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Sonja Hillerich Deutsche Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert
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Pariser Historische Studien Herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris
Band 110
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Sonja Hillerich
Deutsche Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert Die Entstehung einer transnationalen journalistischen Berufskultur
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Pariser Historische Studien Herausgeber: Prof. Dr. Thomas Maissen Redaktionsleitung: Dr. Stefan Martens Redaktion: Veronika Vollmer Anschrift: Deutsches Historisches Institut (Institut historique allemand) Hôtel Duret-de-Chevry, 8, rue du Parc-Royal, F-75003 Paris
Zugl. überarb. Fassung von: Duisburg-Essen, Univ., Fakultät f. Geisteswissenschaften, Diss., 2016 u. d. Titel: »Journalismus transnational: deutsche Auslandskorrespondenten in London, Paris und Wien (1848–1914)«, einger. v. Sonja Hillerich aus Groß-Umstadt, Gutachter: Prof. Dr. Ute Schneider, Prof. Dr. Frank Becker. Disputation am 29.7.2016
Library of Congress Control Number: 2018934300 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen Lektorat: Cordula Hubert, Olching Umschlagabbildung: M. Perlmutter, Die Loge der Journal-Berichterstatter auf der Galerie des Sitzungssaales im österreichischen Abgeordnetenhause, in: Österreichische Illustrirte Zeitung, 11.12.1893, S. 12. Foto: Universitätsbibliothek Wien, III-155273 Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com ISBN 978-3-11-057932-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-058197-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-057951-2 ISSN 0479-5997
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Inhalt Dank
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Einleitung
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Forschungslage und Problem Methode und Zuschnitt . . . Begriffe und Periodisierung . Aufbau . . . . . . . . . . . . Quellenlage . . . . . . . . . .
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten: Wahrnehmungen und Identität 1. 2.
3.
4.
Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent« . . . . . Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur . . . . . . 2.1 Redakteure und andere Journalisten: eine Klassengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zur Relevanz der Korrespondenten . . . . . . . . . Korrespondentenvereine: Kristallisation der beruflichen Kultur und Formierung der Zunft . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Journalistenvereine im 19. Jahrhundert . . . . . . . 3.2 Paris: Association syndicale de la presse étrangère . 3.3 Wien: Verband der auswärtigen Presse . . . . . . . 3.4 London: Foreign Press Association . . . . . . . . . 3.5 Berlin: Verein der ausländischen Presse . . . . . . . Konzeptionelle Einbettung: informelle Professionalisierung versus berufliche Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
II. Rahmungen: politische Kulturen, Kommunikationspolitik und auswärtige Pressepolitik 1.
2.
Diplomatie und Pressepolitik (1848–1914) . . . . . . 1.1 Österreichs auswärtige Pressepolitik . . . . . . 1.2 Das Foreign Office und die auswärtige Presse . 1.3 Die französische auswärtige Pressepolitik . . . 1.4 Fegefeuer im Paradies: der Panama-Skandal und die Auslandskorrespondenten in Paris . . 1.5 Die Beziehungen der deutschen Diplomatie zu Auslandskorrespondenten . . . . . . . . . . Parlament und Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Paris: Journalisten in der Assemblée nationale
11 16 19 31 34 39 39 47 48 52 57 59 64 67 76 83 90 101
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156 191 192
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Inhalt
2.2 2.3
Wien: Journalisten im österreichischen Reichsrat . . London: Journalisten in den Houses of Parliament .
III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur 1.
2.
202 208 215
Die Formierung der Zunft (1848–1870er Jahre) . . . . . . 1.1 Vom Exilanten zum Auslandskorrespondenten in London . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 »Auch wissen diese Leute nichts« – Wiener Korrespondenten im Staatsdienst . . . . . . 1.3 Berichten aus der »Hauptstadt der Kultur« – Korrespondenten in Paris . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Journalistische Arbeits- und Recherchepraxis . . . . Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung (1870er Jahre bis 1914) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 »Von unserem Korrespondenten«: Festanstellung statt freier Mitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Journalistische Leuchttürme: Auslandskorrespondenten als Chefredakteure in spe 2.3 Mobile Berufskorrespondenten . . . . . . . . . . . Frauen in Männerberufen: »eine schöne junge Dame 2.4 [. . . ] mit allen Attributen eines Berichterstatters« . . 2.5 Journalistische Arbeits- und Recherchepraxis . . . .
216 220 234 248 259 275 281 291 306 310 319
Fazit und Ausblick
347
Abkürzungen
357
Quellen- und Literaturverzeichnis
359
Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . Zeitungen und zeitgenössische Fachzeitschriften Lexika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . .
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten
393
Register
403
Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitungen, Agenturen und Vereine . . . . . . . . . . . . . . . . .
403 408
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Dank Diese Arbeit ist undenkbar ohne die vielfältige Unterstützung, die ich von verschiedensten Seiten erfahren habe und für die ich an dieser Stelle herzlich danken möchte: Meiner Doktormutter Ute Schneider danke ich für die ausgezeichnete Betreuung und ihre unerschütterliche Zuversicht. Schon während meines Studiums hat der intensive fachliche und persönliche Austausch mit ihr meine Fragen an und Perspektiven auf die Geschichte geprägt. Lange vor mir selbst hat sie daran geglaubt, dass ich dieses Projekt bewältigen kann, ohne ihre Ermutigung hätte ich es wahrscheinlich gar nicht erst begonnen. Sie hatte immer ein offenes Ohr für fachliche und andere Sorgen und war stets bereit, ein Gutachten oder eine Empfehlung zu schreiben. In ungezählten Gesprächen hat sie meiner Promotion wertvolle Impulse gegeben und die Entstehung dieser Arbeit mit persönlichem Interesse und Engagement begleitet, mir aber gleichzeitig immer genug Freiraum gelassen, um meinen eigenen Weg zu finden. Für all das bin ich ihr zutiefst verbunden. Zum Schreiben braucht man Zeit und einen freien Kopf. Dass ich beides hatte, verdanke ich vor allem der großzügigen Unterstützung durch die FAZITStiftung, die mir zweieinhalb Jahre lang ein Stipendium gewährte. Mein Dank gilt auch dem Leibniz-Institut für europäische Geschichte in Mainz, dessen Stipendium genau zur rechten Zeit kam. Es ermöglichte mir in einer kritischen Phase das Weiterarbeiten und brachte mich mit großartigen Menschen in Kontakt – meine Arbeit und ich haben davon sehr profitiert. Die MaxWeber-Stiftung ermöglichte mir durch Feldman-Reisebeihilfen die wichtigen Forschungsaufenthalte in London und Paris, die Schillerstiftung unterstützte mit einem Marbach-Stipendium die Recherchen im Deutschen Literaturarchiv. Danken möchte ich auch Frank Becker für die Übernahme des Zweitgutachtens und sein wohlwollendes Interesse an meiner Arbeit. Auch die herzliche Aufnahme am Essener Historischen Institut hat den Start in dieses große Projekt sehr erleichtert. Unter den früheren Kolleginnen und Kollegen ist besonders Hanna Sonkajärvi zu nennen, der ich für ihre Gastfreundschaft und die konstruktiven fachlichen Diskussionen danke. Mit unzähligen Gesprächen über die Freuden und Leiden angehender Wissenschaftler, mit Rat und Tat und vor allem mit ihrer Freundschaft hat Leonie Treber die Entstehung dieser Arbeit begleitet und bereichert, wofür ich ihr von Herzen danke. Auch Korinna Schönhärl möchte ich besonders danken, weil sie mit konstruktiver Kritik und anregenden Diskussionen meine Forschung begleitet hat, vor allem aber, weil sie mir mit ihrer Gastfreundschaft und vielen guten Gesprächen am Küchentisch ein Stück Zuhause gegeben hat. Ohne die Hilfsbereitschaft und Kompetenz der Archivarinnen und Archivare in den zahlreichen Stationen meiner Forschungsreise wären viele meiner Fragen https://doi.org/10.1515/9783110581973-001
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Dank
unbeantwortet geblieben. Stellvertretend möchte ich dem Lesesaal-Team im Deutschen Literaturarchiv in Marbach danken, das meine ersten Stolpereien durch die Kurrentschrift geduldig aufgefangen hat. Besonderer Dank gebührt Martin Kröger aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, der meine Recherchen so engagiert wie unbürokratisch unterstützt hat, mir bei einer spontanen Hausführung sogar die heiligen Hallen des Magazins öffnete und mich mit der Leidenschaft für seinen Beruf nachhaltig beeindruckte. Mein herzlicher Dank gilt auch Holger Köhn, der das Manuskript sorgfältig und fachkundig Korrektur gelesen hat, so dass ich es mit einem guten Gefühl einreichen konnte. Für die Aufnahme meiner Dissertation in seine Schriftenreihe Pariser Historische Studien danke ich dem Deutschen Historischen Institut Paris, besonders Veronika Vollmer, die die Drucklegung kompetent, gründlich und immer freundlich begleitet und die letzten Schritte damit erleichtert hat. Mein größter Dank gilt meiner Familie, ohne die ich dieses Buch nicht hätte schreiben können. Meine Eltern haben mir stets ermöglicht, meinen Interessen zu folgen und auch dann an mich geglaubt, wenn ich selbst Zweifel hatte. Für ihre vorbehaltlose Unterstützung bin ich ihnen zutiefst dankbar. Anne und Julia danke ich für ihre unerschütterliche Freundschaft und Zuversicht, die mir eine wichtige Stütze und Erdung waren. Manoli war mein erster Leser, hat geduldig hundert Versionen mit mir besprochen und mir mit seiner Gelassenheit und Beständigkeit die nötige Kraft für diese Arbeit gegeben. Danke, tausendmal! Darmstadt, im Januar 2018
Sonja Hillerich
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Einleitung Die modernen Massenmedien eröffnen das Fenster zur Welt – ein Großteil dessen, was wir über die Gesellschaft wissen, wissen wir aus den Medien1 . Diese prägen die Kenntnisse, Vorstellungen und Diskurse der eigenen Gesellschaft, in Ermangelung direkter Anschauung vor allem aber diejenigen über das Ausland. Gegenwärtig erreichen uns Informationen vor allem durch Rundfunk und Internet, im 19. Jahrhundert, dem »Zeitalter der konkurrenzlosen Dominanz der Presse«, beeinflussten in erster Linie Zeitungen und Zeitschriften das Bild der Zeitgenossen von der Welt2 . Die Frage, wer hinter den veröffentlichten Informationen steht, drängt sich heute geradezu auf angesichts der zunehmenden Verwendung von Amateurbildern und -videos zweifelhafter Provenienz, die das »(visuelle) Informationsmonopol des Journalismus« angreifen3 . Doch die gleiche Frage stellt sich auch in Bezug auf das 19. Jahrhundert, zu dessen Ende hin die Presse unbestritten im Rang eines politischen Akteurs stand. Theodor Wolff, früherer Paris-Korrespondent und Chefredakteur des »Berliner Tageblatts«, verpackte die Frage nach den Machern der öffentlichen Meinung in ein Bild: »Gewiss, der Wind trägt den Blumensamen weit und immer weiter über das Tal. Aber wer macht den Wind?«4 Während Historikerinnen und Historiker Zeitungen als vielseitige und durch das Voranschreiten von Digitalisierungsprojekten in jüngerer Zeit immer leichter zugängliche Quellen schätzen, die Einblicke in Kultur, Diskurse und Mentalitäten vergangener Gesellschaften bieten, nimmt das Interesse an den Akteuren, die dahinter stehen, erst seit kurzer Zeit zu. Der Journalist als Produzent der Zeitung verschwindet hinter der Druckerschwärze. Das gilt in besonderem Maße für den Auslandskorrespondenten, dessen Name nur in seltenen Ausnahmefällen den Weg in die Zeitung fand. Innerhalb des wohlverzeichneten Terrains der Pressegeschichte bildet er eine »species incognita«5 . Bernhard Guttmann, Korrespondent der »Frankfurter Zeitung«, hatte ganz recht mit seiner Vermutung, dass »die Leute, die später die historischen Bücher über unsere Epoche schreiben, wahrscheinlich viel weniger von dem Journalisten 1 2
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In Anlehnung an Niklas L, Die Realität der Massenmedien, Opladen 2 1996, S. 9. Jürgen O, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 64. Requate bezeichnet sie als »Leitmedium des 19. Jahrhunderts«: Jörg R, Einleitung, in: D. (Hg.), Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft, München 2009, S. 7–18, hier S. 17. Holger I, Digitale Augenzeugen. Entgrenzung, Funktionswandel und Glaubwürdigkeit im Bildjournalismus, Wiesbaden 2015, S. 12. Theodor Wolff, Notes sur l’histoire de la presse, S. 10, BArch, NL T. Wolff, N 1207/26. Oliver H, Julia L, Roland S, Überblick über den Band, in: D. (Hg.), Deutsche Auslandskorrespondenten. Ein Handbuch, Konstanz 2008, S. 11–15, hier S. 11. Das Zitat bezieht sich zwar auf den gegenwärtigen Auslandskorrespondenten, trifft jedoch ebenso auf den des 19. Jahrhunderts zu.
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Einleitung
wissen werden als von etlichen bedeutenden Parlamentariern«6 . Dabei kommt dem Auslandskorrespondenten als »Gatekeeper« und Vermittler grenzüberschreitenden Wissens eine wichtige Funktion in der Genese der veröffentlichten Meinung zu7 . Eine umfassende akteursbezogene geschichtswissenschaftliche Untersuchung deutscher Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert fehlt bislang8 . Daher fragt diese Arbeit in erster Linie danach, wer den Wind machte: Wer waren die Journalisten, die mit ihrer Berichterstattung das Wissen über das Ausland in die deutschen Zeitungen brachten? Unter welchen Bedingungen arbeiteten sie, an welchen Standards orientierten sie sich, von welcher beruflichen Kultur, von welchen Werten und Motivationen ließen sie sich leiten? Durch die Untersuchung von Arbeitsbedingungen, Handlungsoptionen und Selbstverständnis deutscher Auslandskorrespondenten leistet die vorliegende Arbeit zunächst einen Beitrag zur kritischen Einordnung der Auslandsberichterstattung als historische Quelle. Zugleich trägt sie zur weiteren Auslotung des Verhältnisses von Außenpolitik bzw. Diplomatie und Presse bei, indem sie mit den Auslandskorrespondenten Akteure fokussiert, die nicht nur in der Zeitungsberichterstattung eine zunehmend wichtige Rolle einnahmen, sondern denen auch immer häufiger eine politische Bedeutung zugeschrieben wurde. Es wird also auch danach gefragt, wie die Beziehungen zwischen Auslandskor6 7
8
Bernhard G, Etwas vom Journalismus, in: FZ, 20.5.1923, dokumentiert in IfZF, NL Guttmann, Belege FZ 2 (1922–1936), II AK 89/4–2. Der Begriff »Gatekeeper« rückt die Selektionsaufgabe des Journalisten in den Vordergrund, der aus der Masse potentieller Nachrichten diejenigen auswählt, die in den Medien verbreitet werden. Er kommt aus der Kommunikationswissenschaft, wird aber auch von Historikern benutzt. Joachim Friedrich S, Entwicklungen der Nachrichtenwert-Theorie. Theoretische Konzepte und empirische Überprüfungen, in: Irene N, Elke G, Monika P (Hg.), Grundlagentexte zur Journalistik, Konstanz 2002, S. 608–619, hier S. 613; Lutz M, »Journalisten der Finsternis«. Akteure, Strukturen und Potenziale deutscher Afrika-Berichterstattung, Köln 2009, S. 65–71; Michael K, Astrid Z, Publizistik. Ein Studienhandbuch, Stuttgart 2 2008, S. 241–245; Wolfgang D, Journalismus und journalistisches Berufsverständnis, in: Jürgen W (Hg.), Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1999, S. 489–517, hier S. 508; Winfried S, Art. »Nachricht«, in: Elisabeth N-N, Winfried S, Jürgen W (Hg.), Fischer-Lexikon Publizistik, Massenkommunikation, Frankfurt a. M. 3 2004, S. 328–362, hier S. 353; Jörg R, Der Journalist, in: Ute F, Heinz-Gerhard H (Hg.), Der Mensch des 20. Jahrhunderts, Frankfurt a. M. 1999, S. 138–162, hier S. 139; Jürgen W, Korrespondenten und geschriebene Zeitungen, in: Johannes A, Esther-Beate K (Hg.), Das Mediensystem im Alten Reich der Frühen Neuzeit (1600–1750), Göttingen 2010, S. 59–72, hier S. 71f. Das Desiderat benennen Erik K, Thomas B, Journalismus, Medien und Öffentlichkeit als Beruf. Entfesselung, Formierung, Professionalisierung des medialen Berufsfeldes, in: D. (Hg.), Journalismus, Medien und Öffentlichkeit als Beruf (I), Medien & Zeit 29 (2014) 4, S. 2–4; Volker B, Medien, Transnationalität und Globalisierung 1830–1960. Neuerscheinungen und Desiderata, in: Archiv für Sozialgeschichte 51 (2011), S. 717–736, hier S. 735; Frank B, Zwischen Populärkultur und Politik. Britische und deutsche Printmedien im 19. Jahrhundert, in: Archiv für Sozialgeschichte 45 (2005), S. 549–584, hier 569f., 584.
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Forschungslage und Problem
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respondenten und Politikern bzw. Diplomaten gestaltet wurden – wobei der Fokus auf den Korrespondenten liegt. Welches Interesse brachte die Politik ihnen entgegen, welche Beeinflussungsversuche und Begegnungsräume gab es und wie positionierten sich die Korrespondenten zwischen Journalismus und Politik?
Forschungslage und Problem Erst seit wenigen Jahren rücken Auslandskorrespondenten als politische Akteure in den Blick der Forschung9 . Der Fokus der deutschsprachigen Forschung liegt auf der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg; besonders Auslandskorrespondenten während des Nationalsozialismus und in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik wurden bereits untersucht, wobei vor allem nach ihrer Rolle als außenpolitische Akteure gefragt wurde10 . Den ersten aktuellen, quellenbasierten Forschungsbeitrag zum 19. Jahrhundert lieferte Dominik Geppert, der in seinen Veröffentlichungen die Verflechtungen des politischen Systems mit der Presse anhand der deutsch-britischen Beziehungen um 1900 auslotete. Er untersuchte in diesem Rahmen auch deutsche London-Korrespondenten und britische Berlin-Korrespondenten, die, so sein Befund, zusammen mit 9
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In Großbritannien und den USA fanden Auslandskorrespondenten schon früher Aufmerksamkeit: Glenn R. W, Art. »Foreign Correspondent«, in: Laurel B, Marysa D (Hg.), Dictionary of Nineteenth Century Journalism in Great Britain and Ireland, Gent, London 2009, S. 224f.; Mark P, War Stories. The Culture of Foreign Correspondents, New York 1995; Giovanna D’O, Giving Meanings to the World. The First US Foreign Correspondents, 1838–1859, Westport/Conn. 2002; John H, Foreign Correspondence. The Great Reporters and Their Times, New York, London 1964. Die französische Forschung berücksichtigte den Auslandskorrespondenten bislang kaum, nur beiläufig dazu Pierre A, Histoire de la presse, Paris 10 2008, S. 59; Marc M, Médias et journalistes de la République, Paris 1997, S. 96. Jürgen W, Inlands- und Auslandskorrespondenten in der Weimarer Republik, in: K, B (Hg.), Journalismus, Medien und Öffentlichkeit, S. 38–50; Karen B, »How dead is Hitler?« Der britische Starreporter Sefton Delmer und die Deutschen, Mainz 2008; Martin H, Auslandskorrespondenten und auswärtige Pressepolitik im Dritten Reich, Köln u. a. 2012; Kristin P, Die französischen Auslandskorrespondenten in Bonn und Bundeskanzler Konrad Adenauer 1949–1963, Bonn 2009, http://hss.ulb. uni-bonn.de/2009/1810/1810.htm (Zugriff am 17.6.2017); Antje R, »Diplomaten in Hemdsärmeln«? Auslandskorrespondenten als Akteure in den deutsch-britischen Beziehungen, 1945–1962, Augsburg 2010; Julia M, Studio Moskau. Westdeutsche Korrespondenten im Kalten Krieg, Paderborn 1 2015; D., Jenseits der Berichterstattung. Die Moskau-Korrespondenten als politische Akteure im Ost-West-Konflikt, in: Norman D, Jörn H (Hg.), Auslandskorrespondenten. Journalismus und Politik, 1900– 1970, Berlin 2014, S. 437–448; Bernhard G, Die Vielfalt des Neuanfangs. Zum Aufbau der Auslandsberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach dem Zweiten Weltkrieg, in: D, H (Hg.), Auslandskorrespondenten, S. 425–436. Norman Domeier arbeitet ebenfalls zu Auslandskorrespondenten im »Dritten Reich«.
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Einleitung
anderen Journalisten von Pressevertretern wie Politikern als maßgebliche politische Akteure wahrgenommen wurden und deren steigender Einfluss auf die diplomatische Praxis als Bedrohung des europäischen Friedens angesehen wurde11 . Zwar rücken bei Geppert die Korrespondenten als Akteure mit in den Blick, sein eigentliches Interesse gilt aber den »mediale[n] Interaktionen zwischen Nationen« als Bestandteil einer Kulturgeschichte der internationalen Politik12 . Robert Radu beschäftigte sich im Rahmen einer Kulturgeschichte des Finanzjournalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch mit der Berufspraxis der journalistischen Akteure13 . Schon mit der Revolution 1848/49 wurde die Kraft der Presse als gesellschaftlicher und politischer Faktor offenbar: Nachdem bereits die Französische Revolution eine Verdichtung der internationalen Nachrichtenverflechtungen bewirkt hatte14 , erwies sich die Berichterstattung in europäischen Zeitungen seit Februar 1848 als Zündschnur, entlang derer sich dieses erste große europäische Medienereignis über weite Teile des Kontinents verbreitete15 . Auf eine weitere Verschiebung des Verhältnisses von Politik und Öffentlichkeit gegen Ende 11
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Bes. Dominik G, Pressekriege. Öffentlichkeit und Diplomatie in den deutschbritischen Beziehungen (1896–1912), München 2007; D., Ambassadors of Democracy. British and German Foreign Correspondents in the Age of High Imperialism, in: Frank B, Dominik G (Hg.), Journalists as Political Actors. Transfers and Interactions Between Britain and Germany Since the Late 19th Century, Augsburg 2008, S. 35–55; Dominik G, »The Foul-Visaged Anti-Christ of Journalism«? The Popular Press Between Warmongering and International Cooperation, in: D., Robert G (Hg.), Wilhelmine Germany and Edwardian Britain. Essays in Cultural Affinity, Oxford 2008, S. 369–389; Dominik G, The Public Challenge to Diplomacy. German and British Ways of Dealing With the Press, 1890–1914, in: Markus M, Torsten R (Hg.), The Diplomats’ World. The Cultural History of Diplomacy, 1815–1914, Oxford 2008, S. 133–165. Fokussiert auf die Beziehungen des Foreign Office zur britischen Presse Andreas R, Der politische Raum Londons und die öffentlichen Beziehungen zwischen England und Deutschland vor 1914, in: Frank B, Peter H (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter. Vom späten 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Göttingen 2013, S. 95–121; Andreas R, Zwischen Empire und Kontinent. Zur Transformation britischer Außen- und Sicherheitspolitik im Vorfeld des Ersten Weltkrieges, München 2011. G, Pressekriege, S. 11. Robert R, Vom »Kuli der Börse« zum Anwalt der Öffentlichkeit? Zur Professionalisierung des Finanzjournalismus in Deutschland 1850–1900, in: K, B (Hg.), Journalismus, Medien und Öffentlichkeit, S. 16–27; Robert R, Auguren des Geldes. Eine Kulturgeschichte des Finanzjournalismus in Deutschland 1850–1914, Göttingen 2017. Rolf R, Probleme des kulturellen Transfers der Französischen Revolution in der deutschen Publizistik 1789–1799, in: Holger B (Hg.), Französische Revolution und deutsche Öffentlichkeit. Wandlungen in Presse und Alltagskultur am Ende des 18. Jahrhunderts, München 1992, S. 91–146. Rolf R, »Das größte Ereignis der Zeit«. Zur medialen Resonanz der Pariser Februarrevolution, in: Friedrich L, Ansgar N (Hg.), Medienereignisse der Moderne, Darmstadt 2008, S. 14–39. Dazu auch Frank B, Europäische Medienereignisse, Mainz 2010, http://www.ieg-ego.eu/de/threads/europaeische-medien/ europaeische-medienereignisse/frank-boesch-europaeische-medienereignisse (Zugriff
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Forschungslage und Problem
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des 19. Jahrhunderts verweist eine ganze Reihe jüngerer Publikationen, die in der Tradition der Kulturgeschichte des Politischen zu sehen sind16 . Frank Bösch etwa konstatiert eine »rasante Medialisierung und Politisierung der Gesellschaft« sowie eine Transformation der politischen Kommunikation17 . Presse und Öffentlichkeit beeinflussten seither in steigendem Maße auch die Außenpolitik, selbst wenn diese noch immer als »das arkane Politikfeld schlechthin«18 angesehen wird – obwohl Karl Otmar von Aretin schon vor fast vierzig Jahren den Berliner Kongress als Scheidelinie zwischen dem »Zeitalter der Diplomatie« und dem »journalistische[n] Zeitalter« ausmachte19 . Während in der älteren Literatur oft einseitig Prozesse staatlicher Einflussnahme auf die Presse untersucht wurden20 , betont die neuere Forschung vor allem die vielgestaltigen Wechselwirkungen zwischen Presse und Öffentlichkeit einerseits und Politik und Diplomatie andererseits21 . Dabei ist mit Peter Hoeres
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am 16.6.2017); Frank B, Patrick S (Hg.), Medialisierte Ereignisse. Performanz, Inszenierung und Medien seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2010. Konzeptionell etwa Thomas M, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 574–606; D., Kulturgeschichte der Politik, Docupedia-Zeitgeschichte 2010, http://docupedia.de/zg/Kulturgeschichte_der_Politik (Zugriff am 17.6.2017); Karl R, Politische Kultur und ihre Analyse. Probleme und Perspektiven der politischen Kulturforschung, in: Historische Zeitschrift 250 (1990), S. 321– 346; Barbara S-R (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen?, Berlin 2005. Speziell mit Bezug auf Medien und Öffentlichkeit Ute D u.a. (Hg.), Politische Kultur und Medienwirklichkeiten in den 1920er Jahren, München 2010; Thomas M, Parlamentarische Kulturen in der Moderne – Brüche und Kontinuitäten, in: Jörg F, Johannes H (Hg.), Parlamentarische Kulturen vom Mittelalter bis in die Moderne. Reden – Räume – Bilder, Düsseldorf 2013, S. 35–50. Frank B, Öffentliche Geheimnisse. Skandale, Politik und Medien in Deutschland und Großbritannien 1880–1914, München 2009, S. 469. D., Peter H, Im Bann der Öffentlichkeit? Der Wandel der Außenpolitik im Medienzeitalter, in: D. (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter, S. 7–35, hier S. 8. Karl Otmar von A, Einleitung, in: D. (Hg.), Bismarcks Außenpolitik und der Berliner Kongress, Wiesbaden 1978, S. 7–11, hier S. 9. Etwa Wolfgang J. M, Nationalism, Imperialism and Official Press Policy in Wilhelmine Germany 1850–1914, in: Opinion publique et politique extérieure, hg. v. École française de Rome, Rom 1981, S. 367–383; Paul Gordon L, Diplomats and Bureaucrats. The First Institutional Responses to Twentieth-Century Diplomacy in France and Germany, Stanford 1976; Keith H, Richard L, The Practice of Diplomacy. Its Evolution, Theory, and Administration, London, New York 2 2011; Peter J, Unter vier Reichskanzlern. Otto Hammann und die Pressepolitik der deutschen Reichsleitung 1890 bis 1916, in: Ute D, Wolfram S (Hg.), Propaganda. Meinungskampf, Verführung und politische Sinnstiftung 1789–1989, Frankfurt a. M. 1994, S. 101–116; Leopold K, Diplomatie und Pressepolitik 1848–1918, in: Adam W, Peter U (Hg.), Die Habsburgermonarchie im System der internationalen Beziehungen, Wien 1989, S. 459–495; Richard K, Pressepolitik des Deutschen Bundes. Methoden staatlicher Pressepolitik nach der Revolution von 1848, Tübingen 1995; Eberhard N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik und die Reichsgründung (1865–1871), Wiesbaden 1968. B, H, Im Bann der Öffentlichkeit, und die übrigen Beiträge des Bandes
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Einleitung
festzuhalten, dass die »Medialisierung der Politik« nicht als linear fortschreitender Prozess zu betrachten ist, sondern dass immer wieder auch gegenläufige Trends zu beobachten sind22 . Diese Beobachtung legt nahe, nicht nur strukturelle Faktoren in den Blick zu nehmen, sondern auch deren individuelle Ausgestaltung durch die einzelnen Akteure. Mit der transnationalen Perspektive der Presse- und Mediengeschichte fand die europäische Öffentlichkeit als »appellative Instanz« die Aufmerksamkeit der Forschung23 . Die neuere, kulturgeschichtlich orientierte Diplomatiegeschichte bezieht die Presse als Einflussfaktor der internationalen Beziehungen zunehmend ein24 . Erst kürzlich beleuchtete ein Sammelband die Rolle der Presse in der Julikrise und kam zu dem Ergebnis, dass der Kriegsausbruch »[o]hne die meinungsformende Kraft der Zeitungen« nicht hinreichend zu erklären sei25 . Der Einfluss der Presse lag dabei nicht so sehr in einer Rolle als »Kriegstreiber« – im Gegenteil beobachtete Geppert am Vorabend des Kriegs eine relative Ruhe an der deutsch-britischen Front der »Pressekriege«26 . Vielmehr prägte die Presse langfristig Diskurse und Wahrnehmungen und beeinflusste so mittelbar auch die Einschätzungen
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D. (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter. Auch Martin K, Der Monarch im Skandal. Die Logik der Massenmedien und die Transformation der wilhelminischen Diplomatie, Berlin 2005; Georg K, Frankreichs republikanische Großmachtpolitik 1870–1914. Innenansichten einer Außenpolitik, Mainz 2007, S. 439–473; Martin M, Geheime Diplomatie und öffentliche Meinung. Die Parlamente in Frankreich, Deutschland und Großbritannien und die erste Marokkokrise 1904–1906, Düsseldorf 2002. Peter H, Außenpolitik und Öffentlichkeit. Massenmedien, Meinungsforschung und Arkanpolitik in den deutsch-amerikanischen Beziehungen von Erhard bis Brandt, München 2013, S. 531–534. Jörg R, Martin S W, Europäische Öffentlichkeit. Realität und Imagination einer appellativen Instanz, in: D. (Hg.), Europäische Öffentlichkeit. Transnationale Kommunikation seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M., New York 2002, S. 11–39. Verena S, Diplomatie von Angesicht zu Angesicht. Diplomatische Handlungsformen in den deutsch-französischen Beziehungen 1870–1919, Paderborn 2011, S. 307–318; Friedrich K, Das Paradox der Geheimdiplomatie. Offizielle Außenpolitik und Öffentlichkeit vor 1914, in: B, H (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter, S. 73–94; M, R (Hg.), The Diplomats’ World, darin bes. G, The Public Challenge; Zara S. S, The Foreign Office and Foreign Policy, 1898–1914, Cambridge 1969, S. 186–192; H, L, The Practice of Diplomacy, S. 129–133; ferner auch Johannes P, Pomp und Politik. Monarchenbegegnungen in Europa zwischen Ancien Régime und Erstem Weltkrieg, Paderborn u. a. 2000. Konzeptionell Ursula L, Diplomatiegeschichte als internationale Kulturgeschichte. Theoretische Ansätze und empirische Forschung zwischen Historischer Kulturwissenschaft und Soziologischem Institutionalismus, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), S. 394–423; Reiner M, Von der Diplomatiegeschichte zur Geschichte der internationalen Beziehungen. Perspektiven einer historischen Teildisziplin, in: Francia 32 (2005), S. 75–100. Georg E, Peter G, Arne K, Krisenzeitungen nach Sarajevo. Wechselwirkungen zwischen Presse und Politik, in: D. (Hg.), Die Presse in der Julikrise 1914. Die internationale Berichterstattung und der Weg in den Ersten Weltkrieg, Münster 2014, S. 7–19, hier S. 11. Bernhard R, Zeitungen als Kriegstreiber? Die Rolle der Presse im Vorfeld des Ersten Weltkrieges, Köln u. a. 1998; G, Pressekriege, S. 26f.
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Forschungslage und Problem
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der Entscheidungsträger. Dabei spielten auch einzelne Journalisten eine Rolle, wie Rosenberger unter Hinweis auf Victor Naumann und Hugo Ganz zeigte – allerdings rücken diese nur selten zum Untersuchungsgegenstand auf27 . Obwohl also das Feld, in dem sich deutsche Auslandskorrespondenten am Ende des 19. Jahrhunderts bewegten, die Effekte ihres Handelns auf die Politik und umgekehrt die Versuche der Einflussnahme auf diese Journalisten sowie die daraus entstehenden Dynamiken durchaus die Aufmerksamkeit der Forschung gefunden haben, bleibt speziell diese Kategorie journalistischer Akteure sowie ihre berufliche Alltagspraxis noch weitgehend im Schatten.28 Bereits vor rund zwei Jahrzehnten hat Jörg Requates verdienstvolle Studie zur Herausbildung und Entwicklung des Berufs des Journalisten gezeigt, wie fruchtbar die Beschäftigung mit den Akteuren der Pressegeschichte ist29 . Seine Erkenntnisse zur Sozialgeschichte der Redakteure sowie zu ihrem Selbstverständnis und ihrer journalistischen Praxis gehen weit über den quellenkritischen Wert hinaus und tragen erheblich bei zum Verständnis der Struktur der Öffentlichkeit sowie der gesellschaftlichen Rolle von Journalismus und Presse. Gerade der Vergleich des amerikanischen und französischen Journalismus mit dem deutschen Modell macht die unterschiedlich gestalteten Verflechtungen von Politik und Öffentlichkeit sichtbar und hebt damit die gesellschaftliche Bedingtheit der Entwicklung der Medien hervor30 . Wertvolle Impulse für die Untersuchung von Journalisten als politische Akteure gingen wiederum von den Arbeiten Dominik Gepperts und Frank Böschs aus, die für eine Kombination verschiedener Perspektiven und theoretischer Ansätze plädieren, um die vielfältigen Dimensionen des Wechselverhältnisses zwischen Medien und Politik besser fassen zu können31 . Neben Fragen und Perspektiven der Mediengeschichte, der Geschichte der internationalen Beziehungen und der neuen Diplomatiegeschichte verknüpften sie Methoden transnationaler Ansätze mit denen von Vergleichs- und Verflechtungsgeschichte.
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R, Zeitungen als Kriegstreiber, S. 227–279. Auch die jüngsten Neuerscheinungen in diesem Bereich legen den Fokus auf die politischen bzw. diplomatischen Akteure. Martin W, »Moralische Eroberungen« als Instrumente der Diplomatie, Bonn 2016; Dominik F, Von Journalisten und Diplomaten. Die Entdeckung der Presse für die Außenpolitik in Preußen und Österreich 1849–1879, Berlin 2016. Jörg R, Journalismus als Beruf. Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert. Deutschland im internationalen Vergleich, Göttingen 1995. Kompakt zusammengefasst ibid., S. 393–407. Frank B, Dominik G, Journalists as Political Actors. Introduction, in: D. (Hg.), Journalists as Political Actors, S. 7–15.
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Einleitung
Methode und Zuschnitt Den genannten Arbeiten hat die vorliegende Untersuchung wichtige Anregungen zu verdanken, sie geht aber doch ihren eigenen Weg. Zwar steht hier die Etablierung und Entwicklung des journalistischen Berufs des Auslandskorrespondenten im Fokus, die Arbeit ist jedoch mehr der Kulturgeschichte als der Sozialgeschichte verpflichtet. Das Kernthema ist die Herausbildung einer spezifischen beruflichen Kultur deutscher Auslandskorrespondenten. Das Konzept der beruflichen Kultur orientiert sich am Kulturbegriff der neueren Kulturgeschichte, als dessen Grundkonsens gelten kann, dass »Kultur« diejenigen Dimensionen menschlichen Lebens umfasst, die Sinn stiften und Bedeutung erzeugen32 . Durch Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster, durch gemeinsame Zeichen, Symbole, Begriffe und Praktiken erzeugen und versichern sich menschliche Gruppen ihrer Identität, ihrer Zusammengehörigkeit und ihrer Werte, legitimieren, disziplinieren und motivieren ihr Tun. In diesem Sinne kann man »menschliche Praktiken als sinnhaften Ausdruck ideeller Werte« verstehen, die von einer Gruppe vertreten werden – sei sie geografisch, konfessionell, sozial oder eben beruflich definiert33 . Indem diese Arbeit nach der Herausbildung einer beruflichen Kultur deutscher Auslandskorrespondenten fragt, geht sie von der These aus, dass diese im Laufe des 19. Jahrhunderts nicht nur ein berufsspezifisches Selbstverständnis entwickelten, sondern auch eine durch den Beruf geprägte Gruppenidentität. Ab wann sich eine gemeinsame Identität und ein entsprechendes Selbstverständnis entwickelten, wird anhand einer begriffsgeschichtlichen Analyse, der Institutionalisierung von Korrespondentenvereinen sowie über einen biografischen Ansatz nachvollzogen. Ausgehend vom prozesshaften Charakter von Kultur werden die Arbeitspraxis der Korrespondenten und ihr Konzept von guter journalistischer Praxis als Ausdruck ihrer beruflichen Kultur verstanden. Daneben werden aber auch Karrieremuster, persönliche (berufsorientierte) Netzwerke und soziale Parameter als relevante Aspekte in die Untersuchung einbezogen. Es wird die These vertreten, dass die berufliche Kultur von Auslandskorrespondenten auch von der sie umgebenden Gesellschaft beeinflusst wurde und dass die jeweiligen journalistischen und politischen Kulturen an ihrem Berichtsort sowohl das be32
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Z. B. Ute D, Kompendium Kulturgeschichte. Theorien, Praxis, Schlüsselwörter, Frankfurt a. M. 4 2004; Achim L, Stefanie S, Einführung in die europäische Kulturgeschichte, Paderborn 2004; Reinhard S, Kulturwissenschaften. Fragen und Theorien. Erste Annäherung, in: Christina L, Margit S-J, Heidemarie U (Hg.), Kulturgeschichte. Fragestellungen, Konzepte, Annäherungen, Innsbruck u. a. 2004, S. 13–36; Silvia Serena T, Programmatischer Eklektizismus. Kulturgeschichte im Spannungsfeld europäischer Wissenschaftstraditionen, in: L, S-J, U (Hg.), Kulturgeschichte, S. 37–59; Silvia Serena T, Einleitung. Begriffe, Konzepte und Perspektiven der Kulturgeschichte, in: D. (Hg.), Kulturgeschichte, Stuttgart 2008, S. 9–32. D., Programmatischer Eklektizismus, S. 45.
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Methode und Zuschnitt
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rufliche Selbstverständnis der Korrespondenten wie auch das von ihnen explizit oder implizit vertretene journalistische Modell prägten. Demnach war nicht nur der Arbeitszusammenhang der Auslandskorrespondenten transnational, sondern auch ihre berufliche Kultur. Der Begriff »transnational« zielt ab auf Beziehungen, Konstellationen und Prozesse, die nationale Grenzen überschreiten, wobei aber der Nationalstaat eine wichtige Bezugsgröße bleibt. Gerade dieser Aspekt macht den Vorteil des Begriffs für diese Arbeit aus, etwa gegenüber dem der histoire croisée oder der entangled history. Gegenüber dem Begriff »international« hat er den Vorzug, dass er nicht nur auf Interaktionen zwischen zwei abgegrenzten Nationen verweist, sondern vielmehr grenzüberspannende Verflechtungen impliziert34 . Um dies zu belegen und zugleich das potentiell globale Thema auf ein handhabbares Format zuzuschneiden, wurden Auslandskorrespondenten ausgewählt, die von bestimmten Orten aus für deutsche Zeitungen berichteten. Die geografische Eingrenzung ist zudem angezeigt, weil die Arbeitsbedingungen der Korrespondenten vom rechtlichen, politischen, kulturellen und sozialen Kontext abhingen. Ausgewählt wurden drei Orte, die zu den wichtigsten Bezugsorten der deutschen Gesellschaft gehörten und damit unentbehrliche Nachrichtenzentren der deutschen Presse des 19. Jahrhunderts darstellten: London, Paris und Wien. Paris und London waren im 19. Jahrhundert die Städte, über die deutsche Zeitungen am häufigsten berichteten, Wien fand sich immer unter den zehn wichtigsten Berichtsorten35 . Dazu kommt die Bedeutung dieser drei Städte als politische Brennpunkte europäischer Politik. Als Hauptstädte der benachbarten Großmächte Frankreich und England waren Paris und London besondere Bezugspunkte der deutschen Geschichte. Paris 34
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Sebastian C, Jürgen O, Einleitung, in: D. (Hg.), Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871–1914, Göttingen 2004, S. 7–27, hier S. 14; Jürgen M, Berthold U, Transnationale Netzwerke – Annäherungen an ein Medium des Transfers und der Machtausübung, in: D., Marcel L (Hg.), Transnationale Netzwerke im 20. Jahrhundert. Historische Erkundungen zu Ideen und Praktiken, Individuen und Organisationen, Wien 2007, S. 9–25, hier S. 10; Kiran Klaus P, Überlegungen zu einer transnationalen Geschichte [2004], in: Jürgen O (Hg.), Weltgeschichte, Stuttgart 2008, S. 67–89; Kiran Klaus P, Transnationale Geschichte, 2010, http://www.ieg-ego.eu/patelk-2010-de (Zugriff am 17.6.2017); Michael W, Bénédicte Z, Vergleich, Transfer, Verflechtung. Der Ansatz der »histoire croisée« und die Herausforderung des Transnationalen, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 607–636; Susan Z, International – transnational. Forschungsfelder und Forschungsperspektiven, in: U, M, V L (Hg.), Transnationale Netzwerke, S. 27–46. Jürgen W, Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten. Eine Modellstudie zur Verbindung von historischer und empirischer Publizistikwissenschaft, Berlin, New York 1984; D., Auslandsberichterstattung und internationaler Nachrichtenfluß im Wandel, in: Publizistik. Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung 31 (1986), S. 53–90. Die Bedeutung Wiens ist eher höher zu bewerten als Wilkes Studie nahelegt, da er Wien teilweise unter »Südosteuropa« subsummiert und die Fokussierung auf norddeutsche Zeitungen das Ergebnis wahrscheinlich beeinflusst.
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Einleitung
als Ursprungsort der Revolution besaß schon im frühen 19. Jahrhundert eine besondere Anziehungskraft, zudem weisen sowohl Groth als auch Requate auf die Relevanz der Stadt für die Entwicklung der Korrespondentennetze deutscher Zeitungen hin36 . Die erste Nachrichtenagentur der Welt war die Agence Havas in Paris, bald gefolgt von Reuter’s Telegram Company (Reuters) in London37 . Die österreichische Hauptstadt besaß aufgrund der sprachlichen, kulturellen und politischen Nähe die besondere Aufmerksamkeit der deutschen Presse, aus süddeutscher Sicht kamen wirtschaftliche Interessen hinzu, so dass etwa der Schwerpunkt des Cotta’schen Korrespondentennetzes der »Allgemeinen Zeitung« (AZ) neben Paris vor allem auf Wien lag. Zudem war die Stadt lange Zeit der wichtigste Umschlagplatz für Nachrichten aus Osteuropa. Auch nach der Beantwortung der deutschen Frage 1870/71 blieb Wien eine besondere Referenz für das Deutsche Reich – nicht zuletzt durch den Zweibund und die Entwicklungen, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten38 . Für die Auswahl dieser Städte sprechen auch die unterschiedlichen Strukturen der jeweiligen Öffentlichkeiten und die damit einhergehenden unterschiedlichen journalistischen Modelle, zu denen teilweise schon Vorarbeiten vorliegen. Requate hat etwa die Unterschiede zwischen deutschem und französischem Journalismus herausgearbeitet, Geppert die zu Großbritannien39 . Für Österreich fehlt ein solcher Vergleich, allerdings ähnelten sich der deut36
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Jörg R, Kommunikationswege und -bedingungen zwischen Deutschland und Frankreich. Konjunkturen in der wechselseitigen Berichterstattung beider Länder, in: Étienne F (Hg.), Marianne – Germania. Deutsch-französischer Kulturtransfer im europäischen Kontext 1789–1914, Leipzig 1998, S. 71–91, hier S. 73; Otto G, Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde, Mannheim 1928, S. 88, 372, 374. A, Histoire de la presse, 36f.; Volker B, Die Genese globaler Nachrichtenagenturen. Überlegungen zu einem Forschungsprogramm, in: WerkstattGeschichte 20 (2011), S. 63–75; D., The Formation of Global News Agencies, 1859–1914, in: Warden Boyd R (Hg.), Information Beyond Borders. International Cultural and Intellectual Exchange in the Belle Époque, Farnham 2014, S. 35–47; Pierre F, Un siècle de chasse aux nouvelles. De l’agence d’information Havas à l’Agence France Presse (1835– 1957), Paris 1959; Jürgen W (Hg.), Telegraphenbüros und Nachrichtenagenturen in Deutschland. Untersuchungen zu ihrer Geschichte bis 1949, München u. a. 1991. Isabel F. P, Im Schatten des Zweibundes. Probleme österreichisch-ungarischer Bündnispolitik 1897–1908, Wien 1996, S. 63f. Allgemein zur Bedeutung Österreichs für die deutsche Geschichte Thomas B, »Österreich steht außer Deutschland, aber es gehört zu Deutschland«. Aspekte der Bewertung des Faktors Österreich in der deutschen Historiographie, in: Michael G (Hg.), Ungleiche Partner? Österreich und Deutschland in ihrer gegenseitigen Wahrnehmung. Historische Analysen und Vergleiche aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1996, S. 31–53. R, Journalismus als Beruf; D., Kommunikationswege; D. (Hg.), Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft; mit Blick auf Deutschland und Frankreich Dietmar H, Jean-François E (Hg.), Medien – Debatten – Öffentlichkeiten in Deutschland und Frankreich im 19. und 20. Jahrhundert/Médias, débats et espaces publics en Allemagne et en France aux 19e et 20e siècles, Stuttgart 2011; G, Pressekriege; D., Ambassadors of Democracy; D., The Public Challenge; auch M, Geheime Diplomatie; D, Journalismus.
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Begriffe und Periodisierung
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sche und österreichische Journalismus sowie der Umgang der Politik mit der Presse40 . Wien als Korrespondentenplatz ist darum weniger aufgrund eines abweichenden österreichischen journalistischen Modells interessant – gerade in der Jahrhundertmitte scheinen die Gemeinsamkeiten überwogen zu haben –, als vielmehr aufgrund der dortigen politischen Kultur, die stark von monarchischen bzw. absolutistischen Traditionen geprägt war und erst spät ein funktionsfähiges Parlament erhielt. Den stärksten Kontrast dazu bildete die starke parlamentarische Kultur Großbritanniens mit ihrer langen Tradition von Pressefreiheit und Beteiligung der Öffentlichkeit an den Parlamentsverhandlungen. Die politische Kultur Frankreichs liegt gewissermaßen dazwischen, sie erfuhr im Untersuchungszeitraum starke Brüche: Nach dem Scheitern der Februarrevolution konnte Charles Louis Napoléon Bonaparte ein autoritäres Regime etablieren, das mit einer restriktiven Pressepolitik und dem weitgehenden Ausschluss der Öffentlichkeit von den rudimentären Resten des Parlamentarismus einherging. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg setzten sich in der Dritten Republik parlamentarische Strukturen mit einer routinierten Beteiligung der Öffentlichkeit durch. Die Auswirkungen, die der gesellschaftliche und politische Kontext für die Arbeit deutscher Auslandskorrespondenten einnahm, werden vor allem in Kapitel II. dargestellt.
Begriffe und Periodisierung Das Wissen über die Geschichte des Auslandskorrespondenten in der Zeit vor dem 20. Jahrhundert ist spärlich. Zudem begünstigen begriffliche Ungenauigkeiten Missverständnisse. So trennt die ältere Forschung nicht sauber zwischen der Funktion des Korrespondierens und dem Beruf des Korrespondenten. Dieter Paul Baumert etwa geht davon aus, dass jeweils eine bestimmte journalistische »Funktion für die geistige und berufliche Gesamtkonstellation des Journalismus typisch und entscheidend« war, woraus er die historische Abfolge einer präjournalistischen Phase (bis Mitte des 16. Jahrhunderts), des korrespondierenden (bis Ende des 17. Jahrhunderts), des schriftstellerischen (vor allem 18. Jahrhundert) und des redaktionellen Journalismus (seit den
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K, Diplomatie und Pressepolitik; Gabriele M, Josef S, Von der Lokalzeitung zur Massenpresse. Zur Entwicklung der Tagespresse im österreichischen Teil der Habsburgermonarchie nach 1848, in: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte 7 (2005), S. 52–92; Kurt P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte 1848–1959, Bd. 2: Die zentralen pressepolitischen Einrichtungen des Staates, Wien 1966; Helmut R, Peter U (Hg.), Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft. 2. Teilbd.: Die Presse als Faktor der politischen Mobilisierung, Wien 2006. Eine historiografische Untersuchung der Beziehungen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten des deutschen und österreichischen Journalismus wäre trotzdem interessant.
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Einleitung
1830er Jahren) ableitet41 . Schon in der präjournalistischen Periode entdeckt er »Berufskorrespondenten«, die jedoch keine Journalisten waren42 . In der zweiten Phase bilde dann die Berichterstattung alleinige »Grundlage einer journalistischen Erwerbschance«, womit er die Korrespondenten dieser Zeit bereits andeutungsweise in den Rang von Journalisten rückt43 . Zwar folgen noch Teile der neueren Literatur Baumerts Schema44 , spätestens seit Requates Studie zur Entstehung des Journalistenberufs sind jedoch auch die zweite und dritte Phase als »präjournalistisch« anzusehen45 . Dennoch wurde der Korrespondent erst kürzlich wieder als »Urtypus« des Journalisten bezeichnet, was impliziert, dass auch die frühen Korrespondenten bereits journalistische Figuren waren46 . Auch bei Otto Groth findet sich die Feststellung, dass der Korrespondent älter sei als die Zeitung. Diesen frühen Korrespondenten habe jedoch der »Gedanke an die Öffentlichkeit, an die Wirkung der Berichterstattung auf diese« ferngelegen47 . An die Stelle der »Korrespondenten alten Stils« traten zum Ende des 18. Jahrhunderts »politische Korrespondenten«, die sich nicht mehr auf das reine Übermitteln von Informationen beschränkten, sondern »von der hohen Warte einer Überzeugung« aus ihre Meldungen verfassten48 . Voraussetzung für diese »eigentliche[n] Zeitungskorrespondenten« sei aber die Entwicklung der Zeitung von »einer Sammlung von allerlei Tatsachen und Gerüchten zu einem Instrument politischer Wirksamkeit« gewesen49 . Ein »berufsmäßiges Zeitungskorrespondententum« entstand seiner Ansicht nach erst in den 1830er Jahren, was mit einer Verschiebung des Kerns der Tätigkeit »von der Nachrichtenlieferung zur Ideenwerbung« verbunden gewesen sei50 . Auch Jörg Requate verortet die »Geburt des modernen Korrespondentenwesens« in der Französischen Revolution, denn im »Gegensatz zu dem häufig wahllosen Nachrichtensammeln an bestimmten Nachrichtenumschlagplätzen 41 42 43 44
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Dieter Paul B, Die Entstehung des deutschen Journalismus. Eine sozialgeschichtliche Studie, München, Leipzig 1928, S. 17. Ibid., S. 19. Ibid., S. 29. Wolfgang D, Art. »Journalist«, in: N-N, S, W (Hg.), Fischer-Lexikon Publizistik, S. 78–125; Heinz P, Johannes R, Zur Berufsgeschichte des Journalismus, in: Irene N, Elke G, Monika P (Hg.), Grundlagentexte zur Journalistik, Konstanz 2002, S. 408–417, hier S. 408; Jürgen W, Art. »Pressegeschichte«, in: N-N, S, W (Hg.), Fischer-Lexikon Publizistik, S. 460–492. Thomas B, Das Selbstgespräch der Zeit. Die Geschichte des deutschen Journalismus 1605–1914, Köln 2011, S. 111; Rudolf S, Deutsche Pressegeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Konstanz 2005, S. 217. W, Inlands- und Auslandskorrespondenten, S. 38. Der Begriff der journalistischen Figur ist B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 110 entnommen. G, Die Zeitung, S. 427. D., Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft. Das Werden des Werkes, Berlin 1962, S. 74. D., Die Zeitung, S. 428. Ibid.
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Begriffe und Periodisierung
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berichtete hier ein Korrespondent mit konkretem Auftrag und konkreter Fragestellung«51 . Allerdings geht auch Requate nicht davon aus, dass im ausgehenden 18. Jahrhundert Journalisten von ihren Zeitungen als Korrespondenten nach Paris entsandt wurden, vielmehr wurden bestehende Kontakte zu Personen in ganz unterschiedlichen Berufen für eine gezielte Berichterstattung genutzt. Während bei Groths Einschätzung des Korrespondentenwesens die politische Funktion der Zeitung und das politische Interesse des Korrespondenten im Fokus stehen, zielt Requates Einschätzung eher auf das Verhältnis von Zeitung und Korrespondent ab. Das legt nahe, zunächst eine Klärung des Begriffs des Korrespondenten vorzunehmen: Wer oder was ist ein Korrespondent, welche Auslandskorrespondenten werden in dieser Arbeit untersucht? Dafür ist eine begriffsgeschichtliche Analyse der zentralen Begriffe erhellend, die im ersten Kapitel vorgenommen wird. Als Korrespondent wird in dieser Arbeit ein Journalist verstanden, der von einem anderen Ort als dem Sitz seiner Redaktion aus berichtete, und zwar mit einer gewissen Konstanz und Regelmäßigkeit, wobei sein Auftrag an diesen Ort gebunden war52 . Dabei ist nicht relevant, ob er haupt- oder nebenberuflich, festangestellt oder freiberuflich tätig war, zumal dies in der Etablierungsphase des Berufs den Blick zu sehr verengen würde53 . Zwar schließen die Kriterien Konstanz und Regelmäßigkeit die gerade zu Beginn des Untersuchungszeitraums häufig auftauchenden sporadischen oder auch nur punktuellen Mitarbeiter aus, diese lassen sich aber ohnehin schlecht identifizieren, hinterließen kaum Quellen und hatten wohl wenig Anteil an der Herausbildung einer beruflichen Kultur54 . Der Auslandskorrespondent als Spezialform des Korrespondenten arbeitete als ständiger Berichterstatter aus dem Ausland und wird hier vom Sonderkorrespondenten abgegrenzt, der ereignisgebunden vorübergehend für einen relativ kurzen Zeitraum von einem bestimmten Ort aus berichtete. Entsprechend des Untersuchungszeitraums geht es in erster Linie um Zeitungskorrespondenten; weil sich die berufliche Tätigkeit häufig überschnitt, werden auch Agenturkorrespondenten und Inhaber von Korrespondenzbüros punktuell mitberücksichtigt. James Retallack verweist darauf, dass der Auslandskorrespondent ein Produkt der Ausdifferenzierung und Spezialisierung des Journalismus ist55 , dementsprechend erscheint an dieser Stelle auch eine Definition von »Journalist« 51 52 53
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R, Kommunikationswege, S. 73. In Anlehnung an G, Die unerkannte Kulturmacht, S. 26. So auch Theodor M, Begriff und Rechtsstatus des Auslandskorrespondenten, in: Heinz-Dietrich F (Hg.), Auslandskorrespondenten in der Bundesrepublik Deutschland. Status, Aufgaben, Arbeitsprobleme professioneller Presseberichterstatter aus Bonn, Düsseldorf 1982, hier S. 211; ähnlich G, Die unerkannte Kulturmacht, S. 26. Berücksichtigt wurden nur Korrespondenten, die mindestens ein Jahr als solche tätig waren; in den auf exemplarischen Biografien aufbauenden Abschnitten nur Korrespondenten, die länger als fünf Jahre als solche arbeiteten. James R, From Pariah to Professional? The Journalist in German Society and
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Einleitung
sinnvoll. Dieses Vorhaben ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden, weil der Begriff zum einen nicht geschützt ist und auch heute noch auf unterschiedliche Weise definiert werden kann und weil zum anderen schon die Zeitgenossen den Begriff mit unterschiedlichen Bedeutungen füllten bzw. nicht klar von verwandten Begriffen wie Publizist, Literat, Schriftsteller abgrenzten56 . Requates Überlegungen sind für diese Arbeit nur begrenzt anschlussfähig, weil er die Frage nicht abschließend klärt und stattdessen die »feste Redakteurstätigkeit« als »Mindestkriterium« für die Aufnahme in sein Sample benutzt – was beinahe alle hier untersuchten Korrespondenten ausschließen würde57 . Zu schwammig dagegen ist Emil Dovifats Definition: »Der Journalist sammelt, sichtet und verarbeitet Nachrichten von öffentlichem Interesse«58 . Groth präzisiert dies, indem er als »Journalismus im weiteren Sinne« die Gesamtheit der »an der Gestaltung des textlichen Inhalts der Periodika berufsmäßig Mitwirkenden« definiert; als Journalisten im »engeren (eigentlichen) Sinne« versteht er diejenigen, die »an der Gestaltung des Textes von Zeitungen oder auch zeitungsnahen Zeitschriften, sei es unmittelbar, sei es mittelbar [. . . ] berufsmäßig tätig sind«, wobei er sich jedoch nur auf die aktuellen Inhalte bezieht – den Verfasser von Zeitungsromanen etwa versteht er nicht als Journalisten59 . Auch wenn die Verengung auf Text und Zeitung bereits für die 1920er Jahre problematisch würde, erweist sich Groths Vorschlag für das 19. Jahrhundert als praktikable Grundlage, allerdings wird die »berufsmäßige« Tätigkeit gewissermaßen in Klammern gesetzt und mit einem Fragezeichen versehen. Als Journalist wird also hier verstanden, wer als regelmäßiger Mitarbeiter von Zeitungen an der textlichen Erarbeitung und Verbreitung von Information, Meinung und Unterhaltung durch dieses Medium tätig ist, und zwar vor allem durch Recherche, Auswahl und Bearbeitung der Inhalte sowie deren eigenschöpferische Aufbereitung in Form von Berichterstattung oder Kommentierung. Damit lehnt sich die Definition an diejenige des Deutschen Journalisten-Verbands an, die am aktuellen Berufsbild orientiert ist60 .
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Politics, From the Late Enlightenment to the Rise of Hitler, in: German Studies Review 16 (1993), S. 175–223, hier 184f. Siehe dazu die ausführlichen Überlegungen von R, Journalismus als Beruf, S. 131– 136. Ibid., S. 136. Emil D, Zeitungslehre I. Theoretische und rechtliche Grundlagen – Nachricht und Meinung – Sprache und Form, Berlin 6 1976, S. 38. Diese Definition träfe auch auf den Diplomaten zu. G, Die unerkannte Kulturmacht, S. 181. Diese bezieht »Mitarbeiter an Printmedien, Rundfunk, digitalen Medien, Nachrichtenagenturen, in Presse- und Öffentlichkeitsarbeit oder im Bildjournalismus« ein, die an der »Erarbeitung bzw. Verbreitung von Informationen, Meinungen und Unterhaltung durch Medien mittels Wort, Bild, Ton [. . . ] beteiligt [sind], und zwar vornehmlich durch Recherchieren (Sammeln und Prüfen) sowie durch Auswählen und Bearbeiten der Informationsinhalte, durch deren eigenschöpferische medienspezifische Aufbereitung (Berichterstattung und Kommentierung), Gestaltung und Vermittlung«, DJV-Gesamtvorstand:
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Begriffe und Periodisierung
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Versucht man nun auf Basis dieser Definitionen ein Sample der untersuchten Auslandskorrespondenten zusammenzustellen, stößt man schnell auf weitere Probleme. Das einzige erhaltene Redaktionsarchiv des frühen 19. Jahrhunderts ist das der »Allgemeinen Zeitung«, so dass detaillierte Informationen nur über das Korrespondentennetz dieses Blattes vorliegen. Daneben bieten die Jubiläumsschriften einzelner Zeitungen einen Ansatzpunkt. Während diese für die Suche nach Redakteuren durchaus hilfreich sind, enthalten sie kaum Informationen über Korrespondenten und andere Mitarbeiter61 . Ausnahmen sind die Schriften über »Allgemeine Zeitung« und »Kölnische Zeitung« (KöZ) – Letztere hatte jedoch vor den 1830er Jahren keine eigenen Korrespondenten62 . Groth, der die Entstehung des journalistischen Berufs des Korrespondenten etwa auf die 1830er Jahre datiert, bringt lediglich Beispiele für Inlandskorrespondenten63 . Ludwig Börne und Heinrich Heine, die beide in Paris auch als Korrespondenten arbeiteten, waren in erster Linie als Schriftsteller tätig64 . Zwar geht Michael Werner davon aus, dass zwischen 1830 und 1848 rund 200 Deutsche in Paris regelmäßig journalistisch tätig waren, allerdings arbeitet er mit einem sehr weiten Begriff von Journalismus, außerdem finden sich nur spärliche Belege für Zeitungskorrespondenten. Angesichts der wenigen Beispiele scheint es angemessen, diese als Vorläufer einer später einsetzenden verdichteten Entwicklung zu betrachten. Außer den großen Vorbildern »Times«, »Allgemeine Zeitung«, »Kölnische Zeitung« und »Hamburgischer unparteiischer Correspondent« dürften nur vereinzelte Blätter ein eigenes
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DJV-Aufnahmerichtlinien. 16.6.2014, ergänzt am 1.6.2015, https://www.djv.de/startseite/ profil/mitglied-werden/aufnahmerichtlinien.html (Zugriff am 18.6.2017). R, Journalismus als Beruf, S. 30, 134f. Meist beschränken sich diese Schriften darauf, allgemein den Ausbau des Korrespondentennetzes der Zeitung hervorzuheben, ohne auf Details oder einzelne Personen einzugehen, wie etwa Arend B, Die Vossische Zeitung. Geschichtlicher Rückblick auf drei Jahrhunderte, Berlin 1904, S. 139, 186, oder Carl W, 150 Jahre Schlesische Zeitung 1742–1892. Ein Beitrag zur vaterländischen KulturGeschichte, Breslau 1892, S. 43. In den Jubiläumsschriften mittlerer Provinzzeitungen findet dies überhaupt keine Erwähnung, wie eine Auswertung einer Auswahl von Titeln aus der Sammlung von Jubiläums- und Festnummern deutscher Zeitungen des Zeitungsarchivs der Fachbibliothek Englischer Garten, Universitätsbibliothek der LMU München, zeigte. Eduard H, Die Allgemeine Zeitung 1798–1898. Beiträge zu einer Geschichte der deutschen Presse, München 1898; Karl B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung, ihrer Besitzer und Mitarbeiter. Von den Anfängen Joseph Dumonts bis zum Ausgang der deutschen bürgerlichen Revolution, Köln 1930; Ernst N, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung, ihrer Besitzer und Mitarbeiter. Marcus Dumont, 1802–1831, Köln 1920. G, Die Zeitung, S. 423; an anderer Stelle hebt er unter Hinweis auf die Zensur jedoch die Bedeutung der Auslandsberichterstattung und Auslandskorrespondenten in den 1840er Jahren hervor – allerdings ziemlich pauschal: D., Die unerkannte Kulturmacht, S. 75. Michael W, Der Journalist Heine, in: Gerhard H (Hg.), Heinrich Heine. Ästhetisch-politische Profile, Frankfurt a. M. 1991, S. 295–313; Inge R, »Freiheit ist das Schönste und Höchste in Leben und Kunst«. Ludwig Börne zwischen Literatur und Politik, Bielefeld 2004.
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Einleitung
Netz von Auslandskorrespondenten eingerichtet haben. Selbst bei diesen ist über die Identität der Korrespondenten kaum etwas bekannt, so dass die Frage nach Anzeichen einer beruflichen Kultur oder eines journalistischen Selbstverständnisses sowie nach den Berufspraktiken aus den Quellen nur mit Einschränkungen zu beantworten ist. Allenfalls für die Korrespondenten der »Allgemeinen Zeitung« ist ein angemessenes Quellenkorpus überliefert65 . In den meisten Fällen fehlte den Zeitungen der notwendige finanzielle Spielraum für die Einrichtung eigener Korrespondentennetze. Deren Etablierung war daher an den Aufschwung der Presse gekoppelt, der sich erst seit der Jahrhundertmitte immer deutlicher abzeichnete. Mit der Entwicklung eines journalistischen Arbeitsmarktes im Vormärz schritt auch die Verberuflichung des Journalismus einher, wobei dieser noch eng mit Schriftstellerei und Politik verbunden war66 . Die einschlägige Literatur datiert die Entstehungsphase des journalistischen Berufs des Auslandskorrespondenten auf die Zeit zwischen dem ausgehenden 18. Jahrhundert und der Mitte des 19. Jahrhunderts, mit einer ersten Expansion im Vormärz. Der hier gewählte zeitliche Rahmen (1848–1914) erklärt sich daraus, dass in dieser Arbeit vor allem die Herausbildung einer beruflichen Kultur interessiert. Die Untersuchung konzentriert sich daher auf die Etablierungsphase des Korrespondentenberufs, in der sich der eigene Auslandskorrespondent von einem Ausnahmephänomen zusehends zu einer regulären Einrichtung entwickelte. Dafür erwies sich die gescheiterte Revolution 1848/49 als wichtiger Impulsgeber, weshalb sie den Beginn des Untersuchungszeitraums markiert. Die Übernahme der politischen Zäsur von 1848/49 für die Pressegeschichte und für diese Arbeit erscheint aufgrund der wichtigen Veränderungen, die sie zeitigte, durchaus angemessen67 . Wenngleich die Überwachungspraxis der deutschen Staaten schon in den 1840er Jahren »löchrig und uneinheitlich geworden« war68 , entfachten die Märzrevolution und die durch sie errungene Freiheit der Presse einen explosionsartigen Anstieg von Zeitungsgründungen und Auflagenzahlen; die »Kölnische Zeitung« etwa konnte ihre Auflage nahezu 65
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Hans-Martin K, Der Aufbau eines Korrespondentennetzes für die Augsburger »Allgemeine Zeitung« in Südosteuropa durch Johann Friedrich und Johann Georg Cotta, Ms. 1991, IfZF, I Ak 94/341. Mit vereinzelten Hinweisen auf die Korrespondenten Elke B, Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur. Die Augsburger »Allgemeine Zeitung« im Karlsbader System (1818–1848), Köln 2000; Michaela B, Die Augsburger »Allgemeine Zeitung« und die Pressepolitik Bayerns. Ein Verlagsunternehmen zwischen 1815 und 1848, Tübingen 1996; H, Die Allgemeine Zeitung. B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 110–121, 161–168. Sowohl Birkner als auch Requate gehen von einer Übergangsphase von den 1830er bis in die 1870er Jahre aus, R, Journalismus als Beruf, S. 117–242; D., Die Entstehung eines journalistischen Arbeitsmarktes im Vormärz. Deutschland im Vergleich zu Frankreich, in: Rainer R, Detlev K (Hg.), Journalliteratur im Vormärz, Bielefeld 1995, S. 107–130. S, Deutsche Pressegeschichte; Jürgen W, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, Köln 2 2008. Ibid., S. 216.
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verdoppeln69 . Zwar währte der Zustand der Pressefreiheit nur kurze Zeit, dennoch schuf die Revolution Fakten, die nicht mehr vollständig zurückgenommen werden konnten, eine Rückkehr zum Karlsbader Repressivsystem war nicht mehr möglich70 . Die Einschränkung der Pressefreiheit war auch in der folgenden Restaurationszeit nicht mehr so massiv wie im Vormärz, die Vorzensur wurde nicht wieder eingeführt und die stattdessen etablierte Nachzensur in den verschiedenen Bundesstaaten unterschiedlich streng gehandhabt. Auch langfristig bescherte die ausgebremste Revolution der Presse also einen weniger restriktiven rechtlichen Rahmen – und sollte aus pressegeschichtlicher Sicht daher keineswegs als gescheitert angesehen werden. Allerdings blieben mit Konzessionspflicht und Kautionszwang, Postdebit und Stempelsteuer gerade die Restriktionsinstrumente bestehen, die die Finanzkraft der Zeitungen stark einschränkten71 . Dass die Liberalisierung der politischen Rahmenbedingungen eine derart explosionsartige Zunahme von Zeitungstiteln nach sich zog, verweist darauf, dass ein Publikum mit großem Interesse an aktuellen politischen Nachrichten existierte. Obwohl die meisten Neugründungen ausgesprochen kurzlebig waren, dürfte die mediale Begleitung des europäischen Medienereignisses Revolution die Erwartungshaltung der Rezipienten dauerhaft verändert haben: Die Aktualität der Berichterstattung wurde ebenso gesteigert wie deren internationale Vernetzung72 . Dies wurde ermöglicht durch technische Innovationen; so sorgte die Freigabe des Telegrafen für die Presse 1849 für eine rasante Beschleunigung der Nachrichtenübermittlung und die seit den 1830er Jahren zunehmend eingesetzten Schnellpressen erlaubten den raschen Druck wachsender Auflagen73 . Mit diesem Aufschwung der Presse seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ging die Aufwertung der öffentlichen Meinung zu einer »Deutungskategorie politischer Kultur« einher74 , seit den 1860er Jahren wurde die Presse auffallend oft als eine »Großmacht« bezeichnet75 . Zudem hatte das politische Scheitern der Revolution zahlreiche politische Aktivisten (und das 69 70
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Frank B, Mediengeschichte. Vom asiatischen Buchdruck zum Fernsehen, Frankfurt a. M. 2011, S. 104f.; R, »Das größte Ereignis der Zeit«, S. 17. Daniel A. G, Medien und Politik in Deutschland und den USA. Kontrolle, Konflikt und Kooperation vom 18. bis zum frühen 20. Jahrhundert, Stuttgart 2010, S. 47–50; B, Mediengeschichte, S. 108f.; ferner S, Deutsche Pressegeschichte; W, Grundzüge, S. 215–217. S, Deutsche Pressegeschichte, S. 145f. Dazu vor allem R, »Das größte Ereignis der Zeit«, der die neue mediale Qualität der Presse der 48er-Revolution gegenüber der Julirevolution konstatiert. S, Deutsche Pressegeschichte, S. 119–131; W, Grundzüge, 156f. Clemens Z, Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20. Jahrhundert, in: D. (Hg.), Politischer Journalismus, Öffentlichkeiten und Medien im 19. und 20. Jahrhundert, Ostfildern 2006, S. 9–23, hier S. 14. W, Grundzüge, S. 251; D., Auf dem Wege zur »Großmacht«. Die Presse im 19. Jahrhundert, in: Rainer W (Hg.), Das 19. Jahrhundert. Sprachgeschichtliche Wurzeln des heutigen Deutsch, Berlin, New York 1991, S. 73–94.
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bedeutete im 19. Jahrhundert zumeist: Publizisten oder Journalisten) ins Exil nach Frankreich oder Großbritannien gezwungen. Der Aufschwung der Presse in der Jahrhundertmitte traf also auf ein relativ großes Reservoir potentieller Zeitungskorrespondenten in Paris, vor allem aber in London, so dass günstige Bedingungen für einen Ausbau der Korrespondentennetze entstanden. Im Laufe der 1850er und 1860er Jahre nahmen die Zahl der Titel wie auch die Auflage einzelner Zeitungen langsam, aber stetig zu. Ein deutlicher Anstieg ist aber erst nach der Reichsgründung zu verzeichnen: In dieser Zeit verdichteten sich Entwicklungen, die sich bereits seit der Mitte des Jahrhunderts angedeutet hatten. Das späte 19. Jahrhundert wurde dementsprechend aus presse- bzw. mediengeschichtlicher Perspektive mit zahlreichen Etikettierungen versehen, die auf einen tiefgreifenden dynamischen und beschleunigten Wandel verweisen: die »Entfesselung der Massenkommunikation«76 , der Beginn des »Zeitalter[s] der Massenpresse«77 bzw. einer »massenmedialen Sattelzeit«78 oder auch das »Golden Age« der Massenpresse79 . Je nachdem, welcher Aspekt in den Fokus gerückt wird, werden dabei die 1870er, 1880er, 1890er Jahre oder auch die Jahrhundertwende als Zäsur gewählt. Der politische Umbruch 1870/71 zog Konsequenzen nach sich, die großen Einfluss auf das Pressewesen hatten, daher wird hier der Schnitt zwischen der Etablierung des Korrespondentenberufs und seiner Hochphase gesetzt. Die Reichsgründung band die zahlreichen regionalen deutschen Kommunikationsräume stärker zu einem nationalen zusammen80 , wovon große politische Blätter wie etwa die »Kölnische Zeitung«, die »Frankfurter Zeitung« (FZ), später auch das »Berliner Tageblatt« (BT) oder der »Berliner Lokal-Anzeiger« profitieren konnten. Mit der Einführung des Reichspressegesetzes 1874 herrschte überall im Deutschen Reich prinzipiell Pressefreiheit – wenn auch während des Kulturkampfs mit substantiellen Einschränkungen für die katholische Presse; die sozialdemokratische Presse wurde mit den Sozialistengesetzen von 1878 bis 1890 gleich ganz verboten. Die Mehrzahl der Zeitungen konnte aber von den neuen rechtlichen Bedingungen profitieren: Die Zahl der Zeitungstitel legte seit den 1870er Jahren ebenso deutlich zu wie die Höhe der Auflagen. Die Beseitigung von Kaution und Stempelsteuer legte den Grundstein »für den langanhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung der Presse«81 ; durch Urbanisie76 77 78
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W, Grundzüge, S. 252. Z. B. B, Mediengeschichte, S. 109. Habbo K, Daniel M, Medienwandel und Gesellschaftsbilder 1880–1960. Zur Historischen Kommunikologie der massenmedialen Sattelzeit, in: D. (Hg.), Kommunikation als Beobachtung. Medienwandel und Gesellschaftsbilder 1880–1960, München 2003, S. 9–33, hier S. 10. Auch Requate versteht das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts als Übergangsphase zur »voll ausgeprägten medialen Moderne des 20. Jahrhunderts«, R, Einleitung, S. 10. B, Mediengeschichte, S. 109; ähnliche Wendungen etwa bei Ernst B, Pressegeschichte. II: 1840–1930. Die goldenen Jahre der Massenpresse, Freiburg 2000. S, Deutsche Pressegeschichte, 165f. Ibid., S. 146.
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rung und Alphabetisierung stand ein immer größeres Publikum und damit ein wachsender Absatzmarkt zur Verfügung, durch neue Zeitungsformate wie die günstigen »Generalanzeiger« und die inhaltliche Ausdifferenzierung etwa durch Sport- und Lokalberichterstattung wurden zusätzlich neue Leserkreise erschlossen. Innovationen auf dem Gebiet der Drucktechnik ermöglichten immer größere Auflagen zu kleinen Preisen in kürzester Zeit. Die Presse entwickelte sich zu einem Konsumgut, das sich profitabel verkaufen ließ und seit der Jahrhundertwende den Aufstieg großer Zeitungskonzerne ermöglichte. Eng verbunden mit dieser Entwicklung war auch die seit den 1870er Jahren intensivierte Verberuflichung und Ausdifferenzierung des Journalistenberufs82 . Nach dem Ausbau des Telegrafennetzes wurde die telegrafische Berichterstattung zu einem täglichen Bestandteil vieler Zeitungen; durch mehrere tägliche Ausgaben, die die großen Zeitungen ihren Lesern zur Verfügung stellten, wurde so eine neue Dimension von Aktualität erreicht. Gerade die großen Zeitungskonzerne mit ihren als »Geschäftspresse« diffamierten Massenblättern richteten sich einen »herrlichen Nachrichtendienst« ein83 . Wenn Requate der deutschen Presse seit den 1880er Jahren »auf allen Ebenen eine rasante Phase der Expansion, Innovation und der Differenzierung« attestiert, betrifft dies nicht allein die Zeitungen und Journalisten selbst84 , sondern auch ihr Verhältnis zu Politik und Gesellschaft, das in dieser Zeit einen grundlegenden Wandel durchlief85 . Zwar entwickelte sich die öffentliche Meinung schon seit der Mitte des Jahrhunderts zu einer wichtigen politischen Deutungsinstanz86 , zu »selbständige[n] Zwischengewalten, die sich weder politisch ausschalten noch dauerhaft instrumentalisieren ließen«, wurden die Medien aber erst in dessen letztem Drittel87 . Die in jener Zeit verstärkt auftretenden Skandale belegen die intensive »Durchdringung von Medien und Gesellschaft«88 , aus der ein Zuwachs an Macht und Einfluss resultierte. Schon allein der sich festigende »Mythos von der souveränen Macht der ›vierten
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R, Journalismus als Beruf; B, Das Selbstgespräch der Zeit. Jakob Julius D, Die Zeitung, Frankfurt a. M. 1906, S. 81. Jörg R, Kommerzialisierung der Presse im frühen 20. Jahrhundert. Konsumierendes und fragmentiertes Publikum, in: Z (Hg.), Politischer Journalismus, S. 121– 137, hier S. 120. Andreas S, Der Aufstieg der »vierten Gewalt«. Medien, Politik und Öffentlichkeit im Zeitalter der Massenkommunikation, in: Historische Zeitschrift 270 (2000), S. 65–97. Z, Politischer Journalismus, S. 14. S, Aufstieg, S. 77. Frank B, Limites de »l’État autoritaire«. Médias, politique et scandales dans l’Empire, in: R (Hg.), Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft, S. 100–115; B, Öffentliche Geheimnisse; K, Der Monarch im Skandal; D., Medienskandale und Monarchie. Die Entwicklung der Massenpresse und die ›große Politik‹ im Kaiserreich, in: R (Hg.), Das 19. Jahrhundert als Mediengesellschaft, S. 116–129; ferner D., Kennzeichen der deutschen Mediengesellschaft des 19. Jahrhunderts, in: ibid., S. 30–42, hier S. 42.
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Gewalt‹« bewirkte89 , dass die Presse nicht nur die politische Kommunikation prägte, sondern auch »praktische Wirkmächtigkeit in politischen Entscheidungssituationen« entfalten konnte90 , etwa weil Politiker deren Reaktionen in ihre Entscheidungsfindung einbezogen91 . Das gilt auch für die Außenpolitik, die mitunter »statt über diplomatische Absprachen über die Presse verlief«92 . Die Wahrnehmung der zunehmenden Bedeutung der Presse auch in außenpolitischen Fragen dürfte erheblich dazu beigetragen haben, dass die Zeitungen sich dafür entschieden, den neu gewonnenen finanziellen Spielraum für ein eigenes Korrespondentennetz zu nutzen. Ein Blick in die Zeitungen bestärkt die Entscheidung für einen Schnitt in den 1870er Jahren. Eine stichprobenartige Auswertung der »Vossischen Zeitung« (VZ), der »Allgemeinen Zeitung«, der »Frankfurter Zeitung« und des »Berliner Tageblatts«93 , alles Blätter, die sich ein eigenes Korrespondentennetz leisteten, ergab zwar, dass der Anteil der Auslandsberichterstattung tendenziell abnahm und dass auch die Relevanz der Berichtsorte London, Paris und Wien gegenüber anderen Regionen leicht zurückging94 . Allerdings nahm der Umfang der Zeitungen und mit ihm auch der der Auslandsberichterstattung nach 1871, deutlicher noch in den 1880er Jahren, zu. Die absolute Zahl von Berichten und Meldungen aus dem Ausland wuchs. Abgesehen von diesen rein quantitativen Aspekten lassen sich aber auch einige qualitative Veränderungen ins Feld führen: Die Angabe der Quellen von Meldungen aus dem Inund Ausland wurde zu einer wichtigen Information. Während die »Vossische Zeitung« 1849 bei rund 80 % aller Artikel und Meldungen auf jegliche Quellenoder Autorenangabe verzichtete, war dies 1858 nur noch bei der Hälfte der Fall. Die »Allgemeine Zeitung«, ein Blatt, das traditionell viel Wert auf sein gut ausgebautes Nachrichtennetz legte, verzichtete 1853 bei 40 % der Nachrichten auf jede Quellenangabe, 1873 nur noch bei etwa 2 %, danach waren bis auf den Leitartikel alle Meldungen und Artikel mit einer Quellenangabe versehen. Auch die »Frankfurter Zeitung« veränderte ihre Praxis der Kennzeichnung von Artikeln um 1870: Während die Redaktion 1866 rund ein Drittel mit einem Korrespondenzzeichen markierte, ein weiteres Drittel als Nachdruck aus einer anderen Zeitung oder einem Korrespondenzbüro kennzeichnete 89 90 91
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S, Aufstieg, S. 82. K, Medienskandale, S. 127. So ibid., S. 121, 127–129, der das wilhelminische Kaiserreich als »Medienmonarchie« bezeichnet. Die Inszenierung von Monarchenbegegnungen wurde zunehmend auch auf Presse und Öffentlichkeit berechnet: P, Pomp und Politik. B, Öffentliche Geheimnisse, S. 410. In diesem Sinne auch D., H, Im Bann der Öffentlichkeit; E, G, K, Krisenzeitungen nach Sarajevo, S. 12f. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ, zeigt aber doch die Tendenz der Entwicklung auf. Es wurden im Abstand von etwa zehn Jahren jeweils drei Ausgaben eines Jahrgangs ausgewertet. Das Ergebnis bestätigt Wilkes Studie, die allerdings in noch größeren Zeitabständen Stichproben nimmt: W, Nachrichtenauswahl und Medienrealität; D., Auslandsberichterstattung.
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und das letzte Drittel ohne jeden Hinweis auf die Provenienz beließ, versah sie 1873 ganze 77 % ihrer Nachrichten mit einem Korrespondenzzeichen. Dabei handelte es sich zwar meist nur um ein anonymes Kürzel, das allerdings prominent an der Spitze jeder Meldung stand und nicht etwa an ihrem Ende. Dahinter steht die Aufwertung der Herkunft der Nachrichten. Die vielfältigen Korrespondenzzeichen am Kopf der Meldungen sollten ein ausgedehntes Korrespondentennetz belegen und exklusive Berichterstattung implizieren. In der Regel blieben diese Zeichen über Jahre hinweg gleich und hatten so einen gewissen Wiedererkennungswert. Zwar blieb die dahinterstehende Person meist verborgen, die Korrespondenzzeichen suggerierten aber dennoch Beständigkeit und Verlässlichkeit. Der zunehmende Abdruck dieser Zeichen darf jedoch nicht als eindeutiger Beweis für das wachsende Korrespondentennetz der Zeitungen gewertet werden; manche Autoren schrieben unter verschiedenen Zeichen, um ihre Identität zu verschleiern oder eine größere Vielfalt vorzutäuschen95 . Vielmehr legt diese Praxis nahe, dass der Hinweis auf einen eigenen Korrespondenten zum Qualitätsmerkmal und damit zum Verkaufsargument wurde. Das 1877 gegründete »Berliner Tageblatt« führte von Anfang an entsprechende Rubriken für die Telegramme von Wolff’s Telegraphischem Bureau (WTB), Louis Hirsch’s Telegraphischem Büro und die »Spezialtelegramme« bzw. »Originalberichte« eigener Korrespondenten, die »Frankfurter Zeitung« hatte schon 1866 eine eigene Rubrik für ihre »Privatdepeschen«. Beide Blätter verwendeten seit den 1880er Jahren nicht allein Korrespondenzzeichen, sondern opferten oft eine ganze Zeile für den Hinweis, dass es sich um die Meldung eines eigenen Korrespondenten handelte. Das Ende des Untersuchungszeitraums wird durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs markiert. Wie der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 für die deutschen Paris-Korrespondenten stellte der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 für die deutschen Korrespondenten in London und Paris eine scharfe Zäsur dar: Wer nicht rechtzeitig abreiste, wurde ausgewiesen oder wegen Spionageverdachts interniert. Während des Kriegs gab es schlichtweg keine deutschen Korrespondenten mehr in diesen beiden Metropolen, die deutsche Presse bezog ihre Informationen über die Vorgänge in Großbritannien und Frankreich nun aus den Zeitungen, die im neutralen Ausland erschienen. Außerdem – und das betraf auch die Wiener Korrespondenten – veränderte der Krieg die Arbeitsroutinen erheblich: Es wurde wieder eine strenge Vorzensur eingeführt, die Berichterstattung wurde seit August 1914 zusehends stärker kontrolliert und eingeschränkt96 . Die normale Auslandsberichterstattung, die 95
So korrespondierte etwa Friedrich Wilhelm Giehne unter mindestens zwei verschiedenen Zeichen von Wien aus für die AZ: Giehne an Cotta, Wien, 21.8.1866, DLA, Cotta: Briefe – Giehne; manche Redaktionen versahen auch aus anderen Zeitungen entnommene Meldungen mit solchen Zeichen, um ein eigenes Korrespondentennetz vorzutäuschen: [. V.], Beim Nachrichten-Diebstahl, in: Der Zeitungs-Verlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen 5 (1904), S. 1050. 96 Almut L-W, Patrioten im Pool. Deutsche und französische Kriegsbericht-
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in dieser Arbeit interessiert, gab es nicht mehr, der Krieg bedeutete auch in journalistischer Hinsicht eine Ausnahmesituation. Dies ist vor allem auch daher wichtig, weil aus diesem Grund Kriegskorrespondenten im Folgenden ausgeklammert werden: Berufliche Kultur, Arbeitspraxis und Selbstverständnis wichen deutlich von denen normaler Auslandskorrespondenten ab. Zudem gab es nur wenige personelle Überschneidungen97 .
erstatter im Ersten Weltkrieg, in: Ute D (Hg.), Augenzeugen. Kriegsberichterstattung vom 18. zum 21. Jahrhundert, Göttingen 2006, S. 113–140; S, Deutsche Pressegeschichte, S. 148, 171; W, Grundzüge, S. 274; Martin C, Die Pressepolitik der kaiserlichen Regierung während des Ersten Weltkriegs. Die Exekutive, die Journalisten und der Teufelskreis der Berichterstattung, Frankfurt a. M. 1996; Michael J, Art. »Propaganda«, in: Gerhard H, Gerd K, Irina R (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2008, S. 198–208. 97 Rudolf S, Kriegsberichterstattung, Kriegsberichterstatter, Mainz 2015, http: //www.ieg-ego.eu/de/threads/buendnisse-und-kriege/krieg-als-motor-des-transfers/ rudolf-stoeber-kriegsberichterstattung-kriegsberichterstatter (Zugriff am 17.6.2017); Ute D, Der Gallipoli-Effekt oder: Zum Wandel des Kriegsberichterstatters vom Augenzeugen zum Aufklärer, in: Daniela M, Jutta S (Hg.), Geschichte als Experiment. Studien zu Politik, Kultur und Alltag im 19. und 20. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 2004, S. 181–193; Ute D, Der Krimkrieg 1853–1856 und die Entstehungskontexte medialer Kriegsberichterstattung, in: D. (Hg.), Augenzeugen, S. 40–67; Frank B, Deutschland im Krieg von 1870/71 oder die mediale Inszenierung der nationalen Einheit, in: D (Hg.), Augenzeugen, S. 68–86; Andreas S, Ein imperialistischer Medienkrieg. Kriegsberichterstatter im Südafrikanischen Krieg (1899–1902), in: D (Hg.), Augenzeugen, S. 87–112; L-W, Patrioten im Pool; Lars K, Andreas S (Hg.), Geschichte der Kriegsberichterstattung im 20. Jahrhundert. Strukturen und Erfahrungszusammenhänge aus der akteurszentrierten Perspektive, Osnabrück 2006; Stephen B, War Correspondents in the Boer War, in: John G (Hg.), The Boer War. Direction, Experience and Image, London 2000, S. 187–202, 279–283; MarkC, David W (Hg.), War and the Media. Reportage and Propaganda, 1900–2003, London 2005; Martin S, British Journalists in the Great War, in: B, G (Hg.), Journalists as Political Actors, S. 56–72; Phillip K, The First Casualty. The War Correspondent as Hero, Propagandist and Myth Maker From the Crimea to Kosovo, London 2000; Frank B, Bilder von Krieg und Nation. Die Einigungskriege in der bürgerlichen Öffentlichkeit Deutschlands 1864–1913, München 2001; Nikolaus B, »Moderne Versimpelung« des Krieges. Kriegsberichterstattung und öffentliche Kriegsdeutung an der Schwelle zum Zeitalter der modernen Massenkommunikation (1850–1870), in: D., Horst C (Hg.), Die Erfahrung des Krieges. Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Paderborn 2001, S. 97–123; Manuel K, Im Krieg gegen Frankreich. Korrespondenten an der Front. 1870 vor Paris – 1916 an der Westfront – 1940 im Blitzkrieg, in: Barbara K, Horst T (Hg.), Kriegskorrespondenten. Deutungsinstanzen in der Mediengesellschaft, Wiesbaden 2007, S. 59–75. Merle Z, Kriegsberichterstatter in den deutschen Kolonialkriegen in Asien und Afrika. Augenzeugen, Anstifter, Komplizen?, Kiel 2016.
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Aufbau
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Aufbau Die Arbeit gliedert sich in drei relativ geschlossene Kapitel, die sich gewissermaßen von außen her dem eigentlichen Kernthema, der beruflichen Kultur deutscher Auslandskorrespondenten, annähern. Eine erste Annäherung erfolgt im ersten Kapitel über die Wahrnehmung des Auslandskorrespondenten aus der Außen- wie aus der Innenperspektive. Ersten Aufschluss darüber, ob und wie Auslandskorrespondenten wahrgenommen wurden und wie sich diese Wahrnehmung veränderte, liefert die Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent«. Die begriffsgeschichtliche Analyse der großen Lexika des 19. und frühen 20. Jahrhunderts soll klären, ab wann der (Auslands-)Korrespondent in den Schatz des für die Konversation relevanten Wissens aufgenommen wurde, ab wann ihn die Lexikonautoren für erwähnenswert hielten. Aus der begrifflichen Entwicklung lassen sich erste Anhaltspunkte über die Entwicklung des Berufs sowie dessen Wahrnehmung und Wertschätzung ablesen, etwa wann er in der Außenwahrnehmung den Sprung von einer Tätigkeit hin zu einem Beruf schaffte. Zunächst geht es also darum, seit wann es den Begriff des Auslandskorrespondenten überhaupt gab und mit welchem semantischen Gehalt er gefüllt wurde. In einem zweiten Schritt interessiert die Perspektive der Kollegen: Welchen Stellenwert hatten die Korrespondenten in den Berufsbeschreibungen der journalistischen Ratgeber- und Fachliteratur, die seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts publiziert wurde? Interessant sind hier vor allem die Wertungen und Gewichtungen der verschiedenen journalistischen Berufe, aber auch die Vorstellungen von der Tätigkeit des Auslandskorrespondenten. Ein weiterer Fragenkomplex bezieht sich daher auf die dem Auslandskorrespondenten zugeschriebenen Aufgaben und seine Funktion für die Zeitung: Gab es Entwürfe guter journalistischer Praxis, die sich speziell auf den Auslandskorrespondenten bezogen und sich von der Tätigkeit anderer Journalisten unterschieden? Welche Funktion hatte er für seine Zeitung in den Zeiten der massenhaft versandten Drahtnachricht, welchen Gewinn brachten den Blättern ihre auswärtigen Korrespondenten? Auch die Frage nach einer beruflichen Kultur und Arbeitspraxis der Auslandskorrespondenten soll an die Praktikerliteratur herangetragen werden. Kurt Tucholskys Kritik98 an der schlechten finanziellen Ausstattung der Korrespondenten und der damit einhergehenden Verschlossenheit der Türen, hinter denen die meisten Informationen zu erwarten waren, lenkt den Blick auf das Knüpfen persönlicher Netzwerke als Recherchepraktik. Als eine Strategie, sich zur Informationsaneignung weitere Kontakte zu erschließen, können die Korrespondentenvereine verstanden werden, die seit dem letzten 98
Ignaz W [Kurt T], Auslandskorrespondenten, in: Die Weltbühne (1924), S. 320; D., Auslandsberichte, in: Bärbel B, Andrea S (Hg.), Kurt Tucholsky. Gesamtausgabe, Bd. 7: Texte 1925, Reinbek bei Hamburg 2002, S. 226–231 (Original in: Weltbühne, 12.5.1925).
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Einleitung
Drittel des 19. Jahrhunderts gegründet wurden. Die Vereine bilden den letzten Stein in diesem Mosaik aus Perspektiven und Ansichten, indem sie einen Zugang zur Selbstwahrnehmung bzw. zum Selbstverständnis der Korrespondenten eröffnen. Diese drei Komplexe erlauben erste Antworten auf die Frage, wie die Auslandskorrespondenten von ihren Zeitgenossen wahrgenommen wurden, welche Relevanz ihnen nicht zuletzt auch von ihren Kollegen in den Redaktionen zugemessen wurde, wie sie selbst ihre Rolle interpretierten und inwieweit sie sich über ihren Beruf definierten bzw. mit ihren Berufsgenossen identifizierten. Abschließend werden diese Aspekte anhand der Diskussion der Frage nach der Professionalisierung des Berufs verknüpft. Da die politische Berichterstattung als Königsdisziplin des Journalismus gilt und auch von den Zeitgenossen des 19. Jahrhunderts als solche betrachtet wurde, stehen die politischen Auslandsberichterstatter im Fokus99 . Überhaupt waren politische und journalistische Tätigkeit lange Zeit auf das Engste miteinander verknüpft100 . Daher stellte der Kontakt zu den Akteuren aus Politik und Diplomatie, der im zweiten Kapitel untersucht wird, einen zentralen Aspekt der täglichen Arbeitsroutinen und Strategien der Informationsbeschaffung von Auslandskorrespondenten dar. Einer der wichtigsten Orte, an denen diese Kontakte geknüpft und gepflegt wurden, war das Parlament, dessen Verhandlungen zur Basis der Berichterstattung der Auslandskorrespondenten an allen drei untersuchten Nachrichtenplätzen gehörten. Bevor die Kommunikationspolitik des englischen, französischen und österreichischen Parlaments gegenüber den Auslandskorrespondenten untersucht wird, gilt es zunächst die auswärtige Pressepolitik Englands, Frankreichs und Österreichs sowie die damit einhergehenden Kommunikationspraktiken (vor allem der Außenministerien) zu beleuchten. Auch der Umgang des deutschen diplomatischen Dienstes mit den Korrespondenten deutscher Zeitungen im Ausland wird vorgestellt. So lassen sich Erkenntnisse über das Umfeld gewinnen, in dem die Korrespondenten das für ihren Beruf relevante Beziehungsgeflecht knüpften. Im dritten Kapitel rücken schließlich die deutschen Auslandskorrespondenten sowie ihre berufliche Kultur und typischen Karrierewege in den Mittelpunkt. Zusammenhängende theoretische oder programmatische Überlegungen zu dieser beruflichen Kultur durch einzelne Berufsvertreter existieren im hier untersuchten Zeitraum nicht, daher gilt es, diese aus den Praktiken und verstreuten, eher beiläufigen Bemerkungen in Tagebüchern, Erinnerungen und vor allem Briefen der Korrespondenten zu rekonstruieren. Auch das ist nicht unproblematisch, denn oftmals bleiben diese Praktiken weitgehend im Dunkeln. So gibt es kaum Informationen zu der wichtigen Frage nach der Auswahl der Nachrichten oder dem Schreibprozess, auch die Abstimmung mit und das Verhältnis zu der Redaktion wird nur selten offengelegt. Insgesamt thematisierten die 99 100
Z, Politischer Journalismus, S. 10; R, Journalismus als Beruf, S. 243. Kultur- und Wirtschaftsberichterstatter werden nur in Einzelfällen einbezogen. Ibid., S. 264f.
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Aufbau
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Auslandskorrespondenten ihre tägliche Arbeitspraxis nur sehr selten explizit. In den Zeitungen wurden die Umstände der Entstehung einer Meldung fast nie angesprochen – diese seltenen Perlen aus dem nahezu unübersehbaren Meer der Tagespresse herauszufischen wäre mit erheblichem Aufwand bei äußerst geringem Ertrag verbunden. Daher wurden die Zeitungsinhalte nur dann hinzugezogen, wenn sich in anderen Quellen Hinweise auf entsprechende Debatten in der Presse fanden. Auch wenn die Quellenlage problematisch ist, lässt sich doch aus den ermittelten, bruchstückhaften Informationen ein Mosaik zusammenfügen, das einen Einblick in die berufliche Kultur deutscher Auslandskorrespondenten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erlaubt. Die Basis des dritten Kapitels bildet die Darstellung typischer Biografien und Karrieremuster. Es ist unterteilt in eine Etablierungsphase (1848 bis Anfang der 1870er Jahre) und eine Hochphase (1870er Jahre bis 1914). Während in der Etablierungsphase die politische Kultur des Berichtsorts maßgeblich zur Generierung eines bestimmten Korrespondententyps beitrug und daher die einzelnen Orte das strukturierende Element dieses Teils bilden, wurden die Korrespondenten der zweiten Phase vornehmlich von professionellen Aspekten geprägt, weshalb dieser Teil die Ausgestaltung der Beziehung zwischen dem Korrespondenten und seiner Zeitung als Grundlage der Struktur nutzt101 . Anschließend an die biografischen Teile wird für jede der beiden Phasen die journalistische Arbeitspraxis untersucht, in deren Kern die Recherche steht, die auch für die Korrespondenten eine zentrale Herausforderung darstellte. Ohne ein verbrieftes Recht auf Information waren die Journalisten von der Bereitschaft der politischen Akteure abhängig, ihnen Informationen zukommen zu lassen. Da das Regieren unter Ausschluss der öffentlichen Meinung im ausgehenden 19. Jahrhundert nicht mehr möglich war und Politiker wie Diplomaten die Presse sowohl ihres eigenen Landes als auch anderer Länder in ihre Argumentationen und Strategien einbezogen, eröffneten sich den Journalisten neue Möglichkeiten und Zugänge – besonders, wenn es sich um angesehene Vertreter der Zunft handelte, die für wichtige Zeitungen schrieben. Das weist auf die Bedeutung von Kontakten und Beziehungen der Korrespondenten für die Gewinnung von Informationen hin, weshalb diese im Zusammenhang mit der Recherchepraxis ebenfalls beleuchtet werden. Zudem wird untersucht, wie sich die Gewichtung exklusiver Informationen veränderte und welche Rolle lokale Zeitungen spielten. Auch die Kommunikationswege 101
Politische Kultur wird hier im Sinne der Kulturgeschichte der Politik verstanden, bes. M, Kulturgeschichte der Politik; D., Überlegungen; R, Politische Kultur; Ute D, Inge M, Wolfram P, Thomas W, Einleitung, in: D. (Hg.), Politische Kultur, S. 7–23. Mit Blick auf das Parlament M, Parlamentarische Kulturen; Johannes H, Jörg F, Einführung: Parlamentarische Kulturen vom Mittelalter bis in die Moderne. Reden – Räume – Bilder, in: D. (Hg.), Parlamentarische Kulturen, S. 9–31; Thomas M, Parlamentarische Kultur in der Weimarer Republik. Politische Kommunikation, symbolische Politik und Öffentlichkeit im Reichstag, Düsseldorf 2002. Hier geht es hauptsächlich um Aspekte, die Beziehungen zu Umgang und Kommunikation mit Journalisten betreffen.
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Einleitung
(Brief, Telegramm, Telefon) zur Redaktion sind von Interesse, da sie den Arbeitsalltag der Korrespondenten maßgeblich beeinflusst haben dürften. Zentral sind die Fragen nach dem Selbstverständnis der Korrespondenten, zu dem neben der Selbstwahrnehmung als Berufsgemeinschaft das journalistische Rollenverständnis, die Identifikation mit dem Gast- und/oder Heimatland sowie Vorstellungen von guter journalistischer Praxis (Werte, Normen, Standards) gehören. Die lange Zurückhaltung der Forschung bezüglich der Akteure erklärt sich teilweise aus Quellenproblemen, die bereits angeklungen sind. Im 19. Jahrhundert existierten keine zuverlässigen Verzeichnisse von Auslandskorrespondenten – nicht einmal die »Allgemeine Zeitung« führte eines. Ihr eher geringer gesellschaftlicher Status führte dazu, dass sich die Journalisten selten als solche bezeichneten, sondern meist als Schriftsteller102 . Auch aus den Zeitungen selbst lassen sich die Autoren der Auslandsberichterstattung nicht herausfiltern, nur in Ausnahmefällen wurden Korrespondenzzeichen aufgelöst. Wie sich zeigen wird, rückten die Auslandskorrespondenten erst im letzten Drittel des Jahrhunderts in den Fokus der Politik, so dass sie auch in staatlichen Quellen lange Zeit nur spärlich verzeichnet wurden. Schon die Identifikation des Personenkreises, der hier interessiert, gestaltete sich daher äußerst problematisch. Über biografische Nachschlagewerke, Forschungs- und zeitgenössische Literatur, Jubiläumsschriften von Zeitungen und Verlagen, (Auto-) Biografien, das Cotta-Archiv, Nachlassdatenbanken und die Verzeichnisse, die die deutsche Diplomatie seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert anlegte, ließ sich ein Grundstock deutscher Auslandskorrespondenten identifizieren, der im Laufe der Recherchen nach dem Schneeballprinzip ausgeweitet wurde. Um die Ergebnisse dieser teilweise mühseligen Recherchen der Forschung zur Verfügung zu stellen, wird ein Verzeichnis der als Auslandskorrespondenten deutscher Zeitungen identifizierten Personen im Anhang abgedruckt.
Quellenlage Auch wenn das Angebot biografischer Nachschlagewerke groß ist und dank der DFG-Nationallizenzen mit dem World Biographical Information System ein riesiger internationaler Fundus online zur Verfügung steht, war es dennoch in vielen Fällen nicht möglich, Genaueres zu den einzelnen Korrespondenten herauszufinden – manchmal liegen nicht einmal die vollständigen Lebensdaten vor, ganz zu schweigen von Informationen über soziale Herkunft, Bildung oder Berufsbiografie. Ähnlich schwierig war es, Nachlässe von Korrespondenten zu finden, die Auskunft über deren berufliche Kultur geben könnten. Die Auswahl der im dritten Kapitel eingehender vorgestellten Korrespondenten ist daher zum Teil der Quellenlage geschuldet. Da diese für die »Allgemeine Zeitung« 102
R, Journalismus als Beruf, S. 131–133.
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Quellenlage
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besonders gut ist, sind deren Korrespondenten in der ersten Phase leicht überrepräsentiert; es wurde jedoch versucht, die Korrespondenten verschiedener anderer Zeitungen einzubeziehen. Viele der fokussierten Korrespondenten waren keine Durchschnittsvertreter ihrer Zunft, sondern eher einer Elite zuzurechnen, oder sie genossen aus anderen Gründen eine gewisse Bekanntheit, so dass ihr Nachlass überliefert wurde. Nicht alle Nachlässe, Briefwechsel oder Tagebücher, die für diese Arbeit eingesehen wurden, erwiesen sich als relevant, denn auch für diese Dokumente trifft zu, was für Autobiografien gilt: Journalisten schreiben über alles und jeden, nur nicht über ihren Beruf und sich selbst103 . Die Aussagen über Arbeitspraxis oder Selbstverständnis waren oft spärlicher als erhofft. Gleichwohl bildet diese Quellengattung die Grundlage des dritten Kapitels. Einen besonderen Stellenwert nehmen die Bestände des Cotta-Archivs (Stiftung der Stuttgarter Zeitung) im Deutschen Literaturarchiv in Marbach a. N. ein. Unter ihnen befindet sich das Redaktionsarchiv der »Allgemeinen Zeitung«, zu dem neben teilweise umfangreicher Korrespondenz zwischen Besitzern, Redakteuren und Korrespondenten des Blattes auch die Honorarbücher gehören, aus denen wertvolle Erkenntnisse zur beruflichen und sozialen Situation von Korrespondenten gewonnen werden konnten. Auch der Nachlass des langjährigen Redakteurs der »Kölnischen Zeitung«, Heinrich Kruse, der im Archiv des Heinrich-Heine-Instituts in Düsseldorf verwahrt wird, erwies sich als fruchtbar. Auch wenn die Auslandsberichterstattung selbst nicht untersucht wurde, erwiesen sich Zeitungen in manchen Fällen doch als hilfreiche Quellen, etwa wenn Konflikte öffentlich ausgetragen wurden. Mancher Ausweisungsfall zog ein Rauschen im Blätterwald nach sich, dem wertvolle Hinweise auf Selbstverständnis, Praktiken oder Beziehungen zu entnehmen waren. Die Presse wurde aber nur in Einzelfällen als ergänzende Quelle herangezogen, der Arbeitsaufwand einer systematischen Auswertung einzelner Zeitungen auf Artikel, die den Auslandskorrespondenten thematisieren, hätte auch hier in keinem sinnvollen Verhältnis zum zu erwartenden Ertrag gestanden – selbst wenn es mittlerweile Digitalisierungsprojekte gibt, die zahlreiche Zeitungstitel online zur Verfügung stellen104 . Die zeitgenössische Presse erwies sich indes in Bezug auf die Korrespondentenvereine als hilfreiche Ergänzung. Das lange verschollene Archiv des Vereins der ausländischen Presse in Berlin konnte im schwedischen 103
104
Das stellten unter anderem schon Requate und Albert fest, ibid., S. 28, und Pierre A, Histoire de la presse politique nationale au début de la Troisième République (1871–1879). 1re partie: Le monde de la presse, Lille 1980, S. 55. So das Zeitungsinformationssystem ZEFYS der Staatsbibliothek zu Berlin, verfügbar unter http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de; der virtuelle Zeitungslesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek ANNO – Austrian Newspapers Online, verfügbar unter http://anno. onb.ac.at/index.htm. Gallica, das Digitalisierungsprojekt der Bibliothèque nationale de France, stellt unter anderem zahlreiche französische Zeitungen des 19. Jahrhunderts bereit, verfügbar unter http://gallica.bnf.fr; britische Zeitungen sind über verschiedene Portale zugänglich, für die es teilweise DFG-Nationallizenzen gibt: 19th Century British Library Newspapers oder The Times Digital Archive 1785–1900.
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Einleitung
Riksarkivet in Stockholm-Marieberg ausfindig gemacht werden, allerdings liegt der Schwerpunkt der Überlieferung in den 1920er Jahren. Auch die Foreign Press Association bewahrt einige Dokumente aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg auf. Die Association syndicale de la presse étrangère in Paris hat kein Archiv aus der Zeit vor 1945, vermutlich fiel es der deutschen Besatzung in den 1940er Jahren und dem radikalen Bruch, den diese für den Verein bedeutete, zum Opfer. Allerdings bietet das Archiv der Assemblée nationale wertvolle Einblicke in die Interaktion des Vereins mit dem französischen Parlament. Auch vom Wiener Verband der auswärtigen Presse und seiner Konkurrentin, der Union der Correspondenten der ausländischen Presse, konnte kein Archiv ausfindig gemacht werden. Hier lieferten die im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrten Akten der Statthalterei, die die Korrespondenz der Vereine mit den Behörden dokumentieren, wichtige Anhaltspunkte. Als sehr wertvoll erwiesen sich auch staatliche Archive, besonders die der Außenministerien, wobei die Quellenlage je nach Zeitraum und Staat sehr unterschiedlich ausfiel. Die diplomatische Korrespondenz des Preußischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt wird, barg so gut wie keine Informationen über deutsche Auslandskorrespondenten. Dagegen fanden sich in den Akten des Literarischen Bureaus, das zum Ministerium des Innern gehörte, einige interessante Hinweise105 . Das Auswärtige Amt dagegen dokumentierte die Tätigkeit der Presse zunehmend sorgfältig und legte seit den 1870er Jahren, besonders aber seit den 1890er Jahren, immer umfangreichere Aktenserien über Presse und Journalisten in England, Frankreich und Österreich sowie über deutsche Zeitungen und Journalisten an106 . Die Bestände Europa Generalia, Deutschland, England, Frankreich und Österreich enthalten neben verstreuten Hinweisen auf Beobachtung von und Interaktion mit Journalisten ganze Unterabteilungen, die sich mit Presse und Journalisten beschäftigen. Auch die Akten der deutschen Botschaften in London, Paris und Wien erwiesen sich als ergiebig. Während im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes regalmeterweise potentiell interessante Akten mit Pressebezug ausgewertet werden konnten, existieren vergleichbare Serien in den britischen National Archives, die die Überlieferung des Foreign Office verwahren, überhaupt nicht. Die General Correspondence ist nur geografisch, nicht aber thematisch untergliedert; die Akteure im Foreign Office sahen offenbar keine Notwendigkeit, die Akten zur deutschen Presse schnell griffbereit zu haben. Auch die glücklicherweise vorhandenen Registerbände zu den überprüften Serien Prussia, Bavaria, Bade, Wurtemberg, Minor German States bzw. nach 1871 Germany verzeichnen zwar die Schlagworte »Press« und »Newspapers«, nicht jedoch »Journalists«. Bei der Lektüre der wenigen vorhandenen Akten wurde schnell deutlich, dass die 105 106
GStA PK, I. HA Rep. 77 A Literarisches Büro (Ministerium des Innern). Auch Dominik Geppert hat den sich verändernden Charakter der Bestände im PA AA beschrieben, G, Pressekriege, S. 32.
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Quellenlage
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Briten einen völlig anderen Umgang mit ausländischen Journalisten pflegten; deutsche Auslandskorrespondenten kommen in diesen Akten nicht vor. In Frankreich wurden Journalisten und auch Auslandskorrespondenten schon zu Beginn des Untersuchungszeitraums von staatlichen Stellen beobachtet. So existiert in den Akten der Police générale und des Innenministeriums, die in den Archives nationales in Pierrefitte-sur-Seine liegen, eine eigene Abteilung mit dem Titel »Imprimerie, librairie, presse, censure«, die zahlreiche persönliche Dossiers auch von deutschen Auslandskorrespondenten enthält – allerdings bestehen diese oft nur aus einem einzigen Blatt. Die Behörde scheint diese Akten nicht für archivwürdig gehalten zu haben. Reichere Funde ließen sich in den Archives diplomatiques in La Courneuve machen, wo sich die Akten des Ministère des Affaires étrangères aus dem 19. Jahrhundert befinden. Da die wenigen Presseakten nicht besonders ergiebig waren, wurde wiederum die ziemlich umfangreiche »Correspondance politique« (Allemagne, Bade, Bavière, Prusse, Wurtemberg) ausgewertet. Die umfangreiche Pressearbeit des österreichischen Ministeriums des Äußern dagegen spiegelt sich auch in der archivalischen Überlieferung. Die Presseakten liegen in gebündelter Form im Bestand der Preßleitung. Dieser Bestand wurde als Recherchegrundlage genutzt, da Stichproben in der politischen Korrespondenz fast keine Treffer ergaben. Der Bestand weist einige Parallelen zu seinem Pendant in Berlin auf: Nach 1880 wurde er nach Ländern ausdifferenziert und nahm an Umfang deutlich zu. Die Archive der Parlamente in den drei untersuchten Hauptstädten boten wertvolle Einblicke in die Kommunikation mit Auslandskorrespondenten und lieferten zudem Hinweise auf deren Arbeitspraxis. Vor allem die Archive der Assemblée nationale und des Sénat ergänzten das Mosaik um wichtige Bausteine, auch wenn die Dokumentation erst seit den 1920er Jahren deutlich detaillierter wurde. Im Wiener Parlamentsarchiv existieren kaum noch Akten über den Zugang von Journalisten oder Auslandskorrespondenten zum österreichischen Reichsrat, obwohl dieser durchaus auf entgegenkommende Weise geregelt wurde. Auch die Londoner Parliamentary Archives bergen einen »Foreign Newspapers« betitelten Band, der sehr aufschlussreich war. Die Quellenlage ist also ziemlich disparat und lässt nicht immer einen direkten Vergleich zwischen den Korrespondenten an den einzelnen Nachrichtenplätzen zu – allerdings birgt schon die Überlieferung erste Hinweise auf die Rahmenbedingungen, die die berufliche Kultur der deutschen Auslandskorrespondenten formten. Wenngleich die Quellen keine zufriedenstellende Beantwortung aller Fragen zuließen und großen Rechercheaufwand oftmals nur mit vereinzelten oder schwer einzuordnenden Funden belohnten, bargen sie doch zahlreiche Bruchstücke, aus denen sich ein Mosaik der beruflichen Kultur deutscher Auslandskorrespondenten zusammensetzen ließ107 . 107
In den Quellenzitaten wurde die originale, manchmal fehlerhafte Schreibweise beibehalten. Abweichungen wurden lediglich bei Eigennamen durch [sic] gekennzeichnet.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten: Wahrnehmungen und Identität In diesem Kapitel erfolgen erste Annäherungen an den Auslandskorrespondenten, indem über eine begriffsgeschichtliche Analyse zunächst seine gesellschaftliche Wahrnehmung untersucht wird. Daran anschließend wird die Perspektive der Berufskollegen in den Blick genommen. Anhand der berufskundlichen Fachliteratur wird die von Redakteuren vorgenommene Verortung des Auslandskorrespondenten innerhalb des Journalismus nachvollzogen, woraus sich Anhaltspunkte für die ihm zugedachte Rolle in der Zeitung sowie für die von ihm erwartete Ausgestaltung seiner Arbeitspraxis ergeben. Die Untersuchung der Vereine von Auslandskorrespondenten lässt Rückschlüsse zu über die Herausbildung einer Gruppenidentität und vollzieht damit einen Wechsel in die Perspektive der Korrespondenten selbst, so dass in diesem Abschnitt deren Selbstwahrnehmung und Selbstverständnis in den Blick rücken. Zuletzt verbindet die Diskussion der Frage einer Professionalisierung des Auslandskorrespondenten die Abschnitte dieses Kapitels.
1. Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent« Für die spezifische Kultur eines Berufs sind nicht nur Selbstwahrnehmung und Selbstbeschreibung seiner Vertreter von Belang, sondern auch die Wahrnehmungen und damit verbunden die Wertschätzungen, mit denen andere aus der Außenperspektive auf den Beruf und seine Akteure blicken. Gerade für Journalisten um die Wende zum 20. Jahrhundert konnte diese Wahrnehmung Einfluss auf die Arbeitspraxis haben: »[G]escheiterte Existenzen«1 , »verkommene Gymnasiasten«2 oder »minderwertige Elemente«3 durften kaum erwarten, von Politikern und Diplomaten empfangen zu werden. Das teilweise schlechte 1
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Richard W, Die Vorbildung der Journalisten und Redakteure, in: D. (Hg.), Handbuch der Journalistik, Berlin 1902, S. 7–20, hier S. 8, auch Jörg R, Gescheiterte Existenzen? Zur Geschichte des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert, in: Martin W, Jürgen W (Hg.), 400 Jahre Zeitung. Die Entwicklung der Tagespresse im internationalen Kontext (1605–2005), Bremen 2008, S. 335–354. Wilhelm II. bei der Eröffnung der Konferenz für das höhere Schulwesen in Berlin am 1. Dezember 1890; zitiert nach Johannes F, Die Praxis des Journalisten. Ein Lehr- und Handbuch für Journalisten, Redakteure und Schriftsteller, Leipzig 1901, S. 57. Tony K, Das Zeitungswesen, Kempten, München 1908, S. 190.
https://doi.org/10.1515/9783110581973-003
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Image des Journalistenberufs drängte seine Vertreter in eine Rechtfertigungshaltung, die Grund für deren Versuche war, den Zugang zum Beruf exklusiver zu gestalten. Diese Außenperspektive wird hier anhand der Entwicklung der Begriffe des Auslandskorrespondenten sowie des Korrespondenten nachvollzogen, wie sie sich in zeitgenössischen Lexika darstellte4 . Die Rekonstruktion der Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent« ist ein erster Schritt zum Verständnis von dessen beruflicher Kultur, denn die Existenz – oder Absenz – des Begriffs ist ein Hinweis auf die Identität und die Wahrnehmung der Auslandskorrespondenten als Gruppe. Um die spezifische berufliche Kultur als Ensemble von Konzepten, Identitäten, Praktiken, Wahrnehmungen und Bedeutungen zu verstehen, ist es nötig, die sprachliche Codierung dieser Bedeutungszusammenhänge offenzulegen. Die Untersuchung des Begriffs »Korrespondent« ist auch deshalb wichtig, weil das Wort einen signifikanten Bedeutungswandel erfuhr, der in der Forschungsliteratur nicht immer ausreichend berücksichtigt wird. So war eine der vier von Dieter Paul Baumert 1928 in seiner Arbeit über »Die Entstehung des deutschen Journalismus« unterschiedenen Phasen die »Periode des korrespondierenden Journalismus, die der Zeit vom Ende des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts das Gepräge gibt und durch die relatorische Berichterstattung des außerhalb der Zeitungsunternehmung stehenden Korrespondenten gekennzeichnet ist«5 . Die Gültigkeit dieses Konzepts wurde noch in der neueren Literatur explizit bestätigt6 , obwohl Rudolf Stöber richtig bemerkt, dass eigentlich alle Phasen vor der des redaktionellen Journalismus (seit 1848) streng genommen als »präjournalistisch« einzuordnen seien7 . Und in der Tat ist es problematisch, die Arbeit der Korrespondenten des 17. und 18. Jahrhunderts als eine »journalistische«8 zu bezeichnen. Die Unterschiede zwischen dem nebenberuflichen oder gar nur beiläufigen Mitteilen von Neuigkeiten und dem journalistischen Beruf des Korrespondenten, der sich durch eine spezifische Berufskultur – mit entsprechender Arbeitspraxis, berufsbezogenem Wertesystem und auf den Beruf gestützter Identität – auszeichnet, überwiegen deutlich die zweifelsohne vorhandenen Kontinuitäten und Verwandtschaften. Als »journalistische
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Als Einstieg in das Konzept der Begriffsgeschichte Christof D, Die »Geschichtlichen Grundbegriffe«. Von der Begriffsgeschichte zur Theorie der historischen Zeiten, in: Historische Zeitschrift 270 (2000), S. 281–308; D., Reinhart K, Begriffsgeschichte, Sozialgeschichte, begriffene Geschichte. Reinhart Koselleck im Gespräch mit Christof Dipper, in: Neue Politische Literatur 43 (1998), S. 187–205. B, Die Entstehung des deutschen Journalismus, S. 17. Man könne seiner Systematik immer noch folgen, meinen etwa P, R, Zur Berufsgeschichte des Journalismus, S. 408; auch W, Art. »Pressegeschichte«, S. 478f. S, Deutsche Pressegeschichte, S. 217. B, Die Entstehung des deutschen Journalismus, S. 17; siehe auch Einleitung, S. 21f.
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1. Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent«
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Figur[en]«9 treten Zeitungskorrespondenten wohl frühestens seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert auf10 . Der deutlichste Befund der begriffsgeschichtlichen Recherchen, so viel sei hier vorweggenommen, ist eine Leerstelle. Der Begriff des Auslandskorrespondenten wurde vor dem Ersten Weltkrieg in der Regel nicht gebraucht, weder von den Autoren entsprechender Lexikoneinträge, noch in Buchtiteln, noch in der journalistischen Ratgeberliteratur, noch als Selbstbezeichnung von im Ausland tätigen Zeitungskorrespondenten. Sehr wohl gebraucht wurde hingegen der zweite Teil dieses Kompositums, wobei der Begriff »Korrespondent« während des 19. Jahrhunderts eine Entwicklung durchlief, die hier anhand von Lexikoneinträgen11 kurz skizziert werden soll. Auch wenn die Bezeichnung »Korrespondent« identisch blieb, so veränderte sich deren Semantik merklich. Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein verzeichneten die großen Enzyklopädien unter dem Lemma »Correspondent« fast wortgetreu die Definition, die 1733 im sechsten Band von Zedlers Universal-Lexikon gedruckt wurde: »Correspondent, der mit einem andern Briefe wechselt«12 . Gegen Mitte des 19. Jahrhunderts erfuhr der Begriff mit Blick auf drei besondere Formen des Briefwechsels eine genauere Spezifizierung: Neben der allgemeinen Bedeutung des Briefschreibers trug der Begriff nun die Semantiken eines Händlers, eines kaufmännischen Mitarbeiters und eines Menschen, »der für Zeitblätter Artikel liefert«13 . In dieser Form fand der Zeitungskorrespondent seither durchgehend Berücksichtigung in den Lexika. Die relativ offene Formulierung legt nahe, dass hier von einer Tätigkeit, noch nicht aber von einem Beruf die Rede war.
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B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 110. Genauer gesagt seit der Französischen Revolution, wobei eine systematische Untersuchung dieser Frühzeit des journalistischen Korrespondentenwesens noch aussteht. R, Journalismus als Beruf, S. 122. Lexikoneinträge haben in der Regel einen gewissen Reflexionsprozess durchlaufen und können als gesichertes Wissen und breiter Konsens ihrer Zeit gelten. Zudem lässt sich die Entwicklung des Begriffs anhand der Veränderungen und Aktualisierungen der Lemmata in den verschiedenen Auflagen gut nachvollziehen. Die Basis der Untersuchung sind die großen Lexika des 19. Jahrhunderts von Brockhaus und Meyer, daneben wurden noch einige weitere Enzyklopädien und Lexika hinzugezogen (siehe Quellen- und Literaturverzeichnis). [. V.], Art. »Correspondent«, in: Johann Heinrich Z (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde., Halle, Leipzig 1732–1754 [Faksimile-Nachdruck Graz 1961], Bd. 6 (1733/1961), Digitalisat unter www.zedler-lexikon.de (Zugriff am 16.6.2017). [. V.], Art. »Correspondent«, in: Heinrich August P (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, Altenburg 3 1840–1846, Bd. 7 (1841), Bayerische Staatbibliothek digital, http://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10401508. html (Zugriff am 18.6.2017). Zuletzt wurde noch auf die Verwendung als Titel von Zeitungen hingewiesen, was auf deren Entstehung aus dem Nachrichtenteil von Briefen verweist.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Die Wendung des »eigene[n] Correspondenten«14 , die im Zusammenhang mit der Nachrichtenbeschaffung der Zeitungen gebraucht wurde, macht deutlich, dass eine gefestigte Berufsbeziehung zwischen Zeitung und Korrespondent eher eine Ausnahme war, vereinzelt aber schon vorkam. Der Hinweis auf die »Correspondenten«, die die AZ »fast in allen europäischen Ländern« habe und derer sich die dortigen Regierungen »nicht selten« bedienten, »um in halb-officiellen Artikeln das Publicum für ihre Ansichten zu gewinnen«15 , kann ebenfalls als ein Zeichen des Übergangs von der Beschreibung einer Tätigkeit hin zu einem Beruf gelesen werden: Die Funktion ging über die eines gelegentlichen oder regelmäßigen Briefpartners weit hinaus und kam der eines Repräsentanten und Bindeglieds zwischen Zeitung und Regierung am Berichtsort gleich. Dass der Begriff »Korrespondent« für Vertreter des Zeitungswesens durchaus auf den journalistischen Aspekt verengt sein konnte, belegt ein Brief von Georg von Cotta, in dem er über sein Adressbuch – wertvoller und geheimzuhaltender Verlagsschatz – schreibt, er trage dort »alle Adreßen ein [. . . ], die mit mir in Verbindung stehen. In demselben befinden sich dann auch alle Adreßen der Correspondenten der A. Z. zerstreut«16 . Unter dem Lemma »Korrespondent« sind bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zwar keine wesentlichen Veränderungen mehr zu beobachten, allerdings lässt sich eine Aufwertung des Begriffs wie des Phänomens in den Einträgen »Journalist«, »Journalismus«, »Korrespondenz« und »Zeitung« beobachten. Während »Journalist« laut Pierers »Universal-Lexikon« die Bezeichnung für einen Diensthabenden, einen »auf Diäten Gesetzte[n]« und den »Redacteur einer Zeitschrift« sein konnte17 , wählte Manz 1873 in seiner »Allgemeinen Realencyclopädie« die deutlich weitere Definition: »Schriftsteller, der an einer Zeitschrift arbeitet«, die implizierte, dass Journalisten auch andere Funktionen als die des Redakteurs einnehmen konnten, und die fortan auch in anderen Lexika aufgegriffen wurde18 . Im Spamer’schen »Illustrirten KonversationsLexikon«, das als »Hausschatz für das deutsche Volk« verstanden sein wollte, wurde unter dem Lemma »Journalismus« mit Elard Biscamp in seiner 14
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[. V.], Art. »Zeitungen und Zeitschriften«, B, Allgemeine deutsche RealEncyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon, Leipzig 9 1843–1848, Bd. 15 (1848). Ibid. Brief Georg von Cotta an Hermann Orges, 13.7.1859; DLA, Cotta: Briefe – Orges. [. V.], Art. »Journalist«, in: P (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit, Bd. 15 (2 1943). [. V.], Art. »Journalist«, in: Georg Joseph M (Hg.), Allgemeine Realencyclopädie, oder Conversationslexikon für alle Stände,12 Bde., Regensburg 3 1865–1873, Bd. 8 (1873). Siehe auch [. V.], Art. »Journalist«, in: Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 16 Bde., Leipzig, Berlin, Wien 14 1894–1896, Bd. 9 (1894). Faksimile-Digitalisat unter http://www. retrobibliothek.de/retrobib/index.html (16.6.2017); sowie [. V.], Art. »Journalist«, in: Meyers Konversations-Lexikon. Ein Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens, 17 Bde., Leipzig, Wien 5 1893–1897, Bd. 9 (1896).
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1. Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent«
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Eigenschaft als Londoner »Hauptkorrespondent« der AZ erstmals explizit ein Auslandskorrespondent als Persönlichkeit gewürdigt19 ; auch dies deutet auf eine wachsende Relevanz des Berufs hin. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden neben einzelnen Redakteuren zunehmend Korrespondenten, »Spezialkorrespondenten« oder »eigene« Korrespondenten (our own)20 als Mitarbeiter von Zeitungen erwähnt21 . In der letzten Ausgabe des Brockhaus’schen Konversationslexikons vor der Jahrhundertwende wurde der Korrespondent dann erstmals explizit als »Journalist« bezeichnet, »der für Zeitungen Korrespondenzen liefert«22 . Damit wird deutlich, dass er nicht mehr nur als Zulieferer bloßer Fakten betrachtet wurde, der mit den eigentlichen Journalisten, den Redakteuren, ansonsten nichts zu tun hatte, sondern dass seine Tätigkeit eine spezifisch journalistische sein konnte. Der Begriff des Korrespondenten umfasste nun also auch die Semantik einer Berufsbezeichnung. In Herders KonversationsLexikon von 1902–1910, das die »Entwicklung zur berufsmäßigen Ausübung« des Journalismus im 19. Jahrhundert verortete, bezeichnete man als Journalisten »zunächst die Redakteure«, neben diesen seien »die freien Journalisten, als Korrespondenten, Berichterstatter, Rezensenten, Reporter, für die Zeitungen thätig«23 . Der Korrespondent wurde damit als Spezialform des Berufs des Journalisten gewürdigt. Mit der Entwicklung des »Korrespondenten«-Begriffs von der Bezeichnung einer unspezifischen Tätigkeit hin zu einer Berufsbezeichnung erfuhr auch die »Korrespondenz« eine Spezifizierung vom Briefwechsel24 hin zum eingesandten Zeitungsartikel25 . Korrespondenzbüros im Sinne von Nachrichtenagenturen fanden in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts eine ausführliche Berücksichtigung, was belegt, dass die Zeitgenossen deren gewachsene Relevanz registrierten und zunehmend auch den Nachrichtendienst der Zeitungen in den Blick nahmen26 . 19
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[. V.], Art. »Journalismus«, in: Otto S (Hg.), Illustrirtes Konversations-Lexikon. Vergleichendes Nachschlagewerk für den täglichen Gebrauch. Hausschatz für das deutsche Volk und »Orbis pictus« für die studirende Jugend, 8 Bde., Leipzig, Berlin 1870–1880, Bd. 5 (1876). Die Erwähnung der englischen Bezeichnung kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass die deutschen Zeitungen die Entwicklung des englischen Nachrichtendienstes aufmerksam beobachteten und zum nachahmenswerten Vorbild erkoren. [. V.], Art. » Korrespondent«, in: Meyers Konversations-Lexikon, Bd. 10 (5 1896); [. V.], Art. »Korrespondent«, in: Meyers Konversationslexikon. Eine Encyklopädie des allgemeinen Wissens, 19 Bde., Leipzig, Wien 4 1885–1892, Bd. 10 (1890). [. V.], Art. »Journalist«, in: Brockhaus’ Konversations-Lexikon, Bd. 9 (14 1894). [. V.], Art. »Journalismus«, in: Herders Konversations-Lexikon, Freiburg i. Br. 3 1902–1910, Bd. 4 (1904). Ausschließlich in diesem Sinne noch in [. V.], Art. »Korrespondenz«, in: Joseph M (Hg.), Das Große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände, Hildburghausen 1840–1852, Bd. 18 (1851). [. V.], Art. »Korrespondiren«, in: S (Hg.), Illustrirtes Konversations-Lexikon, Bd. 5 (1876). [. V.], Art. »Berichterstatter«, in: Meyers Konversationslexikon, Bd. 2 (4 1890), sowie
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Nach dem Ersten Weltkrieg setzte sich diese Entwicklung hin zu einer stärkeren Berücksichtigung der Presse und der mit ihr zusammenhängenden Berufe in den Lexika fort: In den 1920er und 1930er Jahren wurde eine größere Zahl von mit Presse und Journalismus verbundenen Stichworten verzeichnet, die zudem immer ausführlichere Erläuterung erfuhren. Die 15. Auflage des Großen Brockhaus (1928–1935) deutete unter dem Lemma »Korrespondent« eine Klassifizierung von Zeitungskorrespondenten an: Man verzeichnete nun »ständige und Spezialkorrespondenten oder Sonderberichterstatter«, »Berufskorrespondenten« und »nebenberuflich tätige«27 . »Korrespondent« war nicht nur zu einer Berufsbezeichnung geworden, sondern bedurfte auch der Untergliederung. Meyers Lexikon, das zwischen 1936 und 1942 gedruckt wurde und dementsprechend deutlich von nationalsozialistischen Begriffen und Ideologie durchsetzt war, traf erstmals die begriffliche Unterscheidung zwischen »Auslands-, Inlands-, Sonder- und Kriegs-K[orrespondenten]«28 . Damit hatte der Begriff des Auslandskorrespondenten den Weg in das Lexikon und seine Aufnahme in das allgemein gültige und anerkannt relevante Wissen seiner Zeit gefunden. In anderen Textgattungen ist der Begriff »Auslandskorrespondent« schon deutlich früher zu entdecken: Zwar konnte er weder in den frühen deutschen Pressegeschichten noch in der Praktikerliteratur dingfest gemacht werden, und auch in den untersuchten Briefen von Londoner, Pariser und Wiener Korrespondenten im Cotta-Archiv bezeichnete sich keiner als »Auslandskorrespondent«29 . Statt des Kompositums wurden meist Phrasen verwandt: Im Auswärtigen Amt etwa bediente man sich noch nach 1900 der Wendung »Korrespondenten auswärtiger Zeitungen«30 . Im Zusammenhang mit Übergriffen der Berliner Polizei auf einige Auslandskorrespondenten, die über die Moabiter Straßenunruhen im September 1910 berichteten, wurde – auch in den Zeitungen – von »fremden« bzw. »ausländischen Journalisten« geschrieben31 . Selbst in den Statuten der Korrespondentenvereine wurden derartige Phrasen verwandt: »Korrespondenten/Vertreter der ausländischen/auswärtigen Presse«32 .
