das wünschte sich das kleine Landkind schon, als es kaum zur Schule ging. Die üppig ins Kraut schießende Phantasie hatte ihm eine richtige ‚Romantik des Kannibalismus‘ vorgezaubert. Mochte damals dieser Wunsch eines weiblichen Wesens als unausführbar belacht worden sein – nun sollte er sich verwirklichen.“261

Ausgestattet mit der „unstillbare[n] Neugier der Weltenbummlerin“262, die sich Schafroth selbst attestierte, schilderte sie detailliert Aussehen und Bräuche der einheimischen Bevölkerung, die landschaftliche Schönheit der bereisten Gebiete und Begegnungen mit weißen Siedlern. Ihr ging es dabei nicht um die Beantwortung

260 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem großen Krieg. – Der Vollständigkeit halber soll hier auf zwei weitere allein durch den Pazifik reisende Damen verwiesen werden: Die Österreicherin Alma Karlin unternahm eine über acht Jahre dauernde Weltreise, auf der sie sich als Schriftstellerin, Journalistin, Malerin und Forscherin betätigte. Dabei besuchte sie auch die Salomonen, Neuguinea und den Bismarck-Archipel. Ihre zahlreichen Veröffentlichungen waren teilweise sehr erfolgreich, so dass sie eine gewisse Bekanntheit erreichte. Da Karlin ihre Reise allerdings erst im November 1919 begann und die von ihr besuchten Südseegebiete damals schon nicht mehr unter deutscher Verwaltung standen, wird in dieser Arbeit nicht weiter auf sie eingegangen. Zu Alma Karlin vgl.: Mückler, Hermann: Alma Karlins Aufenthalt in der Südsee – Tragödie und Triumph, in: Ders. (Hrsg.): Österreicher im Pazifik, Wien 1998. Veröffentlichungen von Alma Karlin über die Südsee sind im Quellen-Verzeichnis im Anhang aufgeführt. Auch die Engländerin Lilian Overell reiste alleine in die Südsee: Sie besuchte während der Zeit der australischen Militäradministration das vormals deutsche Neuguinea. Ihre Schilderungen von Begegnungen mit der deutschen Bevölkerung und der Situation nach dem Machtwechsel sind vor allem für den letzten Teil der vorliegende Untersuchung von Interesse, die Verfasserin selbst wird aber auf Grund ihrer Nationalität und des späten Reisezeitpunktes im Folgenden ebenfalls nicht weiter berücksichtigt; vgl. Overell, Lilian: A Women’s Impressions of German New Guinea, London 1923. 261 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 12. 262 Ebd., S. 122.

4. W EGE IN

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bestimmter Forschungsfragen, sondern primär um die gewissenhafte literarische Dokumentation ihrer touristischen Reise. Die Erfahrungen und Erlebnisse dieser aus verschiedenen Motiven nach Ozeanien gereisten Frauen und ihr Blick auf die deutsche Südsee sind in die vorliegende Untersuchung eingeflossen, wobei der eingangs erwähnte Sonderstatus der Reisenden innerhalb der Gruppe der hier thematisierten Frauen stets im Bewusstsein bleiben sollte. Für manche Themenaspekte sind die Reisenden auf Grund ihres nur vorübergehenden, oft kurzen Aufenthaltes nicht relevant, daher werden sie nicht in allen Kapiteln auftauchen, sondern nur dort, wo ihre Berichte das Bild sinnvoll bereichern können. Insgesamt lässt sich also festhalten, dass die in dieser Arbeit thematisierten Frauen aus verschiedenen Motiven in die Südsee-Kolonien kamen. Die meisten Ausreisen standen in Zusammenhang mit einer der christlichen Missionsgesellschaften, die dort tätig waren. Andere Frauen reisten als Krankenschwestern im Dienst des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien nach Ozeanien. Auch die Agitation der kolonialen Frauenbewegung, besonders des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft hat wohl einige Frauen dazu bewogen oder in ihrer Absicht bestärkt, ein neues Zuhause in den Kolonien zu suchen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Ehe: Viele der Ausreisenden folgten ihrem Verlobten oder Ehemann in die Fremde, während einige andere hofften, dort einen Bräutigam zu finden. Manche alleinstehende Frauen suchten in den Kolonien nach Arbeit und nahmen dort beispielsweise eine Stelle als Lehrerinnen oder Sekretärinnen an. Andere hofften in der Fremde auf einen Neuanfang oder ein Abenteuer, oder sie wollten alternative Lebenskonzepte verwirklichen. Diese Gruppe ist allerdings klein und zudem ist kaum Quellenmaterial über sie zu finden, so dass sie im folgenden Textverlauf keine Berücksichtigung mehr erfahren wird. Neben den genannten Frauen, die sich für einen Zeitraum von mehreren Jahren oder sogar für immer in den SüdseeKolonien niederlassen wollten, kamen auch einige Reisende in die betreffenden Gebiete. Auf Grund ihres nur vorübergehenden Aufenthaltes in den Kolonien spielen die Reisenden im Folgenden allerdings eine untergeordnete Rolle, wie bereits oben dargelegt wurde. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den Frauen, die für längere Zeit im Kolonialgebiet lebten.

5.

Gesellschafts- und Bildungsstand der ausreisenden Frauen

Wie im vorangegangen Kapitel gezeigt wurde, entschieden sich deutsche Frauen aus verschiedensten Motiven heraus, in die Südsee-Kolonien auszureisen. War dieser Entschluss gefasst, standen sie alle vor der Herausforderung, sich auf ihr Leben in Übersee und auf die Reise vorzubereiten. Die hohen Reisekosten stellten dabei für viele der Frauen eine schwer zu überwindende Hürde dar, wie sich an Hand zahlreicher Quellenbelege zeigen lässt. So wandte sich beispielsweise im Februar 1913 die Dresdnerin Margarethe Schefezyck mit einem Bittschreiben an den Kaiser, da sie in Samoa eine Arbeitsstelle als Kinderpflegerin bei der Arztgattin Frieda Zieschank angeboten bekommen hatte, das Geld für die Überfahrt dorthin aber nicht aufbringen konnte. Sie bat daher um Übernahme der Kosten und versprach, sie von Ihrem Lohn zurückzuerstatten.1 Eine andere junge Frau klagte im April 1910, sie könne es sich nicht leisten, zu ihrem Verlobten nach Samoa zu reisen, um ihn dort zu heiraten und bat ebenfalls um Unterstützung.2 Nicht nur die Überfahrt selbst war kostspielig, sondern auch Anschaffung und Transport aller Dinge, die in die Fremde mitgenommen werden sollten. „Missionsbraut“ Elisabeth Thugut schrieb vor ihrer Reise: „[...] es gibt so vielerlei anzuschaffen, daß ich sehr überlegen muß, um mit meinen knappen Mitteln auszukommen.“3 Auch der Stenographin Meta Mars, die im Dienste des Gouvernements ausreiste, reichte das ihr für die Reise nach Samoa zur Verfügung gestellte Geld nicht aus. Offenbar als Reaktion auf ihre Kostenaufstellung erhöhte ihr Arbeitgeber das sogenannte „Zehrgeld“ auf 650 M. und billigte ihr auch für die Heimreise schließlich

1 2 3

Grete Schefezyck an den Kaiser, Dresden-Neustadt, 21. Feb. 1913, BArch, R1001/2271; zu G. Schefzeyck siehe auch Kapitel 4.2.1. Else Hegeholz an das RKA, Braunschweig, 28. April 1910, BArch, R 1001/2274. Elisabeth Thugut an den Missionsinspektor, Frankfurt a.M., 19. Dez. 1908; ähnlich am 6. Jan. 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3.

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2000 M. statt 1800 zu.4 Setzt man diese Beträge in Relation zu dem jährlichen Verdienst der Stenographin im Kolonialgebiet von 3000 M. wird deutlich, wie teuer die Überfahrt war.5 Zu den Fahrtkosten und den nötigen Anschaffungen kamen außerdem der Lohn für einen Schreiner, der den Frauen große Reisekisten baute, in denen sie ihre Habseligkeiten für die Reise verstauen, und die Frachtkosten.6 Doch selbst wenn die Finanzierung der Überfahrt gesichert war, rissen die Geldsorgen für viele Frauen nicht ab. In den Kolonien waren die Lebenshaltungskosten deutlich höher als in der Heimat, da die meisten Gebrauchsgüter, viele Nahrungsmittel wie auch Viehfutter importiert werden mussten.7 Krankenschwester Anna berichtete aus Stephansort in Neuguinea: „Kommt man so frisch aus Europa an, so stehen Einem doch etwas die Haare zu Berge über die hier landläufigen Preise [...].“8 In Samoa sah es nicht besser aus: Der Pflanzer von Melenthin, der mit seiner Familie in Apia lebte, warnte in einem Zeitungsartikel von 1902 Ausreisewillige zu bedenken, dass auf alle importierten Waren 10 Prozent Einfuhrzoll gezahlt werden müssten. Aus eigener Erfahrung schrieb er: „[…] der Ansiedler muß ein großes Kapital haben, um allein die Nahrungskosten tragen zu können. Wir, d.h. meine Frau und ich, möchten davor warnen, eine sichere Existenz in Deutschland aufzugeben, um hier Kakao aufs Ungewisse anzubauen.“9 Für die Niederlassung als Pflanzer im Kolonialgebiet war also ein recht hohes Startkapital nötig, zumal beispielsweise Kakaopflanzen erst nach ungefähr fünf Jahren erste Erträge brachten und Kokospalmen noch später.10 Wer nicht als selbstständiger Unternehmer wirtschaftete, hatte es nicht einfacher: Laut eines Fragebogens, mit dem für die Zeitschrift Der Deutsche Kaufmann im Auslande 1911 die Verhältnisse in Samoa untersucht wurden, waren die dortigen Anstellungsbedingungen „in geldlicher Beziehung mit Rücksicht auf die Lebensverhältnisse“ nicht günstig.11 Es sei daher nicht möglich, das Geld für die Rückreise in den Vertragsjahren vom Gehalt zu sparen. Auch Gouverneur Solf schrieb in einem Privatbrief 1904 „Das Leben ist hier enorm 4 5

Heinrich Schnee an Meta Mars, Berlin, 30. Mai 1910, MESC(AU), S3-IG11-F3. Zu dem Verdienst kam noch eine jährliche Ortszulage von 400 M. hinzu, vgl.: Heinrich Schnee an Meta Mars, Berlin 18. Mai 1910, MESC(AU), S3-IG11-F3. 6 Elisabeth Thugut an den Missionsinspektor, Frankfurt a.M., 19. Dez. 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3. 7 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 75. 8 Abdruck eines Briefes von Schw. Anna, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 45. 9 Abdruck eines Briefes von Karl v. Mellenthin, Apia, 20. Sept. 1902, in: Berliner Neueste Nachrichten, 26. Okt. 1902, Zeitungsausschnitt in: BArch, R 1001/2269. 10 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 88; Deeken, Else: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 37, S. 374. 11 Auskunft über die geschäftlichen, klimatischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Samoa, Fragebogen ausgefüllt in Apia, 4. April 1911, in: BArch, R 1001/2274.

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teuer […].“12 Die von ihm eingestellten Beamtinnen hatten ebenfalls Schwierigkeiten, mit ihrem Lohn auszukommen.13 Dementsprechend wurde in einer offiziellen Auskunftsbroschüre für Ausreisewillige aus dem Jahr 1909 gewarnt: „Allen, die nicht mit genügend Kapital und Erfahrung ausgerüstet sind oder keine feste Stellung in sicherer Aussicht haben, ist von der Niederlassung in Samoa dringend abzuraten.“14 Siedlungswilligen, die nicht über ausreichende Mittel für ihren Lebensunterhalt verfügten, konnte die Niederlassung auf den Südseeinseln sogar von Amts wegen untersagt werden.15 In den ersten Jahren musste in Samoa ein Landungsdeponat von 200 Mark gezahlt werden. Im Oktober 1905 befand man jedoch, dass die Vergangenheit gezeigt habe, dass dieser Betrag nicht genüge „um mittellose Einwanderer von dem Schutzgebiet fernzuhalten“.16 Die Kolonialregierung befürchtete, dass diese Menschen dem Gouvernement beispielsweise im Krankheitsfall zur Last fallen könnten, wenn sie die Kosten für ärztliche Versorgung oder die Heimreise nicht zahlen konnten. Die Bestimmungen wurden dahingehend geändert, dass die Einreisenden nun den Besitz weiterer 300 Mark Bargeld vorweisen mussten oder einen für eine längere Periode abgeschlossenen Dienstvertrag. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, dass diese Bestimmungen auch für die Passagiere der I. Klasse gültig seien.17 Doch auch das genügte offenbar nicht, „um das Schutzgebiet vor Einwanderung mittelloser Existenzen und dadurch vor Entstehung eines weißen Proletariats zu schützen“:18 Im März 1909 wurde beschlossen, das Deponat auf „500 Mark bedingungslos in bar“ zu erhöhen.19 In Deutsch-Neuguinea gab es ähnliche Regelungen, um „Mittellose“ von der Einreise abzuhalten.20 Auch in Mikronesien konnte Personen „ohne Unterhaltsmittel“ die Landung verweigert werden, wenn sie keine

12 Wilhelm Solf an Jacob Baumeister, Apia, 12. Juni 1904, ANZ(W) AGCA 6051/0362. 13 Angela Pfister an den Gouverneur, Apia, 26. Juni 1909, in: ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa); Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, in: MESC(AU), S3-IG11-F3. 14 Sonderabdruck aus Das deutsche Schutzgebiet Samoa, Apia 1909/10, S. 19, ANZ(W), AGCA 6051/0418. Auch in der Samoanischen Zeitung wurde davor gewarnt, sich mit zu geringem Kapital und überzogenen Erwartungen in Samoa niederzulassen, vgl. Samoanische Zeitung, 2. Jg. (1902/03), Nr. 6, S. 1. 15 Vgl. Deutsches Kolonialblatt, 6. Jg. (1895), Nr. 23, S. 693. 16 Erlass des stellvertretenden Gouverneurs Schultz, Apia, 28. Okt. 1905, BArch, R 1001/2270. 17 Ebd. 18 Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Gouvernementsrats vom 25. März 1909 (Abdruck in der Samoanischen Zeitung am 3. April 1909), BArch, R 1001/2269. 19 Ebd. 20 Neufassung der Verordnung zur Einreise Mittelloser, Aug. 1911, BArch, R 1001/2264.

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„Gelegenheit zum Erwerb ihres Fortkommens“ nachweisen konnten.21 Von amtlicher Seite wurde gewarnt, dass mittellose Personen ausgewiesen werden könnten, denn es würde „das notwendige Ansehen der Weißen untergraben“, wenn Europäer auf Grund ihrer Armut wie „Eingeborene“ lebten.22 Wie konnten es sich die in dieser Arbeit thematisierten Frauen also leisten, in die Südsee zu reisen und dort ein neues Leben zu beginnen? Größtenteils wurden sie bei ihrer Ausreise institutionell unterstützt: Für die Missionsangehörigen übernahm ihre jeweilige Mission die Kosten der Überfahrt, für die Krankenschwestern kam der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz auf, Beamtinnen sowie Bräute und Ehefrauen von Beamten bekamen Reisebeihilfen von der Kolonialverwaltung.23 Zudem gewährte der Norddeutsche Loyd auf Antrag den Familien der Beamten 20 Prozent Preisnachlass auf die Passagekosten in die Südsee.24 Bei den Frauen, die nicht auf derartige Unterstützung zurückgreifen konnten, ist oft nicht aus den Quellen ersichtlich, ob sie selbst wohlhabend genug waren, um das hohe Startkapital aufzubringen, ob sie einen Mann geheiratet hatten, der über das nötige Vermögen verfügte oder ob sie Unterstützung von anderer Seite erhielten. Die finanzielle Lage, die soziale Stellung sowie auch der Bildungsgrad der Frauen stehen in engem Zusammenhang mit dem Grund für die Ausreise und mit ihrer Tätigkeit im Kolonialgebiet, so dass die einzelnen Frauengruppen nach diesem Aspekt gesondert betrachten werden sollen. Die evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern stammten aus einfachen bis bürgerlichen Verhältnissen. Wo in den Quellen Angaben zu den Berufen der Väter gemacht werden, finden sich sowohl Landwirte, viele

21 Informationsschrift „Karolinen, Palau und Marianen“, 1905, BArch, R 1001/6237. 22 Bezirksamt Yap an das Auswärtige Amt / KA, 21. Okt. 1901, zitiert nach Hardach, G.: König Kopra, S. 127. 23 Zur Übernahme der Reisekosten durch die jeweilige Institution siehe beispielsweise: Vertrag zwischen dem Apostolischen Vikariat auf Neu-Pommern und der Genossenschaft der Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu von Hiltrup, Hiltrup, 4. Nov. 1912 u. Vunapope, 11. Juni 1913, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Allgemeines / Chronik“, unverzeichnet; Missionary Society of the Methodist Episcopal Church (Hrsg.): Manual for Missionaries and Superintendents of Missions, Philadelphia 1852, S. 12; Vertrag zwischen dem Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4; Auswärtiges Amt / KA an das Gouvernement in Apia, Berlin, 3. Okt. 1908, MESC(AU), S2-IG6-F1; Staatssekretär des RKA Solf an das Gouvernement in Apia, Berlin, 28. Juni 1913, MESC(AU), S2-IG6-F2; Auswärtiges Amt / KA an Frida v. Woedtke, Berlin, 17. Juni 1906, in: MESC(AU), IG10-F2-IA62. 24 Stellvertretender Gouverneur Schultz an den Norddeutschen Loyd, Apia, März 1909, MESC(AU), S2-IG6-F1.

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verschiedene Handwerker und ein Bäckermeister, als auch ein Gerichtsdiener, ein Gasthausbesitzer, ein Hausverwalter, ein Fabrikant, zudem mehrere Pfarrer.25 Fast alle Frauen betonten in ihrem Lebenslauf, sie (und ihre meist zahlreichen Geschwister) seien sehr christlich erzogen worden. Manchmal schilderten sie Todes- oder Krankheitsfälle als Anlass für die intensivierte Beschäftigung mit dem Christentum und die Entstehung des Wunsches, ihrem Glauben durch die Missionsarbeit zu dienen.26 Auffällig ist, dass viele der späteren Missionsangehörigen durch den frühen Tod von Vater oder Mutter schon in jungen Jahren zur Selbstständigkeit und zur Übernahme von Verantwortung gezwungen wurden, was sie womöglich für ihre späteren Aufgaben im Missionsfeld prädestinierte.27 Gewöhnlich hatten die Frauen bis zum 14. Lebensjahr die Volksschule besucht; einige wenige auch noch eine weiterführende Schule. Anschließend hatten die meisten ihre Kenntnisse in Haushaltsführung sowie im Nähen und anderen Handarbeiten verbessert, indem sie sich in Kursen oder in fremden Haushalten ausbilden ließen. Danach nahmen sie entweder eine Stellung an (meist als Haushaltshilfe, Kindermädchen oder Erzieherin) oder kehrten direkt zu ihrer Familie zurück. Viele unterstützten ihre Eltern bei der Arbeit oder halfen bei schon verheirateten Geschwistern im Haushalt aus. Einen Beruf im heutigen Sinn hatten nur wenige. Ausnahmen waren beispielsweise die Missionsgehilfin Emilie Heumann, die in Lothringen als Lehrerin arbeitete, bevor sie die Kinder der Neuendettelsauer Missionsangehörigen auf dem Sattelberg in Neuguinea zu unterrichten begann, und die Liebenzeller Missionsschwester Clara Köster, die vor ihrem Eintritt in die Mission als Fabrikarbeiterin tätig war.28

25 Zu den Berufen der Väter wie auch zu allen folgenden Angaben zu den evang. Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern in diesem Kapitel vgl. AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3; 4.26; 4.34/3; 4.39/1 u. 3; 4.41/1; 4.43/1 u. 3; 4.48; 4.53/4 u. 13; 4.54/1; 4.9; Neuendettelsauer Missionsblatt, 3. Jg. (1913), Nr. 12, S. 90 u. Lebenslaufbücher, RMG 552, 553 u. 554; so wie ALM, Akten „Karrer, Minna“; „Köster, Clara“; „Krämer, Paula“; „Lüling-Wiese, Lina“; „Schneider, Anna“ u. „Zuber, Elise“. Außerdem: Fellmann, Ulrich: Missionarsfrau Johanna Fellmann geb. Claß und die wesleyanischen Methodisten, in: EMK-Geschichte. Quellen, Studien, Mitteilungen, 25. Jg. (2004), Nr. 1, S. 5-11, hier S. 5; vgl. Predelli, L. / Miller, J.: Piety and Patriarchy, S. 79. 26 Beispielsweise Lebenslauf von Maria Müller, Lebenslaufbuch, RMG 553. 27 Beispielsweise Lebenslauf Lina Hornbruch, Lebenslaufbuch RMG 554; Lebenslauf von Marie Neuhaus, Lebenslaufbuch, RMG 553; Lebenslauf von Bernhardine Keudel, Lebenslaufbuch RMG 552; Lebenslauf von Paula Krämer, LMA, Akte „Krämer, Paula“; Nachruf für Frau Mäder, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 7, S. 140. 28 Vocation Emelie Heumann, Neuendettelsau, 15. April 1902, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4; Bewerbungsbogen Clara Köster, ausgefüllt am 22. Feb. 1906, ALM, Akte „Köster, Clara“.

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Auf Grund ihrer Herkunft und ihrer geringen Verdienstmöglichkeiten verfügten die Frauen, die in den Dienst einer der evangelischen Missionen treten wollten, in der Regel nur über geringe finanzielle Mittel.29 Sie waren also auf die finanzielle Unterstützung durch die Missionen angewiesen. Da sich diese Investitionen im Feld auszahlen sollten, war es im Sinne der Missionen, möglichst gut auf ihre Aufgaben vorbereitete Frauen auszusenden. So forderte beispielsweise die Neuendettelsauer Missionsleitung den Erwerb bestimmter Kenntnisse von den Frauen, die sich für die Arbeit im Missionsfeld entschieden hatten. Die ledigen Missionsgehilfinnen, die als Hebammen, Haushaltshilfen oder Lehrerinnen eingesetzt werden sollten, hatten ihre Eignung und entsprechende Ausbildung nachzuweisen. Aus den Akten geht hervor, dass der Mission vor der Ausreise der Gehilfinnen Schulzeugnisse, ein Leumundszeugnis, gegebenenfalls ein Dienstboten-Buch, ein ärztliches Attest über die Tropentauglichkeit sowie eine Einverständniserklärung der Eltern vorliegen mussten.30 Vor ihrer Ausreise hatten die Missionsgehilfinnen ähnlich wie die Missionare folgende Erklärung zu unterschreiben: „Ich verspreche hiermit, meinen Beruf als Missionsgehilfin in Neu Guinea mit allem Fleiß u. aller Treue nach dem Vermögen, das Gott darreicht, erfüllen, zu den Missionaren und Missionsgeschwistern ein Verhältnis christlicher Liebe aufrecht erhalten und den Anordnungen der Missionsleitung in allem, was zur Competenz einer Missionsbehörde gehört, willigen Gehorsam leisten zu wollen.“31

Bevor sie schließlich als Missionsgehilfinnen eingesegnet wurden, erhielten die Frauen offenbar eine „entsprechende Vorbereitung“ in Neuendettelsau, wie es in einem Bericht über die spätere Missionarsfrau Decker heißt.32 Nicht nur an die vertraglich gebundenen Gehilfinnen, sondern auch an die „Missionsbräute“ wurden bestimmte Anforderungen gestellt: Zunächst waren die gesundheitliche und charakterliche Eignung, ein christlicher Lebenswandel und das Einverständnis der Eltern Bedingung, damit die Missionsleitung der Verheiratung

29 Vgl. beispielsweise Elisabeth Thugut an den Missionsinspektor, Frankfurt a.M., 19. Dez. 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3. 30 Diese Unterlagen finden sich beispielsweise in AMEW, Vorl. Nr. 4.33; 4.43/1; 4.53/13. 31 Erklärung von Emilie Heumann, Neuendettelsau, 15. April 1902, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4. 32 Vgl. Neuendettelsauer Missionsblatt, 3. Jg. (1913), Nr. 12, S. 90. Zu Missionarsfrau Decker siehe auch: Hagelauer, Brigitte: Emilie Decker, geb. Schlenk. Mut und Ungewissheit, in: Jahnel, Claudia (Hrsg.): Mi stori. Frauen erzählen Geschichte, Neuendettelsau 2012, S. 64-81.

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zustimmte.33 Darüber hinaus hatte diese offenbar auch genaue Vorstellungen von den nötigen praktischen Fähigkeiten, über die eine Missionarsfrau verfügen sollte; so schreibt beispielsweise Elisabeth Thugut ein knappes Jahr vor ihrer Ausreise nach Neuguinea an den Neuendettelsauer Missionsinspektor: „Besten Dank für Ihr wertes Schreiben, worüber ich erfahre, was ich noch zu lernen habe, um draußen mit Gottes Beistand, helfen zu können.“34 Zwar lag der erwähnte Brief des Inspektors leider nicht vor, doch lässt sich aus Thuguts Antwortschreiben ablesen, dass er gute Hauswirtschafts- und Gartenbaukenntnisse sowie Erfahrung in der Krankenpflege für erforderlich hielt. Erwünscht war außerdem, dass die Frauen in der Wochenbett- und Kinderpflege ausgebildet waren. Die meisten der hier thematisierten Frauen besuchten daher einen Kurs in einem Wöchnerinnenheim. Einige versuchten außerdem, ihre hausfraulichen Fertigkeiten noch vor der Ausreise zu verbessern.35 Aus den Briefen, die die Frauen vor ihrer Ausreise an die Missionsleitung schrieben, geht hervor, dass diese geforderten Aus- und Fortbildungen häufig die Ausreise extrem verzögerten, da erst der Beginn eines geeigneten Kurses abgewartet und dann dieser absolviert werden musste. Das Warten wurde den Verlobten, besonders den einsamen Missionaren in der Fremde, oft lang – so dass beispielsweise Missionar Hans Raum in einem Brief an die Missionsleitung bat: „Da auch meine Braut das 31. Lebensjahr schon überschritten hat, so bitte ich ergebenst, von ihr den Besuch irgend einer Anstalt zu einer speziellen Ausbildung nicht fordern zu wollen. Ich hoffe, daß sie trotzdem nicht hinter anderen Missionarsfrauen zurückstehen wird.“36 Aus dem Quellenmaterial der Rheinischen Mission wird nicht deutlich, dass eine bestimmte Ausbildung von den Frauen gefordert wurde wie in Neuendettelsau. Gustav Warneck, der mehrere Jahre für diese Mission tätig war, betonte allerdings, dass „ein gewisses Maß an allgemeiner Bildung“ für die Missionarsfrau unerlässlich sei: „[...] nicht bloß darum, weil auch die Missionarsfrau die Eingeborenensprache fließend sprechen muss, sondern weil sie auch als seine Gehilfin dem Manne ebenbürtig sein muß; aber mit dieser Bildung muß sie die Tugenden einer Hausfrau und speziell ein Geschick prakti-

33 Vgl. beispielsweise Marie Büttner an den Missionsinspektor, Greiz, 8. April 1907, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/2; Mathilde Wagner an den Missionsinspektor, Speyer, Sept. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.34/3. 34 Elise Thugut an den Missionsinspektor, Frankfurt, 6. Jan. 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3. 35 Vgl. verschiedene Schreiben in AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3; 4.34/3; 4.39/1 u. 3; 4.41/1; 4.43/1 u. 3; 4.48; 4.53/4 u. 13; 4.54/1; 4.9. 36 Hans Raum an den Missionsdirektor, Deinzerhöhe, 9. Okt. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.39/1.

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scher Angriffigkeit verbinden, welches sie befähigt, auch mit geringen Mitteln ihrem Mann ein trautes Heim zu bereiten, sich in den fremden Verhältnissen leicht zurechtzufinden und ihrer heidnischen und christlichen Umgebung eine helfende Diakonisse zu sein.“37

Außerdem galt es wohl auch in der Rheinischen Mission als vorteilhaft, wenn die Frauen Kenntnisse in der Krankenpflege hatten, und einige eigneten sich diese daher noch vor der Ausreise an – Standard war dies aber nicht. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die Frauen hier generell „nur“ als Heiratskandidatinnen betrachtet wurden. Anders als die Neuendettelsauer oder die Liebenzeller Mission sandte die Rheinische Mission im Untersuchungszeitraum ja keine ledigen Missionsgehilfinnen oder -schwestern aus, sondern ausschließlich „Missionsbräute“. Im Februar 1913 schreibt Missionar Hanke, dass die Aussendung von Pflegeschwestern mit Hebammenausbildung „ein mit Freuden zu begrüßender Fortschritt“ wäre.38 Um eine solche Schwester wurde die Administration in FriedrichWilhelmshafen gebeten; Hebammenschwestern aus den eigenen Reihen standen also offensichtlich nicht zur Verfügung. Bis zur Aufgabe des Missionsgebietes blieb es dabei, dass die Rheinische Mission die Eignung der Frauen als „Missionsbräute“ primär von ihren charakterlichen Eigenschaften und ihrer Tropentauglichkeit abhängig machte, ohne eine bestimmte Ausbildung zu fordern. Die Missionsleitung erwartete allerdings, dass die Frauen sich vor ihrer Ausreise im Missionshaus in Barmen vorstellten und sich einige Wochen dort aufhielten, so dass man sich kennen lernen und die Frauen auf ihre Aufgabe einstimmen konnte.39 Offenbar war es möglich, dass die Missionarsfrauen in diesem Rahmen einen sogenannten „Vorbereitungskurs“ im Missionshaus besuchten, wobei jedoch weder über die Inhalte des Kurses Genaues aus den Quellen ersichtlich ist, noch ob dessen Besuch obligatorisch war.40 Auch wie die als Bräute für die Liebenzeller Missionare in die Südseegebiete gesandten Frauen vorbereitet wurden, ist aus den Quellen nicht mehr eindeutig zu klären. Aus zwei Nachrufen auf Missionarsfrauen dieser Gemeinschaft geht jedenfalls hervor, dass sie vor der Ausreise einige Zeit im Missionshaus in Liebenzell

37 Zitiert nach Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 96. 38 August Hanke an den Missionsdirektor, Bongu, Feb. 1913, RMG 2.149. 39 Vgl. beispielsweise Missionsdirektor Spieker an Wilhelm Diehl, Barmen, 3. Feb. 1909, RMG 2.153 u. Brautvater Emde an den Missionsinspektor, Schmillinghausen, Nov. 1889, RMG 2.142; vgl.: Konrad, D.: Missionsbräute, S. 108 (Auch bei der Basler Mission war demnach dieses Procedere üblich). 40 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, S. X; Annemarie Töpperwien berichtet von einem „Bräutekurs“ in Barmen, in dem die Bibelkenntnis und die Haushaltsführung der „Missionsbräute“, die nach Indonesien geschickt wurden, geschult worden seien, vgl. Töpperwien, A.: Seine „Gehülfin“, S. 27.

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verbrachten, wo sie „eine kurze Lernzeit“ durchliefen und sich mit der Mission vertraut machten.41 Bei Missionarsfrau Mäder wird auch erwähnt, dass sie vor der Abordnung zu ihrem Verlobten „unter Händeauflegung für den Missionsberuf eingesegnet“ wurde.42 Den Personalunterlagen der Liebenzeller Mission ist zu entnehmen, dass die Frauen, die dieser Gemeinschaft als Schwester beitreten wollten, neben einem Lebenslauf, Zeugnissen und einer Fotografie einen ausgefüllten Fragebogen abgeben mussten.43 Es wurde unter anderem nach dem Beruf des Vaters, der eigenen Ausbildung, dem Familienstand, möglichen Schulden und dem Gesundheitszustand gefragt – auch ob Erbkrankheiten in der Familie aufgetreten waren, musste angegeben werden. Außerdem sollten die Frauen schriftlich darlegen, dass sie „eine richtige Auffassung der christlichen Hauptwahrheiten als gesunde Grundlage ihres Glaubens“ hatten und zu diesem Zweck zur Autorität der Heiligen Schrift, der Dreieinigkeit, dem Sündenfall, der Auferstehung des Leibes etc. Stellung beziehen. Von zentraler Bedeutung war, dass die Frauen überzeugend von ihrer eigenen Bekehrung zu Gott berichteten und folgende Frage bejahen konnten: „Haben sie genügend Grund zu glauben, daß sie von Gott gebraucht worden sind als Werkzeug zur Bekehrung anderer?“44 Die Bewerberinnen hatten zudem zwei oder drei christliche Freunde zu nennen, bei denen die Missionsleitung Auskunft über sie einholen konnte. Die Interessentinnen, die die Missionsleitung nach Prüfung der Bewerbungsunterlagen aufnahm, erhielten vor ihrer Aussendung eine mehrjährige Ausbildung im Missionshaus.45 Der Missionsleiter, Pfarrer Coerper, erteilte selbst Unterricht in verschiedenen biblischen Disziplinen, etwa in Bibelkunde, eine Lehrerin unterrichtete Kirchengeschichte und Englisch.46 Bei einigen Schwestern ist in den Personalunterlagen zudem ein Probedienst vermerkt, der offenbar mehrere Monate oder sogar Jahre dauern konnte und der manchmal im Missionshaus selbst, auf Anfrage aber auch in verschiedenen landeskirchlichen Gemeinschaften abgeleistet wurde.47 Er galt der praktischen Bewährung der künftigen Missionsschwestern. Die lange Vorbereitungszeit spiegelt die große Bedeutung wider,

41 Nachruf auf Frau Mäder, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 7, S. 140f ; Nachruf auf Elfriede Wiese, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 6, S. 114f. 42 Nachruf auf Frau Mäder, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 7, S. 140. 43 Vgl. beispielsweise die Bewerbungsunterlagen von Minna Karrer, insbesondere den von ihr am 25. Jan. 1905 ausgefüllten Fragebogen, in: ALM, Akte „Karrer, Minna“. 44 Ebd. 45 Diese dauerte offenbar anfangs zwei Jahre, wurde dann aber auf drei Jahre verlängert. Diese Auskunft verdanke ich Schw. Ilse Szaukellis (E-Mail vom 12. Juni 2012). 46 Auskunft Schw. Ilse Szaukelis (E-Mail vom 12. Juni 2012). 47 Vgl. Personalkarten beispielsweise in ALM, Akten „Köster, Clara“, „Krämer, Paula“, „Schneider, Anna“ u. „Zuber, Elise“; außerdem Auskunft Schw. Ilse Szaukelis (E-Mail vom 12. Juni 2012).

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die die Liebenzeller dem Wirken der Frauen in der Mission zuschrieben. Sie bekamen viel Verantwortung übertragen und beteiligten sich selbstständig und aktiv an der Missionierung, entsprechend umfassend war ihre Ausbildung. Auch Valesca Schultze, die als erste weibliche Missionarin der London Missionary Society nach Samoa gesandt wurde, durchlief binnen eines Jahres eine umfangreiche Vorbereitung. Sie wurde „in allem was [...] als Missionarin nützlich sein wird“ ausgebildet.48 Zunächst absolvierte sie einen Hebammenkurs, zusätzlich eine dreiwöchige Krankenpflegeausbildung sowie einen Kurs in Pharmazie und dann im Schneidern, sie nahm Orgelstunden und lernte zu guter Letzt auch noch Reiten und Samoanisch.49 Diese Anstrengungen unternahm sie offenbar auf private Initiative hin, finanziert von einer älteren Gönnerin, die selbst gern als junges Mädchen Missionarin geworden wäre.50 Es scheint sich in diesem Fall nicht um geregelte Ausbildungsvorgaben ihrer Mission gehandelt zu haben, was wohl auch mit Schultzes Pionierrolle zusammenhängt. Eine theologische Schulung oder Vergleichbares erwähnt sie in ihrem Tagebuch nicht. Der religiöse Teil der Ausbildung war für die katholischen Missionsschwestern hingegen von großer Bedeutung. Für die Aufnahme im Kloster waren „wahrer Beruf und die notwendigen Anlagen“ sowie „der wahre Ordensgeist“ unerlässlich, worunter vor allem Frömmigkeit, Demut und Gehorsam verstanden wurden.51 Entsprechend mussten Bewerberinnen ein Zeugnis eines Pfarrers, Beichtvaters oder Ortsgeistlichen über ihren sittsamen Lebenswandel vorweisen können. In den Quellen finden sich zu einigen Schwestern außerdem noch der Taufbrief, mit dem die eheliche Geburt belegt wurde, sowie eine Bestätigung über die Firmung, Zeugnisse der früheren Dienstherren und eine Kopie des Dienstbuches.52 Außerdem nötig für die Aufnahme waren körperliche Gesundheit, bestätigt durch ein ärztliches Attest, und eine dem Vermögen der Frau entsprechende Mitgift. Als bestes Alter für den Eintritt galt das 16. bis 25. Lebensjahr.53 Die Postulantinnen mussten vor der Aufnahme ins Noviziat einen ähnlichen Fragebogen ausfüllen wie die Liebenzeller Schwestern. Man wollte damit absi-

48 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 29. Sept. 1888, in Privatbesitz. 49 Ebd., Einträge vom 29. Sept. 1888; 15. April 1889; 10. Juni 1889; 5. Okt. 1889; 9. Nov. 1889 u. 10. Jan. 1890, in Privatbesitz. 50 Ebd., Eintrag vom 25. Okt. 1887, in Privatbesitz. 51 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128. 52 Ebd.; vgl. beispielsweise Dokumente von Schw. Sophia in: AHM, Ordner „ St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet. 53 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128.

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chern, dass die Frauen aus den „richtigen“ Motiven ins Kloster eintreten wollten und sich den ihnen bevorstehenden Entbehrungen bewusst waren: „Sind Sie nicht auch in etwa durch zeitliche Rücksichten zum Eintritt in den Orden bewogen worden? Etwa um sich den Lebensunterhalt zu sichern? In der Absicht, sich ein ruhiges, sorgenfreies, ehrenvolles Leben zu sichern? [...] Haben Sie einen richtigen Begriff von den schweren Verpflichtungen, welche der Ordensstand auferlegt und fühlen Sie in sich den Mut, dieselben zu erfüllen? [...] Sind Sie bereit, den Obern dieser Genossenschaft in allem pünktlich Gehorsam zu leisten, insbesondere auch nur mit deren Erlaubnis und nach ihrer Anweisung des Verkehrs mit der Welt und der eigenen Familie zu pflegen?“54

Wenn die Frauen in die klösterliche Gemeinschaft aufgenommen werden wollten, mussten sie ihr früheres Leben und den damit verbundenen Status hinter sich lassen und sich an einen bescheidenen Lebenswandel gewöhnen. Standesunterschiede sollte es innerhalb der Gemeinschaft nicht geben: „Kein Unterschied besteht zwischen arm und reich. Alle Mitglieder haben ihre Kräfte den durch den hl. Gehorsam auferlegten Pflichten zu widmen, und besondere Talente oder eine reichlichere Mitgift berechtigen nicht zu besonderen Ansprüchen in Bezug auf Kleidung, Nahrung und Beschäftigung.“55

Die meisten katholischen Schwestern kamen ohnehin aus eher einfachen, ländlichen Verhältnissen. Die Eltern waren häufig Landwirte oder Handwerker und sie selbst hatten nach der Volksschule meist als Haushaltshilfe oder Küchenmädchen gearbeitet.56 Einigen jungen Frauen fiel die Umstellung auf das bescheidene und arbeitsreiche Klosterleben jedoch schwerer – über Herz-Jesu-Schwester Angela wird in den Quellen beispielsweise berichtet: „Das Einleben verlangte von ihr, die als Tochter eines höheren Offiziers erzogen war, manches ungewohnte Opfer.“57 Ähnliches 54 Auszug aus dem Fragebogen für Postulantinnen vor Aufnahme ins Noviziat, beispielsweise in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“ u. „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet. 55 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128. 56 Zu diesen und den folgenden Angaben zu den Lebensläufen der katholischen Schwestern vgl. beispielsweise: verschiedene Schriftzeugnisse in AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela (Balka) / Schwestern allgemein“; Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“ u. Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet; AG SSpS, Nachruf Schw. Hedwig, in: Totenglöcklein III, TG 3122, S. 257-259; Nachruf Schw. Barnaba, in: Totenglöcklein IV, TG 3122, S. 8-10. 57 Lebensbild Schw. Angela, AHM, Ordner „Papua Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet.

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liest man über Schwester Theresia: „Kochen, Waschen und Putzen waren ihr ungewohnt, da sie bei einer reichen Dame Gesellschafterin war.“58 Die Frauen waren aber bestrebt, sich opferwillig und arbeitsam zu zeigen, so dass das unterschiedliche Vorleben der Schwestern bald keine Rolle mehr spielte. Das bezog sich auch auf ihre finanzielle Situation: In den Akten der Herz Jesu Mission finden sich von einigen Schwestern Verträge mit ihren Eltern, in denen festgelegt wurde, dass sich die Frauen ihren Erbteil vor dem Eintritt in die Mission auszahlen ließen. Per Abtretungsurkunde vermachten sie dann ihr kindliches Erbteil und alles Eigentum der Genossenschaft der Missionsschwestern zur Verwaltung und Nutznießung. Nach dem Tod der Schwestern fiel alles der Genossenschaft anheim.59 Die Frauen erklärten sich bereit, „auf alles Eigentum und jegliches Verfügungsrecht über die im Gebrauch habenden Sachen gänzlich zu verzichten“.60 Da die Schwestern also nicht über eigene finanzielle Mittel verfügten, wurden die Kosten für Nahrung und Kleidung im Missionsfeld vom Vikariat übernommen.61 Außerdem baten die Schwestern häufig ihre Angehörigen, ihnen bestimmte Kleidungsstücke zu schicken oder Dinge, die sie für die Ausstattung der Missionsstation benötigten. Eine Steyler Schwester schrieb beispielsweise an ihre Familie: „Ihr wolltet mir ja Schuhe schicken. Das ist gut, bin mit allem froh was kommt […] was soll ich Euch aber wiedergeben. Ihr wißt ja, ich bin ein armes Missionsschwesterlein.“62 Der Bildungsstand der Frauen war beim Eintritt in den Orden unterschiedlich, wurde dann aber bis zur Ausreise auf das von der Leitung geforderte Maß gebracht: Einige der Schwestern mussten noch „auf der Klasse“, wie es in der Herz-JesuMission hieß, ihren Wissensstand verbessern, bevor sie ausgesendet werden konn-

58 Erinnerungen an Schwester Theresia, AHM, Ordner „Papua Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet. 59 Beispielsweise Vertrag und Testament Schw. Anna u. Abtretungsurkunde Schw. Agnes, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet; Abtretungsurkunden Schw. Agatha u. Schw. Sophia, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet; Abtretungsurkunde Schw. Angela, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela (Balka) / Schwestern allgemein“, unverzeichnet. 60 Fragebogen für die Postulantinnen vor Aufnahme ins Noviziat, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet. 61 Vertrag zwischen dem Apostolischen Vikariat auf Neu-Pommern und der Genossenschaft der Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu von Hiltrup, Hiltrup, 4. Nov. 1912 u. Vunapope, 11. Juni 1913, in: AHM, Ordner Papua Neuguinea – Allgemeines / Chronik“, unverzeichnet. 62 Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 31. Aug. 1913, in Privatbesitz, unverzeichnet.

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ten.63 Manche der Frauen hatten allerdings bereits vor der Aufnahme im Kloster einen Beruf erlernt und gingen diesem dann auch im Missionsfeld nach. So hatten einige Schwestern bereits eine Ausbildung zur Lehrerin absolviert und Schwester Barnaba beispielsweise hatte als Krankenpflegerin und Hebamme gearbeitet, bevor sie in der Steyler Mission aufgenommen wurde. Die bereits abgeschlossene Berufsausbildung verkürzte in ihrem Fall die Zeit von der Aufnahme ins Kloster bis zur Aussendung.64 Während der Ausbildung im Mutterhaus mussten die Schwestern sich nicht nur um den Erwerb neuer Kenntnisse bemühen, sondern vor allem „die deutlichsten Beweise ihrer Tugend und Festigkeit im Berufe“ erbringen.65 In dieser Zeit sollte „dem ganzen äußeren Benehmen und Auftreten der Novizinnen ein Charakter der Einfachheit aufgeprägt werden“ und „dieses äußere Auftreten sollte nur ein getreues Spiegelbild der inneren Tugendhaftigkeit sein“.66 Denn neben Gesundheit und Willenskraft galten Tugendhaftigkeit und Opferwilligkeit als unerlässlich für eine Missionsschwester.67 Während der dreijährigen Vorbereitungszeit im Missionshaus mussten die Frauen sich lösen „von allen Banden, die sie an die Welt knüpfen könnten“.68 Die Hausordnung der Herz-Jesu-Schwestern schrieb abwechselnd Andachtsübungen, Handarbeit und sonstige Beschäftigung vor. Nach Ablauf dieser Ausbildungszeit im Missionshaus konnten die Schwestern in die Missionsgebiete ausgesandt werden.69 Das Ausbildungssystem der Steyler Mission beschreibt Katharina Stornig in ihrer Dissertation; ihren Recherchen nach zu urteilen hatte es einen stark selektierenden Charakter.70 Neben der Ausbildung zur Ordensschwester, die wie auch bei den 63 Lebensbild Schw. Lidwina, AHM, Ordner „Papua Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet. 64 So war es beispielsweise bei den Herz-Jesu-Schwestern Angela und Agnes, vgl. Angaben zu den Ermordeten in AHM, Ordner „St. Paul – Allgemeines / Briefe / Berichte / Gedenkstätte“, unverzeichnet; AG SSpS, Nachruf Schw. Barnaba, in: Totenglöcklein IV, TG 3122, S. 8-10. 65 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128 66 Linckens, Hubert: Die Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu, Hiltrup 1921, S. 11. 67 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128 68 Die Missionsschwestern vom hh. Herzen Jesu, in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 219. 69 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i.W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128. 70 Zum gesammten Absatz: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 42-46. Zur Ausbildung der Schwestern siehe auch: Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 70-76; Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 25-27; Stef-

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Herz-Jesu-Schwestern mit den Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams abgeschlossen wurde, durchliefen die Frauen eine besondere Vorbereitung auf die Missionstätigkeit.71 Der Schwerpunkt wurde auf den Fremdsprachenunterricht (Englisch, Spanisch und Französisch) gelegt und diejenigen Schwestern, die sich als sprachbegabt erwiesen, wurden durch vertiefenden Unterricht besonders gefördert. Sie galten als geeignete Kandidatinnen, um später in den Mädchenschulen im Missionsfeld zu unterrichten. In der zwischen sechs und acht Semestern dauernden Ausbildungszeit wurden nicht nur die allgemeine Schulbildung und die Sprachkenntnisse der Schwestern auf das als erforderlich angesehene Maß gebracht. Einige der Schwestern wurden auch außerhalb des Klosters in Krankenpflege und Arzneikunde geschult.72 Außerdem wurden die Frauen in verschiedenen Handarbeiten unterrichtet; auch ihre musikalischen Fähigkeiten sollten verbessert werden.73 Man war der Ansicht, dass in den Missionsgebieten das Interesse junger Mädchen für Handarbeit, Musik und Malen genutzt werden sollte, um den Kontakt mit den Schwestern herzustellen und so die Missionierung zu erleichtern.74 Stornig betont, dass nicht alle Schwestern diese umfangreiche Ausbildung durchliefen: Wer sich nicht als begabt erwiesen hatte, wurde vor allem in den praktischen Arbeiten unterrichtet und im Kloster beispielsweise für die Küchen- oder Gartenarbeit oder in der Wäscherei eingesetzt.75 Diese Schwestern dienten manchmal ihr Leben lang im Mutterhaus, ohne je ins Missionsfeld gesandt zu werden.76 Die in die SüdseeMission gesandten Schwestern gehörten demnach überwiegend zu den privilegierteren, besser ausgebildeten Schwestern. Auf den sozialen Hintergrund der in die Südsee-Kolonien ausgesandten Krankenschwestern vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien ließen sich nur spärliche Hinweise finden. Anders als bei den Missionsangehörigen stehen keine Personalunterlagen der Krankenschwestern mehr zur Verfügung. Zu den wenigen Quellen, die über das Vorleben einer Schwester vor der Aufnahme in den Verein Auskunft geben, gehören die Lebenserinnerungen der Schwester Augus-

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fen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 179 u. Steyler Missionsbote, 42. Jg. (1914/15), 3. Heft, S. 47. Zu den Gelübden siehe: Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 26. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 75. Vgl. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 75; Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 43; Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 27. Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 27. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 44f. Lutkehaus, N.: Missionary Maternalism, S. 214.

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te Hertzer, die zunächst in Deutsch-Ostafrika, dann jahrzehntelang in Neuguinea tätig war.77 Sie berichtete: „Mein Vater war damals der Besitzer einer großen Drechselerwerkstatt und mein Großvater Hertzer lebte in derselben Stadt und war der Arzt derselben und der ganzen reichen Umgegend.“78 Es ist also davon auszugehen, dass sie einer angesehenen Familie entstammte, wie es den Einstellungsbedingungen des Vereins entsprach.79 Karen Smidt kam in ihrer Untersuchung über die Frauen in „Deutsch-Südwestafrika“ zu dem Ergebnis, dass die dort stationierten RotKreuz-Schwestern meist aus dem Bildungsbürgertum und dem Adel stammten, häufig jedoch aus verarmten Familien.80 Da bei der Aufnahme der Frauen in die RotKreuz-Schwesternschaft nicht feststand, in welchen Kolonien sie im Laufe ihrer Berufszeit arbeiteten würden, ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse für „Deutsch-Südwestafrika“ in diesem Fall auch für die Südsee Geltung haben dürften. An Frauen, die als Rot-Kreuz-Schwestern in die Kolonien gesandt werden wollten, wurden hohe fachliche Anforderungen gestellt. In den Schwesternverband des Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien konnten sowohl ausgebildete und in ihrem Beruf bereits tätig gewesene Pflegekräfte eintreten, als auch Frauen, die sich erst zu Krankenpflegerinnen ausbilden lassen wollten.81 Wer sich für eine Schwesternausbildung bewerben wollte, musste eine höhere Töchterschule besucht haben. Grundvoraussetzung für die Ausbildung für den Kolonialdienst war der Nachweis über ein Examen als staatlich anerkannte Krankenpflegerin.82 Häufig hatten die in den Kolonien tätigen Frauen ihre Ausbildung zur Krankenschwester in sogenannten „Mutterhäusern“ absolviert, wo sie nach dem Vorbild von Ordensgemeinschaften nicht nur zusammen arbeiteten, sondern auch lebten. In den ersten Jahren kamen die Schwestern vor allem aus dem Clementinenhaus, das 1875 in Hannover gegründet worden war. Dort wurden als zukünftige Krankenschwestern nur unverheiratete und verwitwete christliche Frauen aufgenommen, die eine höhere Schulbildung genossen hatten und zwischen 20 und 40 Jahre alt waren. Außerdem war die Einwilligung des Vaters oder Vormundes Voraussetzung für die Ausbildung, selbst wenn die Frauen schon volljährig waren. Wenn dem Frauenverein aus den Kolonien Bedarf an Krankenschwestern gemeldet wurde, legte der Ver-

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Vgl. Hertzer, A.: Lebenserinnerungen, 3 Bände, in Privatbesitz. Hertzer, A.: Lebenserinnerungen, 1. Band, S. 1, in Privatbesitz. Vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 35. Ebd., S. 188. Vgl. Unter dem roten Kreuz, 11. Jg. (1900), Nr. 6, S. 73. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 35; Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13) Nr. 16, S. 8.

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ein mit dem Mutterhaus vertraglich fest, Schwestern zu diesem Zweck zur Verfügung zu stellen.83 Ab 1901 bestand ein Kooperationsvertrag zwischen dem Frauenverein und der ein Jahr zuvor eingerichteten Anstalt für Schiffs- und Tropenkrankheiten in Hamburg. Dort konnten die Schwestern eine dreimonatige Schulung in der Behandlung und Pflege von Tropenkrankheiten erhalten.84 Außerdem konnten die Schwestern in verschiedenen Universitäts-Frauenkliniken als Hebammen für die Kolonien ausgebildet werden.85 Dafür erhielten sie einen Befähigungsnachweis und durften daraufhin vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien mit geburtshilflichem Instrumentarium ausgestattet werden. Im Gegensatz zu den Schwestern in der Heimat waren die Hebammenschwestern in den Kolonien dazu berechtigt, auch in schwierigen Fällen selbstständig ohne Hilfe eines Arztes Geburten zu betreuen. Einige der Schwestern wurden auch im Mikroskopieren ausgebildet, um dieses Wissen beispielsweise in den Dienst der Malariabekämpfung stellen zu können. Auch die Verwaltung von Apotheken und Laboratorien konnte in ihrer Obhut liegen, so dass von einer entsprechenden Schulung auszugehen ist.86 Neben den medizinischen Kenntnissen wurde für den Dienst in den Kolonien auch solides hauswirtschaftliches Können gefordert, da die Schwestern in der Regel auch für den Haushalt der Hospitäler zuständig waren. Als für das im Aufbau befindliche Spital in Apia 1903 beim Auswärtigen Amt Mittel für einen Lazarettgehilfen und eine Köchin beantragt wurden, wurde dies mit dem Verweis auf die beiden Krankenschwestern, die bald nach Apia ausgesendet würden, abgelehnt: „Ich bemerke ferner [...] daß diesseits weiteres Personal für das Hospital nicht für erforderlich erachtet wird. [...] Bei der Auswahl der Schwestern wird seitens des Frauenvereins darauf gesehen werden, daß dieselben auch zur Wirtschaftsführung einschließ-

83 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 42; Grunhewer, Herbert: Von der freiwilligen Krankenpflege bis zur Einbindung des Roten Kreuzes in das Heeressanitätswesen, in: Bleker, Johanna / Schmiedebach, Heinz-Peter (Hrsg.): Medizin und Krieg. Vom Dilemma der Heilberufe 1865-1985, Frankfurt a.M., S. 29-44, hier S. 31. 84 Vgl. Unter dem Roten Kreuz, 23. Jg. (1912), Nr. 5, S. 59; Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, S. 12; Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 16, S. 8; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 10. Jg. (1897), Nr. 17, S.165; Davies, M.: Das Gesundheitswesen im Kaiser-Wilhelmsland und im Bismarck-Archipel, S. 435. 85 Unter dem Roten Kreuz, 23. Jg. (1912), Nr. 5, S. 59; Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, S. 11f. 86 Lehr, Ludwiga: Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, in: Koloniale Rundschau, 5. Jg. (1913), Nr. 11, S. 674-679, hier S. 675; vgl. Wendland, W.: Im Wunderland der Papuas, S. 148: hier erwähnt der Kolonialarzt Wendland, er sei beim Mikroskopieren von Schwestern unterstützt worden.

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lich Kochens befähigt sind.“87 Insgesamt ist also zu konstatieren, dass die Schwestern auf Grund ihrer zahlreichen Pflichten in den Kolonien und ihres verantwortungsvollen Auftrages bis zu ihrer Ausreise eine umfangreiche fachliche und praktische Ausbildung durchlaufen hatten. Auch die Frauen, die als Beamtinnen im Dienste des Gouvernements in den Kolonien arbeiteten, stammten aus bürgerlichen Kreisen und waren gut ausgebildet. Die beiden Stenographinnen und Maschinenschreiberinnen Elisabeth Matthiessen und Meta Mars, die in Samoa tätig waren, hatten beide die Handelsschule besucht, die eine nach dem Besuch der Volks- die andere nach dem Besuch der höheren Töchternschule. Matthiessen hatte vor ihrer Anstellung in Samoa als Privatsekretärin gearbeitet, Mars als Buchhalterin und Korrespondentin.88 Die als Lehrerinnen an der Regierungsschule in Apia angestellten Frauen hatten ebenfalls eine gute Ausbildung und bereits Berufserfahrung gesammelt, bevor sie in die Kolonien kamen: Ludovica Schultze hatte die Bürgerschule in Jüterbog und anschließend ein Seminar in Berlin besucht, womit wohl ein Lehrerinnenseminar gemeint ist. In Paris und London hatte sie Deutsch, Englisch und Französisch unterrichtet, bevor sie die Stelle in Samoa antrat.89 Regierungslehrerin Angela Pfister hatte nach der Ausbildung am Lehrerinnenseminar als Erzieherin und Sprachenlehrerin gearbeitet und war vor Dienstantritt in Apia an einer Schule im neuseeländischen Palmerston North tätig gewesen.90 Bei der dritten aktenkundlichen Regierungslehrerin Samoas fällt ihre womöglich adelige Abstammung auf. Frieda von Woedtke gibt in ihrem Personalfragebogen an, eine „höhere Privattöchternschule“ und anschließend das Städtische Seminar zu Kolberg besucht zu haben.91 Außerdem wurde sie in der Koch- und Haushaltungsschule in Stendal ausgebildet. Vor ihrer Ausreise nach Samoa ist sie laut Fragebogen im Dienst des Magistrats zu Steglitz als „Vertreterin“ tätig gewesen, womit vermutlich gemeint ist, sie habe als Vertretungslehrerin gearbeitet. 92 Während über die angestellten Frauen Quellenmaterial unter anderem in Form von Personalakten zur Verfügung steht, ist es ungleich schwerer Informationen über diejenigen zu finden, die als Ehe- und Hausfrauen kaum in Erscheinung treten. Eine

87 Auswärtiges Amt / KA an das Gouvernement in Apia, Berlin, 19. Juli 1903, MESC(AU) S15-IG86-F4. 88 Personalnachweisung Meta Mars, 2. Juni 1910, MESC(AU), S3-IG11-F3; Personalnachweisung Elisabeth Matthiessen, 15. Sept. 1908, MESC(AU), S3-IG11-F4. 89 Personalnachweisung Ludovica Schultze, wahrscheinlich Mai 1903, ANZ(W), AGCA 6051/0141. 90 Kaiserliches Konsulat Auckland an das Gouvernement in Apia, Auckland, 29. März 1909 u. Personalnachweisung Angela Pfister, 19. April 1909, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 91 Personalnachweisung Frieda von Woedtke, ohne Datum, MESC(AU), IG10-F2-IA-62. 92 Ebd.

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Ausnahme stellen einige Ehefrauen von Kolonialbeamten dar. Die hier oftmals erwähnte Antonie Brandeis, die Ehefrau des Landeshauptmanns der Marshallinseln, war die Tochter der Prinzessin Salme von Oman und Sansibar und des Kaufmanns Heinrich Ruete.93 Mit dieser exotischen Abstammung repräsentiert sie jedoch wohl kaum den Durchschnitt der Beamtengattinnen. Die Frau des langjährigen Gouverneurs von Neuguinea, Luise Hahl, war eine geborene Freiin von SeckendorffAberdar, stammte also ebenso wie beispielsweise die Frau des ersten Landeshauptmanns von Neuguinea, von Schleinitz, aus einer adeligen Familie.94 Hanna SolfDotti, die Frau des Gouverneurs von Samoa, war die Tochter eines wohlhabenden Berliner Landbesitzers.95 Dieser war laut Berichten der Samoanischen Zeitung „auch in den Kreisen des Pferdesports und der Automobilistik wohlbekannt und hat[te] daneben seinen künstlerischen Talenten schöne Erfolge zu verdanken.“96 Die Gouverneursfrauen hatten als „first lady“ natürlich ebenfalls eine Sonderstellung innerhalb der Kolonien. Insgesamt wurde die Beamtenschaft in den SüdseeKolonien nach Hierys Recherchen vom Bürgertum dominiert, was er ebenso für die Pflanzer festhält.97 Geht man davon aus, dass die Beamten und Pflanzer standesgemäß heirateten (sofern sie sich überhaupt eine Deutsche zur Frau nahmen), so kann man auch für diese Frauen einen bürgerlichen Hintergrund annehmen. Hinweise auf soziale Stellung, Ausbildung und Vorleben der Ehefrauen von Privatleuten waren im vorliegenden Quellenmaterial aber kaum zu finden. Auch wie sich die nicht institutionell eingebundenen Frauen auf ihr neues Leben und ihre Tätigkeit in den Kolonien vorbereitet haben, lässt sich leider nur mutmaßen. Anders als bei den Missionen oder dem Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien hatten diese Frauen ja nicht bis zum Zeitpunkt ihrer Ausreise bestimmte Anforderungen zu erfüllen. Anhaltspunkte, welche Ansprüche man an die Frauen in den Kolonien stellte, gab ihnen jedoch die Kolonialliteratur und -presse, insbesondere die Zeitschrift Kolonie und Heimat. In ihrem Kochbuch für die Tropen empfahl Antonie Brandeis aus eigener Erfahrung jeder Frau, die in die Kolonien auswandert, eine solide hauswirtschaftliche Ausbildung. Am besten solle man auf einem großen Landgut lernen, da „die Ver-

93 Brüll, Margarete: Kolonialzeitliche Sammlungen aus dem Pazifik, in: Stadt Freiburg i. Br. / Museum für Völkerkunde (Hrsg.): Als Freiburg die Welt entdeckte. 100 Jahre Museum für Völkerkunde, Freiburg 1995, S. 109-145, hier S. 135. 94 Baumann, Karl / Klein, Dieter / Apitzsch, Wolfgang: Biographisches Handbuch DeutschNeuguinea 1882-1922. Kurzlebensläufe ehemaliger Kolonisten, Forscher, Missionare und Reisender, Fassberg 2002, S. 128, S. 404. 95 Hempenstall, P. / Mochida, P.: The lost man, S. 71. 96 Ausschnitt aus der Samoanischen Zeitung vom 19. Sept. 1908, in ANZ(W), AGCA 6051/0125. 97 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 143; Hiery, H.: The Neglected War, S. 2.

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hältnisse über See mehr einem Land- als Stadthaushalte ähneln“.98 Ein solches Gut gehörte beispielsweise zur Kolonialfrauenschule Witzenhausen, wo Brandeis’ Kochbuch für die Tropen auf der Lektüreliste des Lehrplans stand. Die Schule wurde 1908 gegründet.99 Abb. 9: Werbeanzeige der Deutschen Kolonialfrauenschule100

Als Schülerinnen zugelassen wurden „Damen von tadellosem Ruf im Alter von zwanzig bis dreissig Jahren, die das Abgangszeugnis einer Höheren Töchterschule besitzen“.101 Die Kolonialfrauenschule in Witzenhausen wurde im Jahr 1910 geschlossen. Ab 1911 wurde der Schulbetrieb neu organisiert, indem er der Wirtschaftlichen Frauenschule in Bad Weilbach angegliedert wurde, wo eine Ausbildung mit der gleichen Zielsetzung angeboten wurde.102 Beide Schulen scheiterten aber mit ihrem Konzept, gut situierten jungen Frauen eine teure Ausbildung anzubieten, deren Lehrinhalte hauptsächlich Tätigkeiten umfassten, die für gewöhnlich Frauen aus niedrigeren Gesellschaftskreisen übernahmen. Zumal die Bezahlung der gut ausgebildeten Absolventinnen in den Kolonien der eines einfachen Dienstmädchens entsprach und der Bedarf an derartig umfassend ausgebildeten Hilfskräften vor Ort offenbar ohnehin nicht bestand. Die Zahl der Schülerinnen blieb daher stets gering.103

98 99

100 101 102 103

Brandeis, Antonie: Kochbuch für die Tropen. Nach langjähriger Erfahrung in den Tropen und Subtropen zusammengestellt, Berlin 1907, Vorwort, S. 1. Zur Kolonialfrauenschule Witzenhausen / Bad Weilbach: BArch, R 8023/984 u. 985; Zech, Anna von: Die Kolonialfrauenschule in Witzenhausen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 25, S. 6f. Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 1, S. 13. Vgl. Prospekt der Kolonialfrauenschule (1908), BArch, R 8023/984; Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 10 , S. 13. Verschiedene Schreiben hierzu in BArch, R 8023/985; vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 284. Jahresberichte der Frauenschule, BArch, R 8023/985; vgl. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 166f; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 97.

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Im Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea wurde im Januar 1913 berichtet, dass der erste Jahrgang von Absolventinnen der Kolonialfrauenschule Bad Weilbach bald für die Ausreise bereit stehe und dass man sich mit der Schulleiterin in Verbindung setzten könne, falls man eine der jungen Frauen anstellen wolle.104 Die Arbeitgeber sollten einen Teil der Ausreisekosten tragen und ein Gehalt von ungefähr 70-100 Mark monatlich bezahlen. Dafür könne von den Frauen eine mindestens zweijährige Vertragsdauer verlangt und der für die Ausreise bezahlte Betrag zurückgefordert werden, falls der Vertrag durch Heirat oder aus anderen Gründen frühzeitig gelöst würde.105 Auch nach Samoa wollte die Kolonial-Frauenschule ihre Schülerinnen vermitteln und setzte sich zu diesem Zweck mit dem dortigen Gouverneur in Verbindung, der die Angelegenheit an den Vorstand der Abteilung Apia des Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien weiterleitete. Dieser erklärte sich bereit, Anträge von potentiellen Arbeitgebern um Entsendung von Absolventinnen entgegenzunehmen und sich um die Stellenvermittlung zu kümmern. Der Gouverneur wurde gebeten, diese Vereinbarungen in der Samoanischen Zeitung bekannt zu geben.106 Allerdings schlossen bald darauf die Kolonial-Frauenschule und der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft ein Abkommen, womit die Stellenvermittlung für die Schülerinnen ganz auf die Geschäftsstelle des Frauenbundes in Berlin übertragen wurde.107 Zwar ließ sich im Quellenmaterial kein Beleg dafür finden, dass eine der in der Südsee lebenden deutschen Frauen vor der Ausreise eine Kolonial-Frauenschule besucht hatte. Dennoch verdient der Lehrplan der Kolonialfrauenschule Witzenhausen nähere Betrachtung, da er über die Fähigkeiten Aufschluss gibt, die für den Alltag der Frauen in den Kolonien als nützlich eingeschätzt wurden. Die praktische Ausbildung bildete den Kern des Lehrplans und umfasste unter anderem Kochen, Backen, Schlachten, Verwertung und Aufbewahrung von Fleisch und Herstellung von Obstweinen. Hinzu kamen verschiedene Handwerke wie Tischlern, Schuhmachen, Polster- und Sattlerarbeiten. Zu den Lehrinhalten gehörte auch die Pflege des

104 Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 5. Jg. (1913), Nr. 2, S. 4. 105 Ebd., S. 5. Das geforderte Gehalt entspricht ungefähr dem der Krankenschwestern, wenn man die Dienstprämie, die sie bei guter Führung erhielten, einrechnet (Grundgehalt 65 Mark monatlich, Prämie je nach Dienstjahr monatlich 10-30 Mark); vgl. Vertrag zwischen dem Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 106 Aufsichtsrat der Kolonial-Frauenschule an das Gouvernement in Apia, Cassel, 20. Dez. 1912, AGCA 6051/0355. 107 Vorsitzende des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft u. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kolonialfrauenschule an das Gouvernement in Apia, Berlin u. Cassel, 26. März 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0355.

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Geflügelhofes sowie Kurse in Frauenhygiene, Kranken- und Säuglingspflege. Die Teilnahme an einem Seuchenimpfkurs berechtigte später in den Kolonien dazu, Impfungen auf der eigenen Farm und den Nachbarfarmen durchzuführen.108 Die Schülerinnen waren berechtigt, an den Vorlesungen der Kolonialschule der Männer teilzunehmen, um ihre praktischen Kenntnisse auch durch eine theoretische Ausbildung zu untermauern. Die Vorlesungen beschäftigten sich mit Kultur- und Kolonialwissenschaft, Chemie, Tier- und Pflanzenkunde, Ernährungskunde, Tierheilkunde, tropischer Landwirtschaft, Tropengesundheitslehre, Buchführung und Rechnungskunde.109 Kritik an diesem ausführlichen theoretischen Unterbau wollte die Leiterin der Schule, Gräfin Anna v. Zech, gleich zuvorkommen: „Vielleicht werden manche einwenden, warum es notwendig ist, den Schülerinnen eine so umfassende theoretische Ausbildung zu geben. Demgegenüber muss betont werden, dass die Anforderungen, welche draussen an die Frau gestellt werden, ob sie nun als Angestellte auf fremden Besitz wirkt oder auf eigener Scholle, bei weitem grösser sind, als etwa im ähnlichen hier.“110

Dieser Verweis auf die erhöhten Anforderungen in den Kolonien und der ehrgeizige Lehrplan selbst scheinen durchaus emanzipatorisches Potential zu bergen: Eine umfassende Bildung der Frau wird als nötig erachtet und neben den „klassisch weiblichen“ Fertigkeiten sollen die Frauen auch Kenntnisse in den Naturwissenschaften erwerben und mit Werkzeug umzugehen wissen, womit sie in ehemals männlich besetzte Bereiche vordrangen. Allerdings spricht der geringe Zulauf, den die Schulen zu verzeichnen hatten, nicht dafür, dass dieses Bildungsideal viele Anhängerinnen fand. Auch wenn man einen Blick auf die Zukunftspläne der Absolventinnen wirft, wird deutlich, dass diese ihre Ausbildung nicht etwa nutzen wollten, um aus der traditionell für sie vorgesehenen Rolle auszubrechen: „Unter den Schülerinnen befinden sich Damen, die bereits verlobt sind und vor ihrer Verheiratung nach den Kolonien aus der in der Schule gewonnenen Ausbildung Nutzen ziehen wollen. Andere wollen mit Verwandten nach den Kolonien übersiedeln oder befinden sich in der Lage, nicht in bezahlte Stellen eintreten zu müssen. Die übrigen Schülerinnen nehmen Stellen in den Kolonien an.“111

108 Vgl. Prospekt der Kolonialfrauenschule (1908), BArch, R 8023/984; Zech, Anna von: Die Kolonialfrauenschule in Witzenhausen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 25, S. 6. 109 Ebd. 110 Zech, Anna von: Die Kolonialfrauenschule in Witzenhausen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 25, S. 6. 111 Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 5. Jg. (1913), Nr. 2, S. 5.

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Von selbstständig wirtschaftenden Farmerinnen oder Pflanzerinnen ist in den Quellen kaum die Rede. Bei den wenigen Ausnahmen handelt es sich meist um Witwen, die den Betrieb ihrer Ehemänner weiterführten oder um Frauen, die ihre Männer nur vorübergehend vertraten.112 Ungeachtet dessen versuchten die Kolonialfrauenschulen, ihre Schülerinnen auf alle Anforderungen vorzubereiten und ihnen eine umfassende Ausbildung mit auf den Weg zu geben. Wie deutlich wurde, war eine solch intensive – auch theoretisch untermauerte – Vorbereitung eher die Ausnahme als die Regel unter den Frauen, die in die Kolonien ausreisten. Die wichtigsten hausfraulichen Fähigkeiten zu besitzen, wurde jedoch als unerlässlich betrachtet: Dementsprechend mussten die Frauen, die sich vom Frauenbund der deutschen Kolonialgesellschaft eine Anstellung in den Kolonien vermitteln lassen wollten, kochen, waschen, plätten und einen einfachen Rock und eine Bluse selbst herstellen können.113 Soweit aus den Quellen ersichtlich, konnten auch die in der Südsee lebenden Frauen für gewöhnlich diese Aufgaben erfüllen. Ob sie allerdings damit auf ein Leben in den Kolonien ausreichend vorbereitet waren, wird noch zu untersuchen sein. Zusammenfassend lässt sich also konstatieren, dass die evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern aus einfachen bis bürgerlichen Verhältnissen stammten und nach der Volksschule nur selten eine weiterführende Schule besucht hatten. Eine Berufsausbildung im heutigen Sinne hatten diese Frauen in der Regel nicht absolviert – eine Ausnahme stellten dabei die Missionsgehilfinnen dar, die beispielsweise als Lehrerin, Krankenschwester oder Hebamme ausgebildet waren. Auch die Missionarsfrauen sollten idealerweise über Kenntnisse in der Krankenpflege verfügen, zudem wurde von der Missionsleitung Wert auf hauswirtschaftliche Fähigkeiten und – wie bei allen anderen Ausreisenden auch – auf die charakterliche Eignung gelegt. Das galt ebenso für die Liebenzeller Missionsschwestern, die darüber hinaus eine mehrjährige Schulung in verschiedenen biblischen Disziplinen, aber auch auf praktischem Feld erhielten. Vergleichbar war die Vorbereitung der katholischen Schwestern, die überwiegend aus einfachen, ländlichen Verhältnissen stammten, auf ihre Aufgabe im Missionsfeld. Ebenso wie bei den Liebenzeller Schwestern gehörte auch Fremdsprachenunterricht zu ihrer Ausbildung, die einheimische Sprache ihres Wirkungsfeldes lernten sie allerdings in Deutschland noch nicht. Einzige Ausnahme in dieser Hinsicht scheint Valesca Schultze von der LMS gewesen zu sein, die schon vor der Ausreise Samoanisch 112 So hatte beispielsweise Frau von Tyszka im letzten Jahr ihres Aufenthaltes in Samoa alleine ihre Farm bewirtschaftet, da ihr kranker Ehemann in die Heimat zurückkehren musste, vgl. Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910/11), Nr. 16, S. 8. 113 Vgl. Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 18, S. 8; vgl. Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 59f.

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lernte. Das lag wohl auch daran, dass in Samoa überall die gleiche Sprache gesprochen wurde, während in Deutsch-Neuguinea jede Region ihre eigene Sprache oder einen eigenen Dialekt hatte. Da in Deutschland das jeweilige zukünftige Einsatzgebiet der Schwestern in der Regel noch unklar war, hätte man also gar nicht gewusst, auf welche Sprache sie sich vorbereiten sollten. Zum sozialen Hintergrund der Krankenschwestern vom Roten Kreuz ist den Quellen nur wenig zu entnehmen, überwiegend stammten sie aber wohl aus dem Bildungsbürgertum. Sie durchliefen nicht nur eine Ausbildung zur Krankenschwester, sondern ergänzten diese durch eine Zusatzausbildung für den Kolonialdienst. Neben einer Schulung in der Behandlung von Tropenkrankheiten konnte dazu eine Zusatzausbildung als Hebamme gehören. Weiterhin wurde auch von den Schwestern solides hauswirtschaftliches Können gefordert. Dies wurde auch für alle privat in die Kolonien ausreisenden Frauen, die überwiegend aus dem Bürgertum stammten, als dringend notwendig erachtet. Detaillierte Informationen darüber, wie sich diese Frauengruppe auf den Aufenthalt in den Südsee-Kolonien vorbereitete, waren allerdings nicht zu finden. Diejenigen, die eine Beamtenstelle im Kolonialdienst annahmen, verfügten über eine gute Ausbildung und hatten bereits Berufserfahrung gesammelt. Ob die Beamtinnen damit dem in der Kolonialpresse verbreiteten Idealbild der „deutschen Kolonialfrau“ entsprachen, wird im folgenden Kapitel deutlich werden.

6.

Das Rollenbild der „Deutschen Kolonialfrau“

Bei der Schilderung des Lehrplans der Kolonialfrauenschulen wurde bereits deutlich, dass im Kaiserreich eine bestimmte Vorstellung davon herrschte, welche Anforderungen die deutschen Frauen in den Kolonien erfüllen sollten. Kolonialromane und die Kolonialpresse, insbesondere die Zeitschrift Kolonie und Heimat, kreierten und verbreiteten ein spezifisches Rollenbild der sogenannten „Kolonialfrau“.1 Wie die Autorinnen in Kolonie und Heimat selbst erklärten, wollten sie versuchen, „der deutschen Frau allmählich ein Bild des Pflichtenkreises zu geben [...], der diejenigen, die hinausgehen wollen, erwartet.“2 Die Leserinnen sollten durch die Lektüre der Zeitschrift gut vorbereitet die Ausreise antreten, damit sie den Anforderungen in der Fremde gewachsen waren und mit Bravour ihren weiblichen Beitrag zur Kolonisierung leisten konnten. Dass ohne diesen Beitrag eine erfolgreiche Kolonisierung nicht möglich sei, wurde in den genannten Publikationen immer wieder betont, so schrieb etwa Leonore Nießen-Deiters: „Der deutsche Mann kann dem deutschen Gedanken in der Welt Gebiete erobern und erzwingen; aber nur die Zähigkeit der deutschen Frau kann den deutschen Gedanken draußen dauernd einbürgern und erhalten.“3 Wie schon erwähnt wurde, trat die koloniale Frauenbewegung dafür ein, junge Frauen „zum Schutze des Deutschtums“ in die Kolonien zu senden.4 Ihre Aufgabe

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2 3 4

Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 59; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 83; Dies.: Zwischen Selbstaffirmation und Distinktion, S. 139. Brandeis, Antonie: Vom Pflichtenkreis der Frau, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 4, S. 13. Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 6. Vgl. Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 1, S. 13 u. 4. Jg. (1910/11), Nr. 16, S. 8; Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 76;

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sollte primär sein, deutsches Familienleben in der Fremde zu gewährleisten.5 Als Ideal galt daher die verheiratete Frau – Lehrerinnen, Sekretärinnen, Krankenschwestern und andere alleinstehende Frauen wurden in der Berichterstattung entsprechend vernachlässigt. Berufstätigkeit war nur als Übergangsstadium vor der Ehe akzeptabel; das eigentliche Ziel war es, eine gute Hausfrau und Mutter zu sein.6 Dafür mussten die Frauen nicht nur ihre zahlreichen hauswirtschaftlichen Pflichten unter den ungewohnten Umständen in den Kolonien bewältigen können, sondern auch über die geeigneten Charaktereigenschaften verfügen, um ihre Nation angemessen in der Fremde zu repräsentieren. In einem in Kolonie und Heimat veröffentlichten Gedicht mit dem Titel Zum Abschied für eine ins Ausland gehende Braut heißt es dementsprechend: „So prüf dein Tun und Lassen du genau / Sie seh’n auf dich als auf die deutsche Frau!“.7 Die Vorsitzende des Frauenbundes, Freifrau von Liliencron, betonte: „Es ist eine ernste Aufgabe, welche die Mädchen, die hinübergehen, lösen sollen. Sie müssen nicht nur eine praktische Tüchtigkeit beweisen, sondern die Kolonie erwartet auch ein ideales Wirken von ihnen. Sie sollen Trägerinnen deutscher Bildung, deutscher Zucht und Sitte sein und durch ihren Einfluss soll sich ein gesegnetes Familienleben entwickeln.“8

Wie dem zeitgenössischen Diskurs gemäß die ideale Ausreisende sein sollte, lässt sich gut am Auswahlverfahren des Frauenbundes der deutschen Kolonialgesellschaft ablesen. Einem speziellen Komitee oblag es, die Bewerbungen der Frauen zu prüfen und zu entscheiden, ob sie auf Kosten der Kolonialgesellschaft die Überfahrt in die Kolonien antreten durften. Zunächst hatten die Bewerberinnen einige formale Kriterien zu erfüllen: Sie mussten zwischen 20 und 35 Jahren alt sein und hatten unter anderem ein ärztliches Gesundheitsattest, das ihre Tropentauglichkeit belegte, sowie ein „Attest über sittenreines, einwandfreies Leben“ vorzulegen, das von der Polizei oder einem Geistlichen ausgestellt werden konnte. Weiterhin benötigten sie

5

6 7 8

Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 83; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 63. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 88; vgl. Hedwig Heyl an Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, Berlin, 24. Okt. 1913, BArch, R 8023/156; Brockmann, Clara: Deutsche Frauen in Südwestafrika, in: Kolonie und Heimat, 2. Jg. (1908/09), Nr. 22, S. 2. Vgl. Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 12. Jg. (1899), Nr. 28, S. 249; Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 83. Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. Liliencron, Adda: Ein Wort über den Deutschkolonialen Frauenbund und seine Aufgaben, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 20, S. 9; ähnlich: Dies.: Was wir wollen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 3, S. 8.

6. D AS ROLLENBILD

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eine amtlich beglaubigte Einwilligungserklärung der Eltern oder des Vormundes und ein ausführliches Zeugnis ihrer letzten Arbeitgeber.9 Auf die richtige charakterliche Einstellung der Bewerberinnen legte man größten Wert. Die Frauen sollten bereit sein, im kolonialen Alltag Opfer zu bringen, eigene Interessen stets hinten anzustellen und Unannehmlichkeiten ohne Klagen auf sich zu nehmen. Sie sollten voller Willenskraft und Tatendrang stecken, um die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können, wozu auch ein stark entwickeltes Pflichtgefühl nötig war. Idealerweise war die deutsche Ausreisende fleißig, gewissenhaft, sittsam, ordentlich, geduldig, sanftmütig und treu. Man suchte mutige und starke Frauen, die bereit waren, hart zu arbeiten, um ihrer nationalen Aufgabe in den Kolonien gerecht zu werden.10 Von den Frauen wurde „Selbstverleugnung und das starke Bewusstsein vom Ernst der Arbeit“ erwartet.11 Zudem sollten sie „dem Manne eine treue Mitarbeiterin“ sein.12 Denn, wie es in einem Berufsratgeber für junge Mädchen hieß: „Der deutsche Mann, der hinauszieht in das neue Deutschland, um sich dort im Kampf mit oft recht widrigen Verhältnissen eine Heimat zu gründen, bedarf der liebevollen Fürsorge und tatkräftigen Unterstützung einer deutschen Frau.“13 Die ideale Kolonialistin galt als bodenständig und natürlich: „Zierpüppchen und Salonkätzchen sind in Samoa natürlich nicht brauchbar, wohl aber verständige und energische Mädchen, welche höhere Ideale haben, als auf Soireen in glänzenden Roben herumzutänzeln und zweifelhafte Romane zu lesen […].“14

Antonie Brandeis, die mehrere Jahre mit ihrem Mann auf der Marshall-Insel Jaluit in der Südsee lebte, bekräftigt dies aus eigener Erfahrung: „Für unsere Kolonien eignen sich natürlich nur solche Frauen, die auf Konzerte, Theater und sogenannte ‚geistige Anregungen‘ verzichten können. Die Frau muss eben ganz in ihrem häus-

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Liliencron, A.: Ein Wort über den Deutschkolonialen Frauenbund und seine Aufgaben, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 20, S. 9 u. Nr. 22, S. 10; Hatten, Gertrud v.: Die Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 18, S. 8. Vgl. Kolonie und Heimat, 2. Jg. (1908/09), Nr. 6, S. 8; Liliencron, A.: Ein Wort über den Deutschkolonialen Frauenbund und seine Aufgaben, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 20, S. 9; Montgelas, Pauline: Die Frau in den Kolonien, Abdruck des Vortrags in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 1, S. 8. Liliencron, A.: Ein Wort über den Deutschkolonialen Frauenbund und seine Aufgaben, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 20, S. 9. Vgl. Kolonie und Heimat, 2. Jg. (1908/09), Nr. 6, S. 8. Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 57. Deeken, R.: Manuia Samoa!, S. 188.

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lichen Pflichtenkreise leben“.15 Dieser häusliche Pflichtenkreis sei sehr groß, daher habe die Frau in den Tropen meist mehr zu tun als in der Heimat. Eine Frau in den Kolonien müsse zudem sehr gastfreundlich sein und sparsam wirtschaften können. Besonders wichtig seien außerdem eine widerstandsfähige Gesundheit (auch die Bräute und Ehefrauen der Kolonialbeamten mussten daher mit einem ärztlichen Attest ihre Tropentauglichkeit beweisen, um von der Kolonialverwaltung Reisebeihilfen bewilligt zu bekommen)16 und „das zur Erhaltung der Gesundheit so nötige seelische Gleichgewicht“. Nur so könne die Frau in den Kolonien „ihrer Hauptaufgabe gerecht werden, Licht und Behagen um sich zu verbreiten“.17 Die deutschen Frauen sollten mit Heiterkeit und Humor die kulturellen Möglichkeiten der Heimat ersetzen.18 Durch ihr Wirken sollten nach damaliger Vorstellung vor allem die deutschen Männer davor bewahrt werden, in der Fremde zu „verwildern“ und auf die Kulturstufe der Einheimischen „herabzusinken“.19 Die kultivierende Wirkung der deutschen Frauen auf die Männer hob nach zeitgenössischer Vorstellung nicht nur das Niveau der kolonialen Gesellschaft, sondern letztlich auch den Wert der Kolonie. So formulierte der in Samoa ansässige Pflanzer Richard Deeken folgenden Aufruf: „Mehret in den gesunden Kolonien die Zahl der deutschen Frauen, und in kurzer Zeit wird der ganze Geist der Kolonie sich heben, wird der entartende Einfluß, den das allzu freie, zwanglose Leben in einem wenig civilisierten Lande unleugbar auf den Mann ausübt, gebrochen, und dadurch indirekt auch der wirtschaftliche Wert der Kolonie gesteigert werden!“20

Wiederholt wurde von der Forschung in diesem Zusammenhang auf den interessanten Umstand hingewiesen, dass den Frauen im kolonialen Kontext die „Kultur“ zugeschrieben wurde und dem Mann der Bereich der wilden „Natur“, obwohl zu dieser Zeit für gewöhnlich das Emotionale, Unberechenbare und „Natur-hafte“ der Frau zugeordnet wurde und dem Mann die „Kultur“. Im kolonialen Kontext wurde diese Zuschreibung also genau umgekehrt, ohne dass aus dem Quellenmaterial ersichtlich ist, dass den Zeitgenossen diese Umkehrung bewusst war, beziehungsweise, dass sie Bedarf sahen, die Gründe für diese umgekehrte Zuschreibung zu erklä-

15 Brandeis, A.: Vom Pflichtenkreis der Frau, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 4, S. 13. 16 Vgl. z.B.: RKA an das Gouvernement in Lome, Berlin, 14. Okt. 1907 u. RKA an Gouvernementssekretär Peters, Berlin, 10. Sept. 1908, MESC(AU), S2-IG6-F1. 17 Brandeis, A.: Vom Pflichtenkreis der Frau, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 4, S. 13. 18 Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 59. 19 Hierzu ausführlich: Kapitel 12.4. 20 Deeken, R.: Manuia Samoa!, S. 188; ähnlich: Külz, L.: Zur Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 62.

6. D AS ROLLENBILD

DER

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ren.21 Es wurde schlicht behauptet: „Ohne deutsche Frau keine deutsche Kultur, ohne sie kein deutsches Land.“22 Dass der hier verwendete „Kultur“-Begriff nicht viel mit musischen Talenten und schönen Künsten zu tun hat, sondern vor allem „deutsche Tugenden“, deutsche Kochkünste und eine ordentliche Haushaltsführung subsumiert, wird im folgenden Zitat deutlich. Es fasst das Idealbild der „Kolonialfrau“, welches sich durch eine energische Hemdsärmeligkeit auszeichnete, noch einmal pointiert zusammen: „Das Ideal einer richtigen ‚Kolonialfrau‘ ist weder das Weibchen noch die Dame noch die Gelehrte, sondern die gebildete und zweckmäßig geschulte Frau, die zwei gesunde Fäuste, ein warmes Herz und einen klaren Kopf hat.“23 Die Leserinnen von Kolonie und Heimat und anderen kolonialen Publikationen waren also mit dem Rollenbild der „deutschen Kolonialfrau“ vertraut. Bei ihrer Ausreise in die Kolonien wussten sie, was von ihnen erwartet wurde. Es ist davon auszugehen, dass auch den Frauen, die sich in den Südsee-Kolonien niederließen, dieser Diskurs bekannt war: Dass Kolonie und Heimat und andere Kolonialzeitschriften auch von ihnen gelesen wurde, wurde bereits oben nachgewiesen.24 Die kolonialen Periodika weckten ebenso wie die zahlreichen Erlebnisberichte, die aus den Kolonien zurückgekehrte Frauen zwischen 1900 und dem ersten Weltkrieg veröffentlichten, bestimmte Erwartungen an das Leben in Übersee.25 Es wur-

21 Zur diesbezüglichen „Elastizität der bürgerlichen Geschlechterideologie“ vgl. Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 87. Kundrus verweist hier auf das Argument, wahre Kultur sei natürlich. Siehe auch Dies.: „Weiß und herrlich“, S.43 u. Müller, Marion: Geschlecht und Ethnie. Historischer Bedeutungswandel, interaktive Konstruktionen und Interferenzen, Wiesbaden 2003, S. 90f. 22 Külz, L.: Zur Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 63. 23 Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 59. Ähnlich schreibt die Autorin eines Berufsratgebers noch 1915 (im festen Glauben auf die baldige Rückgewinnung der Kolonialgebiete) über die Anforderungen an die Frauen in den Kolonien: „Weiche Träumerinnen, allzu zart besaitete Naturen sind nicht am Platze, man braucht dort tatkräftige Menschen, die fest zupacken und sich in fremdartige Lagen zurechtfinden.“, siehe Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 58. 24 Vgl. Kapitel 4.1. 25 In der Erinnerungsliteratur wurde der Alltag in den Kolonien häufig idealisiert und romantisiert. Besonders populär wurde das durch diese Erzählungen geschaffene Ideal der deutschen Farmersfrau in Afrika, die mutig, selbstständig und unabhängig in den Kolonien wirtschaftet. Die Farmersfrau schuf ökonomische und kulturelle Werte und stand dabei dem industriellen Kapitalismus ebenso fern wie Klassenkonflikten und dem Wettstreit mit Männern. Die Arbeit auf der Farm verwischte die Grenzen zwischen der Sphäre des Mannes und der Frau, dem öffentlichen und dem privaten Leben; vgl. Wildenthal, L.:

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de zwar immer wieder auf die Entbehrungen und Härten des Koloniallebens hingewiesen, aber es war auch davon die Rede, welche Bewunderung durch die „Eingeborenen“ und wie viel Dankbarkeit der Ehemänner den Frauen in den Kolonien entgegengebracht würde. Außerdem wurden der gute Zusammenhalt zwischen den Weißen in der Fremde und die Schönheit der Landschaft gerühmt.26 Nicht zuletzt wurde immer wieder betont, dass das Bewusstsein, als „Trägerin einer wichtigen Kulturmission“ an einer nationalen Aufgabe mitzuwirken, die Frauen in den Kolonien mit Stolz erfüllte.27 Auf die damit verbundene Forderung des „Rassebewusstseins“ und die Bedeutung, die die Kolonialbewegung im Kaiserreich dem sogenannten „Rassenabstand“ zwischen Weißen und indigener Bevölkerung in den Kolonien beimaß, wird noch ausführlich in Kapitel 12 einzugehen sein.28 Neben den genannten Publikationen haben Briefe von Angehörigen, Freunden oder Kolleginnen aus den Kolonien sowie Vorträge in der Heimat die Vorstellungen der Ausreisenden von den Kolonialgebieten geprägt. Auf diese Weise konnten sich auch die Missionsangehörigen schon recht gut auf die Zustände in den Missionsgebieten einstellen. Vor allem die katholischen Schwestern wurden in ihren Klöstern von den kolonialen Diskursen wohl weit weniger tangiert als die anderen Ausreisenden, Briefe der Mitschwestern aus dem Feld und deren Berichte in den Missionszeitschriften weckten aber auch bei ihnen bestimmte Vorstellungen vom Leben in Übersee.29 Obwohl also davon auszugehen ist, dass all die hier thematisierten Frauen mit gewissen Erwartungen in die Südsee reisten, artikulierten sie diese im vorliegenden Quellenmaterial nur selten. Frieda Zieschank erwähnt gar, sich extra keinen konkreten Erwartungen hingegeben zu haben, um nicht enttäuscht zu werden – wobei wohl anzuzweifeln ist, dass es ihr gelang, sich während der wo-

26 27 28

29

German Women for Empire, S. 151-156, 196; Walgenbach, K.: Die weiße Frau als Trägerin der deutschen Kultur, S. 143; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 263-265. Erinnerungsliteratur von Frauen, die in der Südsee gelebt hatten, ist kaum verfügbar. Eine populäre Ausnahme ist das schon genannte Buch Ein Jahrzehnt in Samoa von Frieda Zieschank, das 1918 erschien. Vgl. Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910/11), Nr. 16, S. 8 u. Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. Typisch: Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. Vgl. Karow, Maria: Wo sonst der Fuß des Kriegers trat. Farmerleben in Südwest nach dem Kriege, Berlin 1909, S. 253: „Leute, die dafür kein Gespür haben, die den Rasseabstand vergessen [...] gehören nicht in die Kolonien.“; vgl. Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 9, 76. Etwas anders verhält es sich natürlich mit den Schwestern, die als erste Schwestern in ein bestimmtes Gebiet reisten. Da die männlichen Missionsangehörigen aber immer vor den weiblichen ausgesandt wurden, standen den ausreisenden Frauen in diesen Fällen zumindest die Berichte ihrer männlichen Kollegen zur Information zur Verfügung.

6. D AS ROLLENBILD

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chenlangen Schiffsreise nicht ihre neue Heimat Samoa und die Ankunft dort auszumalen.30

30 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 19.

III. Alltag am anderen Ende der Welt

7.

Ankunft und erste Eindrücke

Die lange Reise in die Südsee war für die Frauen, die bis dahin oft nur die Umgebung ihres Heimatortes kannten, ein großes Abenteuer, wie beispielsweise in den Schilderungen der Missionarsfrau Helmich deutlich wird:1 „Ich, die ich schon schwindlig werde, wenn ich an einem Teiche stehe, ich, die ich noch kaum mehr als ein Stückland vom Rheinland und Westfalen gesehen habe, ich soll eine Reise machen, auf der vier Erdteile berührt werden? Unglaublich!“2 Mit der Eisenbahn ging es meist nach Neapel oder Genua, wo die rund sechswöchige Überfahrt mit dem Dampfer angetreten wurde. Sie führte über Port Said, durch den Suezkanal und das Rote Meer in den Indischen Ozean nach Colombo und von dort aus entweder über Singapur, Hongkong und Manila nach Mikronesien und Neuguinea – oder über mehrere Stationen in Australien und Neuseeland nach Samoa.3 Die folgende Karte zeigt die üblichen Reiserouten:

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Helmich, Ida: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neu-Guinea, Barmen 1922, S. 3; vgl. Müller, Emmy: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6; Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 2, in Privatbesitz, Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 44; vgl. auch Emil Noldes Schilderung von der Aufregung, die seine Ehefrau Ada und ihn vor der Reise nach Neuguinea erfasste: Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 13. Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neu-Guinea, S. 3. Reiseschilderungen: beispielsweise Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 14. Sept.-29. Nov. 1908, in Privatbesitz; Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 2-17, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 28. Jan.-6. Mai 1890, in Privatbesitz; Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, in Privatbesitz; Schmidt, Babette: Reisebericht, 3 Bände, in: AMEW, Vorl. Nr. 5.213; Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Einträge vom 30. Jan.-20. Febr. 1897, S. 22-29; Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neu-Guinea, S. 5f; Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6. Berichte über die Reise finden sich außerdem in zahlreichen veröffentlichten und unveröffentlichten Briefen der Frauen.

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Abb. 10: Reiserouten in die Südsee-Kolonien4

Den Reisealltag auf dem Dampfer nach Neuguinea schilderte Emmy Müller wie folgt: „Ein bequemes, ja träges, und doch wieder interessantes Leben beginnt nun an Bord des Dampfers, der mit dem gediegendsten Luxus eingerichtet ist. Man macht sich schnell mit den Mitreisenden bekannt; das Thema des Zieles mit all’ seinem Drum und Dran und das ‚woher der Männer‘ ist ja allen Passagieren gemeinsam. Es werden Sports getrieben, man musiziert und die Schiffsbibliothek im Verein mit den mitgeführten Lieblingsbüchern liefern den Stoff zum Lesen.“5

Die junge Gouverneursfrau Solf nutze die Schiffsreise außerdem, um sich von ihrer Mitreisenden, der zum wiederholten Male nach Samoa zurückkehrenden Missions4 5

Wagner, Rudolph: Eine Reise in die Deutschen Kolonien, Band V: Südsee. Berlin 1911, S. 2. Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6; vgl. Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 8. Febr. 1890, in Privatbesitz; Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Eintrag vom 25. Okt. 1909, in Privatbesitz; Justine Vetter an ihre Mutter, an Bord der Bayern im indischen Ozean, 21. Feb. 1899, in Privatbesitz.

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schwester Valesca Schultze, Samoanisch-Unterricht geben zu lassen.6 Um die Passagiere auf der langen Fahrt zu unterhalten, wurden Kostümfeste, Bälle und Konzerte an Bord organisiert, die im Übrigen der ersten und zweiten Schiffsklasse vorbehalten waren7 (Die Frauen, über deren Reise in die Südsee Quellenmaterial verfügbar ist, hatten alle Schiffstickets in einer dieser beiden Klassen gebucht.8 Gouverneur Solf und seiner Frau wurde das Kapitänsappartement zur Verfügung gestellt.9). Ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg in die Südsee stellte für die Reisenden die Überquerung des Äquators dar und die „Linientaufe“ wurde entsprechend zelebriert. Johanna Solf schrieb, „eine Deputation von kostümierten Seeleuten“ habe sie bei diesem Anlass „mit einem übelriechenden Parfüm auf d. Namen ‚Meerweibchen‘“ getauft.10 Da unter den Reisenden trotz der Veranstaltungen an Bord nach einiger Zeit Langeweile aufkam und sie außerdem häufig über Seekrankheit zu klagen hatten, war die Freude groß, wenn ein Hafen angelaufen wurde.11 „Dann wird das ‚Aus6

Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 19. Okt. 1909, in Privatbesitz [diese Datierung entspricht dem Original; Schultze muss sich aber im Jahr geirrt haben, da sie schrieb, das frischvermählte Gouverneurspaar Solf und das Forscher-Ehepaar Krämer reisten mit ihr auf dem selben Schiff und diese Paare reisten beide 1908 nach Samoa. Auch Johanna Solf erwähnt die Begegnung mit Schultze und mit Krämers auf dem Schiff, vgl. Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 16. u. 23. Sept., 5. u. 17. Okt. u. 11.-17. Nov. 1908, in Privatbesitz]. 7 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 3., 4. u. 7. Okt. 1908, in Privatbesitz; vgl. Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Eintrag vom 25. Okt. 1909, in Privatbesitz. 8 Krankenschwestern, Missionsangehörige und Beamtinnen (und demnach auch Beamte und ihre Ehefrauen) reisten in der ersten oder zweiten Klasse (abhängig vom Streckenabschnitt), siehe: Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15IG86-F4; Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Eintrag vom 15. Nov 1909, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 19. Okt. 1909 [muss 1908 sein! siehe Fußnote 6], in Privatbesitz; Heinrich Schnee an Meta Mars, Berlin, 18. Mai 1910, MESC(AU), S3_IG11_F3. Auch das Forscher-Ehepaar Krämer reiste offenbar in der ersten Klasse, da Johanna Solf berichtete, sie und ihr Mann hätten an Bord viel Zeit mit dem Paar verbracht und sich angefreundet, vgl. Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 16. Sept., 5. u. 7. Okt. 1908 in Privatbesitz. 9 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 13. Sept. 1908, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 15. Okt. 1909 [muss 1908 sein! siehe Fußnote 6], in Privatbesitz. 10 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 4. Okt. 1908, in Privatbesitz. 11 Klagen über Langeweile und / oder Seekrankheit beispielsweise in: Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 3,7; Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 11.-17. u. 21.-22. Nov. 1908, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 28. Jan. 1890, in Privatbesitz; Abdruck eines Briefes von Schw. Minna Karrer, Sydney, 8. Juli 1907, in: Chinas Millionen, 8. Jg. (1907), Nr. 9, S. 155; Nolde, Ada: Einige Erinnerungen, in: Reuther, Manfred / Nolde

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land‘, das bis dahin auf dem Schiff sich nur als eine Vision darstellte, Ereignis und Wirklichkeit“, schrieb die Reisende Müller.12 Erste Vorboten der Fremde waren die Einheimischen, die dem Dampfer in den Häfen oft entgegen ruderten oder schwammen. Von Station zu Station wirkten sie auf die Frauen exotischer, wie Missionsgehilfin Lindner berichtete: „Aden erreichten wir an einem Morgen um 6 Uhr, wie ich zum Kabinenfenster hinausguckte war das Schiff schon von verschiedenen Boten der Eingeborenen umringt, die Sachen feilboten. Später erzählte mir ein Fräulein, sie wurde dadurch aufgeweckt, daß ein schwarzer Krauskopf im Kabinenfenster erschien und ihr etwas zurief. Nun wurden die Menschen schon ziemlich dunkel und auch weniger bekleidet wie bis jetzt, man gewöhnt sich so nach und nach ganz gut an den Anblick.“13

Die Dampfer lagen mancherorts nur wenige Stunden im Hafen, die Aufenthalte konnten sich aber auch über mehrere Wochen erstrecken. Manchmal musste die Ankunft eines anderen Schiffes abgewartet werden, mit dem dann die Reise fortgesetzt wurde. In diesen Fällen quartierten sich die Reisenden an Land ein: Entweder mieteten sie sich ein Zimmer oder sie waren bei ortsansässigen Europäern zu Gast, wenn sich durch private oder berufliche Kontakte die Möglichkeit ergab.14 Missionsangehörige wurden meist von den jeweiligen Missionen vor Ort beherbergt.15 Während der Landgänge erkundeten die Reisenden die fremde Umgebung und machten Besorgungen. Bei diesen Gelegenheiten wurden zum Beispiel Kleidung für die Tropen und noch benötigte Möbel und andere Haushaltsgegenstände für das neue Zuhause angeschafft.16 Die katholischen Schwestern nutzten den Aufenthalt an Land, um dort Heilige Messen zu besuchen und die Kommunion zu empfangen,

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Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde. Die Südseereise 1913-1914, Köln 2008, S. 43-70, hier S. 58. Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6. Mathilde Lindner an den Missionsinspektor, Simbang, 17. Juni 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/13; vgl. Schw. Valeria an den Pater Superior, Berlinhafen, 7. Jan. 1900, AG SSpS, PNG 6202. Beispielsweise Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 7f, in Privatbesitz. Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Einträge vom 10. Nov. u. 1. Dez. 1909, in Privatbesitz; Schw. Valeria an den Pater Superior, Berlinhafen, 7. Jan. 1900 u. Schw. Philomena an den Pater Superior, Berlinhafen, 2. März 1902, AG SSpS, PNG 6202; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Adelaide, 27. Juni 1907, in: Chinas Millionen, 8. Jg. (1907), Nr. 9, S. 156; Abdruck eines Briefes von Schw. Emma Manteuffel, im Stillen Ozean, 10. Dez. 1909, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 3, S. 52. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 3 u. 8, in Privatbesitz; Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 4. Okt., 7. u. 19. Nov. 1908, in Privatbesitz.

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was ihnen an Bord mancher Schiffe nicht möglich war.17 Im Tagebuch der Gouverneursfrau Solf wird deutlich, dass ihr Mann und sie in allen angelaufenen Häfen gesellschaftliche Verpflichtungen hatten. So ist ihr Reisebericht über weite Strecken vor allem ein Bericht über die vielen Frühstücke, Brunchs, Lunchs, Tees, Dinners, Ausflüge und Kulturveranstaltungen, zu denen sie bei ihren Landgängen mit der jeweiligen lokalen Hautevolee verabredet waren.18 Entsprechend vermerkte die Gouverneursfrau, als sie nach einem sehr ausgefüllten, fast dreiwöchigen Aufenthalt in Sydney zurück an Bord kam, um die letzte Reiseetappe anzutreten, dass sie sich nun Ruhe wünsche.19 Während sich das Schiff dem Ziel der Reise näherte, ersehnten die Frauen ihre Ankunft in der Kolonie mit wachsender Spannung: „Immer aufgeregter wird das Herz – wie schaut wohl deine neue Heimat aus? Ist sie dem bis jetzt gesehenen gleich oder ähnlich? [...] Der Wunsch, das zu wissen wird immer stärker [...].“20 Unterwegs hatten die Reisenden wochenlang Zeit, sich diesen Moment auszumalen und wie er dann schließlich erlebt wurde, schilderten sie in den ersten Briefen aus der neuen Heimat in der Regel ausführlich; gerne wurde auch in Zeitschriften darüber berichtet. Antonie Brandeis beschrieb in der Deutschen Kolonialzeitung ihre Ankunft auf der Marshall-Insel Jaluit im Jahr 1898: „Rechts lagen kleine blumenkorbähnliche Inseln, links wurde ein Eingeborenendorf sichtbar. Plötzlich drehte das Schiff nach links, und vor uns lag die schöne im Sonnenglanze hellgrün schimmernde Lagune.“21 Noch an Bord des Schiffes wurden der Autorin zur Begrüßung „Bukette von tropischen Blumen“ überreicht.22 Emmy Müller, die einige Jahre in Neuguinea lebte, beschrieb den Leserinnen von Kolonie und Heimat ihre Ankunft in Herbertshöhe ebenfalls positiv: „Von all’ den bisherigen Eindrücken noch ganz erfüllt, doch angenehm überrascht, sehen wir vor uns ein leicht ansteigendes Land mit Palmenplantagen und zerstreut darin freundliche weisse Häuser.“23 17 Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Einträge vom 30. Okt. u. 21. Nov. 1909, in Privatbesitz; Schw. Valeria an den Pater Superior, Berlinhafen, 7. Jan. 1900, AG SSpS, PNG 6202. Ausführlich über die Reise der katholischen Steyler Missionsschwestern in das Missionsgebiet und die identitätsstiftende Bedeutung dieser Fahrt: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 47-104. 18 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 14. Sept.-22. Nov. 1908, in Privatbesitz. 19 Ebd., Eintrag vom 10. Nov. 1909, in Privatbesitz. 20 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6; siehe auch Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 18. April u. 4. Mai 1890, in Privatbesitz. 21 Brandeis, Antonie: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7. 22 Ebd. 23 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6.

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War die Ankunft eines Schiffes in den Südsee-Kolonien ohnehin schon immer ein besonderes Ereignis – das Abwechslung, Post, Waren, Passagiere und nicht zuletzt eisgekühltes Bier verhieß – so galt das besonders für das Schiff, das Gouverneur Solf nach seinem Heimaturlaub mit seiner frisch angetrauten Ehefrau zurück nach Samoa brachte. Dem Paar wurde ein festlicher Empfang in der Kolonie zuteil, wie ihn ähnlich wohl auch Gouverneur Hahl und seine Ehefrau bei der Ankunft in Neuguinea erlebten: Alle wichtigen Gebäude in Apia und die Bismarckbrücke waren beflaggt und als das Schiff, das die beiden nach Samoa brachte, in Sicht kam, wurden von der Lotsenstation aus drei Signalschüsse abgegeben.24 Johanna Solf notierte in ihr Tagebuch: „Von Weitem sah ich schon die Menschenmenge am Ufer v. Apia; weiße Anzüge, braune Gestalten – alles durcheinander. Alles mit Palmen u. Blumen geschmückt; selbst auf d. Türmen d. kath. Kathedrale wachsen Palmen. – Wir saßen in d. Gig ganz still u. erwartungsvoll.“25 Auch die Missionsstationen wurden festlich geschmückt, wenn es neue Geschwister in der Kolonie zu begrüßen galt.26 Die Ankunft einiger Schwestern der katholischen Mission vom Heiligen Geist auf der Station St. Michael in Neuguinea beschrieb der Kapitän des Schiffes, das sie in ihre neue Heimat brachte: „Die Schwesternschar steht auf dem Vordeck, als wir die recht schmale Einfahrt passieren, und begrüßt mit entzückten Ausrufen das wunderhübsche Bild ihrer zukünftigen Wirkungsstätte.“27 Schwester Angela von der Herz-Jesu-Mission schildert das herzliche Willkommen, das ihr und ihren Mitschwestern bei ihrer Ankunft in Vunapope bereitet wurde: „Kaum verkündete ein weithin vernehmbarer Kanonenschuss unsere Ankunft, als alles am Ufer rege wurde. [...] An der Landungsbrücke standen dicht gedrängt die Missionare, zwischen welchen sich unsere lieben Schwestern bald durcharbeiteten, um uns willkommen zu heißen. Die Kinder bildeten Spalier und wurden von unseren Schwestern und den uns bekannten französischen Schwestern Lidwina und Kunigunde in hübscher Ordnung erhalten. Ein herrlicher Begrüßungsjubel war überall vernehmbar [...].“28

Der erste Besuch der Schwestern galt der Missionskapelle, anschließend machten sich die Neuankömmlinge mit den Missionskindern bekannt, die ihnen ein Ständ-

24 Verfügung vom 12. Nov. 1908, Gouvernement Apia, ANZ(W), AGCA 6051/0454. 25 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 29. Nov. 1908, in Privatbesitz. 26 Minssen, Hans: Maschine Achtung! Leinen los! Zehn Jahre Führer des Reichspostdampfers „Manila“, Berlich 1944, S. 149. 27 Minssen, H.: Maschine Achtung!, S. 149. 28 Schw. Angela an das Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet.

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chen sangen.29 Manchmal wurden von der einheimischen Bevölkerung für diesen besonderen Anlass auch „großartige Tänze und Festlichkeiten“ vorbereitet.30 Zwar schildern auch die meisten Steyler Missionsschwestern ihre Ankunft im Missionsgebiet als glücklichen Moment für alle Beteiligten, wie aus Katharina Stornigs Recherchen hervorgeht.31 Besonders euphorische erste Briefe schrieben aber die katholischen Herz-Jesu-Schwestern. Vereinzelt finden sich Hinweise auf Heimweh, das sie beim Antritt der Reise packte, doch am Ziel wird dieser Schmerz für überwunden erklärt.32 Typischerweise wird die Freude über die Ankunft im „Land der Sehnsucht“ ähnlich ausgedrückt wie in diesem Brief von Schwester Angela aus Neuguinea:33 „Überglücklich und freudvoll sende ich Ihnen heute zum erstenmal meine herzlichsten Grüße aus dem heiß ersehnten Missionsgebiete [...].“34 Wie deutlich wird, hatten viele der Missionsangehörigen lange auf die Aussendung in die Fremde gehofft und äußerten sich daher nach ihrer Ankunft sehr glücklich darüber, nun endlich im Missionsgebiet für ihren Gott tätig sein zu dürfen, sahen sie darin doch die Erfüllung ihres Lebensziels.35 Das gilt allerdings in größerem Maß für die katholischen und evangelischen Missionsschwestern und –gehilfinnen als für die „Missionsbräute“. Während erstere sich gezielt und aus eigenem Antrieb

29 Ebd. 30 F. D. (ohne vollen Namen, Missionar v. hlst. Herzen): Abschiedsgruß, in: Monatshefte, 19. Jg. (1902), S. 460; Kleintitschen, August P.: Die Schwestern in der Mission, S. 138. 31 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 83. 32 Schw. Brigitta an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 31. Mai 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Philomena an das Mutterhaus, Vunapope, 26. Dez. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe / Reise-Berichte 1904-05“, unverzeichnet. 33 Schw. Dorothea MSC an die ehrwürdige Mutter, 19. März 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. 34 Schw. Angela an das Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; vgl. Schw. Sophia an das Mutterhaus, Vunapope, 19. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet; Schw. Dorothea an die ehrwürdige Mutter, 19. März 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 19021905“, unverzeichnet. 35 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 54; Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 26-28, 35 u. beispielsweise Schw. Anna an ihre Familie, Hiltrup, 7. Aug. 1902, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet; Schw. Stanisla an ihre Familie, Hiltrup, 6. April 1902, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. Ihr Glaube half auch den Liebenzeller Missionsschwestern über die Trennung von der Heimat hinweg, vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Emma Manteuffel, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 12, S. 230.

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für eine Tätigkeit in der Mission beworben hatten, waren die künftigen Missionarsfrauen, wie schon dargelegt wurde, nicht selten vom Brautwerben eines Missionars aus der Fremde überrascht worden und mussten sich teilweise erst an den Gedanken gewöhnen, ihm ins Missionsfeld zu folgen. Außerdem war der Abschied von Familien und Freunden für die „Missionsbräute“ bei ihrer Ankunft in der Kolonie noch frisch und schmerzte oft noch, während die Schwestern sich bereits mit dem Eintritt in die Missionsgesellschaft von ihren Angehörigen abgewandt hatten. Diese unterschiedlichen Begleitumstände der Ausreise spiegeln sich in den Briefen der Neuankömmlinge wider. Für die „Missionsbräute“ brachte die Ankunft nicht nur die erste Begegnung mit der neuen Heimat mit sich, sondern auch mit ihrem Bräutigam, den sie häufig bis dahin nur von Fotografien und aus einigen Briefen kannten. In Johanna Diehls Tagebuch wird dementsprechend besonders ihre Nervosität vor der ersten Begegnung mit ihrem Verlobten deutlich.36 Abgesehen davon beschreiben die evangelischen Missionsangehörigen ihre Ankunft ganz ähnlich wie die katholischen Schwestern: Die anderen Missionsgeschwister kamen für gewöhnlich an der Anlegestelle des Schiffes zusammen und freuten sich, die Neuankömmlinge nach der langen Reise wohlbehalten begrüßen zu können. Die Missionsstationen wurden zur Feier der Ankunft festlich geschmückt und manchmal trugen einheimische Schüler ein Begrüßungslied vor.37 Die Neuankömmlinge äußerten sich dankbar und erleichtert, gut am Ziel angekommen zu sein. Insgesamt berichten die Quellen also überwiegend positiv über die Ankunft in der neuen Heimat und die ersten Eindrücke, was allerdings weder bei den Veröffentlichungen in Kolonial-, Vereins- und Missionszeitschriften verwundert, noch bei den Briefen, die in die Heimat geschrieben wurden: In den Publikationen sollte für die Tätigkeit der Frauen im Kolonialgebiet geworben werden und es ist daher davon auszugehen, dass die Autorinnen ihre Erlebnisse entsprechend vorteilhaft darstellten. Die Briefe in die Heimat sollten sowohl Vorgesetzte zufriedenstellen als auch Angehörige und Freunde beruhigen; die Schreiberinnen wollten in den meisten Fällen wohl vor allem vermitteln: Ich bin heil angekommen und gut aufgehoben hier, sorgt euch nicht um mich! Doch auch in den vorliegenden Tagebüchern, die von diesen Intentionen nicht beeinflusst wurden, erscheint die Ankunft in bestem

36 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 3. Juli 1907, S. 2f. 37 Mathilde Lindner an den Missionsinspektor, Simbang, 17. Juni 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/13; Schmidt, Babette: Reisebericht, Band 3, Beschreibung der Ankunft am 15. Juli 1914, AMEW, Vorl. Nr. 5.213; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 3. Aug. 1907, in: Chinas Millionen, 8. Jg. (1907), Nr. 11, S. 188; Abdruck eines Briefes von Schw. Katharina Weichel an die Missionsleitung, Ponape, 20. Aug. 1908, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 12, S. 222; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber an die Missionsleitung, Truk in Sicht, 11. Dez. 1909, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 3, S. 52.

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Licht. So fand Johanna Solf Samoa so schön und interessant, dass sie fürchtete, es „nur halb so schön“ beschreiben zu können und Valesca Schultze fühlte sich wie in einem Traum, weil sie zukünftig in einem solchen „Paradies“ arbeiten durfte.38 Zwischen all den positiven oder sogar schwärmerischen Schilderungen finden sich jedoch einige Ausnahmen, die zeigen, dass die Landung im Kolonialgebiet für die Frauen auch emotional anstrengend und aufwühlend sein konnte. Das wird beispielsweise in einem Brief der Missionarsfrau Laura Becker deutlich. Sie schilderte ihren Angehörigen ihre gemischten Gefühle bei der Ankunft: „Eigentümliche Gefühle durchzogen mich, und ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Wie lange wirst du es aushalten in dem gefürchteten Land? Wird dein Weg kurz oder lang sein? [...] Am Strand wurden wir begrüßt von den Männern und Jungen. Frauen ließen sich nicht mehr blicken, weil es schon so spät war. Der Empfang tat mir so wohl, obwohl ich weiter nichts verstand als ‚oh Missis – oh Missis‘.“39

Ganz ähnlich beschrieb eine Maristen-Missionsschwester ihr anfängliches Unbehagen bei ihrer Ankunft in Samoa und die Sorgen beim Gedanken an die vor ihr liegende große Aufgabe.40 Auch auf Gretel Kuhn, die junge Ehefrau des Geschäftsführers der Neuguinea-Kompagnie, scheinen die vielen neuen Eindrücke bei ihrer Ankunft in Rabaul eher unangenehm gewirkt zu haben, wozu der erste Kontakt mit den Einheimischen beitrug, die Kuhn seltsamerweise (und anders als alle übrigen deutschen Frauen) stets als „Neger“ bezeichnete: „Wir gingen nun an Land und ich muß sagen, es waren zu viele Eindrücke, um sie alle auf einmal schildern zu können. Erst einmal war es natürlich die vollkommen fremde Umgebung – nur Neger und einige Chinesen. Dann waren eben alle Deutschen gekommen, um entweder Freunde zu begrüßen oder um das Verlangen nach einem kühlen Bier zu stillen. Am meisten verblüfften mich die Gerüche: erst mal die Kopra, dann die vielen Neger, und die Seeluft. All das bestürzte mich.“41

Wenn die Reisenden das Schiff verließen, musste sich die Realität an dem Bild messen lassen, dass die Frauen sich auf Grund der Schilderungen anderer von den Südseegebieten ausgemalt hatten. Dieser Abgleich der Wirklichkeit mit den eigenen 38 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 29. Nov. 1908, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 6. Mai 1890, in Privatbesitz. 39 Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 10. Nov. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 3. 40 Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Eintrag vom 18. Dez. 1909, in Privatbesitz. 41 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 18.

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Erwartungen beeinflusste die ersten Einschätzungen, die die Frauen schließlich zu Papier brachten. Während eine Maristen-Missionsschwester offenbar etwas enttäuscht über Samoa schrieb: „Ich habe es doch anders gefunden wie ich es mir vorgestellt habe. Es ist hier zwar schön, aber doch auch noch sehr eine Wildnis […]“42, berichtet eine Neuendettelsauer Missionarsschwester drei Wochen nach ihrer Ankunft in Neuguinea: „[...] ich habe mich bereits eingelebt und fühle mich wohl. Enttäuscht war ich in keiner Weise, eher angenehm überrascht.“43 Um Enttäuschungen zu vermeiden, wurde einer rheinischen „Missionsbraut“ von einem schon in Neuguinea stationierten Missionar empfohlen: „[...] machen Sie sich möglichst wenig Vorstellungen über die hiesigen Verhältnisse; lässt sich das aber nicht vermeiden, so ist es besser Sie stellen sich die hiesigen Verhältnisse etwas ungünstiger vor, als zu günstig.“44 Aus ähnlichen Gründen wurden die Steyler Missionsschwestern vor ihrer Ausreise gewarnt, sie sollten „sich keine großartigen Vorstellungen“ von ihrem Empfang machen:45 „Verschiedene Umstände können einen feierlichen Empfang unmöglich machen. Wenn z.B. die Nachricht von der Ankunft sich verspätet. Sind bei der Ankunft nicht gleich alle Schwestern zur Stelle, um die Ankömmlinge zu begrüßen, so suche man dies zu entschuldigen und denke nicht gleich, dass keine schwesterliche Liebe dort herrsche.“46

Katharina Stornigs Auswertung der ersten Briefe der Steyler Missionsschwestern aus der Fremde ergab, dass zwar die Mehrheit der Frauen das Zusammentreffen mit den Missionsgeschwistern vor Ort positiv schilderten, einige andere diesen Moment aber offenbar mit gemischten Gefühlen erlebten.47 Stornig hebt hervor, dass die Neuankömmlinge sich nicht nur an die fremden klimatischen und kulturellen Gegebenheiten anpassen, sondern vor allem ihren Platz in einem neuen sozialen Umfeld 42 Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Eintrag vom 18. Dez. 1909, in Privatbesitz. 43 Emilie Heumann in: Kirchliche Mitteilungen, 34. Jg. (1902), Nr. 10, S. 6. 44 G. Kunze an Bertha Huhsmann, Dampier, z.Zt. Siar, 4. Jan. 1894, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, RMG. Prov. 68, S. 45. 45 AG SSpS 034 Tg Varia (1,2,3,5) – Belehrungen für Missionarinnen, Punkt 1, zitiert nach einer Abschrift von Katharina Stornig. 46 Ebd. Die Situation, auf die die Schwestern hier vorbereitet werden sollten, erlebten beispielsweise die Maristen-Schwester Anastasia und ihre Mitreisenden bei ihrer Ankunft in Samoa tatsächlich: Nicht alle Schwestern an Land hatten die Ankunft ihres Schiffes bemerkt, das ohnehin erst ein bis zwei Tage später erwartet wurde. Daher warteten die Neuankömmlinge eine halbe Stunde lang vergeblich darauf, vom Schiff abgeholt zu werden, siehe Schw. Anastasia: Schiffsreise-Tagebuch, Abschrift, Eintrag vom 18. Dez. 1909, in Privatbesitz. 47 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 83f.

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finden mussten. Nicht immer war es für die Schwestern einfach, sich in die Gemeinschaft der Missionsgeschwister vor Ort zu integrieren. Erschwerend kam hinzu, dass den Schwestern oft erst einige Zeit nach der Ankunft auf der Hauptstation der Mission ihr endgültiger Bestimmungsort mitgeteilt wurde.48 Offenbar prägte die dadurch entstehende Unsicherheit die ersten Briefe einiger Steyler Schwestern in die Heimat deutlich, was in der Korrespondenz der Angehörigen anderer Missionen nicht so deutlich wurde. Allerdings finden sich auch in den Schriftzeugnissen der Liebenzeller Schwestern Passagen, wo sie die Trennung von lieb gewonnenen Kolleginnen bedauern, nachdem den Schwestern ihre unterschiedlichen endgültigen Bestimmungsorte zugewiesen wurden.49 Wie oben schon anklang, ist ein zentrales Thema in den meisten Berichten aus der neuen Heimat die erste Begegnung mit der indigenen Bevölkerung, die offensichtlich für beide Seiten spannend war: „Wir sahen uns die Leute an mit ebensoviel Interesse, wie sie uns anschauten“, kommentierte eine Liebenzeller Schwester das Zusammentreffen mit Bewohnern der Insel Nauru.50 Das Staunen über das Fremde wird auch in Gretel Kuhns Bericht über die Ankunft in FriedrichWilhelmshafen deutlich: „Natürlich hatten wir schon Farbige gesehen, aber Neger in solcher Anzahl, die sich freuten, dass da ein Schiff ankam, das war für mich neu und faszinierte mich sehr.“51 Beamtengattin Antonie Brandeis war anfangs wenig angetan von der indigenen Bevölkerung auf Jaluit: „Obwohl ich geneigt war, alles von der besten Seite anzusehen, denn nur dass Bewusstsein festen Boden unter den Füßen zu haben, machte es, dass ich über alles entzückt war, so kamen mir doch meine neuen Landsleute auf den ersten Blick recht stumpf und teilnahmslos vor. Bald erkannte ich jedoch, dass unter der anspruchslosen Außenseite ein prächtiges Innere verborgen lebte.“52

48 Ebd., S. 84f. Auch bei den Angehörigen anderer Missionen wurde oft erst vor Ort entschieden, wo sie eingesetzt werden sollten, so schrieb beispielsweise die Liebenzeller Schw. Clara kurz nach ihrer Ankunft in der Kolonie: „Wohin man mich stecken wird, weiß ich noch nicht, der Weg liegt dunkel vor mir, aber Sein leuchtendes Angesicht geht auf jedem einzelnen Schritt voraus.“, siehe: Schw. Clara an Pfarrer Coerper, Ponape, 7. Mai 1910, in ALM, Akte „Köster, Clara“. 49 Beispielsweise: Schw. Anna Schneider an Pfarrer Coerper, Tol, 9. Okt. 1912, ALM, Akte „Schneider, Anna“; Schw. Paula Krämer an Pfarrer Coerper, Truk, 24. Sept. 1912, ALM, Akte „Krämer, Paula“. 50 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling an die Missionsleitung, an Bord der Germania, 1. Aug. 1907, in: Chinas Millionen, 8. Jg. (1907), Nr. 11, S. 188. 51 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 16. 52 Brandeis, Antonie: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191.

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Diese Passage war 1902 in der Kolonialen Zeitschrift zu finden. Interessanterweise las sich Brandeis’ Schilderung der ersten Begegnung sechs Jahre später in der Deutschen Kolonialzeitung so: „So erlöst fühlte ich mich von allem Ungemach, dass mich alles an Land erfreute. Am Strande standen zahlreiche neugierige Eingeborene, alle mit so lächelnden freundlichen Mienen, dass ich die Bewohner der Marshallgruppe sofort lieb gewann, und mein Urteil hat sich im jahrelangen Verkehr mit ihnen nicht geändert.“53

Offensichtlich hatte die Verfasserin ihre anfängliche Skepsis gegenüber den Einheimischen verdrängt oder versuchte, ihre Ankunft in der Retrospektive zu idealisieren, womöglich auch um den Wünschen der Herausgeber Folge zu leisten. Von Anfang an begeistert über die Einheimischen äußert sich hingegen die für die London Missionary Society in Samoa tätige Valesca Schultze. Sie notierte kurz nach der Ankunft in ihr Tagebuch: „Was sind doch die Samoaner für liebe u. schöne Menschen. In kurzer Zeit war unser Schiff von Eingeborenen Canoes umringt gefüllt mit Samoanern. Talofa [...]! So rief es von allen Seiten. [...] Es ist ein feiner intelligenter Menschenschlag.“54 In Neuguinea machte die indigene Bevölkerung auf die meisten deutschen Frauen bei der ersten Begegnung vor allem einen „wilden“, oftmals sogar Furcht einflößenden Eindruck. Krankenschwester Lina Hafenreffer schrieb in die Heimat: „Meine neuen schwarzen Landsleute machten auf mich zuerst keinen guten Eindruck; mit ihren enormen Haarwülsten, den Körper stellenweise mit grellrother Farbe bemalt und einer Menge außergewöhnlichen Zierraten geschmückt, als da ist: Schweinzähne, einen Stab durch die Nase, Muscheln im Haar etc.“55

Eine Steyler Schwester empfand ganz ähnlich: „Aber wie sahen diese Menschen aus! Man musste sich allen Mut zusammennehmen, um vor diesen so wild aussehenden Leutchen nicht in Furcht und Angst zu geraten.“56 „Missionsbraut“ Vetter

53 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7. 54 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 6. Mai 1890, in Privatbesitz. „Talofa“ ist ein samoanischer Gruß. 55 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina, Stephansort, 16. Dez. 1898, in: Unter dem roten Kreuz, 10. Jg. (1899), Nr. 2, S. 11. 56 Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria an das Mutterhaus, in: Steyler Herz-Jesu-Bote, 28. Jg. (1900), Nr. 1, S. 9. Die Bezeichnung „Leutchen“ (auch „Leutlein“) für die einheimische Bevölkerung taucht im Übrigen auch in anderen Quellen immer wieder auf. Obwohl die Bezeichnung eine eher freundliche Konnotation hat, drückt der Diminutiv

7. A NKUNFT

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berichtete ihrer Schwester, es handle sich bei den Einheimischen „um recht verwilderte Burschen“, die „freilich etwas schauerlich“ aussähen; sie habe sich nach zwei Tagen aber an den Anblick gewöhnt.57 Den Missionsangehörigen war bewusst, wie entscheidend die erste Begegnung mit der einheimischen Bevölkerung für die zukünftigen Beziehungen und den Erfolg ihrer Arbeit war. Sie legten daher Wert darauf, sich bald nach der Ankunft bei den nahe der Missionsstation lebenden Einheimischen vorzustellen und versuchten dabei, den Grundstein für ein vertrauensvolles Verhältnis zu legen.58 So besuchte Johanna Diehl noch am Tag ihrer Ankunft auf der Station Bogadjim das nahe gelegene Dorf der Einheimischen, „um die Leutchen zu begrüßen, mit denen ich künftig meine Heimat teilen soll“.59 Der rheinische Missionar George schildert in einem Halbjahresbericht die „Antrittsbesuche“ seiner Frau. Die neue „Missis“ sei von den Einheimischen gespannt erwartet und ihre Ankunft bejubelt worden: „[...] welch ein Jubel löste sich aus, als sie die ‚Missis‘ erblickten! Aus allen Häusern kamen sie zusammen und unter ihnen Personen, die ich sonst noch gar nicht gesehen hatte. Sie führten uns zum Gottesdienstplatz, der schön gefegt war und bewirteten uns mit Kokosnüssen. Immer mehr Menschen kamen [...] Das tat alles die Missis! [...] G. seine Frau will ich sehen, so sagten sie, wenn sie kamen [...] und die neue Missis musste sich anschauen lassen.“60

George schreibt weiter, er und seine Frau hätten alle Bergdörfer im Umkreis von einer Stunde besucht, um den Erwartungen der Einheimischen gerecht zu werden und die Tour habe „einem Siegeszug“ geglichen. Überall sei seine Frau neugierig und freundlich empfangen worden und sie habe jeder Frau etwas Tabak geschenkt und ihr die Hand gereicht. Das habe seine Frau „gleich den Leuten etwas näher gebracht“ und ein „Vertrauensband“ geknüpft.61 Deutlich wird hier nicht nur, dass der Schreiber die Intention hat, die Aufnahme seiner Frau sehr positiv darzustellen, sondern auch die gute Auswirkung auf die Missionsarbeit, die er ihrer Anwesenheit beimisst: Seinem Brief zufolge vermochte es das Erscheinen seiner Frau, Personen

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auch hier aus, dass die Einheimischen nicht als gleichwertige Menschen ernst genommen, sondern eher wie Kinder behandelt wurden; siehe z.B. auch Des Meisters Ruf, 7. Jg. (1915), Nr. 2, S. 3. Justine Vetter an ihre Schwester, Bogadjim, 3. April 1899, in Privatbesitz. Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 10. Nov. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 3; I. Halbjahresbericht 1913 von Missionar George, Kurum, Juli 1913, RMG 2.163. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 18. Juli 1907, S. 16. I. Halbjahresbericht 1913 von Missionar George, Kurum, Juli 1913, RMG 2.163. Ebd.

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herbeizulocken, die der Missionar vorher noch nie gesehen hatte, und ein Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen. Obwohl leider keine Quellen von indigener Seite vorliegen, kann aus den in diesem Punkt übereinstimmenden Schilderungen von Missionsangehörigen und anderen Deutschen wohl geschlossen werden, dass die Einheimischen neugierig darauf waren, die deutschen Frauen kennenzulernen und sie freundlich aufnahmen. Das spiegelt sich in den entsprechend positiv ausfallenden Berichten über diese ersten Begegnungen wider. In den kurz nach der Ankunft verfassten Briefen schildern die Frauen für gewöhnlich nicht nur ihre Ankunft in der Kolonie und den Empfang durch die europäische und indigene Bevölkerung, sondern auch ihre neuen Wohnverhältnisse.

8.

Die Wohnsituation

Für die Frauen, die in den Südsee-Kolonien ankamen, war nicht nur der erste Eindruck von Land und Leuten anders als alles, was sie aus ihrer Heimat kannten. Auch an die neuen Wohnverhältnisse mussten sie sich erst gewöhnen. Die Anfänge der Europäerwohnstätten in der Südsee waren meist bescheidene Holzhäuschen, die nur wenig mit den Steinhäusern in der deutschen Heimat gemeinsam hatten. Besonders die Wohnverhältnisse auf den ersten Missionsstationen waren sehr einfach und häufig beengt. Im Steyler Missionsboten wurden diese Niederlassungen als „oft ungesunde und dumpfe Hütten“ beschrieben, „wo die liebe Armut nicht nur von Lattenwänden und aus dem sandigen Fußboden schaut, sondern wo sie auch das ganze Mobiliar gezimmert hat und den Herd verwaltet“.1 Bevor die Missionen in den Südseegebieten eigene Sägewerke aufgebaut hatten, wurden die Stationen meist aus vorgefertigten Holzkonstruktionen errichtet, die die Missionare per Schiff aus der Heimat importierten; teilweise musste aber, bevor der Bezug so eines „Europäerhauses“ möglich war, mit Konstruktionen aus einheimischem Baumaterial vorliebgenommen werden.2 So beschrieb eine Steyler Missionsschwester den Daheimgebliebenen das Haus, in dem sie von 1908 bis 1911 mit den anderen Schwestern lebte: „Unser vorläufiges, echt missionsmäßiges Häuslein sieht von außen fast aus wie ein großer Getreideschober. Es ist ungefähr ein Meter hoch über dem Boden auf Pfählen errichtet. [...] Der Fußboden besteht aus Betellatten; das Dach und die Außenwände sind aus Brettern gemacht. Die einzelnen Zimmerchen der Behausung sind durch die Stengel der Atapblätter voneinander getrennt. An Stelle der Türen befinden sich im Inneren des Hauses Vorhänge. Fensterputzen gehört nicht zu unseren Haushaltungsgeschäften; denn in den Fensteröffnungen sind bloß Bretterläden. So ist an unserem Ataphäuslein alles meist so, wie es aus dem Busch

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Zum 25jährigen Stiftungsfest der Steyler Missionsschwestern, in: Steyler Missionsbote, 42. Jg. (1914/15), Nr. 4, S. 56. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 186, 195, 198.

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kommt. Wer gerne eine luftige Zelle hat, der möge sich nur bei uns einfinden, denn schöne frische Seeluft kann von unten durch die Betellatten, von oben durch das Dach und von den Seiten her durch die schwachen Stengelwände in Menge einströmen.“3

Im Folgenden versuchte die Verfasserin ihre Leser zu unterhalten, indem sie von den Tücken berichtete, die mit der beschriebenen Bauweise einhergingen: Häufig versinke man mit den Stuhlbeinen versehentlich in den Fußbodenritzen oder müsse zwischen den Fußbodenlatten hindurch gefallene Gegenstände auf dem sandigen Boden unter dem Haus suchen. Die Küche neben dem Haus sei so niedrig, dass man den Kopf einziehen müsse, und da die Köchin auf dem sandigen Küchenboden nur mühselig vorwärts käme, dächte sie darüber nach, diesen mit Gras zu bepflanzen.4 Häufiger als diese recht exotisch wirkenden „Buschhäuser“ bewohnten die Missionsschwestern schlichte Holzhäuser, wie beispielsweise von Herz-Jesu-Schwester Anna geschildert: In einem Brief an ihre Familie beschrieb sie das neue Schwesternhaus der Station St. Paul. Es sei von einer Veranda umgeben und verfüge neben einem spärlich möblierten Fremdenzimmer, das zugleich als Speisezimmer für die Schwestern diene, noch über vier weitere Zimmer, von denen eines als Lagerraum und drei als Schlafzimmer genutzt würden.5 Die Unterkünfte der Schwestern waren Teil eines größeren Gesamtkomplexes. Auf den Missionsstationen befanden sich ebenso Räumlichkeiten für den Unterricht der Missionszöglinge und deren Schlafräume, die manchmal in einem separaten Gebäude, manchmal aber auch im Haus der Schwestern untergebracht waren. Außerdem gab es auf dem Gelände gewöhnlich verschiedene Wirtschaftsgebäude wie beispielsweise die Küche, das Waschhaus, Vorratsräume und Geflügelgehege, weiterhin einen Garten und eine Kapelle.6 Wie in obigem Zitat deutlich wurde, standen 3

4 5 6

Zitiert nach Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 186f; vgl. Stornig K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 198f. Betellatten sind wohl Latten, die aus der Betelpalme gefertigt wurden; Atap ist ein „in Deutsch-Neuguinea, hauptsächlich Kaiser-Wilhelmsland zum Dachdecken der Hütten gebrauchtes Material, gefertigt aus den Blättern von Sago-, Steinnuß-, Kokospalme oder Pandanus“, siehe: Schnee, H. (Hrsg.): Deutsches Kolonial-Lexikon, Band I, S. 92, 192; vgl. Schw. Cherubina: Geschichte der Station „Regina Angelorum“, Regina Angelorum, 7. Mai 1912, S. 2f, AG SSpS, PNG 6302. Zitiert nach Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 186f. Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. Beschreibungen von Missionsstationen der katholischen Schwestern: Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 11-14; Papua Neuguinea. Chronik, 1. Teil 1902– 1914, Eintrag vom 1. Nov. 1902 (Beschreibung der Station Vunapope), Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea –

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die Missionshäuser, wie die meisten Gebäude in den Südseegebieten, zum Schutz vor Schädlingen und Feuchtigkeit auf hohen Stelzen. Oft konnte man unter dem Haus sogar aufrecht stehen und den entstandenen überdachten Freiraum nutzen. Eine Herz-Jesu-Schwester berichtet beispielsweise, dass dort eine provisorische Kapelle eingerichtet wurde, bis ein eigenes Gotteshaus zur Verfügung stand.7 Die Unterkünfte der männlichen Missionsangehörigen lagen zwar in der Nähe der Schwesternstation, sollten aber idealerweise keinen Sichtkontakt erlauben. Um den Anforderungen an ein geregeltes Ordensleben gerecht zu werden, sollten die Schwestern möglichst wenig Kontakt zum anderen Geschlecht haben und sich von der Außenwelt isolieren.8 Eine Besonderheit des Ordenslebens im Missionsfeld war allerdings, dass die Stationen dennoch für die indigene Bevölkerung stets zugänglich bleiben sollten, so dass die Atmosphäre deutlich weniger still und kontemplativ als in den Klöstern der Heimat war: „Von Clausur kann hier keine Rede sein [...]“, wie Herz-Jesu-Schwester Agnes schrieb.9 Durch die für die Bevölkerung offen stehenden Türen kamen auch oft Tiere ins Haus der Schwestern und in die Kirche. Von der Missionsstation in Vunapope berichtete Schwester Clothilde, Hühner hinter dem Tabernakel und Katzen unter dem Altar seien keine Seltenheit.10

Chronik“, unverzeichnet; Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; „Ein Besuch auf Tumleo“ (nach Berichten der Missionare), in: Steyler Missionsbote, 30. Jg. (1902/03), Nr. 1, S. 13f; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 196, Fußnoten 87 und 89. 7 Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. Auch auf den evangelischen Missionsstationen nutzte man den Freiraum unter dem Haus. Eine rheinische Missionarsfrau berichtete, ihre Küche befände sich vorerst unter dem Missionshaus: Karoline Bergmann an ihre Familie, Siar, 6. April 1889, RMG 2.140.; vgl. auch Adolf Dassel an seine Schwiegereltern, Dampier, 2. Dez. 1893, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, RMG. Prov. 68, S. 37. Dassels Brief ist zu entnehmen, dass unter dem Missionshaus Vorräte gelagert werden, und dass das Geflügel dort seine Eiernester habe. 8 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 186, 196f, 201f, 204; Ludwig Couppé u. B. v. Lero: Prinzipien, welche die Beziehungen zwischen den Missionaren und den Schwestern bei der Ausübung der Werke der Mission regeln sollen, Vunapope, 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe 1911-41 / Statistiken / Berichte / Lebensbilder / Jubiläumsfeiern / Eingeborene Schwestern / Vulkanausbruch I.“, unverzeichnet. 9 Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 12; Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 186, 196, v.a. Fußnote 88. 10 Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 12.

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Die Ausstattung der Stationen war meist sehr einfach. Schwester Perboyre Neuß schrieb, es herrsche bei den Steylern „mehr oder weniger die apostolische Armut mit ihrem zahlreichen Gefolge von Mangel und Not der verschiedensten Art“, was sie mit der isolierten Lage der Stationen in Verbindung brachte:11 „Die Missionare und Schwestern sind fast von allem Verkehr mit der zivilisierten Welt abgeschnitten, so daß sie sich schwer und nur mit den größten Unkosten Gegenstände beschaffen können, die für die Bedürfnisse des Lebens notwendig sind.“12 Auch die HerzJesu-Schwestern berichten von bescheidenen Verhältnissen: Schwester Angela schrieb aus dem Missionsfeld, ihr Nachtlager bilde ein mit dürren Palmenblättern gefüllter Sack sowie ein hartes Kissen und auch die Ausstattung der Missionskapelle sei sehr ärmlich.13 Die Schilderungen der Herz-Jesu-Schwestern vermitteln einen Eindruck von dem Raummangel auf manchen Missionsstationen und dem engen Zusammenleben mit den Einheimischen: „Eines der selbstlosesten Opfer verlangte der Raummangel in den kleinen Wohnhäusern. Auf der Hauptstation war z.B. das Refektorium der Schwestern die Zentrale für den wichtigsten Betrieb. Hier aßen nicht nur die Schwestern – hier bügelten, nähten, stopften die Kanakenfrauen – spielten, schliefen und schrien die Säuglinge und Kleinkinder der Arbeiterinnen, die ihre Lieblinge selbstredend im gleichen Raum nährten und pflegten.“14

Bei allen Berichten der Missionsangehörigen über die oft widrigen Wohn- und Arbeitsbedingungen in der Südsee darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Verfasserinnen dazu entschlossen waren, für ihren Glauben Opfer zu bringen, und sich wohl entsprechend selbstlos darstellen wollten. Das gilt insbesondere für die katholischen Schwestern, die ein Leben in Armut gelobt hatten. Ihre Schriftzeugnisse vermitteln den Eindruck, dass sie alles Ungemach mit Freuden auf sich nahmen,

11 Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 185; vgl. Schw. Cherubina: Geschichte der Station „Regina Angelorum“, Regina Angelorum, 7. Mai 1912, S. 2f, AG SSpS, PNG 6302. 12 Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 185; zur Abgeschiedenheit und dem Mangel an infrastruktureller Anbindung der Schwesternstationen in Neuguinea siehe auch: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 199. 13 Schw. Angela an das Mutterhaus, Vunapope, März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet u. Schw. Angela an ihre Familie, St. Paul, März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet. 14 Zum silbernen Jubiläum der Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu auf New Britain, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe 1911-1941 / Statistiken / Berichte / Lebensbilder etc.“, unverzeichnet.

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um dadurch ihrer Vorstellung von einer guten Missionsschwester gerecht zu werden.15 So schrieb Herz-Jesu-Schwester Stanisla beispielsweise an ihre Familie: „Zwar erfordert der Missionsbereich Opfer, er bringt viele Schwierigkeiten mit sich, einige Schwierigkeiten und Leiden, an die man in Europa noch kaum denkt. Aber gerade weil das Missionsleben ein schweres Leben ist, deshalb ist es auch ein schönes Leben. Alles geschieht ja für den lieben Gott [...].“16

Durch das geduldige Ertragen aller irdischen Schwierigkeiten hofften die Schwestern für ihr Wohlergehen im Jenseits vorzusorgen: „Endlich muss man doch auch ein wenig fühlen, daß man Missionsschwester ist, sonst sieht es dereinst mit der himmlischen Krone nicht besonders glänzend aus“, meinte Schwester Angela.17 Ihre schlichten Wohnstätten und die spärlich eingerichteten Kapellen verglichen die Schwestern gerne mit dem Stall von Bethlehem; diese Parallele wurde sowohl in den von Stornig untersuchten Briefen der Steyler Schwestern, als auch in den vorliegenden Schriftzeugnissen der Herz-Jesu-Schwestern gezogen.18 Mit den Jahren entwickelten sich aus manch bescheidenen Anfängen aber stattliche Niederlassungen, was besonders für die Hauptstationen der Missionen galt, bei denen es sich um großzügige Anlagen mit zahlreichen Gebäuden und Werkstätten handelte.19 Wie aus den Quellen deutlich wird, konnte der Kontrast zwischen den gut ausgebauten, repräsentativen Hauptstationen und den deutlich einfacheren Nebenstationen offenbar ziemlich groß sein. Die evangelischen Missionarsfrauen und –gehilfinnen hatten zwar kein Armutsgelübde wie die katholischen Schwestern abgelegt,20 aber auch sie lebten vor allem in der Anfangszeit in bescheidenen Wohnverhältnissen. So beschrieb beispielsweise die junge Ehefrau des Rheinischen Missionars Arff die provisorische Unterkunft, die sie zunächst mit ihrem Mann bewohnte: 15 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 199-201. 16 Schw. Stanisla an ihre Familie, Jaluit, 21. Jan. 1903, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla aus dem Besitz der Familie“, Kopien, unverzeichnet. 17 Schw. Angela an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 10. Juni 1904, AHM, Ordner: „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet. 18 Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 199. 19 Vgl. beispielsweise eine Schilderung der Station St. Michael der Steyler Mission bei Alexishafen, in: Minssen, H.: Maschine Achtung!, S. 149; Beschreibung der Station Vunapope in: Monatshefte, 20. Jg. (1903), S. 204f. 20 Zu den Gelübden der Steyler Missionsschwestern: Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 26.

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„In einer Ecke der Hütte hatten wir ein Bett aufgeschlagen; daneben hing eine Hängematte, in der 3ten schlief der schwarze Junge und in der 4ten war die Küche, d. h. gekocht habe ich vor der Hütte auf dem Boden. Ein kleiner Koffer war unser Tisch und andere kleine Kästchen benutzten wir als Stühle.“21

Eine Liebenzeller Missionsschwester schrieb, ihre schlichte Unterkunft habe sie an ihr Puppenhaus erinnert.22 Bei der einfachen Bauweise der Häuser kam es immer wieder vor, dass Dach und Zimmerdecke starken Regengüssen nicht stand hielten und es den Bewohnern ins Bett regnete.23 Wie die katholischen entwickelten sich auch die evangelischen Missionsstationen im Laufe der Zeit von einfachen Missionshäuschen zu größeren Niederlassungen mit mehreren Gebäuden. Die Wohnhäuser, die nach den ersten provisorischen Unterkünften errichtet wurden, entsprachen in ihrer äußeren Gestaltung denen der übrigen Europäer in der Kolonie. Wie auf den katholischen Missionsstationen gab es auch auf den evangelischen verschiedene Wohn-, Schul- und Wirtschaftsräume sowie Gärten und Pflanzungen.24 In der Regel wurden die evangelischen Stationen hinsichtlich der Ausstattung aber von den katholischen übertroffen.25 Eine rheinische Missionarsfrau schrieb über die katholische Konkurrenz: „Wir haben gestaunt über die vielen Mitarbeiter. Man sieht, daß ihnen Millionen zur Verfügung stehen. Ein eigenes Sägewerk, Schmiede, Schlosserei und Schreinerei waren im Betrieb. [...] Sogar Ziegel machen sie selbst. Dazu kommt noch die endlose Kokosplantage [...]. Wie klein und unscheinbar ist dagegen unsere Mission!“26

21 Elli Arff an ihre Lieben, Bogadjim, 3. Aug. 1893, RMG 2.143. 22 Schw. Clara an Pfarrer Coerper, Ponape, 7. Mai 1910, ALM, Akte „Köster, Clara“. 23 Elisabeta Markert an den Missionsinspektor, Sattelberg, 21. Juni 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1; Vetter, J.: Tagebuch, S. 120, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 24 Vgl. beispielsweise: Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1; „Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln“, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 171 („Äußere Arbeiten“). 25 Hempenstall, P.: Europäische Missionsgesellschaften und christlicher Einfluß in der deutschen Südsee, S. 232. 26 Laura Becker an ihre Familie, Frühling 1911, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 29; ähnlich: Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 5. Dez. 1897, zitiert aus Privatbesitz.

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Abb. 11: Missionshaus Bogadjim / Neuguinea (ohne Jahr)27

Die Wohnsituation der Frauen, die nicht einer Mission angehörten, gestaltete sich je nach Beruf und sozialer Stellung etwas unterschiedlich. Vor allem in den Anfangsjahren der deutschen Kolonisierung dominierten einfache Holzbauten mit wenig Komfort. Die Krankenschwester Mathilde Knigge bemerkte über ihre ersten Wochen in Friedrich-Wilhelmshafen, sie fühle sich „wie in vorsintfluthliche Verhältnisse zurückversetzt“.28 Auch Frieda Zieschank schrieb, sie habe sich erst daran gewöhnen müssen, dass es in Apia keine Wasserleitungen gab und man Regenwasser nutzen musste.29 Obwohl ihr Mann Arzt war und somit zum gehobenen Bürgertum gerechnet werden kann,30 wohnte Zieschank anfangs mit ihrem Mann in seiner Dienstwohnung, die sie als „winzig kleines Häuschen mit zwei Zimmern, Vorderund Hinterveranda“ beschrieb.31 Die Inneneinrichtung schilderte sie als „echt junggesellenmäßig und dürftig“ und die äußeren Lebensverhältnisse in der Kolonie als „denkbar primitive“.32 Lage und Äußeres ihres Häuschens fand Zieschank dennoch „entzückend“.33

27 Quelle und Copyright: Archiv- und Museumsstiftung der VEM, Archivnummer 204-107. 28 Abdruck eines Briefes von Schw. Mathilde, Friedrich-Wilhelmshafen, 22. Dez. 1892, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1892), Nr. 2, S. 13. 29 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S.19. 30 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 48. 31 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 17f. 32 Ebd., S. 17f. 33 Ebd., S. 18.

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Wie die typischen Europäerhäuser in der Südsee aussahen, beschrieb die Pflanzersfrau Emmy Müller übereinstimmend mit vielen Schilderungen und Fotografien in der Kolonialpresse: „Das Haus, aus weissgestrichenem Holz mit Wellblechdach, besteht gewöhnlich aus drei Zimmern, die rings von einer breiten Veranda umgeben sind. Es ist auf Zementpfeilern aufgebaut, die das Eindringen der verderblichen weissen Ameisen erschweren soll […]. Zuweilen ist die Veranda, der wichtigste Bestandteil des Hauses, sogar mit Verzierungen und Schnitzereien geschmückt. Grosse Türen und Fenster (meist Jalousien) machen es recht luftig.“ 34

Etwas abseits vom Wohnhaus befanden sich die Nebengebäude, die als Wasch-, Bade- und Küchenräume dienten und im Gegensatz zum Haupthaus meist ebenerdig lagen. Häufig waren diese durch einen Gang mit dem Haupthaus verbunden.35 Abb. 12: Europäer-Wohnhaus auf „Neu-Mecklenburg“ (heute New Ireland)36

Wie Müller betonten auch Zieschank und die übrigen deutschen Frauen, das Leben spiele sich tagsüber ausschließlich auf der Veranda ab. Daher sei sie stets wohnlicher und schöner eingerichtet als die Zimmer.37 Noch wichtiger als eine luftige, 34 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 6, vgl. beispielsweise Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 7. Jg. (1894), Nr. 5, S. 64f; Schnabel, Ruth: Ein Missionarskind erzählt von Neuguinea, Neuendettelsau 1934, S. 5f; Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 19, in Privatbesitz (Schilderung ihres ersten Hauses); Ebert, P.: Südsee-Erinnerungen, S. 14f. 35 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 6; Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 1, S. 11; Ungenannte Verfasserin (wahrscheinlich Antonie Brandeis): Aus fernen Welten, in: Unter dem roten Kreuz, 8. Jg. (1897), Nr. 3, S. 24; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 7. Jg. (1894), Nr. 5, S. 64f. 36 Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910/11), Nr. 23, S. 8. 37 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 21.

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schattenspendende Veranda waren allerdings in den meisten Regionen die Wassertanks der Häuser, so etwa in der Hauptstadt Samoas: „[…] denn süßes Quell- oder Brunnenwasser giebt es in Apia ebenso wenig, wie an anderen Orten der Insel, und auch die Flüsse enthalten in ihrem unteren Lauf salzige Beimengung, und weiter oben versagen sie nicht selten. – Also ist man für die Niederschläge dankbar und leitet sie von den Wellblechdächern in Regentraufen nach den cubanischen Eisenbehältern, denen sie möglichst sparsam entnommen werden; denn in der trockenen Jahreszeit versiegen auch diese Quellen manchmal.“38

Den Quellen ist zu entnehmen, dass Wasser auch im mikronesischen Inselgebiet und dem Bismarck-Archipel ein knappes Gut war; so berichtet etwa Gretel Kuhn aus Rabaul: „Wasser ist wohl der rarste Artikel dort draußen gewesen. Man hat wohl ein paar Tanks, aber man war angewiesen auf den lieben Regengott, dass er immer wieder Wasser von oben fallen ließ.“39 Daher verfügte das großzügige Anwesen der Kuhns gleich über vier sehr große Wasserspeicher.40 Gretel Kuhn und ihr Mann hatten zunächst ein deutlich kleineres und schlichteres Holzhäuschen bewohnt, hatten aber nach der Beförderung Kurt Kuhns vom Prokurist zum Leiter der Neuguinea-Kompagnie die Villa seines Vorgängers übernommen.41 Sechs Zimmer, die „enorm groß und 4 m hoch waren“ lagen verteilt auf zwei Stockwerke, außerdem gab es eine gut ausgestattete große Küche und eine drei Meter breite Veranda.42 Nachträglich wurden noch zwei Gäste- und ein Plättzimmer eingebaut und die Veranda vorne um weitere zwei Meter verbreitert. Auf dem großen Gartengrundstück, das die Villa umgab, lagen außerdem Geflügel-, Schweine- und Pferdeställe sowie Bananen- und Ananaspflanzungen. Das Anwesen der Kuhns ist ein Beispiel für den luxuriösen Lebensstil, den einige deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien pflegten, deren Männer eine wichtige Position in Handel oder Politik innehatten. 38 Reinecke, Franz: Samoa, Berlin 1902, S. 215f. 39 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 19; siehe auch: Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 3. April 1905, zitiert aus Privatbesitz; Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 187. Von der Insel Nauru berichtete eine HerzJesu-Schwester, dass „alles Wasser auf der Insel mehr oder minder salzhaltig“ sei und die Regenwasservorräte oft zu schnell zur Neige gingen. Die Schwestern mussten sich in Notfällen aus einem nahen Wasserloch versorgen, in dem die Einheimischen auch sich selbst und ihre Kleider wuschen, siehe: Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, über Wassermangel klagte sie auch auf Jaluit am 21. Dez. 1902, beide Briefe: AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla (Kopien) aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. 40 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 36. 41 Ebd., S. 19, 34. 42 Ebd., S. 35f.

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Selbstverständlich lebten auch die Ehefrauen der Gouverneure als „first ladies“ der Kolonien in großzügigen und komfortabel ausgestatteten Villen. Ebenfalls als luxeriös beschrieb Arztgattin Zieschank das große Haus, das ihre Familie bei ihrem zweiten und längeren Aufenthalt in Samoa bewohnte.43 So weit ging Beamtengattin Antonie Brandeis zwar nicht, sie schilderte ihr Haus auf Jabwor aber immerhin als geräumig und „mit neuen guten Möbeln aus Hamburg“ ausgestattet. In der Küche gab es einen „großen englischen Herd“ und im Badehaus eine große Badewanne.44 Im vorliegenden Quellenmaterial überwiegen jedoch die Schilderungen des bescheidenen, aber behaglichen Heims – was mit dem bereits beschriebenen Rollenbild der bodenständigen und tüchtigen „Kolonialfrau“ sowie der genügsamen und fleißigen Missionarsfrau einhergeht.45 Die Wohnstätte in der Kolonie in ein gemütliches Zuhause zu verwandeln, wurde in zeitgenössischen Veröffentlichungen immer wieder als wichtige Aufgabe der deutschen Frauen hervorgehoben.46 Entsprechend freute sich Missionarsfrau Fellmann darauf, das Missionshaus ihrer Vorgänger, in das sie mit ihrem Mann einzog, zu putzen und nach ihrem Geschmack einzurichten.47 Zieschank berichtete, wie sie sich mit ihrem Mann nach ihrer Ankunft „mit Feuereifer“ darum bemühte, dem neuen Zuhause „einen behaglichen Anstrich“ zu geben.48 In ihrem Kolonialroman schreibt sie: „Keine Frau in der Heimat kann sich vorstellen, welche unendliche Freude es bereitet, sich im fernen Lande, mitten im Urwald, nach und nach sein Heim zu gestalten, aus Hässlichem, Nüchternem ein trauliches deutsches Nest zu schaffen.“49 Die Hausfrau sollte ihrem Mann und ihren Kindern durch das behagliche Zuhause auch fern vom Mutterland ein Stück deutsche Heimat bieten: „Jede einzelne Hausfrau, die draussen im fremden Lande ein deutsches Heim schafft, schafft ein

43 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 82f. 44 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7. 45 Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neuguinea, S. 3, 6f; vgl. Karoline Bergmann an ihre Tante, Siar, Mai 1892, RMG 2.140; Abdruck eines Briefes von Schw. Irmgard, Stephansort, 18. Sept. 1899, in: Unter dem roten Kreuz, 10. Jg. (1899), Nr. 11, S. 115; Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 8. 46 Zur Bedeutung des „deutschen Heims“ in den Kolonien siehe Reagin, Nancy R.: Sweeping the German Nation. Domesticity and National Identity in Germany 1870-1945, Cambridge 2007, S. 65-69; vgl. beispielsweise Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1913), Nr. 45, S. 8. 47 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Einträge vom 21. Feb. 1897, S. 30 u. 24. Feb. 1897, S. 32; ähnlich beispielsweise Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 21, in Privatbesitz. 48 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 19. 49 Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 124.

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Deutschland im Kleinen.“50 Noch ledige deutsche Kolonisten sollten die mit deutschen Frauen verheirateten Männer um ihr Zuhause beneiden und sich ein Beispiel an ihnen nehmen. Der gut organisierte und gastfreundliche Haushalt sollte also für die deutsche Kultur in den Kolonien werben und zugleich Keimzelle für ein sich weiterentwickelndes „Deutschtum“ sein.51 In Zieschanks Roman Ein verlorenes Paradies wird den Leserinnen durch die Protagonistin Martha verdeutlicht, welche Rolle die deutsche Frau in den Kolonien spielen sollte: Martha hat ihrem Mann ein gemütliches Zuhause eingerichtet und macht es zur Tradition, jeden Sonntag alleinstehende deutsche Pflanzer aus der Umgebung einzuladen, die allesamt „raue Burschen“ sind. Die Autorin erklärte: „Martha Uffrecht hatte die Kulturmission der deutschen Frau in ihrer ganzen Bedeutung erfasst und mit heiliger Freude stellte sie sich in ihren Dienst.“ Auf Grund der Besuche in Marthas Haushalt wandeln sich alle Männer sichtbar, ihre Erscheinung wird gepflegter und ihre Umgangsformen besser. Dann berichtet Zieschank von der „edelsten Wirkung“ der Besuche auf die Männer: Sie verlassen ihre samoanischen Frauen, denn „vor den Augen der deutschen Frau schämten sie sich, ihr bisheriges Leben fortzusetzen“.52 Die Männer, die aus den Südsee-Kolonien berichteten, zollten den Frauen für ihre hausfraulichen Qualitäten in der Fremde Respekt und zeigten sich dankbar. Richard Deeken, der sich nach ersten Erkundungsreisen durch die Südsee schließlich mit seiner deutschen Frau Else in Samoa niederließ, beschrieb in seinem Buch den „unschätzbare[n] Vorteil, ein glückliches deutsches Heim zu haben mit einer Frau, die Freud und Leid teilt und die mit ihrem praktischen Hausfrauensinn die Wirtschaft zusammenhält“.53 Der frisch verheiratete Missionar Eiffert berichtete in einem Brief stolz vom hausfraulichen Geschick seiner Angetrauten: „Sie hat aus einem Junggesellenhaushalt wieder ein ganz gemütliches Heim gemacht.“54 Auch der schon zitierte Kapitän des Reichspostdampfers Manila, der in Friedrich-Wilhelmshafen bei einer deutschen Familie zu Gast war, lobt die Kochkünste der Hausfrau und schwärmt: „Nie ist mir fahrendem Gesellen der Segen des eigenen Heims so klar vor Augen getreten wie bei den verheirateten Kolonisten, in jenen Häusern, die in ihrer stillen Behaglichkeit und Ordnung fern vom geschäftigen Treiben des Dampfertages verborgen liegen [...]. Alles unter-

50 Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 7. 51 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. 52 Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 152-156; vgl. Külz, L.: Zur Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 62. 53 Deeken, R.: Manuia Samoa, S. 188. 54 Georg Eiffert an den Missionsinspektor, Bogadjim, 21. Okt. 1913, RMG 2.159.

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steht den scharfen Augen der ‚Missis‘. Sie drückt dem ganzen Hauswesen ihren Stempel auf.“55

Bei der Einrichtung der Wohnhäuser mischten sich meist mitgebrachte deutsche Möbel mit vor Ort oder auf der Reise erworbenen Stücken aus Rattan. Auch einheimische Flechtmatten, Stoffe und Palmwedel wurden gerne zum Schmücken des Hauses verwandt, die deutsche Tradition sollte jedoch nicht zu kurz kommen: „Mullgardinen und blendend weisse Wäsche geben den Häusern das Gepräge eines deutschen Familienheims in der Südsee.“56 So erwähnt auch Johanna Diehl, dass sie im Schlafzimmer (wohl mitgebrachte) Gardinen aufgehängt habe, so dass sie jetzt immer „ein kleines Stück Heimat“ sehe, wenn sie es betrete.57 Außerdem wurden die Wände mit mitgebrachte Bildern und Fotografien der in der Heimat zurückgelassenen Lieben geschmückt.58 Zur Zierde des Hauses gehörte auch das Anlegen von Gärten, deren Erträge zudem für viele Haushalte eine notwendige Ergänzung des Speisezettels darstellten.59 Das üppige Wachsen und Gedeihen von zahlreichen Blumen und Früchten wird von den deutschen Frauen immer wieder gelobt. Angebaut wurden sowohl einheimische Pflanzen als auch deutsche, für die man Samen aus der Heimat importierte. Missionarsfrau Stürzenhofecker schreibt von der Station Ongga in Neuguinea: „Es ist eine wahre Lust zu sehen, wie alles gedeiht, Kohlrabi, Bohnen, Tomaten, rote Beete, ja sogar deutsche Kürbisse finden wir hier. Rot- und Weißkraut bekommen schon kleine Köpfchen...“60 Ebenso wie die Gärten diente die Haltung verschiedener Nutztiere der Lebensmittelversorgung: Puten, Enten, Hühner und Tauben lieferten Eier und Fleisch. Häufig wurden auch Pferde, Kühe und andere Tiere gehalten.61

55 Minssen, H.: Maschine Achtung!, S. 176f. 56 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 6; vgl. Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 7. Jg. (1894), Nr. 5, S. 64f ; Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 19. 57 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 30. Juli 1907, S. 20. 58 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 2, S. 21; vgl. Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, S. 94; Adolf Dassel an seine Schwiegereltern, Dampier, 2. Dez. 1893, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, RMG Prov. 68, S. 37. 59 beispielsweise Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 7; Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 20; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 207, 210-213. 60 Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1. 61 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 20; Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neu-Guinea, S. 20; Emilie Keyßer an ein Fräulein (Name nicht genannt), Sattelberg, 28. Aug. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4.

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Insgesamt wird der koloniale Haushalt in der Regel als ländlich beschrieben, was sich auf den Arbeitsalltag der Frauen auswirkte.62 Deutlich weniger Freiräume bei der Gestaltung ihres neuen Zuhauses als die bisher thematisierten Frauen hatten die Krankenschwestern, die per Vertrag vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien eine möblierte Unterkunft zugewiesen bekamen.63 Nicht immer entsprach die Realität vor Ort allerdings den vertraglichen Bestimmungen. So fand die Krankenschwester Lina Hafenreffer in Stephansort ein leeres Zimmer vor und schrieb an den Vorstand des Frauenvereins: „Leider machte ich erst hier die Erfahrung, daß ich mir eine ganze Zimmereinrichtung anschaffen muß; hätte ich das vorher gewusst, dann würde ich mir dieselbe schon in Singapoore bestellt haben. Nun muß ich noch ziemlich lange behelfen, und wohne einstweilen in einem ziemlich leeren Krankenzimmer.“64

Die Krankenschwestern, die als erste eine neue Station besetzten, mussten sogar oft bei ihrer Ankunft entdecken, dass die Klinik (und damit meist auch ihre Unterkunft) sich noch im Bau befand oder renoviert werden musste.65 Die ersten Krankenschwestern in Deutsch-Neuguinea, Auguste Hertzer und Hedwig Saul, konnten – nachdem sie zuerst bei der Missionarsfamilie Arff untergekommen waren – ein kleines Haus in Stephansort beziehen, das ursprünglich für den Arzt vorgesehen war. In diesem Haus befanden sich zwei „Stuben“ und zwei „Vorhallen“. Eine der Stuben sollte in Notfällen für Krankenbetten zur Verfügung stehen.66 Im zweiten Jahr ihres Aufenthaltes konnten die beiden Schwestern aus ihrem kleinen Häuschen in das ehemalige Reichskommissar-Gebäude umziehen, was Auguste Hertzer mit den Worten kommentierte: „Nun werden unsere Hospitals-Verhältnisse etwas menschlicher“, womit sie wohl den bisherigen Raummangel kritisierte.67 Nach dem

62 Beispielsweise Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 21; Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, Vorwort zur 2. Auflage, S. V. 63 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrsch. Aug. 1903, § 6. 64 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina, Stephansort, ohne Datum, in: Unter dem roten Kreuz, 9. Jg. (1898), Nr. 10, S. 84. 65 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, Einträge vom 3. Juli u. 2. Okt. 1892, in Privatbesitz; Abdruck eines Briefes von Schw. Mathilde aus Beliao, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 45; vgl. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 45. 66 Vgl. Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 9/10, S. 69. 67 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, Eintrag vom 19. Okt. 1892; Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 2, S. 12.

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Umzug schrieb sie, es sei ihr dennoch schwer gefallen, ihr „altes unbequemes Häuschen“ zu verlassen; nun fühle sie sich im neuen Zuhause aber sehr wohl:68 „Jede Schwester hat nun auch ein eignes Plätzchen und gemüthlich ist es auch. [...] Das Haus liegt auf einer kleinen Anhöhe und haben wir einen vollen Blick auf die See. Schöne Anlagen umgeben das Gebäude. Unser Küche und sonstigen Wirtschaftsräume entsprechen unseren Bedürfnissen und sind wir somit wunschlos.“69

Im Jahr 1901 wurde ein neues Hospital in Friedrich-Wilhelmshafen errichtet, das über zwei große und vier kleinere Zimmer verfügte. Eines der großen Zimmer war das Schwesternzimmer, das andere große und drei der kleineren wurden für die Unterbringung der Patienten genutzt, während das vierte kleinere Zimmer als Verbandsraum diente. Es handelte sich um ein Holzhaus, das auf Zementpfeilern ruhte. Neben dem Hospital befand sich ein großer Garten.70 Die Schwestern bemühten sich, nicht nur durch selbst angepflanztes Gemüse und Obst, sondern auch durch die Haltung von Geflügel den Speisezettel für Patienten und Personal des Krankenhauses aufzubessern. Auch um ein Ziegenpärchen bat eine Schwester den Vereinsvorstand in der Heimat, um Milch und Fleisch der Tiere zu nutzen.71 In Herbertshöhe wurde im Jahr 1904 die ehemalige Gouverneursresidenz in ein Europäerkrankenhaus umfunktioniert, das anfangs nur vier bis sechs Patienten aufnehmen konnte, nach einer Vergrößerung immerhin sieben. Die Krankenschwestern bewohnten hier ein separates kleines Haus, konnten von den Patienten aber Tag und Nacht über eine Klingel am Bett herbeigerufen werden.72 Nachdem der Regierungssitz im Jahr 1909 von Herbertshöhe nach Rabaul verlegt worden war, wurde dort zwei Jahre später eine neue Hospitalanlage eröffnet. Außer dem Haupthaus, in dem sechs Patienten beherbergt werden konnten, einem Operationsraum und einem Labor befanden sich auf dem Grundstück in mehreren separaten Gebäuden eine Küche, Lager- und Waschräume sowie die Unterkunft der Schwestern, die durch einen überdachten Weg mit dem Haupthaus verbunden war.73

68 Abdruck eines Briefes von Schw. Auguste, Stephansort, 9. Dez. 1892, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1892), Nr. 2, S. 12. 69 Ebd. 70 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 80f. 71 Abdruck eines Briefes von Schw. Mathilde aus Beliao, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 45; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Auguste aus FriedrichWilhelmshafen, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1894), Nr. 5, S. 36. 72 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 82. 73 Ebd., S. 84.

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Vergleichbar mit den beschriebenen Unterkünften der Schwestern in Neuguinea war auch ihre Wohnsituation auf der Marshall-Insel Jaluit und in Samoa.74 Das Krankenhaus in Apia, in dem auch die Schwestern ihre Zimmer hatten, zeigt unten stehende Fotografie. Hier stand den Schwestern nur wenig privater Raum zur Verfügung. Einem Schreiben des Regierungsarztes Poleck ist zu entnehmen, dass sich die beiden jüngsten Schwestern ein Zimmer teilen sollten, als sich die Schwesternzahl von zwei auf drei erhöhte.75 Abb. 13: Das ehemalige deutsche Krankenhaus in Apia / Samoa (2011)76

Ähnlich wie bei den Krankenschwestern wurde auch im Vertrag der beim Gouvernement angestellten Lehrerinnen und Stenographinnen festgelegt, dass der Arbeitgeber eine geeignete freie Unterkunft in der Kolonie zur Verfügung stellen oder eine entsprechende finanzielle Entschädigung leisten musste.77 Die Beamtinnen und Beamten in Samoa wurden nicht wie beispielsweise in Ostafrika in Wohnkasernen untergebracht und es standen auch nur wenige Dienstwohnungen zur Verfügung.78

74 Vgl. Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 18. 75 Regierungsarzt Dr. Poleck an das Gouvernement, Apia, 30. Juni 1909, ANZ(W), S3IG11-F9. 76 Eigene Aufnahme. 77 Vgl. z.B. Vertrag zwischen dem Auswärtigen Amt / KA und L. Schultze, London, 25. Mai 1903, ANZ(W), AGCA 6051/0141 u. Rose an Woedtke, 17. Juni 1906, MESC(AU), IG10-F2-IA62. 78 Gouverneur Solf an das Auswärtige Amt / KA, Apia, 1. Juni 1907, MESC(AU), IG13515-Vol.1-F4.

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Die Unterbringung in Hotels schien dem Gouvernement ebenfalls nicht wünschenswert, denn: „Die Beamten kommen dadurch, ohne dass sie es wollen, mit minderwertigen, dem Gouvernement lästigen Existenzen zusammen, was nicht im Interesse des Gouvernements liegt, und eine Schädigung für den Beamtengeist bedeutet“.79 Aus diesen Gründen bevorzugte der Gouverneur, dass die Beamten und Beamtinnen ihre Unterkunft frei wählten und für diese eine Mietentschädigung gezahlt bekamen (die allerdings allseits als unzureichend kritisiert wurde).80 Wie den Akten der Kolonialverwaltung Samoas zu entnehmen ist, gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Wohnort für die alleinstehenden Frauen im Regierungsdienst oft schwierig. Man wollte sichergehen, dass die Frauen keinem schlechten Umgang ausgesetzt waren und wenn möglich Anschluss an weibliche Gleichaltrige fanden.81 Aus diesem Grund wurden auch immer wieder Beamtinnen (beispielsweise die Stenographin Matthiessen und Regierungslehrerin Woedtke) im Regierungshospital einquartiert, wo sie in Gesellschaft der Schwestern leben und außerdem von der Spitalküche mitversorgt werden konnten.82 Häufig teilten sich auch zwei Frauen eine Unterkunft, um nicht einsam zu sein und vor allem die Mietkosten nicht alleine tragen zu müssen. So lebten beispielsweise Lehrerin Pfister und Stenographin Matthiessen zeitweise gemeinsam in einer Wohnung, die die Gouverneursfrau Solf als „so genannte ‚Villa Kiste‘“ bezeichnete.83 Daraus ist wohl zu schließen, dass es sich um eine kleine Unterkunft handelte – trotzdem konnte Pfister alleine die Mietkosten nicht mehr tragen, als Matthiessen die Kolonie verließ, und bat den Gouverneur daraufhin, ins Regierungshospital ziehen zu dürfen.84 Die wenigen Dienstwohnungen, die es in Samoa gab, waren unter den Beamten begehrt. Sie wurden offenbar mit Inventar vergeben, so dass man sich die Anschaf-

79 Bericht (Nummer nicht angegeben) des Gouvernements an den Staatssekretär des RKA auf den Erlass No. 305 vom 16. Juli 1910, MESC(AU), IG135-15-Vol.1-F4. 80 Gouverneur Solf an das Auswärtige Amt / KA, Apia, 1. Juni 1907 u. Bericht (Nummer nicht angegeben) des Gouvernements an den Staatssekretär des RKA auf den Erlass No. 305 vom 16. Juli 1910, MESC(AU), IG135-15-Vol.1-F4. 81 Vgl. Aktennotiz vom 31. Juli 1906, MESC(AU), IG10-F2-IA-62. 82 Bericht des Gouverneurs an das RKA, Apia, 28. Dez. 1908, MESC(AU), S3-IG11-F4; Regierungsarzt Dr. Poleck an Gouvernement, Apia, 30. Juni 1909, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa); Aktennotiz unter einem Brief von Hauptlehrer Damm an den Gouverneur, Apia, 12. Sept. 1906, MESC(AU), IG10-F2-IA-62. 83 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 12. Juli 1909, in Privatbesitz. 84 Pfister an den Gouverneur, Apia, 26. Juni 1909, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). Auch Ludovika Schultze wohnte zeitweise mit ihrer Schwester zusammen und kam daher mit weniger Geld aus, vgl. Aktennotiz vom 31. Juli 1906, MESC(AU), IG10-F2-IA-62.

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fungskosten für die Einrichtung sparen konnte.85 Als die Stenographin Mars aus der Dienstwohnung im Lotsengebäude auszog, in der sie gelebt hatte, solange der eigentliche Bewohner im Heimaturlaub war, teilte sie dem Gouverneur mit, sie stelle nun die Wohnung mit den darin enthaltenen Möbeln und Wäsche vom Gouvernement („ein Bett komplett, ein Tisch und fünf Stück Bettwäsche“) wieder zur Verfügung.86 Insgesamt ist dem Quellenmaterial zu entnehmen, dass die angestellten Frauen – im Gegensatz zu den meisten verheirateten Frauen – ihre Unterkunft während ihrer Dienstzeit häufiger wechselten und dass sie wenige Möglichkeiten hatten, sich ein Zuhause nach ihren Vorstellungen zu gestalten. Auch die reisenden Frauen wechselten naturgemäß häufig ihren Aufenthaltsund Schlafplatz und griffen dabei auf verschiedenste Unterkünfte zurück. Das Botaniker-Paar Lily und Karl Rechinger nahm zwar während seines fast viermonatigen Aufenthalts in Samoa an Land Quartier, die weitere Reise über kehrten Rechingers aber abends regelmäßig an Bord ihres Schiffes zurück und verbrachten dort die Nacht. Tagsüber ließen sie sich an verschiedenen Punkten der Küste Neuguineas und der Salomonen zu Ausflügen ins Landesinnere absetzen. Dort blieben sie also stets Touristen und wohnten nie unter der ansässigen Bevölkerung.87 Anders stellte sich die Wohnsituation von Elisabeth Krämer-Bannow und ihrem Mann dar: Sie hatten großes Interesse daran, in engem Kontakt mit der indigenen Bevölkerung zu stehen, um die ethnologische Feldforschung vorantreiben zu können. So lag die Expeditions-Station Muliama auch in der direkten Nähe einiger Dörfer der Einheimischen. Elisabeth Krämer-Bannow wohnte in Muliama mit ihrem Mann in einer sehr kleinen Hütte, mit einem losen Bretterboden, einem harten Bett und einem undichten Blätterdach. Da die Station von Urwald umgeben war, fand sie häufig Insekten in ihrem Bett, doch sie betont: „Das alles klingt ungemütlich, und doch habe ich mich sehr bald eingewöhnt, und nach den nötigsten Reparaturen fühlte ich mich in dem winzigen Heim sogar behaglich und glücklich.“88 Auf der Station lebten auch über 20 „schwarze Jungen aus allen Teilen des Schutzgebie-

85 Allerdings musste wohl teilweise für die Möbel eine Art Nutzungsgebühr gezahlt werden, vgl. Gouverneur an Auswärtiges Amt / KA, Apia, 1. Juni 1907, MESC(AU), IG135-15Vol.1-F4. Aus dem Schreiben geht auch hervor, dass es zu diesem Zeitpunkt zehn Dienstwohnungen gab, von denen aber nur vier beibehalten werden sollten, da der Gouverneur das System der „Mietsentschädigungen“ bei freier Wohnungswahl für sinnvoller hielt. 86 Mars an den Gouverneur, 4. Jan. 1912, MESC(AU), S3-IG11-F3. 87 Rechinger, L. u. K.: Streifzüge durch Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln, beispielsweise S. 19; vgl. Rechinger, L. u. K.: Bericht über eine naturwissenschaftliche Reise nach den Samoa- und Salomons-Inseln, in: Deutsches Kolonialblatt, 17. Jg. (1906), Nr. 17, S. 574f. 88 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 8, 15.

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tes“, die als Arbeitshilfen und zum Schutz der Expedition dienten.89 Außer den Hütten der Einheimischen gehörten auch Geräteschuppen, ein kleiner Garten und Geflügel zur Station, so dass sie „fast ein kleines Dorf zu nennen“ war.90 Auch beim zweiten Expeditionslager Lámasong legte Krämer-Bannow einen Garten an.91 Von den Stationen aus unternahmen Krämers häufig mehrtägige Ausflüge in die Umgebung, bei denen sie nachts meist direkt in den Dörfern der Einheimischen Quartier bezogen, beispielsweise auf dem Boden eines Männerhauses. Obwohl dort nachts Ameisen und Ratten den Schlaf störten, schrieb Krämer-Bannow: „Das Ganze entbehrte nicht einer gewissen, romantischen Behaglichkeit, und ich war über meinen gestörten Schlaf nicht böse.“92 Manchmal übernachteten die Expeditionsteilnehmer auch auf Missionsstationen oder bei Privatleuten.93 Auch Ada Nolde, Gertrud Arnthal und die übrigen Mitglieder der medizinischdemographischen Expedition des Reichskolonialamtes waren in wechselnden, teilweise provisorischen Unterkünften untergebracht: In Rabaul schliefen sie im Krankenhaus und in Pitapaka in der Baracke der sich im Bau befindlichen „Telefunkenstation“, über deren Einrichtung Ada Nolde schrieb: „Unsere Feldbetten mit ganzer Einrichtung hatten wir mit und Conserven und chinesischen Koch und eine grosse Kiste mit Geschirr aus Alluminium.“94 In Käwieng fanden sie im Haus des Bezirksamtmanns Stübel und seiner Frau Unterkunft und Erholung von den Strapazen der vorangegangenen Wochen.95 Besucher wie diese Expeditionsteilnehmer wurden in den einsam gelegenen Südsee-Kolonien für gewöhnlich als willkommene Abwechslung im kolonialen Alltag betrachtet, auch wenn sie den Hausfrauen viel Arbeit bescherten. Wie sich der Alltag der deutschen Frauen in den Kolonien ansonsten gestaltete, soll im Folgenden dargestellt werden.

89 Ebd., S. 10. 90 Ebd., S. 10f. 91 Ebd., S. 91; vgl. 12. Bericht der Deutschen Marine-Expedition, Januar-Ende März 1909, in: BArch, R1001/2370. 92 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 56; vgl. 12. Bericht der Deutschen Marine-Expedition, Januar-Ende März 1909, in: BArch, R1001/2370. 93 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 64, 75. 94 Reuther, M. / Nolde Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde, S. 61. 95 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 87.

9.

Berufsbilder und Alltagsgestaltung

Welchen Tätigkeiten gingen die deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien nach, welche Anforderungen und Pflichten hatten sie dabei zu erfüllen? Wie gestaltete sich ihre Freizeit? Diese Aspekte des Alltagslebens sollen nun einer genaueren Betrachtung unterzogen werden. Hierzu werden die Frauen nach eigenen Berufen oder denen ihrer Ehemänner in Gruppen eingeteilt, wobei sich die Auswahl dieser Berufsgruppen an der Einteilung der Bevölkerungsstatistiken in den offiziellen Jahresberichten orientiert. Es ist allerdings zu beachten, dass in der Realität die einzelnen Kategorien nicht immer so scharf voneinander zu trennen waren und Überschneidungen zwischen den einzelnen Tätigkeitsfeldern vorkamen. So waren beispielsweise viele der Frauen im Dienst einer Mission auch als Krankenschwestern oder Lehrerinnen tätig; diese werden im Folgenden jedoch wie in der obigen Statistik zur Gruppe der Missionsangehörigen gerechnet. In einem Fall arbeitete die Ehefrau eines Beamten als Regierungslehrerin, so dass sie zugleich die Rolle der Beamtengattin und der Lehrerin erfüllte.1 In der Regel beendete die Heirat jedoch die Berufstätigkeit der Frau, so dass sich dann auch ihre Aufgaben und ihr Rollenbild wandelten. Trotz dieser fließenden Grenzen ist die Einteilung in die verschiedenen Frauengruppen dienlich, um sich den durch die jeweiligen Berufsbilder und die damit verbundene soziale Stellung geprägten Alltag dieser Frauen näher anzusehen. Zunächst werden die größten Gruppen der Missionsangehörigen sowie der Ehefrauen von Pflanzern und anderen Privatleuten thematisiert, dann wird auf die weniger stark vertretenen Ehefrauen von Beamten, die Krankenschwestern, Lehrerinnen und andere selbstständige Frauen, zuletzt auf die Reisenden eingegangen.

1

Bei der erwähnten Ausnahme handelt es sich um die in Apia unterrichtende Frieda Woedtke, die den Bezirksrichter Imhoff heiratete und dennoch weiter im Dienst blieb, vgl. Personalakte MESC(AU), IG10-F2-IA-62.

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Tab. 2: Weibliche deutsche Bevölkerung über 15 Jahre nach Familienstand und Tätigkeit (Stand: 1. Jan. 1913)2

Missionsangehörige

Pflegeschwestern

Lehrerinnen

Sonstige

Gesamt

Kaiser-Wilhelmsland Ostkarolinen, Marschall-Inseln und Nauru Westkarolinen, Palau und Marianen

Privaten

Bismarck-Archipel und Salomo-Inseln

Geistlichen und Missionaren

Samoa Neuguinea (gesamtes Schutzgebiet)

Ledige und verwitwete Frauen

Regierungsbeamten

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9.1 M ISSIONSANGEHÖRIGE Bei der großen Gruppe der Missionsangehörigen ist zwischen den evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern einerseits und den katholischen Missionsschwestern andererseits zu unterscheiden. Ihnen allen gemeinsam ist ein arbeitsreicher Alltag im Dienste ihres Glaubens, der mit einem entsprechenden Selbstbild einherging, wie in einer Bemerkung einer Liebenzeller Missionsschwester bildlich wird: „Der Herr braucht Ackergäule keine Paradepferde.“3

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Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1912/13, Statistischer Teil, S. 2835. Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster an die Missionsleitung, 22. Nov. 1910, in: Der Missionsbote aus der Deutschen Südsee, 4. Jg. (1911), Nr. 3/4, S. 28.

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9.1.1 Evangelische Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern Auf den Alltag der Missionarsfrauen wurde eine vor der Aussendung stehende „Missionsbraut“ der Rheinischen Mission durch einen Brief aus dem Feld folgendermaßen vorbereitet: „Vor allem stellen Sie sich nicht vor, daß das Missionsleben in lauter Evangeliumspredigen besteht, sondern auch aus vielen äußeren Arbeiten und auch aus vielen Kleinigkeiten; und besonders eine Missionarsfrau findet reichlich Gelegenheit die Treue im Geringen u. Kleinen zu üben, nur wenn sie willig ist, das zu lernen, erfährt sie es auch, daß sie der Herr in aller Stille doch Großes wirken lässt, sie wird es erfahren, daß der Einfluss stiller Thaten weiter reicht als der Einfluß lauter Worte.“4

So wie in diesem Brief wird auch im übrigen Quellenmaterial immer wieder betont, dass die verdienstvolle Arbeit der Missionarsfrauen in „stillen Taten“ bestehe.5 Sie dienten der Mission vor allem unterstützend und indirekt, wie eine Neuendettelsauer Missionarsfrau selbst schrieb: „Wenn wir Frauen uns auch selten direkt an dem Friedenswerk unserer Männer beteiligen dürfen, so können wir doch viel indirekt tun, und wir dürfen es miterleben u. sehen, wie der Herr unsere Arbeit segnet und die Herzen der Schwarzen zu sich lenkt.“6 Die Missionarsfrauen hatten keine offiziell vorgeschriebene Aufgabe im Missionswerk, keinen Vertrag zu erfüllen und entsprechend wurden ihre Erfolge kaum in den offiziellen Jahresberichten dokumentiert. Als Gehilfin ihres Mannes tritt die Missionarsfrau in den Quellen hinter diesem zurück. Dennoch war ihre Tätigkeit für eine erfolgreiche Missionierung unverzichtbar. Die Schriftzeugnisse lassen ein klares Rollenbild erkennen: Missionarsfrauen sollten ihre Männer bei der Missionierung der einheimischen Bevölkerung vor allem dadurch unterstützen, dass sie ihnen den Alltag erleichterten und für sie sorgten.7 In erster Linie waren die Missionarsfrauen für das Wohl ihrer

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Missionar Kunze an Bertha Huhsmann, Siar, 4. Jan. 1894, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, RMG. Prov. 68, S. 45. So ist auch bei Brockhaus von der „stillen und verborgenen Arbeit“ der Missionarsfrau die Rede, vgl. Seminarlehrerin Brockhaus: Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 33-48, hier S. 36; vgl. auch Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 159f; vgl. Keim, C.: Frauenmission und Frauenemanzipation, S. 104. Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. Der Missionswissenschaftler Gustav Werneck pries die Anwesenheit einer Frau im Missionshaushalt mit den Worten: „Welch segensreichen Einfluss übt sie schon dadurch,

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Familie und den Stationshaushalt zuständig. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie fleißig waren und hart arbeiten konnten, ohne sich zu beklagen.8 Dabei sollten sie den Einheimischen den Alltag der christlichen Ehefrau, Hausfrau und Mutter vorleben.9 Das zu erfüllende Ideal war „eine Missionsstätte, die ohne Worte eine Predigt ist, welche unmittelbar durch Anschauung wirkt“.10 Missionarsfrau Brockhaus betonte in dem Artikel Die Frau und die Mission, der im Jahr 1919 in den Missionspädagogischen Blättern erschien, die große Bedeutung dieser Vorbildfunktion: „Welch einen erzieherischen Einfluß das christliche Familienleben der Missionarsfamilie ausübt, ist kaum zu sagen. Da wird den Heiden anschaulich vorgeführt, daß Mann und Frau gleichwertig mit- und nebeneinander arbeiten, eins das andere stützend, tragend, fördernd. [...] Zum erstenmal sehen die Heiden Ordnung und Sauberkeit in einem Haushalt, merken sie etwas von Kinder- und Körperpflege. Sie fangen an auf sich zu achten, und ahmen nach, was sie beobachtet haben.“11

Dass sie mit ihrem eigenen Handeln ein gutes Beispiel geben sollten, hatten die Frauen offenbar ganz verinnerlicht. Für die Neuendettelsauer Missionarsfrau Elisabeth Pilhofer war dieser Aspekt prägend bei der Erziehung ihres Sohnes Ottmar, wie sie an ihre Freundin und Kollegin Babette Schmidt12 schrieb: „Bei der Erziehung von Ottmar stehen mir zwei Hauptgedanken vor Augen 1., dass etwas Ordentliches aus ihm wird, u. 2. wie kann ich den Schwarzen ein gutes Beispiel von Kinder-

dass sie ihrem Manne in der Fremde ein behagliches Heim bereitet, indem er sich wohlfühlt, erholt und Pflege findet, dass sie ihm in der Einsamkeit eine Genossin ist, mit der er alles teilen kann, die ihn versteht, ermutigt, erheitert!“, zitiert nach Prodolliet, S.: „Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber“, S. 36. 8 Ebd.; zu den erwünschten Eigenschaften einer Missionsfrau siehe auch: Konrad, D.: Missionsbräute, S. 50; vgl. Töpperwien, A.: Seine „Gehülfin“, S. 28-30. 9 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 159; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 179; Prodolliet, S.: Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber, S. 41; vgl. Langmore, Diane: The object lesson of a civilised, Christian home, in: Jolly, Margaret / Macintyre, Martha (Hrsg.): Family and Gender in the Pacific. Domestic contradictions and the colonial impact, Cambridge 1989, S. 84-94, hier S. 85. 10 Zitiert nach Prodolliet, S.: Wider die Schamlosigkeit und das Elend der heidnischen Weiber, S. 43. 11 Seminarlehrerin Brockhaus: Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 36f. 12 Zu Babette Schmidt siehe: Mettler-Frercks, Beatrix: Babette Schuster, geb. Schmidt. Erster Weltkrieg, in: Jahnel, Claudia (Hrsg.): Mi stori. Frauen erzählen Geschichte, Neuendettelsau 2012, S. 82-99.

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erziehung geben. – Weißt du noch wie mein Mann [...] sagte, dass alles Reden nichts geholfen habe. Erst als die Schüler an Ottmar sahen wie ein Kind gedeiht bei regelmäßiger u. ordentlicher Pflege, da versuchten sie es bei ihren Kindern auch.“13

Die Missionarsfrauen waren aber nicht nur für ihren Haushalt und ihre Familie, sondern auch für die Betreuung der einheimischen Frauen und Kinder zuständig, kümmerten sich um Kranke und Wöchnerinnen, gaben Unterricht und Handarbeitskurse, arbeiteten gegebenenfalls im Stationsladen mit und versorgten die Missionsstation in der Abwesenheit ihrer Ehemänner.14 Bei diesen Tätigkeiten kamen sie in engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung. Dieser Aspekt war für den Alltag der Missionsangehörigen sehr prägend, wird aber hier nicht weiter ausgeführt, da die Beziehungen zu den Einheimischen in einem gesonderten Kapitel untersucht werden.15 Für das Verhältnis zwischen Missionar und indigener Bevölkerung war es jedenfalls von großem Wert, wenn der Missionar verheiratet war, da er so als weniger bedrohlich empfunden und offenbar leichter akzeptiert wurde: „Die bloße Anwesenheit der Missionarsfrau öffnet in heidnischen Ländern dem Missionar oft den Weg zum Herzen der Leute. Jetzt wird der Mann erst voll angesehen und gewertet, jetzt erst kommt man ihm mit Vertrauen entgegen. Nun dürfen auch die Frauen auf die Station kommen, von der man sie bisher ängstlich ferngehalten hat.“16

Besonders aufschlussreiche Quellen, um mehr über das Alltagsleben der Missionarsfrauen in der Südsee zu erfahren, sind – neben den zahlreichen, meist sehr langen Briefen der Missionsangehörigen – die schon erwähnten Tagebücher der Missi13 Elisabeth Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 15. Juni 1917, in Privatbesitz; vgl. auch Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 6. Juli 1907, S. 7: „Möge der Herr durch seinen Geist mir Gnade geben, dass ich Sein Bild den lieben Armen vorlebe [...].“ 14 Pilhofer, G.: Geschichte der Neuendettelsauer Mission in Neuguinea, S. 221; Konrad, D.: Missionsbräute, S. 54; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 160; Seminarlehrerin Brockhaus: Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 33-48; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Wiese an die Missionsleitung, Ponape, 6. April 1910, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 8, S. 160; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt an die Missionsleitung, Ponape, Sept. 1910, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911), Nr. 2, S. 43; Abdruck eines Briefes von Schw. Käthe Seibold, Ponape, 24. Sept. 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 12, S. 301; Lehrer Barschdorff: Überblick über das Fortbildungswesen im Schutzgebiet Deutsch Neuguinea, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 6. Jg. (1914), Nr. 7, S. 19. 15 Vgl. Kapitel 13.3. 16 Seminarlehrerin Brockhaus: Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 36.

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onarsfrauen Johanna Diehl (Rheinische Mission), Johanna Fellmann (Wesleyanische Methodisten) und Justine Vetter (Neuendettelsauer Mission).17 Daher wird auf diese Frauen im Folgenden immer wieder Bezug genommen; sie stehen stellvertretend für die vielen anderen Missionarsfrauen, deren Berichte hier natürlich ebenfalls einfließen. Johanna Diehl dokumentiert in ihrem Tagebuch ihre zahlreichen hausfraulichen Verpflichtungen. Wie auf den Missionsstationen üblich, hatte sie zwar mehrere indigene Haushaltshilfen, hatte diese aber nicht nur zu beaufsichtigten, sondern arbeitete gemeinsam mit ihnen. Ihre Tage waren ausgefüllt mit Kochen, Backen, Putzen und dem Versorgen von Geflügel und Garten. Man muss sich vor Augen führen, dass zur damaligen Zeit, besonders in der meist isolierten Lage der Missionsstationen, die Tätigkeit einer Hausfrau noch weit mehr umfasste, als man heute darunter subsumieren würde: Johanna Diehl buk auch selbst Brot, stellte Senf und Fleischkonserven her und kochte Gemüse und Säfte ein, butterte selbst, nähte Kleider, fertigte die Babyausstattung und eine Matratze für ihre kleine Tochter selbst an und vieles mehr.18 Über diese vielfältigen Anforderungen schrieb sie in ihr Tagebuch: „Ja, hier muss man alles können, schade, dass ich nicht die Schusterei noch erlernt habe. Die Kunst könnte ich auch noch verwerten“.19 Auch die Liebenzeller Missionsschwester Klara Köster berichtete in die Heimat: „Die Pflichten einer Hausfrau sind hier draußen mannigfaltig [...].“20 Aber selbst alltägliche Aufgaben wie die Zubereitung der Mahlzeiten brachten im Missionsfeld neue Herausforderungen mit sich. Es gab viele den Frauen unbekannte Lebensmittel in den Südsee-Kolonien; anderes, was in der Heimat selbstverständlich war (etwa Kartoffeln), konnte man mancherorts weder anbauen noch kaufen. Mit den Vorräten musste sparsam umgegangen werden und dennoch sollte möglichst gesund und abwechslungsreich gekocht werden. Zudem waren Küche und Kochgeschirr oft sehr einfach. Die Missionarsfrau Emilie Decker berichtet von diesen Schwierigkeiten: „Kommt man zuerst ins Land und es heißt: nun kochen! Da ist man wirklich in Verlegenheit, zumal wenn kein Gemüsegarten da ist, Dosen soll man auch nicht zuviel aufmachen. Ich erinnere mich noch gut wie ich damals in der Vorratskammer stand und sah weiter nichts als

17 Vgl. Kapitel 1.3; zur Analyse dieser Tagebücher siehe auch Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionarsfrauen in Britisch- und DeutschNeuguinea, bes. S. 69-125. 18 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, beispielsweise Eintrag vom 30. April 1908, S. 46f. 19 Ebd., Eintrag vom 14. März 1908, S. 40. 20 Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster, Oa, 19. Sept. 1910, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 4. Jg. (1911), Nr. 2, S. 11.

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Mehl, Büchsenfleisch, Zucker, Salz, Sagomehl und damit sollte ich ¼ Jahr Abwechslung auf den Tisch bringen, ich ging in meiner Ratlosigkeit zu einer älteren Schwester, die weihte mich nun ein und zeigte mir vieles. Sie sagte mir vor allem, daß wir noch viel mehr haben als ich glaubte z.B. Tauben können wir uns jeden Tag schießen lassen, Eier und Milch gäbe es auch noch, ich müsste nur noch ein wenig warten, dann lernte ich bald viel aus Bananen machen. Später lernte ich verschiedene Gemüse kennen [...] Als ich selbstständig wurde übte ich mich weiter in hiesigen Sachen. Sagomehl probierte ich in allen Arten [...].“21

Um den Speisezettel weiter aufzubessern, kauften die Missionarsfrauen außerdem Fleisch und Fisch von den Einheimischen.22 Neben dem Kochen war das Waschen eine der Hauptaufgaben im Alltag der Missionarsfrauen. Die europäische Mode in den Kolonien trug nicht der Tatsache Rechnung, dass Waschen damals so eine zeitraubende und mühselige Tätigkeit war: „Eine Hauptarbeit ist für uns Frauen die Wäsche, es wird hier sehr viel gewaschen, da man viel weiße Kleider trägt, auch die Anzüge der Herren sind bekanntlich weiß; da die Herren auch sehr viel äußere Arbeiten haben auf dem Bauplatz und im Feld, so gibt es auch sonst noch recht Wäsche....“, berichtet Missionarsfrau Decker.23 Hinzu kam als eine weitere zeitaufwändige Aufgabe das Nähen; nicht nur große Mengen von Tauf- und anderen Kleidern sowie Taschen für die Einheimischen wurden hergestellt, sondern auch für den Eigenbedarf nähten die Frauen: „Natürlich ist jede Hausfrau ihre eigenen Familienschneiderin, sogar für den Mann näht man Röcke und Beinkleider für den Werktag selbst.“24 Dass bei all diesen Pflichten die Tage der Missionarsfrauen sehr ausgefüllt waren, kann man ihren Schriftzeugnissen entnehmen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es den Erwartungen an eine gute, gottgefällige Missionarsfrau sowie dem protestantischen und methodistischen Arbeitsethos entsprach, dass die Frauen von früh bis spät fleißig waren und dabei nicht selten opferbereit bis an die Grenze ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit gingen.25 Daher hat die Dokumentation der geleisteten Arbeit in den Schriftzeugnissen einen prominenten Stellenwert. So notierte Missionarsfrau Fellmann beispielsweise nach einem anstrengenden Waschtag in ihr Tagebuch: „Seit heute früh ¾ 6 Uhr bin ich immer auf den Füßen bis abends 8 Uhr, nur

21 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 22 Ebd. 23 Ebd. 24 Ebd.; vgl. Vetter, J.: Tagebuch, 23. Aug. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Abdruck eines Briefes von Schw. Rosa Mäder, ohne Ort und Datum, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 2. Jg. (1909), Nr. 5, S. 36. 25 Vgl. Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, S. 77.

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über die Mahlzeiten setzte ich mich. Nun bin ich aber so unsagbar müde.“26 Die Hausordnung, die das Ehepaar Fellmann für die Schulzeit beschlossen hat, zeigt, dass selbst der frühe Morgen im Missionshaus straff durchgeplant war: 5.30 Uhr: aufstehen, 6 Uhr: Andacht, 6.15 Uhr: Frühstück. 6.30 Uhr: Schulanfang.27 Während ihr Mann und die Kostschüler in der Schule waren, nutzte Johanna Fellmann die kühlen Morgenstunden für ihre Arbeit.28 In ihrer Freizeit las sie englische und deutsche Bücher und Zeitschriften und schrieb lange Briefe in die Heimat.29 Auffällig ist beim Vergleich der Quellen, dass die Liebenzeller Missionarsfrauen deutlich weniger über ihren Haushaltsalltag berichteten, als die Angehörigen der anderen Missionen. Im Gegensatz zu den anderen Missionarsfrauen gingen sie in den Schriftzeugnissen kaum auf das alltägliche Kochen, Waschen oder Putzen ein, sondern schilderten Missionsreisen zu Außenstationen, die sie teils mit ihren Ehemännern, teils mit anderen Frauen unternahmen, sowie ihre Arbeit in der Frauenseelsorge und der Missionsschule.30 In den Quellen wird deutlich, dass den Frauen in der Liebenzeller Mission eine aktivere Rolle in der Missionsarbeit zugedacht wurde als in den anderen hier thematisierten deutschen evangelischen Missionen. Die Ursache dafür ist offenbar in der Herkunft der Mission zu suchen. In der China Inland Mission, aus der die Liebenzeller Mission hervorging, waren Frauen in gleichberechtigter Stellung zu ihren männlichen Kollegen akzeptiert, durften sogar eigenständig eine Missionsstation leiten und damit als Vorgesetzte für männliche Missionare fungieren, wie Manuel Rauchholz hervorhebt. Da dieses Modell aber 26 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 16. Aug. 1897, S. 84. 27 Ebd., Eintrag vom 11. Okt. 1897, S. 100. 28 Ebd., Eintrag vom 14. Okt. 1897, S. 101. 29 Johanna Fellmann erwähnt ihre Lektüre häufig in Tagebucheinträgen und Briefen; vgl. zu deren Bedeutung: Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, S. 85-92. Dass Fellmann eine fleißige Schreiberin war, wird belegt durch ihr Tagebuch und vor allem die zahlreichen langen Briefe. Siehe auch: Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 11. Jan. 1898, S. 122: „Nun ist die Post glücklich fort; bis zur letzten Minute hatte ich zu schreiben, obwohl ich nur nach Hause schrieb! Es wurden wieder 48 Seiten!“. 30 Beispielsweise: Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, Oa, 3. Juli 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 277f; Abdruck eines Briefes von Emma Becker, Truk, 10. Juni 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 9, S. 207f; Abdruck eines Briefes von Schw. Elfriede Wiese, Ponape, Ende Nov. 1907, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 3, S. 22; Abdruck eines Briefes von Schw. Rosa Mäder, o. Ort u. Datum, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 2. Jg. (1909), Nr. 5, S. 36; Hugenschmidt, Elise an Pfarrer Coerper, Oa, 22. Nov. 1910, ALM, Akte „Hugenschmidt-Straub, Elise“.

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seitens der kirchlichen Missionen und Theologen aus dem deutschsprachigen Raum viel kritisiert worden sei, habe die Liebenzeller Mission als Reaktion darauf den Frauen nicht mehr die Leitung einer Station übertragen, sie jedoch ebenso individuell als Missionarinnen geführt. „Nichtsdestotrotz genossen die Schwestern oder Ehefrauen von Missionaren einen größeren Frei- und Wirkungsraum im Ausland als es ihnen zu dieser Zeit in Deutschland wohl möglich gewesen wäre“, schreibt Rauchholz und bekräftigt damit den durch die Quellenanalyse entstandenen Eindruck.31 Die aktive Mitarbeit der Frauen in der Mission wurde jedoch durch Mutterpflichten eingeschränkt. Bei der Versorgung ihrer Kinder wurden die Missionsfrauen in der Regel von indigenen Kinderwärtern unterstützt. Häufig wuchsen die Kinder der Missionarsehepaare allerdings nach den ersten Lebensjahren getrennt von ihren Eltern auf. Der Nachwuchs der Neuendettelsauer Missionsgeschwister wurden zum Leidwesen der Mütter nicht selten wegen des gesünderen Klimas auf die Bergstationen gebracht, auch wenn die Eltern weiterhin auf ihren tiefer gelegenen Stationen lebten. Besonders im Tagebuch der Missionarsfrau Justine Vetter wird in zahlreichen Einträgen deutlich, wie sehr sie unter dem Konflikt litt, einerseits ihre Kinder bei sich haben und ihnen andererseits das gesündeste Umfeld bieten zu wollen.32 Auch in den anderen Missionen wurden schon etwas ältere Kinder meist nach einigen Jahren in die Heimat gesandt oder bei einem Heimaturlaub dort bei Verwandten zurückgelassen, damit sie eine gute Ausbildung erhalten konnten und nicht länger den Einflüssen des tropischen Klimas ausgesetzt waren.33 Auf den gemeinsamen Alltag mit dem eigenen Nachwuchs zu verzichten, war für die Frauen ein großes Opfer, das sie jedoch notgedrungen für die Mission erbrachten. Frau Vetter notierte hierzu in ihr Tagebuch: „Sprachen noch von unseren Kleinen, wie ich so sehr wünschte, dass wir mal eine Zeit mit ihnen zusammen sein könnten und wie man es doch wieder nicht wünschen dürfe; denn dann müssten wir in Deutschland sein, und unser richtiger Platz ist doch hier.“34 Aus der häufigen Abwesenheit der eigenen Kinder ist nicht zu schließen, die Missionarsfrauen hätten nur einen kleinen Haushalt zu versorgen gehabt: Immer

31 Rauchholz, Manuel: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, bisher unveröffentlicht, S. 4f. 32 Zahlreiche Einträge in Vetter, J.: Tagebuch, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 33 Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neuguinea, S. 10 u. 26; Vetter, J.: Tagebuch, Dez. 1902, S. 90, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Wilhelm Blum an die Missionsleitung, Ragetta, Dez. 1918, RMG 2.153; Johanna Hanke an ihre Schwester, Bongu, Juni 1918, RMG 2.149; Heinrich George an die Missionskonferenz, Kurum, 16. Jan. 1919, RMG 2.163; vgl. Dech, Uwe C.: Mission und Kultur im alten Neuguinea. Der Missionar und Völkerkundler Stephan Lehner, Bielefeld 2005, S. 26. 34 Vetter, J.: Tagebuch, April 1904, S. 163, AMEW, Vorl. Nr. 5.245.

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wieder wurden einheimische Kinder im Missionshaushalt aufgenommen, deren Eltern verstorben waren oder sich aus anderen Gründen nicht um sie kümmern konnten.35 Außerdem wohnten auf den Stationen teilweise weitere Mitarbeiter der Mission, für die die Missionarsfrauen ebenfalls kochten, wuschen und flickten. So lebte beispielsweise im Haushalt der Diehls nicht nur Johanna, ihr Mann Wilhelm und später die gemeinsame Tochter Hanni, sondern ebenso der Missionar Georg Eiffert, der Wilhelm Diehl als Assistent zur Hand ging. Auch um sein leibliches Wohl und seine Wäsche kümmerte sich Johanna; häufig übernahm sie diese Aufgaben zusätzlich für den in der Nähe lebenden, lange Zeit alleinstehenden Missionar Becker. Missionarsfrau Vetter notierte in ihr Tagebuch ebenfalls, dass der unverheiratete Missionar Pfalzer ihr viele Sachen zum Waschen und Nähen schickte.36 Zudem waren die Stationen zwar teilweise sehr abgelegen, manche jedoch ein beliebter Anlaufpunkt für Gäste: Missionarsfrau Diehl berichtet von anderen Missionsgeschwistern, aber auch von Mitgliedern der Neuguineakompanie, Kolonialbeamten oder durchreisenden Wissenschaftlern und Paradiesvogeljägern, die zu Besuch kamen. Sie freute sich daher, wenn sie ausnahmsweise mit ihrem Mann alleine war.37 Wenn ihnen die Arbeit Zeit ließ, besuchte das Missionarsehepaar andere in der Nachbarschaft lebende Europäer, unternahm Ausflüge mit dem Boot oder zu Fuß, las oder ruhte sich auf der Veranda aus.38 Eine längere Auszeit von ihrem arbeitsreichen Alltag durften sich die Missionarsfrauen von Zeit zu Zeit auf den Erholungsreisen nehmen, bei denen sie für mehrere Wochen andere Missionsgeschwister besuchten. Die Angehörigen der Neuendettelsauer Mission nutzten insbesondere die 1892 gegründete Niederlassung auf dem Sattelberg zur Erholung, da das kühle und gesunde Klima der Bergstation sich besonders gut eignete, um neue Kraft zu schöpfen.39 Mit der Gründung der ebenfalls auf einem Berg gelegenen Station Wareo stand ab 1903 eine zweite Erholungsstation zur Verfügung.40 Auch die Angehörigen der Rheinischen Mission fan-

35 Siehe hierzu auch Kapitel 13.3.1; vgl. beispielsweise: Abdruck eines Briefes von Missionarsfrau Wiese, Ponape, Ende Nov. 1907, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 3, S. 21; Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neuguinea, S. 7-19, 25. 36 Vetter, J.: Tagebuch, 14. April 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 37 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 5. Jan. 1908, S. 36, 22. Aug. 1908, S. 56, 1. Okt. 1908, S. 63, 5. Dez. 1908, S. 110. 38 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, beispielsweise Einträge vom 6. u. 8. Dezember 1909, S. 110. 39 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 105f; Pech, R.: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 390; vgl. Beschreibung der Vorzüge der Station Sattelberg in: Justine Vetter an ihre Schwester, Sattelberg, 4. Mai 1900, in Privatbesitz. 40 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 107.

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den auf diesen Stationen als Gäste Aufnahme und nahmen im Gegenzug auch Missionsangehörige der Neuendettelsauer Mission bei sich auf.41 Abb. 14: Auf der Veranda der Missionsstation Bogadjim; v. l.: Familie Becker, Georg Eiffert, Ehepaar Hanke, Familie Diehl und ein indigenes Hausmädchen42

Erholungsreisen wurden vor allem nach Krankheiten, in der Schwangerschaft oder nach Geburten unternommen. Die An- und Abreise zum Erholungsort dauerte oft mehrere Tage und war nicht selten mit großen Strapazen verbunden; was aber durch die lange Aufenthaltsdauer am Erholungsort gerechtfertigt wurde. Die Frauen verbrachten diese Urlaube zwar oft gemeinsam mit ihren kleinen Kindern, meist aber ohne ihre Ehemänner, die ihre eigene Missionsstation nicht solange im Stich lassen konnten. Sie geleiteten ihre Familie in der Regel zum Bestimmungsort und besuchten sie dort manchmal, kehrten dann aber für gewöhnlich wieder nach Hause zurück.43 Da die Missionare ohnehin häufig im weiteren Umland ihrer Stationen tätig waren und oft längere Reisen zu weiter entfernten Dörfern oder anderen Missions41 Ebd., S. 169; Pech, R.: Deutsche evangelische Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 390; vgl. Elli Arff an den Inspektor, Siar, 8. Nov. 1893 u. Bogadjim, 20. Aug. 1894, RMG 2.143. 42 Quelle und Copyright: Archiv- und Museumsstiftung der VEM, Archivnummer 5208-68. 43 Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 3. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; Brief von Marie Stürzenhofecker (ohne Adressat), Pola, Okt. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1.

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stationen unternahmen, war es für die Missionarsfrauen keine neue Situation, während der Erholungsaufenthalte von ihren Ehemännern getrennt zu sein.44 Da es sich in diesen Fällen aber meist um eine viele Wochen lange Trennung handelte, äußern sich die Frauen froh, wenn das Wiedersehen mit dem Ehemann näher rückte.45 Da auf den Erholungsstationen stets mehrere Missionsleute zusammenkamen, gestaltete sich das Leben dort abwechslungsreicher als der arbeitsreiche, oft einsame Alltag auf den anderen Stationen. Missionarsfrau Böttger schrieb über die Abende auf der Bergstation Wareo: „Es war so gesellig abends, Frau Schnabel spielte u. die Herren sangen u. wir saßen mit der Handarbeit dabei oder es wurde vorgelesen. Manchmal kamen Geschwister Lehner u. Wacke auch von dem Gesang angezogen [...] – es war beinahe so schön wie zuhause!“46 Für die Frauen, die auf den Erholungsstationen tätig waren, war der Alltag natürlich besonders turbulent und für sie war es schwer, sich eine Auszeit zu genehmigen. Missionarsfrau Keyßer berichtete vom Sattelberg: „Ab und zu sind wir vielleicht einmal 14 Tage ohne Gäste, mehr aber gewiß nicht. Es muß also stets jemand zur Versorgung der Erholungssuchenden da sein [...].“47 Für ihre eigene Erholungsreise muss sie daher erst auf eine Vertretung warten; dies war eine der Aufgaben, die die Missionsgehilfinnen übernahmen. Unter Missionsgehilfinnen werden hier die Frauen verstanden, die nicht selbst im engeren Sinn missionarisch tätig waren, sondern zur Arbeit der Missionen dadurch beitrugen, dass sie die Missionarsfrauen im Haushalt unterstützten, als Krankenschwestern und Hebammen oder als Lehrerinnen tätig waren. In den deutschen Südseegebieten standen sie meist im Dienst der Neuendettelsauer Mission. Wie die Missionarsfrauen hatten diese Gehilfinnen keine religiösen oder seelsorgerischen Pflichten.48 Ohnehin glich ihr Alltag in vielerlei Hinsicht dem der Missionarsfrauen, mit dem Unterschied, dass die Gehilfinnen ledig waren. Sie waren jedoch für gewöhnlich eng in das Familienleben auf der Missionsstation eingebunden. Anders als die Missionarsfrauen wurden die Gehilfinnen vor ihrer Ausreise per Vertrag in den

44 Vgl. beispielsweise Emilie Kaiser an ein „liebes Fräulein“ (ohne Namensnennung), Sattelberg, 6. Okt. 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4: „Mein lieber Mann ist schon fast 4 Wochen im Inland auf seinen Gehilfenstationen.“. 45 Vgl. beispielsweise Vetter, J.: Tagebuch, Einträge vom 8., 24. u. 30. Nov. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 46 Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Wareo, 1912 (ohne genaues Datum), Abschrift in AMEW, Vorl. Nr. 4. 19/3. 47 Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 3. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27. 48 Manchmal werden sie daher auch als „Laienmissionarinnen“ bezeichnet, vgl. Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 160f.

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Dienst der Mission aufgenommen und ihre Aufgaben wurden genau definiert. So sollte beispielsweise Emilie Heumann, die vor ihrer Ehe mit Missionar Keyßer für die Neuendettelsauer Mission als Gehilfin tätig war, auf der Bergstation Sattelberg für den Unterricht der Missionarskinder zuständig sein. Außerdem hatte sie den Missionarsfrauen zur Hand zu gehen und bei der Pflege der Erholungsgäste zu helfen. Weiterhin wurde in der sogenannten „Vocation“ schriftlich festgehalten, dass Heumann sich auch „der Arbeit an der Jugend der Eingeborenen, sei es der noch heidnischen oder auch der durch die Taufe gewonnenen“ widmen sollte. Ihre Tätigkeit als Missionsgehilfin endete mit ihrer Hochzeit.49 Auf gleiche Weise schied die Missionsgehilfin Mathilde Lindner aus dem Dienst aus. Sie war vor ihrer Hochzeit mit Missionar Pfalzer zwei Jahre lang als Hebamme in Finschhafen und Umgebung tätig.50 Die Hebammen hatten laut Vertrag „dem Missionspersonal und den Eingeborenen [...] im Hebammen-Beruf, in Krankenpflege u. in anderen ihrer Stellung entsprechenden Hilfeleistungen“ zu dienen.51 Sie mussten viel reisen und führten verglichen mit den Missionarsfrauen ein sehr unstetes Leben. Die Hebammen machten sich meist schon einige Zeit vor dem Geburtstermin auf den Weg zu den Wöchnerinnen und lebten dann auf deren Station, bis die Kinder zur Welt kamen. In dieser Zeit unterstützten sie die Schwangeren auch bei allen Haushaltsaufgaben und halfen beispielsweise beim Nähen von Kleidung. Anschließend blieben sie meist noch einige Tage oder Wochen, um Mutter und Kind zu pflegen und im Haushalt zu helfen. Danach reisten sie dorthin weiter, wo gerade am dringendsten Unterstützung gebraucht wurde – beispielsweise um den Haushalt einer Missionarsfrau zu führen, die sich im Erholungsurlaub befand, oder wo es wieder eine Wöchnerin zu versorgen galt. In ihrer Freizeit gingen die Gehilfinnen mit den Missionarsfrauen und deren Kindern spazieren und besuchten die Dörfer der Einheimischen, wo sie auch beruflich manchmal zu tun hatten, wenn sie sich um schwangere oder kranke Dorffrauen kümmerten.52 Da den Rheinischen Missionarsfrauen im Untersuchungszeitraum keine Missionsgehilfinnen und somit keine eigene Hebammen zur Verfügung standen, mussten

49 Zu Heumann siehe AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4; hier Vocation, Neuendettelsau, 15. April 1902; siehe auch: Missionsleitung an Emilie Heumann, Neuendettelsau, 30. Okt. 1901, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4; Kirchliche Mitteilungen, N.F. 34. Jg. (1902), Nr. 4/5, S. 31, Nr. 10, S. 6. 50 Zu Mathilde Pfalzer, geb. Lindner, siehe AMEW, Vorl. Nr. 4.53/13; vgl. Neuendettelsauer Missionsblatt, 1. Jg. (1911), Nr. 3, S. 19. 51 „Vertrag der Gesellschaft für inn. u. äuß. Mission in S. der luth. Kirche mit Fräulein Elisabeta Markert aus Wallmersbach“, Neuendettelsau, 11. Nov. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. 52 Elisabeta Markert an den Kirchenrath, Wareo, 13. Mai 1913; Dies. an den Inspektor, Sattelberg, 11. Okt. 1911, Dies. an den Kirchenrat, 15. Okt. 1913; AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1.

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sich die Frauen gegenseitig unterstützen. Stand eine Geburt an, so quartierte sich in der Regel eine Missionarsfrau der benachbarten Station vorübergehend bei der Wöchnerinnen ein, oder diese reiste selbst zur Niederkunft auf eine andere Station.53 Da diese Situation als unzureichend empfunden wurde, richtete man im Jahr 1913 an die Administration die Bitte, eine Pflegeschwester mit Hebammenausbildung ins Missionsgebiet aussenden zu lassen, was aber offenbar vor Kriegsausbruch nicht mehr verwirklicht werden konnte.54 Die für die London Missionary Society in Samoa tätige Valesca Schultze praktizierte neben ihrer späteren Haupttätigkeit als Schulleiterin und Lehrerin ebenfalls als Hebamme und Krankenschwester. Schultzes Alltag an der Spitze der PapautaMädchenschule für junge Samoanerinnen war reichlich ausgefüllt. Die Samoanische Zeitung schrieb anerkennend: „Wenn man bedenkt, dass 117 samoanische Mädchen gegenwärtig in der Anstalt unterrichtet werden und dass die gesamte Last der Lehrtätigkeit auf den Schultern des Frl. Schultze ruht, so muss man über die erzielten Resultate wirklich erstaunt sein.“55 Schultze bezeichnete sich in ihren Schriftzeugnissen selbst niemals als Missionsgehilfin, sondern stets als Missionarin oder „Frauen-Missionar“.56 Dennoch berichtete sie in ihrem Tagebuch nicht, neben ihren zahlreichen praktischen Aufgaben, die sie als Dienst an Gott verstand, im engeren Sinne missionarisch tätig gewesen zu sein. Sie erwähnte also beispielsweise nicht, religiöse Versammlungen abgehalten oder Seelsorge betrieben zu haben – anders als die evangelischen Liebenzeller Missionsschwestern. Diese fühlten sich von den Alltagspflichten im Haushalt und in der Schule an der Ausübung ihrer „eigentlichen“ Missionsarbeit behindert. So berichtete beispielsweise Schwester Minna Karrer zunächst über die Missionsschule, betonte aber dann: „[...] als unsere Hauptarbeit möchten wir jedoch nicht die Schule, sondern die Seelenpflege ansehen.“57 Daher war den Schwestern wichtig, sich unter die einheimische Bevölke53 Georg Eiffert an den Inspektor, Bogadjim, März 1914 u. April 1916, RMG 2.159; Heinrich George an den Inspektor, Kurum, Mai 1916, RMG 2.163. 54 August Hanke an Direktor Spieker, Bongu, Feb. 1913, RMG 2.149. 55 Samoanische Zeitung, 2. Jg., Nr. 15, S. 2. 56 Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 17. Feb. u. 25. Okt. 1887, 29. Sept. 1888, 15. Juni 1890, in Privatbesitz. 57 Schw. Minna Karrer an den Pfarrer, Ponape, 16. Aug. 1908 u. 8. Juli 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“; ebenso Schw. Clara Köster an die Hauseltern, Ponape, Kolonie, 8. Juli 1910, ALM, Akte „Köster, Clara“. Selbst als den Angehörigen der Liebenzeller Mission durch die japanische Besatzung der Karolinen nach Kriegsausbruch der Schulunterricht verboten wurde, kommentierten sie das entsprechend: „Für die Neuerung sind wir einesteils froh und dankbar, können wir doch so unsere ganze Zeit und Kraft dem eigentlichen Zwecke unseres Hierseins, der Gewinnung von Seelen für das Reich Gottes, widmen.“ siehe: Abdruck eines Briefes von Missionsehepaar Dönges an die Missionsleitung, Truk, 7. Dez. 1915, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 3, S. 53, vgl. Kapitel 16.

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rung zu begeben, wie Karrer schreibt: „Es ist [...] Schwester Linas und mein Wunsch, nicht auf einer Station sitzen zu bleiben, sondern vielmehr unter und mit den Leuten zu leben und ihnen zu dienen.“58 In ihren Briefen klagen die Frauen aber immer wieder, dass dafür zu wenig Zeit sei, denn: „Der Vormittag ist mit Schule ausgefüllt, nachmittags geht’s dann an Hausarbeiten oder Nähen. Ehe wir uns versehen, ist der Abend da.“59 Für den erstrebten engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung war es besonders wichtig, deren Sprache gut zu beherrschen. In der ersten Zeit ihres Aufenthalts halfen den Neuankömmlingen die schon länger im Feld arbeitenden Missionsangehörigen oder einheimische Schülerinnen als Übersetzer aus.60 Vor allem aber mussten die neuen Schwestern viel Zeit in Sprachstudien investieren und wurden in dieser Phase hauptsächlich zu Haushaltsarbeiten eingeteilt. Vier Wochen nach ihrer Ankunft auf der Karolinen-Insel Truk berichtet Schwester Paula Krämer: „In der Schule helfe ich aktiv noch nicht. Während Schwester Emma u. Elise unterrichten, lese ich mit Lisarem [einer einheimischen Schülerin, L.L.] in der Truksprache. Danach koche ich das Essen für uns drei. Nachmittags von 2-5 oder ½ 6 Uhr haben wir praktische Arbeitszeit mit den Mädchen. Dann bereite ich wieder das Essen und nütze die noch übrige Zeit zum Lernen der Sprache aus. In der Abendstunde bekomme ich dann noch von Bruder Dönges Sprachunterricht.“61

Wie aus dem Zitat hervorgeht, gaben die Schwestern den einheimischen Mädchen nicht nur Schulunterricht. Sie unterwiesen sie auch in praktischen Tätigkeiten, insbesondere in Haushalts- und Handarbeiten, wobei sie zugleich versuchten, die vielfältigen im Stationshaushalt anfallenden Aufgaben zu bewältigen und die Missionarsfrauen zu unterstützen. In einem Jahresbericht über die im Truk-Atoll liegende 58 Abdruck eines Briefes von Schw. Minna Karrer an die Missionsleitung, Ponape, Kolonie, 21. Juni 1908, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 10, S. 188. 59 Schw. Clara Köster an den Pfarrer, ohne Ort u. Datum (wohl Ponape, 1913), ALM, Akte „Köster, Clara“; ähnlich beispielsweise Elise Zuber an den Pfarrer, Truk, Mai 1911: „Wie gerne möchte man mehr unter das Volk, und es wäre auch so sehr nötig; doch die gute, kostbare Zeit fehlt uns!“, ALM, Akte „Zuber, Elise“; siehe auch: Abdruck eines Briefes von Schw. Emma Manteuffel an die Missionsleitung, Truk, 19. März 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 7, S. 168. 60 Schw. Anna Schneider an den Pfarrer, Tol, 9. Okt. 1912 u. Truk, 5. April 1913, ALM, Akte „Schneider, Anna“. 61 Schw. Paula Krämer an den Pfarrer, Truk, 24. Sept. 1912, ALM, Akte „Krämer, Paula“; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Johanne Polster an die Missionsleitung, Kiti, 29. Sept. 1912, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 1, S. 21f; Abdruck eines Briefes von Schw. Johanne Polster an die Missionsleitung, Ponape, 21. Jan. 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 6, S. 144.

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Mädchenschule Floris berichtete Schwester Elise Zuber beispielsweise, die 37 Schülerinnen würden Unterricht in den in Deutschland üblichen Elementarfächern erhalten, der sowohl in der einheimischen als auch in der deutschen Sprache gehalten werde. In den Nachmittagsstunden würden die Kinder im Handarbeiten unterrichtet, vor allem im Nähen, wobei sie ihre Kleidung selbst herstellten. Eine willkommene Abwechslung seien die im Freien anfallenden Arbeiten, so hatten die Mädchen im Berichtsjahr etwa geholfen, einen neuen Weg auf dem Stationsgrundstück anzulegen.62 Die Schwestern unterrichteten nicht nur Mädchen, sondern sprangen auch als Aushilfen in der Knabenschule ein, wenn der eigentlich dort lehrende Missionar durch andere Pflichten verhindert war.63 Viel Zeit nahm die Betreuung der teilweise noch sehr kleinen Kinder in Anspruch, die auf einigen der Missionsstationen aufgenommen wurden, um sie dort zu erziehen.64 Die Schwestern beschrieben in ihren Briefen die Entwicklung der Kinder, gingen aber insgesamt vergleichsweise wenig auf die alltäglichen Pflichten im Stationshaushalt ein. Da sie ihre Bestimmung vor allem in der „Seelenpflege“ sahen, schilderten sie besonders gerne ihre Ausflüge zu den Außenstationen der Mission und in die umliegenden Siedlungen der indigenen Bevölkerung. Häufig wurden die Schwestern bei ihren Ausflügen von anderen Missionsangehörigen und indigenen Helfern begleitet. Dabei nahmen sie weite und anstrengende Märsche durch unwegsames Gelände auf sich, um die Bevölkerung in ihren Dörfern aufzusuchen. Sie hielten dort Versammlungen ab, bei denen sie sich bemühten, die Inhalte des christlichen Glaubens zu vermitteln, indem sie von Jesus erzählten und anschließend Fragen zu dem Vorgetragenen beantworten ließen und religiöse Lieder einübten.65 In den Versammlungen bedienten sich die Schwestern 62 Schw. Elise Zuber: Jahresbericht (ohne Datum, wohl 1911), ALM, Akte „Zuber, Elise“. 63 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 3. Dez. 1907, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 3, S. 55. 64 Vgl. zu den Gründen für die Aufnahme der Kinder: Kapitel 13.3.1 dieser Arbeit u. „Missionskinder auf Ponape“, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 3. Jg. (1910), Nr. 1, S. 6f. Die Missionsleitung in der Heimat äußerte sich kritisch zur Aufnahme der kleinen Kinder, da sie fürchtete, dass darunter die übrige Missionsarbeit, also vor allem die „Seelenpflege“, leiden könnte; vgl. Missionsleitung an Schw. Clara Köster, (wohl Bad Liebenzell) 19. Jan. 1914, ALM, Akte „Köster, Clara“. 65 Beispielsweise: Schw. Elise Zuber an den Pfarrer, Truk, Mai 1911 u. 16. Feb. 1913, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Schw. Katharina Weichel an den Pfarrer, Ponape, 23. Jan. 1909, ALM, Akte „ Seibold-Weichel, Katharina“; Schw. Paula Krämer an den Pfarrer, Truk, 25. Sept. 1913, ALM, Akte „Krämer, Paula“; Schw. Clara Köster an den Inspektor, Ponape, 19. Nov. 1911 u. Ponape, 10. März 1913, ALM, Akte „Köster, Clara“; Brief von Schw. Minna Karrer, ohne Datum und Anrede, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling an die Missionsleitung, Ponape, 16. Aug. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 1, S. 20; Abdruck eines Briefes von Schw. Emma

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schlichter Worte: „Wir sprechen ganz einfach wie zu Kindern, denn das Fassungsvermögen der Leute ist sehr gering [...]“, schrieb Schwester Minna Karrer.66 Besonders beliebt war bei jungen und alten Einheimischen laut Schwester Anna der Einsatz eines Bilderbuches, das das Alte und Neue Testament in 24 Zeichnungen darstellte und gerne für die Bekehrungsarbeit genutzt wurde.67 Außerdem kümmerten sie sich sowohl auf den Missionsstationen als auch bei den Dorfbesuchen um Kranke und Verwundete und nutzten auch diese Gelegenheit, um den Patienten von ihrem Glauben zu erzählen und mit ihnen oder für sie zu beten.68 Bei manchen dieser Ausflüge schlugen die Schwestern auch ihr Nachtlager in den einheimischen Dörfern auf und freuten sich, dass sie so „den Seelen mehrmals mit dem Worte dienen“ konnten.69 Nicht nur in den Dörfern, sondern auch auf ihren Missionsstationen hielten die Schwestern Versammlungen ab, wobei sich die sogenannten „Frauenstunden“ gezielt an die weibliche Bevölkerung richteten; zudem fanden „Jugendbundstunden“ statt, die meist von beiden Geschlechtern besucht wurden und „welche man auch Bibelbesprechungs- und Gebetsstunden nennen kann“.70 Auf die sich dabei entwickelnden Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und ihren indigenen Helfern und Zuhörern wird an anderer Stelle eingegangen.71 Außer durch ihre vielfältigen Aufgaben auf der Missionsstation und in deren Umland war der Alltag der Schwestern durch gemeinsame Gebetsstunden und Bi-

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Manteuffel an die Missionsleitung, Truk, 21. Okt. 1912, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 1, S. 23. Schw. Minna Karrer, ohne Anrede u. Datum, Oa, ALM, Akte „Karrer, Minna“. Abdruck eines Briefes von Schw. Anna Schneider, Tol, 20. Sept. 1913, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 1, S. 29. Schw. Elise Zuber an den Pfarrer, Truk, 12. Aug. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Brief von Schw. Minna Karrer, ohne Anrede, Ron Kiti, 24. Jan. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Elise Hugenschmidt an den Pfarrer, Colonie, 11. Juli 1910, ALM, Akte „Hugenschmidt-Straub, Elise“. Schw. Minna Karrer an den Pfarrer, Ponape, 20. Aug. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“; vgl. auch Abdruck eines Briefes von Schw. Anna Schneider an die Missionsleitung, Tol, 9. Okt. 1912, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 1, S. 24. Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, Oa, 3. Juli 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 277; Elise Hugenschmidt an den Pfarrer, Oa, 22. Nov. 1910, ALM „Hugenschmidt-Straub, Elise“; Brief von Schw. Minna Karrer, ohne Anrede, Ron Kiti, 21. Feb. 1909; Schw. Minna Karrer an den Pfarrer, Ponape, 1. Aug. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“: Zu den Jugendbünden in der Südsee siehe auch: Buddeberg, Ernst: Das Kreuz auf der Südsee, Bad Liebenzell 1935, S. 20-24. Vgl. Kapitel 13.3.1.

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belbetrachtungen geprägt, zu denen sich alle Missionsangehörigen der Station regelmäßig einfanden.72 Abgesehen von der bestehenden, jedoch nur vereinzelt in die Tat umgesetzten Option, einen Missionar zu heiraten, glichen die Lebensumstände der Liebenzeller Missionsschwestern in vielerlei Hinsicht weniger denen der anderen hier vorgestellten evangelischen Missionsangehörigen als denen der katholischen Missionsschwestern. 9.1.2 Katholische Missionsschwestern Wie der Alltag der evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern war auch der der katholischen Missionsschwestern sehr arbeitsreich. Der Gründer der Missionsschwestern vom heiligsten Herzen Jesu betonte: „Vor allem führen die Missionsschwestern ein tätiges Leben, ohne selbstredend dabei den beschaulichen Teil des Ordenslebens zu vernachlässigen.“73 Dass der Alltag der Schwestern den Regeln des Ordensleben unterworfen war, unterschied sie von den oben thematisierten Missionsangehörigen, während viele andere Aspekte der bereits geschilderten Lebensumstände auch auf die katholischen Schwestern in der Südsee zutreffen. Sie mussten zusätzlich bestimmte Besinnungs- und Gebetszeiten einhalten sowie an Gottesdiensten, Andachten, Beichten und Exerzitien teilnehmen.74 Die frommen Gebräuche des Mutterhauses sollten möglichst beibehalten werden.75 Ihre „inneren“ religiösen Pflichten mit dem „äußeren“ Arbeitsalltag im Missionsfeld in Einklang zu bringen, fiel den Schwestern nicht immer leicht – denn ihr Pflichtenkreis war groß und das Arbeitsumfeld hatte wenig gemein mit dem ruhigen Klosteralltag.76 Mit ihrer Arbeit sollten die Schwestern die Missionare unterstützen, sowohl indem sie an der Bekehrung der weiblichen einheimischen Bevölkerung mitarbeiteten 72 Abdruck eines Briefes von Schw. Johanne Polster an die Missionsleitung, Kiti, 29. Sept. 1912, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 1, S. 21f; Jahresbericht für das Jahr 1913. Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 169. 73 Linckens, H.: Die Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu, S. 9. 74 Beispielsweise Schw. Barnaba an das Mutterhaus, Tumleo, 14. April 1909, AG SSpS, PNG 6201, Brief Nr. X; Schw. Dorothea an das Mutterhaus, St. Paul, 24. April 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05“, unverzeichnet. 75 „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, 034 Tg Varia (1, 2, 3, 5). 76 Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 12; Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 132f u. 196.

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als auch indem sie den Männern hauswirtschaftliche Pflichten abnahmen. Dies wird im folgenden Zitat deutlich, das sich auf die Steyler Missionsschwestern auf der Insel Tumleo bezieht: „Die Schwestern besorgen wie überall die Kirche, die Küche, die Wäsche und Schule. Wo Schwestern sind, ist der Gesundheitszustand der Patres gewöhnlich ein guter. Der Pater hat weniger Arbeit (Kirche, Schule) und eine bessere Küche. Die Ehrw. Schwestern leisten der Mission große Dienste und sind überall so sehr in Anspruch genommen, nicht selten über ihre Gebühr, haben dazu oft sehr unter Fieberanfällen zu leiden.“77

Die Missionsschwestern kümmerten sich also um den Stationshaushalt und den Garten, nähten Kleidung und trugen Sorge für die Reinhaltung und Ausschmückung der Kirche. Auf einigen Stationen mussten auch Hostien für den eigenen Bedarf und den der umliegenden Stationen gebacken werden. Außerdem versorgten die Schwestern Kranke und verbanden deren Wunden, wozu sie wenn nötig weite Wanderungen „in den Busch“ auf sich nahmen.78 Den Großteil ihrer Zeit nahm aber die Arbeit mit den einheimischen Kindern auf der Missionsstation in Anspruch: Die Missionsschwestern erteilten nicht nur Schulunterricht, sondern betreuten die Zöglinge auch darüber hinaus auf der Station, sie betrieben Pensionate und Waisenhäuser. Neben Schulkindern und Jugendlichen wurden häufig auch Säuglinge und Kleinkinder aufgenommen: „So oft es die Verhältnisse erfordern, nehmen wir Kinder schon im Alter von wenigen Tagen oder Wochen auf, um sie zu pflegen und zu erziehen“, schrieb eine Herz-JesuSchwester.79 Dass die Babys rund um die Uhr betreut und gefüttert werden mussten,

77 Visitationsbericht P. Josef Weig 1911/12, zitiert nach Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 187; vgl. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 185. 78 Beispielsweise: Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903 u. Schw. Agnes an ihre Mitschwestern, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 17. Jan. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet; Lebensbild der Schw. Elisabeth, in: AHM, Ordner „Papua-Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet; Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner-Ordensprovinz, Jahresbericht 1912, S. 36; Schw. Barnaba an das Mutterhaus, Tumleo, 14. April 1909, AG SSpS, PNG 6201, Brief Nr. X; Vormann, Franz P.: Die Mission in Tumleo, in: Steyler Missionsbote, 32. Jg. (1904), Nr. 8, S. 118; vgl. auch Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 143f. 79 Schw. Clothilde: Aus dem Kinderleben auf Neupommern, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 490; siehe Kapitel 13.3.2.

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nahmen die Schwestern offenbar gerne auf sich, wie ihren Briefen zu entnehmen ist, in denen immer wieder die Freude an der Mutterrolle deutlich wird.80 Den älteren Kindern wurde Unterricht in Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen, Deutsch und Gesang erteilt. Teilweise wurden auch Geographie, Geschichte und Englisch unterrichtet. Die Vielzahl der unter den Missionsschülern vertretenen Sprachen erschwerte oft den Unterricht.81 Die Unterrichtsmaterialien mussten die Schwestern häufig in Anpassung an die fremden Verhältnisse selbst erstellen.82 Nach dem Unterricht sollten die Kinder durch Arbeiten im Haushalt und auf der Station zu ihrem Lebensunterhalt beitragen und Kenntnisse in Haushaltsführung, Handarbeiten und Gartenbau erwerben. Außerdem besuchten sie gemeinsam mit den Schwestern den Gottesdienst und beteten mit ihnen. Die Zöglinge standen so unter dauerndem Einfluss der Schwestern, wovon diese sich einen besonders guten Bekehrungserfolg versprachen.83 Auf den Missionsstationen sollten die Kinder „in der neuen Umgebung das Alte, Heidnische in etwa verlernen, sie sollten sozusagen neue Grundsätze einatmen, um gute katholische Christen zu werden; sie sollten ein geordnetes den christlichen Grundsätzen entsprechendes Leben führen.“84 Die auf den Missionsstationen ausgebildeten Zöglinge sollten schließlich selbst katholische

80 Schw. Elisabeth an das Mutterhaus, Vunapope, 11. Sept. 1904, AHM, Ordner „Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth an das Mutterhaus, Vunapope, 13. Nov. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; Tagebuchblätter von Schw. Valeria, in: Steyler Herz-JesuBote, 29. Jg. (1901/02), Nr. 11, S. 167; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 134f. 81 Schw. Lidwina an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 5. Feb. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet; Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 23; Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, in: Hüskes, Josef (Hrsg.): Pioniere der Südsee. Werden und Wachsen der Herz-Jesu-Mission von Rabaul zum Goldenen Jubiläum 1882-1932, Hiltrup 1932, S. 145-149, hier S. 148 u. Janssen, Arnold P.: Die Erziehungsanstalt für halbweiße Kinder, ebd., S. 150-155, hier S. 150-153. 82 Schwester Philomena, in: Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 216. 83 Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 193f; Schw. Deogratias: Eine neue Schwesternstation auf Ali, in: Steyler Missionsbote, 34. Jg. (1906/07), Nr. 6, S. 87; Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 148; Deutsches Kolonialblatt, 10. Jg. (1899), Nr. 24, S. 852; Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 194. 84 Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, in: Hüske, Josef (Hrsg.): Pioniere der Südsee, S. 147.

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Familien gründen und damit zur Verbreitung und Stabilisierung des Christentums in den Südseegebieten beitragen.85 Einheimische Mädchen, die sich im Stationshaushalt als begabt erwiesen hatten, wurden mancherorts von den Schwestern in eigenen Hauswirtschaftschulen fortgebildet. Hier sollten sie ihre Fertigkeiten im Waschen, Bügeln, Nähen, Backen, Kochen, Schmücken der Kirche, in verschiedenen Handarbeiten sowie in der Behandlung des Viehs und der Gartenarbeit vertiefen. So eine Hauswirtschaftsschule betrieben beispielsweise die Steyler Schwestern auf Tumleo.86 Aber auch die übrigen katholischen Schwestern, beispielsweise von der Herz-Jesu-Mission, verfolgten das Ziel, die ihnen anvertrauten Mädchen zu „guten Christinnen und tüchtigen Hausfrauen“ heranzubilden und unterhielten Haushaltsschulen und Mädcheninternate.87 Meist teilten die Missionsschwestern ihre zahlreichen Pflichten so untereinander auf, dass jeder von ihnen ein bestimmter Tätigkeitsbereich zugeordnet und dieser wöchentlich oder monatlich getauscht wurde.88 Das hatte den Vorteil, dass allen Schwestern alle Arbeiten vertraut waren und so in Krankheitsfällen jede andere Schwester problemlos für die Patientin einspringen konnte.89 Ihren arbeitsreichen Tag begannen die Schwestern auf Tumleo um 5 Uhr. Vor dem Frühstück, das um 7 Uhr eingenommen wurde, standen Morgengebete und der Besuch der Messe auf der Tagesordnung. Ihre Arbeiten in der Schule, im Haushalt oder im Garten unterbrachen die Schwestern um 12 Uhr für eine einstündige Mittagspause und um 15.30 Uhr zur Kaffeepause. Um 18 Uhr wurde die Arbeit beendet und man sammelte sich zum Abendessen, das von einer Erholungsstunde gefolgt wurde. Um 20.30 Uhr sprachen die Schwestern ihre Abendgebete und begaben sich dann, nachdem die Stationskinder versorgt waren, zu Bett.90

85 Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, S. 23f; Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 145, 148. 86 Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 222f; Lehrer Barschdorff: Überblick über das Fortbildungswesen im Schutzgebiet Deutsch Neuguinea, in: Amtsblatt Neuguinea, 6. Jg. (1914), Nr. 7, S. 19. 87 Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 59; Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 145, 148f; Janssen, A. P.: Die Erziehungsanstalt für halbweiße Kinder, S. 154. 88 Schw. Elisabeth an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 17. Jan. u. 1. Aug. 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet. 89 Schw. Elisabeth an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 17. Jan. 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet. 90 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 131; vgl. Visitationsbericht P. Josef Weig 1911/12, zitiert nach Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 187.

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Ähnlich gestaltete sich auch der Tagesablauf der anderen katholischen Missionsschwestern.91 Für ihre vielfältigen Aufgaben waren die Schwestern aus Sicht der Zeitgenossen auf Grund der damals den Frauen als typisch weiblich zugeschriebenen Eigenschaften prädestiniert: „[...] nämlich den mütterlichen Zug zu den Elenden und Schwachen, eine gewisse Freiheit und Leichtigkeit, mit anderen über ewige Dinge zu reden, den natürlichen Takt beim Stillen von Kummer und Not, geschickte, dienefrohe Hände und ein Herz voller Hingabefähigkeit, die sich selbst vergisst [...].“92 Diese Fähigkeiten waren besonders gefragt, wenn die Schwestern auf ihrer Station von Kranken oder hilfsbedürftigen Einheimischen aufgesucht wurden oder sich zu Fuß oder per Pferd auf Ausflüge in die umliegenden Dörfer begaben, wobei sie meist von einigen Missionszöglingen begleitet wurden.93 Bei den Dorfbesuchen bot sich den Schwestern „eine schöne Gelegenheit, durch Worte oder auch einen Liebesdienst auf die Leute einzuwirken. Und wenn dadurch nur eine Seele für den Himmel gewonnen würde, wäre man ja hinreichend entschädigt für alle damit verbundenen Mühen“, wie Schwester Imelda in einem Brief ans Mutterhaus erklärte.94 Trafen die Missionsschwestern auf Kranke, Verwundete oder Frauen, die kürzlich ein Kind bekommen hatten, so versorgten sie diese medizinisch und seelsorgerisch. Wenn sie zu schwerkranken Patienten kamen, durften die Schwestern auch

91 Vgl. Schwester Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Sr. Stanisla (Kopien) aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet; Schw. Dorothea an das Mutterhaus, St. Paul, 24. April 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, unverzeichnet; Schw. Lidwina an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 5. Feb. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. 92 Seminarlehrerin Brockhaus: Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 35f. 93 Beispielsweise: Schw. Philomena an das Mutterhaus, Monumbo, 4. Juli 1904, AG SSpS, PNG 6201; Schw. Imelda an das Mutterhaus, Monumbo, 12. Juni 1913, AG SSpS, PNG 6201, Brief Nr. III; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 8. Mai 1912, in Privatbesitz; Schw. Clara an das Mutterhaus, Vunapope, 23. Sept. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-10“, unverzeichnet; Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner-Ordensprovinz, Jahresbericht 1911, S. 52; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 244. 94 Schw. Imelda an das Mutterhaus, St. Michael, den 17. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201, Brief VII.

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Nottaufen vornehmen.95 Dass die Taufen nicht immer konfliktfrei verliefen, wird im Zusammenhang mit der Untersuchung des Verhältnisses zwischen den weiblichen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung erörtert.96 Wie deutlich wurde, hatten die katholischen Schwestern zahlreiche Aufgaben und vor allem sehr große Schülerzahlen zu bewältigen. Da im Laufe der Zeit immer noch mehr Schüler und Schülerinnen auf die Missionsstation kamen und außerdem weitere Nebenstationen gegründet wurden, vergrößerte sich auch das Arbeitsfeld der Schwestern, denen deshalb Verstärkung durch neue Schwestern aus der Heimat immer sehr willkommen war.97 Ihren potentiellen zukünftigen Kolleginnen, den Mitschwestern im heimatlichen Mutterhaus, berichteten die Missionsschwestern überwiegend Gutes über ihre Arbeit, betonten aber auch, man müsse hart arbeiten und einiges einstecken können – so warnte etwa Herz-Jesu-Schwester Theresia: „Also liebe Mitschwestern, machen Sie sich gefasst auf das, was Ihnen hier blüht! Zierpappeln gedeihen hier nicht.“98

9.2 E HEFRAUEN VON P FLANZERN UND ANDEREN P RIVATLEUTEN Die zweitgrößte Gruppe der deutschen Frauen nach den Missionsangehörigen bildeten in den Südsee-Kolonien die „Frauen von Privaten“, wie sie in den offiziellen Statistiken heißen.99 Darunter fallen all jene Frauen, die einen Mann geheiratet hatten, der nicht als Missionar oder Kolonialbeamter arbeitete, sondern als selbstständiger Unternehmer oder Angestellter tätig war. Viele von ihnen pflanzten Kokospalmen oder Kakao an. Daher wurden sie in den Quellen als „Pflanzer“ bezeichnet, ihre Ehefrauen entsprechend als „Pflanzersfrauen“. Andere waren als Händler, 95 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Sr. Stanisla“, unverzeichnet; Schw. Imelda an das Mutterhaus, Monumbo, 12. Juni 1913, AG SSpS, PNG 6201, Brief Nr. III; Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 244, 250; vgl. Schw. Cherubina, Fortsetzung der Chronik von „Regina Angelorum“, Regina Angelorum, 24. April 1913, Abschrift, S. 2. 96 Vgl. beispielsweise: Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner Herz-Jesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 52; Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 250. 97 Abdruck eines Briefes von Schw. Stanisla ans Mutterhaus (Auszug), Jaluit, 8. Feb. 1903, in: Monatshefte, 20. Jg. (1903), S. 305; Abdruck eines Briefes von Schw. Georgia ans Mutterhaus, Jaluit, 28. Juli 1907, in: Monatshefte, 25. Jg. (1908), S. 120. 98 Schw. Theresia ans Mutterhaus, Vunapope, Ostern 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II“, unverzeichnet. 99 Vgl. beispielsweise: Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1912/13, Amtliche Jahresberichte, Berlin 1914, Statistischer Teil, S. 30-35.

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Handwerker, Seeleute oder in der Gastronomie tätig oder waren bei einem der großen Pflanzungs- und Handelsunternehmen angestellt. Da die Ehefrauen dieser Männer nicht wie Missionsangehörige, Rot-KreuzSchwestern oder Beamtinnen institutionell eingebunden waren, ist es ungleich schwieriger, Quellenmaterial über ihren Aufenthalt in der Südsee zu finden. Einige dieser Frauen tauchen aber in den Berichten anderer Kolonialisten auf. So erwähnte beispielsweise Otto Schellong die nach seinen Notizen erste deutsche Frau in Finschhafen, wo er lebte: Emma Götz traf im April 1886 dort ein und eröffnete mit ihrem Mann eine Gaststätte. Außerdem wollte das Ehepaar Vieh halten. Schellong lobte Emma Götz’ großen Fleiß. Auch die seiner Auffassung nach „niedrigsten Arbeiten“, wie Wäschewaschen und Melken erledige sie bereitwillig.100 Neben diesen knappen Erwähnungen geben die Schriftzeugnisse einiger weniger Frauen aus dieser schwer zu greifenden Gruppe Auskunft über ihr Leben in den Südsee-Kolonien. Da es sich hier nur um eine Hand voll Verfasserinnen handelt, kann auf diese im Folgenden etwas ausführlicher eingegangen werden. Besonders mitteilsam war Frieda Zieschank. Die Ehefrau eines Arztes berichtete in mehreren Zeitungsartikeln und zwei Büchern vom Alltagsleben in Samoa.101 Das Ehepaar Zieschank lebte in Apia, doch auch in der kleinen Hauptstadt der Kolonie war der Alltag ländlich, wie Frieda Zieschank schrieb.102 Sie war für die Versorgung von Familie und Haushalt zuständig, hat aber wohl eher selten selbst Hand angelegt, wenn man davon ausgeht, dass auch ihr Roman Ein verlorenes Paradies von den eigenen Erfahrungen in Samoa geprägt ist. Dort heißt es: „Eine weiße Frau darf in den Tropen nicht arbeiten, dafür sind die farbigen Leute da. Diese anzulernen und zu beaufsichtigen, damit hat sie genug zu tun.“103 Zieschank hatte vergleichsweise viel Freizeit und das gesellschaftliche Leben nahm in ihrem Alltag einen wichtigeren Platz ein als bei den Frauen, die mehr Verpflichtungen hatten oder in abgeschiedenerer Wohnlage lebten.104 Gerne verbrachte sie ihre Zeit auch damit, ihrem Mann bei Operationen und in der Sprechstunde zu helfen oder ihn bei seinen Patientenbesuchen zu begleiten:105 „Unsere Erholung sind die Ausfahrten; jeden Nach-

100 Schellong, O.: Alte Dokumente zur Südsee, S. 44, 62; siehe zu Götz auch: Jahnel, C. (Hrsg.): Mi stori, S. 33; außerdem werden „Frauen von Privaten“ beispielsweise erwähnt in: Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 72f; Schneider, E.: Tagebuchblätter von Jaluit, in: Deutsche Kolonialzeitung, N. F. 4. Jg. (1891), Nr. 3, S. 31 (Schneider erwähnt die Kapitänsfrauen Schnieders und Reuther sowie die Frau des Steuermanns Kessler). 101 Bibliographische Angaben im Anhang. 102 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 21. 103 Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 122. 104 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 51f. 105 Ebd., S. 21f.

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mittag begleite ich meinen Mann auf seinen Besuchstouren, am liebsten, wenn's weiter ins Land hinein auf die Pflanzungen geht.“106 Besonders gerne fuhr sie mit ihrem Mann mit, wenn er zu einer Geburt gerufen wurde.107 Sie selbst wurde ebenfalls im zweiten Jahr ihres Aufenthalts auf Samoa Mutter und äußerte sich glücklich darüber, dass ihre Tochter zwar in der Fremde, aber auf deutschem Boden geboren wurde.108 Zieschank war der Ansicht, dass das Klima für das Aufwachsen kleiner Kinder auf Samoa ideal sei und scheint auch selbst sehr glücklich auf Samoa gewesen zu sein. Die Schönheit der Insel lobt sie in all ihren Veröffentlichungen immer wieder ausführlich.109 Nachdem 1909 ein Pflanzerverein gegründet worden war und Frieda Zieschanks Mann die ärztliche Betreuung der auf den Plantagen tätigen Kontraktarbeiter im neuen Arbeiterhospital übernommen hatte, verstärkte sich der gesellschaftliche Umgang der Familie Zieschank mit den Kakaopflanzern.110 In diesem Umfeld reifte der Wunsch, selbst eine Pflanzung zu besitzen. Fasziniert vom Leben der Pflanzer und der Möglichkeit, durch das Anlegen von Plantagen „aus unfruchtbarem Urland Schätze zu entwickeln“, ließen Zieschanks schließlich eine Kakaopflanzung anlegen.111 Allerdings blieb der Kakaoanbau eher Nebenbeschäftigung und das Ehepaar lebte und arbeitete nicht selbst auf der Pflanzung. Mit Stolz betonte Frieda Zieschank aber in ihrem Buch Ein Jahrzehnt in Samoa, dass sie nicht nur großes Interesse an diesem Thema entwickelt habe, sondern auch „Verständnis für diese Dinge“, das sie durch zahlreiche Besuche auf verschiedenen Pflanzungen und Gespräche mit Pflanzern erworben habe: „Bald war mein Blick so geschärft, daß ich die Vorzüge und Fehler der einzelnen Betriebe genau zu unterscheiden vermochte“, schrieb sie.112 Um ihre Expertise unter Beweis zu stellen, ging sie in ihrem Buch in einem eigenen Kapitel mit dem Titel „Pflanzungsanlagen“ ausführlich auf den Kakaoanbau ein, wobei sie unter anderem die Kosten und den möglichen Ertrag einer Pflanzung sowie Pflanzungsschädlinge thematisiert.113 Im Jahr 1913 erschienen in Kolonie und Heimat Zieschanks Briefe an eine Kolonialbraut.114 Der vermutlich fiktiven Empfängerin, deren Ausreise auf eine Pflanzung in Samoa bevorstand, schrieb Zieschank von Apia aus, was sie in der Kolonie erwarte. Einleitend erklärte sie, dass sie sich – auch ohne selbst auf einer Pflanzung

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Ebd., S. 21. Ebd., S. 49f. Ebd., S. 59f. Beispielsweise ebd., S. 58, 80; Dies.: Ein verlorenes Paradies, S. 49. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 83. Ebd., S. 85f. Ebd., S. 84. Ebd., S. 87-96. Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8.

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zu leben – für ausreichend kompetent halte, Ratschläge zu geben, da sie „zuweilen kürzere und längere Zeit auf Pflanzungen verlebt und liebe Freundinnen unter den Pflanzerfrauern gehabt“ habe.115 Zieschank warnte die Empfängerin der hier zitierten Briefe, dass sie auf der Pflanzung auf gesellschaftliche Vergnügungen, „die man ja in Apia zuweilen haben kann“ verzichten müsse, da die Pflanzungen einsam gelegen seien. Das Leben als Pflanzersfrau sei auf Grund der mangelnden Anregungen von außen entbehrungsreich. Dafür sei das Zusammenleben mit dem Ehemann inniger und der Verkehr der Pflanzersfamilien untereinander „angenehm und zwanglos“.116 Ebenso schilderte Else Deeken in der Kolonialpresse ihren Alltag in Samoa.117 Sie war die Ehefrau des schon erwähnten berüchtigten Kakaopflanzers, der immer wieder mit dem Gouverneur von Samoa in Konflikt geriet.118 In dem Artikel Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee beschreibt sie, wie sie jung verheiratet mit ihrem Mann nach Samoa kam, wo auf dem erworbenen Grundstück zunächst dichter Urwald gerodet werden musste.119 Anfangs habe Deeken sich vor allem darum bemüht, den „primitiven Haushalt ein wenig gemütlich zu machen“ und auch der Platz um das Haus herum wurde durch die Anpflanzung von Ziersträuchern und Ananas verschönert.120 Nun könne sie sich aber an einem schönen „deutschen Heim in mitten der herrlichen tropischen Landschaft“ erfreuen.121 Auch in diesem Artikel wird die Einsamkeit der Pflanzersfamilien thematisiert. Um „geselligen Verkehr“ zu pflegen, wohne sie zu abgeschieden und habe zu wenig Zeit, schrieb Deeken.122 Sie musste sich um ihre drei Kinder kümmern und Haushalt, Garten und Geflügel versorgen. Auch Kühe wurden gehalten, aus deren Milch die Autorin Butter herstellte.123 In ihrem Artikel betonte sie, dass die Hausfrauen in den Kolonien einen arbeitsreichen Alltag hätten: „Durchschnittlich denkt man sich in der Heimat das Leben einer weißen Frau in den Tropen sehr bequem [...]. Im Gegenteil, die meisten müssen tüchtig arbeiten, oft mehr, als sie in

115 Ebd. 116 Ebd. 117 Deeken, Else: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 37, S. 374f; Nr. 39, S. 393. 118 Vgl. Kapitel 2.3. 119 Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 37, S. 374. 120 Ebd., Nr. 37, S. 374f. 121 Ebd., Nr. 39, S. 393. 122 Ebd. 123 Ebd.; Nr. 37, S. 375.

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Deutschland gewöhnt waren, haben damit aber auch einen nicht geringen Anteil am Aufblühen der Kolonie.“124

Allerdings gab sie auch zu, dass nach dem „Anlernen“ ihrer chinesischen Bediensteten, einem Koch und einem Küchenjungen, eine angenehmere Zeit für sie angebrochen sei. Die Kontraktarbeiter müsse sie jedoch „fortwährend beaufsichtigen“.125 In ihrer Freizeit unternahm sie Besuche, ritt durch die Pflanzung, las oder badete an der extra angelegten Badestelle am nahen Bach. Außerdem erholte sie sich mit ihrer Familie manchmal auf ihrem Sommerhäuschen in den Bergen. Dorthin luden Deekens im Übrigen auch Frida Zieschank ein, zu der offensichtlich gute Beziehungen bestanden haben.126 Else Deeken beschrieb ihr Leben in der Kolonie als „gleichmäßig und friedlich“.127 Wie Zieschank hielt sie das Leben in der Südsee auch für die Entwicklung der Kinder für förderlich. Diese würden „in dem schönen Klima und der freien Natur, frisch und kräftig gedeihen“.128 Abgesehen davon, dass sie eine bessere Postverbindung zur Heimat vermisste, scheint Else Deeken auf Samoa sehr zufrieden gewesen zu sein. Angesichts der Tatsache, dass ihr Mann sich sehr dafür einsetzte, weitere deutsche Siedler für Samoa zu gewinnen, wäre es allerdings auch erstaunlich, wenn sie öffentlich Kritik an ihrer Situation in der Südsee geäußert hätte. Vielmehr sollte ihr Artikel wohl dazu dienen, den Lesern in der Heimat zu demonstrieren, dass auch deutsche Frauen und ihre Kinder in Samoa ein glückliches Leben führen konnten. Dieselbe Intention prägt Emmy Müllers Artikel Die deutsche Frau in der Südsee, der in Kolonie und Heimat veröffentlicht wurde.129 Müllers Ehemann besaß mehrere große Plantagen im damaligen „Neu-Mecklenburg“. Als sie den Artikel schrieb, war Müller im Begriff, erneut für drei Jahre in die Südsee zu reisen, wo sie bereits drei Jahre verbracht hatte. Müllers Schilderung des Alltags der Frauen in Deutsch-Neuguinea ist den Beschreibungen Deekens sehr ähnlich. Auch sie berichtete vom ländlich anmutenden Haushalt, von der Geflügelzucht und dem Anlegen von Gärten. Wie Deeken beschrieb sie das Leben in den Kolonien als „still und arbeitsreich“ – und das, obwohl sie andererseits erklärte:130 „Die Tätigkeit der Hausfrau besteht hier [...], wenn sie ihre Hausmannschaft einexerziert hat, in der Beauf-

124 125 126 127

Ebd., Nr. 37, S. 374. Ebd., Nr. 39, S. 393. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 76. Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, Jg. 24. (1907), Nr. 39, S. 393. 128 Ebd. 129 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6f. 130 Ebd., S. 7.

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sichtigung des Haushalts und im Disponieren; im übrigen bleibt ihr recht viel freie Zeit.“131 Im Vergleich mit Deekens Artikel fällt auf, dass Müller offenbar viel Wert darauf legte, zu betonen, dass sich auch das gesellschaftliche Leben in Neuguinea positiv entwickelte, was sie der wachsenden Zahl an deutschen Frauen in der Kolonie zuschrieb: „Da erfreulicherweise je länger je mehr die Scheu vor den ‚bösen‘ Tropen schwindet, und immer mehr Frauen herauskommen, so gestaltet sich auch die Geselligkeit weit vielseitiger als im schönen alten Junggesellenstadium der Kolonie. Wir haben jetzt schon unsere Teekränzchen, Tennisspiele, musikalische Aufführungen unter Musikfreunden, hin und wieder eine Reitpartie oder Picknicks und größere Festlichkeiten als willkommene Unterbrechungen des hiesigen, sonst stillen und arbeitsreichen Daseins.“132

Die Auswahl der Fotografien, die den Artikel illustrieren, belegen ebenfalls den hohen Wert, der der Freizeitgestaltung hier beigemessen wurde. Sie zeigen unter anderem gesellige Runden auf der Veranda des Gouverneurshauses, auf der Veranda des Bezirksamtmannes in Kieta, vor einem Rasthaus und auf dem Tennisplatz in Herbertshöhe.133 Auch die Lebenserinnerungen der Gretel Kuhn zeugen von einem regen gesellschaftlichen Leben in den kleinen Städten der Kolonie.134 Kuhn wohnte in Rabaul, das seit 1909 Sitz der Kolonialverwaltung von Deutsch-Neuguinea war. Da sie erst einige Monate vor Kriegsausbruch in Neuguinea ankam, erlebte sie dort eine blühende Kolonie mit gut entwickeltem Gesellschaftsleben, das sich wohl deutlich von den Anfangsjahren unterschied, in denen sich noch kaum weiße Frauen in der Kolonie niedergelassen hatten.135 Gretel Kuhn konnte nach der Beförderung ihres Mannes zum Leiter der Neuguinea-Kompagnie ein sehr privilegiertes Leben führen, 131 Ebd. 132 Ebd. 133 Eine weitere, zentral in diesem Artikel platzierte Fotografie zeigt die Krankenschwester Auguste Hertzer. Zum einen hat die Verfasserin die Schwester sehr verehrt, wie aus privaten Briefen hervorgeht (Briefe an Auguste Hertzer in Privatbesitz, siehe Quellenverzeichnis im Anhang), zum anderen werden mit der Bildunterschrift „Frl. Auguste Hertzer, früher Schwester vom Roten Kreuz, jetzt Farmerin“ vielleicht auch bewusst Möglichkeiten der Selbstverwirklichung für Frauen angedeutet, die in Kolonie und Heimat eigentlich völlig unterrepräsentiert waren. Darauf wird an anderer Stelle zurückzukommen sein. 134 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul 1914-1921, in Privatbesitz. 135 Auch Lilian Overell, die während der australischen Besatzung Neuguinea bereiste, schrieb, es habe „amusement und all kind of social festivities“ während der deutschen Kolonialzeit gegeben: „There probably never was a gayer little colony than that of the Südsee!“, siehe Overell, L.: A Woman’s Impressions of German New Guinea, S. 29.

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so dass sie nicht den Durchschnitt der „deutschen Kolonialfrau“ repräsentiert, aber ein gutes Beispiel für den luxuriösen Lebensstil ist, der manchen Frauen in den Kolonien möglich war. Schon als ihr Ehemann noch Prokurist war und sie ein bescheideneres Zuhause hatte, konnte Kuhn im Haushalt auf die Hilfe eines chinesischen Kochs und zweier einheimischer Bediensteter zurückgreifen.136 Anfangs bemühte sie sich noch darum, zu kochen und Brot backen zu lernen, doch dann änderte sie ihre Strategie: „Ich fand ziemlich schnell heraus, dass die beste Art zu kochen die war, den willigen Koch anzulernen, dass er es so machte, wie man es wollte. Auch das bedurfte einer langen Zeit, aber ich schaffte es.“137 Um das nach der Beförderung bezogene Anwesen in Ordnung zu halten, hatten Kuhns mehr als zehn Angestellte, die in der Küche arbeiteten, den Tisch deckten, servierten, die zahlreichen Zimmer reinigten, die Wäsche wuschen, das Vieh versorgten und den Garten pflegten. Sie selbst kontrollierte zwar die Arbeit des Dienstpersonals, hatte aber ansonsten wenig im Haushalt zu tun.138 Ihren Tageablauf, der nach ihrer Aussage dem der meisten Familien ihres Umfeldes ähnlich war, schilderte Kuhn folgendermaßen: „Man stand sehr früh, vor sechs Uhr, auf, um die angenehme Kühle zu genießen, die es dann noch gab. Dann gab es ein sehr gepflegtes Frühstück mit Papayas und was man eben sonst gewohnt war zu essen. [...] Um sieben Uhr ging mein Mann ins Büro, ich ging meinen häuslichen Pflichten nach und fuhr in die Chinesenstadt, um dort einzukaufen, was gerade für den Haushalt nötig war. Zum Mittagessen kam mein Mann nach Hause, ruhte dann ein bis zwei Stunden bis der Betrieb um drei Uhr wieder anfing. Um fünf Uhr war Büroschluß. [...] Nach Büroschluss traf man sich meist auf dem Tennisplatz, wo man merkwürdigerweise trotz der wahnsinnigen Hitze immer noch spielte.“139

Abends ging Gretel Kuhn häufig mit ihrem Mann spazieren, beispielsweise im Botanischen Garten oder weit hinaus auf die Landebrücke der Neuguineakompagnie, von wo aus sie gerne die Einheimischen beim Fischen beobachtete.140 Zwar hatte Kuhn recht viel Zeit, sich angenehmeren Dingen als der Hausarbeit zu widmen, doch fällt in ihrem Bericht auf, dass sie diese Zeit wohl selten dem Müßiggang widmete, sondern eine sehr tatkräftige Person gewesen zu sein scheint. Sie nähte viel und mit Freude und verfügte offenbar über gestalterisches Talent.141 Sie entwarf die neuen Möbel ihrer Villa selbst und besprach die Ausführung ihrer Pläne

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Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 28. Ebd., S. 27. Ebd., S. 37f, 41. Ebd., S. 28. Ebd., S. 30. Ebd., S. 40, 54, 74.

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mit dem Schreiner.142 Nicht nur als Innenarchitektin war sie tätig: Auf Wunsch ihres Mannes entwarf sie außerdem mehrere Häuser für Angestellte sowie ein rundes Wochenendhaus mitten im Urwald für ihre Familie.143 Sie fuhr selbst zur Baustelle und überwachte die technische Umsetzung ihrer Ideen. Außerdem baute sie einen Lesezirkel auf und verbrachte viel Zeit damit, Bücher einzusammeln, zu verpacken und zu verschicken, damit der begehrte deutsche und englische Lesestoff in Umlauf geriet und so möglichst vielen Lesern zur Verfügung stehen konnte.144 Häufig begleitete sie ihren Ehemann auf Geschäftsreisen oder verbrachte seine dienstliche Abwesenheit damit, Vergnügungsfahrten per Pferdewagen mit befreundeten Frauen zu unternehmen, wobei sie selbst kutschierte.145 Nach der Geburt ihres zweiten Sohnes beschloss sie allerdings, längere Ausflüge einzuschränken.146 Auch zuhause mangelte es Kuhn wohl nicht an Gesellschaft: Immer wieder berichtet sie von Einladungen, die sie zum einen selbst für viele Gäste aussprachen, zum anderen auch annahmen. Besuch blieb oft mehrere Wochen, in denen viel gemeinsam unternommen wurde.147 Insgesamt vermittelt Kuhns Bericht trotz der Sorgen und Schwierigkeiten, die schließlich der Kriegsausbruch und die australische Besatzung mit sich brachten, den Eindruck, dass sie ihr Leben in der Südsee sehr genoss. Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei allerdings, dass die lange Zeitspanne, die zwischen ihrem Aufenthalt in Rabaul und ihrer Berichterstattung lag, dafür gesorgt haben könnte, dass in der Erinnerung die Schattenseiten hinter den Sonnenseiten etwas zurücktraten. Noch einmal muss zudem betont werden, dass bei weitem nicht alle „Frauen von Privaten“ ein Leben wie Frieda Zischank, Emmy Müller oder gar wie Gretel Kuhn führen konnten. Diese Gruppe ist auf Grund der vagen Kategorisierung deutlich weniger homogen als beispielsweise die der Missionsschwestern. Wie schon von Zieschank und Deeken betont, wohnten viele Frauen zu abgeschieden, um am gesellschaftlichen Leben der städtischen Ansiedlungen teilzunehmen. Zudem genossen auch nicht alle das Privileg, über „recht viel freie Zeit“ zu verfügen, da sie sich häufig in einer ganz anderen finanziellen Lage befanden. Die Unterschiede werden beispielsweise in Kuhns Bericht deutlich, als sie erwähnt, dass sie zeitweise zwei Pflanzersfrauen bei sich im Haus beherbergte und erklärt: „Die beiden Frauen waren sehr glücklich hier im Haus bei uns. Es waren beides Frauen, die von einer Pflanzung kamen, wo es sehr viel primitiver zuging und wo auch die ganzen Ver-

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Ebd., S. 40f. Ebd., S. 85, 99. Ebd., S. 65, 68. Ebd., S. 25, 30, 38, 58, 77. Ebd., S. 86. Ebd., S. 42, 45, 55, 58.

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hältnisse mit Essen und so weiter viel primitiver waren als hier bei uns.“148 Eine von ihnen lebte laut Kuhn „im allertiefsten Busch am äußersten Zipfel von NeuMecklenburg“.149 Über das Leben solcher isoliert lebenden Frauen schrieb die Reisende Marie Schafroth: „[...] das Leben der Ansiedlers-Gattin in Neu-Guinea und im Bismarck-Archipel ist kein leichtes. Viel Arbeit gibt es daselbst zu verrichten, die zuhause geschulten Dienstboten überlassen bleibt. Hier draußen fehlen sie gänzlich. [...] Ein chinesischer Koch ist auch nicht immer erhältlich und sehr teuer, da er von Hongkong aus mitgenommen werden muß. [...] Der Gatte, der tagsüber auf den Pflanzungen oder im Geschäft weilt, kommt fortwährend mit anderen Herren zusammen, weil sich auf jeder Besitzung mehrere Europäer befinden. Die Frauen aber wohnen meistens meilenweit auseinander und sind während der Arbeitszeit ganz allein auf sich angewiesen.“150

Für viele deutsche Ansiedler gestaltete sich der Aufbau einer gesicherten Existenz als Kleinunternehmer zudem sehr mühsam. Wie schon im Kapitel über die finanzielle Situation der Ausreisenden deutlich wurde, war das Leben in den Kolonien teuer und bei Pflanzern dauerte es Jahre, bis die Plantagen so weit gediehen, dass sie erste Erträge abwarfen. Handwerker und andere Dienstleister hatten bei der geringen Zahl potentieller Kunden oft mit harter Konkurrenz zu kämpfen, so dass es ihnen nicht immer leicht fiel, den Lebensunterhalt für sich und ihre Familie sicherzustellen. Diese Schwierigkeiten werden allerdings eher zwischen den Zeilen sichtbar, lassen sich aus dem Aktenmaterial an mancher Stelle erschließen oder werden in anderen Quellen gestreift – in der koloniale Presse tauchen sie kaum auf.151 Dort findet man vor allem die Schilderungen der Frauen, die auf Grund ihrer sozialen Position genug Zeit und Selbstbewusstsein besaßen, ihre Erlebnisse zu veröffentli-

148 Ebd., S. 73. Auf S. 86 erwähnt Kuhn außerdem, dass sie häufig Übernachtungsgäste hatten, „weil jeder der Pflanzer das Bedürfnis hatte, mal in die sogenannte Stadt zu kommen“. 149 Ebd., S. 73. 150 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem großen Krieg, S. 80f. 151 Vgl. beispielsweise: Wilhelm Solf an Jacob Baumeister, Apia, 12. Juni 1904, ANZ(W) AGCA 6051/0362: „Herr v. Wülfingen hat hier [...] eine Werkstatt für Ingenieurarbeiten gegründet. Bei der scharfen Konkurrenz mit den 2 älteren Geschäften gleichen Genres ist nicht zu erwarten, dass gleich in der ersten Zeit Erfolg sich einstelle.“ Solf hielt es für fraglich, ob v. Wülfingen genug für den Lebensunterhalt für sich und seine Ehefrau erwirtschaften könne und dem Tropenklima gewachsen sei. – Auch die viele Akten füllenden Überlegungen über die „Heimschaffung mittelloser Personen“ (z.B. BArch, R 1001/2343; 2344 u. 2345) machen deutlich, dass nicht allen Ansiedlern ein erfolgreicher Neuanfang in den Kolonien glückte, vgl. auch Kapitel 5.

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chen und mit ihren Erzählungen das Anliegen der kolonialen Frauenbewegung unterstützten, mehr Frauen für ein Leben in den Kolonien zu interessieren.

9.3 E HEFRAUEN VON B EAMTEN Einige der deutschen Frauen, die in den Südsee-Kolonien lebten, waren mit Beamten im Kolonialdienst verheiratet. Anders als die Familien, die ihrer Heimat den Rücken kehrten, um sich in der Südsee eine neue Existenz aufzubauen oder die Missionsschwestern, die eine Rückkehr in die Heimat zum Großteil überhaupt nicht vorsahen, reisten die Beamten und ihre Frauen von vornherein nur für eine klar befristete Zeit in die Kolonie. Da man überzeugt war, dass ein dauerhafter Aufenthalt in den Tropen Europäern schade und Erkrankungen verhindern wollte (zumal für die Behandlungskosten der Beamten der Fiskus aufkommen musste), wurden die Beamten der Südsee-Kolonien per Vertrag nur zu einer dreijährigen Dienstperiode verpflichtet. Anschließend stand ihnen ein vier- bis sechsmonatiger Erholungsurlaub in der Heimat zu, bevor sie eventuell eine weitere Dienstzeit in den Kolonien antreten konnten. Eine freiwillige Verlängerung der Dienstperiode über drei Jahre hinaus war nur auf Genehmigung des Gouverneurs und nur um maximal die Hälfte der bisherigen Dienstzeit möglich – unter der Voraussetzung, dass ein ärztliches Gutachten bescheinigte, dass ein längeres Verbleiben in den Tropen ohne Schädigung der Gesundheit möglich wäre.152 Wie bei den „Frauen von Privaten“ war die Spannbreite der Lebensverhältnisse innerhalb der Gruppe der Beamten und ihrer Ehefrauen groß. Aus den Akten geht hervor, dass Beamte im Untersuchungszeitraum in 13 verschiedene Besoldungsklassen eingeteilt und die Verdienstunterschiede beispielsweise zwischen einem Richter oder Bezirksamtmann und einem Sekretär entsprechend beträchtlich waren.153 In einem Schreiben aus dem Jahr 1907 heißt es beispielsweise, dass der Gehaltssatz von 9600 Mark jährlich, den ein verheirateter Regierungsarzt in den Kolonien bezog, „in der allgemeinen Gehaltsordnung der Schutzgebietsfunktionäre, da hierbei die Gouverneure außer Betracht bleiben müss[t]en, erheblich über dem Durchschnitt“ läge. Die „weit überwiegende Mehrzahl der Funktionäre“ habe ein geringeres Diensteinkommen.154 Zum Vergleich: Die Lehrerinnen im Regierungsdienst in Samoa erhielten zwischen 3000 und 3400 Mark jährlich, also nur rund ein

152 Staatssekretär des RKA Solf an den Gouverneur von Samoa, Berlin, 4. Dez. 1913, MESC(AU), S2-IG6-F2. 153 Vgl. beispielsweise: Gouverneur von Samoa an das Auswärtige Amt / KA, Apia, 1. Juni 1907, MESC(AU), IG 135-15-Vol.1-F4. 154 Conze an den Staatssekretär des RKA, Berlin, 27. Juli 1907, MESC(AU), S2-IG6-F1.

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Drittel des Gehaltes des Arztes.155 Die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Beamten wurde beispielsweise auch an der Zahlung der Urlaubsbeihilfen deutlich, da den Beamten und ihren Familien unterschiedliche Schiffsklassen auf den Dampfern zugestanden wurden.156 Auch die standesbewusste Gouverneursfrau Johanna Solf differenzierte in ihrem Tagebuch stets zwischen „kleinen“, „mittleren“ und „hohen“ Beamten.157 Bedauerlicherweise ist die Quellenlage die Ehefrauen von Beamten betreffend in den Südsee-Kolonien sehr dünn. Zwar wird sie in naher Zukunft bereichert werden durch die Edition des Tagebuches von Martha Wostrack, die mit dem ersten deutschen Stationsleiters von Namatanai verheiratet war; doch waren ihre Aufzeichnungen leider noch nicht für diese Arbeit zugänglich.158 Glücklicherweise lag aber das Tagebuch der Gouverneursfrau Johanna Solf zur Auswertung vor, das einen Einblick in das Leben der „first lady“ der kolonialen Gesellschaft von Samoa gibt und auch einige andere Frauen ihres Umfeldes erwähnt.159 Die Gouverneursfrauen tauchen auf Grund ihrer Stellung auch immer wieder in den Akten und in der kolonialen Presse auf, während die Ehefrauen von Beamten niedrigerer Klassen kaum Spuren im Quellenmaterial hinterlassen haben. Zahlreiche Schriftzeugnisse liegen jedoch von Antonie Brandeis vor, die mit dem Landeshauptmann der Marshall-Inseln verheiratet war und mit diesem ab 1898 auf Jaluit lebte.160 Nach dem ersten dreijährigen Aufenthalt kehrte sie für weitere zwei Jahre in die Südsee zurück.161 Mehrere Veröffentlichungen in der Kolonialpresse so wie das von ihr verfasste Kochbuch für die Tropen geben Auskunft über ihr Leben in Mikronesien. Schon zu Beginn ihrer Artikelreihe SüdseeErinnerungen, die in der Deutschen Kolonialzeitung erschien, betonte Brandeis, dass es ihr trotz des Mangels an „geistigen Anregungen“ in Form von Theaterbesuchen und Konzerten nie langweilig in der Südsee gewesen sei.162 In der Fortsetzung 155 Vgl. Korrespondenz zwischen Ludovica Schultze u. Gouverneur Solf, Apia, Mai 1909, ANZ(W), AGCA 6051/0141 u. Gouverneur Solf an Pfister, Apia, 12. April 1909, ANZ(W), AGCA, S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 156 Conze an den Staatssekretär des RKA, Berlin, 27. Juli 1907, MESC(AU), S2-IG6-F1. 157 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 1. u. 13. Jan. 1909, in Privatbesitz. 158 Die Tagebuchedition soll in der von Hermann Hiery herausgegebenen Reihe Quellen und Forschungen zur Südsee erscheinen. Martha Wostrack hat auch einen Artikel über ihre Heimreise von Neuguinea in Folge des Kriegsausbruchs geschrieben, der in Kolonie und Heimat veröffentlicht wurde; bibliographische Angaben im Quellenverzeichnis. 159 Solf, J.: Tagebuch. 160 Bibliographische Angaben im Quellenverzeichnis im Anhang; zu A. Brandeis vgl. auch Brüll, M.: Kolonialzeitliche Sammlungen aus dem Pazifik, S. 133-136. 161 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 6. 162 Ebd.

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des Textes erwähnt sie verschiedene gesellschaftliche Ereignisse, wie etwa Feierlichkeiten zu Ehren der Besatzung eines eingetroffenen Kriegsschiffes oder Kaisers Geburtstag, Familienfeste, Weihnachts- und Neujahrsfeiern.163 Sie wollte ihre Leser überzeugen, dass es auch auf einer kleinen Insel Möglichkeiten des gesellschaftlichen Amüsements gab: „Aus vorstehenden Schilderungen wird der Leser ersehen haben, dass meine Zeit reichlich ausgefüllt war und daß selbst eine abgelegene kleine Insel Interessantes zu bieten hat. Ich kann mich nicht entsinnen, dass mir die Zeit jemals lang geworden. Waren einmal größere Pausen zwischen den Schiffen, so zeigten sich Händler und Häuptlinge anderer Atolle.“164

Es ist unwahrscheinlich, dass Frauen, deren Leben derart mit Arbeit ausgefüllt war, wie beispielsweise das der Missionsangehörigen oder mancher Krankenschwester, sich überhaupt Gedanken über das mögliche Aufkommen von Langeweile gemacht hätten. Missionarsfrau Emilie Decker schrieb in diesem Zusammenhang: „Ich glaube, dass keine Frau unter uns ist, die sich nach den Vergnügungen und Zerstreuungen von daheim schon gesehnt hat.“165 Entsprechend stellte Dagmar Konrad in ihrer Studie über Missionarsfrauen in der Basler Mission fest: „Sie führten alles andere als ‚ein koloniales Leben auf der Veranda‘“166, was wohl auch impliziert, dass der Alltag manch anderer Frau in den Kolonien sich durchaus weniger anstrengend gestaltete. In der Tat scheinen Antonie Brandeis’ Pflichten ebenso wie bei einigen der im letzten Kapitel genannten „Frauen von Privaten“ primär delegierender und organisatorischer Art gewesen zu sein, während sie körperlich anstrengende Arbeit in Haushalt und Garten nicht selbst verrichtete. Dennoch stellt auch sie sich als sehr beschäftigt dar: „[...] wie viel gab es doch täglich zu tun, wie vieles zu überdenken. Alle Bestellungen in Hamburg, Berlin, Sydney und San Franzisko wollten überlegt und genau berechnet sein [...].“167 Auch das Sortieren der angekommenen Fracht verursachte laut Brandeis viel Arbeit. Sie erwähnte zwar außerdem, dass das Reinigen der Räume und Ausbessern der Kleidung viel Mühe bereiteten, doch handelte es sich dabei hauptsächlich um die Beaufsichtigung des Dienstpersonals: Die Kleidung ließ Brandeis von „eingeborenen Näherinnen“ nähen, nur den Zuschnitt berei-

163 Ebd., Nr. 2, S. 21f; Nr. 3, S. 36-38. 164 Ebd., Nr. 3, S. 38. 165 Missionarsfrau Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 166 Konrad, D.: Missionsbräute, S. 54. 167 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36.

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tete sie selbst vor. Auch das Reinhalten der Vorratsräume wurde von ihr nur beaufsichtigt, nicht etwa selbst besorgt.168 Obwohl Antonie Brandeis ein damals sehr populäres Kochbuch für die Tropen geschrieben hat, erwähnt sie im Gegensatz zu den oben behandelten Missionsangehörigen nicht, dass sie selbst gekocht oder gebacken hätte. Sie berichtet zwar von ihrem „großen englischen Herd, in dem vorzüglich Brot und Kuchen gebacken werden konnte“, nicht aber, dass sie selbst ihn benutzte.169 Solange der chinesische Koch und der chinesische Hausjunge noch nicht eingetroffen waren, aß das Ehepaar Brandeis im Haus des Sekretärs der Landeshauptmannschaft.170 In der Einleitung ihres Kochbuchs behauptet Brandeis: „Eine Europäerin wird dauernd in den Tropen nicht selbst kochen können, sie ist im fremden Klima der Anstrengung nicht gewachsen; man gebe sich da keinen Illusionen hin.“171 Europäerinnen könnten nur den Koch anleiten und nach Vorschrift kochen lassen. Dass manche Leserinnen sich diese Überzeugung zu Eigen machten, zeigen die oben zitierten Aussagen von Gretel Kuhn, die auch erwähnte, „ein gutes Tropen-Kochbuch“ in Gebrauch gehabt zu haben.172 Brandeis war aber durchaus bewusst, dass nicht alle Frauen derart privilegiert waren. Sie unterschied in ihrem Kochbuch vier „Verhältnisse“: Im ersten Fall gäbe es einen perfekten Koch und die Hausfrau müsse nur das Menü mit ihm besprechen und die Zubereitung leiten. Im zweiten Fall müsse sich die Hausfrau täglich der Küche annehmen, weil nur ein mit mangelhaften Kenntnissen ausgestatteter Koch vorhanden sei. Im dritten Fall gäbe es nur eine Küchenhilfe zur Unterhaltung des Herdfeuers und zum Waschen der Kochtöpfe und im ungünstigsten vierten Fall müsse die Hausfrau alles selbst erledigen, da es keine Dienstboten gäbe. Diesen Frauen legte Brandeis eine gute Zeiteinteilung und das Ausnutzen der kühlen Morgenstunden besonders ans Herz.173 Brandeis erklärtes Ziel war es, mit ihrem Kochbuch bei den Leserinnen das Interesse für den Haushalt zu wecken, um so der „Langeweile und Apathie“ entgegen zu wirken, „welcher viele Frauen in den Tropen verfallen, falls sie sich des Hauswesens nicht genügend annehmen“.174 Es ist zu vermuten, dass „Langeweile und Apathie“ eher den Frauen in den erstgenannten „Zuständen“ drohten als in den weniger privilegierten. Obwohl Brandeis einerseits schrieb, dass ihre Pflichten als

168 169 170 171 172 173 174

Ebd. Ebd., Nr. 1, S. 7. Ebd. Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, S. 4. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 27. Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, S. 5-9. Ebd., S. 3.

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Hausfrau ihr nicht gestattet hätten, sich öfter am Tag vom Haus zu entfernen,175 ist ihren Veröffentlichungen andererseits zu entnehmen, dass ihr genug Zeit für Spaziergänge, Besuche bei anderen deutschen Siedlern und das Anfertigen und Entwickeln von Fotografien blieb. Außerdem betätigte sie sich als Sammlerin von Ethnographika, die sie mehreren Museen in Deutschland zu Ausstellungszwecken zur Verfügung stellte.176 Die Ethnologin Maragrete Brüll bescheinigt Brandeis, „dass sie, im Gegensatz zu vielen anderen, die Ethnographika sammelten, ihre Aufgabe ernst nahm“, sich bemühte, zu erklären, in welchem Zusammenhang die gesammelten Stücke standen und differenzierte Angaben darüber nach Deutschland schickte.177 Des Weiteren machte sie Aufzeichnungen über das Wesen und die Bräuche der indigenen Bevölkerung, für die sie sich sehr interessiert zu haben scheint.178 Das Interesse für ihre zeitweilige Heimat erstreckte sich nicht nur auf deren Bewohner, sondern auch auf die Entstehungsgeschichte der Inseln und deren Natur. Es war ihr ein Anliegen, durch diverse Veröffentlichungen ihre Kenntnisse über die Region auch den Lesern in der Heimat näher zu bringen, da „über die Entstehung und das Aussehen der Atolle eine so große Unkenntnis“ herrschte, wie sie schrieb.179 Zu ihrem Bedauern hatte sie für ihre Sammlungen und Studien weniger Zeit, nachdem ihre erste Tochter geboren wurde.180 Da in den ersten Jahren ihres Aufenthalts noch keine Pflegeschwestern auf Jaluit anwesend waren, betätigte sich Brandeis bei Bedarf auch als Krankenpflegerin, eine Aufgabe, die sie laut eigener Auskunft „mit Freuden übernahm“, was als weiteres Indiz dafür gewertet werden kann, dass ihre häuslichen Pflichten ihr noch genug Zeit für andere Tätigkeiten ließen.181 Dieser Umstand so wie die zentrale Bedeutung, die die Ereignisse des gesellschaftlichen Lebens in ihren eingangs zitierten 175 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 37. 176 Ebd. Antonie Brandeis überließ einen Großteil der von ihr gesammelten Stücke dem Adelhausermuseum für Natur- und Völkerkunde in der Heimatstadt ihres Mannes, Freiburg im Breisgau. Ursprünglich wurde Eugen Brandeis gebeten, für das Museum zu sammeln, da er jedoch selbst wenig Gelegenheit dazu hatte, übernahm seine Frau die Aufgabe, was er auch explizit deutlich machte. Dennoch wurde damals wie heute als Urheber der Sammlung Eugen Brandeis genannt. Weder bei den Danksagungen noch in den Inventarbüchern des Museums wurde der Name seiner Frau erwähnt, vgl. Brüll, M.: Kolonialzeitliche Sammlungen aus dem Pazifik, S. 133f. 177 Ebd., S. 134-136. 178 Vgl. Auflistung ihrer Veröffentlichungen im Quellenverzeichnis im Anhang u. Brüll, M.: Kolonialzeitliche Sammlungen aus dem Pazifik, S. 133-136. 179 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 6. 180 Ebd., Nr. 3, S. 38. 181 Ebd., Nr. 3, S. 37.

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Darstellungen haben, verrät die gut situierte Stellung als Ehefrau eines leitenden Beamten, die sich wohl nicht wesentlich von den privilegierteren unter den „Frauen von Privaten“ unterschied. Da sie ihre freie Zeit aber dafür nutzte, ihren ethnologischen und schriftstellerischen Interessen nachzugehen und sich karitativ zu engagieren, ist zweifelhaft, ob man Brandeis gerecht wird, wenn man ihr „ein koloniales Leben auf der Veranda“ zuschreibt.182 Vielmehr scheint ihr zwar die Gefahr der Langeweile durchaus bekannt gewesen zu sein, sie selbst hatte ihr aber gut vorgebeugt. Musste schon die Ehefrau eines Landeshauptmanns kaum selbst im Haushalt Hand anlegen, so galt das natürlich erst Recht für die Gattin des obersten Beamten in der Kolonie. Die Gouverneursfrauen verfügten über einen großen Personalstab. Eine Fotografie in Kolonie und Heimat, die den Artikel Ein deutsches Gouverneursheim in der Südsee über das Zuhause der Gouverneursfamilie Hahl in Neuguinea illustriert, zeigt das Küchen- und Dienstpersonal, das dieser Abbildung gemäß 17 Personen umfasste.183 Statt häuslicher Aufgaben hatten die Gouverneursfrauen zahlreiche gesellschaftliche und repräsentative Pflichten zu erfüllen. Diese setzten bereits mit den Empfangszeremonien bei der Landung des Dampfers im Kolonialgebiet ein.184 Nur wenige Tage nach der Ankunft des Gouverneurs von Samoa und seiner frisch angetrauten Ehefrau wurde in der Samoanischen Zeitung verkündet, dass „ihre Excellenz Frau Solf [...] nächste Woche am Montag und Donnerstag Nachmittag von 4 bis 6 Uhr“ Besuche empfange. Außerdem wurde ein „Buch zum Einschreiben für den kaiserlichen Gouverneur und Frau Solf“ im Gouvernementsbureau ausgelegt.185 Der kolonialen Gesellschaft sollte also die Möglichkeit gegeben werden, die junge Gouverneursfrau in Augenschein zu nehmen und dem Paar zur Hochzeit zu gratulieren. Um seine frisch angetraute Ehefrau auch unter den Samoanern als neue Landesmutter bekannt zu machen und ihr die Insel zu zeigen, unternahm der Gouverneur seine erste malaga nach der Ankunft in Begleitung seiner Frau.186 Die malaga war eine mehrtägige Reise über die Insel, bei der verschiedene Dörfer auf Upolu besucht und dort Versammlungen mit samoanischen Würdenträgern abgehalten wurden. So konnte sich Johanna Solf gleich zu Beginn ihres Aufenthalts ein Bild von der politischen Tätigkeit ihres Mannes machen, für die sie sich sehr interessierte. Über weite Strecken gibt ihr Tagebuch nicht ihre eigenen, sondern die Erlebnisse 182 Vgl. Konrad, D.: Missionsbräute, S. 54. 183 Ein deutsches Gouverneursheim in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1914), S. 3. 184 Vgl. Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 29. Nov. 1908, in Privatbesitz. 185 Samoanische Zeitung vom 28. Nov. 1908, Zeitausschnitt in ANZ(W), AGCA 6051/0454. 186 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 29. Nov. 1908, in Privatbesitz.

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ihres Mannes wieder,187 denn wie sie selbst schrieb, war sie „keine Frau, die im Haushalt oder Kinderstube vollkommen aufgeht“. Vielmehr habe sie „schon immer mehr männliche oder allgemeine Interessen“ gehabt.188 Sie begleitete ihren Mann zu Schulinspektionen und manchmal zu Besprechungen mit seinen Mitarbeitern, außerdem erlebte sie viele Versammlungen und Beratungen aus nächster Nähe mit, da das Anwesen Vailima zugleich Amtssitz und Wohnhaus des Gouverneurs war.189 Deutsche und samoanische Amtsträger erstatteten dem Landesvater dort Bericht und besprachen sich mit ihm; während des Konfliktes mit Lauaki wurde „ein regelrechter Kriegsrat“ des Gouverneurs mit seinen Vertrauten sogar im Schlafzimmer der Gouverneursfrau abgehalten, da dies der abgeschlossenste Raum war, wie sie in ihrem Tagebuch erklärte.190 Dass Johanna Solf im Gegensatz zu vielen anderen der in dieser Arbeit thematisierten Frauen regen Anteil an der Arbeitswelt ihres Ehemannes nahm, basierte jedoch nicht nur auf dem engen räumlichen Kontakt mit seiner Tätigkeit und an ihrem Interesse für die politischen Vorgänge, sondern wurde erst dadurch ermöglicht, dass sie durch ihre privilegierte Lebenssituation den Haushaltspflichten enthoben war, denen andere Frauen nachkommen mussten. In ihrer freien Zeit ritt Johanna Solf aus oder unternahm Spazierfahrten mit dem Pferdewagen und Besuche.191 Außerdem spielte sie gerne Klavier und berichtete auch von einem kleinen Konzert, das sie gemeinsam mit anderen offenbar für einen wohltätigen Zweck gab.192 Ihre Rolle als Landesmutter brachte für die Gouverneursfrauen mit sich, dass sie mit ihrem Mann häufig eingeladen wurden und ihn bei allen gesellschaftlichen Anlässen in der Kolonie begleiteten; ob es sich nun um einen Kostümball, eine Tauffeier oder Schulfeste handelte oder um das Stiftungsfest des Militärvereins, dessen Ehrenvorsitzender natürlich der Gouverneur war.193 Auch von der „first lady“ der Kolonie wurde erwartet, dass sie den Vorsitz der örtlichen Frauenvereinigungen 187 Exemplarisch Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 18. Jan. 1909, in Privatbesitz. 188 Ebd., Eintrag vom 4. April 1909, in Privatbesitz. 189 Ebd., Einträge vom 6. u. 9. Dez. 1908, 24. u. 25. Jan., 25. März u. 11. Aug. 1909, in Privatbesitz. 190 Ebd., Eintrag vom 26. März 1909, in Privatbesitz. Zum Konflikt mit Lauaki siehe Kapitel 2.3. 191 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 4. u. 13. Dez. 1908, 22. März, 20. April, 12. Juli u. 28. April 1909, in Privatbesitz. 192 Solf, J.: Tagebuch: Dass J. Solf Klavier und Orgel spielte, geht aus zahlreichen Einträgen hervor; zum Konzert siehe Einträge vom 24. u. 28. April u. 2. Mai 1909, in Privatbesitz. 193 Vorstand des Militärvereins Apia an den Gouverneur, Apia, 19. Juni 1909, ANZ(W), AGCA 6051/0454 u. Samoanische Zeitung vom 12. März 1910, Zeitungsausschnitt in ANZ(W), AGCA 6051/0455; Solf, J.: Tagebuch: beispielsweise Einträge vom 20. Dez. 1908; 1., 23. u. 29. Jan., 2. März, 3. u. 6. Mai, 12. Aug. 1909, in Privatbesitz.

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übernahmen. So stand Johanna Solf der Abteilung Apia des Frauenvereins vom Deutschen Roten Kreuz für die Kolonien vor und Luise Hahl war Vorsitzende der örtlichen Abteilung des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft und des Schulvereins in Rabaul.194 In seiner Abschiedsrede für das scheidende Ehepaar Hahl lobte der damals stellvertretende Gouverneur Haber die „liebe und treue Landesmutter“ Hahl für dieses gesellschaftspolitische Engagement und dafür, dass sie sich unermüdlich an die Seite ihres Gatten gestellt habe, wenn die Pflicht es erfordert habe.195 Zu diesen Pflichten gehörte auch, Besucher im Gouverneurshaus zu empfangen und zu bewirten. In Kolonie und Heimat hieß es anerkennend über die Frau des Gouverneurs von Neuguinea: „Frau Hahl widmete sich von Anfang an der Sammlung der Gesellschaft und machte das Gouvernementshaus zu einem Mittelpunkte freundlichen und freundschaftlichen Verkehrs.“196 Auch Johanna Solf berichtet in ihrem Tagebuch häufig von Gästen zum Mittag- oder Abendessen, mal speiste man im kleineren Kreis, mal wurde zu größeren Dinner- oder Gartenpartys geladen.197 Ortsansässige Gäste stammten meist aus dem höheren Beamtentum und dem engeren Mitarbeiterkreis des Gouverneurs, so waren beispielsweise Oberrichter Schultz und Bezirksrichter Imhoff mit seiner Ehefrau häufig eingeladen.198 Frieda Imhoff, die ungewöhnlicherweise auch nach ihrer Verheiratung mit dem Richter noch als Lehrerin tätig war und zugleich zur Gruppe der Beamtengattinnen gezählt werden kann, bewegte sich also im gleichen Gesellschaftskreis wie die Gouverneursfrau, scheint dort aber auf wenig Sympathie gestoßen zu sein, wie den Aufzeichnungen

194 Hahl, Luise: Bericht über die Sitzung des Frauenbundes, Herbertshöhe, 20. April 1909, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 1. Jg. (1909), Nr. 8, S. 67 (Zeitungsausschnitt in BArch, R 1001/5730); Aufruf des Frauenbundes der DKG Abteilung Neuguinea, Rabaul, 1. April 1911, BArch, R1001/ 5731; Schreiben vom 10. April 1908 an den Frauenbund, BArch, R 8023/153; Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 2. Dez. 1908, in Privatbesitz; Unter dem roten Kreuz, 21. Jg. (1910), Nr. 8, S. 98; Baumann, K. / Klein, D. / Apitzsch, W.: Biographisches Handbuch Deutsch-Neuguinea, S. 128. 195 Abschied des Gouverneurs Dr. Hahl, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet DeutschNeuguinea, 6. Jg. (1914), Nr. 8, S. 122. 196 Ein deutsches Gouverneursheim in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 38, S. 3. 197 Solf, J.: Tagebuch, beispielsweise Einträge vom 13. Jan. , 18. u. 19. März, 18. April, 26. Mai, 7. Juni 1909 u. 22. Juli, in Privatbesitz. An Neujahr lud das Gouverneurspaar die Ansiedler zum Empfang nach Vailima, vgl. Verfügung von Gouverneur Solf vom 25. Dez. 1908, ANZ(W), AGCA 6051/0454. 198 Solf, J.: Tagebuch, beispielsweise Einträge vom 13., 17. u. 23. Jan., 24. März u. 8. April 1909, in Privatbesitz.

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Johanna Solfs zu entnehmen ist.199 Neben den in Apia lebenden Gästen empfing das Gouverneursehepaar immer wieder Reisende aus den sogenannten „besseren Kreisen“, die sich nur vorübergehend in Samoa aufhielten, beispielsweise einen Professor auf Forschungsreise, verschiedene Adelige und ausländische Kolonialbeamte.200 Lagen große Marineschiffe im Hafen von Apia, wurden die Kommandeure und Offiziere im Gouverneurshaus empfangen und dort teilweise wochenlang beherbergt.201 Im Gegenzug wurden der Gouverneur und seine Frau auch häufig zum Essen an Bord eingeladen und die Schiffskapelle an die Gouverneursfrau verliehen, die daraufhin einige Damen zum Tee einlud, um den seltenen musikalischen Genuss mit ihnen zu teilen.202 Daraus entwickelte sich schließlich eine improvisierte Gartenparty, die von zahlreichen Gästen aus Apia und den Offizieren der Schiffe besucht wurde.203 Aus ihrem Tagebuch wird nicht deutlich, ob Johanna Solf selbst in die Organisation der in ihrem Haus stattfindenden Empfänge und Dinners in irgendeiner Form eingebunden war, beispielsweise ob sie die Menüs mitbestimmte. Doch auch ohne derartige Verpflichtungen empfand sie die häufigen und vielen Besuche als anstrengend, zumal sie kurz nach ihrer Ankunft in Samoa schwanger wurde. Vor einem geplanten Dinner, zu dem 16 Personen nach Vailima eingeladen waren, notierte sie daher in ihr Tagebuch: „Das soll aber nun wirklich die letzte größere Sache sein. Ich kann jetzt nicht mehr so viel vornehmen und muß endlich mal an mich und mein Baby denken. Es sind glaube ich wenig Frauen, die bis in den 7. Monat hinein täglich Gäste und 2 Monate lang Logierbesuch haben!“204

Doch offenbar war es ihr nicht möglich, diesen Vorsatz einzuhalten. Schon zwei Wochen später wurde erneut ein Abendessen für 14 Gäste ausgerichtet und einige Wochen darauf ein „Empfangsabend mit musikalischer Untermahlung“ zu dem das Gouverneurspaar gar 60 Personen erwartete.205 Es ist davon auszugehen, dass der Alltag der anderen Gouverneursfrauen in der Südsee sich ähnlich wie der von Johanna Solf gestaltete und ebenfalls stark durch

199 Ebd., Einträge vom 9. Dez. 1908, 29. Jan., 13. u. 24. März, 4. u. 8. April 1909, in Privatbesitz. 200 Ebd., Eintrag vom 8. April, 6. Juni u. 2. Aug. 1909, in Privatbesitz. 201 Ebd., Einträge vom 18. März, 9. April u. 10. Mai 1909, in Privatbesitz. 202 Ebd., Einträge vom 21., 22. u. 24. März, 4., 5. u. 18. April u. 2. u. 28. Mai 1909, in Privatbesitz. 203 Ebd., Eintrag vom 24. März 1909, in Privatbesitz. 204 Ebd., Eintrag vom 26. Mai 1909, in Privatbesitz [Herv. i.O.]. 205 Ebd., Einträge vom 7. Juni u. 22. Juli 1909, in Privatbesitz.

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Ereignisse des gesellschaftlichen Lebens geprägt war. Dass auch im Zuhause der Gouverneursfrau in Neuguinea häufig größere Gesellschaften zu Gast waren, bezeugen die in Kolonie und Heimat abgedruckten Fotografien, die unter anderem das Gruppenfoto einer großen „geselligen Vereinigung im Gouverneurshause gelegentlich der Anwesenheit des ostasiatischen Geschwaders“ sowie zahlreiche „Damen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft beim Kinder-Maskenfest im Hause des Gouverneurs“ zeigen, wie die Bildunterschriften erklären.206 Weitere Fotografien auf diesen Seiten bilden die Kinder des Gouverneurspaares ab, denn Luise Hahl war ebenso wie Johanna Solf Mutter.207 Mit der Geburt ihrer Tochter endet aber leider das vorliegende Tagebuch der Gouverneursfrau von Samoa, so dass über die Mutterrolle der Gouverneursfrau keine Quellen vorliegen.

9.4 K RANKENSCHWESTERN Nach einer zufälligen Begegnung mit einer deutschen Krankenschwester auf dem Postamt von Friedrich-Wilhelmshafen in Deutsch-Neuguinea schrieb die Reisende Marie Schafroth voller Respekt: „Bewunderung verdienen diese Frauen, die in der fremden Südsee unter schwierigen klimatischen und sonstigen Verhältnissen ihrem schönen, aber schweren Beruf obliegen.“208 In der Tat erscheinen die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Krankenschwestern in den Kolonien auch aus heutiger Sicht nicht allzu leicht. Nicht umsonst hieß es in einem Aufruf des Deutschen Frauenvereins vom roten Kreuz für die Kolonien an potentielle Interessentinnen für den Schwesterndienst in Übersee: „Daß für die Pflegearbeit in den Kolonien ein ganz besonders gediegener Charakter, stark entwickeltes Pflichtgefühl und ernsteste Entsagungskraft gefordert werden müssen, wolle jede Bewerberin sich von vornherein klar machen.“209 Die Verfasserin eines Berufsratgebers für „Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes“ schrieb, der Beruf der Krankenpflegerin setze „viel Ernst und Aufopferungsfähigkeit voraus“ und in den Kolonien seien die Arbeitsbedingungen in vieler Hinsicht noch weit schwieriger als in der Heimat, zumal „nicht alle Hilfsmittel der Wissenschaft [...], wie im Vaterlande ohne weiteres zugänglich“ seien.210

206 Ein deutsches Gouverneursheim in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 38, S. 3. 207 Ebd. 208 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 105. 209 Unter dem roten Kreuz, 11. Jg. (1900), Nr. 6, S. 73. 210 Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 122, 134.

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Aus der Vereinszeitschrift Unter dem roten Kreuz des Frauenvereins und anderen zeitgenössischen Publikationen lässt sich gut ersehen, wie die ideale Krankenschwester nach damaligem Rollenbild sein sollte: Man erwartete von ihr die Bereitschaft, zu helfen, „wie immer die Not es verlangt, ohne irgend welche Einschränkungen durch Rücksicht auf ihr Geschlecht, ihren Stand oder ihre persönlichen Wünsche“.211 Die Schwestern sollten den Patienten in mütterlicher oder schwesterlicher Liebe ein „Gefühl der Behütung“ geben, so wie es „von der Natur als unversiegbares Bedürfnis in das Wesen der Frau gelegt“ sei.212 Von den Frauen erwartet wurden neben „peinlichster Sauberkeit“, Ordnungssinn, Gehorsam und Sanftmut eine vaterländische Gesinnung.213 Das Wirken jeder Schwester sollte „durchdrungen sein von Kraft und Stärke, zugleich von Milde und Güte“.214 Seelische und körperliche Stärke sowie geistige Frische galten als unabdingbar.215 Auf Grund der zu erwartenden körperlichen Strapazen wurde von den Schwestern ein ärztliches Attest über ihre Tropentauglichkeit und gute Gesundheit gefordert, bevor sie ihre Reise antreten durften.216 Verheiratete Frauen kamen für den Dienst im Namen des Frauenvereins generell nicht in Betracht.217 Die Tätigkeiten der Schwestern vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien wurde allgemein in drei Bereiche unterteilt: Den Pflege- und Wirtschaftsdienst in den Regierungslazaretten und Krankenhäusern der großen Minenund Eisenbahngesellschaften, die Tätigkeit der Hebammenschwestern und die Arbeit in den Kindergärten, die der Verein gegründet hatte oder unterstützte.218 Da es in den Südsee-Kolonien des deutschen Kaiserreichs keine großen Minen- und Eisenbahngesellschaften gab, standen die Schwestern dort im Dienst der Neuguinea-

211 Unter dem roten Kreuz, 14. Jg. (1903), Nr. 1, S. 7. 212 Lehr, L.: Über die Leistungen des Roten Kreuzes in den Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, S. 945; vgl. Grunhewer, H.: Von der freiwilligen Krankenpflege bis zur Einbindung des Roten Kreuzes in das Heeressanitätswesen, S. 31. 213 Vgl. Grunhewer, H.: Die Kriegskrankenpflege und das Bild der Krankenschwester im 19. und 20. Jahrhundert, S. 141; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 35; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 41. 214 Jahresbericht des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien für 1892/93, in: Deutsches Kolonialblatt, 4. Jg. (1893), Nr. 13, S. 312. 215 Unter dem roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 10, S. 116. 216 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 217 Deutscher Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien an das RKA, Berlin, 4. Juli 1914, BArch, R 1001/6034/1. 218 Unter dem roten Kreuz, 23. Jg. (1912), Nr. 5, S. 58.

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Kompagnie und der Regierungslazarette. Kindergärtnerinnen im Dienste des Vereins gab es in der Südsee ebenfalls nicht.219 Die Schwestern, von denen einige eine Zusatzausbildung als Hebamme hatten, waren in den dortigen Kolonien also vor allem in den Hospitälern oder als sogenannte Reise- oder Gemeindeschwestern tätig. Neben der Pflege der Kranken gehörten auch hauswirtschaftliche Aufgaben zu den Pflichten der Schwestern, wobei verschiedene Quellen unterschiedliche Angaben zum Umfang dieses Aufgabenbereichs machen. Im Vertrag zwischen dem Verein und den Schwestern hieß es 1903: „Auf Erfordern hat die Schwester auch bei Bereitung der Krankenkost und der Verwaltung des Wäschebestandes im Krankenhause Dienst zu thun; zu anderen wirthschaftlichen Verrichtungen soll sie nicht herangezogen werden.“220 Im Abkommen zwischen dem Verein und der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes wird zur gleichen Zeit aber der Pflichtenkreis der Schwestern weiter gefasst: „Auf Erfordern haben die Schwestern sowohl das Essen für sich selbst wie die Krankenkost zu bereiten und die gesamte Wirtschaftsführung im Krankenhause zu übernehmen. Zu gröberen wirtschaftlichen Verrichtungen sind die Schwestern nicht verpflichtet.“221 Aus den Berichten der Schwestern wird deutlich, dass sie in den Hospitälern in den Südseegebieten zwar für Küche und Haushalt des Hospitals zuständig waren, jedoch auf die Unterstützung von einheimischen Angestellten oder Kontraktarbeitern zurückgreifen konnten, die wohl auch die „gröberen Verrichtungen“ übernahmen.222 Neben den praktischen Arbeiten konnten die Schwestern auch zu schriftlichen Aufgaben herangezogen werden, wenn diese mit der Tätigkeit des Arztes oder der Verwaltung des Krankenhauses in Zusammenhang standen.223 Über den Alltag der Schwestern geben die zahlreichen Briefe und Karten Auskunft, die sie an den Vorstand des Frauenvereins schickten und die dieser meist in Auszügen in der Vereinszeitschrift Unter dem roten Kreuz veröffentlichte. Allerdings wurden in manchen Jahrgängen in jeder Ausgabe sehr viele Schwesternbriefe veröffentlicht, in anderen fast gar keine. Außerdem wurden zeitweise die Namen der Absenderinnen mit angegeben und in anderen Jahrgängen blieben die Schreibe-

219 Ebd., Nr. 2, S. 16; 24. Jg. (1913), Nr. 2, S. 15 u. Nr. 4, S. 40. 220 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, § 9, MESC(AU), S15-IG86-F4. 221 Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien und dem Auswärtigen Amt / KA, 21. Aug. 1903, § 7, MESC(AU), S15IG86-F4. 222 Beispielsweise Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 9/10, S. 69; 6. Jg. (1895), Nr. 3, S. 19, Nr. 9, S. 94; 13. Jg. (1902), Nr. 8, S. 80; vgl. auch Dr. Schwesinger an den Gouverneur, Apia, 14. Mai 1904, MESC(AU), S15-IG86-F4. 223 Deutsches Kolonialblatt, 25. Jg. (1914), Nr., 7, S. 276; Samoanisches GouvernementsBlatt, 5. Jg. (1914), Nr. 1, S. 4.

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rinnen anonym (nur der Ort, an dem die Absenderin stationiert war, wurde genannt). Besonders häufig wird die viel gelobte Auguste Hertzer zitiert, die zusammen mit Schwester Hedwig Saul als erste Schwester nach Deutsch-Neuguinea geschickt worden war.224 Die beiden Frauen waren zunächst in Stephansort stationiert. Während Hertzer vor allem für die Pflege der Kranken zuständig war und dem Arzt zur Hand ging, übernahm ihre jüngere und weniger erfahrene Kollegin die Leitung von Haushalt und Küche.225 Zur Versorgung der Station legten die Krankenschwestern einen Garten an und hielten Hühner und Enten.226 Außerdem sorgte ein „Schießjunge“, also ein einheimischer Junge, der im Auftrag der Europäer auf die Jagd ging, durch selbsterlegtes Wild für Abwechslung auf dem Speiseplan.227 Stationäre Patienten gab es in dem kleinen Hospital nicht allzu viele, meist waren es höchstens fünf Kranke. Außer diesen wurden auch die Ärzte von der Stationsküche versorgt.228 Auguste Hertzer beschrieb das Leben auf der Station nach der unruhigen Aufbauphase als „einförmig“, dennoch seien sie und ihre Kollegin „noch immer still vergnügt“, was sie als Beleg dafür anführte, dass es ihnen „doch nicht zu schlecht“ gehe.229 Ähnlich gestaltete sich der Alltag in den anderen Krankenhäusern der Südseegebiete. Aus dem Hospital in Apia berichtete eine der Schwestern, sie wechsle sich mit ihren beiden Kolleginnen vierteljährlich mit den verschiedenen Diensten ab. Eine Schwester sei für die Versorgung der kranken chinesischen Arbeiter zuständig, eine für die Poliklinik und das Operationshaus und eine für die Küche.230 Verköstigt wurden in den Hospitälern außer den Patienten und dem Personal manchmal auch gesunde Gäste. Schwester Irmgard Hollenberg aus Stephansort berichtete beispielsweise: „Außerdem sind wir immer wieder genötigt – da es hier kein Hotel giebt – Gäste zu beherbergen und zu bewirthen.“231 So aßen beispielsweise der berühmte Bakteriologe „Geheimrat Koch nebst Gemahlin und Assistenzarzt“ in der ersten Zeit ihres Aufenthaltes in Stephansort im Hospital232 – und Schwester Auguste Hertzer berichtete aus Beliao, im Krankenhaus die Hochzeit eines Missionarspaares ausgerichtet zu haben, da sie über die „weitesten und schöns-

224 225 226 227 228 229 230

Exemplarisch: Unter dem roten Kreuz, 6. Jg. (1895), Nr. 3, S. 1f. Ebd., 2. Jg. (1891), Nr. 9/10, S. 69. Ebd., S. 70; Nr. 11, S. 80; vgl. 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 45. Ebd., 3. Jg. (1892), Nr. 2, S. 12. Ebd. Ebd., Nr. 4, S. 27; Nr. 5/6, S. 38. Ebd., 6. Jg. (1895), Nr. 9, S. 94; vgl. auch Dr. Schwesinger an den Gouverneur, Apia, 14. Mai 1904, MESC(AU), S15-IG86-F4. 231 Abdruck eines Briefes von Schw. Irmgard, Stephansort, ohne Datum, in: Unter dem roten Kreuz, 11. Jg. (1900), Nr. 5, S. 54. 232 Ebd.

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ten Räume“ in der Umgebung verfüge.233 Außerdem nahm sie offenbar manchmal „Missionsbräute“ bei sich im Hospital auf, bis diese heirateten und zu ihrem Mann zogen.234 Außerhalb des Krankenhauses sollten die Schwestern nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden, wie bei der Ausreise der ersten beiden Schwestern nach Samoa vertraglich festgehalten worden war.235 Um dennoch auch eine mobile Betreuung der Patienten zu ermöglichen, wurde im Jahr 1909 auf Anregung der Abteilung Apia des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien zusätzlich Emma Kaminski als erste Gemeindeschwester Samoas eingestellt. Sie wohnte im Regierungshospital und half dort bei Bedarf auch aus, falls sie nicht gerade auswärts Kranke oder Wöchnerinnen pflegte. Nicht nur Weißen, sondern auch der einheimischen Bevölkerung stand die Hilfe der Schwester zu.236 Gemeinde- oder Reiseschwestern nahmen häufig lange und beschwerliche Reisen auf sich, um vor allem Wöchnerinnen zuhause zu betreuen und ihnen den anstrengenden Weg ins Hospital zu ersparen.237 Schwester Olga Schröder, die im Laufe ihres Berufslebens sowohl in Samoa als auch in Ostafrika tätig war, berichtete: „Nach fünfeinhalb Tagen gelang es uns, teilweise auf schlechtesten Wegen, die kleine Pflanzung zu erreichen, auf der wir sehnlichst erwartet wurden. Alle Strapazen waren vergessen, als mich das junge Ehepaar freudestrahlend begrüßte; diese sooft erlebte Freude über die Ankunft der deutschen Krankenschwester war überhaupt das Schönste, was mein Beruf mir geben konnte.“238

Am Ziel angekommen halfen die Schwestern nicht nur bei der Geburt, sondern kümmerten sich auch um den Rest der Familie, beaufsichtigten gegebenenfalls andere Kinder der Wöchnerin und pflegten das Neugeborene und die Mutter.239 Wie 233 Abdruck eines Briefes von Schw. Auguste, Beliao, 12. Mai 1894, in: Unter dem roten Kreuz, 5. Jg. (1894), Nr. 8, S. 54. 234 Abdruck eines Briefes von Schw. Auguste, Beliao, 27. Okt. 1894, in: Unter dem roten Kreuz, 5. Jg. (1894), Nr. 12, S. 89. 235 Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien und dem Auswärtigen Amt / KA, 21. Aug. 1903, § 7, MESC(AU), S15IG86-F4. 236 Unter dem roten Kreuz, 21. Jg. (1910), Nr. 8, S. 98f. 237 Lehr, L.: Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, S. 676; Dies.: Das Rote Kreuz in den Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1893), Nr. 8, S. 8; vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 189f. 238 Schröder, Olga: Als Reiseschwester 1913/18 in Ostafrika, in: Lange, Hildegard: Deutsche Frauen auf Vorposten in unseren Kolonien. Briefe, Gedanken, Erlebnisse, Düsseldorf 1937, S. 21. 239 Lehr, L.: Der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, S. 676.

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sehr die Bewohner der Kolonie die Dienste dieser Schwestern schätzten, wurde deutlich, als Schwester Emma Kaminski Samoa wieder verlassen hatte ohne dass eine Nachfolgerin für sie beantragt worden war. In einem Brief an den Gouverneur berichtete der in Apia praktizierende Arzt Dr. Zieschank, dass die dadurch verschlechterte medizinische Versorgung von vielen Seiten bedauert werde.240 Er appellierte an den Gouverneur, eine neue Gemeindeschwester zu beantragen, denn: „Bei der erfreulichen Zunahme der weissen Bevölkerung und besonders der weissen Frauen und Kinder ist doch das Vorhandensein und zur Verfügungstehen einer Gemeindeschwester von erheblicher Bedeutung.“241 Zwar stellte der Gouverneur Zieschank daraufhin frei, sich mit dem Frauenverein in Verbindung zu setzen, um eine neue Gemeindeschwester für Samoa zu beantragen, doch kam es vor Kriegsausbruch nicht mehr zu deren Aussendung.242 Die Schwestern, die in den Kolonien für das Rote Kreuz tätig waren, unterlagen strengen Vertragsbedingungen: Nur „im Falle guter Dienstführung“ stand den Frauen nach Ablauf des Arbeitsvertrages eine nachträglich ausgezahlte Prämie für jeden Monat ihres Dienstes in den Kolonien zu, wobei der Vertrag festlegte:243 „Ob die Dienstführung der Schwester eine gute gewesen ist, entscheidet ausschließlich der Vorstand.“244 Angesichts der Tatsache, dass der Vorstand im fernen Berlin die in den Kolonien tätigen Schwestern niemals selbst in ihrem Dienstalltag erlebte, ist dies eine bemerkenswerte Bestimmung.245 Ab März 1904 wurde außerdem in neu abgeschlossene Dienstverträge die Regelung aufgenommen, dass fast die Hälfte des monatlichen Schwesterngehaltes vom Verein einbehalten und erst nach Ablauf der Dienstzeit an die Schwestern ausgezahlt wurde.246 Es ist also ersichtlich, dass die 240 Dr. Zieschank an Gouverneur Schultz, 5. April 1914, MESC(AU), S15-IG86-F15. Zieschank forderte, dass vorübergehend auch die im Hospital tätigen Schwestern zur Privatpflege eingesetzt werden sollten, was ihm vom leitenden Arzt des Hospitals, Dr. Keller aber verweigerte wurde (vgl. zu dieser Auseinandersetzung verschiedene Briefe von April 1914 in der selben Akte). 241 Dr. Zieschank an Gouverneur Schultz, Apia, 5. April 1914, MESC(AU), S15-IG86-F15. 242 Gouverneur Schultz an Dr. Zieschank, Apia, 2. Mai 1914, MESC(AU), S15-IG86-F15. 243 Die Prämie bezogen die Schwestern nach den ersten drei Dienstmonaten entsprechend der bereits abgeleisteten Dienstzeit gestaffelt. Ausgezahlt wurde sie nur bei guter Führung und erst nach Ende der Dienstzeit in den Kolonien. Die Prämie betrug 10 Mark im ersten Dienstjahr, 15 Mark im zweiten, 20 Mark im dritten, 25 Mark im vierten und 30 Mark im fünften und den folgenden Jahren, vgl. Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 244 Ebd. 245 Ebd. 246 Auswärtiges Amt / KA an das Gouvernement in Apia, Berlin, 5. März 1904, MESC(AU), S15-IG86-F4.

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Krankenschwestern vom Wohlwollen des Vereins abhängig waren, wenn sie ihren vertraglich zugesicherten Lohn bei der Schlussabrechnung in voller Höhe erhalten wollten. Grundlage der Beurteilung der Arbeit der Schwestern durch den Verein waren wohl unter anderem die schriftlichen Berichte über ihre Tätigkeit, die die Schwestern monatlich an den Vorstand zu schicken hatten.247 Es ist also davon auszugehen, dass sich die Schwestern in diesen Berichten den Erwartungen ihrer Vorgesetzten entsprechend als arbeitsam und tugendhaft präsentierten und kaum wagten, sich kritisch über ihre Situation zu äußern. Ohne Zustimmung des Vorstandes war es den Schwestern außerdem untersagt, Zeitungsbeiträge oder ähnliches zu veröffentlichen, so dass bei den Publikationen mit einer ähnlichen (Selbst-)Zensur zu rechnen ist.248 Die schwache Position der einzelnen Schwestern gegenüber dem Vereinsvorstand zeigt sich auch in den Kündigungsbedingungen: Während der Verein jederzeit mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist den Vertrag lösen konnte, durften die Schwestern vor Ablauf der Dienstzeit nur aus attestierten gesundheitlichen Gründen kündigen, andernfalls verloren sie den Anspruch auf freie Rückreise in die Heimat. Schieden sie auf Grund einer Verheiratung vorzeitig aus dem Vertrag aus, mussten sie zusätzlich noch einen Teil der vom Verein bezahlten Kosten für die Ausreise zurückerstatten.249 In den Kolonien mussten die Schwestern laut Dienstvertrag den Anordnungen des Gouverneurs, oder dessen Stellvertreters, insbesondere des leitenden Arztes sowie der vom Gouverneur mit der Verwaltung des Krankenhauses beauftragten Beamten Folge leisten. Sofern es eine Oberschwester gab, unterstanden die anderen Schwestern auch ihr.250 Bei Schwierigkeiten mit ihrem direkten Vorgesetztem, dem leitenden Arzt, konnten sich die Schwestern an den Vereinsvorstand wenden oder in eiligen Fällen an den Gouverneur. In Kolonie und Heimat wurde versichert: „Wir wissen aus Erfahrung, daß das Gouvernement den Schwestern das größte Wohlwollen entgegenbringt und daß dasselbe es immer verstanden hat, unseren Schwestern in thatsächlichen Schwierigkeiten auf das Wirksamste seinen Schutz angedeihen zu lassen.“251 Tatsächlich ist aus den Akten ein gutes Verhältnis zwischen dem Gouverneur und den Schwestern ersichtlich.252

247 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 248 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 37. 249 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 250 Ebd. 251 Unter dem roten Kreuz, 13. Jg. (1902), Nr. 10, S. 101. 252 Vgl. beispielsweise Solf an Schultz, Berlin, 16. Dez. 1905, MESC(AU), S15-IG86-F4.

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Der Alltag der Schwestern wurde nicht nur durch die strengen Vertragsbedingungen des Deutschen Frauenvereins vom roten Kreuz für die Kolonien reglementiert, sondern auch durch die Geschäftsordnungen der Krankenhäuser, in denen die Schwestern ihren Dienst leisteten. Für das Regierungskrankenhaus in Apia wurde beispielsweise festgelegt, dass die Schwestern ohne Erlaubnis des Regierungsarztes nach 9 Uhr abends keinen privaten Besuch mehr empfangen durften. In besonderen Fällen konnte der leitende Arzt den Krankenschwestern den Empfang von Privatbesuch auch völlig untersagen.253 Privatleben wurde den Krankenschwestern, die ja im Hospital selbst oder zumindest auf dessen Grundstück wohnten, nahezu unmöglich gemacht.254 Äußerlich wurde das auch dadurch deutlich, dass die Schwestern die vom Verein vorgeschriebene Dienstkleidung auch außerdienstlich niemals ablegen durften – verletzten die Frauen diese Pflicht, so wurde die ihnen zustehende Dienstprämie gestrichen.255 In ihrer seltenen Freizeit unternahmen die Schwestern manchmal Ausflüge in die Natur oder wurden von anderen Deutschen eingeladen.256 Einmal im Jahr durften sie ausspannen. Laut Vertrag stand ihnen 14 Tage Erholungsurlaub (auf eigene Kosten unter Belassung ihres Gehaltes) innerhalb der Kolonie zu, dessen Beginn der leitende Arzt bestimmte.257 Nicht immer konnten die Schwestern dieses Recht allerdings wahrnehmen. Schwester Irmgard Hollenberg aus Stephansort schrieb beispielsweise: „Jetzt wäre eigentlich die Zeit, daß ich meinen 14tägigen Urlaub anträte, leider aber haben wir keinen Ort wo wir hingehen können, und eine Reise nach dem Bismarck-Archipel ist zu theuer, da müssen wir eben hübsch zuhause bleiben.“258 Einem Entwurf für ein neues Abkommen zwischen Frauenverein und Reichskolonialamt aus dem Jahr 1912 ist zu entnehmen, dass für die Schwestern in Neuguinea eine Sonderregelung gelten sollte. Wohl auf Grund des besonders gesundheitsgefährdenden Klimas sollten sie statt des zweiwöchigen Urlaubs pro Jahr

253 Vgl. Deutsches Kolonialblatt, 25. Jg. (1914), Nr., 7, S. 275; Samoanisches Gouvernements-Blatt, 5. Jg. (1914), Nr. 1, S. 4. 254 Vgl. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 41. 255 Vertrag zwischen dem Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 256 Beispielsweise Unter dem roten Kreuz, 16. Jg. (1905), Nr. 10, S. 107. 257 Vertrag zwischen dem Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, wahrscheinlich Aug. 1903, u. Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien und dem Auswärtigen Amt / KA, 21. Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 258 Abdruck eines Briefes von Schw. Irmgard, Stephansort, ohne Datum, in: Unter dem roten Kreuz, 11. Jg. (1900), Nr. 5, S. 54.

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ein Anrecht auf einen einmaligen Erholungsurlaub von vier Monaten haben.259 Da die Krankenschwestern des Vereins in allen Kolonien Anspruch auf freie Verpflegung hatten, versuchten die Ärzte sie zur Erholung an Orte zu senden, wo sie verköstigt werden konnten; andernfalls stand den Schwestern für jeden Tag ohne freie Verpflegung eine Entschädigung von vier Mark zu.260 Da die Schwestern des Vereins ein nur geringes Gehalt bezogen, werden sie auf diese Unterstützung dringend angewiesen sein. Mit den 65 Mark monatlich, die den Schwestern in den Kolonien ausgezahlt wurden, ließ es sich nur unter Gewährung von freier Kost und Logis auskommen.261 Insgesamt zeigen die Dienstbedingungen der Schwestern, dass die Erwartungen und Anforderungen an sie hoch waren und ihren vielen Pflichten deutlich weniger Rechte gegenüberstanden. Neben den Krankenschwestern, die einer Institution wie dem Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien oder einer Mission angehören, gab es auch einige wenige selbstständige Krankenschwestern, die sich mit ihrem Können in den Kolonien ihren Lebensunterhalt verdienten. Auch die oben erwähnte Auguste Hertzer arbeitete, nach dem sie ihren Vertrag mit dem Frauenverein bereits häufig verlängert hatte, als selbstständige Krankenschwester in Deutsch-Neuguinea. Sie erwarb Land auf der Gazellenhalbinsel, ließ sich dort nieder und kümmerte sich weiterhin um ausgewählte Patienten. Hertzer blieb auch nach Kriegsausbruch in Neuguinea, bis sie dort 1934 starb.262 Die meisten Krankenschwestern kehrten je-

259 Entwurf I für ein neues Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien und dem RKA, 1912, MESC(AU), S15-IG86F15. 260 Abkommen zwischen dem Vorstand des Deutschen Frauenvereins für Krankenpflege in den Kolonien und dem Auswärtigen Amt / KA, 21. Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86F4. Als man 1913 in Verhandlungen zu einem neuen Abkommen zwischen der Vereinsleitung und dem Reichskolonialamt trat, wurde zu Bedenken gegeben, dass der Verpflegungssatz von vier Mark nicht ausreichend sei und erhöht werden müsse. Im gleichen Schreiben wird auch angeregt, den Schwestern in Zukunft bei dienstlicher Tätigkeit außerhalb der Station ein geringes Tagegeld zu zahlen, vgl. RKA an Gouvernement Apia, Berlin, 20. August 1913, MESC(AU), S15-IG86-F15. 261 Außer dem Gehalt von 65 M. monatlich bezogen die Schwestern nach den ersten drei Dienstmonaten die schon erwähnte Prämie, die allerdings nur bei guter Führung und erst nach Ende der Dienstzeit in den Kolonien ausgezahlt wurde, vgl. Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Berlin, wahrscheinlich Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4. 262 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, S. 1, in Privatbesitz; Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 4. Dez. 1898, zitiert aus Privatbesitz; Hahl, Albert: Gouverneursjahre in Neuguinea. Überarbeitete Neuauflage, herausgegeben von Wagner, Wilfried, Hamburg 1997, S. 102; vgl. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 48; Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 207.

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doch nach Ablauf ihrer Dienstzeit nach Deutschland zurück oder heirateten in den Kolonien.263

9.5 L EHRERINNEN

UND WEITERE ALLEINSTEHENDE F RAUEN

Einer der wenigen Berufe, deren Ausübung auch Frauen schon früh zugestanden wurde, war der Beruf der Lehrerin.264 Die in den Südsee-Kolonien tätigen Lehrerinnen standen entweder im Dienst einer Mission und unterrichteten an einer Missionsschule oder sie wurden vom Gouvernement eingestellt, um in den Regierungsschulen zu arbeiten. Da die Missionsangehörigen bereits in einem eigenen Kapitel thematisiert wurden, werden diese hier außen vorgelassen. Die sogenannten Regierungslehrerinnen genossen in der Regel Beamtenstatus und mussten dementsprechend einen Eid auf Gott und den Kaiser schwören, mit dem sie sich verpflichteten, „das Beste des Reiches und seiner Schutzgebiete [zu] fördern“.265 Eine dieser Lehrerinnen war beispielsweise Frau E. Medewaldt, die ab 1910 in der Regierungsschule in Namanula in Deutsch-Neuguinea arbeitete. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler war hier gering: Sie betrug nie mehr als 15 Kinder. Diese wurden 30 Stunden pro Woche in Mathematik, Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Zeichnen, Turnen, Singen und Heimatkunde unterrichtet.266 Leider konnten zu den Beamtinnen, die in Deutsch-Neuguinea tätig waren, keine Personalunterlagen mehr gefunden werden – solche liegen aus Samoa hingegen vor, so dass die Quellenlage hier deutlich günstiger ist, wenn sie auch auf amtliche Akten beschränkt bleibt. In der Regierungsschule in Apia waren unter anderem Angela Pfister und Ludovica Schultze angestellt, wobei letztere zuvor schon Leiterin des Kindergartens in Apia gewesen war.267 Die Schule für Europäer wurde 1914 von 90 Kindern zwischen 7-

263 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 47. Die Krankenschwester Hedwig Saul heiratete beispielsweise den Pflanzungsvorstand im Schutzgebiet der Neuguinea Kompagnie W. von Hanneken, siehe: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 1, S. 4, 6. 264 Huerkamp, C.: Die Lehrerin, S. 176. 265 Solf an Pfister, Apia, 12. April 1909, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa); Diensteid in den verschiedenen Personalakten mehrfach belegt, u.a.: ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa) u. AGCA 6051/0141; MESC(AU), IG10F2-IA-62. 266 Hiery, H.: Schule und Ausbildung in der deutschen Südsee, S. 231. 267 Ebd., S. 233; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 8. Jg. (1895), Nr. 13, S. 100; Personalakte Pfister: ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa), Personalakte L. Schultze: ANZ(W), AGCA 6051/0141. Außer Ludovica Schultze und ihrer Schwester Valesca Schultze war auch ihre Verwandte Thusnelda Schultze in Samoa als Lehrerin tätig. Sie

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15 Jahren besucht.268 Marie Schmidt, Hospitantin und Assistentin an der deutschen Schule in Apia, dankte Gott, für die Chance „in Samoa für mein Vaterland zu wirken und dazu beitragen zu können die junge, heranwachsende Generation auf dieser entfernten Insel für Gott, für Kaiser und für das Deutsche Vaterland zu erziehen.“269 Offenbar unterrichtete sie also in der Kolonie in der Überzeugung, damit eine wichtige nationale Aufgabe zu erfüllen. Obwohl diese Haltung dem ewigen Mantra des Frauenbundes von der deutschen Frau als Kulturträgerin für das Vaterland entspricht, konnte in Kolonie und Heimat kein Beitrag gefunden werden, der eine Frau in den Kolonien thematisierte, die dort als Lehrerin arbeitete. Alleinstehende Frauen, die zudem einem anderen als ihrem „natürlichen“ Beruf nachgingen, waren nicht das Frauenbild, das Kolonie und Heimat transportieren sollte. Das Ideal war die tüchtige Hausfrau, die sorgende Gattin und Mutter, womit damals zumindest für bürgerliche Frauen Berufstätigkeit in der Regel ausgeschlossen war. Lehrerinnen mussten aus dem Anstellungsverhältnis ausscheiden, wenn sie heirateten.270 Erst in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 wurde die dem sogenannten „Lehrerinnenzölibat“ zu Grunde liegende Klausel aufgehoben.271 Umso erstaunlicher ist der schon erwähnte Fall der in der deutschen Regierungsschule für Europäerkinder in Apia tätigen Lehrerin Frida von Woedtke, die auch nach ihrer Hochzeit mit dem Kaiserlichen Bezirksrichter Dr. Imhoff weiterhin unterrichtete.272 In den Akten findet sich keine Begründung für diesen Sonderfall, er kann aber wohl mit einer besonderen Bedarfslage an der Schule in Apia und mit weniger strengen Konventionen in der Südseekolonie erklärt werden. Bis auf diese Ausnahme waren die berufstätigen Frauen jedoch alleinstehend und eine geplante Heirat zog auch in den Südsee-Kolonien die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich.273 Das traf gleichfalls auf die Stenographinnen und Maschinenschreiberinnen zu, die ebenfalls als Beamtinnen im Dienst des Gouvernements tätig waren. Das Kurz- und Maschinenschreiben galt als vorzugsweise „weiblicher Beruf“, da Frauen angeblich über eine „besondere Geschicklichkeit in

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hatte in Fagaloa eine Schule für deutschen Sprachunterricht eröffnet. Nach ersten Erfolgen musste sie jedoch aus gesundheitlichen Gründen Samoa wieder verlassen, vgl. O Le Sulu Samoa, Mati 1911, Vol. 11, New Series, S. 48. Jahresbericht 1913/14, ANZ(W), AGCA 6051/0306. Deutsche Kolonialzeitung, N. F. 9 Jg. (1896), Nr. 8, S. 59. Zum „Lehrerinnenzölibat“ siehe: Huerkamp, C.: Die Lehrerin, S. 196-199; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 152. Huerkamp, C.: Die Lehrerin, S. 196. Vgl. Personalakte F. Imhoff, MESC(AU), IG10-F2-IA-62. Beispielsweise Matthiessen an Gouverneur Solf, Apia, 23. Juni 1909, MESC(AU), S3IG11-F4.

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der Handhabung der Maschine“ verfügten.274 In Samoa hatten nacheinander Elisabeth Matthissen und Meta Mars diese Stellung inne. Laut Dienstvertrag, der für drei Jahre abgeschlossen wurde, blieb es dem Gouvernement vorbehalten, die Schreiberinnen „auch in anderer, [i]hren Fähigkeiten entsprechender Weise zu beschäftigen“.275 Tatsächlich führt Mars in einem Brief an den Gouverneur, in dem sie selbstbewusst um eine Gehaltserhöhung und den Aufstieg in die höhere Beamtenklasse 9b bittet, als Argument ihren erweiterten Aufgabenbereich an: „Kurze Zeit nach meiner Ankunft im Schutzgebiet sind mir neben den Stenographie- und Schreibmaschinenarbeiten auch verschiedene Registraturarbeiten sowie Bibliotheksgeschäfte zur laufenden Erledigung übertragen worden. Ferner habe ich den Bureauassistenten Herrn Tiedemann während verschiedener Dienstabwesenheiten vertreten, und auch während seines gegenwärtigen zweimonatigen Urlaubs ist mir ein geraumer Teil der Registraturarbeiten übertragen worden.“276

Da Mars alle ihr aufgetragenen Arbeiten gewissenhaft erledigte, befürwortete der Gouverneur ihr Gesuch, das schließlich auch vom Reichskolonialamt bewilligt wurde.277 Dennoch rissen die Geldsorgen der Beamtin nicht ab. Diesen Umstand machte Regierungsarzt Poleck in einem medizinischen Gutachten mit für die Depression verantwortlich, der Mars verfiel und die schließlich zu ihrer Heimsendung führte. Er schrieb: „Seitdem Fräulein Mars gezwungen ist, einen eigenen Haushalt zu führen [zuvor hatte sie im Haushalt naher Verwandten gelebt, L.L.], haben sie die Gedanken über die zufällige frühere Ersparnisse aufsparenden und den [sic] laufenden Gehalt übersteigenden Ausgaben dauernd beunruhigt und die Sorge, bis zu welcher Höhe die Schwierigkeiten sich weiter entwickeln würden, haben ein gut Teil zu der Depression beigetragen. Der sich ängstlich zurückhalten-

274 Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 207. 275 Schnee an Mars, Berlin, 18. Mai 1910, MESC(AU), S3-IG11-F3; Spalding an Matthiessen, Berlin, 11. Sept. 1908, MESC(AU), S3-IG11-F4. Dasselbe galt für die Regierungslehrerinnen, vgl. Rose an v. Woedtke, Berlin, 17. Juni 1906, MESC(AU), IG10-F2-IA 62. Aus diesem Schreiben geht hervor, dass es dem Gouvernement sogar vorbehalten blieb, die Lehrerin je nach Bedarfslage in einer anderen Kolonie einzusetzen anstatt ihr zu kündigen. 276 Mars an Solf, Apia, 20. Mai 1911, MESC(AU), S3-IG11-F3. 277 RKA an das Gouvernement von Samoa, Berlin, 14. Aug. 1911, MESC(AU), S3-IG11F3.

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den Fraeulein Mars wird man doch wohl nicht den Vorwurf, unwirtschaftlich zu leben, machen wollen.“278

Für die schon erwähnte angespannte finanzielle Lage des Beamtentums in Samoa finden sich also auch in den Personalakten der Beamtinnen Belege. Regierungslehrerin Pfister klagte ebenfalls über die teuren Lebenshaltungskosten dort, die es ihr unmöglich machten, einen selbstständigen Haushalt zu führen.279 Der für die Beamtinnen übliche Jahresverdienst von 3000-3400 Mark, der in monatlichen Raten ausgezahlt wurde, war offenbar nicht ausreichend.280 Einer der Gründe dafür war, dass die geringen Mietentschädigungen, die das Gouvernement seiner Beamtenschaft zahlte, die tatsächlichen Kosten keineswegs decken konnten.281 Die Ortszulage, die den in den Kolonien tätigen Beamten und Beamtinnen zustand, war ebenfalls kein ausreichender Ausgleich für die hohen und im Laufe der deutschen Verwaltungszeit noch zunehmenden dortigen Lebenshaltungskosten.282 Dem Gouverneur war das bewusst und er versuchte den Staatssekretär des Reichskolonialamtes von der Dringlichkeit des Problems zu überzeugen. Er schrieb nach Berlin, „dass fast kein Beamter mit seiner Mietentschädigung auskommt, im Gegenteil alle Beamten müssen noch eine bedeutende Summe zulegen“.283 Wie prekär die Lage der Beamten in Samoa war, wird in den letzten Sätzen des Briefes deutlich:

278 Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3-IG11F3. 279 Pfister an den Gouverneur, Apia, 26. Juni 1909, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 280 Lehrerin Schultze erhielt laut Vertrag von 1903 jährlich 3.000 Mark, ebenso die beiden Stenographinnen Matthiessen (Vertrag 1908) und Mars (Vertrag 1910), Lehrerin Pfister wurden jährlich 3400 Mark zugesichert (Vertrag 1909); Lehrerin Woedtke erhielt ohne erkennbaren Grund deutlich mehr: 4200 Mark (Vertrag 1906), vgl. Vertrag zwischen dem Auswärtigen Amt / KA und Schultze, London, 25. Mai 1903, ANZ(W), AGCA 6051/0141; Spalding an Matthiessen, Berlin, 11. Sept. 1908, MESC(AU), S3-IG11-F4; Schnee an Mars, Berlin, 18. Mai 1910, MESC(AU), S3-IG11-F3; Solf an Pfister, Apia, 12. April 1909, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa) u. Schultz an Woedtke, Apia, 2. Aug. 1906, MESC(AU), IG10-F2-IA62. 281 Die Mietsentschädigungen wurden nach Beamtenklassen und abhängig vom Familienstand bemessen. Die Beamtinnen in Samoa erhielten den niedrigsten Satz von 600 M. jährlich, vgl.: Gouverneur an Auswärtiges Amt / KA, Apia, 1. Juni 1907, MESC(AU), IG 135-15-Vol.1-F4 u. Personalakte Pfister, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 282 Stenographin Mars erhielt beispielsweise 400 M. jährliche Ortszulage für Samoa: Schnee an Mars, Berlin, 18. März 1910, MESC(AU), S3-IG11-F3. 283 Bericht (Nummer nicht genannt) des Gouverneurs an den Staatssekretär des RKA auf den Erlass No. 305 vom 16. Juni 1910, MESC(AU), IG135-15-Vol.1-F4.

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„Ich erwähne noch, dass die Erhöhung der Mietsentschädigungen als absolute Notwendigkeit angesehen werden muss, zumal es den Beamten durch die allgemeine teure Lebenshaltung fast nicht möglich ist, mit ihrem Gehalte auszukommen. [...] Ich möchte nicht unterlassen, Ew. Exzellenz hierbei darauf aufmerksam zu machen, dass die Höhe der Ortszulagen in keinem Verhältnis zu den Teuerungsverhältnissen Samoas gegenüber den afrikanischen Schutzgebieten stehen.“284

Nicht nur die finanzielle Lage der Beamtinnen war offenbar problematisch, sondern es wurde auch immer wieder darauf hingewiesen, dass der Dienst in den einsam gelegenen tropischen Südsee-Kolonien eine Gefährdung für das körperliche und seelische Wohl darstelle. Diese negativen Effekte wurden für allein stehende, vermeintlich einsame Frauen als besonders bedrohlich erachtet.285 Wie die Stenographin Mars wurde auch Lehrerin Pfister aus gesundheitlichen Gründen in die Heimat zurückgeschickt.286 Die Stenographin Matthiessen schied ebenfalls verfrüht aus dem Dienst aus: Sie wollte offenbar auch nicht länger als alleinstehende Frau in Samoa leben, sondern verlobte sich ein halbes Jahr nach ihrer Ankunft und reiste mit ihrem Bräutigam zurück nach Deutschland.287 Auch Lehrerin Woedtke war vor ihrer Hochzeit nur ein halbes Jahr alleinstehend in der Kolonie tätig.288 Da die Berufstätigkeit von Frauen nach damaligem Konsens nur ein Übergangsstadium zwischen Ausbildung und Hochzeit darstellte und alleinstehende Frauen als Heiratskandidatinnen in den Kolonien begehrt waren, standen die meisten Frauen also nur kurze Zeit als Beamtinnen im Kolonialdienst, selbst wenn sie keine gesundheitlichen Schwierigkeiten auf Grund des tropischen Klimas hatten. Das gilt auch für die anderen berufstätigen Frauen und ist einer der Hauptgründe dafür, dass ihre Zahl den offiziellen Statistiken zufolge immer sehr klein blieb, wenn man die Missionsangehörigen beiseite lässt.289 Da in den Kolonien einheimische Arbeitskräfte oder eingeführte Kontraktarbeiter als Hausangestellte zur Verfügung standen und der Frauenbund keine Angestellten in die Südsee vermittelte, gab es hier auch kaum deutsches weibliches Dienstpersonal. Ausnahmen sind beispielsweise die schon erwähnte Grete Schefezyck, die als Kindermädchen im Hause Zieschank in Samoa arbeitete sowie das Kindermäd-

284 Ebd. 285 Vgl. Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3IG11-F3. 286 Vgl. Personalakte Pfister ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 287 Vgl. Personalakte Matthiessen MESC(AU), S3-IG11-F4; vgl. Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 12. Juli 1909, in Privatbesitz. 288 Vgl. Personalakte F. Imhoff, MESC(AU), IG10-F2-IA-62. 289 Vgl. Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und in der Südsee 1912/13, Statistischer Teil, S. 30-35.

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chen der Gouverneursfamilie Hahl (ein Fräulein Henning), und die manchmal im Tagebuch der Gouverneursfrau auftauchende Luise.290 Letztere kam als persönliche Bedienstete der Gouverneursfrau mit dieser nach Samoa, während Schefezyck gezielt von Dresden aus eine Anstellung in Samoa suchte und dann zu Zieschanks reiste. Henning soll dem Ruf des „Kokovoren“ August Engelhardt nach Neuguinea gefolgt und schließlich von Hahl eingestellt worden sein, da sie ihre Heimreise nicht finanzieren konnte.291 Das Verzeichnis der „fremden Bevölkerung Samoas“, also der Weißen, führt ebenfalls einige wenige berufstätige Frauen auf, beispielsweise eine Frau E. Bennecke, die als Köchin arbeitete und die Haushälterin Th. Süss.292 Über diese wenigen Frauen, die in fremden Haushalten angestellt waren, liegt aber nahezu kein Quellenmaterial vor. Ihre Präsenz in der Kolonie lässt sich an Hand weniger Hinweise erschließen, aber man erfährt nichts Näheres über ihren Alltag dort, meist nicht einmal ihren vollständigen Namen. Neben Angestellten umfasst die Gruppe der alleinstehenden Frauen auch selbstständig wirtschaftende Frauen; darunter Witwen, die nach dem Verlust ihres Ehemannes in den Kolonien blieben, wie beispielsweise die schon zitierte Emmy Müller. Nachdem ihr Mann, der Pflanzungsbesitzer Karl Müller, im Jahr 1917 gestorben war, wurde sie von den australischen Besatzern vorübergehend als PlantagenManagerin eingesetzt und gehörte damit zu den wenigen Frauen, die selbstständig eine Pflanzung leiteten bis sie 1921 ausgewiesen wurde.293 Aus dieser Zeit liegen Briefe von Müller an Krankenschwester Auguste Hertzer vor, mit der sie befreundet war.294 Daraus lässt sich ersehen, dass sie sich oft einsam fühlte, obwohl sie viele Verpflichtungen hatte: „Ich habe genug Arbeit, Store, Kopra, 170 ha Pflanzung, Hunde, Schweine, Schafe, Ziegen, Geschäftsbücher – trotzdem habe ich manche Stunde Zeit u. sehne mich oft nach lieber Gesellschaft.“295 Da Müllers Briefe aber nicht näher auf ihren Alltag eingehen, sondern vor allem um die Trauer über den Tod ihres Mannes, die Sehnsucht nach Hertzer und die Verehrung Goethes kreisen, lassen sich kaum Rückschlüsse auf das Leben der Plantagenmanagerin ziehen. Das gleiche gilt für den Alltag der Frau von Tyska, die laut Kolonie und Heimat ein Jahr

290 Zu Grete Schefezyck vgl. Kapitel 4.2.1; zu Fräulein Henning vgl. Kapitel 4.2.2, zu Luise siehe: Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 23. Sept. 1908 u. 10. April 1909, in Privatbesitz. 291 Vgl. Kapitel 4.2.2. 292 Alphabetisches Verzeichnis der fremden Bevölkerung Samoas (1903), BArch, R 1001/2269. 293 Baumann, A. / Klein, D. / Apitzsch, W.: Biographisches Handbuch Deutsch-Neuguinea, S. 257; Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 6f. 294 Briefe von Emmy Müller an Auguste Hertzer, Juli 1918 bis Ostern 1919, in Privatbesitz. 295 Emmy Müller an Auguste Hertzer, März 1919, in Privatbesitz.

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lang alleine eine Farm auf Samoa bewirtschaftete, da ihr Ehemann aus gesundheitlichen Gründen vor ihr in die Heimat zurückreisen musste.296 Diese beiden Fälle selbstständig wirtschaftender deutscher Frauen in der Südsee bleiben daher ebenso im Vagen wie der Alltag der übrigen Mitglieder dieser Gruppe, die vereinzelt in den Quellen auftauchen, etwa die im Adressverzeichnis genannte „Handelsfrau“ E. Zimmermann oder Frau Ida Lux, die – wie einem Zeitungsinserat zu entnehmen ist – eine Pension für schulpflichtige Kinder betrieb.297 Außer ihrem Namen haben sie keine Spuren im Quellenmaterial hinterlassen und nicht immer gibt dieser zuverlässig Auskunft über die Nationalität der Betreffenden, so dass unklar bleibt, ob sie überhaupt zur thematisierten Gruppe der deutschen Frauen gehören, wie etwa im Fall der „Schankwirtschaftsbesitzerin“ Selma Kionka, für die im März 1914 beim Gouvernement um eine Steuerermäßigung gebeten wurde.298 Mehr als die bloße Existenz dieser wenigen alleinstehenden deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien lässt sich in den meisten Fällen also nicht mehr belegen. Insgesamt soll zum Lebensalltag der in den Südsee-Gebieten lebenden deutschen Frauen festgehalten werden, dass sich ihr Alltag je nach Tätigkeit, beziehungsweise der Tätigkeit ihres Ehemannes, deutlich unterschied: Während Missionsangehörige, Krankenschwestern und die Ehefrauen von Kleinunternehmern oder manchen Angestellten den vorliegenden Quellen nach ein arbeits- und oftmals entbehrungsreiches Leben hatten, konnten die Ehefrauen von gehobenen Beamten, leitenden Angestellten und Besitzern großer Plantagen- und Handelsunternehmen die meisten Hauhaltsaufgaben an das ihnen zur Verfügung stehende Dienstpersonal delegieren und sich einen angenehmen Lebensstil leisten. Die Beamtinnen hingegen scheint ihre finanzielle Situation zu einem sparsamen Leben gezwungen zu haben. Ein entscheidender und ebenfalls mit der jeweiligen Aufgabe zusammenhängender Faktor, der den Alltag bestimmte, war die Wohnlage. Bei den Frauen, die nicht auf einsamen Pflanzungen oder Missionsstationen, sondern in den städtischen Ansiedlungen lebten, nehmen die Schilderungen von gesellschaftlichen Ereignissen und Vergnügungen deutlich mehr Raum im Quellenmaterial ein, zumal es sich bei diesen Frauen auch meist um die besser situierten handelte, die über genügend Freizeit verfüg-

296 Vgl. Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910), Nr. 16, S. 8. 297 Alphabetisches Verzeichnis der fremden Bevölkerung Samoas (1903), R 1001/2269; Samoanische Zeitung, 12. Jg. (1912), Nr. 7, S. 4. 298 Kaiserliches Bezirksamt an das Gouvernement, 19. März 1914, ANZ(W), AGCA 6051/0436; vgl. Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 44, S. 2. Jedenfalls erfreute Frau Kionka ihre Gäste mit deutscher Küche, vgl.: Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 115.

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ten.299 Die Schilderungen dieser Frauen erinnern an die beispielsweise von Horst Gründer vertretene These, dass die koloniale Gesellschaft in den deutschen SüdseeKolonien eine „ausgesprochene Freizeitgesellschaft“300 gewesen sei – während diejenigen, die aus den genannten Gründen nur wenig Freizeit und kaum Anteil am gesellschaftlichen Leben hatten, wohl ein differenzierteres Urteil eingefordert hätten.

9.6 (F ORSCHUNGS -)R EISENDE Der Alltag der Reisenden unterschied sich natürlich in wesentlichen Punkten sehr von dem der bisher thematisierten Frauen, die meist für mehrere Jahre am selben Ort ansässig waren. Im Grunde ist es fraglich, ob bei Reisenden überhaupt von einem „Alltag“ die Rede sein kann, da eine Reise normalerweise eine vom Alltag verschiedene Situation darstellt. Da die hier thematisierten Reisenden jedoch teilweise wochenlang an einem Ort verweilten und sich oft ein wiederkehrender, regelmäßiger Tagesablauf entwickelte, kann hier wohl doch unter Vorbehalt von einer Art „Alltag“ gesprochen werden, der im Folgenden kurz dargestellt werden soll. Dem als Buch veröffentlichten Reisebericht des Botanikerpaares Lily und Karl Rechinger ist zu entnehmen, dass ein sich täglich wiederholender Rhythmus ihre Reise prägte, obwohl die beiden nicht lange an einem Ort verweilten, sondern von Samoa kommend nur kurze Zeit in Neuguinea und auf den Salomonen verbrachten. Jeden Tag ließen sich Rechingers vom Schiff aus an verschiedenen Stellen der Küste Deutsch-Neuguineas und der Salomonen absetzen und sich an Land von einheimischen Führern auf dem schnellstmöglichen Weg in möglichst unkultiviertes Gelände bringen. Auf ihren Wanderungen ins Landesinnere sammelten Rechingers mit Hilfe ihrer indigenen Begleiter viele verschiedene Blätter und Blüten fremder Pflanzen, sowie Schmetterlinge und andere Insekten und Kleintiere. Wenn sie abends an Bord zurückgekehrt waren, wurde gebadet, gegessen und dann oft bis spät in die Nacht hinein das gesammelte Material konserviert und archiviert. 301 Häufig kamen abends auch weiße Herren vom Festland zu Besuch an Bord, um sich

299 Eine ähnliche Unterscheidung nimmt Karen Smidt für die Kolonie „DeutschSüdwestafrika“ vor: Sie unterscheidet die Lebens- und Arbeitssituation von ländlich lebenden Missionars- und Ansiedlerfrauen einerseits und Beamten- oder Offiziersfrauen andererseits, vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 106f, 111f . 300 U.a. Graichen, Gisela / Gründer, Horst: Deutsche Kolonien. Traum und Trauma, Berlin 2007, S. 193. 301 Rechinger, L. u. K.: Streifzüge durch Deutsch-Neu-Guinea und auf den SalomonsInseln, S. 14, 19, 33 u. 84.

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zu unterhalten und eisgekühltes Bier zu genießen.302 Manchmal waren Rechingers ihrerseits zu Festen und Abendessen auf dem Festland eingeladen.303 Die Schiffsfahrten zwischen den einzelnen Stationen ihrer Reise nutze das Ehepaar, um Tagebuchaufzeichnungen und andere Notizen zu vervollständigen, wozu ihnen sonst keine Zeit blieb.304 Insgesamt macht die Schilderung ihrer Reise den Eindruck, als hätten die beiden kaum einmal Ruhe und Muße gehabt. Von einer wahren Sammelwut getrieben, konnte das Paar bei der Bearbeitung des Materials kaum Schritt halten, was angesichts der Ausbeute wenig erstaunt. Stolz listeten Rechingers ihre „in den wenigen auf den Salomons-Inseln verbrachten Wochen erzielte Ausbeute“ auf: „1500 Exemplare von Blütenpflanzen; 500 Exemplare kleinerer Kryptogamen; 2 Kisten mit sonst schwierig zu präparierenden Pflanzen und Pflanzenteilen in Formalin; 1 Kiste mit lebenden Orchideen aus Bougainville, etwa 40 Arten enthaltend; 300 Insekten, vorwiegend Schmetterlinge und Käfer; 100 photographische Aufnahmen.“305

Die Ergebnisse des fast viermonatigen Aufenthalts in Samoa übertreffen diese Liste noch um ein vielfaches.306 Obwohl die Schilderungen daher den Eindruck eines recht gehetzten Reiseablaufes machen, waren die beiden mit Verlauf und Ergebnissen ihrer Reise sehr zufrieden.307 Auch die Tage der Reisenden Elisabeth Krämer-Bannow waren meist sehr ausgefüllt. Sie brach mit ihrem Mann mehrmals zu Expeditionen in die deutsche Südsee auf. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich überwiegend auf die MarineExpedition von 1908/09, da Elisabeth Krämer-Bannow mit ihrer veröffentlichten Reisebeschreibung zu dieser Expedition die ausführlichste Quelle hinterlassen hat.308 Die Expedition, an der Augustin Krämer als Schiffsarzt teilnahm, hatte die Aufgabe, die Südwestküste Neumecklenburgs zu vermessen. Krämer hatte seinen Posten unter der Bedingung angetreten, dass seine Frau ihn begleiten dürfte. Sie sollte ihm als Assistentin zur Hand gehen und das Frauenleben studieren, außerdem

302 303 304 305

Ebd., S. 20. Ebd., S. 97f. Ebd., S. 102. Rechinger, L. u. K.: Bericht über eine naturwissenschaftliche Reise nach den Samoaund Salomons-Inseln, in: Deutsches Kolonialblatt, 17. Jg. (1906), Nr. 17, S. 575. 306 Ebd., S. 574. 307 Rechinger, L. u. K.: Streifzüge durch Deutsch-Neu-Guinea und auf den SalomonsInseln, Vorwort S. VIII u. S. 108. 308 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee; amtliche Quellen zu dieser Expedition: BArch, R 1001/2370 (zur Hamburger Südsee-Expedition, an der Elisabeth Krämer-Bannow ebenfalls beteiligt war: BArch, R 1001/2372).

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war sie für die visuelle Dokumentation auf den Expeditionen zuständig. Sie fertigte zahlreiche Skizzen und Aquarelle an und fotografierte auch selbst.309 Die Expedition arbeitete von größeren stationären Lagern aus, von denen immer wieder längere Touren ins Umland unternommen wurden.310 Diese meist mehrtägigen Ausflüge, bei denen die Forscher einheimische Siedlungen besuchten, waren oft recht beschwerlich. Auch im Regen oder bei sehr großer Hitze wurde stundenlang durch unwegsames Gelände gewandert, worüber sich Elisabeth KrämerBannow in ihren Schilderungen aber nie beklagte.311 Der Alltag im Expeditionslager gestaltete sich dagegen etwas geruhsamer, aber dennoch arbeitsreich: Der Tag begann kurz nach 5 Uhr mit einem Bad im Bach.312 Der Vormittag diente der Arbeit „am Platz“, wo beispielsweise das Inventar in Stand gesetzt werden musste.313 Krämer-Bannow hatte außerdem die Oberaufsicht über die Küche und den chinesischen Koch, zudem kümmerte sie sich um den Garten und das Geflügel.314 Wie die meisten Frauen, die ihre forschenden Ehemänner begleiteten, hatte Krämer-Bannow also zusätzlich zu ihren wissenschaftlichen Aufgaben die Sorge um die Verpflegung der Expeditionsteilnehmer und besonders um das Wohl ihres Mannes zu tragen: „Sie kämpfte mit Nahrungsmittelknappheit, versuchte Köche und Diener an europäische Sitten und Bräuche zu gewöhnen und bemühte sich, unter den schwierigsten Umständen noch ein behagliches Heim zu gestalten. Die geringen Lebensmittelrationen aus der Heimat ergänzte sie phantasiereich.“315 Laut Pytlik gestaltete sich der Alltag von Elisabeth Krämer-Bannow ähnlich wie der von Marie Pauline Thorbecke, die ihren Mann auf einer Expedition in Kamerun begleitete: „Ob Lebensmittel organisieren, Essen kochen, Kranke pflegen, nähen, flicken, die klassischen weiblichen Tätigkeiten blieben an der Ehefrau des Expeditionsleiters hängen oder unterstanden ihr.“316 Das Nebeneinander von Hausfrauenaufgaben und Forschungstätigkeit ist auch in Krämer-Bannows Notizbüchern gut zu erkennen. Zwischen ihren Aufzeichnungen und Skizzen zu einheimischen Flechttechniken und Fadenspielen

309 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, Vorwort S. V; Dies.: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen; 10. Expeditionsbericht in BArch, R 1001/2370; vgl. Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 59, 64; Beer, B.: Frauen in der deutschsprachigen Ethnologie, S. 273. 310 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 10f, 12, 91. 311 Ebd., S. 53f, 69, 70; vgl. Expeditionsberichte in BArch, R 1001/2370. 312 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 8. 313 Ebd., S. 12. 314 Ebd., S. 10. 315 Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 43. 316 Ebd., S. 42.