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[. V.], Art. »Korrespondenz«, ibid., Bd. 10 (4 1890). Faksimile-Digitalisat auf http://www. retrobibliothek.de/retrobib/index.html (Zugriff am 16.6.2017). [. V.], Art. »Korrespondent«, in: Der große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden, Leipzig 15 1928–1935, Bd. 10 (1931). [. V.], Art. »Korrespondent«, in: Meyers Lexikon, 9 Bde., Leipzig 8 1936–1942, Bd. 6 (1939). Das bezieht sich in erster Linie auf Briefe von Londoner, Pariser und Wiener Korrespondenten der AZ, die im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar im Cotta-Archiv liegen, gilt aber auch für die anderen untersuchten Nachlässe. Übersicht über österreichische Preßverhältnisse, Wien, 2.1903, PA AA, RAV London, 1325–1327. PA AA, RZ 201, England 73, R 5638; PA AA, RZ 201, England 81 Nr. 3, R 5963. VAP Berlin, Statuten, 1906, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481; Paul Goldmann an AA, Juli 1906, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481; die Akten über die Korrespondentenvereine in WStLA, M.Abt. 119, A32–1931: 3247 sowie WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Analog auch beim Pariser Verein Correspondants de journaux étrangers,
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1. Geschichte des Begriffs »Auslandskorrespondent«
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Dass der Begriff aber schon vor dem Ersten Weltkrieg eingeführt war, zeigen einzelne Funde in Zeitschriften: In Artikeln, die das Pressewesen und die Nachrichtenbeschaffung reflektieren, wurde der Begriff schon in der ersten Dekade des 20. Jahrhunderts als Bezeichnung für einen journalistischen Beruf verwendet33 , dem zumindest in einem Fall auch schon Merkmale einer spezifischen Berufskultur zugeschrieben wurden34 . Parallel wurde jedoch der Begriff des Auslandskorrespondenten auch im Sinne eines kaufmännischen Angestellten verwendet, der für die Korrespondenz mit dem Ausland zuständig war35 – in den Lexika stand diese Bedeutung zumeist an erster Stelle36 . Und so verbirgt sich hinter dem Titel »Wie werde ich ein tüchtiger Auslandskorrespondent?« nicht etwa ein Leitfaden für angehende Journalisten, sondern eine Sammlung kaufmännischer Musterbriefe37 . Forscht man dem »Auslandskorrespondenten« im Titel von Publikationen mit Blick auf benachbarte Buchmärkte weiter nach, so wird deutlich, dass der britische und nordamerikanische »foreign correspondent« offenbar ein deutlich stärkeres Verkaufsargument war als der deutsche »Auslandskorrespondent« oder gar der französische »correspondant étranger«: Während in den späten 1930er Jahren mehrere britische (und amerikanische) Journalisten ihre Erinnerungen schon im Titel als die von Auslandskorrespondenten auswiesen38 , taten
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statuts, 5.1.1884, AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. Eduard G, Die Depeschenzeitung, in: Die Zukunft 67 (1909), S. 256–259, der gegen den »Depeschenwust« protestiert und für einen sinnvolleren Einsatz der Auslandskorrespondenten plädiert, sowie C. M, Ansprüche der Mission an die alte Christenheit, in: Evangelisches Missions-Magazin. Neue Folge 53 (1909), S. 101–116, der der Mission durch die Zusammenarbeit mit Auslandskorrespondenten eine bessere Presse bescheren will. Frank F. W F, Shakespeare in England, in: Hochland 4 (1907), S. 631–634, der die angeblich in Vorurteil und Abschreiben verhaftete berufliche Kultur deutscher Auslandskorrespondenten kritisiert. W., Bücherschau, in: Zeitschrift für das gesamte kaufmännische Unterrichtswesen 10 (1907), S. 374, sowie Bernhard M, Die Entstehung und Entwicklung der großen französischen Kreditinstitute mit Berücksichtigung ihres Einflusses auf die wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs, Stuttgart, Berlin 1911. So etwa in P (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit, 3 1840– 1846, in den verschiedenen Auflagen des Meyer’schen Konversationslexikons von der ersten (1840–1852) bis zur siebten Auflage (1924–1933) sowie in Der große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden, Leipzig 15 1928–1935. Walther L, Wie werde ich ein tüchtiger Auslandskorrespondent?, Stuttgart 1917. Dies ist das erste Buch, das den Begriff »Korrespondent« im Titel trägt. In diesem Sinne wurde der Begriff auch verwandt in M, Die Entstehung und Entwicklung, S. 71. Larry R, Flying for News. Experiences of a Foreign Correspondent, London [1934]; Wythe W, Dusk of Europe. The Decline of Europe as Observed by a Foreign Correspondent in a Quarter Century of Service, London 1937; Webb M, I Found no Peace. The Journal of a Foreign Correspondent by Webb Miller, London 1937; Stephen B, Heyday in a Vanished World. Reminiscences of a Foreign Correspondent, London 1938; Leonard M, Down Stream. The Author’s Experiences as a Foreign Correspondent in
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
deutsche Journalisten dies in nennenswerter Zahl erst seit den 1970er Jahren39 , während auf dem französischen Buchmarkt erstmals 2008 ein Roman diesen Titel trägt – bezeichnenderweise eine Übersetzung aus dem Englischen40 . Auch die Geschichte der deutschen Synchronfassung von Alfred Hitchcocks »Foreign Correspondent« (USA 1940) deutet darauf hin, dass Auslandskorrespondenten in Deutschland deutlich später als relevante Persönlichkeiten wahrgenommen wurden: Erst die zweite Fassung von 1986 übersetzte den Titel mit »Der Auslandskorrespondent«, die erste betitelte den Thriller noch schlicht »Mord«. Auf dem deutschen Markt traute man dem Begriff offenbar keine Zugkraft zu. Weiterer Aufschluss über die großen Linien der Begriffsgeschichte lässt sich mit Hilfe des Google Ngram Viewer gewinnen41 , der die Häufigkeit bestimmter Wörter im Bestand der auf Google Books vorliegenden digitalisierten Publikationen angibt und dabei rund 4 % des gesamten gedruckten Buchbestands berücksichtigt. »Auslandskorrespondent« im journalistischen Sinne kommt vor 1914 gar nicht vor, nach 1920 zunehmend häufiger, das häufigste Vorkommen war in den 1980ern. Das englische »foreign correspondent« dagegen war schon im gesamten 19. Jahrhundert gebräuchlich, wurde seit den 1890er Jahren etwas häufiger verwendet und erreichte in den 1920er Jahren eine erste Spitze. Das französische Pendant »correspondant étranger« ließ sich auf diese Art leider nicht untersuchen42 . Die so gewonnene Übersicht über die Verwendung des Begriffs kann zwar nur Schlaglichter auf dessen Entwicklung werfen, dennoch ist sie ein Indikator für den geringeren Stellenwert, der dem Auslandskorrespondenten im deutschen gegenüber dem angelsächsischen Sprachgebiet beigemessen wurde. Und
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Europe from 1937 to 1939, London 1939; Wilfrid H. H (Hg.), Foreign Correspondent. Personal Adventures abroad in Search of the News, London [1939]; William L. S, Berlin Diary. The Journal of a Foreign Correspondent, 1934–1941, Boston 1941. Abgesehen von dem frühen Titel Alfred L, Von draußen gesehen. Bericht eines deutschen Auslandskorrespondenten aus Großbritannien, den Vereinigten Staaten von Amerika, Japan, China 1924 bis 1945, Düsseldorf 1955; danach erst wieder Manfred von J, Nahost am Mikrofon. Aus der Praxis eines Auslandskorrespondenten, Düsseldorf 1970; Hans Wilhelm V, Fernost fordert heraus. Ein Auslandskorrespondent erlebt Indien, China und Japan, Stuttgart 1976; D., Länder der Hoffnung. Ein Auslandskorrespondent erlebt Lateinamerika, die Südsee und Australien, Stuttgart 1977; Bernhard L, Der Katzenkönig von Riga und andere Erinnerungen eines Auslandskorrespondenten, Hannover-Döhren 1977; seither publizierte alle paar Jahre ein Auslandskorrespondent seine Erinnerungen, diese alle aufzulisten würde hier zu weit führen. Alan F, Le Correspondant étranger, Paris 2008 [Original: The Foreign Correspondent. A Novel, New York 2006]. Zu finden unter https://books.google.com/ngrams (Zugriff am 19.6.2017). Auch wenn die Methode wissenschaftlichen Ansprüchen sicher nicht genügt, lassen sich mit ihr doch Tendenzen erkennen. Die externen bzw. korrespondierenden Mitglieder von Akademien oder Vereinen wurden so bezeichnet; eine Stichprobe in Google Books zeigte, dass die meisten Treffer sich auf diesen semantischen Gehalt beziehen und nicht auf Journalisten.
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2. Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur
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der Stellenwert des Begriffs darf als Hinweis auf Wahrnehmung und Einschätzung des Phänomens gewertet werden, die offensichtlich im Deutschen Reich und der jungen Bundesrepublik andere waren als in Großbritannien. Besonders im Vergleich mit dem britischen Gebrauch wird die längere Randständigkeit des Berufs des Auslandskorrespondenten für das deutsche Zeitungswesen sichtbar. Die späte Etablierung des Begriffs im Lexikon macht deutlich, dass der Auslandskorrespondent wenigstens aus Perspektive der Lexika eine journalistische Randfigur war, obwohl sein Produkt, die Auslandsberichterstattung, bereits um 1900 in ihr »goldenes Zeitalter«43 getreten war44 .
2. Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur Die Begriffsgeschichte hat gezeigt, dass sich die Bedeutung von »Korrespondent« gleichzeitig aufgefächert und innerhalb dieser Differenzierung spezialisiert hat: Aus der sehr allgemeinen Semantik eines Briefschreibers wurden die Varianten 1) eines Handel treibenden Kaufmanns, 2) eines Briefe schreibenden kaufmännischen Mitarbeiters, 3) eines Mitarbeiters einer Zeitung, der mit der Redaktion brieflich kommuniziert, während die ursprüngliche allgemeine Bedeutung jeder Art des Briefschreibers beibehalten wurde. Die Darstellung der Mitarbeiterschaft des Zeitungskorrespondenten wiederum veränderte ebenfalls ihren Charakter und wurde von einer reinen Tätigkeit, die durch nichts anderes als das Schreiben von Briefen an eine Zeitung definiert wurde, zu einem Beruf, der sich bei aller weiterhin bestehenden Offenheit durch einen journalistischen Kern auszeichnet, der seit etwa 1900 lexikalisch festgeschrieben war. Die Geschichte des Begriffs zeigt, dass der Korrespondent zwar zunehmend als journalistischer Akteur wahrgenommen und anerkannt wurde, deutet aber auch darauf hin, dass er eine Randfigur des Journalismus blieb, dass seine berufliche Anerkennung und das damit verbundene Ansehen prekär waren. 43
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G, Ambassadors of Democracy, S. 35; die Jahrzehnte um 1900 werden auch bei anderen Autoren als eine besondere Blütezeit des Journalismus bewertet, etwa A, Histoire de la presse, S. 55; Jean-Marie C, La presse en France de 1945 à nos jours, Paris 1991, S. 42; Gilles F, La presse en France des origines à 1944. Histoire politique et matérielle, Paris 1999, S. 65 für die französische Presse, im deutschsprachigen Bereich etwa Arnulf K, Journalismus als Profession. Überlegungen zum Beginn des journalistischen Professionalisierungsprozesses in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts, in: Astrid B, Holger B (Hg.), Presse und Geschichte. Leistungen und Perspektiven der historischen Presseforschung, Bremen 2008, S. 289–325, hier S. 323, oder B, Mediengeschichte, S. 109. Dagegen bezeichnen Raluca C, John Maxwell H, Film Portrayals of Foreign Correspondents. A Content Analysis of Movies Before World War II and After Vietnam, in: Journalism Studies 10 (2009), S. 489–505, die 1930er Jahre als Hochzeit der filmischen Darstellung von Auslandskorrespondenten. Man sollte allerdings berücksichtigen, dass die Lexika durch ihre oftmals langen Produktionszeiten der Wirklichkeit einige Jahre hinterherhinkten.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Doch entsprach dieser begrifflichen Verortung des Korrespondenten am Rande des journalistischen Berufsfelds auch die konzeptionelle Verortung durch andere Journalisten? Um hierüber Aufschluss zu erhalten, wurde die journalistische Ratgeberliteratur untersucht, die zwischen 1878 und 1920 publiziert und von Groth als »Praktikerliteratur« bezeichnet wurde45 . Während die vorangegangenen Überlegungen zur Geschichte des Begriffs auf Quellen fußen, die eine Außenperspektive auf den Journalismus einnahmen46 , bieten Praktikerliteratur sowie Fachzeitschriften47 einen Zugang zu den Debatten der Journalisten selbst über die gesellschaftliche Rolle der Presse, ihren Beruf und die Vorstellungen und Modelle von guter journalistischer Praxis; sie entwerfen so den diskursiven Rahmen für die Tätigkeit der Auslandskorrespondenten, der in diesem Abschnitt kurz dargestellt werden soll. 2.1 Redakteure und andere Journalisten: eine Klassengesellschaft Die meisten Ratgeber wurden geschrieben, um die Kollegen zu einem reflektierten Umgang mit ihrem Beruf anzuregen und Laien einen höheren Grad der Anerkennung und Wertschätzung für die Journalisten abzuringen: Es ging um die »Hebung des Standes«48 . Die Autoren, im Hauptberuf allesamt Redakteure, entwarfen in ihren Publikationen ein Bild der ›modernen‹ journalistischen 45
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Otto Groth prägte den Begriff der Praktikerliteratur, da die Publikationen von Praktikern für Praktiker des Berufs geschrieben wurden. Den Auftakt machte J. H. W, Die Zeitung: ihre Organisation und Technik. Versuche eines journalistischen Handbuches, Wien 1878. Die Hochzeit dieser Gattung liegt in den anderthalb Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg: Otto G, Die Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft. Probleme und Methoden, München 1948, S. 301–331. Allerdings ist nicht unmittelbar nachzuvollziehen, wer die Lexikoneinträge verfasst hat; es ist nicht auszuschließen, dass die Einträge zu Journalismus und Presse von Journalisten verfasst wurden; adressiert waren sie allerdings an ein allgemeines Publikum. Dies waren folgende deutsche Fachzeitschriften: Deutsche Presse. Organ des deutschen Schriftsteller-Verbandes (1888–1892); Die Feder. Organ für alle deutschen Schriftsteller und Journalisten (1898–1935); Der Zeitungs-Verlag. Fachblatt für das gesamte Zeitungswesen/Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger (1900–1942); Die Literarische Praxis. Fachzeitung und Offertenblatt für Journalisten, Schriftsteller, Zeichner und Verleger (1901– 1910), fortgesetzt als Neue deutsche Schriftsteller-Zeitung. Fachblatt für die Interessen der deutschen Redakteure und Journalisten, Schriftsteller und Illustratoren (1910–1911); Die Redaktion. Fachzeitschrift für Redakteure, Journalisten, Schriftsteller und Verleger (1902– 1916, hg. von Richard Wrede); Deutsche Presse. Zeitschrift für die gesamten Interessen des Zeitungswesens (1913–1945). Viele dieser Blätter sind durch das Digitalisierungsprojekt der Staatsbibliothek Berlin frei zugänglich unter http://zefys.staatsbibliothek-berlin.de/list/ (Zugriff am 19.6.2017). In zeitgenössischen Professionalisierungs- und Verberuflichungsdiskursen verbreitete Wendung, z. B. Hermann D, Das Zeitungswesen, Leipzig 1910, S. 145. Auch die Variante »Hebung des Journalistenstandes« wurde häufig bemüht, z. B. F, Die Praxis des Journalisten, S. 64. Dazu auch K, Journalismus als Profession, S. 315.
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2. Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur
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Gesellschaft, das durch eine »Arbeitsteilung«49 geprägt war, die von deutlichen Statusunterschieden der einzelnen Berufsvertreter begleitet wurde. Unterschieden wurde zunächst zwischen Redakteuren und Mitarbeitern50 . Beide Gruppen wurden nach verschiedenen Gesichtspunkten weiter ausdifferenziert: Die Redakteure wurden nach ihrer Aufgabe in der Redaktion sowie nach der Größe ihrer Zeitung weiter unterteilt, die Mitarbeiter nach ihrem Verhältnis zur Redaktion sowie ihrer Aufgabe und Funktion innerhalb des Prozesses der Zeitungsherstellung. »Ueberaus mannigfaltig ist die Art der Arbeiten und Aufgaben der Hilfskräfte der Presse [. . . ]. Sie sind die Arbeitsbienen der Tagesgeschichte. Wir denken an die Lokalberichterstatter, die Marktberichterstatter, die Gerichtsberichterstatter, die Parlamentsberichterstatter, die Stenographen u.s.w., die alle für eine oder auch mehrere Zeitungen thätig sind«51 . Die Wertschätzung, die in diesem Zitat mitschwingt, bildet innerhalb der Praktikerliteratur eher eine Ausnahme, denn die Differenzierung der Mitarbeiter war auch mit einer klaren Hierarchisierung verbunden. Die »Arbeitsbienen der Tagespresse« – Berichterstatter, Reporter und Interviewer – wurden in einem Atemzug mit »Aufdringlingen, lästigen Gesellen usw.« genannt, die ein Grund für das Fehlen einer »höhere[n] Achtung« aller Journalisten seien52 . Diesen gemeinhin implizit als »minderwertige Elemente«53 eingestuften Journalisten wurden am anderen, oberen Ende der Skala die Redakteure gegenübergestellt, die gewissermaßen die Krone des Journalistenstandes bildeten. Sie wurden stets zuerst genannt, waren gewissermaßen die eigentlichen Journalisten und ihre Tätigkeit war die einzige, die eingehender beschrieben wurde. Viele der allgemein auf Journalisten bezogenen Aussagen waren oftmals auf den Redakteur gemünzt, der gewissermaßen den Normaltypus des Journalisten darstellte. Dass der Redakteur an der Spitze der Rangfolge der Journalisten stand, wird auch daraus ersichtlich, dass er ganz selbstverständlich als Karriereziel angesehen wurde. Für den Leiter der Berliner Journalistenhochschule Richard Wrede war die Frage: »Wie werde ich Journalist?« untrennbar verbunden mit
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F, Die Praxis des Journalisten, S. 66. K, Das Zeitungswesen, S. 140. F, Die Praxis des Journalisten, S. 66; auch Friedrich S, Der Schriftsteller und Journalist. Eine Darstellung des Werdeganges, der Bildungsmöglichkeiten, des Erwerbes und der Aussichten in literarischen Berufen, Stuttgart 1912, S. 14; K, Das Zeitungswesen, S. 139–142; Heinrich K, Praktische Winke für Schriftsteller, Journalisten und Zeitungs-Korrespondenten. Mit den Gesetzen über das Urheberrecht und das Verlagsrecht, sowie der revidierten Berner Übereinkunft, Essen 8 1911, S. 51–59; D, Das Zeitungswesen, S. 84f.; Robert B, Das moderne Zeitungswesen. System der Zeitungslehre, Leipzig 1907, S. 65f. Ibid., S. 81. K, Das Zeitungswesen, S. 190; ähnlich in [. V.], Mein künftiger Beruf. Praktische Anleitung zur Berufswahl. Der Journalist und Redakteur, Leipzig 1926, S. 7; Franz P, Der Beruf des Journalisten. Aufgaben, Forderungen und Wünsche der Presse, Breslau 1916, S. 14.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
dem Zusatz: »Wie bilde ich mich zum Redakteur aus?«54 Mit seiner Journalistenhochschule verfolgte er ganz explizit das Ziel, Redakteure auszubilden. Seine Ratschläge für angehende Journalisten waren dementsprechend ganz auf die – seiner Meinung nach – für einen Redakteursposten nötige Vorbildung gemünzt. Zwar gab es auch Lehreinheiten zu anderen journalistischen Berufen, so zum Beispiel Feuilleton, Korrespondententum oder Berichterstatten. Diese waren jedoch eher dem Karriereweg geschuldet, der oftmals über den Umweg des Berichterstatters in die Redaktion führte55 . Eine Zwischenstellung in der Rangfolge der Journalisten hatten die Korrespondenten inne. Sie wurden zwar dem Stand der Mitarbeiter zugerechnet, je nach Stellung konnten sie jedoch »in sozialer Hinsicht« den Redakteuren zugeordnet werden56 . Unter dem Begriff des Korrespondenten fasste die Praktikerliteratur ein ganzes Spektrum unterschiedlicher Typen, das vom nebenberuflichen Berichterstatter bis hin zum festen Vertreter einer Zeitung mit eigenem Büro reichte. Hierbei zeichnet sich jedoch eine konzeptionelle Entwicklung ab, die durch die Begriffsgeschichte bereits angedeutet wurde: Während Wehle 1883 noch ganz selbstverständlich die Leser zu den potentiellen Korrespondenten rechnete57 , mochte Brunhuber die »Tausenden irregulären Hilfstruppen, die je nach Lust, Laune, geistigem oder materiellem Zwang unter die Fahne der freiwilligen Federstreiter treten«, nur noch »im weitesten Sinne« als Korrespondenten verstanden wissen58 . Alfred Lorek, der bei verschiedenen Blättern der Verlage Ullstein und Scherl als Redakteur und später als Dozent an Wredes Journalistenhochschule in Berlin arbeitete, verstand unter den »Korrespondenten im engen Sinne des Begriffs [. . . ] die ständigen Vertreter eines Blattes an irgend einem Orte«59 . Bei der Lektüre der Praktikerliteratur drängt sich zwar der Eindruck auf, dass es auch nach 1900 noch eine weitverbreitete Praxis war, Laien für Korrespondentendienste heranzuziehen, jedoch wurde dies von ›Volljournalisten‹ offenbar immer weniger als mit guter journalistischer Praxis vereinbar an-
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Richard W, Was heißt und wie werde ich Journalist? Ein Wegweiser, Berlin 1902, S. 9. Wrede und seine Schule waren in Journalistenkreisen durchaus umstritten, seine Fixierung auf den Redakteur dagegen teilten die meisten seiner Kollegen. Ibid., S. 18, auch F, Die Praxis des Journalisten, S. 58; Richard J, Der Journalist. Ein Führer und Berater bei der Berufswahl, Hannover 1902, S. 128f., 152; K, Praktische Winke (1911), S. 51. B, Das moderne Zeitungswesen, S. 71. An anderer Stelle findet sich der Hinweis, dass sich dies auch in den Gehältern widerspiegelte: ein Berliner Korrespondentenposten konnte höher dotiert sein als ein Redakteursposten in der Provinz; hierzu S, Der Schriftsteller und Journalist, S. 16. J. H. W, Die Zeitung: ihre Organisation und Technik. Journalistisches Handbuch, Wien 2 1883, S. 83. B, Das moderne Zeitungswesen, S. 69f. Alfred L, Die Zeitungskorrespondenten und der Korrespondentenberuf, in: W (Hg.), Handbuch der Journalistik, S. 238–259, hier S. 258 (Hervorh. S. H.).
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2. Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur
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gesehen60 . Die Klage, dass sich jeder, »der die Feder halten kann, berufen [glaube], Tintenspritzer aufs Papier zu machen«61 , deutet an, dass die hauptberuflichen Journalisten sich weiterhin gegen Laienkonkurrenz behaupten mussten, und kann zugleich als Hinweis auf ein sich festigendes Berufsbild gelesen werden. Die Praktikerliteratur arbeitete damit auch am »professional project« der Journalisten mit, das den Korrespondenten jedoch außen vor ließ62 . Was die Standards beruflicher Praxis betraf, so schwiegen sich die Autoren über die Korrespondenten weitgehend aus oder beschränkten sich auf Techniken und Formen der Nachrichtenübermittlung. Während die Tugenden des Redakteurs in allen Ratgebern wenigstens angeschnitten wurden – zentral waren eine breite Allgemeinbildung, die Gabe des Schreibens, Überzeugungstreue und Wahrhaftigkeit –, und er wahlweise mit dem Geschichtsschreiber, Staatsmann, Dirigenten oder General verglichen wurde63 , wurde an den Korrespondenten auf dieser allgemeinen Ebene nur die Forderung gerichtet, er solle über »interessante« Begebenheiten berichten64 . Das liegt daran, dass in der Praktikerliteratur der Redakteur – zumal der verantwortliche – als die für die Zeitung maßgebliche Instanz angesehen wurde. Er entschied nicht nur über den Inhalt, sondern als Träger der »Zeitungsmeinung«65 auch über die Ausrichtung des Blattes, indem er das von den Korrespondenten und sonstigen Mitarbeitern zugesandte »Tatsachenmaterial«66 in seine endgültige Form brachte. Unabhängig davon, ob dieses in der Praktikerliteratur geschilderte Vorgehen in der Alltagspraxis auch so umgesetzt wurde oder nicht, gibt diese 60 61 62
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Auch machte man die »Gelegenheits-Journalisten« für das geringe Ansehen der Hauptberufler verantwortlich. So z. B. W, Was heißt und wie werde ich Journalist?, S. 5f. Siegfried Carlheinz J, Grundriß der Journalistik, München 1915, S. 28. Dazu R, Journalismus als Beruf, und R, From Pariah to Professional?; beide gehen ganz selbstverständlich nur vom Redakteur als Träger der Profession aus. Siehe dazu auch die Überlegungen zur Professionalisierung des Korrespondentenberufs in Kap. I.4. Etwa J, Der Journalist, S. 52; Richard W, Die Redaktion, in: D. (Hg.), Handbuch der Journalistik, S. 113–124, hier S. 114; Rob F, Intimes aus der geistigen Werkstatt der Zeitung. III. Aus der Hauptstadt, in: Der Zeitungs-Verlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen 7 (1906), S. 813–816, hier S. 814; W, Die Zeitung (1883), S. 20; [. V.], Mein künftiger Beruf, S. 20. Bezeichnend ist auch die Aussage, der Redakteur sei »so ein Mittelding zwischen Diplomat und Oberkellner«, was die Ambivalenz seines sozialen Status spiegelt; P, Der Beruf des Journalisten, S. 23. Astrid J, Die Pressefotografie. Geschichte, Entwicklung und Ethik des Fotojournalismus, Saarbrücken 2007, S. 105–113; Heinrich K, Praktische Winke für Schriftsteller und solche, die es werden wollen, Regensburg 3 1891; L, Die Zeitungskorrespondenten, S. 238–259, sowie W, Die Zeitung (1883), der immerhin eine Aufzählung macht, die allerdings von Wahlen über Gerichtsverhandlungen bis hin zu Unwettern reicht. J, Der Journalist, S. 54. Dieses Konstrukt wurde als Instrument zur Untermauerung der eigenen Objektivität verwendet. B, Das moderne Zeitungswesen, S. 67f.; Emil L, Kultur und Presse, Leipzig 1903, S. 61. Den Begriff des Rohmaterials verwenden D, Das Zeitungswesen, S. 91; Siegfried Carlheinz J, Compendium der Journalistik, Dresden-Weilböhla 1920, S. 111f.; W, Die Zeitung (1883), S. 83.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Darstellung einen Hinweis auf die Gewichtung von Nachricht und Meinung; vor allem mit Letzterer waren Lorbeeren zu erringen. Die Recherche gehörte – nimmt man die Praktikerliteratur für bare Münze – um 1900 offenbar noch nicht zum Kerngeschäft des deutschen Journalisten und wurde ganz lapidar als Beschaffung von »Tatsachenmaterial« abgetan67 . Da jedoch gerade diese Informationsbeschaffung den zentralen Aspekt des Korrespondentenberufs darstellte und in eigener Recherche sowie exklusiven Meldungen der Vorteil eigener Korrespondenten lag, steckt in dem in der Praktikerliteratur entworfenen Bild des Journalismus eine Marginalisierung des Korrespondenten, sowohl was sein Ansehen als auch was seine Bedeutung für das Zeitungsgeschäft betrifft. Zugleich zeigt dies, dass die Untersuchung der Redakteure allein noch kein detailliertes und aufschlussreiches Bild der historischen Bedingungen der für die Presse relevanten Akteure bietet, sondern dass andere Journalistengruppen eigener Untersuchungen bedürfen. 2.2 Zur Relevanz der Korrespondenten Doch welche Relevanz besaßen angesichts dieser Befunde eigentlich die Korrespondenten für ihre Zeitungen und für den »Nachrichtendienst«68 der Presse? Anders als viele seiner Autorenkollegen betonte Winternitz 1911 in seinem Werkstattbericht: »Ein Blatt, das gut informiert sein will, muß in jeder großen Stadt des Auslandes und im Inland selbst in jeder kleinen Stadt seinen gewandten, geschulten Korrespondenten haben«69 . Zum einen jedoch ist diese Forderung in der Praktikerliteratur wenig verbreitet – die hier verdichteten Belege sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Korrespondent in allen untersuchten Publikationen als Marginalie behandelt wurde und kaum mehr als einige Zeilen einnahm –, zum anderen setzte Winternitz sogleich einschränkend hinzu: »Machen Sie sich eine Vorstellung, was dies kostet?«70 Die Einrichtung fester Korrespondentenstellen an den wichtigen Nachrichtenplätzen war ein Idealbild, das erstens nur selten so gezeichnet wurde und das zweitens wohl nur die wenigsten Zeitungen verwirklichen konnten: »Selbstverständlich werden nur hervorragende Organe imstande sein, ihre Gesandten, d. h. ihre Korrespondenten, in den wichtigsten Orten zu haben«71 . 67
68 69 70 71
Im angelsächsischen Raum hatten Nachricht und eigene Recherche schon im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts einen deutlich höheren Stellenwert als auf dem Kontinent: B, Mediengeschichte, S. 114. Diesen Begriff verwendete etwa Fritz Walz unter dem Pseudonym A-D, Die Presse und die deutsche Weltpolitik, Zürich 1906, S. 83; J, Der Journalist, S. 47. Jakob W, Die Presse und ihre Leute. Aus der eigenen Werkstatt, Wien, Leipzig 1911, S. 15. Ibid. J, Grundriß der Journalistik, S. 28, ähnlich auch K, Praktische Winke (1911), S. 54; K, Das Zeitungswesen, S. 141f.
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2. Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur
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Diese Einschätzung teilte auch der Journalist Fred Brandes, der davon ausging, dass von den rund 3500 deutschen Zeitungen »höchstens 10 grosse« ihre Nachrichten von eigenen Korrespondenten bezogen72 , etwa 90 seien auf Korrespondenzen aus London abonniert, während die überwältigende Mehrheit (97 %) ihren Bedarf an englischen Nachrichten aus den Meldungen der deutschen Depeschenbureaus sowie anderer Zeitungen decke73 . Brandes plädierte jedoch nicht, wie Kurt Tucholsky einige Jahre später74 , für eine Stärkung der Stellung der Korrespondenten, sondern für die Schaffung einer unabhängigen Nachrichtenagentur75 . Diese sollte nach dem Muster der USamerikanischen Associated Press von den deutschen Zeitungen gemeinsam finanziert werden und damit einen weiteren Nachrichtenkanal unabhängig vom regierungsfinanzierten WTB schaffen. Diese Forderung76 trug den immensen Kosten eines eigenen Korrespondentennetzes Rechnung, die diejenigen für das Abonnement einer Nachrichtenagentur oder Korrespondenz deutlich überstiegen, weshalb sich die wenigsten Zeitungen feste Korrespondenten leisten konnten oder wollten. So zahlte die AZ 1871 für Nachrichten aus Paris und London pro Quartal 150 Franc pauschal an die Agence Havas, besaß jedoch auch zwei Korrespondenten in Paris, die beide im gleichen Zeitraum zwischen 200 und 600 Franc erhielten77 . Einige Jahre später zahlte das Blatt pauschal fünf Pfund pro Quartal an die Allgemeine Correspondenz in London, die 38 Briefe ihres Londoner Korrespondenten Karl Blind kosteten sie mehr als das Zehnfache78 . Das Beispiel erklärt nicht nur die geringe Bereitschaft, eigene Korrespondentennetze zu unterhalten, sondern zeigt auch, dass einige Zeitungen durchaus bereit waren, für die exklusiven Nachrichten eigener Korrespondenten entsprechende Ausgaben zu machen. Und so erklärte die »Neue Hamburgische Börsen-Halle« in einer Anzeige, die wenige Nummern nach Brandes’ Artikel in der »Redaktion« erschien, sie besitze sehr wohl eigene Korrespondenten in London – offenbar wollte ihre Redaktion nicht zu den Blättern gerechnet werden, die nur Agenturnachrichten druckten79 . 72 73
74 75 76 77 78 79
Er meinte damit hauptberufliche Korrespondenten; Laienberichterstatter, derer sich einige Blätter ebenfalls bedienten, betrachtete er abschätzig. Fred B: Die Vertretung der deutschen Presse in England, in: Die Redaktion 2 (1903) 10, S. 147–151. Die Zahlen sind leider nicht ohne weiteres überprüfbar, scheinen aber wenigstens von ihrer Tendenz her plausibel. W, Auslandskorrespondenten, S. 320; D., Auslandsberichte, S. 226–231. Zu Nachrichtenagenturen mit weiteren Verweisen B, Die Genese globaler Nachrichtenagenturen, S. 63–75. Neu war seine Forderung keineswegs, schon der 8. Journalistentag von 1873 hatte einen entsprechenden Plan ausgearbeitet: R, Journalismus als Beruf, S. 225. Einträge zu Leopold Häfner, T. Hoff, Havas im Honorar-Buch der Allgemeinen Zeitung, 1864–1871, Cotta-Archiv, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar. AZ, Honorar-Conti No VI, 1877 bis 1884, Cotta-Archiv, Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar. Unter der Rubrik »Aus der Praxis für die Praxis«: [. V.], Zur Vertretung der deutschen Presse in England, in: Die Redaktion 2 (1903) 12, S. 183.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Es scheint, als sei das eigene Korrespondentennetz eine Prestigefrage und ein wichtiges Qualitätsmerkmal gewesen, mit dem die Zeitungen im Wettbewerb um die Leser zu reüssieren hofften. Wenigstens für die großen überregionalen Qualitätszeitungen war dies eine Frage der Konkurrenzfähigkeit. Was in der Praktikerliteratur lapidar als Beschaffung des »Tatsachenmaterials« abgekanzelt wurde, besaß also doch einigen Wert80 . Doch was zeichnete einen guten (Auslands-)Korrespondenten aus, über welche Fähigkeiten und Eigenschaften musste er verfügen und welche Standards der Arbeitspraxis sollte er erfüllen? Die Forderung in Oskar Webels »HandLexikon der deutschen Presse«, ein Korrespondent müsse »durchaus gebildet sein, eine treffende Auffassungsgabe und einen gewandten Lapidarstil besitzen« und sich darüber hinaus »gute Verbindungen zu verschaffen« wissen81 , steht wenigstens in der Praktikerliteratur recht einsam da. Erklären lässt sich das Schweigen zum Korrespondenten mit einem quellenkritischen Blick auf die Autoren der Praktikerliteratur: die meisten waren Redakteure kleinerer Zeitungen; wahrscheinlich gehörte ein ständiger Auslandskorrespondent weder zu den Mitarbeitern ihres Blattes noch zu ihrem Erfahrungshorizont. Und so verwendet auch keine einzige dieser aus der Arbeitspraxis entstandenen Publikationen den Begriff des Auslandskorrespondenten. Unter dem Schlagwort »auswärtiger Korrespondent« wurden alle in- wie ausländischen Mitarbeiter außerhalb der Redaktion gefasst82 . Zumindest von den Autoren der Praktikerliteratur wurden die Auslandskorrespondenten also nicht als besonders zu würdigende Berufsgruppe identifiziert. Überlegungen, über welche Eigenschaften ein guter Korrespondent verfügen musste, gab es andernorts gleichwohl: So pries zum Beispiel Hermann Orges in den 1850er Jahren den späteren Spanien-Korrespondenten und Redakteur der AZ Otto Braun mit seiner »literarische[n] Befähigung« und seiner genauen Kenntnis der spanischen Literatur und Sprache. Als Neffe eines »bekannten chilenischen Generals und früher[en] Attaché[s] der chilenischen Gesandtschaft« sowie als langjähriger Korrespondent des »Organes der jetzt ans Ruder gekommenen Partei« befand er sich gesellschaftlich in einer Stellung, die ihm Aussichten auf eine Vernetzung mit den entscheidenden Personen eröffnete83 . Orges schätzte ihn als vertrauenswürdig ein und verbürgte sich 80
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83
Auch die Forschung verzeichnet eine Aufwertung des Nachrichtenjournalismus im deutschsprachigen Raum um 1900, etwa B, Mediengeschichte, S. 115; W, Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte, S. 265; zum internationalen Kontext Svennik H, Horst P (Hg.), Diffusion of the News Paradigm 1850–2000, Göteborg 2005. [. V.], Art. »Korrespondent«, in: Oskar W (Hg.), Hand-Lexikon der deutschen Presse und des graphischen Gewerbes, Leipzig 1905, S. 478f. W, Die Zeitung (1883), S. 87; W, Die Presse und ihre Leute, S. 40; Theodor C, Der Literatenstand und die Presse, in: Vorträge der Gehe-Stiftung zu Dresden 3 (1911), S. 171–190, hier S. 185. Hermann Orges an Georg von Cotta, Augsburg, 16.1.[1855], DLA, Cotta: Briefe – Orges.
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2. Vom Begriff zum Diskurs: die Praktikerliteratur
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für seinen Charakter. Neben Zuverlässigkeit, Sprach- und Landeskenntnissen und dem Zugang zu Informanten wurden in anderen Quellen auch journalistische Beobachtungsgabe und Urteilskraft als wünschenswerte Eigenschaften angeführt84 . Die politische Unabhängigkeit des Korrespondenten war dagegen kein zentrales Kriterium; einige von Cottas bestbezahlten Korrespondenten waren hauptberuflich im Staatsdienst beschäftigt. So war Joseph Christian von Zedlitz-Nimmersatt nicht allein als wohlinformierter Berichterstatter, sondern auch als Verbindungsmann zum österreichischen Ministerium des Äußern geschätzt85 . Während für Cotta in den mittleren Dekaden des 19. Jahrhunderts noch die guten Verbindungen zu den staatlichen Stellen der Berichtsorte im Fokus standen, wurde in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg zunehmend Loyalität gegenüber der Außenpolitik des Deutschen Reichs verlangt: Unter dem Pseudonym »Ausland-Deutscher« forderte der Redakteur Fritz Walz in seinem Buch »Die Presse und die deutsche Weltpolitik« 1906 mehr »nationalen Instinkt und Pflichtbewusstsein« und kritisierte, dass »ein ziemlich ansehnlicher Teil der deutschen Zeitungen in der auswärtigen Politik seine Aufgabe lange nicht in der wünschenswerten Weise [erfülle], ja ein kleiner Teil treibt offenbar antinationale Politik, auf gut deutsch: Volks- und Landesverrat! indem er systematisch den Zielen der deutschen Reichspolitik und den Interessen des deutschen Volkes entgegenarbeitet«86 . Dagegen betonte er, dass Presse und Diplomatie aufeinander angewiesen seien: Die Korrespondenten könnten der direkten Information durch die Diplomaten nicht entbehren; umgekehrt sei die Politik auf die Presse angewiesen, »um die Völker auf ihre Entschlüsse und Unternehmungen vorzubereiten, sie über Zweck und Ziel dieser zu belehren, einer mißverständlichen Auffassung vorzubeugen, zur Diskussion ihrer Pläne herauszufordern«87 . Auch der ehemalige Chefredakteur und stellvertretende Direktor des WTB Hermann Diez plädierte für einen »freundschaftlichen Verkehr«88 zwischen Presse und Regierung und merkte an, dass »namentlich in Fragen der auswärtigen Politik eine allzu kritische Haltung der Presse des eigenen Landes lediglich die Position des Auslandes stärkt und dadurch dem
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Otto Braun (1824–1900), Studium der Rechtswissenschaft, Geschichte, neuere Sprachen, in den 1850er Jahren als Korrespondent der AZ in Paris, Madrid und München, ab 1860 Redakteur, später (bis 1891) Chefredakteur der AZ. Bei seinem Onkel handelt es sich wohl um Otto Philipp (Otón Felipe) Braun (1798–1869), der in der Neuen Deutschen Biographie als bolivianisch-peruanischer Großmarschall geführt wird. Elard Biscamp an Redaktion der AZ, London, 23.1.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp; Karl Blind an J. G. Cotta’sche Buchhandlung, London, 31.3.1877, DLA, Cotta: Briefe – Blind; Karl Ohly an J. G. Cotta’sche Buchhandlung, London, 7.6.[1852], DLA, Cotta: Briefe – Ohly. DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. A-D, Die Presse und deutsche Weltpolitik, S. 22f. Ibid., S. 68; er zitiert hier den Londoner Korrespondenten des BT. D, Das Zeitungswesen, S. 128.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
eigenen Land schadet«89 . Nicht neutrale, sachliche oder unabhängige, sondern loyale Berichterstattung stand im Fokus90 . Und so überrascht es auch nicht, dass die Auslandskorrespondenten in der Praktikerliteratur begrifflich mitunter in die Nähe des Diplomaten gerückt wurden: Laut Robert Brunhuber war es üblich, sie als »›Vertreter‹ der Zeitung in der und der Stadt«91 zu bezeichnen. Er spitzte die Formulierung so weit zu, dass der Korrespondent »wie ein diplomatischer Vertreter die Interessen seiner« Zeitung unterstützte92 . Die Forderung nach außenpolitischer Loyalität der Presse blieb jedoch keineswegs unwidersprochen, und obwohl Brunhuber begrifflich die Konturen zwischen Korrespondent und Diplomat verschwimmen ließ, konstatierte er, die Presse habe sich von ihrer »selbstgewählten Gebundenheit an die von der Regierung gegebene Marschroute« gelöst93 . Auch wurde die offiziöse Berichterstattung des WTB in den Fachzeitschriften immer wieder heftig kritisiert: Die WTB-Nachrichten seien unzulänglich, langsam, unzuverlässig – und eben an den Regierungsstandpunkt gebunden94 . Die Forderung nach Loyalität mit der Regierung in der außenpolitischen Berichterstattung steht dabei in deutlichem Gegensatz zu den gängigen Tugenden des Journalisten, der gesinnungstreu, wahrhaftig und objektiv berichten sollte95 , und verweist wiederum auf eine Sonderstellung des Auslandskorrespondenten. Er war nicht nur konzeptionell eine Randfigur, sondern stand gewissermaßen mit einem Bein in der Diplomatie, mit dem anderen im Journalismus. Er wurde – zumindest von den wenigen Autoren, die explizit dazu schrieben – in beiden Systemen verortet, obwohl diese sich um 1900 mit Blick auf Standards der Berufspraxis eigentlich ausschlossen. Der Status des Auslandskorrespondenten war also in zweierlei Hinsicht prekär: Erstens war er im System der journalistischen Arbeitsteilung lediglich ein Vertreter der 89 90
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Ibid. Das deckt sich mit den Befunden von Dominik Geppert, der eine zunehmend nationale Rekrutierung der Korrespondenten um 1900 ausmacht: Dominik G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung. Europäische Auslandsberichterstattung um 1900, in: Ute D, Axel S (Hg.), Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts, Köln 2010, S. 203–228, hier S. 212–218. B, Das moderne Zeitungswesen, S. 70; »Vertreter« auch bei L, Die Zeitungskorrespondenten, S. 258; A-D, Die Presse und die deutsche Weltpolitik; F, Die Praxis des Journalisten, S. 51; P, Der Beruf des Journalisten, S. 16. Den Begriff des Gesandten verwendet J, Grundriß der Journalistik, S. 28. B, Das moderne Zeitungswesen, S. 71. Ibid., S. 66. D., Das deutsche Zeitungswesen. System der Zeitungslehre, Leipzig 1908, S. 57–60; J, Der Journalist, S. 146f.; [. V.], Ungenauigkeit der Wolff-Berichte, in: Der ZeitungsVerlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen 6 (1905), S. 969. J, Der Journalist, S. 116; W, Die Zeitung (1883), S. 129–135; B, Das deutsche Zeitungswesen, S. 70; [. V.], Die zehn Gebote für Journalisten, in: Die Redaktion. Fachzeitschrift für Redakteure, Journalisten, Schriftsteller und Verleger (1911), S. 5; W (Hg.), Hand-Lexikon der deutschen Presse, S. 704. Kritisch über die Möglichkeit der Objektivität: G, Die Depeschenzeitung.
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3. Korrespondentenvereine
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diffusen Gruppe der Mitarbeiter, insbesondere charakterisiert durch die Ferne zur Redaktion. In der Hierarchie der journalistischen Berufe konnte er es nur auf den zweiten Platz hinter dem Redakteur bringen, jedoch war Letzterer der ›Normaljournalist‹, das Karriereziel. Den Korrespondenten fehlte Sichtbarkeit und Anerkennung selbst durch ihre Journalistenkollegen. Eine anerkannte Profession und damit auch vor allzu großem Konkurrenzdruck geschützt war der Auslandskorrespondent mitnichten. Zweitens stellt sich die Frage nach seiner Verortung zwischen Journalismus und Diplomatie. Schon der Begriff des Vertreters einer Zeitung rückt die Aufgaben des Korrespondenten in die Nähe des Diplomaten. Dieser Eindruck wird noch verstärkt durch die Forderung, die Auslandsberichterstattung müsse nationalen Loyalitäten folgen.
3. Korrespondentenvereine: Kristallisation der beruflichen Kultur und Formierung der Zunft Nachdem nun mit der Begriffsgeschichte und den (fehlenden) Modellen des Auslandskorrespondenten in der Praktikerliteratur zwei Außenperspektiven auf diesen Beruf dargestellt wurden, soll mit Hilfe der Vereine, die die Korrespondenten seit den 1880er Jahren in europäischen Hauptstädten gründeten, auch die Binnenperspektive in den Blick genommen werden. Die ersten Vereine von Auslandskorrespondenten wurden 1883 in Paris und Wien gegründet, wenige Jahre später folgte die Londoner Foreign Press Association (FPA), kurz nach der Jahrhundertwende wurde in Berlin der Verein der ausländischen Presse ins Leben gerufen. Es gibt Hinweise darauf, dass es in weiteren europäischen Hauptstädten derartige Vereine gab, etwa in St. Petersburg oder Rom96 , allerdings sind die Belege äußerst dürftig, Forschungsliteratur liegt kaum vor97 . Der Aufbau dieses Kapitels ist stark von der Quellenlage geprägt, die sich für die verschiedenen Korrespondentenvereine sehr unterschiedlich darstellt. Im Pariser Fall sind nur Dokumente überliefert, die in der Verwaltung des Parlaments entstanden, dementsprechend beschränkt sich mein Wissen über 96 97
Der Zeitungs-Verlag 7 (1906) 7, S. 193. Die Literatur zu den Korrespondentenvereinen ist nicht sehr umfangreich: G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 203–228; D., »The FoulVisaged Anti-Christ of Journalism«?, S. 369–389; Liane R, Aus Deutschland berichten . . . Entwicklung, Arbeitsweise und Mitgliederstruktur des Vereins der Ausländischen Presse in Deutschland, Berlin, Münster 2009; B, »How dead is Hitler?«; daneben die Jubiläumsschriften Sam G (Hg.), Britain in the Eye of the World. The Foreign Press Association in London 1888–1988, London 1988; Im Strom der Zeit. 90 Jahre Verein der ausländischen Presse zu Berlin e. V., hg. v. Verein der ausländischen Presse zu Berlin, Berlin 1996; Einblick von außen: 100 Jahre Auslandspresse in Deutschland. Zum 100. Jubiläum des VAP in Deutschland 1906–2006, hg. v. Verein der ausländischen Presse in Deutschland, Berlin 2006.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
diesen Verein auf seine Beziehungen zur französischen Volksvertretung98 . Dieser wichtige Aspekt ist bei keinem der anderen Vereine auch nur annähernd so gut dokumentiert – was auch ein Resultat der unterschiedlichen Gestaltung des Zugangs zur Pressetribüne ist99 . Die Provenienz der Akten des Wiener Pendants beschränkt sich auf das Vereinsregister der Statthalterei100 , worin sich sehr gut der Genehmigungsprozess und die behördlichen Bedenken dagegen ablesen lassen; auch das weitere Schicksal des Vereins, seine Gleichschaltung und Auflösung nach dem Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland sowie die Veränderung der vereinsinternen Regelwerke lassen sich gut verfolgen. Völlig im Dunkeln bleiben bei beiden Vereinen aber die internen Abläufe und Motive sowie der Vereinsalltag. Welche gemeinsamen Aktivitäten für Mitglieder organisiert wurden, ob es überhaupt gemeinsame Unternehmungen gab, ob der Verein Büroräume für seine Mitglieder stellte oder auf andere Art die Arbeitsroutinen seiner Mitglieder beeinflusste, darüber sind keine Informationen überliefert. Im Falle der Londoner FPA ist es gerade andersherum: Ein Kontakt zu den britischen Behörden kann überhaupt nicht nachgewiesen werden, dafür existiert das Protokollbuch der Vorstandssitzungen ab 1912101 . Über Zeitungsartikel lassen sich einige Aktivitäten des Vereins nachvollziehen, über die Absichten der Vorstandsmitglieder oder auch die Haltung der übrigen Mitglieder lässt sich kaum etwas sagen. Ein umfangreicher Nachlass ist nur für den Berliner Verein der ausländischen Presse überliefert102 , der hier zwar streng genommen nicht hergehört, weil in ihm keine deutschen Korrespondenten vertreten waren, der aber doch als Ergänzung und Gegenstück zu den anderen Vereinen berücksichtigt wird. Der Schwerpunkt der Überlieferung liegt allerdings nach dem Ersten Weltkrieg, so dass viele Informationen über die Vorkriegszeit nur vermittelt durch Erinnerungen von langjährigen Vereinsmitgliedern im Rahmen von Jubiläen und verstreuten Hinweisen in den Jahresberichten und Versammlungsprotokollen vorliegen. Es ist also schwierig, auf Basis dieser sehr heterogenen Quellenlage zu einer konsistenten Darstellung zu kommen. Bei jedem Verein muss ein anderer Schwerpunkt gesetzt werden, wodurch sich ein Kaleidoskop verschiedener Aspekte ergibt. Da diese Vereine – soweit sich das rekonstruieren lässt – einander ziemlich ähnlich waren, darf die Leserschaft dies aber getrost als Vorteil betrachten. Um die Entstehung der Korrespondentenvereine besser einordnen zu können, wird zunächst deren Entstehungskontext skizziert. 98 99 100
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Presseakten im Bestand Archives du secrétariat général de la questure (1806–1967), AssN, Public et presse, 12 P 168–180 sowie Congrès, 12 P 181–197, bes. 12 P 173–195. Dies wird in Kap. II.2 deutlich werden. Zum Verband der auswärtigen Presse die Akten in WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195, zur Union der Correspondenten der ausländischen Presse in Wien die Akten in WStLA, M.Abt. 119, A32–1931: 3247. Foreign Press Association, Archives, Committee Meetings File. Ich danke Peter Matthews, der mir freundlicherweise die Einsicht in die Akten der FPA ermöglichte. Riksarkivet Marieberg, Verein der ausländischen Presse zu Berlin, SE/RA/770176.
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3. Korrespondentenvereine
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3.1 Journalistenvereine im 19. Jahrhundert Die ersten Journalistenvereine wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum gegründet. Den Auftakt bildete 1859 die Concordia in Wien, die in den folgenden Jahren bei der Gründung zahlreicher weiterer lokaler Journalistenvereine in den deutschen Staaten als Vorbild diente103 . So entstand etwa 1862 der Verein Berliner Presse, 1874 der Frankfurter Journalisten- und Schriftstellerverein, 1881 der Journalisten- und Schriftstellerverein München. Ariane Brückmann verzeichnet auf dem Gebiet des (späteren) Deutschen Reichs insgesamt neun journalistische Berufsorganisationen, die zwischen 1860 und 1890 gegründeten wurden, in den zwanzig Jahren bis zur Gründung des Reichsverbands der Deutschen Presse 1910 folgten weitere zwanzig104 . Die meisten der Vereine sollten in erster Linie die Geselligkeit der Berufsgenossen fördern – und zwar über parteiliche Grenzen hinweg. Daneben spielte aber auch der Aspekt der Wohltätigkeit und Vorsorge für die Mitglieder eine Rolle: Wie die Concordia hatten auch andere Vereine einen Pensionsfonds, aus dem kleine Renten gezahlt wurden. Ein zentrales Ziel vieler Vereine war die Vertretung der Standesinteressen. Allerdings schätzt Jörg Requate, der die deutschen journalistischen Berufsorganisationen mit Blick auf ihre Rolle im »professional project« untersucht, diesen Aspekt als nachrangig ein: Im Kern waren die Forderungen nach größerer Freiheit der Presse Teil des liberalen Parteiprogramms und damit nur schwer mit dem Postulat einer überparteilichen Vereinigung zu vereinbaren105 . Der Wiener Concordia allerdings gelang es in einigen Fällen durchaus, gemeinsame Interessen der Journalisten durchzusetzen, so etwa hinsichtlich der Bewegungsfreiheit der Journalisten im Parlamentsgebäude oder der Lage der Presseloge106 . Auch mit Blick auf die seit dem letzten Drittel des Jahrhunderts immer wieder geforderte »Hebung des Journalistenstandes« konnte die Concordia Erfolge vorweisen. Die seit Mitte der 1860er Jahre organisierten Concordia-Bälle entwickelten sich zu einem der Höhepunkte des Wiener Gesellschaftslebens und wurden auch von ranghohen österreichischen Politikern sowie ausländischen Diplomaten regelmäßig besucht107 . Damit dienten sie nicht nur der Finanzierung des Pensionsfonds, sondern verbesserten tatsächlich die gesellschaftliche Wahrnehmung
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105 106 107
Peter E, »Concordia soll ihr Name sein . . . «. 125 Jahre Journalisten- und Schriftstellerverein. Eine Dokumentation zur Presse- und Zeitgeschichte Österreichs, Wien u. a. 1984, auch R, Journalismus als Beruf, S. 229–236. Ariane B, Journalistische Berufsorganisationen in Deutschland. Von den Anfägen bis zur Gründung des Reichsverbandes der Deutschen Presse, Köln u. a. 1997, S. 195–202. R, Journalismus als Beruf, S. 222–236. E, »Concordia soll ihr Name sein . . . «, S. 74–103. Ibid., S. 55–64. Zitat F, Die Praxis des Journalisten, S. 64.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
des Journalistenstandes108 . Wenn sogar österreichische Außenminister oder Angehörige des Kaiserhauses die Bälle der Journalisten mit ihrer Anwesenheit ehrten, durften sie wohl auch allgemein als gesellschaftsfähig betrachtet werden. Das Beispiel der Concordia und der Glanz ihrer Bälle wurden auch im Ausland interessiert beobachtet; Eppel nennt Interessenten für ihre Statuten in Paris, Rom und Zürich. Auch den Wiener Auslandskorrespondenten dürfte sie wohlbekannt gewesen sein: Anlässlich der Weltausstellung 1873 veranstaltete die Concordia ein Bankett für ihre ausländischen Kollegen, später pflegte sie Beziehungen zum Präsidenten des Verbands der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter in Österreich-Ungarn109 . Belege für einen Einfluss der Concordia auf die Gründung von Journalistenvereinen in Frankreich oder Großbritannien gibt es aber nicht. Zwar begann dieses »mouvement associatif«110 im deutschen Sprachgebiet, blieb aber nicht auf dieses beschränkt111 . In den 1870er Jahren setzte auch in Frankreich eine Welle von Vereinsgründungen ein, die einen ersten Höhepunkt zu Beginn der 1880er Jahre erreichte112 . Während dieser Zeit wurden die bedeutendsten der französischen Journalistenvereine gegründet, die – entsprechend der zentralistischen Struktur Frankreichs – ihren Sitz meist in Paris hatten. Später entstanden auch in der Provinz zahllose Journalisten-Organisationen. Anders als bei den deutschen Vereinen stand bei den französischen zunächst ein gemeinsamer politischer Hintergrund im Fokus, erst später sammelten sich die Journalisten parteienübergreifend in lokalen oder fachlich spezialisierten Vereinen113 .
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Ähnlich schätzt dies auch Requate für die deutschen Vereine ein, R, Journalismus als Beruf, S. 233, 236. E, »Concordia soll ihr Name sein . . . «, S. 77, 100. M, Médias et journalistes, S. 126. Auch waren die Journalisten nicht die einzigen, die sich im Verein organisierten, in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden zahlreiche Vereinigungen anderer Berufsgruppen gegründet: z. B. Stefan-Ludwig H, Jürgen K, Arnd B, Geselligkeit und Demokratie. Vereine und zivile Gesellschaft im transnationalen Vergleich, 1750–1914, Göttingen 2003, oder aus den Reihen der Professionalisierungs- und Bürgertumsforschung Geoffrey C, Konrad H. J (Hg.), German Professions 1800–1950, New York 1990; P. J. C, Power and the Professions in Britain, 1700–1850, New York 2000; Andrew Delano A, The System of Professions. An Essay on the Division of Expert Labor, Chicago 1988; Michael S, Geschichte des Bürgertums. Eine Einführung, Köln u. a. 2009. Zur Entstehung und Entwicklung der französischen Journalistenvereinigungen Marc M, »La grande famille«. L’Association des journalistes parisiens (1885–1939), in: Revue historique (1986), S. 129–157; D., Structures de sociabilité dans la presse. Les associations de journalistes en France à la fin du XIXe siècle (1880–1910), in: Françoise T (Hg.), Sociabilité, pouvoirs et société, Rouen 1987, S. 497–509; M, Médias et journalistes, S. 126–130, sowie R, Journalismus als Beruf, S. 91–98. M, »La grande famille«, S. 129f.
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3. Korrespondentenvereine
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Das Aufkommen der Journalistenvereine in Frankreich markierte nach Martin »la naissance d’un sentiment d’unité dans la profession«114 , das zeitlich mit dem vermehrten Gebrauch des Begriffs »journaliste« zusammenfiel115 . Die Vereine waren dennoch nicht allein das Symptom der Identität als berufliche Gruppe, sondern zugleich auch der Versuch einer intellektuellen Elite, ihre Vorteile und ihr Prestige zu verteidigen, indem sie die Gruppe definierte und den Zugang regelte116 . Das Hauptziel dieser Vereine war »de définir les professionnels de la presse, de circonscrire la profession«117 , dementsprechend leisteten sie nach Martin auch einen wichtigen Beitrag zur Stiftung der beruflichen Solidarität. Dies geschah nicht in erster Linie durch materielle Formen wie Wohltätigkeitsfonds, sondern vor allem durch symbolische Handlungen. Dazu zählten die Etablierung von Ehrengerichten, welche Differenzen der Journalisten untereinander wie zwischen Journalisten und Verlegern, die ebenfalls in den Vereinen vertreten waren, auf friedlichem Wege beilegen sollten, das ritualisierte Gedenken an verstorbene Kollegen und die rhetorische Stilisierung einer »grande famille de la presse«, die den sozial und geografisch meist sehr mobilen Vertretern des Berufs eine Heimat bieten sollte118 . Die Formen der Geselligkeit dagegen dienten weniger der Pflege privater Kontakte, sondern waren ein Mittel zur Anknüpfung und Kultivierung von Arbeitsbeziehungen119 : Gemeinsame Veranstaltungen waren eher selten, aber wenn sie stattfanden, waren immer auch Vertreter aus Wirtschaft und Politik anwesend120 , und auf den Mitgliederlisten der Vereine finden sich zahlreiche Deputierte oder Senatoren, die auf diese Weise nicht nur die Verbindung zu den Journalisten hielten, sondern auch dazu beitrugen, deren gesellschaftliches Ansehen zu heben. Auch die Beziehungen der Journalisten zu Behörden und öffentlicher Verwaltung wurden mit Hilfe der Vereine gestaltet, wodurch diese wiederum eine Aufwertung erfuhren121 . Während Martin, bei dessen Professionalisierungskonzept vor allem das Selbstverständnis und die berufliche Identität der Journalisten im Vordergrund stehen, den Aufstieg der »profession des journalistes« mit der Blüte der Journalistenvereinigungen in Zusammenhang bringt122 , betont Requate, für den die Frage der Autonomie zentraler ist, dass aus der engen Anlehnung
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119 120 121 122
D., Structures de sociabilité, S. 498. D., Médias et journalistes, S. 120f. D., Structures de sociabilité, S. 500. D., »La grande famille«, S. 138f. D., Structures de sociabilité, S. 501, sowie D., »La grande famille«, S. 147–157; die Praxis des Presseduells verlor etwa um 1880 zunehmend an Relevanz, was Martin als Indiz für die Wirksamkeit dieser Bestrebungen ansieht, ibid., S. 153. D., Structures de sociabilité, S. 501. Ibid., S. 501f. Ibid., S. 507. D., Médias et journalistes, S. 132.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
an die Politik eher der Verzicht auf eine Professionalisierungsstrategie als deren Vollendung resultierte123 . Auch Marc Hampton bemüht in seiner Darstellung der Geschichte des britischen Institute of Journalists das Konzept der Professionalisierung124 . Er betont jedoch die historische Konstruiertheit des »professional ideal«, in dessen Zentrum in Großbritannien die autonome Regelung des Zugangs zum Beruf sowie dessen Ausgestaltung und Kontrolle durch die Berufsvertreter stand. Die Gründung der National Association of Journalists (1884), aus der 1889 das Institute of Journalists hervorging, interpretiert er als eine auf die Verbesserung des sozialen Status des Journalisten abzielende Professionalisierungsstrategie. Die Vertreter des Institute versuchten neben der Einrichtung eines Wohltätigkeitsfonds zugunsten in Not geratener Mitglieder auch den Zugang zum Beruf einzuschränken, eine Art Ehrenkodex einzuführen und die Rechte der Journalisten zu stärken125 . Vertreten waren, wie in Frankreich auch, Journalisten und Verleger gleichermaßen, was wie dort dazu führte, dass Interessenkonflikte zwischen diesen beiden Gruppen nicht ausgefochten wurden. Daraus erwuchs eine wachsende Kritik am »professional ideal«, die schließlich in die Gründung einer gewerkschaftlichen Organisation mündete, der National Union of Journalists (1907). Anders als in Frankreich banden sich diese Vereinigungen nicht sehr eng an den Staat, außerdem blieb es auf der Insel lange Zeit bei diesen beiden zentralen Organisationen, die dementsprechend viele Mitglieder hatten. Das Phänomen der Journalistenorganisation war also durchaus ein gesamteuropäisches (bzw. westliches), das von der Forschung vor allem auf die Frage nach Ansätzen der Professionalisierung des Journalismus hin untersucht wurde126 . Die Journalisten beschränkten sich jedoch nicht auf nationale Vereinigungen127 . Vom Institute of Journalists angeregt wurde 1894 der I. Internationale Pressekongress abgehalten, zwei Jahre später wurde in Budapest die Union des associations de presse als permanente internationale Journalistenorganisation gegründet, die bis 1914 die internationalen Pressekongresse organisierte und als Diskussionsforum für die internationalen Belange des Journalismus fungierte128 . Neben Urheberrechtsfragen wurden auf den Kongressen unter anderem 123 124 125 126 127
128
R, Journalismus als Beruf, S. 98. Mark H, Journalists and the »Professional Ideal« in Britain. The Institute of Journalists, 1884–1907, in: Historical Research 72 (1999), S. 181–201. Ibid., S. 186. Dieser Punkt wird später noch einmal aufgegriffen, siehe Kap. I.4. Zum Folgenden Ulf Jonas B, »Scrupulous Integrity and Moderation«. The First International Organization for Journalists and the Promotion of Professional Behavior 1894–1914, in: American Journalism 22 (2005), S. 95–112, sowie Gilles F, Aux origines de l’identité professionnelle des journalistes. Les congrès internationaux des associations de la presse (1894–1914), in: Michel M, Rémy R (Hg.), L’identité professionnelle des journalistes, Straßburg 1995, S. 139–162. B, »Scrupulous Integrity and Moderation«, S. 95; F, Aux origines de l’identité professionnelle, S. 139–141.
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3. Korrespondentenvereine
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die Errichtung eines Schiedsgerichts zur Beilegung internationaler Pressekonflikte, eine professionelle Ethik, die Ausbildung des Journalisten und die Vertretung gemeinsamer Interessen wie etwa die Durchsetzung der Anerkennung des Redaktionsgeheimnisses besprochen. Auf den Tagesordnungen finden sich auch Themen, die besonders für Auslandskorrespondenten bedeutsam waren, so etwa die Frage nach international anerkannten Identitätskarten, die gewissermaßen für die »Lauterkeit« ihres Trägers bürgen und ihm damit, wenn schon nicht die Unterstützung der Behörden, so doch wenigstens die seiner Kollegen sichern sollten129 . Auf dem Kongress in Stockholm wurde 1897 die Einrichtung eines Bureau des correspondants beschlossen, das die Namen derjenigen Journalisten sammelte, die als Korrespondenten für in- und ausländische Blätter zu arbeiten bereit waren. Dem Initiator Tollier, Herausgeber des Mailänder Blattes »Corriere della Sera«, ging es vor allem darum, die Versorgung der Zeitungen mit Nachrichten aus eher unbedeutenden Orten, wo sie keine eigenen, ständigen Korrespondenten unterhielten, zu gewährleisten: Sollte eine Provinzstadt Schauplatz bedeutender Ereignisse werden, sollte diese Korrespondentenliste mögliche Ansprechpartner liefern. 1898 hatten sich 431 Journalisten auf dieser Liste eingeschrieben – die einzige Voraussetzung war die Mitgliedschaft bei einer der in der Union vertretenen Vereinigungen, was gewissermaßen ein Instrument der Qualitätssicherung und der Garantie der Professionalität der Journalisten war. Die Liste wurde an rund 200 der wichtigsten europäischen und amerikanischen Zeitungen versandt130 . Ob und wie sie tatsächlich genutzt wurde, ist nicht erkennbar. In den Debatten auf den Kongressen wurden auch politische Fragen gestreift, etwa wenn es um die Beseitigung der von vielen Regierungen eingesetzten Verbote ausländischer Zeitungen oder Ausweisungen ausländischer Korrespondenten ging131 . Greifbare Erfolge gab es nur wenige. Zwar wurde bereits in den 1890er Jahren ein Schiedsgericht eingerichtet, aber offenbar nicht genutzt, so dass nach der Jahrhundertwende erneut über die Einführung einer solchen Schlichtungsinstanz debattiert wurde132 . Die 1900 eingeführten und gedruckten Identitätskarten waren den wenigsten Diskutanten des Kongresses von 1904 bekannt und wurden nur selten angefordert – vermutlich, weil ihr Nutzen ein fragwürdiger war, solange sie nicht durch die Behörden anerkannt waren. Die Internationalen Pressekongresse hatten gegenüber der Politik offenbar ein 129
130
131 132
[. V.], Eine Rede Viktor Taunays, in: Neues Wiener Abendblatt, 14.9.1904, S. 2; Teil der Sammlung zum IX. Internationalen Pressekongress. Wien 1904, AT-OeStA/HHStA PL 77. Compte rendu des travaux du 5e congrès international de la presse. Lisbonne 1898, Bordeaux 1899, S. 115–119, http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k892898z, sowie Compte rendu des travaux du 6e congrès international de la presse. Rome 1899, Bordeaux 1900, S. 160f., http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k892898z (Zugriff am 16.6.2017). [. V.], IX. Internationaler Preßkongreß in Wien (vierter Verhandlungstag), in: Neues Wiener Abendblatt, 15.9.1904, S. 2, AT-OeStA/HHStA PL 77. B, »Scrupulous Integrity and Moderation«.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Legitimationsproblem; dies deutet die Einschätzung des Pressereferenten des Auswärtigen Amtes Hammann an: »Es ist eine Vereinigung von Journalisten verschiedener Nationalität, die sich als Vertreter des Journalismus ihrer HeimatLänder gerieren und zusammenkommen[,] um über allgemeine Fragen ihres Standes zu beraten und sich fêtieren zu lassen«133 . Zum einen sprach Hammann damit dem Kongress die Repräsentativität ab, zum anderen zog er die Ernsthaftigkeit seiner Ziele in Zweifel. Zwar wurden zu den Kongressen rauschende Feste organisiert, die auch die jeweiligen politischen Eliten durch ihre Anwesenheit adelten, doch selbst wenn sich die beteiligten Journalisten auf eine Resolution einigen konnten, liegen über die Umsetzung kaum Informationen vor, was als Indiz für deren Scheitern zu werten sein dürfte – an den verschiedenen nationalen Pressegesetzen, den unterschiedlichen Haltungen der lokalen Behörden und Politiker ebenso wie den verschiedenen journalistischen Konzepten. Andererseits erwirkte der Kongress in Wien 1904 tatsächlich eine deutliche Reduktion der Telegrafengebühren für Zeitungen134 . Jenseits solcher materieller Erfolge betont Feyel die Bedeutung der Debatten der Kongresse für die »définition de l’identité professionnelle des journalistes«135 . Doch bei allen Zweifeln an der Wirkung: In den letzten zwei bis drei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts hatten die Journalisten Europas – wie andere Berufsgruppen auch – den Verein bzw. den Verband als Instrument der Vernetzung mit Berufskollegen etabliert und bereits begonnen, auch auf internationaler Ebene zu kooperieren. Damit reihten sie sich in eine alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche betreffende »wachsende Bereitschaft zu grenzübergreifender Kooperation« ein, die auch die Vertreter anderer beruflicher und gesellschaftlicher Gruppen auszeichnete136 . 3.2 Paris: Association syndicale de la presse étrangère Die Association syndicale de la presse étrangère (APE) in Paris war die Schnittstelle der Korrespondenten zum Parlament und Ansprechpartnerin für die Verteilung der Plätze auf der Tribüne der Auslandspresse. Damit hatte sie eine Schlüsselfunktion für die Arbeitspraxis der Pariser Auslandskorresponden133 134 135 136
Hammann an Bernstorff, Berlin, 3.5.1905, PA AA, RAV London, 1325–1327. F, Aux origines de l’identité professionnelle, S. 147. Ibid., S. 139. Zitat Madeleine H, Hintertüren zur Macht. Internationalismus und modernisierungsorientierte Außenpolitik in Belgien, der Schweiz und den USA 1865–1914, München 2000, S. 507, auch D., Geschichte der internationalen Organisation, Darmstadt 2009, S. 3–49; H, K, B, Geselligkeit und Demokratie; Emily S. R, Transnationale Strömungen in einer Welt, die zusammenrückt, in: Akira I u. a. (Hg.), Geschichte der Welt. 1870–1945: Weltmärkte und Weltkriege, München 2012, S. 815–998, sowie die Beiträge in Johannes G, Martin H. P (Hg.), The Mechanics of Internationalism. Culture, Society, and Politics From the 1840s to the First World War, Oxford 2001.
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3. Korrespondentenvereine
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ten, wie sie in dieser Deutlichkeit von keiner der anderen Korrespondentenvereinigungen eingenommen wurde. Auch wenn über den Zusammenschluss der Pariser Auslandskorrespondenten kaum etwas bekannt ist und er auch in der zeitgenössischen Presse nur selten erwähnt wird, kommt ihm doch eine relativ große Bedeutung zu, denn er diente anderen Korrespondentenvereinen in Europa als Vorbild. Dem formellen Gründungsdatum nach (13. Dezember 1883)137 ist er zwar nicht der erste Verein dieser Art – die Wiener Auslandskorrespondenten hatten ihren ein paar Monate früher konstituiert –, allerdings gab es offenbar schon vorher einen losen Zusammenschluss. Den Grundstein zur späteren APE legten der Schweizer Journalist Louis Macon, Korrespondent der »Correspondance helvétique«, und sein britischer Kollege von der Londoner »Daily News«, George Morland Crawford, angeblich bereits 1871 in Bordeaux, wo die Assemblée nationale zu Beginn der Dritten Republik tagte138 . Crawford und Macon waren dann auch beide langjährige Mitglieder der APE, Macon fungierte mehrere Jahre als deren Sekretär, später auch als ihr Präsident, Crawford war ihr erster Präsident und damit zugleich der Syndic, also der Kontaktmann zur Parlamentsverwaltung139 . Über die Vorgeschichte der APE und die Motive und Erwartungen der beteiligten Journalisten ist nichts bekannt, jedoch drängt sich der Eindruck auf, dass sie in erster Linie gegründet wurde, um die Beziehungen zur questure (Verwaltung) des Parlaments zu gestalten. Die erste Spur, die die APE hinterlassen hat, findet sich in den Parlamentsarchiven: Am 26. Mai 1884 unterrichtete Louis Macon die questure von der Konstituierung des Vereins140 . Als Zweck wurde neben der Vernetzung der Auslandskorrespondenten zur besseren Durchsetzung gemeinsamer Interessen ganz explizit die Formalisierung des Kontakts zur questure und die Verteilung der Karten zur Pressetribüne angegeben. Abgesehen von den Nachrichtenagenturen, die im System der Pressebeziehungen des französischen Parlaments eine Sonderstellung einnahmen, hatten damit alle wichtigen journalistischen Gruppierungen in Paris einen Verein gegründet, über den der Kontakt zur questure abgewickelt wurde. Das Syndicat de la presse parisienne hatte 1875 den Anfang gemacht, vier Jahre später war die Association de la presse républicaine départementale hinzugetreten141 . 137
138
139 140 141
APE, statuts et règlement, die im Frühjahr 1884 an die questure übersandt wurden: Louis Macon an G. Hubbard (secrétaire général de la questure de la Chambre des députés), Paris, 26.5.1884, AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. Angelo G (Hg.), Dictionnaire international des écrivains du jour, Florenz 1888–1891, S. 1409; [. V.], Art. »Louis Macon«, in: Henry C (Hg.), Dictionnaire biographique international des écrivains, Paris 1899, S. 294–301. Siehe Kap. II.2.1. Macon an Hubbard, Paris, 26.5.1884, AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. Émile M, Annuaire de la presse française. 1885. Sixième année, Paris 1885, S. XXXII– XLVII, sowie die Presseakten des Bestandes 12 P AssN, Presse – Relations avec la presse étrangère, 12 P 175.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Die Idee, die Journalisten gewissermaßen nach der geografischen Beheimatung ihrer Zeitungen zu gliedern, war keineswegs neu. Bereits 1850 wurde in der questure der Assemblée nationale ein Papier verfasst, in dem die Verteilung der Karten zur Pressetribüne durch Vertreter der einzelnen Gruppierungen vorgenommen werden sollte, deren Legitimation von noch zu gründenden Vereinen ausgehen sollte142 . Umgesetzt wurde dieses Vorhaben nicht mehr, vermutlich durchkreuzten Louis Napoléon und die Errichtung des Second Empire diese Pläne, die aber zu Beginn der Dritten Republik wieder hervorgeholt wurden, um als Leitfaden für die neu zu etablierende Ordnung zu dienen. In der Folge wurden die Karten zu den verschiedenen Pressetribünen tatsächlich ausschließlich an die Vertreter dieser drei Vereinigungen ausgegeben, die frei darüber entscheiden konnten, welche ihrer Mitglieder Zugang zum Parlament erhielten. Die Pariser APE nahm somit eine Schlüsselstellung für die Berufsausübung der Pariser Auslandskorrespondenten ein, die auf der Anerkennung ihres repräsentativen Charakters durch die französischen Behörden basierte. Die Verbindung zur questure war offenbar auch die wichtigste Aufgabe der APE. Zwar ist es schwierig, sich anhand der Überlieferung – Bestandsbildner ist die Parlamentsverwaltung – ein Bild vom Innenleben und den sonstigen Aktivitäten der Vereinigung zu machen. Es finden sich jedoch auch in der zeitgenössischen Presse ausgesprochen wenige Spuren darüber: mal ein Jahresbankett mit den französischen Journalisten, mal ein Konzert für das diplomatische Corps, mal die Beteiligung an der Aufsichtskommission einer Verlosung anlässlich der Weltausstellung 1889143 . Der Vorstand der APE versuchte offenbar ebenso, wie dies bei den Korrespondentenvereinen der anderen Hauptstädte noch zu zeigen ist, sich durch Veranstaltungen zu einer Größe im öffentlichen Leben aufzuschwingen. Angesichts der wenigen Spuren, die die APE in den Archiven und Zeitungen hinterlassen hat, ist ihr Erfolg jedoch fraglich. Jenseits ihrer Wirkung im Parlament bleibt die Association ziemlich blass. Ihre Bedeutung als Instrument der Interessenpolitik der Auslandskorrespondenten und der Verbesserung ihrer Arbeitsmöglichkeiten ist dennoch hoch einzustufen. Dies zeigt sich besonders deutlich an der Geschichte der APE nach dem Ersten Weltkrieg: 1920 waren durch eine Statutenänderung deutsche Auslandskorrespondenten für eine Dauer von zehn Jahren von der Mitgliedschaft ausgeschlossen worden144 . Für diese hatte das zur Konsequenz, 142 143
144
Siehe Kap. II.2.1, sowie Règlement, 16.11.1850, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Direction générale de l’exploitation; ministère du Commerce, de l’Industrie et des Colonies: Tombola, tirage des lots. Exposition universelle de 1889. Paris 1890. http: //gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k54920944 (Zugriff am 19.6.2017). Wahrscheinlich wurden die Korrespondenten, die für Zeitungen aus Staaten arbeiteten, die im Ersten Weltkrieg mit Frankreich verfeindet waren, bereits während des Krieges ausgeschlossen; ein Beleg für diese Vermutung existiert jedoch nicht.
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3. Korrespondentenvereine
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dass sie keinen Platz mehr auf der Pressetribüne bekamen. Auf eine Beschwerde deutscher Journalisten hin entgegnete die questure, dass man den Pressesyndikaten immer große Autonomie eingeräumt habe und daher nicht gegen diese Diskriminierung einschreiten könne145 . Daraufhin setzte der Berliner Verein der Parlamentsjournalisten von Januar 1923 an den Ausschluss der französischen Korrespondenten von der Pressetribüne des Reichstags durch, bis auch den deutschen Korrespondenten in Paris die Möglichkeit des Zugangs zur Pressetribüne erneut gewährt würde und damit das Prinzip der Gegenseitigkeit wieder hergestellt sei146 . Dieser Einbruch des Nationalen in eine sich doch eigentlich als unpolitisch verstehende Berufsorganisation traf alle hier untersuchten Korrespondentenvereine, wegen der günstigeren Quellenlage wird dies im Folgenden vor allem an den Vereinen in London und Berlin untersucht werden. Mit der nationalsozialistischen Besatzung von Paris musste die APE ihre Aktivitäten einstellen. Die heute noch in Paris existierende Association de la presse étrangère wurde nach der Befreiung am 22. September 1944 gegründet147 . 3.3 Wien: Verband der auswärtigen Presse Der Wiener Verband der auswärtigen Presse war – zumindest dem formellen Gründungsdatum nach – die erste berufliche Vereinigung von Auslandskorrespondenten. Der Vertreter der KöZ in Wien, Jos. E. Russell, beantragte am 21. März 1883 die Genehmigung des Verbands der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter in Österreich-Ungarn148 . Zweck des Vereins sollte laut Satzung die »Wahrung des Ansehens des Standes nach jeder Richtung«, die »Vertretung der für die auswärtige Presse gemeinsamen journalistischen Interessen« und die »Anbahnung und Pflege eines gesellschaftlichen Verkehrs der Vereinsmitglieder« sein, was der Verband durch »Intervention bei Behörden und Anstalten, Versammlungen, Vorträge, Discussionen und gesellige Unterhaltungen« zu erreichen suchte149 . Die Wiener Polizeidirektion plädierte dafür, die Bildung des Vereins als »seiner Einrichtung nach gesetzeswidrig zu untersa-
145 146 147
148 149
Dossier »Contentieux relatif aux autorisations accordées aux journalistes d’ex-pays ennemis«, AssN, Presse – Relations avec la presse étrangère, 12 P 175. Ibid. Ob und wann diese Intervention die gewünschten Folgen zeitigte, ist aus den vorliegenden Quellen nicht ersichtlich. Les statuts de l’APE, http://www.apepresseetrangere.org/l-ape-presse-etrangere-enfrance/statuts-ag.html (Zugriff am 19.6.2017). Die heutige APE sieht sich zwar als Nachfolgeorganisation der alten Association syndicale, verwahrt aber kein Archivgut aus der Zeit vor 1944. Jos. E. Russell an Niederösterreichische Statthalterei Wien, 21.3.1883, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Statuten für den Verband der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter in Österreich-Ungarn [1883], § 2, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
gen«150 . Der elfseitige Polizeibericht kritisierte unklare Begriffe und ungenaue Angaben über die Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie die vereinsinternen Abstimmungsverfahren, vor allem aber monierte der Verfasser, es sei »nicht abzusehen, wie überhaupt der zu bildende Verein, indem er die Interessen der auswärtigen Tagespresse zu vertreten und die Wahrung der Standesehre der Journalisten nach jeder Richtung durch zuführen, sowie bei Behörden zu interveniren beabsichtigt, in seinen Versammlungen und Discussionen das Betreten des politischen Gebietes zu vermeiden im Stande sein« könne, zumal die meisten ausländischen Blätter in Wien Korrespondenten vor allem unterhielten, »um Mittheilungen über politische Fragen zu erhalten«151 . Die Versicherung in den Statuten, dass der Verband »jede politische Tendenz unbedingt ausschließt«152 , räumte die Bedenken der Polizeidirektion nicht aus. Vielmehr unterstellte man dem Verband die »Anmaßung einer Autorität [. . . ] in einem Zweige der Gesetzgebung oder Exekutivgewalt«153 . Unter einer Intervention bei den Behörden im Interesse der auswärtigen Presse konnte sich der Beamte nur die Beschwerde gegen »gerichtliche Verbote von Zeitschriften, Beschlagnahmen, Postdebitentziehungen« etc. vorstellen, welche Zeitungen trafen, die durch »zu weit gegangene, ungebundene Besprechung der politischen Ereignisse oder anderer öffentlicher Verhältnisse mit den Vorschriften des Straf- oder Preßgesetzes in Collision« geraten seien154 . Auf die Ablehnung seines Antrags hin versicherte Russell der Statthalterei noch einmal, die Ziele des Vereins seien »loyale und würdige«, die »gewiß aber nicht als irgendwelche politische in irgendeiner Richtung aufgefasst werden können«. Es sei doch selbstverständlich, »dass es für auswärtige Blätter aus den verschiedensten Ländern von den verschiedensten Anschauungen (und demgemäß auch für ihre Correspondenten) einen allgemein gleichen politischen Boden überhaupt nicht gibt, demzufolge eine politische Tätigkeit des Verbandes [. . . ] einfach eine Unmöglichkeit« sei155 . Hinter dieser Argumentation steht die Annahme, dass Presse national strukturiert ist, dass die außenpolitische Berichterstattung von der Haltung des eigenen Landes geprägt ist und dass folglich die Haltung der Auslandskorrespondenten der verschiedenen Länder – bei aller Überschneidung beruflicher Interessen – national getönt war und nicht etwa nach parteipolitischer Über-
150 151 152 153 154 155
Bericht der k. k. Polizei-Direction in Wien an die Statthalterei, Wien 30.3.1883, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Ibid. Statuten des Verbands der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter in Österreich-Ungarn [1883], § 1, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Bericht der k. k. Polizei-Direction in Wien an die Statthalterei, Wien 30.3.1883, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Ibid. Russell an Statthalterei Wien, 11.4.1883, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195.
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3. Korrespondentenvereine
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zeugung156 . Die österreichischen Behörden betrachteten die Presse dagegen per se als Politikum. Die Überarbeitung der Statuten beschränkte sich auf einige formale Konkretisierungen, die wesentlichen Aspekte blieben erhalten. Als einziges Zugeständnis an den Hauptkritikpunkt des Polizeiberichts wurde aus »Vertretung« der Interessen die »Erleichterung der Berichterstattung für die auswärtige Presse«157 . Ziemlich reserviert empfahl die Polizeidirektion eine Genehmigung, die die Statthalterei dann auch erteilte158 . Zur konstituierenden Sitzung, die erst fünf Monate später am 22. September 1883 in einem Café stattfand, entsandte man einen Beobachter, der jedoch keine besonderen Ereignisse verzeichnen konnte und lediglich die Annahme der von den Behörden genehmigten Statuten meldete159 . Wer die beteiligten Korrespondenten waren und für welche Blätter sie schrieben, wurde nicht in den Akten verzeichnet, was als Indiz für die gewöhnlichen Zugriffswege von Polizei und Landesbehörden auf die ausländische Presse gewertet werden kann: Einzelne Personen interessierten sie kaum; wenn die Berichterstattung unerwünscht war, hatte man mit Beschlagnahme der Zeitung und Entzug des Postdebits ausreichende Sanktionsmöglichkeiten bei der Hand160 . Die Behörden erschienen wenig begeistert von dieser Formierung der Auslandskorrespondenten, allerdings waren zumindest die Bedenken der Zuständigen in der Statthalterei nicht so groß, dass sie ein Verbot für angezeigt erachteten. Ob sie sich beim Ministerium des Äußern oder der Preßleitung161 über Russell erkundigt hatten, ist nicht bekannt. Hätten sie es getan, wäre die Auskunft wahrscheinlich eine wohlwollende gewesen, denn als Russell fünf Jahre zuvor von seiner Redaktion nach Österreich geschickt wurde, um sich vor Ort über die »Verhältnisse der Monarchie zu orientiren, und zugleich für sein Blatt neue Beziehungen anzuknüpfen«162 , stellte ihm Ministerialrat von Falke aus dem Literarischen Bureau des Ministeriums des Äußern bereitwillig eine Empfehlung an den ungarischen Ministerpräsidenten Kálmán (Koloman) Tisza aus: »Bei der unzweifelhaften Bedeutung des in Frage stehenden norddeutschen Blattes glaube ich der Überzeugung Raum geben zu können, daß Ew.
156 157 158 159 160 161 162
Dabei muss berücksichtigt werden, dass Russell die österreichischen Behörden davon überzeugen wollte, dass von Seiten des Vereins keine politische Kritik zu befürchten sei. Statuten des Verbands der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter, [April 1883], WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Bericht der Polizei-Direction Wien an die Statthalterei, 19.4.1883, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Bericht an das Statthalterei-Präsidium, 26.9.1883 WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Siehe hierzu ausführlich Kap. II.1. Preßleitung ist der Name der Presseabteilung des österreichischen Ministeriums des Äußern, siehe Kap. II.1, Anm. 9. Johann Freiherr Falke von Lilienstein an Kálmán Tisza, Wien, 13.1.1877, ATOeStA/HHStA PL 36.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
die persönliche Beziehung zu einem einflußreichen Mitgliede der Redaction desselben gewiß nicht unangenehm sein dürfte«163 . Über Russell ist wenig bekannt, in den gängigen biografischen Nachschlagewerken ist er nicht verzeichnet. Ende 1876 hielt er sich im Auftrag der KöZ in Wien auf, um sich über Österreich-Ungarn ein Bild zu machen und mit hochrangigen Politikern Kontakte zu knüpfen164 . Offenbar war er erfolgreich – sicher nicht zuletzt dank des einflussreichen Blattes, in dessen Namen er auftrat –, denn im April des folgenden Jahres verschafften seine Empfehlungen dem neuen Wiener Hauptkorrespondenten Hans Kleser Gespräche mit seinen früheren Kontaktpersonen im Ministerium des Äußern165 . Im Sommer 1877 wurde er als Berichterstatter über den Russisch-Osmanischen Krieg nach Rumänien geschickt166 . Im Dezember 1878 beschloss die Leitung des Blattes, Kleser von Wien abzuziehen und in der Redaktion in Köln einzusetzen. Seine Nachfolge in Österreich trat Russell an167 , obwohl der Chefredakteur Heinrich Kruse ihn seinem Verlagsleiter als etwas unreif und vorwitzig beschrieb: »Dieser Jüngling ist noch etwas nass hinter den Ohren und bekümmert sich ab und zu um Dinge, die ihn nichts angehen, nur um sich dick zu thun«168 . Man gewinnt den Eindruck eines jungen, engagierten und ehrgeizigen Nachwuchsjournalisten, der das Prestige seines Amtes als Gründer und Präsident des Verbands der auswärtigen Correspondenten genoss. Nach der Statuten- und Namensänderung des Vereins im April 1884 verliert sich Russells Spur169 , im Jahr darauf übernahm Johannes Meissner den Wiener Korrespondentenposten der KöZ – dem Verband trat er nicht bei. Ob Russell weiterhin als Journalist arbeitete oder welche berufliche Laufbahn er stattdessen einschlug, ist nicht bekannt. Aus welchem Anlass und aus welcher Motivation heraus Russell den Verband gründete, lässt sich nicht rekonstruieren. Vereinsinterne Dokumente sind nicht erhalten, und auch von Russell existiert kein Nachlass. Einen Hinweis geben aber Titel und Statuten, in denen als zentraler Punkt die Förderung der Interessen der »selbstständigen Correspondenten« genannt wird, womit jene Personen gemeint waren, »welche in keinerlei Abhängigkeitsverhältnis, sei es zu politischen Behörden und Anstalten, sei es zu öffentlichen Blättern Cisleithaniens stehen«170 . Das zielte offensichtlich auf jene Journalisten ab, die
163 164 165 166 167 168 169 170
Ibid. Ibid. Russell an Baron [verm. Johann Freiherr Falke von Lilienstein], Köln, 26.4.1877, ATOeStA/HHStA PL 36. Kruse an Franz Fischer, Köln, 2.8.1877, HHI, NL Kruse, Briefe Fischer. Kruse an Wilhelm Friedrich Schultze, Köln, 17.12.1878, HHI, NL Kruse, Briefe Schultze. Kruse an Schultze, Köln, 10.1.1879 HHI, NL Kruse, Briefe Schultze. Korrespondenz zwischen Russell und der Statthalterei im Frühjahr 1884, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Statuten des Verbands der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter in Österreich-Ungarn [1883], WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195.
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auf den Honorarlisten der Preßleitung des Ministeriums des Äußern standen171 . Inwiefern Russell sich aber diesen gegenüber benachteiligt fühlte, lässt sich daraus nicht schließen172 . Man kann nur vermuten, dass die PreßleitungsKorrespondenten nicht nur finanziell subventioniert wurden, sondern auch einen Vorteil bei der Beschaffung von Informationen genossen. Die strikten Bestimmungen zu ihrem Ausschluss wurden bereits im folgenden Jahr gelockert: Der Verband führte neben der Kategorie der ordentlichen Mitglieder nun auch außerordentliche Mitglieder und ständige Gäste. Ordentliche Mitglieder mit vollem Stimmrecht in allen Fragen, darunter auch über die Aufnahme neuer Mitglieder, konnten nur Auslandskorrespondenten sein, die »in keinem finanziellen Abhängigkeitsverhältnis« zu den Behörden standen; die Übrigen konnten aber als außerordentliche Mitglieder mit eingeschränktem Stimmrecht aufgenommen werden173 . Diese Einschränkung wurde mit der Statutenänderung vom Juli 1887 gänzlich abgeschafft, so dass alle Wiener Auslandskorrespondenten ordentliche Mitglieder werden konnten174 . Zugleich wurde das Amt des Präsidenten durch ein dreiköpfiges Syndikat ersetzt. Diese Lockerung war offenbar motiviert durch einen Rückgang der Mitgliederzahlen, denn gegenüber den 33 Mitgliedern, die der Verband 1884 zählte, konnte er 1887 nur noch zwischen zehn und 14 vorweisen175 . Seit Dezember 1902 gab sich der Verband dann wesentlich exklusiver: Ordentliche Mitglieder konnten »nur Correspondenten namhafter auswärtiger Blätter sein«176 . Zugleich wurde die Aufnahme in den Verein schwieriger. Während früher jeder Interessent selbst einen Antrag auf Mitgliedschaft stellen konnte, über den dann ein Ausschuss entschied, war nun die persönliche Vorstellung des Bewerbers durch mindestens zwei Verbandsmitglieder nötig, bevor das Syndikat über die Aufnahme befand. Hinter dieser Strategie der Exklusion, die auch in anderen Korrespondentenvereinen angewandt wurde, stand offenbar der Versuch, das Ansehen der Vereinsmitglieder zu stärken und die gewährten Privilegien nur einer Elite zukommen zu lassen. Im Jahr darauf zählte der Verband dennoch immerhin 31 Mitglieder – darunter auch eine Frau177 .
171 172 173 174 175 176 177
Zu den offiziösen Korrespondenten in Wien siehe den Abschnitt zur österreichischen Pressepolitik in Kap. II.1 sowie den zu Wiener Korrespondenten im Staatsdienst, Kap. III.1. Ein Zusammenhang mit der Internationalen Electrischen Ausstellung, die vom 1.8. bis 31.10.1883 stattfand, wäre denkbar, ist aber nicht belegt. Statuten für den Verband der auswärtigen Presse, 3.5.1884, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. (Neue) Statuten des Verbandes der auswärtigen Presse, Wien, 21.6.1887, § 4, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Hermann Greiml u. Karl Neisser an Statthalterei, Wien, 21.6.1887, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Statuten des Verbandes der auswärtigen Presse, Wien, 30.12.1902, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195 (Hervorh. S. H.). Verband der auswärtigen Presse. Mitgliederliste [1904], AT-OeStA/HHStA PL 77. Die dort eingetragene Ottilie Bondy war aber nicht das erste weibliche Mitglied; das war
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Doch welchen Mehrwert gewährte die Mitgliedschaft im Verband der auswärtigen Presse den Auslandskorrespondenten eigentlich? Zwar hob der Gründer und Präsident die von günstigem Erfolge begleitete Thätigkeit des Verbandes [hervor], welche die Beziehungen des Auslandes zu Wien, soviel dieselben in der Presse ihren Ausdruck finden, wesentlich gefördert hat und die bei zahlreichen Gelegenheiten, so namentlich anläßlich der elektrischen Ausstellung von höchster Seite, besonders von Sr. Kaiserlichen Hoheit, dem durchlauchtigsten Kronprinzen, Erzherzog Rudolf volle Anerkennung erfuhr178 .
Diese optimistische Zwischenbilanz war jedoch aus der Motivation heraus geschrieben worden, die Statthalterei zu einer raschen Genehmigung der geänderten Statuten zu bewegen. Wie genau die Tätigkeit aussah, wie häufig der Verband etwa Vorträge organisierte und bei welchen Stellen er sich für die Interessen seiner Mitglieder einsetzte, ist nicht dokumentiert. Ein gutes Jahrzehnt später fiel die Einschätzung des Verbands durch den deutschen Geschäftsträger in Wien Karl Max von Lichnowsky deutlich weniger wertschätzend aus: »Unter den Korrespondenten besteht ein ›Verband der auswärtigen Presse‹ mit 15– 20 Mitgliedern, der jedoch nur einen geringen Theil der auswärtigen Presse, meist untergeordnete Berichterstatter kleinerer (polnischer, italienischer etc.) Blätter umfasst«179 . Die weiteren Beziehungen der österreichischen Behörden zu dem Verband sind nicht gut dokumentiert, was als Hinweis auf dessen untergeordnete Bedeutung zu lesen sein könnte. Einige Jahre später räumten die Behörden den vereinten Auslandskorrespondenten aber doch einige Vergünstigungen ein: Im Mai 1909 erwirkte der Leiter des Verbands Dr. Johannes Horowitz, Korrespondent des »Daily Chronicle«, die Überlassung der Depeschenausgabe des k. k. TelegraphenKorrespondenz-Bureaus (TKB), und zwar sofort bei deren Erscheinen, so dass eine daraus entnommene Meldung schneller bei einer Zeitung ankommen konnte als die Agenturmeldung180 . Um den wirtschaftlichen Erfolg dieses eigentlich kostenpflichtigen Dienstes nicht zu gefährden, mussten sich die Korrespondenten zwar schriftlich verpflichten, die Meldungen nur zu ihrer Information, nicht aber als Vorlage für telegrafisch oder telefonisch übermittelte Meldungen zu verwenden, aber daran hielten sich nicht alle. Hofrat Karl von Fabrizii, der Leiter des TKB, hatte daher starke Bedenken gegen diese Form der Subvention der Auslandskorrespondenten, zumal sie eindeutig gegen die Verträge der kartellierten Nachrichtenagenturen verstieß181 . Doch auch nach
178 179 180 181
1887 bereits Bettina Wirth: Greiml an Statthalterei, Wien, 21.6.1887, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Zu Auslandskorrespondentinnen siehe Kap. III.2. Russell an Statthalterei, 3.4.1884, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Zusammenstellung der Preßerzeugnisse Wiens (Max Karl von Lichnowsky), Wien, 1896, PA AA, RAV London, 1323, Zitat S. 6. Korrespondenz in der Amtserinnerung Nr. 499, 1909, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 76. Heinrich Mantler (WTB) an Karl von Fabrizii, undatiert [1909], AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 76.
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3. Korrespondentenvereine
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einer Beschwerde der Agencia Stefani, der italienischen Telegrafenagentur, wurde diese Praxis nicht nur fortgeführt, sondern auf die neu gegründete Union der Correspondenten der ausländischen Presse ausgedehnt182 . Die Kosten für diesen Dienst übernahm der Pressefonds des Ministerrats-Präsidiums, der monatlich 60 Kronen an das TKB zahlte183 . Aus welchem Grund das Ministerrats-Präsidium den Korrespondentenvereinigungen so weit entgegenkam, lässt sich nicht im Einzelnen nachvollziehen. Es ist wahrscheinlich, dass die Preßleitung auf diese Weise die Berichterstattung in die von ihr gewünschten Bahnen zu lenken hoffte, denn das staatliche TKB verbreitete die Nachrichten in der entsprechenden Form. Die Korrespondenten wiederum profitierten davon, dass sie aktuell über die Haltung der österreichischen Regierung informiert waren. Ob sie diese Haltung in ihren Berichten berücksichtigten, sei dahingestellt. Die Mitgliedschaft in einer Korrespondentenvereinigung erschien offenbar auch jenen Korrespondenten erstrebenswert, die keine Aufnahme im sich elitär gebenden Verband der auswärtigen Presse fanden. Anfang März 1911 reichte Leopold Mandl184 die auf Januar 1908 datierten Satzungen der Union der Correspondenten der ausländischen Presse bei der niederösterreichischen Statthalterei ein. Die Genehmigung wurde direkt am nächsten Tag erteilt, und die Union, deren Zweck fast wortgleich mit dem des Verbands lautete, konnte ihre Arbeit aufnehmen185 . Die Mitgliedschaft konnten »nur berufsmäßige Journalisten« erlangen, die eine ausländische Tageszeitung in Wien vertraten186 . Mandl beantragte bei der Preßleitung des Ministerrats-Präsidiums ein Freiexemplar der Depeschenausgabe des TKB für die Mitglieder der Union187 . Trotz der bereits erwähnten starken Bedenken Fabriziis wurden die entsprechenden Schritte unternommen, denn eine Ungleichbehandlung der beiden
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Fabrizii an Ministerrats-Präsidium, Wien, 13.4.1911, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 83. Amtserinnerung Nr. 499, 1909, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 76. E. L, Art. »Leopold Mandl«, in: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, 14 Bde., Wien 1957–2016, Bd. 6 (1975), S. 48. Leopold Mandl arbeitete nach seinem Jurastudium als Journalist für verschiedene Wiener Zeitungen, später auch für die VZ. Leopold Mandl an Statthalterei, Wien, 3.3.1911, sowie Erlass der Statthalterei vom 4.3.1911, WStLA, M.Abt. 119, A32–1931: 3247. Satzungen der Union der Correspondenten der ausländischen Presse, Wien, Januar 1908, WStLA, M.Abt. 119, A32–1931: 3247. Der Zweck des Vereins wurde dort, § 2, folgendermaßen angegeben: »die Förderung der Berufsinteressen der Vereinsmitglieder: 1.) durch Wahrung des Ansehens des Berufes nach jeder Richtung, 2.) durch Vermittlung von Erleichterungen für die Mitglieder bei Ausübung ihres Berufes, 3.) durch Schutzgewährung gegen jede Verkennung oder Mißachtung der Stellung und der Pflichten der Mitglieder, 4.) durch Pflege gesellschaftlichen Verkehres der Vereinsmitglieder durch Veranstaltung von Vorträgen, Unterhaltungen geselliger Art, Discoussionsabenden, Interventionen bei Behörden und Anstalten«. Mandl an Fabrizii, Wien, 8.7.1911, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 83.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Korrespondentenvereinigungen erschien dem Präsidium nicht gerechtfertigt188 . Auch Mandls Ersuchen um kostenlose Bahntickets – die nach Einschätzung der deutschen Botschaft in Wien die wichtigste Motivation für die Konkurrenzgründung bildeten – war erfolgreich189 . Als das Präsidium beim Ministerium des Äußern anfragte, wie die Union einzuschätzen sei, empfahl die Preßleitung eine »entgegenkommende [. . . ] Behandlung« – kein Wunder, stand Leopold Mandl doch schon seit Jahren als Informant für Balkanangelegenheiten mit der Preßleitung in Verbindung190 . Entsprechend seiner dortigen Tätigkeit und den damit einhergehenden Kontakten vereinte er in seiner Union vor allem Mitglieder aus Südosteuropa. Nach dem deutschen Pressebericht soll das Ministerium des Äußern die Union nicht nur aus Loyalität gefördert haben, sondern auch, weil »im alten Verbande die Engländer [. . . ] eine zu wichtige Rolle spiel[t]en«191 . In der Folge wurde den Korrespondenten der Union, wenigstens ab 1914 auch jenen des Verbands, vom Eisenbahnministerium jährlich ein gewisses Kontingent an Freifahrtkarten zur Verfügung gestellt, dessen Umfang sich nach der Anzahl der ordentlichen Mitglieder richtete. Selbst 1916, als die generelle Beschränkung derartiger Vergünstigungen angemahnt wurde, erhielt der Verband 50 Karten, die Union bekam 30192 . Mit ihren 31 Mitgliedern versammelte die Union deutlich weniger Korrespondenten als der Verband (über 80 Mitglieder). Wie die beiden Vereinigungen zueinander standen, ist nicht überliefert. Es gab mindestens eine Doppelmitgliedschaft: der Pazifist Alfred H. Fried von der Berliner »Friedenswarte«193 . Beide Vereinigungen erreichten zu Beginn des Ersten Weltkrieges ihren höchsten Mitgliederstand. 1914 verzeichnete der Verband 84 Mitglieder, 1916 waren es sogar vier mehr, obwohl zwischenzeitlich ein Passus in die Statuten aufgenommen worden war, der die Angehörigen der mit dem Dreibund ver188 189 190
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Einsichtsakt des Ministerrats-Präsidiums, Wien, 21.7.1911, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 83. Übersicht über die österreichische Presse [1911], PA AA, RAV London, 1332. Präsidialbureau des Eisenbahnministeriums an Literarisches Bureau des MdÄ, Wien, 30.4.1911, sowie die Antwort, Wien, 13.6.1911, AT-OeStA/HHStA PL 84. Zu den Kontakten Mandls zum Literarischen Bureau im MdÄ z. B. AT-OeStA/HHStA PL 241 sowie Mandls Personalakte AT-OeStA/HHStA PL 268 und seinen Nachlass, AT-OeStA/HHStA SB Nl Mandl. Übersicht über die österreichische Presse [1911], PA AA, RAV London, 1332. Das bezog sich vor allem auf den Times-Korrespondenten Henry W. Steed, der ein vehementer Gegner der österreichischen Annexionspolitik war. Einsichtsakt des Eisenbahnministeriums, Wien, 26.12.1914, Nr. 1224, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 101; Einsichtsakt des Eisenbahnministeriums, Wien, 31.12.1915, Nr. 4 (1916), AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 109. Mitgliederlisten beider Vereine im Einsichtsakt des Eisenbahnministeriums, Wien, 31.12.1915, Nr. 4 (1916), AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 109. Nähere Hintergründe sind nicht bekannt. Fried (1864–1921) war Pazifist und Träger des Friedensnobelpreises (1911), seine Doppelmitgliedschaft könnte durchaus auch politisch motiviert gewesen sein, was bei der Einschätzung des Verhältnisses der beiden Vereine eingerechnet werden muss.
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3. Korrespondentenvereine
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feindeten Staaten von der Mitgliedschaft ausschloss. Auch die »prinzipielle, nachweisbar betätigte Feindseligkeit« gegen Österreich-Ungarn wurde zum Ausschlussgrund – ausdrücklich davon unterschieden wurde jedoch die als legitim erachtete »in den Grenzen des journalistischen Anstandes gehaltene unabhängige Kritik«194 . Ob die Mitglieder des Verbands den Ausschluss ihrer Kollegen aus freien Stücken beschlossen oder ob die Behörden, mit denen sie zusammenarbeiteten, Druck ausübten, ist nicht nachvollziehbar. Allerdings hatte das Eisenbahnministerium im Jahr zuvor die Ausgabe der Freifahrtkarten ausdrücklich beschränkt auf die »eine journalistische Tätigkeit wirklich ausübenden Mitglieder [. . . ], insoferne dieselben nicht Vertreter von Blättern feindlicher Staaten sind«195 . Die Statuten wurden rund ein halbes Jahr später geändert, wenige Wochen nach dem Kriegseintritt Italiens. Der Vorstand (Hermann Greiml, Leo Salkind und Hugo Ganz) teilte dies der Preßleitung des Ministeriums des Äußern mit und überreichte persönlich die Liste der 23 ausgeschlossenen italienischen, britischen und französischen Mitglieder196 . Auf der Mitgliederliste vom Dezember 1915 finden sich zwar noch acht italienische Korrespondenten, diese sind jedoch ausgestrichen. Neben den 24 deutschen Auslandskorrespondenten gehörten zehn Vertreter amerikanischer Blätter sowie fünf ungarische, zwei schweizerische, zwei polnische, ein niederländischer und ein griechischer Korrespondent dem Verband an197 . Für diese Zeit ist nicht überliefert, welche Rolle der Verband oder die Union jenseits der Vergabe von Eisenbahnfreikarten spielten. Jedenfalls griffen weder das Ministerium des Äußern noch das Kriegsministerium auf die beiden Vereinigungen zurück, um Auslandskorrespondenten zu Propagandaveranstaltungen wie der Besichtigung von Kriegsgefangenenlagern einzuladen198 . Nach dem Krieg wurde der Ausschluss bestimmter Nationen rasch aus den Statuten gestrichen199 und der Fokus auf die Professionalität der Mitglieder 194
195 196
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Leo Salkind an Statthalterei, Wien, 7.7.1915; Statuten, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195 sowie Vorstand des Verbandes der auswärtigen Presse an Literarisches Bureau des MdÄ, Wien, 30.6.1915, AT-OeStA/HHStA PL 91. Einsichtsakt des Eisenbahnministeriums, Wien, 26.12.1914, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 101. Vorstand des Verbands der auswärtigen Presse an Literarisches Bureau des MdÄ, Wien, 30.6.1915, AT-OeStA/HHStA PL 91. Siehe zum analogen Vorgehen des Londoner Vereins das folgende Unterkapitel. Mitgliederliste des Verbands der auswärtigen Presse, [31.12.1915], AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 109. Der Weg lief vielmehr über die österreichischen Gesandten in den neutralen Staaten, die sich wiederum an angesehene und Österreich tendenziell freundlich gesinnte Zeitungen wandten, die dann meist ein Mitglied ihrer Redaktion nach Wien schickten, von wo die vom Ministerium des Äußern finanzierten Exkursionen unternommen wurden. In den entsprechenden Unterlagen zu diesen Propagandafahrten fand sich kein einziger Wiener Auslandskorrespondent, AT-OeStA/HHStA PL 276–277. Leo Salkind an niederösterreichische Landesregierung, Wien, 9.1.1920, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
gelegt200 . Im Zuge der Gleichschaltung der österreichischen Presse wurde der Verband 1938 zunächst in die Union der Correspondenten der ausländischen Presse eingegliedert und vier Tage später aus den Vereinsregistern gelöscht201 . Die Union, in deren Satzung der Arierparagraf aufgenommen wurde, wurde dem Reichspropagandaamt in Wien unterstellt. Nachdem sie ihre Tätigkeit 1944 eingestellt hatte, wurde sie am 23. Juni 1947 im Rahmen der Entnazifizierung offiziell aufgelöst, ihr Vermögen dem im November 1945 gegründeten und heute noch bestehenden Verband der Auslandskorrespondenten zugeschlagen202 . Weil die Nachlässe der beiden Vereine nicht überliefert sind und auch die Recherche in den zeitgenössischen Blättern nicht erfolgreich war, ist es schwer, ihre Bedeutung und konkreten Aktivitäten einzuschätzen. Die österreichischen Behörden scheinen sich mit ihnen nach anfänglich großer Skepsis arrangiert zu haben, einen zentralen Stellenwert nahmen sie aber im Rahmen einer aktiven Pressepolitik offenbar nicht ein. Beide Vereine hatten keine Versicherungsund Unterstützungsfunktion, anders als viele andere Berufsvereinigungen in Wien im 19. Jahrhundert. Beide sahen ein Ehrengericht vor, das als ein Mittel verstanden werden muss, das »Ansehen des Standes« zu wahren. Nimmt man den Passus der Statuten ernst, dass die Vereine auch durch Interventionen bei Behörden die Anliegen der Auslandskorrespondenten zu verteidigen suchten, so waren beide nicht bloß gesellige Vereine, sondern regelrechte Interessenvertretungen ihres Berufsstandes. Der Zusammenschluss der Wiener Auslandskorrespondenten zum Verband der selbstständigen Correspondenten im April 1883 kann damit als Ausdruck und Demonstration einer durch den Beruf geprägten Identität gelesen werden. 3.4 London: Foreign Press Association Die Londoner Foreign Press Association (FPA) ist die älteste noch heute existierende Vereinigung von Auslandskorrespondenten – der Vorreiter, wie manchmal angenommen, war sie jedoch nicht. Die Initiative zu ihrer Gründung ging von zwei Korrespondenten französischer Blätter aus, Georges Pétilleau (»Le Journal«) und Thomas Johnson (»Le Figaro«), die sich ausdrücklich am Vorbild der Pariser APE orientierten203 . Zwischen den Notizen über die Morde in Whitechapel und ein Opernkonzert in der Royal Albert Hall berichtete Johnson in seiner »Correspondance anglaise« im »Figaro« über die »Constitution 200 201 202
203
Statuten des Verbandes der auswärtigen Presse [12.6.1924], WStLA, M.Abt. 119, A32– 1921: 195. Erlass des Polizeipräsidenten Wien, 15. und 19.11.1938, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Polizeidirektion Wien an Sicherheitsdirektion Wien, 4.6.1947, Erlass der Polizeidirektion Wien, 23.6.1947, Hans Pittioni an Sicherheitsdirektion Wien, 12.5.1953, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. [. V.], Correspondance anglaise, in: Le Figaro, 28.11.1888.
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du Syndicat de la presse étrangère à Londres« am 24. November 1888204 . Die Kollegen seien zahlreicher erschienen als gehofft – vor allem Berichterstatter französischer Blätter, aber auch die Vertreter der FZ, des »Wiener BörsenCorrespondenten«, der »Nouvelle de Rotterdam«, der »Nazione« sowie einer armenischen Zeitung. Die deutliche Überzahl der Franzosen war offenbar nicht intendiert, sondern resultierte aus der besseren Vernetzung der französischen Kollegen untereinander. Zur ersten Generalversammlung im Dezember hoffte man auf das Kommen weiterer amerikanischer wie deutscher Auslandskorrespondenten205 und Johnson betonte ausdrücklich: »Le Syndicat est créé sans distinction de nationalité, ni d’opinions politiques«206 . Das Ziel der Vereinigung sei »de faire respecter en Angleterre la presse étrangère autant qu’elle est respectée sur le continent« – damit spielte Johnson auf den Ausschluss ausländischer Journalisten von der Press Gallery des House of Commons an, der nach den Bombenanschlägen auf das britische Parlament 1885 noch auf die Lobby des Hauses ausgeweitet worden war207 . Johnson und seinen Kollegen schwebte wohl die Adaption des französischen Modells der Platzvergabe auf der Pressetribüne vor, denn sie kündigten an, die Satzungen der APE zu übernehmen208 . Obwohl es der FPA einige Male gelang, mit den britischen Behörden zusammenzuarbeiten und auf diese Weise für ihre Mitglieder eine bessere Zugänglichkeit beispielsweise der Veranstaltungen rund um das diamond jubilee der Queen zu erwirken209 , blieb ihr hauptsächliches Anliegen, die Zulassung der Auslandskorrespondenten zur Press Gallery, bis zum Ersten Weltkrieg unerfüllt. Über die verschiedensten Kanäle prangerten die Vertreter der FPA dieses Problem an210 , wohl kaum besänftigt von der ironischen Rechtfertigung des »Times«-Journalisten Charles F. Moberly Bell, »that the spectacle of the Grandmother of Parliaments in her dotage should not be exhibited to the stranger in our midst«211 . Zwar wurde im März 1908 unter Verweis auf die »representatives of the Foreign Press Association in London – an influential body of gentlemen« – ein entsprechender Antrag im House of Commons eingebracht, jedoch ohne Abstimmung wieder zurückgenommen, um den 204 205
206 207 208 209 210
211
Ibid. Warum er ausdrücklich auf amerikanische und deutsche Kollegen verweist, wird nicht deutlich. Vielleicht stellten sie die größten Gruppen von Auslandskorrespondenten in London. Ibid. Ibid.; zum Ausschluss ausländischer Journalisten von der Reporters’ Gallery siehe Kap. II.2.3. [. V.], Correspondance anglaise. Hermann P, To the Editor of the Times, in: The Times, 18.6.1897, S. 12. Z. B. in einer Rede während des Annual Dinner der FPA, [. V.], This Morning’s News, in: Daily News, 29.4.1898, auch Hermann P, The First Decade, in: G (Hg.), Britain in the Eye of the World, S. 9–14, zuerst veröffentlicht in Sell’s Dictionary of the World Press for the Year (1899). Bericht über das Annual Dinner der FPA im Hotel Savoy: [. V.], This Morning’s News, in: Daily News, 29.4.1898.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Frieden des Hauses nicht zu stören212 . Der so schmeichelhaft konstatierte Einfluss der FPA war also tatsächlich deutlich begrenzt. Erst 1917 erhielten vier Pressevertreter aus mit Großbritannien verbündeten Ländern die begehrten Tickets – die Journalisten aus neutralen Ländern hatten weiter das Nachsehen213 . Die Zulassung ausländischer Journalisten zur jahrzehntelang exklusiv mit britischen Journalisten besetzten Press Gallery sollte folglich weniger als Verdienst der FPA verstanden werden, vielmehr war dies ein Zugeständnis an die Bündnispartner der Briten. Dementsprechend wurde die Verteilung der Karten für die »allied journalists« auch folgendermaßen festgelegt: »France, two; America, one; Russia, one«. Zwar wurden nur hauptamtliche Korrespondenten täglich erscheinender Zeitungen in die Auswahl einbezogen, das erste und wichtigste Auswahlkriterium war aber die Nationalität214 . Der Einbruch der nationalen Politik in diese doch als unpolitisch geplante berufliche Interessengemeinschaft jenseits des Nationalen wurde zwar mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges besonders eklatant, doch auch schon in den Jahrzehnten zuvor deutete sich an, dass die Harmonie der Berufsgenossen durch die außenpolitischen Reibungen ihrer Herkunftsländer leicht zu stören war215 . Zum 10-jährigen Jubiläum der FPA konstatierte der frühere Präsident Hermann Pollak, der für österreichische und deutsche Zeitungen schrieb, dass die sich zunächst so vielversprechend entwickelnde Vereinigung sich in einer ernsten Krise befinde: »Jealousy, envy, rancour, bitterness, and other uncharitable qualities, which have always more or less existed amongst foreign journalists in London, are now playing their disintegrating part in the Association, causing mutual estrangement, and weakening all comity and esprit de corps between the members«216 . Woran sich diese negativen Gefühle entzündeten, die den esprit de corps der Auslandskorrespondenten untergruben, verschweigt Pollak. Offenbar war er nicht mit der Art und Weise einverstanden, in der sein Nachfolger als Präsident der FPA den Verein seit seiner Wahl 1896 führte. Dabei gelang es Gabriel de Wesselitzky, der für die russische »Nowoje Wremja« schrieb und vor seiner Karriere als Journalist im russischen diplomatischen Dienst stand217 , die gesellschaftliche Anerkennung der FPA zu steigern. Zum Jubiläumsdinner im April 1898 erschienen zahlreiche in London akkreditierte Diplomaten, darunter auch 212
213 214 215 216 217
Smeaton, Commons Sitting of 24. March 1908. New Bills: House of Commons (Foreign Press), in: Hansard’s Parliamentary Debates 186, Series 4 (1908), § 1300–1324, Zitat § 1301. Committee Meeting, 22.8.1917, FPA A, Committee Meetings File. Ibid., auch Annual General Meeting, 28.3.1917, FPA A, Committee Meetings File. Hierzu auch die Reaktion des Präsidenten der APE auf die Ausweisung von Auslandskorrespondenten 1893, siehe Kap. II.1.3. P, The First Decade, S. 13 (Hervorh. i. O.). [. V.], Art. »Gabriel de Wesselitsky«, in: Who Was Who 1929–1940. A Companion to Who’s Who, London 1941, S. 65f. In den Quellen finden sich unterschiedliche Schreibweisen seines Namens, hier wird der am häufigsten verwendeten (Wesselitzky) gefolgt. Nach einer anderen Transkription schreibt sich seine Zeitung auch »Novoje Vremja«.
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3. Korrespondentenvereine
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Hermann von Eckardstein von der deutschen Botschaft218 . Auch fand die von Wesselitzky als Reaktion auf die durch den Burenkrieg entflammten »recent Press polemics« initiierte gemeinsame Konferenz der FPA mit der Londoner Presse positive Resonanz, und einige seiner Zeitgenossen beschrieben ihn als »good and peaceloving man«219 . Andere wiederum – vor allem Österreicher und Deutsche – schenkten dem »spirit of urbanity and mutual tolerance«, den er auf der Konferenz vertrat, keinen Glauben220 . Im österreichischen Ministerium des Äußern etwa war er bereits seit den 1890er Jahren als russischer Presseagent bekannt, der nicht nur versuchte, die englische und kontinentale Presse im russischen Sinne zu beeinflussen – Letztere angeblich mittels der FPA –, sondern zu diesem Zweck auch gezielt Misstrauen zwischen Großbritannien und den kontinentalen Staaten zu säen221 . Die »Neue Freie Presse« bezeichnete ihn als einen »der schlimmsten publizistischen Feinde der österreich-ungarischen Politik«222 . Auch die deutschen Behörden standen ihm kritisch gegenüber. 1892 war er aus Berlin ausgewiesen worden, wo er mit russischer Unterstützung eine als deutschfeindlich bezeichnete Zeitungskorrespondenz betrieben hatte223 . Als sich der Botschafter Metternich im Sommer 1909 erkundigte, ob irgendetwas dagegen spreche, die Einladung Wesselitzkys zu einer Veranstaltung der FPA anzunehmen, kam aus dem Auswärtigen Amt der Rat, die »Einladung mit plausiblem Grund abzuthun«224 . Ein Beleg dafür, dass Wesselitzky die FPA für antideutsche oder antiösterreichische Propaganda instrumentalisierte, existiert nicht, allerdings scheint er die gesellige Ebene des Vereins stark geprägt zu haben. Nicht nur Pollak, von dem sich Wesselitzky im Namen der FPA in einem Leserbrief in der »Times« öffentlich distanzierte, sondern auch andere (vor allem deutsche) Journalisten kehrten der FPA den Rücken, um schließlich 1910 ihre eigene Vereinigung zu gründen, die Society of Foreign Journalists225 . Was letztlich der Auslöser für diese Entscheidung war, bleibt unklar, vermutlich stand sie jedoch in Zusammenhang mit einem Artikel, den Wesselitzky über ein Gespräch mit dem österreichischen Außenminister Graf Aehrenthal in 218 219 220
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225
[. V.], Foreign Press Association, in: The Times, 29.4.1898, S. 10. A, The Next Nine Decades, in: G (Hg.), Britain in the Eye of the World, S. 15–17, hier S. 15. Zitat [. V.], The Foreign Press Association in London, in: The Times, 18.12.1899, S. 4; zur Berichterstattung während des Burenkriegs Steffen B, Der Burenkrieg und die deutschsprachige Presse. Wahrnehmung und Deutung zwischen Bureneuphorie und Anglophobie, 1899–1902, Paderborn 2009; G, Pressekriege, S. 125–177, ferner D., Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 203–228. Undatierte Notiz, Nr. 267, AT-OeStA/HHStA PL 73. [. V.], Wien, 19. Januar, in: Neue Freie Presse, 20.1.1910, Morgenblatt, S. 1. Marschall von Bieberstein an Metternich, Berlin, 19.5.1892, PA AA, RAV London, 1322. Randbemerkung von Schön auf Metternich an Auswärtiges Amt, London, 24.6.1909, PA AA, RZ 201, England 73, R 5636. Ähnlich bereits Hammann an Metternich, Berlin, 3.5.1905, PA AA, RAV London, 1325–1327. G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 223; auch Protokoll 13.4.1913, FPA A, Committee Meetings File.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
der »Nowoje Wremja« veröffentlichte. Aehrenthal hatte dem russischen Korrespondenten gegenüber deutschen Einfluss auf die österreichische Außenpolitik abgestritten sowie ein weiteres Vordringen der Donaumonarchie auf dem Balkan ausgeschlossen – was als erstes Zeichen einer Entspannung in den russisch-österreichischen Beziehungen gewertet wurde226 . In der Folge erging von Wien und Berlin aus eine Reihe von Anfeindungen gegen Wesselitzky, der als germanophober Presseagitator dargestellt wurde; Aehrenthal wurde scharf dafür kritisiert, ausgerechnet einem als deutschfeindlich bekannten Journalisten dieses Interview gewährt zu haben227 . Ob als direkte Folge davon, bleibt unklar, aber im Juni 1910 meldete ein kurzer Bericht in der »Times«, eine Society of Foreign Journalists (SFJ) sei in London gegründet worden, der die meisten Londoner Korrespondenten der führenden Blätter aus Österreich, Frankreich, Deutschland und weiteren 13 Ländern angehörten; zum Präsidenten war Otto Brandes (BT) gewählt worden228 . Zu einer ähnlichen Verwerfung entlang nationaler Gräben kam es übrigens auch in Frankreich, wo sich von der APE das Syndicat des journalistes étrangers amis de la France abspaltete, weil führenden Mitgliedern der APE Gallophobie vorgeworfen wurde229 . Über die SFJ ist noch viel weniger bekannt als über die FPA, sie scheint kaum im öffentlichen Leben Londons in Erscheinung getreten zu sein. Da Wesselitzky im Jahr nach ihrer Gründung von seinem Amt als Präsident zurücktrat – angeblich, weil er im Auftrag seiner Zeitung häufig andere Metropolen bereisen musste, Botschaftsrat Richard von Kühlmann wusste aber von Konflikten mit französischen Journalisten zu berichten –, hatten die an ihr beteiligten Journalisten vermutlich keinen Grund mehr für eine ostentative Opposition. Auch in der deutschen Botschaft in London wurde Wesselitzkys Rücktritt mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen: Die »Foreign Press Association« hat lange Zeit als Zentrum deutschfeindlicher Presstreibereien gegolten. Es dürfte als erfreuliches Symptom zu begrüssen sein, dass nunmehr auch deutscher und holländischer Einfluss in diesem Klub stärker vertreten sein werden, da erfahrungsgemäss die Atmosphäre solcher grosser Presse-Klubs sich in der Haltung eines guten Teils der europäischen Presse wiederspiegelt230 . 226 227
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[. V.], Wien, 19. Januar, in: Neue Freie Presse, 20.1.1910, S. 1. Z. B. [. V.], Austria-Hungary and Germany, in: The Times, 9.2.1910, S. 6, sowie weitere Artikel, die seit Ende Januar in der »Times« erschienen. Zu den misslungenen Versuchen der deutschen und österreichischen Außenpolitik, auf die »Nowoje Wremja« Einfluss zu gewinnen: W, »Moralische Eroberungen«, S. 306–312. [. V.], A Society of Foreign Journalists, in: The Times, 7.6.1910, S. 3. Brandes war mehr als 15 Jahre zuvor aus Paris ausgewiesen worden, weil seine Zeitung eine Meldung der von Wesselitzky herausgegebenen »Allgemeinen Reichscorrespondenz« über eine Beteiligung Carnots am Panamaskandal abgedruckt hatte. François L, Le dossier de la revanche. L’espionnage allemand en France, Paris 1887, S. 135–137. Der Autor dieser Schrift ist offenkundig nicht unparteiisch und diese daher mit Vorsicht zu genießen. Über die Spaltung berichtete auch Daily Evening Bulletin, 10.4.1890, S. 4. Kühlmann an Bethmann Hollweg, London, 24.4.1911, PA AA, RZ 201, England 73, R 5638.
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3. Korrespondentenvereine
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Die Informationen über die FPA erhielt die deutsche Botschaft seit kurzem aus erster Hand, denn Hans Plehn, mit dem sie seit 1903 in gutem Kontakt stand und der sie mit Informationen über Londoner Journalistenkreise versorgte, war dem Verein beigetreten – und zwar nicht allein aus professionellen Überlegungen heraus. Als Plehn berichtete, man habe ihn für den Posten des Vizepräsidenten vorgesehen, erklärte er: Ich hätte mich gern davor gedrückt. Aber ich bin doch zu dem Schluß gekommen[,] daß ich werde annehmen müssen. Es ist die logische Folge davon, daß ich dem Verein beigetreten bin. Obwohl die deutsche Sache in dem Verein nur schwach vertreten ist, muß sie eine angemessene Vertretung im Vorstande verlangen. Der Plan, mich zum Vizepräsidenten zu machen, ist gerade von den Franzosen ausgegangen. Der Vorstand wird bestehen aus 4 Franzosen, 2 Deutschen, je einem Italiener, Holländer und Russen231 .
Diese Äußerung legt den Schluss nahe, dass Plehn sich von der Mitgliedschaft in der FPA weniger Vorteile für seine journalistische Arbeitspraxis erhoffte, sondern sie vielmehr als patriotische Pflicht betrachtete, um die »deutsche Sache« innerhalb des Vereins zu stützen. Offenbar waren Metternichs Bemühungen erfolgreich gewesen, »dahin zu wirken, daß er [Plehn] seine Tätigkeit unseren Interessen entsprechend ausübt«232 . Auf welche Weise Plehn die deutschen Interessen in der FPA stützen wollte, geht aus den Quellen nicht hervor, denn als Ziel des Vereins war ja »the promotion of the professional interests of its members« festgeschrieben233 . Auch hatte die FPA nicht die Funktion einer Nachrichtenagentur, mittels derer man die Tendenz der Berichterstattung über das Deutsche Reich hätte steuern können. Plehn selbst stellte fest, dass der Verein »keinen politischen Charakter« habe und Wesselitzky ihn auch »nicht zu politischen, sondern mehr zu gesellschaftlichen Zwecken« genutzt hatte234 . Es ist anzunehmen, dass Plehn gerade an den gesellschaftlichen Verbindungen interessiert war, die sich durch den Verein knüpfen und pflegen ließen und die in London die Basis der Kooperation von Presse und Politik darstellten. Vielleicht hoffte er darauf, dass persönliche Bekanntschaft zwischen den Journalisten der verschiedenen Länder zu besserem gegenseitigem Verständnis und Respekt führen würde235 und er auf dieser Basis für eine wohlwollende Interpretation der deutschen Außenpolitik werben könnte, mit entsprechenden Auswirkungen auf die internationale Berichterstattung236 .