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finden sich Listen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, die bestellt und gekauft werden mussten.317 Nach der Erledigung ihrer Pflichten unternahm Elisabeth Krämer-Bannow nachmittags meist Spaziergänge in die umliegenden Dörfer, wo sie anfangs vor allem die Einheimischen und ihre Umgebung zeichnete, mit der Zeit aber auch immer mehr in Kontakt mit der indigenen Bevölkerung kam. So konnte sie Befragungen zu „Familiensachen, Sitten und Bräuchen“ durchführen.318 In diesem Zusammenhang entstanden ihre Notizen zu Geburten, Pflanzen mit abtreibender Wirkung, Menstruation und anderen „Frauenthemen“, für die sie als weibliche Forscherin prädestiniert schien.319 Abends saßen die Expeditionsmitglieder oft auf der Bank vor dem Speisehaus, manchmal wurden dabei deutsche Volkslieder gesungen.320 Eine Abwechslung im Expeditionsalltag boten außer den erwähnten größeren Rundtouren, Besuche von anderen Europäern, die im Lager bewirtet wurden und teilweise zu Gegenbesuchen einluden.321 Deutlich weniger arbeitsreich als für Elisabeth Krämer-Bannow verlief der Aufenthalt von Marie Schafroth in der Südsee. Die „Weltenbummlerin“, wie sie sich selbst bezeichnete, unternahm offensichtlich eine Urlaubsreise, hatte sich allerdings zum Ziel gesetzt, die besuchten Gebiete möglichst gut kennen zu lernen und darüber zu berichten.322 Wann immer ihr Dampfer landete, begab sie sich mit einer Gruppe Mitreisender an Land, um die Umgebung zu erkunden.323 Schafroth genoss an Land immer wieder die Gastfreundschaft weißer Ansiedler, die die Reisenden einluden und schildert in ihrem Buch deren Situation in der Fremde. 324 Ihr besonderes Interesse galt jedoch der indigenen Bevölkerung. Um deren Lebensweise kennen zu lernen, besuchte sie einheimische Dörfer und besah sich die Häuser der Bewohner auch von innen.325 Während ihre Mitreisenden auf der Insel Angaur die dortigen Werke für den Phosphatabbau besichtigten, ging sie eigene Wege:

317 Krämer-Bannow, E.: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen. 318 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 12, 22, 34-36. 319 Krämer-Bannow, E.: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen. 320 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 49. 321 Ebd., S. 45f. 322 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 10, 122. 323 Ebd., beispielsweise S. 22, 75, 133. 324 Ebd., S. 76, 80f, 117f, 140. 325 Ebd., beispielsweise S. 75, 93.

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„Da ich darauf brannte, Eingeborene und ihre Wohnstätten zu sehn (Maschinen kann ich in Europa genug bestaunen), die ganze übrige Gesellschaft aber ihre Aufmerksamkeit dem europäischen Unternehmen, besonders den Werken zu schenken schien, schlug ich mich auf einem Kanakenpfade seitwärts in die Büsche.“326

Auf ihren Ausflügen an Land fotografierte Schafroth die Bevölkerung, deren Schmuck, und Gebrauchsgegenstände und versuchte Ethnographika zu erhandeln.327 Ehrgeizig bemühte sie sich ihre Reiseeindrücke festzuhalten und den Daheimgebliebenen zu vermitteln, wozu ja auch die Publikation ihres Reiseberichtes diente. Im Gegensatz zu Marie Schafroth hat Ada Nolde ihre Reisenotizen nicht selbst veröffentlicht und verspürte offenbar nicht das Bedürfnis, sich als weltgewandte Reisende mit Forschergeist darzustellen. Sie erfüllte primär die Rolle der Begleiterin. Im Schlepptau der medizinisch-demographischen Expedition verbrachte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Emil Nolde sechs Monate in Deutsch-Neuguinea.328 Zuerst blieben Noldes einige Zeit in Rabaul, wo die anderen Expeditionsmitglieder viel Arbeit fanden.329 Über die auch an der Expedition beteiligte Krankenschwester Gertrud Arnthal konnten keine näheren Informationen im Quellenmaterial gefunden werden, es kann aber davon ausgegangen werden, dass es ihre Aufgabe war, den Ärzten zuzuarbeiten und beispielsweise zu mikroskopieren. Das Ehepaar Nolde sah sich in der Zwischenzeit die Umgebung an. Während Emil Nolde malte, scheint seine Frau auch manchmal allein Ausflüge unternommen zu haben. So bestieg sie etwa nur in Begleitung „ihres Jungen“, also eines einheimischen Dieners, den Vulkan, der „die Mutter“ genannt wurde.330 In welchem Umfang Ada Nolde auf der Reise hausfraulichen Pflichten nachgehen musste, ist auf Grund der Quellenlage schwer festzustellen. Es wird zwar einmal erwähnt, dass sie mit einem Küchenmesser in der Hand „mit irgendwelchen Zubereitungen beschäftigt“ war, die Expedition wurde jedoch auch von einem chinesischen Koch begleitet und es gab indigenes Hilfspersonal.331 Da sich das Ehepaar in Rabaul bald langweilte, weil ihnen die Stadt zu europäisiert schien, waren Noldes froh, als die Expedition von dort ins Landesinnere aufbrach. Von der Station auf der Gazellenhalbinsel „mitten im Urwald“ wurden Tagesexpeditionen in alle Richtungen unternommen, an denen sich auch das Ehepaar Nolde beteiligte.332 Während die Ärzte die Einheimischen 326 327 328 329 330 331 332

Ebd., S. 133. Ebd., S. 75, 97, 100. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 134. Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 59. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 65. Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 61; Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 70. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 72; Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 61.

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befragten und untersuchten, nutzte der Maler die Gelegenheit, sie zu zeichnen. Als die Mediziner ihre Tätigkeit in diesem Gebiet beendet hatten, ging es weiter nach Pitapaka.333 Nach einer schweren Dysenterie-Erkrankung Emil Noldes trennte sich das Ehepaar vom Rest der Expedition und verbrachte einige Zeit auf der Erholungsstation Toma. Über diesen Aufenthalt schreibt Emil Nolde: „Brav sein und nichts tun, war unsere Unterhaltung.“334 Von Toma aus fuhren Noldes nach Käwieng auf Neu-Mecklenburg und wurden dort vom Bezirksamtmann Stübel und seiner Frau aufgenommen.335 Hier begann sich bald eine Art Alltag einzustellen. Emil nahm die Malerei wieder auf und ging jeden Morgen zu einem kleinen Arresthaus, das er sich als provisorisches Atelier eingerichtet hatte. Ada begleitete ihn dorthin und kehrte dann zum Haus zurück, um mit der kleinen Tochter der Gastgeber zu spielen. Während ihres Aufenthaltes in der Südsee beschäftigte sie sich außerdem mit Tagebuchschreiben und dem Anfertigen von Fotografien.336 Manchmal begleitete das Ehepaar den Bezirksamtmann auf kurzen Dienstreisen oder ließ sich auf eine kleine Insel vor Käwieng übersetzen. Abends saßen Noldes häufig mit den Gastgebern auf der Veranda und sangen. Emil Nolde schrieb über diese Zeit: „Geruhsam genießend die stillen Tage und Wochen erholten wir uns.“337 Anschließend kehrten Noldes zurück nach Rabaul, von wo aus sie in den Wirren des Kriegsausbruchs überstürzt abreisten.338

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Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 61. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 86; Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 62. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 87. Fotografien von Ada Nolde abgedruckt in Reuther, M. / Nolde Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde, S. 59, 61f; auch Emil Noldes Reiseschilderung basieren auf Tagebuchnotizen seiner Frau: vgl. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 14. 337 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 86-88, 90. 338 Ebd., S. 127.

10. Kein Paradies – Schwierigkeiten des Lebensalltages in der Fremde

Die im vorangegangenen Kapitel behandelten Reisenden besuchten die deutschen Südsee-Kolonien teils aus wissenschaftlichem Interesse, teils um die immer wieder als paradiesisch beschriebene Schönheit der Inseln zu genießen. Wie eingangs dargelegt, galten die Gebiete jedoch für einen dauerhaften Aufenthalt von Europäern als ungeeignet und seitens der Kolonialverwaltung wurde nicht zur Ansiedlung ermutigt. Neben wirtschaftlichen Faktoren lieferten vor allem die klimatischen Bedingungen in den Südsee-Kolonien und deren Folgen Gründe für diese Vorbehalte. Auch in vielen Berichten derjenigen, die in den Südseekolonien eigene Erfahrungen gesammelt hatten, kommen Probleme des dortigen Alltagslebens zur Sprache, von denen einige bereits in vorangegangenen Kapiteln erwähnt wurden. Die von der Heimat völlig verschiedenen Lebensbedingungen forderten von den Frauen große Umstellungen, „denn wenn man neu ins Land kommt, gibt es alle Tage fast etwas anderes, Neues und Ungewohntes, das einen beschäftigt und an das man sich erst gewöhnen muss“, wie Missionarsfrau Wagner schrieb.1 In den ersten Wochen fiel vielen Neuankömmlingen die Eingewöhnung noch schwer. Frieda Zieschank versuchte eine vor der Ausreise stehenden „Kolonialbraut“ darauf einzustimmen: „[...] gerade die Hausfrau stößt auf so viele kleine Schwierigkeiten, die zusammen anfangs ein ganzer Berg zu sein scheinen. An vieles heißt es: sich gewöhnen! An die kurzen Tage [...], an die nur vierwöchentliche Post, an das ganze, samoanische Schneckentempo, an Petroleumlampen, an Konservenbutter, an ewig rostende Bestecke und Ameisen und Kakerlaken! Ganz leicht wird das Einleben keiner!“2

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Charlotte Wagner an das Missionskränzchen, Wareo, 4. Jan. 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1. Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, In: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 3, S. 12.

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Dass wie in dieser Textpassage Unannehmlichkeiten, die die Eingewöhnung und der Alltag in den Kolonien mit sich brachten, in Kolonie und Heimat oder ähnlichen Veröffentlichungen angesprochen wurden, ist selten. In der Regel überwiegen hier die positiven und motivierenden Darstellungen, während Probleme eher in Tagebüchern und privaten Briefen artikuliert wurden. Daher bleibt es in dem oben zitierten Artikel bezeichnenderweise ja auch bei der Nennung „kleiner Schwierigkeiten“. An diese gewöhnten sich die meisten Frauen mit zunehmender Aufenthaltsdauer und auch andere Faktoren trugen dazu bei, dass sie immer besser mit ihrer neuen Lebenssituation zurechtkamen: Oft konnten sie ihre zunächst provisorischen Unterkünfte in ein gemütliches Zuhause verwandeln; sie wurden vertrauter mit ihrem neuen sozialen Umfeld, lernten andere deutsche Frauen kennen, mit denen sie sich austauschen konnten und von denen sie mit Haushaltstipps und Rezepten für die Zubereitung einheimischer Lebensmittel unterstützt wurden.3 Viele verbesserten außerdem ihre Kenntnisse der einheimischen Sprache und konnten nun mit der indigenen Bevölkerung kommunizieren sowie auf deren Unterstützung bei der Hausarbeit zurückgreifen.4 Trotz dieser Erleichterungen boten einige mit dem Leben in den Südsee-Kolonien verbundene Schwierigkeiten auch nach der Eingewöhnungsphase immer wieder Anlass für Klagen. Im Folgenden wird auf diese „Schattenseiten“ des kolonialen Alltags und den Umgang der Frauen damit eingegangen.

10.1 E INSAMKEIT , H EIMWEH UND ANPASSUNG In vielen der untersuchten Schriftzeugnissen finden sich Klagen über die isolierte Lage der Südsee-Kolonien und die schlechte Verbindung zum weit entfernten Mutterland. Frieda Zieschank schrieb, die Weltabgeschiedenheit Samoas sei ähnlich, „wie es wohl in einem abgelegenen Dorfe in Europa zur Zeit des Mittelalters gewesen sein mag, als es noch keine Schnellpost, geschweige denn einen Telegraphen gab.“5 Das Gefühl der Isolation empfanden besonders stark diejenigen Frauen, die innerhalb der Kolonie sehr einsam wohnten, etwa auf einer abgelegenen Pflanzung oder Missionsstation, wo manch eine nach eigenen Angaben mit der Zeit sogar etwas menschenscheu wurde.6 Die Neuendettelsauer Missionsgehilfin Heumann wurde vor ihrer Aussendung nach Neuguinea von der Missionsleitung entsprechend 3 4 5 6

Vgl. beispielsweise: Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20 u. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 29. Vgl. beispielsweise Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 20. Nov. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 117. Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 30. Jan. u. 11. Dez. 1899, ebenso 23. April 1900, zitiert aus Privatbesitz.

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gewarnt: „Im Übrigen wird es gut sein, daß Sie sich auch auf eine Periode des sich einsam Fühlens gefasst machen, überhaupt werden Sie kaum ganz um diese Einsamkeit herumkommen.“7 In der Abgeschiedenheit, die viele Frauen als bedrückend empfanden, litten sie immer wieder unter Heimweh, so dass sich manche sehnsüchtig das Wiedersehen mit den Verwandten und Freunden in der Heimat ausmalten.8 Missionarsfrau Johanna Fellmann schrieb beispielsweise an ihre Mutter: „Ich glaube, daß wir nach 4 Jahren einen Besuch in der Heimat machen dürfen, wie wird das so herrlich werden! Wie oft sprechen wir jetzt schon von dieser Zeit und freuen uns so königlich darauf!“9 In Fellmanns Briefen und ihrem Tagebuch ist Heimweh überdurchschnittlich häufig Thema, an manchen Tagen litt sie offenbar so stark darunter, dass sie ihren Entschluss, ihrem Mann in die Südsee zu folgen, bereute: „Ich fühlte so elend und unglücklich heute! [...] Es ist mir manchmal, als könnte ich dieses Leben nicht ertragen. Niemand ahnt, wie entmutigt, wie hoffnungslos ich fühle. [...] O was für ein glückliches Heim habe ich aufgegeben und verlassen; und was habe ich dafür? [...] O wie groß ist meine Sehnsucht nach der teuren Heimat, nach all meinen Lieben!“10

So weit gehen die anderen Frauen in ihren Aufzeichnungen in der Regel nicht, häufiger lassen sich indirektere Anzeichen für Einsamkeit und Heimweh finden, wie beispielsweise in einem Brief der Neuendettelsauer Missionsgehilfin Elisabeta Markert: „[...] gerade ein Fräulein, das in der Fremde ist, empfindet nur zu oft, daß es allein ist u. freut sich doppelt auf die Briefe aus der Heimat.“11 Auffällig unterscheiden sich davon die katholischen Missionsschwestern, die eine Rückkehr nach Deutschland nicht vorsahen und in ihren Briefen stets betonten, die Heimat gar nicht zu vermissen oder das anfängliche Heimweh sehr schnell überwunden zu haben – zumal ihnen ihre vielen Pflichten gar keine Zeit für derartige Gedanken lassen würden.12 Schwester Agatha aus der Herz-Jesu-Mission schrieb ihren Angehö7

Missionsleitung an Emilie Heumann [ohne Unterschrift], Neuendettelsau, 30. Okt. 1901, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4. 8 Vgl. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 6. März 1898 u. 5. März 1899, zitiert aus Privatbesitz; vgl. Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, beispielsweise Einträge vom 27. März 1897, S. 42; 30. Okt. 1897, S. 105. 9 Johanna Fellmann an ihre Mutter, Duke of York, 31. Jan. 1898, ähnlich am 5. März 1899 aus Raluana, zitiert aus Privatbesitz. 10 Fellmann, U. (Hrsg.).: Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 26. Febr. 1897, S. 33f. 11 Elisabeta Markert an den Kirchenrat, Wareo, 13. Mai 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4. 54/1. 12 Schw. Lidwina an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 5. Feb. 1905, Schw. Dorothea an die ehrwürdige Mutter, 19. März 1904 u. Schw. Brigitta an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 31. Mai 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05“, unverzeichnet; Schw. Angela an das Mutterhaus, Vunapope, 20. März

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rigen: „Warum sollte ich Heimweh haben? Das möchte ich mal wissen? Mein Wunsch ist ja jetzt gestillt, ich habe Grund genug, mich zu freuen.“13 Aus den Quellen geht hervor, dass die Schwestern fürchteten, ihre Begeisterung für die Mission würde angezweifelt, wenn sie Heimweh zugaben.14 Es ist also kaum verwunderlich, dass sie immer wieder beteuerten, nicht darunter zu leiden. Arztgattin Zieschank schrieb ebenfalls nach einem Jahr Aufenthalt in Samoa, sie habe „noch nicht die leiseste Sehnsucht nach der Heimat empfunden“.15 Doch auch viele der Frauen, die eigentlich beteuerten, in ihrer neuen Heimat glücklich zu sein – wie beispielsweise auch Missionarsfrau Johanna Diehl, die sich nach eigener Aussage um nichts in der Welt zurück in die Heimat wünschte – litten in bestimmten Momenten unter der Trennung von zuhause. So weinte Diehl beispielsweise wenn sie Post aus der Heimat gelesen hatte.16 Besonders stark überkam die Frauen die Sehnsucht nach der Familie an Sonntagen,17 wenn sie genug Freizeit hatten, um darüber nachzudenken, wie anders dieser Tag in der Heimat verbracht wurde und bei wichtigen Ereignissen: Etwa an Geburtstagen der Familienmitglieder, an Festtagen wie Weihnachten und Ostern oder wenn die Eltern nicht bei der eigenen Hochzeit oder der Taufe des Kindes dabei sein konnten.18 Auch in Krisensituation, wie beispielsweise in Krank-

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1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; vgl. Schw. Sophia an das Mutterhaus, Vunapope, 19. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet; Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 27. Mai 1903, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. Schw. Agatha an ihre Angehörigen, Vunapope, 30. März 1904, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet. Schw. Brigitta an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 31. Mai 1904, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Tumleo, 1. Okt. 1903, AG SSpS, PNG 6201. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 17. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 2. Aug. 1907, S. 21, 29. Aug. 1907, S. 26f; vgl. beispielsweise auch Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Tumleo, 1. Okt. 1903, AG SSpS, PNG 6201 Elisabeta Markert an den Missionsinspektor, Sattelberg, 3. März 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1; Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 10[?]. Sept. 1899, zitiert aus Privatbesitz; Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 21. Nov. 1897, S. 110. Vgl. beispielsweise Justine Vetter an ihre Familie, Simbang, 14. Juni 1899, in Privatbesitz; Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 7. u. 26. Dez. 1908 u. Ragetta, Okt. 1910, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 6f, 18; Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 11. Dez. 1899, zitiert aus Privatbesitz; Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 11. April 1897, S. 46; Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 12. Juli 1907, S. 13.

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heitszeiten, spürten viele Frauen „das Entferntsein von allen anderen Leuten um so mehr“.19 Schmerzlich wurde vor allem die Tatsache empfunden, dass in der Heimat oftmals nicht einmal jemand wissen konnte, dass gerade an diesem Tag in der Kolonie geheiratet wurde, jemand im Sterben lag oder geboren wurde.20 Die Post war so lange unterwegs, dass die Mitteilung wichtiger Ereignisse erst mit großer Verzögerung eintraf.21 So schrieb Johanna Fellmann beispielsweise im April 1901 an ihre Familie über die Geburt ihres Sohnes: „Nun ist der Kleine schon 9 Wochen alt und ihr wisst immer noch nichts von seiner Ankunft [...].“22 Weihnachtspakete kamen nicht selten erst weit nach Ostern an.23 Für die Frauen war das Briefeschreiben trotz des langen Postweges ein großer Trost bei Heimweh, hatten sie dabei doch immerhin das Gefühl, ein wenig mit „ihren Lieben“ zu plaudern.24 Von noch größerer Bedeutung war es für sie aber, Post zu empfangen und Neuigkeiten über das Wohlergehen der fernen Verwandten und Freunde zu erhalten. Die brieflichen Schilderungen waren die einzige Möglichkeit, weiterhin am Leben der zurückgelassenen Familie Anteil zu nehmen. Die Frauen interessierten sich daher für jedes Detail. Als Johanna Fellmanns Schwester heiratete, bat sie ihre Mutter, ihr genau zu beschreiben, wie das Kleid der Braut und ihrer anderen Schwester aussah und wenn möglich, Fotografien zu schicken.25 So konnte sie zumindest in Gedanken das Fest miterleben; ebenso wie eine Steyler Missionsschwester, die sich anlässlich einer Familienfeier in der Heimat vorstellte, sie könnte alle Gäste begrüßen und sich mit ihnen unterhalten.26 Mit großer Sehnsucht wurde jedes Mal das Postschiff erwartet, dessen Ankunft auf der Insel Jaluit Antonie Brandeis anschaulich schilderte:

19 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarck-Archipel, Eintrag vom 21. April 1897, S. 49. 20 Abdruck eines Briefes von Geschwister Becker, Truk, 5. April 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 7, S. 161: „Bei aller Freude fehlten uns doch die lieben Eltern und Geschwister in der fernen Heimat, die nicht einmal wussten, daß gerade an diesem Tag unsere Hochzeit war.“ 21 Vgl. hierzu Kapitel 2.3. 22 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann, 2. April 1901, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 170; vgl. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 21. März 1905, zitiert aus Privatbesitz. 23 Vgl. beispielsweise Bertha Dassel an ihre Familie, Siar, 5. Sept. 1895, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 82, RMG Prov. 68. 24 Vgl.: Justine Vetter an ihre Schwester, Simbang, 2. Jan. 1900, in Privatbesitz; Karoline Bergmann an ihre Familie, Siar, 6. April 1889, RMG 2.140; Schwester Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904 u. 6. Jan. 1905, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Sr. Stanisla (Kopien) aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. 25 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 1. Jan. 1900, zitiert aus Privatbesitz. 26 Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 1. Juli 1914, in Privatbesitz.

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„Jetzt kommen sie, die Männer mit den Postsäcken, sie bilden schnell den Mittelpunkt des Interesses. [...] Der Postmeister hat sich trotz der späten Stunde entschlossen, die Briefe auszuliefern, denn schon sind Monate vergangen, seitdem ein Postschiff den Hafen von Jaluit besuchte und Nachricht aus der Heimat brachte. In einigen Stunden ist die Post verteilt, das so umlagert gewesene Posthaus liegt wieder einsam da und die glücklichen Besitzer von Briefen eilen ihren Wohnungen zu. Nun ist ans Schlafen nicht zu denken, ein jeder liest die langersehnten Nachrichten der fernen Lieben. Erst gegen Morgen verlöschen die letzten Lichter [...].“27

Die erhaltene Post wurde begierig und immer wieder von neuem gründlich gelesen, wie beispielsweise aus einem Brief der Missionarsfrau Justine Vetter an ihre Schwester zu ersehen ist: „Wie freute mich die große Antwort, ich riß sie gleich auf. Wie herzlich u. innig freut mich jede Kleinigkeit [...]. Als dann K. Zeit hatte las er die Briefe vor, so blieb ich ruhiger, ich lese sie selbst nachher zigmal noch mal, erst kommen die weniger inhaltsreichen dran, zuletzt es war schon 11 Uhr geworden kam deiner [...] daran, weißt darauf ist mir immer Kopf u. Herz so voll, daß ich nichts mehr hören will.“28

Bestätigten die Briefe den Frauen, dass es ihren Verwandten und Freunden in der Heimat gut ging, äußerten sie sich erleichtert, glücklich und dankbar, da sie nun kurzzeitig erlöst waren von der Sorge um das Wohlergehen der Zurückgelassenen.29 Umso größer war die Enttäuschung über das Ausbleiben erwarteter Post.30 Eine Missionarsfrau schrieb anlässlich eines solchen Ereignisses vorwurfsvoll an ihre Familie:

27 Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 12, S. 232; vgl. Dieselbe: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36. 28 Justine Vetter an ihre Schwester, Simbang, 2. Jan. 1900, in Privatbesitz; vgl. beispielsweise auch: Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 39, S. 393; Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36. 29 Beispielsweise: Johanna Fellmann an ihre Eltern, Raluana, 2. April u. 24. Juli 1899, zitiert aus Privatbesitz; ebenso: Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 8. Nov. 1897, S. 107. 30 Missionar Fellmann schilderte eine entsprechende Reaktion seiner Frau: „Die gute Johanna that mir sehr leid, als ich vom Dampfer zurückkehrte und ihr sagen musste, daß sich kein Brief von zuhause für sie gefunden hatte. Sie brach natürlich in helle Thränen aus, um ihrem Schmerze Luft zu machen.“; siehe: Heinrich Fellmann an seine Schwiegereltern, Raluana, 3. Mai 1893, zitiert aus Privatbesitz.

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„Wie weh mir ums Herz ist, wirklich, ich kann’s nicht sagen. Weshalb seid Ihr denn nicht sorgfältiger? Ein Tag zu spät von Eurer Seite bedeutet für mich 16 Wochen Wartezeit von einem Brief zum anderen! Für die and. Post habe ich gar kein Interesse, es ist mir alles so gleichgültig. Ich hoffe, Euch eine Ursache zu solch einer Enttäuschung geben zu müssen! O Mama, wie habe ich mich [...] nach einem Wort von Dir gesehnt. Ich kann es fast nicht glauben, das gar nichts für mich dabei sein soll.“31

Neben der Post brachten die Dampfer Zeitschriften und Zeitungen in die Kolonien, von denen nicht selten „die neuesten heimatlichen sechs und mehr Wochen alt waren“, was dem Interesse der kolonialen Leser jedoch keinen Abbruch tat.32 Gespannt erwartet wurden die Schiffe nicht nur, weil sie Neuigkeiten aller Art brachten, sondern auch, weil sie bestellte Lebensmittel und andere Konsumgüter in die Kolonien transportierten und ihnen nicht zuletzt immer wieder neue Bewohner oder Besucher zuführten. Besonders begehrt war auch das eisgekühlte Bier, das man auf dem Schiff genießen konnte. Bei der Ankunft eines Schiffes versammelte sich die europäische Bevölkerung also am Hafen, um nach der Landung an Bord zu strömen, die Ankömmlinge zu begrüßen, Neuigkeiten auszutauschen und sich zu erfrischen.33 Waren die aufregenden Dampfertage vorbei und mit dem Schiff die Verbindung zur Außenwelt wieder verschwunden, fielen die Inseln in ihren abgeschiedenen, gleichmäßigen Alltag zurück. „[...] Abwechslung oder sehr bemerkenswerte Ereignisse gibt es hier ja nicht sehr viel“34, schrieb Fellmann an ihre Familie und bedauerte, dass sie nicht einmal ihren Hochzeitstag würdig begehen konnte: „Es ist ja hier so schwer, etwas besonderes anzufangen zur Feier eines Tages.“35 31 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, wahrscheinlich 2. Mai 1898 (Fortsetzung eines Briefes vom 3. April 1898), [Herv. i.O.]; ähnlich am 2. April 1899: „Aber bitte, bitte schickt doch Eure Briefe rechtzeitig ab, denn wirklich, es ist so schmerzlich, wenn man nach so langem sehnsüchtigen Warten enttäuscht wird.“, zitiert aus Privatbesitz. Enttäuschung über die Post schildern beispielsweise auch: Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 4. April 1909, in Privatbesitz; Vetter, J.: Tagebuch; Eintrag vom 5. Feb. 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 32 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36; ebenso: Leidecker, Carl: Im Lande des Paradiesvogels, Leipzig 1916, S. 116. 33 Vgl. beispielsweise Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 17; Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 16, 18; Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 2 , S. 22. 34 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 16. Aug. 1898, zitiert aus Privatbesitz; ebenso: Berta Dassel an ihre Familie, Dampier, 20. Mai 1895, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 79, RMG Prov. 68. 35 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarck-Archipel, Eintrag vom 15. Oktober 1897, Seite 101.

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Die Frauen gewöhnten sich mit der Zeit daran, in den weltabgewandten Kolonien auf vieles verzichten zu müssen, Unannehmlichkeiten zu akzeptieren und auf sich gestellt zu sein. Mit zunehmender Verweildauer machte sich bei den meisten ein gewisser Pragmatismus breit. Sie fügten sich notgedrungen den örtlichen Gegebenheiten und passte die europäische Erwartungshaltung etwas an den Lebensrhythmus der Südseegebiete an.36 Frieda Zieschank berichtete, man lebe auf Samoa oft eine oder mehrere Wochen ohne genaue Zeit: Jeden Sonntag um 12 Uhr mittags werde ein Kanonenschuss abgegeben, ansonsten richte man sich zur Zeitbestimmung nur nach der Sonne. Auf Minuten käme es in Samoa sowieso nicht an. Den Begriff von Eile habe sie in der Kolonie völlig verloren.37 Auch in Neuguinea machten die Frauen diese Erfahrung: So notierte Fellmann beispielsweise, dass sie und ihr Mann „gar nicht mit dem Kalender“ lebten und dadurch sogar den Geburtstag ihrer Mutter vergaßen.38 Da es auf der Missionsstation stets viel zu tun gab, arbeiteten sie auch an Karfreitag, was sie zu dem Urteil führte: „Wenn man fern ist, von allem, was Civilisation heißt, da wird man selbst unzivilisiert.“39 Dass in den Südsee-Kolonien ein anderes Tempo als in der Heimat herrschte, betonte auch Johanna Diehl: „Wohl oder übel, es heißt sich in Geduld fassen, dass muss man mehr oder weniger hier draußen lernen.“40 Rot-Kreuz-Schwester Mathilde schrieb dementsprechend, man müsse sich in der Kolonie „einen Extravorrath an Geduld zulegen“.41 Auch Enttäuschungen und Verluste lernten die Frauen als etwas Alltägliches hinzunehmen. Missionarsfrau Hoh erklärte: „Dass hierzulande nicht alles nach Wunsch geht, sind wir ja so ziemlich gewöhnt, so nimmt man die Sachen wie sie sind und regt sich nicht darüber auf.“42 Als Diehls Herd kaputt ging, kommentierte sie nur trocken: „Wo soll man hier hingehen, kein Schmied weit und breit, ist etwas entzwei, hat man eben nicht mehr mit dem Gegenstand zu rechnen.“43 So musste 36 Vgl. zum „Einfluss der Südsee auf die Deutschen“ auch: Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S.34-58. 37 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 52f; vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 37f. 38 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarck-Archipel, Eintrag vom 20. April 1897, S. 49. 39 Ebd., Eintrag vom 15. April 1897, S. 47f. 40 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 5. März 1912, S. 186; ähnlich: Eintrag vom 25. April 1908, S. 46; ebenso: Brief von Emilie Keyßer an ein „liebes, verehrtes Fräulein“, Sattelberg, Aug. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.27. 41 Abdruck eines Briefes von Schw. Mathilde aus Beliao, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 45. 42 Else Hoh an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 9. Jan. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.26; vgl. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 20. Dez. 1911, S. 176. 43 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 2. Feb. 1908, S. 39.

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man sich selbst behelfen und sich notfalls – um ein weiteres Beispiel zu nennen – den kranken Zahn eben vom Ehemann mit der Zange ziehen lassen: „Zu wem hätte ich sonst gehen sollen? Denn im Umkreis von 6 Stunden ist kein Weißer zu finden [...]“, schrieb Missionarsfrau Decker.44 Wie sie weiter berichtete, musste der Hausherr nicht nur als Zahnarzt sondern auch als „Schreiner und Flickschuster für das eigene Haus“ fungieren.45 Dieser Situation konnte die Missionarsfrau aber durchaus auch Positives abgewinnen: „Wenn man so ganz auf sich selbst angewiesen ist, wird man vielseitig und erfinderisch, und oft denke ich, warum ist man denn daheim in Deutschland so umständlich und schickt immer gleich nach Hilfe statt dies und das selbst zu tun. Freilich ist man hier außen nicht so anspruchsvoll wie daheim und an das primitive gewöhnt.“46

Notgedrungen entwickelten die Frauen Improvisationstalent. So berichtete Missionarsfrau Emilie Keyßer etwa von ihrer Hochzeit, dass der Brautschleier sich mit der Lieferung des Postdampfers verspätet hatte und daher einfach durch ein Stück Tüll ersetzt wurde, das eigentlich als Moskitonetz dienen sollte.47 Missionarsfrau Stürzenhofecker schilderte, wie bei einer Tauffeier zwei schmale Vasen zu Kerzenleuchtern umfunktioniert wurden und eine Aluminiumschüssel zum Taufbecken.48 Bei den in der Heimat an die Hausarbeit und Kochkunst gestellten Ansprüchen machten manche der Frauen offenbar in den Kolonien ebenfalls Abstriche. Gretel Kuhn berichtete, dass sie es nach einer Weile aufgab, ihre Bettwäsche zu kochen, sondern sie nur noch mit heißem Wasser wusch und beschloss, das Trocknen in der prallen Sonne müsse als Desinfektion ausreichen.49 Johanna Fellmann gab zu, dass sie in der Kolonie „etwas träge“ wurde, nur noch wenig buk und meistens etwas kochte, das schnell zuzubereiten war, da sie bei den heißen Temperaturen nicht so lang am Herd stehen wollte.50 Für die Tatsache, dass die Hummermayonnaise, die bei einem Empfangsessen serviert wurde, den Spuren nach zu urteilen offensicht-

44 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 7. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 45 Ebd.; ebenso: Else Hoh an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 9. Jan. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.26. 46 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 7. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 47 Keyßer, Emilie: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, in: Lehmann, Arno (Hrsg.): Missionarsfrauen erzählen, Dresden 1937, S. 28; vgl. Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 25. Okt. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 48 Missionarsfrau Stürzenhofecker, Ongga, Nov. 1912, in: AMEW, Vorl. Nr. 4.34/1. 49 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 28. 50 Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 11. Dez. 1899, zitiert aus Privatbesitz.

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lich „von Ameisen besucht worden war“, hatte die mittlerweile Tropen-erprobte Gretel Kuhn ebenfalls nur noch einen lakonischen Kommentar übrig: „Aber so etwas störte uns nicht mehr.“51 Missionarsfrau Becker berichtete ähnliches: „Daß schon mal beim Umrühren der Suppe oder des Gemüses ein Käferlein oder eine Ameise in den Topf fällt, ist nicht verwunderliches, und man wird auch schon ganz unempfindlich gegen diese Tierlein.“52 Auffälligerweise entstammen all diese Zitate privaten Aufzeichnungen, die nur für den Familienkreis und nicht für eine Veröffentlichung bestimmt waren. Den Frauen war wohl durchaus bewusst, dass Pragmatismus und Anpassung an die fremden Verhältnisse nicht zu weit gehen durften, wenn man nicht gegen die gesellschaftlichen Konventionen verstoßen wollte. Für Gouverneursfrau Solf beispielsweise war „ein Anflug von ‚beach‘ und ‚Kolonie‘“ eine Eigenschaft, die sie an anderen Deutschen missbilligend zur Kenntnis nahm und mit der sie Nachlässigkeiten und mangelhafte äußere Umgangsformen beschrieb.53 Nicht überall war die gesellschaftliche Kontrolle allerdings so ausgeprägt wie im Umfeld der Gouverneursfrau; manche der Frauen lebten so einsam, dass nur selten jemand zur Kenntnis nehmen konnte, ob und wie sehr sie sich an die örtlichen Lebensumstände anpassten.

10.2 K LIMA UND K RANKHEITEN Gouverneur Solf attestierte den Südsee-Gebieten „wegen ihrer Abgeschlossenheit und Eintönigkeit einen stark schädigenden Einfluß auf die Psyche und die geistige Spannkraft der europäischen Bewohner“.54 Diese negativen Effekte wurden für allein stehende Frauen als besonders gefährlich erachtet.55 Die Lebensbedingungen in den Südsee-Kolonien stellten jedoch nicht nur für die psychische, sondern vor allem für die körperliche Gesundheit der deutschen Frauen eine Herausforderung dar. Das tropische Klima mit seiner hohen Luftfeuchtigkeit und den heißen Temperaturen machte den Weißen zu schaffen und begünstigte Erkrankungen.56

51 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 22. 52 Laura Becker an ihre Familie (wahrsch. Anfang 1909), in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 9. 53 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 20. April 1909, in Privatbesitz. 54 Wilhelm Solf an den Gouverneur in Apia, Berlin, 4. Dez. 1913, MESC(AU), S2-IG6-F2. 55 Vgl. Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3IG11-F3. 56 Zum Klima siehe: Buchholz, H.: Die naturräumliche Struktur der ehemaligen deutschen Südseekolonien, S. 59. Zur gesundheitlichen Lage und der medizinischen Infrastruktur in

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In den Anfangsjahren der Kolonisation hielt man die Ansiedlung von deutschen Frauen in den Südseekolonien wie auch in anderen tropischen Gebieten auf Grund der klimatischen Bedingungen für zu gefährlich.57 Unter anderen waren es der Mediziner Rudolf Virchow und der Ethnologe Adolf Bastian, die in der sogenannten Akklimatisationsdebatte die These vertraten, dass weiße Frauen in den Tropen schneller „welken“, nämlich ihre Gesundheit und Fruchtbarkeit einbüßen würden:58 „Unter den klimatischen Einflüssen und in der ungewohnten Umgebung werden sie [die europäischen Frauen; L.L.] leicht blutarm und nervös; ungemein häufig sind die menstruellen Störungen. […] Den Aufgaben des ehelichen Lebens zeigen sich diese Frauen nicht kräftig genug; sie abortieren leicht. Zur Regel gehört es, daß die jungen Mütter die Milch verlieren. Weiterhin entwickeln sich endometrische Erkrankungen, die zu allerlei uterinen Störungen, zu Amenorrhöe, zu Menorrhagien führen und mit Sterilität enden. Nebenher geht auch der Allgemeinzustand der Frauen herab, sie werden mager, das Nervenleben und der geregelte Seelenzustand werden erschüttert […].“59

Im Laufe der Zeit verbesserte sich aber die hygienische und medizinische Lage in den Südsee-Kolonien und die vermehrt dort lebenden deutschen Frauen stellten zudem unter Beweis, dass dies trotz aller negativen Prognosen für ihre Gesundheit

der Kolonie Deutsch-Neuguinea siehe: Davies, M.: Public Health and Colonialism. Eine vergleichbare Untersuchung für Samoa fehlt meines Wissens bisher. 57 Vgl. beispielsweise: Hatten, Gertrud v.: Die Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 15, S. 8; Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 16; Krämer-Bannow, E.: Deutsches Frauenleben in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 37, S. 6; vgl.: Die weiße Frau in den Tropen, in: Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 4, S. 1; Leidecker, C.: Im Lande des Paradiesvogels, S. 18; Vargyas, Gábor: Data on the pictorial history of North-East Papua New Guinea. Occasional Papers in Anthropology, Nr. 1, Budapest 1986, S. 41; Schlossmuseum Sondershausen / Bade, J. (Hrsg.): Zehn Jahre auf den Inseln der Südsee, Eintrag vom 19. Jan. 1897, S. 38. 58 In der Akklimatisationsdebatte ging es zusammengefasst um die Frage, ob es für Weiße in den Tropen möglich sei, sich dem Klima anzupassen und dabei ihre körperliche und geistige Gesundheit sowie ihre kulturelle Identität zu bewahren, vgl. Grosse, Pascal: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland 1850-1918, Frankfurt a.M. 2000, S. 17, 62f, 71, 90-93; ausführlich zur Akklimatisationsdebatte auch: Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 162-173. 59 Zitiert nach Moszowski, M.: Klima, Rasse und Nationalität in ihrer Bedeutung für die Ehe, in: Noorden, Carl von / Kaminer, Siegfried (Hrsg.): Krankheiten und Ehe. Darstellung der Beziehung zwischen Gesundheitsstörungen und Ehegemeinschaft, Leipzig 1916, S. 100-156, hier S. 141f.

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durchaus möglich war.60 Wenn auch zahlreiche der in der Akklimatisationsdebatte angeführten Befürchtungen nicht eintraten, so blieben viele Krankheiten dennoch eine reale Bedrohung und setzten den Frauen ebenso wie das ungewohnte Klima zu. Über zwei weiße Bewohnerinnen der Insel Jaluit hieß es in einem Artikel in der Deutschen Kolonialzeitung: „Sie klagen beide, dass sie in einem Jahre hier so viel altern als draußen in drei.“61 Auch über die Missionsschwestern in den Kolonien wurde geschrieben, sie arbeiteten in der Südsee „in einem Klima, welches ihre Kräfte dreimal schneller aufreibt als in Europa“.62 Die Frauen litten besonders unter meist Malaria-bedingten Fieberanfällen, die nicht selten tödlich endeten.63 Vor allem an den Küstengebieten Deutsch-Neuguineas trat Malaria sehr häufig auf. Die Erkrankung versuchte man durch die Einnahme von Chinin abzuwenden, was mit unangenehmen Nebenwirkungen verbunden war, zumal lange Uneinigkeit über die korrekte Dosierung herrschte. In Folge der Einnahme konnten Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Hörstörungen und Durchfall auftreten.64 Vermutlich ebenfalls im Zusammenhang mit der Chininbehandlung stand eine gefährliche Komplikation der Malaria: das Schwarzwasserfieber. Bei dieser Krankheit scheidet der Körper infolge des Zerfalls roter Blutkörperchen Hämoglobin über die Niere aus, was zu einer dunklen Verfärbung des Urins führt und den Namen des Fiebers erklärt. Häufig endete die Krankheit mit tödlichem Nierenversagen. Falsch angewendete Malaria-Prohylaxe stand im Verdacht, das Schwarzwasserfieber auszulösen. Regierungsarzt Liesegang klagte: „Es wiederholt sich dieses Vorgehen der Europäer immer wieder. Die Prophylaxe wird lässig getrieben, um nur ja nicht zuviel Chinin zu nehmen. Tritt Fieber ein, so wird Chinin in übertriebener Menge genommen.“65 So waren in Kaiser-Wilhelmsland 58 Prozent aller Todesfälle unter Europäern die direkte Folge von Malaria oder Schwarzwasserfieber. Die Inseln des Bismarck-Archipels waren weniger stark be60 Vgl. Wendland, W.: Im Wunderland der Papuas, S. 210. 61 Schneider, E.: Tagebuchblätter von Jaluit, in: Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 4. Jg. (1891), Nr. 3, S. 31 (Die Rede ist von Frau Größer und Frau Schnieders). 62 Vgl. beispielsweise: Abdruck eines Briefes von P. Bley an die Beförderer und Freunde der Mission, Hiltrup, 28. April 1902, in: Monatshefte, 19. Jg. (1902), S. 249. 63 Vgl. Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 209f, Appendix V. – In den Quellen finden sich unzählige Malaria-Fälle, die hier nicht aufgelistet werden können, im weiteren Textverlauf werden aber spezifische Fallbeispiele mit Quellenangabe angeführt. 64 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 59. 65 Regierungsarzt Liesegang: Ärztlicher Vierteljahresbericht für die Zeit vom 1. Jan.-31. März 1911, Friedrich-Wilhelmshafen, 14. April 1911, BArch, R 1001/5772; vgl. Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 52; ausführliche Schilderung des tödlichen Verlaufs der Schwarzwasserfieber-Erkrankung von Missionarsfrau Kunnigunde Hertle: Johann Hertle [wahrscheinlich an die Missionsleitung], Pola, 4. Aug. 1914, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/3.

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troffen. Hier waren rund 22 Prozent der europäischen Todesfälle auf Malaria und Schwarzwasserfieber zurückzuführen. Die polynesischen Inseln waren Malariafrei.66 Andere Krankheiten, die häufig auftraten, waren Ruhr, Influenza, Beriberi und tropische Hautkrankheiten.67 Verletzungen heilten im tropischen Klima schlecht und zogen oftmals langwierige Entzündungen nach sich: „Die kleinste Wunde eitert und heilt sehr langsam in Neu-Guinea. Das ist eine Unannehmlichkeit des Landes, die dem Ansiedler das Leben oft verbittert“, berichtete die Reisende Marie Schafroth.68 Auch Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten forderten Opfer; die größte Bedrohung für die Gesundheit blieb zumindest in Neuguinea jedoch Malaria.69 Mit zunehmender Dauer des Aufenthalts in den Kolonien wurden die Fieberanfälle aber in der Regel seltener und die Frauen fanden sich damit ab, dass diese zum kolonialen Alltag gehörten.70 So vermerkt Johanna Fellmann lapidar in ihrem Tagebuch: „Heute hatte ich mal wieder Fieber, um nicht aus der Übung zu kommen“71 und die Krankenschwester Auguste Hertzer berichtet aus Neuguinea über ihre Kollegin: „Schwester Hedwig hat in letzter Zeit nur jeden fünften Tag Fieber.“72 Die häufigen Erkrankungen und das anstrengende Klima schwächten die Frauen, zudem verhinderten die mancherorts stark schwankenden Temperaturen oft einen erholsamen Schlaf. Missionsschwester Theresia schrieb: „Am Tage habe ich so warm, daß mir die Wassertropfen herabperlen, und des nachts macht mich eine dumme Decke, namentlich bei Regenwetter [...] so kühl, daß ich vor Frost erwache. So geht es den übrigen Schwestern auch.“73 Unter diesen Voraussetzungen tagsüber leistungsfähig zu sein, fiel den Frauen häufig schwer. So klagt Johanna Diehl über ihren Gesundheitszustand dem Tagebuch: „Ja, ich habe ein ordentliches Teil zu leiden, welches mich oft ernst[lich] niederdrückt, ich möchte so gerne tüchtig schaf66 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 10, 191. 67 Ebd., S. 27; Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 11. Mai 1908, S. 48, 20. Juli 1908, S. 52, 27. Oktober 1912, S. 206; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 28. Sept. 1895; Schw. Lidwina an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 5. Feb. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05“, unverzeichnet. 68 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 73. 69 Davies, M.: Pubic Health and Colonialism, S. 49, 64; siehe auch: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 149f. 70 Vgl. Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 53, 59. 71 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 18. Okt. 1897, S.101. 72 Schw. Auguste Hertzer zitiert in: Unter dem roten Kreuz, 3. Jg. (1892), Nr. 2, S. 12. 73 Schw. Theresia an die Schw. Assistentin, Neupommern, 21. Mai 1903 (oder 1904), in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea-Briefe der ersten Missionarinnen 1902-10“, unverzeichnet.

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fen, denn es ist so viel zu tun.“74 Für die oft ohnehin schon geschwächten und kränklichen Frauen waren Schwangerschaften und Geburten riskante körperliche Belastungen, die sie vielerorts ohne ärztlichen Beistand bewältigen mussten. Häufig wird in den Quellen von Abgängen, Früh- und Totgeburten berichtet, nicht selten starben die Frauen im Kindbett oder verloren ihr Baby kurz nach der Geburt.75 Ein weiterer Grund für die Anfälligkeit der Frauen war neben dem anstrengenden Klima und der teilweise harten Arbeit häufig eine schlechte Ernährung. In manchen Gebieten gedieh Gemüse nur schlecht und importierte Kartoffeln verdarben schnell. Frische Früchte und frisches Fleisch waren außerdem in den SüdseeKolonien oftmals schwer zu bekommen und sehr teuer. So wurde der Mangel an frischer Nahrung mit Dosenkonserven ausgeglichen, die mancherorts sogar den Hauptbestandteil der Nahrung darstellten.76 Auf Grund der mangelhaften Ernährung und der häufigen Krankheiten verloren viele Frauen stark an Gewicht.77 Als Missionarsfrau Diehl beispielsweise nach ihrer Rückkehr aus Neuguinea im Tropeninstitut Tübingen untersucht wurde, fehlten ihr 15 Pfund zum Normalgewicht.78 Auch auf die Zähne hatte die Ernährungslage sowie die kaum vorhandene zahnärztliche Versorgung schädigenden Einfluss.79 Auf Grund dieser gesundheitlichen Risiken hielt sich während der deutschen Kolonialzeit trotz des Ausbaus der medizinischen Versorgung und der Infrastruktur die Ansicht, dass sich weiße Frauen möglichst nicht länger als drei Jahre am Stück

74 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 7. Dez. 1907, S. 32. 75 Vgl. beispielsweise: Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 40; Johann Decker an den Missionsinspektor, Deinzerhöhe, 22. Nov. 1905, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; Kirchliche Mitteilungen, 34. Jg. N.F. (1902), Nr. 6, S. 1; Neuendettelsauer Missionsblatt, 2. Jg. (1912), Nr. 9, S. 70; Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 3. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; H. Zahn an seine Familie, Logaweng, 11. Mai 1914, AMEW, Vorl. Nr. 4.48; Wiese, E.: Letzte Lebenstage und Heimgang von Frau Elfriede Wiese, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 5, S. 35-38; Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Juli 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 4. März 1898 zitiert aus Privatbesitz. 76 Davies, M.: Public Health and Colonialism, S. 74f; vgl. Medizinalberichte über die Deutschen Schutzgebiete für das Jahr 1904/05, S. 183; für das Jahr 1907/08, S. 482 u. für das Jahr 1911/12, S. 486f. 77 Vgl. beispielsweise: Schw. Dorothea ans Mutterhaus, St. Paul, 25. Juli 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 17. Jan. 1905, AHM, Ordner: „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet. 78 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 30. Mai 1913, S. 219. 79 Justine Vetter an ihre Schwester, Simbang, 18. Juli 1900, in Privatbesitz; Johanna Fellmann an ihre Eltern, Raluana, 16. April 1899, zitiert aus Privatbesitz.

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in tropischen Gebieten wie den Südsee-Kolonien aufhalten sollten.80 Nach diesen drei Jahren habe der Körper „sehr die Auffrischung und Erholung im gewohnten heimischen Klima nötig“, meinte auch die in Neuguinea lebende Emmy Müller.81 Regierungsarzt Poleck kam in einem ärztlichen Gutachten noch im Dezember 1911, also als die infrastrukturelle Entwicklung der Kolonien bereits weit vorangeschritten und die Zahl der deutschen Ansiedler deutlich gestiegen war, selbst in der vergleichsweise „gesunden Kolonie“ Samoa zu folgendem Schluss: „In einem früheren Berichte und andeutungsweise immer wieder einmal in einem Gesundheitszeugnisse über eine heimsendungsbedürftige weibliche Angestellte des Gouvernements habe ich Gelegenheit genommen zu betonen, dass die allgemeinen und die besonderen Lebensbedingungen der Kolonie Samoa noch nicht derart sind, dass es sich empfiehlt, alleinstehende weibliche Beamte herauszusenden, ich habe sogar einmal gesagt, dass das Gouvernement eigentlich nicht die Verantwortung übernehmen dürfte.“82

Tatsächlich wurde nicht nur die Stenographin Mars Opfer der ihrer Meinung nach „für eine alleinstehende Dame in jeder Hinsicht ungünstigen Beziehungen“ 83 in der Kolonie, sondern Lehrerin Pfister musste ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen vor Ende ihrer Dienstzeit in die Heimat zurückgeschickt werden.84 Beiden wurde ärztlich bescheinigt, dass sie nicht länger tropendiensttauglich seien, nachdem starker Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, nervöse Zustände, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen und Schwermut aufgetreten waren.85 Auch viele Krankenschwestern mussten aus gesundheitlichen Gründen ihre Arbeitsstelle vor Ablauf der Vertragsfrist verlassen. Die in Apia stationierte Schwester Helene Voll wurde beispielsweise acht Monate vor Ablauf ihrer Dienstzeit vom Regierungsarzt für nicht mehr tropendienstfähig und für heimsendebedürftig erklärt; er empfahl außerdem einen Erholungsurlaub nach der Ankunft in der Hei80 Vgl. Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 6f; Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 75. 81 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7. 82 Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3-IG11F3. 83 Mars an den Gouverneur, Apia, 4. Dez.1911, MESC(AU), S3-IG11-F3. 84 Vgl. Personalakte Pfister: ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 85 Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3-IG11F3 u. Pfister an Gouverneur, Apia, 18. Sept. 1910, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). Auch Lehrerin Ludovica Schultze wurde 1907 nach langer Dienstzeit in Samoa für nicht mehr tropendienstfähig erklärt und musste die Kolonie verlassen; siehe: Ärztliches Zeugnis des Regierungsarztes Dr. Schwesinger, Apia, 22. März 1907, ANZ(W), AGCA 6051/0141.

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mat.86 Zwölf der 178 zwischen 1888 und 1907 in die verschiedenen Kolonialgebiete ausgesandten Schwestern starben sogar auf ihrem Posten. Für die Genesung nicht förderlich war, dass die Frauen oft trotz gesundheitlicher Beschwerden harte körperliche Arbeit leisten mussten, da sie mancherorts keine Kollegin hatten, auf deren Unterstützung sie zurückgreifen konnten.87 Obwohl sie in der Regel vorgesehen hatten, für immer im Missionsfeld zu bleiben, mussten auch einige Missionsschwestern aus gesundheitlichen Gründen die Tropen wieder verlassen. So beispielsweise die Liebenzeller Schwester Minna Karrer auf Grund einer psychischen Erkrankung.88 Drei Herz-Jesu-Schwestern, die auf den Marshall-Inseln gewirkt hatten, wurden ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen in die Heimat zurückgesandt, womit sie dem Schicksal ihrer Kolleginnen Stanisla und Benedikta entgingen, die auf den Inseln verstorben waren.89 Der Chronik der Herz-Jesu-Schwestern aus der Neuguinea-Mission ist zu entnehmen, dass auch von dort einige Schwestern auf ärztlichen Rat hin wieder in die Heimat geschickt wurden; ebenso wie drei Steyler Schwestern.90 Beispiele für evangelische Missionsangehörige, die auf Grund eines kritischen Gesundheitszustandes verfrüht heimkehren mussten, sind in den Quellen ebenfalls immer wieder zu finden. Missionarsfrauen mussten dabei nicht selten schweren Herzens ihren Mann zurücklassen, wenn dieser sein Arbeitsfeld nicht im Stich lassen konnte oder wollte.91 Selbstverständlich litten die hier thematisierten Frauen nicht nur selbst unter Krankheiten. Diejenigen unter ihnen, die verheiratet waren, sorgten sich auch häu86 Ärztliches Gutachten von Regierungsarzt Poleck über Schwester Helene Voll, Apia, 29. Dez. 1908 u. Gouverneur Solf an das RKA, Apia, 25. Feb. 1909, MESC(AU), S15-IG86F4. 87 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 43; vgl. Abdruck zweier Briefe von Schw. Auguste, 21. Nov. 1893, in: Deutsches Kolonialblatt, 5. Jg. (1894), Nr. 6, S. 132 u. aus Beliao, 16. Juli 1894, in: Unter dem roten Kreuz, 5. Jg. (1894), Nr. 9, S. 64. Auch die junge Krankenschwester Gertrud Arnthal, die die Medizinisch-demographische Expedition begleitete, an der auch das Ehepaar Nolde teilnahm, starb in Neuguinea (an Typhus), vgl. Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 62 u. Todesanzeige, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 6. Jg. (1914), Nr. 9, S. 22. 88 Vgl. Personalkarte Minna Karrer, ALM, Akte „Karrer, Minna“. 89 Vgl. Auflistung der Missionsschwestern vom heiligsten Herzen Jesu in der MarshallMission, AHM, Ordner „Marshall“, unverzeichnet. 90 Papua Neuguinea. Chronik, 1. Teil (1902-14), Einträge vom 4. Juni 1908, 20. Nov. 1910, Juni 1911, Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“, unverzeichnet; Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern „Dienerinnen des Heiligen Geistes“, S. 188f; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 151. 91 Beispielsweise Karoline Bergmann an ihre Familie, im Suezkanal, wahrsch. 30. Jan. 1890, RMG 2.140; Peter Arff an den Missionsinspektor, Siar, 2. Mai 1892, RMG 2.143; Laura Becker an den Missionsinspektor, Dampfer „Yorck“, 9. Aug. 1911, RMG 1.835.

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fig um den Gesundheitszustand ihrer Familie. Immer wieder mussten sie ihre kranken Ehemänner oder Kinder pflegen, die manchmal die Krankheit dennoch nicht überlebten.92 So sind im Quellenmaterial viele tragische Schicksale wie beispielsweise das der rheinischen Missionarsfrau Elli Arff und ihres Ehemannes zu finden: Kurz nach der Hochzeit erkrankte Missionar Arff schwer, bald darauf seine Frau, so dass sie Erholung im Bismarck-Archipel suchen mussten. Nach der Rückkehr auf ihre Missionsstation Bogadjim litt Elli Arff erneut unter fast täglich wiederkehrendem Fieber und einem Milzgeschwulst. Sie wurde immer schwächer, so dass sich das Ehepaar schweren Herzens trennte und die Missionarsfrau allein zur Erholung zurück nach Deutschland reiste. Nach fast einem Jahr konnte sie wieder gestärkt ins Missionsgebiet zurückfahren, wo wenige Wochen später jedoch ihr Mann an heftigem Fieber verstarb.93 Ebenso wie die Sorge um ihre Ehemänner wirkte sich negativ auf das Wohlbefinden der Frauen aus, dass sie ihre Kinder häufig aus Krankheitsgründen auf eine Bergstation mit gesünderem Klima oder sogar ins Mutterland bringen mussten und in der Folge unter der Trennung litten.94 Mit der Darstellung von Sorgen und Krankheiten wird im untersuchten Quellenmaterial unterschiedlich verfahren. Wie schon erwähnt, kommen sie häufiger in Briefen und Tagebüchern als in Publikationen zur Sprache. Bei Briefen, die für die Veröffentlichung vorgesehen waren, etwa in den Missionszeitschriften und in Unter dem roten Kreuz, muss davon ausgegangen werden, dass manche Schilderung negativer Vorkommnisse der Selbstzensur oder der Zensur durch die Herausgeber zum Opfer fiel, um die Leser nicht abzuschrecken und ihnen ein positives Bild vom Alltag in den Südsee-Kolonien zu vermitteln. Von den Angehörigen der Liebenzeller Mission lagen viele Originalbriefe vor, die bereits durch Pfarrer Coerper für den Abdruck bearbeitet waren. So war ersichtlich, dass er Passagen über Zweifel und das persönliche Wohlergehen häufig gestrichen hatte, sie also nicht veröffentlichen

92 So starb beispielsweise der Ehemann der Missionarsfrau Justine Vetter, vgl. Johann Decker an den Missionsinspektor, Deinzerhöhe, 15. Okt. 1906, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. Auch um ihre oft kranken Kinder war Vetter in stetiger Sorge, vgl. Vetter, J.: Tagebuch, Einträge vom 14. Dez. 1902, 2. Jan. 1903 u. 5. Feb. 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. In ihrem Tagebuch berichtet Vetter zudem, dass Missionar Ostermann an Schwarzwasserfieber gestorben sei und seine Frau daher zurück in die Heimat reiste (Eintrag vom 21. März 1904). 93 Peter Arff an den Missionsinspektor, Siar, 2. Mai 1892 u. Elli Arff an ihre Lieben, 3. Aug. 1893, RMG 2.143; vgl.: Aus einem Frauenleben in der Mission, in: Des Meisters Ruf, 7. Jg. (1915), Nr. 1, S. 4 u. Nr. 2, S. 2-6. 94 Besonders offensichtlich beispielsweise in unzähligen Tagebucheinträgen der Missionarsfrau Vetter, vgl. Vetter, J.: Tagebuch, AMEW, Vorl. Nr. 5.245 ebenso wie in vielen Briefen der Missionarsfrau Fellmann, die ihren Sohn in Deutschland zurücklassen musste.

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wollte.95 Dass Krankheiten aber selbst in den Originalbriefen der Liebenzeller Missionsschwestern nur selten erwähnt werden, hängt wohl auch damit zusammen, dass die Mission im Untersuchungszeitraum nur im Inselgebiet und nicht wie andere Missionen im gesundheitlich gefährlicheren Küstengebiet Neuguineas tätig war. Hinzu kommt, dass die Liebenzeller erst später in den Südsee-Gebieten aktiv wurden als die anderen behandelten Missionen und somit die ärztliche Versorgung und Infrastruktur schon weiter ausgebaut war. Außerdem berichteten die Liebenzeller ohnehin viel weniger von ihrem Alltagsleben als die anderen weiblichen Missionsangehörigen, sondern schilderten primär ihre Fortschritte und Rückschläge in der Missionsarbeit, so dass auch das eigene Wohlbefinden seltener thematisiert wurde. Trotz der genannten Einschränkungen werden Krankheiten weder in den Liebenzeller Missionsorganen noch in den anderen untersuchten Publikationen etwa verschwiegen. Zudem legten Todesanzeigen und Nachrufe Zeugnis über die gesundheitlichen Risiken in den Südseegebieten ab.96 Zum Teil wurde die Erwähnung von Krankheiten in den Quellen auch bewusst instrumentalisiert: Der schlechte Gesundheitszustand wurde häufig mit Überanstrengung erklärt, so dass zugleich der Fleiß der Kranken hervorgehoben werden konnte. Als in Unter dem roten Kreuz beispielsweise berichtet wurde, dass Krankenschwester Auguste Hertzer „das Bedürfnis nach Entlastung“ empfinde, wurde betont, dass sie diese redlich verdient habe: „Die aufreibende Pflege einer Schwerkranken, die sie Monate lang neben ihren sonstige Pflichten zu übernehmen hatte, dürfte wohl auch ein hinreichend genügender Grund der eingetretenen Erschöpfung sein.“97 Auch das Ausbleiben von Krankheiten ließ sich erklären, indem man zugleich die eigene Tüchtigkeit hervorhob, wie es beispielsweise Herz-Jesu-Schwester Dorothea tat: „Es geht uns Schwestern hier noch recht gut; zum Kranksein haben wir keine Zeit“, berichtete sie.98 95 Sehr gut deutlich wird dies beispielsweise an einem Brief von Schw. Paula Krämer, der mit ihren Zweifeln und ihrer Seekrankheit auf der Reise beginnt: „Durch manche dunkle Stunde körperlicher und seelischer Nöte hatte ich hindurch zu gehen...“, die ersten 1,5 Seiten des Briefes hat Pfarrer Coerper komplett für die Veröffentlichung gestrichen, vgl. Schw. Paula Krämer an Pfarrer Coerper, Truk, 24. Sept. 1912, ALM, Akte „Krämer, Paula“. 96 Beispielsweise: Ein neues Grab in unserer Südseemission, in: Steyler Missionsbote, 45. Jg. (1917/18), Nr. 3/4, S. 38f; siehe auch S. 46 dieser Ausgabe u. 43. Jg. (1915/16), Nr. 8, S. 122f; Nachruf auf Frau Wiese, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 6, S. 114; Nachruf auf Frau Mäder, in: Chinas Millionen, 17. Jg.(1916), Nr. 7, S. 140f; Nachruf auf Clara Hansche, in: Kirchliche Mittheilungen, N.F. 34. Jg. (1902), Nr. 6, S. 42f. 97 Unter dem roten Kreuz, 9. Jg. (1898), Nr. 1, S. 3; vgl. auch Abdruck eines Briefes von Schw. Irmgard, Stephansort, 29. Mai 1899, in: unter dem roten Kreuz, 10. Jg. (1899), Nr. 8, S. 79. 98 Abdruck eines Briefes von Schw. Dorothea an das Mutterhaus, St. Paul, 7. Mai 1911, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 197.

10. S CHWIERIGKEITEN

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Erkrankte Missionsangehörige stellten ihre Leiden häufig als Opfer für ihren Glauben dar und stilisieren sich selbst als tapfere Dulderinnen. Die wichtige Bedeutung des Leidenskonzepts betont auch Katharina Stornig in ihrer Untersuchung über die Steyler Mission. Der religiösen Überzeugung der Schwestern nach brachte ihr Leiden sie sowohl der eigenen Erlösung als auch der Erlösung der zu bekehrenden Heiden näher, so dass alle Opfer, die der Missionsalltag von ihnen forderte, mit religiöser Bedeutung aufgeladen wurden.99 Eine typische Passage findet sich beispielsweise in einem Brief der Steyler Schwester Imelda in die Heimat: „Gewiß wollen wir uns bestreben, dem hohen Ziele der Selbstheiligung immer näherzukommen und für die Rettung anderer Seelen gerne Leiden und Mühen ertragen. An häufiger Gelegenheit dazu fehlt es hier in Neuguinea durchaus nicht. Schon das tropische ungesunde Klima erfordert manche, zuweilen recht empfindliche Opfer. Das Wort der Heiligen Schrift: ‚Im Schweiße des Angesichts sollst du dein Brot essen‘ geht hier buchstäblich in Erfüllung. Es ist etwas mehr als schön warm. Das mit dem Klima verknüpfte Malariafieber ist auch ein häufiger Gast. Es ging mir in letzter Zeit diesbezüglich durchaus nicht gut.“100

Auch die Tagebuchaufzeichnungen und Briefe der methodistischen Missionarsfrau Fellmann, die verglichen mit anderen Selbstzeugnissen überdurchschnittlich viele Klagen enthalten, erwecken streckenweise den Eindruck, sie stilisiere sich bewusst als Leidende. Tanja Hammel stellt in ihrer Arbeit fest, dass „Leidenserzählungen“ in den Tagebüchern der Missionsangehörigen omnipräsent seien und dies mit der „pietistischen Demutshaltung, Leidens- und Opferbereitschaft“, die von den Frauen erwartet wurde, einhergehe.101 Fellmanns Aufzeichnungen scheint Hammel hier jedoch nicht einzureihen und hält deren Berichte für „authentischer“ als die derjenigen Frauen, die weniger klagen.102 Durchaus denkbar ist jedoch auch, dass Fellmann das Idealbild der opferbereiten Leidenden verinnerlicht hatte und sich dementsprechend darstellte; überdies bedingte wohl eine spezielle persönliche Disposition ihre zahlreichen Klagen. Während manche der Frauen ausdrücklich auf ihr Leiden hinwiesen, spielten andere Krankheiten und Sorgen herunter: Sie erwähnten lässig, „manchmal ein Fie-

99

Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 140f; siehe auch: „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, O34 Tg Varia (1,2,3,5): „Diejenigen sind groß vor Gott, die es verstehen, sich selbst zum Opfer zu bringen und auszuharren in allen Leiden und Trübsalen dieses Lebens.“ 100 Schw. Imelda an die Würdige Mutter, St. Michael, 12. Mai 1911, AG SSpS , PNG 6201. 101 Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, S. 79. 102 Ebd., S. 81.

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berchen ausschwitzen“ zu müssen oder dass sie ein „Geschwürchen“ hätten und gaben sich von allen Gefahren und Krankheiten unbeeindruckt.103 Verfolgt wurde mit dieser Darstellungsstrategie aber das gleiche Ziel: Die Verfasserin wollten unter Beweis stellen, dass sie für die Erfüllung ihrer Pflichten Opfer auf sich nahmen – verglichen mit ihrer großen Aufgabe sollten Krankheiten sogar als kaum der Rede wert erscheinen. Die Deutung Tanja Hammels, dass das Verschweigen von Krankheiten und damit das Leugnen von Schwäche der Heroisierung der Verfasserinnen dienen sollte,104 mag zwar manchmal zutreffen. Doch das hier vorliegenden Quellenmaterial legt vielmehr nahe, dass gerade durch die – sei es auch nur beiläufige – Erwähnung des tapferen Ertragens von Krankheiten vorbildliches Verhalten unter Beweis gestellt werden sollte. Die Heroisierung wird hier dadurch erstrebt, dass die Schreiberinnen sich trotz Krankheit und Schwäche nicht von der Erfüllung ihrer Aufgaben abhalten lassen. Das konnte bei manchen Frauen so weit gehen, dass sie sich im Krankheitsfall kaum schonten, wohl um ihren Opferwillen unter Beweis zu stellen, den Erwartungen an ihre Rolle gerecht zu werden und dem Vorwurf vorzubeugen, sie seien womöglich nicht fleißig genug. Dass dieses unvernünftige Verhalten zum Problem werden konnte, thematisiert auch Katharina Stornig am Beispiel der Steyler Schwester Martha Sieverding.105 Nach einer Beinverletzung arbeitete diese ungerührt weiter anstatt sich auszukurieren, so dass die Wunde lange nicht heilte und das Bein schließlich beinahe amputiert werden musste. Für Ihr Leiden dankte sie Gott, da sie glaubte, dadurch Jesus ähnlicher zu werden und „den armen Heiden nützlich sein zu können“.106 Ebenfalls durch eigenes Fehlverhalten begünstigte die Schwester offenbar außerdem eine Tuberkuloseerkrankung, der sie schließlich erlag. Stornig betont, dass die Schwester damit die Kritik ihrer Mitschwestern und der Regionaloberin auf sich zog, da man die Missionsschwestern in der Verantwortung sah, für den Erhalt ihres physischen Wohlbefindens zu sorgen, um der Mission möglichst lange dienen zu können.107 Dies war besonders für die Steyler Missionsschwestern und die übrigen katholischen Schwestern bedeutsam, da für sie im Ge-

103 Vgl. beispielsweise Schw. Barnaba an die Würdige Mutter, Tumleo, 14. April 1909, AG SSpS, PNG 6201; Elli Arff an den Missionsinspektor, Bogadjim, 24. Okt. 1894, RMG 2.143. 104 Vgl. Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, S. 45, 80f. 105 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 145-149. 106 Schw. Martha, 31. Jan. 1909, zitiert nach: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 146f, Fußnote 163. 107 Ebd., S. 130, 133f; vgl. „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, O34 Tg Varia (1,2,3,5).

10. S CHWIERIGKEITEN

DES

L EBENSALLTAGES IN

DER

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gensatz zu den meisten anderen hier thematisierten Frauen weder ein Erholungsurlaub noch nach einigen Jahren eine Rückkehr in die Heimat vorgesehen war.108 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die einsame Lage der Südsee-Kolonien, Heimweh, die völlig fremden Lebensverhältnisse und vor allem gesundheitliche Probleme den deutschen Frauen oft den Alltag in den Kolonien erschwerten, wobei sowohl der Umgang mit diesen Schwierigkeiten als auch deren Niederschlag im Quellenmaterial je nach Persönlichkeit, Tätigkeit und Quellengattung unterschiedlich ausfiel. Wiederum erweist sich auch die Wohnsituation innerhalb der Kolonie als entscheidender Faktor. Verglichen mit isoliert lebenden Pflanzersfrauen oder Missionsangehörigen waren die in den städtischen Siedlungsgebieten wohnenden Frauen weniger einsam und in der Regel auch weniger gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Hier war die medizinische Infrastruktur besser und der Lebensalltag zudem meist weniger von körperlicher Anstrengung geprägt. Selbstverständlich hatte die Wohnlage auch großen Einfluss auf die sozialen Beziehungen der Frauen, wie im nächsten Kapitel deutlich werden wird.

108 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 149-151.

11. Die soziale Stellung der deutschen Frauen innerhalb der weißen Kolonialbevölkerung

Die oben thematisierte Einsamkeit wirft die Frage auf, welche sozialen Kontakte die deutschen Frauen in den Südsee-Gebieten hatten und mit wem sie ihren Alltag teilten. Welchen Platz in der kolonialen Gesellschaft nahmen sie ein? Bot diese Position womöglich Vor- oder Nachteile im Vergleich zur Situation der Frauen im Mutterland? Diesen Fragen wird im Folgenden nachgegangen, wobei zunächst nur die weiße Bevölkerung der Kolonie berücksichtigt wird. Die Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung, die selbstverständlich die gesellschaftliche Stellung der deutschen Frauen entscheidend mitbestimmten, werden im Anschluss daran untersucht.

11.1 B EZIEHUNGEN

ZU ANDEREN DEUTSCHEN DER ÜBRIGEN WEISSEN B EVÖLKERUNG

F RAUEN UND

„Sie finden hier jetzt schon eine ganze Anzahl deutscher Frauen, die sich über jeden neuen Zuzug freuen und Ihnen gern mit Rat zur Seite stehen werden.“1 So warb Frieda Zieschank in ihrem Brief „an eine Kolonialbraut“ für die gute sozialen Beziehungen in der Kolonie Samoa. Abgesehen vom strengen gesellschaftlichen Zeremoniell der Antrittsbesuche, die Neuankömmlinge in den Kolonien anderen Weißen abstatten mussten, beschrieb Zieschank den Verkehr unter den Ansiedlern als „wundervoll ungezwungen“.2 Alle Deutschen würden sich „ganz und gar als eine geschlossene Familie“ fühlen.3 Antonie Brandeis schilderte auch die Marshallinseln 1 2 3

Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1913), Nr. 45, S. 8; siehe auch: Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 7. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 51f; Dies.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1913), Nr. 45, S. 8. Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 175.

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als „kleine harmonische Kolonie“4 und die Reisende Marie Schafroth zeigte sich beeindruckt vom Zusammenhalt der kolonialen Gesellschaft in Neuguinea: „Rasch schließt man sich da draußen einander an; ein ausgeprägtes Gefühl der Zusammengehörigkeit verbindet die Weißen jeder Nationalität. Auch der durchreisende Weltenbummler wird davon erfasst. Wie altbekannte Freunde trennt man sich nach kurzem Beisammensein [...].“5

Immer wieder wird auch die große Gastfreundschaft der weißen Ansiedler in den Kolonien gelobt.6 In den veröffentlichten Texten der deutschen Frauen wird also ein harmonisches Bild vom Zusammenleben in den Südsee-Kolonien gezeichnet. Die unpublizierten Schriftzeugnisse vermitteln einen differenzierteren Eindruck. Untersucht man die gesellschaftlichen Verhältnisse in den Südsee-Kolonien näher, fällt zunächst der auch von Schafroth angesprochene internationale Charakter auf. In besonderem Maße gilt das für Samoa. Die der deutschen Kolonialherrschaft vorausgegangenen Machtkämpfe zwischen Amerika, England und Deutschland sowie die zeitweilige gemeinsame Verwaltung der Inseln durch diese Nationen,7 hatte zur Folge, dass der englische Einfluss auch während der deutschen Kolonialzeit sehr groß blieb. Außerdem stärkte die Tatsache, dass Australien und Neuseeland vergleichsweise nah an den deutschen Südsee-Kolonien lagen und wichtige Handelsstützpunkte waren, das britische Element dort – ebenso wie der große Einfluss der Missionen britischen Ursprungs.8 Zwar lebten in Samoa auch Franzosen und Skandinavier, doch diese waren ein vergleichsweise kleines Grüppchen. Den letzten veröffentlichten offiziellen Bevölkerungsstatistiken vom 1. Januar 1913 ist zu entnehmen, dass den 329 Deutschen in Samoa auch am Ende der deutschen Kolonial-

4 5

6

7 8

Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 2, S. 22. Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 81; ebenso über Samoa: Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 78: „Wie innig nahe man sich aber auch vielen Menschen angeschlossen, das merke ich jetzt beim Abschied! Nicht wie Fremde, die der Zufall zusammengewürfelt, erscheinen mir jetzt die näheren Bekannten, sondern wie alte Jugendfreunde, die man schon so lange man denken kann, gekannt.“ Beispielsweise: Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 3, 45f, 64, 251; vgl. auch Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 57; Vargyas, G.: Data on the pictorail history of North-East Papua New Guinea, S. 30; Wilda, Johannes: Reise auf der S.M.S. „Möwe“. Streifzüge in Südseekolonien und Ostasien, Berlin 1903, S. 122. Vgl. Kapitel 2.2. Vgl. German Consular Papers, Report to the Auswärtige Amt (Departement of External Affairs), 29. April 1880, ANZ(W), AGCG 6066/0881.

11. D IE SOZIALE S TELLUNG

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zeit noch 132 Engländer und 35 „Nord-Amerikaner“ gegenüberstanden.9 Zu berücksichtigen ist bei diesen Zahlen, dass ein Großteil der Genannten bereits in Samoa geboren war und den zahlreichen Beziehungen zwischen europäischen oder amerikanischen Männern und samoanischen Frauen entstammte.10 Die deutsche Verwaltung Samoas bemühte sich, auf die Internationalität der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen und auch die nicht-deutschen weißen Bewohner Samoas zu integrieren. So war die Beteiligung der angelsächsischen Bevölkerung im Gouvernementsrat, einem beratenden Bürgerausschuss, der sich aus Mitgliedern der Kolonialverwaltung und europäischen Händlern und Siedlern zusammensetzte, von Anfang an vorgesehen.11 Lange Zeit war Englisch sogar faktische Geschäftssprache in diesem Gremium. Zwar nahm der englische Einfluss im Gouvernementsrat mit den Jahren ab, doch Hiery konstatiert, dass sich bis zum Ende der deutschen Kolonialverwaltung und teilweise darüber hinaus, „das Verhältnis zwischen Briten und Deutschen in Samoa nicht anders als gut, teilweise sogar herzlich“ bezeichnen ließe.12 Selbst Frieda Zieschank, die generell recht nationalistisch und anti-englisch eingestellt war, schrieb über das soziale Leben in Apia: „Auch mit den ansässigen Engländern kam man gesellschaftlich wie geschäftlich zusammen, und die Beziehungen waren, wenn sie meist auch locker blieben, angenehme und friedliche.“13 Bis Sommer 1914 leitete sogar ein britischer Staatsangehöriger, Richard Williams, als deutscher Amtmann die Verwaltung der größten samoanischen Insel Savai’i, obwohl er weder Deutsch sprach noch verstand.14 Dass das Englische auch im Alltag der deutschen Bewohner Samoas eine prägende Rolle spielte, ist also kaum verwunderlich. In einer Auskunft über die geschäftlichen, klimatischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Samoa für deutsche Kaufleute von 1911 heißt es, englische Sprachkenntnisse seien in der Kolonie erforderlich und auch die im April 1901 erstmals erschienene Samoanische Zeitung, 9

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14

Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1912/13, Statistischer Teil, S. 34f. Dieser Statistik gemäß setzte sich am 1. Jan. 1913 die weiße Bevölkerung Samoas aus den oben genannten sowie einem Luxemburger, neun Schweizern, 25 Franzosen, acht Dänen und fünf Schweden zusammen. Vgl. Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 651. Ebd., S. 650f . Ebd., S. 651. Selbst nach Kriegsausbruch schrieb Frieda Zieschank: „Es fiel uns nun sehr schwer, die seit langen Jahren unter uns lebenden Engländer plötzlich als Feinde zu betrachten.“, siehe: Zieschank, Frieda: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 1, S. 9; vgl. hierzu Kap. 16. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 116. Zieschanks nationalistische und antienglische Haltung wird beispielsweise in ihrer heftigen Kritik an der LMS deutlich, siehe S. 72, 75, 81; außerdem S. 160; vgl. auch den Beginn ihres Romans Ein verlorenes Paradies. Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 652.

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die von dem Deutschen Emil Lübke herausgegeben wurde und dem Gouvernement sehr nahe stand, spiegelte diese gesellschaftlichen Verhältnisse wider, indem sie sowohl über einen deutsch- als auch einen englischsprachigen Teil verfügte.15 Einige Schriftzeugnisse der deutschen Frauen geben ebenfalls Auskunft über gute Beziehungen zu nicht-deutschen Weißen. So traf sich beispielsweise das Ehepaar Solf häufig mit dem amerikanischen Konsul Mitchell und seiner Frau, wobei offenbar ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den beiden Frauen entstand, die sich auch ohne ihre Ehemänner besuchten.16 Die Gouverneursfrau scheint ihren Aufzeichnungen nach zu urteilen, in die sie immer wieder englische und französische Passagen einflocht, ohnehin eine weltoffene Person gewesen zu sein, die sich für fremde Nationen und Sprachen interessierte, sich schon vor ihrer Reise in die Südsee nach der Ferne sehnte, und in der Kolonie häufig mit ausländischen Besuchern zusammenkam.17 Einen ähnlichen Eindruck vermitteln die Tagebücher der Valesca Schultze: Sie schrieb, es habe sie schon immer in die weite Welt gezogen, was sie darauf zurückführte, dass auch mehrere Brüder ihrer Mutter nach Südamerika ausgewandert seien und das Fernweh offenbar in ihrer Familie läge.18 Vor ihrer Ankunft in Samoa arbeitete sie in England, wo auch der Kontakt zur London Missionary Society entstand, der sie schließlich als einzige deutsche Missionarin für diese Gesellschaft nach Samoa führte.19 Sie äußerte sich immer wieder positiv über die Engländer und lebte und arbeitete eng mit englischen Kolleginnen zusammen.20 Ihr nächster Nachbar in Samoa war im Übrigen der britische Schriftsteller Robert Louis Stevenson, mit dem sie ebenso wie mit dem Missionspersonal selbstverständlich englisch kommunizierte.21 Auch in ihre deutschen Aufzeichnungen flocht sie immer wieder englische Wörter und Passagen ein, wobei sie oft innerhalb eines Satzes mehrfach zwischen den beiden Sprachen hin und her sprang.22 Ludovica Schultze, 15 Auskunft über die geschäftlichen klimatischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Samoa, Fragebogen ausgefüllt in Apia, 4. April 1911, in: BArch, R 1001/2274; vgl. „Die deutsche Sprache und das Deutschtum in Samoa“, in: Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 27, S. 1. Zur Samoanischen Zeitung siehe: Riese, J.: The Samoanische Zeitung, S. 12. 16 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 20. Dez. 1908, 18. u. 23. Jan. u. 6. Mai 1909, in Privatbesitz. 17 Ebd., beispielsweise Einträge vom 13. Sept. u. 19. Dez. 1908, 14. Jan., 2. August 1909, in Privatbesitz. 18 Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 9. Mai 1886 u. 10. Jan. 1890, in Privatbesitz. 19 Ebd., Einträge vom 25. Okt. 1887 u. 4. Sept. 1888, in Privatbesitz. 20 Ebd., beispielsweise Einträge vom 9. Okt. u. 10. Nov. 1890, 26. Jan. 1896 u. 14. Juni 1899, in Privatbesitz. 21 Ebd., Einträge vom 14. April u. 20. Okt. 1892, in Privatbesitz. 22 Ebd., beispielsweise Einträge vom 12. März 1888, 20. Okt. 1892, 2. Dez. 1899, 15. März 1900 u. 12. Mai 1904, in Privatbesitz.

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die Schwester von Valesca, die in Apia als Regierungslehrerin tätig war, hatte zuvor deutschen, englischen und französischen Sprachunterricht in Paris und London gegeben.23 Regierungslehrerin Pfister war vor ihrer Anstellung an der Schule in Apia an einem Ladies College in Auckland und dann in Palmerston North in Neuseeland als Lehrerin tätig.24 Es fällt also auf, dass einige der in Samoa lebenden deutschen Frauen schon von ihrer Ankunft in der Kolonie Auslandserfahrung gesammelt hatten, so dass davon auszugehen ist, dass sie eine offene und tolerante Haltung gegenüber anderen Nationen einnahmen. Ob sich die genannten Fälle verallgemeinern lassen, ist indes ungewiss, da von den meisten deutschen Frauen nur wenige oder gar keine Informationen über ihr Leben vor der Ausreise nach Samoa vorliegen. Die als anglophil geltende Politik des Gouverneurs stieß nicht überall auf Gegenliebe: In der heimatlichen Presse warf man Solf gelegentlich „Engländerbevorzugung“ vor und auch in Samoa äußerte sich eine kleine Gruppe deutscher Siedler immer wieder unzufrieden mit der Haltung Solfs, wenn auch die in Europa zunehmende Polarisierung zwischen England und dem Deutschen Reich auf Samoa insgesamt kaum Auswirkungen hatte.25 Die Opposition gegen den Gouverneur, die im Wesentlichen eine stärkere Ausrichtung dessen Politik an den Interessen der deutschen Kleinunternehmer forderte, scharte sich um den schon genannten Pflanzer Richard Deeken, dem es laut Solf zeitweise gelungen sei, das gesellschaftliche Klima der kleinen Kolonie durch „Streitigkeiten, Hetzereien und Verleumdungen“ zu vergiften.26 In den vorliegenden Schriftzeugnissen der deutschen Frauen schlagen sich diese Konflikte zwar kaum nieder, aber es kann wohl davon ausgegangen werden, dass sie jeweils der Streitpartei ihrer Männer zuzurechnen sind, die Konfliktlinien also auch durch die Gruppe der deutschen Frauen liefen. Dass Johanna Solf in ihrem Tagebuch keine freundlichen Worte für Deeken findet, ist wenig überraschend und auch die Antipathien ihres Mannes gegenüber Richter Imhoff und seiner Frau teilte sie offenbar aus vollem Herzen.27 Die Gouverneursfrau distanzierte sich ohnehin vom Gros der deutschen Bewohner Samoas, die sie offenbar als unkultiviert und ungebildet wahrnahm. So setzte sie die Bezeichnung „Damen“ für die

23 Vgl. Personal-Nachweisung Ludovica Schultze, ohne Datum, ANZ(W), AGCA 6051/0141; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 5. Juli 1900, in Privatbesitz. 24 Vgl. verschiedene Schriftstücke in: Personalakte Angela Pfister, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). 25 Vgl. Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 23. Aug. 1909; Samoanische Zeitung, 12. Jg. (1912), Nr. 7, S. 2; Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 651-653. 26 Aktennotiz von Gouverneur Solf, Mai 1904, ANZ(W); AGCA 6051/0357; vgl. zu Deeken Kapitel 2.3. 27 Solf, J.: Tagebuch, beispielsweise Einträge vom 29. Nov. 1908, 1. u. 29. Jan., 24. März, 4. u. 8. April, 18. Mai u. 28. Aug. 1909, in Privatbesitz.

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weibliche Bevölkerung Apias in Anführungsstriche und schrieb beispielsweise über einen Ball:28 „Alle Schönen Apias waren natürlich erschienen. Es ist wirklich eine ganz eigentümliche melange die sog. ‚Gesellschaft‘ hier. Jedenfalls nichts für Damen; noch weniger für junge Mädchen. Frl. Pfister soll sich neben Mrs. Mayo ganz deplaziert vorgekommen sein. Wie sehr begreiflich. Selbst ich als Frau komme mir wie eine keusche Jungfrau neben ihr vor. Ich weiß nie recht wie ich dann sein soll; bin meistens ganz still.“29

Offensichtlich fühlte die Gouverneursfrau sich in dieser Gesellschaft nicht besonders wohl. Auch mangelnde Sensibilität gegenüber Standesunterschieden irritierte sie. Nur ungern folgte sie beispielsweise einer Einladung zum Tee bei Frau Rassmussen: „Ich habe zugesagt; was sollte ich auch anderes machen? Aber eigentl. ist es doch eine etwas komische Situation, wenn ich zu der Frau, bei der ich Puten, Fische, etc. bestelle zum ‚afternoon tee‘ gehe!“30 Als der amerikanische Konsul Mitchell eines Abends sie und einen sich vorübergehend in Samoa aufhaltenden Admiral zum Abendessen einlud und anschließend „die Jugend“ zum Tanzen, kommentiert sie etwas pikiert, der „gute Mitchell [wisse] immer noch nicht so recht, wen er mit wem einladen [könne]“.31 Diese Beispiele belegen jedoch nicht nur das Standesbewusstsein der Gouverneursfrau, sondern auch, dass viele andere Einwohner der Kolonie über diese sozialen Unterschiede hinwegsahen. Da die Gruppe der weißen Einwohner so klein war, kamen bei gesellschaftlichen Anlässen, wie etwa Bällen des deutschen Vereins Concordia oder dem Gartenfest beim Gouverneur, Vertreter von Gesellschaftsschichten zusammen, die im Mutterland wohl kaum miteinander gefeiert hätten, wie etwa die Stenographin Matthiessen mit der Frau des Oberrichters Imhoff und der Gouverneursfrau Solf.32 Zu einem Ball, den die Besatzung der S.M.S Cormoran in Apia gab, wurde beispielsweise in der Samoanischen Zeitung verkündet, dass „Jedermann freundlichst eingeladen“ sei, es wurde also keine Selektion der Gäste vorgenommen.33 Gouverneur Solf kommentierte diese sozialen Verhältnisse einmal mit folgenden Worten: „Die Grenze der geselligen Verpflichtungen zu ziehen ist in Samoa ausserordentlich schwer; es hat aber solange ich hier bin, die Mischung der verschiedenen Gesellschaftsschichten an solchen Abenden zu Unannehmlichkeiten

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Ebd., Eintrag vom 24. März 1909, in Privatbesitz. Ebd., Eintrag vom 12. Aug. 1909, in Privatbesitz. Ebd., Eintrag vom 18. April 1909, in Privatbesitz. Ebd., Eintrag vom 6. Mai 1909, in Privatbesitz. Ebd., Eintrag vom 24. März 1909, in Privatbesitz. Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 44, S. 2 [Eigene Hervorhebung].

11. D IE SOZIALE S TELLUNG

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keinen Anlass gegeben.“34 Die klassenübergreifenden Einladungen hatten also offenbar keine nennenswerten Konflikte zur Folge. Da die europäische Gesamtbevölkerung der Kolonie „nicht einmal mit einer deutschen Mittelstadt konkurrieren konnte“, war das gesellschaftliche Klima in Samoa provinziell.35 Man kannte sich und behielt die Aktivitäten der anderen im Blick, Klatsch und Tratsch machten schnell die Runde.36 Aus einer noch deutlich kleineren Kolonie, der Marshallinsel Jaluit, berichtete Antonie Brandeis von einem geselligen Abend, zu dem alle weißen Ansiedler erschienen waren, hier konnte auf Grund der Bevölkerungsgröße erst recht keine soziale Differenzierung vorgenommen werden.37 Brandeis’ Schilderungen ist zu entnehmen, dass die Kolonie häufig abends vereint gewesen sei, manchmal gemeinsam musiziert und Kaisers Geburtstag gemeinsam gefeiert habe.38 Auch mit den Angehörigen amerikanischen und französischen Missionsangehörigen pflegte Brandeis freundlichen Verkehr.39 In Neuguinea herrschte offenbar ebenfalls überwiegend ein gutes Einvernehmen zwischen der deutschen Kolonialbevölkerung und den übrigen Weißen, auch hier waren zeitweise nicht-deutsche Mitglieder im Gouvernementsrat vertreten.40 Über die kulturellen Vielfalt Neuguineas bemerkte Gretel Kuhn: „Wir lernten dort eine Menge Menschen kennen aus aller Herren Länder. Es war schon eigenartig, wie viele Rassen sich dort vereinigten.“41 Sie und ihr Mann pflegten während ihres Aufenthaltes in Rabaul, der größtenteils in die Kriegsjahre fiel, nicht nur zu englischen und australischen Bewohnern freundliche Kontakte, sondern auch zu einigen japanischen.42 Der englische Einfluss während der Zeit der deutschen Kolonialverwaltung Neuguineas war bei weitem nicht so stark wie in Samoa43 – in Johanna Fellmanns Aufzeichnungen ist er allerdings sehr präsent, was vor allem daran liegt, dass Fellmanns im Dienst der ursprünglich britischen methodistischen Mission tätig waren. 34 Wilhelm Solf an den Kapitän eines vor Apia liegenden Schiffes, 21. Juni 1900, ANZ(W), AGCA 6050/0106. 35 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 654. 36 Vgl. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 115; Carl Ettling an seine Ehefrau Charlotte, Falealili, Weihnachten 1905, ANZ(W), AGCA 6051/0364; Reinecke, F.: Samoa, S. 219. 37 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 2, S. 22. 38 Ebd., Nr. 3, S. 36. 39 Ebd., Nr. 2, S. 22; Nr. 3, S. 37f. 40 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 651. 41 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 96. 42 Ebd., S. 42, 53f, 55, 57, 81, 91, 105. 43 Zum Zahlenverhältnis der deutschen und englischen Bevölkerung vgl.: Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und der Südsee 1912/13, Statistischer Teil, S. 30-33.

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Sie standen in regem Kontakt mit den übrigen britischen Angehörigen dieser Mission. In Fellmanns Aufzeichnungen finden sich auch häufig auf Englisch verfasste Passagen und nach eigener Aussage las sie mehr englische als deutsche Bücher.44 Trotz des überwiegend toleranten Verhaltens gegenüber den einzelnen Vertretern anderer Nationen, waren die ausländischen Missionsgemeinschaften in den deutschen Südsee-Gebieten von der Verwaltung (und teilweise auch von der deutschen Bevölkerung) nicht allzu gern gesehen, da man befürchtete, sie könnten die Einheimischen gegen die deutsche Kolonialmacht aufwiegeln anstatt dazu beizutragen, dass „Deutschtum“ in der Kolonie zu festigen.45 Daher erlebten auch Fellmanns den ersten deutschen Gouverneur Rudolf v. Bennigsen und dessen Stellvertreter, Richter Heinrich Schnee, als misstrauisch.46 Zum späteren Gouverneur Hahl und seiner Frau bestanden aber gute Beziehungen, ebenso wie zu der in der Nähe lebenden Krankenschwester Auguste Hertzer.47 In Johanna Fellmanns Poesiealbum haben sich neben Hertzer und Luise Hahl unter anderem die Beamtenfrau Frida Boluminski, die Missionsschwester Hanna Diem und die Missionarsfrau Lydia WenzelDiem verewigt.48 Fellmanns Briefen ist zu entnehmen, dass sie auch mit anderen weißen Frauen im Kolonialgebiet in guter Beziehung stand,49 dennoch fiel es ihr offenbar schwer, dort engere Freundschaften zu schließen. Sie beklagte sich wiederholt, dass sie niemanden habe, bei dem sie sich aussprechen könne, da sich mit den in den Kolonie lebenden Menschen über nichts anderes reden ließe, als über ihr Geschäft und sie keinerlei gemeinsame Interessen verbänden.50 „Gedankenrichtungen und Lebensauffassung“ seien in vielem zu verschieden.51 Außerdem schreckten Fellmann die ihrer Aussage nach häufigen Streitereien unter den Siedlern ab: „Unter den wenigen Ansiedlern hier herrscht so viel Unfrieden und Neid, jeder möchte gerne der Größte sein und da gibt’s dann natürlich fortwährend Reibereien.“52 Nachdem sie Besuch von Pflanzerfrau Wolff aus Herbertshöhe gehabt hatte, konnte Fellmann sogar der eigenen Einsamkeit Positives abgewinnen: „Wenn Frau Wolff so erzählte über den kleinlichen Klatsch und Streit der Leute, wie jeder der größte 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 25. Feb. 1900, zitiert aus Privatbesitz. Vgl. Schulze, V.: Tagebuch, Einträge vom 12. Dez. 1893 u. 5. Juli 1900, in Privatbesitz. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 25. Feb. 1900, zitiert aus Privatbesitz. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 16. Aug. u. 4. Dez. 1898, Weihnachten 1898, 10[?]. Sept. 1899; 3. April u. 28. Mai 1905; zitiert aus Privatbesitz. Fellmann, U.: Missionarsfrau Johanna Fellmann geb. Claß und die wesleyanischen Methodisten, S. 10f. Beispielsweise Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 3. April 1898, 30. Jan. u. 25. März 1899, 18. Nov. 1906, zitiert aus Privatbesitz. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 6. März 1898 u. an ihre Mutter, Raluana, 23. April 1900, zitiert aus Privatbesitz. Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 23. April 1900, zitiert aus Privatbesitz. Ebd.; vgl. auch Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 29.

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sein will usw. da wurde ich wieder recht froh und dankbar, daß wir so abseits wohnen und von all dem nichts wissen.“53 Das Missionarsehepaar blieb auch den größeren gesellschaftlichen Ereignissen in der Kolonie fern und distanzierte sich so von der übrigen kolonialen Bevölkerung: „Wir kommen schon lange nicht mehr zu den größeren Festlichkeiten, die hier gegeben werden. Ein paar Mal schlugen wir die Einladungen ab und jetzt werden wir nicht mehr eingeladen. Es ist uns nicht so sehr leid, denn eigentlich ist unsere Stellung doch eine derartige und ihr Lustbarkeiten und Vergnügungen so, daß wir nicht gerade sympathisieren. Bei all den Festen wird so viel wie möglich getrunken und schlechter Scherz gemacht, das ist nun eben mal der Geschmack der hiesigen Europäer.“54

Die Ehefrau des Leiters der Neuguinea-Kompagnie, Gretel Kuhn, schilderte ebenfalls, sie habe sich erst daran gewöhnen müssen, dass in der Kolonie zu jeder Gelegenheit getrunken und gefeiert wurde.55 „Eigentlich war es schade, dass alle diese so nett beginnenden kleinen Geselligkeiten meistens ausarteten. Es gab jede Menge Bier zu trinken und es wurde immer mehr getrunken. Es artete regelmäßig zu einer Sauferei aus.“56 Sowohl in den privaten Schriftzeugnissen als auch im amtlichen Aktenmaterial und mancher Publikation finden sich zahlreiche weitere Hinweise darauf, dass der Alkoholkonsum nicht nur in Neuguinea, sondern auch in Samoa beträchtlich war und Fälle von Alkoholmissbrauch keine Seltenheit darstellten.57 So berichtete Frieda Zieschank beispielsweise von einer Hochzeitsfeier im Zentralhotel in Apia, „bei der man von Mittag bis in die Nacht hinein Sekt in unheimlichen Mengen trank und die geleerten Flaschen der Einfachheit halber von der oberen Veranda auf die Straße schleuderte“.58 Wie das Ehepaar Fellmann missbilligten auch die übrigen Missionsangehörigen solches Verhalten und nahmen an Zusammenkünften der europäischen Ansiedler deshalb häufig nicht teil. So mieden beispielsweise die Liebenzeller Missionsschwestern auf Ponape die Feierlichkeiten zu Kai-

53 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 6.[?] November 1899, zitiert aus Privatbesitz. 54 Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 11. Dez. 1899, zitiert aus Privatbesitz. 55 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 18. 56 Ebd., S. 59. 57 Zu Samoa vgl. beispielsweise Aktennotiz des stellvertretenden Gouverneurs Schultz vom 23. Feb. u. 4. März 1905, BArch, R 1004F/75475; Protokoll des Antrags auf Ehescheidung von Auguste Niedrighans, Apia, 17. Okt. 1903, Samoa-BMO4 67, RH03/1906RH01/1913; Solf an Schulz, Roturua, 4. Feb. 1905, ANZ(W), AGCA 6051/0362; außerdem finden sich zahlreiche weitere Fälle dokumentiert in ANZ(W), AGCA 6051/0363 u. 0364; vgl. auch Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 29. Jan. 1909, in Privatbesitz. 58 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 115.

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sers Geburtstag, weil sie nicht „auf weltliche Weise“ feiern wollten, obwohl jede einzelne Schwester eine Einladung zur Feier erhalten hatte.59 Den Steyler Schwestern wurde schon in der Heimat eingeschärft, sie sollten sich im Missionsfeld vor den Europäern hüten, denn diese würden oft aus keinem andern Grund die „heiße Zone“ aufsuchen, als dort „ein freies Leben zu führen“.60 Man solle sich ihnen gegenüber daher freundlich, aber nicht vertraulich verhalten. Aus dem Missionsfeld berichtete Schwester Valeria dann entsprechend: „Ich möchte hier bemerken, daß die Europäer, welche in die weite Welt ziehen, um dort ihr Glück zu versuchen größtenteils nicht die besten sind, oft sind solche Menschen der Auswurf der Menschheit und hier ergeben sie sich dann ungescheut allen erdenklichen Lastern. Sie sind dann schlimmer als selbst die Heiden.“61

Valesca Schulze von der LMS lehnte den Lebenswandel vieler weißer Bewohner der Kolonie Samoa ebenso ab und schrieb in ihr Tagebuch: „Ach wenn doch Samoa frei von den Weißen mit ihren Lastern geblieben wäre u. nur wir Missionare allein mit ihnen [den Samoanern; L.L.] zu thun hätten. Was für ein Paradies diese wunderbar schönen Inseln sein würden.“62 Als Leiterin der Papauta Mädchenschule war sie trotz dieser Vorbehalte ins gesellschaftliche Leben der Kolonie eingebunden, dirigierte zu festlichen Anlässen den Chor ihrer Schülerinnen oder führte mit ihnen Theaterstücke auf und stand in gutem Kontakt zum Gouverneursehepaar Solf und anderen bekannten Persönlichkeiten unter den Weißen.63

59 Schw. Lina Lüling an Pfarrer Coerper, Ponape, 21. Januar 1908, ALM, Akte „LülingWiese, Lina“. 60 „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, O34 Tg Varia (1,2,3,5). – Emil Noldes Beschreibung der „Südsee-Pflanzer“, denen er auf seiner Reise begegnete, schlägt in die gleiche Kerbe: „[...] verknackte Offiziere, verkrachte Kaufleute, verbummelte Studenten, abenteuerlustige Matrosen oder sonst irgendwie für die gut bürgerliche, heimatliche Gesellschaft unbrauchbare Menschen, möglichst weit von dieser entfernt – das sind die Südseepflanzer.“, siehe: Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 102. 61 Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 24. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 62 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 19. Nov. 1894, in Privatbesitz. 63 Ebd., Einträge vom 29. Juni 1897, 12. April u. 12. Okt. 1900, 24. Jan. 1901, 15. Juli 1904, 13. Okt. 1907 u. März 1910 (ohne Tag), in Privatbesitz; Ausschnitt aus der Samoanischen Zeitung vom 3. März 1906, ANZ(W), AGCA 6051 0454; Die Eröffnungsfeier der neuen deutschen Schule der L.M.S. in Maluafou, in: Samoanische Zeitung, 12. Jg. (1912), Nr. 34, S. 1.

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Auch wenn also der gesellschaftliche Verkehr zur übrigen weißen Bevölkerung je nach Mission, Lage der jeweiligen Station und persönlichem Charakter mancherorts etwas reger als an anderen Orten war: Insgesamt ist zu konstatieren, dass die meisten Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und Missionsschwestern vor allem unter Ihresgleichen blieben. Sie lebten in enger Gemeinschaft mit den übrigen Bewohnern ihrer Station und der benachbarten Stationen, unter denen wechselseitige Besuche stattfanden. Freundschaftliche Kontakte bestanden auch zu anderen Missionsgesellschaften der gleichen Konfession, etwa zwischen Neuendettelsauer und Rheinischer Mission. Der gemeinsame Glaube verband über verschiedene Nationalitäten hinweg. So berichten die deutschen Herz-Jesu-Schwestern wohlwollend über ihre französischen Kolleginnen und die Liebenzeller Missionsschwestern über ihre amerikanischen Vorgängerinnen ebenso.64 Sie einte auch die Frontstellung zu den Missionen der jeweils anderen Konfession. Die Frauen äußerten sich teilweise extrem negativ über diese Konkurrenten und standen ihnen in der Regel unversöhnlich gegenüber.65 Davon beeinflusst war nicht selten auch das Verhältnis, das die Missionsangehörigen gegenüber der Kolonialverwaltung und ihren Vertretern einnahmen: Hatten sie den Eindruck, die Verwaltung unterstütze die konkurrierenden Missionen in größerem Maße als die eigene oder schätze deren Arbeit mehr, wirkte sich das negativ auf die Beziehungen zur Kolonialverwaltung aus. Einem Besuch von Regierungsvertretern sahen die Liebenzeller Missionsschwestern mit Sorge

64 Beispielsweise Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 30. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Angela ans Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Juli 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 65 Als der katholische Bischof Louis Couppé dem methodistischen Missionar Fellmann anbot, er könne seine kranke Frau zur Erholung zu den Herz-Jesu-Schwestern bringen und von diesen pflegen lassen, schrieb die Missionarsfrau an ihre Familie, Couppés Vorschlag sei „Humbug“ angesichts der Tatsache, dass sich die beiden Missionen gerade in einem Gerichtsprozess gegeneinander befänden: „Mir ist’s unerklärlich, wie er es für möglich halten kann, daß wir die Einladung annehmen.“, siehe: Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 12. April 1898; vgl. auch Johanna Fellmann an ihre Familie, 6. März 1898, zitiert aus Privatbesitz; vgl. auch Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Sr. Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet; Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Mai 1911, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911), Nr. 7, S. 150. – Es soll nicht verschwiegen werden, dass sich auch seltene Ausnahmen finden: So berichtete eine Liebenzeller Schwester, dass katholische Missionsschwestern „sehr nett und freundlich“ zu ihr gewesen seien: Abdruck eines Briefes von Schw. Kätchen Weichel, Ponape, 23. Sept. 1910, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911), Nr. 2, S. 44.

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entgegen, da sie befürchteten, Rückstände im Vergleich zur katholischen Konkurrenz könnten deutlich werden: „Am 15. Nov. wird der Herr Regierungsrat uns [...] einen Besuch machen, um das Schulwesen auf unsrer Station kennen zu lernen. Sehr erfreut sind wir über diesen Besuch nicht, da er jedenfalls einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Schulwesen der katholischen u. protest. Mission herausfinden wird, schon was Einrichtungen anbetrifft. Leider haben wir hier sehr viel mit der Regierung zu rechnen, durch kleine Fehltritte kann leicht ein Nachteil für die Arbeit entstehen [...].“66

Mancherorts scheint die Kolonialverwaltung bewusst die Konkurrenz zwischen den Missionen genutzt zu haben, um sie zur Arbeit unter den Einheimischen anzuspornen, die schließlich auch der Verwaltung zu Gute kam. Eine Liebenzeller Schwester klagte in einem Brief an die Missionsleitung in der Heimat über den Regierungsrat in Ponape: „Er erwartet, daß unsere Mission sich Mühe geben wird, die wirtschaftliche Lage der Ponapeleute zu besseren und kultivieren zu helfen, die kath. Mission würde ihren Dienst auch nicht versagen. Er möchte, daß von der Mission eine Schule angelegt wird, in welcher die Schüler Gelegenheit geboten wird, sich landwirtschaftlich u. kaufmännisch ausbilden zu lassen [...]. Herr Reg. Rat erwartet sehr viel von uns [...]. [...] dadurch, dass die kath. Mission alle Mittel anwendet, um die Regierung zu befriedigen, haben wir es natürlich nicht leicht.“67

Der ständige Vergleich belastete also nicht nur das Verhältnis der Schwestern zur Konkurrenz weiter, sondern auch ihre Haltung zu den Regierungsvertretern. Zu Konflikten zwischen den Missionen verschiedener Konfession und der Regierung kam es außerdem auf Grund der oftmals divergierenden Haltung der indigenen Bevölkerung gegenüber. So etwa, wenn die Regierung den Einheimischen das Abhalten von Geheimkult-Festen erlaubte, die die Mission zu bekämpfen versuchte und die Missionsangehörigen in dieser Erlaubnis eine Bloßstellung und Geringschätzung ihrer Arbeit durch die Regierung erblickten.68

66 Schw. Klara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 8. Juli 1910, ALM, Akte „Köster, Klara“. 67 Schw. Klara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 5. Juni 1911, ALM, Akte „Köster, Klara“. 68 Vgl. Hanke, August: Generalbericht über das Konferenzjahr 1912, Bongu, 9. Jan. 1913, RMG 2.149; Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 25. Juli 1910, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 22.

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Besonders die Rheinische Mission geriet immer wieder in Auseinandersetzungen mit verschiedenen Vertretern der Kolonialverwaltung,69 aber auch zwischen dem katholischen Bischof Louis Couppé und dem Gouverneur von Neuguinea, Albert Hahl, herrschte eine nicht enden wollende Fehde, die allerdings in den Aufzeichnungen der Missionsschwestern nicht thematisiert wurde.70 Offenbar drang dieser Konflikt nicht zu ihnen durch oder sie wollten oder konnten in ihren Briefen keine Position dazu beziehen. Die Schriftzeugnisse geben aber nicht nur Auskunft über ein mancherorts angespanntes Verhältnis zwischen Mission und Kolonialverwaltung. In den Quellen finden sich auch viele Beispiele für gute Beziehungen zu den leitenden Beamten, die den Beitrag der Missionen zum Aufbau des Schulsystems, zur Krankenpflege und bei der „Erziehung der Einheimischen zur Arbeit“ durchaus zu schätzen wussten.71 Auch die Gouverneursfrauen Luise Hahl und Johanna Solf unterhielten freundliche Kontakte zu den in der Nähe lebenden Missionsangehörigen. So besuchte Hahl mit ihrer Tochter die Herz-Jesu-Schwestern und brachte den Kindern der Missionsschule Weihnachtsgeschenke;72 Johanna Solf beehrte sowohl die Mädchenschule der LMS in Papauta des Öfteren mit ihrem Besuch, als auch die katholischen Schwestern in Savalalo, über die sie in ihrem Tagebuch vermerkte: „Ich habe die Nonnen

69 Vgl. Heinrich Helmich an Missionsinspektor Spiecker, Ragetta, 16. Nov. 1908 u. 6. März 1909, RMG 2.148; Ernst Weber an Gouverneur Hahl, Siar, 30. Mai 1908, RMG 2.155; Kriele, Eduard: Bericht über Webers Konflikt mit der Regierung, Ragetta, 20. April 1909, RMG 2.155; vgl. auch Karl Becker an Missionsinspektor, Bongu, Juni 1909, RMG 1.845. 70 Vgl. verschiedene Schriftstücke in BArch, R 1001/2578 [hier findet sich u.a. ein 52seitiger(!) Beschwerdebrief von Hahl über Couppé]; vgl. BArch,R 1001/2579 u. 2580; siehe auch Konflikt zwischen Couppé und Landeshauptmann Schmiele im Jahr 1893, Schriftwechsel in BArch, R1001/2570. 71 Das gute Verhältnis zwischen Gouverneur Hahl und den methodistischen Missionsgeschwistern Fellmann wurde bereits erwähnt; vgl. außerdem beispielsweise Adolf Dassel an seine Familie, Dampier, 10. Feb. 1895, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 77, RMG. Prov. 68; W. Blum an Missionsinspektor Kriele, Ragetta, 30. Sept. 1913, RMG 2.153.; Abdruck eines Briefes von Geschw. Becker, Truk, 5. April 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 7, S. 161. Vgl. auch Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201. Auf den Topos „Erziehung zur Arbeit“ wird in Kapitel 12.2. näher eingegangen. 72 Papua Neuguinea. Chronik, 1. Teil 1902-1914, Eintrag vom 26. Dez. 1907, Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“, unverzeichnet; Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 30. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet.

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wirklich sehr gern. Sie verbreiten immer so eine friedlich-zufriedene, fröhliche Stimmung um sich.“73 Missionsgeschwister unter sich Zwar war man innerhalb der einzelnen Missionen um ein harmonisches Miteinander bemüht und lebte vielerorts wohl auch tatsächlich in zufriedener Gemeinschaft,74 Konflikte konnten jedoch nicht immer vermieden werden. Selbstverständlich sollten solche Reibereien nicht an die Öffentlichkeit dringen, da sie sich schlecht mit dem Ideal der christlichen Nächstenliebe und der einträchtigen Arbeit für den Glauben in Einklang bringen ließen. In den Missionspublikationen werden sie daher nicht greifbar, anders als in den Briefen an die Missionsleitung oder in privaten Aufzeichnungen. Eine vor der Ausreise stehenden „Missionsbraut“ versuchte ein rheinischer Missionar darauf vorzubereiten, dass die Realität sich nicht immer als so harmonisch erwies, wie man es in der Heimat darstellte: „Stellen Sie sich den hiesigen Kreis der Missionsgeschwister nicht anders vor, als eine Anzahl Menschen, die zwar ihren Heiland von Herzen lieb haben u. es für Freude achten auch unter Kreuz und Leid ihrem himmlischen Meister zu folgen, die aber dennoch arme, elende, sündige Glieder am Leibe Jesu Christi sind die noch alle Tage in der Schule der Liebe, Demut, Sanftmut u. christlichen Dienstwilligkeit lernen müssen, weil sie täglich gegen das vornehmste der Gebote fehlen. Du sollst Gott über alles lieben; deinen Nächsten aber als Dich selbst [...].“75

Immer wieder findet man auch in den privaten Schriftzeugnissen der weiblichen Missionsangehörigen Beschwerden über andere Missionsmitglieder, beispielsweise weil sie mit deren Arbeit nicht zufrieden waren, sie für nicht fleißig, sparsam oder ordentlich genug hielten, ihren Lebenswandel missbilligen oder einfach mit deren

73 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 20. April 1909; vgl. Einträge vom 4. u. 5. Dez. 1908 u. 2. Mai 1909, in Privatbesitz; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom März 1910, in Privatbesitz. 74 Vgl. beispielsweise: Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Wareo, 1912 (ohne genaues Datum), Abschrift in AMEW, Vorl. Nr. 4. 19/3; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 16. Aug. 1908, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Schw. Theresia an die ehrenwerte Mutter, Vunapope, 28. März 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1910“. 75 G. Kunze an Bertha Huhsmann, Dampier, z.Zt. Siar, 4. Jan. 1894, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 45, RMG. Prov. 68. Zu den Konflikten unter den Mitgliedern der Rheinischen Mission vgl. außerdem August Hanke an Inspektor Kriele, Bongu, 7. Mai 1913, RMG 2.149.

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Charakter nicht gut auskamen.76 Da die Missionsleitung bestimmte, wer auf welchen Stationen tätig sein sollte, hatten die Missionsgeschwister im Feld kaum Einfluss darauf, mit wem sie ihr Alltagsleben teilen mussten. In räumlich meist beengten Verhältnissen konnten sich aus den Schicksalsgemeinschaften gute Freundschaften aber auch sehr schwierige Beziehungen entwickeln.77 So finden sich beispielsweise in Johanna Diehls Tagebuch mehrere Belege für Streitigkeiten mit Georg Eiffert, der als Assistent ihres Mannes im selben Haus lebte. „Das Beieinanderwohnen hat auch seine eckigen Seiten“, klagte sie.78 Während die Missionarsfrauen jedoch zeitweise in ihrem Haushalt auch alleine schalten und walten konnten, wenn sie keine weiteren Missionsangehörigen oder Gäste unter ihrem Dach beherbergten, lebten die Missionsschwestern immer in enger Gemeinschaft mit ihren Mitschwestern zusammen. Schon bei ihrem Eintritt in die Mission hatten sie versprochen, sich selbst „scheinbar unverdienten Zurechtweisungen [...] von Seiten der Mitschwestern zu fügen und sich dafür dankbar zu erweisen“, später das Gelübde des Gehorsams abgelegt.79 Zudem verlangte ihr christliches Selbstverständnis eine liebende und verzeihende Haltung ihren Mitmenschen gegenüber. Den Steyler Schwestern wurde im Mutterhaus die Mahnung mit auf den Weg gegeben: „Gegen Priester und andere schon in der Mission weilende Schwestern bezeuge man die gehörige Hochachtung. Man drücke sich nicht klüger aus als die anderen, sondern nehme gern Rat von anderen an, der meist auf Erfahrung beruht. [...] Die Mahnung einer Mitschwester soll man dankbar hinnehmen und wohl beachten. [...].“80

76 Beispielsweise Justine Vetter an ihre Schwester, Sattelberg, 4. Mai 1900 u. Simbang, 5. Nov. 1900, in Privatbesitz; Elise Flierl an Babette Schmidt, Heldsbach, 15. Juni 1917, in Privatbesitz; Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 12. Okt. 1906, zitiert aus Privatbesitz. 77 Eine sehr gute Beziehung entwickelte sich beispielsweise zwischen Frl. Keppler und Frl. Markert von der Neuendettelsauer Mission, vgl. Elisabeta Markert an Herrn Deinzer, Sattelberg, 21. Juni 1911, Vorl. Nr. 4.54./1 u. zwischen Elise Flierl und Babette Schmidt von der selben Mission, vgl. Briefe von Flierl an Schmidt, in Privatbesitz; vgl. Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 28. Sept. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245 u. Schw. Paula Krämer an Pfarrer Coerper, Truk, 24. Sept. 1912, ALM, Akte „Krämer, Paula“. 78 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 19. April 1912, S. 192; 17. u. 19. Dez. 1912, S. 207f. 79 Fragebogen für die Postulantinnen vor Aufnahme ins Noviziat, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet; „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, O34 Tg Varia (1,2,3,5). 80 „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, 034 Tg Varia (1,2,3,5).

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Vor allem der Vorsteherin ihrer Missionsstation schuldeten die Schwestern Gehorsam, „gewisse Abneigungen gegen die Oberen“ sollten sie sich nicht anmerken lassen.81 Das fiel ihnen jedoch nicht immer leicht, wie beispielsweise Schw. Philomena in einem Brief an die ehrwürdige Mutter in der Heimat bekannte: „Die vollkommene Unterwürfigkeit unter ehrw. Schwester Vorsteherin kann mir manchmal recht schwer werden, besonders bei Gelegenheiten, wo mir eine Bitte abgeschlagen wird. Nach meiner Meinung ist Schw. Vorsteherin leicht geneigt, eine Bitte kurzweg abzuschlagen, aber nichtsdestoweniger sind wir da zum Gehorsam verpflichtet. Und bei solchen Vorkommnissen willig und freudig zu gehorchen, fällt mir noch schwer.“82

Auch über die Mitschwestern finden sich in den Briefen aus dem Missionsfeld immer wieder Beschwerden.83 Offenbar war es üblich, der Missionsleitung in der Heimat solche Konflikte mitzuteilen, die zwar oft mit einer Art Selbstanklage und reuiger Demutshaltung verbunden vorgetragen wurden („Da konnte ich mein rechthaberisches Köpfchen beugen lernen[...]“84), aber dennoch die Mitschwestern bei der Vorgesetzten in ungünstiges Licht rückten. Während manche Briefe sich nur an die ehrwürdige Mutter richteten und in diesen teilweise explizit darum gebeten wurde, die Passagen über andere Schwestern nicht an Dritte weiterzugeben,85 schrieben die Schwestern auch die schon erwähnten, sogenannte „Unterhaltungsbriefe“ an die ehrwürdige Mutter und die Mitschwestern im Mutterhaus. Hier bemühten die Verfasserin sich, möglichst lustig und abwechslungsreich zu berichten 81 Ebd. 82 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Monumbo, 16. Feb. 1907, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Schw. Clara an die ehrwürdige Mutter, Neupommern, 6. Dez. 1902, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1910“, unverzeichnet. 83 Schw. Klara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 17. Dez. 1912, ALM, Akte „Köster, Klara“; Schw. Elisabeth an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 17. Jan. 1905, AHM, Ordner „PNG [Südee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet; Schw. Lidwina an das Mutterhaus, Vunapope, 10. Juli 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 26. Dez. 1904, 18. Feb. u. 27. März 1905, AHM, Ordner „Papua-Neuguinea – Briefe / Reise-Berichte 1904-1905“, unverzeichnet. 84 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 26. Dez. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea –Briefe / Reise-Berichte 1904-1905“, unverzeichnet; vgl. Schw. Klara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 17. Dez. 1912, ALM, Akte „Köster, Klara“: „Mir fehlt es oft noch viel an der wahren hingebenden Liebe meinen Geschwistern gegenüber [...].“ 85 Beispielsweise Schw. Angela an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 10. Juni 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela (Balka) / Schwestern allgemein“, unverzeichnet.

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und vermitteln in der Regel das Bild einer fröhlichen Gemeinschaft auf der Missionsstation. Die Herz-Jesu-Schwestern schilderten kleine Streiche, die sie sich gegenseitig spielten, lustige Missverständnisse und abenteuerliche Erlebnisse, so dass man sich als Leser manchmal beinahe mehr an einen Mädchen-Internatsroman erinnert fühlt als an Aufzeichnungen von katholischen Nonnen.86 Obwohl diese Briefe offenbar häufig vor dem Absenden im Schwesternkreis vorgelesen oder von anderen Schwestern ergänzt wurden87 – Klagen über andere Schwestern also leicht ans Licht kommen konnten – findet sich auch hier manch bissige Bemerkung über die übrigen Bewohnerinnen der Station. Herz-Jesu-Schwester Lidwina beispielsweise sollte einem Brief ihrer Mitschwester Theresia an das Mutterhaus einen eigenen hinzufügen und las daher Theresias Brief: „Als ich nun soeben die Berichte der guten Schwester durchlese, sehe ich zu meinem Erstaunen und Entsetzen, welch arge Verleumdungen da gegen mich ausgesprochen sind“, schrieb sie und zahlte es im weiteren Verlauf des Briefes mit gleicher Münze heim:88 „Liebe Schwestern! Sie werden sich sicher nicht stoßen, wenn ich meinen ganzen Haß auf Schwester Theresia auslasse, denn ich kann ihre Verleumdungen noch immer nicht vergessen. Haben Sie schon von ihrer Grausamkeit gegen Katzen gehört? Sie hat mal fünf junge Katzen den Wellen der Donau preisgegeben.“89

Ähnliches berichtete Schwester Philomena über ihre Kollegin „Klein-Dorchen“: „Sie gilt aber für gefährlich; sie hat ein Kücklein totgetreten und ließ es unbeachtet liegen. Am 2. Tage hat sie eine Katze tot geworfen und jetzt führt sie ein strenges Kommando bei den Buben, die um einen Kopf größer sind als sie. Alle Ehre unserem großen Anführer!“90 Auch wenn in diesen Briefen teilweise wohl mit einem Augenzwinkern über andere geschimpft wurde, machen solche Bemerkungen deutlich, dass das enge Zusammenleben eine Herausforderung war und nicht immer so konfliktfrei ablief, wie die Missionspublikationen den Leser glauben machen wollten. Das geht auch aus einer Bemerkung hervor, die sich im Brief der Herz-Jesu-

86 Exemplarisch: Schw. Angela an das Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela (Balka) / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth an das Mutterhaus, St. Paul, 2. Mai 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet. 87 Vgl. Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 28. März 1905, AHM, Ordner „ Papua-Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1910“, unverzeichnet. 88 Schw. Lidwina an das Mutterhaus, Vunapope, 10. Juli 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. 89 Ebd. 90 Schw. Philomena an das Mutterhaus, Vunapope, 19. Dez. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe / Reise-Berichte 1904-1905“, unverzeichnet.

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Schwester Philomena an die ehrwürdige Mutter über eine ihrer Mitschwestern findet: „Da ich mit Schw. Ambrosia keinen Umgang in der Arbeit usw. habe, deswegen habe ich keine Schwierigkeiten mehr. Es ist aber mein tägliches Gebet, daß Gott mir den Widerwillen und die Abneigung nehme, und ich gebrauche alle Mittel, die uns für solche Fälle angeraten worden sind.“91 Katharina Stornig stellte bei der Auswertung der Korrespondenz der in Neuguinea stationierten Steyler Missionsschwestern ebenfalls fest, dass diese kein allzu harmonisches Zusammenleben hatten, sondern immer wieder von Konflikten berichteten:92 „Generally speaking, in the missionary nuns’ perception convent life in Togo and New Guinea diverged fundamentally from that in Europe. In particular, they largely agreed on the notion that the observance of ‚sisterly love‘ was more difficult in the fields of mission.“93

Auch in den Briefen der Liebenzeller Schwestern finden sich einige Andeutungen über „die Verhältnisse in Ponape“, wobei anklingt, dass die Heimreise der Schwester Minna Karrer im Zusammenhang mit diesen Verhältnissen gestanden haben könnte – ohne, dass aus dem Quellenmaterial deutlich wird, welche zwischenmenschlichen Probleme in dieser Missionsniederlassung aufgetreten sind.94 Die in allen Missionen üblichen Bezeichnungen „die liebe Schwester“ oder „der liebe Bruder“ lassen jedenfalls nicht unbedingt auf ein tatsächlich gutes Verhältnis der Missionsgeschwister schließen. Der Konflikt im Hospital in Apia als Fallbeispiel Ähnliches gilt für das Zusammenleben der Krankenschwestern des Frauenvereins vom roten Kreuz für die Kolonien. Auch sie wurden von der Vereinsleitung einem bestimmten Hospital zugewiesen und konnten nur auf ein gutes Verhältnis zu ihren Kolleginnen hoffen (sofern sie überhaupt solche hatten). Da die Schwestern nicht nur zusammen arbeiteten, sondern auch eng zusammen lebten, gab es wie bei den Missionsangehörigen so gut wie keine Rückzugsmöglichkeiten, was Konflikte si-

91 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 27. März 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe / Reiseberichte 1904-1905“, unverzeichnet. 92 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 129-135. 93 Ebd., S. 110. 94 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 3. April 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“: „Ab und zu spricht sie von den Verhältnissen in Ponape, doch davon will ich lieber schweigen. Wir müssen uns alle darunter beugen, daß es das Haus zugelassen hat, daß eine Schwester von uns nach Hause muss. Es ist eine deutliche Sprache des Herrn [...].“; vgl. Schw. Elise Straub an Pfarrer Coerper, Ponape, 6. Mai 1910, ALM, Akte „Hugenschmidt-Straub, Elise“.

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cherlich begünstigte. In der Vereinszeitschrift Unter dem roten Kreuz wurden solche Probleme nicht thematisiert, die hier abgedruckten Briefe zeichnen ein positives Bild vom Miteinander der Schwestern. Tatsächlich ist es ja auch durchaus plausibel, dass die Schwestern sich in der Regel auch im eigenen Interesse um ein harmonisches Verhältnis bemühten und sich nicht selten eng an die Kolleginnen anschlossen, schließlich saßen sie beide als deutsche Frau in der Fremde „im selben Boot“ und waren gerade bei hohem Patientenaufkommen oder im Falle eigener Erkrankung auf die tatkräftige Unterstützung der anderen angewiesen. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Frauen durch die bereits erwähnten Entstehungsumstände ihrer Berichte gezwungen waren, ein positives Bild ihrer Gemeinschaft zu zeichnen. Streit, Kritik und Missgunst wollte man wohl kaum gegenüber dem Vereinsvorstand ausbreiten, der am Ende der Dienstzeit vorbildliche Führung attestieren sollte. Von den meisten Einsatzgebieten sind die in Unter dem roten Kreuz abgedruckten Briefe leider die einzigen Quellen zu den Schwestern, die zur Verfügung standen. Über die Situation im Regierungshospital in Apia geben hingegen zusätzlich die den Frauenverein betreffenden Akten der dortigen Kolonialverwaltung Auskunft.95 Hier finden sich zahlreiche Hinweise auf teilweise erstaunlich heftige Konflikte zwischen dem Pflegepersonal: Erste Anzeichen für ein ungünstiges Arbeitsklima liefert ein Brief von Schwester Martha Haeger an Gouverneur Solf vom 31. Mai 1907, in dem sie mit folgender Begründung um ihre vorzeitige Entlassung aus dem Dienst im Regierungshospital bat: „Das dienstliche Verhältnis im Hospital in Apia flösst mir ein so starkes persönliches Missbehagen ein, daß ich mich außer stande fühle hier weiter zu arbeiten.“96 Zwar wird im weiteren Aktenverlauf nicht ganz klar, was genau sich zugetragen hat, fest steht aber, dass Schwester Martha beim Vorstand des Frauenvereins in Ungnade gefallen war. In einem Schreiben an Gouverneur Solf heißt es: „Schwester Martha Haeger hat sich einer Vereinsschwester nicht würdig gezeigt [...]. Euer Exzellenz werden den Wunsch verstehen, wenn der Verein eine Schwester, die sich nicht bewährt hat, nicht längere Zeit in Vereinskleidung im Auslande wissen will.“97 Schwester Martha gab daraufhin ihre Dienstkleidung ab und verließ

95 In MESC(AU), S15-IG86-F4 ist der Zeitraum von der Neugründung der Abteilung Apia des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreutz für die Kolonien im August 1903 bis zum März 1909 dokumentiert (Band 1). In MESC(AU), S15-IG86-F15 finden sich die Jahre 1913-14 (Band 3). Band 2, der den Zeitraum zwischen diesen beiden Akten abdecken müsste, ist in Apia nicht vorhanden. 96 Schw. Marta Haeger an Gouverneur Solf, Apia, 31. Mai 1907, MESC(AU), S15-IG86F4. 97 Frau von Stephan an Gouverneur Solf, Berlin, 5. Nov. 1907, MESC(AU), S15-IG86-F4.

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Samoa.98 Womöglich stehen diese Vorgänge im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren gegen Dr. Franke, in dessen Kontext offenbar auch eine in den vorliegenden Akten nicht mit Namen genannte Schwester beschuldigt wurde. Die ebenfalls in Apia stationierte Schwester Helene Voll ließ sich jedenfalls vom Regierungsarzt Dr. Schwesinger bescheinigen, dass sie in diese Angelegenheit nicht verwickelt war.99 Auch wenn Voll in diesem Fall unbeteiligt gewesen sein mag, so ist sie in den Akten doch durch einen lang anhaltenden heftigen Konflikt sehr präsent, in den außer ihr ein chinesischer Kuli, der Hospitalassistent Klebert und Schwester Anna Raimann verwickelt waren. Im März 1908 bat Hospitalassistent Klebert den Gouverneur schriftlich um Ablösung des Kulis No. 1397, der im Europäerhospital beschäftigt war.100 Er schrieb, es käme immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kuli und Schwester Helene, bei denen letztere den Kuli schwer misshandelt habe. Schon einmal habe Klebert daraufhin den Kuli entfernen wollen, worauf die Schwester sich aber „wie wahnsinnig“ benommen und damit gedroht habe, sich umzubringen, falls der Kuli versetzt würde. In letzter Zeit sei zwar Ruhe eingekehrt, doch habe Schwester Helene dem Kuli den Auftrag gegeben, den Anordnungen Kleberts nicht nachzukommen. Der Brief schließt mit einer pikanten Andeutung: „Da außerdem zwischen Schwester und Kuli ein sehr vertrautes Verhalten besteht, das nach meiner Ansicht täglich an Vertrautheit zunimmt, leidet das Ansehen der Weißen im Allgemeinen, besonders aber der Dienst im Hospital.“101 Offenbar auf Nachfrage ruderte Klebert aber zurück und schrieb einige Tage später: „[....] daß ich nicht sagen will oder kann, daß das Verhältnis zwischen Schwester und Kuli in sexueller Richtung nicht einwandfrei ist; ich wollte im letzten Absatz nur hervorheben, daß die genannte Schwester dem Kuli gegenüber die erforderliche Strenge nicht einhält.“102 Nur sechs Tage später berichtete Klebert über eine erneute Verschärfung des Konflikts. Schwester Helene habe ihn und Schwester Anna, mit der er verlobt war, wüst beschimpft und Morddrohungen ausgestoßen. Nun fürchtete er, Schwester Helene könne den Kuli dazu veranlassen, Schwester Anna oder ihm etwas anzutun.103 Am

98 99 100 101 102 103

Vgl. Aktennotiz vom 5. Juni 1907 u. Kaiserlicher Konsul an Gouverneur Solf, Levuka, 10. März 1908, MESC(AU), S15-IG86-F4. Schw. Helene Voll an Regierungsarzt Dr. Schwesinger, Apia, 9. Dez. 1907, MESC(AU), S15-IG86-F4. Hospitalassistent Klebert an das Gouvernement, Apia, 9. März 1908, MESC(AU), S15IG86-F4. Ebd. Hospitalassistent Klebert an das Gouvernement, Apia, 24. März 1908, MESC(AU), S15-IG86-F4. Hospitalassistent Klebert an das Gouvernement, Apia, 30. März 1908, MESC(AU), S15-IG86-F4.

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selben Tag meldete sich Schwester Anna ebenfalls gegen ihre Kollegin zu Wort. Sie beschwerte sich beim leitenden Arzt des Regierungshospitals Dr. Schwesinger über sie und bat um Schutz vor deren Angriffen. Sie schrieb: „Schwester Helene beleidigt mich seit ich verlobt bin ständig in einer unverantwortlichen und niedrigen Weise [...]. Da die Verleumdungen mich zu ‚einer ganz gemeinen Lügnerin und Betrügerin‘ zu stempeln suchen, muß ich mich weigern mit besagter Schwester weiter zusammen zu leben und zu arbeiten.“104

Da die Streitereien und Beschwerden nicht abrissen und schließlich auch Klebert darum bat, versetzt zu werden, nahm sich der Richter und stellvertretende Gouverneur Schulz persönlich der Sache an, indem er die Vorfälle untersuchte und Gespräche mit den Beteiligten führte.105 Die Ergebnisse seiner Untersuchungen sind in einem geheimen Bericht zusammengefasst, der dem Regierungsarzt zur vertraulichen Kenntnisnahme vorgelegt wurde.106 Zwar konnten Schulz' Ermittlungen weder den genauen Streithergang noch die Schuldfrage klären, doch sah auch er in der Verlobung von Klebert und Schwester Anna den Anlass für die Feindschaft. Einige Details des Berichtes sind interessant, vor allem die folgende Stelle: „Klebert und Anna geben an, dass Schwester Helene in der Aufregung die unglaublichsten Beschimpfungen und Drohungen ausstosse, auch soll sie einmal in der Kommode der Schwester Anna deren Briefe an den Vorstand des Frauenvereins eingesehen haben.“107 Unabhängig davon, ob letzteres stimmt oder nicht, zeigt der Vorwurf, dass beide Schwestern offenbar Angst hatten, der Konflikt gelange dem Vereinsvorstand zur Kenntnis oder dass sie zumindest verhindern wollten, dass die Rivalin die Schuld am Streit der Gegenpartei zuschreiben würde. Bemerkenswert ist auch, dass Schulz offenbar die Andeutungen über die enge Beziehung zwischen Schwester Helene und dem Kuli Jakob ernst genommen und untersucht hat. Er kommt in dieser Sache zu folgendem Schluss: „Wenn gleich ich überzeugt bin, dass sie sich nicht gegen ihre Frauenehre vergangen hat, so ist doch andererseits ebenso sicher, dass die Art und Weise, wie sie den Kuli behandelt, ihn manchmal misshandelt und manchmal verhätschelt und sich von ihm Klatschereien über die

104 Schw. Anna Raimann an Regierungsarzt Schwesinger, Apia, 30. März 1908, MESC(AU), S15-IG86-F4. 105 Hospitalassistent Klebert an den stellvertretenden Gouverneur Schulz, Apia, 3. April 1908, MESC(AU), S15-IG86-F4. 106 Bericht vom 22. April 1908, MESC(AU), S15-IG86-F4. 107 Ebd.

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beiden anderen erzählen lässt, wenn nicht gegen die Schicklichkeit, so doch gegen die Disziplin verstösst und dadurch zu wie üblich übertriebenen Gerüchten Anlass gegeben hat.“108

Schulz verwarnte alle Beteiligten und ermahnte sie zur Besonnenheit, außerdem hielt er es für angebracht, Schwester Helene ärztlich untersuchen zu lassen, um festzustellen, ob sie noch tropendiensttauglich sei. Er hielt sie für „körperlich erschöpft und nervös erregt“, beschrieb sie als sehr reizbar und hatte außerdem aus verlässlicher Quelle die Nachricht erhalten, dass sie Morphium nehme.109 Der im Bericht erwähnte große Diensteifer der Schwester, die wenigstens zwei volle Dienstjahre in Samoa vollenden wollte, führte jedoch offenbar dazu, dass sie noch einige Zeit in ihrer Stellung verblieb. Der Streit zwischen Klebert und Voll fand in dieser Zeit kein Ende, wie die ebenfalls im Hospital untergebrachte Stenographin Elisabeth Matthiessen noch Anfang Februar 1909 bezeugte.110 Auf Grund eines regierungsärztlichen Gutachtens verließ Voll schließlich am 12. Februar 1909 Samoa und beendete damit den Dauerkonflikt.111 Diese Ereignisse wurden deshalb so ausführlich geschildert, weil die Quellen hier eine leider seltene Gelegenheit bieten, jenseits der vermutlich oftmals beschönigenden Briefe der Schwestern an die Vereinsleitung einen Einblick in die Lebensumstände der Pflegekräfte zu bekommen. Mit diesem Fallbeispiel soll jedoch nicht nahe gelegt werden, dass die zitierten amtlichen Akten zeigen würden, wie sich im Einsatzgebiet der Schwestern generell die „wahren Zustände“ darstellten, während der Inhalt der Schwesternbriefe grundsätzlich ein falsches Bild liefere. Sicherlich sind die geschilderten Konflikte bedingt durch eine bestimmte Personenkonstellation und können somit keine Repräsentativität für das Gros der Schwestern beanspruchen. Auch zeitlich stellen die Jahre 1907 bis 1909 nur einen kleinen Ausschnitt dar; hinzu kommt die örtliche Beschränkung auf das Regierungshospital in Apia. Hinweise auf ähnliche Probleme in den späteren Jahren konnten in den Akten zu diesem Krankenhaus nicht gefunden werden und auch die anderen zur Verfügung stehenden Quellen erwähnten nichts Vergleichbares in einem der Südseegebiete. Es ist natürlich durchaus möglich und aus den eingangs genannten Gründen auch plausibel, dass die Schwestern in der Regel mit ihren Kolleginnen gut auskamen. Dennoch kann an Hand der geschilderten Vorfälle aus Apia exemplarisch gezeigt werden, dass es auch zu massiven Konflikten kommen konnte, die nach Möglichkeit nicht an die Öffentlichkeit, insbesondere nicht an den Vereinsvorstand in 108 Ebd. 109 Ebd. 110 Elisabeth Matthiessen an den Gouverneur, Apia, 10. Feb. 1909, MESC(AU), S15-IG86F4. 111 Vgl. Bericht Nr. 77 an den Staatssekretär des RKA: „Persönliches der Krankenschwester Helene Voll“, Feb. 1909, in: MESC(AU), S15-IG86-F4.

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Deutschland gelangen sollten und daher keinen Niederschlag im publizierten Quellenmaterial fanden. Da der selbe Schluss auch aus den Missionsquellen gezogen werden konnte, erscheint es angebracht, auch das in den übrigen publizierten Quellen gezeichnete Bild vom harmonischen Miteinander der deutschen Bevölkerung der Kolonie zu hinterfragen, zumal ja zu Beginn des Kapitels bereits darauf hingewiesen wurde, dass in den unpublizierten Schilderungen der Frauen sowohl aus Samoa als auch aus Neuguinea Konflikte angesprochen wurden und davon auszugehen ist, dass die Verfasserinnen oftmals mit der ein oder anderen Streitpartei sympathisierten. „Südsee-Deutsche“ und ein kurzer Blick nach„Deutsch-Südwestafrika“ Trotz aller Dissonanzen, die natürlich in den meisten menschlichen Gemeinschaften zu finden sind und die sich anhand der unpublizierten Quellen auch für die SüdseeKolonien belegen lassen, erscheint es – selbst wenn man die eingangs zitierten schwärmerischen kolonialen Publikationen kritisch liest – auf Grund der lokalen Gegebenheiten plausibel, dass die dortige Lebensumstände auch eine einende Wirkung auf die weiße Bevölkerung hatten. Das Bewusstsein, fern von der Heimat und allen Lieben auf teilweise winzigen Inseln weitgehend isoliert von der Außenwelt zu leben, kreierte ein Gemeinschaftsgefühl mit all denen, die sich in der selben Situation befanden, das sich in bestimmten Selbstbeschreibungen und -bezeichnungen der weißen Kolonialbevölkerung ausdrückte. So nahm die Samoanische Zeitung beispielsweise in einem Artikel Bezug auf „uns hier in unserem weltfremden und weltverlorenen Inselreiche“112 und Gouverneur Solf bezeichnete sich selbst und den Rest der Bewohner der Kolonie in einem Brief als „an allerlei Seitensprünge des menschlichen Charakters gewöhnte [...] Südsee-Leute“113. Auch Beamtenfrau Wostrack verwendete die Selbstbezeichnung „Südseeleute“114, während Frieda Zieschank poetischer „wir Tropenvögel“ schrieb und sich außerdem als „Kolonialdeutsche“ bezeichnete.115 Offenbar entwickelte sich unter den weißen Bewohnern der Südsee-Kolonien eine kollektive Identität, die durch die spezifischen Lebensbedingungen dieses Weltwinkels und die geteilten Erfahrungen geprägt war. Auch das gemeinsame Bestreben, in den Kolonien etwas Neues aufzubauen, einte nach Zieschanks Aussage ihre Bewohner: „Gemeinsames Streben und gemeinsames Lie112 Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 52, S. 1. 113 Solf an Schultz, Rotorua, 4. Feb. 1905, ANZ(W), AGCA 6051/0362. 114 Wostrack, Martha: Als Kriegsgefangene von Neuguinea nach Deutschland, in: Kolonie und Heimat, 9. Jg. (1915/16), Nr. 4, S. 8. 115 Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 11, S. 6; Dies: Heimwärts durch die englische Kontrolle, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 36, S. 7.

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ben verbindet hier draußen tausendmal inniger als in menschenüberfüllten Kulturländern“, beteuerte sie.116 Zudem vereinte die gemeinsame Hautfarbe die weiße Bevölkerung in der Abgrenzung zur indigenen Bevölkerung, den „ganz Anderen“, auch über Nationengrenzen hinweg. Verglichen mit der indigenen Kultur waren die kulturellen Unterschiede unter den Weißen verschiedener Herkunft marginal.117 Ohnehin verbot die Tatsache, dass so wenig Weiße in den Südsee-Kolonien lebten, den Deutschen vielerorts wählerisch zu sein in ihren sozialen Kontakten, wie oben bereits angesprochen wurde. Da man nicht so viel Auswahl an Gesellschaft habe wie in der Heimat, lerne man in der Kolonie die Menschen schnell „nehmen und schätzen, wie sie sind“, schrieb Zieschank.118 Ein gewisses Maß an Toleranz war durch die örtlichen Verhältnisse geboten, sofern man sich nicht vom gesellschaftlichen Verkehr isolieren wollte. So verlor auch die im Deutschen Kaiserreich so wichtige Klassenfrage in der Südsee an Bedeutung. Dass das Klassenwesen auch verglichen mit „Deutsch-Südwestafrika“ in den Südsee-Kolonien deutlich weniger ausgeprägt war, ist abgesehen von der wesentlich kleineren Anzahl weißer Bewohner damit zu erklären, dass die Siedlerschaft in den Südsee-Kolonien schon in ihrer Zusammensetzung deutlich homogener war. Hier fällt im Vergleich zu „DeutschSüdwestafrika“ die weitgehende Absenz des Adels und des hohen Militärs auf – dass letzteres in Samoa nicht gern gesehen sei, gab Gouverneur Solf in einem Schreiben an das Reichskolonialamt offen zu.119 Die weiße Kolonialbevölkerung der Südseegebiete stammte überwiegend aus der bürgerlichen Mittelschicht.120 In Bezug auf die weibliche Bevölkerung ist der entscheidende Unterschied zwischen „Deutsch-Südwestafrika“ und der Südsee, dass in Afrika viele der deutschen Frauen aus sogenannten „einfachen Verhältnissen“ stammten:121 Es handelte sich dabei vor allem um diejenigen, die als Dienstmädchen und Haushaltshilfen vom Deutschen Frauenbund der Kolonialgesellschaft in die afrikanischen Kolonien ver116 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 78. 117 Das Verhältnis zur indigenen Bevölkerung wird hier nicht näher ausgeführt, da es in Kapitel 13 ausführlich erörtert wird. 118 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 113. 119 Solf an den Staatssekretär des RKA, Apia, 14. Nov. 1909, BArch, R 1001/2514; vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 143. 120 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 143f; Ders.: Eliten im Elysium? Anmerkungen zur deutschen Kolonialelite, in: Denzel, Markus A. (Hrsg.): Deutsche Eliten in Übersee (16. bis frühes 20. Jh.), St. Katharinen 2007, S. 431f; Ders.: The Neglected War, S. 2. Die in der vorliegenden Arbeit thematisierten Frauen stammten ebenfalls größtenteils aus der bürgerlichen Mittelschicht. Das Landungsdeponat und die übrigen Einreisebestimmungen machten ärmeren Bevölkerungsschichten die Einreise schwer bis unmöglich, vgl. Kapitel 5. 121 Zur Einteilung der unterschiedlichen sozialen Schichten vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 192f.

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mittelt worden waren.122 Ihnen standen in „Deutsch-Südwestafrika“ eine breite Schicht von Frauen aus der Mittelschicht und eine kleine Oberschicht gegenüber.123 Da in den Kolonien jede deutsche Frau eine willkommene Heiratskandidatin war, konnte sich die soziale Position der Frauen, die als Dienstmädchen nach Afrika gekommen waren, schnell verändern: Wegen des großen Männerüberschusses kamen hier Ehen zu Stande, die die Frauen in der Heimat auf Grund von Standesunterschieden nie hätten schließen können. Die soziale Mobilität in der Kolonie war also sehr hoch, wobei die Frauen aus „besseren Kreisen“ versuchten, sich von diesen „Emporkömmlingen“ zu distanzieren, so dass ein ausgeprägtes Standesbewusstsein und ein mit vielen Konflikten einhergehendes Klassendenken an den Tag gelegt wurden.124 Dieses Konfliktpotential entfiel weitestgehend in den Deutschen-Südseekolonien, in die nie eine gesteuerte „Massenaussendung“ von unverheirateten Frauen erfolgte. Meist waren die neu ankommenden Frauen schon verehelicht oder verlobt, wenn sie nicht ohnehin als Missionsschwestern als Heiratskandidatin nicht in Frage kamen. Zudem war der weibliche Anteil an der deutschen Bevölkerung in den Südsee-Kolonien noch geringer als in „Deutsch-Südwestafrika“. Die folgende Tabelle zeigt zum einen, wie hoch jeweils in diesen Kolonialgebieten Anfang des Jahres 1913 unter den erwachsenen deutschen Frauen die Zahl der ledigen und verwitweten Missionsangehörigen war. Diese Angabe wurde in den offiziellen Statistiken nicht weiter spezifiziert, es handelte sich hierbei jedoch zum Großteil um zölibatär lebende Schwestern. Außerdem ist zu sehen, wie viele ledige und verwitwete Pflegeschwestern, Lehrerinnen und „Sonstige“ – allesamt potentielle Heiratskandidatinnen – unter den Frauen waren. Die Zahlen machen deutlich, dass in den SüdseeKolonien der Anteil der Missionsangehörigen an den ledigen Frauen um ein vielfaches höher war und für die übrigen kaum Grund bestand, um geeignete Heiratskandidaten zu konkurrieren.

122 Vgl. ebd., S. 66, 193; Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 144. 123 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 193. 124 Ebd., S. 221f (allgemein zur Herausbildung einer hierarchischen Sozialstruktur und den damit verbundenen sozialen Konflikten in „Deutsch-Südwestafrika“: ebd., S. 192-223); vgl. Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 189f.

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Tab. 3: Die weiße Bevölkerung über 15 Jahre in DSWA und den Südseekolonien am 1. Jan. 1913125

ledige o. verwitwete Missionsangehörige

ledige o. verwitwete Pflege-schwestern, Lehrerinnen u. Sonstige

insgesamt

insgesamt

Männer

verheiratet

Frauen

DeutschSüdwestafrika

1793 (71%)

36 (1%)

693 (27%)

2522

7336

DeutschNeuguinea (inklusive Inselgebiet)

93 (43%)

103 (47%)

21 (10%)

217

706

Samoa

44 (70%)

5 (8%)

14 (22%)

63

222

Gesamt

1930 (69%)

144 (5%)

728 (26%)

2802

8264

Der Vergleich der gesellschaftlichen Situation in den Südsee-Kolonien mit der in „Deutsch-Südwestafrika“ ist auch noch in anderer Hinsicht aufschlussreich: In der Forschung zu „Deutsch-Südwestafrika“ wurde wiederholt die These vertreten, dass sich in den ersten Jahren der deutschen Kolonialverwaltung die sozialen Beziehungen ungezwungen und unproblematisch gestalteten, bis sie mit dem vermehrten Zuzug weißer Siedler – und vor allem dem Zuzug weißer Frauen – verkomplizierten. So schreibt etwa Karen Smidt: „Die einfache Lebensweise sowohl der Ansiedler als auch der Missionare, die bedingt wurden durch die schwierigen Anfangsverhältnisse zu Beginn der Kolonisation, trug dazu bei, dass die sozialen Verhältnisse in der Kolonie verhältnismäßig unkompliziert waren.“126 Dieses gesellschaftliche Klima resultierte laut Smidt nicht nur aus der einfachen Lebensweise, sondern vor allem

125 Vgl. Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und in der Südsee 1912/13, Statistischer Teil, Die weiße Bevölkerung, S. 26-35. 126 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 178.

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aus der noch geringen Zahl der weißen Bewohner sowie den großen Distanzen zwischen den einzelnen Siedlungsgebieten. Die Verhältnisse änderten sich, als mit der Zahl der Weißen die Komplexität der sozialen Strukturen zunahm.127 Mamozai kommt entsprechend zu dem Schluss, dass in den ersten Jahren der Kolonialverwaltung Nachbarschaftshilfe und Gastfreundlichkeit unter den Weißen in Südwestafrika besonders ausgeprägt waren.128 Auch Wildenthal konstatiert, dass sowohl Zeitgenossen als auch Historiker feststellten, dass sich hierarchische Strukturen und auch die rassistische Ausgrenzung, weiter ausprägten, je mehr weiße Frauen sich in den Kolonien niederließen.129 Die geschilderten Verhältnisse in den Anfangsjahren der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ weisen auffällige Parallelen zu denen in den Südsee-Gebieten auf. Diese Kolonien blieben bis zum Ende der deutschen Herrschaft in einem Stadium, das in manchen Punkten den Anfangsjahren Südwestafrikas glich: Es gab nur wenige Weiße, vor allem sehr wenig weiße Frauen, die wenigen städtischen Ansiedlungen waren klein und die Infrastruktur vergleichsweise schlecht. Missionsstationen und Pflanzungen lagen meist sehr einsam. Komplexere Beziehungsstrukturen konnten sich erst mit dem vermehrten Zuzug weißer Siedler entwickeln, der in den Südseegebieten aber eben nie die Dimensionen der Siedlungskolonie „Deutsch-Südwestafrika“ erreichte.130 So blieben die Beziehungen unter den Weißen in den Südsee-Kolonien vergleichsweise unkompliziert und wenig hierarchisiert – wenn auch nicht so harmonisch wie in den Publikationen dargestellt, wie an Hand der unpublizierten Quellen gezeigt werden konnte. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die sozialen Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und der übrigen weißen Bevölkerung in den Südsee-Kolonien einige Besonderheiten aufwies. Hierbei ist zunächst das internationale Gepräge dieser Gebiete zu nennen. Besonders in Samoa war der englische Einfluss stark, was sich im Quellenmaterial mancherorts widerspiegelt. Weiterhin wurde deutlich, dass Standesunterschiede in den Südsee-Kolonien offenbar eine weniger große Bedeutung beigemessen wurde als im Deutschen Reich, was vor allem mit der vielerorts geringen Zahl der weißen Bevölkerung erklärt werden kann. Dieser Umstand verhinderte, dass man allzu wählerisch in seinen sozialen Kontakten war, wenn man sich nicht isolieren wollte. Nicht alle deutschen Frauen empfanden diese geringere Achtung der Standesgrenzen als angenehm, wie sich im Tagebuch der Gouverneursfrau Johanna Solf zeigte. Zudem wurde in den Schriftzeugnissen der Frauen immer wieder beklagt, dass gesellige Zusammenkünfte der Kolonialbevölkerung häufig unter enormen Alkoholkonsum ausgeartet seien. Dies veranlasste besonders 127 128 129 130

Ebd., S. 289f. Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 148. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 79. Vgl. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 115f.

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die Missionsangehörigen dazu, sich von der übrigen weißen Kolonialbevölkerung zu distanzieren. Die Missionsangehörigen blieben daher überwiegend unter ihresgleichen. Konflikte konnten dabei sowohl mit den Vertretern konkurrierender Missionen und der Kolonialverwaltung als auch innerhalb einer Missionsgemeinschaft entstehen. Eine Ursache für angespannte Beziehungen ist darin zu suchen, dass die Missionsangehörigen selbst nahezu keinen Einfluss darauf hatten, mit wem sie im Feld zusammenarbeiteten und –wohnten, da dies die Missionsleitung entschied. Ebenso verhielt es sich bei den Krankenschwestern vom roten Kreuz für die Kolonien. Auch ihnen standen keine Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung, wenn sie mit den ihnen zugewiesenen Kolleginnen oder Vorgesetzten nicht gut auskamen. Spannungen konnten sich in heftigen Konflikten entladen, wie im Fallbeispiel aus dem Hospital in Apia deutlich wurde. Obwohl die Quellenanalyse vielerlei Belege für Disharmonien unter der weißen Kolonialbevölkerung offenbarte, fanden sich auch Anzeichen dafür, dass die besondere Lebenssituation in den Südsee-Kolonien eine einende Wirkung hatte, dort ein weitgehend tolerantes Klima herrschte und die sozialen Beziehungen dadurch offenbar überwiegend gut waren. Ein wichtiger Grund dafür ist in der im Vergleich zu „Deutsch-Südwestafrika“ sehr homogenen Bevölkerungsstruktur zu suchen, wobei sich besonders die Größe und Zusammensetzung der weiblichen weißen Bevölkerung in den Südsee-Kolonien deutlich von den Verhältnissen in Afrika unterschied. Ob die spezifischen Lebensbedingungen in den Südsee-Kolonien auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern hatte, wird im Folgenden untersucht.

11.2 D AS V ERHÄLTNIS ZUM ANDEREN G ESCHLECHT : D IE S ÜDSEE -K OLONIEN ALS O RT DER E MANZIPATION ? „In den Händen der Frau liegen Aufgaben höherer Art, die nur sie zu erfüllen vermag. Von ihr hängt es ab, ob die Kolonien den Stempel der Heimat tragen, ob auf ihrem Boden wahre Zivilisation zur Entfaltung gelangt.“131 Diese Überzeugung vertrat Pauline Gräfin von Montgelas in einem Vortrag, den sie im Oktober 1908 auf der Generalversammlung des Deutschen katholischen Frauenbundes hielt. Auch andere Akteurinnen der kolonialen Frauenbewegung im Deutschen Kaiserreich betonten die große Bedeutung, die dem weiblichen Wirken in den Kolonien ihrer Meinung nach zukam und verknüpften damit teilweise die Hoffnung, dass die soziale Stellung der Frau in diesem neuen Umfeld eine Aufwertung erfahren würde. So hieß es in einem Artikel in der Deutschen Kolonialzeitung, dass den deutschen

131 Die Frau in den Kolonien, Abdruck eines Vortrages von Pauline Gräfin von Montgelas, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 1, S. 8.

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Frauen in den Kolonien „eine größere Freiheit persönlichen Schaffens“ 132 winke als in der Heimat und die Leiterin der Kolonialfrauenschule in Witzenhausen, Anna Gräfin von Zech, forderte: „Wir wollen, dass die Frau in den Kolonien von vornherein die Stellung einnimmt, die sie in der alten Heimat auch haben sollte, aber leider oft nicht hat oder nicht ausfüllt. Die Frau in den Kolonien muß sein der treue Kamerad und die verständnisvolle Gehilfin des Mannes, die Schulter an Schulter mit ihm wirkt und schafft und die [...] ihn auch vertreten kann in der Leitung oder Überwachung eines großen Farmbetriebes.“133

Äußerungen wie diese legen nahe, dass die koloniale Frauenbewegung emanzipatorisches Potential barg und werfen die Frage auf, ob den Frauen in den Kolonien entsprechend der bedeutenden Aufgabe, die ihnen dort zugeschrieben wurde, tatsächlich eine verbesserte gesellschaftliche Position im Vergleich zur Heimat zukam. Das von Gräfin von Zech im obigen Zitat als ideal skizzierte Verhältnis zwischen Mann und Frau spiegelt einen um die Jahrhundertwende zu beobachtenden Wandel der Beziehungen in der bürgerlichen Familie wieder:134 Unter dem Einfluss von Geburtenkontrolle, Ehekritik und Frauenbewegung gewann das Verhältnis der Ehepartner untereinander partnerschaftlichen Charakter. Die Frau sollte ihrem Mann nicht länger nur gehorchen, sondern ihm als treue Freundin, nützliche Gehilfin und verlässliche Gefährtin zur Seite stehen. Idealerweise sollten sich die Ehepartner gegenseitig ergänzen und unterstützen. Von Zech vertrat die Meinung, dass die Frau durch eine kolonialspezifische Ausbildung dem Mann in den Kolonien noch mehr als zu Hause in geeigneter Weise zur Seite stehen könne. In den Kolonien habe sie ein größeres Tätigkeitsfeld und trage mehr Verantwortung, was ihr zu einer geachteteren Stellung gegenüber ihrem Mann verhelfen sollte.135 Ähnliches ist einer Informationsbroschüre des Pflanzervereins von Samoa aus dem Jahr 1910 zu entnehmen:

132 Frobenius, Else: Deutsche Frauenarbeit in den Kolonien, in: Deutsche Kolonialzeitung, 35. Jg. (1918), S. 90f. 133 Zech, A. v.: Die Kolonialfrauenschule in Witzenhausen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 25, S. 6; ganz ähnlich äußerte sich von Zech in einer Diskussion über Frauenarbeit in den Kolonien, vgl. Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, S. 971. Zur Hoffnung der Frauen auf eine bessere Stellung in den Kolonien siehe auch: Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 135f. 134 Vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 94. 135 Zech, A. v.: Die Kolonialfrauenschule in Witzenhausen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 25, S. 6f.

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„Bei den mehr oder weniger primitiven Verhältnissen, wie sie auf den zerstreut liegenden Pflanzungen immer noch vorherrschen, wird die Frau in weit höherem Maße die Gefährtin des Mannes sein. Und nicht nur das wird ihr das Ertragen der Entbehrungen erleichtern, sondern auch das Bewußtsein, daß ihr Dasein mehr als in der Heimat dem ganzen Land zum Vorteil und Segen gereicht.“136

Auch Frieda Zieschank, die ja selbst viele Jahre in Samoa gelebt hatte, schrieb in ihrem in Kolonie und Heimat veröffentlichten Brief an eine „Kolonialbraut“, dass „eine deutsche Frau draußen ihrem Manne unendlich viel mehr Wert [sei], als sie ihm in den meisten Fällen in der Heimat wäre.“137 In den Kolonien sei sie ihrem Mann „das höchste aller Güter“, zudem „in viel höherem Maße Gehilfin und Gefährtin“.138 Entsprechend entwarf Zieschank die Protagonistin ihres in Samoa spielenden Kolonialromans Ein verlorenes Paradies. Selbst in den heißesten Vormittagsstunden begleitete diese ihren Ehemann auf seine Pflanzungen: „Nachdem sie mit Leib und Seele sein Weib geworden, wurde sie auch sein Arbeitskamerad mit Leib und Seele.“139 Da die Männer in den Kolonien auf die Unterstützung ihrer Frau besonders angewiesen seien, sei das Zusammenleben der Ehepartner viel inniger als in der Heimat, schrieb Zieschank. Zudem sei es ihnen unmöglich, sich auseinander zu leben, da sie nach einem Streit weniger Zerstreuung bei Freunden fänden und weniger stark von Bekannten oder der Familie beeinflusst werden könnten.140 So seien in den Kolonien fast alle Ehen glücklich. „Sich so von der Liebe und Achtung seines Mannes getragen fühlen, dass muß doch jede Frau beglücken [...]“, war die Verfasserin sich sicher.141 „[...] eine glückliche Ehe draussen ist tausendmal glücklicher als eine glückliche Ehe hier, wo gesellschaftliche Verpflichtungen und sonstige Umstände oft Hemmungen bilden. Draussen lebt eines für das andere und im anderen [....]“, meinte auch Anna von Zech.142 Emmy Richter, die in Kolonie und Heimat aus ihrer „Afrikazeit“ berichtete, betonte: „Wohl nirgends

136 Deeken, Richard (Hrsg.): Pflanzungsbetriebe auf Samoa. Auskunft über das Schutzgebiet (1910), in: BArch, R 1001/2270. 137 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. 138 Ebd. 139 Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 132. 140 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8; Dies.: Ein verlorenes Paradies, S. 181f. 141 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. 142 Anna von Zech in einer Diskussion über Frauenarbeit in den Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, S. 971; ähnlich auch Reinecke, F.: Samoa, S. 234.

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sonst in der Welt wird uns deutschen Frauen von den Herren der Schöpfung soviel Verehrung entgegengebracht, wie gerade in unseren Kolonien.“143 In den kolonialen Publikationen wurde also ein ausgesprochen positives Bild vom Geschlechterverhältnis in den Kolonien gezeichnet. Auf Grund der besonderen dortigen Lebensumstände wurde die Rolle der Frau und somit auch die eheliche Gemeinschaft aufgewertet. Angesichts der Tatsache, dass mehr Frauen für eine Übersiedelung in die Kolonialgebiete gewonnen werden sollten, sind entsprechend günstige Schilderungen allerdings wenig überraschend. Auffällig ist dabei, dass die Tätigkeit der Frau als Ergänzung der Arbeit des Mannes geschätzt wurde. Sie sollte ihn unterstützen und ihm eine Gehilfin sein. Für weibliche Selbstständigkeit bot dieses Rollenbild wenig Raum. Dass das nicht nur für die Ehefrauen der Pflanzer, übrigen Siedler und Beamten, sondern auch für die Missionarsfrauen galt, wurde bereits deutlich. Auch sie sollten sich vor allem unterstützend und „indirekt“ an der Arbeit ihrer Ehemänner beteiligen; wie auch die Missionsschwestern die Arbeit der männlichen Missionare ergänzen und unterstützen sollten.144 Im Quellenmaterial wird die Beziehung zum anderen Geschlecht primär im Bezug auf das Verhältnis zum Ehemann thematisiert – eine Ausnahme stellen selbstredend die katholischen Missionsschwestern dar. Sie hatten in ihrem Alltag wenig mit Männern zu tun, da selbst der Kontakt mit den Missionaren auf das Notwendigste beschränkt bleiben sollte.145 Dennoch waren es letztlich Männer, die das Schicksal der Missionsschwestern bestimmten. Stornig betont: „Gender roles in the Catholic Church were characterized by female subordination to clerical authority. This certainly influenced the actions of nuns, who usually tried to avoid arguments with priests.“146 Zudem waren die Missionen abhängig von den Entscheidungen, die in Rom getroffen wurden, also Teil einer stark männlich dominierten Organisation.147 In den Briefen der katholischen Schwestern ist entsprechend nicht davon die Rede, dass sie in missionsinterne Entscheidungsprozesse vor Ort eingebunden gewesen wären, anders als bei ihren evangelischen Kolleginnen. Auch diese mussten 143 Richter, Emmy: Die deutsche Hausfrau in den Kolonien. Aus meiner Afrikazeit, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 10, S. 12. 144 Vgl. Seminarlehrerin Brockhaus: Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 36; Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; Visitationsbericht P. Josef Weig 1911/12, zitiert nach Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 187. Siehe auch Kapitel 9.1.1. 145 Ludwig Couppé u. B. v. Lero: Prinzipien, welche die Beziehungen zwischen den Missionaren und den Schwestern bei der Ausübung der Werke der Mission regeln sollen, Vunapope, 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe 1911-41 / Statistiken / Berichte / Lebensbilder / Jubiläumsfeiern / Eingeborene Schwestern / Vulkanausbruch I.“, unverzeichnet; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 186, 196. 146 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 163. 147 Ebd.

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ihr Mitspracherecht jedoch immer wieder gegen männlichen Protest verteidigen. Die für die London Missionary Society in Samoa tätige Valesca Schultze berichtete in ihrem Tagebuch, dass ihr Kollege Missionar Newell sie davon abhalten habe wollen, an einer Missionsversammlung in Apia teilzunehmen – Schultze wusste sich jedoch zu wehren: „Da habe ich ihm aber die Statuten der L.M.S. gezeigt, daraus konnte er ersehen, daß wir das Recht haben an allen Conferenzen teilzunehmen, daß wir Frauen-Missionare überhaupt ganz dieselben Rechte wie die Männer hätten.“148 Schultze und ihre Kollegin Moore stießen dennoch nicht nur auf Widerstand sondern auch auf Unverständnis, als sie die ihnen offiziell von der Leitung zugesicherten Rechte im Missionsfeld wahrnehmen wollten: „Miss Moore u. ich habe[n] erst um unser Recht an allen Versammlungen teilzunehmen kämpfen müssen. Ich bin so froh Miss Moore liebt auch ihre Selbstständigkeit u. Unabhängigkeit wie ich. Wir haben dieselben Rechte u. wollen auch dieselben Pflichten übernehmen wie unsere Brüder hier. Sie scheinen ganz erstaunt zu sein daß wir unsere Arbeit selbstständig machen wollen gerade so wie sie u. uns nicht bevormunden oder leiten u. beschützen lassen wollen von ihnen.“149

Den Neuendettelsauer Missionsgehilfinnen wurden ebenfalls Mitbestimmungsrechte zugesichert. In der Vocation der Missionsgehilfin Emilie Heumann hieß es: „Als Missionsgehilfin nimmt sie nach dem Maß ihrer Mitarbeit Teil an den verschiedenen Conferenzen u. hat als solche in den Fragen ihres Arbeitsgebietes das Recht, ihre Gedanken zu äußern, Anregungen zu geben u. bei Beschlussfassungen ihre Stimme geltend zu machen.“150 Die Quellen geben allerdings keine Auskunft darüber, ob die Missionsgehilfinnen tatsächlich von diesem Recht Gebrauch machten oder ob womöglich der Zuständigkeitsbereich der Helferinnen (die „Fragen ihres Arbeitsgebietes“) sehr eng definiert wurde. Die Missionarsfrauen, die ja nicht wie die Gehilfinnen in einem Vertragsverhältnis mit der Missionsleitung standen, blieben offenbar bei den Missionskonferenzen – gemäß der Rolle, die ihnen in der Missionsarbeit zugeschrieben wurde – im Hintergrund. In den Quellen wird nur über die für sie mit der Beherbergung und Verköstigung der Konferenzteilnehmer verbundene Arbeit berichtet.151 Für die Missionarsfrauen selbst gab es offenbar kein

148 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 15. Juni 1890, in Privatbesitz. 149 Ebd., Eintrag vom 26. Mai 1891, in Privatbesitz; vgl. auch ebd., Eintrag 14. Mai 1898. 150 Vocation Emilie Heumann, Neuendettelsau, 15. April 1902, AMEW, Vorl. Nr. 4. 53/4; ebenso: „Vertrag der Gesellschaft für inn. u. äuß. Mission i. S. der luth. Kirche mit Fräulein Elisabeth Markert aus Wallmersbach“, Neuendettelsau, 11. Nov. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. 151 Justine Vetter an ihre Familie, Simbang, 19. Dez. 1900, in Privatbesitz; siehe auch Georg Eiffert an den Missionsinspektor, Bogadjim 1914, RMG 2.159.

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vergleichbares Forum, bei dem sie sich über ihre Erfahrungen austauschen und beraten konnten, was Elise Pilhofer beispielsweise bedauerte.152 „Es wäre schön, wenn wir Frauen auch eine Konferenz hätten“, meinte auch ihre Freundin Babette Schmidt.153 Die Liebenzeller Missionsschwestern nahmen gemeinsam mit den männlichen Missionsangehörigen an Jahresversammlungen und den sogenannten „Geschwisterratssitzungen“ teil.154 Wie Schwester Minna Karrer in einem Brief an Pfarrer Coerper in der Heimat berichtete, gab es im Oktober 1909 auf einer solchen Sitzung in Kiti auf Ponape eine Auseinandersetzung zwischen den Schwestern und Bruder Wiese, der offenbar den Unterricht zu einseitig fand, den Karrer den Missionsschülern gab.155 Zudem kam es zu Kompetenzstreitigkeiten. In ihrem Brief an die Missionsleitung in der Heimat räumte Karrer ein: „Auch in unserer Arbeit an Seelen findet Br. Wiese, daß wir eine zu pastorale Stellung einnehmen, [...]. Es ist ja wahr, daß wir manches getan haben, was Schw[estern] eigentlich nicht zukommt, z. B. wie Schw. Lina schon mitteilte, daß wir, wenn sonst niemand da war u. wir gebeten wurden vor einer großen gemischten Versammlung sprachen, auch kam es vor, daß jemand starb, dem wir in der Krankheit dienten, wo dann die Angehörigen uns baten zur Beerdigung zu kommen u. da kein Prediger oder Lehrer da war, dienten wir mit dem Wort, ich einmal im Haus am Sarg u. Schw. Lina auch am Grab.“156

Dass es hier nicht etwa nur um unterschiedliche Positionen in der klerikalen Hierarchie ging, wenn die Schwestern nicht „zu pastoral“ auftreten sollten, sondern um die Einhaltung geschlechtsspezifischer Tätigkeitsbereiche, wird beispielsweise daran deutlich, dass die Schwester bekannte, sie habe unüblicherweise vor einer „großen gemischten Versammlung“ gesprochen – hingegen war es alltäglich und erwünscht, dass die Schwestern vor Versammlungen von Frauen und Mädchen sprachen, wovon sie in vielen Briefen berichten.157 Auch war offenbar nichts dagegen einzuwenden, dass ein Missionslehrer bei Beerdigungen predigte, Schwestern wurde dies aber nicht zugestanden. In ihrem Brief bat Schwester Minna Karrer schließ-

152 Elise Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 15. Juni 1916, in Privatbesitz. 153 Ebd. 154 vgl. Bericht über konstituierende Jahres-Versammlung auf Ponape, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 2. Jg. (1910), Nr. 8, S. 60; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape / Kiti, 25. Nov. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“. 155 Ebd. 156 Ebd. 157 Vgl. beispielsweise: Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape / Ron Kiti, 10. März 1913, ALM, Akte „Köster, Clara“; Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 20. Nov. 1910 u. 16. Feb. 1913, ALM, Akte „Zuber, Elise“.

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lich Pfarrer Coerper, den Schwestern zu raten, wie sie sich in Zukunft in solchen Fällen verhalten sollten. Auch bei vielen anderen Fragen des täglichen Lebens im Missionsfeld holten die Schwestern beim Pfarrer zuvor seine Erlaubnis ein, etwa ob sie einen Hühnerstall für die Station bauen oder ein Schwein kaufen dürften – dass es Wochen oder sogar Monate dauerte, bis die Antwort aus der Heimat kam, musste wohl oder übel akzeptiert werden.158 Letztlich entschieden also auch in der Liebenzeller Mission wiederum Männer, wie weit der Handlungsrahmen der Frauen gesteckt wurde. Überschritten die Schwestern den ihnen zugeschriebenen Tätigkeitsbereich, wurden sie von den männlichen Missionaren in ihre Schranken gewiesen. Unabhängig von der jeweiligen Aufgabe in der Kolonie lässt sich also feststellen: Frauen wurden zur Unterstützung der Männer eingesetzt – diesen oblag es folglich, zu bestimmen, wobei und wie weit sie unterstützt werden wollten. Die Frauen fügten sich nicht nur in diese Rollenverteilung, sondern vertraten auch selbst das entsprechende Geschlechterbild. So betonte Ludwiga Lehr vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien im Jahr 1910 auf dem Deutschen Kolonialkongress: „Wir Frauen des Vereins sind uns bewusst, dass unsere Arbeit Hilfsarbeit ist, dass wir nicht, wie die Männer, in den Kolonien aufbauen, organisieren, wirtschaftliche Werte schaffen können, aber wir wollen das tun, was die Frau im deutschen Hause tut!“159 – nämlich sich um die Familie und Pflegebedürftige kümmern und für nahrhafte Kost sowie einen ordentlichen, behaglichen Haushalt sorgen. Diese vermeintlich typisch weiblichen Tätigkeiten bekamen im kolonialen Kontext eine neue, wesentlich größere Bedeutung: Die gewöhnliche Hausarbeit wurde in den Kolonien zu einem wichtigen Dienst am Vaterland aufgewertet und die Hausfrauen zu Pionierinnen deutscher Kultur in der Fremde, wie auch Maria Karow, die selbst einige Zeit auf einer Farm in Südwestafrika lebte, erklärte: „Hier hat die deutsche Frau Gelegenheit, auf ihrem eigensten Gebiet, auf dem der Hausfrau und Mutter, mitzuarbeiten. Nirgends spielt die Hauswirtschaft eine größere Rolle als in einem solchen neuen Siedlungsland [...].“160 Es ginge um die „Verdeutschung“ der Kolonien, so Frieda Zieschank, an der jeder deutsche Kolonialist mitwirke, „ob hoher Beamter oder einfacher Handwerker, ob Mann, ob Frau, einfach nur durch sein Vorhandensein“.161 Diesem Konzept zufolge leisteten Mann und Frau einen gleichwertigen Beitrag zur Erfüllung einer großen nationalen Aufgabe. Trägerinnen einer wichtigen „Kulturmission“ zu sein, erfüllte die Frauen mit

158 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 20. Nov. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 159 Lehr, L.: Über die Leistungen des Roten Kreuzes in den Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, S. 944. 160 Karow, M.: Wo sonst der Fuß des Kriegers trat, S. 253. 161 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 59.

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Stolz und Freude, berichtete Zieschank.162 Offenbar störten sie sich nicht daran, dass sie auf Grund des besonderen Wertes, der dem deutschen Familienleben im kolonialen Kontext beigemessen wurde, mindestens im gleichen Maße wie in der Heimat auf ihre Rolle als Mutter, Ehe- und Hausfrau festgelegt wurden.163 Im untersuchten Quellenmaterial verhielten sich die Frauen Männern gegenüber in der Regel so, wie es in dieser Zeit von ihnen erwartet wurde. Sie sahen es als ihre Hauptaufgabe an, ihren Mann zu umsorgen und überließen ihm das öffentliche Auftreten sowie das Treffen wichtiger Entscheidungen, während sie selbst im Hintergrund blieben und eine eher passive Rolle einnahmen. Typisch ist in dieser Hinsicht eine Passage aus Frieda Zieschanks Erinnerungen, in der die Entscheidung über einen zweiten Aufenthalt in Samoa ansteht: „Mit keinem Wort versuchte ich, die Entschließung meines Mannes zu beeinflussen, denn die Verantwortung dafür hätte ich unmöglich übernehmen können. Seine ruhige Überlegung, nicht meine Empfindung musste entscheidend sein“164, berichtete sie und offenbarte damit, wie sehr sie das zeitgenössische Geschlechterbild verinnerlicht hatte: Sich als Frau schrieb sie den Bereich der Emotion zu, ihrem Mann hingegen das rationale Handeln. Die Frauen sahen es als ihre Pflicht an, jederzeit die Rolle einer guten Hausund Ehefrau zu erfüllen und dafür eigene Interessen zurück zu stellen. Missionarsfrau Johanna Diehl schilderte in ihrem Tagebuch beispielsweise, dass sie sich eines Tages krank fühlte und sich daher, nachdem sie gekocht hatte und das Mittagessen vorüber war, ins Bett legte. Da aber plötzlich unangemeldet zwei Herren zu Besuch kamen, stand sie wieder auf und kochte ein zweites Mal. Danach hatte sie Fieber.165 Ein ähnlicher Fall findet sich auch im Tagebuch der Missionarsfrau Johanna Fellmann: Auch sie musste für zwei unangemeldete Herren spontan ein „dinner“ zurechtmachen, obwohl wegen des arbeitsreichen Waschtags einfaches Essen geplant war.166 Die Frau des Leiters der Neuguinea-Kompagnie, Gretel Kuhn, berichtete, dass sie auf der Reise nach Neuguinea sehr seekrank war, so dass ihr „[...] lieber Mann seine Koffer selber packen musste, was ihm gar nicht schmeckte. Er sagte,

162 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8. 163 Zum extrem konservativen Frauenbild der Kolonialbewegung und der nostalgischen Sehnsucht nach einem ursprünglichen, einfachen Leben im eng beschränkten Kreis von Haushalt und Familie vgl. auch Klotz, Marcia: White women and the dark continent. Gender and Sexuality in the German colonial discourse from the sentimental novel to the fascist film, Standfort 1994, S. 14 u. Kapitel 6. 164 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 80 165 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 28. Aug. 1912, S. 201. 166 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 13. September 1897, S. 92.

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wozu habe ich geheiratet, wenn ich jetzt die Koffer selber packen muß?“167 Beispiele wie diese lassen sich in den Schriftzeugnissen der Frauen unzählige finden, Kritik an der herrschenden Rollenverteilung jedoch so gut wie nie. Eine Ausnahme sind vereinzelte Bemerkungen im Tagebuch der rheinischen Missionarsfrau Diehl. Sie bedauerte, dass die Opfer, die sie im Missionsalltag brachte, nicht ebenso gewürdigt wurden, wie die ihres Mannes Wilhelm: „Manchmal drückt es mich ein wenig, dass immer Wilhelm bemitleidet wird ob seines Weges, auch jetzt merke ich es oft, und sie sollten nur alle wissen, wie viele Kämpfe es für mich gewesen sind, auch diesen Schritt zu tun.“168 Sie tröstete sich damit, dass im Jenseits keine Unterschiede mehr zwischen Mann und Frau gemacht würden, was als weiter Beleg dafür gewertet werden kann, dass sie mit den herrschenden Unterschieden im Diesseits nicht zufrieden war. Kritisch äußerte sie sich auch manchmal über die Männer in ihrer Umgebung, wenn sie zu forsch auftraten: „Dies sich wie Herren und Gebieter aufspielen lernen sie hier alle schnell, wenn manche an ihre Vorzeit dächten wäre auch gut“, meinte sie.169 Die meisten Frauen hatten die Geschlechterrollen ihrer Zeit jedoch so sehr internalisiert, dass sie es selbstverständlich fanden, sich dementsprechend zu verhalten und auch von den Männern gar nichts anderes erwarteten. Unterstützten ihre Männer sie bei ihren hausfraulichen Pflichten oder kamen ihnen in anderer Hinsicht entgegen, wurde das lobend und erfreut berichtet. So schrieb Fellmann über ihren Ehemann nach Hause: „Im Übrigen hilft er mir wo er kann, natürlich lasse ich dies nur zu wenn es nötig ist. Als ich neulich Fieber hatte, da half er mir Fastnachtsküchlein machen, Tisch decken, Ananas schälen usw. Ist das nicht lieb?“170 Besonders auf den einsamen Missionsstationen kamen die Männer manchmal nicht umhin, Aufgaben zu übernehmen, die eigentlich als weibliche Tätigkeiten galten und somit Geschlechtergrenzen zu überschreiten. Wenn ihre Frauen schwer erkrankten oder im Kindbett lagen, konnte in den Kolonien nicht immer auf die Hilfe von verwandten oder befreundeten Frauen zurückgegriffen werden wie in der Heimat. So mussten Männer zuweilen als Geburtshelfer einspringen oder sich vorübergehend um Kinder, Küche und Haushalt kümmern, während ihre Frau das Bett hütete.171

167 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 7. 168 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 26. Sept. 1907, S. 29; zur mangelnden Anerkennung der eigenständigen Arbeit der Missionarsfrauen vgl. auch: Konrad, D.: Missionsbräute, S. 54. 169 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 9. April 1908, S. 43; vgl. auch Eintrag vom 12. Juni 1910, S. 129. 170 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 16. Aug. 1898, zitiert aus Privatbesitz. 171 Karl Panzer an die Missionsleitung, 15. Juli 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.34/3; Elisabeth Markert an den Kirchenrat, Wareo, 15. Okt. 1913; Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 16. Juni 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; Klein, D. (Hrsg.): Jehova

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Missionarsfrau Decker berichtete beispielsweise über die Zeit ihrer Blinddarmentzündung: „Mein lieber Mann machte den Pfleger, Arzt, Babywärter u. Koch in diesen Tagen. Er hatte viel Mühe, zumal er diese ungewohnten Arbeiten nicht so übersehen konnte wie eine Frau. Doch tat er es gerne und es ging auch. Er kochte mir ganz gute Krankensüppchen, und unserem Kleinen ging es auch wohl unter seiner Pflege [...].“172

In ernsteren Fällen bemühte man sich jedoch für gewöhnlich, die Männer bald durch andere Missionarsfrauen oder Missionsgehilfinnen in der Pflege der Patientin abzulösen, damit sie wieder ihren übrigen Pflichten nachgehen konnten. Da die Missionare meist vor ihrer Hochzeit einige Jahre allein im Missionsfeld gelebt hatten und in dieser Zeit nicht immer auf Unterstützung im Haushalt zurückgreifen konnten, war ihnen Hausarbeit zwar nicht völlig fremd, doch äußerten sie sich stets erleichtert und dankbar, wenn diese Tätigkeiten von einer Frau übernommen werden konnten.173 Nicht nur die Missionare, sondern auch die anderen deutschen Männer lobten die Künste der aus der Heimat angereisten Hausfrauen und wussten diese offenbar in der Fremde besonders zu schätzen – zumal es dort so wenige deutsche Frauen gab.174 Das Quellenmaterial aus den Südsee-Kolonien bestätigt also weitgehend die in den eingangs zitierten Passagen aufgestellten Thesen. Tatsächlich entsteht der Eindruck, dass die Ehepartner in den Kolonien besonders aufeinander angewiesen waren, die gegenseitige Unterstützung sehr wertschätzten und durch ihr oftmals einsames und entbehrungsreiches Leben im fremden Umfeld eng zusammenschweißt wurden. Selbst die Ehen der sogenannten „Missionsbräute“, die oftmals ohne ihren Verlobten persönlich zu kennen, zu ihm in die Kolonien reisten, funktionierten offenbar unter diesen Vorraussetzungen überwiegend gut, auch wenn es am Anfang der Ehe manchmal „schwere Stunden“ gab, bis die Partner sich aufeinander eingespielt hatten, wie Missionarsfrau Diehl bekannte („[...] wir verstanden uns sehr,

se nami nami, Eintrag vom 25. Feb. 1909, S. 82; Bertha u. Adolf Dassel an ihre Familie, Siar, 15. Okt. 1895, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 86, RMG Prov. 68; Laura Becker an ihre Mutter, Siar, Aug. 1909, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 15. 172 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 16. Juni 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 173 Vgl. beispielsweise: Georg Eiffert an den Missionsinspektor, Bogadjim, 21. Okt. 1913, RMG 2.159; Karl Becker an seine Schwiegereltern, Bongu, 1. Dez. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 5. 174 Vgl. beispielsweise: Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 68; Minssen, H.: Maschine Achtung!, S. 176f.