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Plehn an Direktor [Heinrich Mantler] 21.4.1911, PA AA, RZ 201, England 73, R 5638. So die Aufforderung Richthofens ans Botschafter Metternich anlässlich der Übernahme des Londoner Korrespondentenpostens der AZ durch Plehn: Richthofen an Metternich, Berlin, 11.12.1903, PA AA, RAV London, 1325–1327. Committee Meeting, 18.7.1913, FPA A, Committee Meetings File. Plehn an Hammann, London, 21.4.1911, PA AA, RZ 201, England 73, R 5638. Diese Hoffnung hegten etwa die Organisatoren der Journalistenbesuche in England resp. Deutschland 1906/7. G, Pressekriege, S. 351–385. Die Hoffnung auf derartige »moralische Eroberungen« war typisch für die deutsche
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Unter dem neuen Präsidenten Joseph-Louis Coudurier de Chassaigne (»Le Figaro«), der die Geschicke des Vereins von 1911 bis 1919 lenkte, trat die FPA, um die es in den letzten Jahren von Wesselitzkys Präsidentschaft ruhig geworden war, wieder verstärkt als gesellschaftliche Größe in Erscheinung. Mit dem Arabian Nights Ball organisierte der Verein ein glänzendes Event, das gesellschaftlich wie finanziell ein voller Erfolg war und einige Persönlichkeiten der Londoner Society anzuziehen vermochte. Auch auf einen Ausgleich mit den Kollegen von der SFJ war die neue Leitung bedacht, denn auf der Jahreshauptversammlung im April 1913 betonte Coudurier de Chassaigne, der Zusammenschluss der beiden konkurrierenden Organisationen sei von größter Bedeutung und werde den Auslandskorrespondenten zu größerer Stärke verhelfen237 . Auch Plehn war sehr an einer Fusion der beiden Vereine gelegen, denn der SFJ seien die »meisten deutschen Kollegen beigetreten«238 . Nach dem Zusammenschluss, dessen Hindernis in der »Person Wesselitzky gelegen« habe, »würden wir Deutsche ein starkes Kontingent bilden«239 . Diese Argumentation ist ein deutliches Symptom für die Amalgamierung von Journalismus und Patriotismus, die für die Jahrzehnte um 1900 nicht nur für deutsche Journalisten typisch war. Vor dem Krieg waren im neun-, später zwölfköpfigen Vereinsvorstand immer mindestens zwei, zeitweise sogar vier deutsche Journalisten vertreten (neben Plehn waren dies Gustav Krause, Paul Müller-Heymer und Bernhard Guttmann)240 . Die Protokolle der Vorstandssitzungen wie der Generalversammlungen enthalten aber keinen Hinweis darauf, dass dies die Entscheidungen des Vereins irgendwie beeinflusste; die meisten wurden ohnehin einstimmig getroffen. In den Vorstandssitzungen wurde über die Aufnahme neuer Mitglieder entschieden, über die Frage von Clubräumen diskutiert oder die Organisation von gemeinsamen Veranstaltungen wie die monatlichen Lunches oder die großen Bälle gesprochen – politische Fragen sind in den Protokollen bis zum Kriegsausbruch nicht verzeichnet. Auch bei Regeländerungen schienen die anwesenden Journalisten darauf bedacht, den Charakter der FPA als rein professionelle Vereinigung zu betonen. Was die vier deutschen Journalisten außer ihrer Nationalität noch verband, war ihr guter Ruf. Gerade Plehn und Guttmann waren für ihre kenntnisreiche, ausgewogene und sachliche Berichterstattung bekannt. Auch Coudurier de Chassaigne und der langjährige Sekretär der FPA John C. van der Veer (»De Telegraaf«) waren als Journalisten so renommiert, dass ihnen ein Eintrag im »Who is Who« gewidmet wurde241 . Auch wenn die beteiligten Auslandskor-
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auswärtige Presse- und Informationspolitik dieser Zeit: W, »Moralische Eroberungen«, verdichtet auf S. 326f. Annual General Meeting, 25.4.1913, FPA A, Committee Meetings File. Plehn an Hammann, London, 21.4.1911, PA AA, RZ 201, England 73, R 5638. Ibid. FPA A, Committee Meetings File. [. V.], Art. »Van der Veer«, in: Notable Personalities. An Illustrated Who’s Who of
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3. Korrespondentenvereine
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respondenten keineswegs frei von nationalen Loyalitäten waren und ihren Beruf mit einer gehörigen Portion Patriotismus verbanden, scheint die FPA in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg eine den professionellen Interessen der Korrespondentenzunft verpflichtete transnationale Vereinigung gewesen zu sein. Bemerkenswerter als die starke nationalistische Orientierung, die die Mitglieder der FPA ebenso wie die der anderen europäischen Korrespondentenvereinigungen im Laufe des Ersten Weltkrieges entwickelten, erscheint das Bedauern, mit dem der Vorstand am 19. August 1914 das Ausscheiden seiner beiden deutschen Mitglieder Hans Plehn und Bernhard Guttmann zur Kenntnis nahm242 . Das zu Beginn des Krieges offenbar noch vorhandene Gefühl der Kollegialität unter den Auslandskorrespondenten wich jedoch sehr rasch einer unversöhnlichen Haltung: Die früheren Kollegen wurden nun als »alien enemies« gesehen und durch eine Resolution am 12. November 1914 ausgeschlossen243 . Unmittelbar nach dem Krieg wurde die Exklusion der »ex-enemy journalists« noch einmal bestätigt244 ; erst 1925 wurde die Wiederzulassung deutscher und österreichischer Korrespondenten diskutiert und an die Bedingung des Beitritts des Deutschen Reichs zum Völkerbund geknüpft245 . 3.5 Berlin: Verein der ausländischen Presse Im Juni 1906, rund 20 Jahre nach der Etablierung der ersten Korrespondentenvereine, wurde der Berliner Verein der ausländischen Presse (VAP) gegründet246 . Den Anstoß zu diesem Ereignis lieferte – wenigstens der vereinsinternen Erzählung nach – der Chefredakteur der »Berliner Volkszeitung«, Karl Vollrath, der die Gründung einer Vereinigung der Auslandskorrespondenten in Berlin während einer Diskussion deutscher und ausländischer Journalisten über die »Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den Berliner Polizeibehörden« anregte247 . Der österreichische Journalist Paul Goldmann248 übernahm den Gedanken und begann unverzüglich mit den
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Professional and Business Men and Women, London 1926, S. 298f.; [. V.], Art. »Coudurier de Chassaigne«, in: Who’s Who in France 1959–1960, Paris 1959, S. 366f. Committee Meeting, 19.8.1914, FPA A: Committee Meetings File 1912–1938. Special General Meeting, 12.11.1914, FPA A: Committee Meetings File 1912–1938. Annual General Meeting, 28.3.1919, FPA A: Committee Meetings File 1912–1938. Annual General Meeting, 26.3.1925, Special General Meeting, 24.4.1925, Annual General Meeting, 30.3.1926, alle FPA A: Committee Meetings File 1912–1938. Hierzu auch Sonja H, Der Verein der Ausländischen Presse zu Berlin. »Ritter der Feder« oder »nichtamtliche Diplomaten«?, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 62 (2014), S. 398–410. WTB-Bericht, 9.5.1931, Rede des Vorsitzenden Max Blokzijl, RAMar, SE/RA/770176, Ö I: 1. Paul Goldmann war nach seinem Jurastudium als Redakteur an Wiener Zeitungen beschäftigt; von 1892 bis 1900 arbeitete er als Korrespondent der FZ in Brüssel, Paris und
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Planungen249 . An welchen Vorbildern sich die Korrespondenten bei der Konstitution ihres Vereins orientierten, ist nicht dokumentiert. Möglicherweise hatte Goldmann während seiner Zeit in Paris die APE kennengelernt, vielleicht orientierte er sich aber auch am Vorbild der Wiener Concordia, deren Mitglied er war und die für zahlreiche Journalistenvereine Pate gestanden hatte250 ; eventuell war er auch mit dem Wiener Verband der auswärtigen Presse bekannt. Seine Hauptaufgabe sah der Verein in der Wahrung »gemeinsamer Interessen«, um die »Ausübung der Berufstätigkeit zu erleichtern«, den »Vertretern der ausländischen Presse Rat und Auskunft zu erteilen« sowie »[g]eselligen Verkehr anzubahnen und zu pflegen«251 . Damit ähnelten die Statuten jenen der Pariser APE und des Wiener Verbands sehr. Deutlicher als die deutschen Journalistenvereine hatte der VAP den Charakter einer berufsständischen Interessenvertretung. Zwar spielten auch gesellige Veranstaltungen eine wichtige Rolle, jedoch vor allem in ihrer Funktion als Ort der Vernetzung mit deutschen Politikern und den in Berlin akkreditierten Diplomaten. Der VAP schuf seinen Mitgliedern durch Diplomatenlunches und Bierabende mit deutschen Politikern oder Pressevertretern und Tanztees mit Berliner Künstlern Foren der Informationsaneignung und war tatsächlich eine wertvolle Unterstützung bei der Ausübung des Korrespondentenberufs252 . Außerdem wurde der Verein auch von Seiten der deutschen Behörden, Politiker oder Industriellen als Kontaktstelle zur Presse des Auslands genutzt253 : Einladungen zu Pressekonferenzen für Auslandskorrespondenten liefen häufig über den Verein; die Mitgliedschaft verschaffte den Journalisten automatisch ein Netzwerk, das bei Recherchen wie Alltagsfragen von Nutzen war254 . Die Voraussetzung für die Mitgliedschaft war die Anerkennung als hauptberuflicher Journalist durch den Vorstand des Vereins – wer sich nicht als »Volljournalist« legitimieren konnte, wurde abgelehnt255 . Wenigstens in den 1920er Jahren
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China, danach schrieb er für die Wiener »Neue Freie Presse« aus Berlin. Er blieb dem Verein eng verbunden, bis er Deutschland nach seiner Verhaftung durch die Nazis im Herbst 1933 verlassen musste. WTB-Bericht, 9.5.1931, Rede des Vorsitzenden Max Blokzijl, beide RAMar, SE/RA/770176, Ö I: 1. Zum Vorbildcharakter der Concordia R, Journalismus als Beruf, S. 229f. Statuten des Vereins der ausländischen Presse, zitiert nach Michael S. Cullen, Vorwort, in: Im Strom der Zeit, S. 4–7, Zitat S. 7. Teas und Lunches wurden bereits vor dem Ersten Weltkrieg organisiert, Bierabende und Tanztees wurden in den 1920ern eingeführt. Die großen Bälle, die den Wohlfahrtsfonds alimentierten, fanden seit 1925 ein- bis zweimal jährlich statt. Unterlagen Veranstaltungen: RAMar, SE/RA/770176, F III: 1; Jahresberichte, RAMar, SE/RA/770176, B I: 1; Protokolle der Generalversammlung: RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Deshalb zeigte der Vorstand die Gründung des Vereins umgehend beim Auswärtigen Amt an: Goldmann an Hammann, Berlin, 7.1906, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Jahresbericht 1925, RAMar, SE/RA/770176, B I: 1. Zitat ibid. Hauptberuflichkeit taucht als Kriterium schon 1920 auf: Protokoll der Generalversammlung, 18.4.1920, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1.
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3. Korrespondentenvereine
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nahm der Verein diese Selektion sehr ernst, meist wurde nur etwa die Hälfte der jährlichen Bewerber aufgenommen256 . Eine Ablehnung konnte durchaus Einschränkungen in der Arbeitspraxis mit sich bringen, denn der VAP sicherte seinen Mitgliedern nicht nur – analog zu seiner Schwester in Paris – ein Platzkontingent auf der Pressetribüne von Reichs- und Landtag oder besorgte Freikarten für kulturelle Veranstaltungen, sondern der Mitgliedsausweis wurde wenigstens zeitweise die Voraussetzung für die Ausstellung einer »Polizeikarte«, die den Korrespondenten mehr Bewegungsfreiheit bei Veranstaltungen oder Polizeieinsätzen eröffnete und ein Vorläufer des Presseausweises war, was wiederum den Londoner Gepflogenheiten ähnelt257 . Dies stellt einen fundamentalen Wandel im Gegensatz zur Praxis in der Mitte des 19. Jahrhunderts dar: Um zu gewährleisten, dass der neue Spanien-Korrespondent Otto Braun Zugang zu »officiellen Mittheilungen« erlangen konnte, sah man 1855 kein anderes Mittel als eine schriftliche »Autorisation« mit Stempel, Wappen und Unterschrift Georg von Cottas als des Besitzers der AZ258 . Die Legitimation als Korrespondent war an die Zeitung gebunden, der Journalist dadurch abhängig vom Verleger. Die Vermittlung der entsprechenden Dokumente über den VAP, also durch Berufskollegen, setzte die Korrespondenten in eine stärkere und unabhängigere Position ihren Zeitungen sowie ihrem Verleger259 gegenüber und öffnete auch den Vertretern unbedeutenderer Blätter manche Türen. Zwar wurde damit nicht gerade der Zugang zum Beruf geregelt, durch die zunehmende Bedeutung eigener Recherchen hatten die vereinigten Korrespondenten aber die Kontrolle über einen zentralen Aspekt der Arbeitspraxis inne und schützten damit die von ihnen anerkannten Kollegen vor weniger qualifizierter Konkurrenz. Die wenigen Privilegien, die den Auslandskorrespondenten gewährt wurden, versuchten sich die hauptberuflichen Vertreter zu sichern. Trotz der Fokussierung auf die gemeinsame berufliche Identität, die hier deutlich wird, behielt doch die Heimatnation ihre Relevanz für die Korrespondenten: Besonders deutlich brachte dies der Erste Weltkrieg zum Vorschein, der, wie es bei so vielen internationalen Kooperationen in anderen Bereichen auch der Fall war, die Korrespondentenvereine entlang der militärischen Bündnisse sprengte: Mit seinen »Erschütterungen und Umwertung aller bestehenden Werte [. . . ] beraubte er den Verein aller derjenigen Mitglieder, die den auf Ge256 257 258
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Die Zahl der Mitglieder, der Bewerbungen und Ablehnungen geht aus den Jahresberichten hervor, RAMar, SE/RA/770176, B I: 1. Passim, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1; Mitteilung vom 14.1.1925 sowie vom 1.1.1927, RAMar, SE/RA/770176, B II: 1. Hermann Orges an Georg von Cotta, Augsburg, 16.1.[1855]; DLA, Cotta: Briefe – Orges; eine ähnliche Bescheinigung, verbunden mit Empfehlungsschreiben, erbat sich der Londoner Korrespondent Elard Biscamp in einem Brief an die Redaktion der AZ vom 24.2.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. In der Mitte der 1920er Jahre befasste sich der VAP einige Male mit Konflikten zwischen Verlegern und Korrespondenten, die sich um Lohnzahlungen und Kündigungsfristen drehten. Protokolle der Vorstandssitzungen, RAMar, SE/RA/770176, A II: 1.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
genseite stehenden Nationen angehörten«; nur die »Journalisten aus Nationen, die dem Gastlande verbündet oder neutral gegenüberstanden«, verblieben im Verein260 . Die Journalisten aus den Entente-Staaten wurden aufgrund ihrer Nationalität ausgewiesen und mussten den Verein schon allein deshalb verlassen, weil die Mitgliedschaft an die Anwesenheit in Berlin gekoppelt war. Das Ende der politischen Neutralität des Vereins wurde auch durch die Zeichnung deutscher Kriegsanleihen markiert261 . Wie im Falle der Korrespondentenvereine in London, Paris und Rom auch wurden nach Kriegsende deutsche Reichsangehörige per Statut von der Mitgliedschaft im VAP ausgeschlossen262 . Damit stellte sich der Verein ganz klar an die Seite der Sieger. Statt sich mit den politischen Eliten des Gastlandes zu arrangieren, versuchten die Korrespondenten zunächst, ihre Berufsinteressen durch die demonstrative Solidarisierung mit den Besatzungsmächten zu sichern. In diesem Sinne wurden auch die Mitglieder des Vorstands ausgewählt: Die Wahl Louis Jadots zum Stellvertretenden Schriftführer erfolgte unter dem Hinweis, es sei vorteilhaft, einen Franzosen im Vorstand zu haben263 . Erst ab 1926 wurden wieder deutsche Staatsangehörige aufgenommen und der Verein betonte seine Abstinenz von politischen Fragen264 . Obwohl ein Beitritt zum »Weltverband der Ligen für [den] Völkerbund«265 unter Verweis auf den apolitischen Charakter des Vereins abgelehnt wurde266 , ließen seine Vorsitzenden Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre immer wieder ihre Sympathie für den Völkerbundgedanken anklingen: Es sei »vor allem die Pflicht eines in einer ausländischen Hauptstadt tätigen Korrespondenten [. . . ], durch seine Berichterstattung der hohen Sache des Friedens und eines besseren Sichkennenlernens der Völker zu dienen«267 . Statt der nationalen 260
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Rede Lochner. Aufzeichnungen zum »30. Jubiläum unseres Vereins« am 30.6.1936, S. 2f., RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Man kann davon ausgehen, dass diese zunächst des Landes verwiesen wurden und eine weitere Mitgliedschaft schon deshalb nicht möglich war. Sitzung 18.4.1920, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 223f. Protokoll 18.4.1920, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Ausgeschlossen wurden lediglich Mitglieder deutscher Zeitungsredaktionen. Um zu verhindern, dass eine Nation zu großen Einfluss auf den Verein erlangte, wurde festgelegt, dass jede nur einmal im Vorstand vertreten sein dürfe, wobei man sich an der Nation der Zeitung, für die ein Korrespondent arbeitete, orientierte. Erst im Falle von Mehrfachvertretungen entschied die Nationalität des Korrespondenten; Sitzung 9.1.1926, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1; so auch die Statuten des Vereins, die dem Sitzungsprotokoll vom 21.11.1930 beiliegen. Sitzungsprotokoll 18.6.1927 RAMar, SE/RA/770176, A I: 1 Gemeint ist die Union internationale des associations pour la Société des nations, gegründet 1919: Xosé-Manoel N, Das Europa der Nationen? Nationalitätenprobleme und europäische Öffentlichkeit zwischen den beiden Weltkriegen (1918 bis 1939), in: R, S W (Hg.), Europäische Öffentlichkeit, S. 144–169. Sitzungsprotokoll 18.6.1927, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Sitzungsprotokoll 14.1.1928, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Ursprünglich (26.6.1926) brachte Georges Blun diesen Trinkspruch gegenüber dem damaligen Reichsaußenminister
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Loyalität unterstrich wenigstens der Vorstand des VAP die Verantwortung der Journalisten für zwischenstaatlichen Austausch und eine auf die Erhaltung des Friedens abzielende Berichterstattung. Dass die Presse für Austausch zwischen den »Völkern« sorgte, war auch vor dem großen Krieg schon ein gängiges Narrativ in der journalistischen Fachliteratur268 . Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde es für den VAP geradezu lebensnotwendig, sich auf eine völlig unpolitische Position zurückzuziehen. Und so unterstrich Lochner, der in diesem Jahr noch einmal zum Vorsitzenden gewählt worden war, in seiner Rede zum 30-jährigen Jubiläum 1936, der Verein setze sich aus »Vertreter[n] der verschiedensten Nationen, Völker, Sprachen und Rassen [. . . ], Exponenten der diversesten Weltanschauungen, politischen Systeme und religiösen, sozialen und wirtschaftlichen Dogmen [. . . ], aus Demokraten, Nationalsozialisten, Fascisten, Konservativen, Radikalen, Marxisten« zusammen. Als verbindende Ideale nannte er an erster Stelle »Objektivität, Fairness und Sachlichkeit der Berichterstattung« und zog sich damit auf Aspekte der beruflichen Kultur des Journalisten zurück, deren internationale Gültigkeit er auf diese Weise implizierte269 . Die transnationale Zusammenarbeit der Auslandskorrespondenten wurde in den 1920er Jahren um eine weitere Ebene ergänzt: die internationale Kooperation der verschiedenen lokalen Vereine. Schon 1923 hatte der VAP einen Vertreter auf das 40-jährige Jubiläum des Wiener Korrespondentenvereins entsandt, der sich beeindruckt zeigte von den Vergünstigungen, die die dortigen Korrespondenten errungen hatten270 . 1924 bemühte sich der Vorstand des VAP verstärkt um Kontakt zu Korrespondentenvereinen in anderen Staaten. Sichtbares Resultat war ein Abkommen mit der FPA in London über wechselseitige Unterstützung der Mitglieder271 . Einen eigenen Dachverband für die verschiedenen lokalen Auslandskorrespondentenvereine forderte im Januar 1928 der schwedische Korrespondent Karl Tiander272 . Der Weltverband müsse sich von der Union internationale de la presse, in der Verleger wie Journalisten vertreten seien, unterscheiden, denn die Aufgaben eines Auslandskorrespondenten seien andere als die eines »lokalen Journalisten«. Damit hob er den Auslandskorrespondenten deutlich als eigenständigen journalistischen Beruf mit spezifischen Aufgaben hervor. Es gebe »eine Menge organisatorischer Berufsfragen, die teils wegen ihrer internationalen Natur, teils infolge ihrer durchgreifenden Bedeutung von einem Weltverbande eher einer günstigen Lösung zugeführt werden
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Stresemann und dem Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli aus; hier liegt er nur als Zitat durch den späteren Vorsitzenden Louis P. Lochner vor. Z. B. K, Das Zeitungswesen, S. 131; D, Das Zeitungswesen, S. 122. Rede Lochner. Aufzeichnungen zum »30. Jubiläum unseres Vereins« am 30.6.1936, S. 4, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Sitzungsprotokoll vom 21.12.1923, RAMar, SE/RA/770176, A II: 1. Sitzungsprotokoll vom 3.5.1924, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Sitzungsprotokoll vom 14.1.1928, Antrag Karl Tiander, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1, dem auch die folgenden Zitate entnommen sind.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
können, als von einem lokalen Vereine«. Tiander hatte dabei »internationale Verkehrsfragen« ebenso im Sinn wie die »Stellung der ausländischen Pressevertreter zur Regierung, Polizei« sowie anderen Behörden und Organisationen. Damit reagierte Tiander wohl auf das von deutschen Behörden vorgebrachte Prinzip der Gegenseitigkeit, das Anfang der 1920er Jahre in Bezug auf Passund Steuerfragen sowie die Zugänglichkeit des Parlaments angeführt wurde und darauf beruhte, dass die Rechte und Vergünstigungen für Korrespondenten in Berlin den Rechten deutscher Korrespondenten im jeweiligen Herkunftsland entsprachen273 . Ein Weltverband als neuer Verhandlungspartner hätte die Arbeitsbedingungen der Auslandskorrespondenten gewissermaßen neutralisiert, den zwischenstaatlichen Beziehungen enthoben und in die Hände der Berufsvertreter selbst gelegt. Daher sollte der Verband »auf rein beruflicher Grundlage seine Tätigkeit« ausüben; zentral war für Tiander dabei der berufliche Status: Es sollten nur »Volljournalisten« aufgenommen werden. Der Weltverband der Korrespondenten wurde wohl nicht gegründet, im Nachlass des VAP finden sich keine weiteren Unterlagen dazu. Jedoch trat der Verein wenige Jahre darauf der 1926 gegründeten Fédération internationale des journalistes (FIJ) bei – mit dem Argument, dass auch die Korrespondentenvereine von Bern, Paris und Prag diesen Schritt vollzogen hatten. Die transnationale Arbeitspraxis der Korrespondenten und die Natur der sich daraus ergebenden Fragen machte die kollegiale Vernetzung auf lokaler wie internationaler Ebene notwendig, und zwar gerade weil die verhandelten Probleme von nationalen Entscheidungen abhingen, die die Zuständigen mit Blick auf das Vorgehen in anderen Staaten und die zwischenstaatlichen Beziehungen entschieden. Deutlich wird dabei vor allem, dass berufliche Kriterien nicht völlig von politischen Fragen zu trennen waren, weil die Verhandlungspartner der Korrespondenten – in Berlin vor allem das Auswärtige Amt, aber auch die Polizei – diese Fragen nicht trennten. Dass jedoch auch die Korrespondenten eine solche Trennung nicht immer verfochten, zeigt die Tatsache, dass Presseattachés bis 1927 als Mitglieder des Vereins zugelassen waren274 . Auch nach deren Ausschluss von der Mitgliedschaft blieb die Verbindung eng. Zum einen lag dies daran, dass das Botschaftspersonal ein wichtiger Ansprechpartner für die Journalisten war, wenn es um Informationen und die Verbesserung der Kommunikationswege ging, zum anderen verhalfen die Diplomaten den Veranstaltungen des VAP zu Glanz und Anerkennung. Ein dritter Grund liegt jedoch in personellen Überschneidungen: So wurde etwa Karl Albert Damgren seit 1924 als Korrespondent einer schwedischen Nachrichtenagentur in den Vereinsregistern geführt und blieb offenbar auch nach seiner Ernennung zum schwedischen Presseattaché 1930 Mitglied des Vereins. Erst seit 1934 tauchte er nicht mehr in den Mitgliederlisten auf – hielt jedoch weiterhin den Kontakt 273 274
Sitzungsprotokoll vom 21.12.1923, RAMar, SE/RA/770176, A II: 1. So ein entsprechender Beschluss des Vorstandes am 24.1.1927, Sitzungsprotokoll vom 21.12.1923, RAMar, SE/RA/770176, A II: 1.
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zum VAP und besuchte dessen Veranstaltungen. Damgren war es auch, der die Unterlagen des VAP 1944 mit nach Schweden nahm und im Außenministerium deponierte, von wo aus sie Ende der 1960er Jahre in das Reichsarchiv gelangten275 . Die Grenze zwischen freundlicher und kollegialer Zusammenarbeit zwischen Diplomaten und Korrespondenten verschwamm jedoch nicht nur aufgrund solcher personeller Verflechtungen. Auch die Rhetorik der Reden, die Korrespondenten und Diplomaten einander anlässlich der Feste des VAP widmeten, verwischte die Grenzen. Der Vorsitzende Lochner charakterisierte 1929 die Zusammenarbeit als »vertrauensvoll, ja freundschaftlich« und kennzeichnete die Diplomaten als »hilfsbereite Stütze bei unserer Arbeit«, weshalb das jährliche Bankett zu Ehren des diplomatischen Corps »fast einer Familienfeier« gleiche. Die Journalisten seien es, so der Apostolische Nuntius Cesare Orsenigo 1930, »die dank der fabelhaften Durchschlagskraft ihrer Blätter dem erst zur Verwirklichung verhelfen, was die Diplomaten, die eifersüchtigen Hüter des Geheimnisses, langsam und behutsam bei den Regierungen vorbereitet hätten«276 . Er bezeichnete die Auslandskorrespondenten als »nichtamtliche [. . . ] Diplomaten«277 , in einer anderen Rede sprach er sie durchgehend als »Kollegen« an, als »gefällige, erleuchtete und wertvolle Mitarbeiter der Diplomaten«, die gewissermaßen die Politik der Regierungsvertreter mit anderen Mitteln fortsetzten278 . Der Vorsitzende Lochner widersprach dem nicht, griff diese Identifikation aber auch nicht auf, sondern setzte den Schwerpunkt anders: Die Korrespondenten seien »Vertreter unserer eigenen Völker und der öffentlichen Meinung unserer Heimatländer«279 . Er wählte für sich und seine Kollegen das Bild des »Ritters der Feder«280 . Die Korrespondenten der 1920er Jahre waren also durchaus einverstanden, wenn man ihnen bestimmte Charakteristika des Diplomatenberufs zuschrieb, ihren ›Dienstherrn‹ wählten sie aber selbst: nicht als Vertreter einer Regierung, sondern als der eines Volkes und seiner öffentlichen Meinung verstanden sie sich281 . Das spricht von einer selbstbewussten Positionierung der Auslandskorrespondenten gegenüber Politik und Gesellschaft. In ihrer beruflichen Kultur war der Aspekt der Vertreterschaft oder Anwaltschaft somit durchaus präsent, auch wenn immer wieder Objektivität und Sachlichkeit als journalistische Ideale beschworen wurden. Der Rückzug auf diese könnte mehr noch als 275 276 277 278 279 280 281
Einleitung des Findbuchs zum Bestand RAMar, SE/RA/770176. Für die Übersetzung des schwedischen Findbuchs danke ich Hanna Sonkajärvi. Telegraphen-Union, 23.5.1930, RAMar, SE/RA/770176, Ö I: 1. Ibid. Rede Lochner. Aufzeichnungen zum »30. Jubiläum unseres Vereins« am 30.6.1936, S. 1, RAMar, SE/RA/770176, A I: 1. Ibid. Ibid. Das journalistische Selbstverständnis der Vorkriegszeit wiederum war durchaus kompatibel mit einer Solidarisierung mit der Außenpolitik der Heimatnation.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
ein journalistisches Leitbild als eine Rhetorik interpretiert werden, die die Unabhängigkeit der Korrespondenten schützte – und ihnen die Wahl ließ, auf welche Positionen sie ihre Berichterstattung gründeten.
4. Konzeptionelle Einbettung: informelle Professionalisierung versus berufliche Kultur Die Korrespondentenvereine waren Kristallisationspunkte einer gemeinsamen beruflichen Identität. Ihre Gründung ist ein deutlicher Beleg dafür, dass die Auslandskorrespondenten sich sehr wohl als Gruppe imaginierten und sich von anderen Journalisten wie den Redakteuren explizit abgrenzten. Die Auslandskorrespondenten hatten spätestens in den 1880er Jahren einen esprit de corps entwickelt, der im Stande war, nationale Grenzen zu überwinden. Sie verstanden sich nicht allein als Vertreter ihrer Heimatnation in einem fremden Land, sondern auch als Vertreter einer internationalen Zunft. Bei allen nationalen Unterschieden der außenpolitischen Haltung, des Pressewesens und der journalistischen Berufskultur existierten genug Überschneidungen in der beruflichen Tätigkeit und gemeinsame Interessen, um eine internationale Berufssolidarität zu entwickeln, die nationale Identitäten überbrückte und die Gründung der Korrespondentenvereine als Orte transnationaler beruflicher Vernetzung und Interessenvertretung ermöglichte282 . Sie überspannten aber nicht nur nationale Grenzen, sondern auch weltanschaulich-politische und waren damit eine Strategie, die Netzwerke der Korrespondenten über persönliche und politische Sympathien283 hinaus zu erweitern. Deutlich früher, als sie von außen als relevante Akteure des Pressewesens wahrgenommen wurden, verstanden sich die Auslandskorrespondenten selbst als Journalisten mit spezifischer beruflicher Identität, die sich von der anderer Journalisten unterschied. Freilich hatte diese Solidarität innerhalb der Vereine ihre Grenzen, wie die Konkurrenzgründungen in London, Paris und Wien sowie die politisch motivierten Exklusionsbestrebungen während des Ersten Weltkrieges zeigen. Allen untersuchten Vereinen gemeinsam war die Betonung ihres unpolitischen Charakters, der Zweck des geselligen Austauschs und die Vertretung gemeinsamer journalistischer Interessen. Als gemeinsames Interesse identifiziert wurde etwa der soziale Status: Wie auch die Redakteure hatten die Auslandskorrespondenten den Wunsch nach einer Hebung ihres Standes, was die Anerkennung durch gesellschaftliche und politische Eliten vor Ort impli282 283
G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 220–228. Von solchen aber waren die Beziehungsgeflechte der Korrespondenten vor den 1880er Jahren oft geprägt, dieser Eindruck ergibt sich wenigstens aus der Lektüre der Briefe von Elard Biscamp und Carl Blind an die AZ: DLA, Cotta: Briefe – Biscamp; DLA, Cotta: Briefe – Blind.
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4. Konzeptionelle Einbettung
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ziert. In diesem Sinne wurden auch die geselligen Veranstaltungen genutzt, deren hochrangige Gäste in der Berichterstattung stets erwähnt wurden, um die Respektabilität der Mitglieder zu demonstrieren. Mit Blick auf die Anerkennung des Berufsstandes durch die Politik waren die Auslandskorrespondenten – trotz ihrer weitgehenden Unsichtbarkeit in den Lexika und der Praktikerliteratur – ähnlich erfolgreich wie die Redakteure. Zur Förderung der beruflichen Interessen gehörte auch das Ringen um die Erleichterung der täglichen Arbeitspraxis: Karten zur Pressetribüne, vergünstigte Tickets für Eisenbahn oder Theater, Vorrang und besondere Rechte bei Großveranstaltungen. Alle Vereine konnten einzelne Privilegien für ihre Mitglieder erkämpfen, in vollem Umfang wurden ihnen jedoch an keinem der untersuchten Orte ihre Forderungen bewilligt. In Paris war es für politische Berichterstatter eine Notwendigkeit, Mitglied der APE zu sein, um Zugang zum Parlament zu erhalten, in London dagegen brachte die Mitgliedschaft in dieser Hinsicht keinerlei Vorteile. Eine gewisse Relevanz für die Arbeitspraxis hatte die Mitgliedschaft in jedem der Vereine; wie sehr die Korrespondenten jedoch auf die Unterstützung durch diese Lobby angewiesen waren, dürfte von Fall zu Fall unterschiedlich gewesen sein. Gut in politischen und parlamentarischen Kreisen vernetzte Korrespondenten konnten sich auch auf anderen Wegen Privilegien, Zugang und Informationen verschaffen, für (noch) nicht mit einem reichen und stabilen Netzwerk ausgestattete Journalisten waren die Vereine eine willkommene Möglichkeit, Fuß in der Gesellschaft zu fassen, über die sie berichten sollten. Alle Vereine gaben sich mehr oder minder exklusiv, um ihre Mitglieder von der »crowd of so-called Correspondents«284 abzugrenzen – dies war zum einen darauf ausgerichtet, die Privilegien nur den ›wirklichen‹ Vertretern des Berufs zukommen zu lassen, muss aber ebenso als Zeichen nach außen verstanden werden, dass sich in den Vereinen eine »höhere Klasse« von Journalisten sammelte285 , die den Respekt und die Wertschätzung der Gesellschaft verdiente. Um 1880 war der Beruf des Auslandskorrespondenten bereits so attraktiv und begehrt, dass die professionals sich gegen die Konkurrenz mehr oder minder geeigneter Laien verteidigen zu müssen meinten. Statt möglichst viele Mitglieder zu sammeln, setzten die Vereine vielmehr auf die Qualität und das Ansehen einer journalistischen Elite. Wie diese Demonstrationen von Wertigkeit von außen wahrgenommen wurden, ist nur schwer einzuschätzen. Die wenigen Berichte, die über Vereinsaktivitäten existieren, hatten Mitglieder verfasst. Da die Zeitungen sie tatsächlich druckten, wurde ihnen seitens der Redaktionen offenbar eine gewisse Relevanz beigemessen, wirkliche Sensationen waren sie wohl nicht. Die meisten Veranstaltungen fanden keinen Widerhall in der Presse. Größeren Erfolg hatten die Vereine mit Blick auf die Außenpolitik: 284 285
Hermann P, Foreign Press Association in London, London 1893, S. 4. Polizei-Präsident von Borries an Minister des Innern Friedrich von Moltke (Abschrift), Berlin, 25.10.1907, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Diplomaten und Außenpolitiker waren nach 1900 zunehmend bereit, an den Festessen der Auslandskorrespondenten teilzunehmen. Das ist ein Indiz für die zunehmende »Hebung des Standes«286 , die Korrespondenten hatten sich in den Augen der Gesellschaft zu Gentlemen gemausert. Der persönliche Kontakt dieser Spezies des Journalisten mit Diplomaten und Politikern war zwar vor dem Ersten Weltkrieg keineswegs eine Selbstverständlichkeit, aber durchaus im Bereich des Möglichen – zumindest für die herausragenden Persönlichkeiten unter den Korrespondenten. Für den Rest blieb es meist unmöglich, auf der deutschen Botschaft oder in den Außenministerien ein Interview zu bekommen. In dieser Hinsicht sorgten die Korrespondenten-Vereine jedoch für eine gewisse Demokratisierung: Auf ihren Veranstaltungen hatten alle ihre Mitglieder die Möglichkeit, in ein Gespräch mit den anwesenden Vertretern aus Politik und Gesellschaft zu kommen. Auf eine steigende Anerkennung der Korrespondenten durch Politik und Verwaltung etwa seit der Jahrhundertwende deuten auch die seither häufiger gewährten Privilegien (gesicherte Plätze bei politischen Festveranstaltungen, verbilligte Eisenbahnkarten, kostenloser Bezug der TKB-Depeschen) hin. Als potentielle politische Akteure erfuhren die Auslandskorrespondenten immer häufiger eine respektvolle, entgegenkommende Behandlung durch staatliche Vertreter, die sich das Ignorieren der Presse immer weniger leisten konnten und stattdessen auf verschiedenen Ebenen auf die Kooperation mit Journalisten setzten287 . Die zunehmende Bereitschaft politischer Eliten, die Vereine als Verhandlungspartner oder Gastgeber zu akzeptieren, darf als Symptom für eine generell veränderte Haltung den Vertretern der (Auslands-)Presse gegenüber verstanden werden. Zwar treten einzelne Korrespondenten sowie ihre Perspektiven, Motive oder Probleme in den Nachlässen der Vereine kaum in Erscheinung, dennoch lassen sich aus der Untersuchung der Korrespondentenvereine einige Rückschlüsse auf die Arbeitspraxis und -bedingungen der Auslandsvertreter der (deutschen) Presse ziehen. Eine große Überraschung ist es nicht: die Lektüre internationaler Blätter war das A und O der Berichterstattertätigkeit; die FPA würdigte diesen Umstand, indem sie ein Büro anmietete, in dem die wichtigsten Blätter für ihre Mitglieder zur Einsicht auslagen. Außerdem gab es dort Schreibmöglichkeiten, die von den Korrespondenten wohl auch genutzt wurden. Über ein eigenes Büro konnte offenbar nicht jeder Auslandskorrespondent verfügen. Das große Interesse der Wiener Auslandskorrespondenten an den Meldungen des TKB, die vermutlich ohnehin wenigstens den größeren Redaktionen zugegangen sein dürften und von den Korrespondenten nicht als Grundlage für eigene Drahtmeldungen genutzt werden durften, kann als Indiz dafür gelesen werden, dass die Korrespondenten sich bei ihrer Berichterstattung und Themenwahl an 286 287
D, Das Zeitungswesen, S. 145. Dazu auch G, Pressekriege, sowie B, G (Hg.), Journalists as Political Actors.
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4. Konzeptionelle Einbettung
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den Agenturmeldungen orientierten. Dahinter stand vermutlich – ähnlich wie dies auch gegenwärtig oftmals der Fall ist – die stillschweigende Einschätzung, dass staatliche Quellen besonders glaubwürdig erschienen. Ob dies auch zu einer »Homogenisierung internationaler Berichterstattung« führte, kann an dieser Stelle nicht überprüft werden288 . Auch die Aufwertung der eigenen Recherche lässt sich aus den Bemühungen der Vereine ablesen. Diese kreisten immer wieder darum, den Mitgliedern privilegierten Zugang zu verschaffen, sei es zur Pressetribüne oder den Vorräumen der Parlamente, sei es zu kulturellen oder politischen Veranstaltungen, sei es zu Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Nahezu alle konkret identifizierbaren Aktivitäten zur Förderung der beruflichen Interessen lassen sich unter diesem Stichwort fassen. Die Vernetzung mit der Politik scheint einen besonders hohen Stellenwert eingenommen zu haben, soweit sich dies aus den überlieferten Unterlagen ablesen lässt: Die von der FPA monatlich organisierten Lunches dienten immer dazu, mit einer oder mehreren Personen aus Politik oder Gesellschaft in engeren Kontakt zu kommen; auch der Berliner VAP hatte schon vor dem großen Krieg ein ganzes Repertoire von Veranstaltungsformen, die einzig dazu dienten, die Mitglieder mit Politikern, Künstlern oder Unternehmern ins Gespräch zu bringen. Alle vier Vereine nutzten ihre Jahresbankette dazu, die Beziehungen mit der Diplomatie zu pflegen. Exklusive Hintergrundinformationen, die Korrespondenten durch derlei Aktivitäten zu erhaschen hofften, gehörten zwar sicher nicht zu ihren Alltagserfolgen, bildeten aber ein zentrales Anliegen ihrer Recherchen. Ebenfalls in die Richtung eigener Recherche und Augenzeugenschaft deuten die Bemühungen der Wiener Vereine um ermäßigte Eisenbahntickets. Diese wurden zwar sicher nicht ausschließlich für berufliche Belange genutzt, geht man aber davon aus, dass sie tatsächlich in erster Linie als Instrument der Berufsausübung dienten, so verweisen sie – zusammen mit den gerade schon genannten Zugangserleichterungen – auf die Bedeutung der Anwesenheit am Ort der Ereignisse, auf die Relevanz der Augenzeugenschaft als Mittel der Herstellung von Glaubwürdigkeit. Es ist nur bedingt möglich, quantifizierende Aussagen über die Vereine und die ihnen angehörenden Auslandskorrespondenten zu treffen. Als problematisch erweist sich, dass Mitgliederlisten für die einzelnen Vereine in sehr unterschiedlichem Umfang und mit ganz verschiedenen Details vorliegen. Außerdem ist es nahezu unmöglich, die Zahl der insgesamt an einem Berichtsort vertretenen Auslandskorrespondenten zu eruieren. Welcher Anteil
288
Dies ist beispielsweise bei der gegenwärtigen Brasilien-Berichterstattung zu beobachten: Regina C, Brasilien-Berichterstattung in der deutschen Presse, Berlin 2014, S. 60–65, Zitat S. 62; auch M, »Journalisten der Finsternis«, S. 237–239. Die vorliegenden Quellen lassen keine Aussagen darüber zu, welchen Stellenwert die Agenturen tatsächlich in der Arbeitspraxis der Korrespondenten einnahmen. Zur Klärung wäre eine international vergleichende Inhaltsanalyse von Zeitungen und Agenturmeldungen wünschenswert.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
der Korrespondenten im Verein vertreten war und damit auch die Frage der Repräsentativität und Relevanz dieser Vereine kann daher nur unter Vorbehalt beantwortet werden. Der Wiener Verband hatte 1884, im Gründungsjahr, 33 Mitglieder, zur selben Zeit hatte die Pariser APE 47 Mitglieder, von denen sieben für deutsche, acht für britische und vier für österreichische Blätter schrieben, aber nur zwei für US-amerikanische. Fünf Jahre später war mit 30 Mitgliedern knapp die Hälfte der 66 der Preßleitung bekannten in Wien anwesenden internationalen Auslandskorrespondenten im Verband vertreten, davon acht deutsche, fünf französische, vier britische. Von den 35 Mitgliedern, die die Londoner FPA 1894 zählte, waren die größten Gruppen Franzosen (19) und Deutsche (5). Sowohl der Wiener Verband als auch der Berliner VAP konnten bis zum Ersten Weltkrieg einen deutlichen Mitgliederzuwachs verzeichnen: 1906 waren 34 Auslandskorrespondenten im Berliner VAP vertreten (zehn US-amerikanische, acht britische, sechs französische, vier österreichische), 1913 waren es schon 66 (13 für britische Zeitungen, elf für österreichische, zehn für russische, neun für US-amerikanische, acht für französische). Der Wiener Verband hatte 1907 immerhin schon 79 Mitglieder, 1914 waren es sogar 84, die hauptberuflich als Zeitungskorrespondenten arbeiteten, parallel hatte die Konkurrenzorganisation Union 45 Mitglieder dieser Kategorie289 . Im ersten Kriegsjahr hatte der Verband 88 Mitglieder, davon 24 deutsche, zehn US-amerikanische, acht (später ausgestrichene) italienische Korrespondenten. In der Union mit ihren nur noch 31 Mitgliedern waren zur selben Zeit 16 Deutsche vertreten. Diese Dominanz deutscher Journalisten in Wien erklärt sich durch das militärische Bündnis der Staaten und das damit einhergehende große Interesse deutscher Blätter an Nachrichten aus Österreich. Nach dem Krieg wuchs die Zahl der Mitglieder der Korrespondentenvereine deutlich, der Berliner VAP hatte in den 1920er Jahren immer weit über 100 Mitglieder. Soweit man aus diesen Zahlen generalisierende Schlüsse zu ziehen wagt, kann man festhalten, dass deutsche Korrespondenten in allen Vereinen (außer natürlich in Berlin) stark vertreten waren, gemeinsam mit ihren französischen, britischen, österreichischen und italienischen Kollegen. Um die Jahrhundertwende scheint der Anteil russischer Journalisten gestiegen zu sein, auch die Korrespondenten amerikanischer Blätter wurden zahlreicher. Diese Nationen waren auch in den Vorständen stark vertreten – im Gegensatz zu kleineren und im politischen Konzert weniger einflussreichen europäischen Staaten. Dominik Geppert charakterisiert die Korrespondentenvereine daher als »mediale Entsprechungen der Großmachtblöcke«, welche die Zusammensetzung ihrer Vorstände nach den Prinzipien »der diplomatischen Bühne europäischer
289
Die Zahlen stammen aus den Unterlagen der Preßleitung des Ministerrats-Präsidiums, die sich nicht für die gesamte Mitgliederzahl interessierte, sondern nur für jene, die das Recht hatten, vergünstigte Eisenbahnkarten zu erhalten. AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 101.
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4. Konzeptionelle Einbettung
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Gleichgewichtspolitik« gestalteten290 . Bei allen Vorbehalten gegen die Repräsentativität der aufgeführten Daten deutet dies darauf hin, dass die Presse der politisch einflussreichen und wohlhabenden Staaten in den wichtigsten europäischen Hauptstädten auch verhältnismäßig gut durch eigene Korrespondenten vertreten war, und dass diese auch in der Interessenvertretung eine wichtige Rolle spielten. Die an internationalen Machtverhältnissen orientierte Zusammensetzung der Vereine und Vorstände verweist wiederum darauf, dass bei aller Betonung des unpolitischen Charakters der Vereine doch die Nation ein zentraler Bezugspunkt der einzelnen Journalisten blieb. Geppert hat eindrücklich belegt, dass mit Blick auf die europäische Auslandsberichterstattung im Allgemeinen und die Korrespondentenvereine im Besonderen »Nationalisierung und Internationalisierung zwei Seiten derselben Medaille« sind291 . Tendenzen der Internationalisierung wie die transnationale Kooperation von Medienkonzernen und Journalisten gingen einher mit zunehmender Nationalisierung der Berichterstattung auf personeller wie inhaltlicher Ebene. »Das Spannungsverhältnis zwischen transnationaler Kooperation als Berufsgemeinschaft auf der einen Seite und nationalen Loyalitäten auf der anderen bestimmte auch das Wirken der Auslandskorrespondenten in den europäischen Hauptstädten«292 . Besonders eindrücklich zeigt sich dies in der Reaktion der Korrespondentenvereine auf den Ersten Weltkrieg: Die internationale Zusammenarbeit endete nun an den Grenzen der militärischen Bündnisse; aus den früheren Kollegen waren »feindliche Journalisten« geworden293 , die bis weit in die 1920er Jahre ausgegrenzt wurden. Die Forderung außenpolitischer Loyalität, die von Seiten der Praktikerliteratur an die Auslandskorrespondenten herangetragen wurde, fand sich dementsprechend in deren Selbstverständnis wieder. Indem im Folgenden der Frage nachgegangen wird, wie der Auslandskorrespondent in der Debatte um die Professionalisierung des Journalisten zu verorten ist, werden die Ergebnisse des Kapitels abschließend noch einmal verknüpft. Die Journalistenvereinigungen des 19. Jahrhunderts wurden immer wieder in Hinblick auf ihre Rolle in einem möglichen Prozess der Professionalisierung des Berufs untersucht. Jörg Requate betonte ihr weitgehendes Scheitern als Professionalisierungsagenten, räumt ihnen aber dennoch einen Platz im Prozess einer »›informellen‹ Professionalisierung« der deutschen Journalisten ein294 . Marc Hampton, der mit dem Institute of Journalists den britischen 290 291 292 293
294
G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 223f. Ibid., S. 226. Ibid., S. 220. Abgeleitet von der Bezeichnung nach dem Krieg: »ex-enemy journalists«, Annual General Meeting, 26.3.1925, ähnlich Annual General Meeting, 28.3.1917 und 30.3.1918, FPA A: Committee Meetings File 1912–1938. R, Journalismus als Beruf, S. 43, zu seinem Konzept S. 15–18, zum Beitrag der Vereine S. 236. Da dem Journalismus wesentliche Kategorien (Autonomie, formale Steuerung des Zugangs und der Ausbildung, Expertenwissen, starke Berufsorganisation)
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
Fall untersucht, legt stärkeres Gewicht auf zeitgenössische Konzeptionen295 , als deren Kern er Bestrebungen nach Autonomie vom Staat, der Definitionsmacht und Kontrolle über Leistung und Markt sowie nach Anerkennung der gesellschaftlichen Relevanz der beruflichen Leistung identifiziert. Das dahinter stehende Ziel höheren gesellschaftlichen Ansehens für die Kollegen versuchten die leitenden Vertreter des Vereins zu erreichen, indem sie den Journalismus in den Status einer Profession zu heben trachteten. Seit den 1890er Jahren wurden aber vermehrt kritische Stimmen laut, die eine Verbesserung der sozialen und finanziellen Situation der Berufsgenossen nicht mehr auf dem Weg der Professionalisierung anstrebten, sondern stattdessen das Konzept des intellektuellen Arbeiters einführten und auf dem Weg über gewerkschaftliche Strukturen ihr Heil suchten. Ähnliche Ansätze gab es auch im Deutschen Reich, in der Praktikerliteratur taucht durchaus der Begriff des »geistigen Arbeiters« auf296 . Marc Martin schreibt dem französischen Journalismus ebenfalls Züge einer Profession zu, wobei er sich auf das Entstehen eines esprit de corps der Journalisten, einer gemeinsamen Identität und Solidarität fokussiert; er betont letztlich die »grande famille de la presse« als sinn- und zusammenhaltstiftendes Konzept297 . Während die gerade genannten Autoren die Aspekte des Journalismus betonen, die ihn mit den Professionen vergleichbar machen, betont Birkner dagegen die Ausschlusskriterien und nennt den Journalismus eine »Profession, die keine ist«298 . Je nachdem, welches Konzept von Profession und Professionalisierung man zugrunde legt und welche Aspekte fokussiert werden, erscheint der Journalismus als mehr oder weniger »vollendete« Profession. Gemeinsam ist den Arbeiten über die Frage nach der journalistischen Professionalisierung jedoch die Konzentration auf den Redakteur als Träger des Berufs. Als Standardjournalist und empirische Basis wird der Redakteur, der redaktionelle Mitarbeiter
295
296
297 298
einer Profession fehlten, andere (Selbstverständnis, soziale Zusammensetzung, informelle Zugangskontrollen) aber zumindest in Ansätzen vorhanden waren, führt Requate den Begriff der informellen Professionalisierung (S. 18) ein, was mit den Beobachtungen Retallacks konform geht. R, From Pariah to Professional?, S. 183–195. Dazu auch Konrad H. J, The German Professions in History and Theory, in: C, J (Hg.), German Professions 1800–1950, S. 9–24, der davon ausgeht, dass es nicht den einen Weg der Professionalisierung gibt, sondern eine Pluralität kontingenter Verläufe. Wie Jarausch betont auch McClelland die vom nationalen Rahmen abhängigen unterschiedlichen Verläufe von Professionalisierungsprozessen: Charles E. MC, Zur Professionalisierung der akademischen Berufe in Deutschland, in: Werner C, Jürgen K (Hg.), Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert. 1. Teil: Bildungssystem und Professionalisierung in internationalen Vergleichen, Stuttgart 1985, S. 233–247. Folgt man seinem Konzept der Profession, so ist der Journalismus keine. Etwa B, Das moderne Zeitungswesen, S. 63, auch W, Die Presse und ihre Leute, S. 5f.; Wrede wies auf die Gefahr der Entstehung eines »geistigen Proletariats« hin: W, Die Vorbildung der Journalisten und Redakteure, S. 9. M, »La grande famille«; D., Médias et journalistes, S. 139. Thomas B, Journalismus – eine Profession, die keine ist, in: Medien & Zeit 26 (2011), S. 49–58.
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gesetzt. Das wirft die Frage auf, inwieweit das Konzept der Professionalisierung, das schon für »den Journalisten« nur unter Vorbehalt anwendbar ist, mit dem Auslandskorrespondenten in Einklang zu bringen ist. Kann man die Vereine der Auslandskorrespondenten als Indikatoren einer Professionalisierung begreifen? Die zentralen Anliegen der Vereine waren die Verbesserung der Arbeitsbedingungen, des sozialen Status und des Ansehens der Journalisten sowie die Förderung der Geselligkeit; in einigen Fällen spielte auch die materielle Absicherung in Form von Wohlfahrtsfonds eine Rolle. Die Zugangsbeschränkungen zu den Vereinen, ihre Exklusivität und die Verteidigung eines gemeinsamen Ehrenkodex in internen Schiedsgerichten kann man als Instrumente zur Erlangung dieser Ziele betrachten299 . Um etwa den sozialen Status zu verbessern, war es nötig, ein gewisses Maß an Exklusivität zu erreichen und die »crowd of so-called Correspondents« auszusperren, der die berufliche Befähigung abgesprochen wurde300 . Die einzigen harten Kriterien eines echten Korrespondenten waren die hauptberufliche, ernsthafte Ausübung seines Berufs, die tatsächliche Anwesenheit vor Ort sowie seine gesellschaftliche Respektabilität: Bei nicht näher definiertem »unehrenhaften« Betragen wurde man aus dem Verein ausgeschlossen. Im Falle des Wiener Verbands wurde auch die Respektabilität der Zeitung, für die ein Korrespondent schrieb, genannt. Die Bildung oder Ausbildung, die Ausgestaltung der journalistischen Arbeitspraxis, die bisherige Laufbahn oder gar der Nachweis der Berufsbefähigung spielten dagegen keine Rolle. Die Exklusivität der Korrespondentenvereine diente auch nicht der Kontrolle über den Arbeitsmarkt: Man musste erstens bereits eine Stelle als Korrespondent haben, um aufgenommen zu werden, zweitens hatte die Zugehörigkeit zu einem Korrespondentenverein, der vor allem als eine lokale Größe zu verstehen ist, keinerlei Einfluss auf das Rekrutierungsverhalten der Zeitungen – man kann wohl davon ausgehen, dass die deutschen Zeitungen sich bei der Auswahl ihrer Mitarbeiter nicht von den im Ausland ansässigen Vereinen leiten ließen. In Literatur und Quellen ist zumindest kein solcher Fall belegbar. Wenn sich überhaupt etwas über die Auswahlkriterien der Zeitungen sagen lässt, so deutet alles darauf hin, dass diese sich an Empfehlungen oder dem Zugang zu politischen Kreisen und Informationen orientierten; in der Hand der Korrespondenten selbst lag die Entscheidung über Zugang zum Beruf also 299
300
In den Statuten des Wiener Verbands war von Anfang an ein Ehrengericht vorgesehen, die Wiener Union sowie der Berliner VAP richteten ein Schiedsgericht erst zu Beginn der 1930er Jahre ein, jedoch gab es schon vor dem Ersten Weltkrieg Klauseln, die den Ausschluss von Mitgliedern wegen »unehrenhafter Handlungen« ermöglichten. Wie oft diese Schiedsgerichte zur Schlichtung und Ahndung journalistischen Fehlverhaltens eingesetzt wurden, ist leider nicht nachvollziehbar. Statuten des Vereins der ausländischen Presse, 1906, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481; RAMar, SE/RA/770176, A I: 1; Wiener Verband der auswärtigen Presse: WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195; Union der Correspondenten der ausländischen Presse in Wien: WStLA, M.Abt. 119, A32–1931: 3247; FPA London: Protokoll 24.10.1913, FPA A, Committee Meetings File. P, Foreign Press Association, S. 4.
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I. Annäherungen an den Auslandskorrespondenten
mitnichten. Die Regulierung des Zugangs zu den Korrespondentenvereinen diente eher dazu, Ansehen und sozialen Status des Standes zu heben und die Mitgliedschaft mit einem gewissen Prestige zu versehen. Zudem war es wichtig, dass die Mitglieder respektabel waren, um die Akzeptanz durch die lokalen politischen Eliten, die ein wichtiger Aspekt sowohl der Verbesserung des sozialen Ansehens als auch der Arbeitsbedingungen war, nicht zu gefährden. Die gepflegten Formen der Geselligkeit dienten dazu, die Zugehörigkeit zu gesellschaftlichen Eliten zu demonstrieren: Im Falle von transnationalen Vereinigungen kann man schlecht von Imitation von »Bürgerlichkeit« sprechen301 , allerdings dürften die deutschen Korrespondenten dabei das Konzept von Bürgerlichkeit im Kopf gehabt haben – während (vor allem, aber nicht nur) ihre britischen Kollegen eher den Gentleman im Sinn hatten oder ihre französischen Kollegen den Intellektuellen. Auch wenn die Auslandskorrespondenten einzelne Elemente aus den Professionalisierungsdebatten aufgriffen und es ihnen tatsächlich gelang, einige jener Aspekte umzusetzen, die für die meisten Konzepte der Profession konstituierend sind, so ging es ihnen keineswegs darum, ein solches Konzept für ihren Beruf zu adaptieren. Ihre Bemühungen zielten eher auf die Zugehörigkeit zu und die Akzeptanz durch ein bestimmtes gesellschaftlich-kulturelles Milieu ab. Zwar bezeichnen die Auslandskorrespondenten sich selbst in den Statuten ihrer Vereine als »profession«, allerdings stand dahinter offenbar kein elaboriertes Konzept der Professionalisierung. Verweise auf eine Gleichstellung mit den klassischen Professionen aus den Reihen der Korrespondenten existieren nicht. Die aufgeführten Anklänge an Professionalisierungskonzepte reichen sicher nicht aus, um den Auslandskorrespondenten den Professionen zuzuordnen oder daraus zu schließen, dass die Korrespondenten ihren Beruf als eine solche verstanden wissen wollten. Was jedoch deutlich wird, ist, dass die Auslandskorrespondenten bereits in den 1880er Jahren ein klares beruflich orientiertes Selbstverständnis, eine eigene Identität als besondere Gattung des Journalisten, einen eigenen esprit de corps entwickelt hatten, der sich von Redakteuren und anderen Journalisten abgrenzte. Die Gründung der Korrespondentenvereine ist ein starkes Indiz dafür, dass die Korrespondenten bereits in den letzten beiden Dekaden des 19. Jahrhunderts ihre eigene berufliche Kultur entwickelt hatten. Der Begriff der beruflichen Kultur wird daher hier dem der »›informellen‹ Professionalisierung« vorgezogen302 . Was ist also der Befund dieses Kapitels? Der Beruf des Auslandskorrespondenten war schon Anfang der 1880er Jahre so weit etabliert, dass seine Vertreter eine klare berufliche Identität und einen esprit de corps entwickelt hatten. Von außen dagegen wurden die Auslandskorrespondenten – so die Ergebnisse der 301 302
Wie Jörg Requate dies plausibel mit Blick auf die deutschen Journalistenvereinigungen tut, R, Journalismus als Beruf, S. 228. Ibid., S. 43. Siehe auch die Überlegungen zum Konzept der beruflichen Kultur in der Einleitung, S. 16f.
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4. Konzeptionelle Einbettung
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Begriffsgeschichte wie der Analyse des Praktikerdiskurses – kaum wahrgenommen oder wertgeschätzt. Erklären lässt sich dies mit ihrer Unsichtbarkeit in den Zeitungen: Die Meldungen der Auslandskorrespondenten waren nur in Ausnahmefällen namentlich gezeichnet, meist wurden kürzere Meldungen, die die Hauptbeiträge der Korrespondenten darstellten, nur mit kleinen Symbolen markiert. Auch waren diese Nachrichten urheberrechtlich nicht geschützt und durften – unter Angabe der Quelle – beliebig nachgedruckt werden. Darin zeigt sich, dass die Nachricht nicht gerade als Paradestück journalistischen Wirkens galt, was sich in Kombination mit der Anonymität auf das Prestige des Korrespondentenberufs auswirkte. Andererseits kamen die Korrespondenten durch ihre tägliche Arbeit, in deren Zentrum die außenpolitische Berichterstattung stand, teilweise in engen Kontakt mit staatlichen Würdenträgern, woraus sie wachsendes berufliches Selbstbewusstsein und Ansehen ziehen konnten. Letzteres blieb freilich beschränkt auf ein Milieu der Eingeweihten, also von Politikern, in- und ausländischen Journalisten; der weiteren Öffentlichkeit dürfte dieser Aspekt um 1900 weitgehend verborgen geblieben sein. Als die »Königsdisziplin im Journalismus« galt der Auslandskorrespondent vor dem Ersten Weltkrieg jedenfalls nicht303 .
303
Martin W, Auslandskorrespondent/in für Presse, Radio, Fernsehen und Nachrichtenagenturen, München 2001, S. 12.
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II. Rahmungen: politische Kulturen, Kommunikationspolitik und auswärtige Pressepolitik
Nachdem im letzten Kapitel eine erste Annäherung an den Auslandskorrespondenten über die Entwicklung des Begriffs, die Wahrnehmung durch Redakteure und die Herausbildung eines esprit de corps in den Korrespondentenvereinen vorgenommen wurde, sollen nun sein Arbeitsumfeld und die von der politischen Kultur des Berichtsortes geformten äußeren Bedingungen seiner Arbeits- und Recherchepraxis beleuchtet werden. Dazu werden zunächst die österreichische, englische und französische auswärtige Pressepolitik sowie die jeweilige Kommunikationspolitik gegenüber den deutschen Auslandskorrespondenten untersucht; daneben wird auch der Umgang der deutschen Diplomatie mit den Korrespondenten dargestellt. Zuletzt rücken die Parlamente in Paris, Wien und London als zentrale Arbeits- und Rechercheorte in den Blick: Unter welchen Bedingungen erhielten ausländische Journalisten Zugang und welche Konsequenzen hatte dies für ihre Arbeitspraxis? Auf diese Weise erschließen sich die markantesten Eckpunkte des Rahmens, innerhalb dessen sich arbeitsrelevante Netzwerke, berufliche Praxis und Kultur deutscher Auslandskorrespondenten entfalteten.
1. Diplomatie und Pressepolitik (1848–1914) In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Presse der meisten europäischen Staaten durch ein mehr oder minder repressives Pressegesetz eingehegt und besaß keinerlei Anspruch auf Information durch staatliche Stellen. Journalisten standen bis weit in das letzte Drittel des Jahrhunderts im Ruche der gescheiterten Existenz und wurden selbst von Staatsmännern, die die politische Bedeutung der Presse erkannten und anerkannten, kaum als gesellschaftsfähig erachtet. Zwar verbesserte sich die soziale Stellung der Journalisten am Übergang zum 20. Jahrhundert merklich, allerdings blieben sie abhängig von der Gunst der Politiker: Anders als heute war es eine Ausnahme, wenn hochrangige Politiker sich zu einem Interview bereiterklärten, anders als heute ließ sich das beharrliche Schweigen der Staatsmänner in der Berichterstattung nicht gegen diese verwenden. Vor dem Hintergrund dieser Abhängigkeit ist die Haltung, welche Regierungen und Außenministerien Journalisten im Allgemeinen und den Korrespondenten ausländischer Blätter im Besonderen entgegenbrachten, von großer Bedeutung für deren Arbeitspraxis. https://doi.org/10.1515/9783110581973-004
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II. Rahmungen
1.1 Österreichs auswärtige Pressepolitik Der Umgang des österreichischen Ministeriums des Äußern mit Journalisten steht nicht zufällig am Anfang dieses Kapitels, denn keines der anderen hier untersuchten Außenministerien hatte früher eine eigene Presseabteilung, keines unternahm bereits so früh derart systematische Anstrengungen zur Beeinflussung der in- und ausländischen Presse. Zumindest für Preußen diente es bei der Ausgestaltung des Pressedienstes als Vorbild. Das Revolutionsjahr 1848 stellte auch für die Pressepolitik der österreichischen Regierung eine Zäsur dar: Durch die (vorübergehende) Aufhebung der meisten Repressionen gegen die Presse rückte die »positive«, d. h. aktive Pressepolitik in den Fokus, die sich zunächst vor allem auf die Presse der Habsburgermonarchie wie auf die der deutschen Staaten richtete. Es gelang zwar, die »Wiener Zeitung« als offiziöses Organ zu sichern, der Plan eines »Centralbureaus« beim Ministerium des Innern, das die Beeinflussung der Presse durch Artikel und Korrespondenzen koordinieren sollte, wurde jedoch zunächst nicht umgesetzt1 . Allerdings setzte sich zunehmend die Einsicht durch, dass Presse und öffentliche Meinung auch in der Außenpolitik nicht mehr ignoriert werden konnten2 , und so wurde der österreichische Generalkonsul Joseph Grüner in Leipzig damit beauftragt, Kontakte zur deutschen Presse zu knüpfen. Er beauftragte den sächsischen Publizisten Johann Sporschill mit der Abfassung von Broschüren und nutzte ihn als Mittelsmann zu verschiedenen deutschen Blättern, in denen er auf diese Weise Artikel unterbrachte3 . Dieser Pressearbeit maß Konsul Grüner eine solche Bedeutung bei, dass er die Einrichtung eines Literarischen Bureaus anregte, das tatsächlich ein halbes Jahr nach Einführung der neuen (etwas weniger restriktiven) Presseordnung im Mai 1852 gegründet wurde. Am 24. Oktober 1852 wurde das Preßleitungskomitée durch kaiserlichen Erlass ins Leben gerufen4 . Es stand zwar unter der Leitung des Ministeriums des Äußern, ihm gehörten aber auch Vertreter des Ministeriums des Innern und der obersten Polizeibehörde an5 . Diese Zusammensetzung verweist deutlich darauf, dass repressive Maßnahmen gegen die Presse weiterhin eine dominante Rolle spielten6 . Während die österreichische Presse durch Verbote, verweigerte Konzessionen, hohe Kautionsgebühren und die strenge Ahndung von Pressedelikten im Zaum gehalten wurde, hatte die österreichische Regierung gegen ausländische Zeitungen lediglich die Entziehung des Postdebits und
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P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, S. 6–11; F, Von Journalisten und Diplomaten, S. 47–64. K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 459f. P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, S. 12. Ibid., S. 14. Ibid. So auch K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 459–495, hier S. 459f.
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damit das Verbot des Vertriebs in der Donaumonarchie in der Hand7 . Im Falle der Augsburger AZ, für die Österreich ein wichtiger Absatzmarkt war, stellte dies ein durchaus effektives Druckmittel dar8 . Bei den meist mittel- und norddeutschen Blättern, die ohnehin selten in Österreich gelesen wurden, griff diese Maßnahme kaum – durch Restriktionen ließ sich folglich nur bedingt Einfluss auf die öffentliche Meinung außerhalb Österreichs erlangen, so dass sich der Fokus der aktiven Pressepolitik zunächst in erster Linie auf die deutschen Zeitungen außerhalb der Donaumonarchie richtete. Die Preßleitung erfuhr im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einige organisatorische Umgestaltungen9 , und auch die Schwerpunkte und Strategien der Beeinflussung der in- und ausländischen Presse verschoben sich, die zentralen Aufgaben (hier in der Version von 1860) blieben hingegen ziemlich konstant: Die Aufgabe des Preßleiters ist, mit dem Gange der politischen Tagespresse im Inlande und Auslande durch fortgesetzte Aufmerksamkeit sich vertraut zu machen, und im außeramtlichen Wege einen möglichst ausgedehnten Einfluß auf die Tagespresse zu gewinnen und für die Zwecke der Regierung nutzbar zu machen. Im Sinne dieser Aufgabe wird der Preßleiter mit Zeitungs-Redactionen und Leitern anderer literarischer Unternehmungen im Inlande und Auslande, namentlich auch mit hiesigen Korrespondenten auswärtiger Blätter Verbindungen anzuknüpfen und die bestehenden zu erhalten suchen, er wird mit denselben mündlich oder brieflich verkehren und diesen Verkehr dazu benützen, eine günstige Auffassung und Beurtheilung der Thätigkeit der Regierung anzubahnen, die verschiedenen Organe der Presse für Oesterreich freundlich zu stimmen, schädlichen Vorurtheilen, Irrthümern und absichtlichen Entstellungen von Thatsachen mit Aufklärungen, Berichtigungen und Widerlegungen entgegen zu wirken10 .
Die konkrete Ausgestaltung dieses Verkehrs – besonders, aber nicht nur mit den Wiener Auslandskorrespondenten – ist es, die hier von Interesse ist, denn diese hatte Konsequenzen für die Arbeit der Journalisten. Obwohl sie im Wortlaut der
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Thomas O, Das Preßrecht in der Habsburgermonarchie, in: R, U (Hg.), Politische Öffentlichkeit und Zivilgesellschaft, S. 1493–1533, dort weitere Hinweise auf die ältere Literatur. Zur AZ Günter M, »Wie ein treuer Spiegel«. Die Geschichte der Cotta’schen Allgemeinen Zeitung, Darmstadt 1998; B, Die Augsburger »Allgemeine Zeitung«; B, Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur. Der Übersichtlichkeit halber wird im Text durchgängig der Begriff »Preßleitung« verwendet, nicht zuletzt um eine Verwechslung mit dem preußischen Literarischen Bureau zu vermeiden. Wenn nicht anders vermerkt, ist also mit der Preßleitung stets die entsprechende Einrichtung beim österreichischen Ministerium des Äußern gemeint. Tatsächlich hieß diese Einrichtung 1852 Preßleitungskomitée (interministeriell), 1860 Preßleitungsbureau (Staatsministerium), 1864 Preßleitung (Präsidium), 1868 Pressedepartement (Departement III der Präsidialsektion), 1877 Literarisches Bureau (Ministerium des Äußern), 1911 Pressedepartement (Departement V. des Ministeriums des Äußern). Erwin M, Der Auswärtige Dienst von Österreich(-Ungarn) 1720–1920, Wien 1986, S. 93f.; K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 459–467; P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, S. 1–112. Instruction für den Pressleiter, 14.12.1860, AT-OeStA/HHStA PL 2–3.
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II. Rahmungen
Instruktion durchaus einen prominenten Platz erhielten, standen die Auslandskorrespondenten zunächst nicht im Fokus der Preßleitung – zumindest legt dies der Befund der überlieferten Preßleitungs-Akten nahe11 . Dieser Befund ist zwar ebenso den sich verändernden Archivierungspraktiken geschuldet wie dem »außeramtlichen Wege«, der mündlichen Kommunikation und der Geheimhaltung dieser Verbindungen, dennoch erscheint er nicht ganz zufällig. Im Folgenden wird ein kurzer Überblick über die verschiedenen Wege der Beeinflussung der deutschen Presse durch die Wiener Preßleitung gegeben, die sich eines ganzen Orchesters an Instrumenten bediente, um auf unterschiedliche Art auf die Presse des Auslandes einzuwirken. Da diese Instrumente selten isoliert eingesetzt wurden, ist es kaum möglich und sinnvoll, sie alle einzeln zu besprechen. Um ein wenig Ordnung in dieses Konglomerat von Methoden und Herangehensweisen zu bringen, wird hier eine grobe Differenzierung anhand der zentralen Kontaktwege – über die Redaktionen oder über die Journalisten in Wien – vorgenommen. Den Anfang macht der für die Preßleitung wichtigere Weg über die Redaktionen deutscher Zeitungen, danach wird der auch in den Akten erst später sichtbare Weg über direkte Kontakte zu den Wiener Korrespondenten dargestellt. Es sei vorweggenommen, dass etwa ab Mitte der 1860er Jahre ein Wandel in der Gewichtung der Methoden zugunsten der persönlichen »Influenzierung«12 zu beobachten ist. Solange die deutsche Frage nicht geklärt war, fokussierten sich die Aktivitäten der österreichischen Preßleitung auf die Presse der deutschen Staaten. Zwar erhielt auch die Pariser Botschaft einen stattlichen Fonds, der vor allem für die Subventionierung französischer Blätter eingesetzt wurde, wodurch diese den Interessen der Donaumonarchie zugänglich gemacht werden sollten. Der Löwenanteil der für die auswärtige Pressepolitik bestimmten Gelder ging aber an die »Preßfilialen« in den deutschen Staaten, die als Verbindung zu den Redaktionen der Zeitungen dienen sollten, auf deren Haltung Einfluss zu nehmen die Wiener Preßleitung hoffte13 . Sie waren damit zentrale Elemente des erstgenannten Weges der Einflussnahme, der bis Mitte der 1860er Jahre auch der am häufigsten beschrittene war und dessen Instrumente Subventionen, Bereitstellung von Informationen und die Entziehung des Postdebits waren. Der Begriff der Preßfiliale wird in den Akten nicht ganz einheitlich verwendet und bezeichnet sowohl die Gesandtschaften (Darmstadt, Karlsruhe, 11
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Dieses Kapitel stützt sich im Wesentlichen auf den Bestand Ministerium des Äußern – Preßleitung im Österreichischen Staatsarchiv – Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Die Akten der Preßleitung beim Ministerrats-Präsidium im Allgemeinen Verwaltungsarchiv wurden anhand der Indizes überprüft, ergaben jedoch keine Treffer in Bezug auf die außerösterreichische Presse. So eine besonders bei Konsul Grüner seit Mitte der 1860er Jahre beliebte Wendung, z. B. im Bericht Grüners, 27.12.1864, AT-OeStA/HHStA PL 1. So wurden z. B. im Budget von1867 für die französische Presse 12 000 Gulden bereitgestellt, für die englische 6 000 Gulden, für die deutsche rund 18 000 Gulden: Falke: Budget der auswärtigen Preße im Jahre 1867, 15.10.1866, AT-OeStA/HHStA PL 4–7a, PL 7.
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Stuttgart, München) bzw. Konsulate (Frankfurt, Leipzig), die gewissermaßen als Außenstelle der Wiener Preßleitung den Kontakt zu deutschen Zeitungen herstellen sollten, als auch diese Zeitungen selbst. Die Konsuln bzw. Geschäftsträger hatten nicht nur die Aufgabe, die Presse vor Ort zu beobachten, Presseschauen oder Berichte über die Haltung einzelner Zeitungen einzusenden, sondern sie versuchten auch aktiv Kontakte zu einzelnen Redaktionen anzuknüpfen. Wenn ein Redakteur oder ein Blatt zugänglich erschien, wurde nach Abstimmung mit der Wiener Zentrale eine engere (meist finanziell motivierte) Verbindung angestrebt14 . Über Geldzahlungen an den Redakteur oder Herausgeber sicherte man sich eine freundliche Haltung gegenüber der Donaumonarchie und »öffnete die Spalten«15 des Blattes für Artikel und Korrespondenzen der Preßleitung, die entweder zentral in Wien, durch den Konsul oder in dessen Auftrag durch einen loyalen Publizisten verfasst wurden. Die Kontrolle der Preßleitung über derlei Aktivitäten war durch zwei Zirkulare gesichert, in denen Außenminister Karl Ferdinand von Buol-Schauenstein – auf nicht näher bezeichnete »Unzukömmlichkeiten« hinweisend – dem Personal des Ministeriums des Äußern und der Konsulate jede Mitarbeit an in- oder ausländischen Zeitungen ohne vorherige Genehmigung verbot16 . Dieses Verbot kann wohl auch als Beleg für eine generell reservierte Haltung Buols zur Presse gelesen werden. Die oben skizzierten Verbindungen zur Presse versuchte die Preßleitung möglichst geheim zu halten: Das Wohlwollen einer offiziellen, offiziösen oder bekanntermaßen finanziell abhängigen Zeitung wurde als bei Weitem nicht so nützlich und effektiv betrachtet wie das eines scheinbar unabhängigen Blattes. Daher nutzten die Außenstellen meistens noch einen Vertrauensmann vor Ort, der den Kontakt mit den Redaktionen pflegte oder die Artikel überbrachte17 . Die Beeinflussung der Presse durch Subventionen ging seit 1866 (Deutscher Krieg), besonders nach 1870/71 (Deutsch-Französischer Krieg) deutlich zurück. Zum einen war der Pressefonds wegen der durch mehrere unglücklich ausgegangene Kriege desperaten österreichischen Staatsfinanzen nicht mehr so gut gefüllt wie früher18 , zum anderen war mit dem Ausgang der Einigungskriege und der Gründung des deutschen Kaiserreichs die bisherige pressepolitische 14
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Die Preßleitungsakten des Ministeriums des Äußern sind voll von entsprechenden Korrespondenzen, den zugehörigen Entschließungen und den entsprechenden Zahlungsanweisungen, daher hier keine Einzelbelege. So eine immer wieder genutzte Wendung in den Wiener Preßleitungsakten, z. B. Preßleitung an Simon von Oppenheim, Wien, 7.9.1868, AT-OeStA/HHStA PL 11–13 oder Piper an Jettel, London, 17.10.1909, AT-OeStA/HHStA PL 239. Zirkulare Buol-Schauensteins vom 2.10.1852 und 4.10.1852, AT-OeStA/HHStA MdÄ AR F 4–398 (Journalistik). Etwa Personalakte Piper, AT-OeStA/HHStA PL 270, die Personalakte Schiff, ATOeStA/HHStA PL 257, oder die vielen verstreuten Hinweise auf Aurelio Buddeus, etwa Falke, Budget der auswärtigen Preße im Jahre 1867, 15.10.1866, AT-OeStA/HHStA PL 4–7a, PL 7. Nachdem die Gelder für Pressezwecke seit 1859 von knapp 100 000 auf 416 000 Gulden 1864 gestiegen waren, lagen sie 1870 nur noch bei 185 000 Gulden, Preßbudget 1865, Wien,
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II. Rahmungen
Zielsetzung obsolet geworden: Ein großdeutscher Staat unter österreichischer Führung war aus dem Bereich des Wahrscheinlichen herausgefallen, dementsprechend hatte sich das wichtigste publizistische Anliegen der Preßleitung, nämlich die deutsche öffentliche Meinung für Österreich und gegen Preußen einzunehmen, erledigt19 . Nicht zuletzt dürfte aber die Berufung Beusts zum Außenminister diesen Wandel begünstigt haben, denn er setzte stark auf die informelle Beeinflussung im direkten Kontakt mit Journalisten und intensivierte die Pressearbeit20 . Die sichtbarste Folge der Neuausrichtung nach der deutschen Reichsgründung war die Abschaffung der deutschen Preßfilialen – zunächst der kleineren in Darmstadt, Karlsruhe und Stuttgart, dann auch der wichtigeren in München und Leipzig21 . Doch auch nach der deutsch-österreichischen Annäherung und dem Abschluss des Zweibunds im Oktober 1879 wurde die Subventionierung deutscher Zeitungen nicht völlig aufgegeben: Unzufrieden über die Leistungen der österreichischen Pressepolitik während der ersten Marokkokrise, ging Hofrat Emil Jettel von Ettenach 1906 auf das Angebot des Leiters des Auslandsressorts der »National-Zeitung« (NZ) ein, in welchem »die Redaktion gegen ein Abonnement von 100 Exemplaren die Auslandsrubrik des Blattes dem [Wiener] Literarischen Bureau zur Verfügung stellt«22 . Die Rechnung, sich für 500 Mark monatlich ein »angesehenes und [. . . ] exclusiv-vornehmes Sprachrohr in Berlin zu sichern«, ging offenbar nicht ganz auf, denn bereits ein dreiviertel Jahr später wurde das Abonnement wieder gekündigt23 . Bald darauf leitete Botschafter László von Szögyény-Marich in Berlin jedoch erneut ein Abkommen zwischen dem Direktor der NZ, Oscar Münsterberg, und der Preßleitung in die Wege: Gegen ein Abonnement von 40 Exemplaren verpflichtete sich das Blatt, monatlich zwei Artikel aus Wien als redaktionelle Artikel aufzunehmen. Als Jettel den ersten Artikel an die Redaktion sandte und – unter Hinweis auf die Vereinbarung – auf einen Abdruck spätestens zwei Tage nach Eingang drängte, antwortete ihm Chefredakteur Paul Harms empört, es könne sich
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30.11.1865, AT-OeStA/HHStA PL 2–3, sowie Zahlamt des Ministeriums des Äußern, Wien, 4.1.1870, AT-OeStA/HHStA PL 19–21. P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, S. 69–71. K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 461f.; P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, S. 69f.; Wolfgang P, Propaganda im 19. Jahrhundert. Die Anfänge aktiver staatlicher Pressepolitik in Deutschland (1800–1871), in: D, S (Hg.), Propaganda, S. 21–43, hier S. 41; mehr zum Beust’schen neuen Kurs später in diesem Kapitel. Falke an die Missionschefs in Stuttgart, Darmstadt und Karlsruhe, Wien, 30.12.1870, AT-OeStA/HHStA PL 19–21, PL 21; Preßleitung an Bruck und Grüner, Wien, 31.12.1871, AT-OeStA/HHStA PL 24. Konsul Grüner hielt aber weiterhin Kontakt zu verschiedenen Redaktionen und versuchte, Artikel zu lancieren. Interne Notiz des Literarischen Bureaus, Wien, 25.4.1906, AT-OeStA/HHStA PL 123 (NZ), sowie die dazugehörige Korrespondenz. Zitat L. Heinrich Léostér an Hofrat Jettel, Berlin, 11.3.1906, sowie Literarisches Bureau an NZ, Wien, 19.1.1907, AT-OeStA/HHStA PL 123 (NZ).
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dabei nur um ein Missverständnis handeln, denn eine derartige Verpflichtung, »gegen Entschädigung redaktionelle Artikel unbesehen aufzunehmen, bin ich nie eingegangen und werde ich nie eingehen«24 . Auch Münsterberg, der Szögyény in der Botschaft aufsuchte, zeigte sich peinlich berührt durch die direkte Verquickung der Verpflichtung, Artikel aufzunehmen, mit einer Zahlung von 1500 Mark in einem Satz, »da ihm mit Recht vorgeworfen werden müsste, dass er die ›National-Zeitung‹ dem litterarischen Bureau um diese noch so geringe Summe ›verkauft‹ habe«25 . Jettel sah sofort ein, dass es ein Fehler war, nicht »auf gewisse journalistische Empfindlichkeiten Bedacht zu nehmen«26 ; es ist zwar nicht überliefert, welche für beide Seiten angemessene Sprachregelung man fand, aber das Literarische Bureau zahlte bis 1918 beträchtliche Abonnementsgebühren an die NZ. Dieser clash of cultures zeigt nicht nur, dass die Subventionierung deutscher Zeitungen gegen gewisse publizistische Gegenleistungen weiterhin zum festen Repertoire des pressepolitischen Orchesters gehörte, sondern auch, dass die österreichischen PR-Beamten zwar schon einiges über Journalisten und ihre »Empfindlichkeiten« gelernt hatten, aber dennoch nicht davor gefeit waren, der alten mechanistischen Vorstellung einer käuflichen Presse, die verbreitet, womit man sie gefüttert hat, aufzusitzen. Eine solche Zusammenarbeit musste nicht nur im Interesse der Preßleitung geheim gehalten werden, auch für die Zeitungen war es wichtig, den äußeren Schein völliger Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten. Im Umgang mit der britischen und französischen Presse legte die Preßleitung sehr viel mehr Gewicht auf die Subtilität der Einflussnahme, schon allein, weil die wichtigen britischen Zeitungen finanziell deutlich besser gestellt waren als die deutschen und sehr viel mehr Wert auf ihre Unabhängigkeit legten als auf kleine Geldspenden aus Wien27 . In Paris wusste sich der Österreicher Friedrich Schiff, Korrespondent des WTB, durch eine regelmäßige Presseschau für den österreichischen Botschaftsrat Konstantin Dumba unentbehrlich zu machen. Nachdem er diesen Dienst eine Zeitlang gratis, gewissermaßen als patriotische Handlung leistete, ließ er sich doch ein jährliches Honorar von 3000 Franc zahlen28 . Im Wesentlichen bestand seine Funktion darin, die österreichische Botschaft und die Preßleitung mit der Pariser Presseschau zu versorgen; als Rudolf von Khevenhüller-Metsch 1903 den Pariser Botschafterposten antrat, erweiterte er Schiffs Aufgabenbereich, der nun darin bestand, dass er »die Botschaft von allen Vorgängen in der hiesigen Presse au fait hält, bei sich darbietender Gelegenheit die delikate Vermittlerrolle bei hiesigen Zeitungen übernimmt, Informationen aus Finanz- und häufig auch aus diplomatischen
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Paul Harms an Literarisches Bureau, Berlin, 10.1.1908, AT-OeStA/HHStA PL 123 (NZ). Szögyény an Jettel, Berlin, 11.1.1908, AT-OeStA/HHStA PL 123 (NZ). Jettel an Szögyény, Wien, 14.1.1908, AT-OeStA/HHStA PL 123 (NZ). G, Pressekriege, S. 429f.; K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 473. Dumba an Dóczi, Paris, 7.7.1900, AT-OeStA/HHStA PL 257.
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Kreisen bringt und die Beschaffung von Auskünften, die seitens des k. u. k. Ministeriums des Aeussern verlangt werden, besorgt«29 . Die Beobachtung und Beeinflussung anderer Auslandskorrespondenten spielte bei seiner Tätigkeit keine Rolle. Während die anfangs kostenlose Mitarbeit Schiffs das Misstrauen von Sektionschef Ludwig Dóczi erregt hatte und auch seine Stellung als Korrespondent des WTB, das als »Organ unseres treuen Verbündeten [. . . ] in Dingen der Publicität für uns nicht so freundschaftlich [sei], wie es sich stellt«, »ein wenig suspect« erschien, trug er keinerlei Bedenken dagegen, dass Schiff bereits der gut bezahlte Vertrauensmann der deutschen Botschaft in Paris war30 . Die Zusammenarbeit verlief indes offensichtlich so zufriedenstellend, dass man bei der Suche nach einem entsprechenden Kontakt in London genau die gleiche Konstellation wählte: Nachdem man die kurze Reihe der österreichischen Korrespondenten in London durchgegangen war und alle verworfen hatte, entschied man sich nach ersten Sondierungen rasch dafür, Hauptmann a. D. Max Piper, seit 1896 Londoner Korrespondent des WTB und in engem Kontakt mit der dortigen deutschen Botschaft, als »journalistischen Vertrauensmann in London« zu bestellen31 . Neben den Informationsdiensten für Botschaft, Wiener Preßleitung und TKB sollte er auch »bei den ihm zugänglichen Blättern aufklärend und vermittelnd« wirken32 , wovon Piper in seinen Berichten nach Wien häufig berichtete33 . Als Piper vom WTB in die Zentrale nach Berlin berufen wurde, schlug er seinen Nachfolger auf dem Korrespondentenposten Hans Plehn auch als zukünftigen Vertrauensmann der Wiener Preßleitung vor. Plehn wurde im Januar 1904 als Korrespondent der AZ nach London geschickt, übernahm 1909 die Auslandsredaktion der »Münchner Neuesten Nachrichten« (MNN) und stand ebenfalls in gutem Kontakt mit dem deutschen Auswärtigen Amt und der deutschen Botschaft34 . Dieser Wandel der Methoden der österreichischen auswärtigen Pressepolitik weg von der plumpen Bestechung von Zeitungen hin zur persönlichen, informellen Überzeugungsarbeit der Vertrauensmänner bei den ausländischen Redaktionen zeigt, dass die Wiener Preßleitung durchaus ein Gespür für die Bedürfnisse der nahezu freien Presse hatte. Den Bedarf an verlässlichen und 29 30 31 32 33 34
Rudolf von Khevenhüller an Sektionsrat Kálmán Kánia von Kánya, Paris, 14.4.1910, AT-OeStA/HHStA PL 257. Zitate Dóczi an Dumba, Wien, 9.7.1900, auch Dumba an Dóczi, Paris, 7.7.1900, ATOeStA/HHStA PL 257. Mensdorf an Aehrenthal, London, 1.12.1908, AT-OeStA/HHStA PL 270, Zitat Jettel an Mensdorf, Wien 14.1.1909, AT-OeStA/HHStA PL 257. Jettel an Mensdorf, Wien, 28.1.1909, AT-OeStA/HHStA PL 257. Pipers Privatschreiben, AT-OeStA/HHStA PL 239; AT-OeStA/HHStA PL 241. B, Art. »Plehn, Hans Heinrich«, in: Christian K, Kurt F, Fritz G (Hg.), Altpreußische Biographie, 2 Bde., Königsberg 1941–1967, Bd. 2 (1967), S. 305, auch Richthofen an Metternich, Berlin, 11.12.1903, PA AA, RAV London, 1325–1327, sowie G, Ambassadors of Democracy, S. 35–55.
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aktuellen Nachrichten setzte sie ebenfalls als Mittel der Beeinflussung der Redaktionen deutscher Blätter ein. Während sich die NZ für die Aufnahme von Wiener Preßleitungs-Artikeln bezahlen ließ, hatte der Redakteur der »Stettiner Neuesten Nachrichten« ein anderes Anliegen: Zwar strebte auch er eine Kooperation mit der Preßleitung an, die ihm einen finanziellen Zuschuss einbrachte, daneben ging es ihm aber auch um die Versorgung mit aktuellen Nachrichten aus gut informierter Quelle. Auch wenn er sein Blatt als in der Provinz vielgelesen anpries, gehörte es doch nicht zu den auflagenstarken, gewinnbringenden Zeitungen und besaß nicht die finanziellen Mittel für einen eigenen Nachrichtendienst: »Zu meinem [Kochs] aufrichtigen Bedauern hält der hiesige, in etwas allzu hohem Maße auf Sparsamkeit bedachte Verlag die Bestellung eines eigenen Wiener Mitarbeiters nicht für nötig«35 . Mit dem Hinweis auf die gute Zusammenarbeit mit der Wiener Preßleitung in seiner Zeit als Chefredakteur der »Dresdener Neuesten Nachrichten« bat er sodann um die vertrauliche und kostenfreie Zusendung von Informationen und bot im Gegenzug die Aufnahme von Artikeln an36 . Ob die Preßleitung dieses Angebot nutzte oder nicht, geht aus den Akten nicht hervor, allerdings vermittelte sie Koch im folgenden Jahr mit Otto von Ehrenstein einen »in jeder Beziehung geeigneten, verlässlichen und vertrauenswürdigen« Wiener Korrespondenten37 . Koch hatte wohl vor allem auf einen kostenlosen Korrespondenzdienst spekuliert und hoffte, dass »die Honoraransprüche dieses Herrn für den Redaktionsetat unserer Zeitung nicht unerschwinglich hoch« seien38 . Die Bemühungen Kochs, es der Wiener Preßleitung recht zu machen und die österreichischen Interessen zu unterstützen, waren nicht ganz uneigennützig: Nachdem er für seine »langjährigen publizistischen Verdienste« bereits mit dem Goldenen Verdienstkreuz ausgezeichnet worden war39 , bat er einige Jahre später um die Verleihung des Ritterkreuzes des Franz-Josephs-Ordens40 . Die Verleihung von Orden und Titeln an Journalisten war eine weitere Strategie der Preßleitung, sich die wohlwollende Haltung von Zeitungen und Publizisten zu sichern. Dies geschah mitunter auch in Form von Vorschuss-Lorbeeren und war auf eine zukünftig freundlichere Haltung berechnet. Als der Pariser Botschafter Khevenhüller bei der Preßleitung seinen Vertrauensmann Friedrich Schiff für die Verleihung des Franz-Josephs-Ordens vorschlug, regte Jettel dementsprechend an, noch einen weiteren Pariser Journalisten auf diese Weise zu beehren. Da der Orden wegen seines roten Bandes in Frankreich sehr
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Otto Koch an Jettel, Stettin, 28.3.1909, AT-OeStA/HHStA PL 119. Koch an Jettel, Stettin, 28.3.1909, AT-OeStA/HHStA PL 119. Jettel an Koch, Wien, 18.3.1910, AT-OeStA/HHStA PL 119. Koch an Jettel, Stettin, 22.3.1910, AT-OeStA/HHStA PL 119. Koch an Jettel, Stettin, 28.3.1909, AT-OeStA/HHStA PL 119. Koch an Leopold Graf Berchtold, Stettin, 8.12.1912, AT-OeStA/HHStA PL 119.
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geschätzt sei, dränge sich ihm die Frage auf, »ob man nicht auf diese billige Weise selbst einen angeseheneren Journalisten für uns gewinnen könnte«41 . Mit dem Problem hoher Kosten eines guten Nachrichtendienstes bei beschränktem Budget hatten nicht allein die »Stettiner Neuesten Nachrichten« und ihr Redakteur Otto Koch zu kämpfen; außer den wenigen wirklich großen Zeitungen konnte sich kaum ein Blatt eigene Korrespondenten im Ausland leisten. Diesen Umstand machte sich die Preßleitung zunutze, indem sie selbst die Zeitungen, deren Haltung dem Ministerium des Äußern genehm war, gelegentlich mit kurzen Nachrichten oder auch längeren Artikeln versorgte – unter der Bedingung, dass sie unverändert abgedruckt wurden. Dies ging mitunter so weit, dass Mitarbeiter der Preßleitung als ständige Korrespondenten ausländischer Blätter fungierten, so z. B. Theophil Pisling, der weiter unten als Typus des offiziösen Korrespondenten vorgestellt wird42 . Diese Form der Lancierung von Artikeln hatte Tradition: Bereits im Sommer 1838 hatte Außenminister Klemens von Metternich den Schriftsteller Joseph Christian von Zedlitz auf dessen Bitte hin »zur Redigierung zweckmäßiger, durch die öffentlichen Blätter bekanntzumachender Aufsätze über vaterländische und namentlich über ungarische Angelegenheiten versuchsweise« angestellt43 . Kurz darauf berichtete Zedlitz dem Verleger Johann Georg von Cotta von seiner neuen Stellung und kündigte eine intensivere Berichterstattung für die AZ an44 . Tatsächlich schrieb er bis kurz vor seinem Tod 1862 in seiner Doppelrolle als Korrespondent und Staatsbediensteter viel für das Blatt – nicht jedoch während der Revolution, die ihn zusammen mit Metternich aus dem Amt gefegt hatte45 . Gerade die in der Mitte des Jahrhunderts so bedeutende AZ hatte zahlreiche Wiener Korrespondenten, die zugleich im österreichischen Staatsdienst beschäftigt waren – was zum einen der Tatsache geschuldet war, dass man auf eine gute Stellung mit den österreichischen Behörden Wert legte, weil die Donaumonarchie ein wichtiger Absatzmarkt war, zum anderen aber auch Ausdruck der pro-österreichischen Haltung Cottas war46 . Der Kontakt mit einzelnen in Wien tätigen Journalisten wurde seit den 1860er Jahren zu einem immer wichtigeren Mittel der Einwirkung auf die österreichische und ausländische Presse. Schon unter Staatsminister Belcredi wurde 41 42 43
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Jettel an Khevenhüller, Wien, 3.3.1906, AT-OeStA/HHStA PL 257. Siehe Kap. III.1.2. Josef Sedlnitzky von Choltitz an Metternich, Wien, 15.12.1838, abgedruckt in Eduard C, Zedlitz’ Anstellung im Staatsdienst. Aktenstücke als Nachtrag zu Jahrbuch VIII, S. 33f., in: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 17 (1907), S. 145–164, 157–159, Zitat S. 157. Zedlitz an Cotta, Bologna, 24.10.1838, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Unter Felix von Schwarzenberg, der von November 1848 bis zu seinem Tod am 5. April 1852 Außenminister war, erhielt Zedlitz seine alte Stellung wieder. Conrad Dieter Freiherr Z-N, Joseph Christian Freiherr von Zedlitz. Leben und Schaffen eines Schulkameraden Eichendorffs, in: Aurora. Eichendorff Almanach 29 (1969), S. 70–91. K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 460f.; B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 155; B, Die Augsburger »Allgemeine Zeitung«.
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1. Diplomatie und Pressepolitik
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angeregt, die Preßleitung solle, »anstatt, wie bisher eine mehr negative und abwehrende Haltung einzunehmen, künftig eine kombinirende, tonangebende u. vorbereitende Thätigkeit« ausüben47 . Mit Beust kam dann 1866 ein Außenminister ins Amt, der Macht und Bedeutung der Presse anerkannte und ihr ein »erhöhtes Augenmerk« zuwandte48 . Ganz in Belcredis Sinne setzte er dabei – anders als seine Amtsvorgänger – weniger auf die offiziellen Zeitungen, sondern strebte die informelle Beeinflussung unabhängiger Zeitungen an49 . Obwohl die Preßleitung im März 1866 in die Zuständigkeit von Staatsminister Belcredi übergegangen war, verabredete Beust mit diesem deren gemeinschaftliche Führung, um seinen Einfluss zu sichern50 . Nach Belcredis Rücktritt hatte Beust ohnehin beide Ämter inne; die Preßleitung, deren Relevanz unter Beusts Führung zunahm, wurde der neu geschaffenen Präsidialsektion des Ministeriums des Äußern zugeordnet. Von der Aufwertung der Preßleitung und ihren täglich wachsenden Aufgaben zeugt die Überarbeitung der Geschäftsordnung, im Zuge derer das Büro 1869 arbeitsteilig organisiert wurde: Die Zeitungsschau wurde getrennt nach Wiener, Provinz- und ausländischer Presse, die Beamten übernahmen dementsprechend »den unmittelbaren Verkehr und die direkte Informirung der [. . . ] einzelnen Journalisten und Literaten, welche mit den ihren Geschäftskreis berührenden Blättern in Beziehung stehen«51 . Wie dieser »unmittelbare Verkehr« gestaltet und mit wem er gepflegt wurde, geht aus den überlieferten Preßleitungsakten nicht hervor. Ein Erlass an die österreichischen Missionen in Europa, der diese über die Arbeit der Preßleitung aufklären sollte, stellte fest, es sei den mit der Pressearbeit betrauten Beamten »zur strengsten Pflicht gemacht, die Wahrheit und nur die Wahrheit über alle Vorfälle unseres öffentlichen Lebens den Publizisten mitzutheilen, welche sie um Auskunft fragen ohne Rücksicht auf die Partei oder die politische Meinung, zu welcher dieselben sich bekennen, oder denen die Blätter angehören, mit welchen sie in Verbindung stehen«52 . Wenn man dem glauben kann, dann hatte unter Beust also jeder Journalist, auch die Auslandskorrespondenten, die Möglichkeit, sich im Preßleitungsbüro zu informieren – unabhängig von seiner Haltung der österreichischen Politik gegenüber. Tatsächlich suchte Beust selbst den direkten Kontakt zu ausgewählten 47 48 49
50 51 52
Vortrag des Staatsministers Belcredi vor dem Kaiser am 16.3.1866, AT-OeStA/HHStA PL 4–7a, PL 5. Ludwig P, Erinnerungen eines alten Österreichers, Stuttgart, Leipzig 1910, S. 172. Heinrich P, Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten. Erinnerungen und Aufzeichnungen. 1859–1881, Wien 1894, S. 188, sowie K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 461f.; P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte, S. 69f.; P, Propaganda im 19. Jahrhundert, S. 41. Vortrag Beusts vor dem Kaiser, 19.2.1867, AT-OeStA/HHStA PL 8–10, PL 8. Zirkular Hofmanns, Wien, 31.12.1869, AT-OeStA/HHStA PL 14–18, PL 18. Erlass Beusts an die Missionen Paris, London, Petersburg, Berlin, München, Stuttgart, Carlsruhe, Darmstadt, Bern, Florenz, Brüssel und Leipzig, Wien, 27.3.1870, AT-OeStA/HHStA PL 19–21, PL 19.
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II. Rahmungen
Journalisten. So wurde kurz nach seinem Amtsantritt der damalige Korrespondent der Leipziger »Deutschen Allgemeinen Zeitung«, Heinrich Pollak, in die Preßleitung gebeten, wo ihm Informationen in Aussicht gestellt wurden. Pollak setzte Chefredakteur Biedermann in Kenntnis, »mit welcher Bereitwilligkeit man mir im Ministerium des Aeussern Informationen in Aussicht stelle, und dass ›man‹ mir auch nahe gelegt habe, eventuell ganze Artikel über die äussere Lage zur Benützung entgegen zu nehmen, wenn ich es möglich machen könnte, dass dieselben unverkürzt in der ›Deutschen Allgemeinen Zeitung‹ Aufnahme finden«53 . Obwohl Biedermann Beust sehr kritisch gegenüberstand, nahm er tatsächlich einen Artikel von ihm auf – wenn auch mit distanzierenden Bemerkungen versehen. Pollak brachte dies die Ehre einer Audienz beim Außenminister ein, der ihn wegen der Glossierungen jedoch nicht unter Druck setzte, sondern erläuterte, »dass es mit grossen Schwierigkeiten verbunden sei, sich der unabhängigen Presse zu bedienen, da sie selbst der Wahrheit eine gewisse Voreingenommenheit entgegenbringe, wenn die Einsendung von gouvernementaler Seite komme«54 . Daraus folgerte der Minister, dass »Seitenwege« nötig seien, um die Dinge, »wie sie wirklich sind«, in die Blätter zu bringen55 . Diese Seitenwege suchte Beust nach Pollaks Darstellung unter den Wiener Journalisten und Korrespondenten auswärtiger Blätter56 . In Anlehnung an die überkommenen pressepolitischen Instrumente spielte dabei die Subvention einzelner Journalisten ebenso eine Rolle wie das neue Instrument der informellen Kommunikation und der Beeinflussung auf argumentativer Ebene. Schon unter Belcredi waren finanzielle Verbindungen mit Wiener Korrespondenten deutscher Blätter geknüpft worden. So wurde etwa Adalbert Roerdanz im Auftrag der Preßleitung »mit sehr günstigem Erfolg bei mehreren wichtigen Blättern des Auslandes, namentlich der ›Kölnischen Zeitung‹ als Korrespondent« eingesetzt57 , wofür ihm gelegentlich »eine Honorar-Verbesserung aus dem Preßfonde zugestanden« wurde, und zwar im »Hinblick auf das geringe Honorar, welches diese Blätter zu leisten im Stande sind«58 . Neben Roerdanz wurden noch weitere Korrespondenten in- und ausländischer Zeitungen auf diese Weise subventioniert, deren Zahl jedoch seit 1864 von 55 auf nur 53 54 55 56
57 58
P, Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten, S. 185. Ibid., S. 188. Ibid. Ibid., S. 189. Beust erwähnte in seinen Erinnerungen lediglich einen Wiener Redakteur, den er zu sich bat: Friedrich Ferdinand von B, Aus drei Viertel-Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen 1866–1885, Stuttgart 1887, S. 225. Laut Pollak traf auch er selbst Beust regelmäßig – er verurteilte aber zugleich, dass der die Presse für seine Zwecke zu instrumentalisieren suchte: Gesprächsnotiz Heinrich Pollak, November 1901, in: Franz A, Margret F (ed.), Heinrich Friedjung. Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898–1919, Bd. 1, Wien u. a. 1997, S. 417f. Pressleitung an Ministerialsekretär Kurzmeyer, Wien, 1.11.1864, AT-OeStA/HHStA PL 1. Honoraranweisung, gez. Schmerling, Wien 20.7.1865, AT-OeStA/HHStA PL 2.
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noch 19 Ende 1865 reduziert wurde59 . 1867 wurden immerhin 33 000 Gulden für in- und ausländische Korrespondenten ausgegeben60 , allerdings rückte diese Form der Kontaktpflege mit Auslandskorrespondenten – analog zur Subventionierung von Zeitungen – zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen wurde es üblich, dass die Mitarbeiter der Preßleitung den direkten Kontakt zu in- und ausländischen Journalisten pflegten, um auf diese informelle Weise Einfluss auf deren Berichte aus Wien zu gewinnen. Die Belege in den Akten dazu sind jedoch dürftig, denn diese Gespräche wurden in keiner Form dokumentiert. Lediglich beiläufige Äußerungen in anderen Zusammenhängen verweisen auf diese Kontakte. Als etwa Sektionschef Leopold von Hofmann bei Konsul Simon von Oppenheim Informationen für den Grund der »gehässigen Haltung« der KöZ Österreich gegenüber einholte, zeigte er sich überzeugt, dass sich »der hiesige Correspondent der ›Köln. Ztg.‹ gewiß nicht über eine Zurücksetzung oder Vernachlässigung, sofern er unsere Informationen einholen will, zu beklagen haben dürfte«61 . Auf die Bitte des Korrespondenten der »Berliner Neuesten Nachrichten« um ein Gespräch mit Sektionschef Kajetan Mérey verwies ihn Kánya ganz routinemäßig an die Preßleitung: »Dieses Bureau steht zur Besprechung von Fragen, die in die Kompetenz des auswärtigen Amtes gehören, auch [Ihnen] stets zur Verfügung«62 . Dem an näherer Zusammenarbeit interessierten Redakteur der NZ erklärte Dóczi im Juni 1899, er solle seinen Korrespondenten nur bei ihm vorbeischicken, an bestimmten Tagen empfange er »die Correspondenten der verschiedensten und bedeutendsten Blätter«, etwa der KöZ, der »Times« oder des »Standard«, und zwar »ohne besondere Intimität, sozusagen gute gesellschaftliche Beziehungen«63 . Auch die Botschaften wurden dazu animiert, »mit den dortigen Vertretern der Tagespresse, insofern dieselben an Sie spontan heran treten, nach Möglichkeit vertrauliche Beziehungen« zu pflegen64 . Schon 1876 zeigte sich Johann Falke von Lilienstein überzeugt, dass thunlichst freundliche Beziehungen zu den Repräsentanten größerer und einflußreicher Blätter [. . . ] der k. u. k. Botschaft zum Theil mindestens die Möglichkeit bieten, auf das Blatt selbst im Interesse der k. u. k. Regierung indirekten Einfluß zu gewinnen und durch Informierung des Berichterstatters, in einem uns günstigen Sinne der eventuellen gegnerischen Einflußnahme ein Gegengewicht zu bieten65 .
Nachdem der persönliche Stil in den 1860er Jahren etabliert worden war, scheint er von den Preßleitungs-Mitarbeitern auch unter weniger presseaffinen Außenministern weiter gepflegt worden zu sein. Die Institution war von einer 59 60 61 62 63 64 65
Preßbudget, 30.11.1865, AT-OeStA/HHStA PL 3. Richard von Belcredi an Friedrich Ferdinand von Beust, Wien, 3.1.1867, AT-OeStA/HHStA PL 8. Dies entsprach etwa 1/5 der Ausgaben für Pressezwecke. Hofmann an Simon von Oppenheim, Wien, 9.7.1872, AT-OeStA/HHStA PL 25. Kánya an Flandrak, Wien, 8.1.1907, AT-OeStA/HHStA PL 121. Dóczi an Schwabach, Wien, 12.6.1899, AT-OeStA/HHStA PL 123. Falke an Franz Schiessl (Legationsrat in Berlin), Wien, 31.8.1891, AT-OeStA/HHStA PL 64. Falke an Herbert-Rathkeal, Wien, 29.11.1876, AT-OeStA/HHStA PL 35.
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II. Rahmungen
bemerkenswerten personellen Kontinuität geprägt. Viele der Mitarbeiter verblieben bis zu ihrer Pensionierung in der Presseabteilung und sorgten so auch für die Kontinuität der Methoden und Kontakte66 . Die Preßleitung stand also offenbar jedem interessierten Journalisten oder Korrespondenten als Informationsquelle offen – und in der Tat ergibt sich aus der Lektüre der Akten, dass die Beamten um den Kontakt zu Journalisten und Auslandskorrespondenten bemüht waren und es geradezu bedauerten, wenn Korrespondenten sich nicht bei ihnen informierten: Hofrat Jettel zeigte sich unzufrieden darüber, dass sich der neue Vertreter des BT trotz einer schriftlichen Einladung noch nicht in der Preßleitung gezeigt habe und es vorzuziehen scheine, »seine Informationen aus minder lauteren Quellen zu schöpfen«67 . Der umgekehrte Fall, dass die Preßleitung den Kontakt zu einem Journalisten verweigerte, ist nur einmal dokumentiert, und zwar im Falle des Korrespondenten des BT Hugo Klein. In durchaus freundlichem Ton erläuterte Dóczi dem Chefredakteur Arthur Levysohn, dass er leider zum »Abbruch der Beziehungen« zu Klein gezwungen sei, weil dieser sich »den hiesigen Auffassungen gegenüber so abweisend und unzugänglich« zeige68 . Das sei keine »Feindlichkeit gegen Ihr verehrtes Blatt«, sondern ein Akt »persönlicher Nothwehr«, denn wenn Klein nach »eingehender und rückhaltloser Besprechung« dann das Gegenteil schreibe, sei er, Dóczi, der »Blamirte«69 . Ob und wie lange die Pforten der Preßleitung für Klein verschlossen blieben, geht nicht aus den Akten hervor, da aber nur ein einziger Brief des Verbannten überliefert ist, liegt es nahe, dass er bald wieder empfangen wurde – schließlich lag es auch nicht im Interesse der Preßleitung, eines der meistgelesenen deutschen Blätter dauerhaft gegen sich aufzubringen. Es ist durchaus denkbar, dass der Abbruch der Beziehungen von vornherein nicht auf Dauer berechnet, sondern rein strategischer Natur war und von Dóczi lediglich als Druckmittel eingesetzt wurde. Einige Jahre später konstatierte Hofrat Jettel resigniert: »[D]ie Wiener Vertreter deutscher Blätter: 66
67 68
69
Das galt wenigstens für das leitende Personal: Falke arbeitete von Mitte der 1860er Jahre bis zu seinem Tod 1895 in der Preßleitung, Ludwig von Dóczi von 1868 bis 1902, Jettel von 1870 bis 1909. Unter den niederrangigen Beamten waren ebenfalls etliche, die etwa ein Vierteljahrhundert im Dienste der Preßleitung standen: Jettel an Dobra, Wien, 19.2.1904, AT-OeStA/HHStA PL 256. Jettel an Flotow, Wien, 29.4.1909, AT-OeStA/HHStA PL 121. Dóczi an Arthur Levysohn, Wien, 28.3.1899, AT-OeStA/HHStA PL 121, sowie Hugo Klein an Dóczi, Wien, 29.3.1899, AT-OeStA/HHStA PL 121. Dass Dóczi sich bei der Darstellung seines Kontakts zu Klein des Vokabulars zwischenstaatlicher Beziehungen bediente, verweist darauf, wie die Presse in der Wiener Preßleitung eingeschätzt wurde: als sechste/siebente/neue Großmacht, eine Einschätzung, die im 19. Jahrhundert weithin anerkannt war, etwa Detlev B, Das Zeitungswesen einst und jetzt, Leipzig 1882, S. 33; Max G, Parlament und Presse. Ein Beitrag zum Prinzip der parlamentarischen Öffentlichkeit, Wien 1908, S. 1; J, Der Journalist, S. 46; auch G, Pressekriege, S. 4. Dóczi an Arthur Levysohn, Wien, 28.3.1899 sowie Hugo Klein an Dóczi, Wien, 29.3.1899, AT-OeStA/HHStA PL 121.
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Kölnische Ztg., Berliner Tageblatt, Münchner Neueste Nachrichten usw., die mich regelmässig zweimal in der Woche besuchen, schreiben fast nie über das, wovon sie mit mir gesprochen, oder sie schreiben gar das Gegenteil von dem, was ihnen hier gesagt wurde«70 , woraufhin er die nur leicht kaschierte Subvention der NZ in die Wege leitete. Auch über die Information hinaus brachte eine gute Beziehung zur Preßleitung den Journalisten gewisse Vorteile, denn deren Empfehlung öffnete die Türen anderer staatlicher Institutionen. Auch der Kontakt zu den Botschaften konnte über die Preßleitung hergestellt werden, was den Wiener Journalisten zugute kam, wenn sie über eine andernorts stattfindende Konferenz berichten wollten oder die Zulassung als Kriegsberichterstatter zum Hauptquartier erwirken wollten. Diese Empfehlungen wurden zwar meist für die Berichterstatter österreichischer Blätter verfasst, allerdings waren diese oft zugleich Korrespondenten deutscher Zeitungen, wie z. B. Wilhelm Lauser, der von der Wiener »Presse« als Berichterstatter zur Eröffnung des Suezkanals entsandt und in dieser Eigenschaft den österreichischen Konsulaten und Gesandtschaften empfohlen wurde; zur selben Zeit war er aber auch Berichterstatter der AZ71 . Direkte Empfehlungen für Kriegsberichterstatter sind nur für einige Vertreter österreichischer Blätter überliefert, so etwa an die Botschafter in Paris und Berlin anlässlich des Deutsch-Französischen Krieges 1870/7172 . Im Ersten Weltkrieg wurden die Kenntnisse der Preßleitung über ausländische Korrespondenten durch die Militärbehörden abgefragt, wenn sich die Korrespondenten deutscher Zeitungen um Zulassung zum österreichischen Kriegspressequartier bewarben. Belege sind aber nur vereinzelt überliefert: Als sich Hugo Ganz von der FZ um die Zulassung zu einer Reise an die Isonzofront bewarb, erbat der Chef des Kriegspressequartiers Friedrich von Beck-Rzikowsky die Einschätzung des Leiters der Presseabteilung, Oskar von Montlong, über dessen Zuverlässigkeit. Da Ganz erkrankte, kam es nicht mehr zu einer Entscheidung, die Relevanz der Empfehlung der Preßleitung lässt sich daher kaum einschätzen73 . Im Falle wichtiger, nur einer eng begrenzten Öffentlichkeit zugänglicher Veranstaltungen traf die Preßleitung mitunter eine Vorauswahl derjenigen inund ausländischen Berichterstatter, deren Zulassung wünschenswert war, weil von ihnen eine »zusagende Schilderung« zu erwarten war74 . Eine regelmäßige Einflussnahme auf die Kartenvergabe zu den Parlamentsverhandlungen ist nicht 70 71 72 73
74
Jettel an Szögyény, Wien, 16.3.1906, AT-OeStA/HHStA PL 123. Hofmann an die k. u. k. Gesandtschaften und Missionen, Wien, 20.10.1869, ATOeStA/HHStA PL 14–18, PL 18. Amtsvortrag Falkes, Wien, 24.7.1870, AT-OeStA/HHStA PL PL 20. Korrespondenz zwischen Kriegspressequartier und Montlong, 25.3.1916 bis 9.4.1916, ATOeStA/HHStA PL 122. Im Falle des Korrespondenten der MNN ist keine Korrespondenz des Kriegspressequartiers mit der Preßleitung überliefert, sondern nur deren interne Notizen über dessen Ablehnung und die Korrespondenz mit der Redaktion, Interne Notiz, 11.9.1915, sowie Trefz an Schandera, München, 7.7.1915, AT-OeStA/HHStA PL 122. Beust an Andrássy, Wien, 18.5.1867, AT-OeStA/HHStA PL 8–10, PL 9.
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II. Rahmungen
ersichtlich75 , aber wenn es um die großen Hoffeste ging, stellte die Preßleitung den ihr geeignet erscheinenden Journalisten Empfehlungen aus und sandte entsprechende Listen an die zuständigen Stellen. Als nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867 die Krönung Franz Josephs zum König Ungarns bevorstand, wandten sich die Berichterstatter Wiener und ausländischer Blätter an die Preßleitung und baten um die Möglichkeit, die Feierlichkeiten in »Ofen-Pest« (seit 1873 Budapest) beobachten zu können. Beust schrieb daraufhin dem ungarischen Ministerpräsidenten Gyula Andrássy, es liege in ihren gemeinsamen Interessen, daß dieser hochwichtige, ja ich möchte sagen, weltgeschichtliche Akt in einer seiner Bedeutung würdigen Weise geschildert werde, und ich glaube, man sollte jenen Personen, welche voraussichtlich die Fähigkeit und den Willen besitzen, wahrheitsgetreu und der Würde der Feyer entsprechende Berichte zu liefern, ihre Aufgabe nach Thunlichkeit erleichtern76 .
Andrássy versprach, den empfohlenen Journalisten »jede mögliche Unterstützung angedeihen zu lassen« und diesen den Zutritt »sowohl zu den öffentlichen als auch geschlossenen Festlichkeiten« zu ermöglichen77 . Die beiliegende Liste verzeichnete elf Berichterstatter österreichischer Blätter und zehn Auslandskorrespondenten, die für französische, deutsche, italienische, belgische und englische Blätter schrieben. Neben den beiden Großen, der KöZ und der AZ, waren die amtliche »Leipziger Zeitung« und der »Rheinische Kurier« vertreten, ein eher unbedeutendes Blatt, dessen Herausgeber jedoch einige Jahre an Wiener offiziösen Blättern mitgearbeitet hatte und wohl von daher mit der Preßleitung auf gutem Fuße stand78 . Auch mit den drei anderen Blättern war die Preßleitung auf vielfältige Weise verbunden. Der Wiener Verband der auswärtigen Presse versuchte bei solchen Gelegenheiten, Einfluss zu erlangen, und tatsächlich wurden ihm mindestens in einem Fall (Feierlichkeiten anlässlich des Besuchs Wilhelms II. 1888) nach der Intervention seines Vorsitzenden noch Karten zugeteilt79 . Diese Praxis wurde aber nicht zur Routine und zeigt die begrenzte Relevanz des Vereins. Die Belege für diese Art der Unterstützung in den Preßleitungs-Akten sind rar. Entweder spielte sie keine Schlüsselrolle bei dem Bemühen der Journalisten um Zutritt zu offiziellen Veranstaltungen oder die Unterstützung vollzog sich informell und fand daher keinen Niederschlag in den Akten. 75
76 77 78
79
Nur einmal reservierte Falke eine Anzahl Karten für den feierlichen Schluss des Reichsrats für Wiener und auswärtige Blätter, darunter AZ, KöZ, NZ; Falke an Ministerialrat Breisky, Wien, Mai 1869, AT-OeStA/HHStA PL 14–18, PL 15. Beust an Andrássy, Wien, 18.5.1867, AT-OeStA/HHStA PL 9. Andrássy an Beust, Ofen, 30.5.1867, AT-OeStA/HHStA PL 9. Franz von Hell an ungarisches Minister-Präsidium, Wien, 8.6.1867, AT-OeStA/HHStA PL 9; zum Rheinischen Courier siehe Eintrag zu Bernhard Scholz in: Constant W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, 60 Bde., Wien 1856–1891, Bd. 31 (1886), S. 230. Verzeichnis, 27.9.1888, Nr. 118 sowie Alfred Szczepánski an Preßleitung, Wien, 27.9.1888, AT-OeStA/HHStA PL 61.
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Die Unterstützung der Preßleitung war keine Garantie für den Zutritt, denn nach den Hoffesten anlässlich der Wiener Weltausstellung sowie der Hochzeit der Erzherzogin Gisela 1873 beklagte die Preßleitung, dass die Auslandskorrespondenten bei der Kartenvergabe leer ausgegangen seien, und setzte sich dafür ein, dass beim nächsten Anlass auch diese berücksichtigt würden80 . Dieses Beispiel verdeutlicht, dass es keine einheitliche österreichische Presse- oder Kommunikationspolitik gab, sondern dass die einzelnen Ministerien, Institutionen und sonstigen staatlichen Stellen jeweils eigene Ansichten über eine Beteiligung von Journalisten und die Kompatibilität ihrer Arbeit mit der Öffentlichkeit hatten. Die Preßleitung des Ministeriums des Äußern hatte zumeist eine ziemlich offene Haltung zum Kontakt mit Journalisten, Franz Joseph I. dagegen stand der Presse ebenso reserviert gegenüber wie dem Parlament81 . Bisher wurden die Versuche der Preßleitung beschrieben, vorbeugend auf eine aus ihrer Sicht gute Berichterstattung hinzuwirken. War sie nicht einverstanden mit der Berichterstattung einer Zeitung und entsprechend um Korrektur bemüht, nutzte sie teilweise andere Strategien. Eher selten wurden restriktive Maßregeln wie die Entziehung des Postdebits oder die Ausweisung des Korrespondenten eingesetzt, stattdessen versuchte man meist über einen Vermittler vor Ort die Redaktion zu einer freundlicheren Haltung zu bewegen. Dabei spielten wiederum die österreichischen Konsuln eine zentrale Rolle, einige Male wurde aber auch über die österreichischen Botschafter bzw. Gesandten der Kontakt zu den deutschen Staatsvertretern gesucht, damit diese ihren Einfluss bei den Redaktionen geltend machen konnten82 . So nutzte die Wiener Preßleitung die Vermittlung des österreichischen Generalkonsuls in Köln, um auf die Haltung der KöZ einzuwirken. Nachdem das Blatt Artikel gedruckt hatte, die den »k. u. k. Botschafter in London Graf Beust zur besonderen Zielscheibe persönlicher gehässiger Angriffe und Verdächtigungen erwählt« hatten83 , wandte sich Hofmann mit der Bitte an Generalkonsul Simon von Oppenheim, seinen Einfluss bei der Redaktion des Blattes geltend zu machen und die weitere Aufnahme derartiger Artikel zu verhindern. Tatsächlich publizierte die KöZ ein Dementi; Oppenheim meldete nach Wien, die Redaktion werde solche Angriffe zukünftig nicht mehr drucken84 . Auch Beust war von London aus aktiv geworden und hatte seine »Indignation« Max Schlesinger, der zwar »ebenfalls ein Correspondent, aber ein anständiger Correspondent der Kölnischen Zeitung ist«, nicht vorenthalten; daher hielt Beust ihn für den Vermittler des Dementis85 . Ein weiteres Beispiel derartiger Einflussnahme ist
80 81 82 83 84 85
Falke an Joseph Unger, Wien, 6.4.1873, sowie Falke an Rudolf Freiberg, Wien, 27.5.1873 AT-OeStA/HHStA PL 27. P, Handbuch der österreichischen Pressegeschichte. Siehe die Ausführungen zu den Preßfilialen am Anfang des Kapitels. Hofmann an Oppenheim, Wien, 10.3.1874, AT-OeStA/HHStA PL 29. Oppenheim an Hofmann, Köln, 17.3.1874, AT-OeStA/HHStA PL 29. Beust an Hofmann, London, 14.3.1874, AT-OeStA/HHStA PL 29.
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II. Rahmungen
in den allgemeinen Preßleitungsakten zwar nicht überliefert, allerdings behielt die Preßleitung die Konsuln als Schnittstellen zur Redaktion bei. Als Camillo Tschinkel die Nachfolge Stephan Lipperts von Granberg antrat, wurde er von Jettel regelrecht mit Anweisungen versehen. Lippert veranstaltete eigens einen Herrenabend, um seinen Nachfolger mit den wichtigsten Redakteuren der KöZ, von der Nahmer und Müllendorff, bekannt zu machen. Zwar bemühte sich Tschinkel darum, nicht als »Emissär« der Preßleitung erkannt zu werden, ein Seitenhieb von der Nahmers deutet aber darauf hin, dass den Kölner Redakteuren die ›geheimen‹ Wege der Preßleitung durchaus nicht verborgen blieben: Auf Tschinkels Angebot, Informationen aus Wien zur Verfügung zu stellen, entgegnete der Redakteur »etwas malitiös, dass er doch mit seinen eigenen Informationsorganen sicherer zu fahren glaube«86 . Er weise keine freundlich dargebotene Hand zurück, erwarte aber, »dass man uns voll und ganz vertraue und uns nicht mit diplomatischen Halbaufrichtigkeiten tractire«87 . Das könne er auch ruhig so nach Wien berichten. Auch der diplomatische Dienst wurde zur Vermittlung mit den Redaktionen eingesetzt, und zwar dann, wenn die politischen Behörden vor Ort um Unterstützung gegen unerwünschte, das Kaiserhaus betreffende Berichterstattung der Zeitungen ihres Einflussbereichs gebeten wurden. Dieser Weg jedoch endete meist in einer Sackgasse: Als die MNN den Selbstmord des österreichischen Kronprinzen »in unwürdigster Weise [. . . ] zur Ausbeutung der Sensationssucht des Publicums« benutzten, bat Außenminister Kálnoky den österreichischen Gesandten in München, Nicolaus von Wrede, dies bei den »maßgebenden Persönlichkeiten« anzusprechen88 . Wrede brachte sein Anliegen dem bayerischen Außenminister Friedrich Krafft von Crailsheim gegenüber vor, der zwar sein »tiefes Bedauern« über die Haltung der MNN ausdrückte – zumal die Wiener Blätter anlässlich der »Katastrophe vom Starnberger See«, des Selbstmords Ludwigs II., eine so »würdige und maßvolle« Haltung eingenommen hätten –, ansonsten aber passen musste: Das »vom Scandal lebende [. . . ] Blatt« sei völlig unabhängig, der Regierung stünden leider »keine Mittel zu Gebote, um dem Treiben desselben Einhalt zu thun«89 . Die bayerische Regierung habe »keine gesetzlichen Mittel zur Hand« und ihr »Einfluß auf die hiesige Presse« sei äußerst gering90 . Ähnlich argumentierte auch das Berliner Auswärtige Amt: Ein als »Taktlosigkeit« gegenüber Österreich empfundener Leitartikel der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung« (NAZ) wurde bedauert und Reichskanzler Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst versprach, den zuständigen Redakteur in »eindringlicher Weise darauf aufmerksam [zu] machen, [. . . ] 86 87 88 89 90
Tschinkel an Jettel, Köln, 2.6.1908, AT-OeStA/HHStA PL 122. Ibid. Hervorh. i. O., aber von Jettels Hand, der diese Andeutung – anders als der etwas naive Tschinkel – offenbar zu deuten wusste. Kálnoky an Wrede, Wien, 12.2.1889, AT-OeStA/HHStA PL 62. Wrede an Kálnoky, München, 15.2.1889, AT-OeStA/HHStA PL 62. Ibid.
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1. Diplomatie und Pressepolitik
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daß derartige Unzukömmlichkeiten in Zukunft unter allen Umständen zu vermeiden seien«, jedoch sei das Blatt in keiner Weise offiziös91 . Auch die Wiener Auslandskorrespondenten wurden mitunter als Vermittler zu den Redaktionen eingesetzt. Sektionschef Jettel stand mit dem Berichterstatter der MNN, Max Schandera, in so gutem Einvernehmen, dass er ihn geradezu als seinen Abgesandten nach München schickte, um in der Redaktion für eine »freundlichere und massvollere« Besprechung der ungarischen Angelegenheiten zu werben. Es gelang ihm, Chefredakteur Friedrich Trefz das Versprechen einer sachlicheren Berichterstattung abzuringen, indem er seine Argumentation auf deutsche Interessen ausrichtete: Um das deutsch-österreichische Bündnis nicht zu stören, müsse man Angriffe aus Ungarn vermeiden, was aber nur möglich sei, wenn man die aus der unfreundlichen deutschen Berichterstattung resultierende Verstimmung ungarischer Politiker beseitige. Sogar einen Wechsel des bisherigen Budapester Korrespondenten stellte Trefz in Aussicht92 . Die Initiative zu dieser Zusammenarbeit war zwei Jahre zuvor von Schandera ausgegangen93 . Mit dem Ergebnis war Jettel so zufrieden, dass er sich darum bemühte, ähnliche Beziehungen zu anderen Blättern zu knüpfen: Als Botschaftsrat Ludwig von Flotow (Berlin) eine Empfehlung für Paul Harms, den neuen Korrespondenten des BT, mit dem Hinweis nach Wien sandte, Harms fahre »mit der besten Intention nach Wien«94 , versprach Jettel, er werde ihn gern empfangen, »in der Hoffnung, [. . . ] durch seine Vermittlung das genannte Blatt auf einen besseren Weg führen zu können«95 . Diese Hoffnung erfüllte sich offenbar nicht, denn trotz Einladung hielt sich Harms von der Preßleitung fern96 . Während des Ersten Weltkrieges wurde diese Strategie offenbar zum Standard. Auf dem Bericht, Hugo Ganz von der FZ werde sich bei seiner Redaktion für eine günstigere Haltung einsetzen, wurde vermerkt: »Im selben Sinne wird hier seit jeher mit allen deutschen Korrespondenten gesprochen, die auch alle die Richtigkeit unserer Ausführungen anerkennen, auch in deren Sinne ihren Redaktionen schreiben u. auf letztere schimpfen, weil sie trotzdem anderen Einflüssen unterliegen«97 . Die Entziehung des Postdebits als Reaktion auf unliebsame Berichterstattung kam zwar häufig vor, ist in den Preßleitungsakten aber eher selten dokumentiert. 91
92 93 94 95 96 97
Szögyény an Gołuchowski, Berlin, 28.5.1897, AT-OeStA/HHStA PL 123; auch Kiderlen entgegnete auf eine Eingabe Szögyénys wegen der Balkanberichterstattung der FZ, er habe keinen Einfluss auf die Redaktion: Szögyény an Berchtold, Berlin, 22.12.1912, ATOeStA/HHStA PL 122. Max Schandera an Jettel, München, 5.1.1908, AT-OeStA/HHStA PL 123, sowie Jettel an Cornel von Abrányi, Wien, 9.1.1908, AT-OeStA/HHStA PL 122. Schandera an Aehrenthal, Wien, 24.10.1906, AT-OeStA/HHStA PL 79. Ludwig von Flotow an Jettel, 22.2.1909, AT-OeStA/HHStA PL 121. Jettel an Flotow, Wien, 1.3.1909, AT-OeStA/HHStA PL 121. Jettel an Flotow, Wien, 29.4.1909, AT-OeStA/HHStA PL 121; vermutlich hatte er die Episode mit dem Bestechungsversuch von 1908 noch in Erinnerung. Thaddäus von Bolesta-Koziebrodzki an István Burián von Rajecz, Stuttgart, 4.3.1915, AT-OeStA/HHStA PL 122.
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II. Rahmungen
Sie tangierte die Korrespondenten der betroffenen Blätter allerdings mitunter auch persönlich: Die Wiedererteilung des Postdebits für die FZ wurde im Dezember 1899 nicht nur an das Versprechen gebunden, dass das Blatt sich »bewusster Feindseligkeiten enthalten« werde, sondern auch an den Austausch der Korrespondenten Paul Weitz (Konstantinopel) und Heinrich Kanner (Wien). Mit der Einlösung dieser Bedingung nahm es die Redaktion aber nicht so genau: Kanner wurde zwar einige Zeit später gekündigt, aber an Weitz hielt das Blatt bis nach 1914 fest98 . Das ziemlich drastische Mittel der Ausweisung eines unliebsamen Auslandskorrespondenten wurde von der Preßleitung des Ministeriums des Äußern eher vermieden – in ihren Akten ist nur der Fall von Arthur Levysohn belegt. Dieser war zuvor Korrespondent der KöZ in Paris und wurde im August 1872 von seiner Redaktion nach Wien versetzt, nachdem dem Blatt aufgrund seiner Berichterstattung in Frankreich das Verbot gedroht hatte. Konsul Grüner, der für den Kontakt mit der KöZ zuständig war, verfolgte diesen Personalwechsel mit Sorge. Seit Levysohn aus Wien berichte, sei der Einfluss seines Mittelsmannes bei dem Blatt merklich zurückgegangen und es sei allmählich zu einer »oppositionellen Richtung übergegangen«. Er bat darum, dass Levysohns »feindseligen, zum großen Theile erfundenen Auslassungen in einer der bedeutendsten Zeitungen Deutschlands, mit einem Worte der Abwehr oder Aufklärung entgegengetreten« werde99 . Die Preßleitung wurde zunächst nicht aktiv, als aber der Korrespondent in die Redaktion des »Neuen Wiener Tagblatts« eintrat und das Blatt daraufhin geradezu »staatsgefährliche Tendenzen« entwickelte, forderte die Preßleitung Innenminister Lasser auf, diesem »verderblichen Treiben« ein Ende zu bereiten. Levysohn schrieb zwar seit zwei Jahren nicht mehr für die KöZ, weil diese nicht damit einverstanden war, dass ihr Mitarbeiter seine Nachrichten auch noch in anderen Blättern zu verwerten suchte, angeblich betrieb er aber eine autografische Korrespondenz, mit der er rund 15 auswärtige Blätter bediente, darunter den »Hamburgischen Correspondenten« (HC), die »Magdeburgische Zeitung« und die VZ. Zwar habe es seit Levysohns Eintritt in die Redaktion des »Neuen Wiener Tagblatts« seltener Grund zur Beschlagnahme des Blattes gegeben, dieses sei aber umso gefährlicher geworden, »weil es sein Gift weniger brutal u. in gefälligerer und oft in Verschweigungen gehüllter Form den Volksmassen eingiebt«100 . Die Ausweisung Levysohns sei das »mit dem relativ geringsten Aufsehen verbundene [. . . ] Mittel« und »von ersprießlichen Folgen auf die Haltung« des Blattes, bei dem weitere Deutsche beschäftigt seien. In Wien gebe es außerdem fast keine Redaktion, in der nicht reichsdeutsche Journalisten beschäftigt würden, die nebenher auch noch als Auslandskorrespondenten arbeiteten und die aus 98 99 100
Dóczi an August Stein, Wien, 13.10.1900 sowie Stein an Dóczi, Berlin, 16.10.1900, AT-OeStA/HHStA PL 122. Grüner an Andrássy, Leipzig, 18.7.1873, AT-OeStA/HHStA PL 27. Preßleitung an Lasser, Wien, 29.4.1875, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 7.
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1. Diplomatie und Pressepolitik
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preußisch-deutschem Patriotismus heraus publizistisch einer »Kräftigung des österreichischen Bewußtseyns der österreichischen Staatsgedanken« entgegenwirkten. Die Ausweisung eines Landsmannes wäre für »alle diese Leute« eine Warnung101 . Das Ministerium des Innern kam dieser Anregung nicht sofort nach, aber 1876, ein knappes Jahr später, wurde Levysohn dann doch ausgewiesen102 . Die Ausweisung schadete Levysohns Karriere als Journalist nicht, er ging nach Berlin und trat in die Redaktion des BT ein, dessen Chefredakteur er von 1881 bis 1906 war. Die Frage, welche Relevanz die Auslandskorrespondenten für die Preßleitung hatten, wirft umgekehrt auch die Frage nach der Relevanz der Preßleitung für die Auslandskorrespondenten auf. Da sich die Preßleitung bis etwa Mitte der 1860er Jahre so gut wie gar nicht mit den Wiener Korrespondenten ausländischer Blätter befasste, dürfte ihr Einfluss auf deren Arbeitspraxis verschwindend gering gewesen sein. Indem sie aber deutsche Zeitungen mit Nachrichten versorgte, verschlechterte sie die Chancen nichtoffizieller Journalisten, eine Korrespondentenstelle zu bekommen. Auf den in Wien vorherrschenden Typus des Auslandskorrespondenten hatte die Preßleitung daher durchaus einen Einfluss103 . Nach der Aufwertung des informellen, direkten Kontakts zu Wiener Journalisten unter Belcredi und Beust hatten auch selbstständige Korrespondenten die Chance auf einen regelmäßigen Kontakt mit den Mitarbeitern der Preßleitung. Man kann aber mit einiger Berechtigung vermuten, dass diese die Güte der ausgegebenen Informationen an die Haltung des Blattes gegenüber der österreichischen Regierung knüpfte. Dennoch ließen sich die bei der Preßleitung gewonnenen Erkenntnisse mit leichter Verzögerung meist auch auf anderem Wege erlangen: Ein geschickter, gut vernetzter Journalist konnte den direkten Kontakt zur Preßleitung durch regelmäßige Besuche in einem der Kaffeehäuser substituieren. So wurde etwa das Café Daum als Nachrichtenbörse genutzt104 , und auch das für den hohen Literatenanteil seiner Gäste bekannte Café Griensteidl dürfte sich für Recherchen geeignet haben105 . Die Einschätzung der Bedeutung solcher Orte ist nicht leicht, denn die einzigen Belege über ihren Stellenwert für die Arbeitspraxis der Journalisten finden sich nur vereinzelt in deren Erinnerungen. Genoss ein Auslandskorrespondent das Wohlwollen der Preßleitung, war dies sicher auch im Kontakt mit anderen 101
102 103 104 105
Ibid. Es ist wohl kein Zufall, dass die einzige Ausweisung eines Korrespondenten, die von der Preßleitung ausging, unter Andrássy vollzogen wurde, der für seine Geringschätzung der Presse bekannt war: K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 476f.; P, Erinnerungen eines alten Österreichers, S. 321–405. Preßleitung an Taaffe, Wien, 24.5.1879, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 14. Siehe den entsprechenden Teil von Kap. III.1. L, Kultur und Presse, S. 60; P, Erinnerungen eines alten Österreichers, S. 124f. Hier verfasste Hermann Greiml als Vorsitzender des VAP Wien Briefe an die Statthalterei: Wien, 7.5.1887, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195.
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II. Rahmungen
österreichischen Institutionen hilfreich, wie die Praxis bei der Vergabe von Zutrittsgenehmigungen zu Hoffesten gezeigt hat – jedoch ohne Gewähr. Dass Paul Harms den Kontakt zum Ministerium des Äußern trotz der freundlichen Avancen gemieden hat, ist ein deutliches Indiz für dessen Verzichtbarkeit. Und es lässt sich auch als Hinweis auf das Selbstbewusstsein interpretieren, mit dem die Korrespondenten nach 1900 gegenüber staatlichen Stellen auftraten – wenn sie sich etwa mit der Bitte um ein Interview direkt an den Minister des Äußern wandten, ohne auf ein Empfehlungsschreiben zurückzugreifen. Sie empfahlen sich unter Hinweis auf die Bedeutung ihrer Zeitung einfach selbst106 . Die zunächst geringe, nach 1880 deutlicher werdende Zunahme belegbarer Kontakte der Preßleitung mit Auslandskorrespondenten liegt nicht nur in der Bedeutung begründet, die sich beide wechselseitig beimaßen, sondern bildet auch die generelle Zunahme von Auslandskorrespondenten gegen Ende des Jahrhunderts ab. Die erste überlieferte Aufstellung der aus Wien berichtenden Auslandskorrespondenten entstand 1889 und wurde begleitet von der Erklärung: »Die eifrige Thätigkeit der Correspondenten der auswärtigen Presse, welche sich gerade in kritischen Zeitläuften steigert und nicht immer zu Gunsten unserer Reichsinteressen gehalten ist, dürfte die folgende Zusammenstellung der Namen dieser Repräsentanten der auswärtigen Presse in Wien rechtfertigen«107 . Da der Verfasser eine solche Rechtfertigung für nötig erachtete, war dieses Verzeichnis vermutlich das erste seiner Art, das am Ballhausplatz überhaupt angefertigt wurde. Dies wiederum spricht dafür, dass die Auslandskorrespondenten seit nicht allzu langer Zeit als relevante Akteure eingestuft wurden – oder als solche nur selten auftraten. Die Praxis der Preßleitung korrespondierte folglich mit den Phasen des Aufschwungs der Presse und spiegelt sich in der Entwicklung der beruflichen Kultur der Auslandskorrespondenten. 1.2 Das Foreign Office und die auswärtige Presse In Großbritannien existierte kein formelles staatliches System der Presselenkung. Die Pressepolitik war geprägt von der lange gepflegten Freiheit der Presse und der unter Politikern wie Journalisten gleichermaßen anerkannten Idee der Presse als »Fourth Estate«108 . Zwar war die Zeitungslektüre ein fester Bestandteil der täglichen Arbeit des Foreign Office, auf amtlichem Wege wurden direkte Kontakte zu Journalisten durch Sprechzeiten oder die Kleiderordnung jedoch möglichst begrenzt, ein Pressebüro gab es nicht. Von der Abwesenheit fester Strukturen der Pressebeeinflussung sollte man jedoch keineswegs auf das Fehlen 106 107 108
So etwa Siegfried Löwy an Aehrenthal, Wien, 27.10.1906, sowie Max Schandera an Aehrenthal, Wien, 24.10.1906, AT-OeStA/HHStA PL 79. [. V.], Bericht der Preßleitung, Wien, 15.1.1889, AT-OeStA/HHStA PL 62. Hierzu und zum Folgenden G, Pressekriege, S. 59; S, The Foreign Office, S. 186–192.
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1. Diplomatie und Pressepolitik
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intensiver Beziehungen schließen: Viscount Palmerston unterhielt ebenso rege Kontakte zu britischen Journalisten wie Lord Salisbury und andere hochrangige britische Politiker; allerdings spielten diese sich auf der informellen Ebene persönlicher Beziehungen ab. Eine Schlüsselrolle als Kontaktraum spielten die Londoner Clubs, in denen beim Lunch vertrauenswürdige Journalisten mit Informationen ausgestattet wurden. Die Basis dieser Beziehungen war ein gemeinsamer sozialer Hintergrund. Oftmals hatten sich die Wege von Journalisten und Politikern schon in der Schule oder der Universität gekreuzt, man besuchte dieselben Clubs, Veranstaltungen und Gesellschaften. Auch wenn das Umfeld der Begegnungen ein privates oder zumindest informelles war, waren diese Beziehungen keineswegs rein persönliche109 . Wer nicht ohnehin zu diesen Zirkeln gehörte, blieb meist ausgeschlossen: »Ausländische Journalisten waren davon genauso betroffen wie britische Außenseiter, Vertreter unbedeutender Provinzzeitungen oder anderer Blätter, die aus irgendwelchen Gründen als nicht respektabel galten«110 . Gerade Auslandskorrespondenten hatten es nicht allein wegen der zwischen ihnen und britischen Journalisten und erst recht Politikern bestehenden Statusunterschiede schwer111 , in diesen exklusiven Kreisen akzeptiert zu werden, sondern auch, weil »political interest in newspapers was concentrated on the question of domestic opinion; the possibility of influencing opinion overseas was given relatively little consideration«112 . Der Umgang des Foreign Office mit der deutschen Presse und den Korrespondenten der ausländischen Zeitungen war also ein grundlegend anderer als in den übrigen untersuchten Metropolen. Das zeigt sich schon beim ersten Blick auf die überlieferten Akten: Eine eigene Serie zur Presse wurde im gesamten Untersuchungszeitraum nicht angelegt, und auch die explizit mit der Presse befassten Einzelbände lassen sich an wenigen Fingern abzählen113 . In der Serie der Cabinet Papers, in der Dossiers zur Information des Kabinetts zusammengestellt sind, finden sich wenige Bände mit dem Titel »Foreign Press« oder »Press Summaries«, die zudem alle erst nach 1915 entstanden114 . Auch auf institutioneller Ebene zeigten sich die britischen Außenpolitiker abstinenter als ihre kontinentalen Pendants: Eine eigene Abteilung, die sich mit der Überwachung und Beeinflussung der ausländischen Presse befasste, wie das Berliner Literarische Bureau, die Wiener Preßleitung oder das Pariser Bureau 109 110 111 112 113
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Michael L. S, Philip M. T, British Propaganda During the First World War, 1914–1918, London 1982, S. 6. G, Pressekriege, S. 66. Ibid.; D., Ambassadors of Democracy, S. 46–51. S, T, British Propaganda, S. 3. So z. B. einzelne Bände zur französischen Presse in der Serie zum Osmanischen Reich, TNA: FO 78/3986–3987, oder ein Bericht über die belgische Presse in der Serie Confidential Print, TNA: FO 881/1442. Cabinet Papers, Memoranda and Press Summaries, TNA: FO 899/8, auch TNA: FO 899/16– 20.
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II. Rahmungen
des communications, existierte in London nicht. Erst durch den Ersten Weltkrieg sah sich die britische Regierung zu einer systematischen Überwachung und Beeinflussung der Auslandspresse veranlasst. Im Foreign Office wurde kurz nach Kriegsbeginn das News Department eingerichtet, dessen Mitarbeiter vor allem die Aufgabe hatten, britische und ausländische Journalisten mit Informationen zu versorgen. Ebenfalls zugeschnitten auf die Bereitstellung von Nachrichten für die Presse des neutralen und verbündeten Auslands war das Neutral Press Committee, das im September 1914 seine Arbeit aufnahm; daneben etablierte das War Office die Military Intelligence Section 7 (MI 7), im Home Office entstand das Official Press Bureau115 . Das bedeutete freilich nicht, dass das Foreign Office die Presse des Auslands überhaupt nicht wahrnahm. Es nutzte sie jedoch nicht als Mittel aktiver Einflussnahme auf die öffentliche Meinung in anderen Ländern, sondern in erster Linie als Informationsquelle, die nicht nur über die dortigen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorgänge Aufschluss gab, sondern auch einen Eindruck der Haltungen der verschiedenen Parteien vermittelte. Die Presse selbst wurde nur selten zum Gegenstand des Interesses. Als unter Edward Grey 1906 systematische Jahresberichte eingeführt wurden116 , die umfassende Darstellungen über Innen- und Außenpolitik, internationale Beziehungen, Wirtschaft und Gesellschaft des Auslands enthielten und als kompakte Nachschlagewerke für die Mitarbeiter des Foreign Office gedacht waren, wurde zwar ein Kapitel zur Presse und ihrem Einfluss auf die öffentliche Meinung gewünscht117 , im »Annual Report on Germany« wurde dieser Punkt jedoch notorisch übergangen bzw. als Bestandteil des Abschnitts zu den deutsch-britischen Beziehungen eingebracht118 . Die Presse wurde lediglich als Informationsquelle für Fakten, Wahrnehmungen und Haltungen genutzt; ein Überblick über die Presselandschaft oder Hinweise auf Journalisten war in den Länderberichten nicht zu finden. Ein Beispiel für die typische Erwähnung der Presse findet sich im Bericht über Deutschland von 1911: Im Kapitel über die deutsch-britischen Beziehungen berichtete Botschafter Goschen über die 115
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Philip M. T, British Propaganda in the 20th Century. Selling Democracy, Edinburgh 1999, S. 5–11; die einzelnen Institutionen und ihre Zusammenarbeit stellt ausführlich dar S, T, British Propaganda, S. 15–54; S, The Foreign Office, S. 192. Edward Grey an die Missionen, Foreign Office, 9.4.1906, TNA, FO 371/166. Memorandum. Arrangement of Annual Report [9.4.1906], TNA, FO 371/166. Confidential Print: General Report on Germany for the year 1906, TNA, FO 881/8983; Confidential Print: Germany: Annual Report, 1907, TNA, FO 881/9249; Confidential Print: Germany: Annual Report, 1908, TNA, FO 881/9518, Annual Report on Germany, 1909, Goschen an Grey, Berlin, 24.6.1910, TNA, FO 371/905, Annual Report on Germany, 1910, Goschen an Grey, Berlin, 13.6.1911, TNA, FO 371/1125, Germany, Annual Report 1911, Goschen an Grey, Berlin, 21.2.1913, TNA, FO 371/1650; ebenso Annual Report, 1907. Baden and Hesse. Harford an Grey, Darmstadt, 26.2.1908, TNA, FO 371/458, Harford an Grey, Darmstadt, 6.3.1909, Nr. 7: Confidential Print. Grand Duchies of Hesse and Baden. Annual Report, 1908, TNA, FO 371/672, Grand Duchies of Hesse and Baden. Annual Report 1909. Harford an Grey, Darmstadt, 19.1.1910, TNA, FO 371/903.
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1. Diplomatie und Pressepolitik
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positiven Reaktionen der deutschen Presse auf eine Rede Edward Greys im House of Commons, die dieser im Rahmen der Debatten über die britischen Flotten- und Rüstungsausgaben hielt119 . Goschen führte einen Artikel der NAZ als Beleg für die »opinion held of the speech in German official quarters« an, das BT wurde als Beispiel für die Presse der »[l]iberal tendency« herangezogen120 . Goschen behandelte die genannten Zeitungen dabei als Blackbox: wer den Artikel auf wessen Veranlassung geschrieben hatte, spielte ganz einfach keine Rolle. Das Etikett »regierungsnah« der NAZ wurde ebenso wenig hinterfragt wie das des BT als »liberal«. Im selben Geiste wurden auch die wenigen Berichte über die Presse angelegt, die im Foreign Office gesammelt wurden. Die ersten Berichte über die Presse des Auslands entstanden zwischen November 1886 und April 1887, offenbar auf Anregung des Intelligence Department des War Office – zumindest beruft sich darauf der Militärattaché der britischen Botschaft in Berlin in seinem Bericht über die deutsche Presse121 . Die Untergliederung seiner Darstellung in »Official«, »Conservative«, »Ultramontane«, »National-Liberal« sowie »›Freisinnige‹ or Radical« verrät ihren Zweck: Es ging um die politische Haltung der Blätter und ihre Zuordnung zu den Parteien. Einzelne Journalisten oder Auslandskorrespondenten spielten darin gar keine Rolle, ebenso wenig wurden Ansatzpunkte für eine Beeinflussung im britischen Sinne gesucht. Da diese Berichte aus Berlin, Paris, Rom, Konstantinopel und Wien gedruckt wurden, darf man wohl annehmen, dass sie zur Information der Regierung und besonders des Foreign Office gedacht waren; ob und wie sie aber tatsächlich genutzt wurden, geht aus den Akten nicht hervor. Danach sind zunächst keine weiteren Überblicksdarstellungen zur Presse des Auslands überliefert. Erst 1906 entstand ein weiterer Bericht über die deutsche Presse: Unaufgefordert sandte der britische Ministerresident für Bayern und Württemberg Reginald Tower am Ende seiner Amtszeit einen Bericht über die bayerische Presse ein. Er gab darin nicht nur einen Überblick über Verbreitung und Auflage der wichtigsten Zeitungen, sondern skizzierte auch das deutsche System der Pressebeeinflussung durch das Literarische Bureau des Auswärtigen Amtes in Berlin122 . Es war gerade diese Beschreibung der Pressepolitik der Berliner Wilhelmstraße, die im Foreign Office Anklang 119
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Army and Navy Expenditure, Commons Sitting of 13. March 1911. Army and Navy Expenditure, in: Hansard’s Parliamentary Debates 22, Series 5 (1911), § 1877–1999, hier § 1983–1991. Grey betonte in dieser Rede, dass die Freundschaft mit Frankreich oder Russland freundliche Beziehungen mit dem Deutschen Reich keinesfalls ausschlösse. Confidential Print: Germany, Annual Report, 1911. Goschen an Grey, Berlin, 21.2.1913, TNA, FO 371/1650. Colonel Swaine to Sir E. Malet (Confidential Print), Berlin, 24.2.1887, TNA, Confidential Print: Reports on the Press of Foreign Countries, FO 881/5442; weitere Presseberichte übersandten die Botschaftssekretäre in Wien und Rom sowie die Militärattachés in Paris und Konstantinopel. Tower an Grey, München, 16.3.1906, Nr. 44 (Confidential Print), TNA, FO 371/166.
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II. Rahmungen
fand und den Wunsch nach entsprechenden Berichten aus den europäischen Hauptstädten weckte123 . Die ursprüngliche Anregung zu den Berichten über das Pressewesen der verschiedenen Länder, die daraufhin eingefordert wurden, ging also nicht von der Zentrale in London aus. Eine zentral koordinierte Beobachtung der Auslandspresse gab es bis zum Ersten Weltkrieg nicht. Zwar sandten im Mai des Jahres unter anderem die britischen Botschaften in Wien, Paris und Berlin Presseübersichten nach dem Vorbild des Tower’schen Berichts ein, regelmäßige Aktualisierungen wurden jedoch nicht an das Foreign Office übermittelt124 . Als im Herbst 1909 der britische Generalkonsul in Frankfurt a. M. ein »Memorandum respecting the German Press« an die Botschaft Berlin und das Foreign Office schickte, bedauerte zwar Botschafter Goschen die unnötige Arbeit: Ein solches Memorandum existiere und werde regelmäßig aktualisiert an die Zentrale in London geschickt – dort jedoch war der letzte bekannte Pressebericht jener aus dem Jahr 1906125 . Obwohl die Informationen über die deutsche Presse erneut als »very useful« gelobt wurden, resultierte daraus keine ständige Ergänzung. Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges sind keine Presseberichte mehr überliefert126 . Das durch diese Berichte vermittelte Wissen war dazu geeignet, die Bedeutung und politische Tendenz der Zeitungen einzuordnen sowie – falls vorhanden – deren Kontakte und Beziehungen zu deutschen Politikern und dem Berliner Literarischen Bureau nachzuvollziehen. Das journalistische Personal wurde jedoch nur am Rande erwähnt. Wer die Londoner Korrespondenten der verschiedenen Blätter waren, ist weder aus den Reports on German Press ersichtlich, noch lassen sich in der General Correspondence des Foreign Office mit den Konsulaten, Gesandtschaften und Botschaften in Deutschland entsprechende Informationen finden. Selbst wenn Zeitungsberichte über die britische Politik ausgewertet wurden, tauchte nie auch nur die Frage nach dem Londoner Korrespondenten auf, von dem die Nachricht stammte. Soweit es sich aus den Akten ablesen lässt, hatte das Foreign Office keinen Kontakt zu, kein Wissen über und auch kein Interesse an deutschen Auslandskorrespondenten in London. Die Durchsicht der Register, die zeitgenössisch als Arbeitshilfe zu den umfangreichen Aktenserien angelegt wurden und jahrgangsweise einen thematischen Zugriff auf die General Correspondence erlauben, unterstützt diesen Befund: Zwar existieren die Schlagworte »Press« und »Newspaper«, nach »Journalist« sucht man jedoch vergeblich127 . Nur sehr selten lässt sich aus den Akten 123 124 125 126 127
So die Kommentare auf dem Aktendeckel des Eastern/African/China Department [EAC], Tower an Grey, München, 16.3.1906, Nr. 44 (Confidential Print), TNA, FO 371/166. So die verschiedenen Berichte in TNA, FO 371/166. Francis Oppenheimer an Goschen, Frankfurt a. M., 27.10.1909, TNA, FO 371/676 sowie die zugehörige Akte. So vermerkte das EAC auf dem Aktendeckel, 13.11.1906, auf Francis Oppenheimer an Goschen, Frankfurt a. M., 27.10.1909, TNA, FO 371/676. Die Dokumente, zu denen diese Indexeinträge führen, waren in den meisten Fällen
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1. Diplomatie und Pressepolitik
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eine Interaktion oder der Versuch einer Intervention erkennen. Zu ähnlichen Ergebnissen führt der Blick in die privaten Nachlässe von Mitarbeitern des Foreign Office, auch hier finden sich nur vereinzelt schmale Briefwechsel mit deutschen Journalisten128 . Für Versuche des Foreign Office, die deutsche bzw. ausländische Presse direkt und gezielt zu beeinflussen, existieren in den konsultierten Beständen nur zwei Belege: Im Februar 1848 sandte Außenminister Palmerston dem britischen Botschaftssekretär in Frankfurt a. M., Frederick Doveton Orme, einen Betrag von 80 Pfund für die dort erscheinende Zeitung »Der Freie Verkehr. Wohlfeiles Leben, Erwerb, National-Wohlstand«. Der Redakteur versprach als Gegenleistung für die Subventionen, sein Blatt weiter bekannt zu machen sowie gegen protektionistische Blätter zu argumentieren, und erklärte sich bereit, Artikel über den Freihandel oder andere wirtschaftliche Themen aus dem Foreign Office aufzunehmen129 . Die Zeitung bestand jedoch nur bis Mitte 1849, weitere Belege zu dieser Kooperation existieren nicht; ob sie tatsächlich genutzt wurde und wie lange sie bestand, geht aus den Akten nicht hervor. Der zweite dokumentierte Versuch des Foreign Office, die deutsche Presse zu beeinflussen, fand beinahe ein halbes Jahrhundert später statt. Ein Vertreter von Reuter’s Telegram Company Ltd. trat Anfang Juli 1894 an den Permanent Under Secretary Thomas H. Sanderson heran, um ihm eine Kooperation anzubieten130 : Gegen einen ermäßigten Abonnementsbetrag sollte das Foreign Office nicht nur die publizierten Nachrichten der Agentur erhalten, sondern auch deren private Nachrichten aus aller Welt. Außerdem sollten zweifelhafte Depeschen vor Veröffentlichung im Foreign Office verifiziert werden131 . Im Laufe der Verhandlungen bot der Reuters-Vertreter an, dass die Agentur Meldungen aus der Feder des Foreign Office unter strenger Geheimhaltung der Quelle an die auf den Dienst abonnierten Zeitungen übermitteln würde132 , dieser Punkt
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Zeitungsartikel und gelegentlich Berichte über Pressegesetze. Für die Zeit vor 1890 Foreign Office: Registers (Library Series) and Indexes of General Correspondence, TNA, FO 802, Bände 75–80 (Bavaria), 243–247 (Minor German States), 248–258 (Germany/Prussia), 675–678 (Würtemberg); für die Korrespondenz von 1891 bis 1906 Foreign Office: Indexes to General Correspondence, TNA, FO 804/7 (Bavaria and Würtemberg) und TNA, FO 804/23–24 (Germany). Im Nachlass Odo Russells etwa gibt es vereinzelte Briefe von Max Schlesinger und Heinrich Kruse, TNA, Amphtill Papers, FO 918; Guttmann traf einige Male mit Grey zusammen, Bernhard G, Schattenriss einer Generation, 1888–1919, Stuttgart 1950, S. 283f. Palmerston an Orme, London, 21.1.1848, TNA, FO 30/103, sowie Orme an Palmerston, Frankfurt a. M., 18.2.1848, 21.1.1848, TNA, FO 30/104. Die entsprechende Korrespondenz liegt in TNA, Foreign Office: Permanent Under Secretary’s Department: Correspondence and Papers. Use of Reuter’s press agency, TNA, HD 3/97. So die endgültige Vereinbarung laut Herbert Reuter an Sanderson, London, 26.7.1894, TNA, HD 3/97. Notiz Sandersons, 13.7.1894, TNA, HD 3/97.
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ist jedoch in den Vertragsunterlagen nicht festgehalten. Sanderson und seine Kollegen hatten starke Zweifel an dieser Form der Pressebeeinflussung. Sie erschien ihnen wenig erfolgversprechend, dafür aber umso riskanter, sollte die Verbindung aufgedeckt werden. Eine erregte Auslandspresse lasse sich kaum mit Fakten allein beruhigen, das habe die Erfahrung mit der deutschen Presse gezeigt: Die deutsche Empörung über britische Waffenexporte nach Frankreich während des Deutsch-Französischen Krieges sei durch eine britischoffiziöse Schrift zu den Fakten keineswegs gemildert worden133 . Sollte bekannt werden, dass einzelne Depeschen des Reuter’schen Dienstes aus dem Foreign Office stammten, würden sie einfach als semi-offiziell und unglaubwürdig eingestuft werden134 . Einzig ein verstärkter Informationsaustausch mit Reuters schien den Angehörigen des Foreign Office erstrebenswert, ein regelrechtes Propagandasystem (»a general scheme of patriotic propaganda«) lehnten die Beteiligten ab135 . Der Reuters-Vertreter sprach mehrfach bei Sanderson vor, und schließlich einigte man sich unter der Voraussetzung strengster Geheimhaltung doch noch auf einen Test für ein Jahr – nach der Auszahlung der ersten Quartalsrate bricht die Überlieferung aber ab136 . Obwohl schon zu Beginn der Zusammenarbeit starke Zweifel an ihrem Nutzen bestanden, wurde sie doch einige Jahre fortgeführt – wenn auch nicht ganz so intensiv, wie Reuters sie sich vorgestellt hatte137 . Offenbar wurde die Kooperation für wenig fruchtbar erachtet. Ein weiterer Grund für das Fehlen aktiver Beeinflussungsversuche auf die Presse des Auslands, die angesichts der deutlich anders gelagerten Praxis der deutschen, französischen und österreichischen Regierung erklärungsbedürftig erscheint, deutet sich in den oben erwähnten Presseberichten an. Reginald Tower kam in seinem Bericht nämlich zu dem Schluss: »[N]otwithstanding any official statements to the contrary, independence of thought – or at least of expression – is very far from being exercised by German journalists«138 . Diese Einschätzung war keineswegs neu, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch die General Correspondence der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, mit starker Verdichtung um 1906139 . Auch wenn die deutsche Presse gesetzlich relative Freiheit genoss, so wurde sie doch immer wieder als von der preußischen, badischen, bayerischen bzw. deutschen Regierung kontrolliert beschrieben. Dementsprechend wandten sich die Briten in den seltenen Fällen, in denen sie eine Korrektur der deutschen Berichterstattung wünschten, nicht an die 133 134 135 136 137 138 139
Notiz Sandersons, 6.7.1894, TNA, HD 3/97. Notiz Sandersons, 18.7.1894, TNA, HD 3/97. Notiz Kimberleys, 6.7.1894, TNA, HD 3/97. Sanderson an Reuter, London, 28.7.1894, TNA, HD 3/97. G, Pressekriege, S. 74f. Tower an Grey, München, 16.3.1906, Nr. 44 (Confidential Print), TNA, FO 371/166. So zum Beispiel auch Augustus Loftus an Palmerston, Baden, 12.9.1851, TNA, FO 82/68; Kommentar EAC, 20.1. auf Reginald Tower an Grey, München, 15.1.1906, TNA, FO 371/75.
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Redakteure oder Vertreter der betreffenden Zeitungen, sondern an den Außenminister. Als im Frühjahr 1855 ein Artikel in der »Neuen Preußischen Zeitung«, genannt »Kreuzzeitung«, erschien, der die neue Politik Englands gegenüber Frankreich scharf kritisierte und sich dabei auch »offensive and disrespectful to the Queen« zeigte, beschwerte sich der britische Botschafter in Berlin, John A. Bloomfield, beim preußischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten Otto von Manteuffel. Dieser versicherte, der König habe den Artikel gesehen und bereits Maßnahmen gegen den Redakteur des Blattes befohlen; allerdings sei die Presse weniger gefesselt, als Bloomfield denke, und Manteuffels Einfluss auf diese reiche nicht so weit, wie er das wünsche140 . Während Bloomfield auf einer Intervention gegen die »Kreuzzeitung« bestand und seiner Überzeugung Ausdruck verlieh, dass jedes Mittel gegen das Blatt ergriffen werden könne, das die Regierung nur wolle, betonte Manteuffel, er müsse sich an den gesetzlichen Rahmen halten, werde aber tun, was innerhalb dessen möglich sei141 . Das erschütterte nicht die Überzeugung des Foreign Office: »Baron Manteuffel says he has not sufficient power, but would not the power of the Prussian Gvt. be sufficient to prevent any Article offensive to Prussia?«142 Eine eigene, direkte Einwirkung auf den Redakteur der »Kreuzzeitung« zog Bloomfield gar nicht erst in Erwägung. Auch ein halbes Jahrhundert später war die Argumentation ähnlich: Als 1906 ein deutsch-englisches Komitee den Besuch einer Reihe von Redakteuren deutscher Blätter in London initiierte143 , um durch den direkten Austausch mehr Verständnis auf beiden Seiten anzuregen und so zu einer dauerhaften Befriedung der immer wiederkehrenden Pressekriege beizutragen, zeigte sich G. S. Spicer, Sekretär Hardinges und für seine anti-deutsche Linie bekannt144 , äußerst skeptisch, ob daraus positive Effekte auf die Beziehungen der beiden Länder zu erwarten seien: »If the German Press exercised the smallest influence on the German Gvt., it is possible that the visit of the German Journalists might have had some satisfactory results, but we know that the Press cannot possibly be regarded as ›free‹ & that it will continue to write precisely in the strain desired by the Gvt.«145 Nicht die Presse beeinflusse die deutsche Regierung, sondern umgekehrt beeinflusse die Regierung die Presse, so stellte das Eastern/African/ChinaDepartment fest. So ist es auch nur folgerichtig, dass das Foreign Office sich nach 1906 vermehrt mit der deutschen Presse befasste – nicht etwa aus intrinsischem Interesse, sondern weil es immer wieder von deutscher Seite mit Klagen über
140 141 142 143 144 145
Bloomfield an Earl of Clarendon, Berlin, 3.5.1855, TNA, FO 64/393. Ibid. sowie Bloomfield an Clarendon, Berlin, 11.5.1855 und Bloomfield an Clarendon, Berlin, 31.5.1855, TNA, FO 64/393. Clarendon an Bloomfield, London, 8.5.1855, TNA, FO 64/387. Zu den Journalistenreisen G, Pressekriege, S. 351–385. S, The Foreign Office, S. 102. Randnotiz Gerald S. Spicer auf Whitehead an Grey, Berlin, 4.7.1906, TNA, FO 371/78.
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die Berichterstattung der englischen Presse behelligt wurde. Als das Eastern/ African/China-Department anlässlich Botschafter Lascelles’ Meldung einer »campaign against British Foreign Policy« in der NZ den Vorschlag machte, ein eigenes Dossier über Ausfälle der deutschen Presse gegen England anzulegen, geschah dies in erster Linie, um damit bei nächster Gelegenheit auf deutsche Vorwürfe reagieren zu können: »I propose to make a special dossier of press articles of this kind, so that we may eventually have a ready retort if the German govt. again refers to the doings of our own press«146 . Dem konnte Edward Grey nur beipflichten: »By all means keep such a dossier. Count Metternich is always complaining of our Press«147 . Während die Berichterstattung deutscher Blätter im Foreign Office durchaus verfolgt wurde, schenkten dessen Mitarbeiter deutschen Journalisten, zumal Auslandskorrespondenten, kaum Beachtung. In den Akten finden sich nur an wenigen Stellen die Namen deutscher London-Korrespondenten: Im Sommer 1907 berichtete Lascelles über Hans Plehns Buch »Nach dem englischjapanischen Bündnis« und lobte ihn als einen Kenner und ebenso genauen wie unvoreingenommenen Beobachter der britischen Verhältnisse, was sich aus dessen im Vorwort erwähnten mehrjährigem Aufenthalt in England erkläre. Weder Lascelles noch die Mitarbeiter in Whitehall vermerkten in den Akten, dass Hans Plehn bereits seit drei Jahren als London-Korrespondent der Münchner »Allgemeinen Zeitung« arbeitete. Explizit als Korrespondent der FZ erwähnt wurde dagegen Bernhard Guttmann: Eyre Crowe legte im November 1910 ein Memorandum über die Verbindungen des Blattes mit dem deutschen auswärtigen Dienst an, in dem er nicht nur notierte, dass die deutschen Missionschefs angewiesen seien, den Kontakt zu den Korrespondenten der Zeitung zu pflegen, sondern auch, dass der Londoner Korrespondent der FZ Guttmann angewiesen sei, Botschafter Metternich zur Verfügung zu stehen148 . Er kündigte denn auch an, das Blatt und besonders seine Berichte aus London aufmerksam zu beobachten – für Guttmann dagegen interessierte er sich nicht weiter. Das spiegelt wiederum die im Foreign Office weit verbreitete Ansicht, dass über einen direkten Einfluss auf die Journalisten oder Zeitungen nichts zu erreichen sei, da diese in mehr oder minder ausgeprägtem Maße unter der (indirekten) Kontrolle der deutschen Regierung standen. Interessant waren sie deshalb vor allem in ihrer (vermuteten) Eigenschaft als deren Sprachrohr; das britische Foreign Office nutzte die deutschen Zeitungen – zumal jene, die für ihre Regierungsnähe bekannt waren – gewissermaßen als politische Wetterfahne149 . Eine Beeinflussung dieses Messinstruments erachteten die 146 147 148 149
Lascelles an Grey, Berlin, 20.4.1906, TNA, FO 371/77. Ibid. sowie die Kommentare des EAC und Greys auf dem Aktendeckel. Memorandum, Crowe, London, 19.11.1910, TNA, FO 371/907. So auch G, Die Zeitung, S. 840, ähnlich Daniel J. G, La découverte de la presse comme instrument diplomatique par la Consulta, in: Opinion publique et politique extérieure, hg. v. École française de Rome, Rom 1981, S. 491–527.
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verantwortlichen Stellen weder als praktikabel noch als erstrebenswert. Unter dieser Prämisse erübrigte sich der direkte Einfluss auf einzelne Journalisten bzw. Korrespondenten, wodurch das fehlende Interesse britischer Politiker an deutschen Korrespondenten zu erklären ist. Das hatte einerseits zur Folge, dass deutsche Auslandskorrespondenten aus London sehr frei berichten konnten, ohne persönliche Konsequenzen befürchten zu müssen, wenn ihre Berichterstattung das Foreign Office verärgerte. Andererseits waren sie auf informelle, persönliche Beziehungen zu britischen Politikern angewiesen, wenn sie mit diesen direkt ins Gespräch kommen wollten. Dass dies möglich war, zeigt das Beispiel Bernhard Guttmanns, der mit Edward Grey auf Basis ihrer liberalen politischen Haltung in Kontakt gekommen war. Für die meisten deutschen Korrespondenten dürfte die persönliche Bekanntschaft mit einem britischen Politiker nur schwer zu erlangen gewesen sein – besonders dann, wenn die jeweiligen politischen Haltungen voneinander abwichen. 1.3 Die französische auswärtige Pressepolitik Die Praxis der Pariser offiziellen Stellen wies gewisse Ähnlichkeiten sowohl zum österreichischen als auch – zumindest nach dem Ende des Second Empire – zum britischen Modell auf. Es existierten vor allem in der Dritten Republik dichte Verflechtungen informeller Natur zwischen Journalisten und Politikern, zugleich gab es aber auch institutionelle Strukturen, die die Beziehungen zwischen Regierung und Presse gestalteten. Wie in Österreich und Preußen bzw. dem Deutschen Reich existierten in Frankreich gleich mehrere staatliche Stellen, die mit der Überwachung der Presse betraut waren. Die älteste war das Pressebüro des Innenministeriums, das 1810 unter Napoléon Bonaparte eingerichtet wurde und von dem in dieser Zeit eine bemerkenswerte Auslandspropaganda ausgegangen war150 . Während in der Julimonarchie und der Zweiten Republik derartige Aktivitäten eher gering waren, befassten sich unter Louis Napoléon gleich vier Stellen mit der Überwachung und Beeinflussung der Presse: das kaiserliche Kabinett, die Kabinette des Staatsministers und des Außenministers sowie das Innenministerium151 . Louis Napoléon selbst, dem Radewahn eine gewisse Medienaffinität zuschreibt152 , umgab sich mit einer Entourage loyaler (französischer) Journalisten, die täglich instruiert wurden. Neben der Ehre dieser Sonderbehandlung sorgten auch Orden oder Titel für deren Kooperationsbereitschaft153 . Für die 150
151 152 153
Wilfried R, Die Pariser Presse und die deutsche Frage unter Berücksichtigung der französischen Pressepolitik im Zeitalter der Bismarck’schen Reichsgründung (1866– 1870/71), Frankfurt a. M., Bern 1977, S. 64, allgemein dazu Dennis A. T, The Napoleonic Press. The Public Sphere and Oppositionary Journalism, Lewiston, N.Y. 2002. R, Die Pariser Presse, S. 61–75. Ibid., S. 53. Ibid., S. 53–57.
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ausländische Presse waren aber vor allem die Einrichtungen im Innen- und Außenministerium von Bedeutung. Das kurz nach dem Staatsstreich vom 2. Dezember 1851 wiedergegründete Bureau de la presse154 war zunächst an das Ministère de la Police générale angegliedert; als dieses Ministerium im Sommer 1853 wieder abgeschafft wurde und die Police générale in die Zuständigkeit des Innenministeriums überging, wanderte das Bureau de la presse ebenfalls dorthin und wurde der Direction de l’imprimerie et de la presse zugeordnet155 . Von Anfang an hatte dieses Bureau nicht allein die Aufgabe, die französische Presse zu überwachen, sondern auch die des europäischen Auslands: »Le Bureau de la Presse a dans ses attributions la lecture, la direction, la surveillance des journaux quotidiens, [. . . ] de Paris; des Journaux de Départements, et des principaux organes de l’Allemagne, de l’Angleterre, de la Belgique, de la Suisse, en un mot de tout le continent«156 . Die Mitarbeiter seien nicht nur für die Beobachtung tausender europäischer und amerikanischer Zeitungen zuständig, sondern auch für die Überwachung von deren Korrespondenten in Paris sowie der autografischen Korrespondenzen. Auch in einem »Rapport sur la presse allemande«, der im Zuge der Restrukturierung der Abteilung 1859 entstand, wurde diese doppelte Aufgabe – »surveiller et inspirer« – betont157 . Gerade die aktive Beeinflussung sei schwierig, aber auch fruchtbarer als das bloße Beobachten der Zeitungen. Es gebe, so erläutert der Autor des Berichts, mehrere Wege der Inspiration ausländischer Blätter: Während früher die direkte Versorgung der Zeitungen mit Nachrichten durch das Bureau de la presse erfolgreich betrieben worden sei – das auf diese Weise die Funktion einer Nachrichtenagentur übernahm –, erreiche man auf diesem Wege derzeit nur noch sieben Blätter. Dagegen pflege man nun Beziehungen zu einigen »correspondants privés«, die gelegentlich im Büro empfangen und mit Nachrichten versorgt würden158 . Für eine wirksame Einflussnahme sei es aber nötig, diese Beziehungen zu intensivieren und »des rapports directs plus intimes du chef du bureau administratif avec les correspondants accrédités des principaux journaux étrangers« aufzubauen159 . Das Bureau de la presse müsse zu einer ständigen Informationsquelle für die anderen Ministerien ebenso wie für die in- und ausländische Presse werden 154
155
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157 158 159
Die Einrichtung wechselte mehrmals die Bezeichnung, der Nachvollziehbarkeit halber wird hier ausschließlich Bureau de la presse verwendet, wohingegen der entsprechende Dienst im Außenministerium als Bureau des communications bezeichnet wird. Dazu die Einleitung in Patrick L, Contrôle de la presse, de la librairie et du colportage sous le Second Empire, 1852–1870. Inventaires des articles F/18/265 à 293, 552 à 555, 566 à 571 et 2345, Paris 1995, S. XIVf. Direction de la presse, Konzept, Paris, 7.6.1852, AN, F/18/310. Das nicht vollendete Dokument sollte offensichtlich eine Aufstockung des Personals der Abteilung bezwecken und verwies darauf, dass das entsprechende Bureau 1813 60 Mitarbeiter allein in Paris, weitere in den Departements hatte. Rapport de la presse allemande, [1859], AN, F/18/310. Ibid. Ibid.
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und zu allen Fragen ein »mot d’ordre« ausgeben. Diese veränderte Gewichtung der Wege der Einflussnahme auf die ausländische Presse spiegelt die sich wandelnden Bedingungen der Auslandsberichterstattung, die von immer mehr Zeitungen in die Hände eigener Korrespondenten gelegt wurde160 . Es ist nicht nachzuvollziehen, inwieweit die Forderung nach intensiveren persönlichen Kontakten zu ausländischen Journalisten umgesetzt wurde. Die meisten Mitarbeiter der Auslandspresseabteilung waren Übersetzer, die mit der Durchsicht der Blätter und dem Erstellen der Presseschau befasst waren. Ob die Kontaktpflege mit den Pariser Auslandskorrespondenten tatsächlich zu den Aufgaben des chef de bureau gehörte und wie diese gegebenenfalls gestaltet wurde, ist kaum belegt. Aus den überlieferten Akten der Archives nationales lässt sie sich nur bruchstückhaft rekonstruieren. Im Bestand »Imprimerie, librairie, presse« befindet sich ein Karton mit Dossiers über deutsche Zeitungen, die teilweise nichts als die Titeldaten enthalten. Die umfangreicheren Akten entstanden im Zuge des Briefwechsels mit den Herausgebern oder Redakteuren von Zeitungen, die die Erlaubnis für den Vertrieb in Frankreich erwirken wollten – das französische Pressegesetz sah bis 1881 vor161 , dass ausländische Zeitungen nur nach vorheriger Autorisierung in Frankreich vertrieben werden durften, eine Beschlagnahme war jederzeit möglich. Informationen über die Pariser Korrespondenten der Blätter enthalten diese Dossiers kaum162 . Nur in dem der VZ wurde Hans Wachenhusen, der später als Kriegskorrespondent eine gewisse Bekanntheit erlangte, als Autor jener Pariser Briefe vermerkt, die das Verbot des Blattes in Frankreich nach sich zogen. Außer seiner Adresse existieren dort keine weiteren Informationen über ihn; ob er überwacht wurde oder ob die französischen Behörden mit ihm in Kontakt standen, ist nicht erkennbar163 . Der zweite Korrespondent, der in diesen Akten Spuren hinterlassen hat, ist ein gewisser Dr. Budde vom BT, nach dem »Figaro« der Nachfolger »du fameux Levysohn« und der Mittelsmann zwischen dem BT und verschiedenen Botschaften164 . Wenigstens einige Korrespondenten waren dem Bureau de la presse also durchaus bekannt, für die Ahndung unerwünschter Berichterstattung wurden jedoch nicht sie herangezogen, sondern die Zeitungen selbst. Wurde deren Berichterstattung zu kritisch gegenüber Frankreich oder seinem Kaiser, wurde ihnen der französische Absatzmarkt per Verbot entzogen und die Wiederzulassung für unbestimmte Zeit verweigert. Auch die dossiers personnels, die das Pressebüro des Innenministeriums über französische und ausländische Journalisten zusammentrug, erwiesen 160 161
162 163 164
Aktennotiz, Paris 7.12.1859, AN, F/18/310. Patrick L, Contrôle de la presse étrangère. Dossiers des journaux introduits en France 1850–1887. Inventaires des articles F/18/543 à 550, Paris 1995; auch Décret organique sur la presse du 17 février 1852: Art. 2, sowie Loi sur la liberté de la presse du 29 juillet 1881, Art. 14, abgedruckt ibid. Imprimerie, librairie, presse, censure: presse étrangère: Allemagne, AN, F/18/543. Notiz, Paris 19.5.1855, AN, F/18/543. Ausschnitt aus dem Figaro, 17.4.1878, im Dossier des BT, AN, F/18/543.
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II. Rahmungen
sich insgesamt als wenig aussagekräftig165 . Viele der Dossiers bestehen aus nur einem Blatt, das nichts als den Namen und die Zeitung des Korrespondenten enthält. Allerdings finden sich auch einige umfangreichere Akten, die gewisse Einblicke in die Arbeit des Bureau de la presse zulassen. Darunter sind jedoch nur wenige Dossiers über Korrespondenten deutscher Blätter in Paris. Laharie weist darauf hin, dass selbst einige der wichtigeren französischen Journalisten in diesem Bestand nicht verzeichnet sind, was möglicherweise ein Indiz dafür ist, dass nicht alle Dossiers überliefert wurden166 . Die dossiers personnels wurden seit 1852 systematisch angelegt, allerdings waren die enthaltenen Informationen oft dürftig: Über Felix Bamberg, der später Bismarcks Presseagent in Paris wurde167 , findet sich nichts als die Bemerkung, er sei der Korrespondent der »Deutschen Allgemeinen Zeitung« (Leipzig) und habe einen hitzköpfigen, unbeständigen Charakter168 . In der Akte des Korrespondenten der AZ Eckstein fand sich immerhin noch die Bemerkung »trés hostile au Président«, doch auch dieses Dossier erschöpft sich in einem einzigen Blatt169 . Eine Dokumentation feindseliger Korrespondenzen, Briefe an oder über Eckstein oder Polizeiberichte, kurz: alles, was bei einer umfangreichen Überwachung anfallen würde, fehlt in diesem Dossier – ob es nie existiert hat oder später kassiert wurde, kann nicht geklärt werden. Einige wenige Dossiers geben aber doch einen Einblick in die Praxis des Bureau de la presse: Die Akten über Johann August Moritz Brühl, der von Wien aus unter anderem für die AZ, das »Dresdner Journal« und andere Blätter korrespondierte, verraten, dass dieser seine Kontakte zu deutschen und österreichischen Zeitungen für eine Zusammenarbeit mit dem Pariser Bureau de la presse nutzte, was ihm neben exklusiven Informationen auch einen Nebenverdienst von rund 500 Franc monatlich einbrachte170 . Da die meisten der Briefe undatiert sind, lässt sich die Dauer der Zusammenarbeit nicht rekonstruieren; möglicherweise begann sie bereits in der Zeit des Krimkrieges, wahrscheinlich jedoch erst 1868. Im September dieses Jahres bot sich Brühl dem französischen Innenminister als Vermittler zwischen der französischen Regierung und der deutschsprachigen Presse an: Um einen dauerhaften Einfluss auf die Presse zu erlangen, gelte es, jeden offiziellen Beigeschmack zu vermeiden; unter dieser Bedingung könne er den französischen Standpunkt in seine regelmäßigen Korrespondenzen an die AZ, die KöZ, die »Breslauer Zeitung«, die Bremer »Weser-Zeitung« und andere Blätter einfließen lassen. Wo es sich nicht um Fakten, sondern um »raisonnements« handle, müsse das Thema entsprechend geschickt gewählt werden. 165 166 167 168 169 170
AN, F/18/266 bis F/18/293: Affaires individuelles traitées par le Bureau de la presse et la Direction de la librairie: classement alphabétique des correspondants. 1851–1882. L, Contrôle de la presse, de la librairie, S. XIVf. Hierzu N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, sowie PA AA, RZ 201, Frankreich 51, R 6161. Dossier Bamberg, AN, F/18/268. Dossier Eckstein, AN, F/18/274. Dossier Brühl, AN, F/18/268.
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Zentral für den Erfolg sei jedoch, dass er umfangreich und kontinuierlich informiert werde171 . Nach einem persönlichen Treffen mit dem Chef des Bureau de la presse, Aylic Langlé, war die Sache offenbar abgemacht. Um die Zusammenarbeit zu verschleiern, bezog Brühl die monatlichen Zahlungen über die Londoner Niederlassung des Bankiers Julius Mosenthal; bei seinen Arbeiten orientierte sich der in Wien lebende Brühl am offiziellen »Moniteur«, nur manchmal erhielt er auch direkte Instruktionen172 . Die Zeitungsausschnitte, die er als Belege an das Bureau de la presse sandte, sind aus Paris datiert – ein Nachweis dafür, dass »unechte« Korrespondenzen, die gar nicht auf eigenem Augenschein des Journalisten beruhten, für viele Zeitungen unproblematisch waren173 . Moritz Brühl wurde nicht nur von der französischen Regierung für publizistische Zwecke eingesetzt, auch die österreichische Preßleitung schätzte seine »ausgebreiteten publizistischen Beziehungen, die ihm in der deutschen & namentl. auch französischen Presse zu Gebote stehen, und welche sich auch auf den Kreis des K. franz. Ministeriums des Äussern erstrecken«174 . Brühl scheint gewissermaßen ein Offiziöser von Profession gewesen zu sein, denn er durfte die Publizistenbrust mit Orden aus Brasilien, Russland, Dänemark und Griechenland schmücken175 . Mit Leopold Haefner, der 1848 die Zeitung »Constitution« in Wien gegründet hatte und als politischer Flüchtling nach Paris gelangte, stand auch ein echter Pariser Auslandskorrespondent auf den Gehaltslisten des Bureau de la presse. Haefner war langjähriger Korrespondent der AZ und offenbar schon längere Zeit für das Bureau de la presse tätig. Im März 1859 benachrichtigte Haefner das Bureau von seinem Bruch mit der AZ, weil die Redaktion seine Korrespondenzen nach eigenem Gutdünken verändert und mit »Riesendummheiten« (»énormités«) ergänzt habe176 . Dennoch sei er mit dem Blatt so weit übereingekommen, dass er seinen Nachfolger mitbestimmen könne. Er garantiere, dass dies eine Persönlichkeit sein werde, die dem Direktor des Bureau de la presse genehm sein werde. Der Redakteur der AZ, Hermann Orges, ging dagegen davon aus, dass sein Mitarbeiter ausgewiesen wurde177 . In den Akten des Bureau de la presse ist darüber nichts vermerkt, spätestens Anfang 1860 stand Haefner wieder in dessen Diensten – er schrieb nun allerdings für den 171 172 173
174 175 176 177
Brühl an Ministre de l’Intérieur, Wien, 8.9.1868, AN, F/18/268. Dossier Brühl, AN, F/18/268. Siehe etwa auch Fontanes Praxis, von Berlin aus Londoner Korrespondenzen zu schreiben, Kap. II.1.5 u. III.1, dagegen aber die zunehmende Ablehnung dieses Vorgehens nach 1900, Kap. III.2.5, Anm. 571. Empfehlungsschreiben für Brühl, Falke an Metternich (Botschaft Paris), Wien, 29.4.1869, AT-OeStA/HHStA PL 15. [. V.], Kleine Chronik, in: Neue Freie Presse, 20.7.1871, Abendblatt; [. V.], Wien, 16. Mai, in: Localanzeiger der »Presse«, 17.5.1874. Häfner an den Directeur des Bureau de la presse, Paris, 17.3.1859, AN, F/18/277. Orges an Cotta, Augsburg, 3.4.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges; auch [. V.], Von der französischen Gränze, in: AZ, 20.3.1859, S. 1272.
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Berner »Bund«. Doch auch die Zusammenarbeit mit der AZ wurde spätestens seit 1863 wieder fortgesetzt178 . Haefner lieh der französischen Regierung seine Feder offenbar nicht aus politischer Überzeugung, denn auch in den ersten Jahren der Republik galt er als offiziöser Korrespondent179 . Brühl und Haefner waren wahrscheinlich nicht die einzigen Journalisten, die für deutsche Zeitungen und die französische Regierung zugleich arbeiteten. Auch wenn sich ihre Einordnung durch die Aktenlage ausgesprochen schwierig gestaltet, deutet doch alles darauf hin, dass die französische Regierung deutsche Korrespondenten nicht im selben Umfang wie die österreichische Regierung zu »inspirieren« versuchte. Allerdings konnten enge Verbindungen der Korrespondenten zu den französischen Ministerien vor den Zeitungen offenbar nicht als Qualitätsmerkmal vertreten werden, wie dies bei einigen Wiener Korrespondenten der Fall war, sondern mussten vielmehr vor den eigentlichen Arbeitgebern der Journalisten verheimlicht werden. Der Schwerpunkt der Behörden wiederum lag auf der Beeinflussung und Überwachung der französischen, besonders der Pariser Presse. Das Bureau de la presse wurde Ende September 1870 unter Léon Gambetta abgeschafft und durch das Bureau de la publicité ersetzt, das zwar weiterhin für die Beobachtung und Dokumentation der in- und ausländischen Presse zuständig war, nicht aber für den Kontakt zu Journalisten und deren Beeinflussung180 . Bis zum Ersten Weltkrieg wurde dem Innenministerium dennoch wiederholt die Bestechung der (in erster Linie französischen) Presse aus Geheimfonds vorgeworfen181 . Die engen Verflechtungen zwischen Politikern und Journalisten der Dritten Republik dürften sich weitgehend auf die französische Presse beschränkt haben182 . Die für die Presse zuständigen Strukturen im Außenministerium lassen sich nur schwer rekonstruieren. Laut Radewahn existierte dort seit 1866 eine Presseabteilung183 , und auch Baillou datiert die Einrichtung eines Bureau pour la presse étrangère auf die Amtszeit von Außenminister Édouard Drouyn de
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Siehe die entsprechenden Abrechnungen ab November 1863, DLA, Cotta: Honorarbuch der Allgemeinen Zeitung, 1864–1871. Notiz, Paris, April 1874, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14 Bd. 6, R 5. L, Contrôle de la presse, de la librairie, S. XIVf. Etwa Pierre A, La presse française de 1871 à 1940, in: Claude B u. a. (Hg.), Histoire générale de la presse française, Bd. 3: De 1871 à 1940, Paris 1972, S. 135–622, hier S. 249–257. Christian D, Les journalistes en France (1880–1950). Naissance et construction d’une profession, Paris 1999, S. 149–157, erwähnt weder ausländische Zeitungen noch ausländische Journalisten. Ebenso Jochen G, Jules Ferry und die Presse von Paris, in: Franz Q, Wilfried S (Hg.), Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik. Festschrift für Eberhard Naujoks zum 65. Geburtstag, Sigmaringen 1980, S. 405–412; M, Médias et journalistes, S. 140–157. R, Die Pariser Presse, S. 62.
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Lhuys (1852–1855 sowie 1862–1866)184 . Ob es sich dabei tatsächlich um eine eigene (Unter-)Abteilung handelte, ist fraglich, denn es sind keinerlei Akten überliefert. Unter Drouyn de Lhuys wurden offenbar Artikel für die Presse des Auslands verfasst, in die entsprechende Sprache übersetzt und über die Botschaften, Legationen oder auch direkt an bestimmte Zeitungen gesandt – eindeutige Belege für diese aktive Pressepolitik gibt es jedoch nicht185 . In der »Correspondance politique«, jener Aktenserie, die die Korrespondenz der diplomatischen Vertreter im Ausland mit dem Pariser Außenministerium umfasst, wurde die Presse lange Zeit eher beiläufig behandelt. Gelegentlich wurden die Zeitungen als Informationsquelle über Ereignisse oder die Haltungen der »opinion publique« in den deutschen Staaten herangezogen, meistens diente ihre Lektüre als Barometer für die Haltung der Regierung oder jener Partei, als deren Organ das jeweilige Blatt identifiziert wurde. So galt etwa die Frankfurter »Postzeitung« als »journal ministériel«, die FZ als »journal du parti autrichien«186 , die »Münchner Zeitung« als Organ der bayerischen Regierung, und auch über die »régions où s’inspire et se rédige la Nouvelle Gazette de Prusse [Neue Preußische Zeitung]« bestand kein Zweifel187 . Aus diesem Grunde interessierte sich das französische Außenministerium auch kaum für die Pariser Korrespondenten oder die konkreten Verfasser einzelner Artikel. Als etwa die AZ im April 1855 einen Louis Napoléon beleidigenden Artikel druckte, wandte sich der Gesandte in München, Eugène de Méneval, direkt an den bayerischen Innenminister. Méneval kam zu dem Schluss, dass nicht die eventuelle Bestrafung eines Journalisten das geeignete Mittel sei, Satisfaktion zu erlangen, sondern ein offizielles Dementi der bayerischen Regierung in der »Münchner Zeitung«: Weil die Presse in Bayern frei sei und selbst die dortige Regierung ihre Attacken erdulden müsse, wäre der Ausgang eines Prozesses zu ungewiss und könnte den Kaiser der Franzosen zusätzlich kompromittieren188 . Nach der Gründung des Bureau pour la presse étrangère wurde die Beobachtung der Presse durch die französischen Gesandten und Botschafter in den deutschen Staaten intensiver betrieben. Während die Presse in den diplomatischen Berichten bis in die 1860er Jahre hinein nur wenig Raum einnahmen, gelangten nun immer häufiger Depeschen ins Außenministerium, die aus-
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Jean B (Hg.), Les affaires étrangères et le corps diplomatique français. 1870–1980, Paris 1984, S. 344f. Ibid.; D. (Hg.), Les affaires étrangères et le corps diplomatique français. De l’Ancien Régime au Second Empire, Paris 1984, S. 770. Auguste de Tallenay an Drouyn de Lhuys, Frankfurt, 19.2.1849, FR-MAE AD, 2CP Allemagne/807. Gemeint ist hier nicht die Zeitung gleichen Titels von Leopold Sonnemann, sondern das von der Nationalversammlung 1848–1849 herausgegebene Blatt. Edgar de Ségur an Drouyn de Lhuys, München, 13.9.1852, FR-MAE AD, CP Bavière/230– 231. Eugène de Méneval an Drouyn de Lhuys, München, 21.4.1855, FR-MAE AD, CP Bavière/232–233.
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II. Rahmungen
schließlich mit der Presse befasst waren und dies schon im Betreff anzeigten189 . Dies war nicht allein dem persönlichen Stil des Botschafters geschuldet, sondern auch Ausdruck einer Systematisierung der Pressebeobachtung. Im Oktober 1865 hatten die französischen Vertreter in Berlin und München dem damaligen Außenminister Drouyn de Lhuys einen Bericht über die preußische bzw. bayerische Pressegesetzgebung übersandt. Im September 1867 forderte sein Nachfolger Léonel de Moustier von seinen Diplomaten in den deutschen Staaten erneut einen ausführlichen Bericht über Geschichte, Gesetzgebung und politische Bedeutung der Presse. Jérôme de Cadore, Gesandter in München, hielt als Fazit seines 26-seitigen Berichts fest, dass die bayerische Presse zwar frei sei, aber weitgehend ohne politischen Einfluss. Anders als in Frankreich bleibe der einzelne Journalist im Schatten und würde meist ignoriert, habe einen untergeordneten gesellschaftlichen Rang und beziehe nur ein geringes Honorar. Seine Rolle sei die eines Lehrers, nicht die eines Parteichefs wie in Frankreich190 . Vor dem Hintergrund dieser Einschätzung ist es nachvollziehbar, dass sich die französischen Behörden um die deutschen Auslandskorrespondenten in Paris meist wenig kümmerten. Während Cadore überhaupt keine Korrespondenten erwähnt, obwohl die in seinem Zuständigkeitsbereich gedruckte AZ zu diesem Zeitpunkt unter den deutschen Blättern das ausgedehnteste Korrespondentennetz und mehrere Vertreter in Paris besaß, erwähnte der Legationssekretär in Berlin Lefèbvre, dass die KöZ eines der wenigen Blätter sei, das in Paris eigene Korrespondenten unterhalte. Er beschränkte sich jedoch auf die Bemerkung, dass diese allgemein als ehrenhaft und maßvoll gälten und sicher seien vor jenen Einflüssen, welche allzu oft auf die ausländische Presse ausgeübt würden191 . Auf welche Einflüsse Lefèbvre anspielte, wird nicht ganz klar. Vielleicht waren ihm die Verbindung der KöZ zum Berliner Auswärtigen Amt nicht bekannt, vielleicht meinte er aber auch, dass die Korrespondenten für französischen Einfluss nicht zugänglich seien. Sein Bericht enthält keine Informationen, die geeignet wären, eine Verbindung mit den Korrespondenten der KöZ anzubahnen. Im Allgemeinen seien die deutschen »journalistes de profession« sehr auf ihre »réputation d’indépendance et de désinteressement« bedacht und könnten Ehrentitel oder Dekorationen nicht annehmen, ohne sich zu kompromittieren – angesichts der oft geübten Praxis, Journalisten durch Ehrungen für eine bestimmte Haltung zu gewinnen, dürfte dieser Hinweis durchaus einen praktischen Wert für die französischen Pressebüros besessen haben192 . Neben diesen meist ehrenhaften Journalisten existierten aber auch solche, die laut Lefèbvre nicht nur von ihren Zeitungen, sondern auch von den beiden Pressebüros im preußischen Innen- und Außen189 190 191 192
Etwa Vincent de Benedetti an Léonel de Moustier, Berlin, 16.4.1867, FR-MAE AD, CP Prusse/363 oder Benedetti an Moustier, Berlin, 14.5.1867, FR-MAE AD, CP Prusse/364. Jérôme de Cadore an Moustier, München, 7.10.1867, FR-MAE AD, CP Bavière/243. Édouard Alphonse de Lefébvre an Moustier, Berlin, 7.10.1867, FR-MAE AD, CP Prusse/366. Lefébvre an Moustier, Berlin, 7.10.1867, FR-MAE AD, CP Prusse/366.
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ministerium bezahlt würden, woraus ein beträchtlicher Einfluss der Regierung auf die deutschen Zeitungen erwachse. Aus diesem Grunde, so Lefèbvre, verdienten die Polemiken in der preußischen Presse auch die Aufmerksamkeit des französischen Außenministeriums. Diese Beobachtung unterstreicht eine der Prämissen der französischen auswärtigen Pressepolitik, deren Akteure davon ausgingen, dass die meisten Zeitungen als Sprachrohre der Regierung oder auch einzelner Ministerien oder Staatsmänner fungierten; dies erklärt weitgehend das Desinteresse an deutschen Auslandskorrespondenten in Paris. Seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 ruhten die Aktivitäten des Pressebüros des Außenministeriums. Erst 1879 oder 1880 wurde dort wieder ein »Bureau de presse« eingerichtet, das später in »Bureau des communications« umbenannt wurde193 . Von dieser Einrichtung ist jedoch kein eigener Bestand überliefert, auch der Presse gewidmete Aktenserien – wie diese sich etwa im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Berlin finden – wurden im Ministère des Affaires étrangères nicht gebildet. Einzig in der Serie »Affaires divers politiques« finden sich einzelne Dossiers über Presse oder Journalisten. Deren Gehalt an relevanten Informationen ist jedoch sehr gering, und so bleibt nur der große Steinbruch der »Correspondance politique«, in dem man meist nur auf bruchstückhafte Informationen stößt: Die Presse wurde regelmäßig in den Depeschen der französischen Diplomaten erwähnt, meist jedoch in ihrer Funktion als Quelle für Informationen oder um den Haltungen und Plänen der deutschen Regierung oder der verschiedenen Parteien auf die Spur zu kommen. Einzelne Journalisten oder gar deutsche Auslandskorrespondenten in Paris wurden auch in der Dritten Republik nur äußerst selten zum Gegenstand dieser Depeschen. Generell wurde jedoch immer häufiger über die deutsche Presse berichtet; die Reform der Presseabteilung und die Einrichtung des Bureau des communications ist ein deutliches Indiz für ihre wachsende Relevanz und die weitere Systematisierung ihrer Beobachtung. Ein regelmäßiges »Résumé de la presse étrangère« etwa wurde spätestens seit 1885 erstellt194 , allerdings existieren keine Übersichten über die deutsche Presse und ihr Personal (mehr). Aus den Akten der Archives diplomatiques lässt sich also ein steigendes Interesse an der deutschen Presse ablesen, direkte Kontakte deutscher Journalisten zum französischen Außenministerium sind jedoch nicht nachzuweisen. Allerdings sind einige Vorgänge dokumentiert, die Schlaglichter auf die Haltung des Ministère des Affaires étrangères gegenüber den Pariser Auslandskorrespondenten und seinen Einfluss auf die Arbeitspraxis der Journalisten werfen. Dabei ist eine der Schlüsselfragen die nach dem Umgang der französischen 193
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H, L, The Practice of Diplomacy, S. 131, die das Gründungsjahr 1879 nennen, 1880 dagegen bei K, Frankreichs republikanische Großmachtpolitik, S. 283– 284. Die Presseabteilung hieß zunächst Bureau de presse, erst 1907 wurde sie als Bureau des communications bezeichnet. Um Verwechslungen mit dem Bureau des Innenministeriums zu vermeiden, wird im Text ausschließlich der spätere Name verwendet. Die résumés wurden auf speziellen Vordrucken angefertigt, FR-MAE AD, 3ADP/29.
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II. Rahmungen
Behörden mit missliebigen Zeitungsberichten. Die diplomatischen Depeschen verraten darüber im Allgemeinen nicht besonders viel. Zwar wurden »feindselige« Artikel immer wieder eingesandt und besonders hervorgehoben, allein welche Konsequenzen man im Ministerium daraus zog, ist nur in Ausnahmen ersichtlich. Das Verbot ausländischer Zeitungen, das seit 1881 nur noch sehr eingeschränkt möglich war, spielte in den diplomatischen Akten ohnehin keine Rolle. Eine andere Möglichkeit der Sanktion war die Beschwerde über die entsprechende Zeitung beim Auswärtigen Amt oder der deutschen Botschaft in Paris; Belege für dieses Vorgehen sind jedoch rar195 . Die dritte Sanktionsmöglichkeit bestand in der Maßregelung des Pariser Korrespondenten der betreffenden Zeitung bis hin zu dessen Ausweisung. So wurde etwa der Pariser Korrespondent Arthur Levysohn 1872 aus Paris ausgewiesen196 , eine entsprechende Korrespondenz zu diesem Fall sucht man jedoch vergebens. Lediglich zwei Ausweisungen im Umkreis des PanamaSkandals hinterließen einen Niederschlag in den Akten: die von Ernst Leopold von Wedel und von Otto Brandes. Diese beiden Fälle beschäftigten nicht allein das Ministère des Affaires étrangères, den französischen Botschafter in Berlin und den deutschen Botschafter in Paris, sondern auch das Ministère de l’Intérieur und den internationalen Journalismus. Die beiden Ausweisungsfälle bieten damit einen guten Einblick in den Kontext, in dem sich die deutschen Korrespondenten in Paris bewegten und der ihre Arbeit mitgestaltete, daher werden sie hier ausführlicher dargestellt. 1.4 Fegefeuer im Paradies: der Panama-Skandal und die Auslandskorrespondenten in Paris Der Panama-Skandal war einer der großen Skandale, die die französische Republik gegen Ende des 19. Jahrhunderts erschütterten. Er wurde nicht nur zum »Musterbild des Korruptionsskandals«197 , sondern evozierte auch in der Behandlung der ausländischen Pressevertreter durch die französischen Behörden einen Präzedenzfall: Erstmals seit dem Bestehen der Dritten Republik 195
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Eines der wenigen Beispiele ist die Beschwerde Herbettes beim Unterstaatssekretär des Äußern Wolfram von Rotenhan über die gegenüber Frankreich feindselige Berichterstattung des HC, den er als Organ von Reichskanzler Leo von Caprivi ansah. Rotenhan entgegnete darauf, das Kanzleramt habe keine Kontrolle über das Blatt: Herbette an Hanotaux, Berlin, 3.7.1894, FR-MAE AD, 1871–1896, 3CP Allemagne 1871–1896/119. So ein Bericht der Wiener Preßleitung an Innenminister Josef Lasser von Zollheim, der die Ausweisung Levysohns aus Österreich vorbereitete, Wien, 29.4.1875, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 7. Levysohn hatte während des Kriegs 1870/71 den preußisch-offiziösen »Moniteur officiel du département de Seine-et-Oise« herausgegeben. Jens Ivo E, Panama in Deutschland. Der Panama-Skandal in der deutschen Presse 1892/1893, in: Andreas G, Dietmar H, Sabine R-S (Hg.), Skandale zwischen Moderne und Postmoderne. Interdisziplinäre Perspektiven auf Formen gesellschaftlicher Transgression, Berlin, Boston 2014, S. 107–123, hier S. 108.
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und der Einführung des Gesetzes über die Pressefreiheit198 , das eines der liberalsten in ganz Europa war, wurden Pariser Korrespondenten ausländischer Zeitungen aufgrund ihrer Berichterstattung aus Frankreich ausgewiesen. Bis dahin, so zitierte der Pariser Korrespondent des BT Otto Brandes die »Cocarde«, hätten autoritär regierende Staatsmänner wie Otto von Bismarck und Francesco Crispi das »Monopol« auf die Ausweisung von Journalisten als Instrument der Pressepolitik innegehabt199 . Frankreich dagegen galt bislang als das »paradis des correspondants étrangers«200 . Der Skandal verwandelte Frankreich nicht nur für weite Teile der französischen Elite aus Wirtschaft und Politik in ein »purgatoire«201 , sondern auch für einige Auslandskorrespondenten. Er wurzelte in dem ehrgeizigen Projekt des Baus des Panamakanals, der eine Verbindung zwischen Atlantik und Pazifik schaffen sollte202 . Ferdinand de Lesseps, der schon den Suezkanal erfolgreich umgesetzt hatte, projektierte die Finanzierung des Mammutprojekts mit Hilfe einer Aktiengesellschaft, der Compagnie universelle du canal interocéanique de Panama. Nachdem die erste Aktienemission (1879) aufgrund äußerst kritischer Presseberichte grandios gescheitert war, setzten die PR-Agenten der Compagnie durch die Verteilung von Bestechungsgeldern eine aggressive Pressekampagne in Gang, dank derer die nötigen finanziellen Mittel eingeworben werden konnten. Von Anfang an war die Geschichte des Kanalbaus jedoch eine Geschichte des Scheiterns, schon zwei Jahre nach Beginn der Bauarbeiten war die Gesellschaft pleite; nach einigen weiteren Aktienemissionen sah Lesseps die einzige Rettung in einer Losemission, die jedoch der Genehmigung der französischen Regierung bedurfte. Um diese zu erlangen, bestach die Compagnie in den folgenden Jahren zahlreiche Politiker, so dass das entsprechende Gesetz im Sommer 1888 tatsächlich die Chambre des députés sowie den Sénat passierte, obwohl das Projekt offensichtlich unwirtschaftlich war. Kurze Zeit nach der Ausgabe von Losen im Wert von zwei Millionen Franc musste die Compagnie Konkurs anmelden, tausende Anleger verloren ihre Ersparnisse. Eine erste Untersuchung ließ die Chambre des députés im Sande verlaufen. Den eigentlichen Skandal trat das rechte Blatt »La Libre Parole« im November 1892 mit einer Artikelserie los, in der es die Bestechungspraxis der Compagnie und die 198 199 200
201 202
Loi sur la liberté de la presse du 29 juillet 1881, abgedruckt in L, Contrôle de la presse étrangère. [. V.], Die Journalisten-Ausweisungen aus Paris, in: BT, 17.1.1893. So der Vorsitzende der APE Clifford Millage, zitiert in [. V.], Nouvelles du jour, in: Le Temps, 27.3.1893, S. 2. Dazu trug sicher auch das weitgehende Entgegenkommen der Behörden bei der Platzvergabe für die Pressetribünen des Parlaments bei, siehe Kap. II.2.1. [. V.], Nouvelles du jour. Zum Bau des Panamakanals z. B. David MC, The Path Between the Seas. The Creation of the Panama Canal 1870–1914, New York 1977; Pierre-Alexandre B, L’affaire Panama. Les faits, les protagonistes, l’enquête, le procès, les rebondissements et les nouvelles hypothèses, Paris 2 2006; Jean-Yves M, Le scandale de Panama, Paris 1991.
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II. Rahmungen
Korruption zahlreicher französischer Parlamentarier und Minister enthüllte. Eine parlamentarische Untersuchung der Bestechungsaffäre sowie eine Serie von Strafprozessen gegen die Beteiligten wurde eingeleitet – der Tod eines der Hauptakteure, Jacques de Reinach, die Flucht des zweiten, Cornélius Herz, der Ausschluss der Öffentlichkeit vom Verfahren und das Zurückhalten von Informationen durch die Verantwortlichen boten der Presse jedoch weiterhin breiten Raum für Spekulationen203 . Besonders die Tatsache, dass auf einer Liste mit den Namen der Bestochenen ein Eintrag geschwärzt worden war, bevor man sie der Untersuchungskommission übergeben hatte, sorgte für Aufruhr. Von November 1892 bis März 1893 spekulierte die europäische Öffentlichkeit über die nie geklärte Identität »des famosen X., des unbekannten HalbmillionCheckempfängers«204 . »Die erste Beschäftigung des Parisers des Morgens ist es in den Blättern zu sehen, ob Andrieux nicht irgendeine neue Enthüllung gemacht hat«, und abends, so das BT weiter, sei es die letzte205 . Auch die Pariser Korrespondenten der europäischen Zeitungen nahmen regen Anteil an der Berichterstattung über den Panama-Prozess wie an den Spekulationen über die Identität der Bestochenen. Und als in Frankreich das Gerücht kursierte, hinter dem X. verberge sich der in Paris akkreditierte Gesandte eines anderen Staates, griffen dies auch etliche ausländische Zeitungen auf. Während die französischen Zeitungen als Reaktion auf derartige Spekulationen und Verdächtigungen nichts weiter zu befürchten hatten als ein Dementi, wurde die Wiedergabe der Gerüchte um die angeblich bestochenen Gesandten einigen Auslandskorrespondenten zum Verhängnis: Richard Alt, Korrespondent italienischer Zeitungen, Samuel Szekely, der für den Budapester »Hirlap« schrieb, und Ernst Leopold von Wedel, Berichterstatter des »Berliner Lokal-Anzeigers« und anderer deutscher Blätter, wurden aus Frankreich ausgewiesen. Anders als etwa die »Daily News« beschränkten sie sich nicht auf die vage Angabe, dass die Gerüchte ein Mitglied des diplomatischen Corps der Bestechlichkeit bezichtigten206 , sondern benannten konkret den russischen Botschafter Arthur von Mohrenheim sowie den früheren italienischen Botschafter Luigi Federico Menabrea, woraufhin der französische Innenminister Alexandre Ribot ihre Ausweisung mit der Begründung der Beleidigung und Verleumdung in Frankreich akkreditierter Vertreter ausländischer Mächte erließ. Welche Debatten den Ausweisungen im Innenministerium vorausgegangen waren und ob es einen Austausch mit dem Außenministerium gab, lässt sich in den Quellen nicht nachvollziehen. Für das Außenministerium scheint die
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204 205 206
Zum Panama-Skandal z. B. ibid.; B, L’affaire Panama, in knapper Form E, Panama in Deutschland, S. 107–123; eine zeitgenössische Zusammenfassung bietet Paul L, Der Panama-Skandal, in: Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens 1 (1893), S. 396–405. Zitat [. V.], Wer ist Andrieux?, in: BT, 28.1.1893. Ibid. [. V.], The Panama Scandal, in: Daily News, 7.1.1893.
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einzige Brisanz darin bestanden zu haben, dass Ernst von Wedel der Cousin des preußischen Ministers des Königlichen Hauses Wilhelm von Wedel war und man daher eine Verstimmung offizieller Stellen befürchtete. Botschafter Jules Herbette versicherte jedoch, der Hausminister sei ihm auf einem Empfang mit der gewohnten Liebenswürdigkeit begegnet, ferner habe kein Regierungsmitglied die Ausweisung des preußischen Journalisten angesprochen207 . Obwohl Ernst von Wedel die deutsche Botschaft in Paris von seiner Ausweisung in Kenntnis setzte und betonte, er habe lediglich die ohnehin kursierenden Gerüchte wiedergegeben, noch dazu mit dem Hinweis, sie besäßen wenig Glaubwürdigkeit, intervenierte diese nicht208 . Der deutsche Botschafter in Paris, Georg Herbert Graf zu Münster, informierte lediglich das Auswärtige Amt über die Identität des ausgewiesenen Journalisten und fügte hinzu: Herr Ribot hat mich schon vor einiger Zeit vertraulich gefragt, ob er mit unserem Botschaftssekretär Graf [Botho von] Wedel verwandt sei, und durchblicken lassen, daß ihm die Regierung nicht freundlich gesinnt sei und an seine Ausweisung denke. Ich habe mich schon damals beeilt, jede Verbindung zwischen ihm und der Botschaft in Abrede zu stellen. In der That habe ich ihn von vornherein möglichst von der Botschaft ferngehalten, weil er mir den Eindruck eines Abenteurers machte und seine Namensverwandtschaft mit Graf Wedel ausnutzen zu wollen schien209 .
Ernst von Wedel habe ihn nicht um seine Unterstützung gebeten, die er ihm im Übrigen ohnehin nicht gewährt hätte. Die Ausweisung des deutschen Journalisten war für Münster kein Grund zur Beschwerde, auch wenn sie in »tendenziöser Weise« geschehen sei: Die »Preßcampagne« sei »für die auswärtigen Beziehungen [Frankreichs] bedenklich und insbesondere für die russisch-französische Freundschaft bedrohlich« geworden, daher habe Ribot ihr »auf sensationelle Weise ein Ende zu machen gesucht«210 . Für diese Lesart spricht, dass Ribot dem russischen, später auch dem italienischen Botschafter sein Bedauern über die Veröffentlichung dieser Gerüchte aussprach211 . Dass es bei der Ausweisung weniger um die Haltung Wedels ging als vielmehr darum, ein Exempel zu statuieren, um damit ein Signal der Stärke nach innen und zugleich eine deutliche Sympathiebekundung an Russland zu senden, erscheint auch mit Blick darauf wahrscheinlich, dass die Möglichkeit der Rückkehr Wedels nach Frankreich schon im April 1893 erwogen wurde, nachdem sein Cousin Wilhelm von Wedel sich vertraulich an Herbette gewandt hatte, um die Aussetzung des Ausweisungsbescheids zu erwirken – bezeichnender207 208
209 210 211
Herbette an Jules Develle, Berlin, 17.1.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Wedel an deutsche Botschaft Paris, Paris, 16.1.1893 (abgefangenes Telegramm, Direction générale des postes et des télégraphes), FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Münster an Caprivi, Paris, 16.1.1893, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1201. Ibid. Z. B. Münster an Caprivi, Paris, 15.1.1893 und 16.1.1893, ibid.; [. V.], Démarches politiques, in: Le Matin, 16.1.1893, S. 1.
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II. Rahmungen
weise stellte Herbette diese aber erst für die Zeit nach den nächsten Wahlen in Aussicht212 . Tatsächlich durfte Wedel ab Juli 1894 erneut nach Frankreich einreisen und ging seiner Korrespondententätigkeit wieder nach213 . Die internationale Presse kommentierte die Ausweisungen unterschiedlich. In der deutschen Presse wurden sie als »Gewaltmittel« verurteilt, das nur die Hilflosigkeit der französischen Regierung offenbare und den Staat kompromittiere214 . Die Kritik richtete sich vor allem dagegen, dass mit »zweierlei Maß« gemessen werde215 : Während die französischen Blätter ständig neue Gerüchte abdruckten, ohne dass sie Konsequenzen zu fürchten hätten, zeige die Regierung eine »übergroße Strenge gegen die fremden Journalisten«216 , die als »vogelfrei« angesehen würden217 . Dies sei mit republikanischen Freiheitsrechten nicht zu vereinbaren, auch wenn der Korrespondent der FZ einräumte, dass Wedels Berichte an Objektivität und Sachlichkeit zu wünschen übrig ließen218 . Die VZ interpretierte die Entscheidung Ribots als »Spekulation auf den französischen Volksgeist«219 , das BT warf ihm den Versuch vor, »nichtfranzösische Sündenböcke zu finden, namentlich solche, denen gegenüber man schon an und für sich manches auf dem Herzen hat«220 . Ähnlich argumentiert auch die FZ, die die Ausweisungen in einen Zusammenhang mit den jüngsten Vorwürfen gegen Präsident Carnot brachte und die »Präsidentenfrage« als gestellt betrachtet221 . Das Vorgehen gegen die Auslandskorrespondenten verstand der Autor des Berichts als ein Zeichen für den starken innenpolitischen Druck, unter dem die französische Regierung stand. Die Blätter hielten die Journalistenausweisungen zugleich für ein Ablenkungsmanöver wie für den Versuch, durch den Aufbau eines äußeren Feindbildes den Zusammenhalt nach innen zu stärken und auf diese Weise der wankenden Regierung mehr Unterstützung zu verschaffen. Das BT sah nicht mehr nur die betroffenen Korrespondenten zu Sündenböcken gemacht, sondern unterstellte Frankreich, »die eigenen inneren Angelegenheiten auf Kosten des Ansehens und der Ehre auswärtiger Mächte zu bannen«222 . Ihren Argwohn, die Ausweisungen hätten eine außenpolitische Stoßrichtung, sahen die deutschen Blätter durch die Besprechung der Angelegenheit in den Pariser Journalen bestätigt. Während die VZ sich auf den Vorwurf beschränkte, 212 213 214 215 216 217 218 219 220 221 222
Develle an Ribot, Paris, 24.3.1893, sowie Charles Dupuy an Develle, Paris, 7.4.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Directeur de la Sûreté générale Charles Blanc an Gabriel Hanotaux, Paris, 11.1.1897, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. [. V.], Die Panama-Skandale, in: BT, 16.1.1893, S. 1. [. V.], Der Dreibund und Panama, in: BT, 27.1.1893, S. 1. Ibid. [. V.], Paris, 16. Januar, in: VZ, 18.1.1893, S. 2. [. V.], Frankreich, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 18.1.1893, S. 1. [. V.], Das Auftauchen des Namens Mohrenheim, in: VZ, 17.1.1893, S. 1. [. V.], Die Panama-Skandale und die Großmächte, in: BT, 24.1.1893, S. 1. [. V.], Frankfurt, 16. Januar, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 17.1.1893, S. 1. [. V.], Der Dreibund und Panama.
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Ribot wolle derart Mohrenheim – der die Intensivierung der französischrussischen Beziehungen vorantrieb223 – »die nöthige Genugthuung auf dem Rücken harmloser Ausländer« verschaffen224 , deutete das BT an, die französische Regierung unterstelle damit eine »Intrigue des Dreibundes gegen das gegenwärtige französische Regime«, um Frankreich und Russland zu entzweien225 . Die Ausweisungs-Affäre wurde so als ein Instrument der französischen Diplomatie verstanden, das in zahlreichen französischen Zeitungen einen lauten Nachhall fand, gegen den, so die FZ, man nicht energisch genug protestieren könne226 . Einige französische Zeitungen interpretierten die deutschen und italienischen Berichte über die Beteiligung Mohrenheims tatsächlich als einen Versuch des Dreibunds, Zwietracht zwischen Frankreich und Russland zu säen227 . Die französische Presse begrüßte die Ausweisung der drei Korrespondenten ziemlich einhellig, und auch die französischen Parlamentarier billigten die Maßnahme228 . Wie der Pariser Korrespondent des BT, Otto Brandes, berichtete, wurden in der Chambre des députés sogar Forderungen nach weiteren Ausweisungen laut229 . Außerdem nutzte das Parlament den Vorfall, um das Pressegesetz zu verschärfen: die Verleumdung ausländischer Herrscher und deren in Frankreich akkreditierter Vertreter sollte nicht länger vor einem Schwurgericht, sondern vor einem Polizeigericht verhandelt werden, was die Wahrscheinlichkeit eines politisch inopportunen Freispruchs verminderte230 . Auch einige britische Zeitungen wie die Londoner »Times« verteidigten die Maßnahme: »Liberty of the press clearly does not include deliberate calumny«231 . Ein Pariser Korrespondent des Blattes verurteilte es scharf, dass die Botschafter derartigen Verdächtigungen unter der Nennung ihrer Namen ausgesetzt waren232 . Ähnlich argumentierte auch der Präsident der APE, der die ausgewiesenen Journalisten nicht etwa verteidigte, sondern von der 223
224 225 226 227 228 229 230
231 232
Z. B. François C, Frankreich im Zeitalter des Imperialismus 1851–1918, Stuttgart 1991, S. 442–446, bes. S. 444; Vincent D, Henry R, Joël C, La République imaginée. 1870–1914, [Paris] 2010, S. 262–267, und ganz knapp André E, La France de 1870 à 1914. Les succès de la République, Paris 2006, S. 96–98. [. V.], Paris, 16. Januar, in: VZ, 18.1.1893. [. V.], Der Dreibund und Panama, sowie [. V.], Die Panama-Skandale und die Großmächte. [. V.], Frankreich. Dies berichtet auch der Gaulois, etwa [. V.], Écho politique, in: Le Gaulois, 23.1.1893, S. 1. Dies zumindest war der Eindruck des Pariser Korrespondenten der FZ: [. V.], Frankreich; ebenso [. V.], Paris, 16. Januar, in: VZ, 16.1.1893, S. 1. [. V.], Der Dreibund und Panama. Loi sur la liberté de la presse du 29 juillet 1881, Paris 1881 sowie die am 16.3.1893 beschlossenen Modifikationen, Journal officiel de la République française, 17.3.1893, S. 1378. Eingebracht wurde dieses am 17. Januar von Justizminister Bourgeois, Journal officiel de la République française, 18.1.1893, S. 316. [. V.], The Panama Scandals, in: The Times, 16.1.1893, S. 5. Ibid.
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II. Rahmungen
Mitgliederliste strich und eine Diskussion darüber anstieß, wie ausländische Korrespondenten »devraient comprendre leurs devoirs professionnels sans offenser les susceptibilités de la nation dont ils sont les hôtes«233 . Neben dieser Loyalitätsbekundung gegenüber der französischen Regierung dachte Millage außerdem öffentlich darüber nach, die Kriterien für eine Aufnahme in die Korrespondentenvereinigung zu verschärfen; auf diese Weise versuchte er ganz offensichtlich, die APE und ihre übrigen Mitglieder aus dem Visier des französischen Innenministers zu rücken und ihre Sympathie zu Frankreich und seiner Regierung zu demonstrieren234 . Dieses Vorgehen zeigt, dass die APE sich – zumindest in diesem Fall – offenbar weniger als Interessenvertretung für Auslandskorrespondenten verstand, sondern eine durchaus parteiische Vermittlerrolle einnahm. Die Streichung der ausgewiesenen Mitglieder und die damit verbundene Debatte über die Pflichten des Auslandskorrespondenten implizieren den Vorwurf, die Betroffenen hätten ihre journalistische Sorgfaltspflicht und damit die Berufsehre verletzt. Wedel wies dies entschieden von sich und erklärte der »Lanterne« gegenüber, er beschränke sich darauf, seinen Zeitungen sachliche Nachrichten zu schicken235 . Während der Vertreter der FZ genau dies bezweifelte, attestierte Münster Wedel eine vorsichtige Berichterstattung – in dem Bericht, der zu seiner Ausweisung geführt hatte, habe er die Spekulationen ausdrücklich als bloßes Gerücht von geringer Glaubwürdigkeit gekennzeichnet236 . Die unterschiedliche Auslegung der Grenze zwischen sachlicher Wiedergabe von Fakten und Sensationsmacherei oder Verleumdung rührte nach Ansicht vor allem deutscher Journalisten nicht allein aus einer unterschiedlichen Interpretation der journalistischen Berufsethik, sondern offenbart, dass die Behandlung der internationalen Presse unabhängig von korrektem Verhalten einzelner Journalisten auch von außenpolitischen Erfordernissen geleitet wurde. Die entschiedene Verteidigung des russischen Botschafters geschah sicher auch, um gegenüber Russland den Willen zu engerer Zusammenarbeit zu bekräftigen. Während die liberalen deutschen Zeitungen nicht nur die französischen Pressepolemiken gegen den Dreibund, sondern vor allem auch die Ausweisungen an sich verurteilten, sah Münster diese als das gute Recht des französischen Staates an – und auch die konservativen offiziösen Blätter NAZ, AZ und »Kreuzzeitung« publizierten keinerlei Einwände gegen die Behandlung ihrer Kollegen. Diese Debatte in der internationalen Presse deutet stark darauf hin, dass die Auffassung der journalistischen Berufsethik nicht etwa auf einem allgemeingültigen Konsens der Pressevertreter beruhte, sondern sowohl von Parteizugehörigkeiten als auch von patriotischen Identitäten wie außenpolitischen Präferenzen beeinflusst 233 234 235 236
[. V.], Les journalistes expulsés, in: Le Petit Parisien, 17.1.1893, S. 1. Leider sind weder die erwähnten Diskussionen noch deren Ergebnisse dokumentiert. Dazu auch [. V.], Correspondants étrangers, in: Le Gaulois, 16.1.1893, S. 1. [. V.], Les expulsions, in: La Lanterne, 19.1.1893, S. 2. Münster an Caprivi, Paris, 16.1.1893, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1201.
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wurde. Diese Aspekte beeinflussten auch die Sympathien und Antipathien der Journalisten verschiedener Nationalitäten sowie die Auffassung dessen, was als legitimes Handeln des Staates gegenüber den Pressevertretern angesehen wurde. Die Relevanz der jeweiligen politischen Situation für die Behandlung der ausländischen Korrespondenten wird auch anhand der Ausweisung eines weiteren deutschen Journalisten aus Paris ersichtlich. Während die Gerüchte über eine Verwicklung der Botschafter Mohrenheim und Menabrea zur Ausweisung von drei Korrespondenten führten, blieb die gleichzeitige Behauptung französischer Zeitungen, Mitglieder der Familie des Präsidenten Sadi Carnot seien in den Panama-Skandal verwickelt, folgenlos für die beteiligten Journalisten: außer offiziellen Dementis hatten diese keine Gegenmaßnahmen zu befürchten. Bei einem Dementi blieb es jedoch nicht, als das BT rund drei Monate später folgende Meldung brachte: »Vorläufig nehmen wir von einem uns aus Paris zugehenden Gerücht Notiz, nach welchem das ›X.‹ im Panama-Prozeß kein Anderer sein soll als Carnot fils, der Sohn des Präsidenten der Republik. Wir übernehmen nicht die geringste Gewähr für die Richtigkeit dieser Version«237 . Allerdings zog das BT direkte Parallelen zur Wilson-Affäre, in deren Folge der damalige Präsident Grévy zurückgetreten war, nachdem sein Schwiegersohn der Korruption und des Handels mit Ordensverleihungen überführt worden war. Weiterhin deutete der Artikel an, dass Präsident Carnot wahrscheinlich um die Identität des ominösen Scheckempfängers X wisse und man es als seine Pflicht erachte, diese preiszugeben – schon allein um zu verhindern, dass der Leumund immer neuer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens Frankreichs durch Spekulationen in der Presse beschmutzt werde – was als Anspielung auf die Gerüchte um Mohrenheim und Menabrea verstanden werden kann238 . Der Artikel wurde im »Ouest-Éclair« zitiert, woraufhin der beschuldigte Ernest Carnot ein entschiedenes Dementi dieser »niederträchtigen Verleumdung« veröffentlichte239 , und auch »Le Temps« sah sich zu einem unumschränkten Dementi aller Gerüchte befleißigt, die eines der Mitglieder der Familie Carnot mit dem Bestechungsskandal in Verbindung brachten240 . Noch am selben Tag beschloss Innenminister Ribot die Ausweisung des Pariser Korrespondenten des BT, Otto Brandes. Weder hatte Otto Brandes den Artikel geschrieben, noch war dieser mit seinem Zeichen versehen. Dass dennoch zielsicher der Korrespondent des BT ausgewiesen wurde, zeigt, dass er dem französischen Innenministerium 237 238 239
240
[. V.], Die Frage, wer das große »x.« des Herrn Andrieux [. . . ], in: BT, 21.3.1893, S. 2. Ibid. Im Original: »calomnie odieuse«, siehe den Abdruck des Dementis unter Berufung auf den Artikel im »Ouest-Éclair« vom 24.3.1893:[. V.], Revue des journaux, in: Le Figaro, 25.3.1893, S. 2. [. V.], Dernière Heure, in: Le Temps, 25.3.1893, S. 1. Der Autor des Artikels erwähnte explizit die Gerüchte um den Bruder Adolph und den Vater Hippolyte Carnot, das BT berichtete, auch über die Gattin des Präsidenten seien entsprechende Gerüchte im Umlauf gewesen: [. V.], Otto Brandes’ Ausweisung aus Paris, in: BT, 27.3.1893, S. 1.
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bekannt war. Dass er dort nur wenig Sympathie genoss, verdeutlicht der weitere Verlauf der Angelegenheit: Brandes setzte sofort seine Redaktion von seiner Ausweisung in Kenntnis und wies im selben Telegramm die Urheberschaft an der betreffenden Nachricht von sich; das Pariser Telegrafenamt fing das Telegramm ab und leitete es an das Innenministerium weiter241 . Nachmittags telegrafierte auch der französische Botschafter in Berlin, Jules Herbette, an das Außenministerium, dass nicht Brandes der Urheber sei, begrüßte aber trotzdem seine Ausweisung, denn er habe eine »animosité systématique contre la France«242 . Obwohl Brandes’ Unschuld den französischen Behörden also durchaus bekannt war, wurde die Ausweisung nicht zurückgenommen. Bereits zwei Jahre zuvor hatte Herbette wegen der nach seiner Empfindung unfreundlichen Frankreichberichterstattung eine Maßregelung des Pariser Korrespondenten des BT angeregt: wenn nicht seine Ausweisung, dann doch wenigstens eine Verwarnung, etwa durch den syndic der Auslandspresse, der seit einigen Jahren in regelmäßigem Kontakt mit dem Außenministerium stehe243 . Ob die APE damals tatsächlich eingeschaltet wurde und Brandes eine Verwarnung erhielt, ist nicht bekannt; im März 1893 stand diese Lösung nicht zur Debatte. Die Ausweisung Brandes’ ist vor diesem Hintergrund zum einen als Bestrafung der als feindselig interpretierten Berichterstattung des BT und als Beseitigung eines ungeliebten Kritikers zu verstehen. Allerdings hatte die Angelegenheit noch eine weitere Dimension: Einen Tag zuvor hatte das Blatt eine Meldung des »Petit Journal« zitiert, das die Veröffentlichung der Identität des Scheckempfängers als eine Schuldigkeit der französischen Regierung gegenüber dem im Januar verdächtigten russischen Botschafter Mohrenheim ansah, um auch die letzten Zweifel an dessen Verwicklung in den Skandal auszuräumen244 . Damit wurde die Panama-Affäre wiederum auf internationales Parkett gezerrt und als potentieller Quell von Verstimmungen in der französisch-russischen Annäherung identifiziert. Die entschlossene Verteidigung Carnots war sicher auch als Stellungnahme gegenüber Russland und der französischen Presse gedacht. Übrigens gibt es keinen Hinweis darauf, dass Carnot selbst eine Intervention gegen das BT forderte. Letztlich ist nicht mehr nachweisbar, welcher dieser Aspekte den Ausschlag für die Ausweisung Brandes’ gab. In jedem Fall sollte man die symbolische Wirkung dieser Maßnahme nicht unterschätzen; vielleicht lag Ribot gar nicht so sehr daran, wen sie traf, sondern dass sie Stärke und Entschlossenheit demonstrierte. 241
242 243 244
Otto Brandes an BT, Paris, 25.3.1893 (abgefangenes Telegramm, Direction générale des postes et des télégraphes), FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46: »Viens d’être expulsé, grâce à votre article«. Herbette an Ministère des Affaires étrangères, Dépêche télégraphique, Berlin, 25.3.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Briefwechsel zwischen Herbette und Außenminister Ribot im Februar und März 1891, FR-MAE AD, 1871–1896, 3CP Allemagne 1871–1896/100. [. V.], Wer verbirgt sich hinter dem berüchtigten »X« des Herrn Andrieux?, in: BT, 20.3.1893, S. 2.
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Auch die Pressereaktionen im Deutschen Reich und in Frankreich ähnelten jenen auf die Ausweisungen im Januar 1893. Viele französische Zeitungen begrüßten die Maßnahme, allerdings berichtete etwa der »Figaro« sachlich darüber, druckte ein langes Interview mit Otto Brandes und konstatierte, dass dieser offenbar zu Unrecht ausgewiesen worden sei245 . Das gleichmütige Fazit des Blattes: Ausweisungen seien für einen Journalisten keine Schande, das komme vor. Deutlicher solidarisierte sich der Berliner Korrespondent des »Soir« mit seinem deutschen Kollegen: Er regte gegenüber dem Korrespondenten des »New York Herald« einen Protest gegen die Ausweisungen an und verwies auf die prekäre Situation der Auslandskorrespondenten246 . Die deutschen Zeitungen kritisierten die Ausweisung Brandes’ als unangebracht und verwiesen darauf, dass Gerüchte um eine Beteiligung der Familie Carnot an der Bestechungsaffäre schon seit Wochen kursierten. Auf entsprechende Meldungen in französischen Blättern, die regelrechte Kampagnen gegen Carnot geführt hätten und dessen Rücktritt forderten, sei einzig mit Dementis reagiert worden; gegen den ausländischen Journalisten aber, der das Gerücht spät verzeichnete, werde mit unerbittlicher Härte vorgegangen. Der Korrespondent der FZ zog daraus den Schluss, dass Ribot sich auf diese Weise erneut ein »patriotisches Mäntelchen« umlegen wolle, das die Regierung vor dem Rücktritt bewahren solle – eine durchaus plausible Mutmaßung247 . Anders als in Wedels Fall unterstützte die deutsche Botschaft in Paris den ausgewiesenen Korrespondenten. Botschaftsrat Wilhelm von Schoen setzte sich beim französischen Außenministerium für Brandes ein und erwirkte auf Betreiben des Berliner Auswärtigen Amtes einen Aufschub der Ausweisung um zwei Tage248 . Das Auswärtige Amt wiederum war auf Bitten der Redaktion des BT an die Botschaft in Paris herangetreten249 . Diese Intervention zeigt, dass der deutsche auswärtige Dienst der Presse und einigen ihrer Vertreter im Ausland durchaus wohlgesonnen war. Die Hintergründe bleiben dabei sehr unscharf, aber man kann wohl davon ausgehen, dass von Schoen nicht allein die Wahrung der Pressefreiheit am Herzen lag. Denkbar wäre, dass man sich über diese Gefälligkeit künftig ›gute‹ Presse im auflagenstarken BT sichern wollte; vielleicht erwies von Schoen Brandes aber auch nur einen persönlichen Gefallen. Mit der Abreise von Otto Brandes hätte die Angelegenheit wohl ihren Abschluss gefunden, wenn es nicht auf seinem Weg zum Bahnhof einen Zwi245
246
247 248 249
Émile B, Expulsion d’un journaliste allemand. Chez M. Otto Brandes, in: Le Figaro, 27.3.1893, S. 2, http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k2824864/f2.image (Zugriff am 16.6.2017). Aubrey Stanhope an James Gordon Bennett (New York Herald), Berlin, 29.3.1893 (abgefangenes Telegramm, Direction générale des postes et des télégraphes), FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Das Kabinett Ribot trat Anfang April 1893 zurück. Develle an Ribot, Paris, 30.3.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Auswärtiges Amt an Botschaft Paris, Berlin, 25.3.1893, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1201.
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schenfall gegeben hätte: Otto Brandes berichtete von Übergriffen eines Teils der französischen Bevölkerung250 , der Bericht der französischen Polizei relativierte die Ereignisse zu harmlosen Streichen von Gassenjungen, provoziert vom lauten Gesang der Kinder Brandes’251 . Welche Darstellung der Wahrheit näher kommt, ist letztlich unerheblich (und ohnehin kaum feststellbar), das folgende deutschfranzösische Pressegewitter lohnt aber einer kurzen Untersuchung: Das BT nutzte den Vorfall für Betrachtungen über die »französische Barbarei« und warf der französischen Regierung vor, ihre innenpolitischen Probleme auf Kosten unschuldiger Ausländer zu lösen252 . Die NAZ ging sogar so weit, den Vorfall als Mahnung zu betrachten, dass die französische Regierung sich nicht scheuen werde, innenpolitische Probleme durch Aggression nach außen abzuleiten, und malte in diffusen Andeutungen das Kriegsgespenst an die Wand253 . Dies geschah nicht ganz unmotiviert, denn vor dem deutschen Reichstag stand just in diesem Moment eine neue Heeresverordnung zur Debatte254 . Auch die deutsche Regierung scheute sich also nicht, die Journalistenausweisung und den damit verbundenen medialen Diskurs für ihre Politik zu instrumentalisieren. Nach knapp drei Wochen herrschte wieder Schweigen im Blätterwald – zumindest über die Affäre Brandes. Ein kurzes Nachspiel hatte das Drama nur jenseits der Öffentlichkeit: Der französische Außenminister Jules Develle hatte sich kurz nach der Ausweisung bei seinem Kollegen Ribot im Innenministerium über die Informationspolitik in dieser Angelegenheit beschwert. Drei Tage nach Überstellung des Ausweisungsbefehls hatte er noch keinerlei Information über die Vorgänge erhalten und sei nicht im Stande gewesen, den Berliner Botschafter über die Angelegenheit zu orientieren, dem die Redaktion des BT eine Demarche wegen der Affäre Brandes vorgetragen habe. Develle forderte das Innenministerium auf, ihn künftig unverzüglich über die Ausweisung ausländischer Journalisten, die zugrunde liegenden Motive und die angeordneten polizeilichen Maßnahmen zu informieren. Es sei unnötig, die Gründe für seine Anfrage zu erläutern, und er wisse sich einig mit Ribot, dass es in Fällen wie diesem unerlässlich sei, dass die Botschafter sofort ausreichend informiert würden, damit man Missverständnissen vorbeugen könne. Die Affäre Brandes hatte auf diplomatischem Parkett nur begrenzte Wirksamkeit entfaltet – die deutsche Botschaft in Paris hatte sich zwar eingeschaltet, Botschaftsrat von 250 251 252 253
254
Brandes’ ohne Verfasserangabe erschienene Darstellungen: Französische Barbarei, in: BT, 29.3.1893, sowie Telegramme des Berliner Tageblatts, in: BT, 29.3.1893. Commissariat de Police d’Asnières: Rapport au sujet du départ de Otto Brandes. Asnières, 29.3.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. [B], Französische Barbarei. [. V.], Seit langem hat sich das deutsche Publikum [. . . ], in: NAZ, 30.3.1893, S. 1, sowie das entsprechende Zitat des »Tageblatts«: [. V.], Ein kalter Strahl nach Paris, in: BT, 30.3.1893. Die Heeresvorlage wurde am 23.11.1892 eingebracht und im Juli 1893 bewilligt: Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, Sitzungen vom 23.11.1892; passim 1893, darunter 20.3.1893; 22.3.1893; Annahme 14.7.1893.
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Schoen schlug aber deutlich mildere Töne an als die erwähnten deutschen Zeitungen. Zwar hatte sich auch der Kaiser persönlich von der Angelegenheit unterrichten lassen, jedoch schnell wieder das Interesse verloren – eine kaiserliche Intervention hätte der Affäre leicht größere Brisanz verschaffen können. Dass dies nicht geschah, zeigt die Grenzen der Relevanz des Umgangs mit ausländischen Pressevertretern. Der Vorfall war aber immerhin so bedeutungsvoll, dass er diplomatisch begleitet wurde und die französische Praxis der interministeriellen Kommunikation beeinflusste: Nach der Affäre Brandes schickte das Innenministerium regelmäßig Informationen über die Ausweisung von Ausländern an das Außenministerium. Anders als die französischen Ministerien nutzten die Journalisten die Ausweisungen ihrer Kollegen nicht als Aufhänger für die Besprechung allgemeiner Fragen. Eine internationale Debatte über Arbeitsbedingungen und rechtliche Absicherung von Auslandskorrespondenten wurde nicht angestoßen. Selbst die deutschen Zeitungen befassten sich mit dieser Frage kaum. Die VZ beschränkte sich auf die plakative Bemerkung: Wenn sie [die frz. Regierung] Berichterstatter dafür maßregelt, daß sie ein umlaufendes Gerücht spät verzeichnen und sofort für unbegründet erklären, so wäre es das Einfachste, sie versperrte ihr Land ein für alle Male grundsätzlich Zeitungs-Berichterstattern, denn es ist nicht einzusehen, wie diese ihrer Pflicht nachkommen sollen, wenn ihnen nicht einmal gestattet ist, eine bezeichnende, durch viele französische Blätter geschleifte Geschichte ohne jede Hinzufügung, ja unter Betonung ihrer Unwahrheit, zu melden255 .
Und auch der Pariser Vertreter der FZ beließ es bei der knappen Feststellung: »Es ist schwer, über die Ausweisung auswärtiger Korrespondenten aus einem Lande ein Urtheil abzugeben, wenn man selbst auswärtiger Korrespondent in diesem Lande ist«256 – dahinter stand mutmaßlich die Befürchtung, er selbst könne das gleiche Schicksal erleiden wie Brandes, wenn er zu deutlich Kritik übte. Nur das BT, bei dem es ohnehin nicht mehr darauf ankam, druckte anonym den Artikel eines »bekannten Staatsrechtslehrers« ab, der entschieden für mehr »Rechtsschutz der Ausländer gegen unbegründete Ausweisungen« eintrat257 . Dass darauf kein Echo in der internationalen Presse folgte, obwohl das Problem doch Korrespondenten aus allen Staaten betraf, ist ein weiteres Indiz dafür, dass die gemeinsame Identität der Auslandskorrespondenten offensichtlich dort endete, wo sie mit deren Patriotismus bzw. Nationalismus kollidierte258 . Zwar war die Affäre Brandes weit davon entfernt, ein diplomatischer Zwischenfall zu sein, dass sie aber dennoch die Diplomaten auf beiden Seiten beschäftigte, zeigt die Bedeutung, welche die Presse und auch Auslands255 256 257 258
[. V.], Paris, 16. Januar, in: VZ, 18.1.1893. [. V.], Frankreich. [. V.], Rechtsschutz der Ausländer gegen unbegründete Ausweisungen, in: BT, 5.4.1893, S. 1. Siehe zu diesem Phänomen auch Kap. I.3.4 und I.3.5.
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korrespondenten erlangt hatten. Dies bot den Journalisten zwar noch keinen hinreichenden Schutz, allerdings mussten die politischen Akteure darauf gefasst sein, dass sie mit jeder Handlung gegen ausländische Journalisten eine internationale Debatte entfachen konnten. Für die Diplomatie hatte dies vor allem die Konsequenz, dass sie die Presse und ihre Vertreter beobachten musste und dass sie Maßnahmen gegen ausländische Journalisten gewissermaßen diplomatisch begleitete. Offenbar fürchtete man, dass sich eine Journalistenausweisung zu einem diplomatischen Problem auswachsen könnte. Diese Wahrnehmung scheint sich erst etwa zu Beginn der 1890er Jahre etabliert zu haben, denn frühere Dokumentationen zu Journalistenausweisungen gibt es in den französischen Archiven nicht. Auch dass sich die französische Regierung nicht bei der deutschen über den Artikel beschwerte, sondern selbst Maßnahmen ergriff, ist ein Indiz für den veränderten Umgang mit der Presse unter der Prämisse der Pressefreiheit: Die Instrumente richteten sich nicht länger nur gegen das Blatt, sondern gegen einzelne Personen. Der Umfang der dafür nötigen Überwachung lässt sich nur schwer einschätzen, allerdings wird durch die Ausweisungsfälle von 1893 deutlich, dass die Korrespondenten verschiedener Blätter den französischen Behörden bekannt waren259 . Auch das Abfangen von Telegrammen an ausländische Zeitungsredaktionen durch die Direction générale des postes et des télégraphes im Auftrag des Innen- und Außenministeriums konnte offenbar zielgerichtet und rasch veranlasst werden, was auf eine gewisse Routine hinweist. Der Auslandskorrespondent war damit zum potentiellen Instrument der Einflussnahme auf die Berichterstattung ausländischer Zeitungen geworden. Allerdings waren sich die französischen Ministerien uneins über die Effektivität dieser Methode auswärtiger Pressepolitik. Während der Dreyfusaffäre dokumentierte der französische Botschafter in Berlin Emmanuel Henri Victurnien de Noailles immer wieder Artikel, die seiner Ansicht nach eine Kampagne der »presse sémitique allemande contre la République« offenbarten, in der er die Handschrift einer »union internationale de la race juive« zu erkennen glaubte260 . In zahlreichen Depeschen offenbarte sich Noailles’ Antisemitismus, der sicher nicht nur seine Parteinahme gegen den Hauptmann Dreyfus beeinflusste261 . Besonders das BT, das er als »jüdische« 259
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Federführend für deren Überwachung war die Police générale, an die sich auch das Außenministerium wandte, wenn es Informationen über ausländische Journalisten in Paris benötigte. Directeur de la Sûreté générale Charles Blanc an Hanotaux, Paris, 28.9.1896, FR-MAE AD, 3ADP/58 sowie Blanc an Hanotaux, Paris, 11.1.1897, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Erstes Zitat Noailles an Delcassé, Berlin 15.2.1899, zweites Zitat Noailles an Hanotaux, Berlin, 16.1.1898, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Noailles’ immer wieder offenbar werdender Antisemitismus legt den Schluss nahe, dass deutschen Auslandskorrespondenten jüdischen Glaubens der Zugang zu den politischen Akteuren ihres Berichtsorts – und dies gilt nicht allein für Paris, sondern auch für London und Wien – durch potentielle antisemitische Ressentiments zusätzlich erschwert werden konnte – aber nicht musste. Theodor Wolff etwa scheint in weiten Kreisen hohes Ansehen genossen zu haben. Noailles an Hanotaux bzw. Delcassé, passim, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Auch
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Zeitung bezeichnete262 , und die VZ identifizierte er als gallophob und regte die Ausweisung ihrer Korrespondenten Theodor Wolff263 und Max Nordau an264 , von denen laut Noailles die »Polemiken« gegen Frankreich ausgingen265 . Allerdings stand Außenminister Théophile Delcassé dem Mittel der Ausweisung kritisch gegenüber, seit der Ton der »Neuen Preußischen [Kreuz-]Zeitung« nach der Ausweisung ihres Korrespondenten Eugen von Jagow aus Frankreich deutlich schärfer geworden war266 . Als Noailles dies in seiner regelmäßigen revue de la presse meldete, versah Delcassé den Bericht mit dem Kommentar: »Ce qui prouve que la méthode de l’expulsion est bien peu sûre!«267 Als Innenminister Charles Dupuy Ende November die Ausweisung des Korrespondenten des »Kleinen Journals« vorbereitete, riet ihm Delcassé mit Verweis auf den Fall Jagow entschieden von dieser Maßnahme ab. Weder Wolff noch Nordau wurden ausgewiesen, auch über den Korrespondenten des »Kleinen Journals« ist nichts weiter bekannt. Anscheinend vermieden die französische Regierung und besonders das Außenministerium in der Folge die Ausweisung als Instrument auswärtiger Pressepolitik. Deutsche Korrespondenten waren in der diplomatischen Korrespondenz der Jahrhundertwende nur noch extrem selten ein Thema. Das bedeutet nicht, dass die Relevanz der Presseberichterstattung abgenommen hätte, diese wurde weiterhin regelmäßig für die Pariser Zentrale dokumentiert. Auch die Reorganisation der Stellen im Außenministerium, die mit der Überwachung der ausländischen Presse betraut waren, zum Bureau des
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sein Vorgänger Herbette ließ mitunter antisemitische Bemerkungen in seine Berichte einfließen. Zwar waren Rudolf Mosse und einige seiner Mitarbeiter Juden, ihre Berufspraxis als Journalisten prägte aber vor allem der Liberalismus; dementsprechend ist das BT kein jüdisches Organ. Christel G, Distanzierte Beobachtung: Theodor Wolff und das Judentum. ». . . es sind zwar nicht meine Kerzen, aber ihr Licht ist warm«, Oldenburg 2002, S. 53. Dazu Gerhard R. K, Paris im Zeichen der Dreyfus-Affäre. Theodor Herzl: »Das Palais Bourbon. Bilder aus dem französischen Parlamentsleben« (1895), Theodor Wolff: »Pariser Tagebuch« (1908), in: D. (Hg.), Deutsche Berichterstattung aus Paris. Neue Funde und Tendenzen, Heidelberg 2008, S. 151–177; besonders Theodor Wolff hatte sich durch seine Berichterstattung über die Dreyfus-Affäre den Namen eines kritischen Journalisten gemacht. Wolfram K, Der Chef-Redakteur Theodor Wolff. Ein Leben in Europa 1868–1943, Düsseldorf 1978, S. 83–87; Bernd S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, Stuttgart 2012, S. 61–69. Zitat Noailles an Delcassé, Berlin 15.2.1899, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91; zur Kritik an Nordau und Wolff siehe Noailles an Hanotaux, Berlin, 8.2.1898, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Noailles an Hanotaux, Berlin, 8.2.1898, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Hintergründe über dessen Ausweisung finden sich nicht in den französischen Akten. Randbemerkung auf dem Brief von Noailles an Delcassé, Berlin, 13.11.1898, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Eugen von Jagow wurde ausgewiesen, weil er den Ausbruch von Unruhen meldete. Hierzu auch Münster an Bülow, Paris, 10.10.1898 PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1203.
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communications spricht für eine weiter zunehmende Relevanz der Presse. Das wichtigste Kriterium für die Interpretation und Bewertung eines Artikels blieb aber die Frage, ob dieser offiziösen Ursprungs war oder nicht. Das Ministère des Affaires étrangères ging von einem weitreichenden Einfluss der Wilhelmstraße auf die deutsche Presse aus und interessierte sich wahrscheinlich schon allein deshalb weniger für die Frage, welcher Pariser Korrespondent eine Nachricht eingesandt hatte, sondern in welcher Beziehung die Zeitungsredaktion zum Auswärtigen Amt stand268 . Welcher Stellenwert der Presse für die deutsch-französischen Beziehungen beigemessen wurde, zeigt etwa die Tatsache, dass schon beim Antrittsbesuch des neuen französischen Botschafters in Berlin, Jules Martin Cambon, im April 1907 auch über die Pressebeziehungen der beiden Staaten gesprochen wurde269 . Allerdings scheint dies vor allem von der deutschen Seite ausgegangen zu sein: Der Staatssekretär des Äußern, Heinrich von Tschirschky, beschwerte sich – »naturellement«, so Cambons Kommentar – über die Presse, die er offenbar für fähig erachtete, die Beziehung zwischen den beiden Staaten zu verbittern270 . Cambon dagegen riet seinem Chef in Paris kurze Zeit später, die Bedeutung der Presse wie auch des Parlamentes für die deutsche Politik nicht zu überschätzen, nur weil man deren großen Einfluss von Frankreich her gewohnt sei271 . Dementsprechend wurde dem Besuch französischer Journalisten in Deutschland, der nach dem Vorbild des deutsch-englischen Journalistenaustauschs angeregt worden war, von Seiten des französischen Außenministeriums kaum Beachtung geschenkt – wenn auch die positiven Effekte des deutschenglischen Austauschs anerkannt wurden272 . Die Relevanz der Presse für die diplomatischen Beziehungen zeigte sich auch in der zweiten Marokko-Krise. Nach Gesprächen zwischen dem deutschen Botschafter in Paris von Schoen und dem französischen Außenminister Justin de Selves sowie zwischen Cambon und Alfred von Kiderlen-Waechter publizierte das »Écho de Paris« Details aus diesen Unterredungen und bezeichnete die Ausgleichsverhandlungen als schnöden Kuhhandel273 . Daraufhin beeilte sich de Selves, jede Verantwortung für diesen Vorgang von sich zu weisen. Außerdem informierte er Kiderlen darüber, dass er eine deutliche offiziöse 268
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Etwa Ministre de la Republique Henri Allizé an de Selves, München, 5.7.1911, FRMAE AD, Allemagne, NS 35 oder die tagebuchartigen Notizen Herbettes über seine Botschafterzeit 1902–1908, S. 241, FR-MAE AD, Allemagne, NS 14. Jules Cambon an Stéphen Pichon, Berlin, 8.4.1907, ebenso mit Bülow: Cambon an Pichon, Berlin, 17.4.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 31. Cambon an Pichon, Berlin, 8.4.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 31. Cambon an Pichon, Berlin, 6.5.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 31. Dazu kurze Mitteilungen in den Berichten von Cambon an Pichon, Berlin, 23.6.1907, 7.9.1907 sowie 18.11.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 31. Marcel H, M. de Schoen chez le ministre des Affaires étrangères. Le »marchandage« pour le Maroc, in: Écho de Paris, 20.7.1911, S. 1, sowie Cambon an de Selves, Berlin, 21.7.1911, FR-MAE AD, Allemagne, NS 36. Das Telegramm informierte de Selves über die Beschwerde Kiderlens.
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Distanzierung über die Agence Havas verbreiten ließ274 . Die französische Regierung sei ebensowenig für diese Nachrichten verantwortlich, wie sie die Herkunft entsprechender Kommentare in der deutschen Presse bei Kiderlen suche. Wegen der Pressefreiheit könne er jedoch unmöglich verhindern, dass die Blätter derartige Informationen druckten und kommentierten275 . Daraufhin verständigten sich beide Seiten darauf, zukünftig jede Mitteilung, die in der Marokkoangelegenheit gegenüber der Presse gemacht werde, vorab wechselseitig abzugleichen und zu autorisieren. Die Pressebüros in Berlin und Paris durften keine Nachricht mehr an die Presse geben, die nicht zuvor durch de Selves und von Schoen in Paris bzw. Kiderlen und Cambon in Berlin freigegeben wurde. Cambon hielt diese Vereinbarung mit Blick auf die deutsche Verhandlungsbereitschaft für »absolument nécessaire« und insistierte darauf, dass diese Praxis nicht nur vom Außenministerium, sondern auch von den anderen französischen Ministerien eingehalten werde276 . Daraus wird nicht nur ersichtlich, dass Presseartikel ernstzunehmende Störungen in den diplomatischen Verhandlungen verursachen konnten, weil sie im Stande waren, Misstrauen über die tatsächlichen Absichten der Verhandlungspartner zu säen. Das Beispiel zeigt auch, dass beide Seiten einander offenbar doch gegenseitig für die Berichterstattung der jeweiligen Presse verantwortlich machten. Außerdem gingen sie davon aus, dass die Presse ihre Informationen in der Regel vom eigenen Außenministerium bezog. Die Auslandskorrespondenten wurden in diesem Fall wiederum überhaupt nicht thematisiert. Auch die französischen Diplomaten in Europa scheinen keine Kontakte zu deutschen Korrespondenten gepflegt zu haben, lediglich solche zu den Korrespondenten französischer Blätter sind dokumentiert277 . Zumindest aber Cambon in Berlin traf sich einige Male mit deutschen Journalisten. So berichtete er kurz nach seinem Amtsantritt von einem Gespräch mit dem Chefredakteur des BT, auf dessen Bemühungen um eine deutsch-französische Verständigung er hinwies278 . Der einzige Beleg, dass im französischen Außenministerium Auslandskorrespondenten empfangen wurden, datiert auf Juli 1914: Eine Delegation der Pariser Vertreter der Auslandspresse – darunter auch Emil Ney, Korrespondent der FZ – erbat den Rat des Außenministeriums, wie sich die Korrespondenten gegenüber den öffentlichen Drohungen der Brüder Paul und Guy de Cassagnac verhalten sollten279 . Die Journalisten wurden jedoch 274 275 276 277 278
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De Selves an Cambon, Paris, 21.7.1911, FR-MAE AD, Allemagne, NS 36. Ibid. Cambon an de Selves, Berlin, 21.7.1911 (Zitat) sowie 24.7.1911 FR-MAE AD, Allemagne, NS 36. Cambon an Pichon, Berlin, 9.4.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 31. Ibid. Wolff scheint aber keine regelmäßigen Beziehungen zu Cambon gepflegt zu haben, einziger überlieferter Brief: Theodor Wolff an Jules Cambon [o. O.], 10.2.1909, FR-MAE AD, Jules Cambon, 43PAAP/58. Aktennotiz, 13.7.1914, FR-MAE AD, Allemagne, NS 52. Die Cassagnacs hatten gedroht, deutsche Korrespondenten zu verfolgen und aus dem Land zu jagen, weil diese die Verur-
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auf den normalen juristischen Weg verwiesen: Entweder sollten sie selbst die Sache zur Anklage bringen oder mit dem zuständigen commissaire de police sprechen. Auch Baron von Schoen sprach in dieser Sache im Quai d’Orsay vor, zeigte sich aber einverstanden damit, dass die Betroffenen den Rechtsweg ausschöpfen sollten. Auf eine Vorzugsbehandlung oder die Unterstützung durch das Außenministerium konnten die Pariser Auslandskorrespondenten also nicht rechnen. Das weitgehende Fehlen deutscher Auslandskorrespondenten in den Akten des französischen Außenministeriums lässt sich in zwei Richtungen interpretieren. Zum einen könnte es ein Zeichen dafür sein, dass die Korrespondenten der ausländischen Presse nicht als geeigneter Ansatzpunkt für die Instrumente der Pressepolitik angesehen wurden, nachdem die Ausweisungen der 1890er Jahre eine kritische Berichterstattung nicht verhindert, sondern im Gegenteil zumindest kurzfristig deutlich verschärft hatten. Zum anderen könnten die fehlenden Belege auch ein Indiz dafür sein, dass sich eine informelle Praxis der Beeinflussungsversuche im französischen Außenministerium etabliert hatte, die sich schlichtweg nicht in den Akten niederschlug. Angesichts der Bemühungen um die Dokumentation der Berichterstattung der Auslandspresse scheint dies plausibel, und auch für die Beeinflussung französischer Zeitungen mittels Subventionierung durch die Regierung gibt es so gut wie keine Belege – Gerüchte über die Bestechung französischer Zeitungen oder auch von Auslandskorrespondenten kursierten aber immer wieder280 . 1.5 Die Beziehungen der deutschen Diplomatie zu Auslandskorrespondenten Zuletzt werden hier die Beziehungen der deutschen Auslandskorrespondenten zu den Akteuren der deutschen Außenpolitik nachgezeichnet. Dabei soll es nicht um eine Darstellung der deutschen auswärtigen Pressepolitik gehen, sondern nur um die Aspekte, die direkte Auswirkungen auf die Arbeit der Korrespondenten deutscher Zeitungen in den untersuchten Berichtsorten hatten. Bis zur Reichsgründung liegt der Fokus auf Preußen, denn der Quellenlage nach zu urteilen waren die preußischen außenpolitischen Akteure in dieser Hinsicht besonders umtriebig: Stichproben etwa in den bayerischen Akten lieferten keine
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teilung des elsässischen Karikaturisten Hansi wegen deutschenfeindlicher Zeichnungen gerechtfertigt hatten. Siehe Kap. III.2.5. Zur Unterstellung der Käuflichkeit von Auslandskorrespondenten D, Les journalistes en France, S. 148; A, Histoire de la presse, S. 66; zur Bestechlichkeit der Pariser Blätter auch René L, Histoire de la presse française, Bd. 2: De 1881 à nos jours, Lausanne 1965, S. 392. Auch im Auswärtigen Amt war man nach dem PanamaSkandal überzeugt, dass die Pariser Presse in großem Stil bestochen werde: Flotow an Bülow, Paris, 28.11. 1905, PA AA, RZ 201, Frankreich 87, R 6600.
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Befunde281 . Dieses Kapitel basiert auf den Akten des preußischen Literarischen Bureaus, der Zentralstelle für Preßangelegenheiten sowie den Presseakten des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, die im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem liegen282 , aus den Beständen des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes wurden darüber hinaus vor allem die Akten mit Pressebezug aus den relevanten Serien herangezogen283 . Dass die Presse einen gewissen Einfluss auf die Außenpolitik ausüben konnte und diese daher einer pressepolitischen Begleitung284 bedurfte, war auch den deutschen außenpolitischen Akteuren nicht erst seit Bismarck bewusst. Im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts veränderte sich aber mit den zugrunde liegenden Prämissen für das Verhältnis von Presse und Außenpolitik bzw. Diplomatie auch der Charakter dieser auswärtigen Pressepolitik. Die preußische bzw. deutsche Pressepolitik ist bereits gut untersucht285 , daher werden an dieser Stelle lediglich jene Aspekte beleuchtet, die in direkter Beziehung zu deutschen Auslandskorrespondenten stehen. Die auswärtige Pressepolitik, deren Träger das Ministerium des Äußern bzw. das Auswärtige Amt war, hatte bereits in den 1850er Jahren zwei Stoßrichtungen und war zugleich nach innen auf die deutsche Presse sowie nach außen auf die ausländische Presse gerichtet. Auslandskorrespondenten spielten in beiden Richtungen eine untergeordnete Rolle und wurden nur vereinzelt zum Zielpunkt pressepolitischer Bemühungen. Das Standardinstrument der Beeinflussung war die Subvention einer Zeitung oder eines Redaktionsmitglieds. Zudem versuchte die preußische Regierung auch den Nachrichtenfluss über Nachrichtenagenturen und Korre281 282 283 284
285
Die deutschen Klein- und Mittelstaaten betrieben nur in geringem Umfang eine aktive Pressepolitik: K, Pressepolitik, S. 160. GStA PK, I. HA Rep 77A Lit. Büro; GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. PA AA, RZ 201, Europa Generalia, Deutschland, England, Frankreich, Österreich, sowie die Akten der Botschaften London, Paris und Wien. Gemeint ist hier in erster Linie die sogenannte positive, aktive Pressepolitik, also die Versuche einer Beeinflussung der Haltung und des Inhalts von Zeitungen, im Gegensatz zur Repression durch Zensur und Verbot. Die effektive Lenkung der Presse durch schlichtes Verbot unerwünschter Blätter oder deren Kontrolle durch Zensur war nach der Märzrevolution 1848 nicht mehr möglich. G, Medien und Politik, S. 47–50; zum Begriff der positiven/aktiven Pressepolitik P, Propaganda im 19. Jahrhundert, S. 21f. Dazu N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik; Gunda S, Pressepolitik als Notwendigkeit. Zum Verhältnis von Staat und Öffentlichkeit im wilhelminischen Deutschland 1890–1914, Stuttgart 2000; G, Medien und Politik; Irene F-F, Bismarcks Pressepolitik, Mainz 1963; Helma H, Caprivi und die offiziöse Presse, in: Q, S (Hg.), Stadtverfassung, Verfassungsstaat, Pressepolitik, S. 413–422; M, Nationalism; Walter V, Die Organisation der amtlichen Presse- und Propagandapolitik des Deutschen Reiches. Von den Anfängen unter Bismarck bis zum Beginn des Jahres 1933, Berlin 1941; J, Unter vier Reichskanzlern, S. 101–116; P, Propaganda im 19. Jahrhundert, S. 21–43; K, Pressepolitik; F, Von Journalisten und Diplomaten; mit Bezug auf Auslandskorrespondenten vor allem G, Pressekriege.