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aber das Ganze brachte es so mit sich.“).175 Zum Gelingen dieser Ehen trug wohl auch das Vertrauen darauf bei, dass der Ehepartner von Gott bestimmt worden sei. So schrieb beispielsweise Justine Vetter über ihren Mann Konrad in ihr Tagebuch: „Dem Herrn sei Dank, dass ich solch ein treues Herz mein eigen nennen darf. [...] Ach, wie gut einen festen Halt hinter sich zu haben, an welchen man sich gleich einer Efeuranke anschmiegen und klammern kann in Sturm und Wetter, in Freud und Lust. Und dazu ist der Mann für uns doch von Gott bestimmt. Nichts kann uns scheiden als der Tod.“176

In den Tagebüchern und Briefen äußern sich die Frauen oft sehr liebevoll über ihre Partner und schildern ihre Ehe positiv; auch von einigen der betreffenden Ehemännern liegen zärtliche Briefe an ihre Frauen vor.177 Hinweise auf Unstimmigkeiten, Zweifel und weniger glückliche Beziehungen sind in den privaten Schriftzeugnissen zwar zu finden, aber wesentlich seltener.178 Dieser Befund ist allerdings nicht allzu überraschend: Verwandte und Freunde in der Heimat wollte man wohl nicht per Brief mit seinen Beziehungsproblemen in Sorge versetzen, zumal eine derartige Offenheit damals eher unüblich gewesen wäre und auch die Tagebücher wurden in der Regel für Nachkommen oder andere Leser verfasst, so dass für diese dasselbe

175 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 2. Weihnachtstag 1907, S. 35. 176 Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 8. Nov. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 177 Beispielsweise: Vetter, J.: Tagebuch, Einträge vom 8., 30. u. 31. Nov. 1903, 3.-12. Dez. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Peter Arff an den Missionsinspektor, Siar, 2. Mai 1892, RMG 2.143; Karl Becker an seine Schwiegereltern, Bongu, 1. Dez. 1908 u. an seine Frau Laura, Bongu, 6. u. 10. Mai 1911, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 5, 29f. 178 So vermitteln beispielsweise die Briefe und Tagebücher der Missionarsfrau Fellmann den Eindruck einer wenig glücklichen Ehe: Obwohl sich die Verfasserin auch oft positiv über ihren Mann äußerte und liebevolle Briefe an ihn schrieb, war sie von seinen Gefühlen und seinem Verhalten ihr gegenüber oftmals enttäuscht. Es fällt zudem auf, dass er wohl nicht so großen Wert darauf legte wie sie, Zeit gemeinsam zu verbringen, vgl. Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Einträge vom 26. Feb. u. 30. Okt. 1897, S. 33 u. 105; 30. Nov. 1897, S. 112; außerdem Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 10. Juli 1898 u. 11. Dez. 1899; Johanna Fellmann an ihren Mann, 15. Mai 1909 u. 5. Juni 1910, zitiert aus Privatbesitz. – In Johanna Solfs Tagebuch wird deutlich, dass sie das Verhältnis zu ihrem Ehemann sehr stark reflektierte. Sie zweifelte manchmal daran, ob er sie noch so liebte wie am Anfang der Beziehung und fragte sich, ob sie gut genug für ihn sei. Abgesehen von diesen zeitweiligen Sorgen scheint sie in ihrer Ehe (zumindest im Jahr des vorliegenden Tagebuches) aber sehr glücklich gewesen zu sein; vgl. Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 31. Jan und 20. April 1909, in Privatbesitz.

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galt.179 Außerdem hätte eine schriftliche Fixierung dieser Schwierigkeiten bedeutet, sich das Scheitern der Idealvorstellung der romantischen Liebe einzugestehen. In den amtlichen Akten finden sich allerdings Belege für Trunksucht, Gewalttätigkeit und Scheidungsabsichten unter weißen Ehepartnern in den Kolonien,180 so dass in der eingangs zitierten Behauptung, dass dort „fast alle Ehen glücklich“ seien, das Wort „fast“ wohl unterstrichen werden muss. Erweitere Handlungsspielräume Trotz der großen Bedeutung, die man der Anwesenheit und Tätigkeit der deutschen Frauen in den Kolonien beimaß, waren diese dort rechtlich und politisch den Männern genauso wenig gleichgestellt wie im Mutterland; schließlich galt für deutsche Reichsangehörige in den Kolonien das heimische Recht.181 Auch hier hatten die Frauen daher kein Wahlrecht, außerdem weder Sitz noch Stimme in den Gremien der lokalen Kolonialverwaltung. Die Mitwirkungsmöglichkeiten von Frauen beschränkten sich in den Südsee-Kolonien auf Vereinsarbeit, beispielsweise im Frauenbund der deutschen Kolonialgesellschaft oder im Schulverein. So konnten zwar auch Entscheidungen beeinflusst werden, die die Kolonie betrafen (etwa über die Einrichtung einer Frauenabteilung im Krankenhaus),182 wirklich politisch bedeutende Fragen wurden aber nicht verhandelt. Dass den Frauen in den Kolonien keine politische Mitbestimmung zugestanden wurde, sei jedoch nicht als Zurücksetzung der Frau zu verstehen, sondern als „Würdigung der Verschiedenartigkeit der Aufgaben, die Mann und Frau im Leben des Landes haben werden und haben müssen“, schrieb der Verfasser eines Artikels, der sich gegen ein Wahlrecht für Frauen in „Deutsch-Südwestafrika“ aussprach.183 Mann und Frau hätten ein „gleichwertiges 179 Vgl. hierzu Hammel, T.: Lebenswelt und Identität in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und Deutsch-Neuguinea, S. 33f, 160; siehe auch Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 6. Feb. 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245: „Zum Tagebuch schreiben habe ich sehr wenig Lust mehr, es kommt mir so zwecklos vor, wenn ich nichts mehr von meinen Kindern schreiben kann, doch will ich’s noch weiter tun, im Falle sie später von ihren Eltern wissen wollen.“ 180 Vgl. beispielsweise Akten in der Strafsache geg. Pflanzer Münchow wegen Körperverletzung, NAA, G254, 18, Nr. G29/1911; Carl Ettling an seine Frau Charlotte, Falealili, Weihnachten 1905, ANZ(W), AGCA 6051/0364. In dieser Akte und in der Folgeakte 0365 finden sich weitere Beispiele. 181 Huber Ernst R.: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Band IV: Struktur und Krisen des Kaiserreiches, Stuttgart 1994, Kapitel IX: Die deutsche Kolonialverfassung, S. 634. Zur Rechtslage der Frauen im Deutschen Kaiserreich vgl. Kapitel 3 dieser Arbeit. 182 Vgl. zur Vereinsarbeit der Frauen in den Kolonien Kapitel 4.1. 183 Dr. Külz: Frauenstimmrecht in den Kolonien?, in: Deutsche Kolonialzeitung, 26. Jg. (1909), Nr. 43, S. 707f. Trotz dieser Gegenargumentation wurde letztendlich im Jahr 1913 in „Deutsch-Südwestafrika“ mit knapper Mehrheit denjenigen Frauen, die „in Er-

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Stück Arbeit zu verrichten, aber nicht ein gleichartiges“. Dieser Umstand sei nach Meinung des Autors von den Frauen „als Notwendigkeit vollkommen erkannt“ worden, so dass keine einzige mit der Stellung des Mannes im öffentlichen Leben tauschen wolle.184 Katharina Walgenbach konstatiert in ihrer Untersuchung über „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“ ebenfalls, dass die sozialstrukturellen Bedingungen für weiße Frauen in den Kolonien im Vergleich mit dem Deutschen Kaiserreich eher Kontinuitäten als Veränderungen aufwiesen und die soziale Ungleichheit zwischen deutschen Frauen und Männern auch in den Kolonien nicht aufgehoben wurde. Ihrer Meinung nach gaben sich die Autorinnen in Kolonie und Heimat, die eine ideelle Aufwertung der Frauen in den Kolonien wahrnahmen, mit Respektabilität statt Emanzipation zufrieden.185 Tatsächlich lässt sich anhand des Quellenmaterials zu den Südsee-Kolonien aber auch nicht belegen, dass die dort lebenden deutschen Frauen überhaupt emanzipatorische Bestrebungen hatten.186 Die Gruppe der Frauen, die in der kolonialen Frauenbewegung in der Heimat aktiv waren und von denen einige wenige (wie beispielsweise Minna Cauer) über den Umweg der Kolonialpolitik die Position der Frauen nicht nur in den Kolonien sondern auch in der Heimat zu verbessern hofften,187 war schließlich nicht deckungsgleich mit der Gruppe derjenigen, die tatsächlich in die Kolonien ausreisten. Anders gesagt: Die Motive, sich in der Heimat in der kolonialen Frauenbewegung zu engagieren, waren in der Regel nicht die Motive, welche die hier thematisierten Frauen zur Ausreise geführt hatten. Von einer Emanzipation der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien im Sinne einer Aufbruchsbewegung mit politischen Konsequenzen kann keine Rede sein. Ohnehin erweist sich der Begriff der Emanzipation hier als unpassend, da die Akteurinnen diese nicht selbst intendierten, sogar nicht einmal Bezug darauf nahmen. Daraus zu schließen, die besonderen Lebensbedingungen in den Kolonien hätten keinerlei Einfluss auf die tradierten Geschlechterrollen gehabt, wäre dennoch zu

184 185 186 187

mangelung eines Mannes“ eine Farm allein bewirtschafteten (meistens handelte es sich um Witwen) das passive Wahlrecht für den Landrat eingeräumt. Dieses politische Selbstverwaltungsorgan hatte allerdings nur eingeschränkte Kompetenzen, vgl. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 154 u. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 249. Ebd. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 154f. Zu diesem Ergebnis kommt auch Mamozai in Bezug auf „Deutsch-Südwestafrika“, vgl. Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 189. Hierzu ausführlich: Wildenthal, L.: German Women for Empire. Die Partizipation der ersten Frauenbewegung an der Formierung kolonialer Diskurse und deren Schnittmenge mit emanzipativen Motiven thematisiert detailliert auch: Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten; vgl. Dies.: Konstruktionen Weißer Weiblichkeit, S. 40f. Zu Minna Cauer siehe auch Kapitel 4.1.1, Fußnote 7.

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kurz gegriffen. Anzeichen dafür, dass sich die Handlungsspielräume der Geschlechter in den Südsee-Kolonien im Vergleich zum Mutterland vergrößern konnten und importierte Rollenbilder oftmals auf Grund der lokalen Gegebenheiten modifiziert werden mussten, lassen sich im untersuchten Quellenmaterial durchaus finden, wie schon oben am Beispiel der Missionare gezeigt wurde. Manche der hier thematisierthen Frauen wuchsen in den Südsee-Kolonien, deren Lebensalltag sie vor neue Herausforderungen stellte, über die ihnen in der Heimat zugeschriebene Rolle hinaus. Verdeutlichen lässt sich das unter anderem am Beispiel der Rot-KreuzSchwestern: „Mehr noch als daheim sind die Schwestern in der Kolonie nicht nur Samariterinnen, sondern Gehilfinnen des Arztes, und nicht nur im Krankendienste des Hospitals erschöpft sich ihre Tätigkeit; sie geht weit darüber hinaus [...]“, betonte Gouverneur Solf in einer Festrede.188 Tatsächlich wurde ja bereits bei der Schilderung der Ausbildung der Schwestern deutlich, dass sie im Vergleich mit ihren Kolleginnen in der Heimat einen erweiterten Kompetenzbereich hatten: Nicht nur erhielten sie eine Zusatzausbildung in der Behandlung und Pflege tropischer Krankheiten sowie teilweise im Mikroskopieren, sondern die Hebammenschwestern waren in den Kolonien zudem berechtigt, wenn nötig ohne Arzt, selbstständig auch komplizierte Geburten zu leiten.189 Da die medizinische Infrastruktur in den Südsee-Kolonien deutlich schlechter als im Kaiserreich war, waren die Schwestern häufig auf sich allein gestellt. Die Wertschätzung der wenigen dort verfügbaren Krankenschwestern, die als Vertreterinnen des heimatlichen Gesundheitssystems Vertrauen und Achtung genossen, war in den Kolonien besonders groß. Die Anerkennung, die den Krankenschwestern von den übrigen Bewohnern der Kolonie entgegengebracht wurde, wird beispielsweise in den Tagebuchaufzeichnungen der Schwester Auguste Hertzer deutlich. So kamen an ihrem Geburtstag alle auf der Station der Neuguinea-Kompagnie beschäftigten Herren zum Hospital, um der Krankenschwester ihre Glückwünsche zu überbringen und mit ihr zu feiern: „Die Herren alle von der Station waren mir zum Geburtstag gratulieren. Am Abend machten die Eingeborenen-Arbeiter Tänze vor unserem Hause und sah dieses bei Fackelschein sehr hübsch aus. – Herr Reichskommissar hielt mir eine Rede und dankte uns im Namen der ganzen Station für unser Hiersein, worauf alle Anwesenden in dreimaliges Hoch auf ferneres Wohlsein ausbrachen.“190

188 Festrede Seiner Exzellenz des Staatssekretärs Dr. Solf, in: Unter dem Roten Kreuz, 24. Jg. (1913), Nr. 6/7, S. 64. 189 Siehe Kapitel 5. 190 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, Eintrag vom 26. Juli 1892, in Privatbesitz.

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Die Dienste der Schwestern wurden dringend benötigt und ihr Wirken wurde als „außerordentlich segensreich“ empfunden.191 Den Krankenschwestern bot sich in den Kolonien die seltene Chance, einen Status als tapfere Heldin, geschulte Expertin und Vorbild für selbstlose Weiblichkeit zu erlangen.192 Vor allem zu Beginn der Aussendungen wurde den vor der Abreise stehenden Schwestern für ihren Mut und ihre Opferbereitschaft große Beachtung geschenkt. Die hohe Bedeutung, die man ihrer Tätigkeit für eine erfolgreiche Kolonisation beimaß, zeigte sich unter anderem darin, dass selbst die Kaiserin, die Protektorin des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien, an der feierlichen kirchlichen Aussegnung der ersten Schwestern, die nach Neuguinea ausreisten, teilnahm. Sie wünschte den beiden Frauen persönlich Glück für ihre Arbeit in den Kolonien.193 Auch in späteren Jahren ließ sie ihre Glückwünsche an die ausreisenden Schwestern übermitteln.194 Als der Frauenverein sich auf der Kolonialausstellung präsentierte, zeigte sich die Kaiserin interessiert und unterhielt sich dort mit den aus der Südsee zurückgekehrten Schwestern Auguste Hertzer und Emma Kubanke, wie in der Vereinszeitschrift stolz berichtet wurde.195 Die schon zitierte Schwester Auguste Hertzer, die viele Dienstperioden für den Frauenverein in den Kolonien arbeitete, ist im Quellenmaterial sehr präsent und begegnet einem sowohl in publizierten als auch unveröffentlichten, amtlichen und privaten Quellen zu Neuguinea immer wieder. Vor allem auf Grund ihrer langen Aufenthaltsdauer in der Kolonie und ihrer beruflichen Tätigkeit war sie ausgesprochen gut vernetzt mit der übrigen weißen Bevölkerung und allgemein beliebt und geachtet.196 Besonders gut verstand sie sich offenbar mit der männlichen Kolonialbevölkerung, wie Missionarsfrau Fellmann in einem Privatbrief berichtete: „Durch ihren Beruf ist sie seit Jahren gewöhnt gewesen, fast nur mit Herren zu verkehren und da hat sie sich an einige sehr eng angeschlossen. Sie hat Dr. Hahl mal gepflegt, sie ist wie eine ältere Schwester zu den Herrn, mit Herr v. Hagen war sie auch sehr befreundet, die Her-

191 192 193 194 195 196

Unter dem roten Kreuz, 3. Jg. (1892), Nr. 5/6, S. 34. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 42. Vgl. Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 3, S. 18. Vgl.: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 2, S. 9. Unter dem roten Kreuz, 7. Jg. (1896), Nr. 5, S. 44 u. 9. Jg. (1898), Nr. 3, S. 19. Ein sehr gutes Verhältnis bestand beispielsweise zum Gouverneursehepaar Hahl, zu den Missionsgeschwistern Fellmann und zur Pflanzersfrau Emmy Müller; vgl. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 4. Dez. 1898 u. 9. Sept. 1899, ebenso an ihre Mutter, Raluana, 13. Aug. 1899, zitiert aus Privatbesitz; zahlreiche Briefe von Emmy Müller an Auguste Hertzer, in Privatbesitz; Hertzers gutes Verhältnis zu den Bewohnern der Kolonie wird außerdem belegt durch verschiedene Einträge in Hertzer, A.: TagebuchFragment, in Privatbesitz.

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ren, die sie mal gepflegt hat, hängen natürlich mit großer Dankbarkeit an ihr. Sie versteht es viel besser mit Herrn umzugehen, zieht dieselben den Frauen auch bei weitem vor, was uns oft belustigt. Trotz ihrer 45 Jahre, glaube ich, würde sie sich gern verheiraten, wenn einer sie wollte, aber die Herrn haben sie ganz gern als Freundin, aber nicht als Frau, dazu hat sie einen zu großen Eigenwillen.“197

Wie deutlich wird, entsprach Hertzer nicht dem damals üblichen Geschlechterrollenbild. Den Quellen nach zu urteilen war sie eine starke, selbstbewusste und unabhängige Frau, die unter Beweis stellte, dass in den Kolonien Lebenswege abseits der für Frauen damals üblichen Pfade möglich waren. Nachdem sie aus dem Dienst des Frauenvereins ausgeschieden war, hatte sie sich auf der Gazellenhalbinsel die Pflanzung Palaupai gekauft und dort ein kleines Haus für sich allein bauen lassen.198 Ob sie tatsächlich insgeheim lieber an der Seite eines Ehemannes ihre traditionell für sie vorgesehene Frauenrolle erfüllt hätte wie Fellmann unterstellte, ist ungewiss – ihre eigenen Aufzeichnungen wecken allerdings viel mehr den Eindruck, dass sie ihr vergleichsweise freies Leben genoss und zufrieden mit ihrem Schicksal war: „Seit 10 Jahren, wo ich mir hier in der Südsee ein kleines Stück Erde gekauft habe, weil dies mir alles gibt was ich zum Leben gebrauche, lebe ich still und einsam, mich ganz der Landwirtschaft hingebend, in großer wunderbarer Natur. In diesem Freiherrentum, von keinem Menschen abhängig zu sein, ist das, was mich erst vollkommen beglücken konnte.“199

Auf ihren Wunsch hin konnte Hertzer, die der Reisende Johannes Wilda als „interessante und originelle Dame“200 beschrieb, auch noch unter australischer Verwaltung bis zu ihrem Tod in Neuguinea bleiben.201 Während die Krankenschwestern als Alleinstehende also nicht dem damals vorherrschenden Idealbild der Frau als verheirateten Mutter und Hausfrau entsprachen, erfüllten die Missionarsfrauen diese vermeintlich von der Natur vorgegeben Rolle. Die besondere Lebenssituation im Missionsfeld forderte jedoch zusätzliche Qualitäten von ihnen: Da die Missionare oft tage- und wochenlang die Missionsstation verlassen mussten, um Nebenstationen und entferntere Dörfer zu besuchen, waren ihre

197 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann, 2. Dez. 1901, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 173. 198 Vgl. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 4. Dez. 1898 u. an ihre Mutter, 13. Aug. 1899, zitiert aus Privatbesitz; Wilda, J.: Reise auf der S.M.S. „Möwe“, S. 215f. 199 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, S. 1 (ohne Datum), in Privatbesitz. 200 Wilda, J.: Reise auf der S.M.S. „Möwe“, S. 216. 201 Hiery, Hermann J.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, in: Ders. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 852.

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Ehefrauen häufig auf sich gestellt. In diesen Zeiten standen sie den Stationen vor und waren Ansprechpartner für indigene Missionshelfer, Angestellte und Schüler.202 Nicht nur während der Abwesenheit ihrer Männer ging der Tätigkeitsbereich der Missionarsfrauen über ihren Haushalt hinaus. Während in der Heimat Lehrerinnen per Gesetz dazu verpflichtet waren, mit der Hochzeit ihre Berufstätigkeit zu beenden,203 war es üblich, dass Missionarsfrauen nicht nur Ehefrauen und Mütter waren, sondern auch Missionszöglinge unterrichteten, sei es in der Schule oder in Handarbeits- oder Haushaltungskursen. Dass im Übrigen das sogenannte „Lehrerinnenzölibat“ auch an der Regierungsschule in Apia nicht beachtet wurde und Frieda Woedtke dort auch nach ihrer Hochzeit mit Richter Imhoff als Beamtin tätig sein konnte, kann als weiterer Beleg dafür gewertet werden, dass es in den Südsee-Kolonien Freiräume gab, die in der Heimat nicht existierten.204 Mit Bezug auf die weiblichen Angehörigen der Liebenzeller Mission wurde darauf ebenfalls bereits hingewiesen.205 Für die Liebenzeller Schwestern und Missionarsfrauen bot sich durch ihre Einbindung in die aktive Missionsarbeit und Seelsorge die Möglichkeit, ihren Handlungsradius auch in lokaler Hinsicht weit über den Haushalt hinaus auszudehnen, etwa wenn sie mehrere Tage lange Ausflüge in entferntere Gebiete unternahmen, um dort ihre Glaubensbotschaft zu verbreiten.206 Noch selbstständiger innerhalb einer evangelischen Mission konnte die bereits erwähnte Valesca Schultze in Samoa agieren. Dadurch, dass sie der Papauta Mädchenschule der London Missionary Society vorstand, aber auch durch ihre erfolgreiche Tätigkeit auf medizinischem Gebiet, wurde sie sowohl von der einheimischen als auch der fremden Bewohnern der Kolonie mit Respekt behandelt und genoss

202 Vgl. beispielsweise: Vetter, J.: Tagebuch, Jan. 1904, S. 148, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1; Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 28. Juni 1897, S. 70; Elise Pilhofer an Babette Schmidt, 19. Juni 1919, in Privatbesitz; Johanna Hanke an ihren Onkel, Bongu, Jan. 1913, RMG 2.143. 203 Siehe Kapitel 9.5. 204 Der Fall Imhoff widerspricht Walgenbachs mit Bezug auf K. Smidt getroffener Feststellung, dass „Lehrerinnen in Deutschland und in den Kolonien aus dem Angestelltenverhältnis ausscheiden [mussten], wenn sie eine Ehe eingingen“, siehe: Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 152 [Eigene Hervorhebung]. 205 Vgl. Rauchholz, M.: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, S. 4f; vgl. Kapitel 9.1. 206 So berichtet beispielsweise Missionarsfrau Hugenschmidt von einer 13-tägigen Reise, die sie gemeinsam mit drei indigenen Helferinnen unternahm: Abdruck eines Briefes von Elise Hugenschmidt, Oa, 3. Juli 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 277f.

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große Selbstständigkeit.207 Auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung sowie ihre guten Samoanisch-Kenntnisse wurde sie als Dolmetscherin, Lehrerin und Mitarbeiterin auch von Männern (nicht zuletzt Gouverneur Solf) gern zurate gezogen.208 Einem neu in Samoa eingetroffenen Missionar gab Schultze Unterricht im Reiten und in Krankenpflege; ihre Kenntnisse verschafften ihr also eine überlegene Position gegenüber dem an sich damals dominierenden Geschlecht.209 Auch bei ihren zahlreichen Reisen nach England und Deutschland waren ihre Erfahrungen gefragt, so dass sie in vielen Vorträgen von ihrer erfolgreichen Tätigkeit in der Südsee berichtete.210 Ähnlich wie bei der Krankenschwester Auguste Hertzer vermitteln die Quellen hier das Bild einer für ihre Zeit ungewöhnlich selbstständigen, unabhängigen und selbstbewussten Frau, die – wie ihrem Tagebuch zu entnehmen ist – mit ihrer besonderen Lebenssituation in der Kolonie ausgesprochen zufrieden war.211 Auch die katholischen Missionsschwestern wurden von den Lebensbedingungen auf ihren oft einsamen Stationen zu mehr Selbstständigkeit gezwungen als sie es aus ihrem Mutterhaus gewöhnt waren und hatten vielerorts weniger Kontakt zu ihren Vorgesetzen, was nicht ohne Folgen blieb. In einem Bericht über die HerzJesu-Schwestern auf den Marshall-Inseln wurde moniert, dass „die Schwester der Nebenstationen [...] im Laufe der Zeit etwas von der gehörigen Unterwürfigkeit gegen ihre Vorgesetzten einbüß[t]en“.212 Zur Erklärung wurde angemerkt, dass unter anderem ungünstige Schiffsverbindungen dazu geführt hätten, daß die Oberin in sechs Jahren die Nebenstationen nur einmal besuchen konnte. Auch Bischof Louis Couppé äußerte sich verärgert über die Herz-Jesu-Schwestern der NeuguineaMission, die gegen seinen Willen Waisenkinder bei sich aufgenommen hatten und sich zu seiner Empörung seiner Anordnung, die Kinder abzugeben, widersetzt hatten.213 Die Möglichkeit, Kinder aufzuziehen und ihnen gegenüber die Mutter zu vertreten, war im Übrigen ebenfalls eine Besonderheit des Missionslebens. In der Heimat wäre einer Ordensschwester diese Mutterrolle verwehrt geblieben. Couppé befürchtete, dass die Aufnahme von Säuglingen und Kleinkindern das geregelte und 207 Vgl. beispielsweise Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 26. April 1895; 3. Jan. u. 29. Mai 1896, in Privatbesitz. 208 Ebd., beispielsweise Einträge vom 5. Juli 1900, 19. Okt. 1908 u. 6. Jan. 1909, in Privatbesitz. 209 Ebd., Eintrag vom 11. Sept. 1904, in Privatbesitz. 210 Ebd., beispielsweise Einträge vom 19. Sept. u. 15. Okt. 1908, in Privatbesitz. 211 Ebd., beispielsweise Einträge vom 31. Mai u. 28. Juni 1890, 12. Okt. 1900, in Privatbesitz. 212 Allgemeiner Bericht über die Genossenschaft auf den Marshall-Inseln (ohne Verf.), Hiltrup, 25. Sept. 1912, in: AHM, Ordner „Marshall“, unverzeichnet. 213 Bischof L. Couppé an die Generaloberin, Vunapope, 13. Jan. 1913, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe 1911-1941 / Statistiken / Berichte / Lebensbilder / Jubiläumsfeiern / Eingeborene / Schwestern / Vulkanausbruch I.“, unverzeichnet.

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andächtige Ordensleben stören würden und die Schwestern Mutterstolz entwickelten, der einer Nonne nicht anstehe. Darüber hinaus beklagte Couppé im selben Brief der Generaloberin gegenüber, dass die Schwestern Geburtshilfe geleistet hätten, obwohl der Heilige Stuhl dies untersagt habe, weil diese Arbeit für Schwestern unschicklich sei. Nicht nur die mangelnde Kontrolle durch Vorgesetzte und die große räumliche Distanz zu den in der Heimat herrschenden Konventionen machen sich also im Quellenmaterial bemerkbar. Auch die Tatsache, dass der Alltag in den Südsee-Kolonien nun mal andere Anforderungen an die Schwestern stellte als der Klosteralltag in der Heimat, führte dazu, dass das Rollenbild der Missionsschwester einige Ergänzungen erfuhr. Um die langen und oftmals beschwerlichen Wege zu benachbarten Dörfern und Stationen zu bewältigen, lernten die Schwestern beispielsweise reiten, wie im Übrigen auch einige der Missionarsfrauen.214 Pater Hubert Linckens berichtete aus Vunapope den Herz-Jesu-Schwestern im Mutterhaus Hiltrup: „Wie vorteilhaft ist es, [...] hier manches zu wissen, was in Europa nur mit Kopfschütteln angehört würde, wollte man es von einer Schwester verlangen. Eine Schwester zu Pferd wäre ein Wunderding in Europa. Daß das hier nicht der Fall ist, wird ihnen Schwester Juliana beweisen.“215 Auch die Steyler Missionsschwestern bewegten sich in Neuguinea zu Pferd und teilweise per Esel fort, obwohl immer wieder umstritten war, ob sich Reiten für Ordensschwestern gezieme, so dass diese Art der Fortbewegung den Schwestern zeitweise in Europa und Übersee von religiösen Autoritäten verboten wurde.216 Nachdem die Station St. Paul der Herz-Jesu-Mission von Einheimischen überfallen worden war, wobei fünf Schwestern ermordet worden waren,217 wurde ihnen von den männlichen Missionsangehörigen der Umgang mit Schusswaffen beigebracht, wovon sie in den Briefen in die Heimat stolz berichteten.218 Auch in der 214 Linckens, H. an das Mutterhaus, Vunapope, 11. Juni 1904, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05“, unverzeichnet; Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 90-96; Missionarsfrau Keyßer an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 3. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; Missionarsfrau Böttger an die Missionsfreundinnen, Wareo 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3 (sie ritt sogar im Herrensattel) u. Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 25. Juni u. 13. Aug. 1899, zitiert aus Privatbesitz. 215 Linckens, H. an das Mutterhaus, Vunapope, 11. Juni 1904, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05“, unverzeichnet. 216 Schw. Valeria an die würdige Mutter, St. Michael, 6. Feb. 1908, AG SSpS, PNG 6201; Chronik der Station „Regina Angelorum“, Nov. 1912, AG SSpS, PNG 6302: „Wir Schwestern machen seit 1912 unsere apostolischen Reisen hoch zu Esel.“; siehe auch: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 94f. 217 Dieses sogenannte „Baining-Massaker“ wird in Kapitel 13.3.2 thematisiert. 218 Schw. Dorothea an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 15. Feb. 1905, in: AHM, Ordner „Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth ans

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Missionschronik wurden die Schießkünste einer Schwester im Zusammenhang mit der Schilderung des Besuchs von Bischof Couppé und Oberin Schwester Franziska in St. Paul erwähnt: „Man lobte die Festigkeit von Schw. Elisabeth in Benutzung der Pistole. Diese Waffe musste stets bereit liegen zur Notwehr bei einem etwaigigen Überfall der feindlichen Baininger. Da der hohe Besuch eine Probe zu sehen wünschte, erlegte die mutige Schwester mit einem beherzten Schuß das Geflügel für die Küche.“219

In ihren Selbstbeschreibungen fügen die Schwestern dem Bild der andächtigen und würdevollen Missionsschwester die Facette der mutigen Abenteuerin hinzu: „Das Gewehr auf den Rücken geschnallt, den Tropenhut auf, mit zwei Mädchen als Begleitung, die uns den Weg zeigten, machten die lb. Schw. Dorothea und meine Wenigkeit uns auf den Weg“, schrieb beispielsweise die Herz-Jesu-Schwester Elisabeth ans Mutterhaus.220 Im weiteren Verlauf des Briefes schilderte sie, wie sie mit Händen und Füßen steile Abhänge erklommen und sich „ohne Weg und Steg“ durch hohes Gras und Schlingpflanzen gekämpft hatten, wobei sie immer wieder ausrutschten und stürzten. In ihrer Arbeit über die Steyler Missionsschwestern stellte Katharina Stornig ebenfalls fest, dass diese auf Fotografien aus dem Missionsalltag als „brave and adventuresome figures“, dargestellt wurden.221 Anders als die Schwestern in Europa, die in geordneten Gruppen vor einer Kirche oder dem Konvent abgelichtet wurden, fotografierte man die Schwestern im Missionsfeld in der als „wild“ wahrgenommenen fremden Natur, beispielsweise während sie durch den Urwald wanderten oder ritten. Eine solche Wanderung durch unwegsames Gelände schilderte auch Herz-Jesu-Schwester Clara: „Schw. Juliana, die mit reinen Schuhen wieder zuhause sein wollte, zog Schuhe und Strümpfe aus, schürzte Kleid und Röckchen recht hoch und marschierte munter voran. Schw. Elisabeth machte es ebenso. Da bogen auf einmal drei Brüder um die Ecke, die stehen blieben und herzlich lachten.“222

219 220 221 222

Mutterhaus, St. Paul, 2. Mai 1905, in: AHM, Ordner „Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet. Papua Neuguinea. Chronik, 1. Teil: 1902-1914, Eintrag vom 1. März 1905, Abschrift in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“, unverzeichnet. Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 30. Juni 1905, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 94. Schw. Clara ans Mutterhaus, Vunapope, 21. Mai 1903, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-10“, unverzeichnet.

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Berichte der Herz-Jesu-Schwestern von Schwimmübungen im Meer oder vom Schaukeln an Lianen im Urwald zeigen ebenfalls, dass diese Frauen Freiheiten genossen, die ihnen der Klosteralltag in der Heimat nicht geboten hätte.223 Gegenüber den Schwestern im Mutterhaus betonten sie gerne diese abenteuerliche Seite des Missionslebens, stellten sich selbstbewusst, mutig und lustig dar und schürten damit vermutlich den Wunsch der Daheimgebliebenen, auch in die Mission ausreisen zu dürfen, weiter.224 Es lässt sich an Hand der ausgewerteten Quellen also zeigen, dass die deutschen Frauen in den Südseekolonien größere Freiräume als in der Heimat hatten und diese auch nutzten, was sich in ihrem Arbeitsalltag, ihrem Auftreten und ihrer Selbstdarstellung niederschlug. Ein symptomatisches Detail, das in diesem Zusammenhang noch erwähnt werden sollte, ist die Kleidung. Johanna Fellmann schrieb ihrer Mutter: „Eigentlich ist’s hier außen so ziemlich schnuppe, wie man aussieht.“225 Und auch Missionarsfrau Emilie Decker berichtete, die „leidige Mode“ mache in Neuguinea keine Vorschriften und jede Frau könne sich hier kleiden, wie sie wolle.226 Gewöhnlich würde Reformkleidung bevorzugt. Wie Text- und Bildquellen zu entnehmen ist, trugen so beispielsweise auch Lehrerin Medenwaldt sowie die Missionarsfrauen Vetter, Schütz und Fellmann weite Reformkleider, die im Deutschen Reich häufig als „Reformsäcke“ verspottet wurden, vor allem im tropischen Klima jedoch wohl deutlich komfortabler waren als die herkömmliche damalige Damenmode.227 Um 1900 war es üblich, dass die Frauen als Unterkleider zahlreiche über223 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 2. Mai 1905, in: AHM, Ordner „Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet. Zu den erweiterten Handlungsspielräumen der katholischen Schwestern im Missionsfeld siehe auch: Lutkehaus, N.: Missionary Maternalism, S. 227. 224 Dass die Aussendung in die Mission von den Schwestern herbeigesehnt und als Auszeichnung empfunden wurde, wird in den Quellen immer wieder deutlich, vgl. Kapitel 7. 225 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 6. März 1898, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 154. 226 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; vgl. Wilda, J.: Reise auf der S.M.S. „Möwe“, S. 122. 227 Vgl. zur Reformkleidung: Welsch, Sabine: Ausstieg aus dem Korsett. Reformkleidung um 1900, Darmstadt 2003 (zum Spott, den die Reformmode hervorrief: S. 50-53); ausführlich außerdem: Ober, Patricia: Der Frauen neue Kleider. Das Reformkleid und die Konstruktion des modernen Frauenkörpers, Kempten 2005. Fotografien der Lehrerin Medenwaldt und der Missionarin Schütz finden sich in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, Abb. 54 u. 62; von Frau Fellmann in: Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel (Reformkleidung besonders gut zu erkennen auf S. 251 u. 256); vgl. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 12. Juni 1906, zitiert aus Privatbesitz. Zur Kleidung der Missionarsfrauen siehe auch: Hammel, T.: Lebenswelt und Identität

11. D IE SOZIALE S TELLUNG

DER DEUTSCHEN

FRAUEN

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einander liegende Wäschestücke trugen – nämlich Hemd, Beinkleid, Korsett und zwei Unterröcke – die mit durchschnittlich fünf Pfund Gewicht am Körper hingen.228 Fellmann berichtete, dass sie in Neuguinea nicht nur barfuß lief, sondern auch auf Hemden, Beinkleider und das Korsett verzichtete, sich ohne Korsett aber unwohl fühlte, als sie auf dem Rückweg in Sydney ankam.229 Dort schnürte sie ihren Körper wieder ein, obwohl sie darüber klagte, dass es ihr mit Korsett körperlich schlechter ging und sie sich dadurch stets müde fühle. So finden die durch gesellschaftliche Konventionen unterschiedlich stark eingeschränkten Lebensverhältnisse eine interessante Entsprechung in der Bekleidung.230 Der schwächere Einfluss dieser Konventionen, die weniger starke Kontrolle durch Umfeld und Vorgesetzte sowie die besonderen Erfordernisse des Lebensalltags den Südsee-Kolonien konnten Modifikation der Berufs- und Geschlechterrollenbilder bedingen oder begünstigen. Diese waren jedoch weder von den Frauen bewusst intendiert, noch von bedeutenden rechtlichen oder politischen Konsequenzen gefolgt, weswegen der Begriff der Emanzipation in diesem Zusammenhang als unpassend verworfen wurde. Gerade im kolonialen Kontext wurde die angeblich natürliche weibliche Bestimmung zur Mutter-, Haus- und Ehefrau besonders betont. Das Frauenbild der Kolonialbewegung war extrem konservativ. Zugleich erfuhren diese „klassisch weiblichen“ Tätigkeiten eine ideelle Aufwertung und galten als wichtiger Beitrag zur großen nationalen Aufgabe der Kolonisation, was allerdings vor allem in den kolonialen Publikationen betont wurde und wesentlich seltener in privaten Schriftzeugnissen eine Rolle spielte. In diesen wird jedoch gut deutlich, dass die deutschen Frauen in den Kolonien – zumal in den Südsee-Kolonien – schon auf Grund ihrer geringen Anzahl eine besondere Wertschätzung durch die dort lebenden deutschen Männer erfuhren und begehrte Heiratskandidatinnen waren. Ihre Anwesenheit und ihre hausfraulichen Fähigkeiten wurden in der Regel als wichtige Unterstützung im kolonialen Alltag empfunden, was sich positiv auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern auswirkte.

in Selbstzeugnissen protestantischer Missionsfrauen in Britisch- und DeutschNeuguinea, S. 99-101. 228 Vgl. Welsch, S.: Ausstieg aus dem Korsett, S. 10, 43-45. 229 Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 9. Aug. 1897, 10. Juli 1898, 18. Nov. 1906 u. Sydney, Dez. 1907, zitiert aus Privatbesitz; Abdruck von Briefen von Johanna Fellmann an ihre Mutter vom 12. März, 16. April u. 14. Sept. 1897, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 139; vgl. Wilda, J.: Reise auf der S.M.S. „Möwe“, S. 122. 230 Generalisiert werden können die genannten Beispiele aber nicht: Fotografien zeigen, dass auch in den Kolonien Frauen ihren Körper in die herkömmliche Korsett-Mode zwangen, beispielsweise gehörte die Gouverneursfrau Johanna Solf offenbar zu diesen Frauen (Fotografien in Privatbesitz).

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Ein zentraler Aspekt der sozialen Stellung der deutschen Frauen in den SüdseeKolonien wurde bisher ausgespart: Die Kategorien Klasse und Geschlecht wurden thematisiert – nicht aber die der „Rasse“, obwohl Frances Gouda die Position der weißen Frau in den Kolonien völlig treffend mit dem Ausdruck des „unterlegenen Geschlechts der überlegenen Rasse“ beschrieben hat.231 Somit kann keine abschließende Beurteilung der sozialen Stellung der deutschen Frauen in den SüdseeKolonien möglich sein, bevor nicht das Verhältnis der Frauen zur indigenen Bevölkerung untersucht worden ist. Warum dieser enge Zusammenhang besteht und wie sich die Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und den indigenen Bewohnern der Südsee-Kolonien gestalteten, soll daher im Folgenden dargestellt werden.

231 Gouda, F.: Das „unterlegene“ Geschlecht der „überlegenen“ Rasse, S. 185-203.

IV. Stereotype und Begegnungen

12. „Rassen“-Stereotype und „Rassenmischung“

Die Vorstellungen, die die Deutschen von der indigenen Bevölkerung mit in die Kolonien brachten, waren von rassisch begründeten Vorurteilen und Stereotypen geprägt, wie bereits bei der Darlegung der rassenpolitischen Zielsetzungen der verschiedenen kolonialen Vereine deutlich wurde.1 Im Folgenden soll der Zusammenhang von Kolonialismus und Rassismus untersucht und dabei die Rolle der Frauen in diesem Kontext herausgearbeitet werden. Zunächst wird zu diesem Zweck der Frage nachgegangen, welches Bild von den Südseegebieten und ihren Bewohnern die Vorstellungswelt der Deutschen beherrschte.

12.1 „S ÜDSEE -M YTHOS “ UND „M ENSCHENFRESSER -I NSELN “ „In reicher Fülle hat Gott seinen Segen über das herrliche Land ausgeschüttet. Das ganze Jahr hindurch blühen herrliche Blumen und das Fruchttragen hört eigentlich nie auf. Schmetterlinge, in allen Farben schillernd, wiegen sich auf den Blüten und in den Zweigen der hohen Urwaldbäume treiben Paradiesvögel, Papageien, Krontauben und Kolibris ihr munteres fröhliches Spiel.“2 „Selten erblickt man bei einem Naturvolke so viele und so mannigfaltige Nahrungs- und Genussmittel, die stets zur Hand sind, als in Samoa. Nahrungssorgen kennt dieses Volk nicht und ebenso wenig Sorgen um die Bekleidung und um Schutz gegen etwaige Ungunst der Wit-

1 2

Vgl. Kapitel 4.1.1 u. 6. Diehl, Wilhelm: Was man mit Schlangen erleben kann, in: Der kleine Missionsfreund, 65. Jg. (1919), Nr. 9, S. 69.

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terung. […] Sie haben niemals die Not kennen gelernt und somit auch nicht die Sorge ihr vorzubeugen, die Sorge um die Zukunft.“3 „Man ist überrascht, in den Samoanern lauter ungemein stattliche, schlank gewachsene Menschen zu sehen, mit breiter Brust und gewaltigen Gliedern, alle ohne Ausnahme ebenmäßig und stark wie wenig bevorzugte Athleten bei uns. Auch die Frauen sind prachtvoll gewachsen, besonders in der Jugend […] und so, wie sie sind, mit Hüfttuch und Blumenkette um den Hals, springen sie kopfüber ins Wasser […] und zeigen beim Schwimmen die wunderbare Entwicklung ihrer jungen Glieder.“4

Diese Zitate sind typische Beispiele dafür, wie die Deutschen, die ihre Erlebnisse in den Südsee-Kolonien schilderten, den sogenannten „Südsee-Mythos“ fortschrieben. Schon seit Beginn der überseeischen Entdeckungsreisen übte das scheinbar sorglose Dasein der indigenen Bevölkerung Ozeaniens eine starke Anziehungskraft auf die Europäer aus. Die Reisen von Louis Antonie de Bougainville und James Cook, vor allem der Bericht Eine Reise um die Welt von Cooks Begleiter Georg Forster, aber auch die Schilderungen des Weltreisenden Adalbert von Chamisso ließen die Südsee im 18. Jahrhundert ins öffentliche Bewusstsein treten.5 Dort unter Palmenstränden, in üppiger Natur, die den Menschen alles zu geben schien, was sie zum Leben brauchten, glaubten die Europäer, das Paradies auf Erden zu finden. Die Bewohner dieser Region wurden als sorgenfrei und glücklich imaginiert, galten als exotisch und schön, ausgestattet mit einem edlen Charakter. Sie schienen in ihrem irdischen Paradies in völligem Einklang mit der Natur zu leben, unbehelligt von westlichen Kulturzwängen, im goldenen Zeitalter der Menschheitsgeschichte. Die sanfte Südseeschönheit, als deren Prototyp die Samoanerin galt, war Gegenstand paradiesischer Sehnsüchte und eine exotische Verlockung, nicht zuletzt da man ihr eine ursprüngliche, völlig frei ausgelebte Sexualität zuschrieb.6 In dem hier geschilderten 3

4 5 6

Wohltmann, F.: Pflanzungen und Siedlungen auf Samoa. Erkundungsbericht an das Kolonial-Wirtschaftliche Komitee zu Berlin, in: Beihefte zum Tropenpflanzer. Wissenschaftliche und praktische Abhandlungen über tropische Landwirtschaft, 5. Jg. (1904), Nr. 1, S. 105f. Wegener, G.: Samoa, S. 6. Vgl. Graichen, G. / Gründer, H.: Deutsche Kolonien, S. 169f. Engelhard, Jutta B. / Mesenhöller, Peter (Hrsg.): Bilder aus dem Paradies. Koloniale Fotografie aus Samoa 1875-1925. Ethnologica, N. F. Band 19, Köln 1995, S. 152; Mesenhöller, Peter: „Für die Freunde im Vaterland“. Frauenbilder in der kolonialen Fotografie in Samoa um 1900, in: Bechhaus-Gerst, Marianne / Leutner, Mechthild (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, Berlin 2009, S. 214-219, hier S. 216; O’Brian, Patty: The Pacific Muse. Exotic Femininity and the colonial Pacific, Washington 2006, S. 9; Dürbeck, Gabriele: Stereotype Paradise. Ozeanismus in der deutschen Südseeliteratur 1815-1914, Tübingen 2007, S. 28; Wareham, Evelyn: Race and Realpolitik. The Politics of Colonisa-

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Stereotyp tritt dem Leser das wohl erstmals von Montaigne entworfene und dann vor allem durch Rousseau geprägte Bild vom „edlen Wilden“ in seiner reinsten Form entgegen.7 Die Angehörigen der sogenannten „Naturvölker“ und ihre Lebensweise wurden als ursprünglich und „unverfälscht“ von zivilisatorischen Einflüssen idealisiert; sie dienten als Kontrastfolie, um die angebliche Verlogenheit und Künstlichkeit der europäischen Lebensweise anzuprangern.8 Dieser überaus positiv konnotierte „Südsee-Mythos“, von dem angenommen werden kann, dass er sowohl Margaret Meads Idealisierung der Jugend in Samoa als auch die begeisterte Rezeption von Scheuermanns Der Papalagi in den 70er Jahren beeinflusst hat und der zum Teil heute noch unser Bild von Ozeanien prägt, bezieht sich allerdings vor allem auf die Kulturen Polynesiens. Er findet sich beispielsweise in Schilderungen zu Tonga, Tahiti und natürlich Samoa, der „Perle der Südsee“.9 – Doch das europäische Südsee-Bild hatte auch eine andere Seite, die vor allem die Beschreibungen von Melanesien und seinen Bewohnern prägte: Den „edlen Wilden“ stand das Bild der „wilden Menschenfresser“ gegenüber, von Gabriele Dürbeck als „ignoble savage“ bezeichnet.10 Den europäischen Darstellungen gemäß befehdeten sie sich in ständigen Kriegen, übten Blutrache, raubten Frauen, erschlugen Kinder und verspeisten sogar teilweise ihre Feinde. Sie schienen keinerlei Gesetz zu kennen und ohne Religion, Kultur und soziale Regeln in den Tag hinein zu leben. Den Weißen gegenüber galten sie als misstrauisch, verschlagen und hinterhältig. Die Heimat dieser Menschen von tiefschwarzer Hautfarbe war gebirgig und unwegsam, das Klima galt als ungesund und gefährlich. Im Gegensatz zu Samoa tion in German Samoa, Frankfurt a.M. 2002, S. 51; Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 93; Ders. / MacKenzie, J. (Hrsg.): European Impact and Pacific Influence, S. 2f; Kohl, Karl-Heinz: Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation, Frankfurt a.M. 1983, S. 21; Riese, J.: The Samoanische Zeitung, S. 22; vgl. Antonie Brandeis’ Schilderung von Nauru als Südseeparadies, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 34, S. 599f. 7 Geulen, Christian: Geschichte des Rassismus, München 2007, S. 44; Bitterli, Urs: Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung, München 1991², S. 381. 8 Geulen, C.: Geschichte des Rassismus, S. 44;51; Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 54. 9 Mead, Margaret: Coming of age in Samoa, New York 2001 (Erstausgabe 1928); Scheuermann, Erich: Der Papalagi. Die Reden des Südseehäuptlings Tuiavii aus Tiavea, Zürich 2007 (Erstausgabe 1920); vgl. auch die Schilderungen von Tahiti durch Bougainville, Cook und Foster zitiert in Bitterli, U.: Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“, S. 361f; zu Bougainvilles Darstellung von Tahiti auch: Kohl, K.-H.: Entzauberter Blick, S. 202-222; vgl. Graichen, G. / Gründer, H.: Deutsche Kolonien, S. 170; Ehlers, Otto: Samoa. Die Perle der Südsee, Düsseldorf 2008 (Erstausgabe 1895). 10 Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 55.

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wurde Neuguinea von der Geißel der Malaria geplagt, die unter Einheimischen wie Europäern viele Opfer forderte. Außerdem verliehen den indigenen Bewohnern in vielen Fällen farbige Bemalung, mit Kalk gebleichte Haare, Ziernarben und die vom Betel kauen verfärbten Münder in europäischen Augen ein fremdartiges, „wildes“ Aussehen.11 Die Bevölkerung wurde daher von Europäern oft als hässlich und grausam geschildert. Das Phänomen des Kannibalismus wurde dabei immer wieder besonders deutlich hervorgehoben und mit einer Mischung aus Abscheu sowie einer gewissen Faszination ausgemalt.12 „Der menschenfressende Wilde zählte zu den stabilsten Topoi in den Darstellungen der außereuropäischen Fremde [...]“, wie Markus Joch feststellte.13 Im Steyler Missionsboten klärte ein Artikel die „lieben Kleinen“ über das melanesische Missionsgebiet auf: „Nein, ein Paradies ist Neuguinea nicht; sehen ja doch die Menschen dort noch vielfach aus wie die leibhaftigen Teufel. Nicht deswegen, weil ihre Haut schwarz ist, und weil ihre Haare wie ein wildes Schlangengezücht ihnen um den Kanakenschädel flattern, sondern weil auch ihre Herzen schwarz sind und ihr Gesicht den wilden Geist verrät, der in ihnen lebt.“14

Offenbar um das Unbehagen bei den jungen Lesern zu steigern, wurde diese Beschreibung durch eine Fotografie illustriert, die einige durch den Wald gehende melanesische Männer zeigt, die einen an einen Stamm gefesselten Mann zwischen sich tragen. Der Untertitel lautet „Menschenfresser auf dem Wege zur Henkerstätte“.15 In vielen deutschen Veröffentlichungen wurden die Unterschiede zwischen Polynesiern und Melanesiern ausdrücklich betont: „[...] man [kann] sich kaum etwas Verschiedeneres denken als das schöne, liebenswürdige, fröhliche Völkchen der 11 Betelnüsse sind die Kerne der Frucht der Betelpalme, die zusammen mit Kalk in ein Betelpfeffer-Blatt gewickelt und als Genussmittel gekaut werden. Dabei wird der Speichelfluss angeregt und der Speichel verfärbt sich durch den Saft der Blätter intensiv rot, siehe Schnee, H.: Deutsches Kolonial-Lexikon, Band I, S. 191f. 12 Joch, Markus: Völkerkunde in Neuguinea. Herbst 1888: Otto Finsch rettet die Ehre der Menschenfresser, in: Honold, Alexander / Scherpe, Klaus R. (Hrsg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Stuttgart 2004, S. 127-130; ausführlich zum Kannibalismus: Haberberger, Simon: Kolonialismus und Kannibalismus. Fälle aus Deutsch-Neuguinea und Britisch-Neuguinea 1884-1914, Wiesbaden 2007; Ders.: Kannibalismus in Deutsch-Neuguinea, in: Hiery, Hermann J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914, Paderborn 2001, S. 312-321; siehe auch Kohl, K.-H.: Entzauberter Blick, S. 21; Freytag, A. P.: Briefe an unsere lieben Kleinen über die Wilden in Neuguinea, in: Steyler Missionsbote, 42. Jg. (1914/15), Nr. 1, S. 11. 13 Joch, M.: Völkerkunde in Neuguinea, S. 127. 14 Freytag, A. P.: Briefe an unsere lieben Kleinen über die Wilden in Neuguinea, in: Steyler Missionsbote, 42. Jg. (1914/15), Nr. 1, S. 11. 15 Ebd.

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Samoaner und die dem wildesten Menschenfressertum frönenden Bewohner Neuguineas und der meisten Inseln des [Bismarck-] Archipels“, hieß es beispielsweise in einem Buch von 1912 über die Kolonien.16 Zwischen dem vermeintlich paradiesischen Samoa und dem vorwiegend als wild imaginierten Neuguinea nahmen die Bewohner der mikronesischen Inseln eine Zwischenstellung ein, wurden aber meist eher dem positiven Bild des „edlen Wilden“ zugeordnet.17 Die unterschiedliche Wahrnehmung der Bewohner Ozeaniens hing unter anderem damit zusammen, dass die Bevölkerung von Polynesien und Mikronesien schon vor der deutschen Kolonialherrschaft häufiger mit Europäern in Verbindung gekommen war als die Bevölkerung des später entdeckten und kaum erschlossenen Melanesiens.18 Auch dass in diesen Gebieten schon früher als in Melanesien missionarischer Einfluss gewirkt hatte, spielte eine wichtige Rolle: Die Samoaner, die überwiegend christianisiert waren und zudem einen ausgeprägten Sinn für Hierarchie, Höflichkeit und gesellschaftliches Zeremoniell hatten, standen den Deutschen schon durch ihre soziale Struktur und ihre Umgangsformen näher als die „wilden“ Melanesier, die in zahlreichen verfeindeten big men-Gesellschaften mit stets umkämpften Machtverhältnissen lebten.19 Hinzu kam die damals vermutete indo-germanische Herkunft der Polynesier, die sie evolutionsgeschichtlich sogar zu Verwandten der Deutschen zu machen schien.20 In der Samoanischen Zeitung war zu lesen, dass die Polynesier „zu drei Vierteln unserer mittelländischen Rassen angehören“ würden und nur ein Viertel ihres Blutes „fremden Rassen“ entstamme, zumeist der mongolischen.21 Dem europäischen Schönheitsideal kamen die Polynesier mit ihrer vergleichsweise hellen Haut und dem nicht krausen Haar sehr nahe, häufig wurden sie mit den antiken Griechen verglichen.22 Während die Samoaner als Angehörige der „braunen Rasse“ im zeitgenössischen Verständnis kulturell höher standen als die afrikani16 Zimmermann, Emil: Unsere Kolonien. Unter Mitwirkung hervorragender Afrikaner, Berlin 1912, S. 404 (zitiert nach Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 50). 17 Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 55; Samulski, Roland: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters – Rassenmischung und deutsche Rassenpolitik im Schutzgebiet Samoa 19001914, in: Becker, Frank (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung, Stuttgart 2004, S. 329-356, hier S. 332f. 18 Hiery, H. / MacKenzie J.: European Impact and Pacific Influence, S. 1-4; Mückler, H.: Kolonialismus in Ozeanien, S. 94. 19 Mückler, H.: Einführung in die Ethnologie Ozeaniens, S. 69f, 174-178; vgl. Kapitel 2.1. 20 Siehe Gründer, H. (Hrsg.): „...da und dort ein junges Deutschland gründen“, S. 295; vgl. Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 334; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 182; Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 47; Riese, J.: The Samoanische Zeitung, S. 25f. 21 Zur Rassenfrage in Samoa, in: Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 15, S. 1. 22 Bitterli, U.: Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“, S. 361; Kohl, K.-H.: Entzauberter Blick, S. 212.

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schen Stämme, wurden die Melanesier in vielen Publikationen der untersten Evolutionsstufe zugerechnet, die selbst den Schwarzafrikanern unterlegen sein sollte. Markus Joch bezeichnet die damalige Darstellung der Melanesier sogar als „Steigerung und Intensivierung rassistischer Stereotype aus dem afrikanischen Kontext“.23 Gemeinsam war den indigenen Bewohnern der verschiedenen deutschen Kolonien, dass sie als in einer kindlichen Entwicklungsstufe verhaftet betrachtet wurden. Das spiegelte sich beispielsweise in Bezeichnungen für die Einheimischen wie „wilde Augenblickskinder“ oder „Sonnenkinder“ und der Zuschreibung von Charaktereigenschafen wie fröhlich, wankelmütig, harmlos, unbeschwert, leichtsinnig, unselbstständig, unwissend und naiv.24 So bat Heinrich Schnee zu Beginn seiner Beschreibung der „schwarzbraunen Landsleute in Neu-Guinea“ die Leser: „Ehe ich es versuche, ein Bild dieses eigenartigen Menschenschlages zu entwerfen, möchte ich den geneigten Leser bitten, diese Leute nicht als verständige Erwachsene, sondern als Kinder, die sie sind und immer bleiben, beurteilen zu wollen. Das liefert den Schlüssel für viele Züge ihres Lebens und erklärt manches sonst Unverständliche in ihrem Thun und Treiben!“25

Sowohl positive Beurteilungen der Einheimischen als auch abwertende Darstellungen in kolonialen Publikationen waren sehr häufig undifferenziert und vereinfachend und wirkten abstrahierend. Der Einzelne wurde nicht als menschliches Individuum wahrgenommen, sondern als Angehöriger einer exotischen Gattung und ähnlich wie eine fremde Pflanze oder ein Tier beschrieben. Auch in positiven Schilderungen wurde niemals von einer Ebenbürtigkeit der Einheimischen und der

23 Joch, M.: Völkerkunde in Neuguinea, S. 130. 24 Beispielsweise: Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 98; Brandeis, A.: SüdseeBilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191; Schafroth, M.: SüdseeWelten vor dem großen Krieg, S. 31; Steyler Missionsbote, 41. Jg. (1913/14), Nr. 2, S. 27; Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 1, S. 8; Wilhelm Solf in Vietsch, Eberhard von: Wilhelm Solf. Botschafter zwischen den Zeiten, Tübingen 1961, S. 349; Schütte, Heinz: Lokale Reaktionen auf evangelische Missionsbemühungen im kolonialen Neuguinea 1887-1914, in: Wagner, Wilfried u.a. (Hrsg.): Rassendiskriminierung, Kolonialpolitik und ethnisch-nationale Identität, Münster 1992, S. 497-509, hier S. 501; Gründer, H.: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, in: Becker, F. (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung, S. 30; vgl. auch Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 45. 25 Schnee, Heinrich: Unsere schwarzbraunen Landsleute in Neuguinea, Teil I, in: Beiträge zur Kolonialpolitik und Kolonialwirtschaft, 1. Jg. (1899/1900), Nr. 1, S. 28; ähnlich: Flierl, Johann: Zur Mischehenfrage, in: Koloniale Rundschau, 2. Jg. (1910), Nr. 8, S. 471; Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 31.

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Europäer ausgegangen oder die Angehörigen der indigenen Bevölkerung als vollwertige Menschen betrachtet. Die bis in die Aufklärungszeit zurückverfolgbaren Südsee-Topoi tauchen auch in den Darstellungen aus dem Untersuchungszeitraum (und teilweise bis heute) immer wieder auf.26 Julius Riese, der die Darstellung der Samoaner und ihrer Kultur in der Samoanischen Zeitung untersucht hat, kam zu dem Schluß: „Generally it can be said that in the S[amoanische] Z[eitung] typical images about Polynesian islands, peoples and their cultures as they already existed before the beginning of German colonial rule in Samoa are confirmed and reinforced.“27 Diese Stereotype prägten nicht nur Zeitungsartikel in den Kolonien und im Mutterland, sondern auch Reiseberichte und Kolonialromane über die Südseegebiete. Die mit dem Begriff „Südsee“ verbundene Vorstellungswelt ist über Jahrhunderte hinweg so konstant und so wirkmächtig, dass Gabriele Dürbeck in Anlehnung an Edward Saids „Orientalismus“ von einem „Ozeanismus“ spricht, in dem sich ein System von Aussagen über Ozeanien rekonstruieren lässt. Dieses System ist laut Dürbeck in hohem Maße durch Stereotype geprägt, die über lange Zeiträume reproduziert wurden und „im Lichte neuer, dissonanter Erfahrungen allenfalls re-organisisiert und re-arrangiert, aber nicht revidiert werden“.28 Der Ozeanismus konstruiert ebenso wie der Orientalismus eine fremde Welt, die ein Kontrastbild zu Europa und sowohl verführerisch als auch erschreckend ist.29 Diese beiden Facetten des Südseebildes spiegeln sich auch in vielen Buchtiteln aus dem Untersuchungszeitraum wider: Sei es Felix Speisers Südsee, Urwald, Kannibalen, Elisabeth Krämer-Bannows Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, oder aber Ein verlorenes Paradies von Frieda Zieschank.30 Dem unterschiedlichen Menschenbild ist auch ein Einfluss auf die ungleiche kolonialpolitische Behandlung der Bewohner Deutsch-Neuguineas und Samoas zuzuschreiben. Während Gouverneur Solf kategorisch entschied, dass Samoaner von Arbeiten und Dienstleistungen bei Europäern befreit würden, waren die Melanesier zu einem bestimmten Arbeitspensum im Dienste der Kolonialherren verpflichtet.31 Sie waren nicht nur in ihrer Heimat auf europäischen Plantagen tätig, sondern wur-

26 Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 3; Kohl, K.-H.: Entzauberter Blick, S. 203. 27 Riese, J.: The Samoanische Zeitung, S. 21. 28 Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 5; vgl. Said, Edward W: Orientalismus, Frankfurt a.M. 2009 (englische Originalausgabe: Orientalism, New York 1978). 29 Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 5. 30 Speiser, Felix: Südsee, Urwald, Kannibalen, Stuttgart 1924; Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee; Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies. 31 Hiery, H.: Die deutsche Südsee, Einführung, S. 10-12; Ders.: Fremdherrschaft auf Samoa – Annäherung an die historische Erfahrung verschiedener Kulturen, in: Engelhard, Jutta B. / Mesenhöller, P. (Hrsg.): Bilder aus dem Paradies. Koloniale Fotografie aus Samoa 1875-1925, Köln 1995, S. 97-180, S. 105.

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den auch als Arbeitskräfte für Samoa angeworben, da sie als einfach zu handhabende und billige Arbeitskräfte galten. Über sie schrieb die in Samoa lebende Frieda Zieschank: „Dem Herrentum müssen ihnen gegenüber immer recht kräftige Lichter aufgesetzt werden; wer sie am stärksten anbrüllen kann, ist höchster Herr.“32 Hingegen hieß es, dass man Samoanern nicht zu streng und autoritär gegenübertreten dürfe, da es einfach nicht in ihrer Natur läge, für Europäer zu arbeiten. In der Diskussion um die Prügelstrafe in den Südsee-Kolonien zeigt sich ein ähnliches Bild: Chinesische Kulis und melanesische Arbeiter durften mit Schlägen bestraft werden, Samoaner hingegen nicht.33 Generell wurde aber in den Südsee-Kolonien, auch in Melanesien, im Vergleich mit Afrika sehr selten die Prügelstrafe angewendet.34 Auch im Mutterland fand die unterschiedlich starke emotionale Verbindung der Deutschen zu ihren Kolonien und deren Bewohnern seinen Ausdruck. Wurde die Südsee verglichen mit den Kolonien in Afrika von der Reichspolitik wie den deutschen Kolonialfreunden ohnehin lange Zeit eher „stiefmütterlich“35 behandelt, so kam Neuguinea noch deutlich weniger Beachtung zu als Samoa. Stewart Firth meint, dass Neuguinea in seiner Entwicklung hinter den afrikanischen Kolonien zurückblieb, weil Neuguinea von der deutschen Regierung und dem Reichstag weniger wertgeschätzt wurde.36 Auch der im Kolonialdienst in der Südsee stehende Heinrich Schnee bemerkte 1904: „Neu-Guinea bedeutet […] überwiegend in der öffentlichen Meinung: Ungesundes Klima, mörderische Eingeborene und Misserfolge.“37 Firth bezeichnet Neuguinea daher als „the forgotten colony“ und schreibt über die Abgeordneten des deutschen Reichstages: „if they noticed the Pacific at all their interest was in Samoa“.38 Nach Hiery boten jedoch sowohl die stereotypen Bilder von den Polynesiern und Mikronesiern als auch von den Melanesiern aus deutscher Sicht besondere Vorzüge für ihre Rolle als Untertanen der deutschen Kolonialmacht: Auf der einen Seite die nahezu makellose Schönheit der erstgenannten, die durch kolonialen Einfluss entsprechend behutsam „technisch“ verbessert werden sollten, und auf der an-

32 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 98f. 33 Vgl. verschiedene Schreiben zum Thema Prügelstrafe in BArch, R 1001/5378 u. 5379; Gouvernements-Verordnung, betreffend die chinesischen Kontraktarbeiter, §20, in: Samoanisches Gouvernements-Blatt, Band III (1912); Nr. 88, S. 5; Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 669f. 34 Vgl. verschiedene Schreiben zum Thema Prügelstrafe in BArch, R 1001/5379; Graichen, G. / Gründer, H.: Deutsche Kolonien, S. 204. 35 Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 205; Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 87. 36 Firth, S.: New Guinea under the Germans, S. 166. 37 Schnee, H.: Bilder aus der Südsee, S. 360. 38 Firth, S.: New Guinea under the Germans, S. 169.

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deren Seite die Mitleid erweckenden schutzbedürftigen Melanesier, die noch in besonderem Maße formbar schienen, da sie kulturell gesehen noch in der Steinzeit zu leben schienen.39 Trotz dieser unterschiedlichen Wahrnehmung von Polynesiern, Mikronesiern und Melanesiern und der zweifellos zu erkennenden Tendenz, erstere vorwiegend als „noble savages“, also „edle Wilde“, zu beschreiben und im Kontrast dazu die Melanesier als „wilde Menschenfresser“ beziehungsweise „ignobel savages“, sollte diese Zuordnung nicht generalisiert werden. Denn in den für diese Arbeit ausgewerteten Quellen zeigte sich, dass trotz aller Konstanten in den vom „Südsee-Mythos“ beeinflussten Berichten sowohl Polynesier und Mikronesier als auch Melanesier teils positiv, teils negativ geschildert wurden, wie in den folgenden Kapiteln deutlich werden wird. Das Natürliche und Ursprüngliche, das in nahezu allen Beschreibungen der indigenen Bewohner der Südsee-Kolonien eine zentrale Rolle spielte, konnte unabhängig von deren Herkunft sowohl positiv besetzt sein und für das Unverfälschte, Unverdorbene und Wahre stehen, als auch die negative Komponente des Wilden, Unberechenbaren und Grausamen vertreten. Auch Gabriele Dürbeck kam in ihrer Untersuchung über die deutschsprachige Südseeliteratur des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts letztlich zu dem Ergebnis, dass diese zwar die SüdseeTopoi und -Stereotype aus den Reiseberichten der Spätaufklärung fortschrieben, dass hier jedoch die Dichotomie von edlem und unedlem Wilden nicht mehr mit einer klaren Melanesien/Polynesien-Division einherging, sondern die Beschreibungen der indigenen Bevölkerung vielfältiger ausfielen.40 Bevor auf das im untersuchten Quellenmaterial vermittelte Bild von den Bewohnern der Südsee-Kolonien näher eingegangen wird, sollen zunächst die Zusammenhänge zwischen Kolonialismus und Rassismus dargestellt und schließlich die Debatten um die sogenannte „Mischehe“ beleuchtet werden.

12.2 D ER Z USAMMENHANG UND R ASSISMUS

VON

K OLONIALISMUS

Wie die immer wieder in kolonialen Texten vorkommenden Stereotypen vom „edlen Wilden“ und „wilden Menschenfresser“ zeigen, beherrschte ein bestimmtes Bild von der indigenen Bevölkerung der Südsee-Kolonien die Vorstellung der Deutschen; dieses war eng mit einem Konzept von „Rasse“ verbunden. Auch Horst Gründer betont, dass westliche rassische und rassistische Vorstellungen und Kon-

39 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 29. 40 Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 54f.

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zepte allgemeiner konstitutiver Bestandteil der abendländisch-westlichen Expansionsgeschichte waren.41 Das Wort „Rasse“ lässt sich seit dem 13. Jahrhundert bei jenen Nationen belegen, die Vorreiterstellungen im europäischen Expansionismus einnahmen, nämlich bei Italienern, Portugiesen und Spaniern.42 Anfangs wurde der Begriff allerdings vor allem im Zusammenhang mit Dynastie, Geschlecht, Adel oder Generation verwendet. In der Zeit des transatlantischen Sklavenhandels wurde die dunkle Hautfarbe dann mit dem niedrigen Sklavenstatus in Verbindung gebracht und dadurch negativ besetzt, wohingegen zuvor die unterschiedlichen Hautfarben der Menschen kaum beachtet worden waren. Eine zweite Wurzel des Rassismus ist in der Zeit der Aufklärung zu finden, in der Hautfarbe, Physiognomie und Anatomie mit Intelligenz und Charaktereigenschaften gekoppelt und in ein hierarchisches System eingeordnet wurden. Angetrieben von dem Wunsch nach exakter Kenntnis und Ordnung der Welt entwarfen Philosophen wie Immanuel Kant, dessen Schrift Von den verschiedenen Racen der Menschen 1775 erschien, eine Klassifikation der Rassen, an deren Spitze der „homo europaeus“, beziehungsweise die „kaukasische Rasse“ stand, und die mit der Abwertung sogenannter „inferiorer Kulturen“ verbunden war. Für die argumentative Untermauerung des Kolonialismus war zudem bedeutend, dass im 19. Jahrhundert die von Charles Darwin in seinem 1859 erschienenen Werk Origin of species dargestellte Theorie der natürlichen Selektion auf Nationen und Völker übertragen wurde, woraus sich der Herrschaftsanspruch der angeblich höher stehenden „Kulturvölker“ über die als unterlegen betrachteten „Naturvölker“ ableiten ließ.43 Mit der Einbindung der „Rassen“ in ein hierarchisches Konzept war der Schritt zum Rassismus vollzogen, auch wenn der Begriff „Rassismus“ erst seit den zwanziger oder dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts verwendet wird.44 Rassismus stützt sich nach Robert Miles auf die Theorie, „dass bestimmte menschliche Eigenschaften und Fähigkeiten durch die Rasse determiniert sind“.45 Johannes Zerger betont, dass sich Rassismus jedoch keinesfalls allein auf biologistische Begründungen be-

41 Gründer, H.: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, S. 27. 42 Ebd. 43 Zu diesem Absatz vgl. Gründer, H.: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, S. 27-29; El-Tayeb, Fatima: Schwarze Deutsche. Der Diskurs um „Rasse“ und nationale Identität 1890-1933, Frankfurt a.M. 2001, S. 11; Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 139-150. 44 Zerger, Johannes: Was ist Rassismus? Eine Einführung, Göttingen 1997, S. 63. 45 Miles, Robert: Rassismus. Einführung in Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg 1992, S. 58.

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schränken muss.46 Zergers Begriffsdefinition lautet daher: „Rassismus umfasst Ideologien und Praxisformen auf der Basis der Konstruktion von Menschengruppen als Abstammungs- oder Herkunftsgemeinschaften, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden, die implizit oder explizit bewertet und als nicht oder nur schwer veränderbar interpretiert werden.“47 Albert Memmi expliziert drei Komponenten, aus denen sich Rassismus zusammensetzt: Die Hervorhebung von Unterschieden, deren Bewertung und der Gebrauch der Wertung im Interesse und zugunsten des Anklägers.48 Alle drei hier genannten Elemente sind im kolonialen Kontext zu finden. Unterschiede zwischen „den Weißen“ und „den Eingeborenen“ wurden stets betont, besonders bezogen auf Sitte und Moral, Kleidungs- und Ernährungsgewohnheiten, kulturelle Bräuche und die Einstellung zur Arbeit. Die indigene Lebensweise wurde ausführlich in der Kolonialpresse dokumentiert und so weiten Kreisen im Mutterland nahe gebracht. Die Hervorhebung der Unterschiede zwischen der fremden und der eigenen Kultur wurde häufig mit negativen Urteilen über die indigene Bevölkerung verbunden. Typisch war in diesem Zusammenhang die Charakterisierung der kolonisierten Bevölkerung als wild, kulturlos, faul, schmutzig, dumm, unehrlich und unsittlich. Auch positivere Beschreibungen transportieren zumindest ein Bild von unterlegenen, schlichten und naiven Menschen.49 Diese den kolonisierten „Rassen“ als typisch zugeschriebenen Eigenschaften sollten den Kolonialismus rechtfertigen. Die Unterwerfung und Nutzung der kolonialisierten Gebiete wurde argumentativ verknüpft mit einer angeblich nötigen „Kulturmission“ oder „Zivilisierungsmission“50, wie beispielsweise in einer viel zitierten Äußerung des ersten Leiters des Reichskolonialamtes, Staatssekretär Dernburg, deutlich wird: „Kolonisation [...] heißt die Nutzbarmachung des Bodens, seiner Schätze, der Flora, der Fauna und vor allem der Menschen zugunsten der Wirtschaft der kolonisierenden Nation und die46 Zerger, J.: Was ist Rassismus?, S. 71-73. 47 Ebd., S. 81. 48 Zitiert nach Kettlitz, Eberhardt: Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871, Frankfurt a.M. 2007, S. 42. 49 In wie fern dieses Ergebnis, das auf der im Rahmen dieser Arbeit vorgenommenen Analyse zahlreicher kolonialer Publikationen beruht, auch auf die Beurteilung der indigenen Bevölkerung der Südsee-Kolonien durch die deutschen Frauen zutrifft, wird im weiteren Verlauf untersucht. Zu den Stereotypen, die über die Kolonisierten verbreitet wurden und dem daraus resultierenden Umgang mit denselben vgl. auch: Gründer, H.: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, S. 30-33; Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 160-168. 50 Vgl. Conrad, S.: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 25f, 70f; Osterhammel, Jürgen: „The Great Work of Uplifting Mankind“. Zivilisierungsmission und Moderne, in: Barth, Boris / Osterhammel, Jürgen (Hrsg.): Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, Konstanz 2005, S. 363-425, hier: S. 363-366, 408-422.

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se ist dafür zu der Gegengabe ihrer höheren Kultur, ihrer sittlichen Begriffe, ihrer besseren Methoden verpflichtet.“51

Die weißen Kolonialherren sollten die indigene Bevölkerung aus ihrer niedrigen Entwicklungsstufe „emporheben“, indem sie ihr die Segnungen der Zivilisation brachten, sie nach westlich-christlichen Vorstellungen „erzogen“ und ihnen so ein vermeintlich besseres Leben ermöglichten.52 Kern dieser von Rudyard Kipling als „white man’s burden“ bezeichneten Aufgabe sollte die „Erziehung zur Arbeit“ sein, der zivilisierende Kraft zugeschrieben wurde – zudem war natürlich die Gewinnung von zuverlässigen Arbeitskräften für eine erfolgreiche Kolonisierung essentiell.53 Gründer bezeichnet die „Erziehung zur Arbeit“ gar als „Fundamentalsatz der deutschen Kolonialideologie und Kolonialpädagogik schlechthin – allerdings nicht nur der deutschen“.54 Europäer kamen nach damaliger Vorstellung für harte körperliche Arbeit in tropischer Hitze nicht in Frage: „Der Europäer welcher die Kolonisation unternimmt, ist außer Stande, aus seiner eigenen Rasse heraus ein Arbeitermaterial zu stellen, welches diesen Anforderungen genügte; das hat die Erfahrung gelehrt; das hat aber auch den Europäer frühzeitig auf den Gedanken geführt, sich der Arbeitskräfte der niederen farbigen Menschenrasse zu bedienen.“55

Die „niederen Menschenrassen“ wurden von vielen also primär als Arbeitskräfte wahrgenommen, die den Zielen der weißen Kolonisatoren dienlich sein sollte. Diese Rollenverteilung wurde immer wieder durch die angeblich natürlichen Eigenschaften der „Rassen“ gerechtfertigt. „Solcher Bevormundung bedarf das farbige Naturkind dringend“ wurde in der Deutschen Kolonialzeitung behauptet.56 Gouverneur Solf betonte jedoch, dass die Kolonisierung auch den Bedürfnissen der indigenen Bevölkerung gerecht werden müsse: „Kolonisieren ist Missionieren, und zwar 51 Abdruck eines Vortrages von Bernhard Dernburg, gehalten am 8. Jan. 1907, in: Deutsches Kolonialblatt, 18. Jg. (1907), Nr. 2, S. 58. 52 Vgl. Solf, W.: Kolonialpolitik, S. 33. 53 Vgl. Conrad, S.: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 58; Gründer, H.: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, S. 34f. – Das von Rudyard Kipling verfasste Gedicht „The White Man's Burden“ erschien erstmals 1899 in dem Magazin McClure’s und trug damals den Untertitel „The United States and the Philippine Islands“; vgl. zu Kiplings Gedicht auch: Osterhammel, J.: „The Great Work of Uplifting Mankind“, S. 372. 54 Gründer, H.: Zum Stellenwert des Rassismus im Spektrum der deutschen Kolonialideologie, S. 34; vgl. Conrad, S.: Deutsche Kolonialgeschichte, S. 58. 55 Schellong, Otto: Der Deutsche in Kaiser Wilhelmsland in seiner Stellungnahme zum Landeseingeborenen, in: Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 2. Jg. (1889), Nr. 9, S. 69. 56 Ebd.

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Missionieren in dem hohen Sinne der Erziehung zur Kultur. Aber nicht zur europäischen Kultur, sondern zu einer Kultur, die in dem Boden und in der Heimat der Eingeborenen Wurzel fassen kann und ihrem geistigen und seelischen Zuschnitt angepasst ist.“57 Obwohl sich Solf dagegen aussprach, den Kolonialisierten die europäische Kultur „überzustülpen“, ist seine Vorstellung von Kolonisierung ebenfalls von rassenhierarchischen Einstellungen geprägt. Auch er ging davon aus, dass die indigene Bevölkerung zur Kultur erzogen werden müsse. Damit unterstellte er den Einheimischen nicht nur bisherige Kulturlosigkeit, sondern infantilisierte sie zudem, da er sie wie Kinder erziehen wollte. Ebenso hat die Formulierung „ihrem geistigen und seelischen Zuschnitt angepasst“ aus heutiger Sicht eine abschätzige Konnotation. Auch Kettlitz weist auf die „Verknüpfung von paternalistischer Haltung und rassistischer Rhetorik“ bei Solf hin.58 In diesem Zusammenhang soll allerdings davor gewarnt werden, die heutige Lesart auf die damalige Zeit zu übertragen und rein auf Basis der Formulierungen eine rassistische Einstellung herzuleiten, wie es bisweilen geschieht. Bezeichnungen für die indigene Bevölkerung wie „Neger“ oder „Wilde“ hatten nicht dieselbe deutlich negative und rassistische Konnotation, die man heute wahrnimmt, sondern waren allgemein gebräuchliche Ausdrücke. Nicht jede deutsche Frau, die von „Kanakenweibern“ sprach, nutzte diese Bezeichnung, um die indigenen Frauen abzuwerten. So finden sich in den Quellen auch durchaus positive Berichte über „Kanaken“ und „die lieben Wilden“, was heute wohl mit ganz anderen Gefühlen gelesen wird als damals.59 Allein aus heute rassistisch wirkender Wortwahl kann also nicht 57 Zitiert nach Gründer, H.: Geschichte der deutschen Kolonien, S. 207. Auch in seinem politischen Vermächtnis von 1919 betonte Wilhelm Solf: „Es gilt dabei nicht, die Eingeborenen zu Europäern zu machen. Das wäre aussichtslos und in der Absicht falsch.“, siehe: Solf, W.: Kolonialpolitik, S. 33. 58 Kettlitz, E.: Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871, S. 71; vgl. Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 342. 59 Ohnehin ist das Wort „Kanake“ eine aus dem Polynesischen entlehnte Bezeichnung, die ursprünglich schlicht „Mensch“ bedeutete („kanaka“); vgl. Kluge. Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Auflage, Berlin 2002 sowie Fischer, H.: Randfiguren der Ethnologie, S. 91. – Gretel Kuhn spricht in der Regel von „Negern“, wenn sie die einheimische Bevölkerung Neuguineas meint, ohne dass sich daraus eine negative Einstellung gegenüber dieser ableiten lässt, vgl. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, beispielsweise S. 16, 19, 31, in Privatbesitz. Worte wie „Kanakenweib“ oder „Buschweib“ wurden besonders von den katholischen Missionsschwestern häufig gebraucht, wobei sie damit in der Regel entweder gar keine oder sogar eine positive Wertung verbanden, vgl. beispielsweise: Schw. Sophia ans Mutterhaus, Vunapope, 19. März 1904, AHM, Ordner AHM, „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet; Schw. Philomena ans Mutterhaus, Vunapope, 6. Aug. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05“, unverzeichnet; vgl. Kapitel 13.3.2.

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auf eine tatsächlich rassistische Haltung der Verfasser oder Verfasserinnen geschlossen werden. Beurteilt werden müssen vielmehr die transportierten Inhalte als die Wortwahl, denn „wer die Sprache der Kolonialzeit mit der Sensibilität der Gegenwart für ethnologische und anthropologische Terminologie misst, der erhält leicht einen verzerrten Eindruck“, wie Samulski treffend bemerkt.60 Das heute als rassistisch wahrgenommene Vokabular wurde von den Zeitgenossen meist unreflektiert verwendet. Dabei wurde aus einem „öffentlichen Wissensvorrat“ geschöpft, der über die Kolonialpresse und -literatur transportiert wurde und auf bestimmte Stereotype immer wieder zurückgriff, als sei von Tatsachen die Rede.61 Jedoch ist auch unabhängig von der Wortwahl aus nahezu allen analysierten Quellen aus dem Untersuchungszeitraum deutlich ersichtlich, dass sich die Deutschen als kolonisierende Nation der stereotyp dargestellten indigenen Bevölkerung überlegen fühlten. Dass die kolonisierte Bevölkerung nicht als den Weißen ebenbürtig behandelt werden konnte, war allgemeiner Konsens. Da der Glaube an die natürliche Hierarchie der „Rassen“ den kolonialen Herrschaftsanspruch legitimierte, war das Bewusstsein über den angeblich besonders hohen Stellenwert der eigenen „Rasse“ und Nation sowie dementsprechendes Verhalten als Basis für die Abgrenzung von der indigenen Bevölkerung von großer Bedeutung,62 wie in kolonialen Veröffentlichungen immer wieder betont wurde: „Auch in der Ferne, im Urwald und am Rande der Wüste, unter Lebensverhältnissen, die denen der Heimat oft in nichts gleichen, soll der Deutsche nie vergessen, daß er ein Deutscher ist, auch in der Fremde und bei allen Versuchungen der fremden Umgebung soll er deutsche Zucht und Sitte bewahren!“63

In einem Berufsratgeber für junge Mädchen hieß es über die Tätigkeit in Übersee: „Wer dort draußen ausharrt und sich immer der hohen Sendung seiner Rasse und seines Volkes bewusst bleibt, leistet Großes auch für die Heimat.“64 Um die Hierarchie der „Rassen“ und somit die koloniale Ordnung aufrecht zu erhalten, war es wichtig, die Sphäre der „Eingeborenen“ und der „Weißen“ möglichst klar voneinander zu trennen. So gab es für die beiden Bevölkerungsgruppen beispielsweise

60 Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 343. 61 Vgl. Kettlitz, E.: Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871, S. 47. 62 Zur Verwendung der Begriffe „Nation“ und „Rasse“, bzw. der „oszillierende[n] Begriffsverwendung von ‚Rasse‘ und ‚Deutschtum‘“: Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 169. 63 Unter dem Roten Kreuz, 24. Jg., Nr. 6/7, S. 63. 64 Schrey, K.: 100 Berufe für Frauen und Mädchen des deutschen Mittelstandes, S. 61.

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getrennte Schulen und Krankenhäuser.65 Vor allem aber für das duale Rechtssystem der Kolonien war die Unterscheidung zwischen „Eingeborenen“ und „Nichteingeborenen“ entscheidend: Je nachdem, ob man den Rechtsstatus der einen oder der andern Gruppe innehatte, orientierte sich die Rechtsprechung an anderen Gesetzesgrundlagen.66 Die „Eingeboren“ mussten sich zudem paternalistischen Verordnungen fügen. Wie schon erwähnt, war den Samoanern beispielsweise die Aufnahme von Krediten, das Schuldenmachen und das Glücksspiel verboten und in keiner der deutschen Südsee-Kolonien durften an die indigene Bevölkerung Alkohol und Waffen verkauft werden.67 Die imaginierte klare Grenze zwischen den „Eingeborenen“ und den „Nichteingeborenen“, die in den meisten Publikationen mit der Unterscheidung zwischen „Schwarzen“ – beziehungsweise „Braunen“ – und „Weißen“ gleichgesetzt wurde,68 erwies sich jedoch im kolonialen Alltag als schwer zu ziehen: Allen Forderungen nach „Rassenbewusstsein“ zum Trotz waren sexuelle Beziehungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen sehr verbreitet – mit weitreichenden Folgen für die koloniale Ordnung, die vor allem im Mutterland die Gemüter erhitzten. Die folgenden beiden Kapitel beschäftigen sich mit diesen Verbindungen und der Angst vor einer Vermischung der Sphären von Kolonisatoren und Kolonisierten.

12.3 I NDIGENE F RAUEN UND WEISSE M ÄNNER Die ersten weißen Männer, die in die Südseegebiete kamen, hielten sich nicht mit rassenpolitischen Bedenken auf. Schon lange vor der offiziellen Übernahme der Verwaltung durch europäische Mächte gingen weiße beachcomber, Walfänger und Händler sexuelle Beziehungen mit indigenen Frauen ein. Weiße Frauen gab es zu dieser Zeit dort nicht und die einheimischen Frauen, besonders in Polynesien, gal-

65 Zum Schulsystem in den Südsee-Kolonien vgl. Hiery, H.: Schule und Ausbildung in der deutschen Südsee. Hiery macht allerdings deutlich, dass die Schüler de facto nicht klar nach Nation oder Ethnie getrennt unterrichtet wurden, sondern beispielsweise die „Regierungsschule für Europäer“ in Samoa von zahlreichen „Mischlingskindern“ verschiedenster Abstammung besucht wurde, vgl. S. 232. Zu den Krankenhäuser siehe: Davies, M.: Das Gesundheitswesen im Kaiser-Wilhelmsland und im Bismarckarchipel. 66 Zum Rechtssystem in den Südsee-Kolonien siehe: Sack, Peter: Das deutsche Rechtswesen in Melanesien, in: Hiery, H. J. (Hrsg.): Die deutsche Südsee 1884-1914. Ein Handbuch, Paderborn 2001, S. 322-342; Ders.: Das deutsche Rechtswesen in Mikronesien, ebd., S. 535-557; Ders.: Das deutsche Rechtswesen in Polynesien, ebd., S. 676-689. 67 Hiery, H. J.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 657. 68 Dass diese Kategorien jedoch nicht immer deckungsgleich verwendet wurden und die Grenzen ohnehin oft fließend waren, wird im Folgenden deutlich werden.

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ten, wie bereits deutlich wurde, als exotische Schönheiten. Wie faszinierend die meist nur spärlich bekleideten Bewohnerinnen der Südseeinseln und ihr vielerorts freier Umgang mit Sexualität auf die aus ihrer Heimat an eine rigide Sexualnorm gewöhnten weißen Männer gewirkt haben müssen, lässt sich an den auch noch im 19. und 20. Jahrhundert weit verbreiteten Schilderungen, Bildern und Fotografien von barbusigen indigenen Frauen ermessen.69 Die befremdliche Akribie, mit der beispielsweise der Arzt und Forschungsreisende Augustin Krämer – vorgeblich mit rein wissenschaftlichem Interesse – verschiedene Brustformen und die Gestaltung der Gesäßbacken der samoanischen Frauen beschrieb, zeugt ebenfalls von dieser Faszination und sollte wohl genau wie die zahlreichen beigefügten Illustrationen entsprechende Erwartungen der heimatlichen Leser befriedigen.70 Viele der sexuellen Verhältnisse zwischen den weißen Neuankömmlingen und indigenen Frauen manifestierten sich in Ehen, die zunächst auf die jeweilige traditionelle indigene Art geschlossen wurden. Die kulturellen Unterschiede im Verständnis von „Ehe“ berücksichtigend soll dieser Begriff hier nach Thode-Arora definiert werden als „eine öffentlich anerkannte und kulturell definierte Verbindung zwischen (mindestens) einem Mann und (mindestens) einer Frau [...] mit dem Ziel der Dauerhaftigkeit und exklusiven oder vorrangigen sexuellen Rechten aneinander.“71 – wobei das „Ziel der Dauerhaftigkeit“ im untersuchten Kontext nicht unbedingt gegeben sein musste oder nur eine recht kurze Dauer umfassen konnte, wie sich noch zeigen wird. Weiße Männer konnten in den Südseegebieten ohne große Schwierigkeiten in das traditionelle Heiratssystem integriert werden. In Samoa war es vor allem für höhere Gesellschaftsschichten schon lange vor der Ankunft der ersten Weißen üblich, mit Bewohnern benachbarter Inselgruppen Ehen zu schließen, vor allem aus Tonga, Fidschi und Uvea.72 Die Verbindung mit Nicht-Samoanern und die daraus hervorgehenden Nachkommen wurden als Bereicherung für die samoanische Gesellschaft empfunden. Diese Einstellung wurde auch auf die Weißen übertragen. 69 vgl. hierzu Mesenhöller, P.: „Für die Freunde im Vaterland“. 70 Beispielsweise: Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band II, S. 47: „Die Brüste sind recht verschieden gestaltet. Neben den halbkugelförmigen, schalenähnlichen, mit kleinen Warzenhöfen und Mamillen (Bild 16 und 19) gewahrt man häufig flaschenkürbisähnliche hängende (Bild 8 und 22) und besonders häufig die zitzenförmigen, ziegeneuterähnlichen, mit konisch gestalteter Warze und breiten, dunklen Warzenhöfen [...]. Werden die Mädchen älter, so werden die Brüste meist noch größer und weich, hängen herab und sind häufig durch eine Hautfalte miteinander verbunden (Bild 40).“ Zu den Gesäßbacken: ebd., S. 49. 71 Thode-Arora, Hilke: Interethnische Ehen. Eine Bilanz nach achtzig Jahren Forschung, in: Schlehe, Judith (Hrsg.): Zwischen den Kulturen – zwischen den Geschlechtern. Kulturkontakte und Genderkonstrukte, Münster 2000, S. 85-88, S. 67. 72 Samulski, R.: Die Sünde im Auge des Betrachters, S. 330.

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Zwar ließ sich ihr sozialer Status aus Sicht der samoanischen Bevölkerung zunächst schwer einschätzen, da man ihre Familien- und Abstammungsverhältnisse nicht kannte, denen in Samoa so viel Wert beigemessen wurde. Doch wurde dieses Manko durch andere Vorzüge ausgeglichen: Weiße boten Zugang zu neuen Waren und Technologien und konnten weitere Kontakte zu ihresgleichen vermitteln.73 So war eine Verheiratung mit einem Weißen für Samoanerinnen attraktiv und bedeutete einen Prestigegewinn; viele Frauen beteiligten sich daher aktiv am Zustandekommen dieser Ehen.74 Die traditionelle Form der Ehe, fa’a samoa (also auf samoanische Art), wurde aus deutscher Perspektive relativ formlos geschlossen. Man bat die Eltern oder den Bruder der Frau um deren Hand und brachte ihnen Essen, deren Annahme als Einverständnis zur Vermählung galt (bei hochrangigen Samoanerinnen war das Zeremoniell allerdings ausgefeilter).75 Auch die Scheidung war ohne Formalitäten möglich und einer schnellen Wiederverheiratung stand aus samoanischer Sicht nichts im Wege.76 Den weißen Männern wird also der Schritt zu einer Verheiratung fa’a samoa nicht nur auf Grund der mangelnden schriftlichen Fixierung nicht allzu folgenreich erschienen sein, was das Eingehen einer solchen Ehe befördert haben dürfte. Die Verbindung mit einer Landestochter verbesserte zudem die soziale und politische Stellung der Männer. Sie bot ihnen einen Informationsvorsprung gegenüber anderen Weißen sowie leichteren Zugang zu Landbesitz und Handelsbeziehungen.77 Ein Besucher Samoas hob in seinen Reiseschilderungen außerdem hervor, dass sich durch die Partnerschaft mit einer indigenen Frau der Gebrauch der einheimischen Sprache besonders gut erlernen ließe und fuhr wie folgt fort: „Nicht nur als Sprachlehrerin aber leistet die eingeborene Frau ihrem Manne gute Dienste, sie ist auch die natürliche Vermittlerin zwischen ihm und der Bevölkerung; seine Kenntnisse über alles Samoanische werden sich durch den Umgang mit ihr in einer Weise erweitern und vertiefen, wie sie den Außenstehenden nur nach jahrelangen Beobachtungen und unermüdlichem Forschen zuteil werden.“78

73 74 75 76 77

Ebd. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 44f. Vgl. Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band I, S. 35f, 39. Ebd., S. 39; Reinecke, F: Samoa, S. 134. Samulski, R.: Die Sünde im Auge des Betrachters, S. 331; Hiery, Hermann J.: Germans, Pacific Islanders and Sexuality. German Impact and Indigenous Influence in Melanesia and Micronesia, in: Ders. / MacKenzie, J. (Hrsg.): European Impact and Pacific Influence. British and German Colonial Policy in the Pacific Islands and the Indigenous Response, London 1997, S. 299-323, hier S. 301; Ders.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 40 u. 45; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 121. 78 Siegfried Genthe in Wegener, G. (Hrsg.): Samoa, S. 144.

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Die Vorzüge einer Verbindung mit einer indigenen Frau wussten weiße Männer auch in anderen Südseegebieten zu schätzen. Auch in Mikronesien und Melanesien gab es viele solcher Beziehungen, wenn sie auch nicht so weit verbreitet waren wie in Samoa. Vor allem in Melanesien entsprachen die Frauen meist nicht dem europäischen Schönheitsideal und wie schon deutlich wurde, galten die Menschen hier als kulturell weniger weit entwickelt als in Polynesien.79 Trotz dieser negativen Stereotype, die vor allem in der Kolonialpresse verbreitet wurden, erwies sich vor Ort die sexuelle Attraktivität der indigenen Frauen auf die deutschen Männer. Den Akten ist zu entnehmen, dass offenbar selbst einige deutsche Missionare sexuelle Beziehungen mit einheimischen Frauen eingingen und damit einen Skandal verursachten, zumal einige von ihnen verheiratet waren. Bekannt ist beispielsweise der Fall des Karl Panzer von der Neuendettelsauer Mission, der von Einheimischen angeklagt wurde, da er mit einer jungen Frau aus ihrem Dorf Geschlechtsverkehr gehabt haben sollte.80 Offenbar bekam diese auch ein Kind von dem Missionar, der mit seiner neuen Familie zusammengelebt haben soll, bis seine deutsche Ehefrau, Mathilde Wagner, sich in dieser Angelegenheit brieflich an Missionssenior Flierl wandte.81 Daraufhin wurde Panzer, der unter psychischen Problemen gelitten haben soll, nach Deutschland zurückgeschickt, während seine deutsche Frau mit den gemeinsamen Kindern auf der Missionsstation Sattelberg zurückblieb.82 Diese Vorfälle ereigneten sich zwar erst Anfang der 1920er Jahre, also nach dem Untersuchungszeitraum, doch auch schon vor seiner Ehe mit Mathilde (also vor 1912), als er noch am Sattelberg Missionar war, soll Panzer bereits eine Beziehung mit einer Einheimischen unterhalten haben.83 Auch der Neuendettelsauer Missionar Johann Stößl verursachte einige Aufregung unter Kollegen und Vorgesetzten, als im Jahr 1918 ans Licht kam, dass er fünf Jahre zuvor sein indigenes Hausmädchen „seine unreine Begier“ habe merken lassen.84 Dass die sexuellen Kontakte zwischen weißen Männern und einheimischen Frauen nicht immer mit dem Einverständnis der Frauen erfolgten, zeigen gerichtliche Ermittlungsakten, in denen den Männern sexuelle Nötigung oder Vergewaltigung vorgeworfen wurde. Schwere Vorwürfe wurden beispielsweise gegen den Herz-Jesu-Pater Erdland erhoben, der in Mikronesien tätig war. Verschiedene Zeu-

79 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 41-43. 80 Johann Flierl (wahrscheinlich an die Missionsleitung in Neuendettelsau), Heldsbach, 27. Okt. 1922, AMEW, Vorl. Nr. 4.34/3. 81 Zum Fall Panzer siehe: Fischer, H.: Randfiguren der Ethnologie, Kapitel 6: Der Missionar, S. 91-113, v.a. S. 108-111. 82 Ebd., S. 110; vgl. Johann Flierl (wahrscheinlich an die Missionsleitung in Neuendettelsau), Heldsbach, 27. Okt. 1922, AMEW, Vorl. Nr. 4.34/3. 83 Fischer, H.: Randfiguren der Ethnologie, S. 108. 84 Vgl. verschiedene Schreiben aus dem Jahr 1918 in AMEW, Vorl. Nr. 4.42.

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gen sagten aus, er habe versucht, eine einheimische Waschfrau zu vergewaltigen und habe auch anderen Missionszöglingen nachgestellt, wobei er sein Vorhaben offenbar in einigen Fällen zu Ende führen konnte.85 In der Vernehmung gaben einige Zeugen auch an, sie hätten gehört, „daß ähnliche Sachen sowohl auf den Missionsstationen in Likib und Nauru vorkämen“.86 Die Bemerkung in einem Vernehmungsprotokoll, dass Pater Kaiser und Bruder Rüter, die beide in Nauru stationiert waren, „an der Ederario, die Dienerin bei den Schwestern ist, bei offenem Fenster unzüchtige Handlungen vorgenommen haben“87, wirft die Frage auf, ob die Schwestern diese Vorgänge nicht bemerkten. Auffälligerweise waren in den Aufzeichnungen der Schwestern keine Hinweise auf die genannten Fälle zu finden. Ob die Vorgänge den Schwestern tatsächlich verborgen blieben oder ob Zensur oder Selbstzensur für das Schweigen der Quellen verantwortlich sind, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Mission war sicherlich bemüht, diese Fälle nicht publik werden zu lassen. Pater Erdland verließ die Kolonie letztlich Richtung Sydney und das Verfahren gegen ihn wurde vom Kaiserlichen Bezirksrichter „wegen Abwesenheit des Beschuldigten vorläufig eingestellt“.88 Wie sich anhand der Quellen belegen lässt, waren neben den genannten Missionsangehörigen auch andere männliche Bewohner in den verschiedenen Südseegebieten in Prozesse um sexuelle Nötigung und Vergewaltigung verwickelt.89 Zwar sind also Fälle zu finden, in denen die weißen Männer ihre überlegene Position im kolonialen Machtgefüge den indigenen Frauen gegenüber ausnutzten, daneben lebten jedoch auch in Melanesien eine Vielzahl indigener Frauen und weißer Männer in gegenseitigem Einvernehmen zusammen. Viele der als „Haushaltshilfen“ bei 85 Vgl. Ermittlungsakten geg. Pater Erdland, Jaluit, Feb. 1910, BArch, R 1001/2580. Auch Hiery erwähnt Fälle, in denen zölibatäres Missionspersonal die Gelübde sexueller Enthaltsamkeit in der Südsee nicht aufrecht erhielt, vgl. Hiery, H.: Die deutsche Südsee, S. 52. 86 Aussage von C. Dominik im Zuge der Vorladung verschiedener Zeugen, Jaluit, Feb. 1910, Ermittlungsakten geg. Pater Erdland, BArch, R 1001/2580; im Zusammenhang mit den Vorfällen in Likib wird auch Bruder Engelhardt belastet, vgl. Aussage von E. Gründler, ebd. 87 Aussage von E. Gründler im Zuge der Vorladung verschiedener Zeugen, Jaluit, Feb. 1910, Ermittlungsakten geg. Pater Erdland, BArch, R 1001/2580. 88 Beschluß des Kaiserlichen Bezirksrichters Berghausen, Jaluit, 19. Feb. 1910, Ermittlungsakten geg. Pater Erdland, BArch, R 1001/2580; vgl. auch Hiery, H.: Eliten im Elysium, S. 437; Ders.: Melanesische Sexualität, Europäische Mission und deutsche Kolonialverwaltung. Die Ehegesetzgebung in Deutsch-Neuguinea 1904 und ihre Folgen, in: Wagner, Wilfried (Hrsg.): Kolonien und Missionen. Referate des 3. Internationalen kolonialgeschichtlichen Symposiums 1993 in Bremen, Münster 1994, S. 535-547, hier S. 537. 89 Vgl. beispielsweise die Akten in der Strafsache gegen den Lageraufseher Waldemar Kolbe zu Herbertshöhe. wegen Notzucht und Unterschlagung, NAA, G 254, 106.

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weißen Männern eingestellten Frauen waren zugleich deren Sexualpartnerinnen und Vermittlerinnen zwischen den Kulturen.90 Auch mit dem melanesische Verständnis von Ehe gingen die Beziehungen zu weißen Männern konform: Traditionell wurden Ehen in weiten Teilen Melanesiens durch den Kauf oder Raub der Frau geschlossen, wobei der „Raub“ häufig mit Vorwissen und Einverständnis der Frau durchgeführt wurde. In der Regel musste ein Brautpreis in Form von Lebensmitteln und anderen Gütern wie beispielsweise Schmuck oder auch in Muschelgeld an die Familie der Frau gezahlt werden. Die Verheiratung wurde durch ein Festessen besiegelt und konnte meist relativ formlos wieder gelöst werden, wenn der Brautpreis zurückerstattet oder durch einen neuen Partner entrichtet wurde. Durch den Kauf wurde die Frau Eigentum des Mannes und musste für ihn arbeiten.91 Dass auch die weißen Männer sich in Neuguinea gerne eine Ehefrau „kauften“92 und wie seine eigenen Ehen mit melanesischen Frauen sich gestalteten, schilderte Lajos Biró, ein ungarischer Naturkundler und Ethnograph, der sich von 1896 bis 1902 in der Gegend von Madang in Neuguinea aufhielt.93 Sein Bericht, der in Auszügen 1986 aus dem Ungarischen ins Englische übersetzt und von Gábor Vargyas veröffentlicht wurde, stellt eine einzigartige Quelle dar, da der Verfasser ungewöhnlich offen und detailliert Einblick in seine Beziehungen zu den einheimischen Frauen gab.94 Biró beschrieb diese Ehen als Zweckehen, darüber hinausgehende Beziehungen könne man auf Grund der großen Unterschiede in „Rasse“, Hautfarbe und Lebensweise nicht erwarten.95 Seiner Einschätzung nach sei beiden Seiten der pragmatische Hintergrund der Eheschließung bewusst gewesen. Die NeuguineaKompagnie stellte laut Biró nur unverheiratete Männer ein, daher suchten sich diese unter den indigenen Frauen, die ebenfalls für die Kompagnie arbeiteten, eine

90 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 41. 91 Zu diesem Absatz vgl. beispielsweise Nevermann, Hans: St. Matthias-Gruppe, ESE II, A, 2, Hamburg 1933, S. 183f; Ders.: Admiralitäts-Inseln, ESE II, A, 3, Hamburg 1934, S. 313; Parkinson, R.: Dreißig Jahre in der Südsee, S. 61, 63f; Mikloucho-Maclay, Nikolai: Bei den Papuas. Die Reisetagebücher des Nikolai Mikloucho-Maclay (nach einer alten Übersetzung bearbeitet), Berlin 1986, S. 219. 92 Vgl. auch Schnee, H.: Bilder aus der Südsee, S. 259: „Ein Weib kann er [der weiße Händler im Bismarck-Archipel] sich gewöhnlich ohne Mühe von den umwohnenden Stämmen kaufen, was ja nach Eingeborenenbegriffen heiraten bedeutet.“ 93 Vargyas, G.: Data on the pictorial history of North-East Papua New Guinea, v.a. S. 4153, siehe auch S. 8f; vgl. Hayes, Terence E.: Review of Vargyas, Gábor: Data on the Pictorial History of North-East Papua New Guinea, in: Pacific Studies, Vol. 12 (1989), No. 2, S. 138-140. 94 Vgl. Hayes, T.: Review of Vargyas, Gábor: Data on the Pictorial History of North-East Papua New Guinea, in: Pacific Studies, Vol. 12 (1989), No. 2, S. 139. 95 Vargyas, G.: Data on the pictorial history of North-East Papua New Guinea, S. 42.

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Braut.96 Wenn der Arbeitgeber es den Frauen erlaubte, gingen sie eine Ehe auf Zeit mit ihrem weißen Bräutigam ein und wenn dieser nach einigen Monaten oder Jahren abreiste, heirateten sie oftmals einfach seinen Nachfolger. Die Frauen, die als „meri“ bezeichnet wurden, wurden zu einer Art Dienerin der Männer und erhofften sich im Gegenzug offenbar nicht nur materielle Vorteile, sondern auch Prestigegewinn und eventuell eine leichtere Arbeit. Ihre Aufgabe war es, sich um das Wohl ihres Mannes und den Haushalt zu kümmern, das Haus sauber zu halten und die Wäsche zu besorgen.97 Über seine erste Frau Shagan schrieb Biró: „She had nothing to do except for looking after me.“98 So hatte sie ihm, wenn er sich wusch, Seife und Handtuch bereit zu halten, ihm beim Anziehen zu helfen, den Tisch zu decken und stets an seiner Seite zu bleiben, „ready for minor services“.99 Biró beschrieb, wie die „meri“ für ihre Dienste entlohnt wurde und wie sie sich dadurch von den übrigen indigenen Arbeiterinnen abhob: „The ‚meri‘ receives ready-made colourful dresses from the stock, she does not go around in clothes of the local fashion as the others that have continued in worker status. Furthermore, she receives a nice straw-hat into which she can set coloured bird-feathers around, she is granted tobacco and a small clay pipe however much she needs, and for all this she is expected to perform little, if any, work. She concludes from this that now she has become a lady, just like a missis, and her demeanour tends to imitate that of the latter, at least before her companions of the same colour.“100

Ihre Mahlzeiten nahmen die „meris“ unter sich ein, da ihnen die europäische Küche nicht zusagte, wie Biró berichtete.101 Ohnehin hätten die Frauen viel Zeit gehabt, sich miteinander zu amüsieren und auszuruhen, wenn die weißen Männer ihre Arbeit von zuhause fort führte. Als seine Frau an Malaria litt, pflegte Biró sie, was ihr laut seiner Schilderung sehr ungewöhnlich vorgekommen sei, da die indigene Bevölkerung den Kranken nur Nahrung ans Krankenlager stelle und sie sich selbst überlasse. Shagan habe daraufhin begonnen, ihn als „the good man“ zu bezeichnen.102 Dennoch sei sie eine Affäre mit einem malaysischen Arbeiter eingegangen, was die Beziehung nachhaltig trübte, da Biró Shagan Undankbarkeit vorwarf. Ohnehin zog Biró bald darauf weiter und ließ seine Frau zurück. „In their conception a man can change his coun96 97 98 99 100 101 102

Ebd., S. 43. Ebd., S. 43, 46. Ebd., S. 46. Ebd. Ebd., S. 43f. Ebd., S. 44, 46. Ebd., S. 47.

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try, while a woman can not. It is for this very reason that, along with my house I had to change my wife aswell“, erklärte Biró.103 Er schrieb, er habe Shagan daher vor seiner Abreise an seinen Nachfolger weiter verheiratet: „When I asked Shagan if she was willing to marry him, she answered with those words she had told me once before: It's all the same to me...“104 Für Shagan waren die weißen Männer offenbar austauschbar. Sie sah die Verbindung wohl vor allem als Zweckgemeinschaft, der sie recht gleichgültig gegenüberstand und zu der sie unabhängig davon, mit welchem der weißen Männer sie verheiratet wurde, ihre Zustimmung gab, solange die Rahmenbedingungen ihren Erwartungen entsprachen. Zu dieser Einschätzung gelangt man zumindest nach Birós Schilderungen – wie die Frauen selbst ihre Ehen mit den weißen Männern bewerteten, ist leider auf Grund des Mangels an Quellen von ihrer Seite nicht wirklich feststellbar. Offensichtlich ist, dass Biró weder Shagan noch seine weiteren einheimischen Frauen behandelte, wie er wohl eine weiße Frau behandelt hätte, sondern sein Verhalten den lokalen Sitten anpasste. Dabei betonte er, dass die „meris“ ein besseres Schicksal als die übrigen indigenen Frauen gehabt hätten. Von einer wirklichen Partnerschaft kann dennoch nicht die Rede sein, die Beziehungen scheinen eher einem Angestelltenverhältnis geglichen zu haben. Auch an seinem zweiten Aufenthaltsort auf den French Islands wählte Biró sich eine Frau. Da sie aus einem Nachbardorf kam und ihre Eltern noch lebten, war es ihm wichtig, sie „richtig“, also den Anforderungen traditioneller Sitte genügend, zu heiraten.105 Über Mittelsmänner einigte er sich daher mit dem Bruder der Mutter der Braut über den Brautpreis, beziehungsweise die „wedding presents“ wie er schrieb. Diese bestanden in drei lebenden Schweinen, drei Beilen, drei großen und drei kleinen Messern, außerdem Eisen, Eisennägel und Tabak. Nach der Übermittlung dieser Waren wurde ihm die Braut von ihrem Vater und ihren Onkels überbracht. Über diese zweite Frau namens Marapua schrieb Biró sehr warmherzig und bezeichnete sie im Text als „my dear, kind, gentle little Marapua“.106 Sie habe den Namen einer Blume getragen und sei zwar auch mit ernster Miene schön gewesen, ihr Lachen fand Biró aber besonders liebreizend. Er schrieb, er würde sich immer mit großer Zuneigung an sie zurückerinnern und könne kaum glauben, dass sie mittlerweile Silberhochzeit feiern würden, wenn sie noch zusammen wären.107 Zwar macht das Miteinander der ungleichen Ehepartner in Birós Schilderungen einen harmonischen Eindruck, es werden aber auch Konflikte angedeutet. So habe seine Frau verstimmt reagiert, wenn er ein ethnologisches Objekt, das Frauen nicht sehen durften, nicht 103 104 105 106 107

Ebd., S. 53. Ebd., S. 47. Ebd., S. 49. Ebd., S. 50. Ebd., S. 49f.

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rechtzeitig vor ihr verbarg. Außerdem habe sie (vergeblich) versucht, ihn zu überreden, seinen Bart abzurasieren, da sie wollte, dass er so jung wie sie aussähe – offenbar bestand ein deutlicher Altersunterschied, wie es häufig der Fall war in Beziehungen zwischen weißen Männern und einheimischen Frauen.108 Biró sei es auch bei dieser zweiten Frau zudem nicht gelungen, sie an europäisches Essen zu gewöhnen.109 Bei seiner dritten Frau namens Masis, die Biró sich auf Grund eines diplomatischen Erfolges von einem ihm zum Dank verpflichteten Dorf auf der Insel Bilbil erbeten hatte, scheint er keinen Versuch mehr unternommen zu haben, sie an europäische Sitten zu gewöhnen.110 Nachdem auch diese Braut mit einem „it’s all the same to me“ in die Ehe eingewilligt hatte, passte sich Biró ganz seiner neuen Frau an: „I confirmed to all aspects of Bilbil’s national custom, in food as well as in wear. We two lived there in our seperate house in the village row, not a single piece of European furniture could have been seen by a stranger, apart from a few chests I stored my belongings in. Masis did the chores, which involved cooking and tidying up, else she could freely dispose of her time. She cooked and baked what I liked of her country’s food [...].“111

Mesis behielt auch ihre traditionelle Kleidung, ihre Frisur und ihren Schmuck bei, was Biró offenbar nicht störte – in einer anderen ästhetischen Frage kam es jedoch zum Konflikt: Mesis wollte ihren Gesicht und ihren Kopf wie es in ihrem Umfeld üblich war, durch Bemalung mit Öl und roter Erde verzieren und konnte nicht nachvollziehen, dass Biró dies ablehnte.112 Allerdings ist es ohnehin eher ungewöhnlich, dass die weißen Männer sich so weit auf die Lebensweise ihrer indigenen Frau einließen, wie Biró es bei seiner letzten Ehe schilderte. Seine Handlungsweise ist wohl auch mit seinem ethnologischen Forschungsinteresse zu erklären. In der Mehrzahl der Fälle waren die Frauen diejenigen, die sich an die Erwartungen und Sitten ihrer weißen Männer anpassen sollten. Äußerlich deutlich wird dies vielerorts daran, dass die einheimischen Frauen, die mit weißen Männern zusammenlebten, ihre traditionelle Kleidung gegen Kleider eintauschten, die europäischem Geschmack und Schamgefühl genügten. Die Frisur wurde ebenfalls dem europäischen Schönheitsempfinden angepasst. Während beispielsweise die samoanischen Frauen traditionell als äußeres Zeichen ihrer ge108 Vgl. ebd., Abbildung 55: Die Fotografie zeigt Biró und Marapua, die tatsächlich sehr jung aussieht. 109 Ebd., S. 50. 110 Ebd., S. 51f. 111 Ebd., S. 52. 112 Ebd., S. 53.

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schlechtlichen Reife ihr langes Haar abschnitten, trugen jene, die mit Weißen verheiratet waren, es weiterhin lang, um dem damaligen europäischen Frauenbild zu entsprechen.113 Nicht nur die Haartracht, sondern auch die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern in Samoa entsprach nicht den europäischen Vorstellungen: War die Beschaffung und Zubereitung der Nahrung hier doch traditionell Männersache, worauf sich die weißen Männer nicht einließen. Dass es die Frauen waren, von denen Anpassung erwartet wurde, wird auch in einer Bemerkung des deutschen Pflanzungsbesitzers Wilhelm Grevel deutlich, der mit einer Samoanerin verheiratet war: „Nach Samoanischem Ortsgebrauch war es von jeher üblich eine Ehe mit einer Eingeborenen zunächst nur ‚fa’a samoa‘ zu schließen, um festzustellen, ob die betreffende Samoanerin sich an europäische Lebensweise und Anschauungen gewöhnen ließe.“114 Wie hier anklingt, konnte die einheimische Form der Eheschließung also auch als bequeme Entschuldigung dafür dienen, die Verbindung ohne weitere Umstände wieder zu lösen, wenn das Zusammenleben nicht funktionierte, weil sich die einheimische Frau nicht den europäischen Erwartungen gemäß „erziehen“ ließ. Da man nach deutschem Verständnis ja nicht „richtig“ verheiratet war, konnte man – ohne, dass rechtliche Verpflichtungen gegenüber einheimischer Frau und Kindern bestanden – eine neue Beziehung eingehen. Häufig waren die einheimischen Frauen eine „Übergangslösung“ für die deutschen Männer bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie in eine nach deutschem Recht gültige Ehe mit einer weißen Frau eintraten.115 So hatte selbst der Gouverneur von Neuguinea, Albert Hahl, eine einheimische Frau in Herbertshöhe und mit dieser wohl auch ein Kind.116 Als er 1899 zum Vizegouverneur der mikronesischen Inseln ernannt wurde, siedelte er auf die Insel Ponape über, wo er laut Hermann Hiery „ziemlich sicher ebenfalls eine einheimische Frau besaß“ – bevor er als Gouverneur von Neuguinea zu guter Letzt die Deutsche Luise von Seckendorff-Aberdar heiratete.117 Ob die verlassenen indigenen Frauen das Verschwinden ihres weißen Mannes tatsächlich immer so gelassen hinnahmen wie 113 Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band II, S. 37, 63. Auch die deutsche Missionarin Valesca Schulze berichtete, dass sie ihren samoanischen Schülerinnen verbot, sich ihr langes Haar abzuschneiden, siehe: Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 3. Jan. 1896, in Privatbesitz. 114 Grevel an den stellvertretenden Gouverneur Schultz, Vaipouli, 3. März 1911, ANZ(W), Samoa-BMO4 70, S8(1910/11). 115 Vgl. hierzu auch Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies, S. 94-102. Hier wird der deutsche Protagonist Karl Uffrecht, der kurz vor einer Ehe mit der deutschen Martha Peters steht, mit den Folgen seiner Beziehung zu einer Samoanerin namens Sina konfrontiert und bereut diese bitter. Auf S. 101 wird deutlich, dass auch die deutschen Bräute durch die früheren sexuellen Verhältnisse ihrer Männer in innere Konflikte geraten konnten. 116 Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 300; Ders.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 55 117 Ebd., S. 300f.

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Lajos Birós Schilderungen den Eindruck erwecken, ist ungewiss und auf Grund mangelnder Quellen kaum mehr feststellbar. Auch nach traditioneller Sitte waren es vielerorts allerdings nur die Männer, die eine Ehe beenden konnten,118 so dass das Verhalten der Weißen sich womöglich in dieses Eheverständnis entsprechend einfügte. In den Gerichtsakten aus Samoa finden sich Fälle dokumentiert, in denen sich einheimische Frauen darüber beklagen, dass sie viel in ihre Beziehung zu einem weißen Mann investierten und schließlich keine Gegenleistung erhielten. Einige von ihnen setzten sich dagegen selbstbewusst vor Gericht zur Wehr. So klagte beispielsweise die Samoanerin Tuivale dem Kaiserlichen Richter im August 1905, dass sie acht Jahre lang mit Siedler Kuckuck zusammenlebte, für ihn sorgte und ihn unterstützte, jedoch nie etwas dafür von ihm erhalten habe. Nun, nach Kuckucks Tod, leide sie selbst unter Schulden, die durch die finanzielle Unterstützung Kuckucks entstanden seien und daher verlange sie nun 1440 Mark aus dessen Erbe.119 Auch die samoanische Ehefrau Melle des Schweden Pearson musste nach dessen Tod um ihr Erbe kämpfen. Zwar hatte ihr Mann ihr all seinen Besitz vermacht, doch gab es zunächst Zweifel an der Rechtsgültigkeit der Eheschließung, so dass unklar war, ob Melle das Erbe zustünde. Im Rahmen dieses Streits gab sie an, ihren Ehemann nicht nur neun Monate lang bis zu seinem Tod gepflegt, sondern auch finanziell viel in die Ehe investiert zu haben. Alle Möbel seien vor allem durch ihre harte Arbeit erworben worden; sie habe außerdem die Medizin ihres Mannes, seinen Sarg und seine Beerdigung bezahlt. Schließlich erhielt Melle Pearson das Erbe.120 Diese Fälle verdeutlichen einmal mehr, dass eine Verbindung mit einer samoanischen Frau für weiße Männer in vielerlei Hinsicht lukrativ sein konnte. Es soll aber nicht der Eindruck erweckt werden, Beziehungen zwischen indigenen Frauen und weißen Männern hätten stets rein utilitaristischen Charakter gehabt und nicht auch auf Zuneigung basieren können. Dass sich auch wirkliche Partnerschaften entwickelten,121 in denen die Betroffenen dauerhaft zu einander stehen wollten, wird daran deutlich, dass in den ersten Jahren der deutschen Kolonialverwaltung die zunächst nach einheimischem Brauch, fa’a samoa, geschlossenen Ehen häufig nachträglich auch vor einem deutschen Standesbeamten bestätigt wurden. So sollten nicht zuletzt gerichtliche Auseinandersetzungen wie die oben angeführten vermieden und Frau und Kindern ihre Erbansprüche gesichert werden. Damit war der Schritt zu einer vor Gericht anerkannten, sogenannten „Mischehe“ vollzogen. Als „Mischehen“ wurden ursprünglich in Deutschland Ehen bezeichnet, bei denen die 118 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 179f. 119 Tuivale an den Kaiserlichen Richter (englische Übersetzung aus dem Samoanischen), 29. Aug. 1905, Samoa-BMO4 64, KI 05/06. 120 Vgl. verschiedene Schriftstücke in Samoa-BMO4 67, RH03/1906-RH01/1913. 121 Vgl. Deeken, M.: Manuia Samoa, S. 187.

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beiden Ehepartner einer unterschiedlichen Konfession angehörten.122 Im kolonialen Kontext wurde diese Bezeichnung übertragen auf „eheliche Verbindungen zwischen Angehörigen der weißen Rasse einer- und denen der farbigen Rasse andererseits“.123 Zu Beginn der deutschen Kolonialzeit waren „Mischehen beinahe erwünscht, in jedem Fall aber nicht diskreditiert“.124 Da nicht nur in den Südseegebieten, sondern in allen deutschen Kolonien viel mehr weiße Männer als weiße Frauen lebten, akzeptierte man, dass Beziehungen zwischen weißen Männern und einheimischen Frauen sehr weit verbreitet waren.125 Wie schon dargestellt wurde, herrschte zudem ohnehin die Meinung vor, dass weiße Frauen nicht für ein Leben in tropischem Klima geeignet seien.126 Außerdem sollten die ehelichen Beziehungen mit Einheimischen – sei es mit indigenen Frauen oder mit sogenannten „Halbweißen“ (diese Frauen waren bereits Nachkommen aus Beziehungen zwischen Weißen und indigenen Frauen), die deutschen Kolonialherrn an ihre neue Heimat binden. Frieda Zieschank, die mit ihrem Mann in Samoa lebte, schrieb, dass Ehen zwischen weißen Beamten und indigenen oder halbweißen Frauen „von den oberen Stellen sehr gern gesehen werden, wohl in der richtigen Erwägung, daß dadurch die Beamten stärker an das Land gefesselt werden“.127 Auch in der Samoanischen Zeitung war 1906 zu lesen: „[…] Nun liefert ein mit einer hiergeborenen halbweissen Frau verheirateter Beamter die beste Garantie für ein dauerndes Amplatzbleiben; sicherlich doch mehr Garantie als derjenige Beamte, der auf die Gesundheit seiner weissen Frau Rücksicht zu nehmen hat.“128 Zum einen besserten sich jedoch die hygienische und medizinische Lage in den Kolonien im Laufe der deutschen Verwaltungszeit und es zeigte sich, dass trotz aller Befürchtungen auch weiße Frauen dort leben und gesunde Kinder gebären konnten, was deren Zuzug verstärkte.129 Zum anderen setzte sich spätestens seit der Jahrhundertwende die Überzeugung durch, dass die Sphäre der Kolonisierenden strikt von der der Kolonisierten getrennt werden sollte, um die Herrschaft der Kolo-

122 Vgl. Samoanische Zeitung, 5. Jg. (1905), Nr. 10, S. 1. 123 Schnee, H.: Deutsches Kolonial-Lexikon, Band II, S. 564. 124 Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 147. 125 Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 348f. 126 Vgl. Kapitel 10.2; Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 63f, 71, 90f; ausführlich zur Akklimatisationsdebatte: Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 162-173. 127 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 51. 128 Zitiert nach: Koloniale Zeitschrift, 7. Jg. (1906), Nr. 24, S. 203. 129 Vgl. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 108.

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nialmacht zu sichern.130 In diesem Zusammenhang wurden die „Mischehen“ zum entscheidenden bevölkerungspolitischen Thema.131 Im folgenden Kapitel wird auf die zunehmende Problematisierung dieser Verbindungen genauer eingegangen, wobei deutlich werden soll, warum die Debatten um „Mischehen“ so hohe Wellen schlugen und welche Position die Frauen zu diesem Thema einnahmen.

12.4 D IE P OSITION

DER F RAUEN IN DER SOGENANNTEN „M ISCHEHEN -D EBATTE “

Besonders im Mutterland wurden „Mischehen“ im Laufe der deutschen Kolonialzeit zunehmend als Bedrohung für das „Deutschtum“ in den Kolonien betrachtet. Das wirkt vor allem dann befremdlich, wenn man sich vor Augen führt, dass im gesamten deutschen Kolonialgebiet während der Jahre der deutschen Herrschaft nur 166 solcher ehelichen Verbindungen registriert wurden.132 Da die meisten davon in Samoa geschlossen wurden, ist die „Mischehen-Debatte“ für die vorliegende Untersuchung von besonders großer Bedeutung. Trotz der vergleichsweise geringen Zahl dort ansässiger Weißer wurden insgesamt 90 von ihnen rechtsgültig mit Einheimischen vermählt.133 In der Heimat urteilte man entsprechend über die besonders große „Gefahr“ der „Mischehen“ auf Samoa: „Unseren Landsleuten auf Samoa wird damit gewiss kein erfreuliches Zeugnis von Rassenbewusstsein und Rassenstolz ausgestellt.“134 Die deutsche Ansiedlerin Frieda Zieschank hielt für das Jahr 1907 fest: „Weitaus die meisten Männer sind mit Halb- oder Vollblutsamoanerinnen verheiratet, die Beamten der Regierung und der Firma vielmehr noch als die Pflanzer. Die übrigen leben zum größten Teil fa’a samoa, d.h. in wilder Ehe mit Samoanerin130 Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 147. 131 Ebd., S. 152. 132 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 78; Gründer, H.: ...da und dort ein junges Deutschland gründen, S. 230; Essner, Cornelia: „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“. Zu den Ansätzen eines Rassenrechts für die deutschen Kolonien, in: Wagner, Wilfried u.a. (Hrsg.): Rassendiskriminierung, Kolonialpolitik und ethnischnationale Identität. Referate des 2. Internationalen Kolonialgeschichtlichen Symposions, Münster 1992, S. 145-160, hier 145. 133 Zur Entwicklung der Anzahl der Mischehen in den Kolonien siehe: Reichskolonialamt (Hrsg.): Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und in der Südsee. Amtliche Jahresberichte 1909/10-12/13, Berlin 1911-14; einzelne Belege für Mischehen finden sich beispielsweise auch in BArch, R 1001/5431; außerdem hierzu: Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 78; Essner, C.: „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“, S. 147. 134 Die Frage der Mischehen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 29. Jg. (1912), Nr. 6, S. 84.

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nen.“135 Auch die Mitgliederlisten des Handelsvereins und des Pflanzervereins von Samoa zeigen, dass ein Großteil der Mitglieder (allesamt Weiße unterschiedlicher Nationalität) mit „Mischlingsfrauen“ oder Samoanerinnen verheiratet war.136 Dass die Samoanerinnen im Vergleich mit den Bewohnerinnen der anderen deutschen Kolonien als attraktiver und kulturell weiter entwickelt galten, begünstigte die Entstehungen von „Mischehen“. In einer Abhandlung über „Rassenmischehen in den deutschen Kolonien“ hieß es: „Bedeutend günstiger als in Südwestafrika liegen in Samoa die Verhältnisse für die Eheschließung Weißer mit Farbigen. Die Samoaner stehen in körperlicher und geistiger Beziehung der weißen Rasse ungleich näher als die ‚Bastards‘ in Südwestafrika, von den reinrassigen Negern ganz zu schweigen.“137

Verfasser, die die Verhältnisse vor Ort aus eigener Anschauung kannten, betonten in kolonialen Publikationen nicht selten positive Eigenschaften der samoanischen Hausfrauen wie „angeborene peinliche Sauberkeit, echt weibliches Wesen, natürliche Intelligenz und manuelle Geschicklichkeit, sowie grosse Gewissenhaftigkeit“.138 Auch über „halbweiße“ Ehefrauen äußerte sich ein deutscher Bewohner Samoas in einem in der Kolonialen Zeitschrift abgedruckten Brief voll des Lobes: „Sie [die ‚halbweiße‘ Frau] kennt Land und Leute, wird es immer verstehen, billigere Arbeiter zu bekommen und arbeitet in den meisten Fällen an der Seite ihres Mannes von morgens bis abends.“139 In der Kolonialpresse wurden jedoch auch manchmal gegenteilige Einschätzungen verbreitet. So war beispielsweise im Jahr 1900 im Deutschen Kolonialblatt zu lesen, dass Mischehen vermieden werden sollten, da samoanische Frauen nicht aus Zuneigung heiraten würden, sondern „um Geld, Waren und andere Besitztümer von dem Manne für ihre Familie zu erlan-

135 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 50. Mit „der Firma“ ist die Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft gemeint. 136 Verzeichnis der Mitglieder des Handelsvereins und des Pflanzervereins von Samoa in BArch, R 1001/3065. 137 Grentrup, Theodor: Die Rassenmischehen in den deutschen Kolonien, in: Görresgesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland (Hrsg.): Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft, Heft 25, Paderborn 1914, S. 33. 138 Reinecke, F.: Samoa, S. 230; vgl. Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 336. 139 Abdruck eines Briefes aus Samoa (ohne Angabe des Verfassers), in: Koloniale Zeitschrift, 7. Jg. (1906) , Nr. 24; S. 409f.

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gen“.140 Zudem hätten sie keinen Sinn für Häuslichkeit, seien nicht sparsam und sehr vergnügungssüchtig. Der Artikel wurde allerdings von Leutnant von Bülow verfasst, einem derjenigen Ansiedler Samoas, die zusammen mit Richard Deeken und anderen eine kleine aggressiv nationalistische Opposition zur Politik Solfs bildeten und hinsichtlich ihres rücksichtslosen Herrenstandpunktes gegenüber der indigenen Bevölkerung Samoas nicht die durchschnittliche, überwiegend tolerante Haltung der übrigen weißen Bevölkerung der Kolonie repräsentierten.141 Ohnehin zeigten Warnungen wie die von Bülows wenig Wirkung, zumal in den SüdseeKolonien der Anteil der potentiellen Heiratskandidatinnen unter der weißen Bevölkerung sehr gering war, wie bereits dargelegt wurde.142 Es blieb theoretisch die Möglichkeit, sich in der Heimat eine Braut zu suchen, doch dazu fehlten vielen Heiratswilligen die Mittel. „Wem Gelegenheit und Mittel fehlten, sich bei gegebener Zeit für schweres Geld eine Rückfahrkarte für den Dampfer zu erstehen und sich in der Alten Heimat auf die Brautschau zu begeben, der wird sich schon unter den braunhäutigen Schönen des Landes nach einer Gefährtin umsehen müssen, wenn er nicht als Hagestolz das Ende seiner Tage erwarten will. Und für die meisten Ansiedler auf den Südsee-Inseln ist in der Tat die Mischehe die Lösung der großen Frage geworden.“143

Wie in diesem Zitat erneut deutlich wird, waren nicht nur auf Samoa feste Beziehungen zwischen deutschen Männern und indigenen Frauen sehr häufig, sondern auch in den anderen Südsee-Kolonien. Hiery betont, dass das Zusammenleben weißer Männer mit einheimischen Frauen in weiten Teilen der deutschen SüdseeKolonien die Regel, nicht die Ausnahme gewesen sei.144 Neben dem späteren Gouverneur von Neuguinea, Hahl, lebte auch sein Nachfolger als Kaiserlicher Richter, Paul Boether, sowie die Stationsleiter von Kieta, Morobe und Palau mit einheimischen Frauen zusammen. Das Gleiche galt für den Großteil der Händler und viele andere deutsche Siedler in Melanesien und Mikronesien.145 Maria Kuhn, Grün-

140 Aussichten für Ansiedler in Samoa (nach einer Abhandlung von W. v. Bülow) in: Deutsches Kolonialblatt, 11. Jg. (1900), Nr. 8, S. 291; ähnlich: Deeken, Richard: Rassenmischung auf Samoa, in: Koloniale Monatsblätter, 16. Jg. (1914), Nr. 3, S. 124 u. 132f. 141 Vgl. Kapitel 2.3. 142 Vgl. Reichskolonialamt (Hrsg.): Die deutschen Schutzgebiete in Afrika und in der Südsee. Amtliche Jahresberichte 1909/10-12/13, Statistischer Teil, Die weiße Bevölkerung, Berlin 1911-14; vgl. Kapitel 11.1. 143 Siegfried Genthe in Wegener, G. (Hrsg.): Samoa, S. 143. 144 Hiery, H. J.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 40. 145 Ebd., S. 42f, 54f; Ders.: Die deutsche Verwaltung Neuguineas, S. 300f; Ders.: Germans, Pacific Islanders and Sexuality, S. 301; Ders.: The Neglected War, S. 3; Christmann, H.

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dungsmitglied des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, klagte auf dem Kolonialkongress 1910 über das deutsche Inselgebiet in der Südsee: „Leider hat das Rassenbewusstsein der Weissen hier so gelitten, dass ein grosser Prozentsatz der Männer mit eingeborenen Frauen verheiratet ist. Wahrscheinlich hat der Mangel an Kultur und die Einsamkeit der entlegenen Inseln hier die grösste Schuld.“146 Anders als in Samoa führten die sexuellen Beziehungen in den übrigen deutschen Südsee-Gebieten jedoch selten zu einer amtlich anerkannten Eheschließung. Im Bismarck-Archipel und in Kaiser-Wilhelmsland blieb die Zahl der offiziell mit indigenen Frauen verheirateten weißen Männer stets unter zehn und im mikronesischen Gebiet unter zwanzig.147 Auf Grund der geringen Zahl der „Mischehen“ und weil Gouverneur Hahl offenbar keinen Handlungsbedarf sah, dagegen vorzugehen, sondern die Debatte von „Deutsch-Neuguinea“ fernhielt, waren diese Beziehungen hier nie Gegenstand ähnlicher Diskussionen wie in Samoa und haben sich kaum im Quellenmaterial niedergeschlagen. Gründe für die Ablehnung der „Mischehe“ In Samoa waren auch die Folgen der weit verbreiteten sexuellen Beziehungen zwischen weißer und indigener Bevölkerung besonders augenscheinlich. Schnell wuchs eine große „Mischlingsbevölkerung“ heran: Zu Beginn des für die „MischehenDebatte“ bedeutenden Jahres 1912 umfasste diese Gruppe in Samoa den offiziellen Statistiken gemäß bereits 996 Personen (und wuchs bis zum 1. Januar 1913 weiter auf 1025 an) – während die Gruppe der weißen Bevölkerung nur rund halb so groß war, nämlich aus 500 Personen bestand, von denen nur 294 Deutsche waren.148 Die „Mischlingsbevölkerung“ übertraf die weiße Bevölkerung – und viel mehr noch die deutsche – zahlenmäßig also bei Weitem, was als Bedrohung für die Herrschaftsverhältnisse gewertet wurde, da man glaubte, dass die „herrschende Rasse“ nicht verunreinigt werden durfte, sollte sie ihre Herren-Eigenschaft nicht einbüßen.149 Die

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/ Hempenstall, P. / Ballendorf, D.: Die Karolinen-Inseln in deutscher Zeit, S. 90; Baumann, K. / Klein, D. / Apitzsch, W.: Biographisches Handbuch Deutsch-Neuguinea, Fassberg 2002², S. 127. Kuhn, Maria: Die Stellung der Frau in den Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, S. 952. Zu Maria Kuhn vgl.: Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 293f. Vgl. zur Zahl der (Misch-)Ehen in den deutschen Kolonialgebieten: Reichskolonialamt (Hrsg.): Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee. Amtliche Jahresberichte, Statistischer Teil, 1909/10-12/13, Tabellen A. I. 2 u. A. II. 2. Reichskolonialamt (Hrsg.): Die deutschen Schutzgebiete in der Südsee. Amtliche Jahresberichte, Statistischer Teil, 1911/12-12/13, Tabellen A. II. 2 u. A. II. 3b. Vgl. Deeken, R.: Die Rassenmischung auf Samoa, in: Koloniale Monatsblätter, 16. Jg. (1914), Nr. 3, S. 122-135; Kuhn, M.: Die Stellung der Frau in den Kolonien, S. 953. Die Rednerin zitiert an dieser Stelle ihres Vortrags Gouverneur Solf.

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Angst vor einer wachsenden „Mischlingsbevölkerung“ wurde vor allem mit rassentheoretischen Argumenten begründet, die sich letztlich aber in machtpolitische Argumente übersetzen lassen. Man befürchtete, dass die „Mischlinge“ zu viel Einfluss in den Kolonien gewinnen und so die Vorherrschaft des „Deutschtums“ gefährden könnten.150 Denn die Existenz von „Mischehen“ hatte weitreichende rechtliche Folgen: Nach dem deutschen Staatsangehörigkeitsgesetz von 1870 nahm jede ausländische Frau durch die Hochzeit mit einem deutschen Mann dessen Staatsangehörigkeit an, die auch an die Kinder des Paares weitergegeben wurde.151 Außerdem konnten deutsche Männer auch uneheliche Kinder, die sie mit ausländischen Frauen hatten, legitimieren lassen und ihre Nachkommen dadurch zu deutschen Staatsangehörigen machen.152 Indigene Frauen und ihre Kinder konnten also zu „farbigen Deutschen“ werden und fielen nicht mehr unter die Gesetzgebung für „Eingeborene“. Sie konnten durch die rechtliche Gleichstellung mit Deutschen eine Beamtenoder Militärlaufbahn einschlagen und sich dort womöglich eine hierarchisch höhere Position als weiße deutsche Männer erarbeiten.153 So war für den Pflanzer Richard Deeken beispielsweise die Vorstellung, dass „Mischlinge“ sozial über Deutschen stehen konnten, ein Schreckensszenario. In dramatisch hervorgehobenem Drucksatz schreibt er über die Kolonie Samoa: „Die zum Teil schon recht bedeutenden Import- und Exportgeschäfte werden in wenigen Jahren fast alle in Mischlingshände

150 Stengel, Carl v.: Zur Frage der Mischehen in den deutschen Schutzgebieten, in: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft, 14. Jg. (1912), Nr. 10, S. 745, 773; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 152; Essner, C.: „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“, S. 146f. – Evelyn Wareham weist darauf hin, dass die Ablehnung der Mischehen im Kontext des wachsenden Einflusses der Ansiedler auf die Verwaltung der Kolonie zu sehen ist. Man habe verhindern wollen, dass in der angestrebten Selbstregierung auch „halbweiße“ Einwohner Einfluss auf die Lokalpolitik gehabt hätten, daher musste die Grenze zwischen Weißen und Indigenen klar gezogen werden. Ob dieser Aspekt allerdings tatsächlich in Samoa so bedeutend war, ist fraglich, da das Mischehen-Verbot für diese Kolonie nicht auf Anregung der Ansiedler beschlossen, sondern quasi „von außen“ durch Staatssekretär Solf verordnet wurde; vgl. Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 138. 151 Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 161f; vgl. Samoanisches Gouvernements-Blatt, Band III (1912), Nr. 3, S. 2. 152 Vgl. Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 162. 153 Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 162; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 95.

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übergehen. Schon heute sind Weiße als Untergebene von Mischlingskaufleuten angestellt!“154 Zu der Angst vor dem sozialen Aufstieg der „Mischlinge“ und dem damit verbundenen wachsenden Einfluss kam die im Untersuchungszeitraum weit verbreitete Überzeugung, dass „Mischlingskinder“ nur die schlechten Eigenschaften beider „Rassen“ erben würden.155 Pascal Grosse stellt dar, dass sich unter Anthropologen bereits bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zwei Argumentationslinien bezüglich der „Rassenmischung“ verfestigt hatten.156 Während die Monogenisten diese als einen möglichen Faktor für die Entwicklung der Vielzahl anthropologischer Merkmale unter den Menschen erachteten, vertraten Polygenisten die These, dass die Nachkommen aus Verbindungen verschiedener anthropologischer Gruppen weniger fruchtbar waren. Eine Vermischung unterschiedlicher ethnischer Gruppen führte dieser Interpretation gemäß zum Aussterben einer der beiden Ausgangsgruppen. In der Kolonialpresse stößt man besonders häufig auf Behauptungen, die sich dieser letzten Interpretationsrichtung zuordnen lassen und die die „Degeneration“ der Rassen durch Vermischung fürchteten. Über Kinder aus „Mischehen“ in den portugiesischen Kolonien, die gern als abschreckendes Beispiel für die „Rassenmischung“ angeführt wurden, las man etwa:157 „Die häufig körperlich wie geistig unendlich widerwärtigen Sprösslinge aus solchen Ehen pflegen die Hässlichkeiten, Schwächen und Fehler von beiden Rassen zu vereinigen, von den Kräften des weißen Herrn Vaters und den Schönheitsreizen der farbigen Frau Mama erben diese Spottgeburten meistens nichts.“158

154 Deeken, R.: Die Rassenmischung auf Samoa, in: Koloniale Monatsblätter, 16. Jg. (1914), Nr. 3, S. 128 [Herv. i.O.]; vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 41f. 155 Siehe beispielsweise: Kolonie und Heimat, 2. Jg. (1908/09), Nr. 25, S. 8; Deutsche Kolonialzeitung, N.F. 10 Jg. (1897), Beilage Nr. XIV, S. 57; Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 24; Stengel, C. v.: Zur Frage der Mischehen in den deutschen Schutzgebieten, S. 774; vgl. außerdem El-Tayeb, F.: Schwarze Deutsche, S. 53; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 95. 156 Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 177f. In der Folgezeit hat die anthropologische Forschung Grosse gemäß keine bedeutenden neuen Ergebnisse erbracht, was er auch der Behinderung wissenschaftlicher Erkenntnisbildung über die „Rassenmischung“ durch die Kolonialverwaltung zuschreibt, vgl. ebd., S. 180-184. 157 Vgl. Gründer, H.: „...da und dort ein junges Deutschland gründen“, S. 230. 158 Richter, Franz: Die Frau und die Kolonien, in: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft, 7. Jg. (1905), Nr. 9, hier S. 664. Der Verfasser bezieht sich in diesem Zitat zwar auf das Beispiel von Mischehen in portugiesischen Kolonien,

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Außerdem wurde den „Mischlingen“ aufrührerisches Potential nachgesagt, so dass sie angeblich eine Gefahr für jede koloniale Gesellschaft darstellten. Diese These wurde mit historischen Beispielen aus dem frühen 19. Jahrhundert untermauert und sowohl biologistisch als auch soziologisch begründet. Dabei hoben beide Begründungsstränge auf die Zwischenstellung ab, die die „Mischlinge“ zwischen den zwei Ethnien und zwei sozialen Gruppen einnahmen, denen sie entstammten.159 Die Frauenbund-Funktionärin Leonore Nießen-Deiters schrieb über „den Bastard“: „[...] das fatale Halbgeschöpf, zusammengeschraubt aus zwei nicht zusammengehörenden Hälften, aus widersprechenden und widernatürlich vereinigten Eigenschaften zweier unvereinbarer Entwicklungsstufen, dieses in sich unglückliche und seinen Charaktereigenschaften halber für andere schädliche Wesen ist eine dauernde und wachsende Gefahr für jede Kolonie.“160

Auf den Punkt gebracht wurde die Abneigung gegen die „Mischlingsbevölkerung“ mit dem in diesem Kontext häufig zitierten englischen Sprichwort: „Lord made the Whites, Lord made the Blacks, but the Devil made the halfcasts.“161 Der damalige Gouverneur von „Deutsch-Südwestafrika“, Friedrich von Lindequist, stellte bezüglich des vermeintlichen „Mischlings-Problems“ fest: „Da ein Mittelweg, sie [die „Mischlinge“, L.L.] als eheliche Kinder und zugleich als Eingeborene anzuerkennen, sich nicht als gangbar erweist, so bleibt nichts übrig, als die Ehe überhaupt nicht anzuerkennen.“162 Doch nicht nur die Angst vor einer wachsenden „Mischlingsbevölkerung“ begründete die Ablehnung der „Mischehe“. Es herrschte zudem die Vorstellung, dass weiße Männer, die mit einer einheimischen Frau zusammenlebten und womöglich mit ihr eine Familie gründeten, mit samt ihres Nachwuchses auf die „Stufe des Eingeborenenlebens heruntersinken“ würden.163 Somit könnten die Männer ihrer kolo-

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dieses Vorurteil herrschte damals aber generell gegenüber Nachkommen aus „Mischehen“, betraf also ebenso Kinder mit einem deutschen Elternteil. Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 157-159; Becker, Frank: Einleitung. Kolonialherrschaft und Rassenpolitik, in: Ders. (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung. Zur Politik der Rasse im deutschen Kolonialreich, Stuttgart 2004, S. 11-26, hier S. 13. Zitiert nach Kundrus, B.: Weiblicher Kulturimperialismus, S. 224. Beispielsweise Rheinisch Westfälische Zeitung vom 25. Juli 1909, in BArch, R 1001/5432. Zitiert nach Essner, C.: „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“, S. 147. Ein Urteil über den kolonialen Frauenbund (gekürzte Wiedergabe eines Artikels von Paul Rohrbach), in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 44, S. 8; vgl. Henrichsen, Dag: „...unerwünscht im Schutzgebiet...nicht schlechthin unsittlich“. „Mischehen“ und deren Nachkommen im Visier der Kolonialveraltung in Deutsch-Südwestafrika, in:

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nialen Aufgabe nicht mehr gerecht werden und würden dem Ansehen der Weißen Schaden zufügen. Für die Beschreibung dieses Prozesses benutzte man vor allem in den Kolonien in Afrika den Begriff „Verkaffern“, also zum „Kaffern werden“.164 In den Südsee-Kolonien wurde in Anlehnung an diese Begrifflichkeit manchmal von „Verkanakern“ gesprochen.165 Die umgekehrte Idee, dass es einem weißen Mann durch „Erziehung“ seiner indigenen Ehefrau gelingen könnte, diese zu seiner Kulturstufe „heraufzuziehen“, findet sich zwar auch gelegentlich in den zeitgenössischen Texten, wird dann aber meist als Irrglaube dargestellt, der scheitern muss.166 „Mischehen-Verbote“ Auf Grund der dargestellten rassenpolitischen Erwägungen wurden „Mischehen“ seit Mitte der 1890er Jahre problematisiert und seit der Jahrhundertwende verstärkt debattiert.167 Im Jahr 1905 verbot schließlich die lokale Kolonialverwaltung „Deutsch-Südwestafrikas“ standesamtliche Trauungen von „gemischten“ Paaren.168 Um das weitere Anwachsen der „Mischlingsbevölkerung“ zu verhindern, hätten zwar eigentlich nicht nur die Ehen zwischen weißen und indigenen Bewohnern der Kolonie verboten werden müssen, sondern vielmehr die bei Weitem überwiegenden unehelichen sexuellen Beziehungen, doch waren die Ehen in der Diskussion besser

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Bechhaus-Gerst, Marianne / Leutner, Mechthild (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, Berlin 2009, S. 80-90, S. 82. Vgl. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 95; Walgenbach, Katharina: Rassenpolitik und Geschlecht in Deutsch-Südwestafrika, in: Becker, Frank (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung. Zur Politik der Rasse im deutschen Kolonialreich, Stuttgart 2004, S. 165-183, hier S. 172f, 176. Beispielsweise: Külz, L.: Zur Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 62. Auf typische Weise wird diese Überzeugung dargestellt in: Scheuermann, Erich: Paitea und Ilse. Eine Südseegeschichte, Berlin 1919: Der deutsche Protagonist glaubt erst, mit der Südseeschönheit Paitea glücklich werden zu können, muss dann aber erkennen, dass sie auf einer viel niedrigeren Kulturstufe steht als er und er das nie ändern können wird. Er wird daher zunehmend unglücklich in seiner Beziehung und erkennt seinen Irrtum – vor allem als er Ilse trifft, die die deutsche Kultur repräsentiert. Schließlich verlässt er Paitea, da die kulturellen Unterschiede unüberwindbar sind. Durch seine vorherige Beziehung mit Paitea ist er allerdings auch nachdem er sie verlassen hat, kein würdiger Partner mehr für eine Beziehung mit der deutschen Ilse. Vgl. auch Wildentahl, L.: German Women for Empire, S. 95. Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 152. Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 105; Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 152.

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greifbar und ließen sich leichter behördlich unterbinden.169 Außerdem schienen die geschilderten rechtlichen Konsequenzen hier bedrohlicher.170 Kundrus betont in diesem Zusammenhang zudem den großen symbolischen Wert der Eheverbote, die ein Zeichen setzen sollten, indem sie die „Rasse“ zumindest auf Rechtsebene rein zu halten versuchten.171 Ab 1906 war auch die kirchliche Trauung „gemischter“ Paare in „Deutsch-Südwestafrika“ nicht mehr erlaubt.172 Ohnehin hätte allerdings der kirchliche Akt zu diesem Zeitpunkt ohne vorausgegangene standesamtliche Trauung wohl allenfalls ideelle Bedeutung gehabt. Seit 1875 war die zivile Trauung Vorraussetzung für die Anerkennung der Ehe nach dem bürgerlichen Recht des Kaiserreichs, was auch für die Kolonien galt, seit eine entsprechende Behördenstruktur geschaffen worden war.173 Jedem natürlichen Rechtsempfinden zum Trotz wurden im Jahr 1908 sogar rückwirkend alle „Mischehen“ annulliert, die vor 1905 rechtsgültig geschlossen worden waren174 – obwohl selbst die der „Rassenmischung“ feindlich gegenüberstehende Koloniale Zeitschrift vier Jahre zuvor noch überzeugt verkündet hatte: „Den bis heute eingegangenen Ehen kann natürlich ihre Rechtsgültigkeit nicht genommen werden.“175 Auch in der Kolonie „DeutschOstafrika“ wurden im Jahr 1906 „Mischehen“ verboten, obwohl dort ohnehin nur

169 Vgl. Gründer, H.: „...da und dort ein junges Deutschland gründen“, S. 230f. 170 Durch eine Ehe erhielten schließlich die indigene Ehefrau und die Nachkommen immer den rechtlichen Status als Weiße, während die unehelichen Nachkommen ja in vielen Fällen „Eingeborene“ blieben. 171 Kundrus, B.: „Die Farbe der Ehe“, S. 140. 172 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 99; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 153. 173 Huber, E.: Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 634; vgl. Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. Aug. 1896, §1316 u. § 1317. Eine Sonderregelung herrschte nur in der Zeit vor der formalen Kolonisation „Deutsch-Südwestafrikas“: Mangels deutscher Gesetze und Beamter gab es zunächst nur kirchliche Trauungen, die von rheinischen Missionaren durchgeführt wurden. Später durften aber auch hier kirchliche Trauungen nur nach der zivilen Trauung durchgeführt werden, siehe: Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 82. Auch in anderen Kolonialgebieten konnte eine allein kirchliche Trauung rechtsgültig sein, wenn zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Möglichkeit zur standesamtliche Trauung bestanden hatte. So wurden beispielsweise auf den Marshall-Inseln Ehen als rechtsgültig anerkannt, die nur durch einen Missionar geschlossen worden waren, siehe: Golinelli an den Bezirksamtmann in Jaluit, Berlin, 10. Okt. 1907, BArch, R 1001/5430. 174 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 150; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 79. 175 Die Mischehe in den Kolonien, in: Koloniale Zeitschrift, 5. Jg. (1904), Nr. 24, zitiert nach: Samoanische Zeitung, 5. Jg. (1905), Nr. 10, S. 1.

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ein Fall einer solchen offiziell geschlossenen Ehe bekannt war.176 Das strenge Vorgehen der deutschen Verwaltung gegen die „Rassenmischung“ war einzigartig unter den europäischen Kolonialmächten.177 Die britische Regierung untersagte nur ihren Beamten Beziehungen zu kolonisierten Frauen, in den französischen Kolonien gab es gar keine „Mischehen-Verbote“ und die Nachkommen dieser Ehen erhielten alle politischen und zivilen Rechte eines französischen Staatsbürgers (dies galt allerdings nicht für uneheliche Kinder; sie wurden zu den Einheimischen gerechnet).178 Die „Mischehen-Verbote“ in den afrikanischen Kolonialgebieten wurden in der Heimat hitzig diskutiert; in der kolonialen Presse aus dieser Zeit finden sich zahlreiche Artikel zu diesem Thema, aus denen deutlich hervorgeht, wie umstritten die rechtliche Grundlage dieser Verbote war.179 Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen um die „Mischehen“ wurde allerdings erst mit den Reichstagsdebatten von 1912 erreicht. Anlass dafür war das im Januar dieses Jahres von Wilhelm Solf erlassene generelle „Mischehen-Verbot“ für Samoa. Solf war mittlerweile nicht mehr Gouverneur der Südsee-Kolonie, sondern Staatssekretär im Reichskolonialamt. Das „Mischehen-Verbot“ für Samoa war – anders als in „Deutsch-Südwestafrika“ und „Deutsch-Ostafrika“ – keine lokale Maßnahme der Kolonialverwaltung, sondern erstmals eine im Mutterland auf Regierungsebene erlassene Verordnung, was zu Legitimitätsdebatten im Reich führte:180 Schließlich handelte es sich nicht etwa um ein Gesetz, dem der Reichstag zugestimmt hatte, sondern der Staatssekretär des Reichskolonialamtes hatte schlicht in einem Brief an den Gouverneur in Apia Grundsätze für die Eheschließung in Samoa aufgestellt, nach denen er in Zukunft

176 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 79; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 108f, Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 152. 177 O’Donell, Krista: Home, Nation, Empire. Domestic Germanness and Colonial Citizenship, in: O’Donell, Krista / Bridenthal, Renate / Reagin, Nancy (Hrsg.): The Heimat abroad, Michigan 2005, S. 40-57, hier S. 40, 49; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 80; Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 147. 178 Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 80. 179 Exemplarisch: Hoffmann, H. Edler von: Die Mischehenfrage, in: Deutsche Kolonialzeitung, 26. Jg. (1909), Nr. 48, S. 793f; Friedrich, Dr.: Die rechtliche Beurteilung der Mischehen nach deutschem Kolonialrecht, in: Koloniale Rundschau, 1. Jg. (1909), S. 361-368; Fuchs, V.: Nochmals zur Frage der Mischehe in den deutschen Schutzgebieten, in: Koloniale Rundschau, 1. Jg. (1909), S. 493-497. 180 Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 122; Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 81.

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zu verfahren bat. Der erste dieser Grundsätze lautete: „Ehen zwischen NichtEingeborenen und Eingeborenen werden nicht mehr geschlossen.“181 Zwar hatte Solf in seinen frühen Jahren als Gouverneur von Samoa Beziehungen zwischen einheimischen Frauen und deutschen Männern toleriert (auch in seinem Beamtenstab), doch war ihm die wachsende „Mischlingsbevölkerung“ offenbar von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen.182 Im Oktober 1911 brachte er seine frühere Ansicht zu Papier: „Ich hielt die Mischehe für etwas Unerwünschtes, aber nicht für einen schweren Missstand und ein Einschreiten dagegen für sehr schwierig.“183 Im Laufe der Jahre hatte sich seine Abneigung gegen die „Mischehe“ offenbar weiter verstärkt. In besagtem Schreiben an den Gouverneur in Apia, in dem Solf schließlich festlegte, dass künftig in Samoa keine Ehen „zwischen Nicht-Eingeborenen und Eingeborenen“ geschlossen werden durften, erklärte er: „Ich habe in der langen Zeit, in der ich dem dortigen Schutzgebiet als Gouverneur vorgestanden habe, der Mischlingsfrage unausgesetzt meine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Die Erfahrungen und Beobachtungen, die ich dabei gemacht habe, haben mich immer mehr in der Überzeugung bestärkt, dass es für Samoa die höchste Zeit ist, gegen die Verbreitung der Mischlinge mit durchgreifenden Mitteln vorzugehen.“184

Bereits im Juli 1908 hatte Solf notiert: „Es muss eine Gesetzgebung geschaffen werden, die Ehen zwischen Eingeborenen und Weissen verbietet.“185 Womöglich wurde er in dieser Überzeugung auch durch die zunehmende Kritik an den Verhältnissen in Samoa bestärkt, die in der heimatlichen Presse geübt wurde. Das „Rassenproblem von Samoa“ war laut eines Artikels aus dem Jahr 1912... „[...] recht oft in der deutschen Presse angeschnitten worden und zwar infolge Unkenntnis oder absichtlicher Ignorierung der dortigen Verhältnisse meist in sehr beschämender Weise für die Einwohner der Kolonie. Der Gouverneur wurde zur Zielscheibe aller erdenklichen Anklagen, vor allem, daß er persönlich nicht genügend auf reine Scheidung der Rassen sehe, daß er

181 Staatssekretär Solf an das Gouvernement in Apia, Berlin, 17. Jan. 1912, ANZ(W), Samoa-BMO4 94; Abschrift in ANZ(W), AGCA 6051/0408. 182 Vgl. Aktenvermerk Solf zu einem Zeitungsausschnitt aus den Hamburger Nachrichten vom 21. Juli 1908 u. Erlass-Entwurf vom 3. Okt. 1911, BArch, R 1001/5432; vgl. Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 667f. 183 Aktennotiz Solf: Erlass-Entwurf, 3. Okt. 1911, BArch, R 1001/5432. 184 Staatssekretär Solf an das Gouvernement in Apia, Berlin, 17. Jan. 1912, ANZ(W), Samoa-BMO4 94; Abschrift in ANZ(W), AGCA 6051/0408. 185 Aktenvermerk Solf zu einem Zeitungsausschnitt aus den Hamburger Nachrichten vom 21. Juli 1908, BArch, R 1001/5432.

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Beamten in seinem Stab dulde, die im Konkubinat mit einer Landesschönen lebten oder auch Mischehen eingegangen waren [...].“186

In der heimatlichen Kolonialpresse hatte man sich 1906, unter dem Eindruck der „Mischehen-Verbote“ in Afrika, darüber empört, „welche Laxheit in den Anschauungen über das Endergebnis einer fortgesetzten Rassenvermischung auf Samoa herrscht, wo man behauptet, niemand erblicke eine Gefahr in der Zunahme der halbweißen Bevölkerung“.187 Die Koloniale Zeitschrift hatte bereits 1904 missbilligend festgestellt: „In Samoa heiraten Weiße vielfach Samoanerinnen und Halbblut, ohne dass irgendjemand daran Anstoß nimmt.“188 Vor Ort reagierte der Großteil der Ansiedler auf die zunehmende Kritik von außen mit Unverständnis und man wies auf die Gefahren dieser „Hetzartikel“ für das gesellschaftliche Zusammenleben in der Kolonie hin.189 Unter den in Samoa lebenden Weißen sprach sich nur eine Minderheit entschieden gegen „gemischte“ Beziehungen aus.190 Es wurde sogar darauf hingewiesen, dass die „Beimischung“ samoanischen Blutes sich positiv auf die Gesundheit der Nachkommen auswirke und sie so mit dem Tropenklima besser zurechtkämen als die deutschen Ansiedler. In der Samoanischen Zeitung las man noch im April 1911: „Es ist bisher für die hohen Tropen, zu denen Samoa nun einmal gehört, die völlige Anpassungsfähigkeit der weissen Rasse nicht nachgewiesen [...]. Wir Deutsche werden infolge dessen vor die Frage gestellt, entweder [....] Samoa als eine Kolonie zu betrachten, die wir wohl beherrschen, aber nicht zu unserer Heimat machen können, oder unseren Nachkommen unter Wahrung der deutschen Gesinnung klimafeste Bestandteile beizumischen, die bei einer vernünftigen und vorsichtigen Gattenwahl sicher lebensfähige, gesunde Generationen gewährleisten.“191

Wie an diesem Zitat zu sehen ist, bewegte sich auch die Befürwortung oder Verteidigung der „Mischehe“ immer innerhalb der damals allgemein anerkannten rassi-

186 Barts: Mischlingssorgen in Samoa, in: Koloniale Zeitschrift, 13. Jg. (1912), Nr. 32, S. 502; vgl. Rheinisch Westfälische Zeitung; vom 16. Aug. 1906 u. vom 25. Juli 1909 in BArch, R 1001/5432. 187 Herfurth, A.: Wieder einmal die Rassenfrage, in: Koloniale Zeitschrift, 7. Jg. (1906), Nr. 12, S. 202. 188 Die Mischehe in den Kolonien, in: Koloniale Zeitschrift, 5. Jg. (1904), Nr. 24, zitiert nach: Samoanische Zeitung, 5. Jg. (1905), Nr. 10, S. 1. 189 Abdruck eines Briefes aus Samoa (ohne Angabe des Verfassers), in: Koloniale Zeitschrift, 7. Jg. (1906) , Nr. 24; S. 409f. 190 Vgl. Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 343. 191 Zur Rassenfrage in Samoa, in: Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 15, S. 1.

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schen Konzepte. Empört über die Kritik an den samoanischen „Mischehen“, die die Koloniale Zeitschrift im November 1904 geübt hatte, betonte die Samoanische Zeitung beispielsweise, dass es eine Ungerechtigkeit sei, die Nachkommen aus den samoanischen „Mischehen“ mit „Mulatten oder Mestizen auf eine Stufe zu stellen“, da die Samoaner „viel höher [stünden] als die Neger oder die Indianer.“192 Trotz dieser weit verbreiteten Überzeugung ist den Quellen zu entnehmen, dass von amtlicher Seite in Samoa teilweise auch schon vor dem offiziellen „MischehenVerbot“ die Eheschließung zwischen deutschen Männern und indigenen Frauen erschwert wurde. Die unklare Rechtslage ließ einige Fragen offen und wurde unterschiedlich ausgelegt. So schrieb der stellvertretende Gouverneur Schultz im September 1910 an Bezirksrichter Adolf Schlettwein: „Die Nichterwähnung der Mischehe im Schutzgebietsgesetz kann, wie jede andere Gesetzeslücke, an und für sich sowohl im positiven wie in negativem Sinne ausgelegt werden.[...] Ich ziehe es deshalb vor, die Mischehe in Samoa für giltig zu halten […].“193 Schlettwein, der erst in „Deutsch-Ostafrika“ und dann ab 1909 in Samoa Bezirksrichter war, vertrat hingegen die Ansicht, dass Ehen zwischen Weißen und Samoanerinnen nicht geschlossen werden dürften.194 Folglich verweigerte er im Jahr 1910 dem schon erwähnten Wilhelm Grevel die Beurkundung der Eheschließung mit der Samoanerin Savali, obwohl zu diesem Zeitpunkt kein offizielles „Mischehen-Verbot“ für Samoa existierte. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, bei dem Grevel trotz Verzögerungstaktik von amtlicher Seite nicht nachgab und hartnäckig um die gesetzliche Anerkennung seiner Ehe kämpfte.195 Da sich mit diesem Fall verschiedene Instanzen sowohl in Samoa als auch im Deutschen Reich befassten (selbst im Reichstag wurde im März 1913 eine Petition Grevels diskutiert)196, fand er einen breiten Niederschlag in der Akten, die nun deutlich den Weg von einen unklaren Rechtslage bis hin zu einem für viele Betroffene nicht nachvollziehbaren Verbot dokumentieren. Nachdem in Samoa jahrelang ohne Schwierigkeiten „gemischte“ Ehen getraut worden waren, machte Grevel für die veränderte Situation wohl nicht ganz zu Unrecht die persönliche Einstellung des Bezirksrichters verantwortlich: „Herr Bezirksrichter Schlettwein ist, wie er mir selbst sagte, ein prinzipieller Gegner aller Ras-

192 Samoanische Zeitung, 5. Jg. (1905), Nr. 10, S. 1. 193 Schultz an Schlettwein, Apia, 27. Sept. 1910, ANZ(W), AGCA 6051/0408. 194 Schlettwein an den Gouverneur, Apia, 19. Juni 1910, ANZ(W), AGCA 6051/0408 u. Samoa-BMO4 94. 195 Der umfangreiche Briefwechsel in dieser Sache und weitere zugehörige Dokumente sind heute zu finden in BArch, R 1001/5432; ANZ(W), AGCA 6051/0408 u. 0411; Samoa-BMO4 70, S8(1910/11) u. BMO4 94. 196 Vgl. Auszug aus der Reichstagsdrucksache, Protokoll der 72. Sitzung, Berlin, 7. März 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0411.

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senmischungen, also in dieser Sache nicht ganz unbefangen, steht wohl auch noch etwas unter dem Eindrucke ostafrikanischer Verhältnisse.“197 Als es schließlich im Januar 1912 zum Verbot der „Mischehe“ in Samoa kam, waren damit auch Bestimmungen für die Nachkommen aus „gemischten“ Beziehungen verbunden:198 Zwar galten die Abkömmlinge aus den bisher als legitim angesehenen „Mischehen“ immer noch als Weiße und diejenigen „Mischlinge“, die unehelichen Verbindungen entstammten und zum Zeitpunkt der Neuregelung bereits in der sogenannten „Mischlingsliste“ eingetragen waren, sollten weiterhin den Weißen gleich geachtet werden.199 Im Zuge der Neuregelungen sollte diese Liste jedoch revidiert und „Unwürdige“ gestrichen werden. „Mischlinge“, die nach Bekanntgabe der neuen Grundsätze geboren wurden, sollten in der Regel zu den „Eingeborenen“ zählen. Sprachen sie allerdings fließend Deutsch und verfügten über eine europäische Bildung, konnten sie weiterhin auf Antrag den Weißen gleichgestellt werden. Außerdem wurde betont, dass diesen Grundsätzen nur die Bedeutung allgemeiner Richtlinien zukäme und die Besonderheiten jedes einzelnen Falles zu beachten seien.200 Wie die Regelung der „Mischehen-Frage“ für Samoa zeigt, war die Kultur für Solf ein entscheidender Faktor, um die „Rasse“ zu bestimmen.201 Ob man gemäß indigener oder europäischer Kultur lebte, hatte direkte Auswirkungen auf den rechtlichen Status. Auch Wareham kommentiert Solfs „Mischehen-Verbot“ entsprechend: „In his [Solfs] system brown could be white – ‚whiteness‘ was a matter of culture, not of colour.“202 Schon 1905 hatte Solf geschrieben, er halte es für „geschmacklos und dem Rassentakt wenig entsprechend, die Hautfarbe zum Kriterium eines Rechtsunterschiedes zu machen.“203 Schließlich würden unter die Gruppe der Weißen auch Farbige fallen, wie beispielsweise „die Neger der Vereinigten Staaten von Amerika, von denen einige in Samoa leben [und] tatsächlich farbig, rechtlich

197 Grevel an den Gouverneur, Vaipouli, 3. März 1911, ANZ(W), Samoa-BMO4 70, S8(1910/11). 198 Bekanntmachung des Gouverneurs, Apia, 2. Aug. 1912, ANZ(W), AGCA 6051/0408. 199 In dieser Liste wurden uneheliche Nachkommen aus gemischten Beziehungen erfasst, deren weiße Väter sich offiziell zu ihrer Vaterschaft bekannten und die einen europäischen Lebensstil vorweisen konnten. Mit der Aufnahme in diese Liste, die auf Antrag erfolgte, wurden die „Mischlinge“ in rechtlicher Hinsicht den „Fremden“ gleichgestellt; vgl. Wareham, E.: Race and Empire, S. 128. 200 Bekanntmachung des Gouverneurs, Apia, 2. Aug. 1912, ANZ(W), AGCA 6051/0408; Essner, C.: „Wo Rauch ist, da ist auch Feuer“, S. 151. 201 Vgl. Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 346; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 127. 202 Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 133. 203 Aktennotiz Solf, 15. Juni 1905, BArch, R 1001/2759.

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aber weiss sind.“204 Diese heute etwas verwirrend wirkenden Äußerungen machen deutlich, dass die Unterscheidung der einzelnen „Rassen“ keinesfalls nur an äußere Kriterien gebunden war und die Grenzen zwischen diesen „Rassen“ daher durchlässig und verhandelbar waren: „Aus Schwarzen konnten in den damaligen Diskussionen Weiße werden – und umgekehrt.“205 Dies machte schließlich auch die Furcht vor dem „Verkaffern“ deutlich. Der damalige Kultur-gebundene, verhandelbare Rassebegriff bestätigt die im Rahmen der Critical Whiteness Studies unter anderem von Katharina Walgenbach vertretene These, dass die Grenze zwischen weiß und schwarz nicht einfach biologisch determiniert, sondern auch sozial konstruiert ist. Die Debatte um die „Mischehen“ zeigt, dass das Konzept von „Rasse“ immer auch eine politische Dimension hat und macht das mühsame Ringen um die soziale, juristische und politische Schaffung eines weißen Kollektivs deutlich.206 Dabei war die Vorstellung, die in der damaligen Diskussion um die „Mischehen“ vermittelt wurde, man könne die Bevölkerung Samoas klar nach Rassen und somit in „Eingeborene“ und „Nicht-Eingeborene“ sortieren, ohnehin eine Fiktion: Die „Rassenmischung“ hatte zu diesem Zeitpunkt schließlich längst stattgefunden und es handelte sich in vielen Fällen bereits um eine erneute „Mischung“ der zweiten – schon in Samoa geborenen – Generation. Die Standesamtsakten zeigen, dass bei nur sehr wenigen Aufgeboten beide Brautleute sowie jeweils deren beide Elternteile deutsch waren.207 Deutlich häufiger ist die Braut entweder Samoanerin oder stammt aus einer „gemischten“ Beziehung; auch der Bräutigam ist oft Nachkomme eines solchen Paares. Selbst wenn die Brautleute Weiße waren, so waren sie keineswegs immer Deutsche. Die Aufgebote bezeugen den bereits thematisierten multinationalen Charakter Samoas. Sie kündigen häufig Eheschließungen zwischen Brautleuten englischer, amerikanischer, skandinavischer und deutscher Abstammung an, deren Nachkommen sich dann nicht selten wiederum mit samoanischen und halbsamoanischen Partnerinnen zusammentaten.208 Entsprechend wurde vom samoanischen Gouvernement im Jahr 1911 ans Reichskolonialamt berichtet, eine kürzlich durchgeführte Erhebung habe ergeben, dass nur etwa 9 Prozent der Schüler der Regierungsschule in Apia „rein weiss“ und alle übrigen „Mischlinge (Halbblut,

204 Ebd. – Vor Gesetz zu den „Fremden“ zählten in Samoa neben den Deutschen und übrigen Europäern nicht nur Amerikaner jeder Hautfarbe, sondern auch Japaner, Inder und ansässige Chinesen, vgl. Hiery, H.: Die deutsche Verwaltung Samoas, S. 669. 205 Kundrus, B.: „Die Farbe der Ehe“, S. 136. 206 Walgenbach, K.: Zwischen Selbstaffirmation und Distinktion, S.137 u. 143; Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 155 u. 159. 207 Zahlreiche Aufgebote in: ANZ(W), Samoa-BMO4 70; Samoa-BMO4 94 u. SamoaBMO4 95. 208 Ebd.

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Terzeronen, Quarteronen)“ seien.209 Die Debatten um die „Mischehe“ werden also kaum den tatsächlichen Verhältnissen in Samoa gerecht, sondern spiegeln das Verlangen danach, diese mit den damaligen rassentheoretischen Vorstellungen in Einklang zu bringen und die Idee einer „reinen“ weißen Kolonialbevölkerung aufrecht zu erhalten. Wie viel Wert diesem von Zeitgenossen als „Rassen-Frage“210 bezeichneten Thema im Mutterland beigemessen wurde, zeigen die heftigen Auseinandersetzungen im Reichstag anlässlich des „Mischehen“-Verbotes für Samoa. Im Gegensatz zu den konservativen Parteien sprachen sich Zentrum, Sozialdemokraten und Linksliberale, die zu dieser Zeit die Reichstagsmehrheit stellten, gegen das „Mischehen“Verbot aus. Auf Anregung Matthias Erzbergers forderte der Reichstag am 21. März 1912 in einer Resolution, die schon bestehenden „Mischehen“-Verordnungen zu überprüfen und ein Reichsgesetz zu entwerfen, dass diese ersetzen und die juristische Gültigkeit der „Mischehen“ in allen deutschen Kolonien gewährleisten sollte. Außerdem sollte dieses neue Gesetz die Rechte der unehelichen Kinder aus „gemischten“ Beziehungen regeln.211 Diese Resolution führte wiederum zu entrüsteten Reaktionen nationaler Kreise, so etwa der Vertreter der Deutschen Kolonialgesellschaft, die eine das „Mischehen“-Verbot befürwortende Gegenresolution verfassten.212 Gegner des Verbots sahen das Hauptproblem meist darin, dass das Recht des deutschen Mannes, seine Braut nach freiem Willen zu wählen, beschnitten wurde. Außerdem wurde befürchtet, dass durch ein „Mischehen“-Verbot Prostitution und die Zahl der „gemischten“ Konkubinatsverbindungen zunähme und das Schicksal der Nachkommen aus solchen Verbindungen ungewiss sei.213 Männer, die hingegen Verantwortung für die von ihnen geschwängerten einheimischen Frauen und ihre Kinder übernehmen wollten, indem sie durch eine Hochzeit deren Unterhalt und 209 Schultz an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 210 Beispielsweise: Herfurth, A.: Wieder einmal die Rassenfrage, in: Koloniale Zeitschrift, 7. Jg. (1906), Nr. 12, S. 202; Zur Rassenfrage in Samoa, in: Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 15, S. 1. 211 Vgl. Staatssekretär des RKA an den Gouverneur von Neuguinea, Berlin, 29. Juli 1912, BArch, R 1001/5430; Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 153; Kundrus, B.: „Die Farbe der Ehe“, S. 135. 212 Vgl. beispielsweise Stengel, C. v.: Zur Frage der Mischehen in den deutschen Schutzgebieten, S. 768-771. 213 Vgl. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Tragerin deutscher Kultur“, S. 81f; Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 347; Roller, Kathrin: „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wir wollen Weiße bleiben“ – Reichstagsdebatten über koloniale „Rassenmischung“, in: Van der Heyden, Ullrich / Zeller, Jochim (Hrsg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche, Berlin 2002, S. 73-79, hier S. 73.

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Status sicherten, würden durch das „Mischehen“-Verbot daran gehindert. Dieser Umstand wurde besonders von den Missionen beklagt, die ein Verbot aus naturrechtlichen und ethischen Gründen meist ablehnten.214 Außerdem fühlten sie sich durch das Verbot in ihren Kompetenzen beschnitten. Von juristischer Seite wurde zudem der Gebrauch der unklaren Kategorie „Rasse“ im Bürgerrecht kritisiert.215 Auch für den Begriff „Eingeborener“ gab es lange keine rechtliche Definition, was die Festlegung von eindeutigen Regeln erschwerte.216 In aller Regel lehnten jedoch auch die Kritiker und Gegner des Verbotes eine „Rassenmischung“, also sexuelle Beziehungen zwischen Deutschen und Einheimischen, grundsätzlich ab, an eine Gleichwertigkeit von weißen und indigenen Partnerinnen glaubte damals niemand.217 Trotz intensiver Diskussionen konnte man sich in Deutschland vor 1914 nicht mehr auf ein allgemein gültiges koloniales „Mischehen“-Gesetz einigen, um die Rechtslage in den Kolonien zu klären. Auch für Togo und Deutsch-Ostafrika wurden „Mischehen“-Verbote ins Auge gefasst, es wurden aber keine entsprechenden Verordnungen mehr erlassen. Die Rechtslage blieb unsicher.218

214 Secretary of the LMS Samoa District Comitee an den stellvertretenden Gouverneur Schlettwein, Leulumoega, 6. Jan. 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0408; Protokoll über die Sitzung des Gouvernementrates vom 18. Jan. 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0348; siehe auch Flierl, Johann: Zur Mischehenfrage, in: Koloniale Rundschau, 2. Jg. (1910), Nr. 8, S. 470-473 (Flierl betont hier, dass er ein Verbot der Mischehe für unnötig halte und in seinen Augen ein weißer Mann, der sich zu einer einheimischen Frau und den gemeinsamen Kindern bekenne, ein Ehrenmann sei.), ähnlich: P. Acker, Amandus: Zur Frage der Rassenmischehe, in: Koloniale Rundschau, 4. Jg. (1912), Nr. 8, S. 463; Grentrup, T.: Die Rassenmischehen in den deutschen Kolonien, S. 85f; vgl. Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 144f. 215 Der Begriff „Rasse” tauchte im Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche Reich nicht auf, vgl. Kundrus, B.: „Weiß und herrlich“, S. 44; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 85, 90, 127. 216 Vgl. El-Tayeb, F.: Schwarze Deutsche, S. 101. 217 Vgl. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 82f; Wildentahl, L.: German Women for Empire, S. 128; Roller, K.: „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wir wollen Weiße bleiben“, S. 77. 218 Gründer, H.: „...da und dort ein junges Deutschland gründen“, S. 232f; Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 154; Roller, K.: „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wir wollen Weiße bleiben“, S. 75; Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 269. – Immer wieder wurden in der Forschung mögliche Kontinuitätslinien von den kolonialen Mischehe-Verboten zu den Nürnberger Gesetzen der Nationalsozialisten diskutiert, vgl. hierzu: Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 227-279.

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Die Geschlechtsdimension der „Mischehen-Debatte“ In allen Diskussionen über „Mischehen“ wurde immer von der Verheiratung weißer Männer mit einheimischen Frauen ausgegangen – der umgekehrte Fall einer Verbindung von weißen Frauen mit einheimischen Männern wird in den Quellen nahezu gar nicht thematisiert. Diese Form der Beziehung galt als noch wesentlich verwerflicher und wurde von der deutschen Öffentlichkeit als „Perversion“ gebrandmarkt.219 Die starke Ablehnung dieser Beziehungen lässt sich wohl vor allem mit dem Bestreben erklären, die koloniale Ordnung aufrecht zu erhalten. Weiße Männer ergriffen im Zuge der Kolonisation Besitz von fremden Gebieten und sahen es vielfach als ihr Recht an, zugleich die dort lebenden Frauen, die vielfach implizit mit dem als jungfräulich imaginierten Kolonialland gleichgesetzt wurden, ihrer Macht zu unterwerfen. So konnten sexuelle Beziehungen zu einheimischen Frauen entweder als Teil der Unterwerfung des Landes oder als Kompensation für die ‚schwere Aufgabe‘ der Kolonisation gewertet werden, wie Birte Kundrus in Bezug auf die deutschen Kolonialgebiete in Afrika erklärt. Deutschen Männern sei von etlichen Kolonialräsonierenden ein Ausleben des „natürlichen“ Geschlechtslebens zugestanden worden. 220 „Dagegen wurde von vornherein jede Beziehung deutscher Frauen mit Afrikanern als nationale Niederlage gewertet. Dieser Deutung lag eine Logik zugrunde, die den weiblichen Körper als nationalisierten ‚Volkskörper‘ codierte. [...] Die weiße Deutsche denunzierte gemäß dieser Auslegung nicht nur ihren persönlichen Körper, sondern auch die Nation, sie ‚schenkte‘ sich dem Anderen und stellte mit dieser freiwilligen Unterwerfung die eigentlichen Machtverhältnisse auf den Kopf.“221

Wie heftig der Widerstand gegen solche Beziehungen auch in anderen deutschen Kolonien war, lässt sich beispielsweise an Solfs Reaktion auf die Frage erkennen, was ein Standesbeamter tun solle, wenn ein Samoaner eine Deutsche heiraten wolle: „Er soll, ohne in irgendeine rechtliche Prüfung einzugehen, den Samoaner mit samt seiner Braut an die Luft setzen und seiner vorgesetzten Behörde zur geneigten Prüfung anheimgeben, ob für diese Art der Eheirrungen nicht etwa eine Tracht Prügel an beiden Nupturienten angebracht sei.“222

219 Iros: Koloniale Sexualpolitik, in: Die neue Generation, 8. Jg. (1912), Nr. 6, S. 317. 220 Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 226; Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 149. 221 Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 223f. 222 Anlage zum Bericht 257/10 von Wilhelm Solf, Juli 1910, BArch, R 1001/5432.

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Tatsächlich konnte im untersuchten Quellenmaterial kein Hinweis auf eine Paarbeziehung zwischen einer deutschen oder anderen europäischen Frau und einem indigenen Mann gefunden werden, wohingegen Hiery und Gründer erwähnen, es habe auch in den deutschen Südsee-Kolonien seltene Fälle solcher Verbindungen gegeben.223 Die Zeitzeugin Frieda Zieschank behauptet in ihrem Buch Ein Jahrzehnt in Samoa: „Dass eine weiße Frau sich nicht ebenblütig verbindet, ist ausgeschlossen.“224 Auch wenn man daran zweifeln mag, dass diese Beziehungen wirklich „ausgeschlossen“ waren, belegt diese Bemerkung, wie stark das gesellschaftliche Tabu auf ihnen lastete. Auf Grund der großen sozialen Ächtung und schon allein wegen des Zahlenverhältnisses zwischen weißen Frauen und Männern in den Kolonien liegt allerdings die Vermutung nahe, dass solche Verbindungen tatsächlich kaum bestanden. Bei einer Eheschließung – die wie an obiger Bemerkung Solfs zu erkennen ist, höchst wahrscheinlich ohnehin nicht gestattet worden wäre – hätten die deutschen Frauen nach der damaligen Rechtslage ihre deutsche Staatsbürgerschaft und damit ihren rechtlich privilegierten Status gegenüber der Kolonialbevölkerung verloren.225 Für den indigenen Bräutigam einer deutschen Frau und mögliche Nachkommen aus dieser Ehe hätten sich hingegen nicht die viel diskutierten rechtlichen Konsequenzen der übrigen „Mischehen“ ergeben: „Farbige Deutsche“ wären keine Folge solcher Ehen gewesen. Dass dennoch gerade auf die Idee einer „Mischehe“ zwischen deutscher Frau und indigenem Mann so extrem empfindlich reagiert wurde, zeigt, welch großen Stellenwert die mit der Rassenfrage verbundene Symbolik im kolonialen Kontext hatte – und dass im Untersuchungszeitraum bei Frauen und Männern generell mit unterschiedlichem Maß gemessen wurde. Die Doppelmoral der damaligen Zeit, in der Verständnis für weiße Männer aufgebracht wurde, die mit indigenen Frauen verkehrten, weiße Frauen, die sich mit indigenen

223 Hiery, H.: Germans, Pacific Islanders and Sexuality, S. 301, 318; Ders.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 41: Hier führt der Verfasser zwei Fälle von Verbindungen europäischer Frauen mit melanesischen Männern an, wobei aus der einen Beziehung offenbar sogar Nachwuchs hervorging. Siehe auch: Ders.: Der erste Weltkrieg und das Ende des deutschen Einflusses in der Südsee, S. 853; Graichen, G. / Gründer, H.: Deutsche Kolonien, S. 196f; vgl. Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 127: „No white women were recorded as married to coloured men.“ (1914). 224 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 108. 225 Zu einer rechtsgültigen Eheschließung kam es aber offenbar in keiner der deutschen Kolonien: „Der umgekehrte Fall, daß eine weiße Frau einen Farbigen geheiratet hätte, ist wohl in Deutschland, in den Schutzgebieten selbst aber nicht vorgekommen“, heißt es in Schnee, H.: Deutsches Kolonial-Lexikon, Band II, S. 564.

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Männern einließen, aber aufs Schärfste verurteilt wurden, wurde nur von einigen emanzipierten Frauen im Kaiserreich öffentlich kritisiert.226 Die koloniale Frauenbewegung jedoch schenkte diesem Aspekt keine Beachtung und nutzte die „Mischehen-Debatte“ für ihre Zwecke. Schließlich war die zunehmend beschworene Bedrohung der „deutschen Rasse“ durch die „Mischehen“ die Grundlage der Agitation des Frauenbundes der deutschen Kolonialgesellschaft.227 Denn dieses Bedrohungsszenario lieferte die Begründung für das Hauptziel des Bundes, das in der „Abhilfe des brennenden Frauenmangels durch zielbewussten Nachschub deutscher weisser Frauen“ lag.228 In kolonialen Publikationen wurde immer wieder auf den engen Zusammenhang zwischen der „Rassenfrage“ und der Aussendung von Frauen in die Kolonien hingewiesen: „[…] keine amtliche Verfügung, keine private Maßnahme wird das Entstehen von Mischlingsrassen verhindern können mit all ihren Gefahren für die Zukunft, sondern nur der Zuzug der weißen Frauen. [...] So wird die Frauenfrage unserer Kolonien zu ihrer Rassenfrage.“229

Die Frauen hatten also ein Interesse daran, die „Rassenmischung“ zu verurteilen, da so ihr eigener Wert für die Kolonien bestärkt wurde. Schließlich lautetet der Tenor in Kolonialkreisen: „Das einzige Heilmittel gegen das ‚Verniggern‘, ‚Verkaffern‘ oder ‚Verkanakern‘ liegt im Einfluß der weißen Frau.“230 In der Presse bezogen Akteurinnen der kolonialen Frauenbewegung auch selbst immer wieder Stellung zur „Mischehen-Debatte“ und wurden nicht müde, die Bedeutung der weißen Frauen für die Kolonisation zu betonen. So erschien 1912 beispielsweise in Kolonie und Heimat ein flammendes Plädoyer der bereits oben zitier-

226 Vgl. Iros: Koloniale Sexualpolitik, in: Die neue Generation, 8. Jg. (1912), Nr. 6, S. 316f. Bezeichnenderweise wurde dieser kritische Artikel unter einem Pseudonym veröffentlicht. 227 Vgl. Walgenbach, K.: Zwischen Selbstaffirmation und Distinktion, S. 142; Grosse, P.: Kolonialismus, Eugenik und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland, S. 168-176. 228 Beispielsweise Niessen-Deiters, Leonore: Rassenreinheit! Eine deutsche Frau über die Mischehen in den Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 5. Jg. (1911/12), Nr. 36, S. 1 der Nachrichtenbeilage. 229 Külz, L.: Zur Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 62; vgl. Stengel, C. v.: Zur Frage der Mischehen in den deutschen Schutzgebieten, in: Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft, 14. Jg. (1912), Nr. 10, S. 774f. 230 Külz, L.: Zur Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 62; vgl. hierzu auch Kundrus, B.: Weiblicher Kulturimperialismus, S. 223f.

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ten Leonore Niessen-Deiters für die „Rassenreinheit“ in den deutschen Kolonien.231 In diesem Artikel warnte sie vor der „Verbastardisierung“, die der Selbsterhaltung des Volkes zuwider laufe. „Ein Volk steht und fällt an jedem Punkt der Erde und zu jeder Zeit mit der Reinhaltung seiner Rasse, und vor diesem grössten volkserhaltenden Prinzip müssen alle Einzelmeinungen Halt machen.“ Obwohl die Verfasserin betonte, dass die deutschen Frauen durchaus den gesetzlichen Schutz der unehelichen „Mischlingskinder“ und deren farbiger Mütter fordern würden, vertrat sie die Überzeugung, dass die Legitimation der „Mischehe“ von den weißen Frauen entschieden abgelehnt werden müsse, denn: „Legitim oder illegitim: das Produkt bleibt der Bastard, und der Bastard bleibt vom Übel für beide Rassen“. Ausdrücklich wies sie darauf hin, dass dies auch für Samoa gelte: „Selbst die Samoanerin, die höchststehende, uns stammesähnlichste Farbige unserer Schutzgebiete, bleibt auch in der Ehe Samoanerin. Mann und Kinder gehen samt ihren materiellen Errungenschaften dem Deutschtum als solchem verloren, und die Nachkommen sind und bleiben Bastarde, keine rechten Deutschen und keine rechten Samoaner. Weder die braune noch die weisse Rasse hat in ihrer Gesamtheit einen Vorteil davon; beide werden lediglich geschädigt. Dabei liegen die Verhältnisse in Ländern mit Negerbevölkerung natürlich tausendmal schlimmer.“232

Die „Mischehe“ gesetzlich zuzulassen, bezeichnete Niessen-Deiters gar als „Rassenselbstmord“. Außerdem sah sie die Autorität und Würde der weißen Frau in der Kolonie durch die Gleichstellung von „Mischehen“ mit Ehen unter Weißen gefährdet: „Es gibt kein Argument, das stark genug wäre, die Herabwürdigung der weissen deutschen Frau zu motivieren, die in dieser Gleichstellung liegt!“233 Indigene Frauen sollten nicht auf die Idee kommen, dass sie durch den „Aufstieg“ an die Seite eines weißen Mannes den weißen Frauen ebenbürtig seien. In diesem Sinne äußerte sich auch Freiherr von Richthofen von der Nationalliberalen Partei im Reichstag: „[...] für die deutschen Frauen brauchen wir dasjenige Maß von Achtung, ohne das sie als Kulturträgerinnen nicht wirken können, und dazu gehört das Verbot der Mischehen.“234 Richard Deeken ging ebenfalls davon aus, dass nur die weiße Frau

231 Niessen-Deiters, L.: Rassenreinheit! Eine deutsche Frau über die Mischehen in den Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 5. Jg. (1911/12), Nr. 36, S. 1 der Nachrichtenbeilage. 232 Ebd. 233 Ebd. 234 Freiherr von Richthofen am 7. Mai 1912 im Deutschen Reichstag, zitiert nach Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 207.

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„eine vollwertige Gefährtin des weißen Mannes in den Tropen“ sein könne.235 Das sahen viele Einwohner Samoas jedoch anders als Deeken. Reaktionen auf die „Mischehen-Verbote“ vor Ort Am 18. Januar 1913 tagte der Gouvernementsrat von Samoa, um zu den Debatten in der Heimat und der Haltung des Reichstags Stellung zu nehmen. Das Sitzungsprotokoll zeigt, dass es sowohl Befürworter als auch Gegner des „MischehenVerbotes“ im Gouvernementsrat gab. Die Mitglieder einigten sich schließlich einstimmig (mit zwei Enthaltungen) darauf, die Regierung zu bitten, dahin zu wirken, dass die in Samoa bisher geschlossenen „Mischehen“ gültig erklärt würden, künftig aber keine Ehen mehr zwischen „Nichteingeborenen und Eingeborenen“ geschlossen werden dürften. In Einzelfällen solle der Gouverneur die Befugnis haben, uneheliche „Mischlinge“ rechtlich den Weißen gleichzustellen. Uneheliche Kinder aus „gemischten“ Verbindungen wurde ein Anspruch auf Alimente eingeräumt. Die Londoner Missionsgesellschaft und die katholische Mission ließen den Gouvernementsrat per Eingabe wissen, dass sie gegen das „Mischehen-Verbot“ seien.236 Wie bereits deutlich wurde, problematisierte man in den Südsee-Kolonien selbst seit jeher die „Rassenmischung“ deutlich weniger als im Mutterland. Dementsprechend stieß das „Mischehen-Verbot“ für Samoa nur auf gemäßigte Unterstützung in der Kolonie. Viele der weißen Ansiedler reagierten mit Unverständnis, teilweise gab es sogar heftigen Widerstand.237 Der Historiker Frank Becker schrieb hierzu: „Während in Deutsch-Südwestafrika die Siedlerschaft zu den treibenden Kräften bei der Rassentrennung gehörte, wurde die Segregation auf den samoanischen Inseln sehr einseitig von der Regierung angeschoben und gegen den erklärten Willen großer Teile der Kolonistenschicht durchgesetzt. Unter den ansässigen Deutschen verfochten nur wenige das Prinzip der Blutsreinheit, ansonsten dominierte ein rassentoleranter Lebensstil.“238

Auch Evelyn Wareham betont: „The administration’s measures against mixed marriage resulted in protests which demonstrated that its legislation was not simply a

235 Deeken, R.: Die Rassenmischung auf Samoa, in: Koloniale Monatsblätter, 16. Jg. (1914), Nr. 3, S. 132. 236 Protokoll über die Sitzung des Gouvernementrates vom 18. Jan. 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0348 u. Secretary of the LMS Samoa District Comitee an den stellvertretenden Gouvenerneur Schlettwein, Leulumoega, 6. Jan. 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0408. 237 Vgl. Barts: Mischlingssorgen in Samoa, in: Koloniale Zeitschrift, 13. Jg. (1912), Nr. 32, S. 502; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 121f ; Samulski, R.: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters, S. 355; Graichen, G. / Gründer, H.: Deutsche Kolonien, S. 199f. 238 Becker, F.: Einleitung, S. 26.

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reflection of existing social and cultural conditions.“239 Manche heiratswillige Paare umgingen das Verbot, indem sie sich auf den Tonga- oder Fidji-Inseln trauen ließen.240 – Allerdings war auch die Ausreise zum Zweck der Eheschließung nicht immer ohne Weiteres möglich, wie der oben erwähnte Fall des Wilhelm Grevel zeigt. Da er damit gedroht hatte, sich mit der Samoanerin Savali zur Not im Deutschen Reich zu verheiraten, wurde der Gouverneur Samoas von Staatssekretär Solf angewiesen, „mit allen zulässigen Mitteln zu verhindern“, dass Savali Samoa verließe.241 Als dieses Verbot des Gouverneurs dem deutschen Reichstag bekannt wurde und dort Kritik vor allem bei den Sozialdemokraten und dem Zentrum hervorrief, gab Solf jedoch an, es „entziehe sich seiner Kenntnis“, warum der Gouverneur die Ausreise nicht erlaubt habe.242 Anders als in der Südsee wurden in „Deutsch-Südwestafrika“ Deutsche, die mit einheimischen Frauen verheiratet waren, ab spätestens 1906 durch die übrigen weißen Siedler systematisch aus der kolonialen Gesellschaft ausgegrenzt. So durften sie beispielsweise Turnvereinen und Farmer-Vereinigungen nicht beitreten. Außerdem wurden weder Darlehen an in einer „Mischehe“ lebende Männer vergeben noch Farmen an sie verkauft. 1909 verloren sie sogar ihr aktives und passives Wahlrecht zum Landesrat. „Mischlingskinder“ durften die neue Regierungsschule in Windhuk und manche Kindergärten nicht besuchen. Auch in Deutsch-Ostafrika wurden gemischte Paare und halbweiße Nachkommen diskriminiert.243 Die Forschung hat mit Bezug auf die verschiedenen europäischen Kolonialmächte wiederholt festgestellt, dass die zunehmende Einwanderung von Frauen aus dem Mutterland die rassistische Segregation und damit die Ablehnung der „Rassenmischung“ in den Kolonien verstärkte.244 Karen Smidt konnte trotz vereinzelter Ausnahmen dieses Ergebnis auch für das Gros der deutschen Frauen in „DeutschSüdwestafrika“ bestätigen:

239 Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 144. 240 Grentrup, Th.: Die Rassenmischehen in den deutschen Kolonien, S. 35f, 85. 241 Staatssekretär Solf an den Gouverneur in Apia, Berlin, 17. Jan. 1912, ANZ(W), SamoaBMO4 94. 242 Auszug aus der Reichstagsdrucksache, Protokoll der 72. Sitzung, Berlin, 7. März 1913, ANZ(W), AGCA 6051/0411. 243 Vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 155; Wildenthal, L.: German Women for Empire, S. 99, 118, 104; Kundrus, B.: Moderne Imperialisten, S. 260. 244 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 154; Walgenbach, K.: Zwischen Selbstaffirmation und Distinktion, S. 146; vgl. Gouda, F.: Das „unterlegene“ Geschlecht der „überlegenen“ Rasse, S. 196.

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„Aufgrund der wachsenden Einwanderung deutscher Frauen, besonders durch die vom Frauenbund ausgesandten Frauen, verstärkten sich in Südwestafrika die rassistischen und auch nationalistischen Auffassungen. Deutsche Frauen wandten sich gegen Mischlinge, gegen Deutsche und andere Weiße, die mit Afrikanerinnen verheiratet waren, und gegen afrikanische sowie burische Frauen. [...] Die systematische Ausgrenzung von Deutschen, die mit einer Afrikanerin verheiratet waren, und von Mischlingen nahm unter dem Einfluss deutscher Frauen zu. Letztere verstärkten die Distanz zwischen der afrikanischen und weißen Bevölkerung, schufen und vertieften Vorurteile und zeigten sich zum Teil rassistischer als deutsche Männer.“245

Im vorliegenden Quellenmaterial aus der Südsee waren hingegen keine solch unverhohlen rassistische Kommentare von deutschen Frauen über „Mischehen“ zu finden, wie die, die Karen Smidt in ihrer Untersuchung zitiert. Die Tatsache, dass es in den Südsee-Kolonien keine Frauen gab, die der Frauenbund dorthin gesendet hatte, erwies sich auch in dieser Hinsicht als bedeutend für die sozialen Beziehungen in den Kolonien, schließlich schrieb Smidt gerade diesen Frauen die zunehmende Verbreitung rassistischer Ansichten in „Deutsch-Südwestafrika“ zu.246 Wie bereits in Kapitel 11.1 erläutert wurde, hatten diese Frauen aus einfachen Verhältnissen ein großes Interesse daran, ihre soziale Position in der Kolonie durch eine Hochzeit zu verbessern. Daher galt es nicht nur, sich gegen die anderen weißen Konkurrentinnen auf dem Heiratsmarkt durchzusetzen, sondern auch die Vorzüge einer Ehe mit einer deutschen Frau im Vergleich zu einer Beziehung zu einer einheimischen Frau zu betonen: Nur die weiße Frau konnte weiße Kinder gebären und angeblich war auch nur sie in der Lage, einen Haushalt gut zu führen und ihrem weißen Ehemann eine wirkliche Partnerin zu sein. Die Verbreitung rassistischen Gedankengutes diente also der Absicherung der eigenen sozialen Stellung.247 Im Quellenmaterial aus den viel dünner von Weißen besiedelten SüdseeKolonien hingegen mit ihrer homogeneren Bevölkerungsstruktur macht sich dieses Konkurrenzdenken unter den wenigen deutschen Frauen – von denen viele ja ohnehin nicht als Braut in Frage kamen – nicht bemerkbar. Dass die Haltung gegenüber „gemischten“ Ehen und deren Nachkommen in den Südsee-Kolonien deutlich tole-

245 Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 155. Zu beachten sind auch die zahlreichen Quellenbeispiele auf den folgenden Seiten dieses Buches, die die rassistische Haltung der deutschen Frauen in „Deutsch- Südwestafrika“ belegen. 246 Dass auch die sozialen Beziehungen der deutschen Frauen untereinander in „DeutschSüdwestafrika“ durch die „Massenaussendung“ von Frauen durch den Frauenbund verschlechtert wurden und sich dadurch ein ausgeprägtes Klassendenken entwickelte, wurde bereits in Kapitel 11.1. dieser Arbeit thematisiert. 247 Vgl. Smidt, K.: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“, S. 154-156; Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 154f.

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ranter als in den deutschen Kolonialgebieten in Afrika war, macht der ungezwungene Umgang vieler weißer Frauen mit „halbweißen“ Geschlechtsgenossinnen deutlich. Gouverneursfrau Solf, die in ihr Tagebuch notierte, dass sie nicht so viel mit den „halfcastes“ zusammen sein wolle, stellt mit dieser negativen Bemerkung über die „Mischlinge“ eine Ausnahme dar, die womöglich von der ablehnenden Haltung ihres Mannes gegenüber der „Rassenmischung“ beeinflusst wurde.248 Von den sogenannten „Halbweißen“ oder „halfcastes“ berichten die deutschen Frauen häufiger als von indigenen Ehefrauen, was wohl vor allem damit zu erklären ist, dass kaum deutsche Frauen in der männlich dominierten Anfangsphase der Kolonisierung in die Südsee kamen, sondern erst in späteren Jahren, als bereits die zweite Generation aus den „gemischten Beziehungen“ hervorgegangen war.249 Unter diesen Töchtern, die häufig eine europäische Erziehung und Ausbildung genossen hatten und trotz europäischen Lebensstils als Mittlerinnen zwischen dieser und der indigenen Welt fungieren konnten, suchten sich die europäischen Männer offenbar besonders gern eine Braut.250 So berichtete Antonie Brandeis beispielsweise von einem geselligen Abend in ihrem Haus auf der Marshallinsel Jaluit, „zu dem alle weißen Siedler mit ihren zum Teil halbweißen Frauen erschienen“, woran sie nichts ungewöhnlich oder anstößig zu finden schien.251 Auch die Forschungsreisende Elisabeth KrämerBannow verlor kein negatives Wort über die „Mischehe“, in der ein von ihr besuchter Pflanzer in „Neu-Mecklenburg“ lebte. Über dessen Frau ist in ihrem 1916 erschienen Buch zu lesen: „Seine Frau, eine dunkellockige Halb-Samoanerin, half ihm mit Geschick und Ausdauer in ihrer stillen Art, namentlich verstand sie ausgezeichnet mit den schwarzen Arbeitern umzugehen.“252 Das Essen, das die Frau für Krämer-Bannow kochte, lobt diese als „ausgezeichnet“.253 Gretel Kuhn, die während des Krieges in Rabaul in Neuguinea lebte, erinnerte sich ebenfalls voller

248 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 28. April 1909, in Privatbesitz. Johanna Solf scheint aber nicht allen „halfcasts“ ablehnend gegenübergestanden zu haben: Über die amerikanisch-samoanische „Queen Emma“, mit der sie während der Reise nach Samoa zusammentraf, schrieb sie begeistert in ihr Tagebuch, diese habe ihr „ganz kolossal imponiert und gefallen“, siehe: ebd., Eintrag vom 27. Okt. 1908. 249 Vgl. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 107f. 250 Vgl. Wareham, E.: Race and Realpolitik, S. 136: „...a ‚white‘ racial identity in Samoa included from its inception those legitimate and illegitimate half-cast women who lived as Europeans.“ Wareham begründet dies vor allem mit der geringen Zahl weißer Heiratskandidatinnen in der Kolonie. 251 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, S. 6. 252 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 251. 253 Ebd.

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Wohlwollen an die „halbsamoanische“ Ehefrau eines Pflanzers, die sie dort kennen lernte: „Seine Frau war ganz besonders sympathisch, sie war eine Halbblut.“254 In Herbertshöhe im Bismarck-Archipel war eine „Halbweiße“ mit ihren zahlreichen Verwandten gar der Mittelpunkt des Gesellschaftslebens: Auf den legendären Dinnerpartys der samoanisch-amerikanischen Plantagenbesitzerin Emma Forsayth, auf Grund ihrer gesellschaftlichen Stellung „Queen Emma“ genannt, mischten sich stets Gäste verschiedenster Abstammung, ohne dass sich über diesen Umstand in den Quellen ein einziges negatives Wort findet.255 Hermann Hiery weist darauf hin, dass „Queen Emma“ sogar als Präsidentin des europäischen Tennisklubs der deutschen Hauptstadt Neuguineas „den Schlüssel zum Eintritt in die etablierte Gesellschaft der Kolonie selbst in der Hand [hatte]“.256 Über Emmas Schwester Phoebe, die ebenfalls in der kolonialen Gesellschaft sehr geschätzte Ehefrau von Richard Parkinson, äußerte sich Missionarsfrau Fellmann mehrfach bewundernd, da diese trotz zahlreicher Verpflichtungen stets auch genug Zeit für soziale Aktivitäten und ihre Familie fände und dabei immer gastfreundlich und gut gelaunt sei: „Frau Parkinson ist eine wunderbare Frau [...]. Man kann nicht anders, als sie bewundern, eine Europäerin wird es ihr nie gleich tun können [...]“257, schrieb sie an ihre Mutter, ohne die Tatsache zu kommentieren, dass der Deutsche Parkinson mit einer HalbSamoanerin verheiratet war. Diese stand der Missionarsfrau sogar bei den Geburten ihrer Kinder bei, worüber sie sich sehr glücklich äußerte, da Parkinsons Anwesenheit so beruhigend auf sie wirke.258 Auch der Einfluss samoanischen Brauchtums, der sich bei Einladungen durch Parkinsons Familie bemerkbar machte, wird von Fellmann positiv kommentiert.259 Selbst eine knappe Bemerkung über außereheliche Verhältnisse der „halfcaste-Damen“ – die sie im betreffenden Brief nicht weiter bewertet, als Missionarsfrau aber wohl missbilligt haben muß – trüben nicht das insgesamt positive Bild, dass sie in ihren Schriftzeugnissen von diesen Frauen ver254 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 80. Auch über die japanische Ehefrau des Verwalters Schambeck äußert sich Kuhn regelrecht begeistert, siehe: ebd., S. 81. 255 Siehe zu Queen Emma: Mückler, H.: Kolonialsimus in Ozeanien, S. 183f; Blauert, Andreas: „Queen Emma of the South Seas“, in: Väth, Anke (Hrsg.): Bad Girls. Unangepasste Frauen von der Antike bis heute, Konstanz 2003, S. 135-137; vgl. auch Vieweg, B.: Big fellow man, S. 80, 87-89; Rechinger, L. u. K.: Streifzüge in Deutsch-NeuGuinea und auf den Salomons-Inseln, S. 91f. 256 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 42; siehe auch: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 92-110. 257 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 6. Mai 1900, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 165; vgl. zu Phoebe Parkinson: Vieweg, B.: Big fellow man, S. 88. 258 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 30. Sept. 1906, zitiert aus Privatbesitz. 259 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 25. Sept. 1900, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 168.

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mittelt.260 In den bisher zitierten Fällen wurden weiße Männer genannt, die zwar in Neuguinea lebten, aber eine Frau (halb-)samoanischer Abstammung geheiratet hatten, die meist eher dem Schönheitsideal der Europäer entsprachen als die melanesischen Frauen.261 Dass dennoch auch Beziehungen mit melanesischen Frauen weit verbreitet waren, wurde bereits deutlich – auch diesen Partnerschaften stand Missionarsfrau Fellmann offenbar tolerant gegenüber, selbst wenn es den Gouverneur betraf. Über dessen Beziehungsleben schrieb sie an ihre Mutter: „[...] im übrigen ist man hier nicht so formell. Er ist wie all die anderen mit einem eingeborenen Mädchen auf eingeborenen Art verheiratet [...].“262 Missionarin Valesca Schultze kritisierte auch die „Rassenmischung“ in Samoa nicht, sondern hielt beispielsweise über einen deutschen Händler fest: „Er hatte eine sehr nette tüchtige halfcast zur Frau.“263 In dem vergleichsweise umfangreichen Textmaterial, das von Frieda Zieschank vorliegt, wird mehrfach auf die „Rassenfrage“ in Samoa Bezug genommen. In ihrem Buch Ein Jahrzehnt in Samoa, das nach dem „Mischehen-Verbot“ veröffentlicht wurde, schrieb Zieschank, eine „Rassenmischung“ würde sie zwar nicht befürworten und daher halte sie das „MischehenVerbot“ für sinnvoll.264 Dass zu Beginn der Kolonisation aber „Mischehen“ entstanden, fand sie nachvollziehbar und hatte Verständnis dafür, dass der plötzliche Umschwung in deren Akzeptanz die Betroffenen erzürnte.265 Zieschank vermittelte außerdem ein sehr positives Bild von den „halbweißen“ Frauen, die aus diesen Verbindungen hervorgingen und häufig wiederum mit weißen Männern zusammenlebten: „Unzweifelhaft sind die jungen Mädchen zum großen Teil sehr reizvolle Geschöpfe. Man findet entzückende Schönheiten unter ihnen. [...] Intelligent und bildungsfähig sind sie alle, ihr Grundcharakter zeigt keine wesentliche Verschiedenheit von dem unseren, höchstens, daß die weibliche Anpassungsfähigkeit noch stärker hervortritt. Fast alle – Ausnahmen gibt es überall – sind ihren Männern treue Frauen und sorgliche Mütter ihrer Kinder.“266

260 Vgl. Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 8. Sept. 1900, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 168. 261 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 41. 262 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 2. Dez. 1901, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 173. 263 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 5. Juni 1882, in Privatbesitz. 264 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 108f. 265 Ebd., S. 111. 266 Ebd., S. 108.

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Zieschank betonte, dass die „farbigen Frauen“ in Samoa als „gesellschaftlich voll berechtigt“ galten.267 Obwohl sie die Meinung vertrat, dass zum deutschen Mann „naturgemäß die deutsche Frau“ gehöre, mahnt sie zu einem besonnen Umgang mit dem „Halbweißenproblem“:268 „Sie sind nun einmal da, die Kinder deutscher Männer, und deshalb sollten wir nicht nur das braune, sondern auch das weiße Blut in ihnen sehen, und das ist zum Teil von bester Art! [...] Ich kann beim besten Willen nicht einsehen, daß eine Gefahr für die Allgemeinheit in den samoanischen Mischlingen besteht.“269

Zieschank akzeptierte also bestehende „Mischehen“, hielt es aber für sinnvoll, neue zu unterbinden. Diese Haltung prägt auch weitgehend ihren Kolonialroman Ein verlorenes Paradies von 1923, allerdings tritt hier ihre Ablehnung der „Rassenmischung“ deutlich drastischer zu Tage. Dass ihr Protagonist vor seiner Verlobung mit der deutschen Martha mit einer Samoanerin Geschlechtsverkehr hatte, wird als „Dummheit“ und „Rassensünde“ bezeichnet, die er im Laufe der Romanhandlung bitter bereut.270 Der Samoanerin wird dabei der Part der schamlosen Verführerin zugeschrieben, der der eigentlich sittsame Protagonist letztendlich in einem schwachen Moment auf Grund ihrer ausgespielten Reize erliegen musste.271 Entschlossen zieht der Protagonist danach aber einen Schlussstrich, damit er nicht in einer „Kanakerwirtschaft“ untergeht und damit seine Kinder einmal „durch und durch germanisch“ aussehen.272 Dennoch verbindet die Romanautorin mit dieser Darstellung keine generelle Verurteilung der „Halbweißen“ – offensichtlich übertrug sie ihre prinzipielle Ablehnung der „Rassenmischung“ nicht auf die Personen, die diese repräsentierten. Die deutsche Protagonistin des Romans findet eine Zeit lang Unterkunft im Haus eines deutschen Pflanzers, der mit einer „halfcaste“-Frau verheiratet ist. Diese Ehe wird als glücklich bezeichnet und sowohl die Gastgeberin (die als „rührende Mutter“ dargestellt wird) und ihre Haushaltsführung als auch die wohlerzogenen „Mischlingskinder“ positiv geschildert, was wohl auf Zieschanks eigenen Erfahrungen basierte.273 In ihrem 1913 in Kolonie und Heimat erschienenen Brief an eine Kolonialbraut hatte sie der Ausreisenden prophezeit: „Auch viele nette

267 268 269 270 271 272 273

Ebd., S. 50. Ebd., S. 108f. Ebd., S. 108f. Zieschank, F.: Ein verlorenes Paradies., S. 64, 94. Ebd., S. 97. Ebd., S. 95. Ebd., S. 82f.

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halbweiße Hausfrauen werden Sie kennen lernen.“274 Allerdings hatte sie auch damals schon die Meinung vertreten, die deutsche Braut werde sich ihre Freundinnen „naturgemäß“ dennoch eher unter den Weißen suchen, da die ganz anders verlebte Jugend der „Halbweißen“ einen Rest Fremdheit nie schwinden lassen würde.275 Es sei jedoch „gar manch intelligente Persönlichkeit unter ihnen“. Laut Zieschanks Darstellung seien die deutschen Frauen von Anfang an freundlich im Kreis der halbweißen Frauen aufgenommen worden und hätten sich gut mit ihnen verstanden: „Nie trat ein schroffer Gegensatz zwischen Weiß und Mischling hervor“. Dieses harmonische Verhältnis sei zerstört worden, als von außen die Debatte über die „Rassenreinheit“ in die Kolonie getragen worden sei und dort für böses Blut gesorgt habe.276 Der „Fall Michaelis“ Wie unwillig diese Debatte in Samoa aufgenommen wurde, bekam Carl Eduard Michaelis zu spüren, ein junger Deutscher mit schriftstellerischer Neigung, der sich von Mai 1910 bis April 1911, also vor dem offiziellen „Mischehen-Verbot“, in der Kolonie aufhielt.277 In einem in der Samoanischen Zeitung abgedruckten offenen Brief an den Pflanzerverein von Samoa forderte er diesen auf, in seiner Informationsbroschüre Ausreise-Interessenten zu empfehlen, schon verheiratet nach Samoa zu kommen, um „Mischehen“ zu vermeiden.278 Er verunglimpfte in diesem Zusammenhang die Nachkommen aus deutsch-samoanischen Beziehungen als „gelbe Mischlingsbrut“, die man „mit ein paar Mark Alimenten abfinden, oder etwa um ein Fass Salzfleisch pro Stück von ‚kinderlieben‘ Samoanern adoptieren lassen“ könne. Der Artikel rief einen Sturm der Entrüstung hervor.279 Die Samoanische Zeitung beteuerte in ihrer nächsten Ausgabe, sich nicht mit dem Inhalt von Michaelis’ Einsendung zu identifizieren und gab an, dass die Veröffentlichung „wohl bei genauerer Durchsicht unterblieben“ wäre.280 Der Gouverneur berichtete nach Berlin:

274 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1913), Nr. 45, S. 8. 275 Ebd. 276 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 110-112. 277 Stellvertretender Gouverneur Schultz an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, BArch, R 1001/3066. 278 Michaelis, Carl E.: Offener Brief an den Pflanzerverein von Samoa, in: Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 13, S. 1f. 279 Der aus diesem Artikel entstehende Konflikt findet sich dokumentiert in BArch, R 1001/3066 und ANZ(W), AGCA 6051/0372; vgl. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 110-112. 280 Samoanische Zeitung, 11. Jg. (1911), Nr. 14, S. 1.

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„An diesem Artikel nahmen die ganze Mischlingsbevölkerung und die vielen mit ihr in verwandtschaftlicher Beziehung stehenden Europäer Anstoss. Die Kenntnis von dem Artikel verbreitete sich mit überraschender Schnelligkeit, obwohl die überwiegende Mehrheit dieser Bevölkerungsklassen des Deutschen nicht mächtig ist, teilte sich wie üblich auch den Eingeborenen mit und rief bei allen grosse Erregung hervor. Die unbeteiligten Europäer verhielten sich zwar ruhig, missbilligten aber fast durchgängig den Artikel, insofern als einige Stellen der Form nach verletzend seien und das sachlich Richtige, das er enthalte, hier im Schutzgebiet besser ungesagt geblieben wäre.“281

Vor allem die halbweißen und samoanischen Frauen waren empört und planten offenbar, Michaelis zu überfallen, zum Widerruf zu zwingen oder körperlich zu misshandeln. Der eigentlich für die chinesischen Arbeiter zuständige Kommissar Fries wurde daher vom Gouverneur beauftragt, Michaelis sicheres Geleit nach Apia zu geben und ihn dort zu seiner eigenen Sicherheit zu inhaftieren (Fries war allerdings selbst mit einer „halfcaste-Frau“ verheiratet und sagte Michaelis laut dessen Aussage, er würde ihm am liebsten „ein paar runterhauen“282).283 Der Verfasser schien die Aufregung um seinen Artikel nicht recht zu verstehen, glaubte er doch, mit seinem Text seinem Vaterland und seiner „Rasse“ einen guten Dienst erwiesen zu haben. Zudem war er offenbar überzeugt, dass die Nachkommen aus „gemischten“ Beziehungen „sich doch gewiß bei ruhiger Überlegung selber schon gesagt haben werden, daß es ihnen eigentlich lieber wäre, wenn ihr weißer Vater ihnen auch eine weiße Mutter genommen hätte.“284 Als Reaktion auf den Zeitungsartikel hielten Bewohner Samoas, die sich entweder direkt betroffen fühlten oder solidarisch zeigten, mehrere Versammlungen ab und verfassten schließlich eine Petition. Rund 60 Ansiedler forderten „unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse, zur Erhaltung des sozialen Friedens unter der Bevölkerung“ die Ausweisung Michaelis’ aus dem Schutzgebiet und besiegelten dies mit ihrer Unterschrift.285 Tatsächlich wurde dem Unruhestifter vom Gouverneur nahegelegt, die Kolonie sofort zu verlassen, was dieser zwar als Schmach

281 Stellvertretender Gouverneur Schultz an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, BArch, R 1001/3066. 282 Michaelis an den Bezirksrichter, Vaimea-Gefängnis, 4. April 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 283 Stellvertretender Gouverneur Schultz an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, BArch, R 1001/3066. 284 Michaelis an den Bezirksrichter, Vaimea-Gefängnis, 4. April 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 285 Petition von Ansiedlern Samoas, Apia, 5. April 1911, BArch, R 1001/3066.

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empfand, aber notgedrungen tat.286 Der Gouvernementsrat von Samoa bezeichnete Michaelis in einer Stellungnahme zu dem Vorfall als „nicht ernst zu nehmenden Sonderling [...], der die Lage der Dinge im hiesigen Schutzgebiet mit absoluter Unkenntnis geschildert habe.“ Sehr bedauerlich sei daher die Tatsache, „dass auch ernsthafte deutsche Zeitungen diese unreifen Äußerungen weiter verbreitet hätten.“287 Interessant ist der Fall Michaelis vor allem auf Grund der bedeutenden Rolle, die hier die einheimischen und „halbweißen“ Frauen einnahmen. Da sie offenbar handgreiflich Rache an Michaelis genommen hätten, wenn dieser nicht rechtzeitig vom Gouvernement in Schutzhaft genommen worden wäre, wandte sich Gouverneur Schultz an die Frauen, um die Lage zu beruhigen. Die Gesprächsprotokolle sind sowohl auf Samoanisch als auch in englischer Übersetzung in den Akten überliefert und stellen damit einen der seltenen Fälle dar, in denen einheimische Frauen im deutschen Quellenmaterial selbst zu Wort kommen.288 Schultz forderte die Frauen auf, vier oder fünf Sprecherinnen zu wählen. Ausgewählt wurden eine Samoanerin namens Sina, Witwe des weißen Inhabers der Firma Nelson & Sohn, außerdem die Samoanerinnen Pua und Ta’avili, beides Ehefrauen samoanischer Häuptlinge sowie die beiden „halfcaste-Frauen“ Sesilia Stower und Frau Parker.289 Schultz stimmte den Frauen zu, dass der Artikel einige beleidigende Worte enthalte, die niemals hätten gedruckt werden sollen und versicherte, dass der Verfasser nicht vom Gouvernement autorisiert gewesen sei. Er sei jedoch unzufrieden mit dem Verhalten der aufgebrachten Frauen und hätte sie streng bestraft, wenn sie ihr Vorhaben ausgeführt hätten. Daraufhin trug einer der einheimischen Sprecherinnen das Anliegen der Frauen vor und betonte, dass sowohl die „halfcastes“ als auch alle samoanischen Häuptlinge empört über den Artikel seien. „This is not the first newspaper, for many other bad things have been printed lately concearning the Samoans and the Halfcastes“ 290, gab sie zu bedenken, womit sie sich aber wohl auf in Europa gedruckte Zeitungen bezog. Sie schlug im Namen der Frauengruppe vor, dass Michaelis zu ihnen gebracht würde und sich entschuldigen sowie seinen Artikel widerrufen solle. Außerdem solle er von ihren Inseln entfernt werden. Schultz ermahnte die Frauen, Michaelis ihm zu überlassen und drohte mit Bestrafung, falls sie erneut versuchen sollten, das Gesetz in ihre eigenen Hände zu nehmen – wobei er anfügte,

286 Michaelis an den Gouverneur, Vaimea-Gefängnis, 5. April 1911 u. Gouverneur an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 287 Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Gouvernementsrats vom 2. Feb. 1912, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 288 Memo, Mulinuu, 4. April 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 289 Gouverneur an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 290 Memo, Mulinuu, 4. April 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372.

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dass Samoa sonst in der ausländischen Presse als unzivilisiertes Land dargestellt würde. Da Schultz zu Ohren gekommen war, dass auch gegen den Ansiedler Langen, der sich bei seinem Heimaturlaub in Deutschland negativ über die „Mischlingsfrage“ geäußert hatte, Groll gehegt wurde und es bei dessen Rückkehr nach Samoa Schwierigkeiten geben sollte, redete er den Sprecherinnen Sina und Pua wenige Tage später erneut ins Gewissen.291 Seit der Hissung der deutschen Flagge hätten die Samoaner und „halfcastes“ keinen berechtigten Grund gehabt, sich wegen schlechter Behandlung durch die Kaiserliche Regierung zu beschweren. Außerdem hoffte er, dass Michaelis’ endgültige Abreise die Herzen der Frauen befriedigt habe. Pua gab daraufhin zu, dass die samoanischen Frauen schnell ärgerlich würden; nun sei der Ärger aber verflogen und man sei zufrieden, dass Michaelis fort sei. Die Gesprächsprotokolle vermitteln den Eindruck, dass Schultz die beiden Frauen in ihrer Führungsrolle durchaus ernst nahm. Der Gouverneur war auf ihre Vermittlung angewiesen, um weitere Unruhe zu vermeiden: „You two, Sina and Pua are like leaders and you are indeed ladies [...]. […]. It depends on you both, that you are able to prevent any trouble which might arise.“292 Die Frauen füllten diese Rolle offenbar selbstbewusst aus und fragten den Gouverneur, ob er etwa nicht ärgerlich werde, wenn einige Deutsche andere Deutsche grundlos beleidigten. Schultz antwortete, ihm gefielen die Äußerungen dieser Menschen auch nicht, da sie falsch seien, doch gäbe er seinem Ärger nicht nach, da er die Gesetze achte. Schließlich versicherten ihm die Frauen, seinen Anweisungen folgen zu wollen. Sie beriefen daraufhin eine Versammlung ein, um dort weiter zu geben, was der Gouverneur ihnen gesagt hatte. Zwei Tage später erstatteten die Sprecherinnen dem Gouverneur Bericht über das Ergebnis ihrer Beratungen und gaben bekannt, dass sie einstimmig beschlossen hätten, keine weitere Unruhe in dieser Angelegenheit zu stiften, sondern den Anweisungen des Gouverneurs Folge zu leisten.293 Die Tatsache, dass dem Gouverneur von diesen Ergebnissen der Frauenversammlung berichtet wurde, legt nahe, dass es wohl durchaus möglich gewesen wäre, dass sich die Versammlung entschieden hätte, gegen die Anweisungen des Gouverneurs zu handeln. Dass aber beschlossen wurde, auf die Worte des Gouverneurs zu hören, bezeugt das Vertrauen und den Respekt, den die Frauen ihm entgegen brachten. Schultz war in dieser Angelegenheit offensichtlich durchaus bewusst, dass die Frauen die entscheidenden Adressaten für ihn waren; ihre Männer tauchen in diesem Zusammenhang nicht auf. Dieser Umstand sorgte in der Heimat für Irritation, zumal es hieß, auch Ehefrauen von Beamten seien „an der erwähnten Zusammenrottung“ beteiligt gewesen. Der Staatssekretär des Reichskolonialamtes fragte schriftlich beim Gouverneur an, ob es 291 Memo, Mulinuu, 19. April 1911 u. Stellvertretender Gouverneur Schultz an den Staatssekretär des RKA, Apia, 31. Mai 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 292 Memo, Mulinuu, 19. April 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 293 Memo, Mulinuu, 21. April 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372.

12. „R ASSEN “-S TEREOTYPE UND „RASSENMISCHUNG “

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wahr sei, was in der Presse berichtet wurde.294 „Sollten die Zeitungsangaben der Wahrheit entsprechen, so würde ich nicht umhin können, mein Befremden über diesen Vorfall auszusprechen. Denn es hätte erwartet werden können, daß die Beamten soviel Einfluß auf ihre Frauen besitzen, um diese von einem solch unüberlegten Schritt abzuhalten.“295 Offenbar war für den Staatssekretär nur schwer vorstellbar, dass die Frauen womöglich in ihrer Handlung nicht von ihren Männern beeinflusst worden waren, sondern selbstbestimmt agierten. Dementsprechend bat er darum, deren Ehemännern seine Missbilligung mitzuteilen, sofern es sich wirklich um Beamte handle. Außerdem fragte er nach ergänzenden Informationen, ob und wie das Gericht gegen die „an der Zusammenrottung beteiligten Frauen“ vorgegangen sei.296 Wie der Staatssekretär richtig erkannte, finden sich aber keine Informationen über eine gerichtliche Verfolgung des Falls, so dass davon auszugehen ist, dass eine solche nicht stattgefunden hat. Gouverneur Schultz hatte es offenbar vorgezogen, sich in einem von beiderseitigem Respekt geprägten Gespräch mit den Sprecherinnen der Frauen zu verständigen. In dieser aufschlussreichen Episode um Michaelis, die laut Frieda Zieschank nachhaltig das Verhältnis zwischen Weißen und „Mischlingen“ trübte, traten also einige einheimische Frauen, die in Beziehungen mit weißen Männern lebten, als entschlossene Verteidigerinnen ihres Rufes in Erscheinung.297 Wie deutlich wurde, sympathisierten viele weiße Bewohner der Kolonie mit ihnen. Auch Frieda Zieschank konnte die Empörung der Betroffenen trotz ihrer eigenen generellen Ablehnung der „Rassenmischung“ nachvollziehen.298 Wie sich die deutsche Frauen im untersuchten Quellenmaterial ansonsten über die Einheimischen äußerten und welche Beziehungen sie zu ihnen entwickelten, soll in den folgenden Kapiteln dargelegt werden. Zuvor soll jedoch zusammenfassend festgehalten werden, dass es in allen SüdseeKolonien des Kaiserreichs zahlreiche sexuelle Beziehungen zwischen weißen Männern und indigenen Frauen gab, wofür wohl vor allem die geringe Anzahl weißer Frauen dort sowie das Stereotyp der exotischen Südseeschönheit verantwortlich waren. Besonders in Samoa war die Zahl der daraus erwachsenen Ehen und „halbweißer“ Nachkommen sehr hoch. Während die sogenannten „Mischehen“ zu Beginn der deutschen Kolonialherrschaft noch positiv gewertet wurden, wuchs die Kritik an der „Rassenmischung“ ab der Jahrhundertwende zunehmend. Die verschiedenen 294 Staatssekretär des RKA an den Gouverneur in Apia, Berlin, 12. Aug. 1911, ANZ(W), AGCA 6051/0372. 295 Ebd. 296 Ebd. 297 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 111f. 298 Ebd., S. 111.

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erläuterten rassentheoretischen Argumente gegen diese Verbindungen liefen vor allem auf Angst vor Machteinbußen im kolonialen Herrschaftssystem hinaus. Besonders brisant erschien damals die Tatsache, dass indigene Frauen deutscher Männer durch die Ehe ebenso die deutsche Staatsbürgerschaft erhielten wie die Kinder aus diesen Beziehungen, was die Existenz „schwarzer Deutscher“ zur Folge hatte. Die Ablehnung der „Rassenmischung“ war weitestgehend Konsens, das gesetzliche Verbot der „Mischehen“ aber sowohl im Kaiserreich als auch in den Kolonien aus verschiedenen Gründen umstritten. Eines der wichtigsten Argumente der Gegner des Verbotes war, dass man nicht das Recht des deutschen Mannes beschneiden wollte, seine Braut frei zu wählen. Die „Mischehen-Verbote“ für „DeutschSüdwestafrika“ und Ostafrika heizten die Debatte weiter an; ihren Höhepunkt erreichte sie jedoch erst 1912, als Staatssekretär Solf ein generelles „MischehenVerbot“ für Samoa erließ. Die Analyse der sogenannte „Mischehen-Debatte“ macht deutlich, dass „Rasse“ keinesfalls eine einfach biologisch determinierte, sondern eine umstrittene, sozial, kulturell und politisch bestimmte Kategorie ist. Die Grenze zwischen „Weißen“ und „Eingeborenen“ erwies sich als fließend und wandelbar. In der Diskussion um die „Mischehen“ ist klar zu erkennen, dass in Bezug auf die Geschlechter mit zweierlei Maß gemessen wurde: Während Beziehungen zwischen deutschen Männern und indigenen Frauen als unerwünscht aber auf Grund der natürlichen Veranlagung des Mannes und der kolonialen Situation als nachvollziehbar erschienen, waren Beziehungen zwischen deutschen Frauen und indigenen Männern geächtet und unterlagen einem starken gesellschaftlichen Tabu. Bis auf wenige Ausnahmen wurde diese Tatsache von den deutschen Frauen selbst nicht kommentiert oder gar kritisiert. Sie nutzten die Debatte, um den Wert der Frauen für die erfolgreiche Kolonisierung hervorzuheben. Während die deutschen Frauen in der Heimat und auch in „Deutsch-Südwestafrika“ durch rassistische Agitation gegen die „Mischehen“ ihre eigene Position abzusichern oder zu verbessern suchten, verhielten sich die deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien den Quellen nach zu urteilen in dieser Frage überwiegend tolerant. Das konnte anhand zahlreicher positiver Kommentare über „gemischte“ Familien und halbweiße Frauen nachgewiesen werden. Auch wenn die „Rassenmischung“ an sich abgelehnt wurde, wurde diese Missbilligung offenbar nicht auf die sie repräsentierenden Personen übertragen. Generell ist festzuhalten, dass das „Mischehen-Verbot“ für Samoa in der Kolonie selbst auf teils heftige Kritik stieß. Wie sich am Fallbeispiel des Carl Michaelis zeigen ließ, setzten sich vor allem samoanische und „halbweiße“ einheimische Frauen gegen rassistische Hetze von außen zur Wehr, wobei bemerkenswert ist, dass dieser Protest auch von zahlreichen weißen Einwohnern unterstützt oder zumindest verständnisvoll aufgenommen wurde. In diesem Zusammenhang wird also erneut deutlich, dass das gesellschaftliche Klima in den Südsee-Kolonien nicht mit dem in „DeutschSüdwestafrika“ vergleichbar ist, was wohl nicht zuletzt dem umsichtigen und tole-

12. „R ASSEN “-S TEREOTYPE UND „RASSENMISCHUNG “

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ranten Führungsstil der Gouverneure von Deutsch-Neuguinea und Samoa zugeschrieben werden kann.

13. Die Beziehungen zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung

Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, waren im Deutschen Kaiserreich stereotype Vorstellungen von den indigenen Bewohnern der Südsee-Kolonien verbreitet, die einerseits um die Figur des „edlen Wilden“, andererseits um die „wilden Menschenfresser“ kreisten und ihre Wurzeln bereits in den ersten überseeischen Entdeckungsfahrten hatten. Diese Stereotype wurden durch Berichte derjenigen, die im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert selbst in die Südsee gereist waren, um sich dort niederzulassen, zu forschen oder touristischen Interessen nachzugehen, in Form von Vorträgen und Veröffentlichungen in Kolonial- und Missionszeitschriften oder Büchern größtenteils bestätigt und fortgeschrieben.1 Die Erwartungen der deutschen Frauen, die in die Südsee-Kolonien ausreisten, waren durch diese Schilderungen der zunächst ausschließlich männlichen Verfasser geprägt. Es ist davon auszugehen, dass sie alle auch schon einmal Fotografien gesehen hatten, die die Südseegebiete und deren Bewohner zeigten. Da die Frauen in allen Kolonien den Männern nachfolgten, gab es in der Regel keine ErstkontaktSituationen zwischen weißen Frauen und den Einheimischen – weiße Männer waren bereits vor ihnen mit den Einheimischen zusammengetroffen und hatten darüber in der Heimat Bericht erstattet. Allerdings beschrieben manche der Frauen, sie seien das erste weibliche weiße Wesen, dass die indigene Bevölkerung zu Gesicht bekommen hätte, und sie seien entsprechend bestaunt worden. Solch eine Szene erlebten beispielsweise Lily und Karl Rechinger auf ihrer Forschungsreise durch den Bismarck-Archipel: „Noch nie war eine weiße Frau auf dieser Insel gewesen, und da einige der Eingeborenen meinten, sie sei vielleicht gar nicht körperlich, sondern nur ein Gespenst oder unglückbringendes Trugbild der Weißen, forderte der Gouverneur einige von ihnen auf, die weiße Frau

1

Vgl. hierzu Kapitel 12.1.

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zu berühren, was ein alter Mann unter Zittern mit angstvoll verzerrtem Gesicht auch tat, ein anderer mit erfreutem Grinsen.“2

Das Staunen war meist beiderseitig, wie im Kapitel über die Ankunft der deutschen Frauen in der Südsee bereits anklang.3 In den folgenden Kapiteln soll untersucht werden, zu welcher Einschätzung der Einheimischen die deutschen Frauen während ihres Aufenthaltes vor Ort gelangten. Gaben sie ebenfalls die althergebrachten Südsee-Stereotype wieder? Wurde ihr Urteil durch die Erfahrungen vor Ort geprägt und änderte es sich womöglich im Laufe der Zeit? In welchen Situationen kamen die Frauen überhaupt mit den Einheimischen in Kontakt und welche Beziehungen entwickelten sich? Zur Beantwortung dieser Fragen werden bestimmte Aspekte getrennt beleuchtet: Zunächst soll es um die Beobachtung und Beschreibung der indigenen Bevölkerung und ihrer Lebensweise durch die deutschen Frauen gehen. Daran anschließend wird die Interaktion zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung untersucht. Ausgespart werden in diesen beiden Unterkapiteln die Frauen, die einer Mission angehörten. Von ihnen gibt es zwar mit Abstand am meisten Quellenmaterial, das zur Beantwortung dieser Fragen dienen kann, doch brachte der Missionskontext besondere Bedingungen mit sich. Ob und wie sich diese auf die Beziehungen zur indigenen Bevölkerung auswirkten, kann nur deutlich werden, wenn die Missionsangehörigen separat betrachtet werden, daher wird ihnen ein eigenes, großes Unterkapitel gewidmet. Zu guter Letzt sollen kurz speziell die indigenen Männer in den Fokus genommen werden, vielmehr die Frage, welche Rolle in diesem Zusammenhang Angst und Anziehung in den Schilderungen der deutschen Frauen spielten.

13.1 B EOBACHTUNG

UND

B ESCHREIBUNG

Sowohl die deutschen Frauen, die in den Südsee-Kolonien als Reisende unterwegs waren, als auch die, die sich dort dauerhaft niederließen, beschrieben den in der Heimat Zurückgebliebenen gerne die einheimische Bevölkerung. Während manche Schilderungen sicherlich die Leser erstaunte, werden andere ihren Erwartungen entsprochen haben, da sie die verbreiteten Stereotype bedienten. Das oben schon zitierte Forscherpaar Rechinger beispielsweise schilderte das Aussehen von Bewohnern der Salomonen, die sie an Bord eines Schiffes zu Gesicht bekamen, in ihrem Reisebericht wie folgt: 2

3

Rechinger, L. u. K.: Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln, S. 81; vgl. Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 96, 98; Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 169. Vgl. Kapitel 7.

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„Sie waren fast durchwegs gänzlich nackt, nur einige hatten ein schmales Lendentuch zwischen den Beinen durchgezogen und um die Hüften befestigt. [...] Die von Natur aus tiefschwarze Haut sah durch Krusten von Schmutz und Hautkrankheiten, hauptsächlich ‚Ringwurm‘, stellenweise grau-braun aus und die großen Mäuler trieften von durch Betelkauen rotgefärbtem Speichel. Vom Deck herab blickte man auf das dichte Gewirre von schwarzen nackten Körpern, [...] viele mit wildem Ausdruck ihrer unheimlichen Gesichter, so daß uns im ersten Augenblick dieser fremde Anblick anmutete wie jene phantastischen und figurenreichen Darstellungen Tintorettos vom Fegefeuer.“4

Die melanesische Bevölkerung, die Rechingers mehrfach als „Menschenfresser“ bezeichnen, wird hier nicht nur stereotyp als wild und unheimlich dargestellt, sondern durch Schmutz, Hautkrankheiten und den triefenden, rot gefärbten Speichel auch als abstoßend.5 Durch die „großen Mäuler“ werden die Einheimischen sogar in die Nähe des Tieres gerückt und ihre Wildheit damit unterstrichen. Zugleich wird die Faszination deutlich, die der Anblick auf die Verfasser ausübte: Der Vergleich mit den „fantastischen und figurenreichen Darstellungen Tintorettos“ gibt der Szenerie eine Note von Exotik und Spannung. Im Kontrast zu dieser wenig schmeichelhaften Darstellung der Bewohner der Salomonen äußern sich Lily und Karl Rechinger über die samoanische Bevölkerung deutlich positiver. Die polynesischen Inseln hatten sie vor ihrem Aufenthalt in Melanesien besucht und erinnerten sich voll des Lobes. Die Samoaner werden als sehr gastfreundlich, liebenswürdig und lebenslustig beschrieben.6 Dennoch wird in Rechingers Reisebericht nicht einfach die althergebrachte Melanesien-Polynesien-Division bedient. Die Feldbaukünste der melanesischen Bevölkerung ringen dem Botanikerpaar Bewunderung ab. Mehrfach wird betont, wie gut sich die Einheimischen darauf verstünden und wie gepflegt und ordentlich ihre Pflanzungen seien – ganz ohne europäisches Zutun, wie hervorgehoben wird. So heißt es etwa über den Anbau von Taro: „Die Kultur dieser Knollenpflanzen wird von den Eingeborenen unabhängig von den Weißen mit staunenswertem Fleiße betrieben und die bebauten Flächen fast ganz frei von jedem Umkraut erhalten.“7 Einige Seiten später wird erneut die Regelmäßigkeit und der rationelle Betrieb einer einheimischen Pflanzung gelobt.8 Außerdem stellten Rechingers fest, dass „die Papuas“ an Schlauheit, Kriegslist und Erfindung „Außerordentliches“ leisten würden.9 Auch das Urteil der beiden Reisenden über das Äußere der melanesischen Bevölkerung ist nicht durchgehend negativ. So hat in ihrer Beschrei4 5 6 7 8 9

Rechinger, L. u. K.: Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomo-Inseln, S. 44. Ebd., S. 13f. Ebd., S. 1, 24. Ebd., S. 60. Ebd., S. 78, ebenso S. 85. Ebd., S. 63.

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bung ein Mann ein „gutmütiges schwarzes Gesicht“ und ein junges Mädchen – das in seiner Schönheit allerdings als Ausnahme dargestellt wird – wird auf Grund ihres ebenmäßigen und zarten Körperbaus verglichen mit „einer lebendig gewordenen Bronzestatue, etwa eine Psyche darstellend.“10 Lily und Karl Rechinger fällten also offenbar kein pauschales Gesamturteil, sondern gelangten auf Grund ihrer Beobachtungen zu einer differenzierteren Bewertung, die zwar jederzeit das eigene Überlegenheitsgefühl atmet, aber dennoch auch die Leistungen der indigenen Bevölkerung anerkennt. Die Reisende Marie Schafroth, die nach eigener Aussage schon als Kind davon träumte „leibhaftige Menschenfresser“ zu sehen, löste sich während ihrer Reise durch den Bismarck-Archipel und die Karolinen ebenfalls von diesem eindimensionalen Stereotyp.11 Gleich bei ihrer Ankunft in „Neupommern“ musste Schafroth ihre Vorstellung von „den Wilden“ korrigieren: „Die ersten Bewohner Neu-Pommerns, die wir da, auf der Werft umherstehend und kauernd, erblickten, machten einen sehr stillen Eindruck. Ich hatte mir den Empfang durch sie viel verblüffender und lärmender vorgestellt [...]. [...] Diese ‚deutschen Wilden‘ stellten sich ruhig und gesittet zu ihrer Arbeit ein und gingen sofort ans Löschen der Fracht. [...] Die eifrig schaffenden Menschen entsprachen wenig dem Bilde, das der Europäer von den im Naturzustand lebenden Kannibalen des Bismarck-Archipels von Kind auf mit sich herumträgt.“12

Schafroths Bericht vermittelt den Eindruck, dass sie sich sehr für die einheimische Lebensweise interessierte und sich bemühte, auf ihrer Reise so viel wie möglich darüber in Erfahrung zu bringen.13 Sie schilderte Aussehen und Brauchtum der indigenen Bevölkerung der von ihr besuchten Orte genau und bemühte sich im weiteren Verlauf des Buches, immer wieder zu betonen, dass die klischeehaften Vorstellungen von der indigenen Bevölkerung, die in ihrer Heimat verbreitet waren, nicht der Wahrheit entsprächen: „Es drängte sich mir gleich beim ersten Zusammentreffen mit diesen vielverschrienen Wilden, beim Anblick ihrer gutgebauten Wohnstätten, ihrer gepflegten Äcker, ihrer seetüchtigen Boote, ihrer teilweise schönen Geräte und gefährlichen Waffen die Überzeugung auf, daß ich keine dummen, teilnahmslos in den Tag hineinlebenden, nur ein Dämmerdasein führende Geschöpfe vor mir hatte, sondern aufgeweckte und in ihrer Art gescheite Menschen. Menschen

10 11 12 13

Ebd., S. 80. Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem großen Krieg, S. 12. Ebd., S. 16f. Vgl. beispielsweise ebd., S. 133.

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die, obgleich noch auf einer tiefen Kulturstufe stehend, wohl fähig sind, sich weiter zu entwickeln und sich in die neuen Verhältnisse hineinzufinden.“14

Auch der Vorwurf der Faulheit ließ sich nach Schafroths Beobachtungen nicht aufrecht erhalten. Die Einheimischen seien zwar nicht in europäischem Sinn fleißig, aber auch nicht völlig müßig.15 Als Baumeister hätten die Bewohner „Neupommerns“ und Neuguineas „eine höhere Stufe erreicht, als man von wilden Naturmenschen erwartet“, außerdem zeigte sich die Verfasserin „überrascht“ vom künstlerischen Sinn der indigenen Bevölkerung.16 Diese zeichne sich zudem durch hervorragendes Taktgefühl und einen feinen Sinn für Bewegungsschönheit aus.17 Auch die Grasröcke, die die jungen Frauen trugen, gefielen Schafroth.18 Die Einheimischen beschrieb sie als sehr kinderlieb und die Frauen als „rührend gute Mütter“.19 Insgesamt kam sie zu dem Urteil: „Der Papua ist nicht der geistig minderwertige Schwarze, der dumme Kerl, der blutgierige Wilde, wie vielfach geglaubt wird.“20 Häufig würden die Einheimischen in ihrem Wesen und ihren Fähigkeiten noch verkannt. Das führe zu verhängnisvollen Missverständnissen und Irrtümern. Schafroth vertrat in ihrem Reisebericht die Meinung, dass diese Missverständnisse sowie Unvorsichtigkeit und falsche Behandlung der indigenen Bevölkerung die Ursache für Morde und Überfälle auf die weiße Bevölkerung seien. Diese „bedauerlichen Vorkommnisse“ seien daher fast ausnahmslos „durch die Weißen mittelbar oder unmittelbar verschuldet“.21 Interessant an Schafroths Reisebericht ist jedoch nicht nur, dass sie an vielen Stellen deutlich für die einheimische Bevölkerung Partei ergriff und offenbar bemüht war, ihre Wertschätzung und das Verständnis für sie bei den Lesern zu steigern – sondern auch, dass sie das andererseits nicht davon abhielt, Beschreibungen wie die folgende einzustreuen: „Ein altes verhutzeltes Papuamütterchen sieht abschreckend hässlich aus.[...] Der Kopf ist auf die eingefallene Hängebrust gesunken; dumm, fast glanzlos stieren die oft entzündeten Augen aus dem unschönen, durch einen gräulichen, stets geifernden Mund entstellten Gesicht; die Zähne sind entweder kohlschwarz oder durch Betelkauen blutrot gefärbt.“22

14 15 16 17 18 19 20 21 22

Ebd., S. 31. Ebd., S. 60. Ebd., S. 33, 42. Ebd., S. 78. Ebd., S. 60. Ebd., S. 107. Ebd., S. 60. Ebd., S. 28. Ebd., S. 35.

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Die einheimischen Kinder werden hingegen als „niedlich“ bezeichnet.23 Dann wieder gleicht ihr Urteil sehr dem der oben zitierten Rechingers: „So ein schwarz und weiß angestrichenes Melanesiergesicht mit der flachen Stirn, der breiten stabgeschmückten Nase, dem riesigen hässlichen Mund und dem durch Betelkauen grauenvoll rotgefärbten Lippen und Zähnen oder gar mit kohlschwarzen Kauwerkzeugen und einem strohgelben Haarwulst ist kein lieblicher Anblick.“24

Offensichtlich hatte Schafroth keine Schwierigkeiten damit, diese äußert abschätzigen Beschreibungen mit ihrem ansonsten überwiegend positiven Urteil über die einheimische Bevölkerung in Einklang zu bringen. Sie beschrieb offen, was ihr in der Fremde gefiel – und ebenso offen, was ihr nicht gefiel. Dazu gehörte auch der zunehmende europäische Einfluss auf die „ursprüngliche“ Lebensweise der sogenannten „Naturmenschen“.25 So klagte sie etwa, dass die Webkunst der Frauen von den Karolinen-Inseln durch den Import europäischer Baumwolltücher verdrängt würde.26 Diesem Thema, zu dem sich in gleichem Sinne auch Antonie Brandeis wiederholt äußerte, widmete die Forschungsreisende Elisabeth Krämer-Bannow, die auf ihren Reisen die Karolinen-Inseln und den Bismarck-Archipel besuchte, sogar zwei ausführliche Zeitschriftenartikel.27 Darin zog sie gegen die Bekleidung der indigenen Bevölkerung mit europäischen Erzeugnissen zu Feld und betonte, dass dafür „Einseitigkeit und mangelndes Verständnis für die fremden Verhältnisse“ verantwortlich seien:28 „[...] in engherziger Weise werden unsere Anschauungen auf andere Völker, in deren Ideenwelt viele europäische Begriffe noch gar nicht vorhanden sind, übertragen. – Ein nackter Oberkörper oder entblößte Beine sind durchaus nichts Unsittliches [...].“29 Daher sei es unnötig und sogar schädlich, die einheimischen Bekleidungsgewohnheiten europäischen Maßstäben anzupassen. Im Gegensatz zu der als zweckmäßig und hübsch gelobten einheimischen Tracht führe die europäische Kleidung zu Krankheiten und „Verweichlichung“, außerdem ver-

23 24 25 26 27

Ebd., S. 34f. Ebd., S. 27. Zum „Naturmenschen“ in der „zu ihm gehörenden Umgebung“ vgl. ebd., S. 65f . Ebd., S. 128. Krämer-Bannow, Elisabeth: Menschenschutz in unseren Kolonien, in: Kosmos. Handweiser für Naturfreunde, 10. Jg. (1913), S. 353-360; Dies.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien!, in: Der Kunstwart. Rundschau für alle Gebiete des Schönen, 26. Jg. (1913), S. 13-22, ebenso: Dürer-Bund, 117. Flugschrift zur Ausdruckskultur; vgl. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 11, S. 211f. 28 Krämer-Bannow, E.: Menschenschutz in unseren Kolonien, in: Kosmos, 10. Jg. (1913), S. 354. 29 Ebd.

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leihe sie ihren indigenen Trägern einen schmutzigen, verwahrlosten und würdelosen Eindruck, da sie die Kleidung nicht angemessen zu pflegen wüssten und nicht rechtzeitig ersetzten.30 Krämer-Bannow hebt in diesem Zusammenhang immer wieder die Schönheit der traditionellen einheimischen Bekleidung hervor und stellt die indigene Kultur positiv dar; so liest man etwa über die Frauen des mikronesischen Palau: „Die Frauen der Palau-Inseln tragen je zwei Grasschürzen, eine hinten, eine vorn, die voll und dicht aus Streifen geflochtener Binsen, Bast oder Blättern zusammengenäht sind [...]. [...] Hübsch und sauber schreiten die braunen Schönen mit ihren bei jedem Schritt rauschenden Kleidchen daher, und noch halten sie es für schmachvoll, die Glieder in Kattunkleider zu stecken.“31

Die traditionelle Kleidung sei für eine gute Körperhaltung und „einen freien, schönen Eindruck“ verantwortlich.32 Nicht nur die mikronesischen Bekleidungssitten wurden von der Verfasserin gelobt, auch über die melanesischen „fein gearbeiteten Papuaschürzen und Armringe“ äußerte sie sich anerkennend; die indigene Bevölkerung sei fast immer mit gutem Geschmack begabt.33 Krämer-Bannow bediente in den zitierten Artikeln das Stereotyp des „edlen Wilden“ und stellte ihn als gefährdetes Wesen dar: In einem „Angsttraum“ sehe sie „die herrlichen, sorgsam gebauten Häuser im Zerfallen zwischen neuen Bretterbaracken und die einst in fast griechischer Schönheit wandelnden, stolzen Menschen mit europäischen Lappen bekleidet“.34 Die Verfasserin appellierte an die Regierung und die Missionen, die „hohe, durch Jahrhunderte gepflegte Kunst“ der Herstellung der einheimischen Bekleidung und der übrigen handwerklichen Erzeugnisse zu erhalten und zu schützen.35 Dafür sei es wünschenswert, dass Missionare und Beamte vor ihrer Ausreise in den Tropendienst entsprechend geschult würden (beispielsweise durch Studien in Völker30 Ebd., S. 355-359; ebenso über die Bevölkerung der Marshallinseln: Brandeis, A.: SüdseeBilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 192 u. Nr. 11, S. 211f. 31 Krämer-Bannow, E.: Menschenschutz in unseren Kolonien, in: Kosmos, 10. Jg. (1913), S. 358; ähnlich: Dies.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien!, in: Der Kunstwart, 26. Jg. (1913), S. 20. 32 Krämer-Bannow, E.: Menschenschutz in unseren Kolonien, in: Kosmos, 10. Jg. (1913), S. 357. 33 Ebd., S. 358; Dies.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien!, in: Der Kunstwart, 26. Jg. (1913), S. 15. 34 Krämer-Bannow, E.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien!, in: Der Kunstwart, 26. Jg. (1913), S. 13. 35 Krämer-Bannow, E.: Menschenschutz in unseren Kolonien, in: Kosmos, 10. Jg. (1913), S. 358; vgl.: Dies.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien, in: Der Kunstwart, 26. Jg. (1913), S. 22.

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kundemuseen), um Verständnis für die Sitten der indigenen Bevölkerung und ihren Kulturbesitz zu entwickeln.36 Sie selbst hatte sich auf ihren Reisen von der Kunstfertigkeit der Bevölkerung, auch im Bereich des Hausbaus und der Tänze, beeindrucken lassen37 – und wie Marie Schafroth versuchte sie offenbar, diese Erfahrung auch den Lesern in der Heimat zu vermitteln: „Wer einmal die großartigen Männerhäuser von Yap und Palau, die herrlichen, schönen Wohnungen in einigen Dörfern an Neu-Mecklenburgs Ostküste, etwa von Hamba, Lessu, Fesoa oder anderen gesehen hat, wird die Einwohner nicht mehr ohne Einschränkung kulturlose Wilde nennen, er wird im Gegenteile vor mancher Leistung der Bewunderung voll sein.“38

Während die zitierten Artikel den Eindruck erwecken könnten, Krämer-Bannow habe die Einheimischen und ihre Kultur generell positiv dargestellt, vermittelt ihr als Buch veröffentlichter Reisebericht Bei kunstinnigen Kannibalen der Südsee ein differenzierteres Bild. Neben Bewertungen, die den bereits zitierten entsprechen, findet sich auch manch abschätziges Urteil, beispielsweise über ein Dorf im Süden Neu-Mecklenburgs, das nicht nur ihre obigen Ausführungen zum Hausbau in der Ostküste der Insel kontrastiert: „[...] hier, wie überall in dieser Gegend, waren uns die niederen, grasbedeckten Hütten aufgefallen. Übereinfach und unordentlich waren die Familienwohnungen, und die etwas besser gebauten, zuweilen verzierten Männerhäuser konnten auch nicht für stattlich gelten. Als tiefstehend, stumpf und schmutzig waren die Bewohner Muliamas schon geschildert worden, und ihr sächlicher Besitz, ihre Arbeiten rechtfertigten diese Ansicht. Dazu kommt, daß die Menschen selbst durchschnittlich nicht schön und ansprechend sind. Den Männern fehlt vielfach die kraftverheißende Erscheinung, und die Weiber [...] haben die ihrer Rasse eigenen schlaffen, etwas aufgedunsenen Leiber und mageren Glieder, dabei sehr dürftige Kleidung, die meist aus alten Lumpen besteht. [...] Ausgiebig schmutzig schienen die meisten Leute zu sein, hat doch schon die dunkle, stumpf-braune Hautfarbe etwas Schmuddeliges.“39

Diese ausgesprochen negative Beschreibung, die im weiteren Textverlauf noch fortgeführt wird, wird dennoch durch ein überraschendes Gesamturteil gebrochen: „Im ganzen haben die Leute trotz ihrer geringen Schönheit etwas Sympathisches 36 Krämer-Bannow, E.: Menschenschutz in unseren Kolonien, in: Kosmos, 10. Jg. (1913), S. 360. 37 Krämer-Bannow, E.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien!, in: Der Kunstwart, 26. Jg. (1913), S. 15, 18f. 38 Ebd., S. 15. 39 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 18f.

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und gewinnen noch bei näherer Bekanntschaft.“40 Offenbar konnte bei KrämerBannow also die Interaktion mit der indigenen Bevölkerung durchaus zu einer Revision ihres ersten, nur auf Grund der Beobachtung gefällten Urteils führen. Darauf wird im folgenden Kapitel genauer eingegangen. Deutlich wird also auch in den Texten Krämer-Bannows, dass sie auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zu ihren Urteilen kam, die differenziert nach Ort und Person sowohl negativ als auch positiv ausfallen konnten. Selbst innerhalb desselben Dorfes empfand Krämer-Bannow manche unter den alten Frauen als „recht hässlich“ und zugleich „die niedlichen, sanften Gesichtchen der jüngeren Geschöpfe, so echt melanesisch sie auch sind, unter dem koketten Tituskopfhaar allerliebst“.41 Die Formulierung „so echt melanesisch sie auch sind“ unterstreicht den Eindruck, dass Krämer-Bannow die althergebrachten Stereotype zwar bekannt waren, sie aber nicht einfach auf diese zurückgriff. Mal stützten ihre Beschreibungen das Bild vom „edlen Wilden“, mal vom „wilden Menschenfresser“, obwohl sie sich in ihrem Buch immer auf Melanesier bezog, die in der Vorstellung der Deutschen üblicherweise die negative Seite des „Wilden“ verkörperten. Ada Nolde beschrieb die indigene Bevölkerung distanzierter und weniger differenziert als Krämer-Bannow und Schafroth. Im Gegensatz zu diesen beiden Reisenden hatte sie selbst ja auch kein Forschungsinteresse an der indigenen Lebensweise, sondern scheint die Bevölkerung eher mit den Augen ihres Mannes gesehen zu haben, nämlich primär als Bildmotive. Sie sollten möglichst exotisch, „wild“ und „unverfälscht“ aussehen, denn dann waren sie für den Maler „das herrlichste Material“.42 Ada Noldes Urteile über die indigene Bevölkerung fielen pauschal und zwar nicht durchgehend negativ, aber auch nicht allzu positiv aus: Die Bewohner der Gazellenhalbinsel seien „sehr unsympatisch niedrich denkend und schmutzig“, die einheimische Bevölkerung in der Nähe der Telefunkenstation Biatpaka jedoch „etwas besser, etwas stolzer und reinlicher“.43 Insgesamt ist Noldes Darstellung der indigenen Bevölkerung vor allem von einem Staunen über deren Andersartigkeit geprägt und bemüht, die Exotik der „Wilden“ zu betonen. Wie die meisten anderen deutschen Frauen schilderte die Verfasserin in diesem Zusammenhang die traditionellen Tänze der indigenen Bevölkerung, die sie mehrfach mit dem Adjektiv „wild“ und überdies als „wunderlich“ charakterisierte.44 Die Krankenschwester Auguste Hertzer bezeichnete die Tänze in ihrem Tagebuch als „schaurig schön“ und erklärte: „Sie wirkten gar nicht wie Tanz sondern wie eine mimische Theater-Aufführ-

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Ebd., S. 19f. Ebd., S. 116. Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 59. Ebd., S. 61f. Ebd., S. 64.

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ung. Sie stellte Akte aus dem Liebesleben einiger Vögel vor. Zuweilen wirkten ihre Sprünge und Bewegungen urkomisch zuweilen auch recht possierlich!“45 Auf diese Tänze kommt auch Gretel Kuhn mehrfach zu sprechen, die nach eigener Aussage während ihrer Zeit in Rabaul in Neuguinea voller Begeisterung „alle diese großen Eindrücke einer ganz fremden und unbekannten Welt in sich aufnahm“.46 Sowohl über ihr einheimisches Hauspersonal als auch über die Bewohner der umliegenden Dörfer liest man in ihrem Bericht fast ausschließlich Gutes. Voller Bewunderung berichtete sie davon, wie sich einheimische Männer für ein Tanzfest schmückten: Es sei ein phantastischer Anblick gewesen.47 Bei einem anderen Fest beschrieb sie den Kopfputz der Tänzer als „überwältigend“, einen Tanz auf einem See als „einfach unglaublich schön“.48 Auch die einheimischen Flechtarbeiten aus Palmwedeln lobte sie: „Es ist einfach wunderbar, wie geschickt sie das machen.“49 Zu den ganz wenigen negativen geschilderten Aspekten gehören die „hässlichen Geschwüre“, die manche Einheimische hatten, die von Kuhn verarztet werden wollten, was sie in diesen Fällen „nicht sehr appetitlich“ fand, und dass die Bevölkerung des Hochlands sich laut Kuhn lieber mit Kokos-Öl einrieb, statt sich zu waschen („nach unserem Geruchsinn nicht so ideal“).50 Ansonsten war ihr die indigene Bevölkerung offenbar durchweg positiv in Erinnerung, allerdings könnte der große zeitliche Abstand zwischen ihrem Aufenthalt in Neuguinea und der Niederschrift ihres Berichtes für die eine oder andere Idealisierung gesorgt haben. Im Gegensatz zu Kuhn, die ihre Erinnerungen erst spät für die Nachwelt festhielt, veröffentlichte Antonie Brandeis kurz nach ihrem mehrjährigen Aufenthalt auf den mikronesischen Marshall-Inseln Artikel über diesen in verschiedenen Kolonialzeitschriften.51 Ihren detaillierten Beschreibungen ist das große Interesse der Verfasserin an den indigenen Inselbewohnern und ihren kulturellen Eigenheiten anzumerken. Die Einheimischen werden als heitere, freundliche, zufriedene, sehr kinderliebe und harmlose Menschen beschrieben.52 Sie seien stets zum Scherzen aufgelegt, freigiebig und bescheiden. In diesem Zusammenhang betonte Brandeis den ih-

45 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, Eintrag vom 4. Nov. 1892, in Privatbesitz; vgl. auch die Schilderungen eines samoanischen Tanzes in: Unter dem roten Kreuz, 15. Jg. (1904), Nr. 12, S. 127. 46 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 104, in Privatbesitz. 47 Ebd., S. 44f, in Privatbesitz. 48 Ebd., S. 103, in Privatbesitz. 49 Ebd., S. 87, in Privatbesitz. 50 Ebd., S. 44, 102, in Privatbesitz. 51 Vgl. Quellenangaben im Anhang. 52 Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191f; Dies.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7.

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rer Meinung nach deutlich zu spürenden Kontrast zur indigenen Bevölkerung Afrikas: „Wenn man bedenkt, wie arrogant und herausfordernd sich Neger gegen Weiße benehmen und desto mehr, je nachsichtiger sie behandelt werden, […] so wird jeder, welcher sich längere Zeit unter Südsee-Eingeborenen aufhält, angenehm von dem massvollen Benehmen derselben berührt werden.“53

Zudem beschrieb Brandeis die Frauen als „äußerst geschickt im Flechten kleiner Blumenkränze“ und als gute Näherinnen.54 Besonders hob sie hervor, dass auch die Männer gut nähen könnten und manchmal sogar Kleider für ihre Frauen fertigen würden.55 Ebenso wie mehrere andere deutsche Frauen lobte auch Brandeis den „feinen Geschmack“ der indigenen Bevölkerung und verband damit ihr Bedauern über den wachsenden europäischen Einfluss, der sich unter anderem in Bezug auf die Kleidung negativ bemerkbar mache.56 Zwar bemerkte sie, dass die Insulaner zur Trägheit neigen würden, bewunderte jedoch ihre geschickt und akkurat gefertigten handwerklichen Erzeugnisse, ihre Schifffahrtskünste und ihre einzigartigen Seekarten.57 Brandeis reproduzierte in ihren Artikeln ungetrübt das Bild des „edlen Wilden“. Über die Bewohner der Insel Nauru schrieb sie beispielsweise: „Es ist ein reizendes Bild, diese graziösen, nur mit einem hübschen Blätterschurz bekleideten Gestalten sich im von Sonnenstreifen durchleuchteten Halbdunkel des Kokoswaldes bewegen zu sehen. Wohl an wenigen Punkten der Erde wird der Ankömmling so freundlich begrüßt und so uneigennützig bedient. Nachdem alles im Hause untergebracht ist, umstehen die schönen Gestalten noch lange das Haus, alles, was der Weiße tut, eifrig beobachtend, oder sie bilden malerische Gruppen unter großen Bäumen; die Zeit hat noch keinen Wert für diese glücklichen Insulaner.“58

Wie in dieser Passage wird die einheimische Bevölkerung von den deutschen Frauen oftmals wie ein Teil der Landschaft beschrieben. Die „Naturmenschen“ fügen sich in diesen Schilderungen wie eine interessante Pflanze oder ein exotisches Tier in ihr Umfeld ein. Hier etwa bewegen sie sich durch das „Halbdunkel des Kokoswaldes“ und bilden „malerische Gruppen unter großen Bäumen“. Obwohl die 53 54 55 56 57

Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 192. Ebd., Nr. 11, S. 211; Dies.: Südsee-Erinnerungen, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 11, S. 211f. Ebd. Ebd., Nr. 12, S. 229-231; Dies.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7. 58 Brandeis, Antonie: Nauru, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 34, S. 599.

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Beschreibungen sehr wohlwollend ausfallen, wird die Distanz zwischen den fremden Berichterstatterinnen und der indigenen Bevölkerung deutlich: Geschildert wird aus einer beobachtenden Position heraus, die Einheimischen erscheinen in diesen Texten als Studienobjekte, nicht etwa als Mitmenschen, mit denen ein Austausch auf Augenhöhe möglich wäre. Nicht nur die deutschen Frauen waren allerdings in der Beobachterposition; sie bekamen auch selbst das Interesse der indigenen Bevölkerung zu spüren, wie in obigem Zitat bereits anklang. Eine Verfasserin, von deren Namen nur die Initialen „E. H.“ angegeben sind, beschrieb in Kolonie und Heimat, wie sie sich eine einheimische Tanzvorführung in „Neu-Mecklenburg“ ansah und dabei selbst intensiv gemustert wurde.59 Durch „das Anstarren der Leute“ und den „Geruch der vielen Schwarzen“ fühlte sich die Verfasserin verwirrt und verließ daher den Ort des Geschehens. Da sie jedoch im Umkreis von einer Tagesreise die einzige weiße Frau gewesen sei, seien nach dem Tanz viele indigene Besucher gekommen, um sie und ihr Zuhause zu sehen und sie Klavierspielen zu hören. Ähnliches berichtete Frieda Zieschank auch aus Samoa über die Einheimischen: „Man lebt [...] beständig unter ihren freundlichen, gutmütigen, aber unendlich neugierigen Blicken, und besonders fällt mir der starke Geruch ihrer ölgetränkten Körper auf die Nerven. Ich muss gestehen, dass deshalb bis jetzt die Samoaner für mich eher zu den Plagen als den Schönheiten des Landes zählen.“60

Diese Darstellung der Samoaner als lästige „Plage“ steht in überraschendem Kontrast zu deren sonstiger Charakterisierung in Zieschanks Buch. Dort liest man, die Samoaner stünden so hoch über den meisten anderen Naturvölkern, dass man sie kaum als „Wilde“ bezeichnen könne.61 Sie seien „eine der schönsten Menschenrassen, wenigstens in Bezug auf den Körperbau“.62 Über die samoanischen Frauen schrieb Zieschank: „Von allen farbigen Stämmen sind sie sicherlich die schönsten Vertreterinnen.“63 Allerdings wird zugleich betont, diese könnten „den Vergleich mit der weißen Frau nicht aushalten, im einzelnen sowohl wie im ganzen“.64 Den Weißen ebenbürtig betrachtet werden die Samoaner also keinesfalls, jedoch ihre Vorzüge gegenüber anderen „farbigen Stämmen“ betont. Zieschank beobachtete offenbar interessiert die indigene Lebensweise und beschrieb Zeremonien und Bräu59 H., E.: Ein Tanzfest der Eingeborenen auf Neu-Mecklenburg, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 37, S. 8. 60 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 22. 61 Ebd., S. 107. 62 Ebd., S. 23 . 63 Ebd. 64 Ebd.

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che ebenso wie die materielle Kultur detailliert.65 Die samoanische Art der Dachstuhlkonstruktion bezeichnete sie als „wirkliches Kunstwerk“, die indigenen Frauen lobte Zieschank als „sehr geschickte und flinke Schneiderinnen“ und auch sie schwärmte von den Festtänzen der Einheimischen.66 Die Samoaner seien liebenswürdig und höflich, unendlich gastfreundlich und hätten einen starken Familiensinn.67 Insgesamt zeichnete die Verfasserin ein sehr positives Bild der „edlen Samoanerrasse“ und nannte die indigene Bevölkerung „Kinder des Paradieses“.68 In diese Darstellung fügten sich selbst Eigenschaften, die nach europäischem Maßstab üblicherweise eher negativ bewertet wurden, nahtlos ein und wurden von Zieschank offenbar tolerant hingenommen. So führe die Leidenschaft der Samoaner für eine blumige Ausdrucksweise und die Ausschmückung ihrer Reden zwar häufig zu Unwahrheiten und Lügen, dies sei jedoch „samoanische Volksart“, die „im Grunde harmlos gemeint“ sei.69 Auch die souveräne Verachtung unnötiger Arbeit, die Zieschank den Samoanern unterstellte, schien sie ihnen nicht übel zu nehmen, entsprach sie doch dem Bild des bedürfnis- und sorglosen „edlen Wilden“.70 Während die Pflanzersfrau Else Deeken die samoanische Bevölkerung in der Deutschen Kolonialzeitung ebenso positiv darstellte, die Frauen als treue Gattinnen und Mütter beschrieb und sich sowohl über die samoanischen Kochkünste als auch die kunstfertigen Handarbeiten lobend äußerte,71 finden sich im Tagebuch der Gouverneursfrau Johanna Solf keine Niederschriften von Beobachtungen allgemeiner Natur, etwa von samoanischem Brauchtum. Solfs knappe Charakterisierungen einzelner Samoaner variierten je nachdem, in welchem Zusammenhang diese auftraten. So stellte sie beispielsweise Kontrahenten ihres Mannes als „lauernd und hinterlistig“ mit „verschlagenem bösen Gesicht“ dar, andere Samoaner als freundlich und würdevoll.72 Manche taupous schilderte sie als zudringlich oder eingebildet, andere als reizend oder sehr hübsch.73 Es wird also deutlich, dass Solf ihr Urteil über einzelne Individuen und nicht über die samoanische Bevölkerung im Ganzen fällte. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sie sich auch nicht um eine bestimm-

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Vgl. beispielsweise ebd., S. 27, 30-33. Ebd., S. 26, 31, 35. Ebd., S. 25, 69. Ebd., S. 34, 158. Ebd., S. 25. Ebd. Deeken, Else: Samoanisches Dorfleben, in: Deutsche Kolonialzeitung, 27. Jg. (1910), Nr. 36, S. 598f. 72 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 29. Nov. u. 18. Dez. 1908, 18. Jan., 1. April u. 12. Aug. 1909, in Privatbesitz. 73 Ebd., Einträge vom 15. u. 17. Dez. 1908, 12. Jan. 1909, in Privatbesitz. Zu den taupous, den samoanischen „Dorfjungfrauen“, vgl. Kapitel 2.1.

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te Darstellung für die Leser bemühte, wie es in den meisten bisher zitierten, zur Publikation bestimmten Texten der Fall war, sondern die Samoaner einfach Teil ihrer Erlebnisse und somit auch ihrer Tagesnotizen waren. Ihre Wahrnehmung der indigenen Bevölkerung variierte je nach eigener Erfahrung. Insgesamt ist also festzuhalten, dass die deutschen Frauen mit ihren Beschreibungen der indigenen Bevölkerung der verschiedenen deutschen Südsee-Kolonien zwar immer wieder auch die gängigen Stereotype bedienten, diese jedoch nicht einfach übernahmen, sondern auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen und Erfahrungen zu einem differenzierteren Urteil kamen. Die meisten von ihnen scheinen den Einheimischen mit einer offenen und neugierigen Haltung und der Bereitschaft, Vorurteile zu korrigieren, begegnet zu sein. Dabei muss berücksichtigt werden, dass den Frauen, die Zeitschriftenartikel oder sogar Bücher über die indigene Bevölkerung und deren Lebensweise veröffentlichten, ein gewisses Interesse oder Engagement für dieses Thema ohnehin unterstellt werden kann – die Texte bedingen also eine Vorauswahl eines bestimmten Frauentyps mit entsprechendem Charakter und Bildungsstand. Die Beschreibungen der indigenen Bevölkerung fallen überwiegend positiv aus, unabhängig davon, ob es sich um Melanesier, Polynesier oder Mikronesier handelt. Auffällig ist jedoch, dass die Melanesier im Gegensatz zu Polynesiern und Mikronesien immer wieder auch auf drastische Weise als hässlich und abstoßend beschrieben werden – wobei sich diese Textpassagen erstaunlicherweise neben deutlich wohlwollenderen Beschreibungen und anerkennenden Kommentaren derselben Verfasserinnen zu bestimmten Kulturleistungen und Kunstfertigkeiten der melanesischen Bevölkerung finden. Die aus heutiger Sicht sehr abschätzigen und rassistischen Schilderungen waren für die deutschen Frauen offenbar einfach Teil der Wiedergabe ihrer Beobachtungen. Ebenso wie sie das, was ihnen auf Grund ihres eurozentrischen Geschmacksempfindens gefiel, als schön beschrieben, schilderten sie das, was ihnen nicht gefiel, als hässlich, ohne damit zwangsläufig ein negatives Gesamturteil über die Bevölkerung zu fällen. Diese Feststellung soll die meist rassistisch gefärbte Überheblichkeit dieser Beschreibungen nicht entschuldigen, doch muss deutlich werden, dass aus besagten Textstellen keine generell negative und abwertende Haltung gegenüber den Einheimischen abgeleitet werden kann, wie es bisweilen geschieht. Diese Passagen zeigen vielmehr, was damals zum Bereich des Sagbaren gehörte: Über Melanesier so zu schreiben war möglich, weil entsprechend negative Rassen-Stereotype über diese Menschen in Europa bereits seit Generationen verbreitet worden waren. Über Weiße hätten die Frauen wohl kaum Vergleichbares verfasst. Auch über die Samoaner liest man keine derartig abschätzigen Urteile. In den Quellen zeigt sich allerdings, dass die Polynesier auch nicht durchgängig als „edle Wilde“ wahrgenommen wurden – ebenso wenig wie die Melanesier in den

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Beschreibungen der deutschen Frauen nur die „wilden Menschenfresser“ repräsentierten. Obwohl die Frauen nicht nur Stereotype wiedergaben, griffen sie jedoch auch immer wieder auf die bekannten Bilder zurück und betonten gerne die Exotik der indigenen Bevölkerung. Die Schilderungen verraten, dass die Frauen sich in einer überlegenen Beobachterposition sahen und die Einheimischen als Studienobjekte betrachteten – als ebenbürtige Menschen wurden sie jedoch nie dargestellt. Welche Erfahrungen die deutschen Frauen im direkten Umgang und Austausch mit den indigenen Bewohnern der verschiedenen Südsee-Kolonien machten, wenn sie ihren Beobachterstandpunkt verlassen mussten, weil es zur Interaktion kam, wird im Folgenden näher untersucht.

13.2 I NTERAKTION Lässt man die Missionsangehörigen beiseite, kamen deutsche Frauen in den Südsee-Kolonien am häufigsten und intensivsten mit den Indigenen in Kontakt, die als Angestellte in ihrem Haushalt beschäftigt waren. Aus den Quellen geht hervor, dass die deutschen Frauen für gewöhnlich mehrere Hilfen in Küche und Haushalt hatten, zudem oft Kindermädchen und manchmal einen „Schießjungen“, der für seine Arbeitgeber auf die Jagd ging. Der Personalaufwand variierte je nach sozialer Stellung der Kolonisten. Üblich war es offenbar, dass die deutschen Frauen mindestens in der Küche Unterstützung durch Angestellte hatten, der Personalstab der wohlhabenden Familie Kuhn und der Gouverneurshaushalte umfasste jeweils sogar mehr als zehn Personen.74 Meist war das Hauspersonal im Jugend- oder sogar Kindesalter. Während die weiblichen indigenen Angestellten häufig „Mary“ genannt wurden, bezeichnete man üblicherweise die männlichen als „boys“ oder „schwarze Jungen“ – selbst wenn die Angestellten längst dem Jungenalter entwachsen waren, so dass sich hier einmal mehr die bereits thematisierte Infantilisierung der indigenen Bevölkerung durch die weiße deutlich macht. Das Dienstspersonal konnte sich sowohl aus Einheimischen als auch aus „importierten“ melanesischen oder chinesischen Kontraktarbeitern rekrutieren. Letztere, die sogenannten „Kulis“, standen vor allem in Samoa in europäischen Diensten, da dort die einheimische Bevölkerung nur selten bereit war, für die „Fremden“ zu arbeiten. Besonders als Köche wurden von den Deutschen in Samoa und den anderen Südsee-Kolonien bevorzugt Chinesen angestellt, da sie als qualifizierter und verlässlicher als ihre melanesischen Kollegen galten.75 74 Vgl. Kapitel 9. 75 So hatte beispielsweise Antonie Brandeis auf den Marshall-Inseln einen chinesischen Koch und einen chinesischen Hausjungen, siehe Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in:

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Bei der Hausarbeit waren die deutschen Frauen auf eine erfolgreiche Interaktion mit den Indigenen angewiesen, die jedoch keinesfalls immer reibungslos verlief. Im Vergleich zu den oben thematisierten Beschreibungen aus der beobachtenden Distanz heraus fallen die Schilderungen der indigenen Arbeitskräfte oftmals deutlich negativer aus. Typisch repräsentiert dies folgende Äußerung Else Deekens: „So liebenswürdig und nett die Samoaner auch im vorübergehenden Verkehr sind, so unangenehm ist es, mit ihnen arbeiten zu müssen“.76 Selbst die gemeinhin so positiv beschriebene polynesische Bevölkerung bot den Frauen bei der gemeinsamen Hausarbeit also Anlass zur Klage. Ein grundlegendes Problem stellte das völlig unterschiedliche Verhältnis zur Arbeit dar, das Europäer und indigene Bevölkerung der Südsee-Kolonien hatten. Immer wieder wurde berichtet, dass die Einheimischen nur so lange arbeiten wollten, bis sie sich von ihrem Lohn einen bestimmten Wunsch erfüllen könnten. Sei dieses Ziel erreicht, zögen sie sich von der Arbeit zurück, bis sich neue Wünsche regen würden.77 Dass sie daher oft nur sporadisch, je nach Bedarf eine Anstellung eingehen wollten und manchmal davon liefen, wenn sie kein Interesse mehr an weiterer Zusammenarbeit hatten, kollidierte mit den deutschen Erwartungen an regelmäßig und konstant verfügbare Arbeitskräfte und wurde gemeinhin als Faulheit, „Hang zur Trägheit“ und Unzuverlässigkeit ausgelegt.78 Angeblich neigten die Südseeinsulaner „von Natur aus“ zum Faulenzen.79 Mochte sich das „süsse Nichtstun“ auch gut in Beschreibungen der „edlen Wilden“ einfügen,80 bei den eigenen Angestellten wurde es zum Problem. Die deutschen

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Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7; ebenso Else Deeken u. Frieda Zieschank in Samoa: Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 39, S. 393; Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 20; auch Emmy Müller, die in Neuguinea lebte, schätzte die Vorzüge des chinesischen Kochs: Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7. Gretel Kuhn erwähnte ihren chinesischen Koch in Rabaul immer wieder lobend: Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 27, 37, 42, in Privatbesitz. Elisabeth Krämer-Bannow schrieb, die von ihr begleitete Expedition habe sich den „Luxus eines chinesischen Kochs“ geleistet: Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 7. Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 37, S. 374; ebenso: Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, 7. Jg., Nr. 2, S. 11. Beispielsweise Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7; Dies.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 12, S. 229. Vgl. beispielsweise Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, S. 6; Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 12, S. 229. Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 22. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 11, S. 210, 212.

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Frauen, die dazu erzogen worden waren, Fleiß als wichtige Tugend und Arbeit als Wert an sich zu verstehen, waren in aller Regel bestrebt, sich als entsprechend emsig zu präsentieren und empörten sich darüber, dass ihre Angestellten diese Ideale keineswegs teilten, sondern angeblich jede Möglichkeit nutzten, sich auszuruhen. Die Klage über die Faulheit der Angestellten ist daher in den Quellen ein immer wiederkehrender Topos. Nicht nur Else Deeken war der Ansicht, Arbeit sei „das größte Übel, das der Samoaner kennt“81; auch Frieda Zieschank hielt die samoanischen Dienstboten für „faul und denkbar unzuverlässig“82. Frau von Tyska berichtete, die samoanische Bevölkerung zeige „wenig Arbeitslust“83 und die Krankenschwester Auguste Hertzer schrieb aus Neuguinea, ihr Helfer habe die „Eigenschaft, nie da zu sein, wo man ihn braucht“84. Der Reisenden Marie Schafroth wurde von deutschen Frauen im Bismarck-Archipel erzählt, die „Papuaboys“ seien „wohl dienstbereit, doch weder gelehrig, noch zuverlässig“.85 Das Ideal der Frauen waren selbstständig arbeitende, verlässliche Haushaltshilfen. Sie klagen jedoch immer wieder darüber, dass man die Arbeit der Dienerschaft ständig überwachen müsse.86 Zudem wurde das langsame Arbeitstempo der indigenen Angestellten kritisiert.87 Eine weitere Schwierigkeit bestand darin, dass die deutsche Art der Haushaltsführung den indigenen Arbeitskräften zunächst gänzlich unbekannt war, sofern sie nicht vorher schon im Dienst anderer Deutscher gestanden hatten. Weder die von ihren Arbeitgeberinnen gepflegte Art und Weise zu kochen und zu putzen war ihnen vertraut, noch konnten sie mit dem Plätteisen oder anderen Haushaltsgeräten umgehen. Wie die deutschen Frauen berichteten, empfanden die Angestellten die von ihnen verlangten Arbeiten häufig als überflüssig.88 Besonders die einheimische Art des Wäschewaschens unterschied sich stark von der komplizierten Prozedur, der die deutschen Frauen am Waschtag ihre Wäsche unterzogen und ist daher in 81 Deeken, E.: Samoanisches Dorfleben, in: Deutsche Kolonialzeitung, 27. Jg. (1910), Nr. 36, S. 599. 82 Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 2, S. 11. 83 Zitiert in: Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910/11), Nr. 16, S. 8. 84 Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 11, S. 80; vgl. auch Rechinger, L. u. K.: Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln, S. 24. 85 Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 80. 86 Beispielsweise Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 41; Brandeis, A.: SüdseeErinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36; Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 39, S. 393. 87 Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191. 88 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 36; Dies.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191.

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den Quellen ein häufig beklagtes Thema.89 So schrieb Emmy Müller: „Ganz entsetzt war ich auch über die Art des Waschens der schwarzen Wäscherinnen.“90 Auch Else Deeken hielt die einheimische Art des Wäschewaschens für „nicht gerade nachahmenswert“.91 Diese für die Europäer ungewohnte Art, bei der die Wäsche im kalten Wasser durch Schlagen auf große Steine oder mit Bürsten bearbeitet wurde, nahmen die deutschen Frauen also nicht als fremd zur Kenntnis und akzeptierten sie, sondern lehnten sie als falsch ab und schilderten sie missbilligend.92 „Es kostete [...] erhebliche Mühe und beständige Aufsicht, den Leuten diese schädliche, aber ihnen bequeme Waschmethode abzugewöhnen“, schrieb Müller.93 Das sogenannte „Anlernen“ der indigenen Haushaltshilfen, wobei ihnen beigebracht werden sollte, den deutschen Vorstellungen entsprechend zu arbeiten, wurde von den Hausfrauen durchweg als besonders mühsam beschrieben.94 Sie betonten, dass viel Geduld dazu nötig sei, zumal besonders am Anfang Sprachschwierigkeiten hinzukamen. Solange die neu in den Kolonien eingetroffenen Frauen das Pidgin-Englisch noch nicht beherrschten, in dem indigene und deutsche Bevölkerung vielerorts kommunizierten, behalfen sie sich mit Zeichensprache und einer Mischung aus Deutsch, Englisch und der jeweiligen lokalen Sprache.95 Sprachprobleme und kulturelle Unterschiede führten auf beiden Seiten zu Missverständnissen, die in den Quellen nicht selten zur Unterhaltung als „drollige Geschichten“ geschildert wurden.96 So erzählte beispielsweise Emmy Müller von einer deutschen Hausfrau, die ihrem Hausmädchen mit Gesten und deutschen Worten begreiflich machen wollte, dass sie das Wasser aus der Waschschüssel ausgießen solle, was damit endete, dass das Hausmädchen die Schüssel aus dem Fenster warf.97 (Ob diese Reaktion tatsäch89 Zur großen Bedeutung des Wäschewaschens für das Selbstverständnis „der deutschen Hausfrau“, vgl. Reagin, N.: Sweeping the German Nation, S. 39f. 90 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7. 91 Deeken, E.: Samoanisches Dorfleben, in: Deutsche Kolonialzeitung, 27. Jg. (1910), Nr. 36, S. 600. 92 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7; vgl. auch Deeken, E.: Samoanisches Dorfleben, in: Deutsche Kolonialzeitung, 27. Jg. (1910), S. 600, Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 27. 93 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7. 94 Vgl. ebd., S. 6; Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, S. 1. 95 Deeken, E.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 39, S. 393; Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 19; Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6. 96 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6. 97 Ebd.

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lich die Folge eines Missverständnisses war, bleibt allerdings ebenso offen wie die Frage, warum die Hausfrau es der Einfachheit halber nicht vorzog, die Schüssel selbst auszulehren). Müller selbst fand sich in ähnlichen Situationen wieder, wie sie schrieb: „Meinen Jungen fragte ich eines Tages nach der Schere, er sagte mir, dass sie auf der ‚Musik‘ liege. Verwundert sehe ich auf dem Klavier nach, ohne Erfolg, da führt mich der musikverständige Boy an die Nähmaschine, die er offenbar ebenfalls für ein musikalisches Instrument angesehen hatte. Solche kleinen Verwechslungen kommen manchmal vor, aber man darf sich nicht durch sie verdrießen lassen; die Leute sind meist willig [...].“98

Wurden diese Missverständnisse also – zumindest den vorliegenden Quellen zufolge – humorvoll behandelt, so waren die deutschen Frauen hingegen in einem Punkt besonders unnachsichtig: der Hygiene. Unsauberkeit wurde den indigenen Angestellten neben Faulheit am häufigsten vorgeworfen. Antonie Brandeis behauptete in ihrem Kochbuch für die Tropen, jeder Reisende könne „Schauermärchen“ über den „oft so unglaublichen Zustand in einer Tropenküche“ erzählen, und gab daher den deutschen Hausfrauen Ratschläge der folgenden Art: „Man dulde auch nicht, daß die Leute mit nacktem Oberkörper Arbeiten in der Küche verrichten. Sie legen sonst die Küchentücher auf die schweißtriefenden Schultern und putzen damit gleich wieder Teller und Tassen.“99 Die Forschungsreisende Krämer-Bannow betonte, dass sie das Geschirr, das ihr indigener Küchenjunge mit Sand und Meerwasser vorwusch, selbst mit heißem Wasser noch einmal wusch und abtrocknete, „damit die Tücher appetitlich blieben“.100 Das Stereotyp des schmutzigen Einheimischen wurde durch Veröffentlichungen wie diese immer weiter verbreitet. So betonte auch Emmy Müller, man müsse seinem Koch vor allem Sauberkeit beibringen.101 „Unter der täglichen Aufsicht einer Frau fällt es aber schließlich auch einem Boy nicht allzu schwer, sauber zu sein“, schrieb sie. Neben wachsamer Aufsicht hielt sie es für nötig, „vom ersten Tage an unnachsichtig streng zu sein“.102 Brandeis meinte ebenso, dass das Dienstpersonal „stets in strammer Zucht gehalten“ werden müsse, wenn es etwas leisten solle, da die Indigenen „kein Ehrgefühl in unserem Sinne“

98 99 100 101

Ebd., S. 6f. Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, S. 15. Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 175. Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7; vgl. Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 80 (auch hier wird von deutschen Hausfrauen beklagt, dass die „Papuaboys“ unsauber seien). 102 Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7.

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hätten. Daher würde die Dienerschaft schnell nachlassen, wenn der Druck fehle.103 Sie wies aber auch darauf hin, dass es „töricht“ sei, von einer einheimischen Haushaltshilfe das Gleiche zu verlangen wie von einem Hausmädchen in Berlin.104 In ihrem Kochbuch empfahl Brandeis den Frauen, sich auf die einheimische Arbeitsmentalität einzustellen, sich nicht unnötig zu ärgern und lieber „öfters ein Auge zuzudrücken“.105 Aus ihrer auf den Marshall-Inseln gewonnenen Erfahrung berichtete sie, die einheimischen Frauen brächten „verhältnismäßig viel fertig“, wenn man sie ruhig und ungestört arbeiten ließe. Auf diese Weise habe sie sich mit ihren Hilfen gut arrangiert.106 Ähnlich lauteten die Empfehlungen von Frieda Zieschank aus Samoa. Sie riet außerdem, die Angestellten gerecht und konsequent zu behandeln, sie hin und wieder zu loben und vor allem immer eine ruhige und bestimmte Art beizubehalten.107 Auch Gretel Kuhn schrieb, sie sei mit ihren Angestellten in Neuguinea sehr gut ausgekommen, obwohl das Thema Sauberkeit „mit Schwierigkeiten verknüpft“ gewesen sei.108 Habe man den Angestellten etwas genau erklärt, sei es zufrieden stellend ausgeführt worden.109 „Sie waren nicht übermäßig fleißig, aber sie taten doch alles willig, so weit man es von ihnen bei der Hitze verlangen konnte. Unangenehme Erfahrungen habe ich mit ihnen überhaupt nicht gemacht.“110 Sie betonte zudem ausdrücklich, sie sei niemals von ihrem Personal bestohlen worden.111 Zwar muss hier einmal mehr daran erinnert werden, dass Kuhn dies aus großer zeitlicher Distanz berichtete und daher womöglich zur Idealisierung ihrer Erinnerungen neigte, doch zieht sich der Eindruck, dass sie ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Angestellten pflegte, durch ihre gesamten Schilderungen. So berichtete sie beispielsweise, dass ihre „boys“ und „Marys“ sie nach der erlittenen Totgeburt ihres ersten Kindes ausdauernd pflegten,112 und als sie später einen gesunden Sohn gebar, war sie sehr zufrieden mit der Unterstützung durch das indigene Kindermädchen: „Die kleine Bidoa war eine große Hilfe in der Pflege des kleinen Jungen. Sie vergaß oder versäumte nie etwas, was zum Wohle des Kindes nötig war. Ich konnte ihr sogar

103 104 105 106 107 108 109 110 111 112

Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, S. 16. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191. Brandeis, A.: Kochbuch für die Tropen, S. 16. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191. Zieschank, F.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg. (1913/14), Nr. 2, S. 12; Nr. 3, S. 11. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 28, 44. Ebd., S. 44. Ebd., S. 28. Ebd., S. 38. Ebd., S. 40.

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das Kochen für den Kleinen überlassen.“113 Nach der Geburt ihres zweiten Sohnes übergab Kuhn auch die Betreuung beider Kinder vertrauensvoll zwei ihrer „Marys“, wenn sie selbst keine Zeit für den Nachwuchs hatte.114 Auffällig ist zudem, dass sie manche ihrer Angestellten beim Namen nannte, sich also auch nach langen Jahren noch an diese als Individuen erinnerte115 – und das, obwohl sie sich andererseits über eine deutsche Freundin wunderte, die bei einer Spazierfahrt in der Umgebung Rabauls indigene Bekannte entdeckte und grüßte: „Wie sie das festgestellt hat, ist mir schleierhaft, denn sie sahen ja mehr oder weniger alle gleich aus.“116 Als Individuen unterscheidbar wurden die Einheimischen für Kuhn also offenbar erst bei näherem persönlichem Umgang. Trotz ihrer positiven Haltung gegenüber der indigenen Bevölkerung fällt auf, dass Kuhn, wie auch die meisten übrigen deutschen Frauen, der kolonialen Hierarchie zwischen weißer und indigener Bevölkerung völlig unkritisch gegenüberstand. Sie betonte mehrfach, die indigenen Arbeiter hätten alle ihnen aufgetragenen Pflichten, auch wenn sie körperlich sehr anstrengend gewesen seien, mit Freuden verrichtet, wobei für sie offenbar selbstverständlich war, dass diese schweren Arbeiten von Indigenen ausgeführt werden mussten.117 Dass bei einer Einladung bei anderen Deutschen ein kleiner „boy“ der Gastgeber unter dem Tisch saß, um Kuhn mit einem Palmwedel die Moskitos von den Beinen zu wedeln, kommentierte sie nur mit den Worten „Das fand ich einfach goldig“.118 Aus heutiger Sicht ebenso befremdlich erscheint ihre unreflektierte Bemerkung über junge indigene Angestellte mit einem in den Südsee-Kolonien offenbar verbreiteten, wenig schmeichelhaft klingenden Spitznamen: „Die boys, die servierten bei Tisch, nannten wir ‚monkeys‘, das waren die ganz jungen, sie waren zwölf Jahre alt und wirklich ganz reizende Burschen.“119 Wie schon in den im vorangegangenen Kapitel zitierten Beschreibungen der indigenen Bevölkerung wird auch hier deutlich, wie nah wohlmeinende und aus heutiger Sicht rassistische Kommentare in den Quellen oft beieinander liegen. Die deutschen Frauen kamen zwar besonders häufig, aber natürlich nicht nur mit Indigenen in Kontakt, die für sie arbeiteten. So berichtete Antonie Brandeis beispielsweise von ihren Sammelaktivitäten für das ethnologische Museum in Freiburg in Breisgau:

113 Ebd., S. 77. 114 Ebd., S. 91. 115 Das gilt neben dem Kindermädchen Bidoa beispielsweise auch für den viel gelobten chinesischen Koch Ugua und die beiden „boys“ Sinnek und Singamuri, vgl. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 37, 70, 77, 104. 116 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 58. 117 Ebd., S. 31, 90, 104. 118 Ebd., S. 66. 119 Ebd., S. 11.

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„Dieser Beschäftigung verdanke ich viel Anregung; sie brachte mich in tägliche Berührung mit den Eingeborenen, wobei ich einigermaßen ihre Sprache erlernte. [...] Ich machte nun meine Hauptgeschäfte immer durch die Frauen, denn als Gegengeschenke gab ich ihnen dann Kattunkleider oder was sie sich sonst wünschten, je nach dem Wert des Gegenstandes.“120

Brandeis pflegte nicht nur mit den Einheimischen, besonders den Frauen, häufigen Umgang. Sie stand zudem offenbar auch in vertrauensvollem Verkehr mit dem samoanischen Häuptling Mataafa, der aus Samoa verbannt worden war und nun in Brandeis’ unmittelbarer Nachbarschaft auf der Marshall-Insel Jaluit lebte. Brandeis schrieb, Mataafa habe oft schon morgens auf ihrer Veranda gesessen und sie habe sich gut mit ihm angefreundet. In einem Artikel in der Deutschen Kolonialzeitung bedauerte sie die Verbannten, die sie als würdevoll und schön beschrieb.121 Johanna Solf kam vor allem über die berufliche und gesellschaftliche Position ihres Mannes mit den Einheimischen in Kontakt. Manchmal begleitete sie den Gouverneur zu seinen Treffen mit samoanischen Würdenträgern, wobei ihr die Samoaner offen und freundlich begegneten.122 Über direkten Austausch mit der samoanischen Bevölkerung berichtet die Gouverneursfrau indes nur wenig, was wohl auch damit zu erklären ist, dass sie – zumindest in den ersten Monaten – die samoanische Sprache kaum beherrschte. Sie bemühte sich jedoch von Anfang an darum, ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und bedauerte, dass ihre etwas isolierte Wohnsituation in Vailima ihr dazu kaum Gelegenheit gab.123 Als Johanna Solfs Schwangerschaft bekannt wurde, nahmen die Samoaner daran herzlichen Anteil, was die junge Gouverneursfrau freute. Eine taupou und deren Vater besuchten sie und schenkten ihr typische samoanische Matten, in die das Baby später gewickelt werden sollte. Solf notierte hierzu in ihr Tagebuch: „Ich finde die natürliche Art mit der derartige Sachen hier behandelt werden so reizend nett. Vater u. Tochter sprachen ihre Freude aus über die bevorstehende Niederkunft [...].“124 Außerdem hielt Solf einige Monate später fest, dass eine Gruppe samoanischer Häuptlinge mit einem freundlichen Lächeln ihren Körperumfang zur Kenntnis genommen hätten und sie sich laut Aussage ihres Mannes alle sehr auf das Kind freuten.125 Eine Samoanerin

120 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 37. 121 Ebd., Nr. 2, S. 21. 122 Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 29. Nov., 7. u. 11. Dez. 1908, in Privatbesitz. 123 Ebd., Einträge vom 23. Sept. 1908 u. 20. April 1909, in Privatbesitz. 124 Ebd., Eintrag vom 3. Mai 1909, in Privatbesitz. 125 Ebd., Eintrag vom 12. Aug. 1909, in Privatbesitz. Gouverneur Solf wurde sogar per Brief von einem matai gebeten, unbedingt Bescheid zu geben, wenn das Baby geboren sei, damit man dann Gott ein Dankesgebet bringen könne: Matai of the Govt. School

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namens Malia, die von Johanna Solf in ihrem Tagebuch als „Freundin“ bezeichnet wurde, führte eine lomi-lomi-Massage bei der Gouverneursfrau durch, um ihr Wohlbefinden zu verbessern und erzählte ihr in dieser vertraulichen Situation von ihrer eigenen Schwangerschaft.126 Die gemeinsame Erfahrung der bevorstehenden Mutterschaft scheint hier über die Kulturgrenzen hinweg eine Verbindung zwischen den Frauen geschaffen zu haben. Aus den Gerichtsakten der lokalen Kolonialverwaltung geht hervor, dass auch unter der weißen und „halbweißen“ Kolonialbevölkerung die besonderen Fähigkeiten bestimmter Samoanerinnen bekannt waren, die von schwangeren Frauen konsultiert wurden, um lomi-lomi-Massagen und wohl auch Abtreibungsversuche vornehmen zu lassen.127 Ob allerdings auch deutsche Frauen von diesen Kenntnissen Gebrauch machten, lässt sich an Hand des Quellenmaterials nicht belegen; in den untersuchten Egodokumenten wird dieses Thema – abgesehen von der oben erwähnten Passage aus Johanna Solfs Tagebuch – nicht erwähnt. Wie die Gouverneursfrau brachte auch die Arztgattin Frieda Zieschank vor allem die berufliche Tätigkeit ihres Mannes in häufigen Kontakt mit der indigenen Bevölkerung: „Mit jedem Kranken kommt stets eine ganze Schar Volks aus seiner Verwandtschaft angezogen, so daß unser Hausplatz wie eine Volksversammlung aussieht, selbst wenn es sich nur um ein halbes Dutzend Patienten handelt.“128 Die deutschen Frauen waren zudem auch selbst teilweise in der medizinischen Versorgung tätig. So berichtete Kuhn, sie sei im Wochenendhaus der Familie, das abseits von Rabaul mitten im Wald lag, jeden Tag von Indigenen aufgesucht worden, die sich von ihr Hilfe bei Hautkrankheiten, Entzündungen, Geschwüren und anderen Beschwerden erhofften.129 Offensichtlich waren beide Seiten wenig kontaktscheu und vom einzuhaltenden „Rassenabstand“, der in der heimatlichen Kolonialpresse immer wieder gefordert wurde, ist hier ebenso wenig zu spüren wie beispielsweise in einer Schilderung von Krämer-Bannow, die auf ihrer Reise durch den BismarckArchipel den Stationsleiter Adelmann und seine Frau besuchte: „Hübsch war es zu

126

127

128 129

Malifa an Solf, Malifa, 29. Aug. 1909, Brief auf Samoanisch und in englischer Übersetzung in Privatbesitz. Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 25. Jan. 1909, in Privatbesitz. Zu Lomi-LomiMassagen vgl. Assmann, Klaus: Lomi Lomi Nui. Die Tempelmassage aus Hawaii, Bielefeld 2003², v.a. S. 65-104. Vgl. hierzu den Fall der (angeblichen?) Notzucht an Mary Partsch durch den Kaufmann Voigt, in: ANZ(W), Samoa-BMO4 77; vgl. auch Schlossmuseum Sondershausen / Bade J. (Hrsg.): Zehn Jahre auf den Inseln der Südsee, Eintrag vom 2. Mai 1894, S. 30: „Ich selbst habe auch schon den Rat der Natives in Krankheitsfällen geholt, da ein Dr. für uns kaum erreichbar ist.“ Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 22. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 102.

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sehen, wie zutraulich die sonst scheuen Eingeborenen sich zu Adelmann und seiner Frau zeigten, und wie letztere stolz war, dass ein schwarzer drolliger Säugling sich willig von ihr aufnehmen ließ, während die glückliche Mutter lächelnd daneben stand.“130 Die Krankenschwestern vom Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien erwähnten die indigene Bevölkerung in ihren Briefen erstaunlich selten, obwohl sie in der Regel auch bei der Versorgung indigener Patienten halfen.131 Eine der Schwestern, die in Apia stationiert waren, berichtete in einem Brief an die Heimat von dem „sonderbaren Aufzug“, den es gäbe, wenn Samoaner einen Kranken ins Hospital brächten. Ihre Schilderung deckt sich mit der oben zitierten von Frieda Zieschank. Die ganze Großfamilie würde den Kranken begleiten und ihm beistehen: „Während einer eventuellen Operation weicht keiner; teils interessiert, teils schluchzend wohnen sie der Operation bei. Einen abgenommenen Finger nehmen sie mit nach Hause, um ihn später dem Verstorbenen mit ins Grab zu geben.“132 Die Schilderung der Schwester enthält sich dabei jeder Wertung, sie scheint das Erlebte allenfalls etwas verwundert wiederzugeben. Auch aus den übrigen spärlichen Bemerkungen der anderen Krankenschwestern über die indigene Bevölkerung lassen sich kaum Schlüsse auf ihr Verhältnis zu den Indigenen ziehen. Bei der Berichterstattung der Schwestern an die Vereinsleitung in der Heimat standen andere Themen im Vordergrund, und außer diesen publizierten Briefen liegt leider nahezu kein Quellenmaterial von diesen Frauen vor. Die gelegentlichen Erwähnungen der indigenen Bevölkerung in den genannten Briefen sind größtenteils wenig aussagekräftig, wie etwa die Bemerkung Schwester Annas: „Im Dorfe bei den Kanaken bin ich auch schon gewesen“, der keine weitere Erläuterung oder Empfindung beigefügt wurde.133 Auguste Hertzer berichtete, bei einer Tanzvorführung der Einheimischen reich mit Früchten beschenkt worden zu sein, woraus wohl vorsichtig auf ein gutes Verhältnis geschlossen werden kann; ebenso aus ihrer Bezeichnung der in der Nähe lebenden indigenen Bevölkerung als „unsere Freunde“.134 Ansonsten erwähnt sie

130 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 4f. 131 Vgl. amtliche Informationsbroschüre zur deutschen Kolonie Samoa von 1905, Kapitel „Krankenfürsorge“, BArch, R 1001/6237: „[...] Eine der Schwestern ist approbierte Hebamme [...]. Die beiden anderen Schwestern wechseln monatweise in der Wirtschaft und Krankenpflege ab. Zugleich unterstützen sie den Arzt in der Sprechstunde und im Revierkrankenzimmer für Eingeborene und Chinesen.“ 132 Unter dem roten Kreuz, 15. Jg. (1904), Nr. 12, S. 127. 133 Abdruck eines Briefes von Schw. Anna, Stephansort, in: Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 45. 134 Hertzer, A.: Tagebuch-Fragment, Eintrag vom 4. Nov. 1892, in Privatbesitz; Abdruck eines Tagebuch-Auszuges von Schw. Auguste, ohne Datum, in: Unter dem roten Kreuz, 6. Jg. (1895), Nr. 2, S. 12, 14.

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nur beiläufig indigene Haushaltshilfen, bei deren „Anlernen“ sie offenbar die von den anderen deutschen Frauen auch beklagten Schwierigkeiten hatte.135 Im Lazarett war die Schwester ebenfalls auf indigene Helfer angewiesen und freute sich, als sie einen Jungen, der bereits drei Jahre mit ihr zusammengearbeitet hatte, nochmals als Hilfskraft gewinnen konnte.136 Die Tatsache, dass dieser sein Arbeitsverhältnis erneuerte, darf dabei wohl als Indiz dafür gewertet werden, dass auch aus seiner Sicht die bisherige Zusammenarbeit mit der deutschen Schwester positiv verlaufen war. Interaktion zwischen reisenden Frauen und indigener Bevölkerung Die Forschungsreisenden hatten ebenfalls indigenes Hilfspersonal, dessen Anzahl je nach Größe der Expedition variierte. Diese konnte unter anderem von Trägern, Führern, Dolmetschern, Küchen- und Wachpersonal begleitet werden. Das Botanikerpaar Rechinger äußerte sich zufrieden über die indigenen Helfer, die ihnen zur Verfügung gestellt wurden, da sie gehorsam ihre Befehle ausgeführt hätten und es sich um „wohlabgerichtete und verwendbare Leute“ gehandelt habe.137 So hätten sie die „schwarzen Jungen“ auf ihrer Reise „schätzen gelernt“.138 Auf ihren Wanderungen seien sie nicht nur von ihren Dienern, sondern immer wieder auch von Einheimischen begleitet worden, die sich ihnen freiwillig angeschlossen und ihnen beim Sammeln von Pflanzen geholfen hätten.139 In den Dörfern, durch die sie dabei kamen, wurden Rechingers neugierig beäugt, vor allem die weiße Frau rief offenbar Staunen hervor. Die indigenen Frauen hielten sich den Besuchern gegenüber zumindest anfangs schüchtern zurück, die übrige Bevölkerung wurde als „zutraulich“ beschrieben.140 Beim gelegentlichen Tauschhandel und Feilschen um Ethnographika kamen Rechingers auch ins Gespräch mit Einheimischen, wobei sie sich des Pidgin-Englisch bedienten.141 Da das Botanikerpaar jedoch mehr an Pflanzen als an Menschen interessiert war, scheint sich die Interaktion der Rechingers mit der indigenen Bevölkerung ansonsten vor allem auf das Anweisen der Bediensteten und gelegentliches Fotografieren der Einheimischen beschränkt zu haben. Entsprechend

135 Abdruck eines Tagebuch-Auszuges von Schw. Auguste, ohne Datum, in: Unter dem roten Kreuz, 6. Jg. (1895), Nr. 1, S. 3; vgl. Unter dem roten Kreuz, 2. Jg. (1891), Nr. 11, S. 80. 136 Abdruck eines Briefes von Schw. Auguste, Stephansort, 12. März 1898, in: Unter dem roten Kreuz, 9. Jg. (1898), Nr. 5, S. 35. 137 Rechinger, L. u. K.: Streifzüge in Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln, S. 13, 30. 138 Ebd., S. 108. 139 Ebd., S. 35. 140 Ebd., S. 51, 64. 141 Ebd., S. 88.

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werden die Menschen auch primär in ihrer Eignung als Diener und Fotomodelle beschrieben, ihre Lebensumstände werden kaum thematisiert. Ähnlich sah auch Ada Nolde in den Einheimischen primär „Material“ für die Bilder ihres Mannes.142 Das ging sogar soweit, dass sie Modelle des Malers mit der Waffe davon abhielt, sich dagegen zu wehren, porträtiert zu werden. Emil Nolde schilderte diese Situation, die sich auf der Insel Manus abspielte, in einem Brief: „Neben mir lag der gespannte Revolver und hinter mir stand meine Frau, den Rücken deckend mit dem ihrigen ebenfalls ungesichert. Nie habe ich unter solcher Spannung gearbeitet, aber es war so schön, so herrlich, [...].“143 Angesichts dieser Episode erscheint es nachvollziehbar, dass ein zeitweise für Noldes tätiger indigener Küchenjunge, als er Ada Nolde mit einem Küchenmesser in der Hand erblickte, die Flucht ergriff und dabei offenbar seine Furcht zum Ausdruck brachte, von ihr umgebracht zu werden.144 Emil Nolde schrieb zwar, seine Frau sei sehr freundlich zu ihren Helfern gewesen, habe ihnen Deutsch beigebracht und „alles mögliche Liebe“ für sie getan, doch kann der fliehende Küchenjunge nicht überzeugt von ihren guten Absichten gewesen sein.145 Angesichts Emil Noldes schwärmerischer und zur Verklärung neigender Reisebeschreibungen ist ohnehin zweifelhaft, wie viel Gewicht seiner Darstellung des Verhältnisses zur indigenen Bevölkerung beigemessen werden kann. Obwohl Ada und Emil Nolde immer wieder erwähnen, dass sich die Bevölkerung (besonders die Frauen) bei ihrer Ankunft zunächst ängstlich zurückzog, schrieb der Maler, die Einheimischen seinen mancherorts ihre „Freunde“ geworden.146 Er schildert zudem mehrfach, dass das Erscheinen seiner Frau Staunen und großen Jubel unter der Dorfbevölkerung hervorgerufen habe.147 Er schwärmt jedoch in seinem Buch generell sehr von seiner Frau, so dass eine Idealisierung ihrer Beziehungen zur indigenen Bevölkerung durchaus denkbar ist. Fotografien zeigen Ada Nolde tatsächlich von Einheimischen dicht umgeben; Berührungsängste bestanden offenbar nicht.148 Ob die Anwesenheit der weißen Frau so viel Begeisterung hervorrief wie Nolde schrieb, ist indes nicht feststellbar. Ada Nolde selbst er-

142 Vgl. beispielsweise Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 59. 143 Urban, Martin / Sauerland, Max (Hrsg.): Emil Nolde. Briefe aus den Jahren 1894-1926, Hamburg 1967, S. 105. Dass sich Emil Nolde darüber hinwegsetzte, dass manche seiner indigenen Modelle nicht gemalt werden wollten, wird auch an anderer Stelle deutlich, vgl. beispielsweise: Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 100. 144 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 70f. 145 Ebd., S. 71. 146 Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 62f; Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 98, 105. 147 Nolde, E.: Welt und Heimat, S. 96, 98; Urban, M. / Sauerland, M. (Hrsg.): Emil Nolde, S. 104. 148 Abdruck der Fotos in: Reuther, M. / Nolde Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde, S. 63, 143.

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wähnte in ihrem Reisebericht diese Reaktionen nicht, sondern schrieb über das Verhältnis zur indigenen Bevölkerung nur lapidar: „Ja die guten Schwarzen, wir hatten sie gern in ihrer ganzen Art. Aber zu trauen waren[sic] ihnen nicht.“149 So hinterlassen die Berichte der Noldes trotz aller positiven Schilderungen den Eindruck eines auf beiden Seiten bestehenden Misstrauens zwischen den Reisenden und der indigenen Bevölkerung. Auch die Touristin Marie Schafroth berichtete, dass sich im Bismarck-Archipel die Einheimischen, besonders die Frauen, anfangs scheu vor ihr zurückgezogenen hätten.150 Auf direkte Ansprache hätten sie aber freundlich reagiert und ein breites Grinsen sehen lassen.151 Sie bemerkte in dieser Hinsicht einen deutlichen Unterschied zwischen Melanesien und Mikronesien: „Sofort fiel uns der Unterschied im Benehmen der melanesischen und mikronesischen Frauen auf. Jene sind von musterhafter Zurückhaltung, diese sehr ungescheut im Verkehr mit Fremden, besonders mit Männern. Auf einem einsamen Pfad im Busch begegneten wir neuerdings einer Frau, die sofort mit uns zu plaudern versuchte.“152

Diese Beobachtung verbindet Schafroth mit leiser Kritik: Sittsamkeit und Keuschheit seien für mikronesische Mädchen völlig unbekannte Tugenden. Die gesellschaftliche Rolle der Frauen erkannte Schafroth in Mikronesien zu Recht als bedeutend.153 Hier liegt wohl auch die Wurzel für das selbstbewusstere Auftreten der mikronesischen Mädchen und Frauen den Reisenden gegenüber. Sie hätten sich Schafroth „zutraulich“ genähert, sie betatest, ihre Kleidung und Schuhe bestaunt und sich ihrerseits gerne von ihr fotografieren lassen.154 Auch die übrige Bevölkerung schilderte Schafroth als offen und kontaktfreudig: „Überall grüßten die Eingebornen aufs freundlichste, sie plapperten zutraulich in uns hinein, bettelten wohl auch ein wenig ‚Tobac‘. [...] Selbst die Chinesen, die anderswo stets achtlos an den Europäern vorübergehen, grüßten uns höflich. Alles deutete auf ein sehr gutes Einvernehmen zwischen Weiß und Farbig.“155

Die indigene Bevölkerung ging hier also von sich aus neugierig auf die Reisenden zu. Da Schafroth und ihre Begleiter sich auf den jeweiligen Etappen ihrer Reise je149 150 151 152 153 154 155

Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 64. Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 25, 34, 97. Ebd., S. 25. Ebd., S. 134f. Ebd., S. 135. Ebd., S. 134, 138. Ebd., S. 137.

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doch immer nur kurz aufhielten, konnten sich keine weitergehenden sozialen Beziehungen zwischen ihnen und den Einheimischen entwickeln. Letztere blieben für die Touristen also eine Art „schmückendes Beiwerk“ der durchreisten Gebiete – wobei Schafroth nicht abgesprochen werden soll, dass sie sich für die Einheimischen wirklich interessierte und versuchte, einen Einblick in ihre Lebensverhältnisse zu erhalten und zu vermitteln. Auf Grund der Umstände ihrer Reise mussten diese Betrachtungen allerdings an der Oberfläche bleiben. Die Forschungsreisende Elisabeth Krämer-Bannow hingegen kam von vornherein mit einer ganz anderen Zielsetzung in die Südsee. Sie verfolgte keine touristischen Interessen, sondern war bestrebt, einen wichtigen Beitrag zur Arbeit der Expeditionen zu leisten, an denen sie teilnahm. Um die Lebensumstände der indigenen Frauen zu erforschen, war sie darauf angewiesen, vertrauensvolle Beziehungen zu den Einheimischen aufzubauen. Auf Grund dieser besonderen Voraussetzungen und Krämer-Bannows ausführlicher Dokumentation ihrer Erfahrungen ist diese Forschungsreisende für die vorliegende Fragestellung besonders interessant. Daher soll die Interaktion zwischen Krämer-Bannow und der indigenen Bevölkerung nun ausführlicher untersucht werden. Wie schon erwähnt ist die Quellenlage für die Expedition von 1908/09 auf die damals „Neumecklenburg“ genannte Insel im BismarckArchipel am reichhaltigsten, so dass sich die folgenden Ausführungen primär auf diesen Aufenthalt beziehen.156 Wie die anderen Reisenden schilderte auch Krämer-Bannow, dass die indigene Bevölkerung häufig die Flucht ergriff, wenn die Expedition nahte. Die Frauen wurden nach Möglichkeit versteckt – wie der Forscherin später von ihrem indigenen Helfer Tondo erklärt wurde, seien der Grund dafür die vielen männlichen Expeditionsteilnehmer gewesen.157 Krämer-Bannows Bericht zufolge, ließ die Scheu der Dorfbewohner aber meist nach, wenn sie erkannt hatten, dass von den weißen Neuankömmlingen keine Gefahr ausging. Manchmal seien die Deutschen auch neugierig bestaunt worden – besonders die einzige weibliche Teilnehmerin der Expedition weckte auch hier offenbar großes Interesse.158 Einige Einheimische schlossen sich laut Krämer-Bannow den Forschern freiwillig an und begleiteten sie ein Stück des Weges oder zeigten ihnen stolz ihre Hütte.159 Vielerorts seien die Expeditionsmitglieder jedoch nicht willkommen gewesen. Einen längeren Aufenthalt duldete man oft nur ungern, wie die Reisende feststellte.160 Sie empörte sich darüber, dass mehrmals versucht wurde, Vorbereitungen für ein Fest vor den Forschern zu verbergen oder ein Festessen zu verheimlichen, „um nichts abgeben zu müssen“, wie 156 157 158 159 160

Vgl. Kapitel 4.2.3 u. 9.6. Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 20, 29, 41, 238f. Ebd., S. 169, 185. Ebd., S. 72, 74f. Ebd., S. 29, 70, 201.

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sie meinte.161 Dass es das gute Recht der indigenen Bevölkerung sein könnte, selbst zu entscheiden, wer bei ihrem Fest zu Gast gebeten wurde, kam Krämer-Bannow offenbar nicht in den Sinn. Ebenso fällt auf, dass sich die Expeditionsteilnehmer in den von ihnen besuchten Dörfern bei Bedarf einfach ein Haus als Nachtquartier aussuchten, das ihrem Geschmack entsprach – ohne sich um die Einwilligung der Besitzer zu kümmern. Über ihren Besuch bei einem Dorffest, zu dem sich die Forscher selbst eingeladen hatten, schrieb Krämer-Bannow beispielsweise: „Es hatten sich Leute, die von auswärts zugereist waren, gegenüber vom Essensgerüst eine Hütte errichtet, um dort während des Festes zu wohnen. Sie war luftiger gebaut als die Dorfhütten und durch ihre Neuheit noch sauber, so daß wir keinen passenderen Aufenthalt für die zwei Tage unseres Dortseins finden konnten und uns im Hause einrichteten.“162

Wie die Erbauer der Hütte deren Okkupation durch die Fremden aufnahmen, berichtete Krämer-Bannow nicht. Selbst über ausdrückliche Vorgaben der Dorfbewohner, beispielsweise einen Tabu-Bereich nicht zu betreten, setzten sich die Forscher hinweg.163 Das Verbot, manche Kultgegenstände zu sehen, zu berühren oder gar zu erwerben, akzeptierten sie nicht: „Man tat auch mit ihnen sehr wichtig, doch nach einigem Sträuben wurden sie hergegeben“, schrieb Krämer-Bannow beispielsweise über bestimmte Glücksbringer der indigenen Bevölkerung.164 Sie lässt in ihrer Schilderung dieser Vorfälle kein Unrechtsbewusstsein erkennen. Hier entsteht der Eindruck, dass es für sie außer Frage stand, dass die indigene Bevölkerung den weißen Forschern respektvoll und gehorsam zu begegnen hatte. Selbstbestimmtes Handeln und eigene Interessen gestand Krämer-Bannow den Indigenen offenbar nicht zu. Deutlich wird das beispielsweise auch an folgender Passage, in der Krämer-Bannow schilderte, dass die Expeditionsteilnehmer sich bei der Ankunft in einem Dorf auf den beiden zur Verfügung stehenden Bänken ausruhen wollten, sich dort jedoch bereits ihre Helfer erholten: „Keiner von ihnen kam auf den Gedanken, uns Platz zu machen, wir mussten sie erst fortjagen, um sitzen zu können. Die Jungens waren im übrigen gut gezogen und gutartig, aber zeitweilig brach bei ihnen der natürliche Eigennutz durch.“165 Handelte die indigene Bevölkerung nicht so, wie es die Forscher von ihnen erwarteten, wurden sie von Krämer-Bannow als „nichtsnut-

161 Ebd., S. 97, 226f. 162 Ebd., S. 215. 163 Ebd., S. 204f, 207; vgl. Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 36. Ada Nolde hingegen berichtete, sie sei „natürlich“ nicht weitergegangen, als Einheimische sie vom Betreten eines Hauses abhalten wollten, das für Frauen tabu war, siehe: Nolde, A.: Einige Erinnerungen, S. 64. 164 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 211. 165 Ebd., S. 30.

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zig“, „schundig“, „besonders scheu und blöde“ oder „gierig“ charakterisiert.166 Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass Krämer-Bannow den Einheimischen etwa generell ablehnend gegenübergestanden hätte. Im Gegenteil: Im Allgemeinen überwiegen in ihren Texten die positiven Darstellungen der Einheimischen, wie schon an den im vorangegangenen Kapitel zitierten Passagen deutlich wurde.167 Krämer-Bannows Texte offenbaren stellenweise Einfühlungsvermögen und Verständnis gegenüber dem Verhalten der indigenen Bevölkerung: „Man muss von diesen Naturmenschen nicht verlangen, daß sie zu uns Weißen aufblicken und opferwillig nur bestrebt sind uns zu dienen, sich sogar eine Ehre daraus machen, ohne an Lohn zu denken. Sie sind berechnend und suchen ihren Vorteil, ähnlich wie wir Europäer auch, und da sie uns mit unserem großen Gepäck für unermesslich reich halten, gegenüber der eigenen Bedürfnislosigkeit, so wacht in ihnen Begehrlichkeit und Habgier auf, wie dies ganz natürlich ist. [...] Ist man sich aber klar darüber und nimmt die Leute, wie sie sind, so ist der Umgang nicht so schwer und gelegentlich kann man dann ein echtes, herzliches Gefühl durchblicken sehen, wie auch wir es erlebt haben.“168

Andererseits fällt auch auf, dass Krämer-Bannow diese verständnisvolle Einstellung nicht konsequent durchhielt. Ihr oben geschildertes, oftmals rücksichtsloses Vorgehen ist ebenso entlarvend wie beispielsweise folgende missionskritische Passage aus ihrem Reisebericht, mit dem sie ihrer zuletzt zitierten Aussage widerspricht. Dort heißt es, durch den Einfluss der Missionen würden die Melanesier... „[...] anspruchsvoll und dreist gegen den Weißen, der ja ihr Bruder sein soll. Ihnen taugt die Lehre von der Gleichheit aller Menschen noch nicht, sie sollten den Weißen noch als Herren ansehen, bis sie von ihm gelernt haben, stetig zu arbeiten und strebend sich zu entwickeln.“169

Die indigene Bevölkerung sollte also nicht glauben, den Weißen ebenbürtig zu sein, sondern den ihr zugedachten Platz in der kolonialen Hierarchie einhalten und ihre eigene Kultur bewahren. Für diese Kultur interessierte sich Elisabeth KrämerBannow sehr und bemühte sich durch Beobachtung und Befragung, möglichst viel vor allem über die Lebensumstände der Frauen zu erfahren. Im Gegensatz zu den anderen reisenden Frauen hatten Krämer-Bannow durch die längeren stationären 166 Ebd., S. 97, 108, 159. 167 Vgl. hierzu auch Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 86. 168 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 108f; vgl. auch S. 260: „Es ist nicht menschlich und auch nicht klug, wenn die mächtigen Weißen, die Herren in diesen Schutzgebieten, die Eingeborenen NUR vom Standpunkt des Nutzens, gleichsam als Arbeitstiere betrachten.“ [Herv. i.O.]. 169 Ebd., S. 65.

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Aufenthalte der Expedition die Möglichkeit, der Entwicklung von vertrauensvollen Beziehungen zur einheimischen Bevölkerung genug Zeit zu geben. Dabei konzentrierte sie sich besonders auf die Frauen der dem Expeditionslager benachbarten Dörfer. Wie sie dabei vorging, schildert sie in ihrem Reisebericht: „In der ersten Zeit blieb Malen und Zeichnen meine Haupttätigkeit. Dies eignete sich auch besonders gut zur Annäherung an die scheuen, zurückhaltenden Menschen. Dadurch, dass ich, um ein Bild zu vollenden, des öfteren in ein Dorf kam, mich still und unbekümmert um die Menschen zur Arbeit setzte, gewöhnten sich sogar die Weiber an mich, die ja besonders unzugänglich sind. Zum Schluß entstand meist eine Art Unterhaltung, die natürlich vorwiegend der Zeichensprache angehörte. Ich erwarb dadurch Kenntnisse von manchen ihrer Handfertigkeiten, ließ mir die Flechterei ihrer verschiedenen Körbe vormachen und notierte sie genau. [...] Mit der Zeit, als ich bekannter wurde, kamen einzelne Frauen auf meinen Wunsch zu mir, und ich fragte sie nach Familiensachen, Sitten und Bräuchen. Da hierzu ein männlicher Dolmetscher nötig war, in diesem Falle der halbwüchsige Tando, so erfuhr ich nicht allzu viel, denn die strengen Regeln melanesischer Sitte hielten sie ab, in Gegenwart des Jungen manche Dinge zu erwähnen, die sie mir allein möglicherweise gesagt hätten.“170

Nach diesen negativen Erfahrungen mit dem männlichen Dolmetscher arbeitete Krämer-Bannow zukünftig mit der Dolmetscherin Bariu zusammen, die zugleich eine Informantin und mehr und mehr eine Vertraute für sie wurde.171 So gelang es ihr, von den Frauen auch Details über intime Themen wie Geburts- und Abtreibungspraktiken oder Menstruation in Erfahrung zu bringen.172 Die Frauen ließen es auch zu, dass die Forscherin sich ihre Körper genau ansah, um einheimische Wörter für die verschiedenen Körperteile und ihre Beschaffenheit notieren zu können. Schamgrenzen scheint Krämer-Bannow dabei nicht unbedingt respektiert zu haben. In ihr Notizbuch schrieb sie: „Die Frauen zeigten ohne Genieren die Brüste her, sprachen ohne Lachen etc. davon, die Achselhöhlen zu zeigen gab etwas mehr Ge-

170 Ebd., S. 34-36. 171 Ebd., S. 109f, 134, 196; in Krämer-Bannows Feldnotizen finden sich Aufzeichnungen zu Barius Lebenslauf, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen. 172 Krämer-Bannow, E.: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen. Außerdem flossen diese Informationen in ihren Reisebericht ein; vgl. beispielsweise Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 36, 110113.

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nierlichkeit, sie waren übrigens bei den meisten sehr haarlos von Natur.“173 Offenbar hatte sie also die Achselhöhlen der Frauen untersucht, obwohl sich diese dabei schämten. Trotz ihres manchmal rücksichtslosen Verhaltens gelang es KrämerBannow, während ihrer ausdauernden Studien ein vertrauensvolles Verhältnis zur indigenen Bevölkerung zu entwickeln, der sie näher kam als die meisten anderen deutschen Frauen, sofern sie nicht einer Mission angehörten. So nahm die Forscherin beispielsweise ihr Bad im Fluss „inmitten eines Kreises lachender, lebhafter Weiber“174 und ließ sich von diesen in Flechttechniken und anderen FrauenHandwerken unterrichten.175 Die Frauen schenkten Krämer-Bannow Süßkartoffel-, Bananen- und Yamsstecklinge für den Garten, den sie im Expeditionslager angelegt hatte, und machten sie mit einheimischen Pflanzen vertraut, deren Blätter als Gemüse gegessen wurden.176 Manchmal boten sie der Forscherin auch von den Mahlzeiten an, die sie grade gekocht hatten.177 Mit indigenen Frauen, Männern und Kindern spielte Krämer-Bannow Faden-Spiele und ließ sich einheimische Figuren beibringen, die sie in ihren Notizbüchern festhielt.

173 Krämer-Bannow, E.: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen. 174 Krämer-Bannow, E.: bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 247. 175 Ebd., S. 34-36, vgl. Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 35f. 176 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 23, 91. 177 Ebd., S. 33

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Abb. 15: Forschungsnotizen von Elisabeth Krämer-Bannow zu Faden-Spielen178

Durch ihren engen Umgang mit den Einheimischen nahm die Forscherin sie nicht nur als Typen wahr, sondern als Individuen, was sich auch darin äußerte, dass sie sie meist bei ihrem Namen nannte und teilweise mit einem fotografierten oder gemalten Porträt in ihrem Reisebericht verewigte.179 Beim Zeichnen war KrämerBannow gezwungen, die Züge der Indigenen genau zu studieren und so verwarf sie manch oberflächliches negatives Urteil, dass sie zunächst über das Äußere ihrer Modelle gefällt hatte. Eine alte Frau beschrieb sie beispielsweise erst als „verrunzelt“, „recht wild und abschreckend“, stellt dann aber fest: „Ich war während des Malens erstaunt, wie viel Liebenswürdigkeit, ja Anmut beim näheren hinschauen ihre alten Züge enthüllten, wie belebt und rege ihr Geist noch war.“180 Bei einer jüngeren Frau ging es ihr ähnlich: „Sie war auf den ersten Blick hässlich, gewann 178 Krämer-Bannow, E.: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Universität Göttingen; vgl. Dies.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 133. 179 Beispielsweise Fotografie mit der Bildunterschrift „Unser Junge Tondo“ und Zeichnung der „beiden Frauen des Padong von Lámasong“, in: Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 21, 118. Vgl. Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 36. 180 Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 33.

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aber ebenfalls durch gütigen, lebensvollen Ausdruck ihres Antlitzes und ihrer ganzen Art beim Sprechen.“181 Das Porträtieren öffnete ihr die Augen für körperliche Details, wie „allerliebste, zierliche Hände“ der jungen Gálaureng oder den „graziös und frauenhaft weich gebliebenen“ Körper der Dorfältesten namens Kismúeng.182 Zwischen Gálaureng und Krämer-Bannow entwickelte sich ein besonderes Verhältnis. Die Forscherin saß abends mit ihr beisammen und versuchte sich mit den wenigen einheimischen Worten, die sie beherrschte, mit ihr zu unterhalten.183 Als die Expedition schließlich ihr Lager abbrach und weiterzog, scheint beiden Seiten der Abschied schwer gefallen zu sein. Krämer-Bannow schenkte Gálaureng Kochgeschirr und eine Halskette, die diese bei der tränenreichen Verabschiedung am nächsten Morgen trug: „Gálaureng hatte die neue Kette um. Mit schüchterner Geberde trat sie an mich heran und mit Tränen in den Augen sprach sie: ‚Du wirst nun nicht mehr hier schlafen, du gehst fort, an einen anderen Platz!‘ Dabei umschlang sie mich weinend und legte ihren Kopf an meine Brust. ich hatte sie immer gern gehabt, aber nicht gewusst, daß auch sie mich in aller Stille in ihr Herz geschlossen hatte.“184

Nicht nur Gálaureng und ihrer Dolmetscherin Bariu gegenüber entwickelte Elisabeth Krämer-Bannow Zuneigung, sondern sie fühlte sich offenbar generell ihren fremden Geschlechtsgenossinnen verbunden, deren zurückgesetzte Stellung in der einheimischen Gesellschaft sie immer wieder empörte. Mehr als einmal habe sie sich versucht gefühlt, für die Würde der Frauen einzutreten, doch befürchtete sie, dass sie dafür wenig Verständnis und Dank geerntet hätte, schrieb sie in ihrem Reisebericht.185 Einen Vergleich oder gar eine Parallele zur gesellschaftlichen Position der Frauen in ihrer eigenen Gesellschaft zog Krämer-Bannow dabei nicht. Sie plädierte dafür, dass die Missionen darauf drängen sollten, dass die „selbstsüchtigträgen Männer“ ihren Frauen besser beistehen sollten.186 Die beobachtete Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern erschien ihr sehr ungerecht, zudem kritisierte sie, dass die Frauen bei der Essensverteilung stets benachteiligt würden.187 „Der große Gegensatz zwischen diesem tätigen Leben der Weiber und dem faulen Genussdasein der Männer, die ich in Buä während der verschiedenen Tageszeiten sich räkelnd und

181 182 183 184 185 186 187

Ebd. Ebd., S. 139f; vgl. Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 58. Ebd., S. 247. Ebd., S. 249. Ebd., S. 94. Ebd., S. 262. Ebd., S. 211, 238.

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gähnend in den Thüren und auf Ruhebänken gesehen hatte, ließ mich besonders stark für die Frauen fühlen. Ich steckte ihnen manche kleinen, ach, wie bescheidenen, Genussmittel und Sachen zu, ein paar Zigaretten, kleine Zucker- und Schokoladenkrümel, etwas Zwieback oder ein paar Glasperlen, und da hatte ich zum Abschied das ungewohnte Erlebnis, daß die dankesfremden, zurückhaltenden Melanesierinnen mir nachriefen und eifrig winkten, eine Art dankbaren Scheidegrußes!“188

Festzuhalten bleibt, dass sich Elisabeth Krämer-Bannow nicht nur sehr für die indigene Kultur interessierte, sich um deren akribische Dokumentation bemühte, genau beobachtete, vertrauensvolle Beziehungen zu einheimischen Frauen aufbaute und sogar eine in den Quellen selten so ausdrücklich geäußerte kulturübergreifende Geschlechtersolidarität empfand – sondern auch, dass sie sich von all dem nicht in ihrer Überzeugung von der angeblich naturgegebenen Hierarchie der „Rassen“ beeinflussen ließ. Ihre Texte machen deutlich, dass die Einheimischen für sie keine ebenbürtigen Menschen waren, denen eigene Interessen zustanden. War sie mit ihnen unzufrieden, äußerte sie sich missbilligend und abfällig in einer uneinfühlsamen und rassistischen Weise, obwohl sie in anderen Textpassagen durchaus verständnisvoll und tolerant erscheint. Auch Anna Pytlik kam im Zuge ihrer Beschäftigung mit Krämer-Bannows Schriftzeugnissen zu dem Schluss: „Textstellen, die sehr viel Sympathie für die Menschen offenbaren gibt es genauso wie rassistische Kommentare.“189 Bei der Forscherin seien neben „Anerkennung und Respekt gegenüber dem Fremden“ auch „Abwertung und Diskriminierung“ zu finden.190 So ist Krämer-Bannows oszillierende Haltung gegenüber der indigenen Bevölkerung schwer zu fassen, reiht sich damit jedoch in die Ergebnisse der Analyse der übrigen Schriftzeugnisse deutscher Frauen ein: Rassistische, abwertende Passagen stehen positiven Darstellungen und einer offenen, relativ toleranten Haltung gegenüber. Dabei überwiegen die positiven Schilderungen, selbst wenn besonders in Bezug auf indigenes Dienstpersonal häufig negative Stereotype wie Faulheit und Unsauberkeit das vermittelte Bild prägen. Es darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass sowohl im Kaiserreich als auch in den Kolonien auch über deutsche Hausangestellte viel geklagt wurde und diese nicht selten unter Misshandlung durch ihre Arbeitgeber zu leiden hatten.191

188 189 190 191

Ebd., S. 218. Pytlik, A.: Träume im Tropenlicht, S. 31. Ebd., S. 86. Vgl. zur Lage der Dienstmädchen im Kaiserreich: Budde, Gunilla-Friederike: Das Dienstmädchen, in: Frevert, Ute / Haupt, Heinz-Gerhard (Hrsg.): Der Mensch des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1999, S. 148-175, v.a. S. 151f, 171f; Braun, Lily: Das Sklaventum der Dienstmädchen, in: Frederiksen, Elke (Hrsg.): Die Frauenfrage in Deutschland 1865-1915. Texte und Dokumente, Stuttgart 1888, S. 335-344. Gouver-

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Die Haltung der indigenen Bevölkerung den deutschen Frauen gegenüber scheint – vor allem in Melanesien – besonders anfänglich von Scheu geprägt gewesen zu sein, jedoch wurde ebenso von Neugier und selbstbewusster Kontaktaufnahme berichtet, insbesondere auf den mikronesischen Inseln. Im Laufe der Zeit war die Entwicklung von vertrauensvollen Beziehungen möglich, wobei erneut in Erinnerung gerufen werden soll, dass die indigene Sichtweise leider nicht dokumentiert ist und das Bild daher einseitig bleiben muss. Unterschiede zwischen den einzelnen pazifischen Großregionen waren kaum feststellbar, wobei allerdings berücksichtigt werden muss, dass nur sehr wenig Schilderungen von Interaktionen zwischen deutschen Frauen und der polynesischen Bevölkerung zur Verfügung standen, da die deutschen Frauen auch in Samoa meist melanesische Arbeitskräfte hatten und die reisenden Frauen in Melanesien oder Mikronesien und nicht in Samoa unterwegs waren. Bei den Schriftzeugnissen der bisher ausgesparten weiblichen Missionsangehörigen liegt ebenfalls ein deutlicher Schwerpunkt auf Melanesien, wo im Untersuchungszeitraum die meisten deutschen Missionen aktiv waren. Welche Spezifika der Missionskontext aufweist und ob sich hier ein ähnliches Verhältnis zwischen den deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung erkennen lässt wie in den bisher thematisierten Quellen, soll im Folgenden untersucht werden.

13.3 D AS

BESONDERE V ERHÄLTNIS ZWISCHEN M ISSIONSANGEHÖRIGEN UND INDIGENER B EVÖLKERUNG

Diejenigen Frauen, die einer Mission angehörten, standen für gewöhnlich in deutlich engerem und regerem Kontakt mit der indigenen Bevölkerung als die meisten übrigen deutschen Frauen, die sich in den Südsee-Kolonien aufhielten. Die Missionsstationen wurden nahe einheimischer Siedlungen errichtet und wie bereits deutlich wurde, gab es im Alltag der Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und Missionsschwestern vielerlei Berührungspunkte mit der indigenen Bevölkerung. Die Missionsangehörigen hatten nicht nur indigene Hausangestellte wie die übrigen deutschen Frauen, sondern gaben den Mädchen und Frauen auch Haushaltungs- und Handarbeitskurse, wurden je nach Mission zudem in der Seelsorge eingesetzt, unneursfrau Johanna Solf beklagte sich in ihrem Tagebuch mehrfach über ihre deutsche Angestellte Luise, die sie mit nach Samoa gebracht hatte: Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 11. bis 17. u. 21./22. Nov. 1908; 10. April 1909, in Privatbesitz. Missionarsfrau Fellmann beklagt sich nach ihrer Heimkehr ins Kaiserreich über das langsame Arbeitstempo ihrer deutschen Hausangestellten: Johanna Fellmann an ihren Ehemann, Stuttgart, 1. Jan. 1910, zitiert aus Privatbesitz.

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terrichteten teilweise in den Missionsschulen, betrieben auf manchen Stationen kleine Läden, in denen sich die indigene Bevölkerung versorgte und kümmerten sich um die medizinische Versorgung indigener Patienten und Wöchnerinnen, sowohl auf den Stationen als auch in den Dörfern.192 Zusätzlich zu den Einheimischen, die ohnehin auf dem Stationsgelände lebten, weil sie dort zur Schule gingen oder arbeiteten, hielten sich also häufig auch Bewohner der umliegenden Siedlungen auf der Station auf. Die Missionsangehörigen teilten nicht nur ihren Alltag, sondern auch besonders wichtige Ereignisse wie beispielsweise Hochzeiten, Beerdigungen, Tauf- und Weihnachtsfeste mit den Einheimischen, die diese Feierlichkeiten oftmals mit einheimischen Liedern und Tänzen bereicherten und meist ein Festessen und an Weihnachten Geschenke erhielten.193 Die Missionen bildeten außerdem indigene Helfer aus, von denen sie bei der Verbreitung des christlichen Glaubens unterstützt wurden und die beim Unterricht der Missionszöglinge halfen.194 In manchen evangelischen Missionen waren zusätz192 Vgl. zu den Aufgaben der weiblichen Missionsangehörigen Kapitel 9.1. 193 Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 28; Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912 u. Pola, Okt. u. Dez. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1; Vetter, J.: Tagebuch, Einträge von Weihnachten 1902, 6. Jan. u. 28. Okt. 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Mathilde Pfalzer an den Missionsinspektor, Sattelberg, 27. Okt. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4. 36; Adam Hoh an den Missionsinspektor, Bogadjim, 20. Dez. 1897, AMEW, Vorl. Nr. 4.26; Brief von Johann Hertle [ohne Anrede], Pola, 4. Aug. 1914, AMEW, Vorl. Nr. 4.53; Adolf Dassel an seine Familie, Dampier, 10. Febr. 1895 in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, RMG, Prov. 68, S. 77; Blum, Wilhelm: Bericht über das 2. Halbjahr, Ragetta 1912, RMG 2.153; Schw. Katharina Weichel an Pfarrer Coerper, Ron-Kiti, 25. Jan. 1910, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katharina“; Abdruck eines Briefes von Geschwister Becker, Truk, 5. April 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 7, S. 161; Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, Christfest 1898, zitiert aus Privatbesitz; Schw. Theresia: Weihnachten auf Yap, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1909, S. 38-40; Schule und Schulkinder in Monumbo. Aus einem Brief von Schw. Philomena an den hochw. P. Generalsuperior der Gesellschaft, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), S. 119. 194 Zu den Gehilfen der Liebenzeller Mission vgl.: Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln. Jahresbericht für das Jahr 1913, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 169f; Abdruck eines Briefes von W. Seibold, Ponape, Kiti, 22. April 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 9, S. 206; zu den Gehilfen der Rheinischen Mission: Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 86-89; vgl. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 5. Aug. 1907, S. 21; zu den Gehilfen der Neuendettelsauer Mission: Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 161-166; vgl. Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S, 26, 29; Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1 Die Steyler Mission und die Herz-JesuMission bildeten indigene Katechisten aus, die sie ebenfalls bei der Missionsarbeit un-

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lich Gehilfen tätig, die keine Einheimischen waren, sondern aus schon länger christianisierten Südsee-Regionen kamen; so arbeiteten beispielsweise in Neuguinea die Wesleyanischen Methodisten mit Lehrern aus Fidji zusammen und die Rheinische Mission mit samoanischen Gehilfen.195 Ihre Unterkünfte hatten die Missionsgehilfen und ihre Familien meist auf dem Stationsgelände, auf dem auch die deutschen Missionsangehörigen lebten; die Nebenstationen waren manchmal ausschließlich mit indigenen Helfern besetzt, die ihre Gemeinde relativ selbstständig leiteten.196 Ihnen und ihren in der Regel ebenfalls im Dienste der Mission arbeitenden Frauen kam also eine verantwortungsvolle Position innerhalb des Missionswerkes zu, die mit der Lebenswelt der deutschen Missionsangehörigen durch das gemeinsame Arbeiten und nahe Beieinanderwohnen eng verknüpft sein konnte. Wenn ihr Gesundheitszustand es erlaubte, verbrachten die Missionsangehörigen im Vergleich zu den meisten übrigen deutschen Frauen eine sehr viel längere Zeit in den Südsee-Gebieten. Sie ließen sich nicht nur für die bei Beamten oder Krankenschwestern übliche Drei-Jahres-Frist auf die fremde Welt ein, sondern wussten, dass sie ihr neues Zuhause manchmal für Jahrzehnte, im Fall der katholischen Schwestern sogar für immer, mit den Einheimischen teilen würden.197 Es lag daher in ihrem Interesse, ein gutes und langfristig verlässliches Verhältnis zu ihnen aufzubauen, das sich auf Grund der langen Aufenthaltsdauer langsam entwickeln und festigen konnte. Nicht nur das enge und lange Zusammenleben begründete jedoch die Tatsache, dass die Missionsangehörigen auf gute Beziehungen zu den Einheimischen angewiesen waren, sondern vor allem ihr Ziel, die „Heiden“ zum christlichen Glauben zu bekehren. Um erfolgreich missionieren zu können, war es unerlässlich, die Lebens- und Denkweise der indigenen Bevölkerung gut zu kennen und ihr Vertrauen

terstützten, vgl. Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 218-220; Ders.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 353, 370. 195 Zu den Samoanern, die für die Rheinische Mission tätig waren, siehe Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 83-86; vgl. beispielsweise: Johanna Hanke an ihren Onkel, Bongu, 19. Jan. 1913, RMG 2.149. Johanna Fellmann erwähnt mehrfach die „Fidjiteachers“ im Dienst der Wesleyanischen Methodisten, vgl. beispielsweise: Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, Christfest 1898, zitiert aus Privatbesitz. 196 Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln. Jahresbericht für das Jahr 1913, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 169f; vgl. Rauchholz, M.: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, S. 3, 9, 11f; Kalmbach, K.: Mit Gott von Mensch zu Mensch, S. 91f; Paul, S.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 88f; Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 29; Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43./1. 197 Vgl. Angaben zur Aufenthaltsdauer der deutschen Frauen in den Tabellen im Anhang.

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zu gewinnen.198 So betonte Missionar Helmich auf der Missionskonferenz der Rheinischen Mission im Jahr 1905: „Je reger [...] der Umgang im täglichen Leben ist, desto mehr Gelegenheit bietet sich auch, den Leuten die göttliche Wahrheit nahe zu bringen. Jeder Missionar sollte daher ernstlich bestrebt sein, einen regen Verkehr anzubahnen und zu unterhalten. Dazu ist es aber unerlässlich, dass wir den Leuten immer in demselben Geist der Liebe und Freundlichkeit, Geduld und Gefälligkeit begegnen. Wir müssen bereit sein, nach Kräften zu helfen, wo immer unsere Hülfe nötig ist.“199

Ebenso wurde beispielsweise den Steyler Missionsschwestern vor ihrer Ausreise eingeschärft: „Die Eingeborenen müssen mit Freundlichkeit gewonnen werden.“200 Eine weitere Besonderheit des Verhältnisses zwischen Missionsangehörigen und indigener Bevölkerung ist, dass das christliche Selbstbewusstsein der Hierarchie zwischen Weißen und Indigenen eine zusätzliche Dimension hinzufügte: Wie aus den Quellen hervorgeht, fühlten sich die Missionsangehörigen nicht nur als weiße Europäer und als Angehörige der Kolonialmacht der einheimischen Bevölkerung überlegen, sondern auch als Christen, die den „armen Heiden“ den Weg zum göttlichen Heil zeigen konnten. Sie waren überzeugt, dass sie ihr Glaube über die „Heiden“ erhob. So notierte beispielsweise die methodistische Missionarsfrau Johanna Fellmann einmal in ihr Tagebuch: „Das ist eben doch etwas Herrliches, sich zu Gottes Kindern zählen zu dürfen! Man denkt nur so selten daran, welch hohes Vorrecht dies ist.“201 Dieses Vorrecht wollten die Missionen den Indigenen ebenfalls zuteilwerden lassen, sie sahen sich also in der Position derer, die ein hohes Gut, nämlich den christlichen Glauben und die christlich-europäische Kultur, zu vergeben hatten. Für die Missionsangehörigen waren die Einheimischen bemitleidenswerte arme Ungläubige, deren Seelen es zu retten galt und die „dem wahren Glücke“ zugeführt werden mussten.202 In der Missionszeitschrift der Herz-JesuMission las man über Neuguinea:

198 Vgl. Linckens, Hubert: Streiflichter aus der Herz-Jesu-Mission, S. 77f; Schw. Stanisla an ihre Familie, Jaluit, 21. Jan. 1903, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. 199 Helmich, Heinrich: Die Behandlung unserer Eingeborenen durch den Missionar im alltäglichen Leben und persönlichen Verkehr, Referat für die Missionskonferenz, Ragetta, März 1905, RMG 3.014. 200 „Empfehlungen und Belehrungen für die in die Mission reisenden Schwestern“, AG SSpS, O34 Tg Varia (1,2,3,5). 201 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 2. Nov. 1897, S. 105. 202 Die Missionsschwestern vom hh. Herzen Jesu, in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 220.

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„Wie herrschet dort Satan als unumschränkter Herr und zwingt die Ärmsten seit undenkbaren Zeiten unter sein entehrendes und herabwürdigendes Joch! Was seine Herrschaft aber den armen Insulanern gebracht, das zeigt uns die Sittenlosigkeit, Lasterhaftigkeit und Verkommenheit, die den […] Menschen weit unter das Tier erniedrigt hat.“203

Der christliche Glaube sollte die indigene Bevölkerung aus dieser Situation befreien. So schrieb die Liebenzeller Schwester Anna Schneider: „Wie köstlich ist es doch, den Armen zu sagen, daß Jesus sie erretten und selig machen kann!“ und ihre Mitschwester Elise Zuber wollte die Einheimischen „[...] alle in des Heilandsarm tragen, wo sie es so gut hätten.“204 Die „Erziehung“ der bemitleideten indigenen Bevölkerung zu einem an christlich-europäischen Maßstäben orientierten Leben, die im Idealfall schon im jüngsten Kindesalter einsetzte, sollte aus den in den Augen der Christinnen unvollkommenen Wesen neue und bessere Menschen machen, „diese Naturkinder von Grund aus ändern, sie veredeln, ihren Charakter bilden und einer höheren Gedankenrichtung zugänglich machen“, wie es eine Herz-JesuSchwester ausdrückte.205 Überdies zeichnen sich die Beziehungen zwischen Missionsangehörigen und einheimischer Bevölkerung durch die deutliche Orientierung am christlichen Ideal der Nächstenliebe aus, welche den Missionsangehörigen gebot, auch die „Heiden“ als Geschöpfe Gottes zu lieben. Aus den Schriftzeugnissen der Frauen ist ersichtlich, dass sie diesem Ideal von Anfang an gerecht werden wollten. So ergänzte beispielsweise die erst kurz zuvor in Neuguinea eingetroffene Missionsgehilfin Lindner einen Brief nach Neuendettelsau um die Bemerkung: „P.S.: Die Papuas habe ich schon sehr lieb gewonnen.“206 Die Form der Beteuerung, die durch keine weiteren Worte erläutert wird, macht vor allem einen pflichtbewussten und formelhaften Eindruck. Missionarsfrau Emmy Decker äußerte sich etwas ausführlicher: „Die Papua habe ich bis jetzt recht lieb gewonnen, hoffentlich dauert diese Liebe stets. Auch wenn ich das, was mir jetzt gefällt gewöhnt bin, und ich auch ihre unschönen Sachen mehr kennen lerne, so möchte ich sie dann doch auch noch gerne haben, denn ich kam ja dazu, ihnen gutes zu sagen und zu tun.“207

203 Ebd. 204 Schw. Anna Schneider an Pfarrer Coerper, Truk, 5. April 1913, ALM, Akte „Schneider, Anna“; Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Feb. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 205 Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 149. 206 Mathilde Lindner an den Missionsinspektor, Simbang, 17. Juni 1908, AMEW, Vorl. Nr. 4.53./13; vgl. auch Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 10. Nov. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 3. 207 Aufzeichnung vom 4. Okt. 1903, zitiert nach: Decker, Johann: Zum Lebenslauf von Frau Missionar Decker, in: Neuendettelsauer Missionsblatt, 3. Jg. (1913), Nr. 13, S. 2;

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Der Rheinischen Missionarsfrau Johanna Diehl war es wichtig zu betonen, dass sie die Einheimischen trotz ihres „wilden“ Aussehens „lieb hatte“: „Nun stand ich wirklich in Neu-Guinea und vor den lieben Schwarzen, sie sehen doch alle recht wild aus gegenüber denen, die ich bisher sah, doch ich hatte sie alle lieb. Wenn es auch ein wenig anstieß, dass sie so nackt waren, doch ich werde mich bald daran gewöhnen.“208

Die Beteuerung, die indigene Bevölkerung lieb zu haben und der Vorsatz, sich auf sie einzulassen, um ein gutes Verhältnis herzustellen, findet sich in den Briefen und Tagebüchern der weiblichen Missionsangehörigen also immer wieder.209 Im Folgenden soll dargestellt werden, wie über diese floskelhaft wirkenden Versicherungen hinaus in den Quellen das alltägliche Miteinander von weiblichen deutschen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung beschrieben wurde. Dabei werden zunächst die evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und – schwestern untersucht, anschließend die katholischen Missionsschwestern. Anders als bei den bisher behandelten Frauen wird im Folgenden darauf verzichtet, Beobachtungen und Beschreibungen aus der Feder der Missionsangehörigen getrennt von ihrer Interaktion mit der indigenen Bevölkerung zu behandeln. Diese Unterscheidung wäre angesichts des vorliegenden Quellenmaterials wenig sinnvoll, da die weiblichen Missionsangehörigen im Gegensatz zu manchen anderen deutschen Frauen – und auch im Gegensatz zu den männlichen Missionsangehörigen – keine allgemeinen Abhandlungen über die indigene Bevölkerung und ihre Lebensweise verfasst haben, ohne direkt auf bestimmte ihnen bekannte Individuen Bezug zu nehmen. Ihre Berichte beziehen sich also nahezu ausschließlich auf die Interaktion mit Einheimischen, die auf oder in der Nähe von der Missionsstation lebten.

vgl. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 5. Juli 1907, S. 6 u. 2. August 1907, S. 21. 208 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 3. Juli 1907, S. 4. 209 Vgl. beispielsweise auch Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Feb. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 27. März 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe / Reise-Berichte 1904-1905“; Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 27. Mai 1903, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla“, unverzeichnet.

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13.3.1 Evangelische Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern Um den Aufbau dieses Kapitels verständlich zu machen, soll ein wichtiges Ergebnis der Quellenanalyse gleich vorweg genommen werden: Das ausgewertete Material zeigte, dass die von den evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und –schwestern verfassten Schilderungen des Miteinanders mit der indigenen Bevölkerung zahlreiche Gemeinsamkeiten und Konstanten aufweisen – unabhängig davon, welcher Mission die jeweilige Schreiberin angehörte und in welcher Südseeregion diese tätig war. Auf Grund dieser Erkenntnis erschien es gerechtfertigt und sogar ratsam, dieses Kapitel nicht nach den einzelnen Missionen zu unterteilen, sondern es durch die Darstellung der erwähnten gemeinsamen Themenschwerpunkte zu strukturieren. Bestimmte Inhalte prägen fast alle untersuchten Berichte; sie sollen in einzelnen Abschnitten dargestellt werden – und nur dort, wo es deutliche Abweichungen vom gemeinsamen Tenor gibt, wird ausdrücklich auf diese Besonderheiten hingewiesen. Das betrifft insbesondere die Liebenzeller Missionsangehörigen, deren Schilderungen weniger auf Grund ihres mikronesischen Arbeitsgebietes, als vielmehr auf Grund ihres besondere Rollen- und Missionsverständnisses von den übrigen Berichten in mancher Hinsicht abweichen. Auch Valesca Schulze, die für die London Missionary Society in Apia die Papauta Mädchenschule leitete, kommt gleich in mehrfacher Hinsicht eine Sonderstellung zu. Zum einen war sie als einzige der untersuchten evangelischen Missionsangehörigen in Samoa tätig, zum anderen arbeitet sie als einzige deutsche Missionarin für die LMS, zudem wich ihr Berufsalltag als Schulleiterin von dem der übrigen untersuchten weiblichen Missionsangehörigen ab. Es handelt sich also um eine schwer in dieses Kapitel zu integrierende Einzelstimme ohne direkte Vergleichsmöglichkeit; wo es geeignet scheint, wird dennoch auf sie Bezug genommen. Die Berichte der zahlreichen in Neuguinea tätigen weiblichen Angehörigen der Rheinischen und Neuendettelsauer Mission bilden die breiteste Quellenbasis und weisen hinsichtlich der Fragestellung keine signifikanten Unterschiede auf, was angesichts des benachbarten Arbeitsfeldes der beiden Missionen und ihrer freundschaftlichen Kontakte wenig verwundert. Dass die Rheinische Mission deutlich weniger erfolgreich als die Neuendettelsauer agierte, prägte wohl die Berichte der männlichen Missionare, die häufig frustriert über Niederlagen und Rückschlägen in der Missionsarbeit schrieben,210 hatte aber nahezu keine Auswirkungen auf die Schilderungen der Frauen, die vor allem um ihren Alltag auf der Station kreisen. 210 Vgl. beispielsweise: Hanke, August: Generalbericht über das Konferenzjahr 1912, Bongu, 9. Jan. 1913, RMG 2.149; Eiffert, Georg: Zusammenfassender Bericht über die Jahre 1914-18, Bogadjim – Keku, 6. Dez. 1918 u. Georg Eiffert an Inspektor Kriele, Bogadjim, Nov. 1916, RMG 2.159.

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Johanna Fellmann, von der als einziger deutschen Missionarsfrau der Wesleyanischen Methodisten umfangreiches Quellenmaterial ausgewertet werden konnte, teilte zwar viele ihrer in Neuguinea gewonnenen Erfahrungen mit den weiblichen Neuendettelsauer und Rheinischen Missionsangehörigen, auf sie wird jedoch immer wieder gesondert eingegangen werden müssen, da ihre Darstellungen in mancher Hinsicht von den übrigen abweichen. Nach diesen Vorbemerkungen soll nun der Blick auf das ausgewertete Quellenmaterial gerichtet werden. Kinder als „Bindeglieder“ zwischen den Kulturen Die bereits geschilderte Zielsetzung der Missionen und der sich daraus ergebende ständige Kontakt, in dem die deutschen Missionarsfrauen, -schwestern und Missionsgehilfinnen mit den Indigenen standen, spiegeln sich in den Schriftzeugnissen der Frauen überall wider, so etwa wenn die Rheinische Missionarsfrau Laura Becker in einem Brief in die Heimat schrieb, sie sei gerade von einheimischen Kindern umgeben, die ihr in die Briefe sähen und sie Verschiedenes fragten,211 oder wenn einheimische Kinder Missionarsfrau Johanna Diehl bewundernd beim Nähen zusahen und ihr eine Blume ins Haar steckten.212 Freud und Leid wurden auf den Missionsstationen geteilt. So berichtete die Missionarsfrau Emilie Decker beispielsweise, wie ihre einheimischen Küchenmädchen mit ihr jammerten, als ihr Mann ihr einen kranken Zahn ziehen musste und dass diese ebenso enttäuscht wie sie selbst waren, als auch ihr viertes Kind ein Junge war, obwohl sie alle gemeinsam mit der werdenden Mutter auf ein Mädchen gehofft hatten.213 Anders als die zölibatär lebenden katholischen Schwestern und auch die ledigen evangelischen Missionsschwestern und -gehilfinnen, hatten die evangelischen Missionarsfrauen den Vorteil, dass sie die Erfahrungswelten der Mutterschaft und des Familienlebens mit den indigenen Frauen teilten, hier also eine gemeinsame Basis für gegenseitige Kontaktaufnahme bestand. Dabei spielten besonders die Kinder beider Seiten eine bedeutende Rolle und nehmen daher breiten Raum in den untersuchten Schriftzeugnissen ein. Die in der Nähe der Station lebende Bevölkerung nahm für gewöhnlich großen Anteil, wenn die Missionarsehepaare Nachwuchs bekamen und erfreute sich an den weißen Kindern, wie immer wieder in den Quellen berichtet wird. Der Rheinische Missionar Eiffert schrieb, die indigenen Christenfrauen hätten sich sogar darum gestritten, wer Patin seines Neugeborenen werden

211 Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 10. Nov. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 4. 212 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 27. Juli 1907, S. 20. 213 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 5. Juni 1909 u. Dies. an Fräulein Dresel und Fräulein Rüger, Deinzerhöhe, 29. Aug. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.20.

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dürfe.214 In einem Brief an ihre Mutter berichtete Missionarsfrau Becker, die derselben Mission angehörte, über ihren neugeborenen Sohn: „Gestern nahm ihn eine Frau aus dem Dorf auf den Arm, und ohne weiteres hing er an ihrer Brust. Die hatte großen Spaß und hätte ihn am liebsten mit ins Dorf genommen. Sie war nicht die einzige, die ihn haben wollte. Unser Haus ist in diesen Tagen nicht leer geworden von Besuchern. [...] Ihr solltet mal sehen, wie sich die Eingeborenen über das weisse Kind freuen. Alle wollen sie ihn mal auf den Arm nehmen.“215

Die indigenen Stationsjungen und die anderen Kinder trugen das Baby herum und sangen ihm Schlaflieder, wenn es nicht schlafen konnte. Es fiel ihnen offenbar schwer, zu ertragen, dass die Missionarsfrau ihr Kind auch mal weinen ließ: „Die Frauen und Mädchen stellen sich schrecklich an, wenn ich den Jungen mal schreien lasse. Sie glauben, es ginge etwas von seiner Seele verloren“, berichtete Becker, die sich sogar Sorgen machte, dass ihr Sohn von den Einheimischen verwöhnt würde.216 Auch die Neuendettelsauer Missionarsfrau Justine Vetter schrieb über ihren kleinen Sohn: „Die Liebe der Schwarzen für ihn vermehrt sich immer mehr [...]. Vom Scheitel bis zur Fußsohle erregt er bei Alt und Jung Bewunderung.“217 Die Tochter der Rheinischen Missionsgeschwister Diehl wuchs ebenso im regen Kontakt zur einheimischen Bevölkerung auf. Sie hatte offenbar eine sehr enge Beziehung zu ihrem einheimischen Kindermädchen Salai.218 Bei Besuchen im Dorf wurde das kleine deutsche Mädchen von den Frauen herumgereicht und geküsst und es spielte mit einheimischen Kindern.219 Auch die Tochter der Neuendettelsauer Missionarsfrau Vetter verbrachte viel Zeit mit den Einheimischen und ahmte ihre Tanzschritte nach.220 214 Georg Eiffert an Inspektor Kriele, Bogadjim, April 1916, RMG 2.159. 215 Laura Becker an ihre Mutter, Bongu, 16. Sept. 1909, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 16; vgl. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 12. Juni 1908, S. 49: „Besonders wird unser Hannalein von den Eingeborenen bewundert, da sie das einzige weiße Kind ist in Friedrichs-Wilhelmshafen und Stephansort.“ 216 Laura Becker, (ohne Angabe von Adressaten, Ort und Datum – wahrscheinlich Bongu, 1910), in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 22. Auch die Neuendettelsauer Missionarsfrau Emilie Kaiser berichtete über die indigenen Hausmädchen: „Sie hängen an den weißen Kindern und sehen sie als ihre eigenen Kinder an.“, siehe Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 31. 217 Justine Vetter an ihre Mutter, Simbang, 29. Okt. 1900, in Privatbesitz. 218 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 1. Sept. 1909, S. 101, 9. März 1910, S. 121. 219 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 16. Juli 1908, S. 52, 20. Sept. 1908, S. 61. 220 Vetter, J.: Tagebuch, S. 109 (Mai 1903), AMEW, Vorl. Nr. 5.245.

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Abb. 16: Auf einer Rheinischen Missionsstation, Neuguinea (ohne Jahr)221

Abb. 17: Hanni Diehl in einheimischer Tracht mit indigenen Spielgefährten (1910)222

221 Quelle und Copyright: Archiv- und Museumsstiftung der VEM, Archivnummer 204-82. 222 Archiv Dieter Klein / Wuppertal, Aufnahme von Wilhelm Diehl.

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Der enge Kontakt der deutschen Missionarskinder mit der indigenen Bevölkerung führte dazu, dass sie oft deren Sprachen schneller lernten als Deutsch; so konnten die Kinder der Neuendettelsauer Missionsgeschwister Decker zwar bald drei verschiedene einheimische Dialekte sprechen, aber nur schlecht ihre Muttersprache: „[...] da sie von Tami [Sprache der Einheimischen, L.L.] auf Deutsch übersetzen, so klingt das ganz eigentümlich“ berichtete ihre Mutter.223 Sie selbst hatte die einheimische Sprache gelernt, weil sie sich mit Kostschülern und Küchenjungen anfreundete, die ihr Blumen mitbrachten und sich mit ihr unterhielten.224 Deckers Kinder wurden offensichtlich nicht im Bewusstsein aufgezogen, eigentlich einer anderen Nation anzugehören. Schon als ihre Söhne immerhin so alt waren, dass sie das Deutschland-Lied singen konnten, berichtete die Missionarsfrau in diesem Zusammenhang: „Ich habe ihnen bis jetzt nichts von Deutschland erzählt, doch nun muss ich es wohl bald thun.“225 Den Einheimischen hingegen habe sie schon oft von Deutschland und vor allem dem dortigen Winter berichtet. Auch Hanni Diehl lernte schnell Tok Pisin und die Sprache der Bewohner von Bogadjim. Selbst ihre Mutter sprach mit ihr in der einheimischen Sprache und zitierte diese in ihren Tagebuchaufzeichnungen, ohne Übersetzungen hinzuzufügen.226 Ebenso wird über Justine Vetters Tochter Lydia und viele weitere Missionarskinder berichtet, dass sie anfangs die einheimische Sprache besser beherrschte als die deutsche.227 So kam es sogar vor, dass die Missionarskinder ihre Mütter belehrten und berichtigten, wenn

223 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 2009, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; vgl. Emilie Keyßer an ein „liebes, verehrtes Fräulein“, Sattelberg, 30. Aug. 1910, AMEW, Vorl. Nr. 4.27. 224 Decker, J.: Lebenslauf von Frau Missionar Decker, in: Neuendettelsauer Missions-Blatt, 3. Jg. (1913), Nr. 13, S. 2. 225 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 226 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 16. Juli 1908, S. 52, 17. Sept. 1910, S. 140, 4. Dez. 1910, S. 148, 10. Sept. 1917, S. 167, 8. Dez. 1911, S. 175 u. 1. Feb. 1912, S. 182. 227 Vetter, J.: Tagebuch, S. 103 (April 1903), AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Wareo, 1912 (ohne Monat), AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, Kiti, 25. Nov. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“. Missionarsfrau Fellmann von der methodistischen Mission berichtete über ihre Kinder ebenfalls: „Die Eingeborenensprache sprechen beide perfekt und in letzter Zeit üben sie sich auch in Pidgin-Englisch.“ Allerdings spräche ihre Tochter ein sehr seltsames Deutsch, siehe: Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 28. Aug. 1907, zitiert aus Privatbesitz. Auch aus den Quellen zur Basler Mission wird deutlich, dass die Missionarskinder die einheimischen Sprachen besser als ihre Muttersprache beherrschen; vgl. Konrad, D.: Missionsbräute, S. 321f. Konrad betont, dass das Missionsgebiet für diese Kinder anders als für ihre Eltern Heimat war, in der sie verwurzelt waren.