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II. Rahmungen
spondenzbüros zu beeinflussen, indem sie diese mit Nachrichten versorgte, regierungsfreundliche Organe finanziell unterstützte, missliebige Institutionen dagegen zu behindern versuchte. Die Redaktion wurde als die für die Tendenz eines Blattes verantwortliche Stelle und dementsprechend als der maßgebliche Filter angesehen, den es zu beeinflussen galt. Dies betraf auch ausländische Zeitungen, auf deren Berichterstattung man einzuwirken versuchte. Dieser Fokussierung der Akteure der deutschen Außenpolitik auf die Zeitungen selbst entsprechend, dokumentieren die deutschen Presseakten neben der systematischen Beobachtung und Analyse europäischer Zeitungen vor allem Versuche, Redakteure oder Besitzer einzelner Zeitungen durch Subventionen auf eine dem Berliner Auswärtigen Amt genehme Haltung einzuschwören. Auch Journalisten, deren politische Haltung und Schreibe den Diplomaten der eigenen Politik zuträglich erschien, wurden durch finanzielle Entschädigungen oder die bevorzugte Versorgung mit Informationen unterstützt – in der Regel handelte es sich dabei jedoch um in Deutschland ansässige Redakteure oder Publizisten; deutsche Auslandskorrespondenten spielten dagegen lediglich eine Nebenrolle, die jedoch zum Ende des 19. Jahrhunderts zunehmend aufgewertet wurde. Doch auch die frühen, um die Jahrhundertmitte entstandenen Presseakten belegen bereits einzelne Beziehungen zu deutschen Auslandskorrespondenten – oder vielmehr zu Deutschen, die im Ausland lebten und sich publizistisch betätigten. Der erste dieser »Preßagenten« war Felix Bamberg, ein bereits seit Jahren in Paris lebender deutscher Philologe und Historiker. Im Juli 1851 verpflichtete ihn der Gesandte Maximilian von Hatzfeldt-Trachenberg, um die »feindseligen Tendenzen der französischen Blätter gegen Preußen zu bekämpfen«286 , wofür Bamberg 1800 Taler erhielt, zur Hälfte aus der polizeilichen Dispositionskasse, zur Hälfte aus dem Pressefonds finanziert287 . Bamberg sandte Berichte über die französische Presse nach Berlin, schrieb Artikel für deutsche und französische Zeitungen und versorgte die preußischen offiziösen Blätter mit Nachrichten aus Paris. Seine wichtigste Aufgabe aber war die Fühlungnahme mit französischen Journalisten in Paris, um über persönliche Kontakte, das Schreiben von Artikeln oder die Vermittlung von Subventionen französische Blätter zu einer freundlicheren Haltung gegenüber Preußen zu bewegen. Seine Funktion als Pariser Korrespondent deutscher Zeitungen ist in den Akten des Auswärtigen Amtes kaum ein Thema und bleibt unscharf. Bambergs Dienste als Vermittler der Botschaft zur französischen Presse wurden in Berlin offensichtlich geschätzt. Er war jahrelang preußischer Konsul in Paris, 1870 übernahm er die Leitung der Presseangelegenheiten im deutschen Hauptquartier in Versailles288 . Auch 286 287 288
Maximilian von Hatzfeldt an Otto Theodor von Manteuffel, Paris, 1.7.1851, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134. Hatzfeldt an Manteuffel, Paris, 1.7.1851, sowie Manteuffel an polizeiliche DispositionsCasse, Berlin, 17.9.1851 GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134. Dazu Kurt K, Deutsche Presse im 19. Jahrhundert, Berlin 1966, S. 233, auch den
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nachdem er 1874 Konsul in Messina geworden war, bezog er einige Zeit sein Honorar weiter aus dem Pressefonds289 . Bambergs Beziehung zur deutschen Botschaft in Paris beziehungsweise zum Außenministerium in Berlin dokumentiert weniger das Interesse der außenpolitischen Akteure an deutschen Auslandskorrespondenten als vielmehr die Konzentration auf die Redaktionen französischer Zeitungen als Ansatzpunkt ihrer Beeinflussungsversuche. Ganz ähnlich war Theodor Fontanes Rolle als »Vertrauensmann in Preßsachen« in London290 . Im Unterschied zu Bamberg wurde Fontane aber nicht vor Ort rekrutiert, sondern arbeitete zunächst in der Berliner Centralstelle für Preßangelegenheiten (seit 1860 Literarisches Bureau)291 , wo er vor allem mit der Auswertung deutscher, später englischer Zeitungen beschäftigt war, zugleich aber auch entsprechend gefärbte Korrespondenzen und Artikel für deutsche Zeitungen, besonders für die offiziöse »Preußische (Adler-)Zeitung« und die Provinzpresse schrieb292 . Während des Krimkrieges wurde Fontane, der auf eigene Initiative hin bereits 1852 ein halbes Jahr lang als Korrespondent in London gearbeitet hatte, beauftragt, die Möglichkeit einer im preußischen Sinne redigierten Londoner Korrespondenz für deutsche Zeitungen zu sondieren293 . Dem Leiter des Literarischen Bureaus, Ludwig Metzel, missfiel die Tendenz der »Englischen Correspondenz« von Max Schlesinger, aus der seiner Ansicht nach die meisten deutschen Zeitungen ihre englischen Nachrichten schöpften, und in Berlin hegte man die Hoffnung, diese durch ein Konkurrenzunternehmen in den Konkurs zu treiben, um die Nachrichten aus England – besonders was die Berichterstattung über den Krimkrieg betraf – fortan kontrollieren zu können. Fontanes Nachrichtendienst war jedoch ein ziemlicher Misserfolg, das Unternehmen trug sich keineswegs selbst, sondern verschlang jeden Monat stattliche Subventionen. Als im Februar 1856 nur noch acht Zeitungen auf
289 290 291
292
293
biografischen Eintrag zu Bamberg in Adolph K, Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit, Leipzig 1901, S. 133. PA AA, RZ 201, Frankreich 51, R 6161; PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 3, R 3; auch: N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, passim. Ludwig Metzel, Denkschrift, Berlin, 28.6.1855, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 147. Nach einem Vorläufer wurde 1848 das Literarische Cabinet gegründet, 1850 umbenannt in Centralstelle für Preßangelegenheiten und 1862 als Literarisches Bureau dem Innenministerium zugeordnet, nach der behördengeschichtlichen Einleitung im Findbuch zum Bestand GStA PK, I. HA Rep. 77 A. Seine Tätigkeit als offiziöser Auftragsjournalist empfand Fontane als sehr unbefriedigend; im Gegensatz zu anderen Journalisten im Staatsdienst glorifizierte er seine Arbeit nicht als patriotischen Dienst, sondern verstand sie als reinen Brotberuf, der seine Existenz sichern und die Hochzeit mit seiner langjährigen Verlobten ermöglichen sollte. Zu Fontanes journalistischer Tätigkeit bes. Dorothee K, Theodor Fontane als Journalist. Selbstverständnis und Werk, Köln 2008, S. 40–61, auch Stefan N, Und nichts als die Wahrheit? Wie der Journalist Fontane Erlebtes wiedergab, in: Fontane-Blätter (1998), S. 188–213. Metzel an Fontane, Berlin, 5.9.1855, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 45, sowie weitere Briefe in dieser Akte.
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den Dienst abonniert waren, wurde er eingestellt294 , auch, weil mit dem Ende des Krimkrieges das Bedürfnis nach einem »die Interessen Preußens wahrnehmenden Blatt [. . . ] dort nicht mehr für nothwendig erachtet« wurde295 . Fontane durfte jedoch in London bleiben und wurde zum »Vertrauensmann in Preßsachen« der Londoner Botschaft296 . Als solcher erfüllte er ähnliche Aufgaben wie Bamberg in Paris. Er suchte vor allem den Kontakt zu englischen Zeitungen und Redakteuren, schrieb daneben aber auch als Korrespondent der »Kreuzzeitung« und der neugegründeten offiziösen »Zeit« – was Metzel allerdings weniger als einen Bestandteil seines pressepolitischen Einsatzes im Staatsdienst ansah, sondern vielmehr als Möglichkeit, das für Londoner Verhältnisse knapp bemessene Gehalt aufzustocken297 . Fontane vermittelte etwa eine preußische Subvention des »Morning Chronicle« und schrieb im Auftrag der Botschaft Artikel für englische Zeitungen298 . Als sein Engagement in der englischen Presse immer mehr abnahm und auch er selbst von seinen Plänen, sich in London eine dauerhafte Existenz aufzubauen, wieder abkam, ging er im Januar 1859 endgültig zurück nach Berlin, von wo aus er noch einige Zeit weiter »englische Korrespondenzen« für deutsche Zeitungen verfasste299 . Die Botschaft suchte sich zunächst anscheinend keinen neuen journalistischen Vertrauensmann und sah offenbar nicht die Notwendigkeit kontinuierlicher Einflussnahme auf die Presse; ein Eingreifen von Fall zu Fall wurde zumindest für London in den 1850er Jahren als ausreichend erachtet. Der Kontakt der deutschen Botschafter zu Journalisten beschränkte sich aber nicht auf Vertrauensmänner wie Bamberg oder Fontane, vereinzelt sind auch direkte Kontakte zu unabhängigen Auslandskorrespondenten dokumentiert. Die Akten lassen aber kaum Rückschlüsse auf die Gestaltung dieser Beziehungen zu. Der Botschafter in London etwa, Albrecht von Bernstorff, stand mit Julius Faucher, einem Korrespondenten der »Kreuzzeitung« und anderer deutscher Blätter, in Kontakt und hatte vor Fontanes Entsendung offenbar mit diesem das Projekt einer unter preußischem Einfluss stehenden Londoner Korrespondenz besprochen300 . Ihn hatte Bernstorff wohl auch als seinen journalistischen »Vertrauensmann« im Sinn, die Berliner Zentrale bevorzugte es aber, ihren Mitarbeiter Fontane zu entsenden301 . Julius Faucher war offenbar sowohl in 294 295 296 297 298 299
300 301
Bericht Fontanes, London, 22.2.1856, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 147. Auch Metzel an Bernstorff, London, 31.3.1856, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 323. Rudolf von Auerswald an Alexander von Schleinitz, Berlin, 16.12.1858, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9181. Metzel, Denkschrift, Berlin, 28.6.1855, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 147. Metzel an Fontane, Berlin, 22.5.1856, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 323. GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 325. Auerswald an Schleinitz, Berlin, 16.12.1858, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9181; ferner Heide S-B (ed.), Theodor Fontane. Unechte Korrespondenzen 1860–1865, Berlin, New York 1995. Bernstorff an Manteuffel, London, 2.6.1855, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134. Denkschrift Ludwig Metzels, Berlin, 28.6.1855, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134.
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der deutschen Kolonie in London als auch in englischen Kreisen etabliert und mit der Sprache so gut vertraut, dass er auch für englische Blätter schrieb. 1856 wurde er sogar Redakteur beim »Morning Star«. Stärker als seine gute Vernetzung in der Londoner Pressewelt wog in den Augen der Centralstelle für Preßangelegenheiten allerdings, dass er Mitbegründer der freihändlerischdemokratischen Berliner »Abendpost« gewesen war, nach deren Verbot 1850 er nach England emigrierte302 . Bernstorff hatte bemerkenswerterweise dennoch keine Berührungsängste: Theodor Fontane erinnerte sich daran, dass er und Faucher einander zeitweise täglich auf der Gesandtschaft begegneten, wo Bernstorff – »wie immer die Güte selbst« – beiden Zugangskarten zur Vermählung des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm mit Prinzessin Victoria sicherte303 . Auch der deutsche Botschafter in Paris, Robert Heinrich Ludwig von der Goltz, scheint keine grundsätzliche Abneigung gegen den Kontakt mit Journalisten gehabt zu haben, im Gegenteil: Als das Auswärtige Amt Erkundigungen über den langjährigen Korrespondenten der »Kreuzzeitung«, Heinrich Schöler, einzog304 , bemerkte von der Goltz, er habe diesen erst kennengelernt, als der sächsische Gesandte Seebach ihn bat, Schöler während seines Urlaubs mit Nachrichten zu versorgen. Dieses Anliegen nahm von der Goltz mit Befremden auf, nicht aber, weil er den Kontakt zu Journalisten abgelehnt hätte, sondern im Gegenteil, weil »ein Preuße und Correspondent der Kreuz-Zeitung mich nur als Lückenbüßer« benutzte und »seine Inspirationen nicht bei der Preußischen Botschaft, sondern bei der Sächsischen, Bayerischen sowie anderen mittelstaatlichen Gesandtschaften, wie es scheint auch bisweilen bei der Russischen Botschaft, sowie in den Bureaux des französischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten holt«305 . Trotz seiner Verstimmung darüber empfing er Schöler einmal sogar persönlich, obwohl »ich überhaupt, ganz vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, mit Journalisten nicht unmittelbar verkehre«; zukünftig würde Schöler dann bei den Botschaftssekretären »eine wohlwollende Aufnahme gefunden haben«, wenn er denn wieder aufgetaucht wäre306 . Gemeinhin wurde der direkte Verkehr mit Journalisten von den deutschen Diplomaten 302 303 304
305
306
Zu Fauchers Biographie Hans-Henning Z, Art. »Julius Faucher«, in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 29. Theodor F, Von Zwanzig bis Dreißig, Hamburg 2011, S. 51. Bismarck an Goltz, Berlin, 18.10.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9091. Schöler hatte beim Kriegsminister ob seiner »Bemühungen um die Vertretung Preußischer Interessen in der Preße« als langjähriger Korrespondent der »Kreuzzeitung« um eine Ordensverleihung ersucht. Goltz an Bismarck, Paris, 21.10.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9091. Das zeigt, dass auch die anderen deutschen Staaten Kontakte zur Presse pflegten. Eine genauere Untersuchung wäre wünschenswert, kann aber im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Ibid. Wer diese wenigen Ausnahmen waren, ob französische Redakteure oder deutsche Korrespondenten, und in welcher Form sich diese Beziehungen vollzogen, geht aus den Akten nicht hervor.
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ersten Ranges wohl eher als unzumutbar empfunden und auch von der Zentrale in Berlin nicht eingefordert307 . Übrigens hielt von der Goltz wenig von Schöler und seinen Korrespondenzen und wünschte aufgrund seiner Stellung »zwischen beiden Mächten«, nicht mit der »Kreuzzeitung« in Verbindung gebracht zu werden, weil deren Haltung der französischen Regierung gegenüber feindselig sei308 . Dieser Vorbehalt deutet an, dass es in der Pressearbeit nicht allein und nicht einmal in erster Linie um die öffentliche Meinung in Deutschland ging, sondern dass deutsche Zeitungen vielmehr als eine Art informeller, direkte diplomatische Beziehungen ergänzender Kommunikationskanal zu den Regierungen des Auslands angesehen wurden309 . In den folgenden Jahren gelang es Schöler offenbar doch noch, ein gutes Verhältnis zur deutschen Botschaft aufzubauen, denn Botschaftsrat Eberhard Graf zu Solms-Sonnenwalde bediente sich Anfang 1869 der Vermittlung des ihm »befreundeten Correspondenten«, den er für einen »sehr zuverlässigen Mann« hielt, um Einfluss auf die »Patrie« zu erlangen310 . Sein Wert resultierte also wiederum weniger aus seiner Wirkung in der deutschen Presse als aus seiner Vermittlerrolle zur französischen. Anfangsschwierigkeiten mit der deutschen Botschaft hatte auch der Pariser Korrespondent der KöZ, Arthur Levysohn, der später als langjähriger Chefredakteur des BT bekannt wurde. Levysohn hatte einige Zeit in Stockholm als Buchhändler gearbeitet und für den neuen preußischen Gesandten Adalbert von Rosenberg die schwedische Presse ausgewertet, bis dieser das Schwedische selbst ausreichend beherrschte. Als Levysohn im Oktober 1865 von der KöZ als Korrespondent nach Paris gesandt wurde, bat er Rosenberg, ihm bei der »Anbahnung eines [. . . ] Zusammengehens« mit den Repräsentanten des preußischen Staates behilflich zu sein. Bei seinem ersten Aufenthalt in Paris habe er sich gewundert, »wie wenig Beachtung im Allgemeinen die Repräsentanten der großen Presse seitens der Faktoren zu Theil wird, welchen beispielsweise in der französischen Hauptstadt die Vertretung der Interessen des Preuß. Staates obliegt«. Dagegen setzte er als positives Gegenbild »den Standpunkt der österreichischen Diplomatie [. . . ], welche es so wohl versteht, auch diejenige Presse im Interesse ihres Staates zu verwenden, die sonst vielleicht nicht consequent alle politischen Anschauungspunkte und selbst Prinzipien mit ihr gemein hat«311 . Rosenberg, der Levysohns Fähigkeiten schätzte, verwies ihn an den Pariser Presseagenten Felix Bamberg, weil er den Botschafter selbst mit dieser 307
308 309 310 311
Hierzu auch N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, S. 128–139. Botschafter Karl von Werther verweigerte den Kontakt zur Presse, und auch sein Nachfolger Reuß empfand die »unbegreiflichen Indiscretionen« der Presse als störend: Reuß an Bismarck, Wien, 28.4.1888, PA AA, RZ 201, Österreich 88 Nr. 1, R 8789. Goltz an Bismarck, Paris, 21.10.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9091. Hierzu etwa S, Diplomatie von Angesicht zu Angesicht, S. 21. Solms an Bismarck, Paris, 4.2.1869, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 5, R 4. Arthur Levysohn an Adalbert von Rosenberg, Grünberg, 3.10.1865, Abschrift, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1.
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Angelegenheit nicht behelligen wollte312 . Auch Bamberg stellte keinen Kontakt zur Botschaft her, und ohne Empfehlung mochte sich Levysohn offenbar nicht an diese wenden. Von der Goltz wiederum drückte sein Unverständnis darüber aus, dass sich keiner der Korrespondenten des Kölner Blattes »zuverlässige Nachrichten« in der preußischen Botschaft holte, sondern die österreichische Botschaft oder das französische Außenministerium als Quellen nutzte313 . Auch schrieb er den Pariser Depeschen »eine besonders übelwollende Haltung« gegen seine Person zu und regte an, bei der Redaktion zu intervenieren, um entweder die Pariser Korrespondenten auszutauschen oder »den vorhandenen eine tactvollere und patriotische Haltung zu empfehlen, insbesondere sie aber anzuweisen sich mit der Königlichen Botschaft in Verbindung zu setzen«314 . Auf Metzels Anfrage hin erklärte ein Vertreter der Zeitung, man sei gern bereit, Levysohn zu beauftragen, sich mit der Botschaft in Verbindung zu setzen, »wenn sie die Gewißheit hätten, daß der Levyson [sic] auf der Botschaft nicht eine unfreundliche Aufnahme fände«315 . Levysohns Befürchtung einer demütigenden Abweisung scheint nicht ganz aus der Luft gegriffen, denn Goltz hatte sich auch nach Bambergs Fürsprache geweigert, ihn zu einem Botschaftsfest einzuladen. Während er diese Gelegenheit verstreichen ließ, den Pariser Vertreter einer großen deutschen Zeitung, die noch dazu mit dem Auswärtigen Amt in enger Verbindung stand, der Botschaft gegenüber günstig zu stimmen, lud er den französischen Schriftsteller Ernest Feydeau schlicht deshalb ein, weil dessen hübsche Frau ein gern gesehener Gast in den Pariser Salons war316 . Damit bewies von der Goltz ein wenig ausgeprägtes Fingerspitzengefühl im Umgang mit einem Journalisten, der sich dank seiner Zugehörigkeit zur KöZ der Elite seines Berufsstands zurechnen durfte. Die Beziehung zu einem Journalisten, der sich als Vertreter »eines großen und unabhängigen Blattes« verstand und diese Unabhängigkeit durch ein »Zusammengehen« mit den offiziellen Vertretern Preußens nicht geschmälert sehen wollte317 , dürfte auch durch die Erwartung des Botschafters erschwert worden sein, dass eine Verbindung zu Levysohn an die Bedingung geknüpft würde, »daß ich eine Bürgschaft hätte, daß seine Correspondenzen ausschließlich 312 313
314 315
316
317
Rosenberg an Bismarck, Stockholm, 12.1.1866, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Goltz an Bismarck, Paris, 17.7.1867, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 3, R 2. Dahinter scheint die Vorstellung zu stehen, dass die Journalisten ganz automatisch die Perspektive ihrer Quellen übernahmen. Ibid. Thile an Solms, Berlin, 2.8.1867, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 3, R 2. Ähnlich Metzel an Thile, Berlin, 1.8.1867, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 3, R 2. Möglicherweise spielten dabei auch Levysohns jüdische Herkunft und die Befürchtung antisemitischer Ressentiments seitens des Botschaftspersonals eine Rolle. Goltz an Bismarck, Paris, 1.2.1866, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Zu den Beziehungen der KöZ zum Auswärtigen Amt R, Journalismus als Beruf, S. 327f.; G, Pressekriege, S. 53. Arthur Levysohn an Adalbert von Rosenberg, Grünberg, 3.10.1865, Abschrift, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1.
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in meinem Sinne abgefaßt« würden318 . Entsprechend dieser Maxime hatte von der Goltz seinen Presseagenten Bamberg veranlasst, die Beziehungen zur KöZ abzubrechen, als diese eine in seinen Augen »unpatriotische Haltung« annahm319 . Als er anderthalb Jahre später wieder mehr Einfluss auf das Blatt wünschte, weil »der Pariser Artikel der ›Kölnischen Zeitung‹ in neuester Zeit sehr heruntergekommen« sei sowie auf »falschen, völlig aus der Luft gegriffenen Nachrichten« basierte, veranlasste er Bamberg, die Verbindung wieder aufleben zu lassen. Das Blatt verwies jedoch darauf, dass es nun einen eigenen Korrespondenten in Paris habe, und verweigerte die Aufnahme von Artikeln320 . Die hinter von der Goltz’ Umgang mit der KöZ stehende Haltung der Presse gegenüber ist für die 1850er und 1860er Jahre durchaus symptomatisch. Aus Perspektive der deutschen staatlichen Akteure lag die vornehmliche Aufgabe der Zeitungen darin, ihre Politik zu unterstützen. Berichterstattung wurde dann als gut und richtig angesehen, wenn sie die eigene Sichtweise wiedergab. Deshalb stand von der Goltz Levysohns Recherchepraxis, die sich routinemäßig verschiedener Quellen bediente, mit Befremden gegenüber. Die richtigen Nachrichten beziehungsweise die Wahrheit konnte in seinen Augen nur die preußische Botschaft liefern. Sein Anspruch, dass die Pariser Nachrichten nur noch in seinem Sinne verfasst werden sollten, wenn er mit dem Korrespondenten direkt kommunizierte, verdeutlicht darüber hinaus sein mechanistisches Verständnis von der Presse, die er offenbar als einen Apparat betrachtete, der Informationen genau so in einen gedruckten Artikel verwandelte, wie sie ihm eingegeben wurden.321 Nachdem Eberhardt Graf zu Solms-Sonnenwalde 1868 aufgrund von der Goltz’ schwerer Erkrankung zum Geschäftsträger in Paris ernannt worden war, veränderte sich das Verhältnis der Botschaft zu Arthur Levysohn: Seit Februar 1869 diente er Solms als »Fühler« und Vermittler zur französischen Presse, um »den auf die Herbeiführung eines Krieges abzielenden Wühlereien entgegenzuarbeiten«, wofür Levysohn monatlich 500 Franc aus der Botschaftskasse bezog322 . Die Redaktion der KöZ wusste von diesem Arrangement nichts323 . Solms war schon als Botschaftsrat unter von der Goltz für die Presseangelegenheiten der Botschaft zuständig gewesen und pflegte den Kontakt zu mehreren Journalisten324 . Die veränderte Haltung der Botschaft 318 319 320 321
322 323 324
Goltz an Bismarck, Paris, 27.12.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Ibid. Ibid. Auch nach der Jahrhundertwende war das Öffentlichkeitsverständnis der Akteure der deutschen Außenpolitik von der Annahme geprägt, dass die Presse sich steuern lasse und auch andere Gesellschaften von der »Richtigkeit« der deutschen Politik überzeugt werden könnten: W, »Moralische Eroberungen«, verdichtet auf S. 326f. Solms an Bismarck, Paris, 10.2.1869, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 5, R 4, sowie PA AA, RAV Paris, 416b; PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 6, R 5. N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, S. 46. Thile an Solms, Berlin, 2.8.1867, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 3, R 2, sowie
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gegenüber der Presse war sicher nicht allein dem Personalwechsel geschuldet, sondern wurde auch von der Zentrale in Berlin begünstigt, die wieder mehr Einflussnahme auf die französische Presse wünschte325 . Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Einwirkung auf die Presse nicht kontinuierlich, sondern abhängig von der Einschätzung der internationalen Lage und den Bedürfnissen der preußischen Europapolitik gestaltet wurde. Beziehungen zu Auslandskorrespondenten sind selten dokumentiert und beruhten auf der Bedingung gefälliger Berichterstattung. Auch nach der Reichsgründung hielt das Auswärtige Amt zunächst an einer sporadischen, am aktuellen Bedarf orientierten aktiven Pressepolitik fest. Der Umfang der Presseakten blieb vergleichsweise gering, die Arbeit des Pressereferenten im Auswärtigen Amt bestand vor allem in der Auswertung der in- und ausländischen Presse. Direkte Kontakte zu Journalisten waren selten, zu Auslandskorrespondenten sind diese in den ersten beiden Dekaden nach der Reichsgründung nicht belegt326 . Die Außenpolitik des saturierten Deutschen Reichs bedurfte laut Staatssekretär Hermann Ludwig von Balan – der hier nur Bismarcks Ansicht wiedergab – in London oder Wien keiner pressepolitischen Begleitung mehr: »Seit der Wiederherstellung des guten Vernehmens haben wir keine Verbindung mit oesterreichischen Blättern und auch kein Bedürfnis[,] eine solche zu etabliren«327 , und auch die Botschaft in London erhielt keine Mittel mehr für die Pressearbeit328 . In Paris dagegen wurden die für Presseangelegenheiten bewilligten Mittel im Laufe der 1870er Jahre zunächst erhöht, um der Stimmung für einen Revanchekrieg entgegenzuarbeiten329 . Die pressepolitischen Aktivitäten der Botschaft blieben wiederum auf die französische Presse fokussiert, und auch die Aufgaben der beiden Presseagenten Wolheim da Fonseca und Albert
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passim in PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 5, R 4; auch N, Bismarcks auswärtige Pressepolitik, S. 41. Bismarck an Solms, Berlin, 19.1.1869, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 3, R 3. Bismarck forderte Solms ausdrücklich zu direkten Beziehungen zur Presse auf, allerdings ging es ihm um die französischen und nicht um die deutschen Blätter. Auch die Londoner Botschaft intensivierte ihre Pressearbeit: passim, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 5, R 4. Zur Tätigkeit der Pressereferenten im Auswärtigen Amt F-F, Bismarcks Pressepolitik, zur Pressepolitik Heinz Alfred P, Bismarcks »Einflussnahme« auf die Staatsform in Frankreich, 1871–1877. Zum Problem des Stellenwerts von Pressepolitik im Rahmen der auswärtigen Beziehungen, Frankfurt a. M. u. a. 1984. Diese Periode wurde eher selten bearbeitet, der Fokus der Forschung liegt eindeutig auf Bismarcks Pressepolitik bis 1871 und auf der Zeit nach 1890. Balan an Schweinitz, Berlin, 26.9.1873, PA AA, RAV Wien, A XV, Nr. 7. Bernhard E. von Bülow an Philipsborn, Gastein, 22.7.1875, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 9, R 8. Auch die deutsche Regierungspresse wurde in dieser Zeit weitgehend aufgelöst: Eberhard N, Bismarck und die Organisation der Regierungspresse, in: Historische Zeitschrift 205 (1967), S. 46–80, hier S. 78. Bülow an Hohenlohe, Berlin, 29.12.1879, PA AA, RAV Paris, 17. Siehe auch N, Bismarck und die Organisation, S. 76.
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Beckmann verwiesen in erster Linie auf dieses Ziel330 . Beide arbeiteten zwar auch als Korrespondenten deutscher Zeitungen, ausschlaggebend für ihre Anstellung waren aber ihre Vertrautheit mit »dem hiesigen Terrain« sowie ihre Verbindungen zur Pariser Presse und zu französischen Parteien331 , auch wenn der deutsche Botschafter in Paris, Harry von Arnim, unter dem Eindruck des Ausgangs des vergangenen Krieges für einen anderen Schwerpunkt plädierte: Im Allgemeinen dürfte es weniger darauf ankommen, die Franzosen über uns zu belehren, [. . . ] als darauf, den Rest der Welt über die Franzosen aufzuklären. Was die Franzosen von uns sagen ist vor der Hand gleichgültig. Das Hauptaugenmerk dürfte daher darauf zu richten sein, daß man die Correspondenten großer deutscher, oesterreichischer und italienischer Zeitungen bei [der] Hand nimmt und dafür sorgt, daß dieselben, namentlich die deutschen Zeitungen gute Correspondenten hier haben, welche gleich den Englischen in der besseren Gesellschaft Zutritt finden332 .
Mit dieser Einschätzung stand Arnim offenbar ziemlich alleine da, denn weder ist eine Antwort darauf überliefert, noch änderten sich die Koordinaten der Pressepolitik. Allerdings wies ein im Dezember 1872 in Berlin gefertigter Bericht ausdrücklich auf den Einfluss der Pariser Korrespondenten verschiedener deutscher Blätter hin: Zwar folge die »Spenersche Zeitung« meist den »Winken in Betreff der auswärtigen Politik der Kaiserlichen Regierung«, unterliege aber auch dem Einfluss ihres Pariser Korrespondenten Landsberg, dessen Berichterstattung abweichend von der »vorgezeichneten Linie strenger Unparteilichkeit« Kritik am französischen Präsidenten Adolphe Thiers geübt habe, und auch die diesem gegenüber feindselige Haltung der NZ wurde auf die Briefe ihres Korrespondenten Beckmann zurückgeführt333 . Auch im Auswärtigen Amt wurden die Korrespondenten also durchaus als einflussreiche Akteure anerkannt; es sind jedoch zunächst keine Versuche überliefert, diese direkt zu beeinflussen, weder wurden solche in den Berichten aus London, Paris oder Wien thematisiert, noch ergingen entsprechende Erlasse. Gerade im Falle der Pariser Botschaft ist aber die Einwirkung auf deutsche Auslandskorrespondenten nicht ganz auszuschließen. Hinsichtlich ihres pressepolitischen Vorgehens besaß die Botschaft durchaus Gestaltungskraft, denn obwohl Lothar Bucher, Pressereferent des Auswärtigen Amts und selbst einige Zeit Londoner Korrespondent der NZ, Beckmanns Entlassung empfahl, weil dieser »nicht nur überflüssig, sondern als Correspondent der National-Zeitung 330
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Das traf auch 1880 noch zu, als Limburg Stirum gegenüber dem Geschäftsträger Max von Thielmann behauptete, dass »die kaiserliche Regierung principiell keinerlei Beziehungen zu fremden Zeitungen unterhält«, Limburg Stirum an Thielmann, Berlin, 17.11.1880, PA AA, RAV Paris, 17. Vortrag betreffend Persönlichkeit und Verhältnisse der für die kais. Mission thätigen Agenten. Paris, 21.9.1871, PA AA, RAV Paris, 17. Arnim an Bismarck, Paris, 21.9.1871, PA AA, RAV Paris, 17. 1874 wurde er abberufen und schließlich gerichtlich verurteilt, weil er geheime Dokumente an die Presse weitergeleitet hatte, kurz dazu K, Deutsche Presse, S. 236f. Ungezeichneter Bericht Berlin, 9.12.1872, PA AA, RZ 201, Frankreich 77, Bd. 1, R 6449.
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in Opposition gegen die Politik der Regierung gewesen« sei334 , und obwohl Mitte der 1870er Jahre der Presseetat stark gekürzt werden musste, erhielt Beckmann weiterhin eine monatliche Subvention von 1000 Franc335 . Allerdings verschob sich offenbar der Schwerpunkt von Beckmanns Tätigkeit336 : Als Bismarck das Kosten-Nutzen-Verhältnis der Subvention in Zweifel zog – er war der Ansicht, dass die Pariser Korrespondenzen in den deutschen Zeitungen »kaum einen merklichen Einfluß« ausübten und die Einschaltungen in der NAZ wirkungsvoller seien – und diese zum 1. Oktober 1884 einstellen wollte337 , versicherte Botschafter Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, Beckmann sei noch genauso nützlich wie zu Beginn seiner Tätigkeit. Anders als Arnim 1871 argumentierte Hohenlohe aber nicht mehr allein mit Beckmanns Vermittlerrolle zur französischen Presse, sondern gab als zweite Funktion dieser Verbindung an, »den Pariser Korrespondenten der ›Nationalzeitung‹ in ein Abhängigkeitsverhältniß zur Botschaft zu stellen und dadurch zu verhindern, daß die Korrespondenzen in der genannten Zeitung in einer den Intentionen der kais. Regierung zuwiderlaufenden Weise redigirt werden. In dieser Beziehung dürfte der Zweck erreicht worden sein«338 . Beckmann, der bis zu seinem Tod 1894 Pariser Korrespondent der NZ blieb, bezog nicht nur weiterhin monatliche Zahlungen aus dem Pressefonds der Botschaft, sondern auch einen Zuschuss zu einem Kuraufenthalt; nach seinem Tod würdigte auch Hohenlohes Nachfolger Georg Herbert zu Münster Beckmanns Leistungen für die Botschaft und erwirkte eine jährliche Pension von 3000 Mark aus der Kasse des Auswärtigen Amtes für dessen Witwe339 . Der Korrespondent Beckmann hatte in Paris mehr als zwei Jahrzehnte lang für drei verschiedene Botschafter gearbeitet und steht damit für einen Ansatz kontinuierlicher Pressepolitik. Die Fokussierung der auswärtigen Pressepolitik auf Paris stand im Einklang mit Bismarcks außenpolitischen Zielen und sollte dazu beitragen, eine Revanchekriegsstimmung in der französischen öffentlichen Meinung zu verhindern340 . Die Konzentration pressepolitischer Maßnahmen auf die deutsche Botschaft in Paris bzw. die französische Presse bestand auch in den 1880er und 334 335
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Ibid. Bismarck an Hohenlohe, Varzin, 17.7.1884, PA AA, RAV Paris, 17; die Mittel stammten großenteils aus dem Welfenfonds, aus dem gegen Ende der 1870er Jahre zunehmend andere Ausgaben bestritten werden mussten, siehe z. B. K, Deutsche Presse, S. 238f. Wann und warum, lässt sich nicht nachvollziehen. Möglicherweise schon mit dem Wechsel des Botschafters 1874, vielleicht aber auch erst Ende der 1870er/Anfang der 1880er Jahre unter dem Eindruck der steigenden Relevanz der Auslandskorrespondenten für die Zeitungen. Bismarck an Hohenlohe, Varzin, 17.7.1884, PA AA, RAV Paris, 17. Hohenlohe an Bismarck, Paris, 10.7.1884, PA AA, RAV Paris, 17. Caprivi an Münster, Berlin, 4.7.1894, PA AA, RAV Paris, 17. Zusätzlich erhielt Beckmanns Witwe auch von der NZ eine geringe Pension: Koebner (NZ) an Münster, Berlin, 7.6.1894, PA AA, RAV Paris, 17. Etwa P, Bismarcks »Einflussnahme«.
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1890er Jahren fort. Auch die Praxis, journalistische Vertrauensmänner bzw. Presseagenten für die Botschaft zu gewinnen, unterstreicht den Vorrang der französischen Presse im Rahmen von Bismarcks auswärtiger Pressepolitik. Nach dem kurzen Intermezzo Theodor Fontanes in London ist in den Akten dort kein Verbindungsmann zur Presse mehr nachweisbar, auch in Wien scheint es zunächst keinen gegeben zu haben. In Paris dagegen bezahlte die deutsche Botschaft neben Beckmann noch mindestens drei weitere Journalisten, die Kontakte zu französischen Zeitungen oder der Agence Havas herstellen sollten341 . Außerdem stattete Botschafter Hohenlohe den Korrespondenten der »Post«, Johannes Stuht, mit einem zinslosen Darlehen aus, so dass dieser 1882 Emil Landsbergs Korrespondenzbüro kaufen konnte, damit dieses nicht in die Hände des »sozialdemokratischen Agitators« Hirsch, dem Pariser Korrespondenten der FZ, gelangte342 . Diese durch Beckmann eingefädelte Verbindung zeigt, dass das Interesse der Botschaft an der Frankreich-Berichterstattung deutscher Zeitungen wuchs und dass die deutschen außenpolitischen Akteure nicht mehr allein auf die Zeitungsredaktionen einzuwirken versuchten, sondern auch deren Nachrichtenquellen in den Blick nahmen. Da die Botschaft mehrere ihrer Presseagenten aus den Reihen der deutschen Auslandskorrespondenten rekrutierte, muss ihr deren Identität zumindest in einigen Fällen bekannt gewesen sein343 . Bei der Verpflichtung der Presseagenten war dennoch weniger deren Eigenschaft als Korrespondenten deutscher Zeitungen ausschlaggebend als vielmehr ihre Vernetzung vor Ort. So waren Beckmanns wichtigste Qualifikationen seine »langjährigen Beziehungen zur Pariser Journalistenwelt«344 und sein bemerkenswertes Gedächtnis, das ihn »zu einem brauchbaren Nachschlagebuch für die Antecedentien der französischen Staatsmänner und Zeitungsschreiber« mache345 . Allerdings bescheinigte ihm Botschaftsrat Max F. G. von Thielmann einen »wenig achtbare[n] Charakter«, »grenzenlose Indiscretion« und geringe Wahrheitsliebe, weshalb ihm von der Botschaft auch keine vertraulichen Nachrichten zugingen346 . Wiederholt kam es zu Konflikten zwischen Beckmann und der Botschaft, die mehrmals drohte, ihm die Vorteile, welche ihm seine Dienste verschafften, zu entziehen. Diese Differenzen entstanden nicht nur, weil er gelegentlich die Instruktionen der Botschaft bezüglich seiner Berichterstattung an die NZ ignorierte, sondern auch, weil er sich Indiskretionen zuschulden kommen 341
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Das waren Wolheim da Fonseca, Edouard Simon und Florian Pharao: Vortrag betreffend Persönlichkeit und Verhältnisse der für die kais. Botschaft thätigen Agenten, Paris, 21.9.1871, sowie Lindau an Hohenlohe, Berlin, 30.10.1880, und Hohenlohe an Bülow, Paris, 16.12.1876, alle PA AA, RAV Paris, 17; Arthur L, Aus einer Kaiserzeit. Französische Erinnerungen eines Journalisten, Grünberg 1878, S. 2f. Hohenlohe an Paul von Hatzfeldt, Paris, 23.9.1882, PA AA, RAV Paris, 17. Außer Beckmann arbeitete auch Johannes Stuht zugleich für die Botschaft und als Korrespondent der »Post«. Zu Stuhts Tätigkeit auch P, Bismarcks »Einflussnahme«. Hohenlohe an Bismarck, Paris, 10.7.1884, PA AA, RAV Paris, 17. Thielmann an Bismarck, Paris, 5.1.1882, PA AA, RAV Paris, 17. Ibid.
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ließ347 . Die Sorge der Berliner Zentrale, dass Beckmanns Berichterstattung auf den Botschafter zurückfallen könnte, zeigt, dass die Zusammenarbeit mit dem Korrespondenten der NZ in Paris kein Geheimnis war und man fürchtete, dass die Haltung des Blattes als die des Botschafters interpretiert werden könnte348 . Während der tatsächliche Nutzen Beckmanns jenseits der Informationsbeschaffung weitgehend nebulös bleibt, liegen die Vorteile, die für den Journalisten aus dieser Beziehung resultierten, auf der Hand. Er erlangte dadurch nicht nur den »Credit guter Information« für sich und seine Zeitung, sondern er und seine Familie profitierten auch von dem gesellschaftlichen Prestige, das aus dem Verkehr mit dem Botschaftspersonal erwuchs349 . Allerdings bekam Beckmann mit jedem Konflikt auch seine Abhängigkeit vom Wohlwollen der Botschaft zu spüren. Die deutsche Botschaft in Paris pflegte aber nicht nur Beziehungen zu solchen Korrespondenten, die ihr durch Bezahlung als Presseagenten verpflichtet waren. Spätestens seit Beginn der 1880er Jahre hatte sie auch einige wenige eher informelle Kontakte zu Korrespondenten deutscher Blätter. So erwähnte Botschaftsrat Wilhelm von Schoen im Zusammenhang mit der »Affaire Mühling« ausdrücklich mehrere »regelmäßig auf der Botschaft verkehrende [. . . ] deutsche [. . . ] Journalisten«350 . Da diese wiederkehrenden Begegnungen als Ausdruck von Offiziosität interpretiert wurden und daher die Korrespondenten bei den französischen Behörden in Misskredit bringen konnten, versuchte man, diese möglichst nicht publik werden zu lassen. Als der »Matin« einen Artikel über »Journaux officieux« brachte – angeblich ein Racheakt für die Ausweisung französischer Korrespondenten aus Berlin351 –, in welchem die Korrespondenten der KöZ (von Scheidlein, Cramer und von Huhn), der NZ (Beckmann) und der »Post« (Stuht) als Sprachrohre Bismarcks bzw. der deutschen Botschaft bezeichnet und zur Ausweisung empfohlen wurden, versuchte die Botschaft, den Urheber zu ermitteln. Sie glaubte ihn in Karl Mühling (FZ) gefunden zu haben, der unter den in dem Artikel als unabhängig bezeichneten Korrespondenten aufgrund seiner Unparteilichkeit (»impartialité«) besonders hervorgehoben, aber nicht namentlich genannt wurde und den verschiedene deutsche und französische Journalisten als mögliche Quelle bezeichneten352 . 347 348
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Bülow an Bismarck, Paris, 14.9.1883, Busch an Bülow, Berlin, 13.9.1883, Busch an Bülow, Berlin, 17.9.1883, Aufzeichnung Thielmanns, Paris, 2.9.1882, PA AA, RAV Paris, 17. Auch Verena Steller hält fest, dass Zeitungen von den Akteuren der Außenpolitik genutzt wurden, um »Aufschluss über die Wahrnehmungen und den Deutungshorizont des politischen Gegenübers zu gewinnen«, was impliziert, dass eine Verbindung zu Politikern und Diplomaten unterstellt wurde: S, Diplomatie von Angesicht zu Angesicht, S. 21. Aufzeichnung Thielmanns, Paris, 2.9.1882, PA AA, RAV Paris, 17. Schoen an AA (Lindau?), Paris, 21.9.1888, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1199. Münster an Bismarck, Paris, 25.6.1888, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1199. Mühling war Korrespondent der FZ, deren franzosenfreundliche Haltung der Botschaft ohnehin ein Dorn im Auge war; daneben wurden Max Nordau von der »Vossischen Zeitung« und der Korrespondent des BT, Otto Brandes, genannt. Die übrigen der zahlrei-
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Als der Redakteur des »Deutschen Tageblatts« Pfannkuch diesen Verdacht in seiner Zeitung veröffentlichte, strengte Mühling eine Verleumdungsklage gegen ihn an, was die Angelegenheit zu einer Affäre werden ließ: Die entsprechenden Informationen waren ihm aus dem Auswärtigen Amt zugegangen, wo man sich verärgert zeigte, dass die Botschaft bloße Vermutungen, aber keine Tatsachen gemeldet hatte353 . Der prestigeträchtige direkte Kontakt zur deutschen Botschaft konnte zur Demonstration besonderer Informiertheit und als Nachweis guter Quellen genutzt werden; er brachte die Journalisten aber auch in den Verdacht der Parteinahme für die deutsche Regierung und der Preisgabe ihrer Unparteilichkeit. Ganz unbegründet war dieser Verdacht nicht, denn die deutschen Botschaften unterhielten fast zwei Jahrzehnte nach von der Goltz’ Forderung nach absolut loyaler Berichterstattung Beziehungen nur zu solchen Journalisten, die in ihrem Sinne berichteten. So wurden die Pariser Korrespondenten der »Kreuzzeitung« wie des BT auch 1883 noch grundsätzlich nicht auf der Botschaft empfangen354 . Unter der Kanzlerschaft Leo von Caprivis wurden die pressepolitischen Bemühungen nach innen wie nach außen zunächst weiter eingeschränkt355 . Dennoch deutete sich in den 1890er Jahren eine Aufwertung der Presse und ihrer Vertreter an: Während Bismarck in den 1870er Jahren noch die Devise ausgegeben hatte, dass im Falle der Ausweisung eines deutschen Korrespondenten nichts unternommen werde, um jeden Anschein zu vermeiden, man bestreite das Recht einer anderen Regierung, »einen ihr mißliebigen Ausländer auszuweisen«356 , und auch 1888 noch die Ausweisung ganz selbstverständlich als angemessenes Mittel gegen unerwünschte Berichterstattung angesehen
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chen deutschen Korrespondenten in Paris seien unbedeutend. Der Artikel war motiviert durch die Ausweisung des Berlin-Korrespondenten des Blattes, [. V.], Nos ennemis. Les correspondants parisiens des journaux allemands, in: Le Matin, 23.6.1888, S. 1. Pfannkuch wurde zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er keine Belege erbringen konnte. Otto Brandes, den er als Zeugen benannt hatte, protestierte entrüstet und distanzierte sich deutlich im BT, 30.10.1888, Abend-Ausgabe, S. 2. Bülow an Busch, Paris, 16.9.1883, PA AA, RAV Paris, 17. Auch Beckmann wurde immer wieder mit dem Abbruch der Beziehungen gedroht, wenn seine Berichterstattung das Missfallen der außenpolitischen Akteure erregte. Caprivi an Marschall von Bieberstein, Berlin, 13.4.1890, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1479. Allgemein zu Caprivis Haltung zur Presse auch H, Caprivi und die offiziöse Presse; G, Medien und Politik, S. 56; Gertrud N-G, Das Literarische Büro als Instrument der Pressepolitik, in: Jürgen W (Hg.), Pressepolitik und Propaganda. Historische Studien vom Vormärz bis zum Kalten Krieg, Köln 1997, S. 1–78, hier S. 33; F-F, Bismarcks Pressepolitik, S. 40. Bülow an Dönhoff, Berlin, 21.4.1876, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48; ähnlich auch Bülow an Stolberg, Berlin, 20.5.1876, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48. Im Auftrag des Reichskanzlers erklärte Bülow darin: »Wir haben selbst dieses Recht wiederholt und noch neuerdings angewandt, ohne den Ausgewiesenen die Gründe anzugeben oder uns mit der betreffenden Regierung in eine Erörterung einzulassen und werden uns also um so mehr mit den Aufklärungen begnügen müssen, welche uns die OesterreichischUngarische Regierung aus eigenem Antriebe gegeben hat«.
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wurde357 , plädierte Anfang der 1890er Jahre etwa die deutsche Botschaft in Frankreich vorsichtig für eine Aufschiebung des Ausweisungsbescheids gegen Otto Brandes und setzte sich für die Aussetzung der Ausweisung Eugen von Jagows ein358 . Zwar wurde die Legitimität von Journalistenausweisungen vor dem Ersten Weltkrieg zumindest von den deutschen außenpolitischen Akteuren nicht in Frage gestellt359 , aber es wurde üblich, deutsche Korrespondenten im Ausland zu unterstützen, wenn keine gewichtigen Einwände (etwa politischer Natur oder weil eine kriminelle Handlung den Anlass für die Ausweisung gab) dagegen bestanden. Die Intervention wurde aber sorgfältig abgewogen – so zum Beispiel im Falle des aus Frankreich ausgewiesenen Fritz Stein –, um nicht etwa die Möglichkeit eines »Reziprozitätsverlangens für französische Korrespondenten in Berlin« zu schaffen360 . Eine Veränderung des Umgangs mit den deutschen Auslandskorrespondenten durch das Auswärtige Amt zeigte sich seit der Jahrhundertwende etwa darin, dass das Amt einigen Korrespondenten Empfehlungsschreiben an eine deutsche Botschaft ausstellte. So empfahl Bülow auf Anfrage der Redaktion der MNN deren Londoner Korrespondenten Otto Gaupp an die dortige Botschaft: »[F]alls nichts gegen ihn vorliegt, [kann er] dann und wann auf der Botschaft zur Einholung journalistischer Informationen empfangen werden«361 . Nicht immer war eine regierungsfreundliche Berichterstattung im Sinne des Auswärtigen Amtes dabei eine Voraussetzung. Der Korrespondent der »Hamburger Nachrichten« (HN), Franz Wugk, war zwar für seine scharfe Kritik an der 357
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Reuß an Bismarck, Wien, 1.2.1888, PA AA, RZ 201, England 81 Nr. 3, R5957. Bezeichnend ist eine Randbemerkung Bismarcks darauf: »Die [Gründe für die feindselige Haltung des Wiener Times-Korrespondenten] sind ja ganz gleichgültig, er ist ein Narr auf eigne Hand, aber warum weist man ihn denn nicht aus? Das ist viel eher die Frage«. In diesem Sinne auch Bismarck an Reuß, Berlin, 4.2.1888, PA AA, RZ 201, England 81 Nr. 3, R5957. Zu Jagow siehe Münster an Bülow, Paris, 10.10.1898, PA AA, RAV Paris, 340a+b, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1203. In dem Schreiben ging es um den Aufschub einer aktuellen Ausweisung, Jagow verwies darin aber auch auf einen Ausweisungsbefehl gegen ihn, der im Jahre 1889 nach Fürsprache Münsters ausgesetzt wurde. Zwei Jahre darauf setzte sich das Auswärtige Amt beim französischen Botschafter dafür ein, dass Jagow wieder nach Frankreich einreisen dürfe: Jagow an Bülow, Halensee bei Berlin, 21.7.1900, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1205. Zu Otto Brandes und dem Verhalten der deutschen Behörden zu Journalistenausweisungen auch Kap. II.1.3. Auch das deutsche Auswärtige Amt betrieb immer wieder die Ausweisung ausländischer Journalisten, so etwa die von Wesselitzky, der sich daraufhin in London etablierte und langjähriger Präsident der Foreign Press Association wurde: Marschall von Bieberstein an Metternich, Berlin, 19.5.1892, PA AA, RAV London, 1322. Radowitz hatte daher vorsorglich die Fürsprache für den Korrespondenten der HN und anderer Blätter abgelehnt. Radowitz an Gottlieb von Jagow, Paris, 16.12.1913, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1225. Bülow an Botschaft London, Berlin, 23.4.1899, PA AA, RAV London, 1323–1324. Im gleichen Jahr wurde auch Johannes Tschiedel (»Tägliche Rundschau« und VZ) an die Botschaft Paris empfohlen. Nach 1900 wurden empfohlen: Willy Ruppel, Bernhard Guttmann, Hugo Ganz (FZ); Franz Wugk (HN); Hans Plehn (AZ); Paul Harms, Theodor Wolff vom BT; Grüttefien, für eine ganze Reihe von Zeitungen.
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deutschen Außenpolitik bekannt, wurde der Botschaft Paris aber dennoch empfohlen, weil er als »persönlich zuverlässig« und »durchaus national gesinnt« galt362 . Der Vertreter der FZ in Wien, Willy Ruppel, machte sich nicht nur verdächtig, weil er für ein »Demokratenblatt« schrieb363 , sondern auch wegen seiner Ehe mit einer Amerikanerin; weil er aber eine große Zeitung vertrat und zudem als »persönlich anständig und zuverlässig« galt, wurde das Botschaftspersonal gebeten, ihn zu empfangen364 . Dahinter stand die Strategie, den Korrespondenten durch eine »entgegenkommende [. . . ] Behandlung« für Beeinflussungsversuche empfänglich zu machen365 . Angesichts der weit verbreiteten geringen gesellschaftlichen Wertschätzung deutscher Journalisten leuchten die Erfolgsaussichten einer solchen Charmeoffensive durchaus ein, direkte Belege sind jedoch nur schwerlich zu finden366 . Den Korrespondenten dürfte diese Strategie der Einflussnahme nicht verborgen geblieben sein; im gesamten Untersuchungszeitraum sind immer wieder Beschwerden der Botschaften überliefert, dass die Korrespondenten deutscher Zeitungen sie nicht aufsuchten und ihre Informationen andernorts einzuholen versuchten. Andererseits stand auch zu befürchten, dass die immer selbstbewusster auftretenden Vertreter bedeutender Zeitungen eine unfreundliche Behandlung durch die Diplomaten mit einer ebensolchen Berichterstattung quittierten. Als Hugo von Radolin Theodor Wolff, der einige Jahre Pariser Korrespondent des BT war und Ende 1906 zum Chefredakteur der Zeitung berufen wurde, an einen Freund in Berlin empfahl, hob er nicht nur hervor, dass Wolff ein anständiger, gescheiter Mensch mit unabhängigem Charakter und den besten Intentionen sei, sondern warnte auch vor dessen Empfindlichkeit: Würden etwa bei Hoffestlichkeiten die Vertreter anderer Blätter gegenüber jenen des BT bevorzugt, werde Wolff und mit ihm seine Zeitung verletzt sein367 . Die Vermutung, dass sich durch eine entgegenkommende Behandlung von Journalisten einiges erreichen ließe, der Unmut brüskierter Pressevertreter sich aber oftmals in den Spalten ihrer Zeitung niederschlüge, äußerten auch andere Diplomaten, wie etwa der Botschaftssekretär Freiherr von und zu Bodman. Dieser hatte für die ungeschickte osmanische Pressepolitik nur Kopfschütteln 362 363 364
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Richthofen an Botschaft Paris, Berlin, 25.9.1903, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, Bd. 10, R 1208. So Münster über die FZ: Münster an Bismarck, Paris, 25.6.1888, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1647. AA an Wedel, Berlin, 18.5.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1210. Ähnlich wurde auch bei Mitarbeitern des BT argumentiert, etwa in einer Empfehlung für Harms an die Wiener Botschaft, in der auf dessen innenpolitische »Oppositionsstellung« aufmerksam gemacht und angemessene Vorsicht angemahnt wurde. AA an Tschirschky, Berlin, 26.7.1914, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1227. Hier am Beispiel des neuen Wiener Korrespondenten der FZ: AA an Wedel, Berlin, 15.11.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1210. Die fast schon stereotype Betonung persönlicher Integrität in den Empfehlungsschreiben spricht auch davon, wie sehr an der Redlichkeit des Berufsstands gezweifelt wurde. Briefkonzept Radolin an einen Freund, Paris, 12.11.1906, PA AA, RAV Paris, 342.
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übrig: Die Hohe Pforte beklage sich oft über die »unfreundliche Haltung der auswärtigen Presse. Dabei entblödet man sich aber nicht, die guten und zuverlässigen Elemente unter den hiesigen Korrespondenten durch willkürliche Chikanen vor den Kopf zu stossen«368 . Ein eklatantes Beispiel dafür sei ein »peinlicher Zwischenfall«, bei dem eine Depesche des Korrespondenten der FZ tagelang von der Zensurbehörde aufgehalten worden war und mit einer solchen Verspätung bei der Redaktion eingetroffen sei, dass sie jeden Wert verloren habe. Die Meldung über das Attentat auf den Sultan sei harmlos gewesen und habe dessen Mut hervorgehoben. Der betreffende Journalist (wahrscheinlich Paul Weitz, der in enger Verbindung mit Adolf Marschall von Bieberstein stand)369 beschwerte sich zunächst erfolglos beim Ersten Sekretär des Sultans und schaltete dann die deutsche Botschaft ein, deren Erster Dragoman erklärte, die Botschaft habe den Beschwerden der osmanischen Regierung über die deutsche Presse immer Rechnung getragen. »Wenn [man] aber türkischerseits die guten Elemente und besonders einen so objektiv und wohlwollend über türkische Verhältnisse urteilenden Mann, wie den hiesigen Vertreter der Frankfurter Zeitung in unmotivierter Weise vor den Kopf stosse und schlecht behandle, dürfe man sich nicht wundern, wenn auch diese zu Feinden würden«370 . In Bodmans Bericht schwingt zudem die Vorstellung mit, dass Journalisten in der Ausübung ihres Berufes ein gewisses Recht auf Unterstützung hatten; die osmanische Regierung hatte in seinen Augen selbst Schuld an feindseliger Berichterstattung, wenn sie den Korrespondenten einer großen Zeitung derart brüskierte. Unter der Leitung des presseaffinen Bülow nahmen nicht allein die direkten Kontakte der deutschen Botschaften zu deutschen und ausländischen Journalisten zu, sondern sie folgten auch nicht mehr dem Prinzip des Kontaktes ausschließlich mit regierungsfreundlichen Journalisten371 . Im Zuge der Neuorientierung der deutschen Außenpolitik nach dem Scheitern der Bündnisverhandlungen mit Großbritannien wurde offenbar auch die Strategie der auswärtigen Pressepolitik überarbeitet. Ende Januar 1902 stellte Karl von Lindenau fest, dass Londoner »Vertreter deutscher Zeitungen sich durch die Erscheinungen ihres englischen Milieus unverhältnismäßig stark beeinflussen lassen«, und erbat nähere Angaben »über die Person wie die Wirksamkeit der dortigen deutschen Zeitungskorrespondenten, besonders auch über ihr Verhältnis zur Botschaft und über die Möglichkeit, beruhigend auf sie einzuwirken«372 . Das lässt einerseits darauf schließen, dass dem Personal in der Wilhelmstraße die deutschen Auslandskorrespondenten nicht bekannt waren 368 369 370 371 372
Bodman an Bülow, Therapia, 6.8.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653. G, Pressekriege, S. 58. Bodman an Bülow, Therapia, 6.8.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653. G, Pressekriege, S. 49. Lindenau an Hatzfeldt, Berlin, 24.1.1902, PA AA, RZ 201, England 73, R 5615.
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II. Rahmungen
und dort auch keine detaillierten Informationen über etwaige Beziehungen der Botschaft zu diesen vorlagen, andererseits scheint Lindenau ganz routiniert davon ausgegangen zu sein, dass solche Beziehungen bestanden. Der Kontakt zu deutschen Journalisten scheint schon um die Jahrhundertwende durchaus zu den alltäglichen Aufgaben der deutschen Auslandsvertretungen gehört zu haben. Während die Direktive im Januar lediglich auf die englische Presse bezogen war, forderte Bülow im Juli alle deutschen Missionen in Europa und Nordamerika zu persönlichen Kontakten mit in- und ausländischen Journalisten am Einsatzort auf: Bei der großen Bedeutung, die der Presse, namentlich der Tagespresse, nicht nur für den Gang der inneren Politik aller Staaten, sondern auch für die internationalen Beziehungen zukommt, genügt es nicht, daß die Missionen die Organe der öffentlichen Meinung in den Ländern ihrer Tätigkeit genau beobachten und über bemerkenswerte Erscheinungen hierher berichten. Vielmehr ist die persönliche Fühlung mit befähigten, gut unterrichteten und zuverlässigen Vertretern der Presse unumgänglich. [. . . ] Dazu gehört, daß nicht nur der Missionschef, sondern nach seinen Direktiven und unter seiner Verantwortung auch die Mitglieder der Mission stetige Verbindung sowohl mit einwandfreien Korrespondenten deutscher Blätter als auch mit den Vertretern der einflußreichen Blätter des Landes unterhalten373 .
Das Zirkular verrät nicht nur, dass Bülow die Journalisten durchaus für Akteure mit einer zwar begrenzten, aber nicht zu vernachlässigenden außenpolitischen Wirksamkeit hielt, sondern legt auch den Schluss nahe, dass nicht alle Missionschefs bereit waren, sich mit Pressevertretern abzugeben, denn in dem Zirkular bezeichnete er die Pflege der Beziehungen zur Presse als wichtigen Teil der Aufgabe der deutschen Repräsentanten im Ausland, zu der sie ihr Patriotismus verpflichte. Ganz ohne Appell an ein höheres Gut glaubte er die Fühlung zu Journalisten und Korrespondenten offenbar nicht von seinen Botschaftern verlangen zu können374 . In dieser generalisierenden Form war die Einbeziehung der deutschen Auslandskorrespondenten in die pressepolitischen Maßnahmen des Auswärtigen Amtes durchaus neu. Außer dem nicht unumstrittenen Versuch, die Beckmann’schen Depeschen an die NZ zu korrigieren, sind aus den 1880er und 1890er Jahren keine Versuche oder Aufforderungen dokumentiert, auf die deutschen Auslandskorrespondenten einzuwirken. Dass die Botschaften auch in dieser Zeit Kontakte zu einzelnen deutschen Korrespondenten unterhielten, steht fest; allerdings lässt sich kaum
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Zirkularerlass Bülows an die Chefs sämtlicher deutscher Missionen in Europa und die Botschaft Washington, Berlin, 11.7.1902, PA AA, RZ 201, England 73, R 5616, auch in PA AA, RAV Paris, 341. Vom Botschafter in London Metternich ist die Aussage überliefert, alle Journalisten seien »Schweinehunde«; derart drastisch teilten die Diplomaten ihre Geringschätzung von Pressevertretern sonst aber nicht mit: Bericht Pipers, London, 2.10.1902, PA AA, RZ 201, Deutschland 122, Nr. 3, Bd. 10, R 1208.
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eine belastbare Aussage machen, auf welche Weise oder auch nur mit wem sich diese Beziehungen vollzogen375 . Im Kontakt mit den Auslandskorrespondenten deutscher Zeitungen hatten die Botschaften eine Schlüsselstellung inne. Sie knüpften ihre Kontakte zu den deutschen Auslandskorrespondenten nur selten über die Vermittlung der Berliner Zentrale an.376 Die wenigsten der Empfohlenen scheinen dauerhaft Zugang zur Botschaft gefunden oder gesucht zu haben; die Korrespondenten wiederum, die mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf der Botschaft verkehrten, wurden dem Amt meist nur aus den Botschaftsberichten bekannt. Die Reaktion der einzelnen Botschaften auf die Revision der pressepolitischen Prämissen durch das Auswärtige Amt im Jahr 1902 fiel durchaus unterschiedlich aus. Die Londoner Botschaft benötigte nur wenige Tage für die verlangte Übersicht ihrer Pressebeziehungen und konnte nach Berlin berichten, dass Legationsrat Hermann von Eckardstein schon »seit langer Zeit auf die Vertreter der deutschen und englischen Presse, soweit wie möglich, einen günstigen und in vielen Fällen einen erfolgreichen Einfluß auszuüben« versuche377 . Von den mindestens neun deutschen Auslandskorrespondenten, die 1902 aus London berichteten, wurden aber nur vier auf der Botschaft empfangen. Botschafter Paul von Wolff-Metternich selbst hatte direkten Kontakt lediglich zu Max Piper, der für den HC und das WTB arbeitete, sowie zu Hans Esser von der KöZ. Der Zugang zum Botschafter persönlich belegt die besondere Wertschätzung, die diese beiden Journalisten genossen und die sich auch aus dem besonderen Verhältnis der von Piper und Esser vertretenen Organe zu den Akteuren der deutschen Außenpolitik speiste378 . Der frühere Hauptmann Piper war zudem der journalistische Vertrauensmann der Botschaft und versorgte diese und das Auswärtige Amt regelmäßig mit vertraulichen Berichten über die Londoner Journalistenwelt oder versuchte im Sinne der Botschaft auf britische Zeitungen einzuwirken379 . Als das WTB Piper nach Berlin versetzte, wurde Hans Plehn 375
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So berichtete etwa Reuß an das Auswärtige Amt, der Times-Korrespondent James Brinsley Richards habe einen deutschen Korrespondenten um Empfehlungen nach Berlin gebeten; offenbar hatte eben dieser deutsche Journalist ihm davon berichtet; um wen es sich handelte und in welcher Beziehung er zur Botschaft stand, ist nicht erkennbar. Wien, 1.10.1891, Reuß an Caprivi, PA AA, RZ 201, England 81 Nr. 3, R 5958. Dies deckt sich mit dem Befund Wroblewskis, dass die deutschen Diplomaten ihren Umgang mit der Presse weitgehend autonom gestalten konnten: W, »Moralische Eroberungen«, S. 318. Metternich an Bülow, London, 31.1.1902, PA AA, RZ 201, England 73, R 5615 (Hervorh. i. O.). Die KöZ und besonders ihre Berliner Vertreter standen in einem privilegierten Verhältnis zum Auswärtigen Amt, das WTB stand seit 1865 unter dem Einfluss der Regierung, aus seinen Reihen wurden oftmals die Vertrauensmänner der Botschaften rekrutiert, dazu u. a. G, Pressekriege, S. 53; R, Journalismus als Beruf, S. 327–338, sowie K, Deutsche Presse, S. 232. Schoen an Metternich, Berlin, 2.11.1909, PA AA, RAV London, 1330–1331 sowie passim in PA AA, RAV London und England 73. Für seine Tätigkeit für das österreichische
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II. Rahmungen
für beide Stellen als sein Nachfolger ausgewählt380 . Die Anstellung solcher Vertrauensmänner scheint sich bewährt zu haben, denn Hammann bezeichnete sie 1908 in einer Denkschrift als ein »besseres und würdigeres Mittel, das Gewollte zu erreichen, als die Bearbeitung der Auslandspresse durch Geld, die in England überhaupt unmöglich ist und in anderen Ländern selten mehr als kurzlebige und zweifelhafte Resultate aufweisen kann«381 . Regelmäßig auf die Botschaft kamen außer den bereits genannten Korrespondenten auch Richard Otto (FZ), »ebenfalls ein begabter und zuverlässiger Correspondent«, sowie der Vertreter einer ganzen Reihe von Provinzzeitungen, Gustav Krause, der zwar als verlässlich und achtbar geschätzt wurde, dessen alldeutsche Ansichten dem Ziel einer deutsch-englischen Annäherung aber entgegenstanden und Metternich daher ungelegen waren. Dem etwas weniger günstigen Urteil über diese Herren und ihre Zeitungen entsprechend hatten sie keinen direkten Zugang zu Metternich, sondern wurden von Legationsrat Eckardstein empfangen. Die übrigen deutschen Auslandskorrespondenten, die 1902 aus London berichteten, wurden in dem Bericht nicht erwähnt und offenbar auch nicht empfangen382 . Als Eckardstein aus der Botschaft ausschied, lagen deren Pressebeziehungen anscheinend zunächst brach, denn Bülow ermahnte Metternich, »die so wichtigen Beziehungen unserer Botschaft zur Presse mit besonderer Sorgfalt behandeln und pflegen zu wollen«383 . Auch sah er sich bemüßigt, dem Botschafter noch einmal zu erläutern, dass er darunter »einmal die Gewinnung der dort wirkenden deutschen Preßvertreter für die Interessen der Botschaft, [. . . ] sodann aber auch die Anknüpfung von Verbindungen mit englischen Blättern« verstehe, und empfahl ihm für diese Aufgabe den neuen Legationsrat Johann Heinrich von Bernstorff384 . Diesen hatte Bülow angeblich eigens deshalb für den Posten ausgewählt, weil er in München sein Geschick im Umgang mit Journalisten bewiesen hatte385 . Bernstorff weitete die Beziehungen der Botschaft zu deutschen Korrespondenten aus, er empfing zusätzlich die Vertreter des BT, des »Berliner Lokal-Anzeigers«, der VZ und der Bremer »Weser-Zeitung«386 . Die deutsche Presse scheint Bernstorff dennoch vor allem deshalb interessiert
380 381 382
383 384 385 386
Ministerium des Äußern AT-OeStA/HHStA PL 311; Personalakten, AT-OeStA/HHStA PL 270; Privatschreiben 1909, AT-OeStA/HHStA PL 239. Schoen an Metternich, Berlin, 2.11.1909, PA AA, RAV London, 1330–1331, sowie passim in PA AA, RAV London, England 73, England 81 Nr. 3 sowie Deutschland 122 Nr. 3. Otto Hammann, Denkschrift, Januar 1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Soweit ermittelbar, waren das Otto Brandes (BT), Max Beer (»Vorwärts«), Otto Gaupp (MNN), Moritz Sasse (VZ), Geza Silberer alias Sil-Vara (Ullstein-Blätter) und Constantin von Zedlitz (»Berliner Lokal-Anzeiger«); es ist wahrscheinlich, dass es noch weitere Korrespondenten gab, die für die mittleren deutschen Provinzzeitungen schrieben. Berlin, 11.12.1902, Bülow an Metternich, PA AA, RZ 201, England 73, R 5616. Ibid. So stellt es zumindest Bernstorff in seinen Erinnerungen dar: Johann Heinrich B, Erinnerungen und Briefe, Zürich 1936, S. 45–47. Bei den genannten deutschen Pressevertretern handelt es sich um Otto Brandes, Carl
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zu haben, weil er deren Echo in den englischen Zeitungen fürchtete. Diesen Eindruck legt zumindest sein Pressebericht vom Januar 1904 nahe: Die Klippe, die es zu umschiffen galt, war ein Ausbruch »wüstester Germanophobie« in der englischen Presse, den er wegen des deutsch-kanadischen Zollstreits erwartete – dies gelang seiner Darstellung nach aufgrund der »konzilianten Haltung der Kaiserlichen Regierung und der verständigen Ruhe unserer Zeitungen«, denn die »hiesigen Korrespondenten der letzteren [. . . ] ließen sich alle in diesem Sinne beeinflussen«387 . Den Journalisten sei viel an der Fühlung mit der Botschaft gelegen, denn sie sähen nach den »trüben Erfahrungen, welche unsere Presse mit der während des Burenkrieges entfalteten Zügellosigkeit gemacht hat,« nun ihre Hauptaufgabe darin, »die aufgeregten Wellen zu glätten, und sind daher gern bereit, den Winken zu folgen, die ich ihnen über den Gang unserer Politik geben kann« – sogar, wenn sie dadurch in einen Gegensatz zu ihrer Redaktion gerieten388 . Sehr viel detaillierter beschreibt Bernstorff jedoch seine Bemühungen um die englischen Zeitungen und Journalisten389 . Die deutschen Auslandskorrespondenten waren für ihn vor allem pressepolitische Instrumente, mit deren Hilfe das eigentliche Ziel, eine weniger feindselige Haltung der englischen Presse, erreicht werden sollte390 . Er selbst beurteilte seine Arbeit als durchaus erfolgreich; mit Blick auf den Korrespondenten der »Times« in Berlin, der immer nur »Unangenehmes« bringe, warf er die Frage auf, ob nicht die britische Botschaft eine Veränderung herbeiführen könne, und schloss mit der zufriedenen Feststellung: »Da habe ich doch unsere Korrespondenten hier besser im Zuge«391 . Es ist schwierig, den tatsächlichen Grad der Abhängigkeit der Korrespondenten vom Wohlwollen der Botschaft bzw. ihrer Beeinflussbarkeit zu ermessen; eine Art Selbstkontrolle aus patriotischem Pflichtgefühl heraus dürfte hier sicher eine Rolle gespielt haben, andererseits war aber der Abbruch der Beziehungen keine existentielle Krise392 . Während in London offensichtlich ohne spezielle Aufforderung regelmäßige und intensive Beziehungen zu Journalisten gepflegt wurden, scheint die deutsche Botschaft in Wien erst auf Weisung Bülows in dieser Hinsicht aktiv geworden zu sein. Botschaftssekretär Botho von Wedel berichtete, er habe
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391 392
C. Schardt, Constantin von Zedlitz, August Hornung: Metternich an Bülow, London, 9.1.1904, PA AA, RZ 201, England 73, R 5617. Ibid. Ibid. Die hier wiederum nicht einbezogen werden, weil sie für das eigentliche Thema nicht elementar sind. Für eine gute Darstellung der Verflechtungen und ihrer Rolle in der deutschen Außenpolitik bes. G, Pressekriege; D., »The Foul-Visaged Anti-Christ of Journalism«?, S. 369–389; D., The Public Challenge. Dementsprechend finden sich in seinen Erinnerungen auch nur wenige Namen deutscher Korrespondenten, deren englische Kollegen werden weit häufiger erwähnt. B, Erinnerungen und Briefe. Bernstorff an Hammann, London, 26.1.1904, PA AA, RZ 201, England 73, R 5618. Die Auflage des BT stieg kontinuierlich, auch wenn das Auswärtige Amt den Kontakt zu seinen Korrespondenten 1911 abbrach, siehe S. 186f.
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sich bemüht, »tunlichst persönlich mit den Vertretern und Korrespondenten der bedeutenderen Blätter in Verbindung zu treten«, und habe Kontakt zu den »maßgebenden hiesigen Zeitungen« geknüpft393 , allerdings schätzte er die Erfolgsaussichten wegen der Käuflichkeit der Wiener Presse als eher gering ein. »Die Möglichkeit einer in so hohem Maße wünschenswerten gesunden Einwirkung auf die öffentliche Meinung wird leider durch die eigenartigen hiesigen Preßverhältnisse erschwert, wo die Mehrzahl der Blätter sich weniger von sachlichen Gesichtspunkten leiten läßt, als ihre Haltung dem jeweiligen Geschäftsinteresse unterzuordnen geneigt ist. [W]er am meisten zahlt,« und das sei meistens Russland, der sei des Erfolges sicher394 . Eine wichtige Rolle spielte in der neuen Pressepolitik des Auswärtigen Amtes auch die Person des journalistischen Vertrauensmannes. Wie der frühere Hauptmann Piper in London erfüllte seit 1903 in Wien der Vertreter der HN, Hermann Greiml, die Funktion einer Synapse der Botschaft zur Wiener Journalistenwelt. Die Eigenschaften, die ihn in Wedels Augen für diese Stellung qualifizierten, waren seine Kenntnisse »der hiesigen Preßverhältnisse« und seine »in den journalistischen Kreisen weitverzweigte[n] Verbindungen«395 . Diese dürfte sich Greiml nicht zuletzt als langjähriges Vorstandsmitglied des Wiener Verbands der auswärtigen Presse erschlossen haben: Seit 1884 findet sich sein Name auf der Mitgliederliste, drei Jahre darauf wurde er erstmals Präsident des Vereins und auch 1915 gehörte er dem Vorstand an396 . Wedel nannte ihn zudem einen Mann »von politischem Urteil, königstreuer und anständiger Gesinnung«397 , eine Einschätzung, die auf Greimls langjährigen Beziehungen zur Botschaft fußte, während derer er sich als diskret und vertrauenswürdig erwiesen hatte. Als Bedingung für das Arrangement musste »absolute Geheimhaltung gelten, weil Herr Greiml sonst seinem Blatte gegenüber in eine schiefe Stellung geraten könnte«398 . Auch lag der Wert des journalistischen Vertrauensmannes gerade darin, dass er die Verbindung mit der Botschaft verschleierte, und so schärfte Bülow Wedel ein, auch grundlegende Vereinbarungen mit Greiml immer nur mündlich zu treffen399 . Entsprechend findet sich in den Akten über diese Beziehung nichts als die alljährliche Versicherung an das Auswärtige Amt, Greiml erfülle seine Aufgabe mit »Takt, Diskretion und Geschick«400 . Zentral scheint 393
394 395 396 397 398 399 400
Wedel an Bülow, Wien, 27.12.1902, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1480; Kopien wurden an die Missionen in London, Paris, Petersburg, Madrid, Kopenhagen, Rom, Brüssel, Pest und Pera versandt. Wedel an Bülow, Wien, 27.12.1902, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1480. Wedel an Bülow, Wien, 24.3.1903, PA AA, RZ 201, Österreich Nr. 74 secr., R 8656. Siehe auch den entsprechenden Teil in Kap. I.3. Wedel an Bülow, Wien, 24.3.1903, PA AA, RZ 201, Österreich Nr. 74 secr., R 8656. Ibid. Bülow an Wedel, Berlin, 26.5.1903, PA AA, RZ 201, Österreich Nr. 74 secr., R 8656. So zum Beispiel nach dem ersten Jahr: Wedel an Bülow, Wien, 5.5.1904, PA AA, RZ 201, Österreich Nr. 74 secr., R 8656; ähnlich aber auch im selben Faszikel: Wedel an Bülow, Wien, 3.4.1905, 3.4.1906 sowie 10.5.1907.
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seine Funktion als Verbindungsmann zu Wiener Zeitungsredaktionen gewesen zu sein, als der er nicht nur Einfluss auf deren Haltung nehmen, sondern auch mögliche Hintermänner von Pressekampagnen identifizieren sollte401 . Auch Wedels Nachfolger Heinrich Leonhard von Tschirschky und Bögendorff zeigte sich zufrieden mit den »vorgefundenen Verbindungen mit der österreichischen Presse« sowie mit Greimls Leistungen402 . Für den Journalisten lohnte sich diese Verbindung schon allein in finanzieller Hinsicht, denn zusätzlich zu seinem Korrespondentengehalt erhielt er nun von der deutschen Botschaft ein Jahresgehalt von 3000 Mark. Wahrscheinlich profitierte er auch durch frühere und exklusivere Informationen, belegen lässt sich das allerdings nicht. Auch mit dem Vertreter der KöZ, Johannes Meissner, bestand ein gutes Verhältnis. Er überarbeitete und aktualisierte die Übersicht über die österreichische Presse, die das Auswärtige Amt seit einigen Jahren einforderte, und erhielt von Wedel Anregungen für seine Artikel403 . So ließ er etwa nach einer Unterredung mit dem Botschafter in seine Meldungen eine freundlichere Beurteilung der österreichischen Politik einfließen, die ihm allerdings von der Redaktion wieder herausgestrichen wurde. Da die Redaktionen die letzte Entscheidung über das Gedruckte und die Haltung der Zeitung hatten, bestand immer das Risiko, dass die Einwirkungen der Botschaft auf einen Korrespondenten verpufften; möglicherweise war das Interesse der Politik an den Journalisten im Außendienst aus diesem Grund eher verhalten. Seine bevorstehende Pensionierung, die von der Redaktion ausgehend für April 1905 geplant war, führte Meissner darauf zurück, »daß er den Herren in Köln zu austrophil sei«404 . Allerdings war auch er für Wedel weniger aufgrund seiner Korrespondenzen nützlich, sondern weil er die politischen und journalistischen Kreise genau kannte. Besonders willkommen waren seine Kontakte zur Preßleitung am Ballhausplatz, wo man ihn »im Vertrauen auf sein nicht allzu großes politisches Unterschei401
402
403 404
Auf Ersteres legte Wedel den Schwerpunkt: Wedel an Bülow, Wien, 24.3.1903, PA AA, RZ 201, Österreich Nr. 74 secr., R 8656; den zweiten Punkt nannte Bülow, der wissen wollte, wer hinter den die italienisch-österreichischen Beziehungen störenden »Quertreibereien« der »Neuen Freien Presse« stand: Bülow an Wedel, Berlin, 8.3.1903, PA AA, RVA Wien, Geheimakten, Bd. 30. Tschirschky an Bülow, Wien, 16.7.1908, PA AA, RZ 201, Österreich Nr. 74 sec. Der letzte Nachweis der Zusammenarbeit ist die Bitte Tschirschkys, dem schwerkranken Greiml eine Kur zu ermöglichen und ihm eine Hilfskraft an die Seite zu stellen, was aus Sicht Berlins jedoch Sache der NAZ war, zu welcher der Journalist inzwischen gewechselt war. Tschirschky an Bethmann Hollweg, Wien, 25.6.1914, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2, R 1598. Anmerkungen und Nachträge zu einem Essay über die Wiener Presse von Johannes Meissner, Vertreter der KöZ in Wien, November 1902, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48. Wedel an Bülow, Wien, 1.10.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1210. Zu derselben Einschätzung kam der österreichische Generalkonsul in Köln, Stephan Lippert von Granberg, der aber berichtete, dass die Redaktion schon lange nicht mehr mit dem detailverliebt und weitschweifig schreibenden Journalisten zufrieden gewesen sei. Lippert an Gołuchowski, Köln 4.2.1905, AT-OeStA/HHStA PL 122.
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dungsvermögen« nicht unbedingt den Tatsachen entsprechend informierte, sondern so, wie man es in den deutschen Zeitungen gedruckt sehen wollte405 . Wedel schätzte Meissners »kritiklose« Berichte über diese Zusammenkünfte, weil sie ihm erlaubten, »die im Ministerium herrschenden Anschauungen in ebenso unauffälliger wie willkommener Weise einer doppelten Kontrolle zu unterziehen«406 . Ob diese Kontrolle tatsächlich so unauffällig war, wie Wedel annahm, ist fraglich, vielmehr nutzten die Österreicher den Kontakt wahrscheinlich in genau derselben Weise, denn dem Ministerium des Äußern war schon 1889 Meissners »confidentielle [. . . ] Thätigkeit für die deutsche Botschaft« bekannt407 . Eine finanzielle Verbindung ist nicht nachweisbar und in den deutschen Akten hinterließ er kaum Spuren – vermutlich vollzog sich der Kontakt informell in vertraulichen Gesprächen, deren Essenz in die Botschaftsberichte nach Berlin bzw. die Korrespondenzen nach Köln eingeflossen sein dürfte, ohne dass die exakte Quelle erwähnt wurde. Während sich die Botschaften in Wien und London der Unterstützung durch einen bezahlten journalistischen Vertrauensmann erst etwa seit der Jahrhundertwende versicherten, folgte die Pariser Botschaft einem ähnlichen Konzept durchgehend seit den 1850er Jahren, als Konsul Bamberg als Mittelsmann zu den Pariser Zeitungen herangezogen wurde. Seit Arthur Levysohn erfüllte dann immer ein Auslandskorrespondent diese Rolle. Während die Verbindung zwischen Beckmann und der deutschen Botschaft in Paris ihre Stabilität aus der finanziellen Abhängigkeit des Journalisten zu ziehen schien und mit Misstrauen und Herablassung durchsetzt war, basierten die Beziehungen zu Friedrich Schiff, zunächst Vertreter der Wiener »Neuen Freien Presse« und dann des WTB sowie des TKB, auf Wertschätzung und Vertrauen. Auch Piper, Plehn und Greiml hatten nicht den Status bezahlter Handlanger, sondern waren geschätzte Vertraute, über die niemals despektierlich geschrieben wurde. Der Begriff des Vertrauensmannes lässt sich in den Akten des Auswärtigen Amtes dementsprechend hauptsächlich nach 1900 belegen. Die besondere Verbindung der Pariser Botschaft zu Friedrich Schiff, der nebenbei auch der Vertrauensmann der dortigen österreichischen Botschaft war und den Titel eines österreichischen Regierungsrats trug408 , hatte sich offenbar aus zunächst informellen Beziehungen entwickelt409 und bestand bis zum Ersten Weltkrieg, also über zwanzig Jahre lang. Schiff erschien täglich auf der deutschen Botschaft und hatte wie seine Kollegen in London oder Wien eine doppelte Funktion: einerseits Informationen über andere Journalisten zusammenzutragen, ande-
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409
Wedel an Bülow, Wien, 1.10.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1652. Ibid. Ungezeichneter Bericht, Wien, 15.1.1889, AT-OeStA/HHStA PL 62. Die Verleihung war 1904 zunächst abgelehnt worden, zwei Jahre später gab es dann keine Einwände mehr: Jettel an Khevenhüller, Wien, 3.3.1906, Personalakten, AT-OeStA/HHStA PL 257. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481.
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rerseits Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen410 . Offensichtlich erfolgte die Kommunikation mit ihm wiederum in erster Linie mündlich, denn es sind lediglich seine Berichte über die Pariser Presse überliefert, aber keine Anweisungen oder Aufträge. Radolin war sehr zufrieden mit ihm und meldete nach Berlin, Schiff bilde unter den Pariser Vertretern deutscher Zeitungen »eine Klasse für sich« und leiste der Botschaft »[v]ermöge seiner genauen Kenntnis der hiesigen Verhältnisse, seines Taktes und seiner unbedingten Diskretion [. . . ] ganz vortreffliche Dienste«411 . Auch zu anderen deutschen Auslandskorrespondenten hatte die Pariser Botschaft nicht erst seit dem pressepolitischen Runderlass vom Juli 1902 gute Beziehungen, auch wenn sich diese nur selten in den Akten niederschlugen. Im März des Jahres war der Korrespondent der »Berliner Morgenpost«, Julius Loeb, an die Botschaft herangetreten und warb um deren Unterstützung bei der Gründung einer deutschen Zeitung in Paris. In den Botschaftsakten finden sich bei dem Briefkonzept, das das Vorhaben nach Berlin meldete, neben Loebs Visitenkarte die Namen von Friedrich Schiff (WTB und TKB), Heinrich Kroeger (KöZ), Theodor Wolff (BT) und Carl Schneider (KöZ) zusammen mit der Notiz, Schneider halte das Unternehmen für chancenlos412 . Anscheinend interessierte man sich auf der Botschaft für die Einschätzung der genannten Korrespondenten und scheute nicht davor zurück, eine so vertrauliche Angelegenheit – denn letztlich ging es darum, ob das Blatt für eine Subvention in Frage käme – mit ihnen zu besprechen. Offenbar waren die Korrespondenten auf der Botschaft wohlbekannt, ihre Meinung wurde geschätzt. Belege für derart vertrauensvolle Beziehungen sind in den Akten ausgesprochen selten, allerdings ist davon auszugehen, dass Botschaft wie Korrespondenten bestrebt waren, keine Spuren zu hinterlassen, die als Beweise für den offiziösen Charakter der Letzteren gelten konnten. Auch in Paris wurden die ohnehin schon bestehenden Kontakte zur Presse nach dem genannten Runderlass intensiviert, und zwar zuerst die Kontakte zu französischen Zeitungen413 . Die außenpolitischen Akteure waren von der Bestechlichkeit der französischen Zeitungen überzeugt, und so spielten Sub410
411 412
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So schilderten es zumindest die österreichischen Kollegen: Dumba an Dóczi, Paris, 7.7.1900, Personalakten, AT-OeStA/HHStA PL 257. Zu Schiffs Beziehungen zur österreichischen Botschaft siehe auch Kap. II.1.1. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Radolin an Bülow, Paris, 21.3.1902, PA AA, RAV Paris, 341. Schneiders Einschätzung erwies sich als falsch, denn die »Pariser Zeitung« erschien bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs und wurde zum wichtigsten deutschsprachigen Organ in Frankreich; hierzu die unveröffentlichte Masterarbeit von Katrin R, »Être allemand« à Paris (1850–1914). Les discours sur la formation d’une identité commune, Univ. Paris Diderot und Univ. Bielefeld (2010), S. 69–85. Radolin an Bülow, Paris, 14.12.1902, PA AA, RAV Paris, 341. Auch in Bülows Antwort werden die deutschen Korrespondenten mit keiner Silbe erwähnt: Bülow an Radolin, Berlin, 21.1.1903, PA AA, RAV Paris, 341; ebenso zwei Jahre darauf: Bülow an Radolin, Berlin, 26.1.1904, PA AA, RAV Paris, 342.
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ventionen für sie weiterhin eine Rolle414 , auch wenn man den deutschen Pressefonds für international nicht konkurrenzfähig hielt415 . Stattdessen plädierte Bülow für die Errichtung einer »deutschen Nachrichtenversorgungsanstalt aus aller Welt und für alle Welt«, denn: »Jede Redaktion will gute und schnelle Information«416 . Allerdings dürften Nachrichten, die auch etwas bewirken sollten, nicht »die Marke ›Made in Germany‹ tragen«417 . Auch Kurt Riezler, ein Mitarbeiter des Pressebüros im Auswärtigen Amt, kam nach einem Besuch418 in Paris zu dem Schluss, dass »auf dem Wege der Subventionierung oder Finanzierung von Zeitungen wenig zu erreichen ist«419 . In Frankreich sei der Vorwurf, von Deutschland bestochen zu sein, schnell bei der Hand – und sehr wirksam. Außerdem könne das Deutsche Reich mit der Höhe der Subventionen anderer Staaten – besonders Russland traute der auswärtige Dienst in dieser Hinsicht viel zu – nicht mithalten. Eine wirkungsvolle Beeinflussung sei ohnehin nur in ruhigen Zeiten und bei neutralen Fragen möglich, denn »bei jeder heiklen internationalen Lage [folgen] die hiesigen Zeitungen ungeachtet der Subventionen alle dem mot d’ordre des Quai d’Orsay und der trotz aller Korruption zwingenden Suggestion ihres Patriotismus«420 . Dagegen war Riezler sicher: »Hier wie anderwärts dürften Personen und Nachrichten wirksamer sein als Subventionen«421 . Die »arrivierten Republikaner« seien »guter Behandlung und persönlicher Liebenswürdigkeit der Diplomaten zugänglicher als anderen Mitteln«422 . Großes Gewicht legte Riezler auf die Versorgung ausländischer Zeitungen mit Nachrichten. Da Meldungen aus Berlin schnell im Verdacht der Offiziosität stünden, sei es günstiger, Nachrichten auf dem Umweg über andere Großstädte nach Paris zu senden. Auch war ihm viel daran gelegen, eine Kontrolle über die aus Paris in andere Staaten abgehenden Pressemeldungen zu erlangen. Für die Versorgung des »Osmanischen Lloyd« und des »Popolo Romano« mit telegrafischen Nachrichten aus Paris wurde mit dem Korrespondenten der HN, Treusch von Buttlar, ein Vertrag geschlossen. Gegen ein monatliches Honorar von 250 Franc sollte er 414
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419 420 421 422
Bes. deutlich: Flotow an Bülow, Paris, 28.11.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126a, R 1486, aber auch an anderer Stelle im Schriftwechsel mit der Botschaft in Paris sowie mit anderen Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Frankreichs, PA AA, RZ 201, Frankreich 87, R 6600 sowie PA AA, RAV Paris. Immediatbericht Bülows, Berlin, 15.11.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126a, R 1486. Ibid. Ibid. Offiziell war Riezler auf Urlaub in Paris, tatsächlich hatte sein Aufenthalt ganz offensichtlich den Zweck, die Pressebeziehungen der Botschaft zu überprüfen und eventuelle Korrekturen zu initiieren. Hammann an Lancken, Berlin, 1.10.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126a, R 1487. Abschrift eines Berichts Riezlers, Paris, 4.11.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Ibid. Ibid. Ibid.
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pro Tag 30 Worte nach Konstantinopel, 50 nach Rom drahten423 . Ein ähnliches Arrangement wurde für die Berichterstattung aus London mit dem Korrespondenten der FZ, Bernhard Guttmann, ausgehandelt. Er versah seit 1912 den Depeschendienst für Ostasien, seit Mai 1914 sandte er auch Nachrichten an die Agencia Americana in Rio de Janeiro, die einzige südamerikanische Nachrichtenagentur424 . Im Auswärtigen Amt war die Aufmerksamkeit spätestens seit der Marokkofrage und den mit ihr verbundenen Pressefehden auf das internationale Nachrichtenwesen gelenkt, das zur »Gegenwehr gegen deutschfeindliche Pressintriguen als ein Stück Landesvertheidigung« gesehen wurde425 . Und auch Otto Hammann hatte 1908 in einer Denkschrift »Über Pressepolitik im Auslande« festgestellt: »Die Zeiten, in denen Deutschland sich um die Urteile der Brasilianer und Chinesen nicht kümmern brauchte, sind vorbei; ebenso die Zeiten, wo die Geschicke der Völker in einem kleinen und abgeschlossenen Kreise höfischer und diplomatischer Persönlichkeiten entschieden wurden«426 . Auch er kam zu dem Schluss, dass angesichts der deutschen »Weltpolitik« eines der wichtigsten pressepolitischen Instrumente die »Beherrschung des Nachrichtenverkehrs« sei427 . Die Bemühungen, dieses Ziel zu erreichen, zielten jedoch ausschließlich auf die großen Multiplikatoren von Nachrichten ab, die Korrespondenzbüros und Nachrichtenagenturen; Auslandskorrespondenten spielten in diesen beiden Positionspapieren zur zukünftigen deutschen auswärtigen Pressepolitik keine Rolle428 . Dessen ungeachtet und parallel zu den auf französische Zeitungen gerichteten pressepolitischen Maßnahmen suchten deutsche Diplomaten in Paris den Kontakt zu Auslandskorrespondenten der »hervorragenden« deutschen Zeitungen429 . Neben Schiff (WTB) und Kroeger (KöZ), die einen deutschen Standpunkt verträten und eine patriotische Gesinnung hätten, wurden auch
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Riezler, Paris, 15.11.1909, sowie Riezler, Paris, 8.12.1909. Aufzeichnungen zum Bericht vom 9.12.1909, beide in PA AA, RZ 201, Deutschland 126a, R 1487. Hammann an Guttmann, Berlin, 8.5.1914; Hammann an Lichnowsky, Berlin, 8.5.1914, sowie Hammann an Guttmann, Berlin, 10.6.1914, alle in PA AA, RZ 201, England 73, R 5641. Guttmann bezog für die Dienste 3600 und 2400 Mark, verstand sich aber nicht als offiziöser Korrespondent, sondern betonte, dass er objektive Berichterstattung anstrebe. Immediatbericht Bülows, Berlin, 15.11.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126a, R 1486. Der Vortrag erfüllte seinen Zweck, nämlich die Unterstützung Wilhelms II. für eine Erhöhung des Presseetats zu erlangen; seine abschließende Randbemerkung: »Einverstanden!« Die Pressemittel des Auswärtigen Amtes wurden zwar erhöht, aber nicht in dem Maße wie beantragt: S, Pressepolitik als Notwendigkeit, S. 82. Denkschrift, Januar 1908, Otto Hammann.PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Schoen an Metternich, Berlin, 5.11.1909, PA AA, RAV London, 1330–1331. Dem entspricht auch ein zentraler Befund von W, »Moralische Eroberungen«, S. 319–321 und passim, dass der Fokus des Auswärtigen Amtes in dieser Zeit auf dem Aufbau des deutschen Kabelnetzes lag. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RAV Paris, 342, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212.
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Ney (FZ) und Wolff (BT) empfangen, denen Flotow zwar vorwarf, vor allem in der Marokkofrage ganz den französischen Standpunkt einzunehmen, die er aber dennoch als Journalisten und politische Beobachter schätzte und die schon allein wegen der Bedeutung ihrer Blätter, die man durchaus als Leitmedien bezeichnen kann, nicht ignoriert werden konnten. Gewissermaßen als dritte Kategorie von Journalisten, die auf der Botschaft empfangen wurden, ließen sich solche Korrespondenten bezeichnen, die weniger aufgrund ihrer eigenen Bedeutung oder der ihrer Zeitung Zugang fanden, sondern weil sie bereit waren, die Wünsche der Botschaft in ihrer Berichterstattung zu berücksichtigen. Dies waren 1905 Treusch von Buttlar, der für die mittleren Provinzzeitungen HN, »Magdeburgische Zeitung«, MNN und »Deutsche Zeitung« schrieb, von Daum (»Straßburger Post«), Isidor Fuchs (»Berliner Lokal-Anzeiger«) und Ferdinand Stephan (»Deutsche Tageszeitung«)430 . Vier Jahre später hatte sich die Situation nicht sehr verändert. Für das BT arbeitete nun Paul Block, neu dazugekommen waren lediglich der zweite Korrespondent der FZ, Fritz Schotthöfer, sowie Max Nordau, der für die VZ schrieb. Als weitere Kategorie deutscher Korrespondenten nannte Radolin jene, die die Botschaft nicht aufsuchten und über die er kein Urteil abgeben wollte, weil er sie nicht kannte – anscheinend wurden diese also nicht bewusst von der Botschaft ferngehalten, sondern hatten selbst nie versucht, Kontakt anzuknüpfen. Franz Wugk (»Kreuzzeitung«) hatte aus Berlin sogar eine Empfehlung erhalten, die er aber aus Zeitgründen nicht benutzt hatte. Die übrigen waren Karl Lahm (NZ), Hercovici für die Blätter des Ullstein-Verlags, Ferdinand Stephan (»Deutsche Tageszeitung«), G. A. Fischer (»Frankfurter Generalanzeiger«), F. Pötter (»Tägliche Rundschau«), Julius Loeb, gelegentlicher Korrespondent der »Dresdener Neuesten Nachrichten« und Herausgeber der deutschsprachigen »Pariser Zeitung«, Karl Eugen Schmidt, der eine Korrespondenz publizierte, sowie Theodor Steinherz, Herausgeber der lithografierten Korrespondenz »Pariser Courier« und gelegentlicher Korrespondent der »Post«431 . Damit waren der Botschaft die Korrespondenten der wichtigeren deutschen Zeitungen weitgehend bekannt, überhaupt nicht erwähnt wurden lediglich einige gelegentliche Korrespondenten oder Zweit- bzw. Drittkorrespondenten, die in erster Linie für FeuilletonBerichterstattung zuständig waren; die Vertreter des »Vorwärts« hatten keinen Kontakt zu den deutschen Botschaften432 . Immer wieder drängt sich der Eindruck auf, dass es sowohl der Wilhelmstraße wie der Botschaft in erster Linie um die Wirkung auf die französische Öffentlichkeit ging. So beauftragte etwa Richthofen während der Marokkokrise 430 431 432
Ibid. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. In London waren das unter anderem Eduard Bernstein, Max Beer und Julius Köttgen, in Paris Paul Arndt und Samuel Grumbach. Ein Wiener Korrespondent konnte nicht ausfindig gemacht werden; es wäre möglich, dass es eine Kooperation mit der Wiener »Arbeiter-Zeitung« gab.
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im Juni 1905 die Botschaft, die Korrespondenten des BT, der VZ und der FZ zu veranlassen, ihre »Depeschen [. . . ] von französisch-offiziösen Einflüssen frei[zu]halten«, denn diese würden von französischen Korrespondenten »als ›Berliner Stimmungen‹ zurücktelegrafiert, wecken Illusionen, nähren beim französischen Publikum falsche Vorstellungen und könnten direkt gefährlich wirken«433 . Als Bülow sich über die »unangemessene, enorm törichte oder perfide Sprache« des Pariser Korrespondenten der FZ beklagte und von der Botschaft Aufklärung über dessen Identität sowie die Hintergründe seiner Haltung forderte, ging es ihm dabei auch um die Auswirkungen der Berichterstattung auf die französische Presse434 . Der betreffende Korrespondent war Emil Ney und gehörte zu jenen, die auf der Botschaft regelmäßig empfangen wurden. Während Richthofen von Berlin aus meldete, er gelte als vom französischen Präsidenten des Ministerrats Maurice Rouvier beeinflusst435 , kannte ihn die Botschaft als stets »gefällig und für Ratschläge empfänglich«436 . Sollte er einmal einen unliebsamen Artikel geschrieben haben, so sei wahrscheinlich eher Unverständnis als Übelwollen der Grund437 . Diese Vermutung sah Radolin nach dem Gespräch mit Ney bestätigt, der daraufhin versprach, den Inhalt seiner Meldungen zukünftig zu korrigieren438 . Zudem verwies er auch auf eine der deutschen Marokko-Politik ungünstige Haltung der Frankfurter Redaktion. Obwohl der deutsche Botschafter in Paris den Korrespondenten offensichtlich schätzte und für integer hielt, betrieben Richthofen und Bülow von Berlin aus kurz darauf seine Abberufung von Paris, denn der ihnen näher stehende Berliner Korrespondent der FZ, August Stein, mit dem das Auswärtige Amt seit Jahren in einem engen Vertrauensverhältnis stand, machte Neys Pariser Depeschen für die kritische Haltung seiner Redaktion verantwortlich439 . Gegenüber Hammann versprach Stein440 , in Frankfurt auf Neys Versetzung hinwirken zu wollen – erfolglos, erst der Ausbruch des Ersten Weltkrieges vertrieb Ney aus seinem langjährigen Dienstort. Auf der Botschaft wurde er
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Richthofen an Radolin, Berlin, 30.6.1905, PA AA, RAV Paris, 342, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1211. Der Artikel stoße die französischen Zeitungen geradezu auf die Frage, ob Graf Tattenbach an der bevorstehenden Konferenz in Algeciras teilnehmen werde. Bülow an AA, BadenBaden, 5.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Notiz Richthofens auf Bülow an AA, Baden-Baden, 5.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653. Radolin an Bülow, Paris, 5.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653. Ibid. Radolin an Bülow, Paris, 6.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653. Notiz Richthofens mit Randbemerkung Bülows, Berlin, 9.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653; zu Steins Verhältnis zur Wilhelmstraße G, Pressekriege, S. 53; R, Journalismus als Beruf, S. 325, 337. Randbemerkung Hammanns auf Notiz Richthofens, Berlin, 9.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653.
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weiterhin regelmäßig empfangen, auch wenn Radolin bekannt war, dass er sich oft im französischen Außenministerium informieren und inspirieren ließ441 . An diesem Beispiel wird deutlich, dass die deutschen außenpolitischen Akteure den Korrespondenten deutscher Zeitungen um 1900 einen deutlich größeren Spielraum zugestanden als etwa in den 1860er (Goltz’ Bedingungen an Levysohn) oder auch 1880er Jahren (Bismarcks Kritik an Beckmann). Während lange Zeit die reguläre Antwort auf eine unerwünschte oder als ungebührlich eingestufte Berichterstattung in größtmöglicher Distanz, dem Abbruch der Beziehungen oder der Verweigerung des Gesprächs bestand, setzte sich nun die Einsicht durch, dass sich durch die Pflege kontinuierlicher Beziehungen, eine wertschätzende und freundliche Behandlung der Korrespondenten sowie die Bereitstellung von Informationen positivere Auswirkungen auf die Berichterstattung erzielen ließen. Bülow empfahl dabei nicht das Gießkannenprinzip, sondern die genaue Auswahl der Journalisten, die auf den Botschaften empfangen wurden, sowie die Anpassung ihrer Behandlung und Informierung »nach dem Grade ihrer Vertrauenswürdigkeit«442 . Immer wieder empfahl er den Missionen im Ausland Takt und Vorsicht im Umgang mit deutschen Korrespondenten, was sich auch auf die Art und den Grad der Vertraulichkeit der weiterzugebenden Informationen erstreckte443 . Wenn das in Form von wohlwollender und zuvorkommender Behandlung verabreichte Zuckerbrot allerdings nicht zu den gewünschten Ergebnissen führte, setzte das Auswärtige Amt die Peitsche ein und brach die Beziehungen zu allen Vertretern selbst einer großen Zeitung konsequent ab444 . Im Februar 1911 kam Reichskanzler Bethmann Hollweg zu dem Schluss, dass das BT vorsätzlich die Innen- ebenso wie die Außenpolitik der deutschen Regierung torpediere, und ordnete an, dass »alle Beziehungen der Stellen des auswärtigen Dienstes zu der Redaktion des ›Berliner Tageblatts‹ wie zu dessen auswärtigen Vertretern und Mitarbeitern allmählich in nicht zu schroffer Weise so zu lösen sind, dass weder Nachrichten noch orientierende Winke mehr erteilt werden«445 . Paris
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Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Zirkularerlass Bülows an die Chefs sämtlicher deutscher Missionen in Europa und die Botschaft Washington, Berlin, 11.7.1902, PA AA, RZ 201, England 73, R 5616. So schon ibid.; ähnlich auch Pourtalès an Schwerin, Berlin, 2.9.1905, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48; Zirkularerlass Bülows an sämtliche kaiserliche Missionen, Berlin, 13.10.1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Das galt natürlich in besonderem Maße für ausländische Journalisten: Metternich an Bülow, London, 9.1.1904, PA AA, RZ 201, England 73, R 5617; AA an Konsul Nadolny in Durazzo, Berlin, 9.6.1914, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1227. Auch Bismarck hatte den Abbruch der Beziehungen als Druckmittel gegen die NAZ eingesetzt: Bismarck an Reuß, Berlin, 24.4.1888, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2, R 1596. Zirkularerlass Bethmann Hollwegs an die deutschen Missionen, hier an Metternich, Berlin, 1.2.1911. PA AA, RAV London, 1332.
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meldete daraufhin, man habe den Kontakt zum dortigen Korrespondenten Paul Block in der letzten Zeit ohnehin schon stark reduziert446 . Noch ein Jahr später erhielt der neue Londoner Korrespondent Tschiedel keinen Zugang zur Botschaft447 , auch wenn man dort den Verdacht hegte, dass dieser seinem Ärger in Form unerwünschter Meldungen Luft machen werde448 . Er war der Botschaft in London noch im November 1910 als ein anständiger Journalist und zu entgegenkommender Aufnahme empfohlen worden449 . Noch im Januar 1913 erinnerte Jagow an das Kontaktverbot zu allen Mitarbeitern des BT450 , im Juli 1914 galt die Kontaktsperre dann offenbar nicht mehr, denn Paul Harms, Wiener Korrespondent des Blattes, wurde der Botschaft Wien empfohlen – wenn auch verbunden mit der Bitte um Vorsicht wegen der innenpolitischen Oppositionsstellung der Zeitung und der Gefahr eines möglichen späteren Missbrauchs451 . Dieser Boykott bremste zwar offensichtlich nicht die Entwicklung der Auflagenzahlen, dürfte aber dennoch ärgerlich gewesen sein, zumal die Korrespondenten des BT immer zu jenen gehörten, die Wert auf gute Beziehungen zu den Botschaften legten und Informationen aus erster Hand sowie aus verschiedenen Quellen anstrebten. Um sich gegen einen solchen Abbruch der Beziehungen zu versichern, der die Zeitung gänzlich von einer wichtigen Nachrichtenquelle abschnitt, ließen sich manche Redaktionen vorsorglich bei der Wahl eines neuen Korrespondenten beraten. So wandte sich die Redaktion der »Kreuzzeitung« nach dem Tod ihres langjährigen Pariser Korrespondenten Eugen von Jagow an das Auswärtige Amt, bat um Empfehlung eines zuverlässigen Journalisten und betonte, dass ihr viel an »bester Fühlung mit der Botschaft« gelegen sei452 . Rund zwei Wochen darauf berichtete Botschaftsrat Johannes von Flotow, dass Jagows Witwe – »eine kluge und energische Frau« – gerne die Nachfolge übernehmen würde, nannte als mögliche Nachfolger aber auch von Daum, der bereits für die »Straßburger Post« schreibe, Schürmann sowie Pötter, Sekretär des Pariser Korrespondenten der KöZ453 . Allerdings räumte er ein, dass er die Journalisten nur oberflächlich kenne und keine Garantien geben könne. Mit wem die Stelle besetzt wurde, ist nicht bekannt – die Witwe des früheren Korrespondenten war es jedenfalls nicht, denn die »Kreuzzeitung« gab an, prinzipiell keine weiblichen 446 447
448 449 450 451 452 453
Schoen an Bethmann Hollweg, Paris, 4.2.1911, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2 secr., R 1592. Man warf Block Illoyalität vor, was genau vorgefallen war, ist nicht nachvollziehbar. Metternich an Bethmann Hollweg, London, 24.1.1912, sowie Tschiedel an Metternich, London, 20.1.1912, beide PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2 secr.; hierzu auch G, Pressekriege, S. 54. Metternich an Bethmann Hollweg, London, 29.1.1912, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2 secr., R 1592. AA an Metternich, Berlin, 19.11.1910, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1219. Jagow an Lichnowsky, Berlin, 11.2.1913, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2 secr., R 1592. AA an Tschirschky, Berlin, 26.7.1914, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1227. Mühlberg an Radolin, Berlin, 11.1.1905, PA AA, RAV Paris, 343. Flotow an Bülow, Paris, 24.1.1905, PA AA, RAV Paris, 343.
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Korrespondenten zu beschäftigen454 . Auch andere Zeitungen suchten vor der Neubesetzung von Korrespondentenstellen die Vermittlung des Auswärtigen Amtes, so bat die KöZ um eine Empfehlung für den Brüsseler Posten455 , der »Hannoversche Kurier« für Rom456 , die »Schlesische Zeitung« für Petersburg457 und die FZ für Bukarest458 . Nach Möglichkeit versuchten das Auswärtige Amt bzw. die Botschaften, geeignete Personen zu vermitteln; offen bleibt, ob die Zeitungen den Empfohlenen einstellten. Möglicherweise war dies auch in erster Linie eine Strategie der Redaktionen, ihre generelle Kooperationsbereitschaft und den Wunsch nach engeren Beziehungen mit dem auswärtigen Dienst zu signalisieren. In den anderthalb Dekaden vor dem Ersten Weltkrieg intensivierten die Botschaften die Beziehungen zu Journalisten und Korrespondenten nicht mehr nur okkasionell, sondern pflegten sie kontinuierlich. Ein Indiz für diese Verstetigung der Pressearbeit sind die von den Botschaften angefertigten Übersichten der Presse ihres jeweiligen Gastlandes, in denen sich zugleich die Bedeutung spiegelt, welche die jeweiligen Botschaften der Pressearbeit beimaßen. Die älteste »Liste der täglich erscheinenden politischen Journale« erstellte die deutsche Botschaft in Paris im Juni 1881; sie verzeichnete darin die Titel, die politische Tendenz des Blattes, die wichtigsten Mitarbeiter sowie Auflagenzahlen459 . Dieses Zeitungsverzeichnis wurde nach Bedarf aktualisiert und alle paar Jahre an die Berliner Zentrale gesandt, die es vervielfältigte und in mehreren Exemplaren nach Paris zurücksandte. Spätestens seit Mitte der 1890er Jahre wurden Kopien dieser »Übersicht über die Pariser Presse« auch an die anderen Botschaften verteilt460 . Später ergänzte eine kurze Charakteristik des französischen Pressewesens die Zeitungsliste. Nach dem Vorbild der Pariser Übersichten erstellte seit 1892 auch die Wiener Botschaft eine »Übersicht über österreichische Pressverhältnisse und die bemerkenswerteren politischen Zeitungen und Zeitschriften Cisleithaniens«, die neben kurzen Porträts der wichtigsten politischen Zeitungen und Zeitschriften auch einen Überblick über die österreichische Pressepolitik und das Personal der Preßleitung bot. Ein nach Ländern geordnetes Verzeichnis informierte darüber hinaus über die aus Wien 454 455 456
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Richthofen an Radolin, Berlin, 20.3.1905, PA AA, RAV Paris, 343. Schoen an Wallwitz, Berlin, 18.1.1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1655. Schoen an Monts, Berlin, 29.4.1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1655. Empfohlen wurde der Korrespondent des WTB, Fabian Philipp, Monts an Bülow, Rom, 16.5.1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1655. Hammann an Lucius, Berlin, 27.4.1913, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1655. AA an den Gesandten in Bukarest, Berlin, 19.11.1914, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1655. PA AA, RAV Paris, X Presse, 338. Überliefert sind Versionen dieser Übersicht über die Pariser Presse von 1881, 1882, 1884, 1887; von 1890, 1892, 1896, 1897, 1899; von 1900, 1901, 1902, 1904 und zuletzt 1906. So findet sich die Übersicht über die Pariser Presse in den Akten der Londoner Botschaft: Rotenhan an Hatzfeldt, Berlin, 1.10.1897; ebenso die Wiener Presseübersicht: Marschall von Bieberstein an Hatzfeldt, Berlin, 26.8.1896, beide in PA AA, RAV London, 1323–1324.
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berichtenden Auslandskorrespondenten461 . Obwohl diese detaillierte Übersicht ausdrücklich gelobt wurde, übertrugen andere Botschaften das Modell nicht auf ihre Presseübersichten. Seit 1897 stellte auch die Botschaft London eine kommentierte Zeitungsliste462 zusammen, die aber keine Informationen über die Londoner Auslandskorrespondenten bereithielt und auch deutlich seltener aktualisiert wurde: Die letzte überlieferte Londoner Presseübersicht wurde erst im September 1912 eingesandt, nachdem der Staatssekretär des Äußern diese einforderte463 . Die unterschiedliche Aktualisierungsfrequenz dieser Presseübersichten spiegelt die unterschiedlichen Einschätzungen der Botschafter über die Bedeutung der Presse für die internationalen Beziehungen im Allgemeinen und ihre diplomatische Arbeit im Besonderen. Daran änderte auch ein Erlass nichts, der die regelmäßige Aktualisierung der Presseübersichten verfügte464 . Die wachsende Relevanz, die der Pressearbeit der Botschaften beigemessen wurde, veränderte auch das Berufsbild des Diplomaten. Für Bülow gehörte der »regelmäßige [. . . ] Verkehr mit der Presse, und zwar mit der französischen sowohl als im Besonderen mit den dortigen deutschen Journalisten«, ganz regulär zu seinen Pflichten465 . Daher empfahl er Radolin, den Botschaftsrat mit dieser Aufgabe zu betrauen, denn: »Für die Ausbildung der jüngeren Herren kann es nur nützlich sein, wenn dieselben eventuell [. . . ] in geeigneter Weise zur Preßtätigkeit mit herangezogen werden«466 . Der Diplomat der Zukunft, soviel stand für Bülow fest, konnte keine Politik mehr ohne die Presse machen und die Journalisten, namentlich auch die Auslandskorrespondenten, nicht mehr ignorieren467 . Der veränderte Umgang des deutschen diplomatischen Dienstes mit der Presse im Allgemeinen und den deutschen Auslandskorrespondenten im Besonderen spiegelt die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts bei den Zeitgenossen einsetzende Erkenntnis, dass sich das Verhältnis von Politik und Presse ver461
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Überliefert ist die Wiener Presseübersicht von 1892, 1896, 1897, 1898; von 1903, 1904, 1906, 1910 und zuletzt von 1911, auch sie wurde den anderen Botschaften zur Verfügung gestellt; dokumentiert in PA AA, RAV London, 1325–1327; PA AA, RAV London, 1323– 1324. Siehe die Anlagen zu Hatzfeldt an Hohenlohe, London, 27.9.1897, PA AA, RAV London, 1323–1324. Der Bericht »Die englische Presse« sowie die »Liste der in Groß-Britannien und Irland erscheinenden hervorragenden politischen Zeitungen und Zeitschriften, sowie der Fachschriften für Armee und Marine etc.« wurden von Botschaftsattaché Hermann von Eckardtstein ausgearbeitet. Kiderlen-Waechter an Kühlmann, Berlin, 6.8.1912, PA AA, RZ 201, England 73, R 5639. Zirkularerlass Bülows an die Chefs sämtlicher deutscher Missionen in Europa und die Botschaft Washington, Berlin, 11.7.1902, PA AA, RZ 201, England 73, R 5616, auch in PA AA, RAV Paris, 341. Holstein an Radolin, Berlin, 28.5.1905, PA AA, RAV Paris, 342. Ibid. Zu Bülows Affinität zur Presse z. B. K, Deutsche Presse, 260f. Auch in Italien diente die Presse am Ende des 19. Jahrhunderts den Akteuren der Außenpolitik zunächst als Informationsquelle und wurde dann zur Unterstützung politischer Aktion zu instrumentalisieren versucht. Daniel J. G, La découverte de la presse comme instrument diplomatique, S. 491–527.
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ändert hatte und Letztere weit mehr war als eine bloße Beobachterin: »Auch ihre Verächter können die Macht der öffentlichen Meinung nicht leugnen, und jeder heutige Staatsmann ist genötigt, mit dieser ›neuen Großmacht‹ zu rechnen«468 . Auch die historische Forschung der letzten Jahre bestätigt diese Einschätzung der Zeitgenossen. Die Presse war kein außerhalb des politischen Systems stehender Faktor (mehr), sondern ein »konstitutives Element der jeweiligen politischen Kultur, die politische Entscheidungen überhaupt erst hervorbringt und konditioniert«469 . Das galt auch für die Außenpolitik, für die sich die Öffentlichkeit besonders seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert zu einem bedeutsamen Faktor entwickelte470 . An dem damit einhergehenden Rollenwechsel des Journalisten vom bloßen Beobachter hin zum politischen Akteur beteiligten sich immer wieder auch Auslandskorrespondenten471 . Auch wenn die Vertreter der Politik weiterhin üblicherweise am längeren Hebel saßen, hatten die Journalisten doch ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein entwickelt und verstanden sich immer häufiger als gleichberechtigte Interaktionspartner. Um 1900 waren die außenpolitischen Akteure zunehmend bereit, den Korrespondenten diesem Selbstverständnis entsprechend zu begegnen, was etwa die Haltung gegenüber den journalistischen Vertrauensmännern der Botschaften zeigt. Sie wurden nicht mehr – wie noch in den 1870er und 1880er Jahren – gewissermaßen mit spitzen Fingern angefasst und man meinte sich ihrer Loyalität nicht mehr durch Geldzahlungen versichern zu müssen. Seit den 1890er Jahren wurden sie immer häufiger zu angesehenen Gesprächspartnern, deren Urteile und Bewertungen geschätzt und deren Unabhängigkeit weitgehend respektiert wurden. Zwar wurden finanzielle Anreize nicht obsolet, man gewinnt aber den Eindruck, dass etwa Guttmanns Engagement für das Auswärtige Amt in erster Linie seiner inneren Haltung entsprang und auf der Voraussetzung beruhte, dass seine Ansichten ohnehin mit der Linie der außenpolitischen Akteure weitgehend harmonierten. Die Beziehungen der Botschaften zu den Vertrauensmännern basierten auf der fortbestehenden Unabhängigkeit der Zeitungen und vollzogen sich meist auf Augenhöhe – oder, wie es von der Nahmer von der KöZ formulierte, nach der Devise »gentlemenlike«472 .
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472
G, Parlament und Presse, S. 1, der hier wiederum Johann Caspar Bluntschli, Lehre vom modernen Staat. Politik als Wissenschaft, Stuttgart 1876, S. 187f., zitiert. G, Pressekriege, S. 5. So auch Jürgen W, Auf dem Wege zur »Großmacht«. Die Presse im 19. Jahrhundert, in: Rainer W (Hg.), Das 19. Jahrhundert. Sprachgeschichtliche Wurzeln des heutigen Deutsch, Berlin, New York 1991, S. 73–94. K, Das Paradox der Geheimdiplomatie. Martin K, Die Politik der Medien. Der Aufstieg der Massenmedien und das politische System in Deutschland und Großbritannien um 1900, in: D, S (Hg.), Massenmedien im Europa des 20. Jahrhunderts, S. 305–330, hier S. 309f.; B, H, Im Bann der Öffentlichkeit, S. 14, 35; die Beiträge in B, G (Hg.), Journalists as Political Actors; mit Fokus auf der Rolle von Auslandskorrespondenten G, The Public Challenge. Tschinkel an Jettel, Köln, 2.6.1908, AT-OeStA/HHStA PL 122.
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2. Parlament und Presse
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2. Parlament und Presse Unzweifelhaft nahmen die Parlamente als einzige Orte des politischen Aushandlungsprozesses, die für Journalisten potentiell zugänglich waren, eine zentrale Stellung in der täglichen Arbeit der Auslandskorrespondenten ein. Neben den inländischen Presseerzeugnissen waren sie für einen durchschnittlich vernetzten Korrespondenten die gängigste Möglichkeit, sich über die politische Agenda des Gastlandes, aktuelle Debatten und die Haltung der unterschiedlichen Akteure zu informieren. Dies gilt sicher auch für Zeiten, in denen die Stellung des Parlaments nicht besonders stark war, etwa während des Second Empire in Frankreich, denn in die inneren Zirkel der Macht durfte der durchschnittliche deutsche Auslandskorrespondent wohl kaum vorzudringen hoffen. Umgekehrt waren auch die Parlamente auf die durch die Journalisten hergestellte Öffentlichkeit angewiesen; Andreas Biefang hat den engen Funktionszusammenhang zwischen moderner Öffentlichkeit und parlamentarischer Repräsentation am Beispiel des Reichstags herausgearbeitet473 . Zugleich ist das Parlament als Kontaktzone von Journalisten und Politikern greifbar und damit ein dankbarer Gegenstand für die Untersuchung des Einflusses der politischen Kultur auf die Arbeitspraxis der Auslandskorrespondenten. In diesem Kapitel sollen daher die rechtliche Situation, die tatsächliche Praxis in Bezug auf die Auslandskorrespondenten sowie Formen der Kommunikation zwischen Parlamentsverwaltung und Journalisten dargestellt werden, aber auch die räumliche Ausgestaltung der Pressetribünen als Rahmung, Ausdruck und Symbol all dessen in den Blick genommen werden474 . Die Untersuchung muss gezwungenermaßen fast ausschließlich aus der Perspektive der betreffenden Institutionen geschrieben werden, denn nur in deren Archiven sind aussagekräftige Quellen überliefert. Zwar wurden einzelne Aspekte der Berichterstattung aus dem Parlament immer wieder auch in den Nachlässen der Auslandskorrespondenten thematisiert, dies waren jedoch stets einzelne, nicht in einen größeren Zusammenhang gesetzte Anmerkungen. Wie viel Zeit die Journalisten tatsächlich auf den Pressetribünen der Chambre des députés verbrachten, ob sie sich vorab über die im House of Commons debattierten Themen informierten, ob sie vielleicht sogar nur auftauchten, wenn wichtige Beschlüsse zu erwarten waren, ob der eigentliche Schwerpunkt ihrer Recherche sich in Räumen abspielte, in denen sie mit einzelnen Parlamentariern in direkten Kontakt treten konnten, all diese Fragen der tatsächlichen Arbeitspraxis der Auslandskorrespondenten können hier nicht umfassend beantwortet werden. Aus den Quellen der Parlamente ist nur zu rekonstruieren,
473 474
Andreas B, Die andere Seite der Macht. Reichstag und Öffentlichkeit im »System Bismarck« 1871–1890, Düsseldorf 2009, S. 65–96. Dazu z. B. Charles T. G, The Architecture of Parliaments. Legislative Houses and Political Culture, in: British Journal of Political Science 18 (1988), S. 287–302.
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II. Rahmungen
ob Journalisten Zutritt hatten, wie dieser geregelt war, nach welchen Prinzipien die Administration dabei verfuhr und wie sie damit die Arbeitspraxis der Auslandskorrespondenten vorstrukturierte. 2.1 Paris: Journalisten in der Assemblée nationale Die verschiedenen Staatsformen Frankreichs im 19. Jahrhundert brachten unterschiedliche Bedingungen für Journalisten mit sich. Allen gemeinsam war aber die – zumindest partielle – Öffentlichkeit der Verhandlungen der zweiten Kammer. Seit der Charte constitutionnelle des 4. Juni 1814 galt durchgehend der Grundsatz: »Les séances de la Chambre sont publiques«475 . Dies galt für die Chambre des députés der Restauration und der Julimonarchie476 , für die Assemblée nationale als einzige Kammer der Zweiten Republik477 , sogar für das Corps législatif des Second Empire unter Louis Napoléon478 , und mit größerer Selbstverständlichkeit für die Assemblée nationale wie für die Chambre des députés der Dritten Republik479 . Dementsprechend wurde der 1828–1832 errichtete Plenarsaal im Palais Bourbon nicht nur mit Plätzen für 400 Deputierte ausgestattet, sondern auch mit zwei Galerien, die insgesamt 600 Zuschauern Platz boten. Bis auf wenige Unterbrechungen blieb dieser Saal bis heute für einen Teil des französischen Parlaments der Tagungsort: Nur die Assemblée nationale der Zweiten Republik musste mit ihren 900 Abgeordneten in ein salle de carton genanntes Provisorium umziehen (1848–1851), von dem nicht viel mehr überliefert ist als die Kritik, es sei hässlich und unzweckmäßig gewesen480 . Es wurde Ende 1851 zusammen mit der Zweiten Republik durch den Staatsstreich Louis Napoléons hinweggefegt, das Corps législatif, dessen Größe und Machtfülle nicht im Entferntesten an die Assemblée nationale heranreichte, wurde wieder im Sitzungssaal des Palais Bourbon untergebracht. Zu Beginn der Dritten Republik floh die Assemblée nationale vor dem DeutschFranzösischen Krieg nach Bordeaux in ein Theater, mit der Umgestaltung der politischen Institutionen übersiedelte die Kammer nach Versailles, bevor sie
475 476 477 478 479
480
Charte constitutionnelle du 4 juin 1814, Art. 44, http://www.assemblee-nationale.fr/ histoire/constitutions/charte-constitutionnelle-1814.asp (Zugriff am 4.3.2014). Charte constitutionnelle du 14 août 1830, Art. 38, http://www.assemblee-nationale.fr/ histoire/constitutions/charte-constitutionnelle-1830.asp (Zugriff am 4.3.2014). Constitution du 4 novembre 1848, Art. 39, http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/ constitutions/constitution-deuxieme-republique.asp (Zugriff am 4.3.2014). Constitution du 14 janvier 1852, Art. 41: http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/ constitutions/constitution-de-1852.asp (Zugriff am 4.3.2014). Loi constitutionnelle du 16 juillet 1875 sur les rapports des pouvoirs publics, Art. 5: http: //www.assemblee-nationale.fr/histoire/constitution-troisieme-republique.asp (Zugriff am 4.3.2014). Michel M, L’Assemblée nationale et le Palais-Bourbon d’hier à aujourd’hui, [Paris] 1998, S. 35–39.
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2. Parlament und Presse
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Ende des Jahres 1879 nach Paris in den Palais Bourbon zurückkehrte481 . Auch der hémicycle des Palais du Luxembourg, seit 1852 Sitz des Sénat, wurde in einem größeren Umbau von 1836 bis 1841 mit Zuschauertribünen versehen, nachdem die Sitzungen der damals dort tagenden Chambre des pairs ab 1830 öffentlich stattfanden482 . Nach der Abschaffung des Sénat in der Zweiten Republik tagte er im Second Empire wieder unter Ausschluss der Öffentlichkeit – erst in der Dritten Republik wurden seine Sitzungen erneut öffentlich zugänglich483 . Auch die Sitzungen der Assemblée nationale als gemeinsamer Kongress von Sénat und Chambre des députés anlässlich von Verfassungsänderungen und Präsidentschaftswahlen der Dritten Republik waren öffentlich, der große Plenarsaal im Südflügel des Versailler Schlosses bot auf zwei Etagen Plätze für rund 680 Zuschauer484 . Die baulichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine Beteiligung der Presse an den Sitzungen des französischen Parlaments waren also – mit Ausnahme der Verhandlungen des Sénat im Second Empire – im gesamten Untersuchungszeitraum gegeben. Auf einem anderen Blatt steht jedoch die praktische Ausgestaltung des Zugangs der Journalisten zum Parlament. Zuständig dafür war die questure, die Verwaltung der jeweiligen Kammer. Die ersten Belege stammen aus der Zeit der Zweiten Republik. Laut der Geschäftsordnung vom 16. November 1850 sollten für die représentants der Presse drei Tribünen reserviert werden: eine für die Chefredakteure mit 38 Plätzen, eine für die Stenografen der Pariser Blätter sowie die Korrespondenten der Zeitungen der Departements und des Auslands mit 53 Plätzen und eine für die Presseagenturen (correspondances genannt) mit 16 Plätzen485 . Leider ist nicht überliefert, wie viele Plätze in der salle de carton insgesamt für die Öffentlichkeit zur Verfügung standen, wo die Pressetribünen platziert und wie dort Sicht und Akustik waren. Dennoch wird deutlich, dass die Pariser Zeitungen privilegiert wurden. Jedes der Hauptstadtblätter konnte bis zu vier Karten für die Tribüne der Chefredakteure reservieren und zusätzlich seine Berichterstatter auf der zweiten Tribüne unterbringen. Die Verteilung der Karten, die den Zugang 481
482 483
484 485
Ibid.; auch die Internetpräsenz der Assemblée nationale bietet Informationen zur Geschichte des Gebäudes, http://www.assemblee-nationale.fr/histoire/index.asp (Zugriff am 13.3.2014). Charte Constitutionnelle du 14 août 1830, Art. 27: http://www.assemblee-nationale.fr/ histoire/constitutions/charte-constitutionnelle-1830.asp (Zugriff am 4.3.2014). Sénatus-consulte, 2.2.1861, Art. 42, sowie Du Sénat, Art. 24, beide in: Constitution. Sénatus-consultes. Lois et décrets, hg. v. Corps législatif, Paris 1921; A. B, Règlement du Sénat. Suivi d’une table analytique des matières par ordre alphabétique, Versailles 1876; Michel L, Du »Sénat conservateur« au Conseil de la République, in: Philippe M, Jean-Pierre L, Christian P (Hg.), Le Sénat et le palais du Luxembourg. De la tradition au modernisme, Paris 2001, S. 166–183, hier S. 176f. Plan Salle de congrès, undatiert [1894], AssN, Organisation du congrès de 1894 (CasimirPerier), 12 P 183. Règlement, 16.11.1850, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174.
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II. Rahmungen
zu den Tribünen gewährleisteten, erfolgte ausschließlich über die questure, allerdings wurden auch die Pressevertreter in Gestalt von Verwaltern (syndics) an der Auswahl beteiligt. Nur diese konnten die Anträge von Zeitungen oder Journalisten bei der questure einreichen. Wer die Verwalter auswählen sollte, blieb unklar, doch sollten sie aus zwei noch zu bildenden Verbänden (syndicats) hervorgehen, einem für die Chefredakteure und einem für die Agenturen. Für die Korrespondenten der Departements- und Auslandspresse sollte ebenfalls der Verband der Chefredakteure zuständig sein. Damit lag die Entscheidung darüber, wer die Option auf einen Presseausweis hatte, weitgehend bei diesen486 . Und tatsächlich waren im Januar 1851 36 Plätze der Tribüne der Stenografen und Korrespondenten an 24 Pariser Zeitungen vergeben, von denen folglich einige über mehrere Sitze verfügten. Die übrigen 17 Plätze waren verteilt an vier Auslandskorrespondenten (»Morning Chronicle«, »Times«, »Morning Herald«, »Indépendance belge«) und zehn Agenturen, darunter die Agence Havas, die Correspondance allemande sowie vier weitere kleine Agenturen, die in geringerem Umfang Nachrichten an ausländische Zeitungen lieferten487 . Demnach hatte also Anfang der 1850er Jahre kein einziger deutscher Auslandskorrespondent eine Karte zu den Pressetribünen der Assemblée nationale. Die dort vertretenen Hauptnachrichtenlieferanten für die deutsche Presse waren die Correspondance allemande, deren sich etwa die renommierte AZ bediente, sowie die Agence Havas488 . Dass für die Agenturen ebenfalls ein eigener Verband vorgesehen war, verweist auf deren relativ große Bedeutung um 1850. Die Verteilung der Karten spiegelt in gewisser Weise die Struktur des europäischen Pressewesens – gefiltert freilich durch die Wahrnehmung und Einschätzung der Verwaltung der Assemblée nationale: Die französische Presselandschaft wurde dominiert von den großen Hauptstadtzeitungen, die Provinzpresse blieb schon rein zahlenmäßig weit hinter diesen zurück. Paris war der Nabel Frankreichs, und für die Nabelschau bediente man sich vor allem der dort erscheinenden Zeitungen. Die kleinen Auflagen der Departementspresse verhinderten, dass sich jenseits der Île-de-France rentable Zeitungen etablierten, die sich einen eigenen Pariser Korrespondenten leisten konnten – wichtiger waren die Agenturen, die viele Blätter zugleich mit Nachrichten aus dem Parlament versorgten489 . Die Presse des Auslands spielte kaum eine Rolle für das französische Parlament, wurde jedoch bereits 1850 bei der Verteilung
486 487 488 489
Ibid. Note en réponse aux questions de M. Mortimer Ternaux, 31.1.1851, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Ibid. Zur Geschichte der französischen Presse sehr kompakt A, Histoire de la presse; deutlich umfangreicher Claude B u.a. (Hg.), Histoire générale de la presse française, Bd. 2: De 1815 à 1871, Paris 1969; ibid., Bd. 3: De 1871 à 1940, Paris 1972; Christophe C, Le siècle de la presse, 1830–1939, Paris 2004.
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2. Parlament und Presse
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der Karten für die Pressetribüne mitbedacht490 . Dies kann vielleicht auch als ein Produkt republikanischen Kosmopolitismus gelesen werden und als Zugeständnis an das große Interesse, das die übrigen Europäer seit der Februarrevolution für Frankreich hegten491 . Dass aber neben dem einen belgischen nur britische Blätter mit eigenen Korrespondenten vor Ort im Parlament vertreten waren, verrät auch einiges über den Zustand des Journalismus in den übrigen Staaten. Ein kostspieliges Korrespondentennetz unterhielten in der Mitte des Jahrhunderts die wenigsten Zeitungen. Allerdings müssen die Befunde zum Parlament etwas relativiert werden, denn nicht jeder Paris-Korrespondent wohnte den Sitzungen der Assemblée nationale bei, und nicht jeder Korrespondent, der das Parlament besuchte, tat dies über die Pressetribüne. Es existierten auch Plätze für eine nicht näher definierte Öffentlichkeit, zu denen buchstäblich jeder Zugang hatte – die Konkurrenz muss entsprechend groß gewesen sein. Auf welche Weise der Zugang zu den Zuschauertribünen des hémicycle im Palais Bourbon unter dem Second Empire geregelt war, ob auch ausländische Journalisten weiterhin Einlass fanden, ist leider nicht überliefert. Die Attraktivität des in seinen Kompetenzen sehr beschränkten Corps législatif war für Journalisten wohl nicht besonders groß, zumal der Berichterstattung ohnehin der im »Moniteur universel« abgedruckte offizielle Bericht zugrunde liegen musste492 . Nähere Informationen über die Kontakte der questure der Chambre des députés und nun auch der questure des 1875 wieder eingeführten Sénat existieren erst seit der Rückkehr der beiden Kammern des französischen Parlaments von Versailles nach Paris Anfang November 1879. Es gibt jedoch Hinweise, dass man sich seit der Wiedererrichtung der Republik – wie dies auch bei den Geschäftsordnungen der Kammern der Fall war493 – an der Praxis der Zweiten Republik orientierte: 1871 findet sich im »Figaro« die erste Erwähnung des Syndicat de la presse parisienne494 . Émile Mermet dagegen nennt im ersten Jahrgang seines »Annuaire de la presse française« 1875 als Gründungsjahr des Verbandes495 . Es steht zu vermuten, dass dies nicht zufällig in das Jahr der Neustrukturierung des französischen Parlaments und von dessen Umzug nach 490 491
492 493 494 495
Règlement, 16.11.1850, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Zur Revolution von 1848 als europäisches Medienereignis etwa Rolf R, Barrikadenszenen der 48er Revolution. Plurimediale und internationale Wahrnehmung, in: Joachim E, Horst C (Hg.), Europäische Wahrnehmungen 1650–1850. Interkulturelle Kommunikation und Medienereignisse, Hannover 2008, S. 339–387; D., »Das größte Ereignis der Zeit«, S. 14–39. Constitution, 14.1.1852, Art. 42, sowie Sénatus-consulte, 2.2.1861, Art. 42, beide in: Constitution. Sénatus-consultes. Lois et décrets, hg. v. Corps législatif, Paris 1921. Règlement de l’Assemblée nationale 1848 à 1851, Paris 1871. [. V.], Paris au jour le jour, in: Le Figaro, 10.8.1871, S. 2. Émile M, Annuaire de la presse française. 1880. Première année, Paris 1880, S. 63. Dagegen nennen Martin und Requate 1883 als Gründungsjahr: M, »La grande famille«, S. 131; R, Journalismus als Beruf, S. 94. Zu erklären sind diese verschiedenen Daten vermutlich so, dass seit 1871 ein informeller Zusammenschluss
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II. Rahmungen
Versailles fällt. Die Phase der Konstituierung der jungen Republik war damit abgeschlossen, so dass nun Routinen einkehren konnten. Ein eigenes Regelwerk aus den 1870er Jahren ist zwar nicht überliefert, in später entstandenen Dokumenten der Chambre des députés zur Frage der Pressekarten wird jedoch das Jahr 1879 als Referenz für die Einführung der bis zum Ersten Weltkrieg gängigen Praxis genannt496 . Die Grundsätze dieser Praxis waren folgende: Die questure besprach die die Pressetribünen betreffenden Fragen ausschließlich mit den Vertretern der verschiedenen Journalistengruppierungen. Anders als in der Geschäftsordnung von 1851 vorgesehen, traten dabei jedoch zunächst drei Syndikate in Erscheinung: das Syndicat de la presse parisienne, das Syndicat de la presse départementale und die APE. Zu Beginn jeden Jahres übermittelten die Vertreter den Bedarf ihres Verbandes an Karten, manchmal auch mit Listen der in Frage kommenden Zeitungen, an die questure, die daraufhin dem syndic eine entsprechende Anzahl Karten aushändigte. Der syndic wiederum verteilte die Karten nach eigenem Gutdünken unter den Mitgliedern seines Verbandes497 . Mit dieser Praxis waren durchaus nicht alle Journalisten einverstanden, denn sie benachteiligte jene, die nicht Mitglied eines dieser drei Verbände waren – sei es, weil ihnen der Beitritt nicht gestattet wurde, sei es, weil sie selbst diesen nicht wünschten. Noch im November 1879 beschwerte sich eine Gruppe nicht im Syndicat organisierter Zeitungen, die Regelung sei willkürlich und man zwinge die Zeitungen in eine Organisationsform, die diese freiwillig nicht akzeptieren würden498 . Dahinter standen vermutlich weltanschaulichpolitische Konflikte, denn die französischen Presseverbände waren eigentlich alle politisch ausgerichtet; offenbar arrangierten sich die Journalisten aber mit diesem System, denn in der Folge sind keine Beschwerden dieser Art mehr überliefert499 . Die Agenturen hatten kein eigenes Syndikat gebildet, sondern gehörten teilweise dem der Provinzpresse an500 . Dieser Umstand spiegelt sich in der
496
497
498 499 500
unter diesem Namen bestand, der 1875 und 1883 in eine andere rechtliche Form überführt wurde. So die Dokumente in AssN, Presse – Syndicat de presse française, 12 P 173; Bericht des Generalsekretärs des Präsidenten, E. Pierre, über eine Besprechung am 18.1.1894, AssN, Presse – Tribune de la presse et autres locaux affectés à la presse, 12 P 177. Für den Sénat etwa Séance du 30 octobre [1888], Demande de carte de presse, archives du Sénat, Sénat. Procès-verbaux des délibérations de la questure, 58S 7–58S 22, für den Kongress und die Chambre des députés etwa APE, Règlement [1884], § V, AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. »Gazette de France« u. a. an Secrétaire général de la questure, Paris, 26.11.1879, AssN, Presse – Syndicat de presse française, 12 P 173. M, »La grande famille«; R, Journalismus als Beruf, S. 91–98. Es gab mehrere Vereinigungen der Provinzpresse, die jeweils unterschiedliche politische Orientierungen hatten, 1879 wurde die Association de la presse républicaine départementale gegründet: M, »La grande famille«, S. 131; R, Journalismus als Beruf, S. 92. Ein Syndicat de la presse départementale bestand offenbar schon vorher.
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2. Parlament und Presse
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räumlichen Aufteilung der Pressetribünen. Es gab eine eigene Tribüne für jede dieser drei Gruppierungen, eine weitere stand den Chefredakteuren und Herausgebern der Pariser Presse zur Verfügung501 . Für die Agenturen war keine eigene Tribüne vorgesehen, sie fanden in den Plänen schlichtweg keine Erwähnung. Die Vertreter kleiner Agenturen hatten oftmals keine Chance, einen Platz auf der Pressetribüne zu ergattern. Jules Merley, Inhaber einer kleinen, aber international ausgerichteten Agentur, klagte im Sommer 1882 gegen den Präsidenten des Sénat, Philippe Le Royer, und dessen Kollegen in der Chambre des députés, Henri Brisson, weil er seit Jahren vergeblich versuchte, für seinen Parlamentsberichterstatter Zugang zur Pressetribüne zu erwirken502 . Le Royer und Brisson hätten ihn an den Präsidenten des Syndicat de la Presse parisienne verwiesen, der ihm die Pressekarte jedoch verweigerte. Dies sah Merley als einen Verstoß gegen das Verfassungsgesetz vom 16. Juli 1875 an, das die Öffentlichkeit der Debatten garantierte. Tatsächlich entschied der Conseil d’État die Klage zu seinen Gunsten, dies änderte jedoch nichts an der grundsätzlichen Vergabepraxis503 . Die Agenturen blieben gewissermaßen außen vor; einige von ihnen erhielten ihre Karten entweder über den Verband der Departementspresse oder – etwa bei den Zusammenkünften der Assemblée nationale anlässlich von Verfassungsänderungen und Präsidentschaftswahlen – direkt von der questure504 . Immer vertreten war die größte französische Agentur, die regierungsnahe Agence Havas, doch auch die »Correspondance russe« wurde seit 1894 regelmäßig mit Karten zur Pressetribüne ausgestattet505 . Im Vergleich mit der Geschäftsordnung von 1850 bedeutet dies eine deutliche Abwertung der kleineren Agenturen, die einerseits auf den Monopolstatus der Agence Havas zurückzuführen ist, andererseits aber auch als Zeichen der Aufwertung eigener Korrespondenten für die französische Presse zu lesen ist. Was sich seit der Jahrhundertmitte nicht verändert hatte, war die überragende Relevanz der Hauptstadtpresse. Sie besaß nicht nur die größte Pressetribüne mit der besten Sicht auf das Rednerpult, sondern auch eine zweite Tribüne für ihre Chefredakteure, die auf der Ebene der Galerien mit guter Sicht zwischen den Plätzen der Mitglieder des Conseil d’État und denen des Präsidenten der Deputiertenkammer, nicht weit entfernt von jenen des diplomatischen Corps 501
502 503 504
505
Plan Salle de congrès, undatiert [1894], AssN, Organisation du congrès de 1894 (CasimirPerier), 12 P 183, Plan Chambre des députés: salle des séances. Tribunes/Galerie, 12.1902, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Mémoire ampliatif, Paris, 8.8.1882, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Ibid. Etwa die Liste der Agenturen in den Unterlagen zum Kongress 1894: AssN, Organisation du congrès de 1894 (Casimir-Perier), 12 P 183 oder Secrétariat général de la questure an L. Montaigut (Central News), Paris, 28.2.1894, AssN, Presse – Relations avec la presse étrangère, 12 P 175. Seit 1904 vergab zumindest der Sénat aber ein halbes Dutzend Karten an das Syndicat des agences de la presse: Séance du 24. Juin 1904, archives du Sénat, Sénat. Procès-verbaux des délibérations de la questure, 58S 7–58S 22. Auflistung des Secrétariat général de la questure. Congrès 27.6.1894, AssN, Organisation du congrès de 1894 (Casimir-Perier), 12 P 183.
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II. Rahmungen
untergebracht war506 . Zwar erhielten wenigstens seit 1894 auch die Herausgeber von Provinzzeitungen Einlass auf diese Tribüne, jedoch wurden ihnen nur sieben Plätze zugestanden507 . Überraschend ist das nicht, denn die Presselandschaft der Dritten Republik war geprägt durch die »quatre grands«, die auflagenstarken Pariser Journale »Le Journal«, »Le Matin«, »Le Petit Parisien«, »Le Petit Journal« – wenn auch die Provinzpresse deutlich zulegte und einige überregional einflussreiche Zeitungen hervorbrachte508 . Der Status der Auslandskorrespondenten hatte sich gegenüber der Regelung aus der Jahrhundertmitte deutlich verbessert. Sie hatten ihre eigene Tribüne und konnten ihre Interessen gegenüber der Kammer selbst vertreten. Dies taten sie seit Dezember 1883 ebenfalls in Form eines Verbandes, der APE509 . Über die Vorgeschichte ist leider nichts überliefert, aber das Schreiben, in dem der Sekretär Macon die »constitution définitive« der Association syndicale meldete, lässt darauf schließen, dass es vor der offiziellen Organisation im Verein bereits einen losen Zusammenschluss der Auslandskorrespondenten gab, dessen Vertreter in Kontakt mit der questure stand510 . Man kann wohl davon ausgehen, dass die Gründung des Verbandes ursächlich auf die Praxis der Kartenvergabe im französischen Parlament zurückzuführen ist. Die Auslandspresse war, der Mitgliederliste von Januar 1884 nach zu urteilen, die insgesamt 47 Korrespondenten zählte, die kleinste der am französischen Parlament vertretenen Journalistengruppierungen. Zwar interessierten sich die Deputierten durchaus für die Auslandspresse – das belegt nicht zuletzt der im März 1876 eingebrachte Vorschlag des Abgeordneten Antonin Proust, für die beiden Kammern des Parlaments solle ein Bureau de la presse étrangère eingerichtet werden, das mit der Dokumentation und Zusammenstellung wichtiger Artikel der Auslandspresse für die Deputierten und Senatoren betraut werden sollte –, allerdings reichte der Einfluss ausländischer Blätter bei Weitem nicht an den der französischen Presse heran511 . Und so überrascht es, dass die Bedingungen für ausländische Parlamentsberichterstatter fast besser waren als für die der Provinzpresse: Auf einem Grundriss der Pressetribünen von 1902 506 507
508
509 510 511
Plan Chambre des députés: salle des séances. Tribunes/Galerie, 12.1902, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Empfangsbestätigung für Karten zur Assemblée nationale von Théodore Henry (Präsident des Syndicat de la presse départementale), Paris, 25.6.1894, AssN, Organisation du congrès de 1894 (Casimir-Perier), 12 P 183. In knapper Form A, Histoire de la presse; ziemlich umfangreich dagegen Claude B u. a. (Hg.), Histoire générale de la presse française, 5 Bde., Paris 1969–1976; C, Le siècle de la presse; F, La presse en France. Siehe auch den entsprechenden Abschnitt in Kap. I.3. Macon an G. Hubbard, Paris, 26.5.1884, AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. Antonin Proust: Projet de création d’un bureau de la presse étrangère. Annexe au procèsverbal de la séance du 28 mars 1876: Proposition de loi, AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. Die französische Presse war zudem stark auf die Inlandsberichterstattung fokussiert: A, Histoire de la presse, S. 65.
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wurden der Pariser Presse 100 Plätze zugewiesen, der Provinzpresse 40 und der Auslandspresse 24512 , dem stand jedoch eine deutlich höhere Zahl ausgegebener Karten gegenüber. Im Februar 1908 erhielten die Vertreter der Pariser Journale 123 Karten, die Auslandskorrespondenten 34 und Provinzzeitungen 114 Karten513 . Rechnerisch hatte also nur etwa ein Drittel der Berichterstatter der Provinzpresse einen sicheren Platz auf den Zuschauerrängen, wohingegen unter den Journalisten aus dem Ausland und aus Paris jeweils nur ein Viertel fürchten musste, bei vollem Haus keinen Platz mehr zu bekommen. Zwar bestand immer die Möglichkeit, auf einer der öffentlichen Tribünen unterzukommen, jedoch waren diese gerade bei den wichtigen und damit auch besonders interessanten Verhandlungen stets überfüllt. Zudem war hier die Empfehlung einer Gesandtschaft oder eines Abgeordneten notwendig – ohne Beziehungen konnte man nicht auf eine Karte hoffen514 . Insgesamt scheinen die Journalisten mit dieser Vergabepraxis einverstanden gewesen zu sein, denn es sind nur wenige Klagen darüber überliefert. Indem die questure die Verteilung der Karten den Journalisten selbst überließ, beugte sie von vornherein dem Vorwurf vor, sie sei parteiisch und bevorzuge bestimmte Zeitungen. Außerdem ersparte sie sich auf diese Weise den größten Teil des Verwaltungsaufwandes. In gewisser Weise ist die questure der Chambre des députés die Geburtshelferin der Auslandskorrespondentenvereine: Die Pariser Association syndicale de la presse étrangère – oder vielmehr die ihr vorausgehende informelle Vereinigung von Auslandskorrespondenten – war allem Anschein nach die erste ihrer Art. Ihre jüngere Schwester in London, die Foreign Press Association, wurde 1888 unter Federführung einer Gruppe französischer Journalisten um Georges Pétilleau515 ins Leben gerufen, die sich ausdrücklich auf die APE als Vorbild beriefen516 . Die französische Praxis der Verteilung der Pressekarten für das Parlament wurde für Auslandskorrespondenten auch in anderen nationalen Kontexten zum Vorbild. Die Aushändigung einer Karte für die Pressetribüne war für die Journalisten nur die erste Hürde, die zu Beginn jedes Jahres überwunden werden musste. Ein anderes Problem stellte sich vor jeder einzelnen Sitzung: Die Karte garantierte nicht, dass ihr Inhaber tatsächlich einen Platz auf den Tribünen fand, denn dort herrschte chronischer Platzmangel, der noch dadurch verschärft wurde, 512
513
514 515 516
Plan Chambre des députés: Salle des séances. Tribunes/Galerie, 12.1902, AssN, Presse – Demandes de cartes de presse, 12 P 174. Ein identischer Plan, allerdings auf Juni 1914 datiert, liegt in AssN, Presse – Relations avec la presse étrangère, 12 P 175. Note concernant la demande d’audience des délégués de la presse départementale, secrétariat général de la questure, Paris, 17.2.1908, AssN, Presse – Tribune de la presse et autres locaux affectés à la presse, 12 P 177. Karl B, Paris nebst einigen Routen durch das nördliche Frankreich. Handbuch für Reisende, Leipzig 18 1912, S. 295. [. V.], Art. »Georges Petilleau«, in: Pierre L, Grand dictionnaire universel, Bd. 17, 2. Supplement, Paris 1866–1877, S. 1695. Siehe den Abschnitt über die FPA in Kap. I.3.
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II. Rahmungen
dass mehr Karten vergeben wurden, als Plätze vorhanden waren. Dies sollte mehr Journalisten die Chance bieten, den Verhandlungen des Parlaments beizuwohnen, und wurde dem Umstand gerecht, dass nicht jeder Parlamentsberichterstatter jede Sitzung vor Ort verfolgte. Die carte non barrée berechtigte zum Betreten der jeweiligen Pressetribüne, bot aber auch Zugang zur salle des pas perdus (einem Arbeitsraum für die Parlamentsjournalisten) und den couloirs (den Wandelgängen, in denen sich Abgeordnete, Journalisten und Lobbyisten mischten und die wohl nicht nur für die Karriere der Politiker wertvoll waren517 , sondern auch für die Journalisten eine Goldmine exklusiver Informationen darstellten). Daneben gab es noch die carte barrée, die nur den Zugang zu couloirs und salle des pas perdus gewährleistete, darüber hinaus aber auch zum Betreten der Tribünen berechtigte, falls es dort noch freie Plätze gab518 . Bei wichtigen Sitzungen klagten die Journalisten über die schlechten Arbeitsbedingungen durch die hoffnungslose Überfüllung der Tribünen – und dies offensichtlich bereits kurz nach dem Umzug der Kammer in den Palais Bourbon. Eine erste Erweiterung wurde 1882 vorgenommen, bis 1902 erfolgte ein weiterer Ausbau. Die engen Grenzen, in denen derartige Erweiterungen vorgenommen werden konnten, waren durch die Architektur des 1832 vollendeten Sitzungssaales gesteckt, der damals nicht nur für weniger Abgeordnete konzipiert worden war, sondern auch einer ganz anders strukturierten Öffentlichkeit und der entsprechenden Zeitungslandschaft gerecht werden musste519 . Jeder weitere Platz, der eingefügt wurde, verschärfte die Raumnot oder musste von den benachbarten Tribünen abgezogen werden. Die questure bemühte sich zwar, den von der Pariser und Provinzpresse immer wieder vorgebrachten Änderungswünschen entgegenzukommen, konnte aber letztlich nur resigniert feststellen, dass einzig ein neuer Sitzungssaal das Problem des Platzmangels für die Presse wirklich lösen könne520 . Einige Jahre später entgegnete die questure den energischen Protesten der Pariser Presse gegen den Zustand der Pressetribüne, die Zeitungen könnten ja die Mängel an die Öffentlichkeit bringen und eine Kampagne für die Errichtung eines neuen Sitzungssaals eröffnen521 . Tatsächlich wären wohl auch die Abgeordneten froh über einen neuen Tagungs517 518
519 520
521
Pierre G, Guy T, La vie quotidienne des députés en France de 1871 à 1914, Paris 1980, S. 136–140. Syndicat de la presse parisienne an Secrétaire général de la questure, Paris, 21.11.1879, AssN, Presse – Syndicat de presse française, 12 P 173, Dossier der Sous-commission de la presse, 15.2.1912, AssN, Presse – Tribune de la presse et autres locaux affectés à la presse, 12 P 177. In den 1830er Jahren wurde Platz für 400 Deputierte benötigt, seit den 1870er Jahren waren es mehr als 500: M, L’Assemblée nationale et le Palais-Bourbon, S. 35–39. Bericht des Generalsekretärs des Präsidenten, E. Pierre, über eine Besprechung am 18.1.1894, AssN, Presse – Tribune de la presse et autres locaux affectés à la Presse, 12 P 177. Extrait du Procès-Verbal, 1.3.1911, AssN, Presse – Tribune de la presse et autres locaux affectés à la presse, 12 P 177.
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ort gewesen, auch aus ihren Reihen kamen oft Klagen über die unbequemen, engen Sitzreihen und die schlechte Belüftung522 . Die beengten Verhältnisse auf der Pressetribüne trugen wenig zur kollegialen Solidarität der Journalisten bei. Die Pariser Presse regte die Erweiterung ihrer Tribüne auf Kosten der Provinzpresse an, diese schlug bei anderer Gelegenheit eine Vergrößerung ihrer Tribüne auf Kosten der Pariser und der Auslandspresse vor523 . Die questure der Kammer nahm die Rolle eines ausgleichenden Vermittlers ein, versuchte unparteiisch zu bleiben und für alle erträgliche Lösungen zu finden. Als der Vertreter der Pariser Presse Anfang des Jahres 1912 größere Arbeitstische und eine bessere Beleuchtung auf seiner Tribüne beantragte, zog Emil Ney, Pariser Korrespondent der FZ und syndic der Auslandspresse, nach und forderte die gleichen Verbesserungen für die von ihm vertretenen Korrespondenten. Die questure entschied, diese Forderung sei nur gerecht, und bewilligte sie ebenfalls524 . Nach 1900 bemühte sich die Parlamentsverwaltung offensichtlich um Gleichbehandlung der verschiedenen Journalistengruppierungen. Die Person des syndic als Torwächter der Pressetribüne nahm eine zentrale Stellung bei der Vergabe der Pressekarten ein und war dementsprechend ein wichtiger Akteur. Die Statuten der APE von 1884 legten fest, dass der von der Generalversammlung der Association gewählte Präsident zugleich der syndic war525 . Allerdings war diese Wahl von der Zustimmung durch die questure der Deputiertenkammer abhängig. Dabei spielte die Nationalität des syndic eine Rolle, aber auch seine Netzwerke. Dass mit Emil Ney von 1910 bis zum August 1914 ein Deutscher der syndic der Auslandspresse war, erschien den Beamten der questure offenbar erklärungsbedürftig, denn man vermerkte seine gute Vernetzung mit dem »monde parlementaire«526 . Auch wenn die Auslandskorrespondenten durch die Association syndicale gewissermaßen als einheitliche Gruppe behandelt wurden, zeigen diese Überlegungen, dass ihre jeweilige Nationalität doch eine Rolle spielte. Insgesamt waren die ausländischen Journalisten mit der Regelung des Zugangs zu den Sitzungen des französischen Parlaments und den dort bereitgestellten Arbeitsmöglichkeiten im Allgemeinen offenbar ziemlich zufrieden: »Paris«, so sagte der Präsident der APE, John Clifford Millage (»Daily Chronicle«), 1893 anlässlich des Jahresbanketts der Association, das gemeinsam mit französischen Kollegen im Restaurant Le Lion d’Or begangen wurde, »est le pa522 523
524 525 526
M, L’Assemblée nationale et le Palais-Bourbon, S. 53–62. Extrait du Procès-verbal de la réunion du Bureau/Delegation de la Presse parisienne, 6.3.1912; Eingangsnotiz über die Doléances de la presse départementale, März 1908; Dossier der Sous-commission de la presse, 15.2.1912, AssN, Presse – Tribune de la presse et autres locaux affectés à la presse, 12 P 177. Ibid. Statuts de l’Association syndicale de la presse étrangère à Paris, [1884], AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. Undatierte Notiz im Dossier Syndicat de la presse étrangère, [1914–1934], AssN, Presse – Relations avec la presse étrangère, 12 P 175.
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radis des correspondants étrangers«527 . Die Beziehungen mit den inländischen Journalisten seien gut und es gebe keine andere Hauptstadt auf der Welt, wo den Auslandskorrespondenten ein so achtbarer Platz eingeräumt würde. 2.2 Wien: Journalisten im österreichischen Reichsrat Von den hier untersuchten Parlamenten ist das österreichische jenes mit der kürzesten Geschichte528 . Das erste österreichische Parlament, der Reichstag, trat 1848 in der Winterreitschule zusammen und war aufgrund der erfolgreichen Gegenrevolution nur von äußerst kurzer Dauer. Seine Sitzungen waren öffentlich, und neben einer Loge für den Hof und die Diplomaten waren auch Logen für das allgemeine Publikum und die Journalisten des In- und Auslandes ausgewiesen529 . Der Reichsrat, den der junge Kaiser Franz Joseph I. mit der oktroyierten Verfassung von 1849 schuf, hatte kaum demokratische Züge und war dementsprechend auch nicht öffentlich – er wurde ohnehin kurze Zeit später mit dem Silvesterpatent wieder beseitigt. Die Niederlage gegen Sardinien 1859 zwang die österreichische Regierung zu Zugeständnissen an das finanzstarke Bürgertum. Daher akzeptierte Franz Joseph zähneknirschend eine Verfassung, die einen aus Abgeordnetenhaus und Herrenhaus zusammengesetzten Reichsrat vorsah, der zwar wiederum nur rudimentäre demokratische Züge trug, dessen Verhandlungen diesmal jedoch grundsätzlich öffentlich stattfanden530 . Anders als die Vorgängerinstitutionen traten Herren- und Abgeordnetenhaus tatsächlich in Funktion, und so mussten zunächst passende Tagungsorte gefunden werden. Das Herrenhaus wurde im Sitzungssaal des Niederösterreichischen Landhauses in der Herrengasse untergebracht, für das Abgeordnetenhaus mit seinen 343 Mitgliedern jedoch musste ein Neubau errichtet werden531 . Innerhalb einiger Wochen entstand vor dem Schottentor ein hölzernes Parlamentsgebäude, das der Volksmund wenig wertschätzend als »Bretterbude« bezeichnete532 und dem die Presse den Charakter eines drittklassigen Bahnhofsgebäudes zu527 528
529
530 531
532
[. V.], Nouvelles du jour. Einen kompakten Überblick bietet Berthold S, Ernst B, Der Reichsrat, das Parlament der westlichen Reichshälfte Österreich-Ungarns, 1861–1918, in: Ernst B (Hg.), Parlamentarismus in Österreich, Wien 2001, S. 60–109. Sitzordnung des Reichstages in der Winterreitschule, Bild 22 in Hellmut L, Edith R, Der Kampf um demokratische Rechte und parlamentarische Einrichtungen, in: Wilhelm F. C (Hg.), Das österreichische Parlament. Zum Jubiläum des 100jährigen Bestandes des Parlamentsgebäudes, Wien 1984, S. 1–22, hier S. 16. S, B, Der Reichsrat, S. 60–109. Dietrich H, Rückschläge und Fortschritte in der demokratischen Entwicklung, in: C (Hg.), Das österreichische Parlament, S. 23–34; S, B, Der Reichsrat, S. 60–109, besonders S. 62–65; zum Abgeordnetenhaus Wilhelm F. C, Das österreichische Parlament, Wien 1967. Ibid., S. 6.
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schrieb533 . Das nach dem »Vater der Verfassung« Anton Ritter von Schmerling leicht despektierlich auch als »Schmerling-Theater« bezeichnete Provisorium blieb immerhin über zwanzig Jahre lang der Tagungsort des Abgeordnetenhauses. Der amphitheatralisch angeordnete Sitzungssaal war mit einer Galerie versehen, in deren Mitte die reich ausgestattete Hofloge lag, umgeben von den Logen der Diplomaten, des Hofstaates und der Aristokratie; daran schlossen sich auf beiden Seiten die Plätze für das allgemeine Publikum an, während den Journalisten die beiden Ecklogen seitlich der Rednertribüne zugewiesen wurden534 . Zufrieden waren die Pressevertreter damit nicht, denn abgesehen von den »beschränkten Räumlichkeiten« und der schlechten Akustik klagten sie in der Heizperiode über unerträgliche Hitze; im Herrenhaus dagegen seien ihre Logen so dunkel, dass man kaum einen Buchstaben erkennen könne – Zustände, die die »Kopf- und Augennerven der Journalisten« arg in Mitleidenschaft zogen535 . Nach der Renovierung des Abgeordnetensaales, der infolge der Wahlrechtsreform von 1873 nicht mehr ausreichend Platz bot, vermerkte ein enttäuschter Berichterstatter: »Die Journalistenloge blieb unverändert auf jenem Platze der Galerie, wo die Redner am allerschlechtesten gehört werden«536 . Wahrscheinlich, so mutmaßte der anonyme Autor, diene dies dazu, »übereilte Bemerkungen« der Redner von der Zeitungsöffentlichkeit fernzuhalten537 . Immerhin wurden die Journalisten bei der Kartenvergabe bevorzugt, denn die Ordner gaben die begehrten »Permanenzkarten« ausschließlich an Pressevertreter aus – auch der Wiener Gemeinderat konnte in dieser Hinsicht keine Besserstellung erreichen538 . Nach fast zehnjähriger Bauzeit dürfte die politische und journalistische Gesellschaft Wiens der Eröffnung des prächtigen Reichsratsgebäudes von Theophil Hansen im Dezember 1883 mit Ungeduld entgegengesehen haben539 . Zumindest die Journalisten wurden enttäuscht. Anlässlich der Eröffnung des Reichsratsgebäudes klagte der Vertreter der »Morgenpost«, der Erbauer des Hauses habe sich »in der Bemessung des Raumes für die Vertreter des österreichischen Volkes eine zu weit gehende Zurückhaltung auferlegt [. . . ]. In geradezu peinlicher Weise hat den Raummangel im Sitzungssaale auch die Presse zu empfinden«540 : Statt der bisher 80 Plätze standen ihnen in Hansens 533 534 535 536
537 538 539 540
Friedrich U, Wiener Chronik, in: Die Presse (Wien), 21.4.1861, S. 2; auch B, Das neue Parlamentsgebäude in Wien, in: Znaimer Wochenblatt, 19.5.1861, S. 2. U, Wiener Chronik; B, Das neue Parlamentsgebäude in Wien. [. V.], Wiener Localzeitung, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 15.11.1861, S. 3. Zitat [. V.], Tagesneuigkeiten. Aus dem Parlamentshause, in: Morgen-Post (Wien), 3.11.1873, S. 3; zu den Wahlrechtsreformen und der Zusammensetzung des Reichsrats S, B, Der Reichsrat, S. 68–79. [. V.], Tagesneuigkeiten. Aus dem Parlamentshause. Präsidium des Abgeordnetenhauses an Wiener Gemeinderat, 10.5.1861, ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83. Zur Baugeschichte C, Das österreichische Parlament, S. 12–26. [. V.], Im neuen Reichsrathsgebäude, in: Morgen-Post (Wien), 4.12.1883, S. 1f.
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»Marmorbau« nur noch 59 zur Verfügung – wiederum an den vorderen Rändern der Galerie und damit möglichst weit von der stets verwaisten Hofloge entfernt541 . Immerhin wurde für das allgemeine Publikum eine zweite, etwas zurückgesetzte Galerie mit rund 200 Plätzen eingerichtet. Als die Zahl der Abgeordneten durch die Wahlrechtsreform 1907 von 425 auf 516 anwuchs, wurden nicht nur die Plätze im Sitzungssaal vermehrt, sondern auch diejenigen auf den Pressegalerien542 . Die im Parlamentsarchiv überlieferten Dokumente über die Pressegalerie und die Beziehungen der Verwaltung des Abgeordnetenhauses zu Journalisten sind nicht sehr umfangreich, lassen aber immerhin die Prinzipien der Kartenvergabe erkennen. Aus den Haus- und Geschäftsordnungen geht hervor, dass die Verteilung der Karten an die Pressevertreter von Ordnern übernommen wurde, die aus der Mitte der Abgeordneten gewählt wurden543 . Nähere Informationen darüber, nach welchen Kriterien diese den Journalisten Zugang gewährten oder versagten, sind erst für das Jahr 1891 überliefert: »[W]egen Raummangels [wurden] Berichterstatter-Karten nur an große politische Tagesblätter«544 ausgegeben. Dies schloss die Korrespondenten ausländischer Zeitungen mit ein, wie zum Beispiel jenen der Berliner »Bank- und Handelszeitung«. Der Wiener Vertreter des Blattes bat um eine »Permanenzkarte für die Journalistentribüne des hohen Hauses«, übersandte einige Belegartikel und verwies auf die Bedeutung seines Blattes, dessen regelmäßige Berichterstattung über Österreich sowie das kostenlose Abonnement, das man dem Parlamentspräsidium zur Verfügung stellte545 . Welcher dieser Aspekte die Parlamentsverwaltung letztlich bewog, die gewünschte Karte zu übersenden, muss dahingestellt bleiben, aber direkt am folgenden Tag wurde sie ihm überstellt546 . Der erste Hinweis darauf, dass die Journalisten selbst in die Kartenvergabe eingebunden wurden, findet sich in der Hausordnung von 1907: Die Ordner und der Präsident des Hauses oder sein Stellvertreter bildeten ein fünfköpfiges Komitee, das »die Verteilung 541
542 543
544 545
546
Notiz Sitzverteilung der Galerien, [1896], bei k. k. Inspectorat des Reichsraths-Gebäudes in Wien an Kanzlei-Direktion des Abgeordnetenhauses, [1896], ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83; [. V.], Im neuen Reichsrathsgebäude. Zur Wahlrechtsreform S, B, Der Reichsrat, S. 77f.; Eduard L, Parlament und Presse, Wien 1953, S. 76. Geschäftsordnung für das Haus der Abgeordneten, Wien 1863; Geschäftsordnung für das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes. Beschlossen am 2. März 1875, Wien 1875; Hausordnung für das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes, Wien 1887, § 22–28. Die Geschäftsordnungen liegen alle im ÖP, Abgeordnetenhaus 1861–1918. Das Verfahren gleicht dem in undatierten, vermutlich älteren Hausordnungen und änderte sich im Untersuchungszeitraum kaum. Abschrift Kanzleidirektion an Franz Bednarz, Redakteur der »Juridischen Rundschau«, 8.5.1891, ÖP, Varia, 1e/3 (1), Schachtel 71. E. Carl Barschall, Redakteur Bureau Wien der »Bank- und Handelszeitung«, an das Bureau des Abgeordnetenhauses des österreichischen Reichsrathes, 6.4.1891, ÖP, Varia, 1e/3 (1), Schachtel 71. Abschrift Kanzleidirektion an Barschall, 7.4.1891, ÖP, Varia, 1e/3 (1), Schachtel 71.
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der Plätze auf der Journalistengalerie im Einvernehmen mit den Vertretern der Parlamentsberichterstatter zu regeln« hatte547 . Wer diese Vertreter der Parlamentsberichterstatter waren und wie sie sich legitimierten, wurde nicht näher erläutert, es steht jedoch zu vermuten, dass es sich dabei um den »Ordner« der »Organisation der Parlamentsjournalisten« handelte – von 1910 bis 1938 wurde dieses Amt vom Wiener Redakteur Gustav Haller bekleidet548 . Außer den kurzen Auszügen aus den Erinnerungen Hallers ist nichts über diese Organisation überliefert. Es handelte sich dabei vermutlich um einen losen Zusammenschluss, der nicht den Status eines Vereins hatte. Wann und aus welchem Grund er gegründet wurde, ist nicht bekannt. 1908 waren laut Haller in dieser Organisation die 125 aus dem Parlament berichtenden »amtlich legitimierten Journalisten des In- und Auslandes« zusammengefasst549 . Die Legitimation wurde von der Vereinigung der Parlamentsjournalisten ausgestellt und vom Kanzleidirektor des Abgeordnetenhauses bestätigt, war also mit einem Presseausweis vergleichbar. Ob er außerhalb des Reichsrats eine Bedeutung hatte, ist nicht nachweisbar. Diese Praxis erinnert stark an die der französischen Parlamentsverwaltung, jedoch existieren keine Belege für die strenge Separation der verschiedenen Gruppen von Pressevertretern. Der direkte Zugang zum Reichsratsgebäude war für eine schnelle und seriöse Berichterstattung über die Verhandlungen der beiden Häuser unerlässlich. Die Augenzeugenschaft bei den Sitzungen ließ sich um den Preis einer gewissen Verzögerung weitgehend durch die stenografischen Protokolle und die Zusammenfassungen in der amtlichen »Wiener Zeitung« substituieren. Legte ein Blatt aber Wert auf wohlinformierte Hintergrundberichterstattung, so war der regelmäßige Zugang zum Reichsratsgebäude sowie der alltägliche und routinierte Kontakt zu den Abgeordneten unersetzlich. Die Journalisten hatten verschiedene Möglichkeiten, um mit den Abgeordneten, Regierungsvertretern und Diplomaten im Parlament zusammenzutreffen. Die Journalistenloge war im alten Parlamentsgebäude nur durch eine niedrige Trennwand von der Diplomatenloge abgeteilt, so dass Unterhaltungen über die Wand hinweg möglich waren550 . Im neuen Parlamentsgebäude gab es zwischen den einzelnen Logen – abgesehen natürlich von der Hofloge – offenbar gar keine Trennwände, so dass die Plätze der Diplomatenloge oft »von anderen Personen okkupirt« wurden551 . Erst, als die Gesandten sich beim Minister des Äußern über diesen Zustand beschwerten, wurde eine Abtrennung beschlossen. Auch in den Gängen und 547 548
549 550 551
Hausordnung für das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes, Wien 1907, S. 17f., § 44. Zitiert nach L, Parlament und Presse, S. 76–79; Ludwig (1883–1967) war seit 1913 Mitarbeiter des Literarischen Bureaus des Ministeriums des Äußern und schreibt daher aus der Zeitzeugenperspektive. Ibid., S. 76. [. V.], Wiener Localzeitung, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 28.7.1861, S. 3. Präsidium des Abgeordnetenhauses an Außenminister Heinrich von Haymerle, 13.2.1880, ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83.
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Vorräumen des Sitzungssaales – wie in Frankreich couloirs genannt – waren Begegnungen möglich, da Abgeordnete, Minister, Journalisten und Publikum den gleichen Eingang benutzten552 . Dies hatte gewissermaßen Tradition: Als die Ordner des Reichstags im September 1848 den Journalisten einen eigenen, »wenig anständigen Eingang« zuwiesen, um »eine Influencirung« der Abgeordneten zu verhindern, verließen die 65 anwesenden in- und ausländischen Journalisten ihre Loge und beschlossen einstimmig, nicht mehr zu berichten, bis diese Maßnahme rückgängig gemacht würde – und hatten Erfolg553 . Ein halbes Jahrhundert später wurde im Bureau des Abgeordnetenhauses eine anders geartete Separation beschlossen: Der Zugang zur zweiten Galerie, die für das allgemeine Publikum bestimmt war, sollte nur noch über einen Seiteneingang möglich sein554 , um dieses aus der Säulenhalle, »Verkehrsmitte des Hauses« und der »allgemeine Treffpunkt und Beobachtungsplatz«555 , fernzuhalten. Die Garderoben wurden verlegt, um »den Abgeordneten [. . . ] einen vom Publikum ungehinderten und leichteren Verkehr untereinander und mit den Journalisten zu ermöglichen«, und auch das Journalistenzimmer, zu dem die Inhaber der Permanenzkarten Zutritt hatten, wanderte vom zweiten Stock in den ersten, wo neben den Restaurants für Abgeordnete und Journalisten auch das Telegrafen- und Postamt sowie das Telefonzimmer in unmittelbarer Nähe waren556 . Diese Maßnahme verkürzte die Wege für die Pressevertreter erheblich und rückte sie wohl nicht nur räumlich ins Zentrum des Parlaments, sondern bestätigte auch ihren Stand, ihr Ansehen und ganz allgemein ihre Bedeutung im politischen Leben Wiens. Eigene Arbeitsräume wurden den Journalisten spätestens seit 1887 zuerkannt557 , und ein Zeitungsbericht von 1875, der sich über den Ausschluss von Journalisten von den parlamentarischen Soiréen Bismarcks wunderte, bemerkte, dass man in Österreich »seit Langem gewohnt [sei], die Journalistik in Verbindung mit Parlament und Regierung zu sehen; fast jedes Blatt hat seine speziellen Freunde in Abgeordnetenkreisen und seit Beginn der konstitutionellen Aera unter Schmerling hat keine Regierung es von sich gewiesen, den sogenannten parlamentarischen Soiréen auch Vertreter der Presse bei552 553
554
555 556
557
Hausordnung 1887, S. 26; L, Parlament und Presse, S. 75. [. V.], Kleine Nachrichten aus Wien, in: Wiener Zeitung, 26.9.1848, S. 16; Ernst Victor Z, Geschichte der Wiener Journalistik. Ein Beitrag zur deutschen Kulturgeschichte. Das Jahr 1848, Wien 1893, 104f. Nach Pollak waren Abgeordnete und Journalisten auch in den 1860er Jahren in den couloirs in ständigem zwanglosem und freundschaftlichem Kontakt: P, Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten, S. 71–76. Kanzleidirektor des Abgeordnetenhauses an den Greffier du secretaire général de la Chambre des représentants, Bruxelles, 14.2.1907, ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83. L, Parlament und Presse, S. 75. So der entsprechende Beschluss im Protokoll über die Sitzung des Bureaus des Abgeordnetenhauses am 18.3.1903, ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83, Zitat ibid. Bestimmungen für die Berichterstatter der Journale in: Hausordnung 1887, S. 10–12.
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zuziehen«558 . Ganz so harmonisch, wie die »Morgenpost«, die zumindest in den 1870er Jahren auf gutem Fuße mit der Preßleitung stand, das Verhältnis von Politik und Presse wahrnahm, stellte sich der Kontakt sicher nicht für alle Journalisten dar. Die genannten »speziellen Freunde« dürften sich entlang politischer Sympathien gefunden haben. Dennoch scheinen die Arbeitsbedingungen im Parlament für die Journalisten im Allgemeinen zumindest seit Ende des 19. Jahrhunderts recht günstig gewesen zu sein, die Parlamentsverwaltung berücksichtigte ihre Bedürfnisse und verteidigte diese sogar gegen die Abgeordneten: Als die Abgeordneten eine Bevorzugung bei Telefongesprächen verlangten, um lange Wartezeiten zu umgehen, wurde dies mit dem Hinweis abgelehnt, man wolle die Journalisten nicht verärgern559 . Ludwigs Aussage, die Pressevertreter seien im Reichsrat der Monarchie »eher Gleichgestellte als Gäste« gewesen560 , muss aber relativiert werden. Dies galt allenfalls für die Zeit nach 1900 und auch dann nur für jene Journalisten, die mit Karten versehen waren. Es ist anzunehmen, dass sich der Stand der Journalisten mit den Wahlrechtsreformen und der dadurch veränderten Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses verbesserte: Während in dem noch von den Landtagen und später direkt unter einem strengen Zensus gewählten Abgeordnetenhaus vor allem Grundund Hausbesitzer vertreten waren, nahm mit der Einführung der direkten, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahl 1907 der Anteil der Vertreter der Freien Berufe, darunter auch Journalisten, unter den Abgeordneten deutlich zu561 . Ein Zusammenhang mit der Beteiligung der Parlamentsberichterstatter am Zulassungsprozess ist wahrscheinlich, in den Quellen aber nicht nachweisbar. Die Auslandskorrespondenten, die Zugang zum Parlament hatten, profitierten davon ebenso wie die österreichischen Berichterstatter. In welchem Umfang sie Karten erhielten, ab wann für sie eine eigene Galerie reserviert war und wie sich der Kontakt zu den Abgeordneten und Regierungsmitgliedern im Reichsrat gestaltete, lässt sich aus den Quellen leider kaum rekonstruieren562 . In den 1890er Jahren war eine der beiden Presselogen für die »Wiener 558
559
560 561 562
[. V.], Fürst Bismarck und die Presse, in: Morgen-Post (Wien), 20.12.1875, S. 1f, http: //anno.onb.ac.at/ (Zugriff am 16.6.2107). Interessanterweise ist der Tenor des Artikels der, dass die Berliner Journalisten selbst für diese Isolierung von der Politik verantwortlich seien, und zwar, um nicht in den Ruch der Offiziosität zu gelangen. In London, Paris und Wien sei das anders. Leiter des k. k. Handels-Ministeriums an Präsidium des Abgeordnetenhauses, 27.8.1911, ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83. Auch die Möglichkeiten der Berichterstattung wurden ausgeweitet: Seit Anfang der 1890er Jahre wurden Pressefotografen zum Abgeordnetenhaus zugelassen, das erste Zeitungsbild einer Sitzung wurde aber erst 1902 abgedruckt: Anton H, Rasende Reporter. Eine Kulturgeschichte des Fotojournalismus. Fotografie, Presse und Gesellschaft in Österreich 1890 bis 1945, Darmstadt 2014, S. 122. L, Parlament und Presse, S. 75. S, B, Der Reichsrat, S. 68–79. In seinen Erinnerungen an das Parlament seit 1907 schreibt Haller von getrennten Logen
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Residenzpresse« reserviert, die andere wurde von den Korrespondenten der Provinz- und Auslandspresse genutzt563 . Eduard Ludwig, der selbst als Journalist österreichischer und ausländischer Zeitungen in Wien arbeitete, bevor er in den Dienst der Preßleitung trat564 , nennt die in- und ausländischen Presseberichterstatter in einem Atemzug: In der Monarchie sei der »journalistische Betrieb im Reichsrate ein außerordentlich starker« gewesen. »Das Wiener Parlament war als Volksvertretung einer Großmacht in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg für die internationale Journalistik äußerst interessant und es waren unter den 125 legitimierten Journalisten viele Vertreter ausländischer Blätter und Agenturen«565 . Offenbar wechselten diese jedoch häufig – abgesehen von den Vertretern der reichsdeutschen Blätter, die nach Ludwig oftmals unter den Parlamentsberichterstattern und Redakteuren der Wiener Zeitungen rekrutiert wurden566 . Dies war etwa bei Siegmund Rubinstein der Fall, der – wie andere Mitarbeiter der »Neuen Freien Presse« auch – für den »Berliner Lokal-Anzeiger« berichtete567 . Als exklusive ständige Berichterstatter führt Ludwig nur den Österreicher Leopold Mandl (VZ), Hugo Ganz (FZ), Hans Hartmeyer (HN), Leo Lederer (BT), Ernst Grüttefien (»Tägliche Rundschau«) und Hans Bungers (KöZ) auf568 . Die Korrespondenten der wichtigsten deutschen Blätter hatten folglich Zugang zum Abgeordnetenhaus und gehörten höchstwahrscheinlich auch der Organisation der Parlamentsberichterstatter an. 2.3 London: Journalisten in den Houses of Parliament Ausgerechnet im Falle der »Grandmother of parliaments« waren die Sitzungen laut Gesetz nicht öffentlich und der Abdruck der Debatten untersagt569 . Diese überkommenen Regeln blieben über den Ersten Weltkrieg hinaus bestehen, obwohl die Praxis längst eine andere geworden war570 . Schon im
563
564
565 566 567 568 569 570
für die in- und ausländischen Journalisten. In den Akten des Parlaments von 1861 bis 1918 findet sich kein Hinweis auf diese Trennung. L, Parlament und Presse, S. 75f. Dies ist dem Artikel zum ersten Pressefoto aus dem Abgeordnetenhaus zu entnehmen, [. V.], Die Loge der Presse im Sitzungsaale des österreichischen Abgeordnetenhauses, in: Österreichische Illustrirte Zeitung, 11.12.1893, S. 12, siehe Coverabbildung. Zu dieser Fotografie H, Rasende Reporter, S. 117. [. V.], Art. »Eduard Ludwig«, in: Munzinger Online/Personen – Internationales biographisches Archiv, http://www.munzinger.de/document/00000003813 (Zugriff am 16.6.2017). L, Parlament und Presse, S. 73. Ibid., S. 75f. Ibid., S. 79; auch Übersicht über österreichische Preßverhältnisse, [1904], PA AA, RAV London, 1322. L, Parlament und Presse, S. 79. Zitat [. V.], This Morning’s News, in: Daily News, 29.4.1898. Z. B. Lucy B, Victorian News and Newspapers, Oxford 1985, S. 148–158; Michael MD, The Book of Parliament, London 1897, S. 310–323; Thomas E M,
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18. Jahrhundert wurden nicht nur die Galerien des House of Lords, dessen Verhandlungen immer für die Öffentlichkeit zugänglich waren571 , sondern auch die des House of Commons von »Fremden« besucht, unter denen sich auch Journalisten befanden572 . Diese waren aufgrund des Publikationsverbots der Debatten zwar gezwungen, ihre Notizen heimlich zu machen, der Abdruck wurde jedoch nicht unterbunden, obwohl das Verbot 1738 erneut ausdrücklich bestätigt wurde573 . Das »Gentleman’s Magazine« etwa veröffentlichte die Debatten schon in den 1740er Jahren regelmäßig in großer Ausführlichkeit unter dem Titel »Debates of the Senate of (Great) Lilliput« und verfremdete die Namen der Members of Parliament (MP) nur geringfügig574 . Um 1800 hatte sich eine stillschweigende Duldung des Abdrucks etabliert, 1802 begründete William Cobbet die »Parliamentary Debates« und veröffentlichte seitdem fortlaufend jede Sitzung der beiden Häuser; später verkaufte er das Periodikum an Thomas C. Hansard, unter dessen Namen die Debatten seither veröffentlicht wurden575 . Ebenfalls seit 1802 wurde die Anwesenheit von Journalisten auf den Galerien offiziell akzeptiert576 . Als nach dem Brand, der weite Teile des Westminster Palace zerstörte, beide Häuser neu errichtet werden mussten, wurden die Bedürfnisse der Presse ausdrücklich in die Planungen einbezogen, und so reservierte man bereits seit 1835 in den provisorischen Sitzungsräumen feste Plätze für Journalisten577 . Die Anwesenheit der Presse wurde nicht nur geduldet, sondern als fester Bestandteil des parlamentarischen Lebens anerkannt. Der Ruf »I spy strangers«, der zur Räumung der Galerien führte, erscholl nur noch als Form der Obstruktion, um die Absurdität der bestehenden Regelungen vorzuführen – zuletzt 1875, danach
571 572 573 574
575
576 577
A Practical Treatise on the Law, Privileges, Proceedings and Usage of Parliament, London 2 1851, S. 77–79; Josef R, Recht und Technik des englischen Parlamentarismus. Die Geschäftsordnung des House of Commons in ihrer geschichtlichen Entwicklung und gegenwärtigen Gestalt, Leipzig 1905, S. 280–292; Henry T. R, A History of the Palace of Westminster, in: Charles B, Henry T. R (Hg.), Illustrations of the New Palace of Westminster. A History of the Palace of Westminster, London 1849. R, Recht und Technik, S. 289. Ibid., S. 288. Ibid., S. 291. Etwa [Samuel J], Debates in the Senate of Lilliput, in: Gentleman’s Magazine, Januar 1744, S. 3f. Dazu auch Christopher J, The Great Palace. The Story of Parliament, London 1983, S. 236. Zum Verbot E M, A Practical Treatise, S. 77–79. R, Recht und Technik, S. 282–284; auch Arnold W, Philip S, Parliament, Past and Present. A Popular and Picturesque Account of a Thousand Years in the Palace of Westminster, the Home of the Mother of Parliaments, London 1902, S. 230. Der Hansard, wie die Parliamentary Debates kurz genannt wurden, wurde bereits in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts von der britischen Regierung finanziell unterstützt. Die Verhandlungen sind abrufbar unter http://hansard.millbanksystems.com. B, Victorian News, S. 148; R, Recht und Technik, S. 292. W, S, Parliament, S. 229; MD, The Book of Parliament, S. 310.
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II. Rahmungen
konnten die Zuschauer erst nach einer Abstimmung des Hauses verwiesen werden578 . Wie in den anderen hier vorgestellten Parlamenten auch waren die Plätze auf der Reporters’ Gallery begrenzt – 1867 waren es rund 30 Plätze, die für die »metropolitan morning papers« reserviert waren579 . Um einen der begehrten Plätze zu erhalten, musste sich der Berichterstatter an den serjeantat-arms wenden, der Tickets – gültig für die jeweilige Sitzungsperiode – an die Blätter vergab, »whose position and character entitle them to representation in the gallery«580 . Für die Reporters’ Gallery im House of Lords, die für ihre schlechte Akustik bekannt war, verteilte der Lord Great Chamberlain die Karten581 . Erst 1880 wurde die Galerie auf etwa 50 Plätze vergrößert, zu denen nun auch große Provinzblätter und Nachrichtenagenturen Zugang erhielten582 . Die Vertreter ausländischer Zeitungen blieben von der Reporters’ Gallery prinzipiell ausgeschlossen – Auslandskorrespondenten, die um eine entsprechende Karte baten, erhielten ausnahmslos die Antwort, »that the very limited accomodation in the Reporters’ Gallery of the House of Commons being inadequate to meet the demands made on the part of the Press of this country, it is found impossible to admit representatives of Foreign Journals«583 . Weder der Hinweis auf eine Mitgliedschaft bei der FPA noch darauf, dass britische Korrespondenten freien Zugang zur Pressetribüne des französischen Parlaments hätten, änderte etwas an dieser Absage584 . Als der Korrespondent der »Kreuzzeitung«, Walter von Bissing, um einen permanenten Zugang zur Reporters’ Gallery bat, war ihm die Aussichtslosigkeit dieses Wunsches wohl schon bewusst, denn er fügte hinzu, falls das nicht möglich sei, bitte er um »a way more convenient than by introduction of a member«585 . War sein Freund, der als Abgeordneter im House of Commons saß, gerade nicht greifbar
578
579 580 581 582 583 584
585
R, Recht und Technik, S. 288; auch Andreas W, Parlament und Volkes Stimme. Unterhaus und Öffentlichkeit im England des frühen 19. Jahrhunderts, Göttingen 1990, S. 83. Brady, Commons Sitting of 19. March 1867. The Reporters’ Gallery, in: Hansard’s Parliamentary Debates 186, Series 3 (1867), § 122f. Zitat MD, The Book of Parliament, S. 315; ferner B, Victorian News, S. 149; R, Recht und Technik, S. 284. MD, The Book of Parliament, S. 323. Commons Sitting of 3. March 1890. The Press Gallery, in: Hansard’s Parliamentary Debates 341, Series 3 (1890), § 1621, sowie MD, The Book of Parliament, S. 314. Henry David Erskine (serjeant-at-arms) an George Grillée (»La France«), London, 29.1.1900, Parliamentary Archives, London, Foreign Newspapers, HC/SA/SJ/5/24. Zum Verweis auf die FPA H. Autram an Erskine, London, 28.1.1908, Parliamentary Archives, London, Foreign Newspapers, HC/SA/SJ/5/24, zum Hinweis auf die Chambre des députés R. Puaux (»Le Temps«) an Erskine, 13.6.1904, Parliamentary Archives, London, Foreign Newspapers, HC/SA/SJ/5/24. Walter von Bissing an Arthur Peel (Speaker of the House of Commons), 28.11.1888, Parliamentary Archives, London, Foreign Newspapers, HC/SA/SJ/5/24.
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2. Parlament und Presse
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oder die Strangers’ Gallery überfüllt – was bei wichtigen Sitzungen immer der Fall war –, bekam Bissing keinen Zugang und konnte seinen Bericht nicht auf Basis eigener Anschauung schreiben. Der serjeant-at-arms hatte auch in diesem Falle nur die Standardabsage parat586 . Die Auslandskorrespondenten hatten zwar die Möglichkeit, von der Strangers’ Gallery aus die Sitzung zu verfolgen. Da diese aber für die allgemeine (männliche) Öffentlichkeit zugänglich war, konkurrierten sie mit vielen anderen um die wenigen Plätze, die zudem nicht mit Tischen ausgestattet waren und eine weniger günstige Sicht und Akustik hatten. Eine regelmäßige, auf Augenzeugenschaft beruhende Berichterstattung gerade bei den spannenden, stets überfüllten Sitzungen587 ließ sich so nicht gewährleisten. Die Korrespondenten waren dann für ihren Parlamentsbericht entweder auf den Hansard oder die Parlamentsberichte der Londoner Blätter angewiesen, was jedoch eine Verzögerung von mindestens einem Tag bedeutete – was spätestens seit dem letzten Viertel des Jahrhunderts mit den Ansprüchen der Zeitungen an die Aktualität der Berichte kaum mehr vereinbar war. Daneben gab es die von Bissing angeführte Möglichkeit, als Gast eines MP einen Platz auf der speziell zu diesem Zweck reservierten Galerie zu erhalten. Karl Blind bemerkte Cotta gegenüber, seit 33 Jahren habe er »stets nur in meiner Eigenschaft als Freund von Parlamentsmitgliedern« das Haus besucht, was trotz »aller Förmlichkeiten [. . . ] gut möglich« sei588 . Er hatte offensichtlich auch keine Probleme, den Parlamentsdebatten beizuwohnen, als der Speaker Anfang 1887 – auf die Dynamit-Anschläge verweisend – die Auslandskorrespondenten aus dem gesamten Parlament aussperrte. Der Korrespondent der Wiener »Neuen Freien Presse« dagegen zeigte sich sehr ungehalten über diese »Rücksichtslosigkeit« und »Insolenz«, es sei »der helle Unverstand, eine Verfügung wegen der Dynamitarden auch auf die Vertreter der fremdländischen Presse auszudehnen«589 . Schlimmer noch als die Behinderung seiner Berichterstattung traf ihn aber offenbar die Missachtung der Auslandskorrespondenten, welche der Beschluss des Speakers ausdrückte. Die hier untersuchten Londoner Korrespondenten thematisierten ihren Ausschluss von der Reporters’ Gallery in ihren Briefen kaum. Dass sie aber doch unzufrieden über diesen Zustand waren, zeigt ein Antrag, den der Delegierte der FPA, Theodor Burlumi, auf dem IX. Internationalen Pressekongress in Wien einbrachte:
586 587 588 589
Erskine an Bissing, London, 29.11.1888, Parliamentary Archives, London, Foreign Newspapers, HC/SA/SJ/5/24. Etwa MD, The Book of Parliament, S. 317. Karl Blind an J.-G.-Cotta’sche Buchhandlung, London, 11.2.1887, DLA, Cotta: Briefe – Blind. [. V.], Kleine Chronik. Englische Gastfreundlichkeit, in: Neue Freie Presse, 3.2.1887, S. 1. In den Parliamentary Archives und im Hansard findet sich kein Hinweis auf diesen Ausschluss, möglicherweise war er nur kurz wirksam.
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II. Rahmungen
Im Interesse der Berufssolidarität zwischen den Journalisten aller Länder soll der Kongreß verlangen, daß die Korrespondenten ausländischer Blätter in jedem Lande dieselben Rechte und Erleichterungen genießen, welche der einheimischen Presse zugestanden werden. Der Kongreß möge aussprechen, daß er es als die Pflicht der Journalisten aller Länder erachtet, ihren ausländischen Kollegen hilfreich zur Seite zu stehen590 .
Dass dieser Antrag eher theoretischen Charakter hatte, war den Journalisten wohl klar, denn der Sekretär des Kongresses, Victor Taunay, wandte ein, dieses Anliegen könne man nicht durchsetzen – und wies explizit auf den Ausschluss der ausländischen Journalisten von der Reporters’ Gallery des britischen Parlaments hin. Burlumis Antrag wurde zwar angenommen, zeitigte aber wie erwartet keinerlei Veränderung. Vier Jahre später gelang es der FPA jedoch, an geeignet scheinender Stelle einen Fürsprecher für ihr Anliegen zu gewinnen – und zwar unter Hinweis auf den Internationalen Pressekongress. Am 24. März 1908 beantragte der schottische Abgeordnete Donald Mackenzie Smeaton, dass die Reporters’ Gallery auch für die Vertreter der ausländischen und kolonialen Presse geöffnet werden sollte. Angesichts der bevorzugten Behandlung, die britische Korrespondenten in den europäischen Parlamenten, selbst in der russischen Duma genössen, wäre dies »a simple act of international courtesy«591 . Die Möglichkeit direkter Berichterstattung über die britischen Parlamentsverhandlungen aus eigener Anschauung entbände zudem die Auslandspresse davon, sich auf die oft äußerst parteiisch gefärbten Berichte der englischen Presse zu berufen – die Öffnung der Reporters’ Gallery wäre somit eine gute Möglichkeit, die internationalen Spannungen und Missverständnisse zu mildern. Zwar sekundierte ihm der Liberale Frederick Maddison, indem er für die Umsetzung dieser »modest contribution to international fraternity« plädierte592 . Der First Commissioner of Works, Lewis Vernon Harcourt, betonte aber: »[C]harity in seats must begin with the home Press«; da eine Vergrößerung der Reporters’ Gallery unter den gegenwärtigen Umständen unmöglich sei, könne man leider der Auslandspresse keinen Zutritt gewähren593 . Der schottische Delegierte T. P. O’Connor entgegnete, es treibe einem die Schamesröte ins Gesicht, wenn man die Praxis in Westminster Palace mit der Gastfreundschaft vergleiche, die den britischen Korrespondenten in Paris, Berlin und Wien zuteilwerde594 . Smeaton selbst jedoch beendete die Debatte, indem er seinen Antrag zurückzog: Er wolle das Haus nicht spalten und sei zufrieden damit, dass nur Sachzwänge und keine prinzipiellen Einwände einer Zulassung der ausländischen Journalisten im Wege stünden595 .
590 591 592 593 594 595
[. V.], Der IX. internationale Preßkongreß (zweiter Verhandlungstag), in: Neues Wiener Abendblatt, 14.9.1904, S. 2–4, Zitat S. 4. Smeaton, Commons Sitting of 24. March 1908, § 1302. Maddison, Commons Sitting of 24. March 1908, § 1305. Harcourt, Commons Sitting of 24. March 1908, § 1308. O’Connor, Commons Sitting of 24. March 1908, § 1314. Smeaton, Commons Sitting of 24. March 1908, § 1324.
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2. Parlament und Presse
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Ausgerechnet im Mutterland von Pressefreiheit und Parlamentarismus blieben die Auslandskorrespondenten also außen vor. Sie konnten weder von den komfortablen Einrichtungen für die englischen Parlamentsberichterstatter profitieren – neben Schreibzimmern und Telegrafen gab es Speise-, Teeund Rauchsalons596 –, noch war es ihnen möglich, Einlass in die Lobby des House of Commons zu erlangen597 . Während Wright und Smith die Lobby als »a centre of journalistic activity« beschreiben598 , relativiert Brown ihre Bedeutung: »[T]he Lobby was a handy meeting place for those people whose contacts already existed« – mehr aber auch nicht599 . Die dort gewonnenen Erkenntnisse waren für gut vernetzte Journalisten auch auf informellem Wege in den Clubs und bei gesellschaftlichen Anlässen zu erlangen600 . Die Auslandskorrespondenten waren aufgrund ihres meist geringeren Status bei weitem nicht so gut in die politische Welt integriert wie britische Journalisten; zudem mussten sie sich gesellschaftliche Kontakte zunächst noch erarbeiten. Daher dürfte der Ausschluss aus dem Parlament als Herz des politischen Lebens in Großbritannien gerade für sie recht schmerzhaft gewesen sein.
596 597 598 599 600
MD, The Book of Parliament, S. 314, 319; W, S, Parliament, S. 229. Zur Lobby B, Victorian News, 151f.; MD, The Book of Parliament, S. 330–333; W, S, Parliament, S. 85. Ibid. B, Victorian News, S. 152. Ibid., S. 127–169.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur Nachdem in den letzten Kapiteln in erster Linie äußere Strukturen und Faktoren beleuchtet wurden, die den Arbeitsalltag der Journalisten einrahmten und die Bedingungen der beruflichen Praxis formten, wird in diesem Kapitel nun die berufliche Kultur der Auslandskorrespondenten herausgearbeitet. Dies ist mit einem Perspektivwechsel verbunden, denn während die bislang herangezogenen Quellen vornehmlich aus dem Blickwinkel politischer Akteure heraus verfasst waren, stützt sich der folgende Teil überwiegend auf Dokumente aus der Feder der eigentlichen Protagonisten dieser Arbeit1 . Insgesamt konnten rund 380 Korrespondenten ermittelt werden, die zwischen 1848 und 1914 von einem der drei untersuchten Berichtsorte aus für eine deutsche Zeitung korrespondierten. In den seltensten Fällen handelte es sich bei diesen um bekanntere Persönlichkeiten, nur von wenigen ist ein Nachlass überliefert, so dass die im Laufe der Lektüre und Recherche zusammengetragenen Daten keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erheben können – weder, was die identifizierten Korrespondenten betrifft, noch in Bezug auf deren Lebensläufe, die oft genug nur in Bruchstücken rekonstruierbar sind. Aus diesem Grund wurden aus der Masse der meist weitgehend konturlos bleibenden Korrespondenten einige wenige herausgegriffen, deren Leben eine gut nachvollziehbare Spur in den Archiven hinterlassen hat. An ihrem Beispiel werden die verschiedenen Aspekte, die in diesem Kapitel im Fokus stehen, untersucht. Das Kapitel ist chronologisch gegliedert: Der erste Teil umfasst die Phase der Etablierung des Berufs und der Formierung der Zunft zwischen 1848 und den 1870er Jahren, der zweite Teil beschreibt das »goldene Zeitalter« der Auslandsberichterstattung und des Korrespondentenberufs bis 19142 . Diese beiden Phasen werden nicht durch eine klare Zäsur getrennt, die Übergänge sind fließend und es wäre durchaus ein alternativer Schnitt in den 1860er oder 1880er Jahren denkbar gewesen. Die Wahl der 1870er Jahre als Trennlinie ist ein Kompromiss aus Überlegungen zur Darstellung und Greifbarkeit von Ereignissen, die die Pressegeschichte und damit auch die Geschichte des Korrespondentenberufs prägten, auch wenn Auswirkungen auf die berufliche Kultur der Auslandskorrespondenten nicht unmittelbar wahrnehmbar sind. Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 und die daraus hervorgehende 1 2
Zu den Auswahlkriterien, die den folgenden Ausführungen zugrunde liegen, siehe Einleitung. Geppert bezeichnet die Zeit um 1900 als das goldene Zeitalter der Zeitungskorrespondenten: G, Ambassadors of Democracy, S. 35.
https://doi.org/10.1515/9783110581973-005
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Gründung des Deutschen Reichs bedeutete lediglich für die deutschen Korrespondenten in Frankreich eine scharfe Zäsur3 . Mittelbar initiierten oder verstärkten diese Ereignisse aber Prozesse, die sich auf das gesamte deutsche Pressewesen und damit auf die deutschen Auslandskorrespondenten auswirkten. Vom wirtschaftlichen Aufschwung der Gründerjahre profitierte auch die Presse in erheblichem Maße, ebenso von der Herausbildung eines nationalen Nachrichtenmarktes sowie der gesteigerten Bedeutung Berlins als Hauptstadt und nationales Nachrichtenzentrum; das Reichspressegesetz von 1874 verbesserte und vereinheitlichte den gesetzlichen Rahmen recht weitgehend und schuf damit für die Presse die Möglichkeit eines dynamischen Aufschwungs, der auf langfristigen gesellschaftlichen Entwicklungen (Urbanisierung, Alphabetisierung, Politisierung, Umgestaltung des politischen Systems und des Zusammenspiels von Politik und Presse) basierte und durch technische Neuerungen angetrieben wurde. Diese Prozesse führten das Pressewesen im Deutschen Reich zu einer Blüte, die die finanziellen Voraussetzungen schuf für die Etablierung von neuen journalistischen Praktiken und Standards, zu denen auch der Ausbau des Nachrichtendienstes im In- und Ausland gehörte. Für beide Phasen werden zunächst typische Biografien und Karrierewege der Korrespondenten dargestellt, anschließend deren Selbstbild und berufliche Identität sowie die journalistische Arbeits- und Recherchepraxis. Eine zusammenfassende Darstellung der sozialgeschichtlichen Eckdaten deutscher Auslandskorrespondenten auf Basis einer quantitativen Auswertung des gesamten Samples wäre zwar wünschenswert gewesen, um die Entwicklung des Berufs besser fassen zu können, allerdings sind die vorliegenden Daten trotz intensiver Recherchen in biografischen Nachschlagewerken zu lückenhaft geblieben, als dass eine komprimierte Darstellung vertretbar gewesen wäre. Die Ergebnisse fließen an verschiedenen Stellen in den Text mit ein.
1. Die Formierung der Zunft (1848–1870er Jahre) Im folgenden Kapitel werden die Karrierewege einiger Korrespondenten dargestellt, und zwar getrennt nach den Berichtsorten. Die vorherigen Kapitel haben gezeigt, dass die politische Kultur vor Ort in starkem Maße die Arbeitsbedingungen der Korrespondenten und damit auch ihre berufliche Biografie beeinflusste, und tatsächlich hat jede der drei untersuchten Hauptstädte einen anderen Korrespondententypus begünstigt, wie in den entsprechenden Unterkapiteln gezeigt wird. Die journalistische Arbeits- und Recherchepraxis, das Selbstverständnis und die berufliche Identität der Korrespondenten aller
3
Der preußisch-österreichische Krieg von 1866 wirkte sich schon aufgrund seiner Bündnisstruktur kaum auf die persönlichen Umstände der Korrespondenten in Wien aus.
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1. Die Formierung der Zunft
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drei Orte werden dagegen in einem Unterkapitel zusammengefasst, weil hier zahlreiche Parallelen vorliegen. Zuvor wird noch ein kurzer Überblick über Zeitungen mit eigenem Korrespondentennetz gegeben. Schon eine Aussage darüber, wie viele und welche Zeitungen überhaupt eigene Korrespondenten in London, Paris und Wien unterhielten, ist aufgrund der Quellenlage ausgesprochen schwierig. Ein einigermaßen ausgedehntes Netz ständiger Korrespondenten unterhielten offenbar nur die AZ und die KöZ, beide Blätter verfügten schon zu Beginn des Untersuchungszeitraums an allen drei untersuchten Berichtsorten über mehrere Korrespondenten, darunter auch solche, die exklusiv und regelmäßig über einen längeren Zeitraum für das jeweilige Blatt berichteten. Für die AZ schrieben aus Paris, London und Wien insgesamt rund fünfzig Korrespondenten, für die KöZ immer mehr als zwanzig. Darunter sind jedoch auch sporadische oder kurzzeitige Mitarbeiter gefasst. Auch an der »Neuen Rheinischen Zeitung« arbeiteten in der kurzen Zeit ihres Bestehens (Juni 1848 bis Mai 1849) mehrere Korrespondenten mit, deren journalistische Tätigkeit in erster Linie ein Instrument ihrer politischen Zielsetzungen gewesen sein dürfte4 . Längeren Bestand hatte die liberale Berliner NZ, die sich zwar in den 1850er und 1860er Jahren nur wenige eigene Korrespondenten leistete, darunter aber auch solche, die exklusiv für sie schrieben, wie etwa Lothar Bucher, der aus London hauptberuflich für das Blatt berichtete. Für tägliche telegrafische Depeschen war der Dienst von WTB abonniert5 . Auch die »Kreuzzeitung« hatte in diesem Zeitraum etwa ein halbes Dutzend Korrespondenten, von denen die meisten auch für andere Zeitungen wie etwa die AZ, den HC oder kleinere Blätter berichteten6 . Lediglich ein gewisser Dr. Otterburg in Paris scheint ausschließlich für die »Kreuzzeitung« geschrieben zu haben, allerdings war er hauptberuflich Arzt. Daneben wurde die »Kreuzzeitung« als »publizistisches Aushängeschild der Rechtskonservativen« von preußischen Diplomaten niederen Ranges mit Nachrichten versorgt7 . Zudem pflegte der langjährige Redakteur George Hesekiel von Berlin aus fingierte
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K, Deutsche Presse, S. 116. Ernst Gerhard F, Die Geschichte der Berliner »National-Zeitung« in den Jahren 1848 bis 1878, Leipzig 1933, S. 19. Der HC, der sich zu seiner Blütezeit um 1800 eines eigenen Korrespondentennetzes zur Beschaffung von Nachrichten bediente und dadurch aus der deutschen Zeitungslandschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts herausstach, scheint nach seinem Niedergang in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine eigenen Korrespondenten mehr unterhalten zu haben. Brigitte T, Der Hamburgische Correspondent. Zur öffentlichen Verbreitung der Aufklärung in Deutschland, Tübingen 1995. Zitat Dagmar B, »Mit Gott für König und Vaterland!« Die Neue Preußische Zeitung (Kreuzzeitung) 1848–1892, Münster 2002, S. 425; ähnlich auch Paul Alfred M, Die Kreuzzeitung 1848–1923. Ein geschichtlicher Rückblick, in: Neue Preußische (Kreuz-) Zeitung, 16.6.1923, S. 1–17, hier S. 15.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Pariser Korrespondenzen zu schreiben8 . In ähnlicher Weise verfuhr Theodor Fontane, der für die »Kreuzzeitung« auch nach seiner Rückkehr aus England weiterhin »Londoner Korrespondenzen« schrieb – man kann davon ausgehen, dass diese Praxis im deutschen Pressewesen weit verbreitet war9 . Auch wenn die VZ zu den auflagenstärksten deutschen Tageszeitungen gehörte, scheint sie in den 1850er und 1860er Jahren noch über kein sehr ausgedehntes Netz ständiger Korrespondenten verfügt zu haben. Es konnten nur vier ausfindig gemacht werden, die zudem alle parallel für andere Journale arbeiteten10 . Das hohe Ansehen der VZ beruhte in erster Linie auf der Qualität ihres Feuilletons und ihrer Leitartikel; der Nachrichtendienst war dafür offenbar unerheblich11 . Anfang der 1860er Jahre begann die 1856 gegründete FZ mit dem Ausbau ihres Korrespondentennetzes. Sie hatte aber bis 1870 nur in Paris regelmäßige Korrespondenten: Ludwig Pfau, Eugène Seinguerlet und Ludwig Simon12 . Neben den bereits erwähnten hatten auch die »Kölnische Volkszeitung«, der »Nürnberger Correspondent« und der »Schwäbische Merkur« jeweils drei Korrespondenten. 35 weitere Zeitungen verfügten über ein bis zwei Korrespondenten, die sie sich aber meist mit mehreren anderen Zeitungen teilten13 . Zudem ist kaum Näheres über die Biografien dieser Korrespondenten bekannt, so dass über die Dauer oder Intensität ihrer Tätigkeit keine Aussagen getroffen werden können. Wahrscheinlich betätigten sie sich nur gelegentlich neben einer anderen Beschäftigung als Korrespondenten, und es ist gut möglich, dass sie dafür kein Honorar erhielten. Man kann wohl davon ausgehen, dass oftmals ihre persönliche Bekanntschaft mit einem Redakteur oder Verleger ausschlaggebend war und dass es sich bei den abgedruckten Korrespondenzen um Ausschnitte aus privaten Briefwechseln handelte – und damit nicht um genuin journalistische Erzeugnisse. Denkbar ist auch eine lediglich okkasionelle Berichterstattung, wie dies etwa anlässlich der Feierlichkeiten zur Krönung Franz Josephs I. zum ungarischen König 1867 der Fall war. Neben großen europäischen Zeitungen 8 9
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B, »Mit Gott für König und Vaterland!«, S. 131; K, Deutsche Presse, S. 210; M, Die Kreuzzeitung 1848–1923, S. 4. Siehe unten sowie B, »Mit Gott für König und Vaterland!«, S. 131f.; Heide SB, Zur Einführung, in: D. (ed.), Theodor Fontane, S. 1–66, hier S. 31–66; G, Die Zeitung, 377f. Dabei handelte es sich um Biscamp, Fontane, Karl A. von Schmidt auf Altenstadt und Hans Wachenhusen, von dem sie vermutlich in erster Linie Kriegs- und Reiseberichte bezog. So auch B, Die Vossische Zeitung. Klaus B, Vossische Zeitung (1617–1934), in: Heinz-Dietrich F (Hg.), Deutsche Zeitungen des 17.–20. Jahrhunderts, Pullach 1972, S. 24–39, hier S. 35–38; Bender erwähnt zur Nachrichtenbeschaffung nur, dass das Blatt im 18. Jahrhundert vor allem andere Zeitungen, etwa den HC, als Quelle nutzte. Geschichte der Frankfurter Zeitung (1856–1906), Frankfurt a. M. 1906. Der systematische Aufbau eines Korrespondentennetzes für die »Kölnische Volkszeitung« wurde jedoch erst Ende der 1880er Jahre betrieben, so Rolf K, Kölnische Volkszeitung (1860–1941), in: Heinz-Dietrich F (Hg.), Deutsche Zeitungen des 17.–20. Jahrhunderts, Pullach 1972, S. 257–281, hier S. 259.
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1. Die Formierung der Zunft
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wie »Standard«, »Journal des débats«, »Indépendance belge«, AZ und KöZ sandte auch der Wiesbadener »Rheinische Kurier« einen eigenen Berichterstatter14 . Das Blatt war erst kurz zuvor gegründet worden und dürfte kaum über Wiesbaden hinaus verbreitet gewesen sein15 , allerdings hatte sein Herausgeber einige Zeit für die offiziösen Wiener Blätter »Glocke«, »Donau-Zeitung« und »Fremdenblatt« gearbeitet16 . Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass von den 200 bis 300 deutschen Tageszeitungen17 nur etwa ein halbes Dutzend über ein mehr oder minder gut ausgebautes Korrespondentennetz verfügte, drei bis vier Dutzend dürften sich sporadisch eines Korrespondenten bedient haben – die alltägliche Berichterstattung der überwältigenden Mehrzahl der deutschen Journale speiste sich hingegen aus anderen Zeitungen und den telegrafischen und lithografischen Korrespondenzbüros18 . Michael Werner nennt für den Vormärz die – vorbehaltlich geäußerte – Zahl von rund 30 deutschen Zeitungen, die ein eigenes Korrespondentennetz hatten, und schätzt, dass sich rund 300 Deutsche in journalistischer Funktion in Paris aufhielten. Darunter waren demnach rund 100 nur gelegentlich oder punktuell tätig, bei den übrigen handelt es sich nicht allein um politische Korrespondenten von Tageszeitungen, sondern um Beiträger aller Art zu Periodika aller Art19 . Auch wenn man berücksichtigt, dass er den Begriff des Journalisten sehr weit fasst, scheinen diese Zahlen deutlich zu hoch gegriffen. Schon die Zahl der Zeitungen mit eigenem Korrespondentennetz dürfte in den 1830er und 1840er Jahre angesichts des eben Dargelegten eher im einstelligen Bereich zu verorten sein. Zwischen 1848 und 1870 konnten insgesamt 129 deutsche Auslandskorrespondenten ermittelt werden – 43 in Paris, 23 in London, 63 in Wien. Im nächsten Abschnitt werden nun einzelne Korrespondenten herausgegriffen und eingehender vorgestellt. Sie wurden ausgewählt, weil ihre Biografien 14 15
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Andrassy an Beust, Ofen, 30.5.1867, AT-OeStA/HHStA PL 8–10. Selbst die Zeitschriftendatenbank der Staatsbibliothek Berlin und der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet den Titel erst ab 1870, http://dispatch.opac.d-nb.de/ (Zugriff am 3.9.2015). Siehe den Eintrag zu Bernhard Scholz, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 31 (1876), S. 230. Über den entsandten Berichterstatter L. von Ernst ist weiter nichts bekannt. Die Zahl der Zeitungstitel ist nicht gut dokumentiert in dieser Phase, Aussagen darüber sind nur mit Vorbehalt zu treffen. Laut Stöber waren es 1850 etwa 180 Tageszeitungen: S, Deutsche Pressegeschichte, S. 160; Koszyk geht davon aus, dass es auf dem Gebiet des Deutschen Bundes 1866 rund 300 Zeitungen gab: K, Deutsche Presse, S. 304. So etwa W, Grundzüge, S. 187. Michael W, Les journalistes allemands à Paris sous la monarchie de Juillet, in: Michel G, Jochen S (Hg.), Médiations/Vermittlungen. Aspekte der deutschfranzösischen Beziehungen vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart/Aspects des relations franco-allemandes du XVIIe siècle à nos jours, Bern, Frankfurt a. M. 1991, S. 477–489, hier S. 480f.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
als typisch für deutsche Auslandskorrespondenten dieser Zeit gelten können. Entscheidend war aber auch die Verfügbarkeit von aussagekräftigem Quellenmaterial. Daher entstand ein gewisses Übergewicht an Journalisten, die für die AZ schrieben, denn deren Redaktionsarchiv ist eines der wenigen überlieferten aus dem 19. Jahrhundert. Die AZ war allerdings auch eine der ersten deutschen Zeitungen, die systematisch ein ausgedehntes Netz eigener (Auslands-) Korrespondenten aufbauten. Sie war daher bis Mitte des 19. Jahrhunderts die Referenz für fundierte, selbstrecherchierte Auslandsberichterstattung. Aus diesem Grund erscheint die Fokussierung auf ihre Korrespondenten wiederum gerechtfertigt. Wann immer möglich, wurden die Korrespondenten anderer Zeitungen hinzugezogen. 1.1 Vom Exilanten zum Auslandskorrespondenten in London Die europäischen Revolutionen des Jahres 1848 prägten die Pressegeschichte nicht allein als transnationales Medienereignis, das der Dichte, Aktualität und internationalen Verflechtung der Berichterstattung eine neue Qualität verlieh, die Bedeutung der Presse für die Politik auf eine neue Grundlage stellte und die Politisierung der Gesellschaften zu einem alltäglichen Phänomen machte, sondern auch, weil die politischen Umstürze auf verschiedene Arten zusätzliches Personal für die Zeitungen freisetzten. Zum einen bedeutete politisches Engagement in der Mitte des 19. Jahrhunderts großenteils journalistisches bzw. schriftstellerisches Engagement: Wer politisches Gedankengut verbreiten oder eine Partei unterstützen wollte, der tat dies nicht allein durch Demonstrationen und Reden, sondern vor allem auch durch Publikationen20 . Broschüren und Flugschriften spielten eine bedeutende Rolle, aber auch Beiträge und Artikel in Zeitschriften und Zeitungen waren ein wichtiges Medium. Dabei ging es nicht allein um programmatische (Leit-)Artikel, sondern eben auch um die Auswahl von Nachrichten und die Deutung der Ereignisse des politischen Alltagsgeschehens im In- und Ausland. Die Herausbildung und Etablierung der Parteien war eng verquickt mit der Entwicklung der Parteipresse21 . Politische Aktion wurde nicht allein lokal gedacht, sondern mindestens national oder sogar international; zumindest die Spitzen der liberalen/demokratischen Bewegung entfalteten schon im Vormärz eine gewisse Reisetätigkeit. Das politische Scheitern der Revolution jedoch zwang einer großen Zahl ihrer Verfechter hohe räumliche Mobilität auf und bescherte den Zeitungsverlegern einen umfangreichen Pool potentieller Auslandskorrespondenten: Revolutionsflüchtlinge waren oftmals junge Männer mit akademischer Bildung 20 21
Auch umgekehrt galt vielen Journalisten seit den 1850er Jahren die Parteinahme als Ideal: R, Kommerzialisierung der Presse im frühen 20. Jahrhundert, S. 126. D., Journalismus als Beruf, S. 290–324.
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und publizistischer Erfahrung, die sich von heute auf morgen vor die Aufgabe gestellt sahen, in einem fremden Land eine neue Existenz aufzubauen22 . In den Kreisen, in denen die Migranten verkehrten, gab es viele, die bereits mit Verlegern oder Redaktionen von Zeitungen zusammengearbeitet hatten; für die übrigen ließen sich leicht Vermittler für solche Kontakte finden, und so versuchten viele Revolutionsflüchtlinge, ihren Lebensunterhalt als Auslandskorrespondent einer deutschsprachigen Zeitung zu verdienen. Besonders in London ist daher die Zahl der Exilanten unter den Zeitungskorrespondenten verhältnismäßig groß, denn die britische Asylpolitik war besonders liberal. Anders als etwa Frankreich oder die Schweiz ließen sich die Briten nicht von den deutschen Regierungen dazu bewegen, politische Flüchtlinge auszuweisen. Wer in Europa bleiben wollte und in Frankreich, Belgien oder der Schweiz nicht mehr geduldet wurde, dem blieb nur noch London als Exil. Zwar überwachten auch die Briten die immigrierten Revolutionäre, jedoch nur, um sich ein Bild darüber zu machen, ob diese auch in England Unruhen herbeiführen würden. Die Einwanderer an sich interessierten die Briten so wenig, dass in der Mitte des Jahrhunderts nicht einmal Listen über diese angelegt wurden23 . Auch wenn es in London nicht ausschließlich solche Korrespondenten gab, die als Revolutionsexilanten in die Stadt gelangt waren – ein Gegenbeispiel ist Theodor Fontane, der sich im Auftrag des preußischen Literarischen Bureaus in der britischen Hauptstadt aufhielt –, so machten erstgenannte doch einen so großen Anteil aus, dass man diese als die typischen Vertreter deutscher Zeitungen in London bezeichnen kann. Einer jener für den hier untersuchten Zeitraum typischen London-Korrespondenten war Elard Biscamp. Sein Werdegang bildet in diesem Kapitel den roten Faden, ergänzend werden einzelne Aspekte der Biografien anderer Korrespondenten eingewoben. Elard Christian Biscamp (1821–1882), Sohn eines kurhessischen Staatsdomänenpächters, studierte an der Marburger Philipps-Universität von 1842 bis Anfang des Jahres 1848 Jura und Theologie24 . Seine erste Stelle war die 22
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Sabine F, Flotsam of Revolution. European Exiles in England after 1849, in: German Historical Institute Bulletin 20 (1999), S. 118–124; D., Revolution and Migration, Europe 1848/49, in: Dirk H, Immanuel N (Hg.), Encylopedia of Global Human Migration, New York 2012, sowie die Beiträge in Sabine F (Hg.), Exiles from European Revolutions. Refugees in mid-Victorian England, New York 2003. Andreas F, British Exceptionalism in Perspective. Political Asylum in Continental Europe, in: F (Hg.), Exiles, S. 32–42; Bernard P, The Asylum of Nations. Britain and the Refugees of 1848, in: ibid., S. 43–56; F, Introduction, in: D. (Hg.), Exiles, S. 1–16; D., Flotsam of Revolution. Zu Biscamps Biografie: Werner S, Christian Elard Biscamp (gest. 14.4.1882 London). Leben und Wirken eines vergessenen hessischen Journalisten in der schweizerischen und englischen Emigration, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 88 (1980), S. 169–194. Die Familie schreibt ihren Namen »Biskamp«, der hier interessierende Elard Christian jedoch »Biscamp«. Auch benutzte er Elard als ersten Vornamen.
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eines Hauslehrers im Baltikum, im Frühjahr 1849 ging er nach Lübeck, wo Verwandte von ihm lebten, um die kurz zuvor gegründete »Lübecker Zeitung« zu redigieren. Allerdings waren seine Artikel dem Verleger »zu demokratisch«, und so gab er nicht etwa seine politische Überzeugung auf, sondern bereits im Juni 1849 die Redaktionsleitung25 . Über seine Politisierung ist nichts Näheres bekannt. Er trat noch im Sommer desselben Jahres in die Redaktion der Kasseler »Hornisse. Zeitung für hessische Biedermänner« ein, wo er mit den Sozialdemokraten Heinrich Heise und Gottlieb Kellner in Kontakt kam, die Mitglieder des Bundes der Kommunisten waren26 . Als im zweiten Halbjahr 1850 die hessische Restauration erstarkte, stellte das Satireblatt sein Erscheinen ein, die Redaktionsmitglieder flohen vor den einrückenden Bundestruppen. Biscamp ging nach Bremen, wo er sich im Demokratischen Verein engagierte und als Chefredakteur der »Tageschronik« arbeitete, die ebenfalls mit den Zielen der Märzrevolution sympathisierte. Nachdem Biscamp bereits kurz nach seiner Ankunft der Aufenthalt in Bremen verboten worden war, floh er Mitte Mai aufgrund einer Hausdurchsuchung in die Schweiz, wo er sich dem Genfer Arbeiterverein anschloss und mit anderen deutschen Flüchtlingen verkehrte, von denen einige in enger Verbindung mit den Londoner Exilanten um Karl Marx standen. Weil Biscamp Ende 1851 die Westschweiz bereiste, um Emigranten und Arbeiter gegen die Restauration in Frankreich zu mobilisieren, wurde er des Landes verwiesen und am 12. März 1852 nach Großbritannien gebracht27 . Über Biscamps erste Jahre in Großbritannien ist nicht viel bekannt. Er arbeitete als Lehrer, vermutlich in Edmonton, nördlich von London, außerdem wird er als Korrespondent der KöZ, Bremer »Weser-Zeitung« und VZ sowie der »New York Tribune« erwähnt28 . Seine Mitarbeit an dem amerikanischen Blatt lässt auf bereits vorhandene Englischkenntnisse schließen, wobei unklar ist, ob er tatsächlich schon vor seiner Ankunft Englisch sprach oder es erst vor Ort lernte. Biscamp suchte sich London als seinen neuen Wirkungsort nicht freiwillig aus, sondern hatte wohl keine andere Wahl. Ähnlich erging es auch vielen anderen Londoner Korrespondenten: Sowohl Edgar Bauer, Karl Blind und Lothar Bucher als auch Wilhelm Liebknecht, Karl Ohly und Ferdinand Wolff mussten aufgrund ihrer Mitwirkung an der Revolution aus ihrer deutschen Heimat fliehen und landeten – meist nach mehreren Zwischenstationen – in London, wo sie ihren Lebensunterhalt als Journalisten oder Lehrer bestritten29 . Auch Henri Charles Joseph Savoye, der sich an der Pariser Februarrevolution 25
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[. V.], Art. »Lübeck in seinen neueren und neuesten Zuständen«, in: Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände, 12 Bde., Leipzig 1848–1856, Bd. 8 (1853), S. 605–660, hier S. 632. Ibid. Ibid. Ibid., S. 179. Großbritannien war das einzige europäische Land, das seine liberale Flüchtlingspolitik
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beteiligt und die französische Republik in Frankfurt a. M. vertreten hatte, und Max Schlesinger, der wegen seines politischen Engagements in Wien vor das Kriegsgericht gestellt wurde, gelangten als Revolutionsexilanten in die britische Hauptstadt und arbeiteten dort als Korrespondenten deutscher Zeitungen. Von den Londoner Korrespondenten, die zwischen 1848 und 1870 für deutsche Zeitungen schrieben, kamen 16 als Revolutionsexilanten nach Großbritannien, bei dreien sind die Hintergründe nicht nachvollziehbar, nur vier waren freiwillig und unabhängig von der Revolution nach London gegangen: Adolphus Bernays, der am Londoner King’s College Germanistik lehrte und von 1818 bis 1850 für die AZ zunächst feuilletonistische Korrespondenzen schrieb, sich auf die Bitte Cottas hin aber auch der politischen Berichterstattung widmete; Henry Reeve, der seit den 1840er Jahren gelegentlich Artikel für die AZ schrieb und hauptamtlich Redakteur englischer Zeitungen war; Theodor Fontane, der im Auftrag des preußischen Literarischen Bureaus wenige Jahre als Berichterstatter aus London tätig war; Franz Hüffer, der seit 1869 in England lebte und als Musikkritiker arbeitete30 . Für alle vier war die Berichterstattung nach Deutschland lediglich ein Nebenverdienst, auf den sie nicht angewiesen waren; vermutlich definierte sich keiner von ihnen als Auslandskorrespondent. Auch wenn außer den hier erwähnten Korrespondenten sicher noch weitere existierten, wird man aus den vorliegenden Ergebnissen doch den Schluss wagen dürfen, dass in diesem Zeitraum die meisten Londoner Korrespondenten diesen Beruf nicht ganz aus freien Stücken ergriffen, sondern aus der Not des Exils heraus. Die Berichterstattung für eine deutsche Zeitung bot sich den Revolutionsflüchtlingen aus mehreren Gründen als Broterwerb an31 . Einerseits waren sicher nicht alle der englischen Sprache mächtig, die Mitte des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum als Fremdsprache deutlich weniger verbreitet war als das Französische32 . Karl Blind beispielsweise sprach und verstand bei seiner
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beibehielt. Wollten die Revolutionsexilanten Europa nicht verlassen, war die Emigration dorthin alternativlos. F, Introduction, S. 3; P, The Asylum of Nations. Etwa Bernays an Cotta, London, 24.5.1819, 8.5.1850, DLA, Cotta: Briefe – Bernays, sowie Reeve an Cotta, 24.12.1870, DLA, Cotta: Briefe – Reeve. Zu Theodor Fontanes Korrespondententätigkeit für das Literarische Bureau siehe Kap. II.1.5. Auch Sabine Freitag betont, dass dies eine wichtige Einkommensquelle deutscher Exilanten war: F, Introduction, S. 10. Während Französisch seit Anfang des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil der preußischen höheren Schulbildung war, wurde Englischunterricht erst seit 1855 (Bremen) an einzelnen Schulen angeboten. Erst in den 1920er Jahren wurde es nach längerer Debatte möglich, Englisch auch als erste Fremdsprache anzubieten, so Christiane O, »Sprachenwirrwarr« an den höheren Schulen. Der Sprachenstreit in Preußen in der Weimarer Republik, in: Friederike K, Elisabeth K, Felicitas S (Hg.), Schulsprachenpolitik und fremdsprachliche Unterrichtspraxis. Historische Schlaglichter zwischen 1800 und 1989, Münster, New York, München, Berlin 2013, S. 15–28; Walter K, Französischunterricht in den preußischen Gelehrtenschulen um 1800, in: K, K, S (Hg.), Schulsprachenpolitik, S. 97–112; Tim G, Die bremische Bürgerschu-
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Ankunft in Großbritannien kaum Englisch, seine Beiträge zu britischen Zeitungen verfasste er auf Französisch und ließ sie übersetzen33 . Ohne fortgeschrittene Englischkenntnisse standen die Chancen der meist akademisch gebildeten jungen Männer, in London einen ihrer Qualifikation angemessenen Beruf mit auskömmlichem Verdienst zu finden, eher schlecht, die Berichterstattung für deutsche Blätter war für manchen zumindest ein erster Rettungsanker. Einige hatten im Rahmen ihres politischen Engagements schon in Deutschland als Redakteure oder freie Publizisten Erfahrungen mit dem Journalismus gemacht, an die sie anknüpfen konnten, außerdem war die Korrespondententätigkeit eine Möglichkeit, mit der deutschen journalistischen Szene Kontakt zu halten – die meisten hegten wohl die Hoffnung, eines Tages wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können. Andererseits kam die politische Berichterstattung auch den Interessen der Exilanten entgegen, die immerhin um der Politik Willen teils große Widrigkeiten auf sich genommen hatten. Angesichts dessen darf man wohl bei den meisten der in London versammelten Achtundvierziger von einem Grundinteresse für die englische Politik ausgehen. Wenn ihnen auch das Thema vertraut war, mussten sie doch die Art der Darstellung an die Linie der jeweiligen Zeitung anpassen und konnten ihre politische Haltung nur bedingt in ihre Artikel einfließen lassen. Daher distanzierte sich etwa Karl Marx verächtlich von der seiner Darstellung nach weit verbreiteten Praxis der Londoner Flüchtlinge, »in allen Blättern ohne Unterschied« zu schreiben, und brach mit Biscamp (von dem er allerdings schon zuvor offenbar nicht viel gehalten hatte), als der die Korrespondenz für die AZ übernahm34 . Auch Bernhard Fischer hebt hervor, wie erstaunlich es sei, dass die Londoner Korrespondenten der AZ, »einem konservativ-liberalen, monarchisch-konstitutionell gesinnten Blatt, die demokratischen und sozialistischen Emigranten« waren35 . Die in der Mitte des Jahrhunderts ausgeprägte Fokussierung des deutschen Journalismus auf die Politik, daneben auch die Literatur, entsprach offenbar häufig der Bildung und den Interessen dieser »Korrespondenten aus Verlegenheit«36 . Der Kontakt zu den Redaktionen und Verlegern ließ sich über Mitglieder der deutschen Community in London leicht herstellen, denn dort waren einige aktiv, die vor ihrer Flucht nach England publizistisch tätig gewesen waren.
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le. Kommunikativer Englischunterricht für Kaufleute, in: K, K, S (Hg.), Schulsprachenpolitik, S. 113–124. Edgar B, Konfidentenberichte über die europäische Emigration in London 1852–1861, Trier 1989, S. 227. Marx an Ferdinand Lassalle, 6.11.1859, in: Karl Marx, Friedrich Engels: Werke, hg. v. Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin 1978, S. 320. Bernhard F, Einleitung, in: D. (Hg.), Die Augsburger »Allgemeine Zeitung« 1798–1866. Nach dem Redaktionsexemplar im Cotta-Archiv (Stiftung der »Stuttgarter Zeitung«). Register der Beiträger/Mitteiler. Teil 3: 1850–1866, München 2005, S. 7–14, hier S. 9. R, Journalismus als Beruf, S. 271.
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Auch Biscamp blieb in Kontakt mit anderen deutschen Revolutionsexilanten und arbeitete an dem von Edgar Bauer seit Juni 1858 im Auftrag des Deutschen Arbeiterbildungsvereins in London herausgegebenen Wochenblatt »Die Neue Zeit. Organ der Demokratie« mit. Als dieses durch die Konkurrenz von Gottfried Kinkels »Hermann. Deutsches Wochenblatt aus London« einging, betrieb Elard Biscamp zusammen mit Wilhelm Liebknecht die Gründung von »Das Volk. Londoner Wochenzeitung«, mit dem er auf die Versöhnung der zerstrittenen Londoner Emigrantengruppen hinwirken wollte. Kurz nach dem Erscheinen der ersten Nummer im Mai 1859 vermittelte Liebknecht den Kontakt zu Karl Marx, der um Unterstützung gebeten wurde. Der war zwar weder Liebknecht noch Biscamp besonders zugeneigt und schätzte »Das Volk« als »Bummelblättchen« ein, wollte aber doch den Aufruhr, den die Zeitung in deutschen Migrantenkreisen entfachte, für sich nutzen37 . Er und Engels sandten gelegentlich Beiträge ein, empfahlen das Blatt ihren Bekannten und warben um Spendengelder, denn »Das Volk« machte von Anfang an Schulden, obwohl Biscamp auf ein Gehalt verzichtete und die Auflage meist vollständig abgesetzt werden konnte38 . Für Biscamp endete das mit großem Idealismus begonnene Zeitungsunternehmen in einem finanziellen Desaster. Um ausreichend Zeit für die Redaktion des Blattes zu haben, hatte er seine Lehrerstelle aufgegeben und die Redaktion der KöZ entließ ihn als Korrespondent, als sie von diesem publizistischen Projekt erfuhr. Sein Einkommen war so gering, dass er manchmal gezwungen war, in Parks zu übernachten39 . Ende August erschien die letzte Ausgabe, das Blatt war bankrott und sein Redakteur gesundheitlich schwer angeschlagen. Aus dieser Situation heraus bot er sich der AZ als Korrespondent an. Als Gelegenheit, eine berufliche Beziehung zur Redaktion der AZ anzuknüpfen, nutzte Biscamp den Verleumdungsprozess, den Carl Vogt gegen das Blatt angestrengt hatte40 . Er schrieb der Redaktion einen Brief, in dem er sich als Redakteur des »Volks« zu erkennen gab, aus dem – so mutmaßte Biscamp – das Augsburger Blatt die Korruptionsvorwürfe gegen Vogt übernommen hatte. Daher betrachtete er es als seine »Schuldigkeit«, Beweise für diese Anschuldigungen beizubringen, nannte Karl Blind als deren Urheber und stellte im Falle einer Verurteilung der Zeitung in Aussicht, eine Broschüre zu der Angelegenheit drucken zu lassen. »Das Volk« habe er vor allem als Beleg dafür gegründet, dass es in deutschen Emigrantenkreisen durchaus noch einige gebe,
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Marx an Engels, London, 18.5.1859, in: Karl Marx, Friedrich Engels, S. 434–437. Von Mai bis November wurde »Das Volk« mehrfach im Briefwechsel von Marx und Engels thematisiert. Marx an Engels, 7.6.1859, in: Karl Marx, Friedrich Engels, S. 448f. S, Christian Elard Biscamp, S. 183; Marx an Engels, 14.7.1859, in: Karl Marx, Friedrich Engels, S. 452. Die Klage wurde Ende Oktober 1859 beim Augsburger Bezirksgericht geprüft und am 29.10. abgewiesen, so die Berichterstattung in der AZ vom 25. bis 30.10.1859.
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die sich nicht korrumpieren ließen; nachdem die schlimmste Krise nun vorüber sei, habe er das Zuschussprojekt wieder eingehen lassen. Er fügte an: Wenn Sie daher eine zweite gelegentliche Correspondenz aus London brauchen können, so würde ich mich glücklich schätzen[,] dieselbe zu übernehmen. Meine Art des Schreibens ist etwas lebendiger, graphischer, feuilletonmässiger als die Liebknechts; wir würden uns also recht gut ergänzen können. Natürlich mache ich diesen Vorschlag nur in der Voraussetzung, dass dadurch Herrn Liebknecht kein Schaden geschieht41 .
Seine desolate wirtschaftliche Lage verschwieg Biscamp in dieser Initiativbewerbung geflissentlich und entwarf darin stattdessen ein Bild von sich als einem unabhängigen und integren Journalisten, der für die Unterstützung einer guten Sache selbstlos finanzielle Einbußen in Kauf nimmt. Er stieß mit dieser ›Bewerbung‹ bei der AZ auf offene Ohren, denn deren Redakteur Hermann Orges war zu diesem Zeitpunkt ohnehin auf der Suche nach »besseren englischen Correspondenten« und suchte »ausgezeichnete Verbindungen mit England, die wenig kosten«42 . Außerdem hatte Orges Biscamp gegenüber ein schlechtes Gewissen, denn dessen Brief war publiziert worden, obwohl er eigentlich gar nicht für den Abdruck gedacht war. Orges befürwortete die Verbindung mit Biscamp aber nicht allein, um dessen durch diese »Indiscretion« entstandenen Verluste aufzuwiegen, sondern ebenso, weil dieser »namentlich auch gesellschaftliche Zustände schildern [kann]. So viel ich weiß, fehlt es an einem Correspondenten dieser Art in London, und es wäre schon etwas, wenn Herr Biscamp für das Morgenblatt schreiben würde«43 . Tatsächlich steht Biscamps Name ab November 1859 im Honorarbuch der AZ44 . Auch Wilhelm Liebknecht, der zwischen 1855 und 1862 aus London korrespondierte, hatte die Redaktion der AZ direkt angeschrieben und sich mit einem Probeartikel um die Mitarbeit beworben, allerdings arbeitete er bereits seit einigen Jahren von London aus für das »Morgenblatt für gebildete Leser«, das ebenfalls von der Cotta’schen Buchhandlung verlegt wurde und das er als Referenz nannte45 . Karl Ohly trat schon von seinem Züricher Exil aus in Verbindung mit dem Verlagsleiter Johann Georg Cotta von Cottendorf. Der Auftakt der Beziehung ist nicht überliefert, allerdings scheint es so, als
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Biscamp an Redaktion der AZ, London, 20.10.1859, abgedruckt in [. V.], Neueste Posten. Augsburg, 25. Oct. Proceß Vogt gegen die Redaction der Allgemeinen Zeitung, in: AZ, 27.10.1859, S. 4898–4900, hier S. 4899. 42 Hermann Orges an Georg von Cotta, Augsburg, 7.10.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges (Hervorh. i. O.). 43 Hermann Orges an Georg von Cotta, Augsburg, 9.11.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges. 44 DLA, Cotta: Honorarbuch der Allgemeinen Zeitung, 1856–1863. 45 Wilhelm Liebknecht an die Redaktion der AZ, London, 2.8.1855, DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht. Sein Vorgehen zeigt auch, dass im Cotta-Verlag die einzelnen Periodika getrennte Korrespondentennetze unterhielten – auch wenn es zahlreiche Überschneidungen gab; wer für das »Morgenblatt« schrieb, tat dies nicht automatisch auch für die AZ. Allerdings wurden Artikel mitunter weitergereicht, wenn sie für ein anderes Organ besser passten.
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habe Cotta in Ohly ein aufstrebendes Talent vermutet und ihn protegiert46 . Er ermutigte ihn, für die AZ und das »Morgenblatt« Artikel zu liefern, verwies ihn aber direkt an die Redaktionen, deren Unabhängigkeit er betonte47 . Ohly folgte Cottas Rat48 , sein eigentliches Projekt war aber eine literaturgeschichtliche Arbeit49 . Als Ohlys Ausweisung aus der Schweiz bevorstand, erwog er, für die Cotta’schen Blätter nach Turin zu gehen, landete dann aber doch in England, obwohl er selbst Paris bevorzugte: »Hätte mich nicht der Wunsch der ›Allg. Ztg.‹ bestimmt, das theure Londoner Pflaster [. . . ] zu betreten, so würde ich mich in Paris, wo man so billig und angenehm lebt,« eingerichtet haben. Der Chefredakteur der AZ, Gustav Kolb, hatte ihm nahegelegt, sich für London zu entscheiden, denn »gerade in England fehlt uns ein tüchtiger Berichterstatter«50 . Cotta zeigte sich zwar zufrieden, einen »ständigen, geistvollen Beobachter« in England zu haben51 , gab aber zu bedenken, dass das Blatt dort bereits über Korrespondenten verfüge52 . Allerdings sandten diese nur noch selten Briefe ein, so dass Karl Ohly einer der Hauptkorrespondenten des Blatts in London wurde – sicher auch, weil Cotta ihn fördern wollte, denn er hielt Kolb dazu an, wann immer möglich Ohlys Korrespondenzen abzudrucken53 . Diese Beispiele legen nahe, dass die Initiativbewerbung direkt bei der Redaktion oder dem Verleger in den 1850er Jahren eine gängige Möglichkeit war, einen Korrespondentenposten zu erlangen. Als Revolutionsflüchtlingen blieben den angehenden Korrespondenten kaum Alternativen. Die deutschen Zeitungen, in deren Redaktionen sie gearbeitet hatten, waren meist verboten worden, so dass sie nur begrenzt auf schon bestehende Kontakte zurückgreifen bzw. ihre Stellung bei einer Zeitung ihrer neuen Situation anpassen konnten. Auf der Reise in ihr Exil hatten wohl nur die Wenigsten die Zeit, neue Verbindungen anzuknüpfen und schon vor ihrer Ankunft eine entsprechende Anstellung auszuhandeln. Außer der Tatsache, dass sie vor Ort anwesend waren und eventuell schon erste Erfahrungen als Publizisten gesammelt hatten, konnten die hier untersuchten Korrespondenten keine Referenzen vorweisen. Keiner von ihnen hatte 46
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Johann Georg Cotta von Cottendorf an Karl Ohly, Augsburg, 11.11.1850, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III. Auch Kolb hielt Ohly für talentiert und empfahl Cotta, ihn an den Verlag zu binden, so Gustav Kolb an Georg von Cotta, Augsburg, 15.5.1851, Nr. 895, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Cotta an Ohly, Augsburg, 3.12.1850, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III. Karl Ohly an Johann Georg Cotta von Cottendorf, Zürich, 25.11.1850, DLA, Cotta: Briefe – Ohly. Ohly an Cotta, Zürich, 12.5.1851, DLA, Cotta: Briefe – Ohly. Geschrieben wurde diese Arbeit jedoch nie. Gustav Kolb an Georg von Cotta, Augsburg, 15.5.1851, Nr. 895, ähnlich auch am 20.5.1851, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Cotta an Gustav Kolb, Augsburg, 22.5.1851, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Cotta an Ohly, Augsburg, 19.6.1851, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III. Gemeint waren damit wohl A. Bernays und Henry Reeve. Kolb an Cotta, Augsburg, 27.6.1853, DLA, Cotta: Briefe – Kolb.
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einen derart großen Bekanntheitsgrad, dass eine Zeitung an ihn herangetreten wäre und ihn zur Mitarbeit eingeladen hätte. Eine anonyme Variante der Initiativbewerbung probierte Wilhelm Liebknecht aus, indem er im Herbst 1861 ein Stellengesuch in der AZ schaltete: »Ein seit 12 Jahren in London ansässiger, mit den englischen Verhältnissen genau vertrauter deutscher Journalist, u. a. während mehrerer Jahre Mitarbeiter in einem der ersten politischen Blätter Deutschlands, wünscht eine dauernde Anstellung als englischer Correspondent einer liberalen, grosdeutschen, am liebsten österreichischen Zeitung«54 . Obwohl dieses Vorgehen im deutschen Sprachraum offenbar unüblich war – Liebknecht rechtfertigte es damit, dass es in England üblich sei und er sonst keine Fühlung zu großen deutschen Zeitungen habe –, brachte es ihm die London-Berichterstattung für die NAZ ein55 . Außer Biscamp, Ohly und Liebknecht schrieben die Revolutionsflüchtlinge Schlesinger, Ferdinand Wolff, Savoye, Bucher und Wiesner für die AZ, was deutlich zeigt, welche Effekte die gescheiterte Revolution von 1848/49 auf das Korrespondentennetz dieser Zeitung hatte. Es ist anzunehmen, dass sich durch die vielen deutschen Flüchtlinge in London auch anderen Blättern die Möglichkeit bot, dort günstige Korrespondenten zu finden. Die KöZ etwa bezog Artikel von Max Schlesinger, die NZ verpflichtete Lothar Bucher, der später als Intimus Bismarcks bekannt wurde56 . Einen etwas anderen Weg als viele andere Revolutionsflüchtlinge schlug der eben erwähnte ungarische Arzt Max Schlesinger (1822–1881) ein. Er hatte sich publizistisch – vor allem als Zeitungsredakteur – an der Revolution in Wien beteiligt, wofür er vor ein Kriegsgericht gestellt worden war. Nach seinem Freispruch emigrierte er zunächst nach Berlin, von dort ging er 1849/50 nach London, wo er nicht nur seine schon in Wien begonnene Mitarbeit an der KöZ fortsetzte, sondern auch eine lithografische Korrespondenz – eine Art Nachrichtenagentur – gründete57 . Statt exklusiv für einzelne Zeitungen zu berichten, bot er seine »Englische Correspondenz« zu einem günstigen Preis zahlreichen Blättern an. Die Kosten für das Abonnement beliefen sich monatlich
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Wilhelm L, Ein seit 12 Jahren in London ansässiger [. . . ], in: AZ, 10.9.1861, S. 4124. Liebknecht an J. G. Cotta’sche Buchhandlung, London, 5.9.1861 sowie 14.12.1861, DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht. Die erst im Oktober 1861 gegründete NAZ war anfangs austrophil und stand noch nicht unter Bismarcks Einfluss. Rudolf M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann. Gegenspieler und Freunde Fontanes, in: Peter A, Rudolf M (Hg.), Exilanten und andere Deutsche in Fontanes London, Stuttgart 1996, S. 292–326; B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung, ihrer Besitzer und Mitarbeiter; Fritz G, »Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!« Lothar Bucher und England, in: A, M (Hg.), Exilanten und andere Deutsche, S. 273–291. M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 292–326, sowie [. V.], Art. »Max Schlesinger«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 30 (1875), S. 93.
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auf zwei Pfund58 , wofür täglich bereits übersetzte und kommentierte Auszüge aus den englischen Zeitungen, aber auch eigene Berichte geliefert wurden59 . Das war für die Zeitungen weit günstiger als die Exklusivberichte eines eigenen Korrespondenten: Henry Reeve etwa erhielt für jeden einzelnen in der AZ abgedruckten Brief zwei Pfund, allerdings sandte er nur etwa alle zwei Wochen einen Beitrag; auch lag sein Honorar deutlich über dem Durchschnitt. Die übrigen Korrespondenten erhielten pro Kurzmeldung zwischen acht und zwölf Schilling, so dass schon vier exklusive Meldungen etwa so viel kosteten wie ein Monatsabonnement von Schlesingers täglich erscheinender Korrespondenz60 . Zwar konnte Schlesingers »Englische Correspondenz« den großen Zeitungen die exklusiven Berichte eines eigenen Korrespondenten, die schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem wichtigen Qualitätsmerkmal geworden waren61 , nicht ersetzen; sie dürfte vor allem für die mittleren Zeitungen, die sich keinen eigenen Korrespondenten leisten konnten, interessant gewesen sein. Allerdings bezogen sowohl die AZ als auch die KöZ jahrelang Schlesingers Nachrichten62 . Seine Nachrichtenagentur wurde als »Hauptquelle« der deutschen Presse für Meldungen aus England angesehen, was das Berliner Literarische Bureau veranlasste, Theodor Fontane mit der Gründung eines Konkurrenzunternehmens zu beauftragen63 . Tatsächlich war die »Englische Correspondenz« zunächst weniger erfolgreich, als ihr Ruf erwarten ließ: Mitte der 1850er Jahre hatte sie statt der vom preußischen Staat vermuteten 80 nur etwa 20 regelmäßige Abonnenten64 . Allerdings wurde der Pressedienst sowohl vom österreichischen Außenministerium, das sich über Abonnements Einfluss auf die »Correspondenz« zu sichern versuchte65 , als auch vom langjährigen britischen Botschafter 58 59
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Zumindest zahlte dies die AZ für ein Probeabonnement über einen Monat, Redaktion der AZ an Schlesinger, Augsburg, 24.9.1851, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III. Gustav F, Jacob Kaufmann. Ein Nachruf, in: Im neuen Reich. Wochenschrift für das Leben des deutschen Volkes 1/2 (1871), S. 670–676. Kaufmann war langjähriger, anfangs einziger Mitarbeiter Schlesingers. Redaktion der AZ an Schlesinger, Augsburg, 24.9.1851, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III; Liebknecht an Cotta, London, 28.3.[1860], DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht sowie DLA, Cotta: Honorarbuch der Allgemeinen Zeitung, 1848–1851. So etwa R, Kommunikationswege, S. 89, oder S, Deutsche Pressegeschichte, S. 131. Mit dem Redakteur des Kölner Blatts Kruse stand Schlesinger mindestens seit Ende der 1850er Jahre in freundschaftlichem Kontakt, die letzte Ausgabe seiner Korrespondenz ging dort an Schlesingers Todestag ein, HHI, NL Kruse, Briefe Schlesinger sowie August Schmits an Heinrich Kruse, Köln, 11.2.1881, HHI, NL Kruse, Briefe Schmits. In den Copierbüchern der AZ taucht Schlesingers Name von 1854 bis 1855 sowie von 1864 bis 1879 auf. F, Jacob Kaufmann, S. 674. Siehe auch Kap. II.1. K, Theodor Fontane als Journalist, S. 55. Basch an Falke, London, 18.11.1867, AT-OeStA/HHStA PL 11; Falke an Botschaft London, Wien, April 1869, AT-OeStA/HHStA PL 15; im Januar 1870 bezog Schlesinger neben den Abonnementsgebühren auch eine Subvention in Höhe von 250 Pfund: Empfangsbestätigung von Max Schlesinger, Wien, Januar 1870, AT-OeStA/HHStA PL 19.
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in Berlin, Odo Russell, der wenigstens von 1873 bis 1875 Schlesingers Nachrichten für ca. 27 Pfund im Jahr bezog66 , für relevant gehalten. Ihm persönlich bescherte das Unternehmen finanzielle Solidität (schon 1854 war er im Stande, ein »stattliches Haus« in der Nähe des British Museum zu kaufen) und gesellschaftliche Anerkennung67 , beides keine Selbstverständlichkeiten für einen Revolutionsflüchtling in London. Die Herausgabe der »Englischen Correspondenz« war eine Vollzeitbeschäftigung, die Schlesinger seit Anfang der 1850er Jahre nur mit Unterstützung bewältigen konnte und die ihm offenbar genug einbrachte, um sowohl seinen Mitarbeiter zu bezahlen als auch seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten68 . Damit war Schlesinger unter den Londoner Korrespondenten deutscher Zeitungen eine Ausnahme. Soweit es sich feststellen ließ, konnte keiner von ihnen ausschließlich von seiner Korrespondententätigkeit leben. Auch Elard Biscamp war stets noch auf andere Einnahmequellen angewiesen. In den 1850er Jahren arbeitete er als Lehrer, daneben schrieb er für die KöZ. Während er »Das Volk« redigierte, wurde ihm die Korrespondenz für die KöZ entzogen und er war auf Subventionen angewiesen69 . Auch als er Beziehungen zur AZ angeknüpft hatte, schrieb er nicht exklusiv für diese, sondern arbeitete parallel für die republikanische »New York Tribune«, der er wöchentlich einen englischen Leitartikel über europäische Politik lieferte. In einem Brief an Georg von Cotta im Sommer 1861 bezeichnete er das Blatt als seine wichtigste und neben der AZ einzige Einnahmequelle, deren Verlust ihn finanziell in arge Bedrängnis brachte70 . Später schrieb er für die liberale Bremer »Weser-Zeitung«, bis deren Eigentümer 1865 starb71 . Der neue Kurs der Zeitung stimmte nicht mit Biscamps Ansichten überein, und so unterbrach er die Zusammenarbeit, bis »der große Nationalkrieg« diesen »Zwiespalt ausgeglichen« hatte72 . Wenigstens gelegentlich schrieb er offenbar für die VZ. Auch die anderen Korrespondenten der AZ klagten häufig über finanzielle Engpässe und schrieben für mehrere Zeitungen73 . 66
67 68
69 70 71
72 73
Siehe die Briefe Schlesingers an Odo Russell, London, 17.10.1873, 3.4.1874 sowie 4.1.1875, TNA, Amphtill Papers, FO 918. Odo Russell, 1st baron Amphtill, war 1872 bis 1881 britischer Botschafter in Berlin. Zitat M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 306; dazu auch F, Jacob Kaufmann, S. 674. Dennoch schrieb er daneben weiter als Spezialkorrespondent etwa für die KöZ oder leistete als Literaturagent Vermittlerdienste zwischen deutschem und britischem Buchmarkt: M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 292–326, sowie F, Jacob Kaufmann, S. 674f. Marx an Engels, London, 18.5.1859, in: Karl Marx, Friedrich Engels, S. 434–437. Biscamp an Cotta, London, 26.7.1861, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Das Blatt wechselte danach die politische Richtung und Biscamp klagte über dessen »Verbismarckung«: Biscamp an Cotta-Verlag, London, 27.12.1867, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Cotta-Verlag, London, 16.4.1872, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht; DLA, Cotta: Vertr. 1 – Ohly.
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Allerdings schrieb Biscamp nicht allein zum Broterwerb, sondern auch – das wird aus seinem Engagement für »Das Volk« deutlich – um der politischen Sache willen, daher lassen sich die Motivlagen nicht eindeutig trennen. Sein Briefwechsel mit Verlag und Redaktion der AZ legt aber nahe, dass er beinahe ständig Geldsorgen hatte und hauptsächlich zur Finanzierung seines Lebensunterhalts schreiben musste. Obwohl das Augsburger Blatt im Vergleich zu anderen deutschen Zeitungen relativ gute Honorare zahlte, genügten diese allein nicht, um in der teuren britischen Hauptstadt seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Als Biscamp nach dem Konkurs des »Volks« regelmäßig nur für AZ und »New York Tribune« schrieb, brachte ihn der Wegfall des Honorars der Letzteren in eine finanzielle Notlage, die durch die quartalsweise Abrechnung seitens des Augsburger Verlags noch verstärkt wurde; immer wieder bat er den Cotta-Verlag um Vorschüsse. Rücklagen konnte er offenbar keine bilden, so dass ihn längere Zeiten der Krankheit an den Rand des Ruins brachten, denn er bekam kein festes Gehalt, sondern wurde nach der Anzahl der abgedruckten Korrespondenzen bezahlt: Pro Brief bekam er zehn Schilling, für größere Arbeiten acht Pfund pro Bogen74 . Seine Einkünfte waren daher nicht allein von seiner Arbeitskraft abhängig, sondern auch von der Nachrichtenlage und den Entscheidungen der Redaktion – wurden seine eingesandten Artikel nicht gedruckt, blieb er auf seinen Auslagen sitzen75 . Diese Art der Honorierung war offenbar üblich, auch die KöZ rechnete die gedruckten Zeilen ab76 . Statt dieser für die Korrespondenten mit Unwägbarkeiten und Risiken verbundenen Abrechnungspraxis versuchte Henri Charles Joseph Savoye – erfolglos – ein festes Honorar durchzusetzen: Er verstehe, dass man gegenüber neuen Korrespondenten derart verfahre, »einem alt geprüften u. erprobten, regelmäßigen Mitarbeiter gegenüber« sei dies aber nicht angemes-
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Sein Kollege Wilhelm Liebknecht bekam zur selben Zeit nur acht Schilling pro Brief und sechs Pfund für größere Aufsätze, Savoye dagegen, der bereits seit mehr als zwanzig Jahren für Cotta schrieb, erhielt zwölf Schilling, Henry Reeve bekam sogar 20 Schilling, also ein Pfund, pro Brief, DLA, Cotta: Honorarbuch der Allgemeinen Zeitung, 1852–1855 sowie 1856–1863. Da Biscamp aufgrund der günstigeren Mieten in einem Außenbezirk wohnte, war für Recherchen oft eine Fahrt in die City nötig: Biscamp an Cotta, London, 2.5.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Auch andere Korrespondenten der AZ klagten mitunter darüber, dass sie Artikel umsonst verfasst hatten, siehe dazu auch Kap. III.1.4. Etwa Karl B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung. Der Aufstieg der Weltpresse im Preußen der Reaktion (1850–1858), Köln 1976, S. 129–131, auch D., Die Geschichte der Kölnischen Zeitung. 1858–1867: Gegen und mit Bismarck auf dem Weg zur deutschen Einheit, Köln 1979, S. 254. Allerdings erhielt der Pariser Wirtschaftskorrespondent Horn ein Pauschalhonorar von jährlich 1000 Franc. Von den AZ-Korrespondenten wurde nur mit Karl Ohly ein Fixum von 15 Pfund pro Quartal vereinbart, was aber im Grunde nicht mehr bedeutete, als dass ihm zugesichert wurde, dass die diesem Betrag entsprechende Anzahl von Briefen abgedruckt wurde, die Koppelung des Honorars an die Stückzahl tatsächlich publizierter Briefe blieb aber. Die Vereinbarung scheint aber nur kurze Zeit umgesetzt worden zu sein. DLA, Cotta: Vertr. 1 – Ohly.
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sen77 . Für den Korrespondenten selbst sei es nicht gut, wenn er unausgesetzt schreiben müsse, um das Nötigste zu verdienen, und auch für die Zeitung, so argumentierte Savoye, wirke sich diese Verfahrensweise ungünstig aus: Es gibt ereignisarme, interesselose Momente wo der Correspondent, statt wesentlich sein Handwerk zu üben, unendlich besser thäte zu ruhen u. zu lesen u. zu lernen, zu wandern, zu sehen, zu hören, zu beobachten u. zu erfahren, was Alles [. . . ] seinem Blatte zu gut kommt. [. . . ] Nichts liegt dem wahren Vortheil der Allg. Zeit. ferner, als daß ihr Correspondent, statt an dem Interesse u. der Eile der Begebenheiten, von seiner eigenen, persönlichen, interessirten Lust zum Schreiben getrieben zu werden78 .
Auf der Basis einer gesicherten finanziellen Grundlage, die den Korrespondenten von den dringendsten finanziellen Sorgen befreie, würden seine Beiträge an »Werth u. Gediegenheit unzweifelhaft gewinnen«79 . Mit anderen Worten: Ohne festes Gehalt laufe die Zeitung Gefahr, dass ihre Korrespondenten Belanglosigkeiten aufbauschten und ihre Beiträge nicht entsprechend der Bedeutung der Themen, deren Nachrichtenwert oder den Interessen der Zeitung ausarbeiteten, sondern je nach ihren eigenen finanziellen Bedürfnissen. Aus dieser durchaus auch interessierten Argumentation wird deutlich, dass die strikt an die Leistung gekoppelte Bezahlung die Korrespondenten leicht in finanzielle Bedrängnis brachte, wenn sie nicht arbeiten konnten oder ihr Berichtsort an Bedeutung verlor. Weil kaum ein Korrespondent von den Honoraren für seine journalistische Tätigkeit leben konnte, arbeiteten einige daneben als Deutschlehrer, etwa Biscamp und Ohly. Eine Ausnahme bildete wiederum Henry Reeve, der einzige native unter Cottas Londoner Korrespondenten. Er war hauptberuflich Redakteur des Auslandsressort der »Times« und ab 1855 Redakteur der »Edinburgh Review«. Für Biscamp war seine Tätigkeit als Auslandskorrespondent verschiedener Zeitungen die Haupteinkommensquelle und es ist nicht nachweisbar, dass er danach noch einen anderen Beruf ergriffen hätte. Unklar bleibt zudem, ob die journalistische Laufbahn auch sein ursprüngliches Berufsziel war, oder ob sein politisches Engagement seit 1848 ihn in diese Richtung geführt hatte. Max Schlesinger und sein Kollege Kaufmann, Karl Ohly und Theodor Fontane betrachteten den Journalismus anfangs als einen vorübergehend notwendigen Brotberuf, bis sie von ihrer literarischen Arbeit leben könnten – gelungen ist dies, und zwar spät, nur Fontane. Während es Schlesinger gelang, sich eine solide Existenz in London aufzubauen, und sein Verbleib in England auf einer freiwilligen Entscheidung beruhte, blieb Biscamp offenbar notgedrungen dort. Mehrmals bewarb er sich bei Cotta um eine Redakteursstelle, denn er sehnte sich nach Deutschland zurück; die Amnestie hätte ihm zwar die gefahrlose Rückkehr ermöglicht, 77 78 79
Savoye an Cotta, London, 8.6.1858, DLA, Cotta: Briefe – Savoye. Ibid. Ibid.
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ihm fehlten jedoch die finanziellen Mittel80 . Seine Kollegen Liebknecht und Bucher gingen nach der Amnestie nach Deutschland zurück; beide blieben beim Journalismus und arbeiteten zunächst als Redakteure. Auch das Ende der Berufsbeziehung zwischen Korrespondent und Zeitung soll hier kurz nachgezeichnet werden: Im März 1877 klagte Biscamp, die »orientalische Frage«, die kurz darauf zum Russisch-Osmanischen Krieg führen sollte, habe ihn zum ersten Mal in Konflikt mit der Redaktion der AZ gebracht. Diese werde im Sinne der »Torypresse« von den lithografischen Correspondenzen und »zu allem Ueberflusse noch durch meinen neuen Collegen« versorgt. Er sei zu alt, um sich zu verstellen, und könne gegen seine Überzeugung nur schlecht schreiben. Von seinen »auf langjähriger Erfahrung beruhenden Originalcorrespondenzen« landete die Hälfte im Papierkorb, obwohl seine Ansichten von der gesamten liberalen Partei Englands geteilt würden81 . Sein Honorar sei so niedrig, dass er damit »nicht mehr Leib u. Leben zusammenzuhalten vermag«82 . Seine Bitte um einen Vorschuss wurde abgelehnt. Danach finden sich keine weiteren Spuren mehr im Cotta-Archiv; Biscamp erhielt sein letztes Honorar Ende des zweiten Quartals 1877, in diesem Jahr wurden von ihm nur elf Artikel in der Zeitung identifiziert. Ob er die Verbindung abbrach und nicht mehr nach Augsburg berichtete, oder ob die Redaktion seine Einsendungen nicht druckte oder sich sogar weitere Artikel verbat, ist daraus nicht zu ersehen. Die Mitarbeit seines Kollegen Ohly endete, weil dieser eine »Geistesstörung« erlitt. Karl Blind hatte nicht über das goldene Thronjubiläum von Queen Victoria berichtet und wurde von der AZ entlassen, schrieb aber munter weiter für zahlreiche deutsche, französische, italienische und britische Zeitungen. Liebknecht ging nach der Amnestie zurück nach Deutschland und wurde damit als Korrespondent für das Augsburger Blatt uninteressant, Reeve beendete die Zusammenarbeit aufgrund des Deutsch-Französischen Krieges83 . Cotta legte offensichtlich Wert auf eine langfristige Bindung seiner Korrespondenten; einen regelmäßigen Personal- bzw. Ortswechsel, wie er heute üblich ist, fand er nicht vorteilhaft. Für das Selbstbild der Korrespondenten spielte die »Gesinnungsfestigkeit« eine relativ große Rolle, was dem zeitgenössischen Diskurs über guten Journalismus entsprach84 .
80 81 82 83 84
Biscamp an Redaktion der AZ, London, 1.12.1865 sowie 7.6.1871, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 16.3.1877, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Ibid. Siehe hierzu Kap. III.1. R, Journalismus als Beruf, S. 270.
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1.2 »Auch wissen diese Leute nichts« – Wiener Korrespondenten im Staatsdienst Auch in Wien prägten die politischen Ereignisse und die Haltung der österreichischen Regierung den vorherrschenden Typus des Korrespondenten deutscher Zeitungen, wenn auch unter anderen Vorzeichen als in London. Für die Revolutionsexilanten aus anderen deutschen Staaten kam das reaktionäre Österreich keinesfalls als Zufluchtsort in Frage. Die Revolution wurde hier noch rascher und nachhaltiger zurückgeschlagen als anderswo. Österreich zeichnete sich aber nicht nur durch eine entschiedene Repression und Kontrolle der Presse aus, sondern die Regierung versuchte auch, die Zeitungen aktiv zu beeinflussen. Dadurch gelang es den österreichischen Staatsoberhäuptern jahrzehntelang, den Korrespondenten im Staatsdienst zum vorherrschenden Typus des Berichterstatters aus Wien zu machen. Das Anliegen der verschiedenen offiziellen Wiener Pressestellen, allen voran der Preßleitung des Ministeriums des Äußern, ihre Sicht der Dinge in der – nicht allein deutschsprachigen – Presse des Auslands zu verbreiten, traf dabei mit dem Bedarf der Zeitungen nach möglichst kostengünstigen Nachrichten zusammen. Im Falle der AZ, deren Korrespondenten hier im Fokus stehen, waren allerdings weniger finanzielle Überlegungen ausschlaggebend für das Engagement der offiziellen Korrespondenten als vielmehr die großdeutsche und pro-österreichische Orientierung von Verleger und Redaktion. Von den auf unterschiedliche Art den Pressestellen der österreichischen Regierung verbundenen Korrespondenten85 liegt hier der Fokus auf Joseph Christian Freiherr von Zedlitz-Nimmersatt, Carl Weil und Friedrich Wilhelm Giehne. Ein zweiter häufig anzutreffender Wiener Korrespondententypus rekrutierte sich aus den Reihen der Redakteure von Wiener Zeitungen, die die Früchte ihrer journalistischen Arbeit durch die Korrespondenz an ausländische Blätter doppelt zu verwerten versuchten, um sich ein leicht erarbeitetes Zubrot zu verdienen. Vertreter dieses Typus waren etwa Wilhelm von Chézy oder Heinrich Pollak, die ebenfalls vorgestellt werden. Joseph Christian Freiherr von Zedlitz-Nimmersatt (1790–1862) hatte zunächst die militärische Laufbahn eingeschlagen und war einige Jahre lang österreichischer Offizier, bis er durch eine zumindest im ökonomischen Sinne glückliche Heirat finanziell unabhängig wurde und sich neben der Verwaltung der ungarischen Landgüter seiner Frau vor allem seinen literarischen Neigungen widmete. Diese dürften ihn mit Johann Friedrich von Cotta von Cottendorf in Verbindung gebracht haben, der ihn mit der Berichterstattung über den Russisch-Osmanischen Krieg (1828–1829) für die AZ beauftragte. Wie diese Zusammenarbeit zustande kam, ist nicht überliefert, sie setzte sich in den folgenden Jahren aber sporadisch fort. So bereiste Zedlitz kurz darauf 85
Aus Perspektive der österreichischen Politik hierzu F, Von Journalisten und Diplomaten, S. 167–175.