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diese Fehler in der einheimischen Sprache machten.228 Die in den kolonialen Kreisen der Heimat vertretene Forderung nach Nationalbewusstsein in den Kolonien und die damit verbundenen Erwartung, dort die deutsche Sprache zu pflegen und zu verbreiten, wurde im Missionsfeld ganz offensichtlich nicht unbedingt beherzigt.229 Nicht nur die deutschen Missionarskinder wuchsen im engen Kontakt mit den Einheimischen auf, sondern auch deren Kinder mit den Deutschen. Viele von ihnen gingen auf den Stationen ein und aus oder lebten sogar dauerhaft dort. „Fast den ganzen Tag über waren Jungen und Mädchen bei mir im Hause [...]“ schrieb die Rheinische Missionarsfrau Ida Helmich. „Wir haben allerlei an Freud und Leid mit den Kindern erlebt und sind durch die Kinder fester mit den Dorfleuten verwachsen worden.“230 Die weiblichen Angehörigen der verschiedenen Missionen äußern sich in ihren Schriftzeugnissen überwiegend positiv über die indigenen Kinder. Besonders begeistert schrieb Valesca Schultze über die samoanischen Babies, was angesichts ihrer generell überaus positiven Schilderung der samoanischen Bevölkerung wenig verwundert.231 Aber auch die in Neuguinea tätige Clara Hansche von der Neuendettelsauer Mission berichtete beispielsweise, die einheimischen Kinder würden alle lächeln, so dass einem beim Anblick ihrer Gesichter das Herz aufgehe. Sie bezeichnete sie als „gar liebe kleine Dinger“.232 Die Methodistin Johanna Fellmann schilderte die Kinder im Bismarck-Archipel ebenfalls als „süße Geschöpfchen“, die sie küssen würde, wenn sie nur nicht so schmutzig wären.233 Sie schloss besonders den kleinen Sohn ihrer indigenen Haushaltshilfe ins Herz, der „zutraulich“ den ganzen Tag im Haus umher sprang und ihr im Garten half, wie sie ihrer Familie berichtete.234 Die Rheinische Missionarsfrau Elli Arff schrieb, auf der Station Bogadjim gäbe es „eine wilde, aber liebe Jugend“, darunter seien „viele ganz herzige Kinder“.235 Und auch der mikronesische Nachwuchs auf Truk und Ponape wurde von den Liebenzeller Schwestern als „lieb“, „nett“, „niedlich“ und „drollig“ beschrieben.236 Häufig wurden Kinder zur Pflege im Missionarshaushalt aufgenommen, de-

228 Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 31. 229 Vgl. beispielsweise Niessen-Deiters, L.: Die deutsche Frau im Auslande und in den Schutzgebieten, S. 11; siehe auch Kapitel 12.2 dieser Arbeit. 230 Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern, S. 7. 231 Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 31. Mai 1890 u. 26. April 1895, in Privatbesitz. 232 Zitiert nach: Kirchliche Mitteilungen, N. F. 32. Jg. (1900), Nr. 7, S. 55. 233 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarck-Archipel, Eintrag vom 13. März 1897, S. 40. 234 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 26. April 1898 u. 9. Sept. 1899, zitiert aus Privatbesitz. 235 Elli Arff an den Missionsinspektor, Bogadjim, 24. Okt. 1894, RMG 2.143. 236 Beispielsweise Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, April 1910, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 9, S. 175; Abdruck eines Briefes von Schw. Clara

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ren Eltern gestorben waren, sich aus anderen Gründen nicht um sie kümmern konnten oder darum baten, die Kinder auf den Missionsstationen zu erziehen und zu unterrichten.237 Missionarsfrau Helmich, die bedauerte, dass sie keine eigenen Kinder bekommen konnte, scheint es genossen zu haben, an den einheimischen Kindern ihre Muttergefühle auszuleben. Das „halfcaste-Mädchen“ Klara wurde sogar dauerhaft von Helmichs aufgenommen und reiste bei ihrer Rückkehr mit ihnen nach Deutschland.238 Helmich schrieb außerdem, dass eines der neu getauften einheimischen Kinder nach ihr benannt wurde – ebenso erhielten manchmal die Missionarskinder als zweiten oder dritten Namen einen einheimischen Namen, beispielsweise Friedrich Adolf Gumal Blum und Immanuel Saram Ludwig Becker.239 Ihrer Vorgängerin Karoline Bergmann berichtete Helmich von einem indigenen Jungen, den sie als „Willis Milchbruder“ bezeichnete, was nahelegt, dass der Missionarssohn Willi und der einheimische Junge von der gleichen Frau gestillt wurden.240 Auch die Rheinische Missionarsfrau Maria Blum nahm sich eines verlassenen einheimischen Säuglings an und Else Hoh von der Neuendettelsauer Mission zog einen indigenen Jungen groß, mit dem später ihre eigene Tochter Tabea viel Zeit verbrachte.241 Zudem gaben die weiblichen Angehörigen mancher Missionen auch Schulunterricht und kamen dabei mit den indigenen Kindern in engen Kontakt. Davon berichten vor allem die Liebenzeller Missionsschwestern und Missionarsfrauen; aber auch zwei Rheinischen Missionarsfrauen.242 Bei der Neuendettelsauer Mission scheint

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Köster, Ponape, Kolonie, 8. Juli 1910, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 3. Jg. (1910), Nr. 12, S. 92. Vgl. beispielsweise „Missionskinder auf Ponape“, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 3. Jg. (1910), Nr. 1, S. 6f. Hier werden verschiedene Gründe für die Aufnahme von indigenen Kindern auf der Liebenzeller Missionsstation auf der Insel Ponape erläutert. Siehe auch: Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, Kiti, 16. Aug. 1908, ALM, Akte „Karrer, Minna“. Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neuguinea, S. 7-19 u. 25. Auch andere Missionarsfrauen nahmen einheimische Kinder in ihren Haushalt auf, vgl. beispielsweise: Abdruck eines Briefes von Missionarsfrau Wiese, Ponape, Nov. 1907, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 3, S. 21. Ida Helmich an Karoline Bergmann, Ragetta, 16. Juni 1906, RMG 2.140; Nachruf Maria Blum, RMG 2.153; Abdruck eines Briefes von Karl Becker, Truk, 12.Okt.1917, in: Chinas Millionen, 19. Jg. (1918), Nr. 3, S. 22. Ida Helmich an Karoline Bergmann, Ragetta, 16. Juni 1906, RMG 2.140. Maria Blum an ihre Angehörigen, Ragetta, Dez. 1917, RMG 2.153; Elisabeta Markert an Missionsinspektor Deinzer, Sattelberg, 21. Juni 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.54./1. Vgl. Aus dem Bereiche der Missionen und der Antisklaverei-Bewegung, in: Deutsches Kolonialblatt, 10. Jg. (1899), Nr. 9, S. 313; Elli Arff an den Missionsinspektor, Bogadjim, 29. Aug. u. 24. Okt. 1894, RMG 2.143; Johanna Hanke an ihren Onkel, Bongu, 19.

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der Schulunterricht der einheimischen Kinder fast ausschließlich in der Hand der männlichen Missionare gelegen zu haben, Missionarsfrau Vetter erwähnt allerdings manchmal, sie habe einer kleinen Gruppe von Mädchen etwas Unterricht gegeben.243 In den Briefen der Liebenzeller Schwestern liest man einerseits, dass ihre mikronesischen Schülerinnen und Schüler anfangs manchmal einfach davon gelaufen seien, da sie nicht gewohnt gewesen seien, zu gehorchen und ihnen das Stillsitzen schwer fiel; zudem klagen die Schwestern vereinzelt über „angeborene Interesselosigkeit, besser Denkfaulheit“ – andererseits schildern sowohl die Liebenzeller als auch die anderen weiblichen Missionsangehörigen die Schulkinder sehr häufig als eifrig und äußern sich zufrieden über ihre Fortschritte.244 Die methodistische Missionarsfrau Fellmann schrieb, sie würde die Einheimischen gern in Lesen, Schreiben, Rechnen und biblischer Geschichte unterweisen, ihr Mann sei jedoch dagegen.245 Fellmann äußerte allerdings auch selbst Bedenken, ob sie dieser Aufgabe gewachsen wäre. Die in Samoa tätige Valesca Schultze widmete sich hingegen mit Begeisterung dem Unterrichten und lobte sowohl ihre Schülerinnen sehr als auch ihre samoanischen Helferinnen, die sie in der Schule unterstützten.246 Aus den Berichten der Frauen wird also deutlich, dass sie häufig engen Umgang mit den indigenen Kindern hatten und sich auch die Einheimischen gerne um die deutschen Kinder kümmerten. Der Nachwuchs beider Seiten stellte somit ein wichtiges Bindeglied zwischen den Kulturen dar und die Tatsache, dass man seine Kinder den jeweils anderen zeitweise überließ, zeugt von einem vertrauensvollen Verhältnis. Die Missionsangehörigen versuchten in diesem Kontext, ihre eigenen christlich-europäischen Vorstellungen von einer „richtigen“ Erziehung und Pflege

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Jan. 1913, RMG 2.149; Schw. Elise Hugenschmidt-Straub an Pfarrer Coerper, Colonie, 11. Juni 1910, ALM, Akte „Hugenschmidt-Straub, Elise“. Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 23. Aug. 1903 u. 21.[?] März u. 4. Aug. 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. Schw. Anna Schneider an Pfarrer Coerper, Tol, 19. Jan. 1914, ALM, Akte „Schneider, Anna“; Schw. Minna Karrer, ohne Anrede und Datum, Ona, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Schw. Lina Lüling an Pfarrer Coerper, Ron Kiti, 20. Aug. 1908, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“, Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 12. Aug. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 4. Dez. 1907, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 3, S. 55; Abdruck eines Briefe von Schw. Elise Zuber, Truk, April 1910, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 9, S. 175; Abdruck eines Briefes von Schw. Clara Köster, Oa, 19. Sept. 1910, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 4. Jg. (1911),Nr. 2, S. 12; Elli Arff an den Missionsinspektor, Bogadjim, 29. Aug. 1894, RMG 2.143; Johanna Hanke an ihren Onkel, Bongu, 19. Jan. 1913, RMG 2.149. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 4. Dez. 1898, zitiert aus Privatbesitz. Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 25. Nov. 1890, 3. Okt. 1892 u. 15. Okt. 1908 in Privatbesitz.

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der Kinder auf die indigene Bevölkerung zu übertragen.247 Dabei beschränkten sie sich nicht darauf, ein gutes Vorbild abzugeben, sondern versuchten, die indigenen Mütter durch Ratschläge und Mahnungen zu beeinflussen. Der Rheinische Missionar Eiffert berichtete darüber: „Es muss den jungen Müttern auf dem Gebiet der Säuglingspflege noch manches gesagt werden. Sie gehen zu leichtfertig mit den Kleinen um. Schon manchesmal haben wir einer Mutter sagen müssen: ‚Du musst dein Kind morgens früh in ein Tuch einwickeln, es friert sonst in der losen Tasche.‘ Das macht aber wenig Eindruck bei den Leuten. Vor einigen Monaten bekam eine Christin ein gesundes, kräftiges Kindchen. Aber schon am 2. Tage verlässt die Mutter das Haus und geht ins Feld. Die Folge war, dass das Kindchen wahrscheinlich wegen grosser Leibschmerzen schrie und auch nach einigen Tagen starb. Die Rüge, die wir der Frau gaben, hat sich eine andere Frau gemerkt und unseren Rat genau befolgt.“248

Auch im Neuendettelsauer Missionsblatt wurde von den Fortschritten berichtet, die die Einheimischen durch den Einfluss des Christentums im Bereich der Kindererziehung gemacht hätten.249 Zudem las man, die ehemaligen „Stationsmädchen“ wüssten ihre Kinder „schön rein“ zu halten und würden sich auf der Missionsstation Rat und Hilfe holen, wenn dem Nachwuchs etwas fehle.250 Elise Zuber von der Liebenzeller Mission schilderte, wie sie einheimische Babys trotz der Bedenken der Mütter auf der Station badete. Die Frauen hätten schließlich eingesehen, dass die Prozedur den Kindern nicht schade und es selbst lernen wollen, um sie auch zuhause baden zu können.251 In dieser Hinsicht seien jedoch häufige Ermahnungen nötig: „Wie oft muß man sagen, sieh du musst deinem Kinde die Ohren oder den Kopf waschen, oder oft ist das ganze Kind so schmutzig, daß es nicht zu den Augen heraus sehen kann [...].“252 Schwester Klara Köster von der selben Mission berichtete, eine der mikronesischen Frauen habe sich bei ihr erkundigt, wie Mütter in Deutschland ihre Kinder aufziehen würden, woraufhin sie unter anderem zur Antwort gab,

247 Vgl. beispielsweise Elise Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 15. Juni 1917, in Privatbesitz: „[...] unsere Arbeit (ich meine von uns Missionarsfrauen) ist es, die Mütter zur rechten Kinderpflege u. Kindererziehung anzuleiten. Die beste Anleitung dazu ist, wenn sie ein Beispiel vor Augen haben.“ 248 Eiffert, Georg: Erster Halbjahresbericht 1914, Bogadjim, 3. Juli 1914, RMG 2.159. 249 Neuendettelsauer Missionsblatt, 1. Jg. (1911), Nr. 12, S. 93. 250 Neuendettelsauer Missionsblatt, 2. Jg. (1912), Nr. 3, S. 21f. 251 Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, 18. März 1912, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 5. Jg. (1912), Nr. 8, S. 63f; ebenso: Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 31. Mai 1890, in Privatbesitz. 252 Jahresbericht über die Arbeit auf der Mädchenschule Floris, Datum unkenntlich [wahrsch. 1911/12], ALM, Akte „Zuber, Elise“.

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dass dort kleine Kinder nicht nach Einbruch der Dunkelheit herumlaufen dürften, sondern bestimmte Schlafenszeiten hätten.253 „Scheinbar freute sie sich über diese Belehrung, und wir hoffen, sie wird sie bei ihren fünf Kinderchen anwenden“, schloss die Schwester. Teilweise wurden sogar Kurse durchgeführt, in denen der richtige Umgang mit neugeborenen Kindern, besonders in hygienischer Hinsicht, vermittelt werden sollte.254 Auch wenn viele dieser Ratschläge sinnvoll gewesen sein mögen und vielleicht sogar tatsächlich dazu beitrugen, die in den Südsee-Kolonien vielerorts weit verbreitete Kindersterblichkeit zu senken, so fällt doch auf, dass die Missionsangehörigen selbstverständlich davon ausgingen, dass ihr eigener Umgang mit dem Nachwuchs der richtige war. Ob die einheimischen Praktiken womöglich auch ihre Berechtigung hatten, oder warum die indigene Bevölkerung anders als von den Deutschen erwartet handelte, wurde in der Regel nicht hinterfragt. Eine Ausnahme stellt ein Brief der Liebenzeller Schwester Elise Zuber dar, die das Verhalten der indigenen Frauen zu erklären versuchte: „Aber die guten Frauen sie können ihre Kinder nicht recht erziehen, weil sie es nicht wissen u. dann sind sich die Kinder so viel selbst überlassen. Die Mutter geht zum Fischen, so sind die Kinder nicht selten halbe und ganze Tage allein. Sobald ein Kind recht gehen kann, läuft es eben hin, wo es will und kommt zurück wenn es will [...]. Es bleibt aber den Frauen nichts anderes übrig, sie müssen eben gehen, denn die Fische sind ihre Hauptnahrung neben Brotfrucht und Kokosnüssen. Sie müssen eben für den Mann, für sich selbst u. für ihre Kindlein sorgen; [...].“255

Die Missionsangehörigen beobachteten also das Verhalten der indigenen Familien und bewerteten viel von dem Gesehenen als Missstand, den es zu beheben galt. Günstigster Ansatzpunkt, um das Familienleben zu beeinflussen und christlicheuropäischen Vorstellungen anzupassen, schien die „Erziehung“ der Mädchen und jungen Frauen, die das auf den Missionsstationen Gelernte zurück in ihre Dörfer tragen und dort eigene Familien gründen sollten, die den Grundsätzen der Missionen gemäß lebten. Wolle man „ein Volk emporheben“, müsse man die zukünftigen Mütter erziehen, betonte auch die in Samoa tätige Missionarin Schultze.256 Diese „Erziehung“ der weiblichen Bevölkerung, für die die in der Mission tätigen Frauen zuständig waren, umfasste natürlich nicht nur das Themenfeld Säuglingspflege und 253 Abdruck eines Briefes von Schw. Clara Köster, Ponape, Kitti, 28. Aug. 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 279. 254 Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 31. Mai 1890 u. 12. Okt. 1900, in Privatbesitz. 255 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 20. Nov. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 256 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 24. Sept. 1890, in Privatbesitz; vgl. auch ebd. Eintrag vom 29. Mai 1896.

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Kindererziehung, sondern auch Haushaltsführung und Handarbeiten, Sauberkeit und Hygiene, Kleidung und Äußeres sowie Sexualität und Ehe, wobei selbstredend außerdem der Wandel von Geisterglaube und Ahnenkult zur christlichen Religiosität angestrebt wurde. Gemeinsame Haus- und Handarbeit In den Berichten der Liebenzeller Missionsschwestern und Missionarsfrauen werden Haus- und Handarbeiten kaum thematisiert.257 Sie konzentrieren sich ganz auf die Darstellung ihrer Bekehrungsarbeit; ebenso berichtet die in Samoa tätige Missionarin Valesca Schultze vor allem von ihren Aufgaben in der Mädchenschule und der medizinischen Versorgung. Hingegen nehmen das alltägliche Leben und die anfallenden Arbeiten im Stationshaushalt breiten Raum in den Schilderungen der weiblichen Rheinischen und Neuendettelsauer Missionsangehörigen sowie in den Schriftzeugnissen der Methodistischen Missionarsfrau Fellmann ein. Auf die Angehörigen dieser letzten drei Missionen nehmen die folgenden Ausführungen daher vor allem Bezug. Die weibliche indigene Bevölkerung sollte zu guten Hausfrauen erzogen werden und dafür die verschiedenen Haus- und Handarbeiten auf den Missionsstationen erlernen. Das geschah zum einen in speziellen Kursen, die die weiblichen Missionsangehörigen gaben, beispielsweise in Koch – und Nähkursen. Ziel dabei war vor allem den Kontakt zu den Frauen aufrecht zu halten und sie an die Station zu binden.258 In den Nähkursen sollten die Frauen außerdem lernen, Kleidung, die europäischen Ansprüchen genügte, selbst herzustellen oder zerrissene Kleidungsstücke zu flicken, um ein ordentliches Erscheinungsbild vorweisen zu können. In der Forschung wird überdies auf den Zusammenhang zwischen Handarbeitsunterricht und Erziehung zur Sittlichkeit verwiesen: Handarbeit sei in Erziehungsschriften des 19. Jahrhunderts explizit als Mittel zur Kontrolle sexueller Regungen von Mädchen eingesetzt worden.259 Die konzentrierte Beschäftigung mit Handarbeit in diszipli-

257 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Feststellung von Diane Langmore, dass in Missionen, in denen Brüder und Schwestern zölibatär lebten (was bei den Liebenzeller Schwestern ja für gewöhnlich der Fall war), weniger Wert auf die Vermittlung von hausfraulichen Tätigkeiten gelegt wurde, da das Ideal der Kernfamilie mit dem dazugehörigen Frauen-Rollenbild weniger im Mittelpunkt der „Erziehung“ der indigenen Bevölkerung stand; vgl. Langmore, D.: The object lesson of a civilized, Christian home, S. 86. Langmores These trifft auf die in dieser Arbeit thematisierten katholischen Missionsschwestern jedoch nicht zu, für die die Vermittlung hausfraulicher Qualifikationen durchaus wichtig war, wie das nächste Kapitel zeigen wird. 258 Vgl. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 11. Jan. 1912, S. 180. 259 Zu diesem Aspekt siehe Gestrich, A.: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, S. 106f.

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nierter Körperhaltung schien besonders dienlich, um möglichst früh zu lernen, den Körper und seine Triebe zu beherrschen. Dieses Erziehungsziel spielte im Missionskontext zwar eine wichtige Rolle, wird in den vorliegenden Quellen aber nicht explizit in Zusammenhang mit den Nähkursen genannt. Diese werden durchweg als sehr beliebt bei den indigenen Mädchen und Frauen geschildert.260 Ein großer Anreiz für die indigenen Schülerinnen waren offenbar die von ihnen bewunderten Stoffe und das Ziel, sich daraus ein Kleid herzustellen; auf die Eitelkeit der einheimischen Frauen und Mädchen und ihre Freude an schönen Kleidern wird in den Quellen immer wieder eingegangen.261 Auch Justine Vetter notierte in ihr Tagebuch, das Nähen hätte auf die einheimischen Frauen große Anziehungskraft – obwohl sie bei der ungewohnten Tätigkeit leicht Kopfschmerzen bekämen und schläfrig und kalt würden.262 Missionarsfrau Keyßer berichtete, neben den dauernd auf der Station lebenden einheimischen Frauen, die bereits auf der Maschine nähen könnten, kämen auch die Mädchen und Frauen aus dem Dorf jede Woche zum Nähen und Flicken auf ihre Missionsstation. Wie Vetter empfand Keyßer diese Nähstunden als recht anstrengend. Die einheimischen Frauen könnten nicht gut mit der Schere umgehen und das Zuschneiden der Stoffe würde ihnen daher große Probleme bereiten.263 Außerdem würden die Schülerinnen mit ihren ungeschickten Stichen das Nähgarn verschwenden, da viele Nähte nochmals aufgetrennt werden müssten. Missionarsfrau Böttger war mit der mangelnden Energie und Ausdauer ihrer Zöglinge nicht zufrieden, wertete es aber als wichtigen Erfolg, dass die Mädchen und Frauen überhaupt auf die Station kamen und nähen lernen wollten.264 Obwohl in den Schilderungen der Missionarsfrauen häufig klar ersichtlich ist, dass sie sich den ungeschickten Nähschülerinnen weit überlegen fühlten, bemühten sie sich auch herauszustellen, dass die einheimischen Frauen selbst wenn sie noch viele Fehler

260 Beispielsweise Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 30; Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Sattelberg, Okt. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 4. Aug. 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Adolf Dassel an seine Familie, Dampier, 10. Feb. 1895, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 77; vgl. auch Douglas, B.: Provocative Readings in Intransignent Archives, S. 120f; Langmore, D.: The object lesson of a civilised, Christian home, S. 86. 261 Beispielsweise Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Sattelberg, Okt. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27; Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 30; Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Wareo, 1912 (ohne Monat), AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3. 262 Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 4. Aug. 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. 263 Ebd.; Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Sattelberg, Okt. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27. 264 Emilie Böttger an die Missionsfreundinnen, Malalo, 29. Sept. 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3.

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machten, gerne in den Kurs kamen und Spaß daran hatten.265 Die Rheinische Missionarsfrau Laura Becker berichtete beispielsweise, dass die Frauen und Mädchen nicht zum konzentrierten Handarbeiten zu bewegen waren, ihre Laune indes gut war und sie lachten, wenn sie etwas falsch machten. Die Missionarsfrau ließ sich offenbar von der Stimmung ihrer Schülerin anstecken und schrieb: „Oft mußte ich selbst lachen über die fröhliche und sorglose Gesellschaft.“266 Missionarsfrau Stürzenhofecker hingegen berichtet stolz, dass die einheimischen Mädchen nun sogar mit der Maschine nähen könnten und hob besonders die Leistung einer Schülerin hervor, die sehr eifrig und geschickt genäht habe und niemals eine Nadel abbrach.267 Missionarin Schultze lobte ebenfalls das geschickte und ausdauernde Handarbeiten ihrer samoanischen Zöglinge.268 Auch wenn die Leistungen der Schülerinnen also individuell unterschiedlich bewertet wurden, waren die Nähkurse jedenfalls in nahezu allen ausgewerteten Schriftzeugnissen ein beliebtes Thema. Eine Ausnahme stellt die methodistische Missionarsfrau Johanna Fellmann dar, die die Frauen offenbar kaum unterrichtete. Sie deutete zwar an, einen Versuch in diese Richtung unternommen zu haben, war aber offenbar wenig erfolgreich und klagte über mangelndes Interesse der Frauen.269 Einmal erwähnte sie, dass sie nun kleine Mädchen im Nähen unterrichte, dieses Thema wird jedoch nicht weiter vertieft und später scheint Fellmann mit ihrer wachsenden eigenen Kinderschar beschäftigt genug gewesen zu sein.270 Die weiblichen Missionsangehörigen gaben ihre Kenntnisse in Hand- und Hausarbeit nicht nur in Kursen weiter, sondern vermittelten die Art und Weise, wie man ihrer Ansicht nach einen Haushalt zu führen hatte, auch an ihre Haushaltshilfen, die 265 Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Sattelberg, Okt. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27. 266 Laura Becker an ihre Schwester, Bongu, ca. 1909, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 9. 267 Marie Stürzenhofecker (ohne Angabe des Adressaten), Pola, Okt. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1. Auch Missionarsfrau Wagner, die mit den einheimischen Frauen Taufkleider nähte, war zufrieden mit den Leistungen ihrer Schülerinnen und berichtete, diese hätten viel Freude am Nähen: Lucie Wagner an die Missionsfreundinnen, ohne Ort und Datum, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1. Ebenso lobt Missionarsfrau Arff den Eifer der Mädchen: Elli Arff an den Missionsinspektor, Bogadjim, 29. Aug. 1894, RMG 2.143. 268 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 11. Juni 1895, in Privatbesitz. Als Schultze auf der Berliner Kolonialausstellung, wo sie die LMS vertrat, kunstvolle Handarbeiten und schriftliche Leistungen ihrer Schülerinnen präsentierte, wurde ihr von einem in Afrika tätigen Missionar nicht geglaubt, dass Samoanische Mädchen dazu fähig wären, worüber Schultze sehr empört war; vgl.: ebd., Eintrag vom 15. Okt. 1908. 269 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 16. Aug. u. 4. Dez. 1898, zitiert aus Privatbesitz. 270 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 25. April 1906, zitiert aus Privatbesitz.

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teils „normale“ Angestellte mit Vertrag und Entlohnung, teils sogenannte „Stationsmädchen“ oder Kostschüler waren – also als Gegenleistung für Unterricht, Kost und Logis auf der Station arbeiteten. Der Arbeit an sich wurde von den Missionsangehörigen ein großer erzieherischer und disziplinierender Wert zugeschrieben, schließlich galt Müßiggang als „aller Laster Anfang“.271 Anders als viele andere deutsche Frauen delegierten die Missionsangehörigen nicht nur Aufgaben an ihre indigenen Hilfen und beaufsichtigten sie, sondern arbeiteten meist gemeinsam mit ihnen zusammen, um sie dabei anleiten zu können. Während die deutschen Frauen die indigenen Mädchen und Frauen in den verschiedenen hauswirtschaftlichen Tätigkeiten unterrichteten, halfen ihnen diese ihre Kenntnisse der einheimischen Sprache zu verbessern, wie beispielsweise die Neuendettelsauer Missionarsfrau Keyßer berichtete: „Die Küchen- und Hausmädchen haben nicht nur bei uns gelernt und sind durch uns aus ihrem sehr vernachlässigten Dasein auf eine höhere Kulturstufe gehoben worden – sie haben es uns auch unbewusst vergolten, indem sie unsere Sprachlehrerinnen waren. Wir Missionsfrauen haben selten Zeit, uns richtig hinter das Sprachenlernen zu setzen. Die Haushaltung, die Näherei, die viele Wäsche, die Fiebertage nehmen unsere Zeit so reichlich in Anspruch, daß wir froh und dankbar sind, in der Küche neben dem Lehren zu lernen. [...] Unsern braunen Mädchen wurde gleich zu Anfang bedeutet, sie sollen uns auf Sprachfehler aufmerksam machen und uns sprechen lehren. Am nachhaltigsten lernt man, wenn man mit einem falschen Wort eine Dummheit von ihnen verlangt hat und deren Folgen tragen muß.“272

Anders als in diesem Zitat machten die Missionsangehörigen häufig die sogenannten „Stationsmädchen“ oder „Stationsjungen“ für Missverständnisse und Schwierigkeiten bei der gemeinsamen Arbeit verantwortlich. Sie berichteten oft, dass diese den weißen Frauen zwar bei allen Arbeiten zur Hand gingen, aber „nebenbei viel Mühe und Not“ machten.273 Wie die anderen deutschen Frauen beschwerten sich

271 Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 22. Nov. 1910, ALM, Akte „Köster, Clara“; vgl. Fife, Wayne: Creating the Moral Body. Missionaries and the Technology of Power in Early Papua New Guinea, in: Ethnology, Jg. 40 (2001), Nr. 3, S. 251-269, hier S. 260f. 272 Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 30; auch die Rheinische Missionarsfrau Laura Becker schrieb, ihre indigene „Stütze“ habe versucht, ihr die einheimische Sprache beizubringen: Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 10. Nov. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 4. 273 Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 29; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Kätchen Weichel, Ponape, 23. Okt. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 3, S. 54f; vgl. Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 12. April 1897, S. 47.

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auch die Missionsangehörigen über Unzuverlässigkeit, Faulheit und Unsauberkeit ihrer indigenen Helfer. Deutlicher als in den Briefen an die Missionsleitung und die Missionsfreundinnen in der Heimat wird das in den untersuchten Tagebüchern und privaten Briefen. Die Rheinische Missionarsfrau Diehl klagte etwa, dass sie sich auf keine ihrer Hilfen richtig verlassen könne, was sie als typisch für den Charakter der indigenen Bevölkerung darstellte: „Der Eingeborene hat eben kein Verantwortungsgefühl und es ist schwer, ihn dazu heranzubilden“, schrieb sie.274 „Wenn ich nicht immer sage, tue dies oder das, dann sind sie verschwunden und was machen sie? Sie zünden sich eine Cigarre an, fast den ganzen Tag rauchen sie, wenn sie eben können.“275 Auch die Methodistin Johanna Fellmann ärgerte sich über die „grenzenlose Faulheit“ ihrer Dienerschaft.276 Ihre Tagebuchaufzeichnungen und Briefe heben sich in dieser Hinsicht allerdings auffällig von den Aufzeichnungen der übrigen Missionsangehörigen ab: Anders als bei ihren Kolleginnen von anderen Missionsgesellschaften überwiegen bei Fellmann die unzufriedenen, ungeduldigen und enttäuschten Kommentare über ihre Haushaltshilfen. Die Leute seien nicht nur faul, schmutzig und unzuverlässig, sondern auch selbstsüchtig, lustlos und wenig hilfsbereit oder entgegenkommend.277 Zwar gelang es Fellmann offenbar mit der Zeit ein besseres Verhältnis zu ihren Hilfen herzustellen, so dass sie sich auch über manche dankbar oder zufrieden äußerte und auf lange Zusammenarbeit hoffte, diese Bemerkungen sind jedoch in der Minderzahl und werden teilweise im selben Atemzug durch kritische Kommentare relativiert, wie etwa in folgender Passage: 278 „Am Kochherd brauche ich glücklicherweise nicht mehr so viel zu stehen, die Jungens können die meisten Sachen kochen, ich brauche es nur vorzubereiten. [...] Ich habe jetzt eine ziemlich gute Hilfe an meinen Leuten, aber auch ärgern muß man sich eben fürchterlich diesbezüglich. [...] Man braucht im Umgang mit den hiesigen Leuten so viel Geduld, weil man eben immer, immer dasselbe sagen muß, ohne daß ich’s vorher jedes Mal sage, geschieht nichts. Und dann die Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit, sobald sie ohne Aufsicht sind!“279

274 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 18. Jan. 1908, S. 37. 275 Ebd., Eintrag vom 22. Juli 1907, S. 18. 276 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 10. Mai 1897, S. 55. 277 Beispielsweise: Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 2. Jan. 1895, 6. März u. 16. Aug. 1898, 30. Jan., 25. Juni u. 11 Dez. 1899, 30. Sept. 1906, 22. Okt. 1907, zitiert aus Privatbesitz. 278 Beispielsweise Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 4. Dez. 1898, 30. Jan., 24. Juli, 9. Sept., 12. Nov. u. 11. Dez. 1899, zitiert aus Privatbesitz. 279 Johanna Fellmann an ihre Mutter, Raluana, 11. Dez. 1899, zitiert aus Privatbesitz.

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Auch von indigener Seite scheint das Arbeitsverhältnis mit Hause Fellmann häufig nicht als angenehm empfunden worden zu sein. Die Missionarsfrau berichtete vor allem in der Anfangszeit auffallend häufig davon, dass ihre Helfer entlaufen seien, wobei einige allerdings wieder zurückkehrten.280 Für ihren ungeduldigen Umgang mit dem Hauspersonal wurde Fellmann offenbar selbst von ihrer Mutter kritisiert, wie aus den Antwortbriefen der Missionarsfrau ersichtlich ist.281 Die zahlreichen Beschwerden über ihre Hilfen reihen sich in Fellmanns generell an Klagen reiche Berichte nahtlos ein, so dass vermutlich ihr persönlicher Charakter die Ursache für das offenbar häufig problematische Verhältnis zur indigenen Dienerschaft gewesen ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass sie sich nach ihrer Rückkehr in die Heimat über ihr dortiges deutsches Personal ebenfalls negativ äußerte.282 Waren die Frauen unzufrieden mit ihren Haushaltshilfen, konnten diese auch für kleine Vergehen bestraft werden. So erwähnte Fellmann beispielsweise, dass ein Helfer, der einen Teller zerbrochen hatte, von ihrem Mann „eins auf den Rücken“ bekam.283 Ein anderer, der weglaufen wollte, wurde von dem Missionar zur Strafe einen Nachmittag lang eingesperrt.284 Für die Bestrafung der Hausangestellten scheint der Herr des Hauses zuständig gewesen zu sein, seine Frau Johanna hielt die Strafen aber für sinnvoll: „Heinrich hatte meine Frauen tüchtig zu zanken. Die wollten absolut ihre Arbeit nicht thun. Fast bekamen sie Hiebe!! Es hätte ihnen sehr gut gethan!“285 Auch die Rheinische Missionarsfrau Diehl berichtete, dass ihr Küchenjunge Kela Prügel bekam, da er weggelaufen war und ein anderer eine Ohrfeige erhielt, weil er hinter ihrem Mann herlachte.286 Dennoch betonte sie auch immer 280 Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 17. Okt. 1897, 8. u. 16. Aug. 1898, 28. Aug. 1907, zitiert aus Privatbesitz. 281 Beispielsweise: Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 30. Jan. 1899, zitiert aus Privatbesitz. 282 Johanna Fellmann an ihren Ehemann, Stuttgart, 1. Jan. 1910, zitiert aus Privatbesitz. 283 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 10. Mai 1897, S. 55. 284 Ebd., Eintrag vom 3. Dez. 1897, S. 113. 285 Ebd., Eintrag vom 18. Dez. 1897, S. 117; vgl. Johanna Fellmann an ihre Familie, Raluana, 16. Aug. 1898, zitiert aus Privatbesitz. 286 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträg vom 9. Aug. 1907, S. 23, 10. Aug. 1908, S. 55. In einem Referat über die Behandlung der indigenen Bevölkerung vertrat der rheinische Missionar Helmich auf einer Missionskonferenz die Ansicht, dass es zwar leider nicht immer vermeidbar sei, Kinder und Jugendliche zu Erziehungszwecken körperlich zu züchtigen – dies jedoch nur als letztes Mittel nach mehrfacher Ermahnung heranzuziehen sei. Man solle jedoch „nie einen erwachsenen Papua schlagen“, siehe: Helmich, H.: Die Behandlung unserer Eingeborenen durch den Missionar im alltäglichen Leben und persönlichen Verkehr, Referat für die Missionskonferenz, Ragetta, März 1905, RMG 3.014.

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wieder, dass sie ihre Haushaltshilfen lieb hatte und Freude an ihnen hatte. So umarmte sie beispielsweise ihr Küchenmädchen Sunani und küsste sie; zudem bezeichnete sie ihre Hausmädchen als ihre „schwarze Töchter“.287 Auch bei anderen evangelischen Missionsangehörigen fiel die Beurteilung der indigenen Hilfen differenziert aus. Die Neuendettelsauer Missionsgehilfin Markert beispielsweise äußerte sich über eines ihrer Mädchen besonders zufrieden, betonte aber, dass jede Hilfskraft anders sei: „[...] im Anfang sind sie ja alle ganz unwissend u. langsam, aber nach einem Jahr sind manche schon ganz anstellig, andere dagegen bringt man nie so weit, daß sie selbstständig etwas tun können.“288 Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die evangelischen Missionsangehörigen in aller Regel bemühten, mit ihren indigenen Arbeitskräften gut auszukommen – schließlich gebot ihnen das nicht nur ihr christliches Selbstverständnis, sondern sie waren auch auf Hilfe und produktive Zusammenarbeit angewiesen. Häufig äußerten sie sich auch lobend über ihre Haushaltshilfen, vor allem wenn diese ihren Vorstellungen entsprechend arbeiteten oder sich zumindest fleißig bemühten.289 Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Missionsangehörigen wohl auch deswegen gern Gutes über ihre Hilfen berichteten, weil sich so eine fortschreitende erfolgreiche „Erziehung“ belegen ließ. Aus den Quellen ist dennoch der Eindruck zu gewinnen, dass trotz aller Schwierigkeiten zum Teil vertrauensvolle und dauerhafte Beziehungen zwischen den einheimischen Hilfen und den Missionsangehörigen entstanden. So schrieb etwa die Neuendettelsauer Missionarsfrau Lehner, ihre ehemaligen Stationsmädchen hätten sich „ihre alte Anhänglichkeit“ bewahrt290 und ihre Kollegin, Frau Keyßer berichtete von einer freudigen Begegnung mit einem ihrer ersten Mädchen: Auf eine Reise traf sie zufällig Jagong wieder, die vor acht Jahren bei ihr angestellt war. Die beiden Frauen frischten alte Erinnerungen auf, unter anderem, wie das Mädchen einmal unter dem Bett der Missionarsfrau Zuflucht suchte, um sich dort vor einem Mann zu verstecken – diesen Ort also wohl

287 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Einträge vom 30. Juli 1907, S. 20, 9. Aug. 1907, S. 23. 288 Elisabeta Markert an den Kirchenrat, Wareo, 20. April 1920, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. 289 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20; Lucie Wagner an das Missionskränzchen, Wareo, 4. Jan. 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1; Charlotte Stößl an Frau Inspektor, ohne Ort, 4. März 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.42; Abdruck eines Briefes von Schw. Katharina Weichel, Ponape, 23. Okt. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 3, S. 54f. Fast ausschließlich positiv über ihre indigenen Helferinnen äußerte sich die in Samoa tätige Missionarin Schultze; vgl. Schultze, V.: Tagebuch, beispielsweise Einträge vom 15. Jan. 1902, 14. Jan. 1910, in Privatbesitz. 290 Neuendettelsauer Missionsblatt, 2. Jg., Nr. 3, S. 21f.

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als sicheres Refugium ansah.291 Die wohlwollende Haltung der Missionarsfrauen ihren indigenen Helfern gegenüber drückt sich bei manchen Frauen auch darin aus, dass sie sich bemühen, in ihren Schilderungen der gemeinsamen Hausarbeit um Verständnis für die Perspektive der Indigenen zu werben. So schrieb Keyßer über ihre Stationsmädchen: „[Sie] kamen doch alle aus ganz primitiven Verhältnissen und hatten von europäischen Gewohnheiten und Bedürfnissen, von Reinlichkeit und Anstand noch nicht den geringsten Begriff. Daheim in der elterlichen Küche gab es nur einen Raum, einige Matten zum Sitzen, einige Bambusrohre und ausgehöhlte Kokosnüsse als Wasserbehälter, einige Holzmulden, um daraus zu essen, einige irdene Töpfe, um darin zu kochen auf dem einfachen Feuerplatz, um den man herum hockte zum Kochen, Essen und Schlafen. Und nun kamen sie in ein Haus mit vielen Räumen, mindestens so viele als Finger an der Hand, in denen eine Unmenge von Dingen standen, die man vorher nie gesehen hatte. Der Fußboden hatte keine Spalten, durch die Schmutz und Unrat herunterfielen unter das Haus, sondern der musste gekehrt und gewaschen werden. [...] Und erst der Kochraum. Welche Menge von Schüsseln, tiefe und flache und alle so zerbrechlich, [...]. Und erst was da gekocht wurde! Es konnte den Krausköpfchen schon himmelangst werden. [...] Es war schon eine Not, daß die Weißen alles anders haben wollten und man zuerst gar nichts recht machen konnte.“292

Auch Missionarsfrau Decker erkannte: „Oft kommen den Mädchen die Sitten der Weißen doch recht seltsam vor [...]“.293 Als Beispiele nannte sie die Verwunderung der einheimischen Mädchen darüber, dass die Gästebettwäsche auch dann gewaschen werden sollte, wenn der Gast nur eine Nacht darin geschlafen hatte oder darüber, dass das Baby jeden Tag ein frisches Hemdchen angezogen bekam. In diesen Situationen hätten die Mädchen stets das Gefühl gehabt, umsonst zu waschen. Sauberkeit und Ordnung Das Thema Hygiene, das immer wieder zu Unzufriedenheit mit den indigenen Helfern führte, war im Missionskontext noch bedeutender als für die übrigen deutschen Hausfrauen, wurde doch äußerliche Sauberkeit mit innerer Reinheit assoziiert. Das saubere, den europäisch-christlichen Vorstellungen entsprechende Äußere, sollte ein „aufgeräumtes“, moralisches und sittsames Inneres spiegeln. Die missionierte Bevölkerung sollte also im wahrsten Sinne des Wortes „mit sich im Reinen sein“ und eine „reine Weste“ haben, was in den Beschreibungen der Bekehrten auch 291 Emilie Keyßer an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 3. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.27. 292 Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 29. 293 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20.

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durch Merkmale wie einen klaren, offenen Blick unterstrichen wurde.294 Damit einher ging auch die große Bedeutung, die man neben der Sauberkeit der Ordnung zuschrieb. Dass die indigenen Mädchen und Frauen in den Stationshaushalten also Sauberkeit und Ordnung lernen sollten, diente nicht nur dem Ziel, Haushaltshilfen heranzuziehen, deren Arbeit den deutschen Maßstäben möglichst nahe kommen sollte, sondern war unmittelbar Teil der „Erziehung“ zum christlichen Menschen, war doch der christliche Gott „ein Gott der Ordnung“, wie eine Liebenzeller Missionsschwester schrieb.295 Entsprechend waren für die Missionsangehörigen Missgeschicke und „Fehltritte“ ihrer Zöglinge und Helfer mehr als schlicht Ärgernisse, die den reibungslosen Ablauf der Hausarbeit störten – sie stellten letztlich die Fortschritte der Missionierung in Frage, indem sie belegten, dass der Weg zu einem ordentlichen christlichen Leben für manche Einheimische noch weit war. Eng verbunden mit dem Erziehungsziel Sauberkeit war auch ein weiterer Aspekt des europäisch-christlichen Frauenbildes, das die Missionsangehörigen auf die indigenen Frauen und Mädchen übertrugen. Die meisten Missionen legten großen Wert darauf, dass ihre Zöglinge auch ihr äußeres Erscheinungsbild veränderten. Die traditionelle Kleidung, die in den hier thematisierten Regionen meist nur aus einem einfachen Schurz oder Bastrock bestand, wobei die Brüste der Frauen unbedeckt blieben, wurde als unschicklich empfunden. Daher verbrachten die weiblichen Missionsangehörigen (teilweise unterstützt durch ihre Nähschülerinnen und Haushaltshilfen) viel Zeit darauf, Kleidung für die Einheimischen zu nähen, die für die Mädchen und Frauen aus einfachen, langen Baumwollhängekleidern mit kurzen Ärmeln bestand. Das Sauberhalten der neuen Kleider sei allerdings „ein schwarzes Kapitel“, klagte die Neuendettelsauer Missionarsfrau Mathilde Wagner: „Das haben die meisten noch nicht gelernt. Man möchte da manchmal fast etwas mutlos werden. Die Leute haben noch kein Gefühl dafür, daß ein schmutziges Kleid den ganzen Menschen verunstaltet. Mit der Zeit hoffen wir, werden sie dies auch noch begreifen lernen.“296 Die Missionsangehörigen brachten nicht nur den indigenen Frauen in den Nähkursen bei, sich selbstständig Kleider herzustellen, die europäischen Vorstellungen entsprachen, sondern baten auch in der Heimat um Stoff- und Kleiderspenden. Die Rheinische Mission stellt in dieser Hinsicht allerdings eine Ausnahme dar, wie auch

294 Ida Helmich an Karoline Bergmann, Ragetta, 16. Juni 1906, RMG 2.140; Aus der Südsee, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 6, S. 116. 295 Schw. Paula Krämer an Pfarrer Coerper, Truk, 24. Sept. 1912, ALM, Akte „Krämer, Paula“; ähnlich: Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 30; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster, Ponape, Kiti, 28. Aug. 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 278. 296 Lucie Wagner an die Missionsfreundinnen, (ohne Ort u. Datum), AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1.

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beim Vergleich von Missionsfotografien auffällt: Offenbar herrschte hier mehr Toleranz in der Kleiderfrage, denn die Abbildungen zeigen, dass die indigene Bevölkerung teilweise auch auf den Missionsstationen weiterhin ihre traditionelle Kleidung trug und der Oberkörper der Frauen höchsten von einigen Ketten dürftig bedeckt wurde. Auch in der Edition des Tagebuches der Rheinischen Missionarsfrau Diehl finden sich Fotografien, auf denen zwar manche indigene Frauen von Kopf bis Fuß in weiße Kleider gehüllt sind, jedoch sowohl zwei Kindermädchen der Tochter Hanni, als auch weitere Haushaltshilfen und die Schülerinnen von Johanna Diehls Nähkurs traditionelle Kleidung tragen, wobei die Brüste unbedeckt und Hals und Oberarme durch viele Ketten geschmückt sind.297 Abb. 18: Johanna Diehl beim Nähunterricht mit einheimischen Frauen von Bogadjim und Tochter Hanni (um 1912)298

Von den meisten Missionen wurde die indigene Tracht jedoch ebenso als „wild“ und somit als „heidnisch“ abgelehnt und bekämpft, wie die in den Südsee-Regionen vielerorts verbreiteten Tätowierungen, Ziernarben, der Ohr- und Nasenschmuck, sowie die Bemalung des Körpers, der Zähne oder Haare mit Farbe, Ruß oder Lehm. Auch die Haartracht wurde offenbar mancherorts den Vorstellungen der Missionsangehörigen angepasst. So berichtete die Missionarin Valesca Schultze von der 297 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Abbildungen am Ende des Buches (ohne Paginierung und Nummerierung). Vgl. Schafroth, M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, S. 92. 298 Archiv Dieter Klein / Wuppertal, Aufnahme von Wilhelm Diehl.

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LMS, dass sie ihren samoanischen Schülerinnen verbot, ihr langes Haar abzuscheiden, obwohl dies eigentlich in Samoa für geschlechtsreife Frauen üblich war.299 Ob der Grund dafür das europäische Schönheitsideal war oder ob die Missionarin verhindern wollte, dass die Frisur der Schülerinnen Rückschlüsse auf deren sexuelle Reife erlaubten, geht aus Schultzes Aufzeichnungen nicht hervor. Lebenswandel und „Seelenpflege“ Noch massiver als bei diesen Äußerlichkeiten war der Eingriff der Missionen in den indigenen Umgang mit Sexualität und Ehe. Auch hier übertrug man die christlicheuropäischen Normen auf die indigene Bevölkerung. So waren die Missionsangehörigen bemüht, dafür zu sorgen, dass die einheimischen Mädchen als Jungfrauen in die Ehe gingen und sittsam und keusch lebten. Die Ehe sollte nach christlichem Ritus geschlossen werden und nicht nur dauerhaft, sondern selbstverständlich monogam sein – die in „Deutsch-Neuguinea“ vielerorts verbreitete Polygamie wurde von den Missionen ebenso wie außereheliche Sexualität bekämpft.300 Der Umgang der Ehepartner und der übrigen Familienmitglieder miteinander sollte den in Europa üblichen Sitten entsprechen.301 Geschlechtliches Verhalten, das nicht den Normen der Missionsangehörigen entsprach, war ebenso wie der Glaube an Zauberei und Geheimkulte ein häufiger Grund dafür, Taufkandidaten von der Taufe zurückzustellen oder Gemeindemitglieder auszuschließen. Wer sich auf diesem Feld als unzuverlässig erwies, konnte in den Augen der Missionsangehörigen noch nicht reif für ein neues christliches Leben sein.302 Den evangelischen Missionen genügte es nicht, dass die Taufkandidaten ihren Willen bekundeten, zum Christentum übertreten zu wollen, sondern sie mussten mit einem entsprechenden Lebenswandel überzeugen und in einer Prüfung nachweisen können, dass sie die wichtigsten christlichen

299 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 3. Jan. 1896, in Privatbesitz; vgl. Krämer, A.: Die Samoa-Inseln, Band II, S. 37, 63. 300 Vgl. Keyßer, Christian: Die Stellung unserer Mission zur Polygamie, KonferenzReferat von 1904, AMEW, Vorl. Nr. 7.148; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, 5. April 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 7, S. 162; vgl. auch Langmore, D.: The object lesson of a civilized, Christian home, S. 91f. 301 Vgl. Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 17.[?] Jan 1904, AMEW, Vorl. Nr. 5.245: „Konrad legte ihnen im Anschluss an das Evangelium ans Herz, wie Eheleute in bester Weise zusammenstehen müssen.“; vgl. auch Abdruck eines Briefes von Schw. Clara Köster, Ponape, Kitti, 28. Aug. 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 279. 302 Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 25. Juni 1910 (u. vorausgehender Brief auf der selben Seite ohne Datum), in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 22; Helmich, Heinrich: Jahresbericht der Station Ragetta 1908/09, RMG 2.148; Georg Eiffert an Inspektor Kriele, Bogadjim, Nov. 1916, RMG 2.159; Schw. Clara Köster an den Missionsinspektor, Ron Kiti, 18. Okt. 1912, ALM, Akte „Köster, Clara“.

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Glaubensgrundsätze verinnerlicht hatten.303 In den Aufzeichnungen der Mehrheit der untersuchten weiblichen Missionsangehörigen kommt dieses Themenfeld verglichen mit der alltäglichen Arbeit auf der Missionsstation relativ selten zur Sprache, da die meisten untersuchten evangelischen Frauen wie bereits deutlich wurde, selbst kaum an der aktiven Verbreitung des Glaubens mitwirkten. So sind es vor allem ihre Männer, die von Erfolgen und Rückschlägen auf diesem Gebiet berichten. Die Frauen schilderten höchstens die festlichen Tauffeiern, die als Meilensteine der erfolgreichen Missionsarbeit zu den besonders schönen Ereignissen des Alltags in der Fremde gezählt wurden.304 Völlig anders als in den Schriftzeugnissen der Methodistin Johanna Fellmann, der LMS-Missionarin Valesca Schultze und der zahlreichen weiblichen Angehörigen der Neuendettelsauer und Rheinischen Mission liegt der Fall aber bei den Liebenzeller Missionsschwestern und Missionarsfrauen. Wie schon mehrfach erwähnt, sahen diese Frauen ihr wichtigstes Arbeitsfeld nicht etwa im Stationshaushalt oder in den Missionsschulen, sondern in der „Seelenpflege“.305 Sie berichteten in ihren Briefen viel von den Einheimischen und bezogen sich dabei häufig auf bestimmte Individuen, es handelte sich dabei jedoch fast ausschließlich um Berichte über deren Fortschritte und Rückschläge auf dem Weg in ein christliches Leben. Anders als die anderen Frauen schrieben sie fast gar nichts darüber, wie die Zusammenarbeit mit den Einheimischen im Haushalt ablief oder etwa ob sich diese beim Nähen geschickt anstellten, sondern ihre Erwartungen an die indigene Bevölkerung waren vor allem religiöser Natur. Dieser Schwerpunkt war entscheidend für das Verhältnis der Liebenzeller Frauen zur indigenen Bevölkerung. Solange die Einheimischen noch unbeleckt vom Christentum waren, wurden sie als „arme Heiden“ bemitleidet und ihr traditioneller Lebenswandel sehr negativ dargestellt, Schwester Emma Manteuffel hielt die Bewohner der ersten Südseeinseln, die sie auf ihrer Reise sah, sogar für „den Tieren gleich“306 und Schwester Minna Karrer schrieb beispielsweise über die Bewohner des Ortes Palang auf Ponape: „Das sind wirklich Schafe ohne Pflege, versunken in Finsterniß und Sündenschmutz, wie Not tut solchen Seelen ein liebend

303 Vgl. beispielsweise Ida Helmich an Karoline Bergmann, Ragetta, 16. Juni 1906, RMG 2.140; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 8. Juli 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“. 304 So schrieb Missionarsfrau Helmich über eine Tauffeier: „Es ist der schönste Tag gewesen, den ich in N.[eu] G.[uinea] erlebt habe.“, siehe: Ida Helmich an Karoline Bergmann, Ragetta, 16. Juni 1906, RMG 2.140. 305 Brief von Schw. Minna Karrer an den Pfarrer, Ponape, 16. Aug. 1908 u. 8. Juli 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“; ebenso Schw. Clara Köster an die Hauseltern, Ponape, Kolonie, 8. Juli 1910, ALM, Akte „Köster, Clara“. 306 Abdruck eines Briefes von Schw. Emma Manteuffel, 10. Dez. 1910, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 3. Jg., Nr. 4, S. 28; vgl. ebd., Nr. 6, S. 44.

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sich hingebendes Herz, das ihnen vorlebt und zeigt, wer Jesus ist, und was er kann.“307 Auch die Einwohner der Siedlung Tian beschrieb sie als „sehr schmutzig und höchst unwissend“, hob aber positiv hervor, dass die Menschen willig gewesen seien, Gottes Wort zu hören.308 Denn je mehr Interesse die Einheimischen an der christlichen Lehre zeigten, desto mehr erfreuten sich die Missionsangehörigen an ihnen und ihren Fortschritten, während sie Rückschläge als „schmerzliche Enttäuschung“ erlebten, die sie traurig stimmten und das Verhältnis zu den Einheimischen trübten.309 Im Kontext ihres Berichtes über abtrünnige Schüler und Jugendbundmitglieder310 resümierte Schwester Klara Köster beispielsweise: „Bei so vielen Enttäuschungen möchte die Liebe zu ihnen statt brennender zu werden, manchmal erkalten.“311 Und eine ihrer Kolleginnen klagte: „Es ist so schwer, die Leute richtig zu erziehen. Mit Strenge kann man nichts erreichen, ebenso wenig kann man alle ihre Wünsche erfüllen. Sie wissen, daß wir sie sehr lieb haben, und doch wollen sie eigene Wege gehen u. tun was ihnen gefällt. Wie fühlt man da die eigene Ohnmacht!“312 Wie sich die Einheimischen verhielten, wie sich ihr Lebenswandel gestaltete und wie sie sich kleideten wurde von den Liebenzeller Frauen in noch größerem Maße als bei den anderen weiblichen Missionsangehörigen als Ausdruck der fortschreitenden Christlichkeit oder des „Heidentums“ verstanden. Auf Grund ihrer religiösen Überzeugungen waren die Erwartungen der Liebenzeller Missionsschwestern und Missionarsfrauen an die Einheimischen hoch und dadurch waren sie besonders leicht zu enttäuschen. Auf dem Weg zur Bekehrung war es nach Ansicht

307 Abdruck eines Briefes von Schw. Minna Karrer, Ponape, 16. Okt. 1907, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 3, S. 23. 308 Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 8. Juli 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, Oa, Ponape, 14. März 1912, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911); Nr. 6, S. 147. 309 Schw. Minna Karrer [oder Schw. Lina Lüling?], ohne Anrede, Ponape, 8. Nov. 1907 u. Dies. an Pfarrer Coerper, Ponape, Kiti, 1. Jan. 1910, ALM, Akte „Karrer, Minna“; vgl. Schw. Clara Köster an den Missionsinspektor, Ponape, Kiti, 4. Juli 1912, ALM, Akte „Köster, Clara“: „Das Herz möchte manchmal bluten, wenn es diese Tiefe von Sünde sieht.“ 310 Zur Bedeutung des Jugendbundes innerhalb der Liebenzeller Mission vgl. Rauchholz, M.: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, S. 3f; zu den „Jugendbundstunden“ siehe auch Kapitel 9.1.1. 311 Abdruck eines Briefes von Schw. Clara Köster, Ponape, 4. Aug. 1911, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911), Nr. 12, S. 263. 312 Schw. Minna Karrer [oder Schw. Lina Lüling?], ohne Anrede, Ponape, 8. Nov. 1907, ALM, Akte „Karrer, Minna“; vgl. Schw. Lina Lüling an Pfarrer Coerper, Ponape, 4. Aug. 1907, Akte „Lüling-Wiese, Lina“: „Man muß die braunen Menschen lieb haben, u. doch auch wieder die Grenzen einhalten.“

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der Schwestern wichtig, dass sich die indigenen Mädchen und Frauen bei ihnen aussprachen; teilweise wurde jedoch beklagt, dass dies zu selten vorkäme: „Wir empfinden es sehr schwer, daß sich die Seelen uns gegenüber so wenig aussprechen. Es ist ja unsere Aufgabe auf ihre Schwierigkeiten u. Verhältnisse äußerer u. innerer Art einzugehen, ihnen zu raten u. nach Möglichkeit zu helfen u. wir bitten unsere lieben Frauen und Mädchen immer wieder darum. Es sind aber Ausnahmefälle, wenn man eine Seele vor sich hat, von der man den Eindruck hat, daß sie aufrichtig ist.“313

Ob das Vertrauen, dass den Schwestern entgegengebracht wurde, hier nicht groß genug für solche Aussprachen war, oder ob die einheimischen Mädchen und Frauen eventuell die Notwendigkeit dieser Gespräche nicht erkannten, lassen die Quellen offen. Mit zunehmendem Bekehrungserfolg konnten sich allerdings mancherorts regelmäßige Aussprachen etablieren, deren Wirkung die Schwestern sehr positiv einschätzten: „Man lernt dadurch die Leute näher kennen und verstehen, und die Liebe und das Vertrauen nimmt zu.“314 Die „Heiden“ sollten nicht nur mit den christlichen Glaubensinhalten vertraut werden, sondern auch verstehen, dass sie arme Sünder seien und dabei die feste innere Gewissheit haben, dass Jesu ihnen diese Sünden vergeben würde. So klagte Schwester Lina Lüling: „Die Leute glauben in gewissem Sinn an Jesus; es fehlt ihnen aber die persönliche Gewissheit der Sündenvergebung, die nur der Geist Gottes geben kann. Wir weisen immer darauf hin, aber die Leute verstehen nicht, daß ihnen das fehlt.“315 Auch die Kinder aus der Landschaft U auf Ponape hatten offenbar Schwierigkeiten, die Sicht der Missionarinnen nach zu vollziehen, wie Schwester Clara Köster klagte: „Es war auch wohl keines unter ihnen, welches an der Liebe des guten Hirten zweifelte, aber daß sie in Sünden verirrte Schäflein seien, wollten doch die wenigsten glauben, und doch stecken viele von ihnen schon so tief im Sumpf der Sünde, daß uns das Herz oft weh tut, wenn wir daran denken. Die Sünde hat leider schon viele dieser kleinen Leiber ruiniert und ihre Sinne zerrüttet.“316

313 Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 1. Feb. 1911, ALM, Akte „Köster, Clara“. 314 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Wiese, Ponape, 6. April 1910, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 8, S. 160. 315 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 15. Okt. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 3, S. 59. 316 Abdruck eines Briefes von Schw. Clara Köster, Ponape, 15. Nov. 1911, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 4, S. 88; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, Oa, Ponape, 14. März 1912, in: Chinas Millionen, 12. Jg. (1911), Nr. 6, S. 147:

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Den Grundsätzen der Erweckungsbewegung folgend, in deren Tradition die Liebenzeller Mission stand, hofften die Missionsangehörigen darauf, dass Christus in den Einheimischen „wirkte“ und sie dadurch aus ihrem „Sündenschlaf“ erweckte, wovon sie dann „Zeugnis ablegen“ sollten.317 Dies geschah für gewöhnlich in den von den Liebenzellern einberufenen Versammlungen, wo manche der einheimischen Zuhörer plötzlich ihren Glauben bekannten und den Willen äußerten, ein neues christliches Leben zu beginnen oder laut beteten; was in den Briefen in die Heimat besonders gern geschildert wurde.318 So berichtete Schwester Clara Köster beispielsweise über eine indigene Mutter: „Unter anderem sagte sie, früher habe sie die Kraft Jesu in ihrem Leben nicht gekannt, aber jetzt fange sie an etwas davon zu verstehen, früher habe sie keinen Sieg über Versuchungen gehabt, nun würde sie, wenn Versuchungen an sie träten, an Jesus und sein Wort erinnert, dann fände sie die Kraft zum Überwinden.“319

In einem Anflug von Skepsis, der in den untersuchten Quellen in diesem Zusammenhang selten zu finden ist, gab Schwester Minna Karrer zu derartigen Bekenntnissen und Gebeten der einheimischen Bevölkerung allerdings zu bedenken: „Man kann nicht viel auf solche Gebete geben hier, weil man weiß, daß die Eingeborenen es sehr verstehen, immer gerade den zu rühmen bei dem sie sind.“320 Mit fortschreitendem Erfolg ihrer Missionierungsarbeit berichteten die Schwestern jedoch vermehrt zufrieden, dass Einheimische von sich aus zu ihnen gekommen seien und

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„Die Ponapesen sind kluge und verständige Leute, aber die Sünde zerrüttet ihr Sinne und Gedanken.“ Zum Begriff der religiösen „Erweckung“ und zum „Sündenschlaf“ siehe: Deichgräber, Reinhard: Erweckung / Erweckungsbewegungen, II. Dogmatisch, in: Krause, Gerhard / Müller, Gerhard (Hrsg.): Theologische Realenzyklopädie, Studienausgabe, Teil I, Band 10, Berlin u.a. 1982, S. 220-224, hier v.a. S. 221: „Der Schlaf, in dem der noch nicht erweckte Mensch lebt, ist ein „Sündenschlaf“, d. h. eine Haltung, der jedes tiefere Gespür für den Ernst der Sünde und für die abgrundtiefe Verlorenheit des Sünders fehlt.“ Exemplarisch: Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 8. Juli 1909 u. 1. Aug. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“. Schw. Clara Köster an den Missionsinspektor, Ponape, Kiti, 4. Juli 1912, ALM, Akte „Köster, Clara“. Abdruck eines Briefes von Schw. Minna Karrer, Ponape, Nov. 1909, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 3, S. 51; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 3. Okt. 1907, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7.

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sich besorgt über ihre Sünden äußerten oder ihren Willem zur Taufe bekundeten.321 Häufig konnten die Schwestern zudem vermelden, dass die Gottesdienste und Versammlungen sehr gut besucht seien und die Bevölkerung weite Wege auf sich nahm, um daran teil zu nehmen.322 Manchmal seien die Frauen auch von Einheimischen gebeten worden, öfter zu ihnen zu kommen und Andachten zu halten.323 Auf ihren Ausflügen in die Dörfer, wo sie Versammlungen abhielten, wurden die Liebenzeller Schwestern und Missionarsfrauen von einheimischen Helferinnen (seltener auch Helfern) begleitet, die bereits für das Christentum gewonnen werden konnten.324 Diese indigenen Mädchen und Frauen halfen den Missionsangehörigen, in den Dörfern die Frauen aus den Hütten oder von den Pflanzungen zusammen zu rufen und sprangen als Übersetzerinnen ein bis die deutschen Frauen selbst die einheimische Sprache gut genug beherrschten.325 Teilweise hielten die Helferinnen auch eigenständig Frauenversammlungen ab.326 Die Missionsangehörigen waren also auf ihre Mitarbeit angewiesen und berichten positiv über sie.327 Auf den oft tagelangen Reisen teilten die Frauen ihren Alltag, aßen gemeinsam und übernachteten zusammen in den einheimischen Siedlungen. Der gemeinsame Glaube scheint dabei ein sehr wichtiges Bindeglied zwischen den Frauen gewesen zu sein, die unterschiedliche Herkunft wird in diesem Zusammenhang von den Missionsangehörigen

321 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, April 1911, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ron Kiti, Ponape, 8. Juli 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“. 322 Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ron Kiti, 21. Feb. 1909, ALM, Akte „Karrer, Mina“; Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 8. Juli 1910, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Abdruck eines Briefes von Schw. Emma Manteuffel, Truk, 21. Okt. 1912, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 1, S. 23. 323 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 16. Aug. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 1, S. 20; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 15. Okt. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 3, S. 59. 324 Vgl. beispielsweise: Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, Oa, 3. Juli 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 12, S. 277; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 3. Dez. 1907, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 3, S. 55; Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 19. Nov. 1911, ALM, Akte „Köster, Clara“. 325 Schw. Anna Schneider an Pfarrer Coerper, Truk, 10. Dez. 1912, 5. April u. 28. Juli 1913, ALM, Akte „Schneider, Anna“. 326 Vgl. Unsere Arbeit auf den Südsee-Inseln. Jahresbericht für das Jahr 1913, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 6, S. 169; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 8. Juli 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“. 327 Beispielsweise Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 4. Juli 1912, ALM, Akte „Köster, Clara“; Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 29. Juli 1913, ALM, Akte „Zuber, Elise“.

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nicht thematisiert, schließlich setze man sich nun Seite an Seite für die Verbreitung der christlichen Lehre ein. Die schon bekehrten Helferinnen bezeugten in den Versammlungen ihren Glauben und leisteten der Missionierungsarbeit damit einen wichtigen Dienst.328 Oft konnten die Liebenzeller Schwestern berichten, dass die Versammelten aufmerksam zugehört und interessiert Fragen gestellt hätten.329 Das Interesse der Zuhörer und alle von den Liebenzeller Missionsangehörigen als positiv bewerteten Veränderungen im Verhalten und Äußeren der indigenen Bevölkerung schrieben sie dem „Wirken des Herrn“ zu. Wohlwollende Beschreibungen der Einheimischen wurden fast immer in Beziehung zum Einfluss Gottes gesetzt: „Es gibt hier wirklich treue Menschen, an denen man sehen kann, daß der Herr ein Neues geschaffen hat“, schrieb Lina Lüling aus Ponape330 und der Missionszögling Tenga wird von Minna Karrer beschrieben als „lieber Junge [...], an dem Gott schon etwas hat tun können.“331 Entsprechend galt alles, was das Missfallen der Missionsangehörigen erregte, etwa das Tabakrauchen oder das Bemalen des Körpers mit Farbe als „Werk Satans“ – am ganzen Verhalten und Wesen merke man deutlich, wenn Einheimische in die „Hände des Feindes“ geraten seien, wie Schwester Clara Köster erklärte.332 Die häufige Erwähnung Satans oder des Teufels ist eine weitere Auffälligkeit in den Liebenzeller Schriftzeugnissen.333 Interessant ist dabei, dass die deutschen Frauen häufig in einem Atemzug über Satan und die Geistervorstellungen der Einheimischen schrieben – offenbar ohne eine gewisse Parallelität zwischen diesen beiden Glaubenswelten erkennen zu können. So klagte Schwester Elise Zuber beispielsweise: „Einen kleinen Einblick bekamen wir wieder, wie sehr die Leute noch durch Geisterfurcht gebunden sind, auch solche, die 328 Abdruck eines Briefes von Schw. Kätchen Weichel, Ponape, 4. Okt. 1909, in: Chinas Millionen, 11. Jg. (1910), Nr. 2, S. 35. 329 Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 4. Juli 1912 u. 10. März 1913, ALM, Akte „Köster, Clara“; Schw. Katharina Weichel an Pfarrer Coerper, Ponape, 23. Jan. 1909 u. 30. Okt. 1910, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katharina“; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 16. Aug. 1908, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 1, S. 20. 330 Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 4. Dez. 1907, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 3, S. 55. 331 Schw. Minna Karrer, Oa, ohne Datum und Anrede, ALM, Akte „Karrer, Minna“; vgl. Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, im Juli 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 332 Abdruck eines Briefes von Schw. Clara Köster, Ponape, 15. Nov. 1911, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 4, S. 88. 333 Vgl. auch Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, 5. April 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 7, S. 162. Siehe auch: Abdruck eines Briefes der Missionsschülerin Elise, Ronkiti, 28. Sept. 1909, in: Der Missionsbote aus der Südsee, 3. Jg.(1910), Nr. 1, S. 7: „Ich möchte, daß ihr für mich betet, damit ich stark sein kann, wenn Satan mich versucht.“

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sich Christen nennen. Ja, der Satan hält seine Beute fest u. schlägt seine Krallen tief ein, um sie nicht loszulassen, [...].“334 Dies zeigt einmal mehr, wie überzeugt die Missionsangehörigen davon waren, dass ihr Glaube und ihre Kultur der indigenen weit überlegen waren. In dieser Hinsicht weicht die Haltung der evangelischen weiblichen Missionsangehörigen also nicht von der der übrigen deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien ab. Die Prämissen, unter denen die Interaktion stattfand, waren zwar verschieden, das hierarchische Verhältnis blieb jedoch dasselbe. Der christliche Grundsatz, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, hatte offenbar keinen Einfluss auf die fest in den Köpfen der Frauen verankerte Überzeugung von der Überlegenheit der eigenen Kultur und die daraus abgeleitete Ungleichbehandlung der indigenen Bevölkerung. Das zeigt sich häufig in kleinen Bemerkungen, etwa wenn die Rheinische Missionarsfrau Diehl über die Beute des angestellten indigenen Schießjungen schrieb „[...] das Beste davon tat ich für uns in den Topf, das andere bekamen sie“335 – oder wenn die Methodistin Fellmann über die zur Neige gehenden Wasservorräte bemerkte: „[...] die Leute wollen dann immer an unsere eigene (tanks) und das kann ich doch nicht erlauben.“336 Da die indigene Bevölkerung auch den Missionsangehörigen als unterlegen galt, wurde die Berechtigung der deutschen Herrschaft über die Südsee-Kolonien und ihre Bewohner von ihnen nicht angezweifelt. Anlässlich der deutschen Flaggenhissung in Samoa äußerte sich Missionarin Schultze zwar wehmütig darüber, dass die Samoaner ihre Eigenständigkeit verlören, meinte aber: „[...] sie können sich eben nicht selbst regieren, immer Streit u. Krieg untereinander [...]“.337 Unkritisch äußerte sich beispielsweise auch Missionarsfrau Diehl über eine sogenannte „Strafexpedition“ der deutschen Kolonialregierung Neuguineas, bei der Häuser der Indigenen angezündet und eines ihrer Schweine getötet wurden, weil die Bevölkerung sich weigerte, Arbeiter für die Regierung zu stellen. Diehl hatte zwar Mitleid mit den Geschädigten, war aber der Ansicht, sie hätten die Strafe verdient.338 Auch sie

334 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, 13. März 1912, ALM, Akte „Zuber, Elise“; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Käthe Seibold, Ponape, 6. Mai 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 9, S. 206f u. Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster, Ponape, 11. April 1911, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 4. Jg. (1911), Nr. 9, S. 69: „Man merkt es deutlich, es sind Geister aus dem Untergrund tätig in Ponape, die sich mit aller Macht ans Werk machen; [...]. Diese Sünde zerrüttet den Geist [...].“ 335 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 30. Nov. 1907, S. 32. 336 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 28. April 1897, S. 51. 337 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 26. April 1900, in Privatbesitz. 338 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 21. Sept. 1908, S. 61.

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selbst setzte die Einheimischen manchmal unter Druck und stellte ihr Verhalten ihnen gegenüber in den Dienst der Missionsziele. Als einige indigene Frauen den Gottesdienst nicht mehr besuchten, kaufte Johanna ihnen keine Früchte mehr ab und bemerkte zufrieden, dass diese Maßnahme Erfolg hatte, als die Kirche daraufhin bald wieder vollbesetzt war.339 Da die Missionsangehörigen es als ihre Aufgabe ansahen, die indigene Bevölkerung zu „erziehen“, ergab sich ein Schüler-LehrerVerhältnis, das eine Begegnung auf Augenhöhe unmöglich machte.340 Dennoch wurde insgesamt deutlich, dass die weiblichen Missionsangehörigen sich auf Grund ihres Missionsauftrages und ihrer besonderen Lebenssituation in einem ganz anderen Maß auf die Einheimischen einließen als die übrigen deutschen Frauen und in mehrfacher Hinsicht enger mit ihnen zusammenlebten. Grundlegende Vorraussetzung dafür war, dass die indigene Bevölkerung diesen Kontakt zuließ und auf die Annäherungsbemühungen der Missionsangehörigen positiv reagierte. Die Haltung der indigenen Bevölkerung gegenüber den weiblichen Missionsangehörigen Von indigener Seite kam man dem Kontakt-Bestreben der Missionsangehörigen offenbar größtenteils interessiert und freundlich entgegen. Das galt zwar nicht unbedingt für die Pioniermissionare, die vielerorts skeptisch oder sogar feindlich empfangen wurden – doch zu dem Zeitpunkt, als die weiblichen Missionsangehörigen nachgeholt wurden, hatten sich die Einheimischen längst an die Anwesenheit der Missionare gewöhnen können und erwarteten meist gespannt deren Frauen, sobald ihnen deren bevorstehende Ankunft angekündigt worden war.341 So schrieb der Rheinische Missionar Dassel seiner Braut, die indigenen Mädchen hätten schon ihre Besuche angekündigt, um die Missionarsfrau nach ihrer Ankunft zu begrüßen und die Jungen würden sich alle Augenblicke erkundigen, „wann doch die Misses eigentlich käme“.342 Auch die Liebenzeller Schwestern berichteten, sie hätten in den

339 Ebd., Eintrag vom 23. Juni 1912, S. 198. 340 So nennt die Liebenzeller Schwester Paula Krämer die indigenen Mädchen und Frauen zwar „braune Schwestern“, möchte ihnen bezeichnenderweise aber auch „eine Mutter sein“, womit sie sich in die Position der Erziehungsberechtigten rückt und die in der Schwesternschaft angelegte Gleichrangigkeit im selben Satz wieder aufhebt; siehe: Schw. Paula Krämer an Pfarrer Coerper, Truk, 24. Sept. 1912, ALM, Akte „Krämer, Paula“. 341 Vgl. beispielsweise Adolf Dassel an Bertha Huhsmann, Dampier, 30. Nov. 1893 u. an seine Schwiegereltern, 2. Dez. 1893, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 37f; Elli Arff an den Missionsinspektor, 29. Aug. 1894, RMG 2.143. 342 Adolf Dassel an Bertha Huhsmann, Dampier, 21. April 1894, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt, S. 62.

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ersten Wochen nach ihrer Ankunft auf Ponape viel Besuch erhalten, der ihnen sowohl Geschenke brachte als auch Meerestiere zum Tausch oder Kauf anbot.343 Vielerorts stellten weiße Frauen noch eine Rarität dar, so dass sich die Einheimischen freuten, wenn weibliche Missionsangehörige ihre Dörfer besuchten, wo sie neugierig beäugt wurden.344 Der Empfang in den Dörfern wird stets als freundlich geschildert; die weiblichen Missionsangehörigen waren schnell von den Dorfbewohnern umringt und häufig wurde ihnen eine Kokosnuss zur Erfrischung oder etwas Taro zur Stärkung angeboten.345 Missionarsfrau Böttger berichtete, dass ihr auf dem Rückweg von einem gemeinsamen Dorfbesuch mit ihrem Mann extra noch ein Bündel Zuckerrohr hintergeschickt wurde, dass ein Geschenk der Indigenen an die Missionarsfrau war.346 Im selben Brief lobte sie die guten Manieren der Bewohner der besuchten Siedlung: „Sollte sich einer neugierig und zudringlich zeigen, so weisen ihn andere gleich zurecht.“ In den Dörfern bekamen die Missionsangehörigen einen Eindruck vom Lebensalltag der indigenen Bevölkerung und manch eine nahm die Chance interessiert wahr. So berichtete beispielsweise Justine Vetter, sie habe im Dorf beobachtet, wie Sago gewaschen wurde, was sie schon lang habe sehen

343 Schw. Lina Lüling u. Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Oa, 2. Sept. 1907, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 18. Nov. 1907, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 3. Okt. 1907, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 1. Jg. (1908), Nr. 1, S. 7. 344 Elisabeta Markert an den Kirchenrat, Wareo, 15. Okt. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1; Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Malalo, 6. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3; Bericht von Rosa und Rudolf Mäder, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 2. Jg. (1909), Nr. 5, S. 35. 345 Lucie Wagner an das Missionskränzchen, Wareo, 4. Jan. 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1; Elisabeta Markert an den Missionsinspektor, Sattelberg, 21. Juni u. 11. Okt. 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1; Abdruck eines Briefes von Missionsgehilfin Schmidt, Sattelberg, Feb. 1916, in: Neuendettelsauer Missionsblatt, 7. Jg. (1917), Nr. 5, S. 34f; Vetter, J.: Tagebuch, Einträge vom 5. Juni 1903 u. Weihnachten 1903, AMEW, Vorl. Nr. 5.245; Konrad Vetter an seine Schwiegermutter, Bongu, 14. Mai 1899, in Privatbesitz; vgl. auch Elli Arff an ihre Lieben, Bogadjim, 3. Aug. 1893, RMG 2.143; Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 5. Juli 1911, ALM, Akte „Köster, Clara“; Schw. Katharina Weichel an Pfarrer Coerper, Ponape, 23. Jan. 1909, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katharina“; Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster, ohne Ort, 4. Mai 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 9, S. 207f. 346 Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Malalo, 6. Juli 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3.

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wollen und außerdem ließ sie sich die einheimische Art des Stickens zeigen.347 Missionarsfrau Diehl beobachtete neugierig gemeinsam mit ihrem Mann den Ablauf eines Tanzfestes der Bewohner des nahe gelegenen Dorfes und hielt das Gesehene in ihrem Tagebuch fest.348 Von scheuen und ängstlichen Reaktionen auf ihren Besuch berichten die weiblichen Missionsangehörigen fast nie, auch wenn sie auf weiten Wanderungen in einem ihnen fremden Dorf unangekündigt Rast machten – wohingegen beispielsweise die Forschungsreisenden zumindest in Neuguinea ja sehr häufig die Erfahrung machten, dass sich die Dorfbewohner anfangs vor ihnen versteckten, wie im vorherigen Kapitel bereits dargestellt wurde.349 Den Quellen ist zu entnehmen, dass sich oft besonders die indigenen Mädchen auf die Ankunft der weiblichen Missionsangehörigen im Missionsfeld freuten, da auch sie dann unterrichtet werden sollten, während die männlichen Missionare sich zuvor vor allem auf die Unterweisung der Knaben konzentriert hatten.350 Allerdings verflog das Interesse am Unterricht manchmal schnell wieder, so dass die Missionsangehörigen über mangelnden oder sehr unregelmäßigen Schulbesuch klagten. Wenn die Schüler und Schülerinnen ihren Schulbesuch einstellten oder nach den Ferien nicht mehr zurück in die Schule kamen, empfanden die Missionsangehörigen dies als Rückschlag für ihre Arbeit und äußerten sich enttäuscht über ihre Zöglinge.351 Wie weiter oben bereits deutlich wurde, sind in den Schriftzeugnissen der Liebenzeller Missionsschwestern und Missionarsfrauen häufig solche enttäuschten Kommentare über die Einheimischen zu finden, etwa wenn diese sich nicht bei den deutschen Frauen aussprechen wollten oder nach deren Ansicht nicht aufrichtig ge347 Vetter, J.: Tagebuch, Einträge vom 5. Juni 1903 u. 28. März 1904, AMEW, Vorl. Nr. 4.245; vgl. Konrad Vetter an seine Schwiegermutter, Bongu, 14. Mai 1899, in Privatbesitz. 348 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 16. August 1908, S. 56. 349 Eine Ausnahme stellt beispielsweise die Erwähnung der ängstlichen Reaktionen auf die Liebenzeller Missionsschwestern in der Siedlung Pingelap auf Ponape dar: Kleine Kinder und Erwachsene hätten keine Angst gehabt, die etwas älteren Kinder hätten aber Furcht vor den weißen Gesichtern gezeigt, die sie nach Meinung der Schwestern mit Geistern in Verbindung brachten; vgl.: Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster, ohne Ortsangabe, 4. Mai 1912, in: Chinas Millionen, 13. Jg. (1912), Nr. 9, S. 207f. Auch Johanna Fellmann erwähnte in ihrem Tagebuch, dass kleine einheimische Kinder entsetzlich gebrüllt hätten, wenn sie sich ihnen genähert hätte oder sie nur angesehen hätte; vgl. Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 13. März 1897, S. 40. 350 Vgl. Elli Arff an den Missionsinspektor, Bogadjim, 29. Aug. 1894, RMG 2.143; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag 6. Mai 1890, in Privatbesitz. 351 Beispielsweise: Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 15. Jan. 1902, in Privatbesitz; Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 8. Mai 1904, AMEW, Vorl. Nr. 4.245; Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, 18. Nov. 1907, ALM, Akte „Karrer, Minna“.

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nug an die Sündenvergebung durch Jesu glaubten. Zwar äußerten sich auch Angehörige anderer Missionen unzufrieden oder traurig über die Einheimischen, aber die Liebenzeller scheinen für diese Enttäuschungen besonders prädestiniert gewesen zu sein, da ihre Erwartungen an die indigene Bevölkerung besonders hoch waren. Sie zeigten auffallend wenig Toleranz gegenüber der traditionellen Lebensweise ihrer Zöglinge und stießen damit mancherorts auf Widerstand. Missionsschwester Clara Köster berichtete aus Ponape, dass die Regierung „schlechte Bündnisse“ der indigenen Bevölkerung aufgelöst und deren Mitglieder verbannt habe. Den Bündnissen warf die Missionsschwester unter anderem Unzucht und andere „Schlechtigkeiten“ vor. Sie schilderte, dass die Einheimischen das Schicksal der verbannten Bündnismitglieder beklagten und dafür unter anderem die Mission verantwortlich machten: „Es sind viele die uns hassen, weil wir ihnen, [...] die Gegensätze von Licht und Finsternis entgegen halten müssen, aber zu diesem Zweck hat uns der Herr, wenn es auch in Liebe geschieht, unter diese armen Seelen gestellt.“352 Missionarsfrau Hugenschmidt berichtete über die Dorfbesuche der Liebenzeller: „Gar oft merkten wir, daß es den Leuten gar nicht so angenehm ist, wenn wir sie besuchen und dadurch in ihrem alten, gewohnten Leben und Treiben stören; man spürte sogar oft eine förmliche, feindselige Gegenströmung.“353 Trotz dieser offenbar manchmal deutlich wahrnehmbaren Ablehnung vermitteln auch die Liebenzeller Quellen viele positive Eindrücke vom Verhältnis zwischen den weiblichen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung; etwa wenn fröhliche Ausflüge geschildert werden, die die Schwestern mit den Missionszöglingen unternahmen.354 Schwester Elise Zuber berichtete, wie sich die indigenen Mädchen auf den unwegsamen Pfaden um die deutschen Frauen sorgten, Hindernisse sofort aus dem Weg räumten und die Frauen bei der Hand nahmen, um Stürze zu vermeiden.355 Dass sich die Einheimischen auch der Glaubenbotschaft der Liebenzeller vielerorts durchaus aufgeschlossen zeigten und sie hilfsbereit bei deren Verbreitung unterstützen, wurde bereits deutlich. Zudem berichtete Schwester Elise Zuber mehrfach, dass einheimische Frauen auf Truk um Aufnahme auf der Missionsstation baten, da sie sich dort sicherer fühlten als in

352 Schw. Clara Köster an den Missionsinspektor, Ponape, 26. Sept. 1911, ALM, Akte „Köster, Clara“. 353 Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Hugenschmidt, (ohne Ort), 9. Juli 1911, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 4. Jg. (1911), Nr. 11, S. 84; vgl. Dies., Oa, 4. Aug. 1911, in: Der Missionsbote aus der deutschen Südsee, 5. Jg. (1912), Nr. 1, S. 7. 354 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, April u. Aug. 1911, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, Kiti, 4. Juli 1912, ALM, Akte „Köster, Clara“. 355 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, April 1911, ALM, Akte „Zuber, Elise“.

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der Abwesenheit ihrer Männer allein zuhause.356 Auch einige Stationsmädchen hätten zu verstehen gegeben, dass sie lieber bei den Missionsangehörigen bleiben wollten, als mit den Männern mitzugehen, die sie von dort fortholen und heiraten wollten.357 Offenbar galt die Missionsstation den Einheimischen als sicherer Zufluchtsort, was ebenso als Zeichen des Vertrauens den Schwestern und Missionarsfrauen gegenüber gewertet werden kann, wie die schon oben thematisierte Bereitschaft vieler einheimischer Eltern, ihre Kinder auf der jeweiligen Missionsstation in ihrer Nähe erziehen zu lassen. Ein Indiz für die weit verbreitete positive und kontaktfreudige Haltung der indigenen Bevölkerung den Missionsangehörigen gegenüber ist auch die in den Quellen vielfach bezeugte Tatsache, dass sie häufig von sich aus die Missionsstationen besuchten, um Handel zu treiben, um medizinische Hilfe zu bitten oder einfach aus Neugierde oder um ein Schwätzchen zu halten. So schildert beispielsweise die Rheinische Missionarsfrau Becker den Alltag auf der Missionsstation Bongu: „Jeden Tag kommen welche mit bösen, eitrigen Wunden. [...] Nach drei Uhr wird unser Haus nicht leer von allerlei Besuchern. Frauen kommen zum Handeln, und bringen Früchte und Kokosnüsse und Zuckerrohr, wofür sie dann meistens Tabak eintauschen. Auch die Jugend kommt täglich den Hügel hinauf. Junge Burschen sitzen auf der Veranda und halten Reden. So geht es Tag für Tag.“358

Nicht überall scheinen die indigenen Gäste allerdings auch innerhalb des Missionshauses willkommen gewesen zu sein: Die Neuendettelsauer Missionarsfrau Vetter berichtete während eines Erholungsaufenthaltes bei Missionspionier Flierl und seiner Familie auf der Station Sattelberg kritisch, dass dort „die Schwarzen sehr ferne gehalten“ würden und indigene Besucher nicht ins Haus dürften – selbst die Schuljungen nur, wenn sie einen triftigen Grund hätten.359 Auf Vetters Heimatstation herrschte offenbar ein anderer Umgang mit den Einheimischen: „Bei unseren Jungen merkt man, sie haben Vertrauen zu uns, sie dürfen auch bei uns in die Zimmer, sie sind ja auch geförderter, man zeigt ihnen, wenn man etwas hat, was sie interessiert, so Photographien, Bilder u[nd] dergl[eichen].“360 Dass sich die indigene Bevölkerung sehr für die fremdartigen Besitztümer der Deutschen, wie Fotografien

356 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Mai 1911, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, 18. Okt. 1912, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 1, S. 23. 357 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Feb. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 358 Laura Becker an ihre Mutter, 8. Dez. 1908, in; Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 7. 359 Justine Vetter an ihre Schwester, Sattelberg, 4. Mai 1900, in Privatbesitz. 360 Ebd.

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oder bestimmte Einrichtungsgegenstände interessierte, wird immer wieder berichtet, beispielsweise von der Neuendettelsauer Missionarsfrau Wagner: „Gerne statten uns die Schwarzen Besuche ab. Besonders Freitags und Samstags ist unser Stübchen oft ganz voll. Große Anziehungskraft besitzt der Spiegel, in welchen sie allerhand Grimassen hineinschneiden. Neulich stand ein originell aufgeputzter Papua einige Stunden davor und besah sich immer nach allen Richtungen. So oft ich ins Zimmer kam, war er tief ins Beschauen versunken. Kommen die Leute ins Erzählen, so will das manchmal gar kein Ende nehmen. Neues und Altes wird da ausgekramt und dabei zeigen sie ein sehr gutes Gedächtnis und besitzen eine staunenswerte Beredsamkeit.“361

Die Einheimischen unterhielten sich nicht nur offenbar gern mit der Missionarsfrau, sondern forderten sie sogar zum gemeinsamen Spiel auf, während ihr Mann Dorfbesuche unternahm. Sie wollten ihr beibringen, wie man einen aus einer Frucht hergestellten Kreisel namens Zakero wirft, doch obwohl sie sich viel Mühe gaben, brachte Wagner es nicht fertig und gab schließlich auf.362 Missionarsfrau Hoh berichtete sogar, um sich einen Moment Ruhe zu gönnen, habe sie sich manchmal vor den Einheimischen verstecken müssen, die mit ihr ihre Lieder einüben wollten und dabei unersättlich gewesen seien: „Von früh bis spät abends waren wir in Anspruch genommen.“363 Die Indigenen bezogen die weiblichen Missionsangehörigen also auch auf eigene Initiative hin in ihr Leben ein und erkannten sie als Autorität an. Johanna Fellmann notierte beispielsweise in ihr Tagebuch, sie sei während ihr Mann unterwegs war von den Einheimischen ins Dorf gerufen worden, um dort einen Streit zu schlichten. Auf Grund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse fühlte sie sich aber überfordert.364 Missionarsfrau Hanke wurde in der Abwesenheit ihres Mannes von einem indigenen Christen um Erlaubnis gefragt, ob er Taufkandidaten unterrichten dürfe, was sie gerne erlaubte – in dieser Situation wurde die Missionarsfrau also

361 Lucie Wagner an das Missionskränzchen, Wareo, 4. Jan. 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1; siehe beispielsweise auch Adolf Dassel an seine Schwiegereltern, Dampier, 2. Dez. 1893, in: Dassel, I. u.a. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 37: „Die Wände sind mit Familienbildern geschmückt, vor denen sich die Eingeborenen zum öfteren aufpflanzen, um sie näher zu betrachten. Auch die Albums [sic], welche auf den Kommoden liegen, müssen öfters herhalten.“ 362 Lucie Wagner an das Missionskränzchen, Wareo, 4. Jan. 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1. 363 Else Hoh an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 9. Jan. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.26. 364 Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Eintrag vom 28. Juni 1897, S. 70.

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ebenfalls als Vertreterin ihres Mannes als entscheidungsbefugt anerkannt.365 Auch in Krankheitsfällen oder bei komplizierten Geburten wurden die weiblichen Missionsangehörigen immer wieder gebeten, ins Dorf zu kommen, um zu helfen.366 Missionarin Schultze bemerkte über ihre Hebammentätigkeit in Samoa: „Ja, wenn man den Frauen in der Stunde der Not helfen kann, dann gewinnt man ihr Vertrauen u. ihre Liebe.“367 Die Einheimischen baten aber nicht nur die Missionsangehörigen um Rat und Unterstützung, sondern waren auch ihrerseits hilfsbereit. Missionarsfrau Elli Arff berichtet voller Dankbarkeit und Lob, wie die indigene Bevölkerung ihr beistand, als ihr Mann schwer erkrankte, während sie beide sich ohne Unterstützung anderer Missionsgeschwister auf der Station befanden: „Die Eingeborenen [...] hatten all die Zeit, fast von früh bis spät, draußen vor der Tür gesessen, um zu erfahren, wie es ihrem Freunde ginge. Sie waren stets bereit, das Wasser, das ich zum Baden des lieben Kranken brauchte, herbeizuholen, obwohl es mühsam zu holen war, und selbst Frauen kamen u. brachten Wasser in Bambusröhren. Alle waren so teilnehmend u. freuten sich, wenn’s besser ging und trauerten mit mir, wenn das Stöhnen des Leidenden zu ihnen drang.“368

Als Missionar Arff schließlich starb, halfen die einheimischen Männer der Witwe, den Leichnam zu waschen, ein Grab auszuheben und einen Sarg zu bauen. Die große Anteilnahme der indigenen Bevölkerung am Tod ihres Mannes überraschte und rührte die Missionarsfrau: „Männer und Frauen weinten mit mir und streichelten den teuren Leichnam. – So etwas hatte ich nicht erwartet von diesen Heiden, war ich doch erst so kurz unter ihnen [...].“369 Als die Trauernden schließlich in ihre Dörfer zurückkehrten, versprachen sie der Missionarsfrau ihr zwei Frauen zu schicken, damit sie nicht über Nacht alleine bleiben müsse. In ihrer Schilderung hebt Elli Arff besonders hervor, dass die Einheimischen für ihre Hilfe nicht einmal Ta-

365 Johanna Hanke an ihren Onkel, Bongu, 19. Jan. 1913, RMG 2.149. 366 Beispielsweise Elisabeta Markert an den Kirchenrat, Wareo, 13. Mai 1913; Vorl. Nr. 4.54/1; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 5. März 1900, in Privatbesitz; vgl. Schw. Minna Karrer an Pfarrer Coerper, Ponape, Kiti, 16. Aug. 1908 u. 24. Jan. 1909, ALM, Akte „Karrer, Minna“; Schw. Katharina Weichel an den Pfarrer, Ponape, 12. Nov. 1909, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katharina“. 367 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 26. April 1895, in Privatbesitz. 368 Elli Arff an ihre Lieben, Bogadjim, 3. Aug. 1893, RMG 2.143. 369 Ebd.

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bak als Lohn von ihr annehmen wollten.370 Die selbstlose Hilfsbereitschaft war Arff offensichtlich ein großer Trost in ihrer traurigen und einsamen Situation. Auch Missionarsfrau Hanke, deren Mann ebenfalls im Missionsfeld starb, schilderte in Briefen in die Heimat, dass die Einheimischen ihr „zart und liebevoll“ entgegenkämen. „Es ist mir ein Trost und eine Freude, dass ich den Leuten noch etwas sein darf. Sie kommen mit allen Anliegen zu mir.“371 An Schwarzwasserfieber erkrankt und hilfsbedürftig machte auch Missionarsfrau Lehner die Erfahrung, dass sie sich auf ihre einheimischen Helferinnen verlassen konnte, die selbstständig die Sorge für den Haushalt übernahmen und sich um die Patientin kümmerten: „In den Wochen […] habe ich meine Mädchen recht kennen gelernt; alles machten sie ohne viel Worte meinerseits, zuletzt badeten sie auch meinen Bubi: ein Bild zum Malen [...]. Als ich eines Abends noch etwas in der Veranda besorgte, sagte Gamagang: Brau [= Frau] gehe hinein, es ist kalt, du wirst wieder krank, ich werde es schon machen. Oder es kam plötzlich Nebel und Regen; ehe ich sagen konnte: Holt die Wäsche herein, waren sie schon unten und nahmen Windeln und Kleidchen von der Leine.“372

Die Liebenzeller Schwester Minna Karrer berichtete ebenfalls, sie sei während einer Krankheit von der einheimischen Bevölkerung liebevoll umsorgt und mit Besuchen bedacht worden; man habe ihr Blumen und Kokosnüsse gebracht und zu ihrer großen Freude habe eine Frau sie besucht, um mit ihr zu beten.373 Missionarin Schultze schilderte, dass sie sich als sie operiert werden musste, unter Schmerzen an ihre samoanische Helferin Alisa geklammert habe, die sie anschließend gesund pflegte.374 Aus der als freundlich und liebvoll beschriebenen Haltung ihrer Schülerinnen ihr gegenüber schloss Schultze: „Ja es ist wahr: wer Liebe säht, wird Liebe ernten!“375 Offenbar gelang es den weiblichen Missionsangehörigen nicht nur vielerorts für produktive Zusammenarbeit und vertrauensvolle Beziehungen zu sorgen, sondern teilweise auch bleibenden Eindruck zu hinterlassen. So berichtete Missionar Decker

370 Ebd.; zum Tod des Missionars Arff und der Hilfe der Indigenen vgl. auch: Unbekannter Verfasser: Aus einem Frauenleben in der Mission, in: Des Meisters Ruf, 7. Jg. (1915), Nr. 2, S. 2-6. 371 Johanna Hanke an den Missionsinspektor, Bongu, April 1919, RMG 2.149. 372 Zitiert nach Neuendettelsauer Missionsblatt, 2. Jg. (1912), Nr. 3, S. 21f. 373 Abdruck eines Briefes von Schw. Minna Karrer, Ron Kiti, 10. April 1909, in: Chinas Millionen, 10. Jg. (1909), Nr. 9, S. 168; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Lina Lüling, Ponape, 3. Dez. 1907, in: Chinas Millionen, 9. Jg. (1908), Nr. 3, S. 55. 374 Schultze, V.: Tagebuch, Einträge vom 28. Sept. u. 21. Okt. 1895, in Privatbesitz. 375 Ebd., Eintrag vom 3. Dez. 1895, in Privatbesitz.

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beispielsweise, dass sich Missionarsfrau Bamler in wenigen Wochen „die Liebe der Eingeborenen erworben“ habe. „Auch jetzt noch, wo sie schon 1 ½ Jahre von hier weg ist, reden die Leute von ihr.“376 Auch die Liebenzeller Missionarsschwester Johanne Polster schrieb aus Ponape über eine Kollegin: „Seit dem Weggang Schwester Klärchens von hier wurde offenbar, was für ein inniges Band der Liebe zwischen ihr und unseren lieben braunen Schwestern geknüpft ist. Letztere waren sehr bewegt über ihr Scheiden.“377 Missionarsfrau Keyßer schrieb, dass die Stationsmädchen weinten, als sie mit den Kindern zum Erholungsurlaub aufbrach und auch als die Missionsgeschwister Hoh von ihrer Station, auf der sie zehn Jahre gelebt haben, auf eine andere umzogen, machte der Abschied sowohl die Deutschen als auch die Einheimischen traurig.378 Für überwiegend gute Beziehungen und langfristige Bindungen spricht auch die Tatsache, dass die Missionsangehörigen oft noch lange nach ihrer Abreise aus dem Missionsgebiet brieflich in Kontakt mit ihren Missionszöglingen standen und auch von ihren Nachfolgern über diese auf dem Laufenden gehalten wurden.379 So berichtete etwa die Rheinische Missionarsfrau Helmich ihrer Freundin und Kollegin Missionarsfrau Bergmann, die mittlerweile in die Heimat zurückkehrt war, von der Taufe ihrer Zöglinge: „[...] du wirst sie ja noch fast alle kennen. [...] Es muß für dich auch eine große Freude sein, daß die Kinder dabei sind, die während Eures Hierseins aufgewachsen sind [...].“380 Die Neuendettelsauer Missionarsfrau Keyßer schrieb nach ihrer Rückkehr über die „liebenswürdigen Wilden“, die ihr ehemaliges Einsatzgebiet bewohnten: „Fern von ihnen, sind wir doch in dauernder Verbindung mit ihnen, schon durch unsere nun ebenfalls in der Mission arbeitenden Kinder, aber auch persönlich durch gegenseitige Briefe.“381 Zu guter letzt muss in diesem Zusammenhang allerdings ein weiteres Mal daran erinnert werden, dass außer diesen wohl meist auf Anregung der Missionsangehörigen geschriebenen Briefe keine von den Einheimischen verfassten Schriftzeugnisse vorliegen, aus denen Rückschlüsse auf ihre Meinung über die Missionsangehörigen möglich wären. Der Eindruck eines überwiegend positiven Verhältnisses zwischen indigener Bevölkerung und weiblichen Missionsangehörigen konnte also nur durch

376 Johann Decker an den Inspektor, Deinzerhöhe, 15. Okt. 1906, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 377 Abdruck eines Briefes von Schw. Johanne Polster, Kiti, März u. April 1913, in: Chinas Millionen, 14. Jg. (1913), Nr. 7, S. 161. 378 Brief von Else Hoh an die Missionsfreundinnen, Logaweng, 9. Jan. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.26. 379 Keyser, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 33; Briefe von einheimischen Jungen an Frau Bergmann, übersetzt von Frau Helmich, Ragetta, Sommer 1906, RMG 2.140; vgl. Rauchholz, M.: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, S. 8. 380 Ida Helmich an Karoline Bergmann, Ragetta, 16. Juni 1906, RMG 2.140. 381 Keyser, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 33.

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Schriftzeugnisse der deutschen Frauen gewonnen werden, die zudem aus den genannten Gründen wohl daran interessiert waren, diese Beziehungen in einem günstigen Licht darzustellen, um den eigenen Missionierungserfolg zu demonstrieren. So ist durchaus denkbar, dass Erfolge betont, Rückschläge hingegen womöglich weniger zur Sprache gebracht wurden. Dennoch macht nicht nur die Fülle von positiven Schilderungen der Begegnungen das in den Quellen vermittelte Bild glaubwürdig, sondern darüber hinaus die Tatsache, dass es in vielerlei Hinsicht ja auch im Interesse der Einheimischen lag, ein positives Verhältnis zu den Missionsangehörigen zu pflegen. Wie anhand der Quellen gezeigt werden konnte, wollten viele von ihnen gerne schreiben, lesen oder nähen lernen und wussten die medizinische Hilfe zu schätzen, die ihnen von den Missionen offeriert wurde. Die Missionsangehörigen waren für die Einheimischen auch interessante Handelpartner, über die man Zugang zu Ressourcen und begehrten westlichen Gütern erhielt, wie beispielsweise Metallwaren oder Salz. Zudem standen viele Einheimische schon von klein auf in regem Kontakt mit der Mission, so dass die Entstehung enger persönlicher Bindungen durchaus plausibel erscheint. 13.3.2 Katholische Missionsschwestern Bedingt durch die religiösen Überzeugungen der katholischen Schwestern und ihren Missionsauftrag waren ihre Beziehungen zur indigenen Bevölkerung größtenteils durch sehr ähnliche Voraussetzungen geprägt, wie die der evangelischen Missionsangehörigen. Auch sie lehnten die traditionelle indigene Lebensweise als „wild“ und „heidnisch“ ab. Wie bei den evangelischen Missionsangehörigen wurde daher in den Schriftzeugnissen der Schwestern nie auf das Stereotyp des „edlen Wilden“ Bezug genommen, wenn die Einheimischen und ihre Lebensweise dargestellt wurden. Der „Wilde“ war immer ein „Heide“ und konnte folglich keine idealen und romantischen Züge tragen. Vielmehr diente der „wilde Menschenfresser“, der keinen Begriff von christlichen Werten und europäischer Kultur hatte, als Kontrastfolie zum bekehrten indigenen Christen.382 Die Schwestern sahen es als ihre Aufgabe an, den in ihren Augen bedauernswerten „armen Heiden“ dabei zu helfen, ihre althergebrachte Lebensweise hinter sich zu lassen und ein christliches Leben zu be-

382 Vgl. P. Andreas Puff: Jahresbericht 1915/16 über die Mission in Kaiser-Wilhelmsland, in: Steyler Missionsbote, 44. Jg. (1916/17), Nr. 9, S. 138; ebenso: Kleiner Herz-JesuBote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 1, S. 14 u. Nr. 8, S. 106; vgl. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 178-181; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 305f; vgl. Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet.

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ginnen.383 Ebenso wie die evangelischen Missionsangehörigen übertrugen die Schwestern ihr eigenes christlich-europäisches Familien- und Geschlechterbild dabei auf die indigene Bevölkerung, und wollten sie nach diesem Ideal „erziehen“. Die Tatsache, dass sie selbst als zölibatär lebende Schwestern nicht das damals vorherrschende Frauenbild erfüllten, spielte für sie in diesem Zusammenhang offenbar keine Rolle. Dabei stellte ihr Verzicht auf Ehe und Mutterschaft für die einheimischen Frauen ein schwer nachvollziehbares, fremdes Lebenskonzept dar. Eine Steyler Schwester schilderte, dass eine Mitschwester von einer indigenen Frau namens Rosa gefragt worden sei, ob die Schwestern keinen Bräutigam hätten: „‚Nein‘, antwortete Schw. Martha, ‚die Schwestern heiraten nie, sie haben aber Jesus zum Bräutigam‘. Da machte sie große große Augen und fragte ganz erstaunt weiter: ‚Ist den Jesus dein Bräutigam und auch von Schw. Valeria und Ursula und Fridolina?‘ Und als Schw. Martha dies bejahte, wurde Rosa noch mehr erstaunt und fragte mehrmals, ob denn das wahr sei. Endlich meinte sie: ‚Aber Jesus ist doch gestorben, wie kann er dann noch Bräutigam sein?‘“384

Die Missionsschwestern bemühten sich, den indigenen Frauen ihre Glaubensüberzeugungen begreiflich zu machen und ihren Teil zur Bekehrung der Bevölkerung beizutragen. Dieses Ziel sollten sie – wie beispielsweise in den Monatsheften der Herz-Jesu-Mission dargestellt wurde – „durch häusliche Arbeiten, Unterricht und Erziehung der weiblichen Jugend, Krankenpflege etc.“ erreichen.385 „Erziehung der weiblichen Jugend“ im Fokus Anders als in den Schriftzeugnissen der evangelischen Missionsangehörigen, die sich entweder auf die Darstellung ihres Familien- und Haushaltsalltags oder – im Falle der Liebenzeller Schwestern – der „Seelenpflege“ konzentrieren, nimmt in den Briefen und Berichten der katholischen Schwestern die Schilderung des Unterrichts und der Erziehung der einheimischen Kinder und Jugendlichen mit Abstand den größten Raum ein. Zur großen Bedeutung, die dem Schulunterricht innerhalb der katholischen Missionierung zugeschrieben wurde, erklärte ein Pater von der Steyler Mission: „Wir legen hohen Wert auf die Schule, denn sie ist thatsächlich die

383 Vgl. beispielsweise Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 6. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet: „Welch eines Glückes entbehren doch diese Menschen!“. 384 Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner HerzJesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 52. 385 Das Schwestern-Missionshaus in Hiltrup bei Münster i. W., in: Monatshefte, 16. Jg. (1899), S. 128; Schw. Imelda an die würdige Mutter, St. Michael, 12. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201.

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Pflanzstätte der Religion. Durch den Mund der Kinder gelangen die christlichen Wahrheiten still und langsam ins Volk.“386 Auch in der Herz-Jesu-Mission war man davon überzeugt, dass man sich auf den Nachwuchs konzentrieren müsse, da die Bekehrung der Erwachsenen deutlich schwieriger schien.387 Ziel der Missionen war es, die Kinder so früh wie möglich und für so lange Zeit wie möglich den „heidnischen Einflüssen“ ihrer Heimatdörfer zu entziehen. Daher unterhielten die Schwestern nicht nur Schulen, sondern auch große Pensionate, in denen einheimische Mädchen aufgenommen wurden und so rund um die Uhr unter der Aufsicht der Schwestern standen.388 Der Tagesablauf der Kinder war von den Schwestern genau strukturiert und setzte sich aus Schulunterricht, Haus-, Hand- und Gartenarbeit, gemeinsamen Gebeten und Mahlzeiten zusammen.389 Durch ihre Arbeit auf der Missionsstation sollten die Kinder ihre Schulsachen, Kleider und ihre Ernährung finanzieren und zugleich an geregeltes Arbeiten gewöhnt werden.390 „Die praktische Anleitung der Kinder und Erwachsenen zu ernster Arbeit ist eben ein unumgänglicher Faktor, wahre Christen und brave Menschen aus ihnen zu machen“, erklärte eine Steyler Schwester.391 Über die Missionszöglinge und Schulkinder, zu denen auf manchen Stationen neben den Mädchen, für deren Erziehung die Schwestern in erster Linie zuständig waren, auch Jungen zählten,392 finden sich im ausgewerteten Quellenmaterial sowohl positive als auch negative Kommentare. Unabhängig von der Missionsgesellschaft überwiegen generell die positiven Darstellungen der Einheimischen – auch wenn die katholischen Schwestern im Gegensatz zu den evangelischen Missionsangehörigen für die melanesische (und teilweise auch für die mikronesische) Bevölke-

386 Bericht über die Missionsstation Monumbo von P. Franz Vormann, in: Steyler HerzJesu-Bote, 29. Jg. (1901/02), Nr. 5, S. 71; vgl. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 199. 387 Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 349. 388 Vgl. Schule und Schulkinder in Monumbo, aus einem Briefe von Schw. Philomena an den hochw. P. Generalsuperior der Gesellschaft, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 8, S. 118. 389 Zum Tagesablauf siehe beispielsweise: Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 1. Feb. 1913, zitiert aus Privatbesitz. 390 P. Franz Vormann: Die Mission in Tumleo, in: Steyler Missionsbote, 32. Jg. (1904/05), Nr. 8, S. 118; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 1. März 1913, zitiert aus Privatbesitz. 391 Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 195. 392 Vgl. beispielsweise: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht für 1912, S. 36; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 10. März 1914, zitiert aus Privatbesitz.

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rung meist die heute sehr abschätzig wirkende Bezeichnung „Kanacken“ verwendeten.393 Den bereits geschilderten „Rassen“-Stereotypen der damaligen Zeit entsprechend, wurde von der mikronesischen Bevölkerung – unter der sowohl die Franziskaner Schwestern im Dienst der Kapuziner Mission auf den Karolinen wirkten als auch einige Herz-Jesu-Schwestern auf den Marshall-Inseln und Nauru – auch innerhalb der Missionen im Allgemeinen ein positiveres Bild verbreitet als von den Bewohnern Neuguineas und des Bismarck-Archipels. So hielt im Juni 1905 der Herz-Jesu-Missionar Callixtus Bader, der sowohl in Melanesien als auch Mikronesien Missionserfahrung gesammelt hatte, einen Vortrag vor den Schwestern im Mutterhaus in Hiltrup, über den die Chronik des Ordens berichtet: „Seine Gegenüberstellung der Bewohner Neupommerns und der Marshall-Inseln fiel wesentlichen zu gunsten der letzteren aus. Besonders hob er die Anhänglichkeit der letzteren hervor und brandmarkte dem gegenüber den Undank der Neupommeraner, von welchen er meinte, daß aus ihnen erst nach 3-4 Generationen gesittete Menschen werden würden.“394

Tatsächlich berichteten auch die Schwestern besonders viel Gutes über die Einwohner des mikronesischen Inselgebietes. Beispielsweise lobte Herz-Jesu-Schwester Domenika die Gemütlichkeit und den Frohsinn sowie den unverwüstlichen Humor der jungen Generation auf Jaluit und schrieb: „Ein reiches Gemüt, ein nach Bildung und Besserung strebender Geist, ein wenigstens über die Mittelmäßigkeit gehendes Talent leuchtet aus den freundlichen und treuherzigen Augen eines solchen Inselkindes.“395 Ihre Mitschwester Stanisla beschrieb ihrer Familie die Bevölkerung Jaluits folgendermaßen: „Zwar sind sie tief in Unsittlichkeit und Lasterhaftigkeit, haben aber auch manche gute Eigenschaft. Besonders zeichnen sie sich durch große Gutmütigkeit aus.“396 Nachdem die Schwester aus gesundheitlichen Gründen nach 393 Vgl. Schw. Angela an das Mutterhaus, St. Paul, 9. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“, unverzeichnet; Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 6. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. Schw. Stanisla bezeichnet beispielsweise auch die Bewohner Naurus als „liebe Kanacken“; siehe: Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 6. Jan. 1905, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. – In den Quellen lautet die Schreibweise meist „Kanacke“, laut aktuellem Duden jedoch „Kanake“. 394 Auszug aus der Hiltruper Chronik, 4. Juni 1905, AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“, unverzeichnet. 395 Schw. Dominika: Plauderei aus der Schule in Jaluit, in: Monatshefte, 25. Jg. (1908), S. 495. 396 Schw. Stanisla an ihre Familie, Jaluit, 21. Jan. 1903, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet.

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Nauru versetzt wurde, berichtete sie über die Menschen dort: „Die Eingeborenen haben einen sehr guten Charakter, sie sind freundlich und zutraulig[sic] u. bringen der katholischen Mission großes Interesse entgegen.“397 Zudem seien sie „schön und schlank gebaut“ und benähmen sich „recht anständig“. In der Kirche nähmen sie eine andächtige Haltung an.398 Die einheimische Bevölkerung belegt Schwester Stanisla in ihren Briefen stets mit positiven Adjektiven wie „die guten Eingeborenen“ oder „die lieben Schwarzen“.399 Auch die von den Marshall-Inseln zurück gekehrte Schwester Leontine schilderte die Schulkinder und den Alltag auf ihrer ehemaligen Station sehr positiv.400 Die Franziskanerin Theresia klagte allerdings, dass es sehr schwer sei, den Bewohnern der Insel Yap die christlichen Glaubensinhalte nahe zu bringen, da sie „gar keine Idee von einem höheren Wesen“ hätten. Das gelte vor allem für die weibliche Bevölkerung.401 Die besondere, mancherorts sehr einflussreiche Stellung der Frauen in Mikronesien wurde von den katholischen Schwestern im Übrigen so gut wie nie thematisiert.402 Eine Ausnahme bildete die Franziskaner Schwester Lotharia, die kurz nach ihrer Ankunft aus Palau schrieb: „Am Weihnachtsfeste war nach dem Gottesdienste die Begrüßung der Frauenwelt. Die Königin mit ihrem Hofstaat, der aus zwölf ‚großen Damen‘ besteht, sowie sämtliche Frauen des Bezirks waren erschienen. Auf Palau nämlich haben die Frauen ihr eigenes Parlament und wählen sich ihre Königin selber, [...].“403

Die Schwester kommentierte diese Verhältnisse aber nicht weiter, bewertete sie nicht und zog auch nicht etwa einen Vergleich zur Situation der Frauen in Europa oder dem Deutschen Reich. Das palauanische „Parlament“ der Frauen wurde von ihr lediglich als Eigenheit der fremden Kultur zur Kenntnis genommen. Die Berichte der Schwestern über die melanesische Bevölkerung weichen zwar etwas, aber nicht so stark von den Schilderungen aus Mikronesien ab, wie man an397 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 27. Mai 1903, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. 398 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. 399 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 6. Jan. 1908, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. 400 Schw. Leontine: Jugendfrohsinn unter Palmen, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 205207. 401 Schw. Theresia: Ein Sonntag auf Yap, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1910, S. 20f. 402 Zur Stellung der Frauen in Mikronesien vgl. Kapitel 2.1. 403 Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1912, S. 35.

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gesichts der damals verbreiteten Stereotype und des oben erwähnten Vortrags von Bader vermuten könnte. Zwar finden sich hier auch negative, kritische und enttäuschte Kommentare über die indigene Bevölkerung und die Missionszöglinge, die positiven und zufriedenen Schilderungen überwiegen jedoch. Eine Steyler Schwester schrieb, den „Kanacken“ sei nicht zu trauen: „Stehlen thun sie wie die Raben und lügen wie die Spitzbuben“ – im Allgemeinen seien sie aber „gutmütig“.404 Eine ihre Mitschwestern berichtete von der melanesischen Insel Ali: „Die Leute sind im allgemeinen willig und freundlich gesinnt.“405 Im selben Brief wird außerdem der regelmäßige Kirchbesuch der indigenen Katholiken gelobt. Über die Ethnie der Baininger, die um die Herz-Jesu-Station St. Paul herum lebten, schrieb Schwester Elisabeth: „Im ganzen sind die Baininger gar nicht so üble Leute; Ausnahmen gibt es ja überall. [...] Im ganzen jedoch haben wir hier ein lustiges, arbeitsames Völkchen, das uns wohl zuweilen Sorgen, aber auch viel Freude bereitet.“406 Besonders ihre Beziehungen zu den einheimischen Kindern und Jugendlichen, die ihrer Erziehung unterstanden, stellen die Schwestern meist als sehr gut dar. Die Steyler Schwester Magdalena berichtete von der Station Tumleo, die kleinen Kinder, die sie als „liebe Schar“ bezeichnete, seien ihr „recht zugetan“ und würden ihr vertrauen.407 Ihre Mitschwester Valeria nannte die Kinder auf der Station „meine lieben krausköpfigen Schützlinge“ und schrieb über ihren Schulalltag: „Ich bin auch recht glücklich unter meinen schwarzen Schülern, freue mich immer, wenn ich wieder bei ihnen bin.“408 Generell wird häufig betont, die Kinder würden zwar

404 Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria an das Mutterhaus, in: Steyler Herz-JesuBote, 28. Jg. (1900/01), Nr. 2, S. 28. Auch Schw. Imelda berichtete, die Kinder auf der Missionsstation St. Michael verstünden es, die Schwestern geschickt zu hintergehen, würden aber nicht nur Sorgen, sondern auch viel Freude bereiten. Ihre Herzen seien „empfänglich für das Gute“, siehe: Schw. Imelda an die würdige Mutter, St. Michael, 12. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201. 405 Schw. Fridolina an die ehrwürdige Generaloberin, Ali, 12. Feb. 1907, AG SSpS, PNG 6201; Dies. (ohne Adressat), Ali, Juli 1912, AG SSpS, PNG 6201: „Es ist eine gesunde Station. Die Leute sind im allgemeinen friedlich und vergnügt.“; vgl. auch die positive Schilderung der Bevölkerung von Ali in: Schw. Deogratias: Eine neue Schwesternstation auf Ali, in: Steyler Missionsbote, 34. Jg. (1906/07), Nr. 6, S. 87f. 406 Schw. Elisabeth an ihre Mitschwestern im Mutterhaus, St. Paul, 19. Juli 1910, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905; II“, unverzeichnet. 407 Abdruck eines Briefes von Schw. Magdalena an den P. Generalsuperior, Tumleo, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 6, S. 94. 408 Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Tumleo, 1. Okt. 1903, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Dies. an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904: „meine schwarzen Kinder sind mir lieb und wert“.

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„tüchtig Arbeit“ bereiten, aber auch viel Freude.409 Entsetzt äußerten die Schwestern sich immer wieder über die „Verdorbenheit“ der Kinder. Für sie war es schockierend zu erfahren, über welche Kenntnisse auf sexuellem Gebiet schon die Kleinen verfügten. Herz-Jesu-Schwester Elisabeth schrieb in diesem Zusammenhang: „Wie ist es auch den Kindern zu verdenken, wenn sie so verdorben sind, da sie von klein an alles Schlechte hören und sehen. Noch die vorige Woche habe ich Sachen von den Kindern gehört, daß ich meinte, es wäre unmöglich, das ein Kind von ungefähr sechs Jahren so verdorben sein könnte, [...].“410

Die Missionsschwestern sahen als ihre Pflicht an, die Kinder vor einem „sündigen Leben“ zu bewahren und beaufsichtigten sie daher streng. So schrieb Herz-JesuSchwester Philomena beispielsweise: „Die Kinder liebe ich sehr und bemühe mich nach Kräften, allen Verpflichtungen nachzukommen. Da wir Knaben von 14-17 und Mädchen gleichen Alters haben, so ist besonders die Aufsicht von großer Wichtigkeit. In allen Schlechtigkeiten sind die Kinder von Jugend auf eingeweiht und führen oft haarsträubende Reden.“411

Den christlichen Moralvorstellungen und dem damaligen europäischen Frauenbild entsprechend, hatten sich die Schwestern zum Ziel gesetzt, die Jungfräulichkeit ihrer Schülerinnen zu schützen, bis sie mit einem katholischen Bräutigam verheiratet werden konnten.412 Um ein Entlaufen der Zöglinge zu verhindern, bei dem sich die Mädchen mit dem anderen Geschlecht hätten einlassen können, wurden nachts sogar mancherorts die Schlafsäle abgeschlossen, wie Katharina Stornig schreibt. Kinder und Jugendliche, die versucht hätten, sich durch Flucht der strengen Aufsicht und Erziehung der Schwestern zu entziehen, seien nach Möglichkeit zurückgeholt 409 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Monumbo, 16. Feb. 1907, AG SSpS, PNG 6201; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 8. Mai 1912, zitiert aus Privatbesitz; vgl. Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 17. Jan 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“ unverzeichnet. 410 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, Juni 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II.“, unverzeichnet; vgl. Schw. Agnes Holler ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; vgl. Schw. Lidwina an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 27. März 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet; vgl. Schw. Imelda an die würdige Mutter, St. Michael, 12. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201. 411 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 27. März 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe / Reiseberichte 1904-1905“, unverzeichnet. 412 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 321f.

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und bestraft worden.413 Entlarvend sind Bemerkungen der Schwestern wie die folgende über die Kinder auf der Steyler Station Tamara: „Jetzt sind sie schon mehr gehorsam, bleiben freiwillig bei uns und helfen sogar bei der Arbeit.“414 Dass die Kinder anfangs oft nicht freiwillig auf der Station blieben, war der Schreiberin also durchaus bewusst. Nach Aussage der Schwestern legt sich der Widerstand der Zöglinge aber nach einer Weile; den Nutzen von Strafen hätten sie in der Regel eingesehen und nicht nachtragend reagiert.415 Über die schulischen Leistungen ihrer Zöglinge finden sich unterschiedliche Urteile in den Berichten der Schwestern. Häufig wird der Unterricht zumindest in der Anfangszeit als anstrengend für beide Seiten beschrieben, da die Kinder das Stillsitzen und disziplinierte Zuhören nicht gewohnt gewesen seien. Dies galt den Schwestern als „ungezogen“ und sie betonten immer wieder, dass sehr viel Geduld in der Schule nötig sei.416 Probleme bereitete den Schülern offenbar überall der Mathematikunterricht; ihr Talent in Gesang und Musik sowie ihr guter Wille wurden hingegen immer wieder gelobt, außerdem seien die Mädchen im Handarbeiten sehr geschickt gewesen.417 Auch wurde vielfach berichtet, die Kinder hätten sehr aufmerksam und interessiert zugehört, wenn die Schwestern von Europa oder Deutschland

413 Ebd., S. 326. 414 Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner HerzJesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 51. 415 Schule und Schulkinder in Monumbo. Aus einem Briefe von Schw. Philomena an den hochw. Generalsuperior der Gesellschaft, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 8, S. 118. 416 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet; Abdruck eines Briefes von Schw. Dorothea an die Mitschwestern im Mutterhaus, St. Paul, 7. Mai 1911, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 197; Schw. Thiatildis an Frau Krämer, Steyl, 29. Juli 1912, zitiert aus Privatbesitz. 417 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 30. Juni 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II.“; Schw. Stanisla an ihre Familie, Jaluit, 21. Dez. 1902, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet; Abdruck eines Briefes von Schw. Gabriele ans Mutterhaus, Malaguna, 1. Juli 1909, in: Monatshefte, 26. Jg. (1909), S. 541; Abdruck eines Briefes von Schw. Dorothea ans Mutterhaus, St. Paul, 7. Mai 1911, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 198; Schw. Dominika: Plauderei aus der Schule in Jaluit, in: Monatshefte, 25. Jg. (1908), S. 495f; Abdruck eines Briefes von Schw. Georgia an den hochwürdigen Pater, Jaluit, 22. Febr. 1905, in: Monatshefte, 22. Jg. (1905), S. 506f; Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1912, S. 35f; Schule und Schulkinder in Monumbo. Aus einem Briefe von Schw. Philomena an den hochw. Generalsuperior der Gesellschaft, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 8, S. 119.

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und seiner Geschichte erzählt hätten.418 Selbst der von den Schwestern immer wieder gezogene Vergleich zwischen den indigenen und deutschen oder europäischen Schulkindern fiel vielfach positiver für erstere aus.419 Auf Vunapope, der Hauptstation der Herz-Jesu-Mission in Neuguinea, unterrichteten die Schwestern seit 1903 in der Schule für weiße und „Mischlingskinder“. Zu den Schülern zählten Chinesen, Malayen, „Mischlinge“ und Weiße.420 Dem damaligen Stereotyp entsprechend schrieb die dort stationierte Schwester Agnes, die „Mischlingskinder“ seien besonders schwer zu erziehen, da sie nur die negativen Eigenschaften der beiden „Rassen“ ihrer Elternteile geerbt hätten.421 Ein knappes Jahr später berichtete dieselbe Schwester jedoch, die Kinder dieser Schule seien „im allgemeinen fleißig“.422 Auch ihnen fiele Rechnen und Grammatik zwar schwer, sie würden jedoch großes Interesse an der Weltgeschichte zeigen, Geographie und Naturgeschichte „mit unermüdlichem Eifer“ betreiben, viel Geschick im Zeichnen aufweisen und Gesang zähle zu ihren Lieblingsfächern. Auch ließen sich die Kinder „in religiöser Beziehung [...] ziemlich gut bilden“ und die Mädchen im Handarbeiten „ziemlich gut anleiten“.423 Häufig waren die Schwestern für sehr große Gruppen von Schülern zuständig, so berichtete beispielsweise die Steyler Schwester Constantina aus Neuguinea, ihrer Sorge seien 90 Kinder anvertraut. „Das ist schon ein Stückchen Arbeit diese wilden Naturkinder in Ordnung zu halten“, schrieb sie an ihre Familie.424 Vor allem die jüngsten Schüler seien „eine lustige und muntere Gesellschaft, die nicht stille sitzen 418 Beispielsweise: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht für 1912, S. 36; Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 6. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 419 Schw. Dominika: Plauderei aus der Schule in Jaluit, in: Monatshefte, 25. Jg. (1908), S. 496f; Schw. Klothilde an das Mutterhaus, Tavui-Liu, 12. April 1908, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Korrespondenz 1911-1941“, unverzeichnet. 420 Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 4. Juli 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 421 Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; vgl. Kapitel 12.4. 422 Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 4. Juli 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 423 Ebd.; vgl. Schw. Lidwina ans Mutterhaus, Vunapope, 5. Feb. 1905, AHM, Ordner „Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Clara an ihre Schwester und ihren Schwager, Vunapope, März 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1910“, unverzeichnet. 424 Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 1. Feb. 1913, zitiert aus Privatbesitz. Auch über die Station Monumbo berichtet Schw. Philomena, die Schülerzahl betrage über 80, siehe: Abdruck eines Briefes von Schw. Philomena an den Generalsuperior, ohne Datum, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 8, S. 118.

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will“. Immer wieder wurde betont, dass man in der Schule streng sein müsse, um sich durchzusetzen; häufig wussten sich die Schwestern nicht anders zu helfen, als durch körperliche Züchtigung Disziplin im Klassenzimmer herzustellen.425 Auch die kleinsten Missionszöglinge, die noch weit entfernt vom Schulalter waren, wurden bereits von den Schwestern geschlagen; so berichtet etwa die Herz-JesuSchwester Elisabeth über das 18 Monate alte indigene Mädchen Maria Luise: „Bei diesem Kinde ist das Köpfchen ziemlich hart, was es oft genug büßen muß. Es kommt vor, daß es bis Mittag schon dreimal den Stock geschmeckt hat. Anfangs, als es bei uns war, durfte keine Schwester es auch nur ansehen, oder es war schon am weinen. [...] Das Kind war gar nicht an Schwestern gewöhnt, weshalb es zuerst eine Kur durchmachen musste, zumal, da die Kinder im Busch nichts von Schlägen wissen.“426

Dass es ihres Wissens nach weder in Neuguinea noch auf den mikronesischen Inseln üblich war, seine Kinder zu schlagen, wurde von den Missionsangehörigen als Zeichen mangelnder Erziehung gewertet.427 Vielfach wird in den Quellen die Überzeugung geäußert, dass es unmöglich sei, die Kinder ohne die Benutzung des Rohrstocks zu erziehen: „Ohne diesen bringt man wirklich in die Kanackenköpfe nichts hinein“, beteuerte Herz-Jesu-Schwester Elisabeth.428 Allerdings war damals diese Ansicht ebenso im Deutschen Kaiserreich weit verbreitet und auch deutsche Kinder wurden zuhause und in der Schule geschlagen, so dass das Verhalten der Schwestern nicht unbedingt mit der spezifischen Situation im Missionsfeld zu erklären

425 Schw. Imelda an die würdige Mutter, St. Michael, 17. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201; Schw. Angela ans Mutterhaus, St. Paul, 9. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein, unverzeichnet; Schw. Elisabeth an das Mutterhaus, Vunapope, 11. Sept. 1904 u. Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 4. Juli 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Dorothea ans Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. 426 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vunapope, 11. Sept. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 427 Vgl. P. Andreas Puff: Das papuanische Kind, in: Steyler Missionsbote, 36. Jg. (1908/09), Nr. 10, S. 154; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 327. 428 Schw. Elisabeth an das Mutterhaus, St. Paul, 19. Juli 1910, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II.“, unverzeichnet; vgl. Schw. Lidwina an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 5. Feb. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet: „Übrigens muss man den ganzen Tag am Schlagen und Schelten sein, wenn man etwas erreichen will.“

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ist.429 Teilweise habe dort die körperliche Züchtigung allerdings Ausmaße angenommen, die sogar von Mitschwestern kritisiert wurden, wie Stornig feststellte. So sei es 1901 über die „exzessive Gewalt“, die einige Steyler Schwestern in Tumleo ausübten, zu ernsten Konflikten in der dortigen Missionsgemeinschaft gekommen, da manche Mitschwestern dieses Verhalten missbilligten.430 Nicht nur in der Steyler Mission gab es Schwestern, die bezweifelten, dass die Schläge, die ihre Kolleginnen austeilten, ein geeignetes Erziehungsmittel waren. Die Oberin der Herz-JesuMission auf den Marshallinseln, Schwester Stanisla, schrieb beispielsweise: „Schelten und Strafen darf man gar nicht, sonst würden sie einfach nicht mehr kommen, man muss sie nur in Liebe zu gewinnen suchen.“431 Schwester Gabriele, die im Dienste derselben Mission im Bismarck-Archipel stationiert war, äußerte sich ähnlich: „Schläge gibt’s nur in Ausnahmefällen. Auch hier bei den Wilden erreicht man mehr durch Güte als mit Strenge.“432 Sowohl diejenigen Schwestern, die die Prügelstrafen für nötig hielten, als auch diejenigen, die diese ablehnten, betonten immer wieder, die indigenen Missionszöglinge zu lieben und ihnen helfen zu wollen. „Das Wohl der Kinder liegt mir am Herzen, und für ihr Heil zu sorgen, ist mein Hauptbestreben“, schrieb beispielsweise Schwester Philomena von der Steyler Mission.433 Dieser Grundhaltung entspricht die überwiegend positive Darstellung der indigenen Kinder in den Quellen. Die Schwestern berichteten in ihren Briefen nicht nur vom Schulunterricht, sondern auch von Handarbeitskursen und vom gemeinsamen Arbeiten mit ihren Zöglingen in Haushalt und Garten. Wie auf den evangelischen Missionsstationen arbeiteten bei den katholischen Schwestern einige Mädchen und Frauen als Haushaltshilfen, zudem mussten die Schülerinnen nach dem Unterricht auf der Station mit Hand anlegen. Junge Mädchen, die bereits aus der Schule entlassen worden waren, wurden auf manchen Stationen in speziellen Haushaltungsschulen fortgebildet. Das Erziehungsziel wurde von den Herz-Jesu-Schwestern folgendermaßen zusammengefasst: „Vor allem bemühen wir uns, ihnen Liebe zu Religion und Tugend, 429 Vgl. Schaeffer, Walter: Das Züchtigungsrecht, Breslau 1908, v.a. S. 8-15, 34-40; Emge, Adolf: Das Züchtigungsrecht des Lehrers, Frankfurt a.M. 1912, v.a. S. 9-28. 430 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 326f. 431 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla“, unverzeichnet. 432 Abdruck eines Briefes von Schw. Gabriele ans Mutterhaus, Malaguna, 1. Juli 1909, in: Monatshefte, 26. Jg. (1909), S. 541. 433 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Monumbo, 16. Feb. 1907, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Schule und Schulkinder in Monumbo. Aus einem Briefe von Schw. Philomena an den hochw. Generalsuperior der Gesellschaft, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 8, S. 119: „Ich bin glücklich in der Mitte der lieben Kinder. Ich habe hier gefunden, wonach ich schon in meiner Jugend verlangt habe, nämlich arme Heidenkinder zu unterrichten.“

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Fleiß und Ordnung einzupflanzen, sie zu braven, tüchtigen Hausfrauen zu erziehen.“434 Wie die evangelischen Missionsangehörigen hielten auch die katholischen Schwestern eine derartige Ausbildung der indigenen Frauen für zentral, um ein christliches Familienleben im Missionsfeld aufzubauen.435 Die „Erziehung“ der Zöglinge in den katholischen Stationshaushalten folgte nicht nur den selben Zielen, die bereits im vorhergehenden Kapitel dargestellt wurden, sondern war auch mit den selben Schwierigkeiten verbunden. Wie alle anderen deutschen Frauen schildern die katholischen Schwestern das Anlernen und das gemeinsame Arbeiten immer wieder als mühselig. Es sei sehr viel Geduld notwendig, da die Einheimischen die ungewohnte Arbeit nur sehr langsam verrichten würden und Fleiß und Ordnungssinn anfangs meist zu wünschen übrig ließen.436 Schwester Ambrosia betonte, man müsse für seine Hilfskräfte „sehr scharfe Augen haben, weil sie sonst immer das treiben, was nicht zu wünschen ist“ und Schwester Theresia berichtete, nur auf eine ihrer acht Helferinnen könne man sich verlassen.437 Schwester Klothilde schildert in einem ihrer Briefe die anfänglichen Schwierigkeiten mit den indigenen Kindern, die auf ihrer Station im Haushalt halfen: „[...] da unsere häuslichen Arbeiten diesen Kindern völlig unbekannt waren, mussten sie zuerst angeleitet werden. So trockneten sie anfangs statt der gespülten Teller die ungespülten und stellten sie ruhig beiseite. Etwas ganz Neues war ihnen unsere Kochkunst, weshalb sie jeden freien Augenblick den Kochherd umringten und die Deckel der Töpfe abhoben. Zum Mittagstisch wollten sie wie zum Frühstück decken, die Suppe sollte man demnach auf einem

434 Papua Neuguinea. Chronik, 1. Teil 1902-1914, 21. Jan. 1908, Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“, unverzeichnet; vgl. Schw. Stanisla an ihre Familie, Jaluit, 21. Jan. 1903, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet; Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 195-198. 435 Vgl. Lutkehaus, N.: Missionary Maternalism, S. 217. 436 Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 1. März 1913 u. 4. Juli 1914, zitiert aus Privatbesitz; Schw. Philomena ans Mutterhaus, Neupommern, 20. Mai 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe / Reise-Berichte 1904-1905“, unverzeichnet; Schw. Clara an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 20. Okt. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II“, unverzeichnet; Schw. Clothilde: Aus dem Kinderleben auf Neupommern, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 492. 437 Schw. Ambrosia ans Mutterhaus, Vunapope, 25. Feb. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Theresia an die ehrenwerte Mutter, Neupommern, 25. Juni 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-10“, unverzeichnet.

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kleinen, flachen Teller servieren. Die Weckuhr wurde mit dem Zifferblatt zur Wand gestellt. Als ich darüber lachte, wollte ein anderer klüger sein und legte sie auf die Seite.“438

Allmählich seien die Zöglinge aber geschickter und für die Schwester eine „gute Stütze“ in den verschiedenen Hausarbeiten geworden.439 Wenn die Einheimischen den Erwartungen der Schwestern gemäß fleißig und zuverlässig arbeiteten, berichteten diese in den Briefen lobend davon.440 Die indigenen jungen Mädchen und Frauen sollten dem europäischen Geschlechterrollenbild gemäß nicht nur in Haus- und Handarbeit ausgebildet werden, sondern auch lernen, ihre Kinder nach den Vorstellungen der Missionsschwestern zu pflegen und zu erziehen. Ungeachtet der Tatsache, dass die Schwestern selbst über keine eigenen Erfahrungen als Mütter verfügten, fühlten sie sich den indigenen Frauen auch auf diesem Gebiet überlegen. Herz-Jesu-Schwester Clothilde berichtete: „Unter unserer Anleitung lernen die Frauen, die rechte Pflege und Erziehung ihrer Kinder, worin wir gar oft selbst eingreifen müssen. Die Mutter ist ja selbst noch sehr der Erziehung bedürftig.“441 Im Rahmen der „Erziehung“ der einheimischen Bevölkerung besaßen Ordnung und Sauberkeit auch für die katholischen Missionsangehörigen zentrale Bedeutung. Herz-Jesu-Schwester Dorothea berichtete aus St. Paul, dass die Stationsvorsteherin jede Woche in alle Häuser des Dorfes ginge, um zu überprüfen, ob diese gründlich gefegt seien. Auch die Kleidung der Bewohner sollte ordentlich gefaltet in Kisten verstaut liegen. War dies nicht der Fall, wurde sie einfach hinausgeworfen.442 Die rigorose Kontrolle durch die Schwestern reichte also selbst in die privaten Wohnräume der indigenen Bevölkerung. Auch das äußere Erscheinungsbild der Missionszöglinge wurde entsprechend beeinflusst: Nur gewaschen durften sie Schule und Kirche betreten und die katholischen Schwestern legten wie die meisten übrigen Missionsangehörigen großen Wert auf Kleider, die europäischen Maßstäben genügten und sauber waren.443 Daher brachten sie den indigenen Mädchen sowohl bei,

438 Schw. Klothilde ans Mutterhaus, Tavui-Liu, 12. April 1908, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Korrespondenz 1911-1941“, unverzeichnet. 439 Ebd. 440 Beispielsweise Schw. Fridolina an die ehrwürdige Mutter, Tumleo, 5. April 1903 u. Schw. Barnaba an die würdige Mutter, Tumleo, 14. April 1909, AG SSpS, PNG 6201. 441 Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 14. 442 Schw. Dorothea ans Mutterhaus, St. Paul, 24. April 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. 443 Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Monumbo, 16. Feb. 1907, AG SSpS, PNG 6201; Agnes Holler ans Mutterhaus, Vunaoope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet.

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diese zu nähen und zu flicken, als auch sie auf europäische Art zu waschen und zu bügeln.444 Abb. 19: Eine Schwester der Herz-Jesu-Mission beim Bügelunterricht (Neuguinea)445

Interessanterweise wurde die Kleidungsfrage offenbar in der Herz-Jesu-Mission auf den Marshall-Inseln toleranter gehandhabt als bei den anderen Missionen. Oberin Stanisla schrieb an ihre Familie, die kürzlich eingeführte europäische Kleidung würde von den Einheimischen nur beim Gottesdienst und Festen getragen: „Wir dringen durchaus nicht darauf, solche Kleider zu tragen, erstens weil sie sehr unpraktisch und zweitens weil sie sehr ungesund sind für solche Naturvölker.“446 Damit nennt Stanisla dieselben Argumente gegen die europäische Kleidung, die auch die Missionskritikerin Krämer-Bannow in den zitierten Texten anführte.447 Auf den Missionsfotografien sind die Zöglinge der Herz-Jesu-Schwestern jedoch stets nach

444 Vgl. beispielsweise Abdruck eines Briefes von Schw. Dorothea ans Mutterhaus, St. Paul, 7. Mai 1911, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 198; Schw. Deogratias: Eine neue Schwesternstation auf Ali, in: Steyler Missionsbote, 34. Jg. (1906/07), Nr. 6, S. 87. 445 Monatshefte, 17. Jg. (1900), S. 107. 446 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. 447 Vgl. Kapitel 13.1.

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europäischem Geschmack gekleidet und im Quellenmaterial waren keine Hinweise darauf zu finden, dass diese Kleidung unbeliebt gewesen sei. Im Gegenteil: Neue Kleider wurden bei der Missionsarbeit als Belohnung oder Geschenk eingesetzt, etwa im Zusammenhang mit der Taufe oder wenn ein Kind neu auf der Station aufgenommen wurde.448 Katharina Stornig hat bei ihrer Recherche zu den Steyler Schwestern hingegen festgestellt, dass der europäischen Kleidung vielerorts ebensoviel Widerstand entgegen gebracht wurde wie den Bekehrungsbemühungen durch die Steylerinnen.449 In deren Schriftzeugnissen ist häufig von Rückschlägen und Misserfolgen zu lesen.450 Auch Stornig kam zu dem Schluss, dass das Verhältnis zwischen den Steyler Schwestern und der indigenen Bevölkerung vielfach sehr angespannt war.451 Konflikte konnten sich beispielsweise bei den Dorfbesuchen der Schwestern ergeben. Krankenpflege und (Not-)Taufen Bei ihren Ausflügen in die Dörfer kümmerten sich die Schwestern um Kranke und verbanden deren Pflege damit, die christliche Glaubensbotschaft zu verbreiten. In einem Artikel über die Krankenpflege der Steyler Missionsschwestern wurde erklärt: „Die Krankenpflege ist eines der wesentlichsten Mittel, die Heiden für die Wahrheit des Christentums zu gewinnen. Die Lehre vom großen Gebot der Liebe erfasst das heidnische Herz vielfach erst dann, wenn es sie praktisch geübt sieht und an sich selber erfährt.“452 Die Steyler Schwestern erlebten anfangs teilweise misstrauische Reaktionen der indigenen Bevölkerung auf ihre medizinischen Bemühungen; nicht selten wurden

448 Schw. Clothilde: Aus dem Kinderleben in Neupommern, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 490; Schw. Dorothea: Bericht über Schw. Lidwina, Palmsonntag 1954, AHM, Ordner „Papaua-Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet; Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 449 Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 310f. 450 Beispielsweise Schw. Fridolina an die ehrwürdige Mutter, Tumleo, 18. Mai 1902, AG SSpS, PNG 6201; Schw. Philomena, Monumbo, 31. März 1911, Brieffragment (ohne Anrede), AG SSpS, PNG 6201; Chronik von Yakamul, Kloster St. Raphael, 1916-18, AG SSpS, PNG 6302; vgl. Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 189. 451 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, beispielsweise S. 250, 259-264. 452 Aus der Krankenpflege der Steyler Schwestern in der Heidenmission, in: Steyler Missionsbote, 43. Jg. (1915/16), Nr. 11, S. 174; vgl. Schw. Imelda an die würdige Mutter, St. Michael, 17. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 244.

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traditionelle Heilmethoden vorgezogen.453 Auch wenn es mancherorts offenbar eine Weile dauerte, bis Zutrauen zu ihren Diensten gefasst wurde, berichteten die Schwestern doch immer wieder, dass die Menschen sie auch von sich aus zu Patienten ins Dorf riefen oder die Missionsstation aufsuchten, um sich verarzten zu lassen.454 Wenn die Schwestern zu im Sterben liegenden Patienten kamen, durften sie die Nottaufe spenden, obwohl das Spenden der Sakramente im Regelfall den männlichen Missionsangehörigen vorbehalten war und die Taufkandidaten normalerweise auf ihren Beitritt zur katholischen Kirche ausführlicher vorbereitet wurden.455 Die Schwestern freuten sich, wenn es ihnen vergönnt war, rechtzeitig „eine Seele zu retten“ und sie berichteten gerne von diesen Missionserfolgen. So heißt es beispielsweise in der Chronik der Steyler Station Regina Angelorum: „Im August 1912 verlieh der liebe Gott uns Schwestern eine große Gnade, da Er uns zu seinen Werkzeugen brauchte, zwei Frauen in Todesgefahr die heilige Taufe zu spenden, welche auch bald nachher starben.“456 Katharina Stornig hat indes herausgearbeitet, dass sich die indigenen Patienten nicht selten der unerwünschten Nottaufe vehement widersetzten und manche der Krankenpflege der Steyler Schwestern aus dem Grund skeptisch gegenüberstanden, dass ihnen die Bekehrungsbemühungen der Ordensfrauen lästig waren.457 Die Schwestern berichteten laut Stornig zudem, dass sich auf Grund ihrer Praxis, vor allem Todkranke zu taufen, bei den Einheimischen die

453 Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria an den Generalsuperior, in: Steyler HerzJesu-Bote, 28. Jg. (1900/01), Nr. 4, S. 58; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 250. 454 Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1911, S. 53; Dies.: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1912, S. 36; Schw. Barnaba an die würdige Mutter, Tumleo, 14. April 1909, AG SSpS, PNG 6201; Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria an den Generalsuperior, in: Steyler Herz-Jesu-Bote, 28. Jg. (1900/1901), Nr. 4, S. 58; Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 455 Vgl. zum üblichen Ablauf bis zur Taufe: Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 1. Juni 1913, zitiert aus Privatbesitz; zu den Nottaufen vgl.: Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 234f. 456 Fortsetzung der Chronik von „Regina Angelorum“, AG SSpS, PNG 6302, S. 1 des Originals; vgl. Schw. Imelda an die würdige Mutter, St. Michael, 17. Mai 1911, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 236; siehe auch Schw. Philomena: Ein Ausflug zu den Sulka (Fortsetzung), in: Monatshefte, 34. Jg. (1917), S. 155. 457 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 251.

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Überzeugung durchgesetzt hätte, wer getauft würde, würde anschließend sterben – was die Akzeptanz der Taufe nicht gerade steigerte.458 Über diese Art der Taufe, die nicht auf Grund der Glaubensüberzeugung des Täuflings erfolgte, sondern teilweise sogar gegen seinen Widerstand, schrieb ein Missionar der Liebenzeller Mission missbilligend: „Da kann man sich fragen, ob man die katholische Taufe in vielen Fällen überhaupt als christliche Taufe ansehen und gelten lassen kann. Die ist doch der reinste Missbrauch des Sakraments, als ob das nur so als Zaubermittel wirke.“459 Das katholische Vorgehen ließ sich nicht mit den Glaubensvorstellungen der Liebenzeller vereinbaren, die auf die „Erweckung“ der Einheimischen setzten und diese – wie die anderen evangelischen Missionen auch – erst nach ausführlicher Vorbereitung und Prüfung zur Taufe zuließen. Die katholischen Schwestern durften auch neugeborene Kinder taufen. Da es in Neuguinea zum Entsetzen der Schwestern immer wieder vorkam, dass einheimische Frauen ihr Kind kurz nach der Geburt töteten, hatten die katholischen Missionen beschlossen, jedes indigene Kind so bald wie möglich zu taufen, um zu verhindern, dass es als „Heide“ starb.460 In den ersten Tagen nach der Geburt war es nach einheimischer Sitte Männern jedoch verboten, die Geburtsstätte zu betreten, so dass die männlichen Missionare keinen Zugang zu den Säuglingen hatten und hierfür die Schwestern einsetzten.461 Diese durften zwar nicht bei der Geburt helfen, weil das für sie als Ordensfrauen als unangemessen galt,462 besuchten die Mutter und das Neugeborene danach jedoch so bald wie möglich, um das Kind für die katholische Kirche zu gewinnen. Ob die Eltern damit einverstanden waren, wurde in der Praxis offenbar nicht unbedingt berücksichtigt; die Taufe der Kinder erfolgte teilweise sogar deutlichem Protest zum Trotz. Eine aufschlussreiche Passage hierzu findet sich in einem Brief der Steyler Schwester Fridolina aus Tamara in „Kaiser458 Ebd., S. 253. 459 Abdruck eines Briefes von Pfarrer Uhlig, Truk, Frühjahr 1914, in: Chinas Millionen, 15. Jg. (1914), Nr. 7, S. 209. 460 Neuß. P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 189f; Schw. Fridolina an die ehrenwerte Mutter, 18. Mai 1902, AG SSpS, PNG 6201; vgl. Schw. Clothilde: Aus dem Kinderleben auf Neupommern, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 490; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 258-267. 461 Vgl. Steffen, P.: Missionsbeginn in Neuguinea, S. 254, Fußnote 278. 462 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 265; vgl. Chronik St. Gabriel, Malol, AG SSpS, PNG 6302, S. 2 des Originals: „Auch sorgen die Schwestern für die Frauen, soviel es sich geziemt für Schwestern.“ Aus dem Quellenmaterial geht hervor, dass sich einige Herz-Jesu-Schwestern über das Verbot hinweg gesetzt und in Notfällen bei Geburten geholfen haben, vgl. Bischof L. Couppé an die Generaloberin, Vunapope, 13. Jan. 1913, in: AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe 1911-1941 / Statistiken / Berichte / Lebensbilder / Jubiläumsfeiern / Eingeborene Schwestern / Vulkanausbruch I.“, unverzeichnet.

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Wilhelmsland“, der im Kleinen Herz-Jesu-Boten abgedruckt wurde. Die Schwester schildert hier, wie sie sich im Auftrag der Missionare auf den Weg machte, um den neugeborenen Bruder einer Missionsschülerin zu taufen: „Da saß nun die arme Frau auf einem Lager von zusammengehefteten Blättern. Eine andere Frau saß neben ihr und trug das Kindchen. Wir gaben ihnen etwas Brot und für das Kind ein Kleidchen und schickten uns dann an, das Kind zu taufen. Als aber die umstehenden Frauen das Wasser sahen, wehrten sie mit Händen und Füßen ab und wollten das Taufen nicht geschehen lassen. Doch wir ließen uns nicht stören und als das Wasser in Strömen die Stirne herablief, wobei die beseligenden Taufworte gesprochen wurden, seufzten sie laut auf. Sobald aber das Kind abgetrocknet war und wir sagten, es sei jetzt katholisch und heiße Hubert, da entstand ein Jubel und große Freude.“463

Die Schwester empfand bei dieser unfreiwilligen Taufe offenbar keinerlei Unrechtsbewusstsein und auch dem Abdruck einer solchen Schilderung stand nichts im Weg, obwohl die Redaktion der Missionszeitschrift dem Artikel eine Anmerkung hinzufügte, die darauf hinwies, dass neugeborene Kinder nur „mit Zustimmung der Eltern und der Sicherheit, daß die überlebenden Kinder früh zu den Missionaren in die Schule kommen und dort in der christlichen Religion unterrichtet werden“ getauft würden.464 Tatsächlich sollten nach den Glaubensgrundsätzen der katholischen Kirche Neugeborene nur dann getauft werden, wenn eine spätere katholische Erziehung gesichert war.465 Daran zweifelten die Schwestern jedoch nicht: „[...] wir können hier auch die Kinder heidnischer Eltern ohne Bedenken taufen, da alle dereinst zu uns in die Schule kommen und im christlichen Glauben erzogen werden“, erklärte beispielsweise die Steyler Missionsschwester Valeria. 466 Fraglich ist, ob den Familien der getauften Kinder die Tragweite der Handlung der Schwestern überhaupt immer bewusst war, oder ob sie der Taufzeremonie nicht oftmals vor allem wegen der Aussicht auf das Kleid für den Täufling aufgeschlossen gegenüberstanden. So schrieb die oben zitierte Steyler Schwester: „Schw. Valeria sagte

463 Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner HerzJesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 52; vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 237. 464 Anmerkung der Redaktion zum Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner Herz-Jesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 52 [Eigene Hervorhebung]. 465 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 234. 466 Schw. Valeria: Aus dem Leben der Missionsschwestern in Neuguinea, in: Steyler HerzJesu-Bote, 28. Jg. (1900/01), Nr. 8, S. 13.

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ihnen, sie sollten uns nur immer mitteilen, wenn sie ein Kindchen hätten, wir brächten ihm dann ein Kleidchen. ‚Ja, ja‘ sagten da alle, ‚und auch Wasser‘.“467 Idealerweise sollten die Eltern zustimmen, ihr Kind den Schwestern so früh wie möglich zur Erziehung auf der Missionsstation mitzugeben, wo es ein neues Zuhause in christlicher Umgebung finden sollte. Ein Pater der Steyler Mission lobte den Beitrag der Schwestern zur Bekämpfung der Kindstötung und schrieb: „Schon eine ganze Reihe von Kindern ist in diesem Jahre durch die Tätigkeit der Schwestern gerettet worden. [...] Für jedes der Mission von den Eltern übergebene Kind erhalten sie als Entgelt die gewünschten Eisenartikel, wie Messer, Äxte, Hobeleisen. Manche Kinder werden so vor dem Tode bewahrt und finden ein Heim in der Schwesternstation.“468

Diese Bemerkung vermittelt einen Eindruck davon, mit welchen Mitteln die Eltern dazu bewegt wurden, ihre Kinder der Mission zur Erziehung zu übergeben. Ob tatsächlich immer eine Gefährdung des Kindes vorgelegen hatte, wenn berichtete wurde, dass die Schwestern wieder ein Kind „gerettet“ hätten, ist fraglich. Da sie die traditionelle indigene Lebensweise als heidnisch kategorisch ablehnten, waren die Schwestern überzeugt, dass es zum Wohle des Kindes auf jeden Fall vorzuziehen sei, dasselbe in einem christlichen Umfeld heranwachsen zu lassen, selbst wenn es dafür von seinen leiblichen Eltern und seiner Familie getrennt würde. Die Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu berichteten, vor allem uneheliche Kinder, Halbwaisen und Waisen auf den Missionsstationen groß zu ziehen, die dort vor sittlicher Gefährdung bewahrt werden sollten, die ihnen nach Ansicht der Schwestern in ihren Dörfern drohte.469 Nach Angaben der Schwestern handelte es sich bei den indigenen Missionszöglingen meist um sogenannte „Sklavenkinder“, die in Folge von ethnischen Konflikten ihre Freiheit verloren hatten und von der Mission aus diesem Schicksal befreit worden waren.470 Manchmal schrieben die katholischen Schwestern, Einheimische hätten ihnen von sich aus Kinder zur Erziehung gebracht; so sei etwa den Steyler Missionsschwestern der Station Monumbo

467 Abdruck eines Briefes von Schw. Fridolina, Tamara, 21. Sept. 1899, in: Kleiner HerzJesu-Bote, 27. Jg. (1899/1900), Nr. 4, S. 52; vgl. Schw. Clothilde: Aus dem Kinderleben auf Neupommern, in: Monatshefte, 29. Jg. (1912), S. 490; vgl. Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria, wahrscheinlich Nov. 1900, in: Steyler Herz-Jesu-Bote, 28. Jg. (1900/01), Nr. 8, S. 114. 468 P. Girars: Der Kindermord in Neuguinea, in: Steyler Herz-Jesu-Bote, 37. Jg. (1909/10), Nr. 3, S. 43. 469 Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 146. Zu den unehelichen Kindern, die Verbindungen zwischen weißen Männern und indigenen Frauen entstammten, vgl.: Janssen, Arnold P.: Die Erziehungsanstalt für halbweiße Kinder, S. 150. 470 Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 145f.

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ein dreimonatiges Baby und ein dreijähriges Mädchen übergeben worden, die ihrer Aussage nach „von Arbeitern der Neuguinea-Kompagnie in einem Streite ihren Eltern geraubt worden“ waren und der Mission „geschenkt“ wurden.471 Katharina Stornig weist in ihrer Arbeit darauf hin, dass die von ihr ausgewerteten Quellen kaum Aufschluss darüber geben, unter welchen Umständen die Missionszöglinge in die Obhut der Schwestern kamen. Die von den Schwestern als „Waisen“ bezeichneten Kinder hätten nicht unbedingt wirklich keine leiblichen Eltern mehr gehabt.472 Zwar mag es durchaus Fälle gegeben haben, in denen die Einheimischen freiwillig den katholischen Schwestern Kinder zur Erziehung übergeben haben und sicherlich fand manches Waisenkind dort ein neues Zuhause, doch müssen die Angaben der Ordensfrauen in dieser Hinsicht mit Vorbehalten gelesen werden, denn dass die Eltern häufig unter Druck gesetzt wurden, die Kinder den Schwestern anzuvertrauen, lässt sich an Hand der Quellen belegen.473 So findet sich in der Chronik der HerzJesu-Schwestern von den Marshall-Inseln der aufschlussreiche Vermerk, dass erst im Jahr 1913 die erste einheimische Frau ihre Tochter „aus eigenem Antrieb“ für die Missionsschule anmeldete – und das obwohl die Schwestern bereits seit 1902 dort tätig waren.474 „Bis dahin waren die Kinder der Eingeborenen durch Zureden erworben“, heißt es in der Chronik.475 Die Haltung der indigenen Bevölkerung gegenüber den katholischen Missionsschwestern Wie sich bereits zeigte, lieferte das unbedingte Ziel der katholischen Schwestern, die indigene Bevölkerung zu missionieren und am besten von früh auf in christlicheuropäischem Sinn zu erziehen, einiges Konfliktpotential, das manchmal zu abweisenden Reaktionen führte. Diese Spannungen werden vor allem in den Schriftzeugnissen der Steyler Mission artikuliert. Die meisten der ausgewerteten Berichte von Schwestern der unterschiedlichen katholischen Missionen zeichnen dennoch ein überwiegend harmonisches Bild vom Miteinander mit der indigenen Bevölkerung. Im Folgenden sollen diese Schilderungen einer genaueren Betrachtung und Prüfung unterzogen werden. Dabei darf einmal mehr nicht aus den Augen verloren werden, dass von indigener Seite kein Quellenmaterial vorliegt. Wiederum kann nur aus den

471 Gründung und Geschichte des Schwesternhauses in Monumbo, (ohne Verf.), AG SSpS, PNG 6302, S. 6 des Originals. 472 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 324f. 473 Vgl. auch zu dem Druck, den die Angehörigen der Herz-Jesu-Mission auf indigene Eltern ausübten, ihnen ihre Kinder zur Erziehung zu übergeben: Gouverneur Hahl an das Auswärtige Amt / KA, Herbertshöhe, 15. April 1905, BArch, R 1001/2577. 474 Vgl. Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 4 der Abschrift, Ordner „Marshall 1902-1919, I“, unverzeichnet. 475 Ebd.

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deutschen Berichten herausgearbeitet werden, wie die einheimische Bevölkerung den Schwestern gegenübertrat, wobei zu befürchten ist, dass die Ordensfrauen gute Beziehungen besonders hervorhoben und Missstimmungen verschwiegen oder herunterspielten, um ihren Bekehrungserfolg zu demonstrieren. Schon der Empfang der Schwestern im Missionsgebiet wird wie bei den evangelischen Missionsangehörigen überwiegend positiv geschildert. Den Briefen nach näherten sich besonders die Kinder den Schwestern neugierig und freuten sich über deren Ankunft.476 Die Steyler Schwestern auf der Station Ali seien von den Kleinen rufend und jubelnd begrüßt worden, wie eine der Neuangekommenen berichtete.477 Sie hätten die Missionsschwestern umringt und vieles gefragt. Als die Kapuziner Mission eine neue Niederlassung auf Yap gründete, berichtete eine der Schwestern, die einheimischen Frauen seien zur Begrüßung der Neuankömmlinge zu deren Unterkunft gekommen und hätten ihre Freude über das Erscheinen der Ordensfrauen geäußert, da sie gerne von ihnen unterrichtet werden wollten.478 Selbst in den Dörfern um die Station Monumbo, die sich später als wenig erfolgreiches Missionsfeld erwies, wurden die Steyler Schwestern offenbar zunächst freundlich aufgenommen. Männer, Frauen und Kinder hätten ihnen die Hand zur Begrüßung gereicht und manche hätten ihnen zum Zeichen der Freundschaft Gras um den Arm gewickelt, wie die Schwestern berichteten.479 Vereinzelt werden allerdings auch ängstliche Reaktionen der indigenen Bevölkerung geschildert: Die Steyler Schwester Valeria berichtete von ihrer Ankunft auf der Station Tumleo, dass sich kein Kind getraut habe, der neuen Schwester die Hand zu geben. Als sie am nächsten Tag die Kleidung der Missionszöglinge ausbessern wollte, habe ein Kind zu weinen begonnen, als sie sich ihm mit der Nadel näherte.480 In den meisten Schriftzeugnissen der Missionsschwestern werden die Kinder aber als „anhänglich“ beschrieben.481 Sie hätten die Schwestern bald in ihr Herz geschlossen, wie in den Quellen berichtet wird. So liest 476 Beispielsweise Schw. Ambrosia ans Mutterhaus, Vunapope, 19. Dez. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet. 477 Schw. Deogratias: Eine neue Schwesternstation auf Ali, in: Steyler Missionsbote, 34. Jg. (1906/07), Nr. 6, S. 87. 478 Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1912, S. 35. 479 Die Anfänge der Schwesternniederlassung auf Monumbo. Aus den Briefen der Missionsschwestern Martha und Philomena, in: Steyler Missionsbote, 30. Jg. (1902/03), Nr. 7, S. 103f. 480 Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria, Tumleo, Steyler Herz-Jesu-Bote, 28. Jg. (1900/01), Nr. 1, S. 9f. 481 Beispielsweise: Schule und Schulkinder in Monumbo. Aus einem Briefe von Schw. Philomena an den hochw. Generalsuperior der Gesellschaft, in: Steyler Missionsbote, 31. Jg. (1903/04), Nr. 8, S. 119; Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 6. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet.

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man etwa über Schwester Lidwina, die auf St. Paul tätig war: „Die Kinder waren immer froh, wenn sie zu ihnen kam, dann riefen immer einige: ‚Das ist meine Mutter!‘“482 Schwester Juliana sei ebenfalls wegen ihrer vielen Scherze bei den Kindern auf Vunapope und St. Paul beliebt gewesen. Sie hätten gerne von ihr gelernt und ihr im Gegenzug beigebracht, wie man das einheimische Gemüse und die Früchte zubereite.483 Von der Zuneigung, die die Kinder auf St. Paul den Nonnen entgegenbrachten, berichtete auch Schwester Anna: „Neulich sagte ich zu den Kindern, ich ginge wieder, weil sie uns doch nicht folgen wollten, da fingen sie alle laut an zu weinen und versprachen auch jetzt immer brav zu sein.“ 484 Wenn eine der Missionsschwestern krank sei, würden die Kinder in der Kapelle für sie beten. Häufig begleiteten die Missionszöglinge die Schwestern auf ihren Spaziergängen und Wanderungen „in den Busch“. Diese Ausflüge erfreuten sich bei den Kindern großer Beliebtheit, wie die Ordensfrauen berichteten und entsprechend herrscht bei der Schilderung dieser Unternehmungen stets eine fröhliche und unbeschwerte Stimmung vor. So beschrieb Herz-Jesu-Schwester Clara etwa einen Badeausflug mit den Stationskindern und „ungefähr 70 Kanackenmädchen“.485 Die Schwestern bewunderten die Schwimmkünste der Kinder und beschlossen, ebenfalls zu baden: „Da aber hättet ihr den Jubel der Kinder hören sollen. Jede Schwester war von einer Schar kleiner Wollköpfe umringt, die uns fröhlich ins Wasser trugen und mit uns weit ins Meer schwammen. Dann wurden Baumstämme ins Meer gerollt, woran wir uns halten oder auch draufsetzen konnten, um nicht müde zu werden. Wir haben auch nach Anleitung der Schwarzen Schwimmproben gemacht, es aber noch nicht weiter darin gebracht als ein Backstein. [...]. Die Kleinen wollten sich wohl totlachen [...]. Nach dem erquickenden Seebade ging es zu Tisch im Urwald. Größere Kanackenmädchen hatten flink am Feuer ein gutes Essen bereitet. Mutter Erde war der Tisch, Bananenblätter das Tischtuch und auch Servierschüssel. Alles schmeckte vortrefflich.“486 482 Schw. Dorothea: Bericht über Schw. Lidwina, Palmsonntag 1954, AHM, Ordner „Papua Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet. 483 Schw. Dorothea: Bericht über Schw. Juliana, ohne Datum, AHM, Ordner „Papua Neuguinea. Lebensbilder der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet. 484 Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 6. März 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 485 Schw. Clara ans Mutterhaus, Vunapope, 11. Mai 1903, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-10“, unverzeichnet; vgl. beispielsweise: Schw. Philomena: Ein Ausflug zu den Sulka, in: Monatshefte, 34. Jg. (1917), S. 103108, 155f; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 31. Aug. 1913, zitiert aus Privatbesitz. 486 Schw. Clara ans Mutterhaus, Vunapope, 11. Mai 1903, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-10“, unverzeichnet.

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Die Ausflügler begegneten auf ihren Wanderungen häufig Einheimischen, die der Mission noch fern standen und die von den Schwestern in Abgrenzung zu den bereits Bekehrten als „Buschkanacken“, „Buschleute“ oder „Buschweiber“ bezeichnet wurden.487 Diese staunten oft sehr über das Erscheinen der Schwestern und musterten sie interessiert. Im Gegensatz zu den evangelischen Missionsangehörigen, die alle keine spezielle Tracht trugen, erweckten die Schwestern schon durch ihre Ordenskleidung großes Interesse unter der einheimischen Bevölkerung.488 Manche von ihnen hatten noch nie eine Nonne gesehen und teilweise bereite es ihnen offenbar sogar Probleme einzuordnen, ob die seltsam gekleideten Wesen Männer oder Frauen waren.489 Herz-Jesu-Schwester Anna schilderte in einem Brief an ihre Familie die Begegnung mit einem indigenen Mann, den sie auf einer Wanderung mit einigen Missionsmädchen im Urwald traf: „Er hatte noch ein sehr wildes Aussehen, denn er war noch ein Heide. Wir riefen ihm ein freundliches Joko [einheimischer Gruß; L.L.] zu. Ich fragte ihn nun, ob er Katholik wäre oder ob er in den Unterricht ginge, aber er sagte mir auf alles nein. Er that nichts, als mich ansehen, denn so ein Wesen hatte er noch nicht gesehen. Als wir nachher wieder zurückkamen, war sein Weib an dem Weg und besah mich, und Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sie sich freute, als ich sie ansprach, viel konnte ich ja nicht mit ihr sprechen, weil ich der Sprache noch nicht mächtig bin.“490

Manchmal berichten die Schwestern auch von scheuen Reaktionen auf ihr Erscheinen in den einheimischen Siedlungen.491 Da die Nonnen aber stets von einigen indigenen Missionszöglingen begleitet wurden, konnten diese Mädchen meist schnell

487 Vgl. beispielsweise Agnes Holler ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 488 Die Liebenzeller Missionsschwestern werden erst seit Anfang der 1920er Jahr in eine einheitliche Schwesterntracht eingekleidet. (Auskunft der Liebenzeller Archivschwester Ilse Szaukellis; vgl. Kalmbach, K.: Mit Gott von Mensch zu Mensch, S. 195). 489 Gründung und Geschichte des Schwesternhauses in Monumbo (ohne Verf.), AG SSpS, PNG 6302, S. 3 des Originals: „Sie wussten wirklich nicht, was sie an den Schwestern hatten. Öfter wurden letztere von ihnen auf Pidgin-Englisch gefragt, ob sie Männer oder Frauen seien.“; vgl. Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet: „[...] Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sie uns musterten von Kopf bis Fuß, denn viele von ihnen hatten noch keine Schwester gesehen.“; Schw. Philomena: Ein Ausflug zu den Sulka, in: Monatshefte, 34. Jg. (1917), S. 107. 490 Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 491 Schw. Philomena: Ein Ausflug zu den Sulka, in: Monatshefte, 34. Jg. (1917), S. 107.

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vermitteln und ängstliche Dorfbewohner beruhigen.492 Den Berichten nach zu urteilen liefen dort, wo die Schwestern schon bekannt waren, die indigenen Frauen und Kinder ihnen oft auch schon zur Begrüßung entgegen, wenn sie sie nahen sahen. Die Steyler Schwester Valeria schrieb beispielsweise aus Tumleo: „Man sieht uns gerne kommen. Die Kinder kommen von allen Seiten herbeigesprungen und begleiten uns nicht selten bis zu unserer Wohnung. Die Mütter eilen mit ihren Kleinen auf dem Arme herbei, um einige Worte mit uns zu wechseln, [...].“493 Vor allem die Herz-Jesu-Schwestern schrieben, dass ihnen unterwegs häufig etwas zu essen oder eine Betelnuss angeboten wurde,494 was als Zeichen der Freundschaft gedeutet und daher gern angenommen wurde: „Man kann den Kanacken nun keine größere Freude machen, als wenn man mit ihnen isst. Und weshalb sollte man den Leuten die Freude nicht machen? Man thut es ja nur, um dadurch Seelen für den lieben Gott zu gewinnen“, berichtete Schwester Anna.495 So schilderte auch ihre Mitschwester Clara, dass sie und ihre indigenen Begleiterinnen auf einem Ausflug die Gastfreundschaft der Einheimischen genossen.496 Zwar ekelte sich die Schwester vor den schmutzigen Händen des Kochs, beschrieb die zwischen heißen Steinen gekochten, in Blätter gewickelten Speisen aber als wohlriechend und probierte sie. Wenig später wurden die Wanderinnen von einigen Frauen und Mädchen zum Betelkauen eingeladen: „Nach dem Jokogruß wurden gleich einige Matten für uns herangeschleppt, auf welchen wir uns niederlassen mussten. Ein Mädchen biß eine Betelnuss für uns auf, und so ein Zeichen

492 Ebd. 493 Abdruck eines Briefes von Schw. Valeria an den Generalsuperior, in: Steyler HerzJesu-Bote, 28. Jg. (1900/01), Nr. 4, S. 58; vgl. Schw. Imelda an die würdige Mutter, Monumbo, 12. Juni 1913 AG SSpS, PNG 6201; Abdruck eines Briefes von Schw. Mathilde ans Mutterhaus, Malagunan, 30. Dez. 1906, in: Monatshefte, 24. Jg. (1907), S. 490. 494 Zur Sitte des Betelkauens siehe Kapitel 12.1, Fußnote 11. 495 Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 496 Schw. Clara ans Mutterhaus, Vunapope, 23. Sept. 1905, AHM, Ordner „PNG – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1910“, unverzeichnet; siehe auch: Dies. an ihre Schwester und ihren Schwager, Neupommern, 15. Dez. 1906, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1910“, unverzeichnet. Hier schildert Schwester Clara, dass sie gemeinsam mit einigen Mädchen an einem Festessen in einem einheimischen Dorf teilnahm: „Hühner, Taros, Bananen, Jams, einheimische Nüsse etc. alles ganz vortrefflich zubereitet, und wurde auf Blättern am Boden serviert. Wir griffen dreiste zu.“

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der Gastfreundschaft darf man niemals abschlagen. Unsere Zähne hatten bald einen roten Anstrich bekommen [...].“497

In diesen Schilderungen der Herz-Jesu-Schwestern fällt auf, dass sie sich im Kontakt mit der indigenen Bevölkerung relativ weit auf die einheimischen Sitten einließen, um gute Beziehungen herzustellen, wie obige Beispiele zeigen. Die Schwestern aßen auf ihren Ausflügen nicht nur landestypisches Essen, das auf Blättern serviert wurde, und kauten Betel; Schwester Sophia berichtete außerdem, dass sie mit Schwester Kunigunde wie die einheimischen Frauen auf der Erde lag und die Kinder in einem Kreis außen herum – ein Bild, das zunächst erstaunt, wenn man sich die Nonnen in ihren langen Gewändern vorstellt und die Autorität, die sie verkörpern sollten.498 Allerdings wird an anderer Stelle deutlich, dass die Schwestern offenbar grade diese Szenerie den Lesern gerne vor Augen führten, wohl weil dieses Bild die Verbundenheit mit den Einheimischen demonstrieren sollte. Schwester Anna aß ebenfalls gerne mit den Kindern im Urwald und schrieb ihrer Familie von St. Paul: „Das Pläsier können Sie sich gar nicht denken. Es ist auch ein sehr schönes Bild, wenn da eine Schwester so mitten unter einer ganzen Schar schwarzer Kinder sitzt.“499 Die katholischen Missionsschwestern begegneten den Einheimischen nicht nur bei Besuchen in deren Siedlungen, sondern die Menschen kamen auch aus eigenem Antrieb aus der Umgebung auf die Missionsstationen, ebenso wie es bereits bei den evangelischen Missionsangehörigen geschildert wurde. So schrieb Herz-JesuSchwester Agnes von der Hauptstation Vunapope beispielsweise: „An Sonntagen kommt immer eine Anzahl Buschweiber zu uns, lassen sich die Wunden verbinden, sagen ‚Joko‘ und wollen etwas plaudern und spielen oder sie bieten uns ihre Waren, wie James [Yams], Taros, Zuckerrohr, Pitt etc. zum Verkaufen an. [...] Während des Essens steht oft ein ½ Dutzend Weiber am Fenster und sehen uns zu [...].“500 497 Schw. Clara ans Mutterhaus, Vunapope, 23. Sept. 1905, AHM, Ordner „PNG – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-10“, unverzeichnet. Schwester Dorothea berichtete ans Mutterhaus, dass Schwester Clara den neu angekommenen Missionsschwestern beibrachte, wie man nach einheimischer Sitte Betel kaute, vgl.: Schw. Dorothea ans Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen“, unverzeichnet. 498 Schw. Sophia ans Mutterhaus, Vunapope, 19. März 1904, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet. 499 Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 6. März 1904, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 500 Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; vgl. Schw. Dorothea ans Mutterhaus, Vunapope, 20. März 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missi-

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Den „Kanackenherren“ und „-damen“ sei jeder Zeit freier Zutritt zur Station gestattet.501 Sowohl die Steyler als auch die Herz-Jesu-Schwester berichteten, dass abends manchmal weinende einheimische Frauen Zuflucht auf der Missionsstation suchten, die sich mit ihren Männern gestritten hatten oder von diesen verstoßen worden waren.502 Offenbar suchten die Frauen in solchen Situationen also Schutz oder Trost bei den Ordensfrauen, was wohl als Indiz für ein vertrauensvolles Verhältnis gelten darf. Auch die Franziskanerinnen schrieben aus Palau, dass die Einheimischen sie oft auf der Station aufsuchen würden, beispielsweise wenn sie medizinischer Versorgung bedürften oder ein anderes Anliegen hätten.503 Von der Insel Nauru berichtete Herz-Jesu-Schwester Stanisla: „Die Frauen und Kinder kommen sehr häufig zu uns und sind glücklich, wenn sie uns irgend einen kl. Dienst leisten können. Oft bringen sie uns Kokosnüsse, Palmwein, Pandanus usw.“504 Die einheimischen Frauen hätten sich zudem nachdrücklich dafür eingesetzt, dass Schwestern bei ihnen stationiert blieben. Zeitweise wurde von der Missionsleitung offenbar erwogen, die Schwestern von der Station im Norden abzuziehen und dem Pater stattdessen einen Bruder beizugeben. Schw. Stanisla schilderte die Reaktion der indigenen Bevölkerung auf diese Pläne: „Als die Leute im Norden davon erfuhren, waren sie sehr traurig u. baten wiederholt, wir sollten sie doch nicht alle verlassen. Als dies aber nicht half, wir konnten ihnen ja nichts versprechen, gingen die Frauen v. dieser Station, die sonst immer so bange und verlegen sind, zum hochw. P. Provinzial, als derselbe hier weilte u. trugen unserm guten Vater ihr Anliegen vor u. nicht umsonst. Er versprach ihnen, wenn die Finanzen es eben erlauben würden, sollten noch Schwestern v. Europa kommen u. auf beiden Stationen sollten dann Schwestern sein.“505

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onarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet; Abdruck eines Briefes von Schw. Franziska (Auszug), Vunapope, 10. Jan. 1903, in: Monatshefte, 30. Jg. (1903), S. 203f , 206. Schw. Agnes ans Mutterhaus, Vunapope, 18. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 14; Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 200. Schw. Lotharia: Plaudereien von den Palau-Inseln, in: Aus den Missionen der rhein.westf. Kapuziner-Ordensprovinz, Jahresbericht 1911, S. 53; vgl. Schw. Bernardina: Ein weißer Sonntag auf Ponape, April 1913, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner-Ordensprovinz, Jahresbericht 1913, S. 55-57 (in diesem Bericht werden die Besuche der indigenen Bevölkerung auf der Missionsstation jedoch eher als lästig dargestellt, vor allem die damit verbundene „Bettelei“). Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 7. Feb. 1904, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet; vgl. auch Dies. an ihre Familie, Nauru, 6. Jan. 1905, ebd. Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 6. Jan. 1905, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet.

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Vor allem die Berichte der Herz-Jesu-Schwestern sind also in erster Linie durch harmonische Schilderungen geprägt, die Steyler Schwestern artikulieren hingegen häufiger Konflikte mit der indigenen Bevölkerung. Durch den Druck, den die Schwestern teilweise auf die indigene Bevölkerung ausübten, sich taufen zu lassen und ihre Kinder auf der Missionsstation in christliche Erziehung zu geben, machten sie sich mancherorts unbeliebt. Wenn die Kinder erst einmal auf der Missionsstation aufgenommen worden waren, gestanden die Schwestern den Eltern offenbar kein Recht mehr auf ihren eigenen Nachwuchs zu. In einer Passage aus der Chronik der Steyler Schwesternstation Monumbo wird deutlich, dass die Ordensfrauen selbst nach dem Tod ihrer Zöglinge noch Anspruch auf diese erhoben. In der Chronik wird geschildert, wie ein indigenes Stationsmädchen plötzlich an einer Leberkrankheit starb, wobei die Schwestern für den schnellen Tod interessanterweise „allerlei Hokuspokus und heidnische Zaubereien“ des Onkels der Patientin verantwortlich machten.506 Zwischen den Schwestern und der Mutter entbrannte in Folge ein Streit um die Leiche: „Kaum eine halbe Stunde nach dem erfolgten Tode, als eben keine Schwester zu sehen war, schlich sich die Mutter des Mädchens heimlich nach oben, nahm die Leiche auf den Rücken und wollte sie eiligst zum Begräbnis ins Dorf tragen. Da trat ihr aber noch eben rechtzeitig eine Schwester in den Weg, und nach vielem Hin- und Herreden gab sie doch endlich, wenn auch mit Unwillen, die Leiche zurück. Am folgenden Morgen sollte das Begräbnis auf dem Friedhofe der Mission stattfinden. Schon um 4 Uhr war die Mutter wieder da und stimmte die jämmerlichsten Klagelieder an. Bevor die Leiche zur Kirche abgeholt wurde, sollte der Sarg geschlossen werden. Bei dieser Gelegenheit nun wurde die Mutter von Schmerz oder vielmehr Ärger überwältigt, daß sie ihr Kind nicht nach heidnischer Sitte in ihrem Hause begraben konnte, und um dieser ihrer Stimmung etwas Luft zu machen, fing sie an, ehrwürdige Schwester Vorsteherin ordentlich durchzuprügeln, bis der Häuptling kam und sie fortholte.“507

Angesicht solcher Vorfälle scheint es wenig überraschend, dass Schwester Philomena einige Jahre später klagte, dass die Missionierung der Bevölkerung von Monumbo keine guten Fortschritte mache.508 Monumbo wurde auch in der Darstellung der Geschichte der Steyler Missionsschwestern von Perboyre Neuß als „ein sehr

506 Gründung und Geschichte des Schwesternhauses in Monumbo, (ohne Verf.), AG SSpS, PNG 6302, S. 8f des Originals. Der Vorfall muss sich im Jahr 1904 ereignet haben. 507 Ebd. 508 Schw. Philomena, Monumbo, 31. März 1911, Brieffragment (ohne Anrede), AG SSpS, PNG 6201.