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ungarische Grenzstädte, um geeignete Korrespondenten für Cotta zu finden, außerdem druckte Cotta dessen literarische Arbeiten86 . Regelmäßiger Korrespondent für Cottas AZ wurde Zedlitz aber erst, als er seine wirtschaftliche Unabhängigkeit einbüßte, weil das Vermögen seiner Ehefrau nach deren Tod im September 1836 nach ungarischem Recht wieder in den Besitz ihrer Familie überging87 . Zedlitz bewarb sich um eine Verwendung im Staatsdienst und wurde, da er sich als Dichter bereits einen gewissen Ruf erarbeitet hatte, von Metternich mit dem Verfassen von offiziösen Zeitungsartikeln betraut88 . Zedlitz informierte Cotta unverzüglich von seiner neuen Stellung, die »natürlich eine publicistische« sei und bei der es vor allem darum gehe, »die öffentliche Meinung [. . . ] zu gewinnen«89 . Die AZ könne der Sache förderlich sein, weil die Debatte »unpartheiisch« erscheine, wenn sie in diesem Blatt geführt würde. Und so kündigte Zedlitz ganz unumwunden an: »Ich werde daher von jetzt an in ein näheres Verhältnis mit der Zeitung, vielleicht auch mit der Vierteljahrsschrift treten müßen«90 . Die Instrumentalisierung der ihre Überparteilichkeit als Aushängeschild hochhaltenden AZ als Sprachrohr österreichischer Interessen stieß bei dem großdeutsch und austrophil eingestellten Cotta auf keinerlei Bedenken, im Gegenteil: Zedlitz wurde ihm zum wertvollsten Wiener Mitarbeiter, dem er – ganz entgegen dem sonst üblichen Modus der Bezahlung – ohne zu zögern ein festes Jahresgehalt von 1200 Florin bezahlte. Zedlitz war nicht allein zur Berichterstattung verpflichtet, sondern auch dazu, sich gegenüber den Wiener Behörden zum Anwalt des Augsburger Blattes zu machen, wenn dieses in Konflikt mit der Zensur geriet oder in Fragen des Zeitungsstempels Vermittlung wünschte91 . Im Bewusstsein seiner Sonderstellung, die darauf beruhte, dass er bei Metternich »persona grata« sei, betonte Zedlitz gegenüber Cotta bezüglich seiner Wiener Berichterstattung: »Sie können kaum andre als die meine brauchen, weil schwerlich ein Andrer in der Lage ist, die allgemeinen Ansichten der Regierung [zu erwägen], und eine Auswahl an Form und Gehalt zu treffen, die das Publicum interessiert und zufriedenstellt, und die leitenden Prinzipien nicht verletzt«92 . Zudem signalisierte er, dass die »Leipziger Allgemeine Zeitung« ihn ebenfalls um Mitarbeit gebeten habe, was er mit Rücksicht auf Cotta zwar ablehnte, ohne jedoch auf den Hinweis zu verzichten, dass seine Beiträge das Blatt durchaus in den Rang einer ernst zu nehmenden Konkurrenz der Augsburger Zeitung heben könnten. Auf diese Weise machte er klar, dass seine Mitarbeit als Privileg 86 87 88 89 90 91 92
Zedlitz an J. F. von Cotta, Wien, 1.6.1828 sowie 14.8.1828, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Hierzu C, Zedlitz’ Anstellung im Staatsdienst. Ibid. Nachdem er zunächst drei Jahre auf Probe angestellt war, wurde seine Stelle in eine feste verwandelt. Zedlitz an J. G. von Cotta, Bologna, 24.10.1838, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Ibid. Zedlitz an Cotta, Wien, 10.1.1840 sowie Cotta an Zedlitz, Stuttgart 15.1.1840, ferner Zedlitz an Cotta, Aussee, 19.6.1847 DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Zedlitz an Cotta, Wien, 10.1.1840, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz.
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zu betrachten sei, und unterstrich zugleich seine dem Verleger gegenüber mindestens ebenbürtige Position93 . Zedlitz’ selbstbewusste Haltung, die aus seinem adeligen Stand, seiner persönlichen Bekanntschaft mit zahlreichen österreichischen Staatsmännern, denen er sich von Standes wegen gleichrangig fühlen durfte, und seiner durch den Staatsdienst gesicherten materiellen Situation resultierte, kontrastiert eklatant mit der oft verzweifelten Lage der Londoner Korrespondenten wie Biscamp oder Ohly und verdeutlicht die Spannbreite der Berufsvertreter. Zwar war Zedlitz’ Einfluss auf die AZ in der ersten Hälfte der 1840er Jahre am größten und schmolz seit 1848 zusehends dahin, doch seine Sonderstellung und sein fixes Jahreshonorar behielt er auch nach der Revolution noch einige Jahre. Auch wenn Cotta ihm stets versicherte, dass er nach wie vor seine Ansichten in den wesentlichen Zügen teilte, wurden Zedlitz’ Beiträge immer seltener aufgenommen. Als die Revolution in Wien losbrach, verließ Zedlitz die Stadt, befand sich aber nicht allein aufgrund dieses Ortswechsels jenseits des Machtzentrums. Mit Metternich wurde auch Zedlitz im März 1848 aus dem Amt gefegt; seine Beiträge zu Cottas Blättern versiegten in dieser Zeit fast vollständig, sein stattliches Korrespondentengehalt bezog er aber weiter – auch wenn er der AZ vorwarf, geradezu feindlich gegenüber Österreich aufzutreten und durch die Wahl ihrer übrigen Korrespondenten ein völlig verzerrtes Bild der öffentlichen Meinung in Österreich zu zeichnen94 . Als unter Schwarzenberg Monarchie und Konservatismus wieder konsolidiert waren, wurde auch Zedlitz wieder in sein altes Staatsamt gesetzt und steigerte noch einmal die Frequenz seiner Beiträge nach Augsburg; allerdings klagte er häufig, dass Chefredakteur Kolb sie nicht mehr aufnehme95 . Zwar verwahrte er sich dagegen, ein Reaktionär zu sein, schrieb aber nicht anders als despektierlich von den »Freiheitsmänner[n] des letzten Sommers« oder der »terroristische[n] Volksregierung« und stellte selbst den Wert der Pressefreiheit in Frage96 . Einerseits harmonierte Zedlitz’ der Republik gegenüber entschieden ablehnende Haltung nicht mit den Ansichten der Redaktion, andererseits ließ die Qualität seiner Beiträge nach, so dass Kolb klagte, er schriebe »nichts vernünftiges« mehr97 . Zwar betonte Zedlitz noch einige Male, nur er könne Cotta wirklich gut informierte Korrespondenzen zusenden98 , allerdings drängt 93 94 95 96 97
98
Ibid. Zedlitz an Cotta, Ischl 2.3.1849, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. So etwa Zedlitz an Cotta, Aussee, [nach dem 13.8.1850], Nr. 92, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Zedlitz an Cotta, Wien, November 1849, Ischl, 12.2.1849 sowie Linz, 3.1.1851, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Kolb an Cotta, Augsburg, 5.11.1851, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Und auch der mittlerweile über 60-jährige Zedlitz klagte über seine nachlassende Arbeitskraft: Zedlitz an Cotta, Wien, 10.6.1853, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. So etwa Zedlitz an Cotta, Linz, 17.2.1851, Aussee, 15.7.1851, Wien, 2.1.1852, ähnlich auch noch Wien, 19.5.1857, 3.6.1857, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz.
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sich der Eindruck auf, dass dies nur noch eine Reminiszenz an vergangene Tage darstellte, mit der er gegen die wachsende Konkurrenz und seinen schwindenden Einfluss argumentierte. Im September 1856 räumte der alte Korrespondent schließlich ein, dass er der AZ keinen Nutzen mehr brachte, weil die Redaktion seine Artikel nicht mehr druckte, und schlug die Lösung des Vertrags vor99 . Die schrittweise Distanzierung von Zedlitz als Wiener Korrespondent beruhte jedoch keineswegs darauf, dass er Artikel aus seiner Position im österreichischen Staatsdienst heraus und im Interesse sowie auf Inspiration der Wiener Regierung verfasste. Als nämlich Zedlitz im Januar 1852 in einem Brief an Georg von Cotta den im Ministerium des Innern angestellten Carl Weil (1806–1878) als neuen Korrespondenten der AZ vorschlug und ganz offen äußerte, dass Außenminister Schwarzenberg dies wünschte, akzeptierte der Verlagsleiter bereitwillig – obwohl er genau wusste, dass zwischen Weil und Chefredakteur Kolb eine »persönliche Spannung« bestand100 . Damit diese nicht zu Konflikten führte, wurde Weils Mitarbeit anfangs sorgfältig verschleiert. Da Carl Weil, den Zedlitz als »glaubenswerth [. . . ]« und mit den »Grundsätzen der hiesigen Regierung bekannt« anpries101 , Cotta schon von einer früheren Zusammenarbeit her bekannt war und von diesem geschätzt wurde102 , begann er sofort mit der Berichterstattung, für die er ausdrücklich kein Honorar wünschte103 . Zedlitz und Weil waren nicht die einzigen Korrespondenten im Staatsdienst, derer sich die AZ bediente. Auch Gustav Weisbrodt, der in den 1850er Jahren einige Zeit in der Redaktion des Augsburger Blattes mitgearbeitet hatte, Georg Seuffert, Theophil Pisling und Friedrich Wilhelm Giehne waren jahrelang wichtige und regelmäßige Korrespondenten, die nicht nur vom Cotta-Verlag 99 100 101 102
103
Zedlitz an Cotta, Linz, 9.12.1856, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Zedlitz an Cotta, Wien, 2.1.1852, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz; Cotta an Zedlitz, Wien, 8.1.1852, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III. Zedlitz an Cotta, Wien, 2.1.1852, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Cotta an Zedlitz, Wien, 8.1.1852, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch III. Carl Weil war nach seiner Promotion mit dem Plan einer Zeitschriftengründung an Cotta herangetreten. Dieser Plan wurde zwar nicht verwirklicht, Weil wurde aber in der Redaktion der Cotta’schen »Allgemeinen politischen Annalen« beschäftigt. Seither blieb er mit dem Cotta-Verlag in Verbindung und wurde mit verschiedenen Arbeiten betraut: Er etablierte eine schnellere Beförderung der Nachrichten aus Paris, berichtete über die Julirevolution und veröffentlichte Artikel in verschiedenen Cotta-Blättern. Er war dann Redakteur verschiedener Zeitungen in Stuttgart und Berlin, zuletzt der »Konstitutionellen Zeitung«. Diese verließ er, als deren Tendenz mit seiner großdeutschen Gesinnung kollidierte. Wahrscheinlich im Zuge der deutsch-österreichischen Zollkonferenzen gelangte er Ende 1850 als hessischer Generalkonsul nach Wien und wurde kurz darauf in die Dienste des österreichischen Ministeriums des Innern berufen, wechselte aber bald in die Preßleitung des Ministeriums des Äußern, wo er bis zu seiner Pensionierung 1873 tätig war. DLA, Cotta: Briefe – Weil sowie in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 54 (1886), S. 8–10. Carl Weil an Cotta, Wien, 15.1.1852 sowie 25.12.1856, DLA, Cotta: Briefe – Weil; Cotta an Weil, Stuttgart, 2.12.1856, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch IV.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Honorare bezogen, sondern auch von der Wiener Regierung finanziell unterstützt wurden. Die Verbindungen von Weisbrodt und Giehne zur Preßleitung waren eher locker, beide waren keine Staatsbediensteten, sondern empfingen lediglich manchmal Subventionen, die kein vertraglich zugesichertes Gehalt, sondern freiwillige Unterstützungsleistungen des Außenministeriums an loyale Journalisten waren104 . Pisling und Seuffert dagegen waren langjährige Staatsbedienstete und erhielten beide den Rang eines Regierungsrates. Georg Seuffert war zwischen 1852 und Anfang der 1870er Jahre einer der wichtigsten – Orges hielt ihn für den besten und zuverlässigsten – Wiener Korrespondenten der AZ; parallel gehörte er zur Redaktion der offiziellen »Wiener Zeitung«105 . In den 1870er Jahren wurde er in der Preßleitung eingesetzt und war für die Betreuung der Korrespondenten der deutschsprachigen Presse außerhalb Österreichs zuständig106 . Der »Litterat« Theophil Pisling (1834–1916) arbeitete nach seinem Studium der Rechts- und Staatswissenschaft bei der amtlichen »Prager Zeitung«107 . 1863 ging er nach Wien, wo er als Redakteur unter anderem des regierungsfreundlichen »Fremdenblatts« tätig war. Seit etwa 1864 schrieb er im Auftrag der Preßleitung des Staatsministeriums unentgeltlich Korrespondenzen für kleinere deutschsprachige austrophile Zeitungen wie den »Badischen Beobachter« oder die »Leipziger Abendpost«; seine Beiträge für die AZ dagegen wurden vom Verlag honoriert108 . Der Redaktion war bekannt, dass Pisling ein offiziöser Korrespondent war – ganz zuverlässig war seine Berichterstattung offenbar trotzdem nicht immer, denn in der Abrechnung im Dezember 1864 klagte die Redaktion über »unsichere u. oft unrichtige (insbesondere telegrafische) Nachrichten« und bat Pisling darum, »vorsichtiger zu sein wegen der dadurch entstehenden, uns so peinlichen Entgegnungen in anderen Blättern«109 . Wenn 104
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Zu Giehne, der teils in seiner Eigenschaft als Herausgeber regierungsfreundlicher Zeitungen oder Korrespondenzbüros, teils als Korrespondent deutscher Zeitungen (neben der AZ auch die KöZ) subventioniert wurde, siehe Notiz Falke, Wien, 3.3.1867, ATOeStA/HHStA PL 8; Notiz Falke, Wien, 7.5.1868, AT-OeStA/HHStA PL 11; Promemoria Falke, Wien, 2.1.1873, AT-OeStA/HHStA PL 27; Giehne an Falke, Wien, 20.2.1868, ATOeStA/HHStA PL 11. Zu Weisbrodt siehe K, Diplomatie und Pressepolitik, S. 478. Er wurde offenbar vor allem durch eine Vorzugsbehandlung etwa bei der Vergabe von Pressekarten unterstützt, AT-OeStA/HHStA PL 61 sowie AT-OeStA/HHStA PL 62. Orges an Cotta, Augsburg, 15.5.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges. So z. B. Falke an Unger, Wien, 6.4.1873, AT-OeStA/HHStA PL 27, sowie Kanzlei-Verordnung betreffend die Geschäfts-Eintheilung im Literarischen Bureau. Wien, 18.1.1878, AT-OeStA/HHStA PL 40. Fidler an Schmerling, Wien, 31.7.1865, Personalakten Verstorbener, AT-OeStA/HHStA PL 256. Zu Pislings Biografie L. M, Art. »Pisling, Theophil«, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 8 (1980), S. 100f. Fidler an Schmerling, Wien, 31.7.1865, Personalakten Verstorbener, AT-OeStA/HHStA PL 256 sowie DLA, Cotta: Honorarbücher der Allgemeinen Zeitung, 1864–1885. Cotta-Verlag an Pisling, Dezember 1864, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch V. Die gleiche Ermahnung ging an die ebenfalls offiziösen Wiener Korrespondenten Brühl und Weisbrodt.
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aber bei offiziösen »Notizen – deren Entstehung man ohne Weiteres nicht richtig beurtheilen kann – besondere Veranlassung« bestehe, sprich: wenn es sich bei diesen um inspirierte Versuchsballons handelte, bat die Redaktion darum, dass er das offizielle Zeichen beifügte110 . Auf diese Weise war zumindest für Redaktion und Verlag, wahrscheinlich aber auch für den geübten Zeitungsleser ersichtlich, dass die Nachricht ihren Ursprung in der Wiener Preßleitung hatte. Darin zeigt sich das spezifische Modell der Überparteilichkeit, das die AZ anwandte und das nicht mit Unabhängigkeit oder Neutralität zu verwechseln ist111 . In Pislings Personalakte im Ministerium des Äußern findet sich einer der wenigen Hinweise darauf, wie die Kontakte zwischen den offiziösen Korrespondenten und den Zeitungen geknüpft wurden112 . In diesem Fall hatte Pisling offenbar direkt an den Redakteur des »Dresdner Journals«, J. G. Hartmann, geschrieben und sich als Wiener Korrespondent für das Blatt angeboten. Zugleich wies er darauf hin, dass die »Wiener Zeitung« in ihrem Artikel über die »speculative Thätigkeit eines [. . . ] journalistischen Industrieritters« auf den regulären Korrespondenten des Blattes, Johann August Moritz Brühl, anspiele, der in dem Artikel der bewussten Falschmeldung bezichtigt wurde113 . Da auch Hartmann Zweifel an der Güte von Brühls Korrespondenzen gekommen waren, erwog er die Verbindung mit Pisling und erkundigte sich über ihn bei Sektionsrat Falke von Lilienstein, den Pisling als Referenz genannt hatte. Dass Pisling fest in der Preßleitung angestellt war, geht aus dem Briefwechsel nicht hervor, stattdessen wurde er als »gewandter Publicist« angepriesen, der »vermöge seiner Verbindungen in der Lage sei, sich über die jeweiligen Tagesfragen gut zu orientieren«114 . Es ist nicht überliefert, ob Pisling in der Folge tatsächlich regelmäßig Mitteilungen an das »Dresdner Journal« schickte, allerdings blieb das Blatt mit der Preßleitung in Verbindung, nahm von Wien inspirierte Artikel auf und ließ sich auch in Prag einen Korrespondenten vermitteln115 .
110 111 112 113
114 115
Cotta-Verlag an Pisling, Dezember 1864, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch V. R, Journalismus als Beruf, S. 270–290. Personalakte Pisling, Personalakten Verstorbener, AT-OeStA/HHStA PL 256. [. V.], Wien, 29. April, in: Wiener Zeitung, 30.4.1868, S. 1. Auch Brühl stand mit der Wiener Preßleitung in Verbindung, ließ sich aber auch von der preußischen und französischen Regierung subventionieren und versuchte zudem, mit der russischen Gesandtschaft in Wien anzuknüpfen. Dabei profitierte er von seiner Eigenschaft als triple agent, denn seine Feder wurde den staatlichen Pressebearbeitern vor allem aufgrund seiner hervorragenden Vernetzung wertvoll – nicht zuletzt auch deshalb, weil immer die Gefahr bestand, dass er sie stärker in den Dienst einer anderen Regierung stellte. Siehe etwa Dossier personnel: Brühl, AN, F/18/268; Thile an Schweinitz, Berlin, 15.10.1870, PA AA, RAV Wien, A XV, Nr. 7; Schweinitz an Bismarck, Wien, 6.9.1870, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 7, R 6; R, Journalismus als Beruf, S. 270–290; Falke an Metternich, Wien, 29.6.1869, AT-OeStA/HHStA PL 14–18; Voranschlag der Preßauslagen im Jahre 1866, AT-OeStA/HHStA PL 3. Hartmann an Falke von Lilienstein, Dresden, 6.5.1868, sowie Falke von Lilienstein an Hartmann, Wien, 26.5.1868, Personalakten Verstorbener, AT-OeStA/HHStA PL 256. Grüner an Falke, Leipzig, 9.7.1870, AT-OeStA/HHStA PL 20.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Die Beschäftigung offiziöser Wiener Korrespondenten wurde nicht allein von der großdeutsch gesinnten AZ oder von kleinen und mittleren Blättern, die sich keine eigenen, unabhängigen Korrespondenten leisten konnten, gepflegt: Auch die liberale KöZ stützte sich in ihrer Berichterstattung aus Wien mit Adalbert Roerdanz und Ignaz von Lackenbacher auf Korrespondenten, deren Loyalität schon ihres Berufs wegen dem österreichischen Staat gehörte. Lackenbacher schrieb bereits 1848 im Auftrag des Innenministers Franz von Stadion an die inund ausländische Presse und schickte seit Anfang der 1850er Jahre auch Artikel an die KöZ116 . Während seine Berichte anfangs als sachlich eingeschätzt wurden, kam es in den 1860er Jahren, als er für Anton von Schmerling Pressearbeit leistete, immer wieder zu Konflikten mit der Redaktion, weil diese nicht mit seiner gouvernementalen Haltung einverstanden war117 . Adalbert Roerdanz war nach seinem Ausscheiden aus der preußischen Centralstelle für Preßangelegenheiten nach Wien gegangen und arbeitete als Korrespondent der preußisch-offiziösen »Allgemeinen Preußischen Zeitung« sowie der KöZ118 . Er stand weiterhin in informeller Beziehung zur preußischen Pressestelle; im Februar 1862 bewilligte ihm diese noch eine Gratifikation von 300 Talern, weil das Honorar, das er von den Zeitungen für seine Korrespondenzen empfing, nicht ausreichte119 . Während die Redaktion der »Allgemeinen Preußischen Zeitung« seine Lage dahingehend einschätzte, dass er in »besonders hohem Grade unter der Beaufsichtigung zu laboriren [habe], welche das dortige Gouvernement den Correspondenten fremder Journale zu Theil werden läßt«120 , nutzte Roerdanz die finanziellen Optionen, die sich aus der Aufmerksamkeit der Wiener Regierung gegenüber deutschen Auslandskorrespondenten ergaben, für sich und bezog mehrmals auch von der Wiener Preßleitung Subventionen. Für deren Bewilligung war offenbar vor allem seine Korrespondenz für die KöZ ausschlaggebend121 : Dr. Roerdanz unterhält im Interesse der Preßleitung beziehungsweise der kaiserlichen Regierung eine laufende Korrespondenz-Verbindung mit mehreren bedeutenden Blättern Deutschlands, vorzugsweise mit der »Kölnischen Zeitung« und dem »Schwäbischen Merkur«. Mit Hinblick auf das geringe Honorar, welches diese Blätter zu leisten im Stande sind, wurde dem Litteraten Roerdanz auch bisher schon von Zeit zu Zeit, eine Honorar-Verbesserung aus dem Preßfonde zugestanden122 .
116 117
118 119 120 121 122
Friedrich U, Aus meinem Leben, Stuttgart, Berlin 1908, S. 145. B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 126; D, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1858–1867), S. 159, sowie A, F (ed.), Heinrich Friedjung, S. 409. Adalbert Roerdanz an Rudolf von Auerswald, Wien, 22.1.1862, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134. Ibid. sowie die zugehörige Korrespondenz. Redaktion der Allgemeinen Preußischen Zeitung an Literarisches Bureau, Berlin, 5.2.1862, GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134. Preßleitung an Ministerialsekretär Kurzmeyer, Wien, 1.11.1864, AT-OeStA/HHStA PL 1. Präsidium des Staatsministeriums, Notiz Fidlers, 20.7.1865, AT-OeStA/HHStA PL 2.
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Im Jahr darauf wurde er sogar als »einer der verläßlichsten offiziosen Correspondenten« bezeichnet, der »für seine energische Vertretung österreich[ischer] Interessen« in der KöZ nun sogar regelmäßig Zuwendungen von jährlich etwa 800 Florin bezog123 . Roerdanz war offenbar ein routinierter Offiziöser, der die korrumpierende aktive Pressepolitik sowohl der preußischen als auch der österreichischen Regierung zu seinem Vorteil zu nutzen wusste. Ob er Opportunist oder »Überzeugungstäter« war, lässt sich nicht rekonstruieren. Gerade sein Beispiel zeigt aber, dass es erstens der Wiener Preßleitung gelang, zumindest die Berichterstattung aus Wien in deutschen Zeitungen mit finanziellen Instrumenten zu beeinflussen. Die Konflikte der Redaktion der KöZ mit ihrem Korrespondenten Lackenbacher aufgrund seiner regierungsfreundlichen Haltung zeigen aber, dass dies nicht mit einer Beeinflussung der Zeitung gleichzusetzen ist. Zweitens zeigt Roerdanz’ Beispiel auch, dass die Preßleitung durch dieses auf die Kontrolle der Presse abzielende Handeln einen gewissen Aufschwung des Korrespondentenwesens begünstigte: Ohne die Subvention der Preßleitung hätte sich die Tätigkeit als Korrespondent für Roerdanz vermutlich nicht rentiert oder einige der Zeitungen, die er belieferte, hätten aus Kostengründen auf einen eigenen Wiener Korrespondenten verzichten müssen. Freilich verengte die finanzielle Unterstützung regierungsfreundlicher Korrespondenten das politische Spektrum der Wiener Berichterstattung. Gerade kleinere Blätter dürften die aufgrund der staatlichen Subvention günstig oder sogar kostenlos angebotenen offiziösen Korrespondenzen in Ermangelung finanzieller Unabhängigkeit bevorzugt haben, allerdings ließen sich dadurch andere Stimmen doch nicht völlig ausschalten. Diese anderen Stimmen gehörten oft den Mitarbeitern der liberalen und unabhängigen Wiener Presse, deren Kritiker sie als »[h]ungrige Literaten, freiheitspredigende Juden, u. unzufriedene kleine Beamte« zu diffamieren versuchten124 . Einer von ihnen war Wilhelm von Chézy (1806–1865). Er hatte 1835 den Kontakt mit Cotta angeknüpft, um seine belletristischen Arbeiten in dessen Periodika zur Publikation zu bringen und die Veröffentlichung von Werken seiner Mutter, der Dichterin Helmina von Chézy, zu betreiben. Er blieb in stetem Kontakt mit dem Verlag und wurde sporadisch als Berichterstatter eingesetzt, etwa über das »Badeleben« seines langjährigen Wohnorts Baden Baden125 . Im Herbst 1843 erklärte er Cotta, dass seine Stellung durch eine Reihe von »Unglücksfällen« ernstlich bedroht sei; »der einzige Ausweg, der mir bleibt, ist natürlich die Bahn der Arbeit, und zwar einer Arbeit neben meiner Hauptbeschäftigung, der dichterischen Schöpfung [. . . ]. Ich wünsche neben der Kunst auch noch ›das Handwerk‹ zu betreiben, und würde eine Beschäftigung bey der Allg. Ztg. oder dem Ausland allen andren vorziehen«126 . 123 124 125 126
Notiz Preßleitung, 17.3.1866, AT-OeStA/HHStA PL 4. Zedlitz an Cotta, Ischl, 12.2.1849, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Chézy an Cotta, Baden Baden, 18.3.1835 sowie 13.5.1835, DLA, Cotta: Briefe – Chézy. Chézy an Cotta, Baden Baden, 3.10.1843, DLA, Cotta: Briefe – Chézy.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Die gewünschte Redakteursstelle gab Cotta ihm nicht, aber Chézy sandte als freier Mitarbeiter sporadisch auch nicht-literarische Arbeiten an dessen Blätter. 1848 übernahm er die Redaktion der »Süddeutschen Zeitung für Kirche und Staat« in Freiburg i. Br. – er kommentierte dies Cotta gegenüber mit den Worten: »Die schlechte Zeit drängt uns mit Gewalt auf die Politik«127 , sah sich also weiterhin als Dichter und nicht als Journalist128 . Im Jahr darauf redigierte er einige Monate die »Rheinische Volkshalle« in Köln, bewarb sich aber erneut bei Cotta um eine Redakteursstelle, weil er mit den Arbeitsverhältnissen in Köln nicht zufrieden war: Zwar sei die Bezahlung leidlich, aber ständig pfusche man ihm ins Handwerk129 . Im Oktober 1850 bot er Cotta Korrespondenzberichte für die AZ und das »Morgenblatt« aus Wien an, wo er in seiner Jugend einige Zeit gelebt hatte und nun zunächst in der Redaktion der »Österreichischen Reichszeitung«, später bei der »Presse« und seit 1858 bei der »Österreichischen Zeitung« wirkte130 . Kolb hielt ihn für talentiert, und so sandte Chézy in den folgenden Jahren wöchentlich ein bis zwei Briefe nach Augsburg – sein eigentlicher Beruf blieb aber die Dichtung. Seit Mitte der 1850er Jahre wurden seine Beiträge nur noch sporadisch gedruckt, so dass er sich erkundigte, ob er der Redaktion noch ein willkommener Beiträger sei oder nicht131 . Er schränkte dann seine Einsendungen stark ein, um sich nicht länger dem »Mißvergnügen auszusetzen, in unnützen Bestrebungen meine Zeit zu verlieren. Zeit ist Geld. Ein Brief, der Thatsachen meldet, kostet nicht blos die halbe Stunde des Schreibens, sondern oft mehr als einen Gang in der weitläufigen Stadt«132 . Obwohl Cotta ihn weiter ermutigte und Chézy ankündigte, wöchentlich zu schreiben, versiegte die Korrespondenz bald darauf. Vielleicht verdiente er mit seinen literarischen Arbeiten und der Stelle bei der »Österreichischen Zeitung«, die er in diesem Jahr antrat, so viel, dass er nicht mehr auf den Zuverdienst durch die Berichterstattung für die AZ angewiesen war und seine wenigen Beiträge auf das Feuilleton beschränken konnte. Auch andere Wiener Schriftsteller verdienten ihren regelmäßigen Lebensunterhalt mit der Redaktion von Zeitungen und besserten diesen durch die Berichterstattung für ausländische Blätter finanziell auf. So schrieb etwa Johannes Nordmann neben seiner Arbeit bei der »Neuen Freien Presse«, dem »Wanderer« und verschiedenen anderen Blättern auch für die Leipziger »Deutsche Allgemeine Zeitung«; Adolph Neustadt arbeitete an der »Österreichischen National-Encyklopädie« und dem »Wiener Geschäftsbericht und Neuigkeitsboten«, später an der Redaktion der »Österreichischen Zeitung« mit und sandte ebenfalls Artikel an die »Deutsche
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Chézy an Cotta, Freiburg, 18.7.1848, DLA, Cotta: Briefe – Chézy. Zu Chézys Biografie siehe den entsprechenden Eintrag in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 2 (1857), S. 338–340. Chézy an Cotta, Köln, 6.5.1849, DLA, Cotta: Briefe – Chézy. Chézy an Cotta, Wien, 23.10.1850, DLA, Cotta: Briefe – Chézy. Chézy an Cotta, Wien, 21.9.1854 sowie 5.3.1857, DLA, Cotta: Briefe – Chézy. Chézy an Cotta, Wien, 5.3.1857, DLA, Cotta: Briefe – Chézy.
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Allgemeine Zeitung«, später auch an die AZ und die NZ, daneben publizierte er in verschiedenen bürgerlichen Unterhaltungszeitschriften. Karl August von Schmidt auf Altenstadt arbeitete bei Wiener Zeitungen und Zeitschriften mit, darunter der »Neuen Freien Presse«, und korrespondierte für eine ganze Reihe deutscher Blätter wie den »Nürnberger Correspondenten von und für Deutschland«, den »Schwäbischen Merkur«, die VZ und auch die AZ133 . Während die bisher eingehender vorgestellten Wiener Korrespondenten den Journalismus eher als bloßen Brotberuf oder aber als Instrument für den eigentlichen Zweck der Unterstützung österreichischer Interessen betrachteten, war er für Heinrich Pollak (1835–1908) offenbar die berufliche Wahlheimat. Wenn man den Schilderungen in seinen Lebenserinnerungen glauben darf, kam er zufällig zum Journalismus. Auf der Suche nach einer Arbeit, die ihm das Abitur ermöglichen sollte, wurde er dem Redakteur des »Österreichischen Lloyd«, Raphael Basch, empfohlen, der ihn tatsächlich als Berichterstatter bei Gericht, im Gemeinderat und im Gewerbeverein einsetzte. Offensichtlich war Basch zufrieden mit Pollaks Arbeit, denn er wurde in den folgenden Jahren ständiger Mitarbeiter der Redaktion, die ihn 1859 sogar als Kriegsberichterstatter im italienischen Unabhängigkeitskrieg einsetzte134 . Im Jahr darauf wurde er in der Lokalredaktion der »Wiener Morgenpost« angestellt und profilierte sich als »typ[ischer] Vertreter, wenn nicht Begründer« des Wiener »Reportertums im großen Stil«135 . 1867 übernahm er gemeinsam mit Moriz Szeps das »Neue Wiener Tagblatt«, dessen Lokalredakteur und Aufsichtsratsmitglied er bis 1898 blieb. Er verfasste zwar auch einige Zeitungsromane und publizierte seine Erlebnisse als Kriegsberichterstatter in Buchform, seinem Selbstverständnis nach war er aber Journalist und nicht Schriftsteller136 . Seine Tätigkeit als Auslandskorrespondent besaß für Pollak offenbar keine gesteigerte Bedeutung, denn er erwähnt sie nur ganz am Rande: Weil er beim Amtsantritt Beusts für die bei Brockhaus in Leipzig verlegte »Deutsche Allgemeine Zeitung« schrieb, wurde der neue österreichische Außenminister auf ihn aufmerksam und suchte das Gespräch, um über Pollak Einfluss auf die sächsische Presse zu nehmen137 . Seit wann, wie lange und wie intensiv Pollak als Korrespondent für das Blatt arbeitete und ob er noch für andere deutsche Zeitungen schrieb, ist nicht bekannt. 133
134 135
136 137
V. H, Art. »Karl August Schmidt auf Altenstadt«, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 10 (1993), S. 304; [. V.], Art. »Adolph Neustadt«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 20 (1869), S. 299f., sowie [. V.], Art. »Johannes Nordmann, in: ibid., S. 384–386. P, Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten, S. 1–15. E. L, Art. »Heinrich Pollak«, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 8 (1980), S. 169. Groth nennt ihn als einen der Ersten, die in der deutschsprachigen Presse Interviews führten: G, Die Zeitung, S. 414. Das legt nicht zuletzt der Titel seiner Erinnerungen nahe: P, Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten. Ibid., S. 185–195. Zu seinem Kontakt mit Beust siehe Kap. II.1.1.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass keiner der aus Wien berichtenden Korrespondenten deutscher Zeitungen diese Tätigkeit als seinen Hauptund Lebensberuf ansah. Der einzige mit einer ausgeprägten Identität als Journalist, Heinrich Pollak, war in erster Linie Redakteur und dürfte sich wohl kaum mit seiner Rolle als Auslandskorrespondent identifiziert haben. Diese war ein Randaspekt seines journalistischen Wirkens, eine Nebenfunktion gewissermaßen, mit der sich leicht und ohne großen Aufwand einige Groschen dazuverdienen ließen. Man kann davon ausgehen, dass die meisten Wiener Redakteure ihre journalistische Arbeit auf diese Weise einer doppelten Verwertung zuzuführen versuchten: Was man in einem Artikel in seiner Hauszeitung geschildert hatte, konnte man ohne großen Aufwand leicht umformuliert noch einem auswärtigen Blatt anbieten – sei es in der österreichischen Provinz, sei es im deutschsprachigen Ausland. Da gerade bei diesem Typus nur wenige Informationen über die Korrespondententätigkeit vorliegen, ist es nicht möglich eine Aussage darüber zu treffen, ob die Haltung der Zeitung mit der politischen Einstellung des Korrespondenten kongruierte oder nicht, bzw. ob diese Frage für den Korrespondenten relevant war. Im Fall von Heinrich Pollak traf dies wohl nicht zu. Die »Deutsche Allgemeine Zeitung« war eher konservativ ausgerichtet, das »Neue Wiener Tagblatt« dagegen liberal-demokratisch. Das Motiv für diese Art der journalistischen Arbeit war vermutlich weniger ideeller bzw. politischer als vielmehr finanzieller Natur. Genau umgekehrt verhielt es sich beim Typus des offiziösen Korrespondenten, für dessen Vertreter das journalistische Schreiben weniger eine Berufung als vielmehr das Mittel zum Zwecke der Vertretung österreichischer Regierungsinteressen darstellte. Zwar waren alle offiziösen Korrespondenten literaturaffin und hatten vor ihrer Anstellung als gouvernementale Pressereferenten bereits publizistische Erfahrungen gesammelt, allerdings war die journalistische Tätigkeit immer untrennbar mit dem politischen Anliegen verbunden. Korrespondenten wie Pisling und Roerdanz lassen sich am besten als politische Journalisten beschreiben. Sie wurden von der Preßleitung ausgewählt, weil sie in ihren Artikeln eine bestimmte politische Haltung an den Tag legten. Die Anstellung im Staatsdienst führte dann dazu, dass in ihrer Arbeit die Logik der Interessenvertretung in den Vordergrund rückte, der die journalistischen Erfordernisse untergeordnet wurden. Das war besonders ausgeprägt bei Carl Weil und Zedlitz, die man als journalistisch arbeitende Politiker bezeichnen könnte. Für sie war die journalistische Tätigkeit lediglich ein Bestandteil ihres amtlichen Auftrages, den die Vorgesetzten im Ministerium vorgaben. Eine Identität als Journalist oder gar Korrespondent hatten Weil oder Zedlitz nicht. Durch seine Weigerung, von Cotta ein Honorar für seine Korrespondententätigkeit anzunehmen, verdeutlichte Carl Weil, dass seine Loyalität ganz der österreichischen Regierung gehörte, und er fügte hinzu: »Ich bin nur der Untergeordnete, der Arm, die Feder. Mein kleines Renommé als Publicist genügt mir vollkommen und meine Wünsche sind durch
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die Huld meines allergnädigsten Herrn und Kaisers erreicht, meine Carrière geschloßen«138 . Die spezifische Form des inspirierten Journalismus der Korrespondenten im Staatsdienst und ihr dadurch geprägtes Selbstbild spiegelten sich auch in deren Arbeits- und Recherchepraxis wider. Carl Weil betonte, er sei nur für die äußere Form zuständig, der Gedanke, der Inhalt komme vom Ministerium139 , und so war die Auswahl der an die AZ übersandten Nachrichten ganz der Logik seines Amtes geschuldet. Ihm ging es darum, die »Auffassung des k. k. Cabinetts in allgemeinen oder bestimmten politischen Fragen mit möglichster Treue und Klarheit« wiederzugeben, zu verbreiten und zu verteidigen140 . Dementsprechend stellte er seine weitere Mitarbeit unter die Bedingung, dass seine »halbofficiellen Mittheilungen« zuverlässig wie zeitnah abgedruckt und nicht mehr mit distanzierenden Kommentaren seitens der Redaktion versehen würden141 . Auch Zedlitz kündigte an, »Mittheilungen aus dem Standpunkt des östr. Cabinetts zu machen, aber ich muß mit Sicherheit rechnen können daß sie aufgenommen werden«142 . Die Unterordnung der journalistischen Erfordernisse unter die Interessen der Regierung wirkte sich teilweise auch auf die Aktualität der Nachrichten aus: Im Zusammenhang mit den von Minister Kübeck projektierten Finanzreformen erklärte Zedlitz, er werde der AZ fortlaufend Artikel darüber zusenden, »sobald die Sachen reif sind, und vorzeitiges Geschwätz ihrer Ausführung nichts mehr schaden kann«143 . Das journalistische Gebot größtmöglicher Aktualität, das auch in der Jahrhundertmitte bereits Gültigkeit besaß, war für Zedlitz folglich kein Argument. Dementsprechend hielt er Cottas Vorwurf, er sei zu oft von Wien abwesend, entgegen, dass seine »persönlichen Beziehungen mit den ersten Männern der Monarchie, in der Verwaltung wie in der Armée, [. . . ] in diesen Jahren der Reifung nur noch fester geworden, [. . . ] und so fehlt es mir durchaus nicht an einer fortgesetzten Kenntniß von dem was vorgeht«144 . Dass die Redaktion nicht bereit war, sich allen Wünschen aus Wien zu fügen, und die »inspirierten« Artikel ihrem Ermessen nach kürzte und kommentierte oder eben gar nicht druckte, zeigen schon die wiederkehrenden Beschwerden 138 139 140 141
142 143 144
Weil an Cotta, Wien, 21.11.1856, DLA, Cotta: Briefe – Weil. Ibid. Zitat Weil an Cotta, Wien, 25.12.1856, ähnlich auch Weil an Cotta, Wien, 21.11.1856 sowie 28.12.1854, DLA, Cotta: Briefe – Weil. Weil an Cotta, Wien, 9.9.1854 sowie 21.11.1856, DLA, Cotta: Briefe – Weil. Weil erbat diese Behandlung nicht nur, sondern erwartete sie regelrecht; vielleicht trugen dies und seine Empfindlichkeit gegenüber nicht ausreichend linientreuen Artikeln in der AZ dazu bei, dass die Beziehung zwischen Zeitung und Korrespondent erkaltete. Kolb an Cotta, Augsburg, 7.10.1857, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Zedlitz an Cotta, Wien, 29.10.1851, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz (Hervorh. i. O.). Zedlitz an Cotta, Wien, 1.5.1842, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Zedlitz an Cotta, Aussee, 15.7.1851, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz; ähnlich Zedlitz an Cotta, Linz, 17.2.1851, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz; dagegen Cottas Perspektive in Cotta an Zedlitz, Stuttgart, 5.2.1851 (Kopie), DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz.
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von Weil und Zedlitz145 . Dennoch zeigte sich Cotta den beiden Offiziösen gegenüber stets verbindlich und zuvorkommend, weil diese qua Amt über Verbindungen in die höchsten Kreise und folglich über gute Informationen verfügten. Dementsprechend lässt sich auch eine eigentlich journalistische Recherchepraxis bei Carl Weil, Zedlitz oder den anderen offiziösen Korrespondenten nicht feststellen. Die Korrespondenten im Staatsdienst mussten die Informationen für ihre Artikel nicht recherchieren und aus verschiedenen, mehr oder minder zuverlässigen Quellen zusammentragen, sondern sie wurden von höherer Stelle »inspiriert« und mit Schreibaufträgen versehen. Sie konnten ihre Informationen direkt aus staatlichen Quellen schöpfen, die ihnen durch ihr Amt und die sich daraus ergebenden Beziehungen und Verpflichtungen offen standen. Daraus ergab sich oftmals ein deutlicher Informationsvorsprung für die offiziösen Korrespondenten, die diesen Vorteil als Argument gegen unliebsame Konkurrenz ins Feld führten. Zedlitz etwa betrachtete denn auch sein Insiderwissen als seine Hauptqualifikation und unterstrich immer wieder seine guten Verbindungen in Regierungskreisen sowie den Ausschluss der »anderen« von sensiblen Informationen146 . Und so legte er Cotta für die Auslandsberichterstattung der AZ nahe: [W]ählen Sie womöglich nirgends oder doch wenigstens zu Wien nicht, unter den sogenannten »Literaten«. Alles was so heißt, taugt in der Regel überall wenig, zu Wien aber durchaus gar nichts. Auch wissen diese Leute nichts, und können nichts wissen. Das zusammengelesene Bierstandgeschwätz aber, was da als Volksmeinung oder Regierungsgrundsatz an Sie spedirt wird, taugt [. . . ] nur dazu, die Ansichten irre zu führen147 .
Während also für die offiziösen Korrespondenten die Herausforderung darin bestand, eine Aufnahme ihrer Artikel in möglichst vielen Zeitungen zu erreichen – am besten, ohne dass die offiziöse Herkunft der Information allzu deutlich hervortrat –, lag die Schwierigkeit für die übrigen Journalisten bzw. Korrespondenten tatsächlich darin, zuverlässige Informationen möglichst früh und exklusiv zu erhalten. Recherche bedeutete daher vor allem Pflege möglichst breit gefächerter Kontakte. Das deutete Chézy mit seiner Äußerung an, er müsse mehrere Gänge durch die Stadt machen, um an gesicherte Fakten zu kommen, womit wohl gemeint ist, dass er Freunde und Bekannte besuchte, um sich im Gespräch Informationen zu verschaffen148 . Dabei lag die Schwierigkeit darin, einen Zugang zu den politisch meist anders gesinnten Vertretern des 145
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Ein Vergleich der eingesandten Korrespondenzen mit den tatsächlich abgedruckten wäre zwar interessant, um Einblicke in die Arbeitsweise der Redaktion und die Auswahl der Nachrichten zu erlangen, ist aber nur in Einzelfällen möglich, weil die Originale nach der Überarbeitung in der Redaktion an die Setzer weitergereicht und nach dem Druck nicht aufbewahrt wurden. Zedlitz an Cotta, Ischl, 2.3.1849, Aussee, 8.6.1850, Linz, 17.2.1851, sowie Wien, 25.5.1852, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Zedlitz an Cotta, Aussee, 8.6.1850, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Chézy an Cotta, Wien, 5.3.1857, DLA, Cotta: Briefe – Chézy.
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Staates zu finden. Das zeigt etwa der Versuch Heinrich Pollaks, mit dem neuen Kabinettschef Richard Graf Belcredi ein Gespräch zu arrangieren: »Wie aber an einen Minister herantreten, ohne ihm empfohlen zu sein, herantreten mit der Absicht, dass er einem Journalisten für ein Blatt Mittheilungen mache, das sich, wie damals die Morgenpost, in heftigster Opposition dem SistirungsMinisterium gegenüber befand?!«149 Pollak löste das Problem mit Hilfe seiner weitverzweigten persönlichen Verbindungen. Ein Freund empfahl ihn an den Leiter der Preßleitung, der wiederum empfahl ihn weiter an Belcredi150 . Das erklärt, warum neben den offiziösen Korrespondenten vor allem die Redakteure der Wiener Zeitungen an auswärtige Zeitungen berichteten. Sie verfügten eher als Ortsfremde über die nötigen Netzwerke. Zahlreiche persönliche Bekanntschaften unter den Wiener Journalisten dürften die Voraussetzung für eine fruchtbringende Nutzung der couloirs des Parlaments gewesen sein. Wenn man den Erinnerungen Heinrich Pollaks Glauben schenken darf, dann herrschten in den 1860er Jahren im Parlament zwar geradezu paradiesische Zustände, zumindest was den Verkehr zwischen Abgeordneten und Journalisten betraf: Im Buffet des Hauses versammelten sich alltäglich während der Sitzung die Reporter und Redacteure der Zeitungen. [. . . ] Sie blieben auch selten ›unter sich‹. Immer gesellten sich zu ihnen Abgeordnete und zuweilen auch Mitglieder der Regierung. [. . . ] Da saß er [Innenminister Lasser] denn oft in unserer Mitte und unterhielt sich mit uns Journalisten in ungezwungenster Weise151 .
Allerdings ist dieses vermutlich leicht verklärte Bild aus der Perspektive eines etablierten Redakteurs geschrieben; ohne die entsprechenden Bekanntschaften und Verbindungen zumindest in Journalistenkreisen dürfte sich der Zugang zu so ungezwungenem Umgang mit dem Regierungspersonal schwieriger gestaltet haben. Unter Beust wurde die Informationspolitik des Ministeriums des Äußern zwar etwas offener, allerdings dürfte auch Ende der 1860er Jahre noch die Einschätzung Gültigkeit besessen haben, die Zedlitz im Sommer 1850 Cotta gegenüber äußerte: »Staatsgeheimnisse wird Ihnen Niemand schreiben, denn diese werden im nachmärzlichen Oestreich so gut wie im vormärzlichen wohl bewahrt, und die einzelnen Thatsachen, so lang sie nicht zur Veröffentlichung reif sind, bleiben das Geheimnis der leitenden Männer«152 .
149 150 151 152
P, Dreißig Jahre aus dem Leben eines Journalisten, S. 106. Ibid., S. 106f. Ibid., S. 71. Zedlitz an Cotta, Aussee, 8.6.1850, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
1.3 Berichten aus der »Hauptstadt der Kultur« – Korrespondenten in Paris Das Tableau der Korrespondententypen war in Paris besonders vielfältig, so dass eine Aussage über den vorherrschenden Typus schwerfällt. Wie in London war zwar auch in der französischen Hauptstadt ein auffallend großer Teil der Berichterstatter deutscher Blätter als Revolutionsexilanten in die Stadt gekommen, daneben gab es aber einen ebenso großen Teil von Korrespondenten, die sich aus unterschiedlichen Gründen freiwillig in der Stadt aufhielten. Von den identifizierten 43 Korrespondenten, die zwischen 1848 und 1870 für deutsche Blätter aus Paris schrieben, waren 15 als politische Asylanten nach Frankreich geflohen, 21 hielten sich definitiv nicht als Exilanten dort auf, bei neun weiteren ist über die Biografie zu wenig bekannt, als dass sie einer der beiden Gruppen zugeordnet werden könnten. Stärker als bei den anderen beiden hier untersuchten Berichtsorten scheint das Image von Paris das Spektrum der Korrespondenten sowie deren Wahl der französischen Hauptstadt als Berichtsort geprägt zu haben. Die Entscheidung der Exilanten für Paris als neuen, dauerhaften Aufenthaltsort war aus mehreren Gründen naheliegend. Die 1848er waren – wollten sie nicht das Risiko einer langen Haft- oder sogar der Todesstrafe eingehen – dazu gezwungen, Deutschland zu verlassen, und Frankreich war neben der Schweiz, Belgien und Großbritannien einer der beliebtesten potentiellen Aufnahmestaaten in Europa153 . Paris besaß von jeher eine große Anziehungskraft auf deutsche Schriftsteller, Künstler und Gelehrte. Seit der Französischen Revolution wurde die Stadt auch als politisches Zukunftslabor bestaunt, als Kristallisationspunkt einer im ursprünglichen Sinne des Wortes revolutionären Gegenwart. In Paris wurde die Idee zu Cottas »Neuester Weltkunde« geboren, die von Anfang an auf ein gut ausgebautes Korrespondentennetz in den politischen Zentren Europas setzte. Mit diesem Konzept setzte das Blatt unter dem Titel »Allgemeine Zeitung« bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts neue Maßstäbe journalistischer Praxis, sein Nachrichtendienst war lange Zeit einzigartig im deutschsprachigen Pressewesen. Im Vormärz war Paris der wichtigste Zielund Zufluchtsort deutscher Publizisten und Schriftsteller – und damit die Stadt mit dem wohl größten Reservoir potentieller Auslandskorrespondenten154 . 153
154
Wolfram S, 1848/49 in Deutschland und Europa. Ereignis – Bewältigung – Erinnerung, Paderborn 2006, S. 147–170; F, Introduction; D., Flotsam of Revolution; Herbert R, Politisches Asyl im 19. Jahrhundert. Die deutschen politischen Flüchtlinge des Vormärz und der Revolution von 1848/49 in Europa und den USA, Berlin 1992. Werner geht von 300 in Paris lebenden Deutschen aus, die sich journalistisch betätigten, darunter aber nur 200, die dies regelmäßig taten; außerdem berücksichtigt er nicht nur Berichterstatter über französische Politik und Kultur für in Deutschland erscheinende Tageszeitungen, sondern auch Beiträger zu Zeitschriften und der deutschen Exilpresse sowie Mitarbeiter französischer Periodika. Auch erscheint die von ihm genannte Zahl
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Die Februarrevolution schürte noch einmal den Mythos von Paris als Spiegel der politischen Zukunft Europas. Der Ausbruch der deutschen Revolutionen zog die politisch Engagierten aber zurück in ihre Heimat, wo sie ihre gesellschaftlich-politischen Ideale umzusetzen versuchten. Als dies scheiterte und sich die Restauration in den deutschen Staaten durchsetzte, kamen wiederum zahlreiche politische Flüchtlinge nach Paris155 . Auch wenn Frankreich mit dem Erstarken Louis Napoléons und der Restauration und ganz besonders nach dem Staatsstreich und der Errichtung des Second Empire für die politische Linke kein sicherer Ort mehr war156 , verblieben an der Seine doch etliche deutsche Exilanten, von denen einige ihren Lebensunterhalt als Korrespondenten deutscher Zeitungen verdienten. Einige der wichtigsten Korrespondenten der KöZ, der AZ, später auch der FZ hatten eine revolutionäre Vergangenheit, wie zum Beispiel Leopold Haefner, Friedrich Szarvady, Ignaz E. Horn, Moritz Wilhelm von Loewenfels oder Ludwig Pfau. Während die Besichtigung der Stätten der Revolution nach der Überwindung der Republik durch Louis Napoléon als Reisegrund in den Hintergrund rückte, behauptete sich Paris in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts als kulturelle Hauptstadt Europas und behielt daher seine starke Anziehungskraft auf Gebildete und Künstler jeglicher politischen Couleur157 . Zwar war auch London in der Mitte des Jahrhunderts eine Metropole von Weltruf, die zahlreiche Reisende anzog, allerdings scheint es trotz der besonders freiheitlichen britischen Gesetzgebung für Einwanderer erstrebenswerter gewesen zu sein, sich an der Seine niederzulassen als an der Themse. Dafür sprechen zumindest die Zahlen. Die deutsche Kolonie in Paris zählte 1848 bereits rund 60 000 Mitglieder, in London dagegen lebten nur rund 10 000 Deutsche158 . Während in London Industrialisierung, Handel und Politik im Fokus standen und die Stadt zwar als modern und dynamisch, zugleich aber auch als einförmig und unpoetisch dargestellt wurde, galt Paris als heiter, ästhetisch und kosmopolitisch, als Stadt der Künstler und des guten Lebens159 . Nicht zuletzt wegen der Emanzipation der französischen Juden war Paris ein »Sehnsuchtsziel« vieler deutschspra-
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von rund 30 deutschen Zeitungen mit eigenem Korrespondentennetz zu hoch gegriffen. Vgl.W, Les journalistes allemands, S. 480f. Zur deutschen Emigration nach Paris etwa D., Étrangers et immigrants à Paris autour de 1848. L’exemple des Allemands, in: Ilja M, Horst M, Jürgen V (Hg.), Paris und Berlin in der Revolution 1848, Sigmaringen 1995, S. 199–213; S, 1848/49 in Deutschland und Europa, S. 147–170; R, Politisches Asyl. Neben der Ausweisung waren polizeiliche Überwachung und Auslieferung an den Heimatstaat zu befürchten: S, 1848/49 in Deutschland und Europa, S. 161–163. Siehe auch den Abschnitt zu London in Kap. III.1. Etwa Philipp P, Bürgerliches Reisen im 19. Jahrhundert. Freizeit, Kommunikation und soziale Grenzen, Berlin 2003, S. 14. So z. B. W, Les journalistes allemands, S. 480. Günter O, Paris. Einführendes Referat, in: Conrad W (Hg.), Rom – Paris – London. Erfahrung und Selbsterfahrung deutscher Schriftsteller und Künstler in den fremden Metropolen, Stuttgart 1988, S. 345–360.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
chiger Juden, und die Caféhäuser und Boulevards in Paris boten für Fremde rasch Anknüpfungspunkte geselligen Verkehrs160 , während in London oft Vereinsamung und die abweisende Haltung der Engländer Fremden gegenüber beklagt wurden161 . Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Argument für Paris lag darin, dass es im Vergleich zu London günstiger war: »Nirgendwo [. . . ] hat ein edler Mensch ohne Geld so viel zu leiden, wie in London. [. . . ] Nirgendwo hat es diese Bedeutung, wie in London«162 . In Paris erschien das Leben dagegen billig und angenehm, die Franzosen liebenswürdig163 . Auch die durchschnittlichen Sprachkompetenzen deutscher Reisender dürften zum Vorzug von Paris gegenüber London beigetragen haben, denn Französisch war in der Mitte des Jahrhunderts deutlich weiter verbreitet als Englisch164 . Schließlich wurden auch immer wieder Klagen über den Londoner Nebel und das Klima laut, das der Gesundheit so unzuträglich sei – ob diese stereotyp anmutende Beschwerde lediglich als verstärkendes Argument diente oder tatsächlich die Entscheidung für den neuen Wohnort beeinflusste, sei dahingestellt165 . Gerade für Publizisten hatte Paris in der Jahrhundertmitte auch als europäisches Kommunikationszentrum große Bedeutung166 . Nicht zufällig wurde die Mutter der Nachrichtenagenturen, die Agence Havas, in Paris gegründet. Die Gründer von zwei anderen bedeutenden Agenturen, Wolff und Reuter, hatten ihre Lehrjahre bei Havas absolviert und sich dort wertvolle Anregungen für ihre Geschäftsidee geholt167 . Mit aller angesichts der Quellenlage gebotenen Vorsicht lässt sich doch festhalten, dass Paris derjenige außerdeutsche Nachrichtenplatz war, für den sich deutsche Zeitungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts am meisten interessierten und wo sie am ehesten einen eigenen Korrespondenten zu unterhalten bereit waren168 . Neben der Relevanz des Nachrichtenzentrums 160
K, Paris im Zeichen der Dreyfus-Affäre, S. 175. So etwa Biscamp an Cotta-Verlag, London, 4.10.1861 sowie 1.12.1865, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp, mit Bezug auf Fontane Kurt K, Fontanes journalistischer Blick nach draußen, in: Konrad E (Hg.), Fontane und die Fremde – Fontane und Europa, Würzburg 2002, S. 192–211, hier S. 201. 162 Ludwig K, Paris und London, Bd. 2: London, Frankfurt a. M. 1851, S. 255f. 163 Siehe etwa Ohly an Cotta, Havre, 16.7.1851, DLA, Cotta: Briefe – Ohly. 164 K, K, S (Hg.), Schulsprachenpolitik. Karl Blind vermerkte in den Reisehinweisen für seine zukünftige Ehefrau, dass in London kaum jemand Französisch oder Deutsch spreche, so Blind an eine Freundin, London, 25.8.[1849], StadtA MA, Kleine Erwerbungen 68. 165 Ibid.; G, Schattenriss einer Generation, S. 291; R. Basch an Beck, London, 5.1.[1868], AT-OeStA/HHStA PL 11; Carl Scherzer an Cotta, London, 28.1.1876, DLA, Cotta: Briefe –Scherzer. Der Meyersche Reiseführer dagegen betonte, das Klima sei nicht so schlecht, wie allgemein angenommen werde: Ernest George R, Reisehandbuch für London, England und Schottland, Hildburghausen 1870, S. 31. 166 So sollen laut Brunhuber fast alle Auslandsnachrichten über Paris in die deutschen Staaten gelangt sein: B, Das deutsche Zeitungswesen, S. 101. 167 A, Histoire de la presse, S. 37. 168 Diesen Schluss legt ein Blick in die Festschriften verschiedener Zeitungen nahe, die bis zum letzten Viertel des 19. Jahrhunderts auf den Standort Paris einen besonderen 161
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Paris trat für die schriftstellerisch tätigen Besucher noch die Möglichkeit hinzu, den Aufenthalt in der Seine-Metropole in einem Reisebericht ökonomisch doppelt zu nutzen. Allerdings waren sowohl der Buchmarkt als auch der Arbeitsmarkt für Korrespondenten gerade aus diesem Grund von einer Übersättigung bedroht169 . Die beschriebene Attraktivität der französischen Hauptstadt war wohl der Hauptgrund dafür, dass der typische Pariser Korrespondent deutscher Zeitungen so schwer zu fassen ist. Worin die Korrespondenten, die als politische Flüchtlinge nach Paris kamen, jenen, die aus freien Stücken ihren Aufenthalt dort gewählt hatten, aber sehr oft ähnelten, das war ihre akademische Bildung und das oftmals auch unabhängig von politischen Ambitionen begonnene publizistische Engagement170 . Bildung und kulturelles oder politisches Interesse waren allerdings die Voraussetzung für jegliche journalistische Tätigkeit, so dass sich die Pariser Vertreter des Korrespondentenberufs in der Regel aus demselben Milieu rekrutierten wie andere deutsche Journalisten171 . Die Bandbreite der deutschen Paris-Korrespondenten der 1850er und 1860er Jahre umfasste neben den politischen Flüchtlingen so unterschiedliche Persönlichkeiten wie Louis Debrauz (AZ), der als Presseagent in französischen und österreichischen Diensten stand, den konservativen, katholischen Dozenten für deutsche Sprache Adolf Ebeling (»Kölnische Volkszeitung«), die Orientalisten Ferdinand von Eckstein und Julius von Mohl sowie den Schriftsteller und Publizisten Heinrich Seuffert (alle drei AZ). Auch wenn es ausgesprochen schwer erscheint, zu einem sicheren Urteil über die typischen Pariser Korrespondenten zu kommen, und es den typischen Zeitungskorrespondenten dort vielleicht gar nicht gab, so spricht doch einiges dafür, dass die deutschen Revolutionsexilanten zu Beginn des Untersuchungs-
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Fokus legten: F, Die Geschichte der Berliner »National-Zeitung«, S. 208f.; Georg B, Die Geschichte des Hauses, in: 50 Jahre Ullstein. 1877–1927, Berlin 1927, S. 1–146, hier S. 124; B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung, ihrer Besitzer und Mitarbeiter, S. 81; D., Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 112; Geschichte der Frankfurter Zeitung, Frankfurt a. M. 1911, S. 21f., 29. Requate lokalisiert die Geburtsstunde des Auslandskorrespondenten im Paris der Französischen Revolution: R, Journalismus als Beruf, S. 122, auch D., Kommunikationswege, S. 73, zustimmend B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 112. Allerdings wird auch die Relevanz von London, Rom, Wien und Petersburg hervorgehoben, vgl. Walter H, Die Zeitung als Organismus. Ein Leitfaden, Heidelberg 1950, S. 93. Requate hält generell eine Überlastung des literarischen Marktes im Vormärz fest: R, Journalismus als Beruf, S. 127, ähnlich Prein, der aber auch auf die große Beliebtheit dieser Literaturform hinweist: P, Bürgerliches Reisen, S. 51–60, zu Paris und London als Orte der Moderne S. 180–189. In der Jahrhundertmitte ist eine klare Trennlinie zwischen Politik und Journalistik jedoch kaum zu ziehen. R, Journalismus als Beruf, S. 235f.; B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 47. Der typische Redakteur, zumal vor 1870, entstammte dem Bildungsbürgertum (ca. 50 %) und hatte ein abgeschlossenes Studium (ca. 87 %): R, Journalismus als Beruf, S. 139–145.
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zeitraums das Bild prägten. Einen pessimistischen, aber aufschlussreichen Bericht über die deutschen Zeitungskorrespondenten in Paris liefert Ludwig Kalisch in seiner Reisebeschreibung von »Paris und London«. Er beschreibt sie als arme, geplagte Taglöhner, die ruhm- und namenlos im Dienste der Politik handlangern. Für die meisten ist es ein knapper Erwerb, der ihnen kaum die nöthigsten Bedürfnisse sichert, und nur diejenigen von ihnen, die für größere Blätter, z. B. für die »Augsburger Allgemeine« und die »Kölnische Zeitung« schreiben, und nur solche, deren politisches Gewissen an Elastizität nicht Mangel leidet, haben eine freundlichere Existenz. Die wenigsten von diesen Correspondenten haben diesen Erwerb aus Neigung und Beruf ergriffen; die meisten sind durch traurige Verhältnisse, durch fehlgeschlagene Hoffnungen dazu gezwungen worden. [. . . ] Diese armen Opfer der Gesinnung [. . . ] irren darbend und gebrochenen Herzens in dem rauschenden, tobenden, lärmenden Paris umher und Niemand kümmert sich um sie als die Spione, um sie einer Polizei zu denunziren, die sich zur dienstbeflissenen Helfershelferin jeder freiheitsfeindlichen Regierung erniedrigt hat172 .
Kalisch thematisiert in diesem Abschnitt über die in Paris lebenden Deutschen zwar mit keinem Wort einen autobiografischen Hintergrund, aber ein Blick auf seinen Lebensweg führt unweigerlich zu dem Schluss, dass er hier nicht als Beobachter, sondern als Betroffener schreibt – und als solcher offenkundig enttäuscht war von den Chancen, die sich in Paris boten. Auch Kalisch gehörte zu jenen, die »politisches Mißgeschick nach Paris exilirt« hatte173 . Noch während seines Studiums der Medizin und Germanistik, das er 1847 mit dem Grad eines Dr. phil. in Gießen abschloss, versuchte er sich als Schriftsteller, redigierte politische Zeitschriften wie das Mainzer Satireblatt »Narrhalla« (1843–1846) oder »Das Rheinland« (1843–1844) und gründete die Satirezeitschrift »Lose Blätter«174 . 1848 engagierte er sich im Arbeiterbildungsverein sowie im Demokratischen Verein von Mainz und redigierte die Wochenzeitung »Der Demokrat«, seit Mai 1849 im Auftrag der pfälzischen Revolutionsregierung den »Boten für Stadt und Land«. Als politischer Aktivist der ersten Garde entschied er sich nach dem Sieg der Restaurationstruppen zur Flucht nach Frankreich, 1850–1851 verbrachte er einige Zeit in London – vermutlich bewog ihn die in dieser Zeit einsetzende Verschärfung der französischen Asylpolitik gegenüber den politischen Flüchtlinge zu diesem Ortswechsel – und ließ sich dann endgültig in Paris nieder175 . Er hatte schon vor der Revolution mehrere literarische Werke publiziert und ergriff im Exil die »Journalistenfeder«, »um nicht 172 173 174
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K, Paris und London, Bd. 1: Paris, Frankfurt a. M. 1851, S. 170f. Das Zitat bezieht sich zwar auf seinen Kollegen Bernhard Oppenheim, passt aber auch auf Kalisch: Julius R, Pariser Bilderbuch, Braunschweig 1856, S. 122. Zu Kalischs Lebensweg vor allem Julius H. S, An der Seite der Unterdrückten. Der Demokrat Ludwig Kalisch (1814–1882) im Vormärz, in der Revolution von 1848 und im französischen Exil, in: D. (Hg.), Deutsch-jüdische Symbiose, oder Die mißglückte Emanzipation, Darmstadt 1996, S. 121–146. Kalisch wurde 1851 im Zweibrücker Hochverratsprozess in Abwesenheit zum Tode verurteilt: S, An der Seite der Unterdrückten, S. 138f.; zur französischen Asylpolitik R, Politisches Asyl; S, 1848/49 in Deutschland und Europa, S. 147–170.
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Hungers zu sterben«176 . Dieser Schritt lag nahe, weil er bereits journalistische Berufserfahrung hatte; das Germanistikstudium legt zudem eine entsprechende Neigung nahe. Vermutlich hat auch er seiner »Ueberzeugung Alles geopfert« und schrieb deshalb nur für die Blätter, deren politische Tendenz er unterstützte – dass er für »linksgerichtete« Zeitungen schrieb177 , halten mehrere biografische Einträge fest; um welche Zeitungen es sich dabei handelte, ließ sich nicht feststellen. Es waren jedoch zunächst weder die AZ noch die KöZ, was ihn von den meisten anderen hier vorgestellten Korrespondenten unterscheidet178 . Nähere Informationen darüber, wie der Kontakt zwischen Zeitungskorrespondent und Redaktion oder Verlag hergestellt wurde, liegen im Falle Kalischs ebenso wenig vor wie bei den anderen Pariser Exil-Korrespondenten – es ist aber anzunehmen, dass der reguläre Weg wie bei den Londoner Korrespondenten die Initiativbewerbung war. Obwohl der ungarische Nationalist und Revolutionär Friedrich Szarvady, der Anfang der 1850er Jahre nach London, dann nach Brüssel ging und schließlich heimlich nach Paris zurückkehrte, schon in dieser Zeit für die KöZ korrespondierte, ist sein Briefwechsel mit deren Chefredakteur erst seit 1861 überliefert und verrät nichts über die Anbahnung der Berufsbeziehung179 . Gerade in diesem Fall wäre die Aushandlung der Bedingungen seiner Mitarbeit interessant gewesen, denn die Redaktion stimmte oftmals nicht mit den Ansichten ihres Korrespondenten überein180 . Wegen seiner intimen Beziehungen zu Cavour und dem Risorgimento, denen sich so mancher Exklusivabdruck verdankte, war er der Redaktion zwar ein wertvoller Mitarbeiter, wurde aber stets mit »aller Vorsicht« behandelt181 . Ob sich diese Vorsicht auf den Wahrheitsgehalt seiner Meldungen, seine Parteilichkeit oder auf einen anderen Aspekt der Zusammenarbeit bezog, wird nicht ganz klar; Szarvady spielte jedenfalls eine bedeutende Rolle in der Paris-Berichterstattung der KöZ. Die Redaktion druckte in manchen Jahren rund tausend Beiträge von ihm182 . Der Grund für die schlechte Quellenlage hinsichtlich aller Pariser ExilKorrespondenten gerade für die ersten Jahre ihres Exils ist wahrscheinlich in 176 177
178 179 180 181 182
K, Paris und London, Bd. 1, S. 170. Dieses Szenario entwarf er für die von ihm beschriebenen Pariser Korrespondenten, wobei er betonte, dass gerade diese Zeitungen aufgrund der wieder verschärften Repressionen einen schweren Stand hatten, was dazu führte, dass sie nur geringe Honorare an ihre Mitarbeiter zahlen konnten: ibid., S. 171. Zu Kalischs Biografie Josef H, Art. »Ludwig Kalisch«, in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 59f., http://www. deutsche-biographie.de/ppn116031921.html (Zugriff am 16.6.2017). Buchheim erwähnt Kalisch als Mitarbeiter der KöZ ab Mitte der 1860er Jahre: B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1858–1867), S. 254. HHI, NL Kruse, Briefe Szarvady; B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 134–144. Ibid., S. 143f.; D., Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1858–1867), S. 74, 253. Kruse an Schultze, Köln, 14.6.1863, HHI, NL Kruse, Briefe Schultze; B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1858–1867), S. 253. Ibid.
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der polizeilichen Überwachung und dem drohenden Ausweisungsbescheid zu suchen, die auch Kalisch im oben angeführten Zitat beschreibt. Dass die Police générale Informationen über deutsche Zeitungskorrespondenten in Paris sammelte und dabei auch mit den deutschen Behörden zusammenarbeitete183 , war offenkundig schon den Zeitgenossen bekannt. Um ihren Aufenthalt in Paris und damit die gegenwärtige Existenz nicht zu gefährden, mussten vermutlich gerade die deutschen Journalisten mit revolutionärem Hintergrund darauf achten, keine verfänglichen Dokumente aufzubewahren. Dies würde erklären, warum vom langjährigen Pariser Hauptkorrespondenten der KöZ Szarvady, der schon seit den frühen 1850er Jahren für das Blatt arbeitete, der Briefwechsel erst ab 1861 überliefert ist184 . So wie Cotta zum Schutz seiner Mitarbeiter vor der deutschen Zensur darauf verzichtete, ein schriftliches Verzeichnis seiner Korrespondenten anzulegen, und von seinen Redakteuren immer wieder verlangte, die Korrespondenz zwischen Verleger und Redaktion regelmäßig zu verbrennen185 , so könnte es auch Vereinbarungen mit den Pariser Auslandskorrespondenten gegeben haben, dass die schriftliche Kommunikation, die deren Identität offenbaren könnte, nicht aufbewahrt wurde. Auch ist denkbar, dass die Zusammenarbeit mit solchen Korrespondenten, die aufgrund ihrer Vergangenheit oder aufgrund noch bestehender Verbindungen und Tätigkeiten stärker von einer Ausweisung oder polizeilicher Verfolgung bedroht waren, erst gar nicht schriftlich, sondern ausschließlich mündlich verhandelt wurde – was dementsprechend nicht belegbar ist. Aus diesem Grund ist es schwer möglich, genauere Angaben über Arbeitspraxis und Selbstverständnis dieser Korrespondenten zu machen. Dass die Quellenlage bezüglich der Londoner Korrespondenten dagegen wesentlich ergiebiger ist, erklärt sich leicht aus der sehr liberalen Asylpolitik der Briten, die nicht einmal Listen über die deutschen Immigranten führten186 . Wie wichtig die Revolutionsexilanten für die Berichterstattung deutscher Zeitungen aus Paris waren, zeigt ein Blick auf die Hauptkorrespondenten der KöZ. Neben Friedrich Szarvady waren dies in den 1850er Jahren die politischen Flüchtlinge Cramer, Loewenfels und Ignaz E. Horn, außerdem J. Karpelet, der bereits vor der Revolution aus unbekannten Gründen nach Paris gekommen und als Gegner des Bonapartismus bekannt war187 . Auch die langjährigen, aber eher sporadischen Mitarbeiter Leopold Haefner und Moses Hess hatte 183
184 185 186 187
Siehe Kap. II.1.3 sowie S, 1848/49 in Deutschland und Europa, S. 161–163. Seit 1852 wurde ein Register der in- und ausländischen Journalisten in Paris angelegt, AN, F/18/281. B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 141f., sowie HHI, NL Kruse, Briefe Szarvady. Cotta an Orges, Stuttgart, 13.7.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Glücklicherweise befolgten weder Kolb noch Orges noch Cotta selbst diese Anweisung besonders strikt. Siehe Kap. II.1.2. B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 129–134; D., Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1858–1867), S. 112.
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es aufgrund ihres politischen Engagements an die Seine verschlagen, beide schrieben auch für andere Zeitungen188 . Nur kurze Zeit wurde das Blatt aus Paris von den Revolutionsexilanten Ernst Dronke und Sigmund Engländer, die sich schließlich in England niederließen, mit Meldungen versehen. Auch der langjährige Korrespondent Albert Beckmann hatte in Hannover an der Revolution teilgenommen189 , jedoch schon Anfang der 1850er Jahre das Lager gewechselt und war als Polizeiagent bekannt; auch er ging 1853 nach London, war aber spätestens seit 1860 wieder in Paris190 . Keinerlei revolutionären Hintergrund hatten lediglich der preußische Konsul Felix Bamberg, der Ende der 1850er Jahre gelegentlich, in den 1860er Jahren dann regelmäßig Beiträge nach Köln sandte, sowie der frühere Buchhändler und spätere Chefredakteur des BT, Arthur Levysohn, der seit 1865 Pariser Hauptkorrespondent der KöZ war – stattdessen waren beide eng mit der preußischen Botschaft verbunden191 . Nicht allein die KöZ stützte sich maßgeblich auf die Achtundvierziger: Für die NZ, über deren Korrespondenten allerdings deutlich weniger bekannt ist als über die des Kölner Blattes, schrieben 1849/50 Sigmund Engländer und Friedrich Saß, die beide aufgrund ihrer revolutionären Vergangenheit Frankreich verlassen mussten und nach London emigrierten192 . Die im April 1848 gegründete NZ hatte gerade in ihren ersten Jahren kein Korrespondentennetz, das mit dem der fest etablierten KöZ vergleichbar wäre. Ihre wichtigsten Nachrichtenquellen waren andere Zeitungen wie die KöZ oder die AZ, daneben bezog sie Depeschen von Bernhard Wolffs Telegraphen Correspondenz Bureau193 . Es ist denkbar, dass die NZ nur niedrige Honorare zu zahlen im Stande war, für die zu arbeiten wiederum nur Menschen in einer eher prekären wirtschaftlichen und sozialen Lage bereit waren – was bei den Flüchtlingen häufiger der Fall gewesen sein dürfte als bei freiwillig Emigrierten. Auch die ebenfalls noch junge FZ (gegründet 1856) beschäftigte mit Ludwig Simon und Ludwig Pfau Ende der 1860er Jahre in Paris zwei demokratische Revolutionsflüchtlinge. Alle drei Zeitungen stützten also ihre Berichterstattung aus Paris in erster Linie auf Korrespondenten mit demokratischen Ansichten – was indes auch der Tendenz der Blätter entsprach. 188 189
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Zu Hess siehe Volker W, Moses Heß (1812–1875). Leben, Werk und Erbe eines rheinischen Revolutionärs, Bonn 2013. Wenigstens stellt es Wagner so in seiner Autobiografie dar: Richard W, Mein Leben. Erste authentische Veröffentlichung, hg. v. Martin G-D, München 1963, S. 722. Martin D (ed.), Richard Wagner: Sämtliche Briefe, Bd. 12: Briefe des Jahres 1860, Wiesbaden [u. a.] 2001, S. 254; W, Mein Leben, S. 722, ferner P, Bismarcks »Einflussnahme«, S. 76f. Siehe Kap. II.1.5. B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 146; Dossier personnel: Englander, AN, F/18/274, sowie Friedrich S, Die Deutschen in Paris, in: Der Leuchtthurm (1850), S. 242–250. F, Die Geschichte der Berliner »National-Zeitung«, S. 15–19.
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Ein etwas anderes Bild zeigt sich bei der AZ, die zwar ebenfalls Revolutionsexilanten in Paris beschäftigte (unter ihnen der langjährige Hauptkorrespondent, Leopold Haefner, sowie – vorübergehend und in deutlich geringerem Umfang – Loewenfels, Szarvady und Moses Hess, die alle drei auch für die KöZ schrieben), diese stellten aber unter den Paris-Korrespondenten des Augsburger Blattes eine Minderheit dar. Neben ihnen griff die Zeitung auf die Dienste gleich mehrerer französisch-offiziöser bzw. -offizieller Korrespondenten zurück, wie Debrauz, Reinhardt, Kinkelin oder Wolffers194 . Der Österreicher Louis Debrauz (1811–1871) verbrachte schon sein Jurastudium zum Teil im Ausland, arbeitete nach der Promotion einige Zeit im spanischen Staatsdienst und bereiste Italien, bevor er sich 1838 endgültig in Paris niederließ195 . Ursprünglich hatte er die diplomatische Laufbahn angestrebt, arbeitete jedoch zunächst als Redakteur bei Girardins »La Presse«. Zugleich pflegte er intensive Kontakte zur österreichischen Botschaft in Paris, so dass er in Verdacht geriet, in österreichischem Sold zu stehen. Tatsächlich scheint Debrauz den Journalismus in erster Linie als ein politisches Instrument gesehen zu haben, das er 1848 angesichts des italienischen Unabhängigkeitskriegs im Sinne der österreichischen Regierung einsetzte, wofür ihm der Titel eines österreichischen kaiserlichen Rats verliehen wurde196 . Auch mit der französischen Regierung hielt Debrauz enge Fühlung, er war sowohl mit Louis Napoléon als auch mit Drouyn de Lhuys persönlich bekannt, wodurch ihm exklusive Informationen zugänglich waren. Die Mitarbeit an der AZ vermittelte ihm im Sommer 1841 Friedrich Wilhelm Giehne, für dessen »Oberdeutsche Zeitung« er von Paris aus korrespondierte197 . Giehne empfahl Debrauz schon damals als »wohlunterrichtet, mit den höchsten Kreisen befreundet, und auch mit dem, was ›hinter den Kulissen‹ vorgeht, vertraut«; er werde Cotta »mancherlei Neues und Pikantes über Pariser Zustände und Personen erzählen können«198 . Da Redaktion und Verleger immer auf der Suche nach Korrespondenten waren, die Zugang zu den »höchsten Kreisen« hatten, weil nur dort frühzeitig wichtige, exklusive politische Neuigkeiten beschafft werden konnten, akzeptierte der Verlag das Angebot und Debrauz wurde zu einem regelmäßigen Korrespondenten des Augsburger Blattes. Seit Mitte der 1850er 194 195
196
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Kolb an Cotta, Augsburg, 14.2.1855, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Eigentlich hieß er Alojz Dobravec, verwendete den Namen seit 1838 aber ausschließlich in der französischen Form. 1858 wurde er zum Ritter di Saldapenna erhoben, nannte sich selbst aber Chevalier de Saldapenna: [. V.], Art. »Debrauz, Alois«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 3 (1858), S. 188, sowie ibid., Bd. 24 (1872), S. 386. Er wurde auch als Mitarbeiter der offiziösen »Österreichischen Zeitung« erwähnt: Orges an Cotta, Augsburg, 18.11.[~1857/58], DLA, Cotta: Briefe – Orges, ähnlich auch Barbara R-G, Deutscher Journalismus im Vormärz. Die Pariser Berichterstattung der AZ von 1840 bis 1843 und Heinrich Heines »Lutezia«, Düsseldorf 1991, S. 38–40. Das unterstreicht wiederum Debrauz’ österreichfreundliche Haltung, denn Giehne ging nach dem Scheitern des Blattes nach Wien, wo er vom Ministerium des Äußern subventioniert wurde. Siehe Kap. III.1.3. Friedrich Wilhelm Giehne an Cotta, Karlsruhe, 10.8.1841, DLA, Cotta: Briefe – Giehne.
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Jahre zeigte sich Redakteur Hermann Orges aber immer unzufriedener mit ihm: Zum einen verdächtigte er ihn, keine Originalberichte zu liefern, sondern lediglich Artikel anderer Zeitungen leicht verändert abzuschreiben199 , zum anderen warf er ihm vor, er sei von der französischen Regierung bestochen und viele seiner Artikel seien daher »von Anfang bis Ende erbärmliche Lügen«200 . Jede positive Nachricht über die französische Regierung könne als gelogen oder verzerrt angesehen werden201 . Für Orges war Debrauz schließlich nur noch insoweit von Wert, als es interessant sei »zu wissen, was man in Paris glauben machen will«202 . Obwohl er mehrmals den endgültigen Bruch mit Debrauz empfahl, wurden weiterhin ein bis zwei Briefe wöchentlich aufgenommen, weil Cotta sich sorgte, dass die Frankreichberichterstattung »zu feindselig« sei203 . Außerdem entsprach Debrauz’ austrophile Haltung der des Blattes. Erst 1862 wurde die Zahl der gedruckten Beiträge Debrauz’ zunächst drastisch reduziert, bevor dessen Mitarbeit in der Jahresmitte ganz aufhörte204 . Ab 1863 gab Debrauz das »Mémorial diplomatique« heraus, in dem er hauptsächlich »offiziöse Mitteilungen aller Regierungen« abdruckte205 . Es ist durchaus denkbar, dass Debrauz selbst aufgrund dieses neuen Projekts die Zusammenarbeit mit Cottas Zeitung beendete. Debrauz deckte in erster Linie die politische bzw. außenpolitische Frankreichberichterstattung ab, denn seine Tätigkeit als Journalist bzw. Korrespondent war auf das Engste mit seinen politischen Überzeugungen und Zielen verbunden. Nicht die neutrale Berichterstattung war sein Ziel, sondern die Einwirkung auf die Politik mit Hilfe der Presse bzw. der öffentlichen Meinung. Für die AZ bedeutete dies, dass seine wertvollen Insiderinformationen nur um den Preis ausgeprägter Parteilichkeit zu haben waren und dass Debrauz auch vor Falschmeldungen nicht zurückschreckte, wenn sie ihm politisch opportun erschienen. Dass Debrauz trotz dieser Zweifel an seiner Aufrichtigkeit, die den journalistischen Grundsätzen der Zeitung entgegenstanden206 , von Cotta weiterhin als unentbehrlich angesehen wurde, lag in der Überzeugung der Leiter des Blattes begründet, dass »in die äußere Politik nur sehr wenige Leute Einsicht haben und es möchte unmöglich sein, unter diesen Corresponden199 200
201 202 203 204 205 206
Orges an Cotta, Augsburg, 31.5.1857, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Orges an Cotta, Augsburg, [März 1859], DLA, Cotta: Briefe – Orges. Friedjung behauptete, Debrauz habe im Solde »aller Botschaften und Regierungen« gestanden, was darauf hindeutet, dass auch er gewissermaßen ein Offiziosus von Profession war. A, F (ed.), Heinrich Friedjung, S. 450. Orges an Cotta, Augsburg, 4.6.1862, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Orges an Cotta, Augsburg, 18.11.[~1857/58], DLA, Cotta: Briefe – Orges. Kolb an Cotta, Augsburg, 14.2.1855, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Zuletzt taucht er in der Abrechnung zum zweiten Quartal auf: DLA, Cotta: Honorarbuch der Allgemeinen Zeitung, 1856–1863. A, F (ed.), Heinrich Friedjung, S. 450. Neben Unparteilichkeit standen Vollständigkeit und Wahrheit bzw. Faktentreue im Zentrum des journalistischen Programms der AZ, so etwa B, Journalismus zwischen Pressefreiheit und Zensur, S. 45–48.
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ten zu finden«207 . Fand man doch einen solchen Korrespondenten, konnte dieser die Bedingungen der Zusammenarbeit insoweit bestimmen, als er die Weitergabe guter, richtiger und exklusiver Informationen an die Bedingung knüpfte, dass die AZ ihm gelegentlich auch als Plattform für Versuchsballons oder gezielte Falschmeldungen diente208 . Wahrscheinlich nicht zuletzt um im Sinne der Unparteilichkeit der Zeitung – die Cotta nicht durch strikte Objektivität in jedem einzelnen Artikel erreichen wollte, sondern indem er das Blatt als »Sprechsaal« konzipierte, in dem Stimmen jeder Richtung zu Wort kamen – einen gewissen Ausgleich zu schaffen, wurde der Revolutionsexilant und Napoleon-Gegner Haefner als regelmäßiger politischer Korrespondent aus Paris herangezogen209 . Mit Heinrich Schöler, der seit 1848 auch die »Kreuzzeitung« mit Pariser Korrespondenzen versorgte, hatte die AZ für wenige Jahre sogar einen pro-preußischen Mitarbeiter, was ebenfalls dem Sprechsaal-Konzept geschuldet gewesen sein dürfte. Aus demselben Grund fand es Orges auch umso »nothwendiger [. . . ] über die inneren Zustände, die moralischen, die litterarischen, die materiellen, eingehende, sachliche Berichte aus Quellen von unzweifelhafter Autorität zu erhalten«210 . Für Korrespondenzen aus Kultur und »Volksleben« in Paris waren die beiden Orientalisten Julius von Mohl und Ferdinand von Eckstein sowie der Schriftsteller Heinrich (Henri) Seuffert zuständig211 . Während Orges Eckstein zu weitschweifig, langatmig und »doctrinair« fand, war seine einzige Kritik an Mohl, dass er zu selten schrieb, und so war er jahrelang der bestbezahlte Pariser Korrespondent der AZ212 . Was der Verlag an Mohl und Eckstein sehr schätzte, waren ihre gesellschaftlichen Verbindungen, aus denen sie Informationen über kulturelle Themen schöpfen konnten213 .
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Orges an Cotta, Augsburg, 18.11.[~1857/58], DLA, Cotta: Briefe – Orges. Zum Prinzip »Information gegen Wohlverhalten« siehe R, Journalismus als Beruf, S. 279, 329. Zum Sprechsaal-Konzept siehe ibid., S. 281. Redakteur Orges stand dem Konzept auch deshalb kritisch gegenüber, weil eben nicht alle Richtungen gehört wurden, sondern manche kein Forum in der AZ erhielten: Orges an Cotta, Augsburg, 5.8.1858, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Orges an Cotta, Augsburg, 18.11.[~1857/58] DLA, Cotta: Briefe – Orges. Diese drei wurden von der Redaktion unter den Pariser Korrespondenten am höchsten geschätzt: Kolb an Cotta, Augsburg, 28.9.1850, DLA, Cotta: Briefe – Kolb. Orges an Cotta, Augsburg, 18.11.[~1857/58], DLA, Cotta: Briefe – Orges; Werner B, Geschichte des Antisemitismus, München 2002; R-G, Deutscher Journalismus, S. 24–28. W, Étrangers et immigrants, S. 209; R-G, Deutscher Journalismus, S. 24–28. Zu Mohl auch W, Les journalistes allemands, S. 477–489.
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1.4 Journalistische Arbeits- und Recherchepraxis Die Berichterstattung aus Paris blieb während der 1850er und Anfang der 1860er Jahre ein Dauerthema zwischen Redaktion und Verleger der AZ, immer wieder wurden die schlechten Korrespondenzen beklagt. Allerdings räumte der Redakteur Orges ein, dass es für Journalisten schwieriger geworden sei, zu beobachten und zu berichten214 . Damit thematisierte er einen Aspekt, der in seinen Debatten mit Cotta sonst kaum eine Rolle spielte: die Frage nach der Arbeits- und Recherchepraxis der Korrespondenten. Die zentralen Themen bei der Auswahl eines Korrespondenten waren dessen politische Haltung, sein Schreibstil, seine Wahrheitstreue und Zuverlässigkeit oder auch die Güte der Informationen, die es ihm zu beschaffen gelang. Auf welche Weise ein Korrespondent aber in den Besitz jener Informationen kam, die dann in seine Artikel einflossen, wurde nur selten angeschnitten. Auch die Korrespondenten selbst beschrieben ihren Arbeitsalltag und ihre Recherchestrategien nur äußerst selten, weshalb sie aus besonders kleinteiligen Mosaiksteinchen rekonstruiert werden müssen. Als wichtiges Indiz für die Möglichkeiten zur Informationsbeschaffung galt der Redaktion der AZ die Vernetzung des Korrespondenten. Debrauz’ gesellschaftliche Verbindungen mit Vertretern der französischen Regierung und in Diplomatenkreisen ermöglichten es ihm, der AZ Meldungen über Kammersitzungen sowie aus Diplomaten- oder Hofkreisen zu übermitteln; Mohl war als renommierter Wissenschaftler fest in den Kreisen der Gebildeten etabliert und unterhielt einen Salon, mit dessen Besuchern er Neuigkeiten aus Wissenschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik austauschte215 . Szarvady war aufgrund seiner Verbindungen zur italienischen Diplomatie einer der wertvollsten Mitarbeiter der KöZ, den die Zeitgenossen als das seltene Beispiel eines Korrespondenten anführten, dem es gelang, sich durch diese Tätigkeit eine gesicherte Existenz zu verschaffen216 . Eine der wenigen Informationen, die das Bureau de la presse in Ecksteins dossier personnel vermerkte, war diejenige, dass der Korrespondent der AZ in vielen Pariser Salons verkehrte – auch die Mitarbeiter dieser Institution scheinen davon ausgegangen zu sein, dass der Wert der Berichte eines Journalisten in dessen persönlichen Kontakten gründete217 . Auch Radewahn betont die Bedeutung der informellen, persönlichen 214
215 216
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Orges an Cotta, Augsburg, 23.9.1862, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Orges gab keine Gründe für seine Aussage an, vermutlich ist diese aber vor dem Hintergrund der Etablierung des Second Empire und des damit zusammenhängenden veränderten Umgangs mit der Presse zu verstehen, siehe Kap. II.1.3. R-G, Deutscher Journalismus, S. 25; W, Étrangers et immigrants, S. 209. F. C. P, Die Deutschen in Paris II., in: Das Ausland 42 (1869), S. 858–862, hier S. 861; B, Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1858–1867), S. 74, 112; D., Die Geschichte der Kölnischen Zeitung (1850–1858), S. 288. Dossier personnel: Eckstein, AN, F/18/274.
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Ebene für die Recherchetätigkeit der Pariser Journalisten218 . Offen bleiben muss, ob diese Kontakte gezielt zur Aufwertung der journalistischen Praxis angeknüpft wurden oder ob vielmehr bestehende Kontakte und der mit diesen einhergehende Informationsfluss erst den Anlass gaben, sich als Korrespondent zu betätigen; ob die Korrespondenten ihr soziales Beziehungsnetz als Arbeitsinstrument betrachteten, das ihrer journalistischen Tätigkeit diente, oder ob sie vielmehr die journalistische Tätigkeit als Instrument zur Verbreitung von Informationen betrachteten, die ihre innen-, außen- oder wissenschaftspolitischen Zielsetzungen befördern sollten; und schließlich, ob es den Gesprächspartnern bewusst war, dass ihre Aussagen als Grundlage für Zeitungsartikel genutzt wurden. Auch in Wien war das persönliche Netzwerk des Journalisten ein zentraler Aspekt der Informationsbeschaffung, allerdings griffen hier die staatlichen Pressestellen offensiver ein, indem sie den Zugang der loyalen, aus ihrer Sicht vertrauenswürdigen Journalisten zu den Amtsträgern erleichterten, um ihnen auf diese Weise einen Informationsvorsprung gegenüber kritischen Korrespondenten zu verschaffen und sie für die auswärtigen Zeitungen aufzuwerten. Auf das in Wien besonders ausgeprägte offiziöse Korrespondentenwesen und die daraus erwachsende Konsequenz, dass für diese Zeitungsberichterstatter gar nicht die Recherche die zentrale Aufgabe war, sondern die Formulierung von Berichten aus von amtlicher Seite vorgelegten Informationen und deren möglichst unverdächtige Unterbringung in den Zeitungen, wurde oben bereits ausführlich eingegangen219 . Das System der offiziösen Korrespondenten wurde nicht nur durch finanzielle Zuwendungen gestärkt, sondern vor allem durch die Informationspolitik der Ministerien: Brisante Informationen und aufsehenerregende Neuigkeiten wurden exklusiv den offiziösen Korrespondenten zur Verfügung gestellt. Die anderen Journalisten, deren Nichtwissen Zedlitz Cotta gegenüber ausdrücklich unterstrich, hatten das Nachsehen; so musste etwa der Redakteur Wilhelm von Chézy einräumen, dass die Berichterstattung aus Wien an die AZ kein leichtes Unterfangen sei, weil wichtige Neuigkeiten sofort telegrafisch gemeldet würden, »Neuigkeiten von Belang«, die für seine Korrespondenzberichte in Frage kämen, wären dagegen nur dann »zu bekommen, wenn die Herren nicht gar so geheimnißvoll thäten«220 . Damit gab Chézy resigniert zu, dass er nicht in der Lage war, der Zeitung das zu liefern, was sie von ihm erwartete, nämlich aktuelle, exklusive politische Nachrichten aus erster Hand. Dadurch dürfte seine Korrespondenz auf politischem Gebiet kaum mehr Wert für die Redaktion besessen haben als das Abonnement einer Wiener Tageszeitung; dementsprechend wurden seine Artikel oft nicht abgedruckt. Den Bruch mit der Zeitung und den Verlust dieses offenbar geschätzten Neben218 219 220
R, Die Pariser Presse, S. 46, ähnlich auch Requate für den deutschen Journalismus: R, Journalismus als Beruf, S. 330. Siehe Kap. III.1.2. Chézy an Cotta, Wien, 6.6.1851, DLA, Cotta: Briefe – Chézy.
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verdienstes versuchte Chézy durch den Hinweis zu vermeiden, dass er in der Person eines langjährigen Freundes über eine sehr gute und zuverlässige Quelle für Informationen über den Ausbau des österreichischen Eisenbahnnetzes verfügte – weitgehend erfolglos, denn er konnte nur in geringem Umfang Artikel in der AZ unterbringen221 . Der österreichischen Regierung gelang es also durchaus, mittels ihrer Informations- und Kommunikationspolitik gegenüber Journalisten den Informationsfluss aus Wien und damit eben teilweise auch die Berichterstattung deutscher Zeitungen zu steuern. In London wiederum, wo keine vergleichbare aktive Pressepolitik betrieben wurde, scheint der direkte Zugang zu hochrangigen Politikern und Amtsträgern bei der Informationsbeschaffung der deutschen Korrespondenten einen geringeren Stellenwert eingenommen zu haben; hier dürfte die große soziale Kluft zwischen britischen Politikern und deutschen Auslandskorrespondenten, die ja zumeist als Flüchtlinge nach London gelangt waren, dem direkten Kontakt unüberbrückbar im Wege gestanden haben. Die vorliegenden Belege für die Relevanz der persönlichen Beziehungen zu politischen Akteuren für die journalistische Arbeit der Londoner Korrespondenten datieren alle auf die Zeit nach 1871, was jedoch nicht heißen muss, dass es sie nicht auch vorher schon gab. Ohly deutete die Bedeutung der persönlichen Vernetzung des Korrespondenten für die Beschaffung von Informationen durch die Äußerung an, er könne »einen ständigen wohlinformirten englischen Art[ikel] liefern,« wenn er die finanziellen Mittel besäße, um die AZ »in sozialer Beziehung nach Verdienst zu repräsentiren«, unter dieser Voraussetzung würden ihm »die besten Informationen [. . . ] reichlich zufließen«222 . Ohlys Bemühungen zielten jedoch nicht auf Verbindungen mit hochrangigen britischen Politikern ab, sondern auf solche mit britischen Journalisten etwa der »Times«. Offenbar vermochte der gemeinsame Beruf in den 1850er Jahren auch die Statusunterschiede zwischen deutschen Exil-Korrespondenten und wohlsituierten Mitarbeitern der angesehenen Londoner Zeitungen nur selten zu überwinden223 . Von den hier näher untersuchten Londoner Korrespondenten führte lediglich Karl Blind seine persönlichen Kontakte an. Retrospektiv erklärte er im Februar 1887 gegenüber der Redaktion der AZ, dass er »seit 33 Jahren in meiner Eigenschaft als Freund von Parlamentsmitgliedern das Parlament besucht habe«224 . Dabei ging es ihm nicht vornehmlich darum, die Qualität seiner Berichte durch den Hinweis auf gute Quellen zu untermauern, sondern lediglich um einen Beleg für die Zugänglichkeit der Parlamentssitzungen. Zwar führte auch er in den 1870er
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224
Chézy an Cotta, Wien, 5.3.1857, DLA, Cotta: Briefe – Chézy; zum Umfang seiner Korrespondenz siehe DLA, Cotta: Honorarbuch der AZ, 1852–1855. Ohly an Cotta, London, 7.6.[1852], DLA, Cotta: Briefe – Ohly. Während Requate diese auch von den Zeitgenossen immer wieder beklagten Statusunterschiede eher relativiert, sieht Geppert sie noch Ende des Jahrhunderts als tatsächlich wirkmächtig an: R, Journalismus als Beruf, S. 239f.; G, Pressekriege, S. 57. Blind an Redaktion der AZ, London, 11.2.1887, DLA, Cotta: Briefe – Blind.
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und 1880er Jahren seine Verbindungen als Argument für die Qualität seiner Berichterstattung an, jedoch setzte er den Akzent auf die Tatsache, dass er diese Verbindungen mit renommierten Vertretern »verschiedener Parteirichtung« pflegte225 . Diese argumentative Verschiebung weist auf eine Verschiebung des journalistischen Konzepts hin, die weiter unten im Kapitel über die Phase seit 1870/71 dargestellt wird. Weder Karl Blind noch seine Londoner Kollegen strichen in den 1850er und 1860er Jahren ihrer Redaktion gegenüber heraus, dass sie Kontakt zu verschiedenen Parteien gehabt hätten. Das gilt auch für die deutschen Korrespondenten an den anderen hier untersuchten Berichtsorten. Im Gegenteil, die Pflege von Kontakten zu den Vertretern der verschiedenen politischen Strömungen scheint eher negativ konnotiert gewesen zu sein, wie etwa Kalisch in der oben zitierten Äußerung andeutet. Die »Elastizität« des politischen Gewissens sei demnach eine Vorbedingung der wirtschaftlichen Konsolidierung des Auslandskorrespondenten, womit Kalisch diese »Elastizität« in die Nähe der Käuflichkeit rückt und gegen die Gesinnungstreue der oft Mangel leidenden linken Journalisten ausspielt226 . Der London-Korrespondent der AZ, Elard Biscamp – der allerdings auch über seine »Londoner Vereinsamung« klagte und offenbar außerhalb der deutschen Exilantenkreise kein dichtes Kontaktnetz geknüpft hatte –, versuchte erst gar nicht, seine Beziehungen als Qualitätskriterium seiner journalistischen Arbeit hervorzukehren227 . Stattdessen argumentierte er mit seiner journalistischen Berufserfahrung, um sich bezüglich der Berichterstattung über die Londoner Weltausstellung 1862 gegenüber einem »Sachverständigen« durchzusetzen, der dem Cotta-Verlag seine Dienste angeboten hatte: Zwar bin ich kein Sachverständiger, aber ich traue mir nichts desto weniger zu, lesbare u. eingehende Berichte zu liefern, ich glaube sogar, daß ein Journalist, der gewohnt ist zu beobachten u. mit der journalistischen Form vertrauter ist, als ein Sachverständiger, der beste Berichterstatter für eine ›Allgemeine‹ Zeitung ist228 .
Nicht das Spezialwissen eines Fachmannes, sondern Beobachtungsgabe und ein journalistischer Schreibstil machten für Biscamp den guten Korrespondenten aus – und die Redaktion sah es offenbar ähnlich, denn dem »Mann
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Blind an Hermann Kletke (Chefredakteur der VZ), London, 19.1.1877, Bayerische Staatsbibliothek, Briefe an Hermann Kletke, E. Petzetiana V Blind (Hervorh. S. H.). Ebenso argumentierte er gegenüber der Redaktion der AZ: Blind an Cotta-Verlag, London, 31.3.1877, DLA, Cotta: Briefe – Blind. K, Paris und London, Bd. 1, S. 170. Biscamp an Cotta-Verlag, London, 4.10.1861 sowie 1.12.1865, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 23.1.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp, dazu auch Redaktion der AZ an Biscamp, Augsburg, 18.1.1862, DLA, Cotta: GelehrtenCopierbuch V. Darin steckt auch das Konzept des Journalisten als Allrounder, der dank seines breiten Wissens über alles berichten kann und nicht dank besonders tiefen Spezialwissens Experte für ein bestimmtes Thema ist.
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vom Fach« wurde abgesagt229 . Soweit es sich aus den wenigen Belegen ersehen lässt, scheint sich der Wert der eigenen Beobachtung tendenziell im Laufe der 1860er Jahre noch gesteigert zu haben, denn einige Jahre später erklärte Biscamp, er schreibe nur noch »in solchen Fällen, in denen die Zeitungen u. die lithografische Correspondenzfabrication nicht ausreichen würden, sondern persönliche Anschauung u. Erfahrung nöthig ist, um den Stoff der Tagespolitik zu sichten u. verständlich zu machen«230 . Biscamp zeichnet damit das Bild einer zwischen Zentrale und Außendienst aufgeteilten Auslandsberichterstattung: Reine Fakten und Nachrichten bezog die Redaktion selbst aus Zeitungen und Korrespondenzen bzw. Agenturmeldungen, so dass der eigene Auslandskorrespondent weniger für die Basis der Berichterstattung zuständig war, sondern gewissermaßen für die Kür, und dementsprechend statt der reinen Nachrichtenbeschaffung die Augenzeugenschaft und die interkulturelle Vermittlung in den Fokus seiner Tätigkeit stellte. Auch der Korrespondent der AZ Wilhelm Liebknecht unterstrich den Wert der Augenzeugenschaft des Journalisten indem er versicherte, er kenne »die Menschen und Dinge«231 und habe Gelegenheit, »die politischen Zustände nicht bloß aus der Tages- und sonstigen Litteratur kennen zu lernen«232 . Das deckte sich in etwa mit den Vorstellungen seines Chefs, denn Cotta wünschte sich auch von seinen Pariser Korrespondenten »[f]actische und thatsächliche Nachrichten über das Leben und den Geist der Franzosen, nicht der französ. Journale«; nicht die Pariser Presse sollte als Grundlage der Berichterstattung dienen, sondern die Straße und die Salons233 . Inwieweit dieses Konzept in den Zeitungen tatsächlich umgesetzt wurde, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht überprüft werden; es wäre aber lohnend, dies gerade bei den Zeitungen zu tun, die nachweisbar eigene Korrespondenten hatten, und mit jenen Blättern ohne Korrespondentennetz zu kontrastieren234 . Denn obwohl der Beobachtung in solchen konzeptionellen Äußerungen von Pressevertretern hohe Bedeutung beigemessen wurde, waren Zeitungen, Zeitschriften und andere Publikationen weiterhin wichtige Informationsquellen für die Auslandskorrespondenten, und zwar offenbar unabhängig von ihrem Berichtsort. Theodor Fontane etwa räumte den lokalen Zeitungen bei der Informationsbeschaffung eine derart zentrale 229
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Redaktion der AZ an Biscamp, Augsburg, 28.1.1862, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch V. Zwar fällt der Begriff nicht, aber Biscamp scheint den Journalisten als Universalisten oder Allrounder zu konzipieren. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 27.12.1867, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Liebknecht an Redaktion der AZ, London, 28.3.[1860], DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht. Liebknecht an Redaktion der AZ, London, 31.5.1858, DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht. Cotta an Orges, undatiert, als Antwort auf einen Brief von Orges an Cotta vom 23.9.1862, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Hierfür würden sich besonders die AZ, die KöZ, aber auch die FZ, die »Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung« oder die NZ eignen. Eine vergleichende Untersuchung der Blätter, die sich wesentlich auf Korrespondenten stützten, mit denen, die in deutlich geringerem Umfang eigene Berichterstatter heranzogen (wie die beiden letztgenannten) über einen längeren Zeitraum hinweg wäre wünschenswert.
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Funktion ein, dass er erklärte, es sei völlig gleichgültig, ob der Berichterstatter die Nachrichten an deren Entstehungsort sammle oder in der Redaktion235 : »Man nimmt seine Weisheit aus der ›Times‹ oder dem ›Standard‹ etc., und es bedeutet dabei wenig, ob man den Reproduktionsprozeß in HampsteadHighgate oder in Steglitz-Friedenau vornimmt. Fünfzehn Kilometer oder hundertfünfzig Meilen machen gar keinen Unterschied«236 . Zwar räumte er ein, dass manchmal »persönlicher Augenschein besser ist als Wiedergabe dessen, was ein anderer gesehen hat«. Aber nur dann, wenn der Berichterstatter »sehr gute Augen hat und gut zu schreiben versteht. [. . . ] Das Schreibtalent gibt eben den Ausschlag, nicht der Augenschein, schon deshalb nicht, weil in schriftstellerischem Sinne von zehn Menschen immer nur einer sehen kann. Die meisten sehen an der Hauptsache vorbei«237 . Der Wert eigener Recherche trat in Fontanes skizzenhafter Konzeption journalistischer Praxis weit hinter die Bedeutung schriftstellerischer Begabung zurück238 . Auch wenn Fontanes Standpunkt in dieser Frage sicher nicht mehr für alle Zeitungen oder Journalisten galt – die Bemühungen der AZ, der KöZ oder auch der FZ um eigene Korrespondenten und der finanzielle Aufwand, den diese Blätter für ihr Korrespondentennetz aufzubringen bereit waren, sowie die Akzentsetzung auf eigene Beobachtung durch Blind oder Biscamp dokumentieren deren gegenteilige Haltung –, unterstreicht das Zitat noch einmal die Bedeutung, die publizierte Quellen für die Recherche und die Korrespondenzberichte nach wie vor hatten. Sowohl Biscamp als auch Liebknecht erwähnten in der Korrespondenz mit ihrer Redaktion ausdrücklich Zeitungen, Zeitschriften, Bücher und Bluebooks als regelmäßige Quellen ihrer Artikel239 . Ein eigenes Abonnement mehrerer Zeitungen kam aus finanziellen Gründen für die Korrespondenten nicht in Frage, allenfalls das eigene Hausblatt wurde gehalten240 . Für die regelmäßige Presseschau nutzten viele Korrespondenten die Bestände der Bibliothek des British Museum, wo es nicht nur britische und die wichtigsten kontinentalen Zeitungen gab, sondern auch Zeitschriften, Broschüren und Bluebooks241 . Theodor Fontane, der andere Zeitungen als 235 236 237 238
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B, »Mit Gott für König und Vaterland!«, S. 131; analog verfuhr George Hesekiel, der in der Redaktion der Kreuzzeitung für die Frankreich-Redaktion zuständig war. F, Von Zwanzig bis Dreißig, S. 262. Ibid. Das erklärt sich aus Fontanes Identifikation mit dem Beruf des Schriftstellers, nicht des Journalisten, der immer nur Brotberuf war, seine eigentliche Berufung sah er in der Literatur: K, Fontanes journalistischer Blick, S. 209. Allerdings pflegte auch die journalistische Ratgeberliteratur (siehe Kap. I.2) den Topos vom Talent als Voraussetzung für einen guten Journalisten. Liebknecht an Redaktion der AZ, London, 28.3.[1860], DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht; Biscamp an Redaktion der AZ, London, 27.12.1865, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. So erhielt etwa Elard Biscamp die AZ frei Haus, Biscamp an Cotta, London, 1.1.1861, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Cotta, London, 27.12.1867, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Außer ihm arbeiteten auch Fontane, Ohly und Schlesinger im British Museum. Charlotte J
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alleinige Quelle der Berichterstattung gelten ließ, wünschte sich vom Literarischen Bureau zur Ausstattung seines Korrespondenzbüros die Mittel für das Abonnement von »Advertiser«, »Times«, »Morning Chronicle«, »Morning Post«, »Herald«, »Daily News« und »Globe«, daneben könne er Reading-Rooms und Cafés für die nötige Zeitungslektüre benutzen; außerdem strebte er die Mitgliedschaft in einem Club an, wo ebenfalls Zeitungen auslägen242 . Tatsächlich verkehrten sowohl Fontane als auch Ohly, Schlesinger, Kaufmann und Lothar Bucher regelmäßig in öffentlichen Reading-Rooms243 , die für ein Eintrittsgeld von einem Penny nicht nur Bücher und britische Zeitungen, sondern auch eine Auswahl deutscher und französischer Blätter bereithielten244 . Trotz des geringen Eintrittspreises empfand Ohly die Nutzung von Reading-Rooms und Leihbibliotheken als ziemlich kostspielig, und Biscamp klagte, ihre Nutzung sei mit »Zeitverlust u. Ungemüthlichkeit« verbunden245 . Reading-Rooms gab es vor allem im Stadtzentrum, etwa am Leicester Square oder am Strand, wohin man von Biscamps wechselnden Wohnsitzen in Kentish Town oder Bermondsey zu Fuß mindestens eine Stunde unterwegs war; angesichts der ewig knappen Kassen dürften auch andere Londoner Korrespondenten in den etwas günstigeren Randbezirken der Stadt gewohnt haben, so dass zu den Eintrittsgebühren mitunter noch Fahrtkosten hinzukamen. Die Korrespondenten nutzten zudem die in zahlreichen Londoner Cafés und Kneipen ausliegenden Zeitungen. Besonders beliebt war Simpson’s Divan, ein Café, das zum Eintrittspreis von einem Schilling ein heißes Getränk sowie eine »rauchbare Cigarre« und eine »sehr reichhaltige Auswahl englischer, deutscher und französischer Zeitungen« bot246 . Außerdem war es offenbar ein fester Treffpunkt der deutschen Korrespondenten. Aufgrund seiner Lage am Strand in der Nähe der großen Londoner Zeitungshäuser dürften dort auch
242 243
244 245 246
(Hg.), Theodor Fontane. Tagebücher. 1852, 1855–1858, Berlin 2 1995, S. 142, 301; Ohly an Cotta, London, 10.10.[1851], HStAD, Nachlass Karl Ohly, O 59 Ohly Nr. 1–3. In den Bluebooks wurden dem Parlament ausgewählte Akten und Auszüge der diplomatischen Korrespondenz zu bestimmten Themen vorgelegt. Bericht Fontanes, undatiert [Sommer 1855], GStA PK, I. HA Rep. 77 A Lit. Büro, Nr. 134. Carl Ohly an Emil Ohly, London, 10.10.[1851], HStAD, Nachlass Karl Ohly, O 59 Ohly Nr. 1–3; Ohly an Cotta, London, 23.2.[1852], DLA, Cotta: Briefe – Ohly; J (Hg.), Theodor Fontane, S. 142, 301, passim; G, »Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!«, S. 286f.; auch M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 311. Karl B, London und Umgebung, Koblenz 1862, S. 23. Ohly an Cotta, London, 23.2.[1852], DLA, Cotta: Briefe – Ohly sowie Biscamp an Cotta, London, 27.12.1867, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. B, London und Umgebung, S. 21. Angesichts des Honorars von 8–12 Schilling pro abgedruckter Korrespondenz (AZ) konnten sich vermutlich nicht alle Korrespondenten den Eintritt leisten. Allgemein zum Kaffeehaus als Ort der Begegnung und des Informationsaustauschs Étienne F, Das Kaffeehaus, in: Heinz-Gerhard H (Hg.), Orte des Alltags. Miniaturen aus der europäischen Kulturgeschichte, München 1994, S. 111–118, hier S. 112–115.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
zahlreiche britische Journalisten anzutreffen gewesen sein, so dass es zugleich als Nachrichten- und Kontaktbörse fungierte247 . Auch die Pariser Cafés dienten den Journalisten als Umschlagplätze für Informationen. Schon Börne frühstückte regelmäßig im Café, um die dort ausliegenden Zeitungen zu lesen, und auch Heine bediente sich in den 1840er Jahren der Cafés am Palais-Royal, um die Presse zu sichten und die Kommentare seiner Kollegen zu hören248 . Als Paul Lindau sich in den 1860er Jahren in Paris aufhielt, besuchte er regelmäßig die Brasserie des Martyrs, wo man sich »am runden Tisch, mit unseren Landsleuten – vorzugsweise Malern, Musikern und Berichterstattern für deutsche Blätter – in anregender Gesellschaft gut unterhalten« konnte249 . Auch in Wien hatten die Kaffeehäuser einen festen Platz im journalistischen Alltagsgeschäft: »Die gewöhnliche Art der Information war die, daß der Redakteur, um Neuigkeiten zu erfahren, ins Café Daum auf dem Kohlmarkt ging oder zur Börse oder abends in den Kaufmännischen Verein in der Bräunerstraße, wo er bei Großhändlern und Bankers die jüngsten Meldungen erkundete«250 . Auch andere Formen der Encounter- oder Versammlungsöffentlichkeit wie Clubs, Kneipen oder Debating-Clubs nutzten die deutschen Auslandskorrespondenten251 , um Themen zu finden und Informationen zu beschaffen, allerdings liegt es in der flüchtigen und alltäglichen Natur dieser Foren begründet, dass kaum Quellen überliefert sind, die Näheres über die Interaktion und Praxis der Journalisten verraten würden. Genau diese Flüchtigkeit, Informalität und ungezwungene Geselligkeit verlieh diesen Orten ihre Attraktivität – wovon nicht nur die Journalisten profitierten, sondern etwa auch Politiker. Zwar lassen sich die Überlegungen, die zur Einrichtung von Cafés und Bars in den Parlamenten führten, nicht mehr rekonstruieren, dass diese Orte aber rasch dafür genutzt wurden, auf informelle, ungezwungene und unverbindliche, zugleich aber auch routinierte Weise Kontakte zwischen Journalisten und Parlamentariern anzubahnen und zu pflegen, verweist darauf, dass nicht allein die Versorgung mit Speisen und Getränken ausschlaggebend war, sondern auch ihre Funktion als Ort der Vernetzung von Politik und Presse252 . 247
248
249 250
251 252
So etwa G, »Welch Schauspiel! Aber ach! ein Schauspiel nur!«, S. 286f.; M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 311; J (ed.), Theodor Fontane, S. 103, 120, passim. W, Der Journalist Heine, S. 306; Ludwig B, Brief an Jeanette Wohl. Nr. 5. Paris, den 9. Nov. 1819, in: Inge R, Peter R (Hg.), Ludwig Börne. Sämtliche Schriften, Darmstadt 1964–1968, S. 268–278. Paul L, Nur Erinnerungen, Stuttgart, Berlin 1917, S. 47. L, Kultur und Presse, S. 60. Auch der offiziöse Journalist Przibram beschreibt das Café Daum als zentralen Nachrichtenumschlagplatz im Wien der 1850er und 1860er Jahre: P, Erinnerungen eines alten Österreichers, S. 124f. So etwa Fontane und Kaufmann: M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 312. Siehe Kap. II.2.
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Diese Funktion übernahmen in unterschiedlichem Maße auch Vereine und Clubs. In Wien etwa wurde der Journalistenverein Concordia genutzt, um Kontakte zwischen Journalisten verschiedener Parteirichtungen zu etablieren – zwar hatte diese Vereinigung in erster Linie Redakteure österreichischer Zeitungen als Mitglieder, allerdings arbeiteten einige von ihnen zugleich als Auslandskorrespondenten253 . Von den Gelegenheiten, mit Politikern in Kontakt zu treten, die die verschiedenen Formen der Geselligkeit des Journalistenvereins ihren Mitgliedern ermöglichten, profitierte also auch die Auslandsberichterstattung deutscher Zeitungen. Während die Pariser Cafés als Treffpunkte von Literaten und Journalisten bekannt sind und gerade diejenigen in der Nähe der Assemblée nationale als Orte der Vernetzung mit Politikern genutzt wurden254 , übernahmen diese Funktion in London zunehmend auch die Gentlemen’s Clubs. Lucy Brown nennt sie als wichtige Foren des sozialen Kontakts zwischen britischen Politikern und Journalisten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts255 . Allerdings gibt es kaum Hinweise darauf, dass die exklusiven Londoner Clubs in den 1850er und 1860er Jahren auch Auslandskorrespondenten zu ihren Mitgliedern zählten. Zwar wurden einige britische Journalisten zu politischen Clubs zugelassen, auch existierten einige Clubs für Künstler und Schriftsteller, die viele Redakteure in ihren Reihen hatten, allerdings lag deren durchschnittlicher sozialer Status weit über dem ihrer deutschen Kollegen. Max Schlesinger erwähnt in seinen »Wanderungen durch London« zwar den Athenaeum Club als einen der weniger exklusiven, in dem auch zahlreiche Journalisten Mitglieder waren, jedoch existiert kein Hinweis, dass er selbst dort Mitglied gewesen sei256 . Einzelfälle gab es aber, wie das Beispiel des dänischen Korrespondenten Jacobson zeigt, der für die altehrwürdige »Berlingske Tidende« schrieb und 1863 Mitglied im Savage Club war257 . Der 1857 erst von einer Reihe von Schriftstellern und Künstlern gegründete Savage Club gab sich allerdings generell eher unprätentiös und stellte damit in der Londoner Clublandschaft eine Ausnahme dar258 . Die hier vorgestellten Recherchestrategien der deutschen Auslandskorrespondenten sind zugleich ein Hinweis auf die Dominanz des Politischen in 253 254
255 256 257 258
Auf der Mitgliederliste, abgedruckt in E, »Concordia soll ihr Name sein . . . «, stehen etwa J. Nordmann, F. Giehne und Carl Weil. Arthur Levysohn kannte das Café Madrid als Treffpunkt oppositioneller Politiker: L, Aus einer Kaiserzeit, S. 2f.; Werner verweist auf die Cafés am Palais-Royal: W, Der Journalist Heine, S. 306; auch Paul Lindau lernte andere Auslandskorrespondenten im Kaffeehaus kennen: L, Nur Erinnerungen, S. 137f. B, Victorian News, S. 127–129. Max S, Wanderungen durch London 1852, S. 350. Jacobson an Richard Mayne [London, März 1863], TNA, Press and Foot Passes, MEPO 2/131. Aaron W, The Savage Club. A Medley of History, Anecdote, and Reminiscence, London 1907, S. 16–38. Offenbar waren nicht-britische Mitglieder so selten im Savage Club, dass der Biograf des Clubs zwei nannte, die deutsche Namen hatten (aber keine deutschen Auslandskorrespondenten waren).
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
deren Themenspektrum. Es ist anhand der vorliegenden Quellen jedoch außerordentlich schwierig, belastbare Aussagen zu den Kriterien zu machen, an welchen sich die Korrespondenten bei der Nachrichtenauswahl orientierten. Eine Inhaltsanalyse der Zeitungen lässt nur bedingt Aussagen über die Kriterien der Korrespondenten zu, denn wie die immer wiederkehrenden Klagen der Korrespondenten über den Nichtabdruck ihrer Artikel zeigen, war die Redaktion die zentrale Entscheidungsinstanz darüber, welche Meldungen aufgenommen wurden und welche nicht. Eine Dokumentation abgelehnter Berichte oder etwa zur Überarbeitung der gedruckten Beiträge existiert nicht einmal im Falle der so außergewöhnlich gut dokumentierten AZ, so dass als Quellen für die von den Korrespondenten selbst als wichtig erachteten Nachrichtenfaktoren nur deren Egodokumente in Frage kämen – in denen sich die Berichterstatter aber mit großer Zuverlässigkeit über berufspraktische Fragen ausschweigen. Und so thematisierten die untersuchten deutschen Auslandskorrespondenten nur außerordentlich selten die Faktoren, die ein Ereignis aus ihrer eigenen Perspektive berichtenswert machten. In ihrer täglichen Arbeit orientierten sie sich wahrscheinlich ohnehin an den Interessen der Redaktionen. Diese druckten in der Regel nur solche Berichte, die in ihren Augen einen gewissen Nachrichtenwert besaßen. Artikel, die sie uninteressant, belanglos oder schlecht geschrieben fanden, landeten im Papierkorb. Für den Korrespondenten bedeutete dies vergebene und nicht honorierte Mühe, denn es war allgemein üblich, dass nur bezahlt wurde, was tatsächlich gedruckt wurde. Das letzte Wort über den Inhalt der Zeitung hatte also die Redaktion, auch wenn die Korrespondenten durch ihre Berichterstattung durchaus Akzente setzen konnten. Das Gewicht ihres Einflusses zu beurteilen, ist jedoch aufgrund der Quellenlage nahezu unmöglich. Als ähnlich schwierig erweist es sich, die Kriterien der Redaktionen herauszufiltern, denn diese gaben den Korrespondenten nur ausgesprochen selten Instruktionen. So forderte der Redakteur der AZ jahrelang erfolglos, dass verbindliche Instruktionen für die auswärtigen Korrespondenten eingeführt würden. Zwar wurde Ende der 1850er Jahre ein Zirkular an alle Korrespondenten des Blattes verschickt, dieses enthielt jedoch nur Anweisungen, die die Form der Einsendung betrafen, nicht aber deren Inhalt259 . Seines Wissens, so Orges, habe noch kein Korrespondent von der Redaktion »eine andere Art Instruction erhalten als ›Schreiben Sie nur‹. – Die Folge sind dann oft Massen unbrauchbarer Arbeiten«260 . Schon drei Jahre zuvor hatte er Cotta vorgeschlagen, die Korrespondenten besser zu instruieren. Immer wieder würden nämlich grobe Schnitzer in der Berichterstattung vorkommen, die man nicht abstellen könne, 259
260
Zirkular für die Korrespondenten der Allgemeinen Zeitung, auf Honorarrechnung Nr. 30 (1863), DLA, Cotta: Briefe – Brühl. Erstellt wurde es 1858, Orges an Cotta, Augsburg, 25.9.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Orges an Cotta, Augsburg, 25.9.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Ähnlich Orges an Cotta, Augsburg, 12.9.1859, DLA, Cotta: Briefe – Orges.
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»wenn man nicht klar sagt, was man eigentlich will, keinen Correspondenten instruirt, jeden Beliebigen über die delicatesten und schwierigsten Fragen der Politik schwatzen lässt«261 . Als Ferdinand Wolff etwa zur Einsendung weiterer Beiträge aufgefordert wurde, war die einzige nähere Spezifikation »über die inneren Zustände Englands und seiner Hauptstadt«262 . Auf seine Nachfrage hin wurde ihm lediglich erklärt: »Wir zweifeln keinen Augenblick, daß es Ihnen leicht sein wird, durch entsprechende Wahl des Gegenstandes Ihrer Berichte, seine Behandlung und Faßung in engerem Rahmen, wie Letzters für ein vorzugsweise politisches Blatt nothwendig, der Redaction dieses Blattes zu genügen«263 . Meist konnten die Korrespondenten erst an ihrer Honorarrechnung ablesen, ob ihre Mitteilungen den Geschmack der Redaktion trafen oder nicht. So beschwerte sich etwa der spätere Wiener Korrespondent der KöZ Oldenberg: »Die Cölnische läßt mich durch Schlesinger auffordern ihr fleißig zu schreiben u. füllt ihre Papierkörbe mit meinen Autographen. Ich habe es auf alle Arten versucht: ausführliche, kurze Briefe – Der Teufel holt sie alle!«264 Er wusste nicht, was die Redaktion an seinen Beiträgen auszusetzen hatte, und bemerkte, er sei gut informiert und sitze an der Quelle »aller politischen Geheimnisse«265 . Nur ausnahmsweise wurden Korrespondenten mit der Berichterstattung über bestimmte Themen bzw. Ereignisse beauftragt. Dies war zum Beispiel anlässlich der Great London Exposition von 1862 der Fall266 , über die sich die Redaktion eine umfangreiche Berichterstattung von ihrem Korrespondenten Biscamp wünschte267 . Worauf die Redaktion jedoch Wert legte, war der Umfang der Berichterstattung, und so forderte der Redakteur Kolb Biscamp gelegentlich auf, seltener oder knapper zu berichten268 . Auch Ohly wurde darüber belehrt, dass der Redaktion tägliche Berichte unerwünscht seien, denn sie habe noch weitere Korrespondenten in London269 . Meistens mussten die Korrespondenten aber den Bedarf der Redaktion erahnen. Dass dies oft mit der wechselnden Relevanz seines Berichtsortes zu tun hatte, drückte Biscamp gewissermaßen zähneknirschend aus, indem er der Hoffnung Ausdruck verlieh, der Frieden von 1871 werde »auch die englische Correspondenz wieder in ihre Rechte treten«270 lassen. Besonders empfindlich traf ihn dieser Umstand im März 1877, als die »orientalische Frage« das Interesse der AZ nicht nur Richtung Osten verschob, 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270
Orges an Cotta, Augsburg, 4.5.1856, DLA, Cotta: Briefe – Orges. Redaktion der AZ an Wolff, Augsburg, 24.10.1854, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch IV. Redaktion der AZ an Wolff, Augsburg, 9.11.1854, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch IV. C. M. Oldenberg an Kruse, Berlin, 2.11.[1854?], HHI, NL Kruse, Briefe Oldenberg. Oldenberg an Kruse, Berlin, 2.11.[1854?], HHI, NL Kruse, Briefe Oldenberg. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 23.1.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Redaktion der AZ an Biscamp, Augsburg, 20. und 28.1.1862, DLA, Cotta: GelehrtenCopierbuch V. Biscamp an Cotta, London, 26.7.1861, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Cotta an Ohly, Stuttgart, 20.12.1855, DLA, Cotta: Briefe – Ohly. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 8.3.1871, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
sondern auch seine Meinung nicht mehr der der Redaktion entsprach271 . Aus diesen wenigen Bruchstücken lässt sich schließen, dass neben der vertretenen Meinung auch Aktualität und Relevanz im Vergleich mit anderen Regionen als Selektionskriterien dienten. Obwohl die Quellenlage für die Frage nach den beruflichen wie nationalen Identitäten und Loyalitäten der untersuchten Korrespondenten ähnlich dürftig ist und generalisierende Aussagen wiederum schwierig zu treffen sind, sollen auch hierzu einige Anhaltspunkte herausgearbeitet werden, die eine vorsichtige Einschätzung ermöglichen. Ein erstes Zeichen für das Entstehen einer gemeinsamen transnationalen beruflichen Identität und Solidarität der Journalisten bzw. Korrespondenten findet sich im Zusammenhang mit der oben erwähnten Londoner Industrieausstellung von 1862. Wie bereits angedeutet, hatte Elard Biscamp, London-Korrespondent der AZ, die Berichterstattung über dieses Großereignis schon Monate vor dessen Beginn dezidiert an sich gezogen. Zwar ist es fraglich, ob er tatsächlich extra der Ausstellung wegen nach Brompton gezogen war oder ob er mit dieser Aussage nur einen glücklichen Zufall gegenüber der Redaktion zu seinen Gunsten nutzte. Zumindest informierte er sich schon im Vorfeld über die Modalitäten des Zugangs zum Ausstellungsgelände. Weil er sich ein permanentes Ausstellungsticket nicht leisten konnte, bemühte er sich um ein kostenloses Season-Ticket. Zu diesem Zweck ließ er sich vom Cotta-Verlag an Johannes Beeg, den Bayerischen Kommissar bei der Ausstellung, empfehlen, der ihn offenbar tatsächlich in seinen Verhandlungen mit den Ausstellungsbehörden unterstützte. Zusätzlich bat er um ein Dokument, das ihn mit folgendem Wortlaut als Berichterstatter der AZ auswies: »Dr. Elard Biscamp is appointed as reporter to the ›Allgemeine Zeitung‹ of Augsburg for the Exhibition of 1862. We therefore should feel obliged to the Secretary of the Commissioners, if he would grant to that Gentleman a Season-ticket«272 . Trotz dieser Bemühungen wurde Biscamp ebenso wie einigen anderen deutschen Korrespondenten kein solches Ticket ausgestellt. Während besser situierte Kollegen in der Lage waren, sich für die Eröffnungsfeier eine Karte zu kaufen, musste Biscamp seiner Redaktion gestehen, dass er die dafür erforderlichen fünf Pfund und fünf Schilling nicht aufbringen konnte und sein Bericht über die Veranstaltung »daher dürftiger u. weniger graphisch« ausfallen müsse273 . Als guter Journalist beließ es Biscamp aber nicht bei der Entschuldigung an die Redaktion bewenden, sondern schrieb einen empörten Leserbrief an den »Morning Star«, in dem er anprangerte, dass die Korrespondenten der ausländischen Presse ihr Ticket selbst zahlen müssten, denn ohne die internationale Presse wäre die Ausstellung ohne Nutzen und Sinn. Da den Reportern der britischen Zeitungen kostenlose Pressetickets gewährt wurden, protestierte Biscamp zudem gegen die Ungleichbehandlung von britischer und 271 272 273
Biscamp an Redaktion der AZ, London, 16.3.1877, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 24.2.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 2.5.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp.
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ausländischer Presse und zeigte sich erstaunt darüber, dass man ihm und seinen Kollegen im Mutterland der Pressefreiheit derart unhöflich begegne274 . Das »Geschrei«, das Biscamp als Reaktion der britischen Presse auf diese Anklage hin erwartete, wurde tatsächlich laut und machte durchaus »Eindruck auf die officiellen Vertreter der Actiengesellschaft«; sein Season-Ticket musste Biscamp aber trotzdem selbst kaufen. Die Redaktion der AZ erstattete ihm diese Auslage jedoch und forderte ihn auf, sich über den Vorfall in der Zeitung »gehörig aus[zu]sprechen«275 . Biscamps Anklage hatte aber noch einen weiteren Effekt: Nächsten Sonnabend gibt uns der Savage Club in Vereinigung mit den Editors der hiesigen Blätter ein journalistisches Verbrüderungsdiner in St. James-Hall. [. . . ] Da die namhaften Repräsentanten der deutschen, französischen, englischen, italienischen, amerikanischen etc. Presse, welche gegenwärtig in London versammelt sind, alle Einladungen erhalten haben, so hat dieses Meeting unter allen Umständen den Reiz der Neuheit für sich, eine ähnliche Versammlung hat die Welt gewis noch nicht gesehen276 .
Das Dinner für die ausländische Presse wurde am 14. Juni vom Savage Club in der St. James Hall veranstaltet, allerdings beschränkten sich die weitgehend uniformen Meldungen der englischen Provinzpresse auf die kurze Mitteilung, dass Reden in englischer, französischer, spanischer, deutscher und dänischer Sprache gehalten wurden277 . Einzig der »Observer« knüpfte einen längeren Artikel an die Veranstaltung. Unter den rund 100 Anwesenden waren 31 geladene Gäste, unter diesen befand sich allerdings kein einziger regulärer deutscher Auslandskorrespondent278 . Es waren zwar einige Deutsche anwesend, bei diesen handelte es sich aber um lediglich für die Dauer der Weltausstellung entsandte Spezialberichterstatter279 . Der einzige erwähnte reguläre Londoner Korrespondent war Lothar Bucher von der NZ, der eingeladen war, sich aber entschuldigen ließ. Zwar bescheinigte der Artikel dem Dinner eine »friendly and cosmopolitan nature«, Toasts »of a national or class character« seien vermieden worden. Die Hoffnung, die Versammlung werde die »bonds of literature among all civilised nations« zukünftig stärken, wurde zumindest vom Savage Club nicht weiter verfolgt, denn das nächste Dinner für die Londoner Auslandskorrespondenten fand anscheinend erst 1905 anlässlich des Internationalen Pressekongresses statt280 . Bezeichnenderweise bezog sich die Demonstration 274
275 276 277
278 279 280
Ibid. sowie den beigelegten Zeitungsausschnitt The London Correspondent of the Allgemeine Zeitung [Elard Biscamp], Foreign Correspondents and the Exhibition, in: The Morning Star [undatiert, um den 1.5.1862]. Redaktion der AZ an Biscamp, Augsburg, 16.5.1862, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch V. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 9.6.1862, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. So etwa »The Caledonian Mercury« und »The Belfast Newsletter« vom 16.6.1862, »Liverpool Mercury« und »Birmingham Daily Post« vom 17.6.1862, »The Bristol Mercury« und »Manchester Times« vom 21.6.1862. [. V.], Entertainment of the Representatives of the Foreign Press, in: The Observer, 15.6.1862, S. 6. Soweit es sich feststellen lässt: Levin Schücking, die Herren Appell, Wolff, Elsner von Gronow, Fenger, ibid. Zumindest in der Darstellung von W, The Savage Club, S. 69f.