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steinichtes Missionsfeld“ beschrieben.509 Der auf dieser Station tätige Missionar P. Vormann schilderte die Arbeit dort ebenfalls als besonders schwierig, was er mit dem Misstrauen der Einheimischen allem Fremden gegenüber erklärte. Es sei ihm nicht gelungen, Kinder für ein Leben auf der Station zu gewinnen und auch um sie zum Schulbesuch zu bewegen, habe er verschiedenste Mittel anwenden müssen. Er habe die Kinder in den Dörfern immer wieder eingeladen, sie mit einem Lendentuch als Geschenk gelockt und als das langfristig nichts half, sogar ihre Eltern nicht mehr beim Tauschhandel berücksichtigt, um sie unter Druck zu setzen.510 Auf anderen Stationen sei die Situation aber besser. In Monumbo sei es nicht nur „äußerst schwer, die Leute zu gewinnen“, schrieb Schwester Philomena, sondern die Regierung bestärke zudem die Bevölkerung in ihren „heidnischen Gebräuchen“ und entfremde sie der Mission. Die Schwester fuhr fort: „Sowohl den Erwachsenen als (auch) den Kinder merkt man an, daß unser Ansehen bei ihnen immer mehr schwindet. [...] Für uns bleibt ja noch der Trost, daß wir nicht vergebens arbeiten, wenn wir auch hier keine Früchte sehen. Trotzdem fließt noch manches Tränchen, wenn man durch die Dörfer geht und die Leute so gleichgültig und schweigsam daliegen sieht.“511

Im selben Jahr hatte der Stationsvorsteher einige der Stationsmädchen der Schwestern auf Grund „schlechten Betragens“ bestraft, wie in der Chronik berichtet wird. Daraufhin verließen am nächsten Morgen acht dieser Mädchen die Missionsstation, fünf weitere folgten nach zwei Tagen. Den gegenteiligen Erwartungen der Schwestern zum Trotz kamen die Mädchen nicht zurück, sondern wollten wieder „heidnisch leben“, wie es in der Chronik heißt. „Und nicht waren es diese Mädchen allein, die sich so betrugen – nein, sie hatten in kurzer Zeit die ganze Schuljugend nach sich gezogen, so daß von einem regelmäßigen Schulunterricht keine Rede sein konnte.“512 Auch das Engagement der Schwestern gegen die Kindstötungen und ihr damit einhergehender Versuch, jedes Neugeborene zu taufen, brachte ihnen Feindschaft ein. Da auch die Kolonialregierung den Kampf gegen diese Tötungen unterstützte, konnten verdächtige Mütter auf die Anzeige der Missionsschwestern hin zur Strafe in Arrest genommen werden.513 Katharina Stornig zitiert in diesem Zusammenhang

509 Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 190; vgl. zu Monumbo auch Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 261. 510 P. Franz Vormann: Wie geht es in Monumbo?, in: Steyler Missionsbote, 30. Jg. (1902/03), Nr. 4, S. 55 511 Schw. Philomena, Monumbo, 31. März 1911, Brieffragment, AG SSpS, PNG 6201. 512 Gründung und Geschichte des Schwesternhauses in Monumbo, AG SSpS, PNG 6302, S. 15f des Originals. 513 Vgl. Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 259f.

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einen aufschlussreichen Brief der Schwester Valeria: „Dadurch haben wir uns bei den Frauen verhasst gemacht. Dieser Tage sagte man mir noch ins Gesicht, früher hätten sie tun können was sie wollten, jetzt würden wir immer da rumlaufen und wollten die Kinder taufen. Man wird nicht selten ausgeschimpft von den Frauen, [...].“514 Vergleichbare derartige offene Auseinandersetzungen zwischen den Ordensfrauen und der indigenen Bevölkerung, wie sie in den Schriftzeugnissen der Steyler Schwestern geschildert werden, waren im Quellenmaterial zu den Herz-JesuSchwestern nicht zu finden. In ihren Schriftzeugnissen überwiegen die heiteren Schilderungen und man gewinnt den Eindruck, dass sie der indigenen Kultur aufgeschlossener gegenüberstanden als ihre Steyler Kolleginnen. Ob letztere tatsächlich mehr Druck auf die Bevölkerung ausübten als die Herz-Jesu-Schwestern oder ob die Ereignisse aus dem Missionsalltag nur unterschiedlich kommuniziert wurden – die Herz-Jesu-Schwestern Missstimmungen also eher verschwiegen – ist schwer festzustellen. Den ausgewerteten Schriftzeugnissen nach zu urteilen, bildeten die Herz-Jesu-Schwestern und ihre Zöglinge auf den Missionsstationen eine überwiegend harmonische Gemeinschaft, welche die christlichen Grundlagen ihres Zusammenlebens gerne auch dem noch nicht bekehrten Umfeld näher brachte und dort auf überwiegend freundliche und interessierte Aufnahme stieß. Dass die Anwesenheit der Herz-Jesu-Mission und ihr Umgang mit der indigenen Bevölkerung indes nicht von allen gern geduldet wurden, zeigen die Vorkommnisse des 13. August 1904, dem Tag des sogenannten „Baining-Massakers“.515

514 Schw. Valeria Dietzen, 10. Nov. 1901, zitiert nach Stornig, K.: Sisters Crossing Boundaries, S. 260, Fußnote 136. 515 Vgl. zu den Morden in St. Paul: Steffen, P.: Die katholischen Missionen in DeutschNeuguinea, S. 355-357; Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet; Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 30. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vunapope, 11. Sept. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 6. Jan. 1905, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet; Linckens, H.: Streiflichter aus der Herz-Jesu-Mission, S. 53-57; Zeitungsausschnitte, Gerichtsakten und Korrespondenz zu dem Überfall auf St. Paul finden sich in BArch, R 1001/2577.

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Der Überfall auf die Missionsstation St. Paul und seine Folgen Die Baining sind eine Ethnie, die in der Umgebung der Herz-Jesu-Missionsstation St. Paul in den Bergen lebte und in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Ethnie der Tolai stand, die die benachbarte Küstenregion bewohnte.516 Viele Baining mussten als Sklaven für die Tolai arbeiten, sofern sie nicht von ihnen getötet wurden. Die Mission bekämpfte – unterstützt von der deutschen Kolonialregierung – das bestehende Ausbeutungsverhältnis zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen, da es europäischen Menschrechtsvorstellungen zuwiderlief. Im Zuge dessen wurden immer wieder versklavte Baining befreit, die dann in dem eigens für diesen Zweck auf dem Missionsgelände angelegten Dorf St. Paul angesiedelt wurden und zu einem christlichen Leben bekehrt werden sollten. Einer dieser ehemaligen BainingSklaven, ein junger Mann namens To Maria, der ein Zögling des Missionars Pater Rascher war, überfiel mit einer Gruppe von Baining-Männern und -Frauen am Vormittag des 13. August die Station.517 Dabei töteten die Angreifer neben dem Leiter der Station, Pater Rascher, drei Brüdern und einem Pater einer benachbarten Station auch die fünf Missionsschwestern Anna, Agnes, Angela, Agatha und Sophia. Die Schwestern wurden mitten in ihren alltäglichen Verrichtungen überrascht, etwa beim Nähen oder Schmücken der Kirche, und teilweise erschossen, teilweise mit Axthieben getötet. Wie den Akten zu dem Fall und Andeutungen in den Briefen der Schwestern zu entnehmen ist, wurden den Leichen der Ordensfrauen brutal mitgespielt. In den Quellen ist von abgeschnittenen Brüsten, herausgetretenen Gedärmen und vielfacher Schändung der Toten durch zahlreiche einheimische Männer die Rede.518 Nach den Morden wurden die Wohnhäuser der Missionsangehörigen 516 Vgl. zur damaligen und heutigen Lebenssituation der Baining, bzw. „Baininger“: Hiery, Hermann J.: Die Baininger. Einige historische Anmerkungen zur Einführung, in: Hesse, Karl: A Jos! Die Welt, in der die Chachet-Baininger leben, Wiesbaden 2007, S. VIIXXX, v.a. S. VII-X. 517 Zum Ablauf des Überfalls vgl. beispielsweise Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet; Linckens, H.: Streiflichter aus der HerzJesu-Mission, S. 53-57. 518 Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vunapope, 13. Nov. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II“, unverzeichnet: „Wir erfahren jetzt immer mehr, wie die Wilden die Leichname der l. Schwester missbraucht haben. Ich kann es heute nicht weiter beschreiben [...]“; Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201: „Ihre gottgeweihten Leiber wurden noch nach ihrem Tode auf schmählichste Weise entehrt.“; vgl. Vernehmungsprotokolle, Aussage des To Gonakom, ohne Datum, BArch, R 1001/2577: „Tiross[?] tötete Schwester Agatha. To Mainam und To Mos beraubten sie ihrer Kleider. To Mos

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und die Kirchen geplündert, Altargut, Messgewänder, Kleidung, Nahrung, Waffen und Munition gestohlen.519 Unmittelbar nach dem Überfall entbrannte in der Kolonie und in der heimatlichen Kolonialpresse ein Streit über die Ursache für die Morde.520 Schnell wurden Stimmen laut, die dem Verhalten der Mission eine Mitschuld oder sogar die Hauptschuld an den Vorfällen zuschrieben.521 Zu hartes Vorgehen gegen die traditionelle Lebensweise der indigenen Bevölkerung, Prügelstrafen und Arbeitszwang auf den Missionsstationen hätten eine Katastrophe provoziert. Bischof Couppé hingegen schob der Kolonialregierung die Schuld zu, die vorhergehende Straftaten in der Region nicht streng genug verfolgt habe.522 Gegen die erhobenen Vorwürfe wehrte sich die Missionsleitung, indem sie ein Exempel statuierte: Sie strengte einen Gerichtsprozess gegen den Führer des Regierungsdampfers „Seestern“, Kapitän Moeller an, der seine missionskritische Einschätzung des Überfalls in einem Gespräch geäußert hatte.523 Der Angeklagte wurde schließlich freigesprochen, zum einen da es sich um eine private Unterredung gehandelt hatte, zum anderen weil das Gericht seiner Auffassung über die Gründe und den Anlass zur Tat größtenteils folgte. Aus den Akten zu diesem Prozess und den Vernehmungsprotokollen indigener Zeugen und Täter im Zusammenhang mit den Vorfällen auf St. Paul lässt sich zwar nicht schließen, was nun tatsächlich die genauen Motive für die Tat waren, da die Aussagen widersprüchlich sind und teilweise wieder zurückgezogen wurden. Dennoch machen sie eins deutlich: Auch die Eingriffe der Herz-Jesu-Mission in das Leben der indigenen Bevölkerung waren massiv und das Verhältnis zwischen dieser und den Missionsangehörigen wohl keinesfalls immer so harmonisch, wie es in den Briefen der Schwestern erscheint. Obwohl den Missionsangehörigen offiziell ein Züchtigungsrecht nur gegenüber den indigenen Kindern zustand, scheinen auch erwachsene Missionszöglinge manchmal zur Strafe geschlagen worden zu sein, mal

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zerschnitt ihr mit einem Messer die linke Brust. Die Schwester wurde geschändet durch [... es folgen mehrere kaum leserliche Namen] und viele andere.“ Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet. Vgl. BArch, R 1001/2577. Vgl. Zeitungsausschnitte in BArch, R 1001/2577: Zur Ermordung der Missionare in Neupommern, in: Kölnische Zeitung, 17. Sept. 1904; Über die Missionstätigkeit auf Neu-Guinea, in: Vorwärts, 21. Sept. 1904; vgl. Gerichtsprotokoll in der Privatklagesache des Vorstandes und der Mitglieder der katholischen Mission vom heiligsten Herzen Jesu in Vuna-Pope gegen den Kapitän Moeller, Herbertshöhe, 17. Jan. 1905, BArch, R 1001/2577; vgl. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 356f. Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 356. Gerichtsprotokoll in der Privatklagesache des Vorstandes und der Mitglieder der katholischen Mission vom heiligsten Herzen Jesu in Vuna-Pope gegen den Kapitän Moeller, Herbertshöhe, 17. Jan. 1905, BArch, R 1001/2577.

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mit dem Stock, mal mit der flachen Hand. Die Gründe dafür reichten neben Ehebruch oder Misshandlung der Ehefrau bis zu solchen „Vergehen“ wie unerlaubt seine Verwandten zu besuchen und dort zu übernachten. Mit der körperlichen Bestrafung der Frauen wurden offenbar die Schwestern von den Patres beauftragt.524 Die meisten vernommenen indigenen Zeugen sagten allerdings aus, die Schwestern hätten weder oft noch hart geschlagen und auch Pater Rascher habe sich nur selten der Prügelstrafe bedient.525 Eine schon direkt nach den Morden aufgestellte These, die zuweilen immer noch vertreten wird, besagt, dass To Maria den Überfall plante, weil er neben der Frau, mit der er verheiratet war, noch eine sexuelle Beziehung zu einer zweiten Frau namens Ja Vunut unterhielt. Pater Rascher habe ihn für dieses Verhalten, dass den Grundsätzen der Mission widersprach, wiederholt bestraft und Ja Vunut von Missionsschwester Anna am Tag vor dem Überfall schlagen lassen. Aus Rache habe sich To Maria daraufhin zum Überfall entschlossen.526 Diese Erklärung findet sich auch in den Briefen der Missionsschwestern, nach deren Lesart die Opfer als Märtyrer starben, weil sie das christliche Sakrament der Ehe verteidigt hätten.527 Ja Vunut sagte allerdings aus, die Bestrafung am Tag vor dem Mord hätte nicht mit der Tat To Marias in Zusammenhang gestanden.528 Sie wurde zwar geschlagen, empfand die Schläge jedoch wohl nicht als besonders demütigend oder schmerzhaft, so dass zweifelhaft erscheint, ob diese tatsächlich den Anlass zur Tat boten.

524 Zur Bestrafung durch Schläge auf der Missionsstation vgl. zahlreiche Vernehmungsprotokolle indigener Zeugen u. Gerichtsprotokoll in der Privatklagesache des Vorstandes und der Mitglieder der katholischen Mission vom heiligsten Herzen Jesu in Vuna-Pope gegen den Kapitän Moeller, Herbertshöhe, 17. Jan. 1905, BArch, R 1001/2577. 525 Vgl. Vernehmungsprotokolle, Aussage von Herman, Vunapope, 25. Okt. 1904; Aussage von Ja Papar, Vunapope 26. Okt. 1904; Aussagen von Saukuk, To Kunei u. Sagunan, Vunapope, 27. Okt. 1904 u. Aussagen von To Maur, To Vutuvut u. To Kulen, Vunapope, 21. Nov. 1904; vgl. dem widersprechende, aber später widerrufene Aussage von To Kir, Vunapope, 26. Okt. 1904, BArch, R 1001/2577. 526 Vgl. Gerichtsprotokoll in der Privatklagesache des Vorstandes und der Mitglieder der katholischen Mission vom heiligsten Herzen Jesu in Vuna-Pope gegen den Kapitän Moeller, Herbertshöhe, 17. Jan. 1905, BArch, R 1001/2577: „Es unterliegt für das Gericht keinem Zweifel, dass die Züchtigung der Ja Vunut durch die Schwester Anna das plötzliche Aufflammen des vielleicht lange genährten Hasses verursacht hat und das Signal zum Losschlagen gewesen ist.“ 527 Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet: „Unsere lb. Verstorbenen sind also getötet worden, weil sie die Heiligkeit der Ehe verteidigt haben. Das ist ein edler Grund, nicht wahr?“ 528 Vgl. Vernehmungsprotokoll, Aussage von Ja Vunut, Vunapope, 27. Okt. 1904, BArch, R 1001/2577.

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Hermann Hiery wies zudem darauf hin, dass es Belege dafür gäbe, dass der Überfall längst vor dieser Bestrafung geplant gewesen sei.529 Zudem sei es sehr unwahrscheinlich, dass es To Maria gelungen wäre, Mittäter zu mobilisieren, wenn sein Motiv primär die Verteidigung seines Liebeslebens gewesen wäre. Hintermann und Anstifter der Tat sei vermutlich der Adoptivvater To Marias gewesen; Motive neben dessen von der Mission beeinträchtigten Machtstellung womöglich auch Landfragen und Habgier.530 Paul Steffen schätzt unter Berufung auf den Missionshistoriker Jaspers die „ehrgeizige, ungeduldige und forcierte“ Durchsetzung des Missionskonzeptes durch Pater Rascher als mitverantwortlich für die Morde ein.531 Auf anderen Stationen sei das Ziel, Waisenkinder auszubilden und Christendörfer aufzubauen, deutlich weniger vehement verfolgt worden. Zudem sei dieses Missionsmodell unter den Baining an „ungleich explosiveren sowohl sozial-ökonomischen wie kulturell-ethischen Vorraussetzungen“ gescheitert. „Die Mission griff zu radikal und forciert in das bestehende Sozialgefüge und ethnische Verbindungsgeflecht zwischen Baining und Tolai ein.“532 Ohne dass an dieser Stelle weiter auf Gründe und Anlässe für den Überfall eingegangen werden kann, soll festgehalten werden, dass wohl eine multikausale Erklärung wahrscheinlich ist.533 Die Ansicht, allein der Zorn der Einheimischen über das rigorose Vorgehen der Mission gegen die Polygamie habe sich in den Morden entladen, ist zumindest anzuzweifeln. Ein großer Teil der einheimischen Bewohner St. Pauls verortete sich eher auf Seiten der Missionare und Schwestern als auf Seiten To Marias und seiner Anhänger. Dafür spricht schon die Tatsache, dass Pater Rascher mehrfach vor einem bevorstehenden Angriff gewarnt wurde; er schenkte diesen Warnungen allerdings keinen Glauben.534 Einige Einheimische stellten sich während des Überfalls schützend vor die Missionsangehörigen und bezahlten ihre Loyalität mit dem Leben. Sie 529 Vgl. transkribierte Tonbandaufzeichnungen von zwei Vorträgen Hermann Hierys in Senden am 9. Juli 2004 und Hiltrup am 11. Sept. 2004, aufgezeichnet und freundlich zur Verfügung gestellt vom Archivar der Herz-Jesu-Schwestern in Hiltrup, Norbert Wenger; vgl. auch Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet; Linckens, H.: Streiflichter aus der Herz-Jesu-Mission, S. 56. 530 Vgl. transkribierte Tonbandaufzeichnungen von zwei Vorträgen Hermann Hierys in Senden am 9. Juli 2004 und Hiltrup am 11. Sept. 2004. 531 Steffen, P.: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, S. 356. 532 Ebd., S. 357. 533 Vgl. zu den Motiven für den Überfall auch Gründer, H.: Christliche Heilsbotschaft und weltliche Macht, S. 116-119. 534 Vgl. Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet; transkribierte Tonbandaufzeichnungen von zwei Vorträgen Hermann Hierys in Senden am 9. Juli 2004 und Hiltrup am 11. Sept. 2004.

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fielen ebenfalls den Mördern zum Opfern, einige indigene Jungen wurden den Vernehmungsprotokollen und Briefen nach anschließend zum Teil von den Tätern verzehrt.535 Die Konfliktlinie verlief also nicht etwa zwischen Weißen und Indigenen, sondern zwischen Anhängern und Feinden der Mission. Die überzeugten Christen hielten zu den Missionsangehörigen, halfen, die Toten zu bergen und nahmen an den Trauergottesdiensten teil. Entsprechend fühlten sich die Missionszöglinge selbst, ungeachtet ihrer Hautfarbe oder Herkunft, nach dem Überfall von den Feinden der Mission bedroht.536 Wie aus den Quellen hervorgeht, ängstigten sich besonders die bei den Schwestern aufwachsenden Kinder vor einem erneuten Angriff. So schilderte beispielsweise Schwester Elisabeth einen Vorfall auf einem gemeinsamen Spaziergang mit einigen Stationsmädchen: „Auf einem kleinen Pfad, deshalb alle im Gänsemarsch, ging die lustige Kinderschar vor uns her, ab und zu ein Liedchen singend. Als wir nun so weitergingen, schrie auf einmal die ganz Bande: ‚Der Feind, der Feind!‘ [...] Gott sei dank war die Furcht der Kinder umsonst gewesen. Es waren nur einige unschuldige Kerls, welche uns nichts tun wollten.“537

Die Schwestern hingegen gaben sich wenig ängstlich. Zum einen gewannen sie Selbstbewusstsein dadurch, dass sie in der Folge des Überfalls im Schießen mit Gewehr und Revolver ausgebildet wurden und versicherten nun, sich gut verteidigen zu können. Zum zweiten wurde die Station mit einem festen Zaun umgeben und Polizeiwachen auf der Station aufgestellt.538 In der ersten Zeit nach dem Überfall galt jede männliche Person, die den Hof der Schwestern betrat, als verdächtig und „sobald ein Bainingermann aus dem Busch“ an ihr Haus kam, wurde „drauf-

535 Vgl. Vernehmungsprotokolle, ohne Datum, BArch, R 1001/2577: „To Maik erschlug den Knaben Palapok, To Mos, To Kaia, To Mauk und Mainam frassen von dem Kinde. To Gatiol tötete das Kind Damgam und frass davon. To Mainam erschlug das Kind Richard.“; Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vunapope, 11. Sept. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet: „Der kleine Richard und Dumkam, welche bei den Schwestern waren, und noch ein größerer Knabe, sind von den Wilden aufgefressen.“; vgl. Linckens, H.: Streiflichter aus der Herz-Jesu-Mission, S. 56. 536 Vgl. beispielsweise Schw. Dorothea ans Mutterhaus, St. Paul, 6. Feb. 1905, AHM, Ordner „St. Paul. Allgemeines. Briefe / Berichte“, unverzeichnet. 537 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 2. Mai 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“ unverzeichnet. 538 Schw. Dorothea an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 19. Feb. 1905; AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet; Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 17. Jan. u. 2. Mai 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“ unverzeichnet.

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losgeschossen“, wie eine Schwester ans Mutterhaus berichtete.539 Mehr jedoch als diese Vorsichtsmaßnahmen gab den Schwestern ihr Glaube Zuversicht. Sie betonten immer wieder, dass sie bereit seien, für ihre religiösen Überzeugungen zu sterben und dass der Märtyrertod für eine Missionsschwester ein besonders schönes Ende sei. Beklagt wurde zwar der Verlust, den die Mission erlitten hatte, die Opfer selbst wurden jedoch mehr beneidet als bemitleidet. Schwester Stanisla meinte beispielsweise in einem Brief an ihre Familie, die Vorgänge in Baining seien zwar „schauerlich“, aber: „[...] wie sind die Auserwählten zu beneiden! Wie gern hätte ich mit ihnen dasselbe Los geteilt, aber mich fand der Herr eines so schönen Todes nicht würdig.“540 Ihre Mitschwester Georgia, die auf Jaluit stationiert war, berichtete: „Die Märtyrerkrone haben wir leider noch nicht errungen. Aber fünf liebe Mitschwestern haben bereits das hohe Glück gehabt, nach einer verhältnismäßig kurzen Wirkungszeit die schöne Siegespalme als Lohn ihrer Treue zu empfangen.“541 Selbst eines der Mordopfer hatte in seinem letzten Brief vor dem Überfall ans Mutterhaus noch geschrieben: „[...] ich fühle mich, Gott sei Dank, so wohl und nehme beträchtlich an Körpergewicht zu, daß wir noch unlängst scherzten, ich könne es vielleicht so weit bringen, einmal an Altersschwäche mein Leben beschließen zu müssen. Wäre das nicht der ‚idealste‘ Tod für eine Missionsschwester, die vielleicht in Europa geträumt, durch einen Kanakenspeer oder ein ähnliches Schauerding recht schnell ins schöne Jenseits gelangen zu können? Ja, sehen sie, so geht es mit den Missionsidealen des Mutterhauses!“542

Trotz dem besonderen Reiz des Märtyrertodes, der die Morde für die gläubigen Frauen umgab, äußerten sie sich in ihren Briefen auch sehr traurig über den Verlust

539 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, St. Paul, 17. Jan. 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet. 540 Schw. Stanisla an ihre Familie, Nauru, 6. Jan. 1905, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schw. Stanisla“, unverzeichnet. 541 Abdruck eines Briefes von Schw. Georgia an den hochwürdigen Pater, Jaluit, 22. Febr. 1905, in: Monatshefte, 22. Jg. (1905), S. 503; vgl. Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 30. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Agnes H.“, unverzeichnet. 542 Schw. Anna ans Mutterhaus, Vunapope, 22. Juli 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela (Balka) / Schwestern allgemein“, unverzeichnet. Schon im September 1903 hatte Schwester Anna ihrer Familie geschrieben: „[...] wir könnten uns nur freuen, wenn wir um des Glaubens willen das Leben lassen könnten.“; siehe: Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet.

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der Schwestern und schockiert über den brutalen Tathergang.543 Natürlich bildeten die Morde lange Zeit das Hauptgesprächsthema unter den Nonnen.544 Ihren Missionseifer dämpfte der Überfall jedoch nicht und schnell standen neue Schwestern bereit, die den Platz der Toten einnehmen wollten.545 Auch die Steyler Missionsschwestern thematisieren den Überfall und die Ermordung ihrer Kolleginnen in ihren Briefen. In Folge der Morde in Baining wurden auch den Schwestern dieses Ordens in Berlinhafen von der Regierung sechs Soldaten zur Bewachung gestellt.546 Deren Anwesenheit schilderte Schwester Valeria als beruhigend. Knappe drei Wochen später berichtet sie, die Soldaten seien nun wieder fort, da sich die Lage entspannt habe.547 Sowohl die Herz-Jesu-Schwestern als auch die Steyler Ordensfrauen glaubten sich nach den Vorfällen in Baining immer wieder von ähnlichen Überfällen bedroht.548 Die Pläne, die Schwestern zu ermorden, seien jedoch stets vereitelt worden. So seien die Steyler Schwester einmal beispielsweise misstrauisch geworden, weil ihre Stationsmädchen eines Abends alle traurig gewesen seien und teilweise sogar geweint hätten. Den Grund dafür hätten sie nicht preisgeben wollen. Die Schwestern hätten daraufhin den Patres davon be-

543 Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 30. Aug. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Agnes H.“. unverzeichnet; Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vunapope, 13. Nov. 1904, AHM, Ordner „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II“, unverzeichnet; Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201. 544 Vgl. beispielsweise Schw. Theresia an die ehrwürdige Mutter, Vunapope, 30. Aug. 1904 u. Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vunapope, 11. Sept. 1904, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Agnes H.“, unverzeichnet. 545 Vgl. beispielsweise Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, 30. Juni 1905, AHM, Ordner „PNG [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-05, II“, unverzeichnet. 546 Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201. 547 Ebd., Zusatz vom 10. Okt. 1904. 548 Vgl. beispielsweise Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 22. Sept. 1912, zitiert aus Privatbesitz; Gründung und Geschichte des Schwesternhauses in Monumbo, AG SSpS, PNG 6302; S. 14f des Originals; Chronik von Yakamul, Kloster St. Raphael, 1916, AG SSpS, PNG 6302. Schw. Clara an ihre Schwester und ihren Schwager, Vunapope, März 1905, AHM, Ordner „Papua-Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1910“, unverzeichnet. Herz-Jesu-Schwester Dorothea berichtete, einmal habe nur der starke Regen einen Überfall verhindert, siehe: Schw. Dorothea an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 19. Feb. 1905; AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet; vgl. Dies. ans Mutterhaus, St. Paul, 6. Feb. 1905, AHM, Ordner „St. Paul. Allgemeines. Briefe / Berichte“, unverzeichnet.

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richtet, die auf Nachforschung hin von einem Jungen erfahren hätten, dass die Ermordung der Schwestern geplant sei. So hätten rechtzeitig Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden können und der Überfall sei daher ausgeblieben.549 Ob die Schwestern in den geschilderten Situationen tatsächlich reellen Bedrohungen ausgesetzt waren, lässt sich anhand des vorliegenden Quellenmaterials nicht entscheiden. Der Umgang der verschiedenen Schwestern mit diesen Vorfällen oder Gerüchten entsprach jedenfalls überwiegend dem gleichen Muster. In den Briefen wird zwar darüber berichtet, der Märtyrertod jedoch immer positiv bewertet und die alltägliche Missionsarbeit ungerührt fortgeführt. Herz-Jesu-Schwester Dorothea berichtete beispielsweise über einen angeblich im Februar 1905 geplanten Überfall auf ihre Station: „Wir beschwichtigten die Kinder, lugten dabei aber selbst nach allen Ecken aus, um irgend etwas zu erspähen. Allmählich legte sich die erste Aufregung, wir verrichteten wie immer unsere Arbeit und erwarteten dabei, vom Tode überrascht zu werden. Das Mittagessen ließen wir uns noch ziemlich gut schmecken und würzten dasselbe noch mit einigen Scherzen. [...] Morgen ist ein wichtiger Tag, denn unsere Ehrw. Schw. Vorsteherin eröffnet, so wir diese Nacht nicht sterben, alsdann die Schule. [...] Falls sie dieses Briefchen glücklich erhalten und vielleicht früh oder spät unsere Todesnachricht, so beten Sie fleißig für unsere arme Seele.“550

Die Steyler Schwester Constantina schrieb im Jahr 1912 an ihre Familie: „Vor wenigen Wochen schien es, als sollten wir Märtyrer werden. Die Kanacken wollten nämlich sich aller Europäer entledigen. doch der Plan wurde rechtzeitig verraten und so ist es wieder still geworden. Über kurz oder lang blüht uns dieses doch vielleicht. Solange der liebe Gott nicht will, können die Menschen uns nichts anhaben. Schließlich ist es auch gleich wie wir sterben, wenn wir nur gut sterben.“551

Die Schwestern befanden sich zumindest ihrer Wahrnehmung nach also immer wieder in Lebensgefahr, so dass die Vermutung nahe liegt, sie hätten die indigene Bevölkerung nach den Morden auf St. Paul generell als Bedrohung empfunden. Da-

549 Schw. Valeria an die ehrwürdige Mutter, Berlinhafen, 23. Sept. 1904, AG SSpS, PNG 6201. 550 Schw. Dorothea an das Mutterhaus, St. Paul, 13. Feb. 1905, AHM, Ordner „St. Paul – Allgemeines. Briefe / Berichte“, unverzeichnet; vgl Dies. an die ehrwürdige Mutter, St. Paul, 19. Feb. 1905, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902-1905“, unverzeichnet: „Wir sind noch immer ganz fidel, denn man macht sich schließlich nicht viel mehr daraus. So oft ich zur hl. Kommunion gehe, denke ich, vielleicht ist es jetzt doch das letzte Mal.“ 551 Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 22. Sept. 1912, zitiert aus Privatbesitz.

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rauf finden sich im Quellenmaterial jedoch kaum Hinweise, wenn man von den ersten Wochen nach dem Überfall absieht, in denen zumindest unbekannte männliche Besucher auf dem Gelände der Schwestern unter Generalverdacht standen. Sobald nach den Morden der Alltag wieder eingekehrt war, nahmen die Ordensfrauen jedoch ihre Wanderungen in die umliegenden Siedlungen wieder auf, um Kranke zu pflegen und ihre Glaubensbotschaft zu verbreiten. Nur selten sind in den Briefen Passagen wie die folgende zu finden, die zeigt, dass die Ereignisse von St. Paul dennoch nicht spurlos an den Schwestern und ihrem Bild von den Einheimischen vorübergegangen waren. Herz-Jesu-Schwester Clara trat der noch nicht für die Mission gewonnenen indigenen Bevölkerung offenbar ängstlicher als vor dem Überfall gegenüber. Sie schrieb über die Begegnung mit einigen „Kanacken-Herrn“ im Urwald:552 „Als ich diese wilden Buschmänner erblickte, waren meine Gedanken sofort in Baining. Denn seitdem das Unglück daselbst passierte, befällt mich immer ein eigenartiges Gefühl, wenn man sich in solchen noblen Gesellschaften befindet. Sie waren aber sehr freundlich und übten gleich Gastfreundschaft.“553

Ihre anfängliche Skepsis hielt die Schwester also nicht davon ab, mit den Männern in Kontakt zu treten und sie letztlich positiv zu schildern. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Ereignisse in St. Paul nahezu keine Auswirkungen auf die Darstellung der indigenen Bevölkerung in den Schriftzeugnissen der Schwestern hatten. Obwohl die Mörder selbst dem Missionsumfeld entstammten, scheinen die Schwestern auch nach dem Überfall ihre Missionszöglinge nicht mit einer möglichen Bedrohung in Verbindung gebracht zu haben. Das hängt allerdings wahrscheinlich auch damit zusammen, dass die Schwestern auf der Station in erster Linie für Kinder, Jugendliche und Frauen zuständig waren. Aber auch die außerhalb der Mission stehenden Einheimischen beiderlei Geschlechts galten den Schwestern nach wie vor als bedauernswerte Heiden, denen sie wohlwollend entgegentraten und zu einem Leben im Geiste Gottes verhelfen wollten. Den Schilderungen der Schwestern ist auch nicht zu entnehmen, dass die Haltung der indigenen Missionszöglinge und übrigen Einheimischen gegenüber den Schwestern von den Erhebungen beeinflusst wurde. Dennoch machen diese Ereignisse deutlich, dass die Arbeit der Missionen und ihre mangelnde Toleranz der als „heidnisch“ verstandenen indigenen Lebensweise gegenüber, großes Konfliktpotential bargen, auch wenn die Schilderungen der Schwestern – besonders der Herz-Jesu-Schwestern – ein überwiegend harmonisches, fröhliches und friedliches Bild vom Alltag im Missionsfeld vermitteln. Diese 552 Schw. Clara an das Mutterhaus, Vunapope, 23. Sept. 1905, AHM, Ordner „PNG – Briefe der ersten Missionarinnen, 1902 -10“, unverzeichnet. 553 Ebd.

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Konflikte traten nicht nur auf besonders drastische Weise beim Überfall auf die Station St. Paul zu Tage, sondern zeigten sich auch immer wieder in den Schriftzeugnissen der Steyler Schwestern. Solch gewalttätige Übergriffe wie auf St. Paul mussten die Steyler allerdings nicht erleben. Das sogenannte „Baining-Massaker“ blieb ein Einzelfall, dessen Bedeutung für ein Gesamturteil über das Verhältnis zwischen katholischen Missionsschwestern und indigener Bevölkerung in den deutschen Südsee-Kolonien daher auch nicht überbewertet werden sollte. Insgesamt lässt sich also Folgendes festhalten: Der Missionskontext schuf besondere Vorraussetzungen für die Beziehungen zwischen den Frauen, die für eine der evangelischen oder katholischen Missionen in den Südsee-Kolonien tätig waren, und der indigenen Bevölkerung. Für eine erfolgreiche Missionierung war ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen den beiden Seiten von größter Bedeutung. Die Beziehungen waren vor allem durch ein enges Zusammenleben und rege Kontakte geprägt. Dies spiegelt sich in den ausgewerteten Quellen überall wieder. Die Schilderungen der Frauen offenbarten viele Gemeinsamkeiten zwischen den verschiedenen Missionen. Generell wurde die traditionelle Lebensweise als „heidnisch“ abgelehnt; das Ziel war es, die indigene Bevölkerung zum christlichen Glauben und zu einer christlich-europäischen Lebensweise zu erziehen. Die eigenen Geschlechter- und Familienbilder wurden dabei auf die Einheimischen übertragen. Die Aufgabe der weiblichen Missionsangehörigen war es vor allem, sich der „Erziehung“ der indigenen Mädchen und Frauen anzunehmen. Damit diese den christlicheuropäischen Vorstellungen einer guten Hausfrau und Mutter genügen konnten, wurden sie in Haushaltsführung und Handarbeit, sowie Säuglingspflege und Kindererziehung von den deutschen Frauen unterwiesen. Sauberkeit und Hygiene waren dabei zentrale Themen, wobei auch ein sauberes Äußeres und „ordentliche“ Kleidung wichtige „Erziehungsziele“ waren. Neben diesen gemeinsamen Zielen wurden in den untersuchten Schriftzeugnissen unterschiedliche Schwerpunktsetzungen der verschiedenen Missionen deutlich: Die weiblichen Angehörigen der Neuendettelsauer und Rheinischen Mission stellten ebenso wie Missionarsfrau Fellmann von der Methodistischen Mission die Schilderung des Stationsalltages und ihres Familienlebens in der Fremde in den Vordergrund ihrer Berichte. Bis auf wenige Ausnahmen gaben diese Frauen zwar der indigenen Bevölkerung keinen Schulunterricht, unterwiesen die Mädchen und Frauen jedoch in Handarbeitskursen und im Haushalt. Wie die anderen deutschen Frauen auch klagen sie zwar gelegentlich über Unsauberkeit, Unzuverlässigkeit, Faulheit ihrer Zöglinge und Hilfen, bemühen sich jedoch in aller Regel, gut mit diesen auszukommen. Häufig äußern sie sich auch zufrieden und lobend über deren Fortschritte. Eine besonders wichtige Rolle bei den Frauen, die den genannten Missionen angehörten, spielten die Kinder, die als Bindeglieder zwischen den Kulturen wirkten. Die Missionarskinder wuchsen in engem Kontakt mit der indigenen Bevölkerung auf, die ihnen offenbar mit Herz-

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lichkeit und Neugier begegnete und lernten deren Sprache häufig schneller als ihre Muttersprache. Umgekehrt gingen auch indigene Kinder auf den Missionsstationen ein und aus, so dass der Nachwuchs ein Vertrauensband zwischen den Missionsangehörigen und der Bevölkerung der Umgebung knüpfte. Den Quellen nach zu urteilen waren die Beziehungen zwischen den weiblichen Angehörigen der genannten Missionen und der indigenen Bevölkerung überwiegend gut, es finden sich immer wieder Belege für ein hilfsbereites und vertrauensvolles Aufeinanderzugehen. Die Berichte der Liebenzeller Missionsangehörigen verraten anders als die übrigen Quellen aus evangelischer Feder nur wenig über das Alltagsleben auf den Missionsstationen. Im Gegensatz zu den schon genannten weiblichen Missionsangehörigen waren die Liebenzeller Frauen aktiv in die Verbreitung des christlichen Glaubens eingebunden, indem sie selbstständig Versammlungen auf den Stationen und in den Dörfern abhielten, um dort die Glaubensinhalte zu verkünden. Ihr Tätigkeitsfeld erstreckte sich daher weit über den Haushalt hinaus. Zwar gaben sie auch Schulunterricht, sie sahen jedoch ihre Hauptaufgabe in der „Seelenpflege“ und berichten dementsprechend vor allem von ihren Wanderungen in die Dörfer und von Erfolgen und Rückschlägen bei der Bekehrungsarbeit. Von diesen war auch ihr Urteil über die indigene Bevölkerung abhängig. Sie äußerten sich enttäuscht und unzufrieden, wenn es Misserfolge zu beklagen gab, jedoch umso positiver, wenn Bekehrte Zeugnis ihres Glaubens ablegten und damit zugleich den Mühen der Liebenzeller Schwestern Erfolg bescheinigten. Die Schwestern der untersuchten katholischen Missionen stellten den Unterricht und die „Erziehung“ der indigenen Kinder und Jugendlichen in den Fokus ihrer Berichte. Da die Schwestern auf ihren Stationen Schulen und Pensionate betrieben, lebten sie rund um die Uhr eng mit ihren Zöglingen zusammen. Das Alltagsleben auf den Stationen, die Hauswirtschaft und die Versorgung von Kranken waren neben dem Schulunterricht beliebte Themen in den Quellen. Die katholischen Schwestern äußerten sich überwiegend positiv über ihre Zöglinge und traten auch der übrigen indigenen Bevölkerung wohlwollend gegenüber. Besonders die Briefe der Herz-Jesu-Schwestern sind von einem fröhlichen Grundton geprägt, sie berichten häufig von der Anhänglichkeit der indigenen Kinder. Auch die übrige Bevölkerung begegnete ihnen ihren Schilderungen zufolge meist freundlich. In den Schriftzeugnissen der Steyler Schwester werden hingegen häufiger Spannungen artikuliert. Für Konflikte sorgte vor allem der Druck, den die Schwestern auf die indigene Bevölkerung ausübten, sich taufen zu lassen und ihre Kinder auf die Missionsstation zur Erziehung zu geben. Entsprechend beklagten die Schwestern mancherorts eine abwehrende Haltung der indigenen Bevölkerung ihnen gegenüber. Auch wenn die Schriftzeugnisse der Herz-Jesu-Schwestern einen harmonischeren Eindruck vermitteln als die ihrer Steyler Kolleginnen, muss berücksichtigt werden, dass letztere womöglich Schwierigkeiten und Misserfolge einfach offener thematisierten. Dass auch die Herz-Jesu-Mission massiven Druck auf die indigene Bevölkerung ausübte,

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ihre althergebrachte Lebensweise den christlichen Vorstellungen anzupassen und auch hier nicht alles so harmonisch ablief, wie die Schwestern gerne schrieben, war zwischen den Zeilen immer wieder zu erkennen. Nicht zuletzt warf der grausame Überfall auf die Missionsstation St. Paul in dieser Hinsicht einige Fragen auf. Inwiefern Ereignisse wie dieses das Verhältnis der deutschen Frauen zu den indigenen Männern beeinflusst haben, wird im Folgenden erörtert.

13.4 ANGST ODER ANZIEHUNG ? – I NDIGENE M ÄNNER DER P ERSPEKTIVE DEUTSCHER F RAUEN

AUS

Der geschilderte Überfall auf die Missionsstation in St. Paul richtete sich in erster Linie gegen die Angehörigen der Herz-Jesu-Mission. Doch schürte dieser Angriff auch unter den übrigen deutschen Bewohnern der Kolonie Furcht vor der indigenen Bevölkerung. Schnell ging die Nachricht um, die Täter hätten geplant, sich aller Angehöriger der Kolonialmacht zu entledigen.554 Aus Vunapope berichtete Schwester Elisabeth im Anschluss an den Überfall, es herrsche „eine allgemeine Bangigkeit“ unter den Weißen. Die Damen in Herbertshöhe hätten sich den ganzen Tag im Hotel aufgehalten, das ständig von Soldaten bewacht worden sei.555 In den untersuchten Schriftzeugnissen wird Angst zwar nur selten thematisiert – was auch damit zusammenhing, dass man seine Angehörigen in der Heimat nicht beunruhigen wollte556 – dennoch wird an einigen Stellen deutlich, dass die deutschen Frauen sich vor der kolonialen Bevölkerung manchmal fürchteten. Samoa galt zwar als ausgesprochen ruhige Kolonie und Gouverneur Solf beteuerte, dass er „einen Aufstand der Eingeborenen in Samoa gegen die Weißen für durchaus unwahrscheinlich halte“.557 In Deutsch-Neuguinea jedoch wurde die Sorge mancher deutschen Frau immer wieder durch neue Schreckensmeldungen genährt. So wurde beispielsweise im Jahr 1902 die Frau des Pflanzers Wolff, mit der Missionarsfrau Fellmann freundschaftlich verkehrte, und ihr erst vier Monate altes Kind von Ein-

554 Vgl. beispielsweise Schw. Marie Gerard de Bakker an die Generaloberin in Frankreich, Vunapope, 21. Aug. 1904, AHM, Ordner „St Paul. Allgemeines / Briefe / Berichte“, unverzeichnet; Vernehmungsprotokolle, Aussage des To Jul, Vunapope, 14. Sept. 1904, BArch, R 1001/2577. 555 Schw. Elisabeth ans Mutterhaus, Vuna Pope, 11. Sept. 1904, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet. 556 Vgl. beispielsweise Schw. Anna an ihre Familie, St. Paul, 13. Sept. 1903, in: AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schw. Agnes H.“, unverzeichnet; Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 12. Jan. u. 26. Okt. 1913, in Privatbesitz. 557 Zitiert nach Vietsch, E. von: Wilhelm Solf, S. 349.

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heimischen ermordet.558 Wie Missionarsfrau Diehl in ihrem Tagebuch berichtete, wurden Ehemann und Schwager der Missionarsfrau Weber im Jahr 1912 ebenfalls erschlagen.559 Auch die schon erwähnte Rebellion der Sokehs gegen die Kolonialmacht im Jahr 1910 auf Ponape, die zu langwierigen blutigen Auseinandersetzungen führte, schlug sich teilweise in ängstlichen Kommentaren in den Schriftzeugnissen der deutschen Frauen nieder.560 In der deutschen Kolonialpresse wurde immer wieder über Morde an Europäern durch Einheimische und Verschwörungen gegen die weiße Bevölkerung in Deutsch-Neuguinea berichtet.561 Hermann Hiery hebt allerdings hervor, dass es sich dabei häufig nur um Gerüchte gehandelt habe, die in Neuguinea wie auch in allen anderen europäischen Kolonien immer wieder aufgekommen seien. So habe auch die sogenannte „Madang Revolte“ im Jahr 1904 nicht wirklich stattgefunden.562 Es wurde und wird behauptet, dass bei dieser angeblichen Verschwörung, die gesamte weiße Bevölkerung von Madang hätte getötet werden sollen. Der Plan sei jedoch rechtzeitig verraten worden und seine Ausführung habe so verhindert werden können. Hiery hält diese Verschwörungstheorie für haltlos und kritisiert die bisher als Belege für diese Ereignisse verwendeten Quellen. Seine eigene Darstellung der Vorgänge in Madang erfuhr heftige Kritik.563 Unabhängig davon, ob die Revolte wirklich geplant war oder nicht, zeigen diese Ereignisse oder Gerüchte, dass die Furcht vor Angriffen durch die indigene Bevölkerung unter den Weißen in Deutsch-Neuguinea weit verbreitet war, besonders nach dem Überfall auf die Station St Paul. Gouverneur Hahl äußerte sich über gewalttätige Zusammenstöße zwischen indigener und weißer Bevölkerung im Jahr 1912 folgendermaßen:

558 Vgl. Akte „Ermordung der Frau Wolff u. Kind in Paparatava“, NAA, G255,88; vgl. P. Eberlein: Angriff der Eingeborenen von Paparatava auf eine Pflanzerstation – Ermordung zweier Weißen[sic]. Selbsterlebnisse eines Augenzeugen, in: Monatshefte, 19. Jg. (1902), S. 358. 559 Klein, D.: (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 13. Nov. 1912, S. 206f; vgl. auch Eintrag vom 23. Aug. 1911, S. 165. 560 Vgl. beispielsweise Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 1. Feb. 1911, ALM, Akte „Köster, Clara“. 561 Vgl. beispielsweise Ermordung eines Pflanzers durch entlaufene Fita-Fita, in: Deutsche Kolonialzeitung, 31. Jg. (1914), Nr. 9, S. 152f; Verschwörung im Bezirk FriedrichWilhelmshafen, in: Deutsches Kolonialblatt, 23. Jg. (1912), Nr. 20, S. 994f. 562 Hiery, Hermann: The Madang Revolt of 1904. A Chimera, in: Small Wars and Insurgencies, Vol. 4 (1993), Nr. 2, S. 165-180; Gerüchte: S. 166. 563 Vgl. Neumann, Klaus: The Stench of the Past: Revisionism in Pacific Islands and Australian History, in: The contemporary Pacific, Vol. 10 (1998), Nr. 1, S. 31-64, v.a. S. 31-35.

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„In der Mehrzahl der Fälle [...] in denen ein Weißer erschlagen wird oder ein kriegerischer Zusammenstoß stattfindet, handelt es sich nicht um Unruhen, sondern um das Vordringen in das Innere, um die Berührung der Kultur mit der Wildnis. Bei dem trotzigen und kriegerischen Sinne unserer Eingeborenen, speziell in Kaiser-Wilhelmsland, ist es ganz natürlich, dass diese Berührung oft eine feindselige wird.“564

Die Beteuerung, dass derartige Ereignisse „ganz natürlich“ seien, hat gewiss nicht zur Beruhigung der deutschen Frauen beigetragen. Ihre Angst richtete sich primär auf indigene Männer, denen die Rolle als Krieger zukam und die verantwortlich für die genannten Bluttaten waren.565 Es ist davon auszugehen, dass den deutschen Frauen die Männer auf Grund des anderen Geschlechts noch fremder als die indigenen Frauen waren, zudem waren sie ihnen an Körperkraft überlegen. Nicht zuletzt ging von ihnen auch eine potentielle sexuelle Bedrohung aus. So schilderte Missionarsfrau Fellmann ihrer Mutter in einem Brief, dass sie eines Nachts von einem Eindringling in ihrem Schlafzimmer erschreckt worden sei: „Ein Eingeborener stand auf der Seite des Bettes, wo ich liege, schon unter dem Moskitonetz und beugt sich über mich und, fast schäme ich mich es zu sagen, er ersuchte mit eiskalten Fingern, meine Knie auseinanderzubiegen.“566 Als Fellmann erwachte, floh der nächtliche Besucher unerkannt und ließ eine entsetzte Missionarsfrau zurück. In den nächsten Briefen schilderte sie, dass sie nicht mehr schlafen könne, da sie ständig ängstlich auf jedes Geräusch achte – und tatsächlich ereignete sich einige Wochen später ein ähnlicher Vorfall. Dieser steigerte ihre Beunruhigung, zumal ihr Mann oft mehrere Tage abwesend war und sie sich ohne ihn noch mehr fürchtete.567 Zwar blieben weitere nächtliche Besuche offenbar aus, Fellmanns Angst verschwand jedoch nicht so schnell.568 Auch Missionarsfrau Diehl, die mit der Zeit einen sehr vertrauensvollen Umgang mit den Einheimischen entwickelte, fürchtete sich zu Beginn ihres Aufenthaltes im Missionsgebiet: „Des Nachts erschrecke ich bei dem kleins-

564 Hahl zitiert nach: Zusammenstöße mit Eingeborenen, (ohne Verf.), in: Deutsches Kolonialblatt, 23. Jg. (1912), Nr. 24, S. 1193f. 565 An den Plünderungen im Zuge des Überfalls auf die Missionsstation St. Paul sollen allerdings auch einige Frauen beteiligt gewesen sein. Es soll sich dabei um die Ehefrauen der männlichen Täter gehandelt haben: vgl. Vernehmungsprotokolle, Aussage Hermann, Vunapope, 15. Sept. 1904, BArch, R1001/2577. 566 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 7. Nov. 1897, in Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 152; vgl. Fellmann, U. (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel, Einträge vom 12., 16. u. 19. Nov 1897, S. 108f. 567 Abdrucke von Briefen von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 5. Dez. 1897 u. 6. Jan. 1898, in Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 152, 154. 568 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter, 6. März 1898, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 154.

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ten Geräusch und denke immer, es kämen Eingeborene.“569 Krankenschwester Auguste Hertzer dachte anfangs ebenfalls nachts jedes Mal „wenn der Wind irgendwo am Hause klapperte oder Ratten umherwirthschafteten“, dass „ein halbes Dutzend Kanaker“ käme – sie fürchtete allerdings vor allem Diebstahl.570 Missionarsfrau Laura Becker von der rheinischen Mission hingegen blieb schon kurz nach ihrer Ankunft ohne ihren Mann mit den Einheimischen auf der Station Bongu zurück und schrieb, sie habe sich nicht geängstigt.571 Auch die Neuendettelsauer Missionarsfrau Justine Vetter versicherte, sich allein im Missionshaus nicht zu fürchten, wenn ihr Mann unterwegs sei.572 Ähnliche Beteuerungen und viele Anhaltspunkte für ein überwiegend gutes Verhältnis zwischen indigener Bevölkerung und deutschen Frauen sind in den Quellen überall zu finden, wie bereits ausführlich dargelegt wurde. In der Regel hatten die deutschen Frauen offenbar kaum Bedenken, sich alleine unter die Einheimischen zu begeben und vertrauten auch ihren oft männlichen indigenen Begleitern, wenn sie mit ihnen auf längere Wanderungen aufbrachen.573 In den Quellen wird in diesen Fällen nicht näher darauf eingegangen, dass es sich um Männer handelte, die mit den Frauen wanderten. Ebenso wenig reflektierten die Frauen in ihren Schriftzeugnissen die Tatsache, dass sie im Haushalt nicht nur von weiblichen, sondern oft auch von männlichen Bediensteten unterstützt wurden. Diese verrichteten dabei nicht selten Tätigkeiten, die in der Erfahrungswelt der deutschen Frauen eigentlich als typisch weiblich konnotiert waren, wie beispielsweise kochen, Betten machen, abstauben oder Kinder hüten.574 Die deutschen Frauen nahmen in diesem Kontext eine überlegene Machtposition gegenüber männlichen Jugendlichen und Männern ein, was den innerhalb ihrer eigenen Kultur geltenden Geschlechterrollenbildern widersprach. Diese Verfügungsgewalt über männliche Arbeitskraft, die den weißen Frauen auf Grund der geltenden „Rassenhierarchie“ in den Kolonien zukam, wurde zwar von der Forschung interessiert zur Kenntnis ge569 Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 20. Juli 1907, S. 17. 570 Abdruck eines Briefes von Schw. Auguste, Friedrich-Wilhelmshafen, 27. Aug. 1894, in: Unter dem roten Kreuz, 5. Jg. (1894), Nr. 11, S. 79. 571 Laura Becker an ihre Familie, Bongu, 10. Nov. 1908, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 4. Wie bereits erwähnt, muss bei Beteuerungen dieser Art allerdings berücksichtigt werden, dass sich die weiblichen Missionsangehörigen häufig gern als tapfer und furchtlos darstellten und zudem ihre Angehörigen beruhigen wollten. 572 Justine Vetter an ihre Schwester, 5. Nov. [wahrsch. 1900], ohne Ortsangabe, in Privatbesitz. 573 Vgl. beispielsweise Abdruck eines Briefes von Babette Schmidt, Sattelberg, 27. Feb. 1916, in: Neuendettelsauer Missionsblatt, 7. Jg. (1917), Nr. 5, S. 35; Elisabeth Markert an den Kirchenrat, Wareo, 15. Okt. 1913, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. 574 Vgl. beispielsweise Laura Becker an ihre Familie, ohne Datum (wohl 1910), in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 20; Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 28, 37.

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nommen, im vorliegenden Quellenmaterial jedoch nicht thematisiert.575 Weder äußerten die Frauen Hemmungen, männlichen Bediensteten Anweisungen zu erteilen, noch wird Genugtuung darüber deutlich, dass ihnen das möglich war. Bei Lob und Klagen über die Arbeit des Dienstpersonals oder der Kostschüler ließen sich keine auffälligen Geschlechtsunterschiede finden. Es stellt sich die Frage, ob und in wie weit die deutschen Frauen die indigenen Männer, von denen sie in ihrem Alltag umgeben waren, überhaupt als Männer wahrnahmen.576 Oder waren diese für sie in erster Linie Vertreter einer fremden, als unterlegen bewerteten Kultur? Eng verbunden damit ist die Überlegung, ob manche deutsche Frau sich womöglich von indigenen Männern angezogen fühlte? Immerhin finden sich nicht selten sehr positive Schilderungen des Äußeren der vielerorts kaum bekleideten, für die deutschen Frauen exotischen, indigenen Männer und jugendlichen „boys“. So schrieb Gretel Kuhn beispielsweise über die Einheimischen: „Da konnten sie den ganzen Nachmittag, wenn man sie nicht wegscheuchte, dabei sitzen und sich verzieren, steckten sich Hibiskusblüten in die Haare und fanden sich bildschön, was ja auch tatsächlich der Fall war.“577 Ihre „boys“ gefielen Kuhn besonders gut: „In ihren weißen Lendentüchern und stets eine schöne, rote Hibiskusblüte in ihrem wuscheligen Haar sahen sie ganz phantastisch aus und jeder erfreute sich an ihrem Anblick. Wenn ich daran zurückdenke, kann ich nur sagen, es waren zwei Musterexemplare von boys, unser Sinnek und Singamuri.“578

Den traditionellen Pflanzenschmuck der Jungen in Neuguinea fand auch Missionarsfrau Stürzenhofecker schön: „Da kommen sie schon, grüne, wohlriechende Büschel in den Armringen u. ihr dunkles Kraushaar mit lauter kleinen Blüten kranzartig umsteckt. Das sieht wirklich sehr nett aus.“579 Auch Elisabeth Krämer-Bannow beschrieb das Äußere eines Mannes, den sie auf ihrer Forschungsreise im Bis575 Vgl. Walgenbach, K.: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“, S. 178-183. 576 Die Österreicherin Alma Karlin, die auf ihren Reisen durch Ozeanien auch die Salomonen besuchte, schrieb über die indigenen Männer dort: „Die Männer machten gar nicht den Eindruck von Männern auf mich. Ich meine, daß jedwedes Geschlechtsempfinden ihnen gegenüber ausgeschaltet blieb. Ich betrachtete sie, wie ich ein Tier fremder Art betrachtet hätte [...]“, vgl. Karlin, Alma: Im Banne der Südsee. Als Frau allein unter Pflanzern und Menschenfressern, Sträflingen, Matrosen und Missionaren, Minden i. W. 1933, S. 225. 577 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 44. 578 Ebd., S. 104; siehe auch S. 40: „Die lavalaps [Lendentücher] sahen ganz großartig aus auf der braunen Haut der boys.“ 579 Marie Stürzenhofecker an die Missionsfreundinnen, Ongga, Nov. 1912, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1.

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marck-Archipel malte, positiv – das seiner Frau, die neben ihm Modell stand, allerdings ebenso.580 Antonie Brandeis bezeichnete sowohl die verbannten samoanischen Männer, die in ihrer Nachbarschaft lebten, als auch die Bewohner Naurus als „schöne Gestalten.“581 Gouverneursfrau Solf äußerte sich wohlwollend über einen Samoaner im traditionellen Schmuck: „Mein Freund, der schöne Niko machte sich wirklich prächtig in der tuiga.“582 Es fällt also auf, dass solche positiven Kommentare über einheimische Jungen und Männer sowohl in Quellen aus Polynesien und Mikronesien, als auch aus Melanesien zu finden sind. Unabhängig von den gängigen Stereotypen, nach denen die Melanesier als deutlich weniger attraktiv galten, konnten diese in den Augen der deutschen Betrachterinnen durchaus als gut aussehend erscheinen. Aus diesen wohlwollenden Beschreibungen leitet Martha Mamozai ein erotisches Interesse der deutschen Frauen an den indigenen Männern ab, wobei ihre Schlussfolgerungen nicht überzeugen können. Mamozai gesteht zu, dass das „Beweismaterial“ dünn sei und führt als Belege für das sexuelle Interesse der deutschen Frauen an indigenen Männern hauptsächlich Fälle an, in denen deutsche Frauen im Deutschen Reich mit Afrikanern eine Partnerschaft eingingen.583 Dennoch spekuliert sie, dass auch in den Kolonien wohl sexuelle Konkurrenz zwischen den deutschen und indigenen Frauen um die indigenen Männer bestanden habe, was ihrer Meinung nach einer der Gründe für die schlechte Behandlung der einheimischen Frauen durch die deutschen Frauen gewesen sein könnte.584 Um dies zu untermauern, zitiert sie Äußerungen von deutschen Frauen über den guten Körperbau und Charakter der männlichen Einheimischen. Mamozai bezieht sich überwiegend auf die deutschen Kolonien in Afrika, erwähnt aber auch mehrfach Frieda Zieschank und ihre Berichte aus Samoa. Diese habe sich für die Schönheit der samoanischen Männer begeistert.585 Tatsächlich schrieb Zieschank über die Samoaner:

580 Krämer-Bannow, E.: bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 138. 581 Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 2, S. 21; Dies.: Nauru, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 34, S. 599. 582 Solf, J.: Tagebuch, Eintrag vom 12. Aug. 1909, in Privatbesitz. Auch Missionarin Schultze beschreibt die samoanische Bevölkerung generell als schön und hebt dabei zwar die Männer nicht explizit hervor, schließt sie aber mit ein, vgl. beispielsweise Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 31. Mai 1890, in Privatbesitz. 583 Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 180-182. 584 Ebd., S. 184f. 585 Ebd., S. 184; vgl. Dies.: Einheimische und „koloniale“ Frauen, S. 14-30. Auf S. 24 schreibt Mamozai, Zieschank habe sich nicht gescheut, „ungeniert die Schönheit der samoanischen Männer zu preisen“ – warum sie sich dabei hätte scheuen oder genieren sollen, bleibt unklar.

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„Sie sind ja nun wirklich eine der schönsten Menschenrassen [...] und ganz besonders ist das von den männlichen Vertretern des Volkes zu sagen. [...] Fast alle sind groß, mindestens erreichen sie unsere Mittelgröße, wundervoll ebenmäßig gewachsen und muskulös. Ein samoanischer schlanker Jüngling, blütengeschmückt die Kava kredenzend, ist ein Modell, das die größten altgriechischen Künstler begeistert hätte!“586

Allein aus solchen Äußerungen sexuelles Interesse abzuleiten, erscheint jedoch reichlich gewagt. Schließlich beschrieben die deutschen Frauen nicht nur indigene Männer als attraktiv, sondern äußerten sich ganz ähnlich über Jungen, die kaum dem Kindesalter entwachsen waren oder indigene Frauen, ohne dass aus diesen Beschreibungen eine erotische Komponente abzulesen wäre. Frieda Zieschank gab sich laut Mamozai „viel Mühe [...], die samoanischen Frauen für hässlicher zumindest als weiße zu erklären“.587 Zieschank schrieb zwar in der Tat, dass sie weiße Frauen schöner als samoanische fände, sie pries aber auch die „sanften dunkelbraunen Augen, das tiefschwarze, meist schöngewellte Haar und edelgeformte, weiche, graziöse Hände mit feinem Knöchelgelenk“ der Samoanerinnen.588 Beiden Geschlechtern sei zudem eine stolze Körperhaltung und ein würdevoller Gang eigen. Generell wurde die beobachtete indigene Bevölkerung häufig mit positiven Attributen belegt, die nicht selten neben kritischen und diskriminierenden Äußerungen standen, wie bereits in Kapitel 13.1 deutlich wurde. Dass sich außer diesen Beschreibungen, deren erotische Auslegung überzogen erscheinen würde, keinerlei Hinweise auf sexuelles Interesse der deutschen Frauen an indigenen Männern finden lassen, heißt natürlich nicht zwingend, dass solches nie bestanden hat – nur belegen lässt es sich anhand des vorliegenden Quellenmaterials nicht. Angesichts der Tatsache, dass fast alle Frauen, von denen Schriftzeugnisse aus der Südsee zur Verfügung stehen, entweder verheiratet oder zu einem zölibatären Leben verpflichtet waren und sich ihre Schilderungen zudem meist an Familienmitglieder oder Vorgesetzte richteten, ist es kaum verwunderlich, dass in diesen Quellen keine erotischen Anspielungen oder ähnliches zu finden waren. Antworten auf die Frage, ob im Blick der deutschen Frauen auf die indigenen Männer auch sexuelles Interesse gelegen haben könnte, wären daher – zumindest bezogen auf die Südsee-Kolonien – reine Spekulation.

586 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 23. 587 Mamozai, M.: Schwarze Frau, weiße Herrin, S. 180. 588 Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 23f.

14. Folgen der Kulturbegegnungen – Gegenseitige Prägung?

Wie in den vorhergehenden Kapiteln deutlich wurde, standen die meisten deutschen Frauen mit der indigenen Bevölkerung der Südsee-Kolonien in regem Kontakt. In der Regel versuchten sie dabei, vor allem ihre indigenen Geschlechtsgenossinnen nach ihren Vorstellungen zu „erziehen“. In den deutschen Haushalten wurden fremde kulturelle Praktiken vermittelt. Etwa wenn die indigenen Hilfen lernen mussten, wie auf deutsche Art und Weise gekocht und gewaschen wurde, wie man nach den Wünschen der Hausfrau bei Tisch zu servieren hatte oder wie man sich nach europäischem Geschmack und Schamgefühl kleiden sollte. Wie gezeigt werden konnte, übten besonders die Missionsangehörigen gezielten und starken Einfluss auf die indigenen Mädchen und Frauen aus, wobei die „Erziehung“ die Bereiche Haushalt und Handarbeit, Sauberkeit und Hygiene, Kleidung, Ehe und Sexualität, Säuglingspflege und Kinderaufzucht sowie Religiosität betraf. Nicht nur die indigene Bevölkerung wurde an die deutsche Lebensweise herangeführt, sondern die deutschen Frauen bekamen durch ihren häufigen Kontakt mit der indigenen Bevölkerung auch einen Einblick in deren traditionelle Kultur. In diesem Kapitel soll nun ein Blick auf die Folgen dieser Begegnungen von deutscher und indigener Kultur geworfen werden. Natürlich sind in weiterem Sinn auch viele der bereits behandelten Themenaspekte als Folgen dieser Kontakte einzuordnen, etwa das Lernen der Sprache der jeweils „Anderen“ oder auch die geschilderten Konflikte zwischen deutscher und indigener Kolonialbevölkerung – hier soll es nun aber um solche Folgen gehen, die mögliche Veränderungen der Lebensweise, der Alltagskultur und der gesellschaftlichen Stellung der Akteurinnen betreffen. Akteurinnen deshalb, weil hier auch auf indigener Seite auf die weibliche Bevölkerung fokussiert wird. Schließlich traten die meisten deutschen Frauen vor allem mit Mädchen und Frauen in Kontakt und lieferten dementsprechend in ihren Schriftzeugnissen vor allem Informationen über ihre Geschlechtsgenossinnen. Dies gilt besonders für die Missionsangehörigen. Sie hofften, dass ihre Erziehungsbemühungen von langfristigem Erfolg gekrönt sein würden. Ihre Zöglinge

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sollten nach der Rückkehr von der Missionsstation in ihre alte Umgebung und zu ihrer Familie das Gelernte anwenden und verbreiten.1 Im Quellenmaterial finden sich sehr unterschiedliche Einschätzungen dazu, ob dies tatsächlich gelang. Die Neuendettelsauer Missionarsfrau Keyßer war vom Erfolg des Unterrichts auf den Missionsstationen überzeugt: „Es haben diese ‚Haushaltungskurse‘ doch großen Einfluß auf das Leben in den Dörfern gehabt. Die dreijährige Gewohnheit behielten viele der Dorfschönen auch im elterlichen und dann im eigenen Heim bei, und da zum Christentum auch Reinlichkeit und Ordnung gehören, merkte man bald den Unterschied zu den Dörfern, in denen ‚Küchenmädchen‘ lebten, und solchen, wo noch keine waren. [...] So wurde nach und nach die Kost der Leute besser und vielseitiger, und der Eintopf der nur abgekochten Knollenfrüchte bekam eine Bereicherung durch Gemüse und Eierzuspeisen.“2

Im Amtsblatt für Neuguinea wurde in einem von einem Lehrer verfassten Artikel über das „Fortbildungswesen im Schutzgebiet“ die Arbeit der weiblichen Missionsangehörigen ebenfalls in den höchsten Tönen gelobt.3 Der Verfasser berichtete, die auf den Stationen geschulten Mädchen würden das Gelernte in ihren Dörfern fleißig anwenden: „In vielen Eingeborenenhäusern surrt die Nähmaschine, und es ist etwas alltägliches, Eingeborenen in sauber und geschickt ausgebesserten Kleidungsstücken zu begegnen. Auf dem Gebiete der Mädchenerziehung haben im Bismarck-Archipel besonders die Schwestern der katholischen Mission vom Heiligsten Herzen Jesu sowie die Schwestern und Frauen der Missionare der methodistischen Mission hervorragendes Geleistet. Es ist erfreulich zu sehen, wie die Haushaltung und Lebensführung vieler Eingeborenen wesentlich bessere geworden sind. Ähnliche Erfolge auf dem Gebiet der Mädchenfortbildung haben die Missionen in Kaiser Wilhelmsland und im Inselgebiet erzielt.“4

Auch die in Samoa tätige Missionarin Schultze beschrieb erfreut den Erfolg ihrer „Physiology- u. Hygienestunden“. Ihre Schülerinnen würden ihre Babies „vernünftig und sauber“ erziehen. Es sei ein großer Unterschied zwischen ihnen und „den

1 2 3 4

Vgl. beispielsweise Kasbauer, S.: Die Teilnahme der Frauenwelt am Missionswerk, S. 127. Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 30. Lehrer Barschdorff: Überblick über das Fortbildungswesen im Schutzgebiet Deutsch Neuguinea, in: Amtsblatt für das Schutzgebiet Neuguinea, 6. Jg. (1914), Nr. 7, S. 19. Ebd.

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Dorffrauen“ zu erkennen, zumal sich die auf der Missionsstation geschulten Mädchen immer sorgfältig kleiden würden.5 Die Neuendettelsauer Missionarsfrau Böttger hingegen klagte den Missionsfreundinnen in der Heimat: „Wenn die Mädchen auf der Station noch so viel lernten und auch schön ordentlich ihre Arbeit machten, so bald sie ins Dorf zurück kommen und ohne Aufsicht sind, ist alles wieder vorbei.“6 Ähnlich äußerte sich manche katholische Missionsschwester.7 Auch Böttgers Kollegin Pilhofer war der Ansicht, dass man den Mädchen im Stationshaushalt kaum mehr als Ordnung und Reinlichkeit beibringen könne, sie das in dieser Hinsicht Gelernte im Dorf jedoch meistens wieder ablegen würden. „Wie man es am besten anfängt, darüber bin ich mir noch nicht klar“, schrieb sie ihrer Freundin und Kollegin, der Missionsgehilfin Schmidt, über ihre Erziehungsbemühungen.8 Zwar könne man den Mädchen die Zubereitung bestimmter Speisen beibringen, in ihren Dörfern würden sie diese dennoch nicht kochen, weil ihnen dort bestimmte Küchengegenstände fehlen würden. „Wenn man dagegen den Mädchen etwas in ihrer eigenen primitiven Küche zeigt, so behalten sie es sich viel eher u. können es im Dorf eher machen.“9 Diese Überlegung, sich beim Unterricht mehr auf die indigene Lebensweise einzustellen und die Erziehungsziele in diese fremde Welt zu übersetzen, um damit den Nutzen für die Schülerinnen zu erhöhen, wird jedoch nirgends sonst im Quellenmaterial artikuliert. In der Regel scheinen die deutschen Frauen ihre eigenen kulturellen Praktiken und Überzeugungen den indigenen Schülerinnen einfach aufoktroyiert zu haben, ohne deren völlig andere Lebensumstände zu berücksichtigen.10

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Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 12. Okt. 1900, in Privatbesitz; vgl. auch Eintrag vom 3. Jan. 1896. 6 Elisabeth Böttger an die Missionsfreundinnen, Malalo, 29. Sept. 1911, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3. 7 Schw. Theresia: Ein Sonntag auf Yap, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1910, S. 21; Schw. Philomena an die ehrwürdige Mutter, Monumbo, 16. Feb. 1907; AG SSpS, PNG 6201. 8 Elise Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 1. Dez. 1917, in Privatbesitz [Herv. i.O.]. 9 Ebd. 10 Daher scheint das Konzept der Übersetzung auf das Gros der hier thematisierten Begegnungen nicht wirklich zu passen und wird nicht weiter berücksichtigt, obwohl es wissenschaftlich „geradezu Konjunktur“ hat, wie Simone Lässig jüngst schrieb. „Übersetzung“ wird dabei in einem metaphorischen Verständnis auf kulturelle und soziale Praktiken angewandt und auch für die Geschichtswissenschaft (besonders im Bereich der Missionsgeschichte) nutzbar gemacht, vgl. Lässig, Simone: Übersetzung in der Geschichte – Geschichte als Übersetzung? Überlegungen zu einem analytischen Konzept und Forschungsgegenstand in der Geschichtswissenschaft, in: Geschichte und Gesellschaft 38.2012, S. 189-216, hier S. 190, 198.

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Ähnliches gilt für die Familien- und Geschlechterbilder, die die deutschen Frauen auf die indigene Bevölkerung übertrugen. So versuchte die rheinische Missionarsfrau Becker beispielsweise ein einheimisches Mädchen mit dem Argument zum Nähen lernen zu verlocken, dass sie dann ihrem Bräutigam die Kleider flicken könnte, wobei sie offenbar einfach davon ausging, dass diese Aussicht auch für ein Mädchen in Neuguinea erstrebenswert sei.11 Doch der Import des deutschen Frauenbildes in die Südsee-Kolonien ging oft auch subtiler vor sich als bei der Vermittlung von praktischen Hand- und Hausarbeitstechniken: In einem Deutsch-Lehrbuch für samoanische Schüler und Schülerinnen, das zunächst von Missionarin Valesca Schulze erstellt worden und dann in einer Neubearbeitung von einem Kollegen herausgegeben worden war, machten die Kinder in einem Übungstext Bekanntschaft mit dem tugendhaften Fräulein Gretchen und der dummen Magd Babette.12 Mit diesen beiden Figuren wurde sowohl ein Vorbild als auch ein abschreckender Gegenentwurf präsentiert. Während Gretchen geschickt nähen konnte, Englisch und Deutsch sprach, gut rechnete und gesund lebte, war Babette dumm, hatte keine Schulbildung und hielt weder Wohnung und Küche, noch ihre Kleidung sauber. Im gleichen Lehrbuch wurden an Hand einfacher Übungssätze die unterschiedlichen Aufgaben von Mädchen und Jungen in europäischem Umfeld dargestellt und somit die erwünschte Rollenteilung zwischen den Geschlechtern vermittelt. Die Mädchen deckten den Tisch, putzten die Lampen, nähten und reinigten das Zimmer gründlich.13 Ungeachtet der abweichenden Ernährungsgewohnheiten der samoanischen Bevölkerung erfuhr man hier beim Lernen der deutschen Sprache nebenbei auch, wie sich die Nahrungsaufnahme bei einer vorbildlichen Familie gestaltete: Mittagessen gab es um 12.45 Uhr, Abendessen um 18.45 Uhr, der Vater zerteilte das Fleisch, welches ebenso wie das Gemüse mit der Gabel gegessen wurde, während man für die Suppe den Löffel gebrauchte. Außerdem bekamen die Kinder jeden Tag ein Glas Milch.14 Die Missionszöglinge sollten sich offensichtlich an diesen Leitbildern orientieren und ihre eigenen Lebensgewohnheiten dem deutschen Ideal anpassen. Allerdings sollte diese Anpassung auch nicht zu weit gehen. Versuchten die Einheimischen beispielsweise die Kleidermode der Weißen nachzuahmen, anstatt die für sie vorgesehene, einfache Kleidung zu tragen (schlichte Baumwollkleider für die weibliche, ordentliche Lendentücher und eventuell ein Hemd für die männliche Bevölkerung), ernteten sie häufig Spott und Missbilligung. Missionarin Schultze berichtete beispielsweise, dass der samoanische Bräutigam einer ihrer Schülerin11 Laura Becker an ihre Schwester, Bongu, ohne Datum, in: Adam, O. (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein, S. 8. 12 Heider, Eduard: Deutsche Sprachlehre für Samoaner, Malua / Samoa 1913, S. 55f. 13 Ebd., S. 3f, 37. 14 Ebd., S. 49, 52, 64.

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nen, der normalerweise nichts als ein Lendentuch trug, zu seiner Hochzeit im Anzug und mit klobigen schwarzen Schuhen erschien. Schultze war davon wenig angetan und machte sich darüber lustig, dass der Bräutigam die Schuhe später ausziehen musste, weil sie drückten – sie bemerkte jedoch, dass die samoanischen Mädchen den Anzug sehr bewunderten.15 Den Quellen nach zu urteilen, imitierten auch indigene Frauen und Mädchen gern Europäerinnen, welche also offensichtlich das indigene Schönheitsideal beeinflusst hatten: Von der Karolinen-Insel Yap berichtete eine der Franziskaner Schwestern, sie habe einheimische Mädchen dabei beobachtet, wie sie sich intensiv mit Seife wuschen und schrubbten, da sie europäisch aussehen wollten und versuchten, ihre Hautfarbe aufzuhellen.16 Die Liebenzeller Missionsschwester Clara Köster hielt es sogar für nötig, aus Lehrbüchern das Bildnis der Kaiserin zu entfernen, damit die Missionsschülerinnen nicht deren Frisur, Kleider oder Schmuck nachahmen konnten.17 „Sie machen alles nach und werden durch diese Dinge vom Heil abgelenkt“, klagte sie und fuhr fort: „Oft haben wir schon gar nicht herausfinden können, woher sie die Frisuren die manche Frauen tragen, herhaben. Dann stellte es sich heraus, daß sie solche an den weißen Frauen in der Kolonie oder von Bildern abnehmen.“18 Der Reisende Siegfried Genthe schilderte, wie er und seine Begleiter in einem samoanischen Dorf nacheinander bei zwei konkurrierenden Taupous19 eingeladen wurden, wobei die zweite die erste zu übertrumpfen versuchte. Zu diesem Zweck hatte sie für den Empfang europäische, aber teils defekte Gegenstände wie ein Salzfass, ein Tischtuch, Besteck und Stühle zusammengetragen. Missbilligend kommentierte der deutsche Reisende: „Sie hatte gar kein Gefühl dafür, wie viel würdevoller schlichtes Samoanertum gewesen wäre, als dieser unglückliche Versuch, Europäern mit europäischen Dingen Eindruck machen zu wollen.“20 Offensichtlich galt der Taupou jedoch die europäische Ausstattung als besonders chic. Grundlegender als diese äußerlichen Symptome für den Einfluss der europäischen Kultur waren die Veränderungen, die Missionierung und Kolonisierung der Südsee-Gebiete für die gesellschaftliche Stellung der indigenen Mädchen und Frauen mit sich brachten. In Neuguinea verbesserte sich die Lage der weiblichen indi-

15 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 25. Juni 1895, in Privatbesitz. 16 Schw. Theresia: Ein Sonntag auf Yap, in: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner Ordensprovinz, Jahresbericht 1910, S. 21. 17 Schw. Clara Köster an Pfarrer Coerper, Ponape, 17. Dez. 1912, ALM, Akte „Köster, Clara“. 18 Ebd. 19 Zum Amt der Taupou („Dorfjungfrau“) vgl. Kapitel 2.1. 20 Wegener, G.: Samoa, S. 139.

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genen Bevölkerung in mancher Hinsicht durch den deutschen Einfluss.21 In vielen Regionen wurden hier traditionell Mädchen schon sehr früh und häufig an deutlich ältere Männer verheiratet, nicht selten gegen ihren Willen. In der Ehe kam den Frauen eine unterlegene Position zu, Misshandlungen durch den Ehemann waren weit verbreitet.22 Die deutsche Kolonialverwaltung bot den Frauen die Möglichkeit, sich vor Gericht gegen die schlechte Behandlung durch ihre Männer zu wehren, wovon auch rege Gebrauch gemacht wurde. Wie den Akten des Bezirksamts, des Stations- und des Bezirksgerichts Herbertshöhe zu entnehmen ist, wurden tatsächlich häufig indigene Männer bestraft, die ihre Frauen misshandelt hatten.23 Teilweise waren dafür auch Anzeigen von Europäern verantwortlich, die erfahren hatten, dass ein indigener Mann eine Frau vergewaltigt oder geschlagen hatte. Dass die deutsche Verwaltung zudem den Frauen in Deutsch-Neuguinea einen Rechtsanspruch auf Scheidung einräumte, bewertet Hiery als „für die melanesische Gesellschaft geradezu revolutionär“ und als „eine der folgenreichsten [...] Maßnahmen der deutschen Administration, die die Weichenstellung im Verhältnis der Geschlechter grundlegend veränderte.“24 Auch die Missionen stärkten die Position der Frauen. Sie boten ihnen einen Zufluchtsort, den die Frauen aufsuchten, um sich bei Konflikten vor ihren Ehemännern in Sicherheit zu bringen oder einer unerwünschten Verheiratung zu entgehen.25 Die Missionsangehörigen unterstützen die Frauen darin, sich nicht gegen ihren Willen auf eine Ehe einzulassen – erst recht, da es sich oft um einen „heidnischen“, beziehungsweise andersgläubigen Bräutigam handelte.26 21 Zu den Veränderungen, die der deutsche Einfluss auf die Stellung der indigenen Frauen in Melanesien mit sich brachte, siehe: Hiery, H.: Germans, Pacific Islanders and Sexuality, S. 307-316; Ders.: Melanesische Sexualität, europäische Mission und deutsche Kolonialverwaltung, S. 535-545, v.a. S. 543f. 22 Vgl. Kapitel 2.1. 23 Vgl. beispielsweise Akten betreffend Disziplinarbestrafungen, Protokoll vom 21. März 1908, Aussage Ure, NAA, G254, 6; Protokoll vom 18. Feb. 1908, Aussage Luna, ebd.; Protokoll vom 24. Aug. 1907, Aussage Hansen u. Aktennotiz vom 26. Aug. 1907, ebd.; Akten betreffend den Eingeb. Augumburo wegen Vergehens gegen § 223, NAA, G254, 116; Strafsache gegen Tokarambele von Rakunai wegen Notzucht, NAA, G 255, 201; Strafsache gegen den Hausjungen Kuka in Herbertshöhe aus Neu Hannover wegen Notzucht, NAA, G 255,205; siehe auch: Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 180. 24 Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 180. Traditionell war es den indigenen Frauen unter anderem auf Grund der Praxis des Brautpreises kaum möglich, eine Ehe zu beenden. 25 Vgl. Schw. Clothilde: Ein Besuch bei den Missionsschwestern in Vunapope, in: Monatshefte, 30. Jg. (1913), S. 14; Neuß, P.: Die Steyler Missionsschwestern, S. 200. 26 Vgl. Schw. Philomena: Die Mädcheninternate, S. 146f; Pilhofer, G.: Geschichte der Neuendettelsauer Mission, S. 231. Immer wieder berichteten die Missionsangehörigen von

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Durch die Ausbildung, die die Mädchen und Frauen auf den Missionsstationen erhielten, stiegen zudem ihr Ansehen und ihr Wert als Heiratskandidatin. Missionarsfrau Keyßer berichtete, die geschulten Frauen hätten sich den nicht ausgebildeten Dorffrauen überlegen gefühlt, ihr Selbstwertgefühl stieg demnach durch die erworbenen Kenntnisse.27 Die indigenen Männer wurden von den Missionen ermahnt, zu ihren Frauen zu stehen und sie zu unterstützen, außerdem ihren Vaterpflichten nachzukommen.28 Von diesen Versuchen, das indigene Familienleben den deutschen Vorstellungen anzupassen, profitierten die Frauen dort, wo ihnen traditionell eine schwache Position zukam. In anderen Regionen jedoch, wo die indigenen Frauen eine einflussreiche Stellung innehatten, verschlechterte sich deren Situation häufig durch das Bestreben der Deutschen, ihre Geschlechterrollenbilder auf die indigene Bevölkerung zu übertragen. Dies war auf manchen Karolinen-Inseln der Fall: Wie bereits erwähnt konnten beispielsweise die Frauen auf Yap und Palau traditionell ihre ohnehin relativ starke gesellschaftliche Position durch den Aufenthalt im Männerhaus und bestimmte sexuelle Kontakte verbessern. Die deutsche Kolonialverwaltung ging gemeinsam mit den Missionen gegen diese Praktiken vor, da sie diese als Prostitution missverstand und gesundheitliche Risiken fürchtete. Damit beraubte sie die Frauen der Möglichkeit, ihr Prestige und ihre finanzielle Lage zu verbessern und damit Einfluss auf ihre gesellschaftliche Stellung zu nehmen.29 Letztere wurde zudem auch dadurch geschwächt, dass die deutsche Verwaltung die in Mikronesien weit verbreitete matrilineare Erbfolge abschaffte und ihren Vorstellungen anpasste, indem in Zukunft das Erbe über die Linie des Vaters bestimmt wurde.30 Das komplizierte Tauschsystem und die Geschlechterbalance, auf der viele mikronesische Gesellschaften basierten, wurde durch das Eingreifen der Kolonialherren zerstört.31

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Konflikten, die sich daraus ergaben, dass Angehörige der Mädchen oder Frauen, die auf der Station lebten, oder deren Bräutigam sie zur Hochzeit von der Station holen wollten – die potentiellen Bräute sich aber mit Hilfe der Missionsangehörigen widersetzten; vgl. beispielsweise Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, Truk, Feb. 1910, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 25. Juni 1895, in Privatbesitz. Keyßer, E.: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, S. 29f. Pilhofer, G.: Geschichte der Neuendettelsauer Mission, S. 231; Vetter, J.: Tagebuch, S. 150 (Ende Jan. 1904), Vorl. Nr. 5.245. Vgl. Kapitel 2.1; siehe auch Hiery, H.: Germans, Pacific Islanders and Sexuality, S. 304307. Hiery merkt hier an, dass es Hinweise darauf gäbe, dass das Vorgehen der deutschen Verwaltung gegen diese Sitten zumindest von manchen indigenen Frauen unterstützt wurde (ebenso: Ders.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 170-172). Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 173. Für Palau hat Claudia Lauterbach diesen Wandel eingehend untersucht, siehe: Lauterbach, C.: Von Frauen, Machtbalance und Modernisierung, v.a. S. 97-101.

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In Samoa ergriff die deutsche Verwaltung keine vergleichbaren Maßnahmen, die das traditionell dort herrschende Verhältnis der Geschlechter oder das Sexualverhalten der indigenen Bevölkerung beeinflusst hätten.32 Dennoch zog auch hier die Ankunft der Europäer, vor allem der Missionen, tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen nach sich. Die Quellen lassen stellenweise erahnen, welche Schwierigkeiten beispielsweise die Missionszöglinge hatten, ihren Platz zwischen der traditionellen und der von christlichen Maßstäben geprägten Lebensweise zu finden. So berichtete Missionarin Schultze von einer Schülerin, deren Familie von ihr erwartete, dass sie in ihrem Heimatdorf das Amt als Taupou antrat: „In den letzten Ferien versuchte die Familie alles, daß sie die Stellung der Taupo ihres Dorfes einnehmen sollte. Das bedeutete, daß sie nicht wieder zu uns zurückkehren konnte, u. daß da die Taupo noch verschiedene heidnische Gebräuche mitmachen muß, die sich nicht mit einem Jünger Jesu vereinbaren lassen, sie auch aus der Kirche verbannt wurde. Sie widerstand allem Zureden u. allen Drohungen u. Misshandlungen. Endlich hielt man sie gefangen so daß sie nicht zu uns fliehen konnte u. eines Nachts als sie in festem Schlafe lag, schnitt man ihr ihr prachtvolles Haar ab. So, sagten sie, nun wird dich Missi Sulesa [samoanischer Name für Fräulein Schultze, L.L.] nicht wieder annehmen denn ich hatte den Mädchen verboten ihr schönes Haar abzuschneiden. Sogar ihre Kleider nahm man ihr alle weg so daß sie sich nur mit einem Lendenschurz bekleiden konnte. Trotz alledem blieb sie standhaft u. schließlich gelang es ihr zu entkommen u. bei uns Schutz zu suchen. Ja in Papauta fühlen sie sich sicher. Ich verteidige meine Kinder wie eine Löwenmutter [...].“33

Dieses Beispiel soll ebenso wie die anderen genannten Aspekte, die hier nur kurz gestreift werden konnten, einen Eindruck vom Wandel der indigenen Lebenswirklichkeit durch den deutschen Einfluss geben. Die weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen genauer zu analysieren, die Kolonisierung und Missionierung für die indigene Bevölkerung mit sich brachten, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, zumal die im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden Schriftzeugnisse deutscher Frauen in dieser Hinsicht nur wenig Informationen liefern. Jedenfalls lassen die Quellen keinen Zweifel daran, dass die indigene Bevölkerung stark durch den deutschen Einfluss geprägt wurde. Vor allem postkoloniale Theoretiker und Theoretikerinnen haben jedoch immer wieder darauf hingewiesen, dass die kulturelle Prägung in der Regel nicht nur in eine Richtung verlief; also nicht nur die Kolo32 Vgl. Hiery, H.: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 181. 33 Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 3. Jan. 1896, in Privatbesitz. Interessant an dieser Passage ist auch, dass Kleidung und Frisur von beiden Seiten als Marker für die christlich-europäische Lebensweise verstanden werden. Dadurch, dass der äußere Wandel rückgängig gemacht wird, soll der Weg wieder frei werden für ein Leben nach traditioneller Art.

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nisierten von den Kolonisierenden beeinflusst wurden, sondern auch umgekehrt.34 Kann man also auch von einer gegenseitigen Prägung deutscher Frauen und indigener Bevölkerung sprechen? Dass die indigene Kultur auch Einfluss auf die deutschen Frauen hatte, wird in den untersuchten Schriftzeugnissen am besten beim Thema Ernährung deutlich. Immer wieder wird berichtet, dass sich die deutschen Frauen von indigenen Kindern oder Frauen zeigen ließen, wie man die ihnen fremden, einheimischen Lebensmittel zubereitete. Stolz teilten die Frauen in ihren Briefen in die Heimat Rezepte mit, in denen häufig mit einheimischen Zutaten deutsche Speisen imitiert wurden. So schrieb Missionarsfrau Emilie Decker beispielsweise, es ließe sich aus geriebener Kokosnuss, Eiern, Zucker und Sagomehl „feines Makronen-ähnliches Gebäck für den Weihnachtstisch“ zubereiten.35 Auch könne man aus Süßkartoffeln rohe und gekochte Kartoffelklöße herstellen und Bananen vielseitig einsetzen. Bei der Zubereitung bedienten sich die deutschen Frauen teilweise einheimischer Methoden. Die Liebenzeller Schwester Klara Köster etwa schickte aus Ponape ein Rezept für Sahnegebäck, dass die Schwestern gerne aßen: „Papaia werden geschält, von den Kernen befreit in Blätter eingewickelt und wie Brotfrüchte in heißen Steinen gebacken. Nachdem sie aus dem Backofen gekommen sind, übergießt man sie mit der Milch geriebener und ausgedrückter Kokosnüsse, und das feinste Sahnegebäck ist fertig.“36Auch Gretel Kuhn berichtete, dass sie Brotfrüchte im Steinbett zubereitete, wie es traditionell üblich war.37 Die Steyler Schwester Cherubina schrieb, die Schwestern ihrer Station würden immer Kokosmilch in ihrem Kaffe trinken: „Dieselbe wird bereitet, indem man den Kern einer Nuß schabt und durch die Obstpresse treibt. Der daraus gewonnene Saft wird mit Kokoswasser vermischt und durch ein reines Tuch geschüttet, sieht es aus wie Milch. Frisch schmeckt es vorzüglich im Kaffee.“38 Hier wurde die einheimische Herstellungsart von Kokosmilch also offenbar unter Einbezug einer europäischen Obstpresse imitiert. Wie bereits erwähnt wurde, ließen sich die deutschen Frauen aber nicht nur in die kulinarischen Gebräuche ihrer neuen Heimat einführen, sondern interessierten

34 Vgl. Dietrich, A.: Weiße Weiblichkeiten, S. 27, 31. 35 Emilie Decker an die Missionsfreundinnen, Deinzerhöhe, 27. Mai 1909, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. 36 Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster an Pfarrer Coerper, Ron Kiti, 28. Okt. 1915, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 3, S. 51. 37 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 91. Kuhn schrieb allerdings, sie habe die Früchte nur auf Grund ihrer Größe und „aus Jux“ im Freien gekocht, dennoch ist bemerkenswert, dass sie diese Mahlzeit und ihre Zubereitung von der einheimischen Bevölkerung übernahm. 38 Schw. Cherubina: Fortsetzung der Chronik von „Regina Angelorum“, 24. April 1913, AG SSpS, PNG 6302.

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sich auch für einheimische Handarbeitstechniken. Manche Frauen berichteten, dass sie sich diese von indigenen Frauen beibringen ließen39 – ob sie das Gelernte dann allerdings auch in ihrem Alltag anwandten, lässt sich aus den Quellen nicht ersehen. Einheimische Kenntnisse in der Behandlung von Krankheiten wurden teilweise ebenfalls interessiert aufgenommen, wie schon am Beispiel der lomi-lomiMassagen deutlich wurde, die manche deutsche Frauen gerne in Anspruch nahmen.40 Missionarsfrau Fellmann lernte auch die im Bismarck-Archipel offenbar übliche Art der Kopfschmerzbehandlung schätzen. Diese schilderte sie in einem Brief an ihre Mutter: „Nach und nach bekam ich fürchterliches Kopfweh. [...]. Ich musste mich schließlich aufs Gras legen, und die Leute boten sich an, mich zu massieren. Etwa zehn Hände zugleich fielen über mich her und kneteten mich am ganzen Körper. [...] Zwei Frauen drückten mir meinen Kopf, das alleine brachte schon Linderung. Laß doch, Mama, wenn du wieder Kopfschmerzen hast, Dir von Maria Deinen Kopf drücken mit Daumen und Zeigefinger mit aller Kraft immer von einem Plätzchen aufs andere pressen über den ganzen Kopf hin. Das ist ein herrliches Mittel. [...]. Die Eingeborenen sind sehr geschickt darin.“41

Diese Beispiele belegen zwar, dass die deutschen Frauen teilweise auch Elemente der indigenen Kultur für sich entdeckten, doch handelt es sich dabei nur um vergleichsweise oberflächliche und wenig bedeutsame Kulturaspekte. Diese Fälle sind nicht vergleichbar mit den fundamentalen Umwälzungen, die die Kolonisierung und Missionierung für die indigene Bevölkerung in nahezu allen Lebensbereichen mit sich brachte.42 Die Quellen geben keine Anhaltspunkte dafür, dass die deutschen Frauen beispielsweise auf Grund ihrer Beobachtungen und Erfahrungen bezüglich des indigenen Familienlebens ihre eigenen Geschlechterrollenbilder überdacht oder gar verändert hätten. Auch indigene Kulte oder Moden hatten keinen erkennbaren Einfluss auf die deutschen Frauen. Von einer gegenseitigen Prägung deutscher Frauen und indigener Bevölkerung kann also nur bedingt gesprochen werden, da diese Wechselseitigkeit ein Gleichgewicht der Einflüsse in beide Richtungen suggeriert, das der Realität in den Südsee-Kolonien nicht gerecht wird. Die koloniale Si-

39 Vgl. Krämer-Bannow, E.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee, S. 35; Vetter, J.: Tagebuch, Eintrag vom 28. März 1904, AMEW, Vorl. Nr. 4.245. 40 Vgl. Kapitel 13.2. 41 Abdruck eines Briefes von Johanna Fellmann an ihre Mutter vom 10. Okt. 1897, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 152. 42 Weite Teile des deutschen Kolonialgebietes, etwa das Innere Neuguineas, wurden vom deutschen Einfluss jedoch gar nicht erreicht, vgl. Kapitel 2.3. Obige Bemerkungen beziehen sich also nur auf die Regionen, in denen Missionen und Kolonialverwaltung präsent waren.

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tuation und die Überzeugung der deutschen Frauen, dass ihre eigene Kultur der indigenen überlegen sei, ließen sie diese mit Nachdruck verbreiten, wobei manche indigene Praktiken dauerhaft verdrängt wurden. Elemente der indigenen Kultur wurden von den deutschen Frauen hingegen höchstens vereinzelt und ergänzend in den eigenen Alltag integriert. Viel mehr als die indigene Kultur und ihre Vertreter war das neue Lebensumfeld prägend für die deutschen Frauen. Die Spezifika des Alltags in den SüdseeKolonien wurden bereits thematisiert, ebenso wie die Anpassung mancher deutscher Frauen an die dortigen Verhältnisse.43 Da es sich bei diesen teilweise feststellbaren Verhaltensänderungen wie auch bei den adaptierten kulinarischen Gewohnheiten um Reaktionen auf die besondere Lebenssituation in den SüdseeKolonien handelte, ist davon auszugehen, dass die Frauen diese wieder ablegten, nachdem sie die Kolonien verlassen hatten.44 Der Lebensalltag der indigenen Bevölkerung der Südsee-Kolonien hingegen hat sich unter dem Einfluss von Missionierung und Kolonisierung für immer verändert. Zu diesem Kulturwandel haben die deutschen Frauen einen erheblichen Teil beigetragen.

43 Vgl. Kapitel 10; siehe zum „Einfluss der Südsee auf die Deutschen“ auch: Hiery, H: Das Deutsche Reich in der Südsee, S. 34-58. 44 Sofern sie nicht für immer in den Kolonien blieben wie beispielsweise die meisten katholischen Missionsschwestern.

V. Krieg und Abschied

15. Gründe für die Rückkehr vor Kriegsausbruch „Herrscht grosse Freude bei der Ankunft eines Schiffes, so ist die Stimmung eine weniger frohe beim Abgang eines solchen, [...]. Viele Mitglieder der Kolonie sind der Rührung hingegeben, und die Wünsche für gute Fahrt und frohe Zukunft wollen kein Ende nehmen. Die Schiffsglocke ertönt, die Zurückbleibenden müssen das Schiff verlassen. [...] Das Schiff macht eine Drehung bei den kleinen Fahrzeugen vorbei, am Ufer stehen viele Eingeborene und wehen mit den Hüten, während die Weissen zur Passage eilen, um dort das Schiff noch einmal dicht vorbei fahren zu sehen.“1

Im Mittelpunkt dieser letzten Kapitel über den Abschied der deutschen Frauen aus der Südsee steht der Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Doch selbstverständlich kehrten nicht alle in dieser Arbeit thematisierten Frauen den Südsee-Gebieten erst auf Grund der Kriegsereignisse den Rücken: Viele hatten von Anfang an geplant, nur eine auf wenige Jahre befristete Zeit im Kolonialgebiet zu bleiben. Dies galt beispielsweise für die Krankenschwestern und Beamtinnen, die laut Vertrag eine auf drei Jahre beschränkte Dienstzeit zu erfüllen hatten und danach entweder eine Verlängerung anstreben, sich versetzen lassen oder in die Heimat zurückreisen konnten.2 Für verheiratete Frauen lieferte entsprechend das Ende der Dienstperiode

1

2

So schilderte Antonie Brandeis im Jahr 1902 die Verabschiedung eines Schiffes von den Marshall-Inseln, siehe: Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 12, S. 232. Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Aug. 1903, MESC(AU), S15-IG86-F4; Vertrag zwischen dem Aus-

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des Ehemannes meist den Grund für die Rückreise. Das galt selbst für den außergewöhnlichen Fall, dass beide Ehepartner beruflich in der Kolonie tätig waren. So knüpfte die Lehrerin Imhoff ihre Vertragsverlängerung an die Bedingung, dass auch ihr Mann weiterhin als Bezirksrichter im Kolonialdienst verbleiben könne. Da man auf dessen weitere Anstellung in Samoa aber keinen Wert legte und seinen Vertrag nicht verlängerte, reiste auch Frau Imhoff schließlich mit ihrem Mann aus Samoa ab.3 Unter anderen Vorzeichen kamen die Missionsangehörigen in die Südsee. Die Missionsschwestern sahen in der Regel eine Rückkehr in die Heimat gar nicht vor, sie wollten den Rest ihres Lebens im Missionsfeld verbringen und dort begraben werden.4 Auch die Missionarsfrauen richteten sich auf einen langen Aufenthalt im Feld ein; dieser wurde jedoch gewöhnlich nach einigen Jahren durch einen Heimaturlaub unterbrochen und es war üblich, den Lebensabend in der Heimat zu verbringen. Auswanderinnen, die sich allein oder mit ihrem Ehemann eine neue wirtschaftliche Existenz in einer der Südsee-Kolonien aufbauen wollten, beispielsweise einen Handels- oder Pflanzungsbetrieb, hatten wohl oft keine endgültige Rückkehr vorgesehen, allerdings finden sich hierzu im Quellenmaterial kaum Anhaltspunkte. Doch unabhängig davon, ob und wann die Rückreise geplant war, entschied das Schicksal oft anders. Wie in den vorangegangenen Kapiteln bereits deutlich wurde, fielen manche Frauen, die eine Rückkehr vorgesehen hatten, Krankheiten, Unglücksfällen oder Straftaten zum Opfer, so dass sie ihre Heimat nie wiedersahen. Andere mussten unfreiwillig die Kolonien verlassen. Ursachen hierfür konnten beispielsweise ein vom Arbeitgeber vorzeitig beendetes Dienstverhältnis oder Konflikte am Arbeitsplatz sein.5 Auch finanzielle Schwierigkeiten und die Einsicht, dass sich die Existenzgründung in der Fremde als nicht rentabel erwiesen hatte, konnten zur Rückkehr in die Heimat führen. Einer der häufigsten Gründe für die endgültige Heimkehr deutscher Frauen waren gesundheitliche Schwierigkeiten in den Tropen. Wie bereits an anderen Stellen deutlich wurde, liefern die Quellen zahlreiche Bele-

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wärtigen Amt / KA u. Ludovica Schulze, London, 25. Mai 1903, ANZ(W), AGCA 6051/0141. Frieda Imhoff an Solf, Apia, 13. Jan. 1909 u. Solf an RKA, 18. Jan. 1909, MESC(AU), IG10-F2-IA-62; vgl. auch Solf, J.: Tagebuch, Einträge vom 13. März, 8., 9. u. 18. April 1909, in Privatbesitz. Schw. Anna an ihr Familie, Hiltrup, 7. Aug. 1902, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schw. Agnes (Holler)“, unverzeichnet; Schw. Stanisla an ihre Familie, Hiltrup, 6. April 1902, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Schwester Stanisla aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. Vgl. den in Kapitel 11.1 erwähnten Fall der Krankenschwester Martha Haeger und ihre Rückkehr aus Samoa.

15. G RÜNDE FÜR

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R ÜCKKEHR

VOR

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ge für krankheitsbedingte Heimreisen, häufig auf dringenden ärztlichen Rat hin.6 Bei Frauen, die dadurch verfrüht aus einem Dienstverhältnis ausscheiden mussten, finden sich ärztliche Gutachten in den Akten, die die Kranken für „tropenuntauglich“ erklärten.7 Missionarsfrauen ließen bei der krankheitsbedingten Rückreise nicht selten ihren Ehemann im Missionsgebiet zurück, damit dieser die Missionsarbeit fortsetzen konnte.8 Nicht immer war aber der eigene körperliche Zustand Grund für die Heimreise der Frauen, selbstverständlich konnten auch die gesundheitlichen Probleme des Ehemannes oder die Sorge um die gesunde Entwicklung der Kinder zur Rückkehr der Familie führen. Für den Abschied der meisten Deutschen aus den Südsee-Kolonien waren aber der Ausbruch des Ersten Weltkrieges und das Ende der deutschen Kolonialherrschaft verantwortlich. Einige Deutsche befanden sich bei Kriegsausbruch gerade auf Heimaturlaub und durften auf Grund des Krieges nicht wieder in die Südsee zurückkehren, so erging es beispielsweise dem Missionarspaar Helmich.9 Andere kehrten – sofern es die Besatzungsmächte zuließen – kurz nach deren Ankunft in die Heimat zurück oder wurden während beziehungsweise nach dem Krieg ausgewiesen. Trotz weiter Entfernung vom eigentlichen Kriegsgeschehen stellte der Erste Weltkrieg also auch für die Bewohner der Südsee-Gebiete eine Zäsur mit weitreichender Bedeutung dar.

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Aus gesundheitlichen Gründen mussten beispielsweise die Missionarsfamilien Hoffmann, Becker und Diehl heimreisen, ebenso die Krankenschwestern Mathilde Knigge und Helene Voll und die Beamtinnen Mars und Pfister, vgl.: Hoffmann, A.: Lebenserinnerungen eines Rheinischen Missionars, Band 1, S. 342; Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, S. XVI; Laura Becker an den Inspektor, an Bord der Yorck, 9. Aug. 1911, RMG 1.835; Unter dem roten Kreuz, 4. Jg. (1893), Nr. 6, S. 51; Bericht Nr. 77 an den Staatssekretär des Reichs-Kolonialamtes (über Helene Voll), Apia 25. Feb. 1909, MESC(AU), S15-IG86F4; Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3IG11-F3 u. Pfister an den Gouverneur, Apia, 18. Sept. 1910, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). Z.B. Gutachten des Regierungsarztes Dr. Poleck, Apia, 9. Dez. 1911, MESC(AU), S3IG11-F3 u. Pfister an den Gouverneur, Apia, 18. Sept. 1910, ANZ(W), S3-IG11-F9 (digitalisierte Akte aus Samoa). Beispielsweise Karoline Bergmann an ihre Lieben, Suezkanal, 30. Jan. 1890, RMG 2.140; Peter Arff an den Inspektor, Siar, 2. Mai 1892, RMG 2.143. Helmich, I.: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neu-Guinea, S. 26, 28.

16. Der Erste Weltkrieg in der Südsee und die Folgen

Anders als in den deutschen Kolonien in Afrika kam es in den Südsee-Kolonien im Ersten Weltkrieg nicht zu längeren Kämpfen. Die Kolonialverwaltungen dort mussten sich den Angreifern auf Grund mangelnder Verteidigungsmöglichkeiten schnell ergeben. Es gab in den Südsee-Kolonien weder Marinestationen noch eine Schutztruppe und die wenigen festen Geschütze, die existierten, waren nur zu Salutzwecken eingesetzt worden und auf Grund fehlender scharfer Munition für die Verteidigung wertlos.1 So wurden die deutschen Südsee-Gebiete direkt zu Beginn des Krieges von feindlichen Mächten eingenommen. Australische Truppen besetzten Neuguinea, neuseeländische Samoa und japanische das mikronesische Inselgebiet. Als es bei Kriegsende zu den Friedensverhandlungen in Paris kam, erhoben diese Besatzungsmächte Anspruch auf die ehemals deutschen Gebiete und bekamen schließlich die Mandate über sie zugesprochen. Eine Sonderbehandlung erfuhr die durch Phosphatvorkommen wertvolle Insel Nauru. Sie wurde an das British Empire vergeben. Großbritannien, Australien und Neuseeland sollten sich die Ausbeutung der GuanoVorkommen im Verhältnis 42:42:16 teilen und abwechselnd die Verwaltung stellen. Entgegen dieser Bestimmungen stellte jedoch schließlich nur Australien die Administratoren und bestimmte allein die Politik auf Nauru.2 Weder die Stimme der Deutschen noch die der einheimischen Bevölkerung wurde bei den Verhandlungen gehört. Am 7. Mai 1919 wurden die Mandatsmächte für die ehemals deutschen Kolonien offiziell bekannt gegeben. Erst am 30. April 1921 endete aber völkerrechtlich die deutsche Kolonialzeit in der Südsee, da an diesem Tag Neuseeland als letzte Mandatsmacht sein Völkerbundsmandat für Samoa erhielt.3 Die Auswirkungen des Kriegsausbruches waren in den verschiedenen deut1 2 3

Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 805. Ebd., S. 851. Ebd., S. 848-851.

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schen Südsee-Kolonien unterschiedlich und sollen daher separat dargestellt werden.4 Neuguinea Neuguinea erreichte die Nachricht vom Kriegsausbruch in Europa über die erst kurz zuvor behelfsmäßig fertiggestellte Funkstation Bitapaka am 5. August 1914.5 Gretel Kuhn, die Ehefrau des Leiters der Neuguinea-Kompagnie, erinnert sich: „Es war für uns in der Kolonie ein schwerer Schlag, als die Nachricht vom Kriegsausbruch im August 1914 kam. Wir ahnten alle nicht, was auf uns zukommen sollte. Gerüchte kamen auf und schwirrten umher. Jeder wollte mehr wissen als der andere, doch eigentlich wussten sie alle gar nichts.“6 Man versuchte sich so gut wie möglich für die ungewisse Zukunft zu rüsten. So wurde beispielsweise unter den Angehörigen der Neuendettelsauer Mission zur Sparsamkeit aufgerufen, da man mit Versorgungsengpässen rechnete: „Da wir nun voraussichtlich längere Zeit vom Verkehr mit der Aussenwelt abgeschnitten sein dürften, so soll an Lebensmitteln so viel wie nur möglich gespart werden. Salz, Konserven, Petroleum soll zunächst nicht mehr an Eingeborene verkauft werden. Ausserdem ist Sorge zu tragen, dass überall, wo es geht, für reichlichen Anbau von Feldfrüchten gesorgt wird. Wer gute Jagd noch hat, soll auch an andere Stationen denken – Fleisch einsalzen und räuchern.“7

Auch in der Herz-Jesu-Mission empfahl ein Rundschreiben im Auftrag des Bischofs dringend „mit allem zu sparen, besonders mit Messwein und Hostienmehl“.8 Ebenfalls aus ökonomischen Gründen entließ die Steyler Mission bei Kriegsausbruch zahlreiche Arbeiter und weibliche Hilfskräfte; auch viele auf den Stationen lebende Schulkinder wurden zu ihren Familien zurückgeschickt – mit der gleichen Maßnahme reagierten auch andere Missionsgesellschaften in den verschiedenen Südsee-Gebieten auf die Kriegsnachrichten.9 4 5

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Ausführlich zur Situation in den ehemals deutschen Südsee-Kolonien zwischen 1914 und 1921: Hiery, H.: The Neglected War. Zur Darstellung des Kriegsverlaufs in Neuguinea vgl. Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 808-827. Zur Funkstation Bitapaka: Klein-Arendt, R.: Die Nachrichtenübermittlung in den deutschen Südsee-Kolonien, S. 192f. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 31. Missionar J. Ruppert an seine Brüder, Pola, Aug. 1914 (genaues Datum unleserlich), AMEW, Vorl. Nr. 4.39/3. Papua Neuguinea. Chronik, 2. Teil 1914-1924, Eintrag vom 21. Aug. 1914, Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“. Schw. Ehrentrudis an die ehrwürdige Mutter, St. Anna, 5. Nov. 1914, Brief Nr. IV, in: AG SSpS, PNG 6201, vgl. Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 5 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“.

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Bis das australische Expeditionskorps zur Besetzung Neuguineas eintraf, verging noch über ein Monat. So hatten die Deutschen zwar noch relativ lange Zeit, sich auf die Verteidigung der Kolonie vorzubereiten, doch war von Vornherein klar, dass mit den wenigen zur Verfügung stehenden Kräften die Besetzung keinesfalls verhindert werden konnte. Als die über 6000 Mann starken australischen Truppen am 11. September 1914 mit einem Schlachtschiff, zwei Kreuzern, drei Zerstörern, zwei U-Booten und weiteren Truppen- und Versorgungsschiffen in Neuguinea landeten, kamen rechnerisch auf einen Angehörigen der deutsch-melanesischen Verteidigung 20 Australier.10 Dennoch war die Verteidigung – eine schlecht ausgerüstete, aus „ehemaligen Plantagenarbeitern und halb ausgebildeten [melanesischen, L.L.] Polizisten zusammengewürfelte Truppe“ – offenbar wild entschlossen, sich möglichst lange zu halten.11 So kam es auf der Gazellenhalbinsel zur einzigen militärischen Auseinandersetzung in der Südsee. Um die Funkstation Bitapaka wurde fünf Stunden lang gekämpft, wobei sich 400 Australier meterweise an einen Schützengraben heranarbeiteten, in dem sich fünf Deutsche unter der Leitung eines Reserve-Leutnants und 40 Melanesier befanden. Die höchsten Verluste (mindestens 30 Mann) mussten dabei die einheimischen Kämpfer hinnehmen, die doch eigentlich „dieser Kampf zwischen Weißen“ nichts anging, wie sie selbst sagten.12 Anlässlich der Kämpfe wurden die Schulräume der Herz-Jesu-Mission in Krankenräume verwandelt und Rot-Kreuz-Fahnen wurden auf allen Missionsstationen sowie den Schiffen der Mission aufgezogen. Alle Herz-Jesu-Schwestern trugen eine Armbinde mit dem Roten Kreuz. Allerdings wurden nur wenige Verwundete zu den so vorbereiteten Schwestern gebracht.13 Schließlich ergab sich die deutschmelanesische Seite, woraufhin am 15. September die Kapitulationsverhandlungen begannen. Zwei Tage später wurden sie mit der Festlegung von für die Deutschen sehr günstigen Bedingungen beendet, die wohl vor allem der tatkräftigen Unterstützung durch die melanesischen Polizeisoldaten bei der Verteidigung der Funkstation zu verdanken waren. Der hartnäckige Widerstand gegen die Australier, den die Deutschen Seite an Seite mit den indigene Kämpfern leisteten, ließ die Besatzer einen langwierigen Buschkrieg fürchten und bewog sie zu einem schnellen und wohlwollenden Friedensschluss. Alle deutschen Zivilbeamten durften auf Wunsch ungehindert ohne Neutralitätsverpflichtung nach Deutschland zurückkehren. Im Kolonialgebiet zurückbleibende Beamte durften vorerst mit beratender Funktion in ihren Stellungen verbleiben und ihr Gehalt weiter beziehen, wenn sie den Neutrali-

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Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 812. Ebd., S. 812f. Zitiert nach ebd., S. 813. Papua Neuguinea. Chronik, 2. Teil 1914-1924, Eintrag vom 12. Sept. 1914, Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“.

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tätseid leisteten. Die Geltung der bisher üblichen Gesetze und rechtlichen Verfahren wurde zugesichert.14 Auch den beiden in Rabaul stationierten Krankenschwestern vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien wurde von der australischen Besatzungsmacht angeboten, unter neuer Leitung im Dienst zu verbleiben. Sie wollten das Angebot jedoch nicht annehmen und stellten ein Ablösungsgesuch. Nachdem sie kurze Zeit unter australischen Ärzten weiter im Hospital gearbeitet hatten, wurde ihr Dienst schließlich Anfang des Jahres 1915 von australischen Krankenschwestern übernommen. Daraufhin kehrten die deutschen Schwestern über Sydney, San Francisco, New York, Norwegen und Dänemark nach Deutschland zurück.15 Die in Neuguinea verbleibende deutsche Bevölkerung blieb zunächst im Wesentlichen unbehelligt von der Besatzungsmacht und konnte ihren Geschäften weiter nachgehen. Nur wenige Deutsche, die meist den Neutralitätseid verweigert hatten, wurden nach Australien als Kriegsgefangene deportiert, darunter beispielsweise auch der Neuendettelsauer Missionar Raum, dessen Frau unter der Trennung leidend im Missionsfeld zurückblieb, und seine Kollegen Steck und Flierl.16 Der deutsche Privatbesitz wurde bis 1918 von offizieller Seite nicht angetastet. Es kam jedoch in den ersten Monaten der Besatzungszeit immer wieder zu Ausschreitungen der australischen Soldaten. Trunkenheit, Schlägereien und Plünderungen waren an der Tagesordnung. Hiery betont, dass besonders die einheimischen Frauen unter den Soldaten zu leiden hatten. Es habe zahlreiche sexuelle Übergriffe und Vergewaltigungen gegeben.17 Auch Gretel Kuhn schildert in ihren Erinnerungen, dass sie eines Nachmittags von zwei angetrunkenen australischen Soldaten in ihrem Haus aufgesucht und bedrängt wurde, ihr Koch konnte die Eindringlinge aber vertreiben.18 Ein für die Beteiligten völlig überraschender und rätselhafter Zwischenfall ereignet sich im Sommer 1915: Der Vertreter des australischen Administrators, Fred Toll, ordnete plötzlich die Internierung aller Deutschen an, die in Rabaul und Her14 Hiery, H.: The Neglected War, S. 33; Ders.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 814f. 15 Schwieder, Margot: Die Besetzung von Neuguinea, in: Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 16 u. Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 2. Sonderausgabe, S. 3. 16 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 825f; zu den deportierten Neuendettelsauer Missionsangehörigen Raum, Steck und Flierl (Junior) siehe: Elise Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 25. Aug. 1915 (darin Einlage von Georg Pilhofer) u. 15. Jun. 1917, in Privatbesitz; Hedwig Mailänder an die Frau Pfarrer, Sattelberg, 5. Dez. 1919, AMEW, Vorl. Nr. 4.33; Neuendettelsauer Missionsblatt, 6. Jg. (1916), Nr. 1, S. 6. 17 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 816f. 18 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 39.

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bertshöhe wohnten.19 Separiert vom Lager der Männer wurde auch für die deutschen Frauen ein sogenanntes „concentration camp“ im gut zu beobachtenden großen Haus der Frau Ehemann in Rabaul eingerichtet. Gretel Kuhn schildert in ihren Erinnerungen, wie sie trotz weit fortgeschrittener Schwangerschaft von zwei Soldaten früh morgens zuhause abgeholt und dorthin gebracht wurde, ohne dass man ihr das Fahrtziel nannte oder sie ihren Mann benachrichtigen konnte.20 Den Frauen sei eröffnet worden, dass sie zehn bis vierzehn Tage interniert bleiben sollten, jeglicher Ausgang sei ihnen verboten worden. Kuhns Bericht zufolge wurden die Frauen zwar höflich behandelt und gut verpflegt, doch war die Stimmung gedrückt. Gretel Kuhns Mann konnte nach einigen Tagen offenbar erreichen, dass seine Frau und zwei weitere Schwangere auf Grund ihrer besonderen Situation in Kuhns Haus zurückkehren durften, wo die Frauen allerdings von drei bewaffneten Soldaten noch einige Tage bewacht worden sein sollen. Auch die Herz-Jesu-Schwestern berichten in ihrer Chronik, dass die Angehörigen ihrer Mission am 24. Juli 1915 teils im Camp in Rabaul, teils auf den Missionsstationen unter Arrest gestellt wurden. Alle Schwestern wurden zusammen auf die Station Vunapope gebracht. Das völlig überfüllte Haus wurde von Soldaten bewacht, die ihr Lager auf der Veranda aufgeschlagen hatten. Auch zur Messe durften die Schwestern nur unter soldatischer Bewachung und ihnen wurde verboten, mit Außenstehenden zu sprechen. Schon am 28. Juli wurden allerdings die ersten Schwestern wieder freigelassen und am 14. August waren alle Schwestern, so wie die meisten Missionare, wieder frei und durften auf ihre Stationen zurückkehren.21 Die Deutschen mutmaßten, dass ein Gerücht über ein herannahendes deutsches Kriegsschiff die Besatzer zu dieser nervösen Internierung veranlasst habe. Nach wenigen Tagen wurden auch die concentration camps in Rabaul schließlich wieder aufgelöst und man kehrte zum Alltag zurück.22 Wie dieser sich für die deutsche Bevölkerung während der australischen Besatzungszeit gestaltete, fasst Gretel Kuhn in der Retrospektive lapidar mit folgenden Worten zusammen: „Unsere liebe Besatzung hatte sich immer wieder kleine Schikanen ausgedacht, aber wir hatten uns damit abgefunden.“23 Im Großen und Ganzen war das Verhältnis zwischen Australiern und deutscher Zivilbevölkerung weitgehend ungestört (vereinzelt entstanden wohl sogar freundschaftliche Beziehungen zwischen australischen und deutschen

19 Hiery, H.: The Neglected War, S. 40; Ders.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 825f. 20 Zur Inhaftierung der deutschen Frauen vgl. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 69-73. 21 Papua Neuguinea. Chronik, 2. Teil 1914-1924, Einträge vom 24. Juli-14. Aug. 1914, Abschrift in AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Chronik“. 22 Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 69. 23 Ebd., S. 77.

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Privatpersonen).24 Verglichen mit der Behandlung der Deutschen in anderen Kolonien waren die Einschränkungen in Neuguinea gering. Die deutsche Bevölkerung durfte sich innerhalb der Kolonie relativ frei bewegen, die Post wurde jedoch zensiert und die Kommunikation mit dem Deutschen Reich zunächst völlig eingestellt. Ab September 1915 konnte man jedoch über neutrale Drittstaaten wieder mit der Heimat in Schriftkontakt treten.25 Auf Grund der Kriegssituation scheint der Postverkehr aber auch in den folgenden Jahren spärlich gewesen zu sein. So schrieb eine Steyler Missionsschwester im Oktober 1916 aus Neuguinea an ihre Mutter: „Ach schon so lange haben wir nichts mehr von einander gehört. Vielleicht ist der eine oder andere schon in die Ewigkeit gegangen. Ihr habt sicher schon viel mitmachen müssen, während wir hier von aller Welt abgeschlossen, fast nichts vom verhängnisvollen Kriege hören und sehen.“26 Zwar blieb die Schwester vom fernen Kriegsgeschehen isoliert, doch spürte auch sie direkte Auswirkungen der veränderten Situation. Da die Schulkinder ja in ihre Dörfer zurückgekehrt waren, unterrichtete die Schwester nun nicht mehr, stattdessen arbeitete sie viel im Garten.27 Missionarsfrau Hedwig Mailänder, die der Neuendettelsauer Mission angehörte, konnte 1919 beruhigende Nachrichten über die Kriegsjahre im Missionsgebiet in die Heimat schicken: „Uns hier außen hat der Herr die ganze Kriegszeit über väterlich beschirmt. Wir hatten immer reichlich Lebensmittel und sonst auch was wir bedurften für Kleidung und dergleichen.“28 Übereinstimmend berichtete der Rheinische Missionar Eiffert im Jahr 1916 sie litten keinen Mangel im Missionsgebiet, müssten sich allerdings ein bisschen einschränken und vermehrt auf einheimische Feldfrüchte zurückgreifen.29 Um die Missionsgesellschaft in der Heimat in den schweren Zeiten zu unterstützen, verzichteten beispielsweise die Angehörigen der Rheinischen Mission in den Kriegsjahren freiwillig auf einen Teil ihres Gehaltes.30 Ansonsten blieb der Missionsalltag weitestgehend unbehelligt vom Weltkrieg.31 In all den Jahren erhielten die Deutschen in Neuguinea nur spärliche und als unzuverlässig empfundene Informationen über den Kriegsverlauf. Nach Neuguinea geschmuggelte deutsche Zeitungen waren begehrt und der mit Spannung gelesene

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Ebd., S. 42. Hiery, H.: The Neglected War, S. 38. Schw. Constantina an ihre Mutter, St. Michael, 31. Okt. 1916, in Privatbesitz. Schw. Constantina an ihre Familie, St. Michael, 9. Feb. 1915, in Privatbesitz. Hedwig Mailänder an die Frau Pfarrer, Sattelberg, 5. Dez. 1919, AMEW, Vorl. Nr. 4.33. Abschrift eines Briefes von Georg Eiffert an seine Angehörigen, Bogadjim, März 1916, RMG 2.159. 30 Rundbrief des Missionsinspektors Kriele an die Missionsangehörigen, Barmen, Juni 1915, RMG 3.030. 31 George, Heinrich: Bericht über meine Missionsarbeit während des Krieges von August 1914-Dezember 1918, Kurum, Dez. 1918, RMG 2.163.

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Inhalt wurde gleich anderen Deutschen weitergegeben.32 Vor allem bewegt durch die Sorge um das Wohlergehen der Verwandten und Freunde in Europa, hoffte man auf ein baldiges Kriegsende. Schon im Juli 1915 schrieb die junge Missionarsfrau Pilhofer an ihre Freundin: „Oft u. viel muß ich jetzt auch an unseren Hans denken, der jetzt an der Front stehen wird [...]. Ob wir ihn jemals auf Erden wieder sehen werden. Ja, der Krieg reißt furchtbare Wunden, wenn er doch endlich aufhören möchte. Der Herr gebe, das es bald zu Ende gehe.“33 Im Dezember 1916 ist ihr Warten immer noch vergeblich: „Ich habe immer gehofft, dass wir zu Weihnachten wenigstens vom Waffenstillstand hören werden u. nun ist das auch nichts.“34 Als der Krieg schließlich endete, traf die Kolonialdeutschen dessen Ausgang hart, besonders da das Schicksal der Kolonien und ihrer Bewohner nun völlig ungewiss war. Gretel Kuhn berichtet über das Kriegsende: „Als es dann endlich so weit war, war es eine böse Überraschung für uns. […] Wir paar Deutschen hatten uns natürlich ganz zurückgezogen. Für uns lag ja kein Grund zum Feiern vor. Die Firmen hatten alle zugemacht. Wir hatten uns verabredet für den nächsten Tag, um über die großen Probleme zu sprechen, die wohl auf uns zukommen würden. […] Am anderen Tag wurde dann durch die Australier ganz groß der Friede bekannt gegeben und riesige Plakate wurden auf alle öffentlichen Gebäude geklebt. Aber was mit uns geschehen sollte, darüber wurde noch gar nichts gesagt. […] Wie lange noch würden wir hier in diesem Paradies leben können? Was stand uns alles bevor? Nun es blieb uns nichts anderes übrig, wir mussten eben warten, bis die australische Regierung ihre Order erteilen würde.“35

Nach der offiziellen Bekanntgabe der neuen Mandatsmächte über die ehemals deutschen Südsee-Gebiete wurden die deutschen Siedler aus Neuguinea enteignet und zwangsdeportiert. Das galt selbst für deutsche Männer, die mit einer einheimischen Frau verheiratet waren. Nur einige wenige Deutsche durften zurückbleiben. Unter ihnen war auch die Krankenschwester Auguste Hertzer, die australische Soldaten gesund gepflegt hatte und daher Fürsprecher unter ihnen besaß.36 Die Zukunft der deutschen Missionen war lange ungewiss, was die Betroffenen belastete. Elisabeth Pilhofer von der Neundettelsauer Mission klagte über diese „Zeit des Wartens“ im Mai 1920: „Man wartet auf den Dampfer, man wartet auf die Entscheidung des Schicksals unserer Mission, man wartet auf geordnete Verhältnisse [...].“37 Nachdem die Missionsangehörigen zunächst nur eine befristete Aufent32 33 34 35 36 37

Elisabeth Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 20. Juli 1915, in Privatbesitz. Elisabeth Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 11. Juli 1915, in Privatbesitz. Elisabeth Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 20. Dez. 1916, in Privatbesitz. Kuhn, G.: Erinnerungen an Rabaul, S. 105f. Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 852. Elisabeth Pilhofer an Babette Schmidt, Heldsbach, 23. Mai 1920, in Privatbesitz.

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haltsgenehmigung erhalten hatten, führte jedoch 1926 der Beitritt Deutschlands zum Völkerbund dazu, dass kein Deutscher mehr aus dem Mandatsgebiet ausgewiesen werden durfte, so dass die noch übrigen Missionsangehörigen in Neuguinea bleiben konnten. Noch heute sind die Neuendettelsauer Mission, die Herz-JesuMission und die Steyler Mission dort aktiv.38 Mikronesien Der Kapitulationsvertrag, der am 17. September 1914 zwischen den australischen Besetzern und den Deutschen geschlossen worden war, umfasste eigentlich ganz Deutsch-Neuguinea, also auch die von Rabaul aus verwalteten mikronesischen Inselgebiete.39 Doch die Besetzung der Inseln blieb aus, so dass schließlich die Japaner die Gunst der Stunde nutzten. Sie gaben vor, dass in der Südsee kreuzende deutsche Ostasiengeschwader aufspüren zu wollen und besetzten dann zwischen dem 29. September und 21. Oktober alle deutschen Inseln Mikronesiens, ohne auf Widerstand zu stoßen.40 In der Chronik der katholischen Herz-Jesu-Schwestern wird berichtet, wie die japanischen Besatzer auf der Marshallinsel Jaluit landeten und die japanische Flagge hissten. Im Glauben, das Waschhaus der Schwestern sei ein Kohleschuppen, stürmten Soldaten darauf zu, rissen dabei einen Zaun ein und versetzten Schwester Domenika mit aufgepflanztem Bajonett „in Todesangst“.41 Eine weitere Schwester rettet sich entsetzt mit zwanzig Mädchen zum Haus der Herren. Einem Offizier gelang es aber offenbar, die Lage zu beruhigen. Die Krankenschwester Luise Loleit schildert die Besetzung Jaluits in der Deutschen Kolonialzeitung.42 Auf Rat des deutschen Arztes hin, brachte sie sich in der ersten Nacht vor möglicher Belästigung durch japanische Soldaten bei der katholischen Mission in Sicherheit. Am nächsten Tag entschloss Loleit sich jedoch, wieder in ihre Wohnung zurück zu kehren, wobei nachts ihre Waschfrau und deren Familie auf der Veranda des Hauses schliefen, um sie vor möglichen Eindringlingen zu

38 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 853. 39 Zur Darstellung des Kriegsverlaufes in Mikronesien vgl. Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 828-832. Außerdem ist in diesem Zusammenhang auf die im Jahr 2012 an der Universität Bayreuth eingereichte Dissertation von Yuko Maezawa zu verweisen, deren Thema lautet: „Mikronesien im ersten Weltkrieg (1914-1918). Kulturkontakte und Kulturkonfrontation zwischen Mikronesiern, Japanern und Deutschen“. 40 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 828. 41 Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 8 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“ 42 Loleit, Luise: Auf den Marshallinseln während der Japanerherrschaft, in: Deutsche Kolonialzeitung, 32. Jg. (1915), Nr. 10, S. 170f.

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warnen und zu schützen. Offenbar waren diese Vorsichtsmaßnahmen unnötig, denn die Krankenschwester stellt den Besatzern im Nachhinein ein sehr positives Zeugnis aus: „Ich bin niemals von Japanern belästigt worden, auch nicht, als in einem Hospitalgebäude 30 bis 40 japanische Arbeiter einquartiert waren. [...] Ich habe auch nicht gehört, daß die Japaner anderem Deutschen auf den Marshallinseln ein Leid zugefügt haben.“43 Einige Tage nach der Besetzung wurden die Hospitäler an die Japaner übergeben. Die deutsche Krankenschwester arbeitete daraufhin unter einem japanischen Arzt weiter, der ihr die gleichen Konditionen wie unter deutscher Verwaltung zusicherte. Auch über diese Zeit ist die Schwester voll des Lobes: „Der Arzt war höflich und freundlich […]. Ich habe sieben Monate mit ihm zusammengearbeitet und niemals Grund zu einer Klage gehabt. Er behandelte mich sehr rücksichtsvoll, überließ mir die Behandlung der Frauen ganz selbstständig. Ich hätte ganz zufrieden sein können, wenn ich nicht so viel Heimweh gehabt hätte.“44

Die Herz-Jesu-Schwestern schildern die japanischen Offiziere ebenfalls als interessiert, freundlich und höflich. Bei einem Besuch der Missionsschule benahmen sie sich der Missionschronik zufolge „äußerst liebenswürdig“ und schickten den Kindern im Anschluss eine Kiste Biskuits.45 Nach der Besetzung vergingen einige ruhige Wochen, in denen der Schulbetrieb auf den Missionsstationen wie gewohnt weiter lief. Vom 20. September 1915 an durfte jedoch in den Missionsschulen kein Deutschunterricht mehr gegeben werden, wie die Chronik berichtet. Ab 1. Dezember desselben Jahres sei den deutschen Missionen dann auf allen Marshallinseln der Schulunterricht völlig untersagt worden, nur Religion, Gesang und Handarbeiten durften noch unterrichtet werden. Alle übrigen Schulfächer deckten die neugegründeten japanischen Schulen ab, die nun auch die ehemaligen Missionsschüler besuchen mussten.46 Von der Karolinen-Insel Truk berichten die Angehörigen der Liebenzeller Mission ganz Ähnliches. Sie schreiben, sie würden von den japanischen Besatzern

43 Ebd., S. 170. 44 Ebd.; vgl. auch: Dies.: Die Besetzung der Marshall-Inseln durch die Japaner und meine Reiseerlebnisse, in: Unter dem roten Kreuz, 16. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 18-21. 45 Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 9 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“ 46 Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 11 u. 13 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“; Schw. Elise Zuber an die Missionsleitung, Truk, 7. Dez. 1915, ALM, Akte „Zuber, Elise“; vgl. Hiery, H.: The Neglected War, S. 143. Zum neu aufgebauten japanischen Schulsystem siehe auch Ders.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 844.

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rücksichtsvoll und „nach jeder Seite hin sehr zuvorkommend“ behandelt.47 Doch sei der Mission auch hier ab 18. Oktober 1915 aller Schulunterricht bis auf Religionslehre verboten worden; die Mädchenschule Floris dürfe aber weiter bestehen.48 Zudem wurden die Mittel der Missionen – teilweise durch schlechte Ernten, vor allem aber durch Preissteigerung und den erschwerten Kontakt mit der Missionsleitung in der Heimat – immer knapper. Man versuchte zu sparen, da ungewiss war, wann Nachschub kommen würde.49 So konnten sich die Missionen hier wie in Neuguinea den Unterhalt der vormals auf den Stationen lebenden Kinder nicht mehr leisten und mussten diese vielerorts zu ihren Angehörigen heimschicken, was eine starke Beeinträchtigung der Missionsarbeit bedeutete.50 Auch die christlichen Versammlungen für Erwachsene an den Wochentagen wurden von den Japanern verboten, die verhindern wollten, dass die Bevölkerung dadurch von der Arbeit abgehalten würde.51 Das nun herrschende Kontaktverbot zwischen den mikronesischen Inseln untereinander behinderte die Missionen zusätzlich, da sie dadurch von ihren Schwesternstationen isoliert wurden.52 Der Herz-Jesu-Pater Callistus berichtet, dass es nach der anfangs freundlichen Behandlung seiner Mission durch die Japaner, später zunehmend zu unangenehmen Zwischenfällen kam. So habe ein angetrunkener japanischer Offizier im Schwesternhaus die Bewohnerinnen belästigt und den

47 Abdruck eines Briefes von Ernst Dönges und Familie an die Missionsleitung, Truk, 30. Nov. 1914, in: Chinas Millionen, 16. Jg. (1915), Nr. 3, S. 60; Abdruck eines Briefes von Karl Becker an seine Eltern, Truk, 30. Jan. 1915, in: Chinas Millionen, 16. Jg. (1915), Nr. 6, S. 140. 48 Abdruck eines Briefes von Missionsehepaar Dönges an die Missionsleitung, Truk, 7. Dez. 1915, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 3, S. 53. 49 Z.B.: Abdruck eines Briefes von Bruder Seibold an die Missionsleitung, Ponape, 15. Okt. 1915, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 3, S. 51. 50 Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 18 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“; vgl.: Schw. Elise Zuber an die Missionsleitung, Truk, 1. Dez. 1914 u. 7. Dez. 1915, ALM, Akte „Zuber, Elise“; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, 18. April 1916, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 9, S. 179; Abdruck eines Briefes von Schw. Klara Köster, Ron Kiti, 28. Okt. 1915, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 3, S. 51; Walleser, Salvator: Die Besetzung der Marianen und Karolinen durch die Japaner, in: Die katholischen Missionen, 44. Jg. (1915/16), Nr. 3, S. 66. 51 Abdruck eines Briefes von Missionsehepaar Dönges an die Missionsleitung, Truk, 7. Dez. 1915, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 3, S. 53f. 52 Walleser, S.: Die Besetzung der Marianen und Karolinen durch die Japaner, in: Die katholischen Missionen, 44. Jg. (1915/16), Nr. 3, S. 66; Braam, Joh.: Das Ende der Mission auf den Marshallinseln, in: Die katholischen Missionen, 48. Jg. (1919/20), Nr. 6, S. 99; Buddeberg, E.: Das Kreuz auf der Südsee, S. 34

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zur Hilfe herbeigerufenen Priester mit Fäusten und Fußtritten traktiert.53 Die Schwestern selbst erwähnen solche Zwischenfälle in den vorliegenden Berichten nicht. Die Zahl der Missionsangehörigen und der übrigen Deutschen im Inselgebiet wurde im Laufe der japanischen Besatzungszeit nach und nach immer weiter dezimiert. Obwohl Japan ihnen zunächst ein Bleiberecht und Schutz ihres Privatbesitzes zugesichert hatte, waren die Deutschen auf der Phosphatinsel Angaur schon am 16. November 1914 nach Japan deportiert worden.54 Offenbar hatten sich die Japaner dabei an dem Umgang der australischen Besatzer mit der ebenfalls durch den Phosphatabbau wertvollen Insel Nauru orientiert.55 Diese war am 6. November 1914 von Rabaul aus durch den australischen Administrator Neuguineas besetzt und die deutsche Bevölkerung bereits zwei Tage später nach Australien gebracht worden – wohl um ohne deutsche Beobachtung Phosphat abbauen zu können. Ein Pater und vier Herz-Jesu-Schwestern blieben zunächst unbehelligt, wurden ein Jahr später schließlich aber ebenfalls ausgewiesen.56 Auf den anderen Inseln Mikronesiens wurden die Deutschen zunächst vor die Wahl gestellt, über Japan nach Hause zu reisen oder noch in Mikronesien zu verbleiben. Die wenigen Beamten, Siedler, Händler und Missionare, die zurückblieben, erhielten ab Januar 1915 aber ebenfalls nach und nach Ausreisebefehle.57 Auch die oben zitierte Krankenschwester entschloss sich im April 1915 freiwillig, mit einigen von den Marshallinseln ausgewiesenen Deutschen zusammen die Ausreise anzutreten. Zuvor musste sie sich wie alle anderen Deutschen schriftlich verpflichten, nichts zu unternehmen, was im Krieg zum Nachteil Japans sein könnte.58 Im Gegensatz zu einem Deutschen, der sich zunächst weigerte, zu unterschreiben, zögerte Loleit nicht: „Als Frau kann ich nichts Kriegerisches gegen Japan unternehmen und militärische Geheimnisse habe ich nicht erfahren, kann also keine verraten“, meinte

53 Callistus, P.: Die Karolinenmission und ihre Wechselfälle, in: Die katholischen Missionen, 50. Jg. (1921/22), Nr. 8, S. 157f. 54 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 831. 55 Zu Nauru vgl. ebd., S. 830. 56 Ebd., S. 830f; Die vier Missionsschwestern reisten am 9. Mai 1916 von Sydney nach Nordamerika weiter, vgl. Übersicht über die Missionsschwestern vom heiligsten Herzen Jesu in der Marshall-Mission, AHM, Ordner „Marshall“, unverzeichnet. 57 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 831f. 58 Ders.: The Neglected War, S. 41.

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sie.59 Die Reise führte die Deutschen zunächst nach Japan und von dort über Amerika und Dänemark zurück nach Deutschland.60 Im März 1916 wurden auch die Kapuziner von Saipan deportiert und die Zahl der Missionsangehörigen auf Truk stark reduziert; so wurde auch die Liebenzeller Missionarsfrau Dönges zusammen mit ihrem Mann und den drei Söhnen ausgewiesen.61 Eine kleine Schar deutscher Missionsangehöriger und Siedler verblieb bis zum Kriegsende auf Truk, Ponape, Jap und weiteren kleinen Inseln.62 Dann wurden jedoch auch aus Mikronesien die noch dort lebenden Deutschen ausgewiesen, die zehn Herz-Jesu-Schwestern und vier Franziskanerinnen mussten ebenfalls die Inseln verlassen.63 Die Angehörigen der Liebenzeller Mission – darunter Missionarsfrau Becker, Missionarsfrau Syring und die Missionsschwestern Zuber, Schneider und Krämer – teilten das gleiche Schicksal, das sie während des Krieges zwar mehrfach erwartet, nach dem Waffenstillstand aber nicht mehr für wahrscheinlich gehalten hatten.64 Eine Schwester der Herz-Jesu-Mission berichtete, die Schwestern hätten nur acht Tage Zeit zur Vorbereitung ihrer Heimreise gehabt. In der Eile wurde vieles aus ihrem Haushalt zu niedrigen Preisen verkauft, dann ihre Wohnungen 59 Loleit, L.: Auf den Marshallinseln während der Japanerherrschaft, in: Deutsche Kolonialzeitung, 32. Jg. (1915), Nr. 10, S. 171. Auch die Missionsschwestern mussten unterschreiben: vgl. Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 9 der Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“. 60 Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 2. Sonderausgabe, S. 1; Loleit, L.: Die Besetzung der Marshall-Inseln durch die Japaner und meine Reiseerlebnisse, in: Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 18-21. 61 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 832; Abdruck eines Briefes von Schw. Elise Zuber, Truk, 18. April 1916, in: Chinas Millionen, 17. Jg. (1916), Nr. 9, S. 179; Buddeberg, E.: Das Kreuz auf der Südsee, S. 34. 62 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 832. 63 Ebd., S. 853; Schw. Georgia: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, S. 20 u. Auszug der Hiltruper Chronik über die Rückkehr der Schwestern von den Marshallinseln am 17. Nov. 1919, in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I“; Braam, Joh.: Das Ende der Mission auf den Marshallinseln, in: Die katholischen Missionen, 48. Jg. (1919/20), Nr. 8, S. 129. 64 Am 2. Juli verließen die Liebenzeller Truk, am 2. August reisten die Geschwister von Ponape ab, in Jokohama trafen sie dann zusammen. Die Liebenzeller reisten gemeinsam mit Kaufleuten der Jaluit-Gesellschaft, Pflanzern von Ponape, Saipan und Jap (insgesamt 24 Personen), siehe: Schw. Elise Zuber an den Pfarrer, an Bord der Kamo Maru, im roten Meer, nahe Suez, 1. Okt. 1919, ALM, Akte „Zuber, Elise“ [Abdruck in: Chinas Millionen, 20. Jg. (1919), Nr. 12, S. 146f]; Abdruck eines Briefes von A. Syring an die Missionsleitung, im Roten Meer, 1. Okt. 1919, in: Chinas Millionen, 20. Jg. (1919), Nr. 12, S. 146; vgl. auch Personalbogen von Schw. Paula Krämer, ALM, Akte „Krämer, Paula“; Abdruck eines Briefes von Karl Becker an die Missionsleitung, im Mittelländischen Meer, 12. Okt. 1919, in: Chinas Millionen, 20. Jg. (1919), Nr. 11, S. 129.

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und die Kirche verschlossen und zugenagelt.65 Deutsches Eigentum wurde von den Japanern weitgehend geschont, bzw. bei Übernahme wurden Entschädigungszahlungen geleistet.66 Anders als in Neuguinea durften aus Rücksicht auf die einheimische Bevölkerung deutsche Männer, die mit indigenen Frauen verheiratet waren, auf den Inseln bleiben. Unter diesen Umständen wurde sogar einigen deutschen Männern die Rückkehr aus der Heimat nach Mikronesien erlaubt.67 Samoa Der Bevölkerung Samoas wurde am 3. August 1914 durch eine Extranummer des Gouvernements-Blattes offiziell die deutsche Mobilmachung gegen Russland verkündet. Alle Personen des Beurlaubtenstandes hatten sich unverzüglich beim Gouverneur zu melden und „zwecks Verwendung im Interesse der Landesverteidigung“ zu seiner Verfügung zu halten.68 Am 11. August gab der Gouverneur bekannt, dass infolge des Kriegszustandes womöglich Nahrungsmittel wie Reis, Fisch und Salzfleisch in der nächsten Zeit nicht pünktlich wie bisher beschafft werden könnten. Er forderte daher dazu auf, den Verbrauch der vorhandenen Nahrungsmittel einzuschränken und die tägliche Reisportion auf die Hälfte zu reduzieren, bis wieder angemessene Vorräte im Land verfügbar seien.69 Postverkehr mit dem feindlichen Ausland wurde eingestellt, während jener mit dem neutralen Ausland nur noch in offenen Postsendungen in deutscher, englischer und französischer Sprache erlaubt war.70 Außer diesen Vorsichtsmaßnahmen blieben der deutschen Bevölkerung Samoas nicht viele Handlungsmöglichkeiten; eine militärische Verteidigung war auch hier aussichtslos. Dementsprechend hatte der für diese bedeutende Entscheidung

65 Schw. Leontine: Ausgewiesen. Reiseerlebnisse der von den Marshallinseln vertriebenen Missionare und Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu, S. 3 der Abschrift, AHM, Ordner „Marshall-Inseln 1902-1919“. 66 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 853. 67 Ebd. 68 Bekanntmachung des Gouverneurs Schultz, Apia, 3. Aug. 1913, in: Samoanisches Gouvernements-Blatt, 5. Jg. (1914), Nr. 22 (Extranummer vom 3. Aug. 1914); siehe auch Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 1, S. 9. 69 Bekanntmachung des Gouverneurs Schultz, Apia, 11. Aug. 1914, in: Samoanisches Gouvernements-Blatt, 5. Jg. (1914), Nr. 25 (Extranummer vom 15. Aug. 1914). 70 Bekanntmachung des Gouverneurs Schultz, Apia, 12. Aug. 1914, in: Samoanisches Gouvernements-Blatt, 5. Jg. (1914), Nr. 25 (Extranummer vom 15. Aug. 1914).

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erweiterte Gouvernementsrat am 5. August 1914 beschlossen, die Kolonie widerstandslos zu übergeben.71 Doch zunächst blieb es noch einige Wochen ruhig, während man angespannt auf die Ankunft feindlicher Kriegsschiffe wartete. Den zahlreichen Einwohnern Samoas mit britischem Hintergrund wurden trotz des Krieges zwischen Deutschland und England keinerlei Beschränkungen auferlegt, auch ihre Waffen wurden ihnen belassen. Die deutsche Arztgattin Frieda Zieschank erklärte hierzu rückblickend in Kolonie und Heimat: „Es fiel uns sehr schwer, die seit langen Jahren unter uns lebenden Engländer plötzlich als unsere Feinde zu betrachten. Sie verhielten sich auch durchaus ruhig und anständig.“72 Am 29. August wurde Samoa schließlich von einer australisch-neuseeländischen Armada besetzt und einen Tag später offiziell von Neuseeland in Besitz genommen. Damit war Samoa das erste deutsche Gebiet überhaupt, das im Ersten Weltkrieg besetzt wurde.73 Es gab keine formellen Kapitulationsvereinbarungen, was große Nachteile für die Deutschen mit sich brachte. Der deutsche Gouverneur wurde umgehend als Kriegsgefangener festgenommen und auf der vor Auckland liegenden Quarantäneinsel Motuihi interniert. Nachdem sie sich geweigert hatten, der Besatzungsmacht dienlich zu sein, wurden am 12. September auch die übrigen deutschen Beamten aus Samoa als Kriegsgefangene nach Neuseeland gebracht. Es folgten immer mehr deutsche Zivilisten aus Samoa, die meist Opfer der Willkür der neuen Besatzer unter dem Militär-Administrator Colonel Robert Logan geworden waren.74 Logan, der als junger Mann aus England nach Neuseeland gekommen war, ursprünglich um dort Schafe zu züchten, hatte nur wenig militärische Erfahrung und kam relativ unvorbereitet zu seinem Amt.75 Er wusste kaum etwas über samoanische Kultur und Politik und blieb auch während seiner Amtszeit den Samoanern und ihren Bräuchen fern.76 Logans Entscheidungen erschienen (und erscheinen) oft 71 Zur Darstellung des Kriegsverlaufes in Samoa vgl. Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 832-836; Zum Beschluss, die Kolonie ohne Widerstand zu übergeben, siehe auch Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 103-105. 72 Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 1, S. 9; vgl. Samoanische Zeitung, Nr. 36 (5. Sept. 1914), S. 1; Hiery, H.: The Neglected War, S. 21. 73 Hiery, H.: The Neglected War, S. 23, 154; Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 102. 74 Nicht alle Kriegsgefangenen wurden nach Motuhi gebracht; die meisten kamen nach Somes Island (vor Wellington gelegen), vgl. Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 833f. 75 Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 106; Hiery, H.: The Neglected War, S. 157. 76 Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 108f.

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willkürlich und nicht nachvollziehbar; sein Amtsnachfolger soll ihn als „mad“ bezeichnet haben.77 Auf Grund seines offenbar jähzornigen und schwierigen Charakters kam er während seiner Amtszeit mit den meisten Europäern in Samoa in Konflikt; auch den Amerikanern soll er mit Antipathie gegenübergestanden haben, die wohl durch deren wirtschaftlichen Erfolg in Samoa noch verstärkt wurde.78 Von Neuseeland mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet, seien Logan offenbar seine eigene Macht und die tropische Hitze zu Kopf gestiegen, urteilt Hiery.79 Die zahlreichen Verhaftungen, zu denen es während Logans bis 1919 dauernder Amtszeit in Samoa kam und die man in diesem Umfang in keinem der anderen ehemals deutschen Südseegebiete findet sowie die generell sehr harsche Politik gegenüber der früheren Kolonialmacht, sind demnach wohl zu einem Gutteil der Persönlichkeit des Militär-Administrators zuzuschreiben. Laut Hiery war Neuseeland die erste ehemalige britische Kolonie, die deutsche Staatsangehörige internierte. Er vertritt die These, mit dieser Politik habe sich die Regierung Neuseelands dem kolonialen Mutterland gegenüber „als besonders willfährig und strebsam erweisen“ wollen.80 Eine der einschneidendsten Folgen der neuseeländischen Besetzung Samoas für viele deutsche Frauen war somit die lange Trennung von ihren Ehemännern durch deren Gefangenschaft. Der Kriegsgefangene Berking schrieb – auch im Namen seiner Mithäftlinge – zahlreiche Beschwerde- und Bittbriefe an Lord Liverpool, den Generalgouverneur von Neuseeland, in der Hoffnung, ihre verzweifelte Lage so einem Ende entgegenzuführen.81 Im November 1917 wies Berking in einem Brief darauf hin, dass sechs der Gefangenen bereits über 25 Monate und acht von ihnen über 19 Monate von ihren Familien getrennt seien. Er betonte, dass vor allem die Kinder und Frauen die Leidtragenden dieser Situation seien und bat daher erneut darum, dass die Gefangenen nach Samoa zurückkehren dürften. Solle dies unmöglich sein, bat er, die Frauen der Gefangenen nach Neuseeland ausreisen zu lassen, wo sie in Sicherheit vor in Samoa befürchteten Übergriffen seien und sich vom tropischen Klima erholen könnten.82 Tatsächlich waren die Sorgen der Männer offenbar nicht ganz unbegründet: Am 28. November 1917 wurde die deutsche Ehefrau des Kriegsgefangenen Schöneich nachts in ihrem einsam gelegenen Haus von einem Chinesen überfallen und nach einer versuchten Vergewaltigung schwer ver-

77 Zitiert nach Hiery, H.: The Neglected War, S. 174. 78 Ebd., S. 159. 79 Ebd.; zu den weitreichenden Befugnissen vgl. auch Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 106. 80 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende des deutschen Einflusses in der Südsee, S. 833. 81 Diese Korrespondenz findet sich in: ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 82 Berking an Liverpool, Motuihi Island, 23. Nov. 1917, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1).

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letzt.83 Ihr Mann erfuhr davon erst zwei Tage später aus der Samoan Times und war sehr besorgt, zumal er fürchtete, dass seine Frau sich in ihrem Zustand nun weder um ihre beiden Kleinkinder noch um die Pflanzung ausreichend kümmern könne. Doch obwohl sein Mitgefangener Gouverneur Schulz sich schriftlich beim Generalgouverneur von Neuseeland für ihn einsetzte, wurde Schöneich die Heimreise nach Samoa nicht gestattet.84 Auch die Ausreise der Ehefrauen der Kriegsgefangenen nach Neuseeland wurde nicht erlaubt.85 So wandte sich Berking im Mai 1918 erneut im Namen der 14 verheirateten Kriegsgefangenen des Internierungslagers Motuihi, die um die Sicherheit ihrer in Samoa zurück gelassenen Frauen fürchteten, an den Generalgouverneur.86 Neben dem Angriff auf Frau Schöneich führt er als weitere Belege für die Dringlichkeit der Familienzusammenführung die Krankheit der Ehefrau des Gefangenen Theodor Brenner an. Diese sei so schwer erkrankt, dass ihre Kinder von ihr fortgenommen hätten werden müssen und ihr von ärztlicher Seite dringend geraten worden sei, die Tropen zu verlassen, was die Neuseeländischen Besatzer jedoch nicht gestatteten. Die Ehefrau eines anderen Gefangenen, G. Brenner, habe Ehebruch begangen und würde somit durch die bereits eingereichte Scheidung ihre beiden Kinder verlieren – auch in diesem Fall waren sich die Kriegsgefangenen sicher, dass es nie so weit gekommen wäre, wenn sie nicht für so lange Zeit von ihren Familien getrennt worden wären. Nach diesen Vorfällen nahm die Besorgnis der Männer um ihre Ehefrauen weiter zu. Da Berkings Bitten um eine Rückkehr nach Samoa jedoch weiterhin erfolglos blieben, wandte er sich im September 1918 an Verteidigungsminister Allen und bat darum, die Ehefrauen und Kinder zu den Gefangenen ins Internierungslager kommen zu lassen, wo die Gefangenen ihnen selbst Unterkünfte bauen wollten. Zahlreiche der Frauen hätten aus Kummer über die Deportation ihrer Ehemänner bereits Herzkrankheiten und andere chronische Krankheiten entwickelt und seien nervlich am Ende. Sie müssten die Tropen augenblicklich verlassen, solle ihre Gesundheit nicht lebenslang ruiniert werden.87 Dennoch wurden die Bitten der Internierten auch diesmal abgelehnt, so dass die Frauen ihre deportierten Männer erst wiedersahen, als der Krieg längst beendet war.88

83 Schultz an Liverpool, Motuihi, 30. Nov. 1917, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 84 Schultz an Liverpool, Motuihi, 30. Nov. 1917 u. Liverpool an Logan, Wellinton, 9. Jan. 1918, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 85 Memorandum für den Generalgouverneur von Verteidigungsminister Allen, 22. April 1918, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 86 Berking an Liverpool, Motuihi, 21. Mai 1918, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 87 Berking an Allen, Motuihi, 25. Sept. 1918, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 88 Headquarter / Auckland Military District an Director of Personal Services / N.Z. Military Forces, 29. Nov. 1918, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1).

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In Samoa wurde unterdessen nur noch mit Hilfe von Proklamationen, Militärverordnungen und dem Kriegsgericht regiert, obwohl nach der neuseeländischen Besetzung eigentlich zunächst der Fortbestand deutschen Rechts zugesichert worden war. Hiery betont, dass diese Zwangsmittel sonst nur aus dem direkten Kriegsgebiet bekannt seien und die eigentlich für das besetzte Territorium geltenden Richtlinien der Haager Konvention in Samoa immer weiter verwässert worden seien.89 Die drei Krankenschwestern vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, die in Apia stationiert waren, hatten bei der Übernahme der Kolonie durch die Neuseeländer das Hospital gemeinsam mit ihren Patienten verlassen. Sie bezogen vorübergehend eine Wohnung am Hafen, wo sie auch Kranke versorgen konnten. Das Hospital wurde von neuseeländischen Schwestern besetzt.90 Seit Mitte Dezember 1914 war den deutschen Kolonialunternehmen der Export und Import untersagt, und am 25. April 1916 waren schließlich alle deutschen Geschäfte geschlossen und liquidiert worden.91 Die deutschen Regierungsschulen waren ebenfalls geschlossen worden; wobei diejenige für Europäer 1916 wiedereröffnet wurde, die für Samoaner jedoch erst 1918.92 Alle Deutschen unterlagen einer wöchentlichen Meldepflicht, mussten sich an die abendliche Ausgangssperre halten und durften nachts kein Licht machen. Jeder und jede Deutsche musste sich zudem für einen Aufenthaltswechsel eine schriftliche Erlaubnis der Besatzungsmacht besorgen, selbst wenn es sich nur um eine Nacht handelte. Auch geringe Übertretungen dieser Vorgaben wurden streng bestraft.93

89 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 834; Samoanische Zeitung, Nr. 36, S. 1. – Die Haager Konvention entstand auf den von 1899 bis 1907 in Den Haag stattfindenden Friedenskonferenzen und umfasst eine Vielzahl von kriegsvölkerrechtlichen Regelungen, die zum Großteil bis heute ein wichtiger Bestandteil des humanitären Völkerrechts sind. 90 Vgl. Unter dem roten Kreuz, 25. Jg. (1914), Nr. 9, S. 97; Ohlsen, Minna: Während der Kriegszeit auf der deutschen Südseeinsel Samoa, in: Unter dem roten Kreuz, 27. Jg. (1916), 4. Sonderausgabe, S. 14; Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 128; Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 4, S. 7. Die deutschen Schwestern meldeten ihrem Verein noch 1916, dass sie ihre Landsleute in Samoa nicht allein zurücklassen wollen würden, siehe Jahresbericht des Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien für das Jahr 1916, in: BArch, R 8023/168. 91 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 835; Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 10, S. 6. 92 Hiery, H.: The neglected war, S. 192f; vgl. Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 4, S. 7. 93 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 834; vgl. Samoanische Zeitung, 14. Jg. (1914), Nr. 51, S. 10, siehe auch Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre

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Postverkehr von und nach Deutschland war seit November 1914 überhaupt nicht mehr möglich.94 Anders als in den anderen Südsee-Gebieten wurde diese Kontaktsperre auch nicht nach einiger Zeit wieder gelockert. Jahrelang wussten die Deutschen in Samoa nicht, welche Auswirkungen der Krieg auf ihre in der Ferne lebenden Angehörigen hatte und ob er womöglich schon Todesopfer unter ihnen gefordert hatte. Besonders schwer war dies für die deutschen Frauen, die ihre Kinder zur Erziehung in der Heimat bei Verwandten gelassen hatten. Eine dieser Mütter berichtete im Jahr 1918 in Kolonie und Heimat: „Weihnachten 1915 konnte ich es gar nicht mehr aushalten. Ich biß die Zähne zusammen und ging bitten zu Mr. Wollermann [Zensor der neuseeländischen Besatzung, L.L.]. Sagte ihm, daß ich Mutter und zwei Kinder daheim und seit nun anderthalb Jahren nichts von ihnen gehört hätte. Bat, flehte, er möge doch einmal unter unseren Postsachen nachsehen, ich wolle die Briefe ja gar nicht haben; nur sagen solle er mir, ob meine Lieben noch lebten und gesund seien. Gleichmütig drehte er mir den Rücken. ‚No, wenn Sie keine Nachricht haben, leben sie noch; Todesnachrichten geben wir bekannt.‘! Aber das ist nicht wahr, wenigstens geschieht auch das sehr oft nicht.“95

Zwar waren die Deutschen den Launen der Besatzungsmacht ausgeliefert, doch litten sie keinen materiellen Mangel und waren auch in der Kriegszeit gut versorgt. Arztgattin Zieschank schreibt jedoch bei Kriegsende in Kolonie und Heimat voller Patriotismus, dass sie sich darüber nicht habe freuen können, da sie lieber ihr Vaterland opferbereit und tatkräftig unterstützt hätte. Sie habe es als beschämend empfunden, in den Kolonien tatenlos auf den Kriegsausgang warten zu müssen und sich – isoliert vom Kriegsgeschehen – nutzlos und ausgeschlossen gefühlt: „Daheim regten sich alle Kräfte in dieser schweren Zeit für das Vaterland und wir konnten nichts, gar nichts dazu tun, nicht das kleinste Opfer bringen. […] Wir saßen in hilflosem Zorn, starrten mit zusammengebissenen Zähnen auf den flatternden Union Jack, die schlappen Tommies und hörten die Moskitos summen und die Kokosnüsse von den Bäumen plumpsen.“96

in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 6, S. 6; Dies.: Heimwärts durch die englische Kontrolle, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 33, S. 6. 94 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 834. 95 Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 9, S. 6. 96 Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 4, S. 7.

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„Zu Hause half jeder mit am großen Ganzen, und wenn es auch nur durch Sparen und Entbehren geschah. Selbst das war uns versagt, unser Sparen hätte der Heimat nichts genützt. Ausgeschlossen! Ausgeschlossen aus unserer heiligen Volksgemeinschaft waren wir!“97

Die Zahl der Gefangenen stieg unterdessen immer weiter an, so dass die neuseeländische Regierung schließlich deren Aufnahme ablehnte und daraufhin in der Kolonie selbst ein Gefangenenlager angelegt wurde. Eine Liste der in Apia inhaftierten Kriegsgefangenen vom Juli 1918 nennt 19 Männer.98 Den Plan Logans, ausnahmslos alle Deutschen inklusive der deutschstämmigen Samoaner zu internieren, verhinderte schließlich der Waffenstillstand in Europa.99 Da die neuseeländische Regierung das „German element“ so weit wie möglich aus Samoa entfernen wollte, wurde nach Kriegsende beschlossen, die Deutschen aus Samoa zu einem Gutteil auszuweisen.100 Ebenso sollten einige der 1919 immer noch in Neuseeland internierten Samoa-Deutschen nach Deutschland deportiert werden, während die anderen nach Samoa zurückkehren durften. Den Ehefrauen der Kriegsgefangenen Rendt und Nauer war es einige Monate vorher offenbar doch noch gelungen, in das Gefangenenlager zu reisen und dort bei ihren Männer zu leben, wie auf einer der neuseeländischen Deportationslisten knapp vermerkt ist.101 Die deutsche Bevölkerung Samoas wurde im Zuge der Deportationspläne in drei Klassen unterteilt, wobei die Kriegsgefangenen in diese Einteilung einbezogen wurden: Die erste Klasse bildeten die „full-blooded Germans“; diese Gruppe zählte im Januar 1920 noch 209 Personen, die alle umgehend ausgewiesen werden sollten. Unter ihnen befanden sich den neuseeländischen Listen nach 45 verheiratete deutsche Frauen und sieben alleinstehende, darunter die Krankenschwester Augustine Domscheid und das Kinderfräulein Margarethe Schefezyck.102 „Full-blooded Germans“, die mit sogenannten „halfcaste“ oder samoanischen Frauen verheiratet waren (1920 noch 39 Personen), bildeten die zweite Klasse und durften bei guter Führung in Samoa bleiben; ebenso wie alle Nachkommen deutsch-samoanischer Bezie97

Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 9, S. 6. 98 List of Prisoners of War interned at Apia, 9. Juli 1918, in ANZ(W), IT 1 275, Ex 29/17(1). 99 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 836; Zu den zahlreichen Verhaftungen und Deportationen siehe auch Zieschank, F.: Zwei Kriegsjahre in Samoa, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 9, S. 6. 100 Solicitor-General Salomond an den Attorney-General, Wellington, 31. Juli 1919, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 101 „Category A“ der Liste der deutschen Kriegsgefangenen, wahrscheinlich Nov. 1919, ANZ(W), T1 275, Ex 29/17(1). 102 Genaue Auflistung der Angehörigen der verschiedenen „classes“, ohne Datum (wohl 1920), ANZ(W), IT 1/275, Ex 29/17(2).

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hungen (dritte Klasse).103 Unklar war zunächst, wie man mit den auf Samoa stationierten Maristen umgehen sollte, unter denen auch acht in Deutschland geborene Missionsschwestern waren.104 Schließlich durften sie in Samoa bleiben.105 Auch einige alte und kranke Deutsche, denen man den Klimawechsel nach dem langen Tropenaufenthalt nicht zumuten wollte, wurden nicht ausgewiesen – ebenso wie offenbar bei manchen familiären Umständen Ausnahmen genehmigt wurden.106 Da es Schwierigkeiten bereitete, ein geeignetes Schiff für den Transport zu finden, verzögerte sich die Deportation der Deutschen noch einige Monate.107 Am 16. Juni 1920 meldete der neuseeländische Administrator von Samoa schließlich dem Außenministerium per Telegramm, dass an diesem Morgen um 10 Uhr das Dampfschiff Main Samoa verlassen habe – an Bord befanden sich 179 Deportierte und 11 Deutsche und Österreicher, die freiwillig ausreisten. Mit dieser schlichten Nachricht endete für die „Samoa-Deutschen” eine Ära: „Embarkation carried out quietly and quickly.“108 Festzuhalten bleibt, dass das Ende der deutschen Kolonialzeit keinesfalls das restlose Verschwinden der deutschen Bevölkerung aus den betreffenden SüdseeGebieten bedeutete:109 Wie oben ausgeführt, gab es neben den vielen ausgewiesenen auch einige von der Deportation ausgenommene Deutsche, so wie zahlreiche „gemischte“ deutsch-indigene Familien und deren Nachkommen. So lebten laut Hiery am 1. Mai 1937 immer noch 39 „Reichsdeutsche“ in Samoa, unter ihnen

103 Administrator von Samoa an den Generalgouverneur von Neuseeland, ohne Ort, 29. Nov. 1919, ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). Die Zahlen, die in diesem Telegramm genannt werden, weichen von den hier zitierten ab, da letztere aus der Liste von 1920 stammen (vgl. vorherige Fußnote); Aktenvermerk, offenbar bezogen auf die Kabinettssitzung vom 9. Jan. 1920, Primes Minister’s Office / Wellington u. Memorandum des Premier Ministers für den Generalgouverneur, Wellington, 13. Jan. 1920, in: ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(2). 104 Vgl. Deportationslisten, in: ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(1). 105 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 853. 106 Telegramm des Administrators der Neuseeländischen Regierung an den Kolonialminister, Wellington, 8. Juli 1920 u. Memorandum des Premierministers für den Administrator, 12. Juli 1920, in: ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(2). 107 Telegramm des Administrators der Neuseeländischen Regierung an den Kolonialminister, Wellington, 8. Juli 1920, in: ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(2). 108 Administrator of Samoa an External Affairs / Wellington, Apia, 16. Juni 1920, Kopie in: ANZ(W), IT1 275, Ex 29/17(2). 109 An dieser Stelle möchte ich auf die Forschung der Historikerin Christine Winter verweisen, die sich in mehreren Publikationen der deutschen Diaspora in Australasien und dem Pazifik vor allem in den Zwischenkriegsjahren widmet; vgl. Literaturverzeichnis im Anhang.

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neun Frauen, von denen vier Missionsschwestern waren.110 Das „German element“ konnte also von den neuen Besatzungsmächten nicht vollständig überwunden werden. Bis heute sind Nachfahren der deutschen Bevölkerung und Überreste der deutschen Prägung in Samoa zu finden. Ein Indiz dafür sind unter anderem die noch immer weit verbreiteten deutschen Personennamen. Abb. 20: Grabstein auf der Insel Savai’i / Samoa (2011)111

110 Hiery, H.: Der Erste Weltkrieg und das Ende der deutschen Südsee, S. 853. 111 Eigene Aufnahme.

17. „Viel Geheul“: Emotionen bei der Abreise

Die Rückkehr aus den deutschen Südsee-Kolonien in die Heimat schildern die deutschen Frauen mit Wehmut. Pflanzersfrau Emmy Müller schreibt 1909 in Kolonie und Heimat, dass sich die deutschen Frauen in der Südsee zwar auf den Heimaturlaub freuen würden, nach einigen Monaten daheim sich jedoch ihre Sehnsucht nach der Südsee „bis zur Unerträglichkeit“ steigern könne.1 Dementsprechend schwer fiel vielen von ihnen der endgültige Abschied von den Südsee-Kolonien. Die englische Reisende Lilian Overell schildert in ihrem Buch, wie Emmy Müller und Auguste Hertzer in Neuguinea – im Angesicht ihrer drohenden Ausweisung – der deutschen Kolonialzeit nachtrauerten: „‚Life has changed‘ sighed Mrs. Müller; ‚our happy days are gone‘. She wept because she would pass away from the lavish beauty and abundance of the South Seas to a dull, dreary existance in the Fatherland.“2 Frieda Zieschank bekannte gar, dem Schmerz des Abschieds von Samoa könne die Aussicht auf das Wiedersehen der Heimat und der Lieben dort nicht die Waage halten. Sie war überzeugt, dass die „Sehnsucht nach dem teuren Inselland“ in ihrem Herzen nie erlöschen würde.3 Da diese Beteuerung nach dem Verlust der deutschen Kolonialherrschaft über Samoa veröffentlicht wurde, ist anzunehmen, dass Zieschank hier nicht nur ihr Bedauern über ihren persönlichen Abschied von Samoa ausdrücken wollte, sondern implizit den Schmerz über den Verlust des Kolonialgebietes für das Deutsche Reich artikulierte. Mit der Betonung ihrer eigenen engen Verbundenheit mit Samoa verbindet sich die Hoffnung auf die Rückgabe der Kolonie an das Deutsche Reich. Zum Zeitpunkt ihrer Heimreise war das weitere

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Müller, E.: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 7; vgl. Schultze, V.: Tagebuch, Eintrag vom 20. April 1899, in Privatbesitz: „Ach die Sehnsucht nach meinem geliebten Samoa! O! Ich muß dieses Jahr noch zurück!“ Weitere traurige und tränenreiche Abschiede von Samoa und ihren Schülerinnen schilderte Schultze ebd., Einträge vom 14. u. Mai 1898, 15. April 1908. Overell, L.: A Woman’s Impression of German New Guinea, S. 149f. Zieschank, F.: Ein Jahrzehnt in Samoa, S. 78f.

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Schicksal Samoas zu Zieschanks Sorge noch ungewiss: „Wann und wie werden wir dies geliebte Fleckchen Erde wiedersehen?“4 Bei der Schilderung des Abschieds bemühen die Frauen erneut die typischen Bilder des „Südsee-Mythos“. So fragte beispielsweise Antonie Brandeis 1902 in diesem Zusammenhang: „Werden wir sie wiederschauen die Smaragd-Inseln des stillen Oceans? Die sonnenglitzernden Lagunen, die immergrünen Tropenwälder und ihre sanftäugigen, kindergleichen Bewohner?“5 Auch nach ihrem zweiten Aufenthalt in der Südsee wurde 1907 ein ähnlicher Text von ihr in der Deutschen Kolonialzeitung publiziert: „Als ich zum zweiten Male von Jaluit Abschied nahm, tat ich es nicht ohne Kummer, denn ich wusste, dass ich nicht wieder zurückkehren würde, und es war mir klar, dass ich noch oft mich nach dem stillen Frieden des grünen, meerumrauschten Atolls zurücksehnen würde […]. Vielleicht erfüllt sich mein Wunsch in späteren Jahren, einmal wieder die friedlichen Inseln zu besuchen […].“6

Sie war sicher, dass jeder der Heimkehrer sich nach dem „Paradies“ zurücksehnte und wieder in die Südsee reisen wollte.7 Auch Beamtenfrau Wostrack nahm „schweren Herzens von dem schönen Sonneneiland Abschied.“8 In melancholischer Stimmung angesichts der Abreise traten offenbar die negativen Seiten des Alltagslebens in den Südsee-Kolonien in den Hintergrund und die Frauen beschworen durchgehend positiv konnotierte Bilder herauf. Vor der Abreise waren Abschiedsbesuche anzutreten und zu empfangen, die nicht selten mit „viel Geheul“ verbunden waren, wie Missionarsfrau Diehl lakonisch in ihrem Tagebuch notierte.9 Gründe für die mit der Rückreise verbundene Wehmut lassen sich zahlreiche finden: Die meisten der Frauen hatten sich während ihrer jahrelangen Aufenthalte in der Südsee ein neues Zuhause geschaffen, soziale Bindungen geknüpft, sich an die Lebensumstände in der Kolonie gewöhnt und sich dabei oft ein Stück weit der Heimat entfremdet. Bei den Frauen, die die Südsee-

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Zieschank, F.: Heimwärts durch die englische Kontrolle, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 34, S. 6. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 12, S. 232. Brandeis, A.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 3, S. 38. Brandeis, A.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 12, S. 232. Wostrack, M.: Als Kriegsgefangene von Neuguinea nach Deutschland, in: Kolonie und Heimat, 9. Jg. (1915/16), Nr. 4, S. 6. Klein, D. (Hrsg.): Jehova se nami nami, Eintrag vom 17. März 1913, S. 213; die Rückkehr der Geschwister Diehl und Helmich wird auch erwähnt in: Des Meisters Ruf, 5. Jg. (1913), Nr. 3, S. 47.

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Kolonien in Folge des Kriegsausbruches verlassen mussten, kam häufig hinzu, dass die Ausweisung mit großen materiellen Verlusten verbunden war. Nur wenig Handgepäck durfte mitgenommen werden, weiterer Besitz, wie Möbel, Alltagsgegenstände, vor allem aber der Landbesitz, das eigene Haus, Vieh etc. mussten aufgegeben werden – häufig gegen schlechte oder ohne finanzielle Entschädigung. Mühsam aufgebaute Existenzen, Handelsfirmen und Pflanzungen mussten verlassen werden, nicht selten gerade dann, wenn die Investitionen sich endlich auszuzahlen begannen. So schildert Frieda Zieschank die bevorstehende Abreise von Samoa mit folgenden Worten: „Wir haben nun Abschied genommen, von unserer Pflanzung, es tat doch sehr weh. Man sollte wohl annehmen, daß man mit Mutter Erde im fremden Land nicht so eng verwachsen könnte als daheim mit ererbtem Besitz. Aber hier spricht doch ein Besonderes mit. Dies hier sind die Werte, die man selbst aus dem Urwald, aus dem Nichts geschaffen! Was man da die langen Jahre heranwachsen sah, mit Liebe und nimmermüder Sorgfalt gepflegt, es ist ein Stück unseres Lebens geworden.“10

Neben den materiellen Verlusten bedauerten die deutschen Frauen vor allem, durch die Ausweisung mitten aus der Arbeit gerissen zu werden. Dies galt nicht nur für diejenigen, die die Früchte ihrer Arbeit auf den Pflanzungen nicht mehr selbst ernten konnten, sondern darunter litten im besonderen Maße die Missionsangehörigen. All die Jahre hatten sie sich bemüht, Vertrauen aufzubauen und so viele Einheimische wie möglich zum Christentum zu bekehren, nun mussten sie das Missionswerk plötzlich abbrechen, ohne dass sie ihre Aufgabe hätten beenden können. Sie reisten in der Sorge ab, dass ohne ihre stetigen Ermunterungen und Ermahnungen auch schon bekehrte Christen wieder in ihren alten Lebenswandel „zurückfallen“ könnten. So schreibt beispielsweise Missionar Becker im Namen der ausgewiesenen Liebenzeller Missionsangehörigen: „Es wurde uns sehr schwer, unsere lieben Braunen verlassen zu müssen, zumal sie noch so sehr der geistlichen Pflege bedürfen. […] Es ist unser größtes Anliegen vor dem Herrn darum zu beten, daß die jahrelange Arbeit doch nicht vergeblich getan sein möchte.“11 Zwar trösteten sich die Missionsangehörigen damit, dass auch die Ausweisung Teil ihres von Gott vorgegebenen Weges sein musste und ihr Herr alles gut fügen würde („Die Gefühle sind ge10 Zieschank, F.: Heimwärts durch die englische Kontrolle, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 33, S. 7. 11 Abdruck eines Briefes von Missionar K. Becker an den Pfarrer, im Mittelländischen Meer, 12. Okt. 1919, in: Chinas Millionen, 20. Jg. (1919), Nr. 11, S. 129; ähnlich beispielsweise: Aus den Missionen der rhein.-westf. Kapuziner-Ordensprovinz auf den Karolinen-, Marianen- und Palau-Inseln in der deutschen Südsee, Jahresbericht 1916, S. 16.

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mischt, u. doch – es ist die Hand Gottes.“12), doch ist in der erzwungenen Aufgabe der Missionsstationen auch ein Misslingen des eigentlichen Vorhabens und persönlichen Lebensplans zu sehen. Die Trauer über den Verlust des Missionsgebietes wird in den Quellen immer wieder artikuliert und besonders dadurch unterstrichen, dass der Abschied von der indigenen Bevölkerung als schmerzlich für beide Seiten geschildert wird. Beschreibungen der trauernden Einheimischen sollten belegen, wie gut das gegenseitige Verhältnis war und dass von beiden Seiten beklagt wurde, dass die Missionsangehörigen zu Unrecht mitten aus ihrem erfolgreichen Schaffen gerissen wurden. Die ausgewiesene Herz-Jesu-Schwester Leontine schildert die Reaktion der Einheimischen auf die Abreise der Missionsangehörigen von den Marshallinseln: „Die Liebe, mit der wir ihre Kinder erzogen, und unterrichtet, ihre Kranken gepflegt und ihre Waisen gespeist hatten, weckte nun ein lebhaftes Echo in ihrer Seele. Laut klagend und händeringend eilten sie auf uns zu. Unter Tränen reichten sie uns ein über das andere mal die Hände zum Abschied und fanden kein Ende mit der Bitte: ‚Vergesst uns nicht, o vergesst uns nicht! Kommt bald wieder und helfet uns armen Verwaisten!‘ Ein ähnliches Schauspiel hatte die alte Landungsbrücke von Jaluit noch nicht gesehen. […] Den Japanern waren die innigen Sympathiekundgebungen der Einwohner, die in dem endlosen Weinen und Schluchzen zum Ausdruck kamen, höchst unangenehm. Sie hießen deshalb das Volk an Land gehen und nötigten uns auf den Dampfer.“13

Die klar zu erkennende Intention dieser Schilderungen macht es schwierig, zu beurteilen, in wie weit diese das tatsächliche Verhalten der indigenen Bevölkerung widerspiegeln. Auch in den Beschreibungen bewegender Abschiedsszenen durch andere Deutsche, die nach Kriegsausbruch entstanden, schwang stets der Wunsch mit zu zeigen, dass die Deutschen eine beliebtere Kolonialmacht als ihre Nachfolger gewesen waren. Beamtengattin Wostrack schrieb beispielsweise: „Hunderte von Eingeborenen, Häuptlinge, Frauen und Kinder, begleiteten uns. […] ‚Te Moniba, du kommst wieder und bringst uns die deutsche Fahne wieder zurück‘, waren die letzten Worte und Grüße der Eingeborenen.“14 Krankenschwester Luise Loleit schildert ebenfalls, dass am Tag ihrer Abreise zahlreiche Einheimische zum Strand gekommen seien, um sich von den Deutschen zu verabschieden: „Unzählige braune 12 Schw. Elise Zuber an Pfarrer Coerper, an Bord der Kamu Maru, 1. Okt. 1919, ALM, Akte „Zuber, Elise“. 13 Schw. Leontine: Ausgewiesen. Reiseerlebnisse der von den Marshallinseln vertriebenen Missionare und Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu, S. 3f der Abschrift, in: AHM, Ordner „Marshall-Inseln 1902-1919“. 14 Wostrack, M.: Als Kriegsgefangene von Neuguinea nach Deutschland, in: Kolonie und Heimat, 9. Jg. (1915/16), Nr. 4, S. 6.

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Hände streckten sich uns mit dem Rufe entgegen: ‚Oh, wir sind so traurig‘.“15 Jenseits Schilderungen dieser Art sind in dem für diese Arbeit ausgewerteten Quellenmaterial kaum Anhaltspunkte zu finden, wie die einheimische Bevölkerung die Abreise der Deutschen und den Machtwechsel in den Kolonien erlebte.16 Für die Heimreisenden bleibt festzuhalten, dass die Rückkehr aus der Südsee für viele von ihnen den unangenehmen Beiklang des Scheiterns hatte. Die Heimreise bedeute nicht selten, dass ein Lebensentwurf missglückt oder der Traum vom Neuanfang am anderen Ende der Welt geplatzt war, mag nun das Ende der deutschen Herrschaft über die Südsee-Gebiete, eine unrentable Pflanzung oder die in Mitleidenschaft gezogene psychische oder physische Gesundheit eine Rückkehr notwendig gemacht haben. So empfand es beispielsweise Missionarsfrau Becker besonders schmerzlich, dass ihre gefährdete Gesundheit der Grund für die Heimreise ihrer ganzen Familie war, sie also Schuld am Scheitern des Aufenthaltes in der Südsee trug. Sie bedauerte die Mehrausgaben, die sie dadurch der Mission verursachte.17 Die verfrühte Rückkehr machte die hohen Kosten für Ausreise und Ausrüstung in den Augen der Zeitgenossen zu verschwendetem Geld, die Investitionen hatten sich als nicht rentabel erwiesen. Das bekamen besonders die Frauen zu spüren, die ihren Arbeitgebern bei einer vorgezogenen Heimkehr die Reisekosten erstatten mussten (falls sie kein ärztliches Attest über Tropenuntauglichkeit vorweisen konnten), so etwa die Beamtinnen und Krankenschwestern.18 In ihrem Fall ist davon auszugehen, dass der Leidensdruck recht hoch war, bis sie sich zu diesem Schritt entschlossen, so dass die Rückkehr für sie trotz allem mit erleichterten Gefühlen verbunden gewesen sein dürfte. Die Frauen, die während oder mit Ende des Krieges in die Heimat zurückkehrten, dachten mit gemischten Gefühlen an die Ankunft. Da manche von ihnen jahre15 Loleit, L.: Die Besetzung der Marshall-Inseln durch die Japaner und meine Reiseerlebnisse, in: Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 18-21; ebenso: Dies.: Auf den Marshallinseln während der Japanerherrschaft, in: Deutsche Kolonialzeitung, 32. Jg. (1915), Nr. 10, S. 171. 16 Da eine genaue Untersuchung der Situation der indigenen Bevölkerung im Ersten Weltkrieg und ihres Verhaltens in diesen Jahren ohnehin nicht Gegenstand dieser Arbeit sein kann, möchte ich hierzu auf weiterführende Forschungsarbeiten verweisen: Hiery, H.: The Neglected War, S. 30–35, 183–201; Ders.: Der Erste Weltkrieg und das Ende des deutschen Einflusses, S. 836–847; Ders.: West Samoans between Germany and New Zealand 1914-1921, in: War & Society, Vol. 10, Nr. 1 (May 1992), S. 53-80; zu Samoa vgl. auch Meleisea, M.: The Making of Modern Samoa, S. 102-125. 17 Laura Becker an den Inspektor, an Bord der Yorck, 9. Aug. 1911, RMG 1.835. 18 Vertrag zwischen dem Deutschen Frauenverein für Krankenpflege in den Kolonien und seinen Schwestern, Aug. 1903, § 11, MESC(AU), S15-IG86-F4; Vertrag zwischen dem Auswärtigen Amt / KA u. Ludovica Schulze, § 2, London, 25. Mai 1903, ANZ(W), AGCA 6051/0141.

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lang keinen Kontakt mit ihren Angehörigen gehabt und auch über den Kriegsverlauf nur unzureichende Informationen erhalten hatten, wussten sie oft kaum, was sie erwartete. So schrieb eine von der Karolinen-Insel Truk ausgewiesene Missionsschwester auf der Rückreise: „Wie mag es zu Hause gehen? In über fünf Jahren erhielt ich zwei Briefe von meinen Lieben, und jetzt kommen wir heim und wissen gar nicht, wie es geht. – Ihr habt ja besonders bewegte Jahre hinter euch. Wir wissen so wenig, wie weit das Wahrheit ist, was wir über unser liebes Vaterland hörten.“19 In die Vorfreude auf die Heimat mischte sich die Sorge um deren Zustand und die Angst vor möglichen Verlusten. Denn natürlich war die isolierte Lage der Südsee-Kolonien und ihre relative Unberührtheit vom Weltgeschehen, die so häufig als nachteilig empfunden wurden, in den Kriegsjahren auch ein Privileg, das die Frauen nun aufgeben mussten. Weit entfernt vom Kampfgeschehen in Europa waren die Frauen von materieller Not und Kriegsverlusten weitgehend verschont geblieben, nun mussten sie sich der Kriegsrealität stellen und mit den Folgen des Krieges leben lernen. Insgesamt kann der häufig bekundete schwere Abschied von der Südsee und die spätere Sehnsucht nach den Kolonien wohl als Indiz dafür gewertet werden, dass die in dieser Arbeit thematisierten Frauen trotz vieler Schwierigkeiten und Entbehrungen dort eine neue Heimat gefunden haben. Stellvertretend für viele ähnliche Äußerungen soll daher abschließend noch einmal Beamtenfrau Wostrack zitiert werden, die nach ihrer kriegsbedingten Rückkehr nach Deutschland schrieb: „Das Heimweh und die Sehnsucht nach der sonnigen Südsee, meiner zweiten Heimat, ist wach geblieben.“20

19 Abdruck eines Briefes von Schw. Anna Schneider, 12. Okt. 1919, in: Chinas Millionen, 20. Jg. (1919), Nr. 11, S. 131. 20 Wostrack, M.: Als Kriegsgefangene von Neuguinea nach Deutschland, in: Kolonie und Heimat, 9. Jg. (1915/16), Nr. 4, S. 8; ähnlich beispielsweise: Helmich, I.: Von weissen und braunen Pflegekindern in Neuguinea, S. 26.

VI. Fazit

18. Zusammenfassung der Ergebnisse

In den vorhergehenden Kapiteln wurden verschiedene Themenfelder behandelt, die Aufschluss über den Alltag, das Rollenbild und die soziale Stellung deutscher Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs und nicht zuletzt über ihre Beziehung zur indigenen Bevölkerung geben. Der Bogen wurde dabei von der Ausreise der Frauen in diese Gebiete bis zu ihrem Abschied aus den Kolonien gespannt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen nun zusammengefasst werden.1 Motive für die Ausreise in die Kolonien und das Rollenbild der „deutschen Kolonialfrau“ Den eingangs genannten Forschungsfragen entsprechend wurde zunächst nach Motiven für die Ausreise der Frauen gesucht. Es stellte sich heraus, dass hierbei nach institutionell geförderten und individuellen Ausreisen unterschieden werden kann. Zwar war der Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft mit seinem Publikationsorgan Kolonie und Heimat für die koloniale Frauenbewegung von zentraler Bedeutung und wurde daher auch in dieser Arbeit vorgestellt, Ausreisen in die Südsee organisierte er aber nicht. Im Untersuchungszeitraum konzentrierte er seine Aktivitäten vor allem auf „Deutsch-Südwestafrika“. Es ließ sich an Hand des Quellenmaterials jedoch belegen, dass es seit 1909 auch eine Abteilung des Bundes in Rabaul in Neuguinea gab, während er in Samoa offenbar nicht Fuß fassen konnte. Bedeutender für die vorliegende Untersuchung war der Deutsche Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien, der die Ausreise von Krankenschwestern und Hebammen in die Kolonien organisierte und finanzierte. Im Jahr 1891 reisten die ersten Schwestern im Auftrag des Vereins nach Neuguinea, in Samoa waren ab 1903 Schwestern stationiert. Der Verein bezahlte die Ausbildung der Krankenschwestern, ihre Ausrüstung und ihre Reisekosten. In den Kolonien sorgte er für eine mietfreie

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Da es sich um eine Zusammenfassung handelt, werden für die einzelnen Ergebnisse im Folgenden keine Belege mehr angeführt. Diese sind den entsprechenden vorhergehenden Textkapiteln zu entnehmen.

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Unterkunft sowie freie Verpflegung und zahlte den Schwestern ihr Gehalt. Damit ermöglichte ihnen der Verein, einer gesellschaftlich anerkannten Tätigkeit nachzugehen und sicherte ihre Existenz. Gerade in den Kolonien wurden Krankenschwestern dringend benötigt und erfuhren daher eine hohe Wertschätzung, zudem lieferte das exotische Arbeitsumfeld weitere Anreize, im Auftrag des Frauenvereins die Reise in die Fremde anzutreten. Der Großteil der deutschen Frauen, die in die Südsee-Kolonien ausreisten, stand jedoch im Dienst einer Missionsgesellschaft; entweder als evangelische oder katholische Missionsschwester oder als evangelische Missionsgehilfin oder Missionarsfrau. Für diese Frauen war das Ziel, den christlichen Glauben in der Fremde zu verbreiten, ein zentrales Ausreisemotiv. Für die Missionarsfrauen oder die sogenannten „Missionsbräute“ war allerdings der Wunsch, einen Missionar zu heiraten, beziehungsweise dem Ehemann ins Missionsfeld zu folgen, mindestens ebenso bedeutsam für den Entschluss zur Ausreise. Auch die Missionsgehilfinnen hatten häufig eine spätere Hochzeit mit einem Missionar anvisiert. Ob der Wunsch, eine Ehe einzugehen oder der, im Dienste des eigenen Glaubens tätig zu sein, für die Ausreise der entscheidende Beweggrund gewesen ist, war schon damals nicht zu entscheiden. Meist sind ohnehin wohl mehrere Motive für die Ausreise in die Kolonien verantwortlich gewesen. Ehe und Arbeitssuche waren auch unter den individuell ausreisenden Frauen die wichtigsten Beweggründe für ein Leben in den Kolonien. Wie im Kapitel über die damalige Situation der Frauen im Kaiserreich dargelegt wurde, befanden sich vor allem bürgerliche Frauen häufig in einer prekären Lage: Die Möglichkeiten, einen Beruf auszuüben, waren noch sehr begrenzt und die eigene finanzielle Situation durch eine Versorgungsehe abzusichern war oft ebenfalls schwierig, da in dieser Zeit wenigen Männern im heiratsfähigen Alter eine Überzahl an heiratswilligen Frauen gegenüberstand. Frauen, die aus diesen Gründen ihre Heimat verlassen wollten, folgten also sogenannten „Push-Motiven“: Sie wurden auf Grund der Missstände im Kaiserreich zu ihrem Entschluss getrieben. Die koloniale Frauenbewegung nutzte diese schwierige Situation, die Zeitgenossen schlicht mit „die Frauenfrage“ umschrieben, für ihre Ziele und präsentierte den Frauen die Ausreise in die Kolonien als Lösung für ihre Probleme. Es wurde betont, dass in den Kolonien ein großer Männerüberschuss herrsche und deutsche Frauen dort als Heiratskandidatinnen und zur Unterstützung der Kolonisation hohe Wertschätzung erfahren würden. So waren im Quellenmaterial Kontaktanzeigen zu finden, mit denen Frauen potentielle Ehepartner in den Kolonialgebieten suchten. Wie an Hand der offiziellen Statistiken und Ego-Dokumente festgestellt werden konnte, reisten jedoch – anders als nach „Deutsch-Südwestafrika“ – in die Südsee-Kolonien deutlich weniger Frauen auf der Suche nach einem Bräutigam. Abgesehen von den ohnehin zölibatär lebenden Schwestern waren hier die meisten Frauen bei ihrer Ankunft bereits verlobt oder verheiratet und folgten ihrem Partner ins Kolonialgebiet, weil dieser dort eine

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Anstellung gefunden hatte oder sich selbstständig machen wollte. Einige alleinstehende Frauen hatten auch selbst Stellengesuche aufgegeben und Bewerbungen geschrieben und kamen nun nach Samoa oder „Deutsch-Neuguinea“, um dort einer neuen beruflichen Aufgabe nachzugehen. Andere wiederum suchten weder eine Anstellung noch einen Ehepartner noch folgten sie ihrem Mann, sondern sie wollten in den vermeintlich paradiesischen Südsee-Kolonien alternative Lebenskonzepte erproben, so etwa die Anhängerinnen des „Kokovoren“ August Engelhardt. Neben den bisher genannten Frauengruppen, die sich in der Regel dauerhaft in den Kolonien niederließen, wurden auch reisende Frauen in die Untersuchung miteinbezogen. Deren Ausreisemotive waren teils, dass sie ihre Ehemänner auf einer Reise begleiten wollten, teils eigene touristische oder wissenschaftliche Interessen. All diese Beweggründe, die die Frauen quasi in die Südsee-Kolonien „zogen“, können unter dem Begriff „Pull-Motive“ zusammengefasst werden. Auf Grund der ausgewerteten Quellen wurde also deutlich, dass im Gegensatz zu „Deutsch-Südwestafrika“ beim Entschluss der deutschen Frauen zur Ausreise in die Südsee-Kolonien „PullMotive“ eine größere Rolle als „Push-Motive“ spielten. Wie auf Grund der Auswertung der Zeitschrift Kolonie und Heimat und anderer kolonialer Publikationen festgestellt werden konnte, entsprachen weder die Reisenden, noch die „Aussteigerinnen“ noch die allein lebenden, berufstätigen Frauen dem damals vorherrschenden Rollenbild der „deutschen Kolonialfrau“ und wurden daher in der Berichterstattung vernachlässigt. Denn die ideale „deutsche Kolonialfrau“ sollte in der Fremde einem deutschen Mann Kinder schenken und sich ganz ihren Pflichten als Mutter, Haus- und Ehefrau widmen. Damit sollte sie einen wichtigen, spezifisch weiblichen Beitrag zur Kolonisierung leisten. Ihre Aufgabe war es, durch die gewissenhafte Erledigung dieser ihr auferlegten Pflichten die deutsche Kultur in den Kolonien zu festigen und zu verbreiten. Auf einen entsprechenden Charakter der Ausreisenden wurde großen Wert gelegt. Sie sollten unter anderem fleißig, sittsam, opferbereit, bodenständig und natürlich sein. Wie gezeigt werden konnte, waren die in dieser Arbeit thematisierten Frauen mit diesem Rollenbild vertraut. Nicht nur entsprechende Publikationen, sondern auch Vorträge und teilweise Briefe aus den Kolonialgebieten – etwa von Verwandten oder Kolleginnen – prägten die Vorstellung der ausreisenden Frauen von ihrem zukünftigen Lebensalltag am anderen Ende der Welt. Zudem wurden zumindest diejenigen von ihnen, die im Auftrag einer bestimmten Institution in die Kolonien reisten, auch von dieser entsprechend vorbereitet. Ausbildung und Vorbereitung der ausreisenden Frauen So durchliefen die Schwestern vom Deutschen Frauenverein vom roten Kreuz für die Kolonien, die überwiegend aus dem Bürgertum stammten, nicht nur die für das Deutsche Reich übliche Ausbildung zur Krankenschwester, sondern ergänzten diese auf Kosten des Vereins durch eine Zusatzausbildung für den Kolonialdienst. Dabei

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wurden sie sowohl in der Behandlung von Tropenkrankheiten geschult, als auch zum Teil zur Hebamme ausgebildet. Wie auch für alle anderen deutschen Frauen galt zudem auch für die Schwestern solides hauswirtschaftliches Können als dringend erforderlich für ein Leben in den Tropen. Anders als die Krankenschwestern hatten die meisten evangelischen Missionsangehörigen keine Berufsausbildung im heutigen Sinne absolviert. Sie kamen in der Regel aus einfachen bis bürgerlichen Verhältnissen und hatten nach der Volksschule nur selten eine weiterführende Schule besucht. Eine Ausnahme stellten dabei die Missionsgehilfinnen dar, die beispielsweise als Lehrerin, Krankenschwester oder Hebamme ausgebildet waren. Auch die Missionarsfrauen sollten idealerweise über Kenntnisse in der Krankenpflege verfügen, zudem legten die Missionsleitungen Wert auf hauswirtschaftliche Fähigkeiten. Von großer Bedeutung war bei der Auswahl geeigneter Ausreise-Kandidatinnen unabhängig von der jeweiligen Institution außerdem die charakterliche Eignung. Das galt auch für die Liebenzeller Missionsschwestern, die darüber hinaus mehrere Jahre in verschiedenen biblischen Disziplinen geschult und auch auf praktischem Feld unterwiesen wurden. Vergleichbar war die Vorbereitung der katholischen Schwestern, die zum Großteil aus einfachen, ländlichen Verhältnissen stammten, auf ihre Pflichten im Missionsfeld. Auch Fremdsprachenunterricht gehörte zur Ausbildung aller Missionsschwestern, die in die Ferne gesandt wurden. Darauf, wie sich die individuell ausreisenden Frauen auf ihr Leben in den Südsee-Kolonien vorbereiteten, fanden sich im Quellenmaterial nur wenige Hinweise. In kolonialen Publikationen wurde auch den auf eigene Initiative ins Kolonialgebiet reisenden Frauen empfohlen, zuvor eine möglichst umfangreiche hauswirtschaftliche Schulung zu durchlaufen und Grundkenntnisse in der Krankenpflege zu erwerben. Der Lehrplan der Kolonialfrauenschule Witzenhausen spiegelte die hohen Anforderungen, die in der Heimat an die „deutsche Kolonialfrau“ gestellt wurden, wieder. Allerdings ließ sich an Hand des vorliegenden Quellenmaterials nicht feststellen, ob unter den deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien ehemalige Schülerinnen der Kolonialfrauenschule waren. Für die Beamtinnen, die in Samoa für die deutsche Kolonialverwaltung tätig waren, ist die Quellenlage hingegen günstig: Für die vorliegende Arbeit wurden erstmals die Personalakten dieser Frauen ausgewertet. Den Unterlagen war zu entnehmen, dass die Lehrerinnen und Stenographinnen bei ihrer Ankunft in der Kolonie über eine gute Schulbildung verfügten und schon Berufserfahrung gesammelt hatten. Einige von ihnen hatten bereits eine Anstellung im Ausland innegehabt und verfügten über gute Fremdsprachenkenntnisse.

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Erste Eindrücke, Wohnsituation und Alltag in den Südsee-Kolonien Unabhängig davon, ob die Frauen schon einmal im Ausland gewesen waren oder bei ihrem Aufbruch in die Südsee-Kolonien das erste Mal ihren Heimatort verlassenen hatten, waren die Verhältnisse in Samoa und „Deutsch-Neuguinea“ anders, als alles was sie bisher kennen gelernt hatten. Zahlreiche Reisebeschreibungen und Schilderungen der ersten Eindrücke von der neuen Heimat spiegeln das Staunen der Verfasserinnen über die fremde Lebenswelt wider. Es wurde deutlich, dass die Frauen diese zwar in ihren ersten Briefen überwiegend positiv schildern, manchmal die Ankunft und die Eingewöhnungsphase aber auch mit emotionaler Verunsicherung, Zukunftsängsten und Heimweh einhergehen konnte. Auch an die besonders in den Anfangsjahren der Kolonisierung oft noch sehr einfachen und beengten Wohnbedingungen mussten sich die Frauen erst gewöhnen. Den Quellen ist zu entnehmen, dass sich sowohl die Wohnverhältnisse der Missionsangehörigen als auch der übrigen Frauen mit den Jahren verbesserten. Besonders die Hauptstationen der Missionen entwickelten sich teilweise zu großzügigen Anlagen mit zahlreichen Gebäuden. Die Wohnsituation der übrigen Frauen gestaltete sich je nach Beruf und sozialer Stellung etwas unterschiedlich. Die meisten Europäerwohnhäuser waren schlichte, auf Stelzen stehende Holzbauten mit breiten Veranden. Einige der in dieser Arbeit untersuchten Frauen, wie beispielsweise die Gouverneursfrauen oder die Ehefrau des Leiters der Neuguinea-Kompagnie, lebten hingegen in recht luxuriösen Villen. Den zeitgenössischen Erwartungen gemäß galt es als wichtige Aufgabe der deutschen Frauen, ihrem Mann in der Fremde ein gemütliches deutsches Heim zu schaffen, das Vorbildfunktion für in der Nähe lebende ledige Europäer haben sollte. Kaum Spielraum bei der Gestaltung ihres Zuhauses hatten hingegen die Krankenschwestern vom Roten Kreuz, die eine möblierte Unterkunft – meist ein Zimmer im Krankenhaus – zugewiesen bekamen. Wie sich bei der Recherche herausstellte, prägte die Wohnlage den Lebensalltag der deutschen Frauen entscheidend, da sie die sozialen Kontakte, die infrastrukturelle Anbindung sowie den Zugang zu medizinischer Versorgung bestimmte. Die Wohnlage war eng verbunden mit der jeweiligen Aufgabe der Frauen in den Kolonien, beziehungsweise der ihrer Ehemänner. Der Alltag der Frauen wurde in der vorliegenden Arbeit getrennt nach Berufsgruppen untersucht. Angelehnt an die offiziellen Statistiken wurde die weibliche deutsche Kolonialbevölkerung eingeteilt in evangelische und katholische Missionsangehörige, Ehefrauen von Pflanzern und anderen Privatleuten, Ehefrauen von Beamten, Krankenschwestern, Lehrerinnen und weitere alleinstehende Frauen und Reisende. Als Ergebnis der Untersuchung kann festgehalten werden, dass sich der Alltag dieser Frauengruppen deutlich voneinander unterschied: Missionsangehörige, Krankenschwestern und die Ehefrauen von Kleinunternehmern oder manchen Angestellten führten den vorliegenden Quellen nach ein arbeits- und oftmals entbehrungsreiches Leben. Die Ehefrauen von gehobenen Beamten, leitenden Angestellten und Besitzern großer Plantagen- und

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Handelsunternehmen konnten hingegen die meisten Hauhaltsaufgaben an das ihnen zur Verfügung stehende Dienstpersonal delegieren und sich einen angenehmen Lebensstil leisten. Diese gut situierten Frauen, die in der Regel über viel Freizeit verfügten, wohnten meist in den städtischen Ansiedlungen. Anders als bei den Frauen, die auf einsamen Pflanzungen oder Missionsstationen lebten, nehmen in ihren Schilderungen gesellschaftliche Ereignisse und Vergnügungen deutlich mehr Raum ein. Die Beamtinnen hingegen wurden durch ihre finanzielle Situation zu einem sparsamen und schlichten Leben gezwungen. Insgesamt konnte auf Grund dieser Unterschiede festgestellt werden, dass die beispielsweise von Horst Gründer vertretene These, die koloniale Gesellschaft in den deutschen Südsee-Kolonien sei eine „ausgesprochene Freizeitgesellschaft“2 gewesen, der damaligen Lebenswirklichkeit vieler deutscher Frauen nicht gerecht wird. Die Beschreibung des Alltags und der sozialen Situation muss vielmehr differenziert nach Aufgabenbereich, Wohnlage und finanzieller Situation ausfallen, wobei diese Faktoren miteinander korrelieren. Da die in der vorliegenden Arbeit thematisierten Reisenden teilweise wochenlang an einem Ort verweilten und sich oft ein wiederkehrender, regelmäßiger Tagesablauf entwickelte, kann auch hier von einer Art „Alltag“ gesprochen werden. Dieser gestaltete sich je nach wissenschaftlichem Interesse oder touristischer Neugier unterschiedlich. In den Selbstzeugnissen der Forschungsreisenden Elisabeth Krämer-Bannow fiel auf, dass sie als Ehefrau des Expeditionsleiters neben ihren wissenschaftlichen Aufgaben auch für die „klassischen“ weiblichen Tätigkeitsfelder wie die Zubereitung der Nahrung und die Pflege von Kranken zuständig war. Die „Schattenseiten“ des kolonialen Alltags Krankheiten sind ein häufiges Thema im untersuchten Quellenmaterial. Wie deutlich wurde, erschwerten das körperlich anstrengende Klima und die vielfach daraus resultierenden gesundheitlichen Probleme den deutschen Frauen oft ihren Alltag. Dies trifft vor allem auf Neuguinea zu, wo Malaria und Schwarzwasserfieber die häufigsten und gefährlichsten Erkrankungen waren, die viele Opfer forderten. Aus dem Quellenmaterial ging außerdem hervor, dass die Frauen häufig zusätzlich durch mangelhafte Ernährung geschwächt wurden. Besonders gefährdet waren sie während Schwangerschaften und Geburten, die nicht selten tragisch endeten. Trotz des Ausbaus der medizinischen Versorgung hielt sich unter den Europäern die Ansicht, dass weiße Frauen möglichst nicht länger als drei Jahre am Stück in den Tropen leben sollten, anschließend sollten sie bei einem Erholungsurlaub im heimischen Klima neue Kraft schöpfen. Andernfalls würden nicht nur physische, sondern auch psychische Gefahren drohen. Tatsächlich mussten viele deutsche Frauen früher als geplant aus gesundheitlichen Gründen die Südsee-Kolonien verlassen. Anderen, wie beispielsweise der Krankenschwester Auguste Hertzer oder den katholi2

Graichen, G. / Gründer, H.: Deutsche Kolonien, S. 193

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schen Missionsschwestern, war es jedoch möglich, Jahrzehnte lang oder sogar für den Rest ihres Lebens dort zu bleiben. Neben Krankheiten und den klimatischen Herausforderungen waren Einsamkeit und Heimweh häufig Anlass für Klagen in den untersuchten Schriftzeugnissen. Besonders die schlechten Postverbindungen in die Heimat und das daraus entstehende Gefühl der Isolation wurden als bedrückend empfunden. Einigen Frauen fiel es schwer, sich – tausende Kilometern von Eltern, Geschwistern und Freunden entfernt – in dem völlig fremden Lebensumfeld einzugewöhnen. Aus dem Quellenmaterial ging aber hervor, dass sich die meisten Frauen mit der Zeit immer besser in der neuen Situation zurechtfanden. Sie lernten, in den weltabgewandten Kolonien auf vieles zu verzichten und Unannehmlichkeiten zu akzeptieren. Notgedrungen fügten sie sich den örtlichen Gegebenheiten, entwickelten meist eine pragmatische Haltung und passten die europäische Erwartungshaltung etwas an den Lebensrhythmus der Südseegebiete an. Je nach Persönlichkeit, Tätigkeit und Quellengattung fiel allerdings der Umgang mit Schwierigkeiten und deren Niederschlag in den Egodokumenten unterschiedlich aus. Besonders die Missionsangehörigen stellten Krankheiten und Alltagprobleme nicht selten als Opfer für ihren Glauben dar und sich selbst als tapfere Dulderinnen. Andere wiederum verharmlosten mit ähnlichem Ziel alle kritischen Situationen oder verschwiegen Probleme, um die Empfänger ihrer Briefe und Berichte nicht zu beunruhigen. Die sozialen Beziehungen der deutschen Frauen innerhalb der weißen Kolonialbevölkerung Das Kapitel zum Alltag der deutschen Frauen „am anderen Ende der Welt“ schließt mit der Darstellung der sozialen Beziehungen innerhalb der weißen Kolonialbevölkerung. Dabei wurden einige Besonderheiten deutlich. Zunächst ist das internationale Gepräge dieser Gebiete auffällig. Besonders in Samoa war der englische Einfluss stark, was sich im untersuchten Quellenmaterial mancherorts widerspiegelt. Zwar bestanden auf deutscher Seite teilweise Vorurteile gegen englische und französische Missionen, im Übrigen harmonierten die verschiedenen Nationen in den Kolonien jedoch gut miteinander. Außerdem wurde deutlich, dass in den Südsee-Kolonien Standesunterschieden offenbar weniger Bedeutung zugeschrieben wurde als im Deutschen Reich. Der Grund dafür ist vor allem in der vielerorts geringen Zahl der weißen Bevölkerung zu suchen. Wollte man sich nicht isolieren, konnte man nicht allzu wählerisch in seinen sozialen Kontakten sein. Zudem war hier im Vergleich zu „DeutschSüdwestafrika“ ohnehin die Bevölkerungsstruktur viel homogener: Überwiegend stammten die deutschen Einwohner aus der bürgerlichen Mittelschicht, auffällig sind die weitgehende Absenz des Adels und des hohen Militärs. Auch unter den Frauen herrschte deutlich weniger Standesdünkel und Konkurrenzkampf als in „Deutsch-Südwestafrika“. Die Ursache hierfür ist vor allem, dass es in die Südsee-

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Kolonien nie eine gesteuerte „Massenaussendung“ von Frauen aus „einfachen Verhältnissen“ gab, die um Ehepartner konkurrierten. Die Missionsangehörigen distanzierten sich meist von der übrigen weißen Bevölkerung und blieben unter sich. Wie aus dem Quellenmaterial hervorging, waren aber auch innerhalb dieser Gemeinschaften die Beziehungen nicht immer so harmonisch, wie es den Anschein haben sollte. Da die Missionsangehörigen selbst nahezu keinen Einfluss darauf hatten, mit wem sie im Feld zusammenleben und – arbeiten sollten, blieben Konflikte nicht aus. Auch zu den Vertretern konkurrierender Missionen und der Kolonialverwaltung konnten sehr angespannte Beziehungen entstehen. Man bemühte sich jedoch, von diesen Schwierigkeiten möglichst wenig nach außen dringen zu lassen, um dem Ideal der christlichen Nächstenliebe zu genügen und das Bild einer starken, gut funktionierenden Gemeinschaft zu zeichnen. Anders als in den Missionspublikationen werden in den ausgewerteten Briefen und Tagebüchern der Missionsangehörigen jedoch durchaus Spannungen artikuliert. Ähnlich wie die Situation der Missionsangehörigen war die der Krankenschwestern vom roten Kreuz für die Kolonien. Ihnen standen ebenfalls keine Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung, wenn sie sich mit den ihnen zugewiesenen Kolleginnen oder Vorgesetzten nicht verstanden. Das Fallbeispiel aus dem Hospital in Apia machte deutlich, dass es innerhalb der Krankenhäuser zu äußerst heftigen Konflikten kommen konnte, ohne dass davon etwas in der Vereinspublikation Unter dem Roten Kreuz zu erahnen gewesen wäre. Insgesamt ergab die Auswertung des Quellenmaterials, dass das in den kolonialen Publikationen beschworene Bild vom sehr harmonischen Miteinander der weißen Bevölkerung in den Südsee-Kolonien hinterfragt werden muss, da sowohl in den unveröffentlichten Berichten der deutschen Frauen aus Samoa als auch aus Neuguinea immer wieder Konflikte thematisiert wurden. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Frauen häufig mit der einen oder anderen Streitpartei sympathisierten. Doch trotz der gefunden Belege für Disharmonien unter der weißen Kolonialbevölkerung vermitteln die Quellen auch den Eindruck, dass die spezifische Lebenssituation in den Südsee-Kolonien eine einende Wirkung auf die „Fremden“ hatte. Das Bewusstsein, fern von der Heimat, relativ isoliert von der Außenwelt zu leben, scheint ein Gemeinschaftsgefühl mit all denen geschaffen zu haben, die sich in derselben Situation befanden. Die weltabgeschiedene Lage der Südseegebiete und deren dünne europäische Besiedlung begünstigten offenbar ein weitgehend tolerantes Klima. Keine Emanzipation, aber erweiterte Handlungsspielräume Wie die vorliegende Untersuchung ergab, hatten die besonderen Lebensbedingungen in den Südsee-Kolonien auch Einfluss auf die aus der Heimat importierten Berufs- und Geschlechterrollenbilder. In den Südseegebieten war nicht nur häufig die Kontrolle durch Umfeld und Vorgesetzte weniger intensiv sowie der Einfluss ge-

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sellschaftlicher Konventionen geringer als im Kaiserreich. Vor allem stellte der dortige Lebensalltag die Frauen und ihre Ehemänner vor besondere Herausforderungen. Bei dem Bemühen, diesen gerecht zu werden, erfuhren die hergebrachten Rollenbilder nicht selten eine Erweiterung. Dies konnte beispielsweise anhand der katholischen Missionsschwestern gezeigt werden, die in Neuguinea reiten und schießen lernten und deutlich selbstständiger als in ihren Mutterhäusern agieren konnten. Den Krankenschwestern wurde ebenfalls zwangsläufig mehr Verantwortung und Eigenständigkeit als in der Heimat übertragen. Wie gezeigt werden konnte, nutzten manche Frauen ihren Aufenthalt in den Südsee-Kolonien dazu, selbstbewusst und vergleichsweise unabhängig ein Leben zu führen, dass sie im Kaiserreich nicht in dieser Weise verwirklichen hätten können. Auch Männer wurden auf einsamen Pflanzungen und Missionsstationen manchmal gezwungen, die konventionellen Geschlechterbilder zu ignorieren. Wenn ihre Frau beispielsweise im Kindbett lag oder schwer erkrankt war und keine weibliche Helferin zur Verfügung stand, mussten sie weiblich konnotierte Aufgaben übernehmen, etwa sich um den Nachwuchs kümmern, waschen und kochen. Schon auf Grund ihrer geringen Anzahl erfuhren die deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien überwiegend große Wertschätzung durch die dort lebenden deutschen Männer. Ihre Anwesenheit und ihre hausfraulichen Fähigkeiten wurden in der Regel als wichtige Unterstützung im kolonialen Alltag empfunden. Dies wirkte sich positiv auf das Verhältnis zwischen den Geschlechtern aus: Beide Seiten waren aufeinander angewiesen und wurden zudem durch die Herausforderungen des fremden Lebensumfeldes zusammengeschmiedet, so dass sich im Quellenmaterial überwiegend Hinweise auf gut funktionierende Ehen finden ließen. Dabei sollten allerdings die quellenkritischen Anmerkungen zu diesem Befund berücksichtigt werden. Trotz der festzustellenden Wertschätzung, die deutschen Frauen in den SüdseeKolonien zuteil wurde, waren sie auch dort den Männern genauso wenig gleichgestellt wie im Kaiserreich. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung bestätigen damit für die Südsee-Kolonien den Befund, der in Bezug auf „DeutschSüdwestafrika“ wiederholt konstatiert wurde. Von einer Emanzipation der deutschen Frauen im Sinne einer Aufbruchsbewegung mit politischen und rechtlichen Konsequenzen kann auch in den Südsee-Kolonien keine Rede sein. Wichtig ist dabei hervorzuheben, dass sich kein Hinweis darauf fand, dass die betreffenden Frauen eine solche Emanzipation überhaupt intendiert hätten. Sie hatten die ihnen zugeschriebene Rolle verinnerlicht und hinterfragten sie nur in sehr seltenen Fällen. Gerade im kolonialen Kontext wurde die angeblich natürliche weibliche Bestimmung zur Mutter-, Haus- und Ehefrau besonders betont. Dass diese „klassisch weiblichen“ Tätigkeiten eine ideelle Aufwertung erfuhren und als wichtiger Beitrag zur Kolonisation galten, geht allerdings vor allem aus kolonialen Publikationen hervor und wurde wesentlich seltener in den analysierten unveröffentlichten Schriftzeug-

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nissen thematisiert. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die rechtliche und politische Lage der deutschen Frauen sich in den Südsee-Kolonien nicht von der im Mutterland unterschied und sich auch das Verhältnis zwischen den Geschlechtern nicht wesentlich anders gestaltete, die Frauen jedoch je nach Tätigkeit durchaus über erweiterte Handlungsspielräume verfügten und Berufs- und Geschlechterrollenbilder auf Grund der spezifischen dortigen Lebensbedingungen modifiziert werden konnten. Stereotype und die Debatte um „Rassenmischung“ Das Kapitel „Stereotype und Begegnungen“ wurde mit der Darstellung des sogenannten „Südsee-Mythos“ eingeleitet und der Leser mit den Stereotypen des „edlen Wilden“ und des „wilden Menschenfressers“ bekannt gemacht, die bereits seit der Aufklärungszeit das europäische Bild von den Bewohnern Ozeaniens prägten. Auch in den Erfahrungsberichten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wurde bei der Beschreibung der indigenen Bevölkerung der Südsee-Kolonien immer wieder auf die vertrauten Stereotype zurückgegriffen. Dabei ist zwar deutlich die Tendenz zu erkennen, dass Polynesier sowie Mikronesier vorwiegend als „edle Wilde“ beschrieben, während Melanesier häufiger als „wilde Menschenfresser“ dargestellt wurden. Generalisiert werden kann diese Zuschreibung aber nicht. Die Dichotomie von edlem und unedlem Wilden ging zu dieser Zeit nicht mehr mit einer klaren Melanesien/Polynesien-Division einher. Zu diesem Schluss kam bereits Gabriele Dürbeck in ihrer Studie zu deutscher Südsee-Literatur und auch in der vorliegenden Untersuchung zeichnete sich während der Quellenanalyse früh diese Erkenntnis ab.3 Bevor hier jedoch näher auf die Beschreibung der indigenen Bevölkerung durch deutsche Frauen eingegangen wurde, richtete sich der Blick nach einigen Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Kolonialismus und Rassismus zunächst auf Paarbeziehungen zwischen weißen Männern und indigenen Frauen. Schon lange bevor die Südseegebiete zu Kolonien des Kaiserreichs wurden, waren weiße beachcomber, Walfänger und Händler sexuelle Beziehungen mit einheimischen Frauen eingegangen, was sich in der Zeit der deutschen Herrschaft fortsetzte. Häufig wurden Ehen nach indigenem Ritus geschlossen, wobei die Weißen offenbar ohne Schwierigkeiten in die traditionellen Heiratssysteme integriert werden konnten. In der Regel profitierten sowohl die weißen Männer als auch die indigenen Frauen von diesen Verbindungen. Sie erleichterten ihrem Partner oder ihrer Partnerin den Zugang zu Waren beziehungsweise Absatzmärkten und vor allem zur jeweils anderen Kultur. In den Quellen fanden sich allerdings einige Belege dafür, dass sexuelle Kontakte nicht immer mit dem Einverständnis der indigenen Frauen stattfanden, sondern es auch zu Fällen von Nötigung und Vergewaltigung durch weiße Männer kam. Wie aus den Akten hervorging, wurden auch einige Missionare 3

Dürbeck, G.: Stereotype Paradiese, S. 54f

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solcher Vergehen beschuldigt. Es entwickelten sich jedoch auch zahlreiche Partnerschaften zwischen indigenen Frauen und weißen Männern, die so gut funktionierten, dass die zunächst nach einheimischer Sitte geschlossenen Ehen vor einem deutschen Standesbeamten rechtsgültig bestätigt wurden, nachdem das Deutsche Reich die Kolonialverwaltung übernommen hatte. Besonders in Samoa war die Zahl dieser sogenannten „Mischehen“ hoch: Hier wurden 90 solcher Ehen registriert, so viele wie in keiner anderen deutschen Kolonie, was vor allem damit zusammenhing, dass die Samoanerinnen als attraktiver und kulturell weiter entwickelt als die Frauen in anderen Kolonialgebieten galten. Da hier zudem anfangs nahezu keine weißen Heiratskandidatinnen zur Verfügung standen, war die Entstehung von „Mischehen“ allgemein akzeptiert und wurde sogar aus verschiedenen Gründen befürwortet. Das änderte sich um die Jahrhundertwende: Vor allem im Mutterland wurden diese Beziehungen nun zunehmend als Bedrohung für das „Deutschtum“ empfunden und in der kolonialen Presse wurde vermehrt diskutiert, wie der fortschreitenden „Rassenmischung“ entgegen gewirkt werden könnte. Die verschiedenen rassentheoretischen Argumente gegen diese Verbindungen, die in der vorliegenden Arbeit dargelegt wurden, lassen sich vor allem auf Angst vor Machteinbußen im kolonialen Herrschaftssystem zurückführen. Insbesondere wollte man verhindern, dass weiterhin indigene Frauen durch eine Eheschließung mit einem deutschen Mann die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten würden, ebenso wie die Nachkommen aus solchen Beziehungen. Zwar war die Ablehnung der „Rassenmischung“ weitestgehend gesellschaftlicher Konsens, das gesetzliche Verbot der „Mischehen“ aber aus verschiedenen Gründen umstritten. Den Höhepunkt erreichte die Debatte 1912, als Staatssekretär Solf ein generelles „Mischehen-Verbot“ für Samoa erließ. In der Heimat war die tolerante Haltung, die die weiße Kolonialbevölkerung Samoas der „Rassenmischung“ gegenüber einnahm, schon lange mit Unverständnis und Missbilligung zur Kenntnis genommen worden. In der Kolonie, in der die „Rassenmischung“ ohnehin zum Zeitpunkt der Debatte längst stattgefunden hatte, sprach sich nur eine Minderheit der weißen Bewohner offen für ein Verbot der Mischehen aus. Im Übrigen wurde auf die Gefahren rassistischer „Hetzartikel“ für das friedliche Zusammenleben innerhalb der Kolonien hingewiesen. Wie unwillig die vor allem von außen in die Südseegebiete getragene Auseinandersetzungen über die „Rassenmischung“ vor Ort aufgenommen wurde, konnte am Beispiel eines Zeitungsartikels von Carl Michaelis gezeigt werden, der in der Samoanischen Zeitung erschienen war. Besonders interessant ist hier nicht nur die breite Unterstützung, die der Protest gegen die betreffende Veröffentlichung erfuhr, sondern vor allem, dass es primär die „halbweißen“ und samoanischen Frauen waren, die zur handgreiflichen Verteidigung ihres Rufes in Aktion traten. So richteten sich an diese auch die Bemühungen des Gouverneurs, die aufgebrachte Lage in der Kolonie zu beruhigen. Die Frauen treten in den über-

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lieferten Gesprächsprotokollen als selbstbewusste Verhandlungspartnerinnen in Erscheinung. Auch die in Samoa lebende deutsche Arztgattin Frieda Zieschank konnte die Empörung der Betroffenen nachvollziehen, obwohl sie dafür plädierte, die Entstehung neuer „Mischehen“ zu unterbinden. Weder über die bereits bestehenden „Mischehen“ noch über die Nachkommen aus solchen Verbindungen äußerte sie sich aber negativ. Sie mahnte im Gegenteil zu einer besonnenen Haltung der „Mischlinge“ gegenüber, in denen sie keinerlei Gefahr erblicken konnte. Im Übrigen werden „halbweiße“ Frauen in ihren Veröffentlichungen häufig positiv geschildert und die guten Beziehungen zwischen diesen und den deutschen Frauen mehrfach erwähnt. Wie gezeigt werden konnte, nahmen auch die anderen deutschen Frauen in den analysierten Schriftzeugnissen eine tolerante Haltung gegenüber „gemischten“ Familien in den verschiedenen Südsee-Kolonien ein und bezogen sich vielfach positiv auf „halbweiße“ Frauen, deren vollständige gesellschaftliche Akzeptanz im Quellenmaterial immer wieder deutlich wird. Mit dieser Haltung unterschieden sich die deutschen Frauen, die in den Südsee-Kolonien lebten, deutlich von denen in „Deutsch-Südwestafrika“: Die Forschung hat mehrfach darauf hingewiesen, dass es dort vor allem die weibliche Bevölkerung war, die rassistische Vorurteile schürte und vehement gegen die „Mischehen“ Partei ergriff. Sowohl in „Deutsch-Südwestafrika“ als auch im Kaiserreich nutzten die Frauen die „Mischehen-Debatte“, um ihren eigenen Wert für eine gelingende Kolonisation zu betonen: Nur die deutsche Frau sei in der Lage, ihrem Ehemann einen ordentlichen deutschen Haushalt zu führen und vor allem deutsche Kinder zu gebären. Besonders denjenigen, die vom Frauenbund nach „Deutsch-Südwestafrika“ gesandt wurden, wird die zunehmende Verbreitung rassistischer Ansichten in dieser Kolonie zugeschrieben. Aus einfachen Verhältnissen stammend, war ihr Interesse besonders groß, ihre soziale Position durch eine Hochzeit zu verbessern. Es galt dabei nicht nur, sich gegen die anderen weißen Konkurrentinnen auf dem Heiratsmarkt durchzusetzen, sondern auch die Vorzüge einer Ehe mit einer deutschen Frau im Vergleich zu einer Beziehung zu einer einheimischen Frau zu betonen. Im Quellenmaterial aus den dünner von Weißen besiedelten Südsee-Kolonien hingegen mit ihrer homogeneren Bevölkerungsstruktur macht sich dieses Konkurrenzdenken unter den wenigen deutschen Frauen – von denen ein Großteil ohnehin nicht als Braut in Frage kam – nicht bemerkbar. Dass der Frauenbund keine Ausreisen in die SüdseeKolonien organisierte, erwies sich also in mehrfacher Hinsicht als bedeutend für die dortigen sozialen Beziehungen, was eines der zentralen Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung darstellt. Eine weitere Erkenntnis aus der Analyse der „Mischehen-Debatte“ ist, dass „Rasse“ keinesfalls eine einfach biologisch determinierte, sondern eine umstrittene, sozial, kulturell und politisch bestimmte Kategorie ist. Die Grenze zwischen „Weißen“ und „Eingeborenen“ erwies sich als fließend und wandelbar.

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Beschreibungen der indigenen Bevölkerung in den Schriftzeugnissen deutscher Frauen Bevor die Interaktion der deutschen Frauen mit der indigenen Bevölkerung beleuchtet wurde, galt in einem ersten Analyseschritt die Aufmerksamkeit den Beschreibungen, die die Frauen über die Bewohner der verschiedenen Südseegebiete und ihre Kultur verfassten. Deutlich wurde dabei, dass die meisten Frauen keine pauschalen Gesamturteile fällten, sondern auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen differenziertere Urteile abgaben. Dabei bedienten sie sich jedoch auch immer wieder den bekannten Stereotypen vom „edlen Wilden“ und „wilden Menschenfresser“. Allerdings wurden Polynesier von den Frauen nicht durchgehend als „edle Wilde“ wahrgenommen. Ebenso changierten auch Frauen, die aus Melanesien berichteten, in ihren Urteilen zwischen den beiden entgegengesetzten Polen, obwohl Melanesier in der Vorstellung der Deutschen üblicherweise die dunkle Seite des „Wilden“ verkörperten. Zwar fanden sich in den untersuchten Schilderungen auch immer wieder Passagen, in denen Melanesier im Gegensatz zu Polynesiern und Mikronesien als hässlich und abstoßend beschrieben wurden. Häufig lassen sich jedoch unmittelbar neben diesen äußerst negativen Urteilen auch deutlich wohlwollendere Schilderungen derselben Verfasserinnen zur melanesischen Bevölkerung und ihrer Kultur finden. Die aus heutiger Sicht sehr abschätzigen und rassistischen Beschreibungen waren für die deutschen Frauen offenbar einfach Teil der Wiedergabe ihrer Beobachtungen. Sie beschrieben das, was ihnen auf Grund ihres eurozentrischen Geschmacksempfindens gefiel, als schön und ebenso das, was ihnen nicht gefiel, als hässlich, ohne damit zwangsläufig ein negatives Gesamturteil über die Bevölkerung zu verbinden. Insgesamt überwogen unabhängig von der Region, aus der berichtet wurde, die positiven Darstellungen der indigenen Bevölkerung und ihrer Lebenswelt. Die meisten Frauen, von denen Veröffentlichungen vorliegen, zeigten den fremden Kulturen gegenüber großes Interesse. Bei einigen Verfasserinnen, wie etwa den Reisenden Marie Schafroth und Elisabeth Krämer-Bannow, wird deutlich, dass der Kontakt mit der indigenen Bevölkerung nicht nur zur Korrektur eigener Vorurteile führte, sondern auch zu dem Wunsch, den Lesern in der Heimat deutlich zu machen, dass manch bekanntes Stereotyp indigene Kulturleistungen zu Unrecht missachtete. Immer wieder äußerten sich die Frauen staunend und lobend über geschickte Handarbeiten, geschmackvolle Dekorationen, eindrucksvolle Tänze und bewundernswerte Belege indigener Baukunst. Der zunehmende europäische Einfluss, der diese Kulturerzeugnisse zu verdrängen drohte, wurde dabei negativ bewertet. Trotz aller positiven Urteile wurde bei der Quellenanalyse deutlich, dass die indigene Bevölkerung niemals als ebenbürtig wahrgenommen wurde. Die Menschen wurden nicht selten wie ein Teil der fremden Landschaft beschrieben, viel mehr als exotische Studienobjekte denn als Personen, mit denen etwa ein Austausch auf gleicher Augenhöhe möglich wäre.

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Interaktion zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung Dies zeigte sich auch bei der Untersuchung der Interaktion zwischen deutschen Frauen und indigener Bevölkerung. Zunächst wurden dabei die Missionsangehörigen außen vor gelassen, da ihnen ein eigenes Kapitel gewidmet wurde. Die übrigen Frauen kamen am häufigsten und intensivsten mit den Indigenen in Kontakt, die in ihrem Haushalt angestellt waren. Die deutschen Frauen waren hier auf eine erfolgreiche Interaktion mit dem indigenen Personal angewiesen, häufig kam es jedoch zu Konflikten. Im Vergleich zu den oben thematisierten Beschreibungen aus der beobachtenden Distanz heraus fallen daher die Schilderungen der indigenen Arbeitskräfte unabhängig von der Region oftmals deutlich negativer aus. Ein grundlegendes Problem war das völlig unterschiedliche Verhältnis zur Arbeit, das deutsche Frauen und ihre indigenen Hilfen hatten. Häufig warfen die Frauen ihren Angestellten Faulheit vor und klagten zudem über Unzuverlässigkeit und ein langsames Arbeitstempo. Darüber hinaus war die deutsche Art der Haushaltsführung den indigenen Helfern anfangs meist völlig fremd und das „Anlernen“ der Arbeitskräfte wird von den deutschen Frauen durchweg als sehr mühsam beschrieben, zumal es auf beiden Seiten zu vielerlei Missverständnissen kam. Besonders die angebliche Unsauberkeit der indigenen Angestellten ist ein immer wiederkehrender Topos in den Berichten der Frauen. Einige Verfasserinnen wiesen jedoch auch darauf hin, dass es unklug sei, an indigene Hilfen die gleichen Erwartungen wie an deutsches Personal zu stellen. Wenn man sie konsequent, gerecht und geduldig behandle und öfters „ein Auge zudrücke“, ließe sich mit ihnen gut auskommen. Die deutschen Frauen kamen zwar besonders häufig, aber nicht ausschließlich mit Indigenen in Kontakt, die für sie arbeiteten. Auch die eigene berufliche Tätigkeit oder die des Ehemannes konnte zur Interaktion führen. Zudem kümmerten sich nicht nur die Krankenschwestern, sondern auch andere deutsche Frauen um indigene Patienten. Diese Kontakte wurden im Quellenmaterial entweder gar nicht oder eher positiv kommentiert. Auffällig ist, dass der in den kolonialen Publikationen der Heimat geforderten Einhaltung des „Rasseabstands“ in den Südsee-Kolonien wenig Beachtung geschenkt wurde. Auch die reisenden Frauen wurden in der Regel von indigenen Helfern begleitet, etwa von Trägern, Führern, Dolmetschern, Küchen- und Wachpersonal. Außerdem kamen sie in mehr oder weniger intensiven Kontakt mit den Bewohnern der von ihnen besuchten Regionen. Bezüglich der Behandlung und Beschreibung des Personals waren keine nennenswerten Unterschiede zwischen den reisenden und den übrigen deutschen Frauen festzustellen. Die Interaktion mit den indigenen Bewohnern der bereisten Orte fiel bei den jeweiligen Reisenden unterschiedlich aus. Beim Forscher-Ehepaar Rechinger kam es nur während des Feilschens um Ethnographika oder beim Fotografieren zu kurzen, oberflächlichen Kontakten mit den Dorfbewohnern und auch Ada Nolde nahm die Indigenen primär als Modelle für ihren Ehemann, den Maler Emil Nolde, wahr. Während Noldes aus dem Bismarck-

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Archipel berichteten, dass sich vor allem die Frauen anfangs ängstlich vor ihnen versteckten, näherten sich sowohl Männer als auch Frauen in Mikronesien neugierig und kontaktfreudig der Touristin Marie Schafroth. Auf Grund der kurzen Aufenthaltsdauer konnte es jedoch auch hier trotz beidseitiger Offenheit nicht zu tieferen Beziehungen kommen. Elisabeth Krämer-Bannow hingegen hielt sich mit den Expeditionen, die sie begleitete, immer wieder für längere Dauer am selben Ort auf und konnte so der langsamen Entwicklung von vertrauensvollen Beziehungen mehr Zeit geben. Dies war auch nötig, damit sie ihrem wissenschaftlichen Auftrag, mehr über das Leben der indigenen Frauen zu erfahren, nachkommen konnte. Da sie zudem für die visuelle Dokumentation zuständig war, besuchte sie zum Zeichnen die umliegenden Dörfer und trat auch beim Porträtieren von Einheimischen mit diesen in Kontakt. Bei dieser Tätigkeit war sie gezwungen, ihre Modelle genau in Augenschein zu nehmen, so dass sie manchmal plötzlich körperliche Details oder Charakterzüge entdeckte, die sie erste negative Urteile korrigieren ließen. Es wurde deutlich, dass sich Krämer-Bannow sehr für die indigene Kultur interessierte, genau beobachtete und dass es ihr offenbar vielfach gelang, vertrauensvolle Beziehungen zu den indigenen Frauen herzustellen. Obwohl sie eine kulturübergreifende Geschlechtersolidarität mit diesen fühlte, ließ sie sich – wie die anderen deutschen Frauen auch – von ihren Erfahrungen nicht in ihrer Überzeugung von der angeblich naturgegebenen Hierarchie der „Rassen“ beeinflussen. Zwar erscheint Krämer-Bannow in vielen Textpassagen durchaus tolerant und verständnisvoll, jedoch äußerte sie sich auch immer wieder missbilligend und abfällig in einer uneinfühlsamen und rassistischen Weise über die indigene Bevölkerung, wenn diese nicht ihren Erwartungen gemäß handelte. Insgesamt bleibt also festzuhalten, dass in den Schilderungen der deutschen Frauen, die nicht einer Mission angehörten, rassistische, abwertende Passagen vielen positiven Darstellungen und einer offenen, relativ toleranten Haltung gegenüberstehen. Unabhängig von der jeweiligen Region, aus der die Berichte stammen, überwiegen die positiven Schilderungen, auch wenn vor allem in Bezug auf indigenes Dienstpersonal häufig negative Stereotype wie Unsauberkeit und Faulheit das vermittelte Bild prägen. Weibliche Missionsangehörige und die indigene Bevölkerung Die Beziehungen zwischen den weiblichen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung waren von besonderen Voraussetzungen geprägt, nicht nur weil diese in sehr engem und regem Kontakt standen. Die Missionsangehörigen waren zudem auf ein vertrauensvolles Verhältnis angewiesen, um ihr Ziel zu erreichen, die Bevölkerung zum christlichen Glauben zu bekehren. Auch die Orientierung am christlichen Ideal der Nächstenliebe beeinflusste das Verhältnis der Missionsangehörigen zu den Einheimischen. Zugleich fügte das christliche Selbstbewusstsein der Hierarchie zwischen Weißen und Indigenen eine zusätzliche Dimension hinzu: Dadurch,

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dass sie ihren Glauben als den einzig wahren verstanden, fühlten sich die Missionsangehörigen den in ihren Augen „armen Heiden“ überlegen. Diese sollten zu einem christlichen Leben „erzogen“ werden, um ebenfalls den Weg zu Gott finden zu können. Die weiblichen Missionsangehörigen waren dabei für die „Erziehung“ der indigenen Mädchen und Frauen zuständig, welche sich auf die Bereiche Haushalt und Handarbeit, Sauberkeit und Hygiene, Kleidung, Ehe und Sexualität, Säuglingspflege und Kindererziehung erstreckte und zudem selbstverständlich den Wandel von indigenem Geisterglaube zur christlichen Religiosität erstrebte. Ein wichtiges Ergebnis der Quellenanalyse ist, dass die von den evangelischen Missionarsfrauen, Missionsgehilfinnen und -schwestern verfassten Schilderungen des Miteinanders mit der indigenen Bevölkerung trotz unterschiedlicher Schwerpunktsetzung zahlreiche Gemeinsamkeiten und Konstanten aufweisen – unabhängig davon, welcher Mission die jeweilige Schreiberin angehörte und in welcher Südseeregion diese tätig war. Besonders die Berichte der zahlreichen in Neuguinea tätigen weiblichen Angehörigen der Rheinischen und Neuendettelsauer Mission gleichen sich sehr, was angesichts ihres benachbarten Arbeitsfeldes und den freundschaftlichen Kontakten untereinander wenig erstaunt. Deutlich wird in diesen Quellen, dass die Kinder beider Seiten ein wichtiges Bindeglied zwischen den Kulturen darstellten. Anders als ledige und zölibatär lebende Missionsangehörige hatten die Missionarsfrauen den Vorteil, dass sie die Erfahrungswelten der Mutterschaft und des Familienlebens mit den indigenen Frauen teilten, was die gegenseitige Kontaktaufnahme erleichterte. Nicht nur gingen indigene Kinder auf den Missionsstationen ein und aus, sondern auch die deutschen Missionarskinder wuchsen in enger Beziehung zu den Indigenen auf, die ihnen offenbar mit großer Zuneigung entgegen kamen. Die deutschen Frauen bemühten sich, den indigenen Müttern ihre Vorstellung von Kindererziehung und -pflege nahe zu bringen und deren Familienleben europäischchristlichen Maßstäben anzupassen. Dass diese den indigenen Praktiken überlegen waren, setzten die Missionsangehörigen als selbstverständlich voraus. Dies galt auch im Handarbeitsunterricht, den die meisten Missionarsfrauen gaben und bei der Hausarbeit. Anders als viele andere deutsche Frauen wiesen die Missionsangehörigen ihre indigenen Hilfen nicht nur ein und beaufsichtigten sie, sondern arbeiteten in der Regel gemeinsam mit ihnen. Dabei bemühten sie sich, die deutsche Art der Hausarbeit zu vermitteln. Die Missionsangehörigen klagten über die gleichen Schwierigkeiten mit den indigenen Hilfen im Haushalt wie die übrigen Frauen; die meisten bemühten sich jedoch, gut mit ihnen auszukommen und auch Verständnis für die indigene Sichtweise aufzubringen. Wenig kompromissbereit waren sie allerdings beim Thema Hygiene und Ordnung, das im Missionskontext eine besonders bedeutende Rolle einnahm, da äußere Sauberkeit in Bezug zu innerer, seelischer Reinheit gesetzt wurde. Wie festgestellt werden konnte, ist die gemeinsame Hausarbeit zwar ein häufiges Thema in den Schriftzeugnissen der Rheinischen und Neuendettelsauer Missi-

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onsangehörigen und in den Berichten der Methodistin Johanna Fellmann, kaum jedoch in den Aufzeichnungen der Liebenzeller Missionarsfrauen und Schwestern. Diese berichteten primär über ihre Fortschritte und Rückschläge bei der Missionierung, da sie im Gegensatz zu den anderen weiblichen evangelischen Missionsangehörigen aktiv in die Verbreitung des Glaubens eingebunden waren und in der „Seelenpflege“ ihre Hauptaufgabe sahen. Wie sich die Einheimischen verhielten, wie sich ihr Lebenswandel gestaltete und wie sie sich kleideten wurde von den Liebenzeller Frauen in noch größerem Maße als bei den anderen weiblichen Missionsangehörigen als Ausdruck der fortschreitenden Christlichkeit oder des „Heidentums“ verstanden und beeinflusste die Beziehung zu ihnen entscheidend: Standen die Einheimischen dem Christentum noch fern, wurden sie und ihre Lebensweise nicht selten sehr negativ beschrieben, ja sogar mit Tieren verglichen. Die Liebenzeller zeigten auffallend wenig Toleranz gegenüber der traditionellen indigenen Kultur und stießen damit mancherorts auf Widerstand. Je deutlicher jedoch Bekehrungserfolge wurden, desto zufriedener äußerten sie sich über die indigene Bevölkerung. Erwünschte Charakterzüge und Verhaltensweisen wurden allerdings einzig dem Wirken Gottes zugeschrieben. Auch über die Helfer und Helferinnen, die die Liebenzeller bei ihren Ausflügen in einheimische Dörfer und dort einberufenen Versammlungen unterstützten, berichteten die Frauen positiv. Diese Helfer hatten bereits für das Christentum gewonnen werden können und traten nun Seite an Seite mit den Missionsangehörigen für die Verbreitung des Glaubens ein, der also eine kulturübergreifende Verbindung schuf. Insgesamt ist den Quellen aus den verschiedenen in die Untersuchung einbezogenen evangelischen Missionen zu entnehmen, dass die indigene Bevölkerung den weiblichen Missionsangehörigen offenbar größtenteils interessiert und freundlich entgegenkam. Der Empfang in den Dörfern wird von den Frauen stets als freundlich geschildert; von scheuen und ängstlichen Reaktionen auf ihren Besuch berichten die evangelischen Missionsangehörigen fast nie – anders als beispielsweise manche Forschungsreisende. Die Indigenen bezogen die weiblichen Missionsangehörigen auch auf eigene Initiative hin in ihr Leben ein und erkannten sie als Autorität an. Sie baten sie immer wieder um Rat und Unterstützung und erwiesen sich auch ihrerseits als hilfsbereit. Die Quellenanalyse vermittelte den Eindruck eines überwiegend guten, vertrauensvollen Verhältnisses zwischen indigener Bevölkerung und evangelischen weiblichen Missionsangehörigen, der allerdings auf Grund des Quellenmangels auf indigener Seite nur aus den deutschen Schriftzeugnissen gewonnen werden konnte. Die Verfasserinnen hatten zudem ein Interesse daran, ihr Verhältnis zur indigenen Bevölkerung in einem günstigen Licht darzustellen, um den eigenen Missionierungserfolg zu demonstrieren. So ist durchaus denkbar, dass Erfolge und Fortschritte betont, Rückschläge hingegen womöglich weniger zur Sprache gebracht wurden. Nicht nur die Vielzahl von positiven Schilderungen macht jedoch das in den untersuchten Quellen vermittelte Bild glaubwürdig, sondern auch die

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Tatsache, dass es auch im Interesse der Einheimischen lag, ein gutes Verhältnis zu den Missionsangehörigen zu pflegen. Viele wollten gerne von den Weißen lernen, mit ihnen Handel treiben und von der angebotenen medizinischen Versorgung profitieren. Zudem standen viele Einheimische schon von klein auf in regem Kontakt mit der Mission, was die Entstehung enger persönlicher Bindungen begünstigt haben dürfte. Die Beziehungen der katholischen Schwestern zur indigenen Bevölkerung waren durch sehr ähnliche Vorraussetzungen geprägt wie die der evangelischen Missionsangehörigen. Auf Grund ihrer religiösen Überzeugungen lehnten auch sie die traditionelle indigene Lebensweise als „wild“ und „heidnisch“ ab und bemühten sich, diese den christlich-europäischen Idealen anzupassen. Obwohl die Schwestern selbst keine Familie hatten, hielten sie sich auch auf dem Feld der Kindererziehung für den indigenen Frauen überlegen. Um die Kinder den angeblich schädlichen Einflüssen in den „heidnischen“ Dörfern zu entziehen, war es das Ziel der Schwestern, dass möglichst viele von ihnen auf den Missionsstationen eine christliche Erziehung erhielten, wo zu diesem Zweck Schulen und Internate betrieben wurden. Anders als bei den evangelischen Missionsangehörigen nehmen in den katholischen Schriftzeugnissen daher die Schilderungen der Erziehung der indigenen Kinder und Jugendlichen und des gemeinsamen Alltags den größten Raum ein. Der strukturierte Tagesablauf und die durchgehende Beaufsichtigung durch die Schwestern sollte nicht nur die Kinder zu einem christlichen Leben führen, sondern diese sollten wiederum das Gelernte später in ihren eigenen Familien zur Anwendung bringen und so weiter verbreiten. Zur Erziehung auf den Stationen gehörte neben dem Schulunterricht und religiösen Unterweisungen auch die Vermittlung von hauswirtschaftlichen Fähigkeiten, wobei auch hier die bereits bei den anderen Frauengruppen geschilderten Schwierigkeiten auftraten. Insgesamt äußerten sich die Schwestern über die Missionszöglinge und die übrige indigene Bevölkerung in den ausgewerteten Quellen sowohl positiv als auch negativ, die positiven Schilderungen überwiegen jedoch nicht nur in Bezug auf die Unterrichtsfortschritte, sondern auch darüber hinaus. Das gilt für die aus Melanesien stammenden Berichte kaum weniger als für die aus Mikronesien. Besonders die Herz-Jesu-Schwestern zeichnen ein sehr harmonisches und meist fröhliches Bild des Zusammenlebens. Aus den Quellen war ersichtlich, dass die meisten Schwestern gerne eine Mutterrolle gegenüber den indigenen Kindern einnahmen. Dennoch wurde auch deutlich, dass nicht selten Zwang gebraucht wurde, um die Missionszöglinge vom Verlassen der Stationen abzuhalten, und Schläge den meisten Schwestern als probates Erziehungsmittel galten. Auch die Aufnahme von neuen Kindern war mancherorts nur möglich, indem massiver Druck auf die Eltern ausgeübt wurde, ihren Nachwuchs den Schwestern zur Erziehung zu überlassen. Außerdem wurden die Beziehungen zur indigenen Bevölkerung teilweise dadurch belastet, dass die katholischen Schwestern sowohl die Krankenpflege als auch den Besuch von Frauen im Wochenbett mit Bekehrungsbemühun-

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gen verbanden, die ungeachtet des Protestes der Betroffenen in Taufen münden konnten. Zwar berichten die Steyler Schwestern häufiger von solchen Konflikten mit der indigenen Bevölkerung als ihre Kolleginnen von der Herz-Jesu-Mission, doch ist nicht genau festzustellen, inwieweit dies auch einem unterschiedlichen Umgang mit Problemen zuzuschreiben ist: Womöglich kommunizierten die Steyler Schwestern diese eher als die Herz-Jesu-Schwestern. Deren Schriftzeugnissen nach zu urteilen, bildeten sie gemeinsam mit ihren Zöglingen eine überwiegend harmonische Gemeinschaft, welche ihre christlichen Überzeugungen gerne auch dem noch nicht bekehrten Umfeld näher brachte und dort überwiegend auf freundliches Entgegenkommen stieß. Dennoch finden sich auch in den Berichten aus der Herz-JesuMission zwischen den Zeilen manchmal Hinweise auf Disharmonien. Nicht zuletzt machte das sogenannte „Baining-Massaker“ vom 13. August 1904, bei dem unter anderem fünf Herz-Jesu-Schwestern ermordet wurden, deutlich, dass auch ihre Anwesenheit und ihr Umgang mit der indigenen Bevölkerung nicht von allen akzeptiert wurden. Die Suche nach den Tatmotiven, die unmittelbar nach den Morden einsetzte, ist bis heute nicht beendet. Die verschiedenen Erklärungsansätze wurden in der vorliegenden Arbeit dargestellt. Interessanter für deren Fragestellung war es jedoch, die Auswirkungen des Überfalls auf die Beziehungen zwischen den Schwestern und der indigenen Bevölkerung zu untersuchen. Wie aus den Quellen hervorgeht, war die Bluttat in dieser Hinsicht weniger folgenreich als man annehmen könnte. Viele der Missionszöglinge stellten sich auf die Seite der Opfer und fühlten sich daher selbst von den Feinden der Mission bedroht. Besonders die Kinder, die unter der Obhut der Schwestern standen, ängstigten sich vor weiteren Angriffen. Für die Schwestern hingegen war der Märtyrertod von einem besonderen Reiz umgeben, so dass sie stets beteuerten, bereit zu sein, ihr Leben für ihren Glauben zu opfern. Nicht nur ihre religiösen Überzeugungen gaben ihnen Mut, sondern auch die Tatsache, dass sie in der Folge des Überfalls im Schießen ausgebildet wurden und anfangs zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ergriffen wurden. Während in den ersten Wochen nach den Morden unbekannte männliche Besucher auf der Station unter Generalverdacht standen und sich vor Beschuss hüten mussten, nahmen die Schwestern bald darauf wieder ihre Wanderungen in die umliegenden Dörfer auf. Hinweise darauf, dass sie sich dabei mehr als vor dem Überfall vor unbekannten Einheimischen fürchteten, waren im Quellenmaterial fast keine zu finden. Obwohl sowohl die Herz-Jesu-Schwestern als auch die Steyler Schwestern immer wieder von vermeintlich nur knapp vereitelten Plänen ihrer Ermordung berichteten, nahmen sie die indigene Bevölkerung nicht etwa generell als bedrohlich war. Auf deren Darstellung in den Schriftzeugnissen der Schwestern hatten die Morde von St. Paul nahezu keinerlei Auswirkung. Ebenso wenig ist den Schilderungen der Schwestern zu entnehmen, dass die Haltung der indigenen Missionszöglinge und übrigen Einheimischen ihnen gegenüber von den Ereignissen beeinflusst wurde.

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Sowohl vor als auch nach dem Überfall wird die indigene Bevölkerung überwiegend als freundlich und interessiert den Schwestern und ihrer Botschaft gegenüber geschildert. In den Dörfern wurden die Ordensfrauen in der Regel offenbar gerne willkommen geheißen und häufig wurden ihnen zum Zeichen der Gastfreundschaft Nahrung oder Betelnüsse angeboten. Besonders in den Berichten der Herz-JesuSchwestern fiel auf, dass sie sich bei solchen Gelegenheiten relativ weit auf die indigenen Sitten einließen, etwa wenn sie auf dem Boden sitzend und mit der Hand einheimische Gerichte aßen oder Betel kauten, bis sich ihr Speichel rot verfärbte. Diese Offenheit wurde den Schilderungen der Schwestern gemäß durch vertrauensvolles Entgegenkommen honoriert, besonders die indigenen Kinder werden immer wieder als anhänglich beschrieben. Zwar gibt es zahlreiche Anzeichen im Quellenmaterial, die diese Darstellung stützen, doch fehlt es auch hier an Quellen aus indigener Sicht, so dass letztlich nicht endgültig festgestellt werden kann, in wie weit die Schwestern die Beziehungen idealisierten und womöglich manche Spannung verschwiegen, um ihre erfolgreiche Arbeit im Missionsfeld zu demonstrieren. Festzuhalten bleibt, dass sowohl die evangelischen als auch die katholischen weiblichen Missionsangehörigen von der Überlegenheit ihres eigenen Glaubens und ihrer Kultur überzeugt waren, so dass ihre Haltung in dieser Hinsicht nicht von der der übrigen deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien abwich. Zwar waren die Prämissen, unter denen die Interaktion stattfand, verschieden, das hierarchische Verhältnis blieb jedoch dasselbe. Der christliche Grundsatz, dass vor Gott alle Menschen gleich sind, hatte keinen erkennbaren Einfluss auf die fest in den Köpfen der Frauen verankerte Überzeugung von der Unterlegenheit der indigenen Bevölkerung und deren daraus abgeleitete Ungleichbehandlung. Dennoch wurde insgesamt deutlich, dass die weiblichen Missionsangehörigen sich auf Grund ihres Missionsauftrages und ihrer besonderen Lebenssituation meist in einem ganz anderen Maß auf die Einheimischen einließen als die übrigen deutschen Frauen und in mehrfacher Hinsicht enger mit ihnen zusammenlebten. So konnten im Missionskontext zwar einerseits intensivere Bindungen entstehen als zwischen vielen anderen deutschen Frauen und ihrem indigenen Umfeld, andererseits waren diese Beziehungen aber auch den besonders hohen Erwartungen der Missionsangehörigen unterworfen: Während es den übrigen Frauen meist ausreichte, wenn die Zusammenarbeit mit den Haushaltshilfen möglichst reibungslos funktionierte, erwarteten die Missionsangehörigen von der indigenen Bevölkerung, dass diese ihr gesamtes Leben christlichen Maßstäben anpasste, da das christliche Menschenbild für sie nicht verhandelbar war. Vor allem emotional investierten viele Missionsangehörige mehr in die Beziehungen zur indigenen Bevölkerung, deren Gelingen oder Scheitern der Gradmesser für den Erfolg der eigenen Arbeit in der Fremde war. So wurden sie durch mangelndes Vertrauen, „Fehltritte“ oder „Undankbarkeit“ härter getroffen als andere deutsche Frauen. Wenn man den Darstellungen in den untersuchten Schriftzeug-

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nissen folgt, scheinen sich die Bemühungen der Missionsangehörigen um gute Beziehungen jedoch in der Regel ausgezahlt zu haben. Deutsche Frauen und indigene Männer Im Anschluss an die Untersuchung der Beziehungen zwischen weiblichen deutschen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung wurde der Frage nachgegangen, wie die deutschen Frauen speziell die indigenen Männer wahrnahmen. Es fanden sich einige Hinweise darauf, dass die deutschen Frauen sich manchmal vor der indigenen Bevölkerung fürchteten. Angst wird in den Schriftzeugnissen allerdings nur selten artikuliert, wohl da man die Leser nicht beunruhigen wollte. Wenn jedoch kürzlich Gewalttaten gegen Weiße bekannt geworden waren – was in Neuguinea anders als in Samoa immer wieder der Fall war – oder wenn die Frauen in der Abwesenheit ihrer Ehemänner allein zuhause bleiben mussten, bekannten sie manchmal, sich zu fürchten. In diesen Situationen fühlten sie sich besonders durch indigene Männer gefährdet, die in der Regel für die Gewalttaten verantwortlich waren und den Frauen nicht nur besonders fremd und körperlich überlegen waren, sondern zudem eine potentielle sexuelle Bedrohung darstellten. So berichtete Missionarsfrau Fellmann von mehrfachen nächtlichen Besuchen indigener Eindringlinge, die bereits neben ihrem Bett standen, bei ihrer Entdeckung jedoch flohen. Fälle von sexueller Nötigung oder Vergewaltigung deutscher Frauen durch indigene Männer sind dem ausgewerteten Quellenmaterial zufolge allerdings nicht vorgekommen. Die meisten Frauen hatten offenbar kaum Bedenken, sich alleine unter die Einheimischen zu begeben und vertrauten auch ihren oft männlichen indigenen Begleitern, wenn sie sich mit ihnen auf längere Wanderungen begaben. Die Tatsache, dass es sich bei den Begleitern um Männer handelte, wird dabei nicht weiter thematisiert. Ebenso wenig fanden sich Hinweise darauf, dass die Frauen reflektierten, dass sie bei der Hausarbeit häufig von männlichen indigenen Helfern unterstützt wurden, wobei diese Tätigkeiten übernahmen, die in der Lebenswelt der Frauen eigentlich weiblich konnotiert waren. Auf Grund der in den Kolonien geltenden „Rassenhierarchie“ konnten die deutschen Frauen also über männliche indigene Arbeitskräfte verfügen, was jedoch in den Quellen nicht kommentiert wurde. Das Äußere von indigenen Jungen und Männern wurde von den deutschen Verfasserinnen hingegen immer wieder thematisiert. Aus den häufig sehr positiven Beschreibungen des Körperbaus und des übrigen Erscheinungsbildes der männlichen Indigenen, leitete Martha Mamozai ein sexuelles Interesse der Frauen ab. Ohne, dass damit bestritten werden soll, dass ein solches Interesse in manchen Fällen vorhanden gewesen sein könnte, wurde auf Grund der Analyse der vorliegenden Quellen jedoch festgehalten, dass sich hier für Mamozais These keine tragfähigen Belege finden lassen. Zwar enthalten auch die Schriftzeugnisse aus der Südsee viele positive Schilderungen von indigenen Männern – im Übrigen von Männer aus allen drei pazifischen Großregionen – diese stehen jedoch neben vergleichbaren Be-

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schreibungen des Äußeren von indigenen Frauen und Kindern. Allein aus solchen Kommentaren ein erotisches Interesse der Verfasserinnen abzuleiten, erscheint sehr gewagt und rein spekulativ. Folgen der Kulturbegegnungen In diesem Kapitel wurde zunächst der Frage nachgegangen, ob die Bemühungen der deutschen Frauen, ihre Haushaltshilfen oder die Missionsschüler und -schülerinnen nach europäischen Vorstellungen zu erziehen, dauerhaften Erfolg hatten. Die im Quellenmaterial dazu gefundenen Einschätzungen sind sehr unterschiedlich. Manchmal wurde zufrieden berichtet, dass vor allem die Missionszöglinge auch nach der Rückkehr in ihr Heimatdorf das Gelernte anwenden würden und daher auf Grund ihres gepflegten Erscheinungsbildes und anderen Lebenswandels deutlich von den übrigen Dorfbewohnern zu unterscheiden seien. In anderen Quellen wiederum wurde beklagt, dass nach der Rückkehr in das vertraute Umfeld nichts von dem Gelernten übrig bliebe, da die Aufsicht der deutschen Frauen fehle. Mag auch der langfristige Erfolg dieser Erziehungsbemühungen umstritten gewesen sein, in anderer Hinsicht orientierten sich die indigenen Mädchen und Frauen gerne an den Europäerinnen: In den Quellen fanden sich häufig Belege dafür, dass deren Kleiderund Frisurenmode nachgeahmt wurde, auch europäische Gebrauchsgegenstände galten offenbar als chic. Deutlich grundlegender als diese Äußerlichkeiten waren aber die tief greifenden gesellschaftlichen Veränderungen, die die Kolonisierung und Missionierung für die betroffenen Südseegebiete hatte. So verbesserte sich die soziale Stellung der indigenen Frauen in solchen Regionen, in denen ihnen traditionell eine untergeordnete Position zukam. In Mikronesien hingegen, wo die Frauen ursprünglich eine starke gesellschaftliche Stellung hatten, schwand ihr Einfluss durch das Eingreifen der Deutschen. Diese Veränderungen konnten im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings nur kurz gestreift werden, zumal die hier im Mittelpunkt stehenden Schriftzeugnisse der deutschen Verfasserinnen dazu kaum Aussagen machen. Deutlich wurde jedoch, dass die Veränderungen nahezu alle Lebensbereiche der indigenen Frauen betrafen. Darauf aufbauend wurde danach gefragt, inwiefern auch die deutschen Frauen durch die indigene Kultur beeinflusst wurden. Kann man von einer gegenseitigen Prägung sprechen? Zwar fanden sich im Quellenmaterial durchaus Hinweise darauf, dass deutsche Frauen einige indigene Kulturpraktiken übernahmen. Dies ließ sich besonders an Hand von Speisen zeigen, die die deutschen Frauen auf einheimische Art zubereiten lernten. Auch indigene Handarbeitstechniken und medizinische Praktiken wurden von manchen deutschen Frauen interessiert aufgenommen. Ob sie diese allerdings dauerhaft in den eigenen Alltag integrierten, lassen die Quellen offen. Zudem handelt es sich dabei nur um vergleichsweise oberflächliche und wenig bedeutsame Kulturelemente, die höchstens ergänzend übernommen wurden und nicht etwa deutsche Praktiken verdrängten. Mit den fundamentalen Umwälzungen,

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die die Kolonisierung und Missionierung für die indigene Bevölkerung in nahezu allen Lebensbereichen mit sich brachte, ist der indigene Einfluss auf die deutschen Frauen also keinesfalls vergleichbar. Von einer gegenseitigen Prägung deutscher Frauen und indigener Bevölkerung kann also nur bedingt gesprochen werden, da diese Formulierung ein Gleichgewicht der Einflüsse in beide Richtungen suggeriert, das der Realität in den Südsee-Kolonien nicht gerecht wird. Der Abschied aus den Südsee-Kolonien Das letzte Hauptkapitel der vorliegenden Arbeit widmete sich der Rückkehr der deutschen Frauen aus den Südsee-Kolonien. Häufig waren gesundheitliche Probleme der Frauen oder ihrer Angehörigen dafür verantwortlich, dass sie die Kolonien verlassen mussten. Auch finanzielle Schwierigkeiten und die Einsicht, dass der Lebensentwurf für einen Neuanfang in der Südsee gescheitert war, konnten die Ursache für die Rückkehr sein. Die meisten deutschen Frauen verließen die Südseegebiete jedoch auf Grund des Ersten Weltkrieges und seiner Folgen. Daher wurde dargestellt, welche Auswirkungen der Kriegsausbruch auf die deutschen Bewohnerinnen der Kolonien hatte. Da sich die Neuseeländer in Samoa, die Australier in Neuguinea und die Japaner auf den mikronesischen Inseln während ihrer Besetzung der deutschen Kolonialgebiete sehr unterschiedlich verhielten, divergieren die Berichte der Frauen aus dieser Zeit entsprechend. In Neuguinea fielen die Kapitulationsbedingungen für die Deutschen sehr günstig aus und nur wenige von ihnen kamen in Kriegsgefangenschaft. Kurzzeitig kam es allerdings zu einer Internierung der deutschen Bevölkerung innerhalb der Kolonie, von der auch die Frauen betroffen waren. Sie wurden jedoch nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Im Großen und Ganzen war das Verhältnis zwischen Australiern und Deutschen trotz einiger Zwischenfälle recht ungestört und die Einschränkungen für die Besiegten vergleichsweise gering. Ab September 1915 war auch wieder Postverkehr mit der Heimat möglich. Die Missionsangehörigen konnten ihre Arbeit relativ ungehindert fortführen. Die deutschen Frauen berichteten, in ihrer Abgeschiedenheit nicht viel vom Krieg zu bemerken. Nach Kriegsende wurden sie bis auf wenige Ausnahmen enteignet und zwangsdeportiert. Die deutschen Missionen durften jedoch weiterhin in Neuguinea tätig sein. Über die japanischen Besatzer der mikronesischen Inseln äußerten sich die deutschen Frauen positiv: Sie seien von ihnen stets höflich behandelt und nie belästigt worden. Den Missionen wurde im Jahr 1915 allerdings der Schulunterricht verboten, da neue japanische Schulen diese Aufgabe übernahmen. Außerdem wurde ein Kontaktverbot zwischen den einzelnen Inseln verhängt, was den Austausch unter den verschiedenen Missionsstationen verhinderte und so ihre Arbeit erschwerte. Die Zahl der Missionsangehörigen und übrigen Deutschen im mikronesischen Kolonialgebiet wurde nach und nach von den Besatzern durch Ausreisebefehle dezimiert. Eine kleine Schar deutscher Missionsangehöriger und Siedler verblieb bis

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zum Kriegsende auf Truk, Ponape, Jap und weiteren kleinen Inseln. Dann wurden jedoch auch sie ausgewiesen. In Samoa gab es keine offiziellen Kapitulationsvereinbarungen, was große Nachteile für die deutsche Bevölkerung mit sich brachte. Zahlreiche deutsche Männer wurden in Kriegsgefangenschaft nach Neuseeland gebracht und mussten ihre Frauen jahrelang allein in Samoa zurücklassen. Die Kolonie wurde von den Neuseeländern mit Hilfe von Proklamationen, Militärverordnungen und dem Kriegsgericht regiert und die Freizügigkeit der Deutschen unterlag strengen Regelungen. Postverkehr mit Deutschland war unmöglich; die völlige Kontaktsperre wurde auch nicht wie in anderen besetzten Kolonien nach einiger Zeit gelockert. Darunter litten besonders diejenigen Frauen, die ihre Kinder zur Erziehung in der Heimat zurückgelassen hatten. Zwar waren die Deutschen den Launen der Besatzungsmacht ausgeliefert, doch litten sie wie in den anderen Südsee-Kolonien auch hier keinen Mangel. Sie waren gut versorgt und blieben vom fernen Weltkriegsgeschehen wenig berührt. Nach Kriegsende wurden die meisten Deutschen deportiert, sofern sie nicht mit Einheimischen verheiratet waren. Die deutschen Maristenschwestern durften in Samoa bleiben. Unabhängig davon, ob sie vor Kriegsausbruch oder in Folge des Krieges abreisten, schilderten die deutschen Frauen durchgehend das Verlassen der SüdseeKolonien wehmütig. Sie betonen alle, dass ihnen dieser Schritt nicht leicht fiele. Viele von ihnen hofften, dass sie eines Tages zurückkehren könnten. Der Abschied von der indigenen Bevölkerung wurde vor allem von den Missionsangehörigen als schmerzlich für beide Seiten geschildert. Allerdings ist offensichtlich, dass die Frauen damit einmal mehr ihre gute Beziehung zu den Einheimischen und damit den Erfolg ihrer Arbeit betonen wollten, so dass diese Schilderungen mit entsprechender Vorsicht gelesen werden müssen. Dasselbe gilt für bewegende Abschiedsszenen, die andere Deutsche nach Kriegsausbruch verfassten. Hier schwang stets der Wunsch mit, zu zeigen, dass die Deutschen eine beliebtere Kolonialmacht als ihre Nachfolger gewesen waren. Dennoch können insgesamt der häufig bekundete schwere Abschied von der Südsee und die spätere Sehnsucht nach den Kolonien als Belege dafür gelten, dass die deutschen Frauen in den Südseegebieten eine neue Heimat gefunden hatten.

19. Schlussfolgerungen und Ausblick

Wie die Zusammenfassung der Ergebnisse noch einmal verdeutlichte, gelang es mit der vorliegenden Untersuchung, die eingangs gestellten Forschungsfragen zu beantworten. Anders als anfangs von mancher Seite befürchtet, ließ sich genug Quellenmaterial finden, das Aufschluss über das Leben deutscher Frauen in den SüdseeKolonien geben konnte, auch wenn hier nicht so aus dem Vollen geschöpft werden konnte, wie es Studien zu „Deutsch-Südwestafrika“ möglich ist. Auf Grund der Quellenanalyse ergab sich ein vielschichtiges Bild vom Alltag der deutschen Frauen in den Südseegebieten. Es zeigte sich, dass es nicht die deutsche Frau in der deutschen Südsee-Kolonie gab: Je nach Tätigkeit oder beruflicher Aufgabe des Mannes, je nach dem damit verbundenem sozialen Stand, je nach Aufenthaltsdauer und je nach Region und Wohnlage konnten die Frauen ganz unterschiedliche Erfahrungen in ihrer neuen Heimat sammeln. Um einen Gesamteindruck zu erhalten, mussten daher all diese verschiedenen Zugänge berücksichtigt werden, über die die Verfasserinnen der analysierten Ego-Dokumente jeweils verfügten. Außerdem erwies es sich als fruchtbar, neben den Ego-Dokumenten weitere Quellen einzubeziehen, um das Bild zu vervollständigen. Insgesamt belegt die Auswertung des Materials einmal mehr, dass es sich lohnt, auch den Spuren der Frauen in der Geschichte zu folgen. Sie hatten nicht nur eine andere Aufgabe als die männliche Kolonialbevölkerung, sondern auch eine andere Perspektive auf die Ereignisse in den Südsee-Kolonien, so dass durch ihre Augen Aspekte des Koloniallebens sichtbar werden, die in Quellen männlicher Urheberschaft nicht auftauchen. So ist beispielsweise der Fokus auf die Vorgänge im Missionshaushalt und die dort stattfindende Interaktion mit der indigenen Bevölkerung in Quellen von männlichen Missionsangehörigen kaum zu finden, da ihr Aktions- und Berichtsradius sich auf die Schule und das Umland der Station erstreckte. Auch Austausch mit indigenen Frauen über Schwangerschaft, Geburt und Kindererziehung war Männern auf Grund ihres Geschlechts nicht möglich. Dennoch sollen die Frauen nicht isoliert betrachtet werden. Ihre Interaktion mit den Männern ist ebenso interessant wie es notwendig ist, die Erfahrungen beider Geschlechter zu ei-

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nem Gesamtbild zusammenzufügen. Durch die Perspektive der Frauen erfährt also die bisher auf Männer fokussierte Aufarbeitung der deutschen Geschichte der Südseegebiete eine wichtige Ergänzung. Die Entscheidung, sowohl weibliche Missionsangehörige als auch die übrigen Frauen in einer Arbeit gemeinsam zu thematisieren, erwies sich nicht nur auf Grund der historischen Gegebenheiten und der Quellenlage als sinnvoll. So konnten die Spezifika der Beziehungen zwischen weiblichen Missionsangehörigen und der indigenen Bevölkerung besonders gut sichtbar gemacht werden, da sie unmittelbar mit der Beziehung der übrigen Frauen zur indigenen Bevölkerung verglichen werden konnten. Da dabei jedoch die verschiedenen Missionsgesellschaften nicht so tiefgehend behandelt werden konnten, wie es in einer missionshistorischen Arbeit möglich wäre, bleibt zu hoffen, dass in Zukunft weitere entsprechende Einzelstudien entstehen, die das zu den Missionen reichlich vorhandene Quellenmaterial aus den Südsee-Kolonien ausschöpfen. Zwar ist die Quellenlage zu den Krankenschwestern vom Deutschen Frauenverein vom Roten Kreuz für die Kolonien deutlich dürftiger, doch auch hier wäre intensivere Forschung in Form eines Vergleichs der Arbeitsbedingungen und Erfahrungen der Schwestern in den verschiedenen Kolonien denkbar und wünschenswert. Hier liegt generell das größte Forschungsdesiderat: Der Vergleich der Situation von Frauen in den unterschiedlichen Kolonialgebieten wurde noch kaum gezogen. Da sich die Forschung zu den deutschen Kolonien bisher auf diejenigen in Afrika, vor allem auf „Deutsch-Südwestafrika“ konzentrierte, fehlen vergleichbare Untersuchungen etwa zur Situation der weiblichen deutschen Bevölkerung in Kiautschou in China. Gäbe es für alle deutschen Kolonialgebiete Untersuchungen zu den dort lebenden deutschen Frauen, könnten diese Studien sowohl untereinander verglichen werden als auch mit ähnlichen Arbeiten über weibliche Angehörige anderer Kolonialmächte. Ein umfassender Vergleich der eigenen Forschungsergebnisse mit denen zur Situation der deutschen Frauen in „Deutsch-Südwestafrika“ hätte zwar den Rahmen der vorliegenden Arbeit gesprengt. Doch wurde auch hier versucht, augenscheinliche Parallelen und Unterschiede deutlich zu machen. Es kann nicht genug betont werden, dass die Situation der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien unter ganz anderen Vorraussetzung stand und sich entsprechend vielfach anders gestaltete als in „Deutsch-Südwestafrika“. Vor allem die unterschiedliche Bevölkerungsstruktur hatte weitreichende Auswirkungen. Die fehlende „Massenaussendung“ von heiratswilligen Frauen aus unteren Gesellschaftsschichten durch den Frauenbund hatte nicht zu unterschätzende Konsequenzen für die sozialen Beziehungen innerhalb der Südsee-Kolonien. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die hier nicht bemerkbare Konkurrenz um Ehepartner und das dadurch entfallende Konfliktpotential unter den weißen Frauen, als auch im Hinblick auf das Verhältnis zur „halbweißen“ und indigenen Bevölkerung. Letzteres gestaltete sich in den Südsee-Kolonien den ausge-

19. S CHLUSSFOLGERUNGEN

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werteten Quellen nach zu urteilen deutlich positiver als in „Deutsch-Südwestafrika“ und war weniger von rassistischen Einstellungen geprägt. Allerdings wurde schon während der Recherche zur vorliegenden Arbeit immer deutlicher, dass die indigene Sichtweise aus dem Quellenmaterial nur unzureichend rekonstruiert werden kann. Die Analyse der Beziehungen zwischen den deutschen Frauen und der indigenen Bevölkerung musste sich zwangsläufig vor allem auf die Schilderungen aus deutscher Feder stützen. Dieses Manko konnte auf Grund der Quellenlage nicht behoben werden, ihm wurde jedoch dadurch begegnet, dass – wo immer es möglich war – versucht wurde, aus dem verfügbaren Material die indigene Perspektive herauszuarbeiten, oder zumindest darauf zu verweisen, dass nur eine Seite der Geschichte geschildert werden konnte. Trotz dieser Einschränkung konnte aus der Auswertung und dem Vergleich der vielfältigen genutzten Quellen geschlossen werden, dass dem in den kolonialen Kreisen im Mutterland immer wieder geforderten „Rassenabstand“ in den Südseegebieten oftmals wenig Beachtung geschenkt wurde. Dass dort das gesellschaftliche Klima deutlich toleranter als in „DeutschSüdwestafrika“ war, konnte nicht zuletzt anhand der Einstellung der in den SüdseeKolonien lebenden deutschen Frauen zu den vielen bestehenden „gemischten“ Beziehungen und den aus diesen Verbindungen entstandenen Kindern dargelegt werden. Ihr Verhalten in der sogenannten „Mischehen-Debatte“ unterschied sich wesentlich von dem der deutschen Frauen in „Deutsch-Südwestafrika“. Es konnte mit der vorliegenden Arbeit also gezeigt werden, dass es nicht gerechtfertigt ist, wenn in bereits erschienen Studien über deutsche Frauen in den Kolonien des Kaiserreichs der Anschein erweckt wird, die Ergebnisse der Forschungen zu Frauen in „Deutsch-Südwestafrika“ seien auf die anderen deutschen Kolonialgebiete einfach übertragbar. Jede Kolonie hat ihre eigene Geschichte, die sowohl durch das Handeln und die Erfahrungen der Frauen als auch der Männer geprägt wurde, die dort lebten. Wie die postkolonialen Theoretiker zu Recht betonen, ist diese Geschichte nicht beendet, auch wenn die damalige Kolonialherrschaft längst zu einem Ende gekommen ist. Die vorliegende Arbeit beleuchtet also nur einen Ausschnitt, dessen klare Zäsuren eine arbeitstechnische Notwendigkeit darstellen, jedoch Fragen offen lassen, denen sich andere Historiker und Historikerinnen widmen oder hoffentlich noch widmen werden: Wie entwickelte sich die Situation für die indigene und noch verbleibende deutsche Bevölkerung in den ehemaligen Südsee-Kolonien des Kaiserreichs nachdem in Folge des Krieges die meisten Deutschen ausgewiesen worden waren? Wie erlebten beispielsweise die weiterhin dort stationierten Missionsangehörigen die neuen Kolonialherren und die veränderten Lebensbedingungen in den Kolonien? Und was geschah mit den in der vorliegenden Arbeit untersuchten deutschen Frauen nach ihrer Abreise aus den Kolonien? Ließen sie sich wieder dauerhaft in der Heimat nieder? Hatten sie Schwierigkeiten, sich dort nach den Jahren in den Südseegebieten wieder einzuleben? Waren sie durch ihren Aufenthalt in den

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Kolonien und die teilweise mit erweiterten Handlungsspielräumen einhergehenden anderen Lebensverhältnisse dort womöglich bleibend beeinflusst worden? Engagierten sie sich in der weiterhin bestehenden kolonialen Frauenbewegung? Zog es sie später erneut in die Fremde – und inwieweit war ihr in den Südsee-Kolonien geborener Nachwuchs von der Kindheit am anderen Ende der Welt geprägt worden? Um diesen Fragen nach dem späteren Schicksal der Frauen und ihrer Familien nachzugehen, müsste weiteres Quellenmaterial ausgewertet werden: So könnte man etwa in Passagierlisten von Dampfern oder in den jeweiligen Archiven der Heimatgemeinden nach Spuren der Rückkehrer suchen, sowie Hinweisen in Auswandererkarteien, Lebensläufen und Nachrufen folgen. Insbesondere müssten vermehrt Nachkommen aufgespürt und Schriftzeugnisse der Frauen aus späteren Lebensjahren zugänglich gemacht werden. Generell ist zu hoffen, dass weitere, bisher noch unbekannte, in Privatbesitz befindliche Tagebücher und Briefe, deren Verfasserinnen einen Teil ihres Lebens in den Südsee-Kolonien verbrachten, der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden. Vor allem über die bisher im Quellenmaterial noch unterrepräsentierten individuell ausgereisten Frauen und ihre Erlebnisse sowie über die Rot-Kreuz-Schwestern könnte so in Zukunft eventuell noch mehr in Erfahrung gebracht werden. Schließlich hat die Auswertung des bisher verfügbaren Quellenmaterials gezeigt, dass der Aufenthalt der deutschen Frauen in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs einen lohnenden Forschungsgegenstand und ein spannendes Kapitel der Frauen- und Geschlechtergeschichte darstellt, durch dessen Bearbeitung eine weitere Lücke in der Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit Deutschlands geschlossen werden kann.

Anhang

Quellen- und Literaturverzeichnis

V ERWENDETE Q UELLEN Abkürzungsverzeichnis der benutzten Archive und Aktenbestände Nationalarchive: ANZ(W): Archives New Zealand (Wellington / Neuseeland) - AGCA: Archives of the German Colonial Administration - AGCS: Archive of the German Consul, Samoa - IT: Island Territories Department [Record Group] - Samoa-BMO: British Military Occupation, Samoa [Record Group] BArch: Bundesarchiv (Berlin-Lichterfelde) - R 1001: Bestand Reichskolonialamt - R 8023: Bestand der Deutschen Kolonialgesellschaft - R 174 F: Behörden des Schutzgebietes Deutsch-Neuguinea (Filmkopie aus den National Archives of Australia in Canberra) MESC(AU): Ministry of Education, Sports and Culture; Culture Division; Archives Unit (Apia / Samoa) NAA: National Archives of Australia (Canberra / Australien) - G254: Administrative records of German New Guinea - G255: Correspondence files, imposed number series Missionsarchive: AG SSpS: Archivum Generale SSpS / Historisches Archiv der Missionskongregation der Dienerinnen des Heiligen Geistes (Rom) AHM: Archiv der Hiltruper Missionsschwestern vom Hlst. Herzen Jesu (Hiltrup b. Münster) ALM: Archiv der Liebenzeller Mission (Bad Liebenzell / Baden-Württemberg) AMEW: Archiv Mission Eine Welt (Neuendettelsau / Bayern) RMG: Bestand der Rheinischen Missionsgesellschaft in der Archiv- und Museumsumsstiftung der Vereinten Evangelischen Mission (Wuppertal-Barmen)

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Sonstige in den Quellenangaben verwendete Abkürzungen: DKG: Deutsche Kolonialgesellschaft LMS: London Missionary Society KA: Kolonialabteilung RKA: Reichskolonialamt Schw.: Schwester Unveröffentlichte Ego-Dokumente von Frauen, die die deutschen Südsee-Kolonien aus eigener Anschauung kannten Agatha, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet. Agnes, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna U. / Schwester Agnes H.“, unverzeichnet. Ambrosia, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. Anastasia, Schw.: Schiffsreise-Tagebuch, 1909, Abschrift, Bearbeitung durch P. Alois Greiler, in Privatbesitz. Angela, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela / Schwestern allgemein“, unverzeichnet. Anna, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Anna (Utsch) / Schwester Agnes (Holler)“ u. „St. Paul – Schw. Angela (Balka) / Schwestern allgemein“, unverzeichnet. Arff, Elli (geb. Schumacher): Briefe, RMG 2.143. Barnaba, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Becker, Laura (geb. Schütte): Brief, RMG 1.835. Zahlreiche weitere Briefe wurden von Beckers Schwiegersohn ediert: Adam, Otto (Hrsg.): Ihr sollt meine Zeugen sein. Im Dienste der Rheinischen Mission. Karl Becker – Laura geb. Schütte. Ein Missions- und Familienleben in Briefen, Kreuztal-Buschhütten 1994, unveröffentlicht, Bibliothek der VEM, Literatur Sig. 2-03013. Bergmann, Karoline (geb. Ott): Briefe, RMG 2.140. Blum, Maria (geb. Müller): Brief, RMG 2.153. Böttger, Elisabeth (geb. Thugut): Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.19/3. Brigitta, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. Cherubina, Schw.: Chronik der Schwesternstation Regina Angelorum, 1908-1913, AG SSpS, PNG 6302. Clara, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1910“ u. „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II“, unverzeichnet.

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Constantina, Schw.: Briefe, teilweise zitiert aus Privatbesitz (Kopien am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hermann Hiery, Universität Bayreuth), teilweise AG SSpS, PNG 6201. Dassel, Bertha (geb. Hußmann): Briefe, von den Nachkommen transkribiert: Dassel, Irmgard, Ursel und Hans (Hrsg.): Gehet hin in alle Welt. Briefe des Missionsehepaares der Rheinischen Missionsgesellschaft Adolf und Bertha Dassel 1892-1898, 1998, unveröffentlicht, Archiv- und Museumsstiftung der VEM, RMG Prov. 68. Decker, Emilie (geb. Schlenk): Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.20. Dorothea, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul. Allgemeines. Briefe / Berichte“ u. „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. Ehrentrudis, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Elisabeth, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“; „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 19021910“ u. „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 190205, II“, unverzeichnet. Fellmann (geb. Claß), Johanna: Briefe, zitiert aus Privatbesitz (Kopien am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hermann Hiery, Universität Bayreuth). Seit 2011 befindet sich der Nachlass Fellmann im Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau. Außerdem finden sich einige Briefe Johanna Fellmanns ediert in: Steenken, Helmuth: Die frühe Südsee. Lebensläufe aus dem „Paradies der Wilden“. Texte und Bilder zu einer multimedialen Südsee-Ausstellung, Oldenburg 1997. Fridolina, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Georgia, Schw.: Marshall-Inseln. Chronik 1902-1919, Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall 1902-1919, I.“, unverzeichnet. Hanke, Johanna (geb. Heider): Briefe, RMG 2.149. Helmich, Ida (geb. Winkelsträter): Briefe, RMG 2.140 (Band IV). Heriberta, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Hertzer, Auguste: Tagebuchfragmente (Mai 1891-Jan. 1893), in Privatbesitz von Frank Reiter / Berlin. Dies.: Lebenserinnerungen (3 Bände), in Privatbesitz von Frank Reiter / Berlin. Hoh, Else (geb. Fritz): Brief, AMEW, Vorl. Nr. 4.26. Hugenschmidt, Elise (geb. Straub): Briefe, ALM, Akte „Hugenschmidt-Straub, Elise“. Imelda, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Karrer, Minna: Briefe, ALM, Akte „Karrer, Minna“. Keyßer, Emilie (geb. Heumann): Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/4; 4.27. Köster, Clara: Briefe, ALM, Akte „Köster, Clara“. Krämer, Paula: Briefe, ALM, Akte „Krämer, Paula“.

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Krämer-Bannow (geb. Bannow), Elisabeth: Feldnotizen, in: Ordner „Augustin Krämer. Forschungsnotizen 1908/09“, unverzeichnet, Ethnologische Sammlung, Institut für Ethnologie, Georg-August-Universität Göttingen. Kuhn (geb. Kiesling), Gretel: Erinnerungen an Rabaul 1914-1921. Tonbandbesprechung aus dem Jahr 1975, niedergeschrieben von ihrer Tochter Charlotte v. Cossel, geb. Kuhn, Lüneburg 1981, in Privatbesitz von Karl Baumann / Fassberg. Kunigundis, Schw.: Chronik des Schwesternhauses in Yakamul von seiner Gründung im Sept. 1916 bis Juni 1920, AG SSpS, PNG 6302. Leontine, Schw.: Ausgewiesen. Reiseerlebnisse der von den Marshallinseln vertriebenen Missionare und Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu, Nov. 1919, Abschrift in: AHM, Ordner „Marshall-Inseln 1902-1919“, unverzeichnet. Lidwina, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“, unverzeichnet. Magdalena, Schw.: Brief, AG SSpS, PNG 6201. Mailänder, Hedwig (geb. Raum): Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.33. Markert, Elisabeta: Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.54/1. Mathilde, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Allgemeines / Briefe / Berichte / Gedenkstätte“, unverzeichnet. Müller (geb. Knabe), Emmy: Briefe an Auguste Hertzer, in Privatbesitz von Frank Reiter / Berlin. Panzer, Mathilde (geb. Wagner): Brief, AMEW, Vorl. Nr. 4.34/3. Pfalzer, Emma Mathilde (geb. Lindner): Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.53/13; 4.36. Philomena, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905“; „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 1902-1905, II“ u. „Papua Neuguinea – Briefe / Reise-Berichte 1904-1905“, unverzeichnet. Philomena, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Pilhofer, Elisabeth (geb. Flierl): Briefe, in Privatbesitz von Susanne Froehlich / Ihringen am Kaiserstuhl. Schmidt, Babette: Reisebericht (3 Bände), AMEW, Vorl. Nr. 5.213. Schneider, Anna: Briefe, ALM, Akte „Schneider, Anna“. Schultze, Valesca: Tagebuch (März 1886-März 1910), in Privatbesitz von Marlies und Franz Pfeil / Quedlinburg. Dies.: History of Papauta School, in Privatbesitz von Marlies und Franz Pfeil / Quedlinburg. Seibold, Katharina (geb. Weichel): Briefe, ALM, Akte „Seibold-Weichel, Katharina“. Solf (geb. Dotti), Johanna: Tagebuch (7. Sept. 1908-7. Sept. 1909), in Privatbesitz, Solf-Familienarchiv, Kronberg. Sophia, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Agatha (Rath) / Schw. Sophia (Schmitt)“, unverzeichnet.

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Stanisla, Schw.: Briefe, AHM, Einzelmappe „Briefe von und über Sr. Stanisla (Kopien) aus dem Besitz der Familie“, unverzeichnet. Stößl, Charlotte (geb. Beck): Brief, AMEW, Vorl. Nr. 4.42. Stürzenhofecker, Marie (geb. Büttner): Briefe, AMEW, Vorl. Nr. 4.43/1 u. 2. Theresia, Schw.: Briefe, AHM, Ordner „St. Paul – Schw. Angela Balka / Schwestern allgemein“; „Papua Neuguinea – Briefe der ersten Missionarinnen 19021910“ u. „Papua Neuguinea [Südsee] – Briefe der ersten Missionarinnen 19021905, II“, unverzeichnet. Valentina, Schw.: Chronik der Schwesternniederlassung St. Gabriel, Malol, 191112, AG SSpS, PNG 6302. Valeria, Schw.: Briefe, AG SSpS, PNG 6201. Vetter, Justine (geb. Schmidt): Tagebuch (Dez. 1902-Sept. 1904), Kopie einer unveröffentlichten Abschrift, AMEW, Vorl. Nr. 5.245. Dies.: Briefe, Privatnachlass Theodor Vetter, Memmingen. Zitiert aus Privatbesitz (Kopien). Seit 2012 befindet sich der Nachlass Vetter im Archiv Mission Eine Welt in Neuendettelsau. Wagner, Charlotte Lukretia (geb. Brand): Brief, AMEW, Vorl. Nr. 4.47/1. Wiese, Lina (geb. Lüling): Briefe, ALM, Akte „Lüling-Wiese, Lina“. Zuber, Elise: Briefe, ALM, Akte „Zuber, Elise“. Veröffentlichte Ego-Dokumente von Frauen, die die deutschen Südsee-Kolonien aus eigener Anschauung kannten Die zahlreichen Briefe, die ganz oder auszugsweise in den verschiedenen Vereinsoder Missionszeitschriften abgedruckt wurden, werden hier nicht einzeln aufgeführt. Brandeis, Antonie: Nauru, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 34, S. 599f. Dies.: Südsee-Erinnerungen, in: Deutsche Kolonialzeitung, 25. Jg. (1908), Nr. 1, S. 6f; Nr. 2, S. 21f; Nr. 3, S. 36-38. Dies.: Vom Pflichtenkreis der Frau, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 4, S. 3. Dies.: Kochbuch für die Tropen. Nach langjähriger Erfahrung in den Tropen und Subtropen zusammengestellt, Berlin 1907. Dies.: Das Gesicht im Monde. Ein Märchen der Nauruinsulaner, in: Ethnologisches Notizblatt, Band III, Heft 3 (1904), S. 111-114. Dies.: Südsee-Bilder, in: Koloniale Zeitschrift, 3. Jg. (1902), Nr. 10, S. 191-194; Nr. 11, S. 210-212; Nr. 12, S. 229-232 u. in: Zache, Hans (Hrsg.): Das deutsche Kolonialbuch, Leipzig 1925, S. 486-490. Deeken, Else: Samoanisches Dorfleben, in: Deutsche Kolonialzeitung, 27. Jg. (1910), Nr. 36, S. 598-600.

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Dies.: Aus dem Leben einer Hausfrau in der Südsee, in: Deutsche Kolonialzeitung, 24. Jg. (1907), Nr. 37, S. 374f; Nr. 39, S. 393. Fellmann, Ulrich (Hrsg.): Von Schwaben in den Bismarckarchipel. Tagebücher der Missionarsfrau Johanna Fellmann aus Deutsch-Neuguinea 1896-1903, Wiesbaden 2009. H., E. (voller Name nicht genannt): Ein Tanzfest der Eingeborenen auf NeuMecklenburg, in: Kolonie und Heimat, 7. Jg.(1913/14), Nr. 37, S. 8. Helmich, Ida: Von weißen und braunen Pflegekindern aus Neu-Guinea, Barmen 1922. Karlin, Alma M.: Im Banne der Südsee. Als Frau allein unter Pflanzern und Menschenfressern, Sträflingen, Matrosen und Missionaren, Minden i.W., 1933. Dies.: Mystik der Südsee. Liebeszauber, Todeszauber, Götterglaube, seltsame Bräuche bei Geburten usw., Teil 1: Polynesien, Berlin 1931. Dies.: Mystik der Südsee. Liebeszauber, Todeszauber, Götterglaube, seltsame Bräuche bei Geburten usw., Teil 2: Melanesien – Mikronesien, Berlin 1931. Keyßer, Emilie: Aus meinem Neuguinea-Tagebuch, in: Lehmann, Arno (Hrsg.): Missionarsfrauen erzählen, Dresden 1937, S. 26-33. Klein, Dieter (Hrsg.): Jehova se nami nami. Die Tagebücher der Johanna Diehl. Missionarin in Deutsch-Neuguinea 1907-1913, Wiesbaden 2005. Krämer-Bannow, Elisabeth: Deutsches Frauenleben in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 37, S. 6. Dies.: Der hohe Wert des deutschen Südsee-Schutzgebietes, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 29, S. 4f. Dies.: Bei kunstsinnigen Kannibalen der Südsee. Wanderungen auf NeuMecklenburg 1908-1909, mit 142 Federzeichnungen, 7 Karten und 8 Lichtbildern, nebst wissenschaftlichen Anmerkungen von Prof. Dr. Augustin Krämer, Berlin 1916. Dies.: Heimatschutz in die deutschen Kolonien!, in: Der Kunstwart. Rundschau für alle Gebiete des Schönen, 26. Jg. (1913), S. 13-22; ebenso in: Dürer-Bund, 117. Flugschrift zur Ausdruckskultur. Dies.: Menschenschutz in unseren Kolonien!, in: Kosmos. Handweiser für Naturfreunde und Zentralblatt für das naturwissenschaftliche Bildungs- und Sammelwesen, 10. Jg. (1913), S. 353-360. Loleit, Luise: Auf den Marshallinseln während der Japanerherrschaft, in: Deutsche Kolonialzeitung, 32. Jg. (1915), Nr. 10, S. 170f. Dies.: Die Besetzung der Marshall-Inseln durch die Japaner und meine Reiseerlebnisse, in: Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 18-21. Müller, Emmy: Die deutsche Frau in der Südsee, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 26, S. 6f. Nolde, Ada: Einige Erinnerungen, in: Reuther, Manfred / Nolde Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde. Die Südseereise 1913-1914, Köln 2008, S. 43-70.

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Ohlsen, Minna: Während der Kriegszeit auf der deutschen Südseeinsel Samoa, in: Unter dem roten Kreuz, 27. Jg. (1916), 4. Sonderausgabe, S. 13f. Overell, Lilian: A Woman’s Impression of German New Guinea, London 1923. Philomena, Schw.: Die Mädcheninternate, in: Hüskes, J. (Hrsg.): Pioniere der Südsee, S. 145-149. Rechinger, Lily und Karl: Streifzüge durch Deutsch-Neu-Guinea und auf den Salomons-Inseln. Eine botanische Forschungsreise, Berlin 1908. Dies.: Bericht über eine naturwissenschaftliche Reise nach den Samoa- und Salomons-Inseln, in: Deutsches Kolonialblatt, 17. Jg. (1906), Nr. 17, S. 574f. Schafroth, Marie M.: Südsee-Welten vor dem Großen Krieg, Bern 1916. Schlossmuseum Sondershausen / Bade, James N. (Hrsg.): Zehn Jahre auf den Inseln der Südsee 1887-1897. Aus dem Tagebuch der Paula David, Dresden 2011. Schwieder, Margot: Die Besetzung von Neuguinea, in: Unter dem roten Kreuz, 26. Jg. (1915), 3. Sonderausgabe, S. 15-18. Wostrack, Martha: Als Kriegsgefangene von Neuguinea nach Deutschland, in: Kolonie und Heimat, 9. Jg. (1915/16), Nr. 4, S. 6-8. Zieschank, Frieda: Ein verlorenes Paradies, Leipzig 1923. Dies.: Heimwärts durch die englische Kontrolle. Tagebuchblätter aus Samoa in der Kriegszeit, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 33, S. 6f; Nr. 34, S. 6f; Nr. 35, S. 6f; Nr. 36, S. 6f; Nr. 37, S. 6. Dies.: Zwei Kriegsjahre in Samoa. Tagebuchblätter, in: Kolonie und Heimat, 12. Jg. (1918/19), Nr. 1, S. 9; Nr. 2, S. 6f; Nr. 4, S. 6f; Nr. 5, S. 6; Nr. 6, S. 6; Nr. 7, S. 6f; Nr. 8, S. 6; Nr. 9, S. 6f; Nr. 10, S. 6; Nr. 11, S. 6f. Dies.: Ein Jahrzehnt in Samoa (1906-1916), Leipzig 1918. Dies.: Briefe an eine Kolonialbraut, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 45, S. 8; 7. Jg., Nr. 1, S. 11; Nr. 2, S. 11f; Nr. 3, S. 11f. Weitere veröffentlichte Quellen Bethmann, August / Engelhardt, August: Eine Sorgenfreie Zukunft. Das neue Evangelium. Tief- und Weitblicke für die Auslese der Menschheit – zur Beherzigung für alle – zur Überlegung und Anregung, fünfte, völlig umgearbeitete und erweiterte Auflage, Insel Kabakon bei Herbertshöhe (Bismarckarchipel) 1906. Bley, Bernhard: Die Herz-Jesu-Mission in der Südsee. Geschichtliche Skizze über das Apostolische Vikariat Rabaul, Hiltrup 1925. Braun, Lily: Das Sklaventum der Dienstmädchen, in: Frederiksen, E. (Hrsg.): Die Frauenfrage in Deutschland, S. 335-344. Dies.: Die wirtschaftliche Lage der Lehrerinnen, in: Frederiksen, E. (Hrsg.): Die Frauenfrage in Deutschland, S. 328-330. Brockhaus, (ohne Angabe des Vornamens): Die Frau und die Mission, in: Missionspädagogische Blätter, 7. Jg. (1919), Nr. 3, S. 33-48.

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Buddeberg, Ernst: Das Kreuz auf der Südsee. Aus dem Erleben der Liebenzeller Mission, Bad Liebenzell 1936. Bürgerliches Gesetzbuch für das Deutsche Reich vom 18. August 1896. Für den praktischen Gebrauch gemeinverständlich erläutert und mit Sachregister versehen von Dr. jur. Werner Brandis, zweite und dritte unveränderte Auflage, Leipzig 1896. Deeken, Richard (Hrsg.): Pflanzungsbetriebe auf Samoa. Auskunft über das Schutzgebiet (1910), in: BArch, R 1001/2270. Ders.: Manuia Samoa! Samoanische Reiseskizzen und Beobachtungen, Berlin 1901. Deutsches Rotes Kreuz / Frauenverein für Deutsche über See (Hrsg.): Deutsche Frauen / Deutsche Schwestern, Berlin 1937. Ehlers, Otto E.: Samoa. Die Perle der Südsee. Mit einem Nachwort von Hiery, Hermann Joseph, Düsseldorf 2008 (nach der Ausgabe von 1895). Emge, Adolf: Das Züchtigungsrecht des Lehrers, Frankfurt a.M. 1912. Flierl, Johann: Zur Mischehenfrage, in: Koloniale Rundschau, 2. Jg. (1910), Nr. 8, S. 470-473. Frobenius, Else: 30 Jahre koloniale Frauenarbeit, Aachen 1936. Dies.: Deutsche Frauenarbeit in den Kolonien, in: Deutsche Kolonialzeitung, 35. Jg. (1918), Nr. 6, S. 90-91. Dies.: Die Führerinnen des Frauenbundes der Deutschen Kolonialgesellschaft, in: Kolonie und Heimat, 11. Jg. (1917/18), Nr. 37, S. 2f. Generalleitung der Genossenschaft (Hrsg.): Ein Blick in die Missionsgenossenschaft der Dienerinnen des Heiligen Geistes Steyl, Steyl 1929. Grentrup, Theod.: Die Rassenmischehen in den deutschen Kolonien, in: Görresgesellschaft zur Pflege der Wissenschaft im katholischen Deutschland (Hrsg.): Veröffentlichungen der Sektion für Rechts- und Sozialwissenschaft, Heft 25, Paderborn 1914. Hahl, Albert: Gouverneursjahre in Neuguinea. Überarbeitete Neuauflage. Herausgegeben von Wagner, Wilfried, Hamburg 1997. Hatten, Gertrud von: Die Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 6. Jg. (1912/13), Nr. 15, S. 8; Nr. 16, S. 8; Nr. 17, S. 8f; Nr. 18, S. 8f; Nr. 19, S. 8f. Heider, Eduard: Deutsche Sprachlehre für Samoaner, Malua / Samoa 1913. Hoffmann, Albert: Lebenserinnerungen eines Rheinischen Missionars. Band I: Auf dem Missionsfeld in Neu-Guinea, Barmen 1948. Hüskes, Josef (Hrsg.): Pioniere der Südsee. Werden und Wachsen der Herz-JesuMission von Rabaul zum Goldenen Jubiläum 1882-1932, Hiltrup 1932. Iros: Koloniale Sexualpolitik, in: Die neue Generation, 8. Jg. (1912), Heft 6, S. 316323. Janssen, Arnold P.: Die Erziehungsanstalt für halbweiße Kinder, in: Hüskes, J. (Hrsg.): Pioniere der Südsee, S. 150-155.

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Karow, Maria: Wo sonst der Fuß des Kriegers trat. Farmerleben in Südwest nach dem Kriege, Berlin 1909. Kasbauer, Sixta Schw.: Die Teilnahme der Frauenwelt am Missionswerk, Münster 1928. Kleintitschen, August P.: Die Schwestern in der Mission, in: Hüskes, J. (Hrsg.): Pioniere der Südsee, S. 136-144. Kohl-Larsen, Ludwig: Erinnerungen aus meinem Leben, Lindau-Reutin / Bodensee 1970. Krämer, Augustin: Palau. 3. Teilband, ESE II, B, 3., Hamburg 1926. Ders.: Die Samoa-Inseln. Entwurf einer Monographie mit besonderer Berücksichtigung Deutsch-Samoas. Band II: Ethnographie, Stuttgart 1903. Ders.: Die Samoa-Inseln. Entwurf einer Monographie mit besonderer Berücksichtigung Deutsch-Samoas. Band I: Verfassung, Stammbäume und Überlieferungen, Stuttgart 1902. Külz, L.: Die Frauenfrage in den deutschen Kolonien, in: Koloniale Monatsblätter, 15. Jg. (1913), Nr. 2, S. 61-67. Kuhn, Maria: Die Stellung der Frau in den Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, Berlin 1910, S. 945-964. Lange, Hildegard: Deutsche Frauen auf Vorposten in unseren Kolonien. Briefe, Gedanken, Erlebnisse, Düsseldorf 1937. Lehr, Ludwiga: Die Kriegsarbeit des Deutschen Frauenvereins vom roten Kreuz für die Kolonien, in: Deutsche Kolonialzeitung, 35. Jg. (1918), Nr. 9, S. 132-134. Dies.: Der Deutsche Frauenverein vom roten Kreuz für die Kolonien, in: Koloniale Rundschau, 5. Jg. (1913), Nr. 11, S. 674-679. Dies.: Das Rote Kreuz in den Kolonien, in: Kolonie und Heimat, 4. Jg. (1910/11), Nr. 8, S. 8. Dies.: Über die Leistungen des Roten Kreuzes in den deutschen Kolonien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1910, Berlin 1910, S. 932-945. Leidecker, Carl: Im Lande des Paradiesvogels, Leipzig 1916. Liliencron, Adda: Was wir wollen, in: Kolonie und Heimat, 3. Jg. (1909/10), Nr. 3, S. 8. Dies.: Ein Wort über den Deutschkolonialen Frauenbund und seine Aufgaben, in: Kolonie und Heimat, 1. Jg. (1907/08), Nr. 20, S. 9. Linckens, Hubert.: Streiflichter aus der Herz-Jesu-Mission (Neupommern), Hiltrup 1922. Ders.: Die Missionsschwestern vom hlst. Herzen Jesu, Hiltrup 1921. Meyer, Otto: Missionar und Wissenschaft, in: Hüskes, J. (Hrsg.): Pioniere der Südsee, S. 185-196. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens. Sechste, gänzlich neubearbeitete und vermehrte Auflage, 17. Band, Leipzig u. Wien 1907

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schen Reiseforschung, in: Jedamski, D. / Jehle, H. / Siebert, U. (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“, S. 16-35. Joch, Markus: Völkerkunde in Neuguinea. Herbst 1888: Otto Finsch rettet die Ehre der Menschenfresser, in: Honold, Alexander / Scherpe, Klaus R. (Hrsg.): Mit Deutschland um die Welt. Eine Kulturgeschichte des Fremden in der Kolonialzeit, Stuttgart 2004, S. 127-135. Jolly, Maragaret: „To Save the Girls for Brighter and Better lives“. Presbyterian Missions and Women in the South of Vanuatu, in: Journal of Pacific History, Vol. 26.1991, S. 27-48. Kalmbach, Karl: Mit Gott von Mensch zu Mensch. Aus der Geschichte der Liebenzeller Mission, Lahr 1999. Keim, Christine: Frauenmission und Frauenemanzipation. Eine Diskussion in der Basler Mission im Kontext der frühen ökumenischen Bewegung (1901-1928), Münster 2005. Kerner, Ida: Postkoloniale Theorien zur Einführung, Hamburg 2012. Kettlitz, Eberhardt: Afrikanische Soldaten aus deutscher Sicht seit 1871, Frankfurt a.M. 2007. Klein, Dieter: Der Sonnenorden in der Südsee – Engelhardts Traum vom Paradies, in: Müller, Andrea / Roder, Hartmut (Hrsg.): 1001 Nacht. Wege ins Paradies, Mainz 2006, S. 85-92. Ders.: Neuguinea als deutsches Utopia. August Engelhardt und sein Sonnenorden, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 450-458. Ders.: Engelhard und Nolde: Zurück ins Paradies, in: Steenken, H.: Die frühe Südsee, S. 114-124. Klein-Arendt, Reinhard: Die Nachrichtenübermittlung in den deutschen Schutzgebieten, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 177-197. Kleinau, Elke: Diskurs und Realität. Zum Verhältnis von Sozialgeschichte und Diskursanalyse, in: Aegerter, Veronika / Graf, Nicole / Imboden, Natalie u.a. (Hrsg.): Geschlecht hat Methode. Ansätze und Perspektiven in der Frauen- und Geschlechtergeschichte. Beiträge der 9. Schweizerischen Historikerinnentagung 1998, Zürich 1999, S. 31-47. Klotz, Marcia: White women and the dark continent. Gender and Sexuality in the German colonial discourse from the sentimental novel to the fascist film, Standford 1994. Koch, Christiane: Wenn die Hochzeitsglocken läuten... Glanz und Elend der Bürgerfrauen im 19. Jahrhundert. Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften und Philosophie der Philipps-Universität Marburg / Lahn 1985. Koch, Gerd: Die Menschen der Südsee, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 113-131. Kohl, Karl-Heinz: Entzauberter Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die Erfahrung der Zivilisation, Frankfurt a.M. 1983.

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| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

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(Hrsg.): Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte 10, Wiesbaden 2011, S. 270-273. Dies.: „Trägerinnen deutscher Bildung, deutscher Zucht und Sitte“. Alltag und Rollenbild deutscher Frauen in den Südseekolonien des Kaiserreiches, in: Bechhaus-Gerst, M. / Leutner, M. (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, S. 4049. Dies.: Das Rollenbild der deutschen Frau in den Südseekolonien des Kaiserreiches: Erfahrungen und Selbsterkenntnisse, unveröffentlichte Magisterarbeit, Historisches Seminar der Universität Leipzig, 2007. Lutkehaus, Nancy C.: Missionary Materanalism. Gendered Images of the Holy Spirit Sisters in Colonial New Guinea, in: Huber, M. / Lutkehaus, N. (Hrsg.): Gendered Missions, S. 207-235. Mamozai, Martha: Einheimische und „koloniale“ Frauen, in: Bechhaus-Gerst, M. / Leutner, M. (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, S. 14-30. Dies.: Schwarze Frau, weiße Herrin. Frauenleben in den deutschen Kolonien, Reinbek bei Hamburg 1989 (1982 erschienen unter dem Titel „Herrenmenschen. Frauen im deutschen Kolonialismus“). Mead, Margaret: Coming of Age in Samoa, New York 1928 (Erstausgabe); deutsche Übersetzung: Kindheit und Jugend in Samoa, München 1981. Meleisea, Malama: The making of Modern Samoa. Traditional authority and colonial administration in the history of Western Samoa, Suva 1987. Mesenhöller, Peter: „Für die Freunde im Vaterland“. Frauenbilder in der kolonialen Fotografie in Samoa um 1900, in: Bechhaus-Gerst, M. / Leutner, M. (Hrsg.): Frauen in den deutschen Kolonien, S. 214-219. Mettler-Frercks, Beatrix: Babette Schuster, geb. Schmidt. Erster Weltkrieg, in: Jahnel, C. (Hrsg.): Mi stori, S. 82-99. Meyer, Sibylle: Die mühsame Arbeit des demonstrativen Müßiggangs – Über die häuslichen Pflichten der Beamtenfrauen im Kaiserreich, in: Hausen, K. (Hrsg.): Frauen suchen ihre Geschichte, S. 175-197. Miles, Robert: Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs, Hamburg 1992². Mönter, Sven: Following a South Seas Dream. August Engelhardt and the Sonnenorden, University of Auckland 2008. Morat, Daniel: Braucht man für das Verstehen eine Theorie? Bekenntnisse eines Neohermeneutikers, in: Hacke, J. / Pohlig, M. (Hrsg.): Theorie in der Geschichtswissenschaft, S. 41-52. Morlang, Thomas: Rebellion in der Südsee. Der Aufstand auf Ponape gegen die deutschen Kolonialherren 1910/11, Berlin 2010. Moses, John A. / Kennedy, Paul M. (Hrsg.): Germany in the Pacific and Far East, 1870-1914, St. Lucia / Queensland 1977. Mückler, Hermann: Kolonialismus in Ozeanien. Kulturgeschichte Ozeaniens, Band 3, Wien 2012.

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| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

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Rauchholz, Manuel: Die deutsche evangelische Mission in Mikronesien, bisher unveröffentlicht, erscheint voraussichtlich in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, 3. Auflage. Reagin, Nancy R.: Sweeping the German Nation. Domesticity and National Identity in Germany, 1870-1945, Cambridge 2007. Reinhard, Wolfgang: Kolonialgeschichtliche Probleme und kolonialhistorische Konzepte, in: Kraft, Claudia / Lüdtke, Alf / Matschukat, Jürgen (Hrsg.): Kolonialgeschichten. Regionale Perspektiven auf ein globales Phänomen, Frankfurt a.M. 2010, S. 67-91. Ders.: Kleine Geschichte des Kolonialismus, Stuttgart 2008². Ders.: Lebensformen Europas. Eine historische Kulturanthropologie, München 2006². Reuther, Manfred / Nolde Stiftung Seebüll (Hrsg.): Emil Nolde. Die Südseereise 1913-1914, Köln 2008. Riese, Julius: The Samoanische Zeitung (1901-1914). Images of the Samoan People and Culture in a German Colonial Newspaper, unpublished research paper, Universität Heidelberg 2008. Roller, Kathrin: „Wir sind Deutsche, wir sind Weiße und wir wollen Weiße bleiben“ – Reichstagsdebatten über koloniale „Rassenmischung“, in: Van der Heyden, Ulrich: / Zeller, Jochim (Hrsg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche, Berlin 2002, S. 73-79. Rosenhaft, Eve: Zwei Geschlechter – eine Geschichte? Frauengeschichte, Männergeschichte, Geschlechtergeschichte und ihre Folgen für unsere Geschichtswahrnehmung, in: Eiffert, Christiane / Epple, Angelika / Kessel, Martina u.a. (Hrsg.): Was sind Frauen? Was sind Männer? Geschlechterkonstruktionen im historischen Wandel, Frankfurt a.M. 1996, S. 257-274. Sack, Peter: Das deutsche Rechtswesen in Melanesien, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 322-342. Ders.: Das deutsche Rechtswesen in Mikronesien, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 535-557. Ders.: Das deutsche Rechtswesen in Polynesien, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 676-689. Ders.: Zum Vorwort der englischen Originalausgabe, in: Hahl, A..: Gouverneursjahre in Neuguinea, hrsg. von Wagner, W., S. VIII-XIII. Said, Edward W.: Orientalismus, Frankfurt a.M. 2009 (englische Originalausgabe: Orientalism, New York 1978). Samulski, Roland: Die „Sünde“ im Auge des Betrachters – Rassenmischung und deutsche Rassenpolitik im Schutzgebiet Samoa 1900 bis 1914, in: Becker, F. (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung, S. 329-356. Schaser, Angelika: Frauenbewegung in Deutschland 1848-1933, Darmstadt 2006. Schindlbeck, Markus: Deutsche wissenschaftliche Expeditionen und Forschungen in der Südsee bis 1914, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 132-154.

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| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Schraut, Sylvia: Bürgerinnen im Kaiserreich. Biografie eines Lebensstils, Stuttgart 2013. Schütte, Heinz: Lokale Reaktionen auf evangelische Missionsbemühungen im kolonialen Neu Guinea 1887-1914, in: Wagner, W. (Hrsg.): Rassendiskriminierung, Kolonialpolitik und ethnisch-nationale Identität, S. 497-509. Schulze, Winfried: Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte? Vorüberlegungen für die Tagung „EGO-DOKUMNTE“, in: Ders. (Hrsg.): Ego-Dokumente. Annäherung an den Menschen in der Geschichte, Berlin 1996, S. 11-30. Schwab, Andreas: Monte Verità – Sanatorium der Sehnsucht, Zürich 2003. Siebert, Ulla: Grenzlinien. Selbstrepräsentationen von Frauen in Reisetexten 18711914, Münster 1998. Dies.: Frauenreiseforschung als Kulturkritik, in: Jedamski, D. / Jehle, H. / Siebert, U. (Hrsg.): „Und tät das Reisen wählen!“, S. 148-173. Smidt, Karen: „Germania führt die deutsche Frau nach Südwest“. Auswanderung, Leben und soziale Konflikte deutscher Frauen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1884-1920. Eine sozial- und frauengeschichtliche Studie, Dissertation, Universität Magdeburg 1995. Steenken, Helmuth: Die frühe Südsee. Lebensläufe aus dem „Paradies der Wilden“. Texte und Bilder zu einer multimedialen Südsee-Ausstellung, Oldenburg 1997. Steffen, Paul: Die katholischen Missionen in Deutsch-Neuguinea, in: Hiery, H. (Hrsg.): Die deutsche Südsee, S. 343-383. Ders.: Missionsbeginn in Neuguinea. Die Anfänge der Rheinischen, Neuendettelsauer und Steyler Missionsarbeit in Neuguinea, Nettetal 1995. Stoehr, Irene: „Organisierte Mütterlichkeit“. Zur Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: Hausen, K. (Hrsg.): Frauen suchen ihre Geschichte, S. 225-253. Stornig, Katharina: Sisters Crossing Boundaries. German Missionary Nuns in Colonial Togo and New Guinea, 1897-1960, Göttingen 2013. Strathern, Andrew / Stewart, Pamela J. / Carucci, Laurence M. u.a.: Oceania. An Introduction to the Cultures and Identities of Pacific Islanders, Durham 2002. Thode-Arora, Hilke: Interethnische Ehen: eine Bilanz nach achtzig Jahren Forschung, in: Schlehe, Judith (Hrsg.): Zwischen den Kulturen – zwischen den Geschlechtern. Kulturkontakte und Genderkonstrukte, Münster 2000, S. 65-88. Töpperwien, Annemarie: Seine „Gehülfin“. Wirken und Bewährung deutscher Missionarsfrauen in Indonesien 1865-1930, Köln 2004². Treue, Wolfgang: Die Jaluit-Gesellschaft auf den Marshall-Inseln 1887-1914. Ein Beitrag zur Kolonial- und Verwaltungsgeschichte in der Epoche des deutschen Kaiserreichs, Berlin 1976. Turner-Graham, Emily / Winter, Christine (Hrsg.): National Socialism in Oceania. A critical evaluation of its effect and aftermath, Frankfurt a.M. 2010.

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| 645

Ulbrich, Claudia / Medick, Hans / Schaser, Angelika: Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven, in: Dies. (Hrsg.): Selbstzeugnis und Person. Transkulturelle Perspektiven, Köln 2012, S. 1-19. Vasold, Manfred: Robert Koch, der Entdecker von Krankheitserregern. Aus der Reihe Spektrum der Wissenschaft – Biographie 2/2002. Vietsch, Eberhard von: Wilhelm Solf. Botschafter zwischen den Zeiten, Tübingen 1961. Voigt, Johannes: Geschichte Australiens und Ozeaniens. Eine Einführung, Köln 2011. Wagner Wilfried (Hrsg.): Rassendiskriminierung, Kolonialpolitik und ethnischnationale Identität. Referate des 2. Internationalen Kolonialgeschichtlichen Symposiums, Münster 1992. Walgenbach, Katharina: „Die weiße Frau als Trägerin deutscher Kultur“. Koloniale Diskurse über Geschlecht, „Rasse“ und Klasse im Kaiserreich, Frankfurt a.M. 2005. Dies.: Rassenpolitik und Geschlecht in Deutsch-Südwestafrika, in: Becker, F. (Hrsg.): Rassenmischehen – Mischlinge – Rassentrennung, S. 165-183. Dies.: Zwischen Selbstaffirmation und Distinktion: Weiße Identität, Geschlecht und Klasse in der Zeitschrift „Kolonie und Heimat“, in: Winter, Carsten / Thomas, Tanja / Hepp, Andreas (Hrsg.): Medienidentitäten. Identität im Kontext von Globalisierung und Medienkultur, Köln 2003, S. 136-152. Wareham, Evelyn: Race and Realpolitik. The Politics of Colonisation in German Samoa, Frankfurt a.M. 2002. Wedemeyer-Kolwe, Bernd: „Der neue Mensch“. Körperkultur im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Würzburg 2004. Welsch, Sabine: Ausstieg aus dem Korsett. Reformkleidung um 1900, Darmstadt 2003². Wildenthal, Lora: German Women for Empire, 1884-1945, London 2001. Winter, Christine: Looking after one’s own. The rise of Nationalism and the Politics of the Neuendettelsauer Mission in Australia, New Guinea and Germany (19211933), Frankfurt a.M. 2012. Dies.: Changing Frames. Identity and citizenship of New Guineans of German heritage during the inter-war years, in: Journal of Pacific History, 47/2, 2011. Zerger, Johannes: Was ist Rassismus? Eine Einführung, Göttingen 1997.

Verzeichnis der deutschen Frauen, die sich in den Südsee-Kolonien des Kaiserreichs aufhielten

Abkürzungen: - DHPG: Deutsche Handels- und Plantagengesellschaft - DNG: Deutsch-Neuguinea - FWH: Friedrich-Wilhelmshafen (Madang) - m: männlich - mind.: mindestens - NGK: Neuguinea-Kompagnie - RKA: Reichskolonialamt - w: weiblich Anmerkungen: - In den folgenden Tabellen sind die Frauen aufgeführt, die während der Recherche in den genannten Quellen zu finden waren. Das Verzeichnis erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Obwohl die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen zusammengetragen wurden, sind Irrtümer nicht ausgeschlossen; nicht alle Daten konnten anhand mehrerer Belege verifiziert werden. - Die angegebene Zahl der Kinder berücksichtigt nicht diejenigen, die nach dem Aufenthalt in den Südseegebieten geboren wurden. - Da genauere Datumsangaben als die bloße Jahreszahl teilweise nicht verfügbar waren, kann das Alter der Frauen bei der Ankunft im Kolonialgebiet nicht immer exakt angegeben werden (Ankunft vor oder nach dem Geburtstag?), in diesen Fällen steht „~“ vor dem Alter, z.B. „~24“.

DNG!

Flierl, Dora

0

23

DNG / Heldsbach

DNG / Jabim, Deinzerhöhe

DNG / Malalo

Missionsgehilfin (gründet Mädchenschule, Krankenschwester)

1903-1905 Missionsgehilfin, dann Missionarsfrau

Missionarsfrau

DNG / Logaweng

Hertle (geb. Buschmann), Kunigunde

22

DNG / Finschhafen

Helbig (geb. Niemz), Ernestine

Nürnberg

DNG / Sattelberg

Hansche (geb. Springer), Clara

Nahe Neuendettelsau

Ehemann Missionsbaumeister

Ehemann Missionsökonom Pflanzungsverwalter, Prediger u. Baumeister

Missionarsfrau

Missionsgehilfin

DNG

Gefrees / Oberfranken

Decker (geb. Schlenk), Emilie

33

Missionarsfrau

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

Goetz, Frieda

Frankfurt a.M.

Böttger (geb. Thugut), Elisabeth

DNG / Ruk

Wohn- / Einsatzort(e)

DNG / Simbang, Missionarsfrau Sattelberg, Heldsbach

Bad Windsheim

Bamler, Friederike

Alter bei Ankunft

Flierl (geb. Auricht), Tanunda / Australien(!) 27 Louise

Herkunftsort

Name

Tab. 4: Missionarsfrauen und Missionsgehilfinnen der Neuendettelsauer Mission

Ja (1911 in der Kolonie)

Ja

Ja (1899, vor Ankunft)

Ja (1882, vor Ankunft)

Ja (1905 in der Kolonie)

Ja (1909 in der Kolonie)

Ja (vor Ausreise)

Verheiratet?

1m

1

2 w, 2 m

4m

Kinder

1911-1914 (an Schwarzwasserfieber gestorben)

Um 1909

1899-1902

1889-1897

1888-1930

1890-1930

1903-1912; 1912-1913 (ertrunken)

1909-1914 (im Kindbett gestorben)

Ca. 1904 – 1928 (Rückkehr nach tödlichem Unfall ihres Ehemannes)

Aufenthaltszeitraum

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| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Wallmersbach

Geislohe bei Gunzenhausen

Augsburg

Hersbruck / Mittelfranken

DNG, Sattelberg!

Markert, Elisabeta

Örtel (geb. Wagner), Christine

Panzer (geb. Wagner), Mathilde

Pfalzer (geb. Linder), Emma Mathilde

Pilhofer (geb. Flierl), Elise

28

Ruppert (geb. Fischer), Frieda

Nördlingen / Bayern

30

Raum (geb. Schulz), Dönitz / Mecklenburg Marie

0

Missionarsfrau

DNG / Pola

DNG

DNG / Sattelberg

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

DNG / Umgebung von 1908-1910 Finschhafen, Pola Missionsgehilfin (Hebamme), dann Missionarsfrau

DNG / Sattelberg, Finschhafen

Missionarsfrau

Ja (1911, in der Kolonie)

Ja (1914 in der Kolonie)

Ja (seit 1915)

Ja (1910 in der Kolonie)

Ja (1912 in der Kolonie)

Ja (1913 in der Kolonie)

nein

Ja (1913 in der Kolonie)

1 w, 1 m

ja

1w

nein

1 w, 2 m

1m

4w

1w

1911-1928

1913-1920

1894-1937

1908-1914

1912-1926

1913-1938

1911-1921

1913-1929

1902-1931 (gestorben)

1902-1920

1904-1942

1897-1914

DIE SICH IN DEN

28

31

DNG / Wareo

Missionsgehilfin (Hebamme und Krankenschwester)

Missionarsfrau

Ja

Ja (1903 in der Kolonie)

Nein

Ja (1897 in der Kolonie)

FRAUEN ,

24

DNG / Sattelberg, Wareo u.a.

DNG / Sattelberg

Bleimerschloß bei Greding

Mailänder (geb. Wüst), Hedwig

Missionarsfrau

1902-1903 Missionsgehilfin (Lehrerin), dann Missionarsfrau

Missionsgehilfin (Krankenschwester)

Missionarsfrau

DEUTSCHEN

~ 35

DNG / Kap Arkona

Lehner (geb. Döhler), Clementine

22

DNG / Logaweng, Sattelberg

Keysser (geb. Heumann), Emilie

DNG / Bogadjim, Tami DNG / Sattelberg

Regensburg

Keppler, Rose

Hoh (geb. Fritz), Else

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 649

Zeitz / Thüringen

Stürzenhofecker (geb. Büttner), Marie

Wacke (geb. Döhler), Magdalene DNG / Sialum

DNG / Yabim

Bayreuth

Vetter (geb. Schmidt), Justine

24

DNG

Neustadt a. d. Aisch

Vetter (geb. Seel), Maria

~25

DNG

DNG / Ongga, Pola, Morobe

Tremel (geb. Geyer), Christine

26

DNG / Dainzerhöhe

Husum / SchleswigHolstein

Stößl (geb. Beck), Charlotte

33

DNG / Simbang

31

Gößnitz / Anhalt

DNG / Sattelberg

Schnabel (geb. Blechschmidt), Johanna

28

Wohn- / Einsatzort(e)

DNG, Logaweng

Weißenburg / Bayern

Schmidt, Babette

Alter bei Ankunft

Schmutterer (geb. Pfeifer), Magdalena

Herkunftsort

Name

Verheiratet?

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Ja (seit 1910)

Ja (1899 in der Kolonie)

Ja (1894 in der Kolonie)

Ja

Ja (1907, in der Kolonie)

1914-1920

Aufenthaltszeitraum

3w

1 w, 1 m

5 w, 2 m

1910-1959

1899-1906

1894-1895 (gestorben an Schwarzwasserfieber)

1889-1894

1907-1927 (gestorben)

1911-1922

1908-1928 (Heimkehr aus gesundheitlichen Gründen)

mind. 1 m 1913-1935

Nein

Kinder

Ja (1910, vor Ausreise) 4 w

Ja

Ja (seit 1913)

Missionsgehilfin (war Nein (verlobt mit ihrem Bräutigam Missionar Schuster) vorausgereist, er konnte wegen des Krieges nicht nachkommen)

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

650

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Egloffstein / Oberfranken

Zahn (geb. Haaß), Emma Wilfriede

Zwanzger (geb. Koschade), Margarete

Stierhöfstetten / Mittelfranken

Wagner (geb. Brand), Charlotte Lukretia

26

25

DNG / Wareo

DNG

DNG / Wareo

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Ja (seit 1902)

Ja (1907 in Kolonie)

Ja (1908 in der Kolonie) 1w

1w

1903-1913

1907-1928 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1907-1934

V ERZEICHNIS DER DEUTSCHEN

FRAUEN , DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 651

Biebrich / Niederrhein

Elberfeld

Schmillinghausen

Wulfesloh bei Langerfeld 26

Ehringshausen / Kreis Wetzlar

Bergmann (geb. Ott), Karoline

Blum (geb. Müller), Maria

Bösch (geb. Emde), Lina

Dassel (geb. Hußmann), Bertha

Diehl (geb. Neuhaus), Luise

Wiesbaden

Duisburg

Eckershoff (geb. Walther), Elisabeth

Eiffert (geb. Klingelhöller), Emma

Diehl (geb. Bleihdorn), Bei Recklinghausen / Siegerland Johanna

Eiserfeld / Kreis Siegen

Becker (geb. Schutte), Laura

25

26

27

27

27

24

26

25

Barmen

Arff (geb. Schuhmacher), Elly

Alter bei Ankunft

Herkunftsort

Name

Tab. 5: Missionarsfrauen der Rheinischen Mission

DNG / Bogadjim

DNG / Ragetta, Nagada, Kurum

DNG / Bogadjim

DNG / Bogadjim

DNG / Dampier

DNG / Siar

DNG / Bongu, Siar

DNG / Bogadjim, Siar

DNG / Bongu

DNG / Bogadjim, Buramana

Wohn- / Einsatzort(e)

Kinder

Ja (in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie)

Ja (heiratet Witwer in der Kolonie)

Ja

Ja (in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie, Ehemann wird ermordet)

Ja (1904 in der Kolonie)

Ja (1889 in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie)

1904-1906; 1908-1925

1888-1893; 1895-1898; 19001904

1908-1911 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1891-1892; 1893-1895

Aufenthaltszeitraum

3w

1w

nein

nein

1913-1926

1909-1928

1907-1913

1904-1905 (an Schwarzwasserfieber gestorben)

1894-1895

1 (bei/kurz nach Feb. 1891-Okt. 1891 (gestorben in Geburt gestorben) Siar)

2 w, 2 m

3

2m

Ja (in der Kolonie, nein wird dort 1893 Witwe)

Verheiratet?

652

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

~28

Hanke (geb. Scheel), Laura

24

Langerfeld

Schönbach bei Herborn

Mühlheim / Ruhr

Elbersfeld

Helmich (geb. Winkelsträter), Ida

Hoffmann (geb. Diehlmann), Henriette

Kunze (geb. Keudel), Bernhardine

Kunze (geb. Schmitz), Johanna

20

33

Schütz (geb. Sinemus), Andernach Elisabeth

Weber (geb. Neuhaus), Holzhausen bei Mühlheim / Ruhr Maria DNG / Siar

DNG / Ragetta, Nobonob

DNG / Nagada

27

Schamann (geb. Hornbruch), Lina

Hanbuche

DNG / Ragetta

DNG

Ja (in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie)

Ja (seit 1903, in der Kolonie verwitwet)

Ja (in der Heimat)

Ja (1891, in der Kolonie)

3 w, 2 m

1 w, 1 m

2w

2w

2 w, 2 m

1 w adoptiert

3 m, 2 w

1 w (kurz nach der Geburt gestorben)

2 m, 1 w

3 m, 1 w

1907-1909

1907-1926

1911-1914

1903-1904 (Rückkehr nach Tod des Ehemannes)

1898-1899 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1891-1892 (an Malaria gestorben)

1894-1898; 1900-1904

1897-1902; 1904-1913

1902-1907; 1910-1918

1897-1900 (im Kindbett gestorben)

1913-1923

1912-1928 (oder 1929?)

DIE SICH IN DEN

Ostermann, Auguste

24

DNG / Dampier

Ja (1894 in der Kolonie)

Ja (1897 in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie)

Ja (in der Kolonie)

Ja

Ja (in der Kolonie)

FRAUEN ,

27

DNG / Bogadjim

DNG / Siar, Ragetta

DNG / Bongu

DNG / Bongu

DNG / Siar, Nobonob, Nagada

DNG / Dampier

DEUTSCHEN

24

~25

Hanke (geb. Heider), Johanna

Barmen

29

Stockum / Kreis Bochum 27

Gräb (geb. Steinseifer), Eiserfeld / Kreis Siegen Minna

George (geb. Quellenberg), Elfriede

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 653

Zuzenhausen / Baden 29

Lüdenscheid

Schildesche bei Bielefeld

Karrer, Minna

Köster, Klara

Krämer, Paula

Karolinen / Truk

Wössingen / Baden

Eberstadt bei Darmstadt

Schneider, Anna

Seibold (geb. Weichel), Katharina Karolinen / Ponape Karolinen / Ponape

Syring, Johanna

Wiese (geb. Kohrig), Elfriede

Karolinen / Ponape

Karolinen / Ponape

29

Karolinen / Truk

Polster, Johanne

27

Karolinen / Ponape Karolinen / Truk

Manteuffel, Emma Berlin

28

29

Karolinen / Ponape

Hoffenheim (?)

Hugenschmidt (geb. Straub), Elise Karolinen / Ponape

Karolinen / Truk

Wohn- / Einsatzort

Langenberg-Falken / Dönges (geb. Klinger), Gertrud Sachsen

Alter bei Ankunft Karolinen / Truk

Herkunftsort

Becker (geb. Manteuffel?), Emma

Name

Ja

Ja (1911 in der Kolonie)

Nein

Nein

Nein

Nein

Ja (1910 in der Kolonie)

Ja

Ja (1913 in der Kolonie)

Verheiratet?

Missionarsfrau (vorher ab Ja (1907 in der 1904 Missionsschwester in Kolonie) China)

Missionarsfrau

Missionsschwester, dann Missionarsfrau

Missionsschwester

Missionsschwester

Missionsschwester

Missionsschwester

Missionsschwester

Missionsschwester

Missionarsfrau

Missionarsfrau

Missionsschwester, dann Missionarsfrau

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

Tab. 6: Missionsschwestern und Missionarsfrauen der Liebenzeller Mission

Ja

Ja

Ja

Nein

Nein

Nein

Nein

Ja

Ja

Kinder

1907 – 1908 (stirbt im Kindbett)

um 1914-1919

1908-1919

1912-1919

1912-?

1910-?

1912-1919

1910-1919

1907-1910 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1910-1913(?)

1910-?

? – 1919

Aufenthaltszeitraum

654

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Edingen bei Heidelberg

Zuber, Elise

23

Karolinen / Truk

Karolinen / Ponape

Herkunftsort

Backnang / Siegerland

Yüterbog / Brandenburg

Fellmann (geb. Claß), Johanna

Schultze, Valesca

31

Samoa / Apia

DNG / Raluana

Wohn- / Einsatzort Ja (1896, in der Heimat)

Missionsschwester (leitete nein die Papauta-Mädchenschule der London Missionary Society)

Missionarsfrau (Wesleyanische Methodisten)

Tätigkeit / Institution Verheiratet?

Nein

Ja (1910 Hochzeit mit verwitweten Missionar in der Kolonie)

nein

4

Kinder

Nein

2 w (aus früherer Ehe des Mannes)

1890-1916

1897-1903; 1903-1907

Aufenthaltszeitraum

1909-1919

1907-1910

FRAUEN ,

21

Alter bei Ankunft

Missionsschwester

Missionsschwester, dann Missionarsfrau

DEUTSCHEN

Name

Tab. 7: Weitere weibliche evangelische Missionsangehörige

Altena / Westfalen

Wiese (geb. Lüling), Lina

V ERZEICHNIS DER DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 655

Hartmann, Elisabeth

Hoen, Maria

Clothilde

Großblittersdorf

Clarholz / Wiedenbrück ~32

26

Greven / Kreis Münster ~31

DNG

Jaluit, Nauru

DNG

DNG

Chrysostoma

~24

Jaluit

DNG / St. Paul

Topphoff, Gertrud

Sendenhorst / Kreis Beckum

Kinderhaus bei Münster

24

DNG / St. Paul

Carola

Benedikta

Mudersbach / Siegerland

~29

DNG / Vunapope

Jaluit, Liekieb, Arno

Niermann, Anna

Anna

Gallizien, ab 1904 preuß. Staatsbürgerin

27

Jaluit, Liekieb, Nauru

Wäsentrupp, Elisabeth

Utsch, Katharina

Angela

Grothe / Kreis Berbrück

24

DNG / St. Paul

Vieth, Sophie

Balka,?

Ambrosia

Hirschau / Oberpfalz

~ 21

DNG / St. Paul DNG / Vunapope

Brigitta

Müschner, Maria

Aloysia

Ruhmannsfelden / Bayern

27

Wohn- / Einsatzort(e)

Bonifatia

Mader, Maria

Agnes

Senden / Westfalen

Senden / Kreis Lüdinghausen

Alter bei Ankunft

Jaluit, Liekieb

Holler, Katharina

Agatha

Herkunftsort

Blanka

Rath, Elisabeth

Feldhaus, Anna

Agatha

Geburtsname

Schwesternname

Tab. 8: Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu (Hiltrup)

1905-1926

1912-1916

1906-1947 (gestorben)

1904-1961 (gestorben)

1905-1919

1907-1919

1905-1907 (gestorben an Lungenkrankheit)

1902-1904 (ermordet)

1904-1904 (ermordet)

1904-1945 (gestorben)

1902-1911 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1902-1904 (ermordet)

1911-1971 (gestorben)

1904-1904 (ermordet)

Aufenthaltszeitraum

656

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Sauer, Crescentia

Pracht, Rosa

Hövelmann, Katharina

Schnur, Johanna

Lösing, Helene

Schrief, Josefa

Fleischmann, Maria

Isenberg, Anna

Tönnes, Olga

Hölker, Therese

Leitheiser, Katharina

Eleonore

Elisabeth

Emilie

Fidelis

Georgia

Getrudis

Helene

Hubertine

Hyacintha

Johanna

Juliana

Kindsbach bei Speyer

Altenberge / Kreis Steinfurt

Kreis Recklinghausen

25

26

~22

26

~28

27

DNG / St. Paul, Vunapope

Jaluit, Nauru

DNG

Jaluit, Nauru

DNG

Jaluit, Nauru

Jaluit

DNG

1902-1906 (gestorben)

1902-1912 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1913-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1902-1919

1905-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1907-1916

1904-1919

1913-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1904-1919

1902-1919 (gestorben)

DIE SICH IN DEN

Merklinde / Kreis Dortmund

Obersteinbach / Oberpfalz

Borghorst / Kreis Steinfurt

~25

Jaluit

DNG / Vunapope, St. Paul

1906-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

FRAUEN ,

Vreden / Kreis Ahaus

Wangen / Baden

25

DNG

1904-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1905-1919

1912-1919

DEUTSCHEN

Alverskirchen bei Münster

Breitbach / Kreis Altenkirchen (Rheinland)

Ebersberg / Oberbayern ~22

DNG

Jaluit ~27

Gehling, Gertrud

Dorothea

Hundewick / Kreis Ahaus

Buschsteiner, Barbara

Dominica

Forstau bei Radstadt

Marshall-Inseln

Constantia

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 657

Hellenkamp, Maria

Katharina

Schäfer, Maria

Hartmeyer, Elisabeth

Theele, Elisabeth

Langenberg, Franziska

Froitzheim, Anna

?, Johanna

Rohlmann, Theresia

Bücker, Josefine

Schmitt, Anna

Hankmann, Maria

Straubinger, Elisabeth

Lidwina

Luise

Magdalena

Margareta

Mathilde

Odilia

Philomena

Placida

Severina

Sophia

Stanisla

Theresia

Ursula

Schulte, Elisabeth

Leontine

Geburtsname

Schwesternname 26

Alter bei Ankunft

~25

23

~27

~26

24

~31

30

22

~28

Miesbach / Oberbayern 32

Ascheberg / Westfalen 26

Mülben / Kreis Ebersbach

Hamm / Westfalen

Hörstel / Kreis Teckauburg

Vreden / Kreis Ahaus

Windberg / Gladbach

Hervest / Kreis Recklinghausen

Worbis / Eichsfeld

Handorf / Kreis Münster

Esbeck / Kreis Lippstadt

Greven / Kreis Münster 21

Lette / Kreis Steinfurt

Herkunftsort

Jaluit

DNG / Vunapope, Lamekot

Jaluit, Nauru

DNG / St. Paul

Jaluit, Arno, Nauru

DNG

DNG, Vunapope

Jaluit, Nauru

DNG

Jaluit, Arno, Nauru

Jaluit, Liekieb

DNG

DNG / St. Paul, Vunapope

Jaluit

Jaluit

Wohn- / Einsatzort(e)

1907-1919

1902-1919 (an Krankheit gestorben)

1902-1906 (an Krankheit gestorben)

1904-1904 (ermordet)

1907-1919

1913-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1904-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1904-1904 (verließ den Orden)

1904-? (noch nach der deutschen Kolonialzeit)

1904-1919

1902-1911 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1911-1945 (gestorben)

1905-(?, mind. Ende 1920er)

1907-1919

1905-1919

Aufenthaltszeitraum

658

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

V ERZEICHNIS DER

DEUTSCHEN

FRAUEN ,

DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 659

Wallmeyer, ?

Krämer, Maria

Dietzen, Katharina

Ihler, Ludmilla

Vökt, Maria

Karzer, Anna

Joeris, Katharina

Müller, Magdalena

Steiger, Maria

Constantina

Ehrentrudis

Evangelista

Fridolina

Hedwig

Heriberta

Imelda

Josephine

Cherubina

Einzmann, Christina

Frings, Gertrudis

Barnaba

Christophora

Zirkel, Sophie

Anselma

Christiana

Bischopink, Maria

Rupp, Maria

Aloysiana

Geburtsname

Schwesternname

Alter bei Ankunft

25

39

42

36

28

23

~25

~28

31

27

Lendersdorf / Diözese 35 Köln

Fulda

Karken-Heinsberg

Sarlowitz / Schlesien

Lindenberg / Bayern

Tarforst / Diözese Trier

Heusweiler / Saar

Bruchsal

Köln

Dansenberg bei Kaiserslautern

Hützweiler / Saar

Oberelspe / Sauerland 36

Herkunftsort

Tab. 9: Steyler Missionsschwestern (Dienerinnen des Heiligen Geistes)

DNG / Alexishafen

DNG / St. Michael, Monumbo

DNG / Ali

DNG / Alexishafen

DNG / Tamara, Ali, Tumleo

DNG

DNG / St. Anna

DNG / St. Michael

DNG / Tumleo, Monumbo

DNG / St. Michael, Yakmul

DNG / Regina Angelorum

DNG / St. Michael, Tumleo

DNG / Monumbo, Bogia

DNG / Berlinhafen, Alexishafen

Wohn- / Einsatzort(e)

1903-1941 (gestorben)

1910-1944 (durch Fliegerbomben getötet)

Um 1908-1943 (von Japanern erschossen)

1907-1943 (gestorben)

1899-1904 (gestorben)

1902-1904 (gestorben)

1913-1944 (gestorben)

1911-1944 (durch Fliegerbomben getötet)

1901-1944

Um 1916

Ca. 1905-1915 (gestorben an Schwarzwasserfieber)

1908-1944 (durch Fliegerbomben getötet)

1904-1920 (gestorben)

1908-1923 (?, gestorben)

Aufenthaltszeitraum

660

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Hanfeld, Maria Margareta Quendorf-Bentheim

Herzog, Clara

Reusch, ?

Dietzen, Anna Maria

König, Elisabeth

Perpetua

Philomena

Siegberta

Valeria

Veronika

Straelen

29

26

29

27

DNG

DNG / Monumbo, Bogia

DNG / Berlinhafen, St. Michael, Tumleo

DNG

DNG / Monumbo, Tumleo

DNG / St. Michael, Yakamul

DNG / Ali, Tumleo

1910-1910 (gestorben)

1903-1913

1899-1917 (gestorben)

?-1917 (gestorben)

1901-1935

1908-1943 (von Japanern erschossen)

Um 1904-1922

DNG / Alexishafen, St. Michael, Ca. 1898-1914 (gestorben) Monumbo

Um 1916-1943 (von Japanern erschossen)

FRAUEN ,

LangenholthausenBalve

Tarforst / Diozöse Trier

Bochholt / Westfalen

Lieg bei Cochem

34

DNG / St. Michael, Yakamul

DEUTSCHEN

Wiltrudis

Wagner, Katarina

Magdalena

Horstmar / Westfalen

Sievering, Bernhardine

Martha

Mellen-Balve

Vedder, Maria

Kunigundis

V ERZEICHNIS DER DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 661

Simon, ?

Benz, ?

Sandt, ?

Hermanna

Ignatia

Johanna

Müller, ?

Müller, ?

Godoleva

Lotharia

Geiger, ?

Fridolina

Lehmann, ?

Rotnner, ?

Ernesta

Möhring, ?

Hafner, ?

Dona

Katharina

Stoll, ?

Columba

Josepha

Schmidt, ?

Kaftner, ?

Fettig, ?

Aloysia

Bonaventura

Knörr, ?

Adelina

Bernardina

Geburtsname

Schwesternname

Unterweschneg / Baden

Obernburg / Unterfranken

Whyl / Baden

Sötrich / Lothringen

Offenburg / Baden

Jezighofen / Hohenz.

Ethingen / Würtemberg

Maltsch / Baden

Engen / Baden

Meßkirch / Baden

Wittlekosen (?) / Baden

Maltsch / Baden

Altschweier / Baden

Steinmauern / Baden

Rastatt / Baden

Herkunftsort

Alter bei Ankunft

Tab. 10: Franziskaner Missionsschwestern im Dienst der Kapuziner Mission

1913-mind.1914

1909-mind.1914

Aufenthaltszeitraum

Karolinen / Palau (Korror, Melegrok)

Karolinen / Ponape

Karolinen / Palau

Karolinen / Ponape

Karolinen / Ponape

Karolinen / Palau (Korror)

Karolinen / Yap

Karolinen / Ponape, Yap

Karolinen / Ponape

Karolinen / Palau (Melegrok)

Karolinen / Palau (Korror)

Karolinen / Ponape

1909-?

1906-?

1909-?

1913-mind.1914

1913-mind. 1914

1911-?

1909-?

1906-mind. 1914

1911-?

1911-?

1913-mind.1914

1906-mind. 1914

Karolinen / Ponape, Palau (Korror) 1906-mind.1914

Karolinen / Palau (Korror)

Karolinen / Palau (Melgrok), Yap

Wohn- / Einsatzort(e)

662

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Paulus, ?

Krauth, ?

Götz, ?

Nathalia

Paula

Theresia

Neusatz / Baden

Neusatz / Baden

Hülzenweiler / Rheinland

Karolinen / Ponape, Yap

Karolinen / Palau (Melegrok)

Karolinen / Ponape

1906-?

1913-mind.1914

1909-?

V ERZEICHNIS DER DEUTSCHEN

FRAUEN , DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 663

Schedel, Elisabeth

Thull, Barbara

Gruber, Dominique Wendeline

Vinke, Maria

Monning, Elisabeth

Reinstadler, Anna

Kern, Sophie

Schaal, Madeleine

Gerard, Lucie

Sattelberg, Agnes

Didelot, Catharina

Mässner, Franziska

Boniface

Claver

Crescentia

Felicitas

Henri

Ignace

Isabelle

Mathias

Lidwina

Ludovica

Wolterkessen, Maria

Anastasia

Bernardin

Jaspers, Helene

Adalberta

Aloysia

Geburtsname

Schwesternname

Oberkirch / Baden

Biberkirch / Elsass

Lindow-Mark / Westfalen

Trois-Fontaines / Lothringen

Schwindratzheim / Straßburg

Mühlenbach / Wolfach (Baden)

Endsorf / Diözese Trier

Vechta

Werthe / Hannover

Obernburg / Bayern

Klüssarath

Bernburg / Hannover

Munnigbüren / Hannover

Kreyenburg / Hannover

Herkunftsort

26

28

24

26

25

30

24

22

25

33

31

20

25

26

Alter bei Ankunft

Tab. 11: Missionsschwestern der Gesellschaft Mariens („Maristenmission“)

DNG / Bougainville

DNG / Bougainville

DNG / Bougainville

Samoa

DNG / Bougainville

Samoa

Samoa

DNG / Bougainville

Samoa

DNG / Bougainville

Samoa

Samoa

Samoa

DNG / Bougainville

Wohn- / Einsatzort

1912-1963 (gestorben)

1913-1963 (gestorben)

1908-1941 (gestorben)

1913- ?

1899-1959 (gestorben)

1910-1915 (gestorben)

1903(?)-1935 (gestorben)

1914-?

1905-1939 (gestorben)

1903-?

1914-1954 (gestorben)

1904-?

1909-?

1914-1971 (gestorben)

Aufenthaltszeitraum

664

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Wolterkessen, Caroline

Engels, Louise Maria

Schutt, Gesine

Paula

Philomene

Ursula

Lathen / Aschendorf

Schiltigheim / Elsass

Munnigbüren / Hannover

25

18

23

DNG / Bougainville

Samoa

Samoa

1910-1924

1895- ?

1905-1939 (gestorben)

V ERZEICHNIS DER DEUTSCHEN

FRAUEN , DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 665

1891-1934 (gestorben)

1911-1913 1909-1913

DNG / Stephansort

DNG / FWH, Stephansort, Rabaul, Palaupai

DNG / Rabaul

DNG / Stephansort

DNG / Herbertshöhe

Samoa / Apia

DNG / FWH, Rabaul

Samoa / Apia

DNG / FWH

DNG / FWH

DNG / FWH

Hafenreffer, Lina

Hertzer, Auguste

Hoffmann, Kunigunde

Hollenberg, Irmgard

Hunziker, Gertrud

Jeuchner, Berta

Jucknat, Johanna

Kaminsky, Emma

Knigge, Mathilde

Kubanke, Emma

Lange, Margarete

vor Ankunft in Kolonie verwitwet

1898-1899 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

Samoa / Apia

Haeger, Martha

1906-1909

1903-1906

1892-1894

1892-1894 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

1912-mind. März 1914

1906-1909

1899-?

1913-1914

1906-?

1913-1920

DNG / FWH

Samoa / Apia

1913-1921

1909-1912

Aufenthaltszeitraum

Domscheit, Augustine

Class, Anna

Sonstiges

Doetsch, Adele

Samoa / Apia

DNG / Kaewieng

Bunnemann, Minna

Wohn- / Einsatzort(e)

Name

Tab. 12: Krankenschwestern des Deutschen Frauenvereins vom Roten Kreuz für die Kolonien

666

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

DNG/ Stephansort, FWH

DNG / Rabaul

Meyer, Anna

Müller, Ida

DNG / Stephansort

Samoa / Apia

Samoa / Apia

DNG / Rabaul

DNG / Stephansort

Samoa / Apia

DNG / Rabaul

Samoa / Apia

DNG / Herbertshöhe

Schröder, Olga

Schuster, Mathilde

Schwieder, Margot

Seegebarth, Luise

Stein, Anna

Sudikatis, Hedwig

Voll, Helene

Wagner, Therese

heiratet in Kolonie

heiratet in Kolonie (1909, Hospital-Assistent Klebert)

1904-1907; 1907-1910

1906-1909

1911-1915(?)

1903-1906; 1910-?

DIE SICH IN DEN

1899-?

1912-1915

1904-1906(?)

1909-1912

1891-?

1913-?

um 1908

1912-1915

1909-1910

1914-?

1893-?

1911-?

FRAUEN ,

Saul, Hedwig

Samoa / Apia

DNG / FWH

Ruhnke, Edith

heiratet in Kolonie (Dr. Hoffmann)

heiratet in Kolonie

1911-1915

1913-1914

1903-1906

DEUTSCHEN

Raimann, Anna

DNG / FWH

DNG / Rabaul

Lux, Johanna

Samoa / Apia

Marshall-Inseln / Jaluit

Loleit, Luise

Ohlsen, Minna

DNG / Herbertshöhe

Lehfeld, Charlotte

Ninnehuch, Martha

Samoa / Apia

Langenbeck, Else

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 667

Samoa / Apia DNG / Herbertshöhe

Bock von Wülfingen, Elsa

Boedecker, Marie

Verden

DNG / Kaewieng

Bisetzky (geb. Dietsch), Anna Josepha

Samoa

Behrens, Antonie DNG / Eitape, Kieta

DNG

Batze, Amanda Louise

Beyer, Henrietta Wilhelmine

DNG / FWH

Barnewitz, Marie Lotte

Hamburg

Samoa

Baedeker, Margarita

DNG

Arnthal, Gertrud

~23

Samoa

Angenheister, Edith

Berlin

DNG

Andezer, Anna Franziska

Wohn- / Einsatzort(e) DNG / Neumecklenburg

Herkunftsort Alter bei Ankunft

Adelmann, ?

Name

Tab. 13: Weitere deutsche Frauen

Ja

Ja

Ja

Verheiratet?

Mann hat Werkstatt für Ingenieurarbeiten

Mann ist Angestellter der NGK

Mann ist Pflanzer u. Händler

Mann ist Pflanzer

Mann ist Hotelbesitzer

Mann ist Pflanzer

1w

2

Nein

Ja

3

Kinder

Ja

Ja (1914 in der Kolonie)

Ja

Ja (in der Kolonie)

Ja (1918 in der 1m Kolonie verwitwet)

Ja

Ja

Krankenschwester, Nein begleitet medizinischdemographische Expedition des RKA

Mann ist Direktor des Observatoriums

Mann ist stellvertretender Stationsleiter

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

?-1898 (gestorben)

Um 1904

1913(?)-1921

? -1920

Um 1902

1906(?)-1921

?-1920

1913-1914 (an Typhus gestorben)

?-1920

?-1921

Um 1908

Aufenthaltszeitraum

668

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

DNG / FWH

Westerode

Hamburg

Boschat, Friederike, Louise Anne

Brandeis, Antonie

Samoa DNG / Rabaul Samoa DNG / Herbertshöhe, Stephansort DNG / Rabaul DNG / Witu

Dietsch, Laura / Lore

Dietzsch, Luisa

Dommes, Marion

Dornfeld, Johanna Klara

Drews, Anna Wilhelmina

1914 verlobt mit Ernst Schlegel

Ja

Nein

Nein

Ja

Mann ist Angestellter der NGK

Mann ist Pflanzer

Mann ist Angestellter der NGK

Ja

Ja

Ja

Nein

1

Nein

1906(?)-1921

1913-1921

?-1908(?)

?-1920

1913-?

?-1920

1895-1920

1902-1920

?-1914

Um 1909-mind. 1913

1898-1906

?-1900 (gestorben)

1899-1913

1910-1923

DIE SICH IN DEN

Mann ist Plantagenmanager Ja

Mann ist landwirtsch. Sachverständiger

Mann ist Wegebauaufseher Ja (1909 in der Kolonie)

Mind. 2

3

FRAUEN ,

Demandt, Meta

Samoa Samoa

Dahms, Marie

DNG / Kaewieng

Brucker, Margarete

Ja

Ja (1913 verwitwet)

Ja (vor Ankunft)

Mann ist Landeshauptmann Ja (vor Ausreise)

Mann ist Angestellter der NGK

Mann ist Stationsleiter / Bezirksamtsmann

Mann ist Pflanzer / Sägewerk

DEUTSCHEN

Dahms, Irmgard

Samoa

Brenner (geb. Spatz), Martha

Jaluit, Nauru

DNG / Herbertshöhe

Boluminski (geb. Rodatz), Frida

~30

DNG / Lassul

Bolten (geb. Schmidt), Oberhausen Amalie

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 669

DNG / Finschhafen Samoa Samoa

Graf (geb. Hauschke), Louise

Grevel, Paula

DNG / Rabaul

Genthen, ?

Goetz, Emma

DNG / Stephansort

Geisler, Johanna Maria

DNG / bei Namatanai

DNG / Stephansort

Geisler, Grete

Goedeckmeyer, Helene

DNG / Nusa, Kaewieng

Frings (geb. Thiel), Charlotte

Samoa

DNG / Herbertshöhe

Faulenbach, Lina

Gobel, Hedwig

Samoa

Ettling, Charlotte

Eiffel

DNG / Rabaul

Engelbrecht, Marie

Wohn- / Einsatzort(e) Samoa

Herkunftsort Alter bei Ankunft

Düsterdick (geb. Fabrisius), Marie

Name

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Verheiratet?

Mann ist Landwirt

Betreibt mit ihrem Mann eine Kantine

Mann ist Pflanzer

Mann ist Pflanzer

Mann ist Geschäftsführer des Norddeutschen Lloyd

Mann ist Leiter der NGK

Löst 1908 Verlobung auf

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja

Ja (später Scheidung)

Hilft ihrem Onkel im Nein Haushalt (Onkel: Leiter der NGK)

Mann ist Vorsteher der DHPG Mioko

Mann ist Heilgehilfe

Mann ist Pflanzer

Mann ist Vorstand der Filiale Rabaul des Norddeutschen Lloyd

Mann ist Pflanzer

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

1w

2

1w

Kinder

Um 1908

Um 1909(?)-1920

1886-?

1913-1921

?-1920

Um 1914

1910

1912-1914

Um 1906

?-1915

Um 1905

1912-1914

Um 1902

Aufenthaltszeitraum

670

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

DNG / Herbertshöhe

Samoa

Janke, Theresia

Keil (geb. Hense), Elise Rotehütte

Samoa / Apia

Mann ist Pflanzer, nach seinem Tod will Witwe Betrieb weiterführen

Beamtin (Lehrerin), Mann ist Richter

Ja

Ja (in Kolonie verwitwet)

Ja (in Kolonie)

4

Nein

2

2

1 w, 1 m

2

?-1920

?-1909 (gestorben)

Um 1906

1906-1909

?-1920

?-1913

Um 1911

1914-1921

1914-1921

Um 1911

Um 1911

DIE SICH IN DEN

Mann ist Plantagenaufseher Ja

Samoa

Steglitz bei Berlin 25

Imhoff (geb. v. Woedtke), Frieda

Ja (will sich 1911 scheiden lassen)

Ja (vor Ankunft)

Ja

Hummel, Hedwig

Mann ist Pflanzer, bewirtschaften nach Kriegsausbruch kurzfristig gemeinsam Hotel in Kaewieng

Mann ist Pflanzer

DNG / Herbertshöhe, Toma Mann verwaltet Hotel Ja „Deutscher Hof“, dann betreibt er Erholungsstation Toma

Hoffmann, Erna

nein

Ja (1911 in der Kolonie)

Horstmann, Milla

DNG / Manus, Kaewieng

Hoff, Else

Anhängerin des Sonnenordens bis 1911, dann Kindermädchen bei Familie Hahl

Mann ist Angestellter der NGK

?-1920

FRAUEN ,

DNG / Matakabang

DNG / Neumecklenburg

Henning, ?

Ja

Mann ist Plantagenmanager Ja

Mann ist Ingenieur u. Pflanzer

DEUTSCHEN

Höpfel, Anna

DNG / Kabakon, Rabaul

Heine (geb. Lang), Margarete

~24

Samoa DNG, FWH

Hagerdorn, Maria

Samoa

Haeben, Augusta

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 671

Langen, Johanna Samoa

DNG / Rabaul

Bamberg Kuhn (geb. Kiesling), Margarte („Gretel“) Katharina

22

DNG

Kriebel, Edith Elisabeth

Mann ist Pflanzer

Mann ist Geschäftsführer der NGK

Mann ist Angestellter der NGK

Mann ist Angestellter bei NGK

Mann ist Arzt

Begleitet ihren Mann auf Forschungsreise

Ja

Ja (in der Heimat)

Ja (1914 in der Kolonie)

Ja (ca. 1912 in der Kolonie)

Ja ( in der Kolonie)

Ja

Ja

DNG / Bismarck-Archipel, Forschungsreisen mit ihrem Ja (in der Heimat) Karolinen, Palau Mann und anderen Expeditionsmitgliedern

ca. 32-36

DNG (Reise)

Koch (geb. Freiberg), Hedwig

Mann ist Anwalt

Mann ist Plantagenaufseher Ja

Krämer-Bannow (geb. Bannow), Elisabeth

Samoa

Klinkmüller, Else

Ja

Ja

DNG

Samoa

Klein, Gertrude

Mann ist Storemanager

Betreibt Schankwirtschaft

Krafft (geb. Heuer), Iden / Kreis Osterburg Anna Frederika

Samoa

Klehn, Marie

Ja

Ja

Ja (1913 in der Kolonie)

Verheiratet?

DNG / Rabaul

Samoa

Kionka, Selma

Mann ist Steuermann

Mann ist Pflanzer

Mann ist Regierungsarzt

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

Kopp (geb. Kurtz), Hildegard

Jaluit

Keßler, Clara

~27

Samoa

Wohn- / Einsatzort(e)

Kesse, Elsa

Alter bei Ankunft DNG / Rabaul

Herkunftsort

Karsten (geb. HassMerckel), Carla

Name

Ja

2 w, 1 m

4

nein

1w

Nein

1

Kinder

?-1920

1914-1921

?-1921

1906; 1908/1909; 1909/1910

?-1921

1899-1900 (Rückkehr aus gesundheitlichen Gründen)

?-1920

?-1920

?-1920

?-1920

?-1890 (ertrunken)

?-1920

?-1915

Aufenthaltszeitraum

672

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Samoa / Apia

Matthiessen, Elisabeth

Lüneburg

Aletshausen / Bayern 23

Ortloff, Martha

Pfister, Angela

Quellenberg, Elfriede

DNG (Reise)

Kopenhagen, dann Berlin

Nolde (geb. Vilstrup), Ada

DNG / FWH

Samoa / Apia

DNG / Bismarck-Archipel

DNG / Herbertshöhe

Müller (-Knabe), Emmy

Beamtin (Regierungslehrerin)

Mann ist Pflanzer u. Händler

Schauspielerin, begleitet ihren Mann (er ist Maler)

Mann ist Pflanzer, nach seinem Tod leitet sie den Betrieb

Lehrerin

Nein

Nein

Ja (seit 1909)

Ja (in der Heimat)

Ja (in der Kolonie verwitwet)

Nein

Ja (1914 in der Kolonie)

Nein

2

Nein

Nein

Nein

Ja

Nein

Ja

Mind. 1 m

1m

1912-?

1908-1910

Um 1909

1913/1914

2. Aufenthalt: ca. 1910-1913

1910-1913

Um 1914

1908-1909

?-1914

1910-1912

?-1920

Um 1911

Um 1914

DIE SICH IN DEN

~26(?)

DNG / Namanula

Medenwaldt, E.

~34

DNG / Rabaul

Nein (verlobt sich in der Kolonie)

Ja (1914 in der Kolonie)

Nein

Ja

Ja (seit 1911)

Ja

FRAUEN ,

Maute (geb. Bosch), Frida

Beamtin (Stenographin beim Gouvernement)

Mann ist Assessor u. Polizeiinspektor

Beamtin (Stenographin beim Gouvernement)

Mann ist Pflanzer

Mann ist Regierungsarzt

DEUTSCHEN

Deutsch-Wilmersdorf 28

DNG

Samoa / Apia

Mars, Meta

Mässenhausen (geb. Berlin Römlinger), Magdalena

Samoa

Luz, Ida

29

DNG / Stephansort

Lindenberg (geb. Luz), Hanna

BerlinCharlottenburg

DNG / FWH

Liesegang (geb. Walther), Elisabeth

V ERZEICHNIS DER S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 673

29

DNG / Kaewieng

Samoa / Apia

Solf (geb. Dotti), Johanna

Stübel, Ada

DNG / Kabakon

Schwab, Anna

Berlin

Samoa

Schwab (geb. Graf), Adelheid

Samoa / Apia

Samoa

Schmidt, Maria

Hamburg

Samoa

Schmidt, Agnes

Schultze, Ludovika Jüterbog

DNG / Finschhafen

Samoa / Apia

Schleinitz, Margot

Karolinen / Truk

Schefezyck, Grete

Dresden

Scharlauk, ?

DNG

Römlinger, Magdalena

Berlin

Samoa, DNG, Salomonen

Wohn- / Einsatzort(e)

Rechinger, Lily

Alter bei Ankunft Samoa

Herkunftsort

Rathke (geb. Goebel), Marie

Name Ja (1909 in der Kolonie)

Verheiratet?

ja

1914 verlobt (in der Kolonie)

Nein

Ja (in der Kolonie)

Ja

Mann ist Bezirksamtmann

Gouverneursfrau

Anhängerin des Sonnenordens

Ja

Ja (1908 in der Heimat)

Verlobt mit August Bethmann

Mann ist Plantagenmanager Ja

Kindergärtnerin, ab 1903 Lehrerin (Beamtin)

Mann ist Storeassistent

Mann ist Landeshauptmann Ja (in der Heimat)

wahrscheinlich Kinderfräulein bei Frieda Zieschank

Ehemann ist Stationsleiter

gewerbelos

Botanische Forschungsreise Ja (in der Heimat) mit ihrem Mann

Mann ist Pflanzungsbesitzer

Tätigkeit / Tätigkeit des Ehemanns

1w

1w

Ja

Nein

Ja

2 w, 2 m

Kinder

Um 1910

1908-1910

Ca. 1908 (Rückkehr nach Tod des Verlobten)

?-1920

1894; 1896-1898; 1903-?

Um 1902

?-1920

1886-1887 (an Malaria gestorben)

1913(?)-1920

um 1910

Um 1914

1905

Um 1909

Aufenthaltszeitraum

674

| D EUTSCHE FRAUEN IN DEN SÜDSEE-KOLONIEN DES KAISERREICHS

Samoa / Apia

DNG / FWH

Zech, Anna von Mann ist Arzt, später auch Pflanzungsbesitzer

Mann ist Verwaltungsbeamter

Mann ist Pflanzungsbesitzer u. Händler

Mann ist Stationsleiter, ab 1913 Bezirksamtmann

Ja (in der Heimat)

Ja (in der Heimat)

Ja

Ja (heiratet Witwer)

Mann ist Sanitätsgehilfe, ab Ja 1904 Stationsleiter

Ja

Ja

Ja

1 w, 1 m

1w

1 w, 1 m

1

1w

1906-1908; 1909-1916

?-1892

Vor 1906

?-1914

?-1906 (gestorben)

?-1902 (ermordet)

?-1915

Vor 1910

FRAUEN ,

Zieschank, Frieda

Samoa

Wulf (geb. Haber), Elisabeth

Oberrad bei Frankfurt

DNG / Namatanai

DNG / Herbertshöhe, Namatanai

Mann ist Pflanzer

Mann ist Regierungsarzt, sie ist Vorsitzende des Frauenbundes Rabaul

leitet landwirtschaftlichen Betrieb nach Heimkehr ihres Mannes

DEUTSCHEN

Wostrack, Martha

Fredersdorf

DNG / bei Herbertshöhe

Wolff (geb. Krebs), Berlin Hedwig

Wostrack (geb. Prinz), Wilhelmine

DNG / Rabaul

Wick, Gertrud

~24

Samoa

Tyska, ? von

V ERZEICHNIS DER DIE SICH IN DEN

S ÜDSEE-K OLONIEN AUFHIELTEN

| 675

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1-

3) ANZ2836.p 375645670980

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Peter Stachel, Martina Thomsen (Hg.) Zwischen Exotik und Vertrautem Zum Tourismus in der Habsburgermonarchie und ihren Nachfolgestaaten

November 2014, ca. 430 Seiten, kart., ca. 35,99 €, ISBN 978-3-8376-2645-2

November 2014, ca. 280 Seiten, kart., ca. 38,99 €, ISBN 978-3-8376-2097-9

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2014-08-28 15-01-26 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 03c7375645670972|(S.

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3) ANZ2836.p 375645670980