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internationaler Solidarität nicht allein auf die Berufskollegen von der Presse, sondern allgemeiner auf Schriftsteller und Künstler. Auch zu einer Diskussion der Behandlung und Rechte der Pressevertreter wurde die Veranstaltung nicht genutzt. Diese kleine Episode zeigt, dass sich eine internationale Berufssolidarität der Journalisten und Schriftsteller okkasionell zwar wachrufen ließ, allerdings generierte die Veranstaltung keine bleibenden Effekte. Es existiert kein Hinweis darauf, dass aus diesem »Verbrüderungsdinner« eine ständige Diskussionsplattform hervorging oder dass sich die in London versammelten Auslandskorrespondenten über diesen Abend hinaus als transnationale Berufsgemeinschaft verstanden281 . Das Tableau der nationalen Identitäten der deutschen Korrespondenten reichte von der sorgfältigen Bewahrung eines deutschen Nationalgefühls bis zur Annahme der britischen Staatsbürgerschaft. Max Schlesinger etwa heiratete eine Britin und entschied sich schon 1853 für die Einbürgerung in Großbritannien282 . Er baute sich in London mit seiner Nachrichtenagentur eine solide Existenz auf und scheint nicht den Wunsch gehabt zu haben, in seine Heimat zurückzukehren – auch wenn er regelmäßig nach Deutschland reiste, um alte Bekannte zu treffen. Karl Blind ließ sich zwar – soweit ersichtlich – nicht einbürgern, er blieb aber auch nach der Amnestie283 von 1862 in London und korrespondierte nicht nur für deutsche Zeitungen, sondern arbeitete auch an britischen Blättern mit – seine anfangs so schlechten Englischkenntnisse scheint er im Laufe der Jahre verbessert zu haben, denn er korrespondierte später auch auf Englisch und scheint in der Londoner Gesellschaft heimisch geworden zu sein284 . Sein persönliches Netzwerk war ziemlich international, es bestand vor allem aus politischen Weggefährten oder Gesinnungsgenossen und reichte bis nach Italien und Frankreich285 . Wie Blind verließ auch Biscamp England nicht mehr, wurde aber trotz seiner englischen Frau niemals wirklich heimisch in London und sehnte sich nach Deutschland zurück. Er hielt es schon im »Interesse der Selbsterhaltung« für bedeutsam, die Lektüre der deutschen Klassiker aufzufrischen, und zeigte sich hocherfreut, als Cotta ihm ein kostenloses Messeexemplar der Classiker281
282 283
284
285
Ein Grund dafür könnte darin liegen, dass wahrscheinlich die meisten der Teilnehmer als Spezialkorrespondenten nach dem Ende der Ausstellung wieder abreisten und keine personelle Kontinuität bestand. M, Max Schlesinger und Jakob Kaufmann, S. 304. Weil Karl Blinds Stiefsohn, Ferdinand Cohen-Blind, im Mai 1866 ein Attentat auf Bismarck verübt hatte, blieb ihm der Weg zurück nach Deutschland zunächst weiterhin versperrt, in seiner Korrespondenz findet sich aber auch kein Hinweis darauf, dass er die Rückkehr plante. Rudolf M, Karl Blind. Ein Talent in der Wichtigmacherei, in: Sabine F (Hg.), Die Achtundvierziger. Lebensbilder aus der deutschen Revolution 1848/49, München 1998, S. 81–98, hier S. 96; zu seinen Englischkenntnissen siehe B, Konfidentenberichte, S. 227; BL, Blind Papers Vol. IV: General Correspondence, Add Ms 40126. Dies zeigt Karl Blinds Teilnachlass in der British Library, BL, Blind Papers Vol. II: General Correspondence, Add Ms 40124.
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Bibliothek anbot – nicht nur für sich selbst, sondern auch für sein Kind und seine Frau, die er, so berichtet er Cotta stolz, im »seltenen Grade germanisirt« habe286 . Nach der Gründung des Deutschen Reiches bemühte er sich noch einmal um eine Redaktionsstelle bei der AZ, denn die »Sehnsucht nach meinem Vaterlande ist durch die letzten Ereignisse so mächtig in mir erregt worden, daß ich mich hier unglücklich fühlen würde, auch wenn ich weniger schmerzlich mit tag-täglicher Noth zu kämpfen hätte«287 . Da sein Gesuch keinen Erfolg hatte, musste er aus finanziellen Gründen in Großbritannien bleiben, obwohl er sich trotz seines langen Aufenthalts nie wirklich mit dem Land identifizierte. Ähnlich war es bei Wilhelm Liebknecht, der aber die Gelegenheit der Amnestie ergriff und noch im selben Jahr nach Deutschland zurückkehrte288 . Als er zwei Jahre später aus Preußen ausgewiesen wurde, wandte er sich hilfesuchend an Cotta und erklärte, er wolle »um keinen Preis wieder ins Exil gehen«289 . Alle hier erwähnten Korrespondenten blieben ihrem Herkunftsland zeitlebens eng verbunden – schon allein durch ihren Beruf, aber auch auf privater Ebene. Inwieweit sich dies auf die Berichterstattung auswirkte, kann hier nicht überprüft werden. Eine Untersuchung der Auswirkung eines eigenen Korrespondenten vor Ort und dessen Integration in die Aufnahmegesellschaft auf die außenpolitische Parteinahme der Berichterstattung wäre interessant, wobei sicher weitere Parameter zu berücksichtigen wären. Einen Beleg dafür, dass nationale Loyalitäten durchaus in die Berichterstattung getragen wurden, liefert das Beispiel des einzigen einheimischen Londoner Korrespondenten der AZ, Henry Reeve. Dieser schrieb seit Anfang der 1840er Jahre sporadisch für die AZ und war ein von der Leitung des Blattes geschätzter Mitarbeiter, der einen außerordentlich hohen Honorarsatz erhielt. Obwohl er der Zeitung und ihrem Verleger Cotta große Wertschätzung entgegenbrachte, kündigte er im Dezember 1870 die Zusammenarbeit auf, weil die Kluft zwischen den politischen Vorstellungen Englands und Preußens aufgrund des DeutschFranzösischen Krieges zu groß geworden sei, als dass er noch für die deutsche Öffentlichkeit schreiben könne »avec la chance d’être écouté«290 . Für Reeve war es ganz selbstverständlich, dass er seine Artikel aus britischer Perspektive schrieb und den britischen nationalen Standpunkt einnahm. Aus diesem Grund ging er davon aus, dass seine Äußerungen in der deutschen Öffentlichkeit nicht mehr auf positive Resonanz stoßen würden, sondern bestenfalls ignoriert würden. Unter dieser Vorannahme machte die Mitarbeit für ihn keinen Sinn mehr, jedoch bot er ausdrücklich eine Wiederaufnahme der Korrespondenz an,
286 287 288 289 290
Biscamp an Cotta, London, 27.12.1867, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Biscamp an Cotta-Verlag, London, 7.6.1871, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Liebknecht an Cotta, Berlin, 6.11.1862, DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht. Liebknecht an Cotta, Hannover, 12.8.1864, DLA, Cotta: Briefe – Liebknecht. Henry Reeve an Cotta, London, 24.12.1870, DLA, Cotta: Briefe – Reeve. Die beiden korrespondierten auf Französisch.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
wenn die äußeren Bedingungen sich wieder änderten291 . Trotz dieser außenpolitischen Differenz, die sich offenbar auch auf die Redaktion der AZ bezog, denn von seinen sonst hochgeschätzten Briefen wurden an der Jahreswende 1869/70 nur ganze zwei abgedruckt, blieb der Ton sachlich-professionell und frei von persönlichen Anfeindungen. Zeitigte der Deutsch-Französische Krieg schon für die Londoner Korrespondenten spürbare Auswirkungen – Biscamp etwa sah die Relevanz der LondonBerichterstattung durch diesen zurückgedrängt und sich damit um bessere Verdienstmöglichkeiten gebracht292 –, so stellte er für die deutschen Korrespondenten in Paris eine einschneidende Zäsur dar: Wie alle anderen Deutschen mussten auch sie Frankreich bei Kriegsausbruch verlassen293 . Entsprechend spektakulär war die Berichterstattung der FZ, deren Korrespondent Eugène Seinguerlet auch während des Krieges Nachrichten aus Paris nach Frankfurt schickte. Die Briefe des gebürtigen Elsässers mussten während der Belagerung mit Hilfe von Ballons aus der Stadt geschmuggelt werden und kamen mit Verzögerung in der Redaktion an294 . Seine Kollegen Arthur Levysohn, Emil Landsberg und Albert Beckmann dagegen, die ebenfalls im Sommer 1870 als Zeitungskorrespondenten in Paris arbeiteten, waren gezwungen, das Land zu verlassen. Viele Blätter stützten sich daher stärker auf die belgische Presse, etwa die »Indépendance belge«, deren Chefredakteur die FZ mit Nachrichten aus Paris versorgte295 . Soweit es sich feststellen lässt, scheinen nur wenige der früheren Paris-Korrespondenten die Kriegsberichterstattung für ihre Zeitungen übernommen zu haben; außer Arthur Levysohn und Theodor Fontane sind keine anderen früheren Auslandskorrespondenten bekannt, die von der Front berichteten. Die anderen Kriegsberichterstatter arbeiteten zuvor meist als Redakteure oder Schriftsteller, so dass es auf Ebene der Akteure nur minimale Überschneidungen gibt296 . Aus diesem Grund und weil die Arbeitsbedingungen an der Front oder im Hauptquartier sich von der normalen 291 292 293
294
295 296
Ibid. Die Zusammenarbeit wurde nicht wieder aufgenommen. Biscamp an Redaktion der AZ, London, 8.3.1871 und 7.6.1871, DLA, Cotta: Briefe – Biscamp. Mareike K, Brüche als gestaltendes Element. Die Deutschen in Paris im 19. Jahrhundert, in: D. (Hg.), Deutsche Handwerker, Arbeiter und Dienstmädchen in Paris. Eine vergessene Migration im 19. Jahrhundert, München 2003, S. 9–26, hier S. 21, auch L, Aus einer Kaiserzeit, S. 188. Geschichte der Frankfurter Zeitung (1906), S. 144; Geschichte der Frankfurter Zeitung (1911), S. 190f. Über seine Motive ist nichts bekannt, eine systematische Auswertung der Kriegsberichterstattung der FZ im Hinblick auf Seinguerlets Grenzgängertum wäre interessant. Es ist auch denkbar, dass einzelne seiner deutschen Kollegen heimlich in der Stadt verblieben. Mareike König schätzt, dass trotz der Ausweisung rund 5000 Deutsche während des Krieges in Paris blieben: K, Brüche als gestaltendes Element, S. 21. Geschichte der Frankfurter Zeitung (1911), S. 190f. Erich S, Gegen Chauvinismus und Völkerhass. Die Berichte des Kriegskorrespondenten Hermann Voget aus dem deutsch-französischen Krieg 1870/71, in: Francia 14 (1986), S. 389–434.
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2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung
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Auslandsberichterstattung in Friedenszeiten fundamental unterschieden, wird die Kriegsberichterstattung hier ausgeklammert297 .
2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung (1870er Jahre bis 1914) Anders als im vorangegangenen Teilkapitel orientiert sich die Struktur des folgenden an den Korrespondententypen. Zwar behielt die politische Kultur des jeweiligen Berichtsortes einen prägenden Einfluss auf die Arbeit der Auslandskorrespondenten, allerdings traten an ihre Seite andere, genuin professionelle Aspekte, die in diesem Kapitel stärker in den Fokus gerückt werden sollen. Daher wird es gegliedert nach den wichtigsten Typen von Auslandskorrespondenten: der ständige festangestellte Korrespondent, der Chefredakteur in spe und der mobile Berufskorrespondent. Daneben rechtfertigt die zwar kleine, aber wachsende Zahl von Auslandskorrespondentinnen ein eigenes Unterkapitel. Mit der Struktur des deutschen Pressewesens veränderte sich in Folge seines enormen Aufschwungs nach der Reichsgründung 1871, noch einmal verstärkt durch die Einführung des Reichspressegesetzes 1874, auch der Nachrichtendienst vieler deutscher Zeitungen – selbst wenn nach wie vor nur ein sehr kleiner Teil der Zeitungen ein eigenes ausgedehntes Korrespondentennetz finanzieren konnte oder wollte. Die Zahl der Zeitungen, die an einem der drei hier untersuchten Berichtsorte ein bis zwei Korrespondenten besaßen, stieg auf insgesamt über 70 an298 . Während in den 1870er Jahren nur wenige große Blätter wie etwa die FZ ihr Korrespondentennetz ausbauten, nutzten seit Ende der 1880er Jahre zunehmend auch mittelgroße Regionalzeitungen die Dienste eines Korrespondenten vor Ort. Nach der Jahrhundertwende verstärkte sich dieser Trend noch einmal. Zugleich verbesserte sich die Quellenlage seit den 1880er Jahren, deutsche Korrespondenten wurden zunehmend von den Botschaften dokumentiert oder lassen sich in den Mitgliederlisten der Korrespondentenvereine 297
298
Mit Blick auf Europa im 19. Jahrhundert z. B. Ute D, Krieg und Medien historisch betrachtet, in: Zeitschrift für Gottesdienst & Predigt 3 (2007), S. 52; Winfried B. L, Geschichte der Kriegsberichterstattung. Ein Literaturbericht, in: Publizistik. Vierteljahreshefte für Kommunikationsforschung 37 (1992), S. 405–422; Georg M, Wolfram P, Martin W (Hg.), Der Krimkrieg als erster europäischer Medienkrieg, Münster 2010; zu deren Akteuren D, Der Gallipoli-Effekt, S. 181–193; D. (Hg.), Augenzeugen; K, The First Casualty; K, Im Krieg gegen Frankreich, S. 59–75; Joseph J. M, Reporting the Wars, Minneapolis 1957; Greg ML, The War Correspondent, London 2002; P, War Stories. Setzt man dagegen jedoch die Gesamtzahl von rund 3000 deutschen Zeitungen, dann sank der Anteil der Blätter mit eigenem Korrespondentennetz. Die Schätzungen gehen leicht auseinander; K, Deutsche Presse, S. 308, geht von 3500 Zeitungen um 1900 aus, 1914 dann von über 4000; W, Grundzüge, S. 260, zählt 4000 Titel 1906; ähnlich S, Deutsche Pressegeschichte, S. 159f.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
identifizieren. Teilweise lässt sich die seit den 1880er/1890er Jahren steigende Zahl von Belegen für Korrespondenten durch die dichtere Dokumentation erklären, diese ist aber auch das Symptom eines tatsächlichen Wachstums299 . Häufig bediente ein Korrespondent mehrere Zeitungen. Moritz Sasse etwa belieferte in den 1890er Jahren die VZ und die »Magdeburgische Zeitung«, die MNN, das »Hamburger Fremdenblatt« und die Wiener »Neue Freie Presse« mit Nachrichten aus London; nach der Jahrhundertwende meldete die deutsche Botschaft, dass er nun auch für ein russisches Blatt schreibe300 . Auch sein Kollege Fritz Treusch von Buttlar arbeitete als Pariser Korrespondent der HN, der »Magdeburgischen Zeitung«, der MNN und der Wiener »Deutschen Zeitung«301 . Von Wien aus versandten oftmals die Redakteure österreichischer Zeitungen Korrespondenzen an mehrere ausländische Blätter. Friedrich A. Bacciocco etwa redigierte die Wiener »Deutsche Zeitung« und schrieb daneben zwischen 1889 und 1910 für die AZ (die inzwischen in München residierte), die »Kölnische Volkszeitung« und die »Kreuzzeitung«; Hermann Greiml, einer der Vertrauensmänner der deutschen Botschaft in Wien, arbeitete seit Ende der 1880er Jahre bis mindestens 1910 für die HN, die »Augsburger Abendzeitung« und die NAZ. Die Mitarbeiterin der »Neuen Freien Presse«, Bettina Wirth, schrieb mindestens in den beiden Jahrzehnten um die Jahrhundertwende für den »Berliner Lokal-Anzeiger« und den HC, die beide im Scherl-Verlag erschienen, sowie für die AZ und die »Daily News«302 . Es ist wahrscheinlich, dass mehrere Blätter, die nicht in direkter Konkurrenz zueinander standen – wie etwa die MNN und die »Magdeburgische Zeitung«, deren regional begrenzte Einzugsgebiete sich nicht überschnitten –, sich einen Korrespondenten teilten, es gibt jedoch keine Belege für eine systematische Kooperation. Ebenso ist es denkbar, dass die Korrespondenten, die für mehrere Zeitungen schrieben, eigentlich kleine Nachrichtenagenturen bzw. lithografische Korrespondenzbüros betrieben und sich aus Prestigegründen als Korrespondenten ihrer wichtigsten Abonnenten vorstellten. Allerdings ist eine leichte Zunahme des Anteils der Korrespondenten zu verzeichnen, die ausschließlich für eine Zeitung schrieben: Vor 1870 arbeiteten 56 % der Korrespondenten nur für ein Organ, zwischen 1871 und 1914 waren es 64 %. Demgegenüber ging besonders der Anteil der
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300 301 302
Darauf deutet die Durchsicht von Jubiläumsschriften deutscher Zeitungen hin, etwa B, Die Geschichte des Hauses, S. 38f.; B, Die Vossische Zeitung, S. 186; Hermann C, Fünfzig Jahre Kölnische Volkszeitung. Ein Rückblick zum goldenen Jubiläum der Zeitung am 1. April 1910, Köln 1910, S. 32–57; Georg H, Hundert Jahre J. P. Bachem. Buchdruckerei, Verlagsbuchhandlung, Zeitungsverlag, Köln 1918, S. 101; Gustav K, »Bezett – Bezett am Mittag!« Die Geschichte eines neuen Zeitungstyps. Zeitgeist und Sportgeist, in: 50 Jahre Ullstein, S. 191–278, hier S. 193. Botschaft an Bülow, Paris, 19.3.1901, PA AA, RAV London, 1323. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Wedel an Bülow, Wien, 17.7.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R1652 sowie Tschirschky an Bülow, Wien, 22.2.1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1215.
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Korrespondenten zurück, die für drei oder mehr Blätter arbeiteten; statt 26 % waren es nach 1870 nur noch 20 %. Nur knapp 20 Zeitungen hatten zumindest zeitweilig Korrespondenten in allen drei Hauptstädten. Dauerhaft mehrere feste, eigene Korrespondenten sowohl in London als auch in Paris und Wien hatten nur sehr wenige Blätter. Den überlieferten Quellen zufolge verfügte die FZ in den rund dreißig Jahren um die Jahrhundertwende über das dichteste Korrespondentennetz (acht in London, 14 in Paris, 16 in Wien). Die KöZ hatte in dieser Zeit in Paris und in Wien jeweils sieben Korrespondenten, in London konnten nur zwei ausgemacht werden. Auch das BT hatte etwa ein halbes Dutzend Korrespondenten in jeder der drei untersuchten Metropolen; der »Berliner Lokal-Anzeiger« beschäftigte zwei Korrespondenten in London, fünf in Paris und sechs in Wien. Auch die VZ und die NZ bauten ihr Korrespondentennetz weiter aus und besaßen mehrere Korrespondenten in London, Paris und Wien. Die AZ dagegen hatte das Geflecht ihrer Berichterstatter erheblich ausgedünnt (drei Korrespondenten in London, fünf in Paris, acht in Wien). Daneben besaßen nun auch die MNN, die »Magdeburgische Zeitung«, der HC, die »Berliner Morgenpost« sowie die »BZ am Mittag« ein kleines Netz teils exklusiver Korrespondenten. Die »Kreuzzeitung« konzentrierte ihre Bemühungen um Originalberichte auf Wien und Paris. Auch der »Vorwärts« konnte nach dem Ende der Sozialistengesetze in den 1890er Jahren sein Korrespondentennetz ausbauen. Das deutsche Korrespondentenwesen veränderte sich aber nicht allein in quantitativer Hinsicht. Auch die Karrieremuster von Korrespondenten wandelten sich und die berufliche Kultur wurde mit neuen Werten gefüllt. Ein gutes Beispiel, an dem sich einige dieser Aspekte zeigen lassen, ist Arthur Levysohn, der vor allem in seiner späteren Funktion als langjähriger Chefredakteur des BT bekannt wurde. Sein Vater Friedrich Wilhelm Levysohn war Buchhändler, Verleger, Herausgeber des »Grünberger Wochenblatts« und Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung303 . Über Arthur Levysohns Bildungsweg und die Anfänge seines beruflichen Werdegangs ist nur wenig bekannt, man kann aber davon ausgehen, dass er in seinem Elternhaus erste Erfahrungen im Journalismus sammelte, der angeblich von Anfang an sein berufliches Ziel war304 . Nach seinem Studium arbeitete er mindestens drei Jahre als Buchhändler in Stockholm, korrespondierte für deutsche Zeitungen (unter anderem die AZ) und erstellte regelmäßig die Presseschau für den preußischen Gesandten Adalbert von Rosenberg, weil dieser bei Antritt seines Postens 1862 303
304
So im Nachruf auf den langjährigen Chefredakteur: [. V.], Arthur Levysohn, in: BT, 12.4.1911, S. 1. Während der Vater sich als Mitglied der Nationalversammlung in Frankfurt aufhielt, redigierte Arthurs Mutter die Zeitung, der Verlag war offenbar ein Familienbetrieb, in den später auch die Kinder eingebunden wurden. Arthurs Bruder führte den Verlag nach dem Tod des Vaters fort. So wenigstens der anonyme Rezensent, der seiner Buchbesprechung einige biografische Eckdaten Levysohns voranstellt: [. V.], Erinnerungen an das zweite Kaiserreich, in: Die Grenzboten (1877), S. 513–518, hier S. 513f.
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die schwedische Sprache noch nicht ausreichend beherrschte305 . Der Gesandte schätzte Levysohn aufgrund »seiner Sprachkenntnisse und seiner litterarischen Vorbildung« und war bereit, ihn an die deutsche Botschaft zu empfehlen, als er nach Paris ging, um sich »in seinem Fache und auch im allgemein wissenschaftlichen Feld weiter auszubilden«306 . Danach (1864/65) lebte Levysohn offenbar als Publizist in Paris, informierte Rosenberg aber erst im Oktober 1865 von Grünberg aus darüber, dass er »seine Thätigkeit als politischer Correspondent« der KöZ beginnen würde307 . Auf welche Weise er den Kontakt zu seinem neuen Arbeitgeber herstellte, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich bewarb er sich mit einigen Probeartikeln und einer Empfehlung, wie er es im September 1862 getan hatte, um als Stockholmer Korrespondent der AZ zu arbeiten308 . Während er für die AZ etwa anderthalb Jahre lang nur sporadisch schrieb, stellte ihn die KöZ als regelmäßigen Hauptkorrespondenten ein, der exklusiv für sie berichtete309 . Beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges wurde Levysohn wie die übrigen Deutschen aus Frankreich ausgewiesen und verließ Paris nach der Kriegserklärung Ende Juli. Er arbeitete dann als Kriegsberichterstatter weiter hauptsächlich für die KöZ, redigierte daneben aber auch in preußischem Auftrag den »Moniteur officiel«310 . Nach Kriegsende kehrte er für die KöZ wieder zurück auf den Pariser Posten, wurde aber bereits im Jahr darauf von der französischen Regierung ausgewiesen, woraufhin ihn seine Zeitung als Berichterstatter nach Wien schickte311 . Nach einer anderen Quelle versetzte ihn die Zeitung nach Wien, um das Verbot des Blattes in Frankreich abzuwenden – der Regierung Thiers missfiel seine Berichterstattung312 . Auch in Wien konnte er Beziehungen zur deutschen Botschaft anknüpfen, was ihm zu Mitteilungen aus »diplomatischen Kreisen« verhalf313 . Als die Redaktion der KöZ herausfand, dass Levysohn diese Informationen auch in Beiträgen für das »Neue Wiener Tagblatt« verwendete, kündigte sie ihm, »weil dieses Blatt es nicht dulden wollte, daß sein mit einem bedeutenden Aufwande in Wien erhaltener Spezialkorrespondent die ihm in dieser Eigenschaft zu Gebothe stehenden Verbindungen in einem Wiener Blatte ausbeute«314 . In diesem Zitat zeigt sich nicht allein, dass die KöZ ihren Korrespondenten gegenüber stärker 305
306 307 308 309 310 311 312 313 314
Rosenberg an Bismarck, Stockholm, 12.1.1866, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1; für die AZ schrieb er 1862–1863 honorierte Beiträge: Cotta-Verlag an Levysohn, 17.9.1862 und passim, DLA, Cotta: Copierbuch V. Rosenberg an Bismarck, Stockholm, 12.1.1866, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Ibid. sowie die Abschrift eines Briefs von Levysohn an Rosenberg, Grünberg, 3.10.1865, ibid. Cotta-Verlag an Levysohn, 17.9.1862, DLA, Cotta: Gelehrten-Copierbuch V. Goltz an Bismarck, Paris, 27.12.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. L, Aus einer Kaiserzeit, S. 196–200. Preßleitung an Innenminister Lasser, Wien, 29.4.1875, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 7. Grüner an Andrássy, Leipzig, 18.7.1873, AT-OeStA/HHStA PL 27. Preßleitung an Innenminister Lasser, Wien, 29.4.1875, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 7. Ibid.
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als früher auf Exklusivität bestand, sondern auch, dass der Kontakt zwischen Korrespondent und staatlichen Stellen auf ein neues Fundament gestellt wurde: Statt sich einen Korrespondenten nach seinen bestehenden persönlichen Kontakten oder nach den Informationen auszusuchen, über die er ohnehin verfügte, setzte umgekehrt die Anstellung als Korrespondent einer bestimmten Zeitung den Journalisten in den Stand, sich bestimmte Informationen anzueignen und Verbindungen zu etablieren, die ihm ohne diesen Posten nicht zugänglich gewesen wären. Kurz nach der Kündigung begann Levysohn als Auslandsredakteur beim »Neuen Wiener Tagblatt«, das daraufhin – nach Ansicht der Wiener Preßleitung – »sistematisch jede Autorität in Staat, Reich u. Familie« untergrub und geradezu »staatsgefährliche Tendenzen« entfaltete315 . Weil er offenbar daneben eine autografische Korrespondenz für etwa 16 weitere deutsche Zeitungen betrieb und man an ihm ein Exempel statuieren wollte, das auch die übrigen Wiener Journalisten zur Mäßigung mahnen sollte, nutzte das österreichische Innenministerium kurzerhand die Tatsache, dass Levysohn Ausländer war, und wies ihn 1875 aus316 . Auch dieser zweite unfreiwillige Ortswechsel schadete Arthur Levysohns Karriere nicht: Er übernahm das Auslandsressort des BT und wurde nach fünf Jahren zum Chefredakteur berufen. Diesen Posten behielt er bis zu seiner krankheitsbedingten Pensionierung 1906317 . Anders als viele der im vorigen Kapitel beschriebenen Korrespondenten, die aus einer Zwangslage heraus nach London oder Paris emigrierten und dort nur wenige Möglichkeiten hatten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ging Arthur Levysohn ganz gezielt ins Ausland, um sich weiterzubilden, Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln und sich dadurch auf den Journalistenberuf vorzubereiten. In Paris studierte er das Zeitungswesen intensiv und zeigte sich gut informiert über die »Mysterien der Pariser Preßleitung«318 . Den »journalistischen Instinkt« hatte er, wie er selbst sagte, »von seinen Eltern geerbt«, in Paris eignete er sich die »gefällige Anmut eines glitzernden Stils« an und in Wien fügte er »die Schnelligkeit und den Umfang der Berichterstattung« seinem Konzept des modernen Journalismus bei, als dessen Promotor ihn nicht nur seine Kollegen vom BT würdigten319 . Eine der ersten Maßnahmen, die Levysohn beim BT ergriff und die auch seine Kollegen als Bedürfnis einer »großen modernen Zeitung« betrachteten, war der Ausbau des Nachrichtendienstes der Zeitung320 . Allerdings waren für Levysohn die Pariser und Wiener Korrespondentenjahre gewissermaßen nur die Lehr- und Wanderjahre, die ihn auf sein
315 316 317 318 319 320
Ibid. Ibid. Tatsächlich ausgewiesen wurde er offenbar aber erst 1876: Preßleitung an Innenminister Taaffe, Wien, 24.5.1879, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 14. [. V.], Arthur Levysohn, in: BT, 11.4.1911, S. 1; [. V.], Arthur Levysohn, in: BT, 12.4.1911. L, Aus einer Kaiserzeit, S. 3. [. V.], Arthur Levysohn, in: BT, 12.4.1911; [. V.], Arthur Levysohn, in: BT, 11.4.1911. Ibid.
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eigentliches Ziel vorbereiten sollten: »Auf so ausgezeichnete Leistungen Arthur Levysohn auch damals [1876] schon zurückblicken konnte – es ist klar, daß seine unermüdliche Schaffenskraft erst hier [in Berlin] den rechten Boden und vor allem die rechte Aufgabe fand« – so stellten es wenigstens seine Kollegen in der Retrospektive dar321 . Wenn auch der Beruf des Korrespondenten in Arthur Levysohns Lebenslauf keinen Makel darstellte, so war er doch nur eine Vorbereitungstätigkeit, die ihn für seine eigentliche Berufung als Redakteur – denn das hatten er und seine Zeitgenossen im Sinn, wenn sie Journalist sagten – weiterqualifizieren sollte322 . Damit war der Korrespondentenberuf zwar noch weit entfernt davon, als Königsdisziplin des Journalismus angesehen zu werden323 , aber er war doch kein Symptom mehr des Geworfenseins, der Auslieferung an äußere Umstände oder gar des Scheiterns, sondern vielmehr eine Sprosse auf der Karriereleiter, die den beruflichen Aufstieg vorbereitete. Auch Levysohns langjährige Bindung an die KöZ über den Ortswechsel von Paris nach Wien hinweg deutet einen Wandel des Verhältnisses zwischen Redaktion und Korrespondent an: Levysohn war nicht irgendein geschätzter, aber doch nur externer Mitarbeiter, sondern verstand sich selbst von Anfang an als Mitglied der Redaktion324 . Das zeigte sich auch in der Bezahlung, die immerhin so gut war, dass Levysohn sich in Paris eine kleine Villa mit kostbaren Möbeln leisten konnte325 . Allerdings dürfte die KöZ im Vergleich zu den übrigen deutschen Zeitungen auch ein Spitzengehalt gezahlt haben, und Levysohn bezog als Verbindungsmann zur französischen Presse zwischen 1869 und 1870 zusätzlich 500 Franc im Monat von der deutschen Botschaft – verdiente also für einen Korrespondenten außergewöhnlich gut326 . Auch mit Blick auf sein journalistisches Konzept ließe sich Levysohn als eine Figur des Übergangs bezeichnen. Der Korrespondent zeigte sich verwundert, dass die »Repräsentanten der großen Presse« von den Vertretern des preußischen Staates so wenig beachtet würden, und setzte dem als positives Gegenbild die Praxis des österreichischen diplomatischen Dienstes entgegen, der auch solche Journalisten in seinem Interesse »zu verwenden« wisse, deren Anschauungen und Prinzipien nicht immer mit denjenigen der österreichischen Regierung übereinstimmten327 . Anders als andere Journalisten in den 1860er Jahren versicherte Levysohn nicht seine absolute Loyalität oder eine 321 322 323 324 325 326
327
[. V.], Arthur Levysohn, in: BT, 12.4.1911. Siehe hierzu Kap. I.2. In diesem Sinne W, Auslandskorrespondent/in, S. 12. Levysohn an Rosenberg, Grünberg, 3.10.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Bülow an Schweinitz, Berlin, 28.1.1876, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48. Solms an Bismarck, Paris, 10.2.1869, PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 5, R 4, sowie PA AA, RAV Paris, 416b; PA AA, RZ 201, Europa Generalia 14, Bd. 6, R 5. Allein der Zuschuss von der preußischen Botschaft entsprach schon dem Gehalt eines gutbezahlten deutschen Chefredakteurs: R, Journalismus als Beruf, S. 214–218. Levysohn an Rosenberg, Grünberg, 3.10.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Siehe hierzu auch Kap. II.1.5.
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feste Gesinnung, um die Staatsvertreter zur Kooperation zu bewegen, sondern verwies selbstbewusst auf das Interesse, das beide Seiten an einer solchen Zusammenarbeit hätten. Durch diese Zusammenarbeit wollte er sich keineswegs in den Status eines abhängigen Lohnschreibers gesetzt sehen, der publizierte, was man ihm diktierte, sondern die Kooperation sollte möglich sein, »ohne daß die Unabhängigkeit des einen und die hohe verantwortungsvolle Stellung des anderen Theiles dadurch irgend eine Einbuße erlitte«328 . Zwar wollte auch Levysohn den Bemühungen der staatlichen »Vertreter des Vaterlandes« gerecht werden und stellte »Übereinstimmung und gewisse [. . . ] Gemeinsamkeit« in Aussicht, vor allem aber wollte er »dem Auslande wie der Heimath gegenüber, den internationalen Beziehungen der betreffenden Völkerschaften die gehörige Würdigung angedeihen« lassen; nicht einer Regierung fühlte er sich verpflichtet, sondern dem Vaterland und dem »Interesse des Volkes«. Selbstbewusst stellte er klar: »Auch der politische Berichterstatter eines großen und unabhängigen Blattes im Auslande hat vielleicht eine Art Mission zu erfüllen«329 . Darin deutet sich ein neuer Anspruch an die Gestaltung der Beziehungen zwischen Korrespondenten und staatlichen Vertretern an, der von einem neuen Selbstbewusstsein der Pressevertreter zeugt und zugleich die Übereinstimmung der Gesinnung als Voraussetzung der Kommunikation zwischen Politikern und Journalisten in Frage stellt. 2.1 »Von unserem Korrespondenten«: Festanstellung statt freier Mitarbeit Die am Beispiel Arthur Levysohns angedeutete Veränderung im Verhältnis der Zeitungen zu ihren Korrespondenten lässt sich auch an der Form ablesen, mit der die Zeitungen Meldungen aus dem Ausland einleiteten. Während in den 1850er und 1860er Jahren üblicherweise ein anonymes Korrespondenzzeichen dem Text vorangestellt war, nutzten die Zeitungen etwa seit Ende der 1870er/ Anfang der 1880er Jahre vermehrt Wendungen, die auf eine feste Verbindung zu der Person des Korrespondenten hindeuteten330 . Während das BT sich 1877 noch darauf beschränkte, eine Meldung als »Privattelegramm des BT« zu kennzeichnen, unter die Rubrik »Spezial-Telegramme des Berl. Tageblatts« zu setzen oder mit den Worten einzuleiten »Man schreibt uns« bzw. »Wie man uns mittheilt«, ging es seit 1878 vermehrt zu Formulierungen über wie »schreibt unser Wiener ◻-Korrespondent«, »Von unserem Korrespondenten« oder »Privatdepesche unseres Londoner Z-Korrespondenten«331 . Während bei der Auszeichnung »Originalbericht des Berliner Tageblatts« der Erstabdruck 328 329 330 331
Levysohn an Rosenberg, Grünberg, 3.10.1865, GStA PK, III. HA MdA I, Nr. 9053/1. Ibid. So zum Beispiel im BT, Abend-Ausgabe, 13.8.1883. Stichproben des BT, Morgen-Ausgabe, aus den Jahren 1878, 1879 und 1880 aus dem frei zugänglichen Angebot ZEFYS der Staatsbibliothek Berlin, http://zefys.
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des Artikels im Fokus stand, die Beziehung der Zeitung zu dessen Urheber aber nicht thematisiert wurde, können die zuvor genannten Beispiele als Hinweise auf das Korrespondentennetz der Zeitung interpretiert werden: Nicht irgendeine anonyme Person schrieb, sondern der feste Korrespondent des Blattes. Es ging nicht allein darum, mit Nachrichten aus ganz Europa versehen zu werden, sondern auch darum, wer diese einsandte, in welcher Beziehung die Zeitung zu dieser Person stand. Der eigene, ständige Korrespondent wurde zum Qualitätskriterium einer guten Zeitung. Beispiele für solche ständigen Korrespondenten sind etwa Johannes Meissner und Max Nordau. Max Nordau (1849–1923), der vor allem als Sachbuchautor und in seiner Rolle als einer der bekanntesten Vertreter und Promotoren des Zionismus in der Forschungsliteratur Beachtung fand, hier aber nur in seiner Eigenschaft als langjähriger Korrespondent der VZ interessiert, wurde als Sohn deutschsprachiger Juden in Pest geboren. Schon als 14-Jähriger strebte er eine Karriere als Schriftsteller an und verfasste Feuilletons und Lokalnachrichten für Periodika seiner Heimatstadt, darunter den auch überregional bekannten »Pester Lloyd«. Er konnte nicht nur sein Medizinstudium mit seinen journalistischen Arbeiten finanzieren, sondern auch seine Eltern finanziell unterstützen und die Mittel für eine zweijährige Bildungsreise ansparen. Anfangs scheint er die Rollen des Dichters und des Journalisten nicht sauber voneinander getrennt zu haben – in den von seiner späteren Frau herausgegebenen Erinnerungen wird kolportiert, er habe sich überrascht gezeigt, dass die »Vermischten Nachrichten« wahr sein müssten, und unter dieser Rubrik auch erfundene Geschichten platziert. Der Redakteur des »Pester Lloyd« schätzte seine Arbeit nach einigen Jahren aber so hoch, dass er Nordau nicht nur monatlich 200 Gulden bezahlte, sondern ihm auch die Berichterstattung über die Wiener Weltausstellung 1873 anvertraute und sein Gehalt in dieser Zeit verdoppelte332 . Während der sechs Monate in Wien hatte Nordau die Gelegenheit, das gesamte Repertoire des Journalismus zu trainieren. Er bewegte sich »zwischen den Extremen von Sozialreportage und Hofberichterstattung«333 , schrieb feuilletonistische Artikel und sandte regelmäßig Depeschen an seine Zeitung, von denen etliche von anderen Zeitungen nachgedruckt wurden334 . Da der »Pester Lloyd« zu den bedeutenderen Zeitungen Österreich-Ungarns gehörte, hatte Max Nordau als dessen Korrespondent Zugang zu den Hoffeierlichkeiten und konnte Kontakte zur »Neuen Freien Presse« knüpfen, deren Redaktion ihm den Budapester Kor-
332
333 334
staatsbibliothek-berlin.de/list/title/zdb/27646518/?no_cache=1 (Zugriff am 20.6.2017). Symbole oder Buchstaben (manchmal handelte es sich um die Initialen des Korrespondenten, oft aber nicht) wie die hier benutzten waren im 19. Jahrhundert typische Kürzel. Christoph S, Psychopathologie des Fin de siècle. Der Kulturkritiker, Arzt und Zionist Max Nordau, Frankfurt a. M. 1997, S. 51; Max N, Erinnerungen. Erzählt von ihm selbst und der Gefährtin seines Lebens, Leipzig 1928, S. 40–45. S, Psychopathologie, S. 58. N, Erinnerungen, S. 43.
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respondentenposten antrug335 . Außerdem machte er in Wien Bekanntschaften, von denen er später profitierte, etwa bei der Mitarbeit an einer Göteborger Zeitung, deren Redakteur er in Wien kennengelernt hatte336 . Nach dem Ende der Weltausstellung brach er Mitte November 1873 zu einer großen Bildungsreise quer durch Europa auf337 . Seine Reisekasse besserte er immer wieder durch den Abdruck von Reiseberichten im »Pester Lloyd« auf und verpflichtete sich bei seinen Reisen nach Russland und Island als dessen Spezialkorrespondent338 . Der Zweck seiner Reise war aber kein journalistischer, sondern das Sammeln von Erfahrungen, Eindrücken und Bekanntschaften339 . Nordau profitierte nicht nur finanziell, sondern auch sozial von seiner Tätigkeit für den »Pester Lloyd«, die ihm Privilegien wie den Zugang zu offiziellen Empfängen in Russland verschaffte und seinen Namen als den eines fähigen Feuilletonisten bekannt machte340 . Im November 1875 kehrte er nach Pest zurück, wurde Feuilletonredakteur beim »Pester Lloyd« und schloss sein Studium mit dem Doktorgrad ab. Während Nordau mit seinem Gehalt und seiner finanziellen Situation zufrieden war, frustrierten ihn die sozialen und kulturellen Bedingungen in Budapest. Er bemühte die auf seiner Bildungsreise geknüpften Kontakte, um sich andernorts eine Stelle zu verschaffen. Seinen Freund Auerbach, der sich mit seinen Schwarzwälder Dorfgeschichten ein gewisses Renommee als Schriftsteller erschrieben hatte, fragte er: »Braucht die ›Allgemeine Zeitung‹, braucht ein großes Berliner Blatt keinen internen Mitarbeiter oder, was mir viel lieber wäre, keinen Londoner, Pariser, Madrider, Römer Correspondenten? Ich würde Alles annehmen, denn mein Pester Aufenthalt ist mir unleidlich«341 . Die in diesem Zitat zum Ausdruck kommende hohe Bereitschaft zu internationaler Mobilität und die Bevorzugung eines Korrespondentenpostens gegenüber der Stelle eines Redakteurs waren sicher nicht zeittypisch, besonders Letzteres kann aber doch als Indiz für die Aufwertung des Korrespondentenberufs im letzten Drittel des Jahrhunderts gelesen werden. 335
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338 339 340 341
Verzeichnis der Berichterstatter ungarischer u. ausländischer Journale, bei Falke an Unger, Wien, 6.4.1873, AT-OeStA/HHStA PL 27; zum Angebot der »Neuen Freien Presse« S, Psychopathologie, S. 59, zur Bedeutung des »Lloyd« Petronilla E, Die »reichsweite« Presse in der Habsburgermonarchie, in: R, U (Hg.), Politische Öffentlichkeit, S. 1715–1818. S, Psychopathologie, S. 388; N, Erinnerungen, S. 62f. Nordau bereiste zunächst Deutschland von Darmstadt bis Berlin, machte einen Abstecher nach Russland und wandte sich anschließend nach Skandinavien, wo er in Göteborg, Stockholm und Kopenhagen Station machte. Einen längeren Aufenthalt in London unterbrach er für eine Reise nach Island, blieb mehrere Monate in Paris, bevor er über Belgien, Deutschland und Südfrankreich nach Spanien und Italien aufbrach, ibid., S. 52– 86; S, Psychopathologie, S. 60–74. N, Erinnerungen, S. 52–57. Ibid., S. 79, 81. Ibid., S. 43, 71–73; S, Psychopathologie, S. 388. Nordau an Berthold Auerbach, Pest, 1.1.1876, DLA, A: Auerbach, Z 3452/1–6.
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Schon im Mai 1876 übersiedelte Nordau nach Paris, das er schon während seiner Bildungsreise kennengelernt hatte, und verdingte sich als freier Schriftsteller. Er publizierte sein erstes Buch und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Feuilletons und Artikeln für die FZ, das »Neue Pester Journal« und andere Zeitungen. Als Journalist war er mittlerweile so bekannt, dass ihm 1878 mehrere Blätter die Berichterstattung über die Pariser Weltausstellung anboten342 . Weil ihn der »Journalismus mit seiner Zersplitterung« aufrieb, kehrte er für einige Zeit nach Budapest zurück, um als Arzt zu arbeiten und Dramen zu schreiben. Bereits im August 1880 wanderte er endgültig mit dem Plan nach Paris aus, dort als Arzt, Journalist und Schriftsteller zu arbeiten – ein Dreiklang, der ein Grundmaß an materieller Sicherheit mit der für das literarische Schaffen notwendigen Freiheit kombinierte und den er sein Leben lang beibehielt343 . Anfangs konnte er wieder seine alte Verbindung zum »Pester Lloyd« nutzen, der ihm sogar ein monatliches Fixum von 200 Franc in Aussicht stellte – üblicherweise wurden deutsche Korrespondenten nach Zeilenhonorar bezahlt344 . Während einer literarischen Vortragsreise nach Berlin vermittelte ein alter Bekannter den Kontakt zu Friedrich Stephany, dem Chefredakteur der VZ, der Nordau den Posten des Pariser politischen Korrespondenten anbot345 . Er nahm an und blieb von 1881 bis 1914 der Frankreich-Korrespondent des Blattes. Nachdem er 1882 auch in Frankreich die Approbation als Arzt erlangt hatte, praktizierte er nebenberuflich, aber aus Überzeugung bis zum Ausbruch des Krieges in seiner eigenen Praxis, wo er nicht nur Kollegen behandelte, sondern auch die Angehörigen der deutschen Botschaft346 . Dort war Nordau als Korrespondent der VZ bekannt, in den Botschaftsakten spielt er aber kaum eine Rolle: Er sei weniger franzosenfeindlich als sein Freund von Huhn, habe aber nicht die »impartialité« der FZ347 . Auch wenn es aus den Akten nicht deutlich wird, dürfte dennoch seine journalistische Tätigkeit von seiner Rolle als Botschaftsarzt profitiert haben. Nordau pflegte Kontakte zu anderen Auslandskorrespondenten, ging regelmäßig zu deren Stammtischen in der Brauerei Pousset, gehörte der APE an, deren Vorsitzender er einige Zeit war, und war mit dem Korrespondenten der »Kreuzzeitung« Eugen von Jagow eng befreundet – trotz der politischen Kluft, die die Zeitungen der beiden voneinander trennte348 . Während er am Korrespondentenberuf vor allem schätzte, dass er ihm bei relativer Ortsunabhängigkeit ein zuverlässiges Einkommen sicherte – im Falle einer Ausweisung würde er von jedem anderen 342 343 344 345 346 347 348
S, Psychopathologie, S. 81–89; N, Erinnerungen, S. 94–96. Ibid., S. 108; S, Psychopathologie, S. 100. Ibid. Ibid., S. 103f.; N, Erinnerungen, S. 109. S, Psychopathologie, S. 391. Er wird selten und nur beiläufig erwähnt: Münster an Bismarck, Paris, 25.6.1888, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1199. N, Erinnerungen, S. 140–142; S, Psychopathologie, S. 106.
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Ort aus sofort wieder als Journalist arbeiten können, wohingegen der Aufbau einer florierenden Arztpraxis Jahre dauern würde –, galten seine Ambitionen seinen literarischen Werken sowie dem Engagement für den Zionismus349 . Wahrscheinlich mehr aus Neigung denn aus Geldmangel verfasste Nordau zusätzlich regelmäßig Feuilletons für die Wiener »Neue Freie Presse«. Aus dem Gehalt der VZ hatte er sich ein solides Vermögen zusammengespart, das er jedoch Anfang der 1890er Jahre durch eine fehlgeschlagene Börsenspekulation verlor, woran sein Plan scheiterte, sich in Berlin als Privatier ganz der Schriftstellerei zu widmen350 . Über sein Verhältnis zu seiner Zeitung ist nicht viel bekannt. Er wurde in der Redaktion offenbar geschätzt, denn er war einer der wenigen Korrespondenten, die in der Festschrift von 1904 namentlich erwähnt wurden351 , auch ließ sich der Verleger Lessing von Nordau persönlich über die Pariser Weltausstellung von 1889 führen352 . Der Beruf des Journalisten und seine Arbeit für die VZ dienten dem Gelderwerb, einen zentralen Platz in seinem Selbstverständnis nahm weder das eine noch das andere ein353 . Als Nordau im September 1914 nach dem Ausbruch des Krieges gezwungen war, Frankreich zu verlassen, brach der Kontakt zur VZ ab354 . Weder von Spanien oder Portugal, noch von London aus schrieb er wieder für die Zeitung, offenbar auch, weil sich die politischen Ansichten von Korrespondent und Zeitung auseinanderentwickelt hatten. Als Nordaus Witwe, die durch den Verlust des Vermögens während des Krieges weitgehend mittellos zurückblieb, bei den Herausgebern des Blattes 1923 um eine Witwenrente bat, ließ man sie kühl abblitzen und verwies darauf, dass Nordau schon seit mehreren Jahren nicht mehr für das Blatt gearbeitet hatte355 . Trotz der mehr als dreißig Jahre währenden Zusammenarbeit, die aufgrund der Bekanntheit Nordaus als Schriftsteller für das Blatt ein Aushängeschild gewesen sein muss, endete im Herbst 1914 auch jegliches Verpflichtungsgefühl der Zeitung für ihren Korrespondenten. Max Nordaus Beziehung zur VZ mit ihrer langjährigen festen Bindung, die jedoch mit dem Abdruck seiner Artikel endete, markiert einen Übergangszustand zwischen der unverbindlichen Zusammenarbeit zwischen Zeitung und Korrespondent, die in der Phase zwischen 1848 und den 1870er Jahren vorherrschte, bei der auch jahrzehntelange Mitarbeiter nur nach abgedruckten Zeilen honoriert wurden und das Zeitungsunternehmen keine langfristigen Verpflichtungen etwa in Form einer Rente für seine Korrespondenten übernahm,
349 350 351 352 353 354 355
Ibid., S. 105f., 114. Ibid., S. 193. B, Die Vossische Zeitung, S. 186. N, Erinnerungen, S. 141; S, Psychopathologie, S. 385–399. Ibid. N, Erinnerungen, 270f.; S, Psychopathologie, S. 349. N, Erinnerungen, S. 277f.
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und der Etablierung des festen Angestelltenverhältnisses zwischen Zeitung und Korrespondent, das sich seit dem Ende der 1870er Jahre mehr und mehr durchsetzte und von starker gegenseitiger Loyalität sowie einer engen und dauerhaften Verbindung geprägt war, die etwa in Form einer Rente auch über das Ende der Arbeitsbeziehung hinausreichte. Eines der frühesten Beispiele für diesen neuen Typus ist Johannes Meissner, Wiener Hauptkorrespondent der KöZ zwischen 1885 und 1905. Johannes Meissner (1847–1918), Sohn eines pommerschen Papierfabrikanten, studierte in Halle und Berlin Jura und Philosophie. Nach der Teilnahme am Deutsch-Französischen Krieg promovierte er 1871 über Shakespeare und kehrte zunächst in seinen Geburtsort zurück, von wo aus er noch einige literaturwissenschaftliche Aufsätze publizierte. Was er in dieser Zeit beruflich machte, ist unbekannt. 1873 übersiedelte Meissner als Feuilletonredakteur und Weltausstellungsberichterstatter der »Deutschen Zeitung« nach Wien, nachdem er im Februar und März des Jahres in dieser Zeitung einige Feuilletonartikel aus Venedig publiziert hatte356 . Möglicherweise ging dem Aufenthalt in Venedig eine Reise ins Osmanische Reich voraus, jedenfalls wurde Meissner von der »Deutschen Zeitung« als Berichterstatter über den bulgarischen Aufstand und die Konferenz der Großmächte 1876/77 nach Konstantinopel entsandt357 . Auf dem Posten des Feuilletonredakteurs blieb Meissner, bis er 1885 der Korrespondent der KöZ wurde358 . Aus welchen Gründen und auf welche Weise dieser Wechsel zustande kam, ist nicht bekannt, ebensowenig, ob er vorher schon für auswärtige Blätter korrespondierte. Meissner war zwar nicht der einzige Wiener Korrespondent der Zeitung, er wurde aber in den Presseübersichten, die die deutsche Botschaft in Wien anfertigte, seit Mitte der 1890er Jahre als deren Hauptvertreter gehandelt und war namentlich auch für die politische Berichterstattung zuständig359 . Die anderen dort erwähnten Korrespondenten des Blattes wurden offenbar nur gelegentlich ergänzend für die Berichterstattung über bestimmte Themen herangezogen360 . Über seine Arbeit als Korrespondent ist recht wenig überliefert. Obwohl der deutsche Botschafter in Wien, Heinrich zu Reuß, im Mai 1887 nach Berlin meldete, der »Hauptzorn« der Wiener Regierung richte sich derzeit gegen 356 357 358 359
360
Johannes M, Vom Carneval in Venedig, in: Deutsche Zeitung, 6.3.1873, Morgenblatt, S. 1, sowie 28.2.1873, Morgenblatt, S. 2f. So die Empfehlungsschreiben von Falke an Botschaftsrat Gabriel von Herbert-Rathkeal in Konstantinopel, Budapest, 1.6.1876, sowie Wien, 29.11.1876, AT-OeStA/HHStA PL 33–35. H. M, Art. »Johannes Friedrich Meissner«, in: Österreichisches Biographisches Lexikon, Bd. 6 (1974), S. 201f.; so auch der Nachruf in: Neue Freie Presse, 6.3.1918, S. 8. Im Pressebericht der Botschaft Wien ist vermerkt, dass er »für Politik, Feuilleton, Theater etc. Auch für Orientpolitik« zuständig sei: Übersicht über die österreichischen Preßverhältnisse, 1896, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48. Ibid. Über die der Botschaft bekannten Nebenkorrespondenten Max Dietz, Kommerzienrat Videcky und Josef Münz ist sonst nichts weiter bekannt.
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Meissner, gibt es kein umfangreiches Dossier über ihn in den Akten der Wiener Preßleitung361 . Der Zorn scheint schnell verraucht zu sein, nur ein Jahr später findet sich sein Name im »Verzeichniß jener Repräsentanten der auswärtigen Presse, welche bei Zulassung zu den bevorstehenden Hoffestlichkeiten nach Thunlichkeit zu berücksichtigen wären«362 . Während Meissner 1887 offensichtlich noch keine näheren Beziehungen zu deutschen Diplomaten hatte363 , war er der Wiener Preßleitung zwei Jahre darauf aufgrund »seiner confidentiellen Thätigkeit bei der deutschen Botschaft« bekannt364 . Deren Urteil über ihren Vertrauensmann fiel durchaus zwiespältig aus: Er nehme es »mit der Wahrheit nicht sehr genau«, treffe »aber auch wohl zuweilen das Richtige [. . . ], wenn er über die politische Wirtschaft des Herrn Minister-Präsidenten« spreche365 . Er sei zwar »gesellschaftlich etwas unbeholfen, jedoch politisch nicht unbegabt«366 . Das Urteil über Meissners politische Begabung revidierte Botschaftssekretär Botho von Wedel zwar mit der Bemerkung, sein politisches »Unterscheidungsvermögen« sei nicht eben groß, allerdings schätzte Wedel sein in langjähriger Erfahrung angeeignetes Wissen über die politischen Kreise Wiens. Außerdem nutzten die deutschen Diplomaten den Korrespondenten, um die Absichten des österreichischen Außenministeriums in Erfahrung zu bringen, wo Meissner seit den 1880er Jahren regelmäßig Informationen erhielt – die nach Einschätzung Wedels weniger den Tatsachen entsprachen als dem Bild, das man am Ballhausplatz der deutschen Diplomatie zu vermitteln wünschte367 . Darüber hinaus unterstützte er die Botschaft zeitweise bei der Erstellung der Übersichten über die österreichische Presse368 . Meissners 1905 bevorstehende Pensionierung betrachtete die Botschaft als einen Verlust, denn er sei stets loyal gewesen und habe »immer betont, daß er [. . . ] die Unterstützung der Reichspolitik als vornehmste Aufgabe seiner Berichterstattung betrachte«369 . Diese Haltung entsprach, so versicherte zumindest der Korrespondent, den Direktiven seiner Redaktion, die ihn allerdings mitunter als zu austrophil einschätzte370 . 361 362 363
364 365 366 367 368 369 370
Reuß an Berchem, Wien, 19.5.1887, PA AA, RZ 201, Österreich 86 Nr. 3, R 8773. Verzeichniß jener Repräsentanten [. . . ], 27.9.1888, AT-OeStA/HHStA PL 61. Die Formulierung des Berichts, es handle sich um »einen gewissen Meißner«, legt dies jedenfalls nahe: Heinrich zu Reuß an Berchem, Wien, 19.5.1887, PA AA, RZ 201, Österreich 86 Nr. 3, R 8773. So der Bericht vom 15.1.1889, AT-OeStA/HHStA PL 62. Reuß an Berchem, Wien, 19.5.1887, PA AA, RZ 201, Österreich 86 Nr. 3, R 8773. Übersicht über die österreichischen Preßverhältnisse, 1896, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48. Wedel an Bülow, Wien, 1.10.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1652, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1210. Essay über die Wiener Presse von Johannes Meissner, Wien, November 1902, PA AA, RAV Wien, Ab, Wien 48. Wedel an Bülow, Wien, 1.10.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1652, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1210. Ibid.
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Schon Meissners langjährige Dienstzeit zeigt, dass die Redaktion der KöZ ihn grundsätzlich schätzte, jedoch mehrte sich offenbar die Kritik an seinem journalistischen Stil. Seine Pensionierung erfolgte nicht allein aus Alters- oder Gesundheitsgründen, sondern auch, weil man in Köln nicht mehr mit seiner Berichterstattung zufrieden war. Der Kölner Konsul Lippert brachte in Erfahrung, dass die Redaktion ihm vorwarf, »zu wenig in der Welt herumgekommen zu sein«371 . Auch arbeite er »nicht nach einem leitenden Gesichtspunkte« – ein Vorwurf, der wohl Wedels Urteil von Meissners Kritiklosigkeit und seinem fehlenden politischen Talent entsprach, was sich nicht mehr recht mit dem journalistischen Konzept der KöZ vertrug. Darüber hinaus war Meissner den Redakteuren in Köln zu »kleinlich«, zu detailverliebt und zu langatmig, ohne sich »über die springenden Punkte hinreichend zu äußern«372 . Ob diese Kritikpunkte auch Meissner gegenüber geäußert wurden und was dieser davon hielt, ist nicht überprüfbar – er selbst ging davon aus, dass die »Berichterstattung über die endlosen innerpolitischen Zänkereien der Donau-Monarchie« die Leser nur mäßig interessierte –, offenbar reiste aber ein Redaktionsmitglied nach Wien, um mit ihm die Frage der Pensionierung vorab zu besprechen373 . Schon diese Geste spricht Bände über die Haltung der Zeitung ihrem Hauptkorrespondenten gegenüber. Ein langjähriger, geschätzter Mitarbeiter wurde nicht einfach mit einem Kündigungsschreiben abgespeist oder – wie frühere Mitarbeiter der AZ, die nicht mehr den der Redaktion genehmen Ton trafen – durch kommentarloses Nichtabdrucken eingesandter Artikel auf Distanz gebracht, sondern frühzeitig durch ein persönliches Gespräch auf die bevorstehende Verabschiedung in den Ruhestand vorbereitet374 . Ein noch stärkeres Indiz für den Wandel in den Beziehungen zwischen Zeitung und Korrespondent ist die Tatsache, dass Meissner nicht gekündigt, sondern pensioniert wurde. Selbst langjährige Korrespondenten der AZ verschwanden einfach aus den Geschäftsbüchern, wenn sie nicht mehr arbeiteten; bei der KöZ, die in den 1850er und 1860er Jahren ebenfalls nur tatsächlich Gedrucktes honorierte, dürfte die Praxis bis in die 1870er Jahre ähnlich gewesen sein. Als Johannes Meissner im April 1905 in den Ruhestand versetzt wurde, wurde er dafür mit einer lebenslangen Pension von jährlich 7000 Mark entschädigt375 . Auf diese Weise übernahm die Zeitung nicht allein soziale Verantwortung für ihren ehemaligen Korrespondenten, sondern blieb gewissermaßen weiter mit ihm verbunden. Dieses Modell der betrieblichen Altersversorgung für Korrespondenten war um die Jahrhundertwende im Deutschen Reich noch nicht sehr weit verbreitet; auch 371 372 373 374 375
Bericht des Generalkonsuls zu Köln Lippert an Szögyeny, Köln, 6.5.1903, ATOeStA/HHStA PL 122. Ibid. So kolportiert es Wedel: Wedel an Bülow, Wien, 1.10.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1652, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1210. Das Gespräch wurde mindestens ein halbes Jahr vor Meissners Pensionierung zum 1. April 1905 geführt, ibid. Ibid.
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Meissner hatte sich nicht allein auf die Fürsorge der KöZ verlassen, sondern zusätzlich in den Pensionsfonds der Wiener Journalistenvereinigung Concordia eingezahlt, so dass er in den Genuss von zwei Renten kam376 . Zumindest bei den größeren Blättern wie KöZ oder FZ war aber eine betriebliche Altersversorgung der Redakteure schon seit Mitte der 1860er Jahre üblich377 . Die KöZ scheint hinsichtlich der Altersversorgung ihrer langjährigen Korrespondenten eine Vorreiterrolle eingenommen zu haben; wenngleich nur wenige Fälle tradiert sind, lässt sich zumindest festhalten, dass die Korrespondenten in der Regel entweder bis zu ihrem Tod arbeiteten oder keine Pension von ihrer Zeitung ausgezahlt bekamen. In diese Richtung deuten auch die Bemühungen der Korrespondentenvereine, für ihre Mitglieder Kranken-, Renten- und Hinterbliebenenversicherungen zu etablieren378 . Max Nordaus Witwe, die nach dem Tod ihres Mannes vergeblich eine Rente von dessen langjährigem Arbeitgeber einforderte, war offenbar kein Einzelfall. Auch der Witwe seines Freundes Eugen von Jagow, der mindestens von 1883 bis zu seinem Tod im Januar 1905 als ParisKorrespondent der »Kreuzzeitung« arbeitete, wurde offenbar keine Pension ausgezahlt. Sie versuchte zunächst, die Arbeit ihres Mannes weiterzuführen und auf diese Weise selbst den Lebensunterhalt der Familie zu verdienen. Als die »Kreuzzeitung« dies mit der Begründung verweigerte, dass sie prinzipiell keine weiblichen Korrespondenten beschäftige – was nur konsequent war, wenn man berücksichtigt, dass das Blatt nach anderen Quellen ausschließlich ehemalige Offiziere für diese Tätigkeit heranzog –, wandte sich Jagows Witwe mit der Bitte um Unterstützung an die deutsche Botschaft in Paris. Bis auf die Vermittlung der Unterbringung ihrer Tochter im Kaiserin-Augusta-Stift in Potsdam und kleinere Geldbeträge zur Deckung von Reisekosten finden sich aber keine Belege für eine dauerhafte Unterstützung379 . Abgesehen von der Pensionsfrage ähneln sich die Berufsbiografien von Max Nordau und Johannes Meissner in mehreren Bereichen. Beide hatten ihrer eigentlichen Berufstätigkeit eine – im Falle des ersteren sehr ausgedehnte, im Falle des zweiten eher knapp gefasste – Bildungsreise vorausgehen lassen, beide waren als Feuilletonredakteure in den Journalistenberuf eingestiegen, für beide stand die Wiener Weltausstellung von 1873 am Beginn ihrer Karriere (was auch ein Schlaglicht auf die Bedeutung solcher Medienereignisse als Schrittmacher 376 377 378
379
Meissner an Martin Greif, Wien, 18.2.1908, UB LMU, Nachlass M. Greif. R, Journalismus als Beruf, S. 219–222. Die FPA dachte seit 1913 darüber nach, umgesetzt wurde ein Pensionsfonds jedoch erst Anfang der 1920er Jahre: Protokolle der General Meetings vom 25.4.1913, 30.3.1920 und 22.3.1921, FPA A, Committee Meetings File. Auch der VAP Berlin richtete erst Ende der 1920er Jahre einen Wohlfahrtsfonds zugunsten in Not geratener Mitglieder ein und schloss eine kollektive Unfallversicherung ab: RAMar, SE/RA/770176, B I: 1; RAMar, SE/RA/770176, B I: 1 sowie RAMar, SE/RA/770176, F II: 1. Hierzu Mühlberg an Radolin, Berlin, 11.1.1905; Flotow an Bülow, Paris, 24.1.1905; Richthofen an Radolin, Berlin, 20.3.1905; Radolin an Bülow, Paris, 23.6.1905, sowie weitere Stellen in PA AA, RAV Paris, 343.
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des Journalismus wirft), beide hatten literarische Ambitionen und beide blieben (fast) ihr gesamtes Leben lang in gleicher Funktion tätig: Nordau arbeitete über 30 Jahre als Korrespondent der VZ in Paris und hatte nach September 1914 keinen vergleichbaren Posten mehr inne, Meissner war rund 20 Jahre lang Wiener Korrespondent der KöZ. Bei der folgenden Journalistengeneration ergab sich in dieser Hinsicht zunehmend ein anderes Bild: Meissners Nachfolger Hans Bungers (geb. 1869) etwa hatte nach seinem Studium zunächst im Historischen Archiv zu Köln gearbeitet, bevor er 1898 in die Redaktion der KöZ wechselte. 1902 bis 1904 schickte ihn seine Zeitung als Korrespondent nach Rom, von wo aus er sich um die Nachfolge Meissners in Wien bewarb. Die KöZ versetzte ihn daraufhin tatsächlich in die österreichische Hauptstadt und verband damit die Hoffnung auf eine selbstständigere Beurteilung der österreichischen Politik und »absolute Objectivität« der Berichterstattung380 . Bungers blieb mindestens bis Januar 1915 auf diesem Posten, obwohl sich der Redakteur Müllendorff mitunter über die »ziemlich wahllose Massen-Telegraphiererei des Wiener Korrespondenten Dr. Bungers« beklagte und bemängelte, dass dieser nicht zwischen lokal und allgemein interessierenden Fragen unterscheiden könne381 . Das Urteil der deutschen Botschaft in Wien dagegen lautete kurz und bündig »sehr anständig«382 . Über seine weitere Karriere ist nichts bekannt. Auch der Korrespondent des BT Otto Brandes (geb. 1844) verbrachte nicht seine gesamte Laufbahn an einem Ort. Er diente 1870/71 als Soldat und arbeitete danach einige Zeit als Sekretär der deutschen Botschaft in Rom. Angeblich aufgrund seiner liberalen politischen Haltung verlor er die Stelle und ging nach Berlin, wo er wiederum als Sekretär arbeitete – ob im Staatsdienst, ist unbekannt. Als das BT ihm die auch finanziell attraktive Stelle des Pariser Korrespondenten anbot, nahm er dankend an383 . Ob er sich schon früher als Journalist betätigt hatte, ein Studium absolvierte oder vor dem Militärdienst noch einen anderen Beruf ausübte, ist unbekannt. Ab 1883 arbeitete er jedenfalls hauptberuflich als Korrespondent des BT in Paris. Offenbar identifizierte er sich auch mit diesem Beruf, denn kurz nach deren Gründung trat er 1884 der APE bei384 . Sein Korrespondentenposten ermöglichte ihm ein gutes Auskommen, denn 1893 bewohnte er eines der elegantesten Häuser in der Rue de la Concorde in Asnières, einem Vorort von Paris385 . Nach seiner Ausweisung aus Frankreich Ende März 1893 ging Brandes zunächst nach Berlin, von wo aus er auf telegrafischem Wege mit seiner Frau beratschlagte, wohin die 380 381 382 383 384 385
Lippert an Gołuchowski, Köln, 4.2.1905, AT-OeStA/HHStA PL 122. Tschinkel an Jettel, 29.6.1908, AT-OeStA/HHStA PL 122. Übersicht über die österreichische Presse, bei Kiderlen an Metternich, Berlin, 8.3.1911, PA AA, RAV London, 1332. So gibt es zumindest B, Expulsion d’un journaliste allemand, an. Liste des correspondants de journaux étrangers. Membres de l’Association [1884], AssN, Congrès du 4 au 13 août 1884 (Révision des lois constitutionnelles), 12 P 195. B, Expulsion d’un journaliste allemand.
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Familie sich wenden sollte – eine Rückkehr nach Paris schien beiden nicht mehr möglich386 . Während Brandes und seine Frau eine Versetzung nach Rom oder Berlin bevorzugt hätten, entschied die Leitung des BT, dass er nach London gehen sollte. Sein Aufbruch in die britische Hauptstadt wurde schon für den 9. April angesetzt, keine zwei Wochen nach seiner Abreise aus Frankreich387 . Bis die ersten Telegramme des »ß-Korrespondenten«388 erschienen, vergingen allerdings noch einige Wochen. Brandes’ rasche Versetzung deutet darauf hin, dass der Posten eigens für ihn geschaffen wurde, obwohl das BT bereits einen Korrespondenten in London beschäftigte – zumindest publizierte die Zeitung im Januar 1893 einen Leitartikel über »England an der Jahreswende«, aus London datiert und etikettiert als »Von unserem Korrespondenten«389 . Auch erschienen im März und April 1893 Artikel aus London unter einem anderen Korrespondenzzeichen. Dass die Zeitung so schnell eine Lösung für Brandes’ Problem schuf, deutet wie in den vorigen Beispielen auf eine ausgeprägte Loyalität zu ihrem Korrespondenten hin. 2.2 Journalistische Leuchttürme: Auslandskorrespondenten als Chefredakteure in spe Dass die Verbindung zwischen Zeitung und Auslandskorrespondent tendenziell enger wurde, wird auch durch die Tatsache untermauert, dass einige Zeitungen – und zwar besonders jene, die als Vorreiterinnen und Aushängeschilder eines modernen Journalismus galten und auch wirtschaftlich sehr erfolgreich waren – ihre (Chef-)Redakteure immer wieder aus den Reihen ihrer Auslandskorrespondenten rekrutierten. Die KöZ etwa holte ihren Pariser Korrespondenten Arthur von Huhn zunächst als Frankreich-Redakteur nach Köln, später erhielt er den für das Blatt zentralen Posten des Hauptstadtkorrespondenten390 . Auch die FZ machte mit Bernhard Guttmann einen früheren Auslandskorrespondenten zum Leiter ihres Berliner Büros, eines Postens, der gerade für die großen politischen Tageszeitungen, die ihren Sitz nicht in der deutschen Hauptstadt hatten, besonders wichtig war und dessen Inhaber in der internen Hierarchie der Zeitung oft direkt auf den Chefredakteur folgte. Fritz Schotthöfer, der 386 387 388 389 390
Mary Brandes an Otto Brandes, Asnières, 3.4.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Otto Brandes an Mary Brandes, Berlin, 6.4.1893, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Das »ß« war schon in Paris Brandes’ regelmäßiges Korrespondenzzeichen gewesen: B, Expulsion d’un journaliste allemand. [. V.], England an der Jahreswende (Von unserem Korrespondenten), in: BT, 6.1.1893, S. 1. Siehe den Eintrag zu Huhn in Herrmann A. L. D (Hg.), Wer ist’s? Zeitgenossenlexikon, Leipzig 4 1909, S. 632, sowie S, Pressepolitik als Notwendigkeit, S. 62; Notiz zur Biografie von Huhns, Berlin, 3.2.1887, PA AA, RZ 201, Deutschland 122, Nr. 3, R 1199.
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mehrere Jahre Paris-Korrespondent der FZ war, nahm später eine zentrale Position in der Redaktion ein391 . Das BT besetzte ebenfalls wichtige Stellen mit Mitarbeitern, die sich zuvor im Außendienst bewährt hatten, zwischen 1876 und 1936 wurde es ausschließlich von ehemaligen Auslandskorrespondenten geleitet. Arthur Levysohn hatte als Korrespondent der KöZ mehrere Jahre lang zunächst aus Paris, später aus Wien berichtet, arbeitete dann fünf Jahre lang als Auslandsredakteur des BT und wurde 1876 zu dessen Chefredakteur befördert. Er reformierte das Blatt und trug dadurch entscheidend zu dessen Aufschwung bei – nicht zuletzt durch den Ausbau des Korrespondentenwesens. Als er 1906 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Posten zurücktrat, machte der Verleger Rudolf Mosse den langjährigen Pariser Korrespondenten des »Tageblatts«, Theodor Wolff, zum Chefredakteur – ohne dass dieser zuvor Erfahrungen als Redakteur gesammelt hatte. Wolff führte die Zeitung innerhalb kurzer Zeit zu Spitzenauflagen und großem Ansehen. Er leitete das BT, bis er im Februar 1933 vor den Nationalsozialisten ins Exil flüchten musste392 . Sein Nachfolger wurde wiederum ein erprobter Korrespondent des »Tageblatts«, Paul Scheffer, der lange Zeit aus Moskau, aber auch aus Den Haag, den Vereinigten Staaten und zuletzt aus London berichtet hatte und im Juli 1933 zunächst zur Leitung des Auslandsressorts in die Redaktion berufen worden war393 . Gerade die Korrespondentenposten an zentralen, besonders sensiblen Nachrichtenplätzen wie Paris oder London wurden für einige Journalisten zu Karrieresprungbrettern. Wer sich dort bewährte, qualifizierte sich für einen hochrangigen Posten in der Redaktion. Die schillerndste journalistische Persönlichkeit, die vor 1914 als Auslandskorrespondent deutscher Zeitungen gearbeitet hatte, war sicher der bereits erwähnte Theodor Wolff, der als Namensgeber des renommierten TheodorWolff-Preises auch unbestritten den größten Nachruhm aller hier untersuchten Korrespondenten hat394 . Seine Karriere, sein herausragender Erfolg als Chefredakteur und seine Anerkennung durch die politischen Eliten des Kaiserreichs 391
392
393 394
Robert H, Fritz Schotthöfer, in: Werner W u. a. (Hg.), Ein Jahrhundert Frankfurter Zeitung, in: Die Gegenwart. Eine Halbmonatsschrift 11 (1956) 272, S. 32– 34 (Sonderheft); Werner B, Demokratie des sozialen Rechts. Die Haltung der Frankfurter Zeitung, der Vossischen Zeitung und des Berliner Tageblatts 1918–1924, München 1969, S. XXI. Margrit B, Einleitung, in: D. (ed.), Theodor Wolff. Erlebnisse, Erinnerungen, Gedanken im südfranzösischen Exil, Boppard am Rhein 1992, S. 1–11, hier S. 5; Kurt K, Theodor Wolff. Die Brille des Feuilletonisten, in: Walter H, Arnulf K, Horst P (Hg.), Publizistik und politisches Engagement. Lebensbilder publizistischer Persönlichkeiten, Münster 1999, S. 448–452, hier S. 452; S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 217–237. Bärbel Holtz, Art. »Scheffer, Paul«, in: Neue Deutsche Biographie 22 (2005), S. 613. Der Theodor-Wolff-Preis wird jährlich vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger e. V. ausgeschrieben: Theodor-Wolff-Preis. Journalistenpreis der deutschen Zeitungen, http://www.bdzv.de/twp/ (Zugriff am 20.6.2017).
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und der Weimarer Republik machten ihn schon in den Augen seiner Zeitgenossen zu einer Lichtgestalt des deutschen Journalismus. Ihm wird hier Bernhard Guttmann an die Seite gestellt, der zwar weniger präsent in der Erinnerung der Nachwelt ist, im Urteil seiner Zeitgenossen jedoch ähnlich geschätzt war wie Theodor Wolff. Anders als dieser überlebte Guttmann das nationalsozialistische Regime und wurde später mit dem Bundesverdienstkreuz und der Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt ausgezeichnet395 . Beide waren weniger »typische« deutsche Auslandskorrespondenten in dem Sinne, dass sie stellvertretend für eine große Zahl von Kollegen standen, sondern vielmehr in ihrer Eigenschaft als herausragende Talente und (meist unerreichbare) Vorbilder eines Maßstäbe setzenden Qualitätsjournalismus396 . Die Biografien von Guttmann und Wolff können hier nicht umfassend dargestellt werden, der Fokus bleibt auf den Korrespondentenjahren, das weitere Wirken kann nur angerissen werden – auch wenn beide Journalisten ihre Bekanntheit gerade ihrer Arbeit in Berlin zu verdanken hatten397 . Wie sein Vorgänger beim BT Arthur Levysohn hatte auch Theodor Wolff »von der Pike auf gedient«398 . Anders als Levysohn hatte Wolff aber das Gymnasium ohne Abitur verlassen und dementsprechend auch kein reguläres Studium absolviert, seine fundierten geisteswissenschaftlichen Kenntnisse eignete er sich autodidaktisch sowie als Gasthörer an. Schon während seiner Schulzeit hatte er Theaterstücke geschrieben, eine Zeitung gegründet und als Berufswunsch Journalist angegeben. Trotz dieser publizistischen Interessen begann er 1887
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Verleihungsurkunde, IfZF, Verleihung der Goethe-Plakette am 23.7.1952, NL Guttmann, II AK 89/59 sowie den Eintrag zu Guttmann in: Walter H (Hg.), Wer ist wer? Berlin 1958, S. 415. Daran lehnt sich die Überschrift dieses Teilkapitels an: »Einmal pro Jahr vergibt das netzwerk recherche den Leuchtturm für besondere publizistische Leistungen. Er zeichnet außergewöhnliche Recherchen aus, die für den öffentlichen Diskurs von großer Bedeutung sind«. So netzwerk recherche e. V.: Leuchtturm, https://netzwerkrecherche.org/ stipendien-preise/leuchtturm/ (Zugriff am 20.6.2017). Zu Theodor Wolff gibt es mehrere umfangreiche Biografien: Gotthart S, Theodor Wolff und das »Berliner Tageblatt«. Eine liberale Stimme in der deutschen Politik 1906– 1933, Tübingen 1968; Birgit Z-W, Theodor Wolff und der Erste Weltkrieg 1914–1918. Ein Journalist zwischen Anpassung und Rebellion, Frankfurt a. M. u. a. 2005; S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung. Außerdem wurden viele seiner journalistischen Arbeiten und autobiografische Texte aus dem Nachlass publiziert: B (ed.), Theodor Wolff, sowie Bernd S (ed.), Theodor Wolff. Der Journalist. Berichte und Leitartikel, Düsseldorf 1993. Bernhard Guttmanns Biografie wurde bislang nur in kürzeren Arbeiten nachgezeichnet: Robert H, Über Bernhard Guttmann, in: Hans Jürgen S (Hg.), Journalisten über Journalisten, München 1980, S. 150–160; Kurt K, Bernhard Guttmann. Mahnung an die nächsten Generationen, in: D. (Hg.), Publizistik, S. 453–456, ferner Dolf S, Bernhard Guttmann zum Gedächtnis, in: D. (Hg.), Gang zwischen Meistern, Frankfurt a. M. 1987, S. 327–338. K, Berühmte israelitische Männer, S. 156, wobei mit der »Pike« in diesem Fall der Korrespondentenposten in Paris gemeint war.
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eine kaufmännische Ausbildung im Verlagshaus seines Vetters Rudolf Mosse, der das BT verlegte. Schon bald publizierte er erste Feuilletons in dieser Zeitung und erreichte damit nach kurzer Zeit seinen Wechsel in die Redaktion399 . Dort scheint er sich bewährt zu haben, denn bereits im März 1888 wurde er mit seiner »erste[n] wichtige[n] journalistische[n] Mission« betraut, der Berichterstattung über den 99-Tage-Kaiser Friedrich III.400 Zwar dürfte er von seiner Verwandtschaft mit dem Verlagschef profitiert haben, diese Aufgabe wäre ihm aber wohl nicht übertragen worden, wenn er nicht schon vorher »einen Beweis seines Talents geliefert hätte«401 . Nachdem der Gegenstand seines journalistischen Auftrags verstorben war, arbeitete Wolff als Reisekorrespondent des BT. Zwischen 1888 und 1894 bereiste er Skandinavien, Italien und Griechenland, besuchte Konstantinopel und Tunis. Diese »Spazierfahrten« finanzierte er mit Reisefeuilletons402 . Wie im Fall von Max Nordau diente auch Theodor Wolff der Journalismus der Aufbesserung seiner Reisekasse und war nicht der eigentliche Zweck der Fahrten – abgesehen von den Reisen, die er im Auftrag des BT unternahm, etwa um über den Sommerurlaub Wilhelms II. zu berichten. Zwischen den einzelnen Reisen lebte er in Berlin, wo er Ausstellungen und Theateraufführungen rezensierte. Nebenbei verfasste er belletristische Werke, die aber nicht besonders erfolgreich waren, obwohl ihnen in diesen Jahren seine eigentlichen Ambitionen galten. Er war wohl so etwas wie ein fester freier Mitarbeiter des »Tageblatts«, der zwar kein festes Gehalt bezog, aber damit rechnen konnte, dass seine Beiträge regelmäßig und bereitwillig aufgenommen wurden und dass er gelegentlich als Spezialkorrespondent eingesetzt wurde403 . So wurde denn auch Theodor Wolff geschickt, als der Pariser Korrespondent seiner Zeitung, Otto Brandes, wegen der bevorstehenden Pariser Weltausstellung 1889 eine Hilfskraft anforderte. Nach eigener Einschätzung erhielt Wolff damals jedoch nur einen »mangelhaften und oberflächlichen Eindruck« von Paris, weil er »zu sehr an den Kreis von deutschen Korrespondenten gebunden blieb, die in einem Restaurant hinter der Oper viel Pilsener Bier tranken, täglich von dieser Erbauungsstätte zu der Deutschen Botschaft in der Rue de Lille gingen und höchstens an der Peripherie des Pariser Lebens vorbeistrichen«404 . Während dieser erste Aufenthalt in der französischen Hauptstadt weitgehend spurlos an Theodor Wolff vorbeigegangen zu sein scheint, prägten ihn die zwölf Jahre als fester Korrespondent des BT in Paris deutlich. Der Posten wurde ihm angeboten, nachdem Otto Brandes Ende März 1893 ausgewiesen 399 400 401 402 403 404
S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 23–34. Theodor W, La Terrasse in der Gascogne, in: B (ed.), Theodor Wolff, S. 14–218, hier S. 132; auch K, Der Chef-Redakteur, S. 31. Ibid. So nannte er selbst diese Reisen: W, La Terrasse, S. 145, auch S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 45–73. K, Der Chef-Redakteur, S. 32–34. W, La Terrasse, S. 145f.
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worden war. Brandes hatte kurz vor seiner Abreise noch rasch einen Vertreter organisiert – vermutlich ein befreundeter Korrespondent einer anderen Zeitung –, der die Berichterstattung offenbar interimistisch besorgte. Obwohl Wolff »natürlich sehr beglückt [war] über diese Entsendung auf einen der wichtigsten und schönsten Posten, die ein Journalist erstreben kann«, trat er seine neue Stelle erst im November 1894 an405 . Möglicherweise verzögerte der Tod seines Vaters die Abreise, vielleicht hatte auch zunächst ein anderer den Posten übernommen – das BT erhielt in der Zwischenzeit Meldungen aus Paris vom WTB und von einem »◻-Korrespondenten« –, jedenfalls kam Theodor Wolff pünktlich zum Beginn der Dreyfus-Affäre in Paris an406 . Ob es Konkurrenten gab und welche Eigenschaften ihn in den Augen des Verlegers für die Stelle qualifizierten, ist nicht bekannt. Was Letzteres betrifft, so war er breit aufgestellt: Schreibtalent bewies er regelmäßig in seinen Feuilletons, Kreativität in der Beschaffung von Informationen hatte er schon während der Berichterstattung über Friedrich III. an den Tag gelegt, seine Reisen und Studien dürften ihm eine breite Wissensbasis verschafft haben, und er knüpfte leicht Kontakte, so dass man davon ausgehen konnte, dass er sich auch in Paris bald Zugang zu solchen Personen würde verschaffen können, bei denen Informationen einzuholen wären407 . Die Berichterstattung über den französischen Justizskandal um den jüdischen Hauptmann Alfred Dreyfus begleitete Wolff während seiner gesamten Zeit als Pariser Korrespondent, denn ihren gerichtlichen Abschluss fand die Affäre erst im Juni 1906, wenige Monate vor Wolffs Übersiedlung nach Berlin. Entsprechend groß ist der Stellenwert der Dreyfus-Affäre in der Forschungsliteratur über Wolffs Pariser Jahre408 . Tatsächlich prägten ihn die Vorgänge um den fälschlicherweise der Spionage bezichtigten Hauptmann, durch die »sich die politische Überzeugung Theodor Wolffs für ein liberales, parlamentarisches System in einem demokratischen Staat« festigte409 . Während sein Interesse bis dahin vor allem Theater, Literatur und Kunst gegolten hatten, brachten ihn seine Aufgaben als Hauptkorrespondent des »Tageblatts« in enge Fühlung mit der Politik410 . Zwar war er bei seiner Ankunft in Paris »längst politisch, sozial und als Schriftsteller vorgeprägt«411 , aber die folgenden Jahre »formten Wolffs menschliche und journalistische Persönlichkeit voll aus« und an seiner 405 406 407 408 409 410 411
Ibid., S. 190. Zu Wolffs Dienstantritt K, Der Chef-Redakteur, S. 81f. Siehe dazu auch das noch folgende Unterkapitel zur journalistischen Arbeits- und Recherchepraxis. Bes. Z-W, Theodor Wolff, S. 42–50; S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 61–73. B, Einleitung, S. 7. S, Theodor Wolff, S. 18; K, Der Chef-Redakteur, S. 62; B, Einleitung, S. 7. K, Der Chef-Redakteur, S. 81f.; S, Theodor Wolff, S. 20; S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 67.
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Empörung über den als barbarisch und republikfeindlich betrachteten Antisemitismus kristallisierte sich sein politisches Bewusstsein heraus412 . Seine zunehmende Fokussierung auf den Journalismus war aber auch seinem Misserfolg als belletristischer Schriftsteller geschuldet: Den »Ritt in die Politik«, so schrieb er in seinem südfranzösischen Exil 1940, hätte er nicht gerade mit »froher Überstürzung« gewagt, sondern als Rückzug aus der Theaterdichtung begriffen – ohne jedoch »das Leben eines Journalisten [für] ein Hundeleben« zu halten413 . Trotz dieser anfänglichen Zurückhaltung erfüllte er seine Aufgaben als Zeitungskorrespondent zur großen Zufriedenheit des Chefredakteurs Arthur Levysohn, der schon die ersten Arbeiten lobte: Die Depeschen über den Dreyfus-Prozess seien »ganz vorzüglich«, und auch der »erste politische Artikel« sei »ganz gut«, auch wenn er dem Leser »etwas zu viel Kenntnis der intimen Vorgänge in der französischen Politik« zutraute414 . Der FeuilletonRedakteur Friedrich Dernburg versicherte, Wolffs »Thätigkeit in Paris« mache ihm »ein großartiges Vergnügen« und er wolle sich »eher einen Finger abreißen« als ihm willentlich Verdruss zu bereiten415 . Auch sein früherer Pariser Kollege Paul Goldmann, der 1898/99 einige Zeit in der Redaktion der FZ arbeitete, bevor er zu einer Chinareise aufbrach, schätzte Wolffs Berichte sehr: »Nach dem Gestammel unseres Correspondenten sind sie eine wahre Wohlthat, das Riesentelegramm über die letzte Kammersitzung war ein Meisterstück sowohl an Lebendigkeit der Schilderung, wie an Arbeitsleistung«416 . Nicht nur in Journalistenkreisen wurde seine Arbeit geschätzt; das Pariser Tagebuch, in dem Wolff (durchaus auch politische) Feuilletons aus der französischen Hauptstadt gesammelt wiederabdruckte, wurde noch im Erscheinungsjahr 1908 ein zweites Mal aufgelegt, eine dritte Auflage erschien 1927417 . Wolff überzeugte seine Leser (und Biografen) nicht allein durch seinen Stil, der »die geschliffene Eleganz, die durchsichtige Klarheit, den Charme und die Grazie der französischen Sprache, die Brillanz und Leichtigkeit ihres
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S, Theodor Wolff, S. 19. W, La Terrasse, S. 215, das letzte Zitat S. 146. Arthur Levysohn an Theodor Wolff, Berlin, 9.1.1895, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Kr-Le, N 1207/14. Friedrich Dernburg an Wolff, Berlin, 10.7.1895, sowie undatiert [1890er], BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Ca-De, N 1207/8. Den Verdruss hatte er Wolff wohl durch Nichtaufnahme oder Kürzung eines sehr umfangreichen Feuilletons bereitet. Paul Goldmann an Wolff, Frankfurt a. M., 30.6.[1898/99], BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Go-Han, N 1207/11. Der »stammelnde« Korrespondent der FZ wurde bald durch Fritz Schotthöfer abgelöst, der 1900 zunächst als Feuilletonkorrespondent nach Paris ging, bald aber auch die politische Berichterstattung besorgte: H, Fritz Schotthöfer, S. 32–34. Theodor W, Pariser Tagebuch, München 1+2 1908 sowie Berlin 3 1927. Siehe auch S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 60.
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Ausdrucksvermögens [adaptierte]«418 , sondern beeindruckte auch durch eine besonders rasche Berichterstattung. Das Telegramm über den Rücktritt des Präsidenten der französischen Republik Jean Casimir-Perier am späten Abend des 15. Januar 1895 schickte Wolff schon um 0.56 Uhr derselben Nacht an seine Redaktion, nachdem zwar schon gegen 23 Uhr die Boulevards durch entsprechende Gerüchte in Aufregung versetzt worden waren, deren offizielle Bestätigung aber erst gegen 0.30 Uhr folgte. In den nächsten anderthalb Stunden sandte Wolff fünf weitere Depeschen mit näheren Details, ersten Erklärungsversuchen und einer kleinen Liste potentieller Kandidaten für die Nachfolge nach Berlin. Die erste Meldung erreichte das BT um 4.15 Uhr, so dass es zwar für die Morgen-Ausgabe zu spät war, in der Abend-Ausgabe aber wurden sieben exklusive Telegramme von Theodor Wolff aus Paris über den Rücktritt abgedruckt – alle versehen mit der genauen Uhrzeit der Aufgabe in Paris, das erste Telegramm auch mit dem Zeitpunkt des Eintreffens in der Redaktion419 . Während die Berliner »Volks-Zeitung« oder die NAZ in ihren Abendblättern nur die Meldungen von WTB und Havas brachten, konnte das BT bereits exklusive und umfangreiche Stimmungsberichte seiner Korrespondenten in London und Wien bringen420 . Ähnlich schnell berichtete Wolff über den überraschenden Tod des nächsten französischen Präsidenten, Félix Faure, der am 16. Februar 1899 gegen 22 Uhr starb. Erste Gerüchte drangen etwa eine halbe Stunde später an die Öffentlichkeit, die offizielle Bestätigung wurde nach einer weiteren Stunde von der Agence Havas bekanntgegeben421 . Obwohl das Telegrafenamt an der Pariser Börse wegen dieser Sensationsmeldung völlig überlaufen war, gelang es Wolff, eine kurze Depesche abzuschicken, die rechtzeitig für die Aufnahme in der Morgen-Ausgabe in Berlin eintraf422 . Mit diesem Tempo der Berichterstattung gehörte das BT zwar zu den schnellsten deutschen Zeitungen, andere Blätter wie etwa die »Berliner Börsen-Zeitung« berichteten aber genauso aktuell – wenn auch nicht mit exklusiven Privattelegrammen, sondern mit Meldungen des WTB, das ja durch den Kartellvertrag der Nachrichtenagenturen Zugang zu den Depeschen der französischen Agence Havas hatte423 . 418 419 420 421 422 423
S, Theodor Wolff, S. 19. BT, 16.1.1895, Abend-Ausgabe; hierzu auch K, Der Chef-Redakteur, S. 91f. NAZ, 16.1.1895, Abend-Ausgabe; Volks-Zeitung, 16.1.1895, Abendblatt. BT, 17.2.1899, Abend-Ausgabe, bes. der Bericht »Das Bekanntwerden der Todesnachricht in Paris«, S. 2. Hierzu auch S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 57. BT, 17.2.1899, Morgen-Ausgabe, S. 1. Berliner Börsen-Zeitung, 17.2.1899, Morgen-Ausgabe, S. 12, sowie Abend-Ausgabe, S. 1–3. Die »Börsen-Zeitung« verwendete das Kürzel C. T. C. für Continental Telegraphen Compagnie, die aber identisch ist mit Wolff’s Telegraphischem Bureau. Zum Kartell der Nachrichtenagenturen A, Histoire de la presse, S. 36; Dieter B, Wolff’s Telegraphisches Bureau 1849 bis 1933. Agenturpublizistik zwischen Politik und Wirtschaft, München u. a. 1991, S. 48–53, 130–134; S, Deutsche Pressegeschichte, S. 131; Christine W, Telegraphische Nachrichtenbüros in Deutschland bis zum Ersten
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Dass Wolff sich auch als unabhängiger Journalist Nachrichten so rasch nach ihrem Durchsickern an die Öffentlichkeit aneignen konnte, bestätigt zum einen seine »Eignung zum Journalisten, dessen vornehmste Aufgabe es ist, immer dort dabei zu sein, wo etwas Besonderes geschieht«424 . Zum anderen deutet es darauf hin, dass er in Paris ausgesprochen gut vernetzt gewesen sein muss. An die Pariser Künstlerkreise konnte er schon in seinem Stammlokal in Berlin anknüpfen, wo er die Bekanntschaft des Kunstsammlers Willy Grétor machte, der seit Jahren in Paris lebte und bei dem Wolff in der ersten Zeit wohnte. Grétor pflegte ein offenes Haus, in dem viele Künstler, Schriftsteller und auch einige Journalisten verkehrten. So lernte Wolff den schon erwähnten Paul Goldmann kennen, der ihn im Café Nouvelle Athènes am Montmartre mit weiteren (französischen) Kulturschaffenden und Auslandskorrespondenten in Verbindung brachte425 . Goldmann, der selbst wohl der Kategorie des mobilen Berufskorrespondenten zuzuordnen ist, korrespondierte seit 1891 für die FZ aus Paris, berichtete wie Wolff intensiv und kritisch über den Dreyfus-Prozess und erleichterte seinem nur wenig jüngeren Kollegen wahrscheinlich auch hinsichtlich der journalistischen Praxis den Einstieg. Wolff und Goldmann waren beide liberal-demokratisch eingestellt, schrieben für politisch ähnlich profilierte Zeitungen und pflegten ihre langjährige Freundschaft weiter, als beide wieder in Berlin arbeiteten426 . Es ist anzunehmen, dass sie nicht nur gemeinsam die Pariser Cafés besuchten, sondern auch die Journalistentribüne im Parlament – Belege für diese Vermutung gibt es allerdings keine. Arthur Levysohn vermittelte den Kontakt zu Theodor Herzl, der für die »Neue Freie Presse« aus Frankreich berichtete und über den Wolff wiederum Max Nordau (VZ) kennenlernte427 . Auch der Dreyfus-Prozess bot gerade durch die Polarisierung eine gute Gelegenheit, mit Gleichgesinnten anzuknüpfen. Zu Wolffs Bekannten zählten Schriftsteller wie Anatole France und Émile Zola oder Journalisten wie Gustave Rouanet und André Tardieu428 . Während der Schwerpunkt von Theodor Wolffs Pariser Netzwerk zu Anfang eher auf
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Weltkrieg, in: W (Hg.), Telegraphenbüros und Nachrichtenagenturen in Deutschland, S. 23–86. Diese Aussage bezog Wolff mit einem Augenzwinkern auf ein Erdbeben, das er während einer Griechenlandreise erlebte: W, La Terrasse, S. 144. Paul Goldmann an Theodor Wolff, Berlin, 17.4. [ohne Jahr], BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Go-Han, N 1207/11, in dem Berthold Frischauer (Neue Freie Presse), Isidor Fuchs (Berliner Lokal-Anzeiger, Wiener Fremdenblatt, Wiener Allgemeine Zeitung) und Friedrich Schiff (WTB, TKB) erwähnt werden. Siehe die Briefe von Paul Goldmann an Theodor Wolff, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Go-Han, N 1207/11, sowie Wolff an seine Frau, Berlin, 15.8.1912, BArch, NL T. Wolff: Familienkorrespondenz, Theodor an Änne Wolff, N 1207/1 und W, La Terrasse, S. 194f. Arthur Levysohn an Theodor Wolff, Berlin, 9. und 22.1.1895, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Kr-Le, N 1207/14 sowie K, Der Chef-Redakteur, S. 106. S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 52f.
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Künstlern, Schriftstellern, Schauspielern und Journalisten lag, erweiterte er es zunehmend auch auf politische Kreise. Er schätzte den deutschen Botschafter Graf Münster als einen »tadellose[n] Gentleman« und freundete sich mit Botschaftsrat Unico von der Groeben sowie dem Attaché und späteren Legationssekretär Hellmuth Lucius von Stoedten an429 . Münsters Nachfolger Radolin beurteilte Wolff als »außerordentlich gescheite[n] und anständige[n] Mann« mit einem »durchaus unabhängige[n] Charakter«, der zudem »in der hiesigen politischen und journalistischen Welt eine überaus angesehene Stellung eingenommen« und sich um deutsch-französische Verständigung bemüht habe430 . Dass Radolin Staatssekretär Tschirschky zugleich um Nachsicht für diese Empfehlung bat, deutet schon an, dass Wolff durchaus nicht unumstritten war bei den deutschen Diplomaten in Paris. Botschaftsrat Flotow etwa beurteilte den Korrespondenten des BT deutlich weniger wohlwollend: Wolff sei ein »äußerst schwieriger Charakter, ausschließlich negativer und kritischer Anlage«, der der Botschaft »eine Zeitlang feindlich gegenüber gestanden« habe, und nur »durch die Befriedigung seiner hochentwickelten Eitelkeit« und »auf dem Wege sehr mühsamer Diskussion [. . . ] zu Zugeständnissen an den Standpunkt der deutschen Politik« bewegt werden konnte431 . Lediglich die »Besorgnis vor der Wiederkehr der persönlichen Angriffe« habe ihn davon abgehalten, den Kontakt zu Wolff abzubrechen, weil er dessen Ausfälle gegen die deutsche Marokkopolitik nicht noch durch Informationen aus der Botschaft unterstützen wollte432 . Zwar erwähnte Flotow durchaus anerkennend Wolffs »gute [. . . ] Verbindungen in hiesigen journalistischen und politischen Kreisen«, kreidete ihm aber seine frankophile Haltung an: Er sei »durch beständigen Verkehr mit Franzosen völlig dem französischen Standpunkt gewonnen«433 . Tatsächlich war Theodor Wolff nicht nur in den deutschen Kreisen in Paris gut vernetzt, sondern pflegte auch zahlreiche persönliche Beziehungen zu Franzosen – nicht nur aus dem schon erwähnten Schriftsteller- und Journalistenmilieu, sondern auch in der Politik. Laut Flotow stand er in der Gunst des Pressedienstes des Ministère des Affaires étrangères, das ihn mit Nachrichten versah434 . Was Flotow ein Dorn im Auge war, dürfte die Redaktion in Berlin 429
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Theodor Wolff, Vaters letzte Zeilen, S. 9f., BArch, NL T. Wolff, Weitere Manuscripte: »Vaters letzte Zeilen«, N 1207/28. Bei dem Fragment handelt es sich offenbar nicht um Wolffs letzte Zeilen, sondern um nicht aufgenommene Vorarbeiten zu »La Terrasse in der Gascogne«, die er um 1940 verfasste. Radolin an Tschirschky sowie Radolin an einen Freund, Paris, 12.11.1906, PA AA, RAV Paris, 342. Radolin empfahl Wolff auch an einen Freund Wilhelms II., Philipp zu Eulenburg, kurz bevor Maximilian Harden den Skandal um diesen lostrat. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RAV Paris, 342, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Ibid. Derartige Bedenken wurden 1911 beiseite geschoben und allen deutschen Gesandtschaften der Kontakt zu den Korrespondenten des BT untersagt, siehe Kap. II.1.5. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RAV Paris, 342, auch in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Ibid.
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dagegen sehr begrüßt haben, war Wolffs dichtes und vielfältiges Netzwerk aus Freundschaften und Bekanntschaften doch der beste Garant für frühzeitige und zuverlässige Information. Allerdings basierten diese Verbindungen meist nur auf »höfliche[r] Sympathie« und führten selten zu »intimerem Verkehr«, denn »in der abhetzenden Hast des Pariser Lebens rissen schnell angeknüpfte Fäden oft ebenso schnell wieder ab«435 . Dass es Wolff aber leicht gelang, solche »Fäden« an verschiedenen Enden anzuknüpfen, zu unterschiedlichen Kreisen Zugang zu finden und auch politischen Gegnern wie Flotow einen zähneknirschenden Respekt abzunötigen, dürfte entscheidend zu seiner Nominierung als Chefredakteur des BT beigetragen haben. Welche seiner Fähigkeiten und Talente Rudolf Mosse dazu bewogen, Theodor Wolff den Posten des schwer erkrankten Arthur Levysohn anzubieten, ist nicht überliefert. Als Korrespondent in Paris hatte er sich bewährt und war damit für die verantwortungsvolle Aufgabe des Chefredakteurs qualifiziert. Während Theodor Wolff vor allem als Chefredakteur des BT bekannt ist und auch die Forschung die Pariser Jahre gewissermaßen als Vorbereitungszeit auf das eigentliche Karriereziel betrachtet, waren für ihn selbst diese Jahre nicht nur die schönsten seines Lebens, sondern auch ein »Gipfel« seiner journalistischen Karriere, den zu verlassen er sich erst nach längerer Bedenkzeit entschloss436 . Auch Bernhard Guttmann verließ seinen Posten in London nicht auf eigene Initiative, sondern weil der Ausbruch des Ersten Weltkrieges ihn dazu zwang. Auch ihn prägten seine Erfahrungen als Korrespondent in London, auch er war bemüht um ein gutes Verhältnis seines Heimatlandes zu seinem Gastland. Anders als Theodor Wolff, der bei seinem Abschied aus Paris durchaus zufrieden auf die damals relativ entspannten deutsch-französischen Beziehungen blickte, verließ Bernhard Guttmann seinen Korrespondentenplatz jedoch mit einem »Gefühl der Vergeblichkeit« seiner Bemühungen um eine deutsch-britische Annäherung437 . Die Biografien der beiden Journalisten weisen einige Parallelen auf. Guttmann wurde ein Jahr später als Wolff geboren, verbrachte wie dieser seine Jugend in Berlin, verließ das Gymnasium vor dem Abitur – anders als Wolff allerdings aus finanziellen Gründen – und begann eine kaufmännische Lehre, die er ebenfalls nicht abschloss. Auch Guttmann zeigte schon als Jugendlicher schriftstellerische Ambitionen und hatte Kontakt zu »einigen jüngeren Literaten«, die ihm zur Sicherung seines Lebensunterhalts den Einstieg in den Journalismus empfahlen. Während Theodor Wolff als Zwanzigjähriger ohne jeden Abschluss den Beruf des Journalisten ergriff, entschied sich Bernhard Guttmann für 435 436 437
Theodor Wolff, Vaters letzte Zeilen, S. 11, BArch, NL T. Wolff, Weitere Manuscripte: »Vaters letzte Zeilen«, N 1207/28. W, La Terrasse, S. 190, auch S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 74f. G, Schattenriss einer Generation, S. 342, sowie Theodor W, Deutschland und Frankreich, in: S (ed.), Theodor Wolff. Der Journalist, S. 73.
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die Rückkehr auf die Schulbank und holte das Abitur nach: »Mir selbst wäre die Nötigung, als halbgarer Gymnasiast über die Hecke in den Journalismus hineinzuspringen, höchst unwillkommen gewesen, ich war in bürgerlichen Begriffen von Fertiglernen und Examinamachen aufgewachsen«438 . Etwa zur selben Zeit, als Wolff seine »Spaziergänge« durch Europa unternahm und durch den Journalismus finanzierte, entschied sich Guttmann für das Studium der Geschichte und Germanistik, das er mit einer Promotion abschloss. Danach schwankte er, ob er sich zum »Staatsmann, Gelehrten, Schriftsteller oder Schulmeister« machen sollte: Das letzte wurde verworfen, das erste war mir in Deutschland verwehrt. Für das zweite und dritte schrieb ich mir Eignung zu, wäre aber gern beides zusammen gewesen, und das schien wiederum kaum möglich, die Kreuzung konnte höchstens einen Journalisten ergeben, als den ich mich, von der Universität ein Maß akademischer Selbstüberhebung mitbringend, nicht sehen mochte439 .
In diesem Zitat klingen sowohl weiterhin bestehende Vorbehalte gegen den Beruf des Journalisten an als auch einer der Gründe, warum sich relativ viele Juden dennoch für diesen entschieden. Durch die immer noch bestehende Diskriminierung in der Berufswahl waren die Alternativen für sie eingeschränkt440 . Die Entscheidung wurde aufgeschoben durch eine Kur in der Schweiz, an die Guttmann einen Aufenthalt am Genfer See anschloss, um sein Französisch zu verbessern. Von dort führte ihn die Einladung einer Reisebekanntschaft nach Kairo, wo sich Guttmann einige »Wanderjahre« genehmigte – finanziert durch eine ganz bürgerliche Existenz als Sekretär des deutschen Konsulats in Kairo441 . Die Stelle ließ ihm viel freie Zeit, die er für ausgedehnte Ausflüge in die Umgebung und gelegentlich auch zum Schreiben nutzte. Im Oktober 1898 hatte er der FZ einen Artikel geschickt, woraufhin er zum freien Mitarbeiter des Blattes wurde442 . Es ist nicht bekannt, ob er auch anderen Zeitungen Artikel anbot, dass er aber gerade bei diesem Blatt erfolgreich war, erscheint nicht ganz zufällig, denn er hatte sich zu einem »überzeugten Liberalen« entwickelt443 . Auf der Rückreise nach Berlin im Sommer 1899 legte er einen Zwischenstopp in Frankfurt ein, um sich bei Leopold Sonnemann, dem Besitzer der FZ, vorzustellen. Ob er damit das Ziel verfolgte, den Journalismus zu seinem Hauptberuf zu machen, bleibt unklar, aber den angebotenen Korrespondentenposten in Hamburg nahm Guttmann an444 . Unzufrieden mit seiner Situation in Hamburg, begann er gerade an seiner Berufswahl zu zweifeln, als er im Herbst 1902 als Vertreter von Paul Weitz nach 438 439 440 441 442 443 444
Beide Zitate des Absatzes: G, Schattenriss einer Generation, S. 186f. Ibid., S. 199. B, Geschichte des Antisemitismus, S. 51. So drückte er selbst es aus: G, Schattenriss einer Generation, S. 216. Josef Stern an Bernhard Guttmann, Frankfurt a. M., 29.10.1989, IfZF, Korrespondenz Guttmanns mit dem Verlag der FZ, NL Guttmann, II AK 89/53. G, Schattenriss einer Generation, S. 216. Ibid.
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Konstantinopel geschickt wurde. Es war ihm nicht nur eine große Ehre, den »weitbekannten Korrespondenten« zu vertreten, der durch seine Verbindungen in politische und diplomatische Kreise als »Eingeweihte[r]« galt und dessen seltenen, gut informierten Meldungen in der Zeitung stolz hervorgehoben wurden, sondern Guttmann freute sich auch auf die Tätigkeit in Konstantinopel, das er als »weltpolitisches Zyklonzentrum« sah445 . Nachdem er durch Weitz’ Vermittlung schon den Kontakt zur deutschen Botschaft in Konstantinopel angeknüpft hatte, wurde er auf der anschließenden Balkanreise von deutschen Diplomaten günstig aufgenommen, etwa von Kiderlen-Waechter, der Guttmann zum Essen einlud und den Kontakt zu rumänischen Politikern vermittelte446 . Guttmann bewährte sich aus journalistischer Sicht auf dieser Reise und wurde im Sommer 1903 zum dritten außenpolitischen Redakteur berufen447 . Nachdem er im Sommer 1904 eine längere Englandreise unternommen hatte, ging er im Frühling 1908 als Korrespondent der FZ nach London, ohne dass sich etwas über die Motive Guttmanns oder der Zeitung sagen ließe. Zwar interessierte sich Guttmann (wie Wolff) für das Theater, er entwickelte sein ausgeprägtes Interesse für Politik aber nicht erst mit seiner Tätigkeit als Korrespondent, worauf seine Neigung, Staatsmann zu werden, sowie seine Begeisterung für Konstantinopel als Ort der Weltpolitik hindeutete. Anders als Wolff scheint er sein Londoner Kontaktnetz weniger unter Künstlern und Literaten aufgespannt zu haben, sondern suchte neben Journalisten vornehmlich Anschluss zu Politikern oder Bankiers – neben eigenem Interesse wahrscheinlich eine Reminiszenz an den Charakter der FZ als Handelsblatt. Dies legt sein Reisetagebuch nahe, das er zwischen März 1908 und Juni 1909 führte448 . Guttmann schrieb zwar nur sporadisch in dieses Tagebuch und vermerkte offenbar lediglich als besonders wichtig empfundene Begegnungen, dennoch gibt es Aufschluss über die Entstehung einiger seiner Kontakte und die Orte, an denen er diese pflegte. Besonders oft erwähnte er den National Liberal Club, in den ihn offenbar der Journalist Alfred Gardiner einführte449 . Daraus ergaben sich weitere Bekanntschaften, vor allem zu liberalen Politikern wie zum Beispiel John Burns, George P. Gooch oder auch Thomas Macnamara, die alle als MP im House of Commons saßen. Guttmann besuchte auch den Garrick Club, in dem vor allem Literaten, Künstler, Schauspieler oder Kunstinteressierte verkehrten. Vermutlich machte er hier die Bekanntschaft des Bankiers Max Julius Bonn, der ihn wiederum anderen Vertretern der Finanzwelt vorstellte, etwa Ernest Cassel und Edgar Speyer, von dem er in den City of London
445 446 447 448 449
Ibid., S. 258f. Ibid.; Kiderlen-Wächter an Guttmann, Bukarest, [o. D.], IfZF, Korrespondenz, NL Guttmann, II AK 89/19. G, Schattenriss einer Generation, S. 217. Tagebuchnotizen England 1908/09, IfZF, Reisetagebuch England 1908/09, NL Guttmann, II AK 89/37. So die Eintragungen vom 7.4. und 4.5.1908, ibid., [S. 9, 16]. Der Band ist nicht paginiert.
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Club eingeführt wurde, dem vor allem die Banker und Unternehmer der City angehörten450 . Über die tägliche Arbeitspraxis und seine Mitgliedschaft in der FPA ergaben sich Kontakte zu englischen Journalisten und anderen Auslandskorrespondenten. Guttmann erwähnt beispielsweise den Vertreter des BT, Otto Brandes, den Korrespondenten niederländischer Blätter, Grein, sowie die englischen Journalisten Sidney Low und Lucien Wolf451 . Letzterer wiederum führte Guttmann bei George Tyrrell ein, dem Privatsekretär des Außenministers Edward Grey452 . Die Eintragungen im Reisetagebuch legen nahe, dass Guttmann vor allem persönliche Bekanntschaften mit britischen Liberalen pflegte, so dass man davon ausgehen kann, dass seine eigene politische Orientierung ein wichtiger Türöffner war und ihm den Zugang zu Vertretern der liberalen britischen Regierung erleichterte. Dass Guttmann aus einer jüdischen Familie stammte, spielte dabei wohl weniger eine Rolle, auch wenn viele seiner Londoner Bekanntschaften selbst einen jüdischen Hintergrund hatten, so Bonn, Cassel, Speyer und Wolf. Er selbst beobachtete den gesellschaftlichen Status der englischen Juden genau und verglich ihn mit dem der deutschen Juden453 . Ganz gezielt suchte Guttmann auch Kontakte zum diplomatischen Corps in London. Schon bei seinem ersten Besuch in der britischen Hauptstadt im Sommer 1904 hatte er ein Interview mit dem japanischen Botschafter führen können, nun pflegte er vor allem den Kontakt zur deutschen Botschaft454 . In seinem Reisetagebuch erwähnte er nicht nur Gespräche mit den Botschaftsräten Wilhelm von Stumm und Richard von Kühlmann sowie dem Militärattaché Roland Ostertag, sondern auch mit Botschafter Metternich – obwohl der den Kontakt zu Journalisten lieber vermied455 . Mit Karl Max von Lichnowsky, der als Botschaftssekretär in Wien für den Kontakt der Botschaft mit Journalisten zuständig gewesen war, bevor er in London Botschafter wurde, kam Guttmann immer wieder ins Gespräch; während seiner Zeit in London wurde Guttmann vom Auswärtigen Amt für Nachrichtendienste nach Ostasien und Südamerika herangezogen, so dass man von einem privilegierten Zugang zur Botschaft ausgehen kann456 . Nach der Kriegserklärung verließ Guttmann England zusammen mit den deutschen Diplomaten auf der St. Petersburg, ebenfalls ein
450 451 452 453 454
455
456
Ibid., [S. 23, 29, 49]. Ibid., [S. 11, 18, 33, 37, 43]; Protokoll des Committee Meeting, 4.4.1813, FPA A, Committee Meetings File. Tagebuchnotizen England 1908/09, IfZF, Reisetagebuch England 1908/09, NL Guttmann, II AK 89/37. So z. B. ibid., [S. 15]. Bernhard G, Bei japanischen Diplomaten, in: FZ, 26.7.1904, dokumentiert in IfZF, Belege FZ 1 (1898–1936), NL Guttmann, II AK 89/4–1, siehe auch IfZF, Verzeichnis der seit 1898 in der FZ erschienenen Artikel Guttmanns, NL Guttmann, II AK 76/9. Tagebuchnotizen England 1908/09, Eintragung vom 16.6.1908, [S. 20], 12.1.1909, [S. 43], 18.3.1909 [S. 47], 16.4.1909 [S. 61], IfZF, Reisetagebuch England 1908/09, NL Guttmann, II AK 89/37, auch G, Schattenriss einer Generation, S. 288f. Zu Guttmanns Tätigkeit siehe Kap. II.1.5.
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Beleg für ein gutes und stabiles Verhältnis457 . Was Guttmann Anfang 1920 über die Aufgaben des künftigen deutschen Auslandskorrespondenten schrieb, liest sich ganz wie eine Zusammenfassung seiner eigenen Bemühungen um ein dichtes Netz journalistisch verwertbarer persönlicher Kontakte: »[E]r erbaut sich seine Stellung durch Diskretion, nicht aber durch Indiskretion. Mit der Zeit findet er, wenn er sonst die Eigenschaften eines Gentleman und eines gebildeten Mannes hat, Beziehungen in politischen Zirkeln, unter Schriftstellern und in der Gesellschaft. Er verfolgt Diskussionen, liest Bücher und hört, was man sagt«458 . Bernhard Guttmann scheute nicht davor zurück, die professionellen Kontakte zur deutschen Diplomatie zu kollegialen werden zu lassen und die Grenze zwischen Journalismus und Politik zu überschreiten. Anders als Theodor Wolff, der das Amt des Journalisten nie mit dem des Diplomaten vertauschte, arbeitete Guttmann mehrmals für das Auswärtige Amt. Dieses bezahlte ihn zwischen 1912 und 1914 für Londoner Korrespondenzdienste nach Ostasien und Südamerika. Im September 1914 lud ihn Otto Hammann zur Mitarbeit in der Berliner Zentrale ein und Guttmann verfasste – ohne Bezahlung – Berichte zur politischen Lage, die »von der Norddeutschen Allgemeinen aus die Welt erleuchten«459 . Weil sich bald herausstellte, dass man ihn dort »vorwiegend publizistisch beschäftigen« wollte, blieb er aber nur einen Monat460 . Obwohl Guttmann gewisse Parallelen zwischen seinem eigenen Beruf und dem des Staatsmannes konstatierte und durchaus bereit war461 , für das Auswärtige Amt zu arbeiten, sah er sich doch nicht als Instrument staatlicher Pressebeeinflussung; auch seine vom deutschen Außenministerium bezahlten Tätigkeiten übte er im Einklang mit seinen journalistischen Werten aus: Das Kriterium der Objektivität stand für ihn über allen anderen Interessen, mochten diese auch berechtigt sein462 . Nach dem Krieg sprach sich Guttmann gegen Presseämter aus, die vorgefertigte »Meinungspräparate« liefern sollten; er zeigte sich stattdessen optimistisch, dass »[e]rnsthafte und durchdachte Gründe immer eine Stätte« des Abdrucks finden würden463 . Nach diesem kurzen Intermezzo in der Welt der Diplomatie arbeitete Guttmann weiter für die FZ, während des Krieges als leitender Auslandsredakteur. Im Frühjahr 1920 wurde er zum Berliner Hauptvertreter des Blattes, was er als
457 458 459 460 461 462
463
Ibid., S. 339, sowie IfZF, Notizen 1914–1918, NL Guttmann, II AK 89/17. Bernhard G, Die Zukunft des Korrespondenten, in: FZ, 5.2.1920, dokumentiert in IfZF, Belege FZ 1 (1898–1936), NL Guttmann, II AK 89/4–1. G, Schattenriss einer Generation, S. 107. Ibid., S. 108. D., Die Zukunft des Korrespondenten. Siehe dazu auch schon seine Stellungnahme zu dem Angebot, den südamerikanischen Depeschendienst zu übernehmen: Bernhard Guttmann an Otto Hammann, London, 13.5.1914; G, Schattenriss einer Generation. D., Presseämter, in: FZ, 10.10.1920, dokumentiert in IfZF, Belege FZ 1 (1898–1936), NL Guttmann, II AK 89/4–1.
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den wichtigsten Posten ansah, mit dem ihn seine Zeitung betraute464 . Was ihn für diese Aufgabe qualifizierte, war sicher nicht zuletzt das Ansehen, das ihm zahlreiche Vertreter der deutschen Diplomatie und Politik entgegenbrachten: Schon zu Beginn seiner Londoner Tätigkeit wurde er vom Auswärtigen Amt als »wohlunterrichteter Journalist« an die dortige Botschaft empfohlen465 ; Richard von Kühlmann, Albrecht T. A. von Bernstorff und Anton von Monts schätzten seine Artikel ebenso wie seine Bücher466 und selbst der aufgrund eines kritischen Artikels Guttmanns leicht indignierte Ulrich von Brockdorff-Rantzau las Guttmanns »Tage in Hellas« und lobte ihn als einen »geistvollen Autor«467 . Neben diesem günstigen Urteil der deutschen Diplomaten qualifizierten ihn aber auch genuin journalistische Kompetenzen für den verantwortungsvollen und bedeutsamen Posten des Hauptstadtkorrespondenten. Guttmann war gut informiert, stets um Objektivität und Sachlichkeit bemüht, er galt als »Personifikation alles dessen [. . . ], was von einem deutschen Journalisten unserer Zeit an Spannweite der Bildung, an durchdringender Kraft des Wortes, an aufrüttelnder Wucht des Gewissens und der Gewissenhaftigkeit erreicht werden konnte«468 . Vor allem aber machten ihn seine »unbestechlichen Urteile« zu einer journalistischen Autorität469 . Bernhard Guttmann selbst forderte von einem guten Korrespondenten, dass er Zusammenhänge durchblicken und sich eine sichere Meinung erarbeiten könne, dass er »unter den tausend Begebenheiten und Eindrücken die festzuhalten [vermag], die Prognosen der Zukunft gestatten«470 . Von einem guten Journalisten verlangte er die »instinktive Fähigkeit zu werten, Dinge nach ihrer Wichtigkeit zu placieren«, und einen »Sinn für Proportionen auf der Grundlage einer gescheidten Skepsis« zu entwickeln471 . Gerade diese analytischen Fähigkeiten zusammen mit seiner Bemühung um sachliche Kritik, objektive Berichterstattung und die Bereitschaft zu Diskretion dürften dazu beigetragen haben, dass er in politischen und publizistischen Kreisen gleichermaßen geschätzt wurde. Die Beispiele von Theodor Wolff, Bernhard Guttmann und weiteren Journalisten, die nach einem Korrespondentenposten in die Redaktion aufstiegen, belegen nicht nur, dass die Zeitungen seit den 1880er Jahren auch ihre auswärtigen Mitarbeiter zunehmend langfristig an sich banden und Wert darauf legten, dass diese sich in verschiedenen Positionen bewährt hatten, sondern sie 464 465 466 467 468 469 470 471
Bernhard Guttmann an Max Cahn, Buchenbach, 12.1.1941, IfZF, Korrespondenz Guttmanns mit dem Verlag der FZ, NL Guttmann, II AK 89/53. W. von Schoen an Metternich, Berlin, 30.5.1908, PA AA, RAV London, 1330–1331. Passim in den jeweiligen Briefwechseln, IfZF, Korrespondenz, NL Guttmann, II AK 89/19. Siehe die Korrespondenz zwischen Guttmann und Ulrich von Brockdorf-Rantzau, 25. und 28.4.1925, IfZF, Korrespondenz, NL Guttmann, II AK 89/19. H, Über Bernhard Guttmann, S. 151. [. V.], Zeitregister. Ein großer Schriftsteller, in: Die Gegenwart. Eine Halbmonatsschrift 4 (1949), S. 1f. G, Schattenriss einer Generation, S. 286. D., Die Zukunft des Korrespondenten.
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weisen auch darauf hin, dass die Korrespondentenposten und damit der Beruf des Auslandskorrespondenten in dieser Zeit aufgewertet wurden: Nicht mehr zwielichtige deutsche Migranten, die sich mehr aus Verzweiflung als aus Berufung als Journalisten anboten, wurden auf die zentralen Korrespondentenposten London oder Paris geschickt, sondern erprobtes Personal, das bereits auf längeren Reisen und in anderen Positionen bei der Zeitung Erfahrungen gesammelt hatte. Theodor Wolffs langes Zögern, den angebotenen Chefredakteursposten anzunehmen, zeigt, dass der Beruf des Auslandskorrespondenten nicht allein Brotberuf oder Karrieresprungbrett war, sondern durchaus ein Traumberuf, eine Lebensstellung. Dass keiner der künftigen Chefredakteure seine Meriten in Wien verdient hatte, kann als Beleg für den relativen Bedeutungsverlust dieses Nachrichtenplatzes verstanden werden. 2.3 Mobile Berufskorrespondenten Auch wenn die bisher vorgestellten Beispiele eine enge und dauerhafte Bindung zwischen Korrespondent und Zeitung fokussieren, soll doch nicht verschwiegen werden, dass wahrscheinlich die meisten Korrespondenten von einer solchen Arbeitsbeziehung nur träumen konnten. Die bislang vorgestellten Korrespondenten verbindet neben ihrer privilegierten beruflichen Situation, dass sie für eine der erfolgreichen, überregionalen Zeitungen arbeiteten, die nicht nur vielgelesen und angesehen, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich waren und somit über das zur Finanzierung eines eigenen Korrespondentennetzes nötige Kapital verfügten. Diese Blätter verschafften ihren Mitarbeitern nicht nur einen gewissen sozialen Status, sondern waren auch in der Lage, attraktive Gehälter zu zahlen472 . Somit gelang es den großen Zeitungen, gute Mitarbeiter langfristig an sich zu binden und selbst nach einem Ortswechsel weiter zu beschäftigen. Weitaus häufiger dürften jedoch Karrieren gewesen sein, die sehr viel unsteter waren als die bislang vorgestellten. Für die mobilen Berufskorrespondenten, die nicht nur ihren Einsatzort häufiger wechselten, sondern auch die Zeitung(en), für die sie arbeiteten, ist die Quellenlage jedoch noch deutlich schwieriger als für die ›Stars‹ der Branche, weshalb sie besonders schlecht zu fassen sind. Ein vergleichsweise gut dokumentiertes Beispiel ist Johannes Tschiedel (geb. 1864), der sein Studium der klassischen Philologie 1887 mit dem Doktorgrad abschloss473 . Wie er zum Journalismus kam, ist nicht bekannt, aber von 1894 bis 1896 arbeitete er als Korrespondent der »Täglichen Rundschau« in Rom. Nach seinem dortigen Aufenthalt verbrachte er rund anderthalb Jahre als Korrespondent des »Berliner Lokal-Anzeigers« in Madrid. Im April 1899 ging 472
473
Wie hoch diese tatsächlich waren und in welcher Relation etwa das Gehalt eines Korrespondenten der FZ, der KöZ oder des BT zu dem eines Korrespondenten der HN oder der »Täglichen Rundschau« stand, ließ sich nicht feststellen. Dissertation: Johannes T, Quaestiones Aeschineae, Berlin 1887.
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er wiederum für die »Tägliche Rundschau« nach Paris, wo er bis etwa 1908 blieb. 1909 bis November 1910 arbeitete er als Redakteur der VZ in Berlin, dann schickte ihn das Blatt als Korrespondent nach London, wahrscheinlich weil der bisherige Korrespondent, Carl Christof Schardt, sich in den Ruhestand verabschiedet hatte. Tschiedel blieb jedoch nicht lange in dieser Stellung, sondern arbeitete seit Januar 1912 für das BT474 . Vielleicht hatte ihn das »Tageblatt« angeworben, um das zerrüttete Verhältnis zur deutschen Botschaft in London zu verbessern, denn seit Februar 1911 wurden die Vertreter dieser Zeitung in den deutschen Missionen nicht mehr empfangen475 . Tschiedel dagegen wurde vom Auswärtigen Amt als »anständiger Journalist« eingestuft, scheint aber als Vertreter der VZ keine besonders intensive Beziehung zur Londoner Botschaft gepflegt zu haben476 . Vielleicht sollte Tschiedel auch nur den mittlerweile 66-jährigen bisherigen Hauptkorrespondenten Otto Brandes ablösen477 . Als London-Korrespondent des BT arbeitete Tschiedel wiederum nur etwas mehr als ein Jahr, denn Anfang des Jahres 1914 zog er wieder nach Paris, um von dort für den »Berliner Lokal-Anzeiger« zu korrespondieren. Der Kriegsausbruch beendete seinen dortigen Aufenthalt, im September 1914 berichtete er von Brüssel aus an den »Lokal-Anzeiger«, er scheint also nun dessen Kriegsberichterstatter gewesen zu sein478 . Er reaktivierte im Verlauf des Kriegs aber auch seine Beziehungen zur VZ wieder, denn im Juni 1919 plante er, als deren Korrespondent nach Madrid zu gehen479 . Weil von Tschiedel selbst nur sehr wenige Briefe überliefert sind, lässt sich über die Gründe für die zahlreichen Orts- und Arbeitgeberwechsel nichts Gesichertes sagen, auch ist nicht bekannt, ob er noch einen Nebenberuf hatte und wie sein sozialer Status war. Die Folge der Zeitungen, für die er schrieb, liest sich jedenfalls als eine positive Karriereentwicklung: Nach der eher mittelklassigen »Täglichen Rundschau« wechselte er zum aufstrebenden »Berliner 474
475 476
477 478 479
Diese biografischen Daten basieren auf folgenden Quellen: Tschiedel an Victor Naumann, Berlin, 10.4.1919, Bayerische Staatsbibliothek, NL Victor Naumann, Briefe von Joh. Tschiedel, Naumanniana B.IV. Tschiedel, Johannes; Protokoll des Committee Meeting am 1.5.1914, FPA A, Committee Meetings File; Bülow an Münster, Berlin, 26.4.1899, PA AA, RAV Paris, 340a+b; Kiderlen an Botschaft London, 19.11.1910, PA AA, RAV London, 1332; Tschiedel an Metternich, 19.1.1910, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2 secr., R 1592. Siehe Kap. II.1.5. Obwohl das Auswärtige Amt gegen seine Person grundsätzlich keine Einwände hatte, wurde der Bannspruch gegen die Mitarbeiter des BT auch auf ihn angewandt: Kiderlen an Botschaft London, 19.11.1910, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1219; auch Tschiedel an Metternich, London, 20.1.1912, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 2 secr., R 1592. Brandes zog im Laufe des Jahres 1912 nach Brüssel und scheint danach nicht mehr als Journalist gearbeitet zu haben: [. V.], In belgischen Gefängnissen, in: BT, 30.9.1914, S. 2. [. V.], Eine Parade in Brüssel, in: Neues Wiener Journal, 24.9.1914, S. 3. Tschiedel an Victor Naumann, Berlin, 10.4.1919, sowie Königsberg, 20.6.1919, Bayerische Staatsbibliothek, NL Victor Naumann, Briefe von Joh. Tschiedel, Naumanniana B.IV. Tschiedel, Johannes.
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Lokal-Anzeiger«, besetzte dann den attraktiven Korrespondentenposten in Paris wieder für die »Tägliche Rundschau« und ergatterte danach eine der begehrten Stellen in der Redaktion der zwar nach ihrer Auflagenzahl eher mittelmäßigen, aber sehr renommierten VZ. Der Wechsel von der Redaktion auf den immer wichtiger werdenden Londoner Korrespondentenposten war vermutlich eher mit einem Zuwachs an Status und Gehalt verbunden als mit einer Abwertung, und der Wechsel zum BT kann eindeutig als Karrieresprung angesehen werden, denn das Blatt gehörte kurz vor dem Ersten Weltkrieg mit der FZ und der KöZ zu den bedeutendsten und angesehensten deutschen Blättern. Auch wenn Tschiedels Berufsbiografie zunächst relativ unstet wirkt, vermitteln die wenigen greifbaren Informationen nicht das Bild einer Abfolge von Provisorien, die aus einer Zwangslage heraus entstanden, sondern vielmehr das eines professionellen Auslandskorrespondenten mit hoher Mobilitätsbereitschaft, der die sich bietenden Chancen zur Verbesserung seiner beruflichen Situation zu nutzen verstand. Wie das Beispiel Tschiedels andeutet, bezog sich die große berufliche Mobilität nicht nur auf die Arbeitsorte, sondern auch auf die Arbeitgeber. So blieben andere Korrespondenten zwar lange Zeit an einem Ort, korrespondierten aber für viele verschiedene Zeitungen, wie etwa der bereits erwähnte C. C. Schardt. Der Philologe war 1873 aus der Schweiz nach England emigriert und schrieb zunächst für den Berner »Bund« und die »Neue Zürcher Zeitung«. Ab 1882 publizierte er in der FZ zunächst Feuilletonartikel, bald aber auch politische Berichte. Nachdem er 1891 schwer erkrankte, arbeitete er vorübergehend nur noch gelegentlich als Korrespondent. Im Alter von 56 Jahren wurde er dann der Hauptkorrespondent der VZ, bis ihn sechs Jahre darauf Tschiedel ablöste480 . Wieder andere Korrespondenten arbeiteten für eine Vielzahl von Zeitungen gleichzeitig, so etwa der Wiener Korrespondent Paul Dehm, der um 1890 neben seiner freien Mitarbeit an Wiener Zeitungen für den HC, die »Schlesische Zeitung«, das »Deutsche Tageblatt« und die »Kreuzzeitung« Korrespondenzberichte verfasste. Moritz Sasse, den die Mitgliederlisten der FPA seit 1888 als Londoner Vertreter der VZ verzeichneten, lieferte zugleich der »Magdeburgische Zeitung«, den MNN, dem »Hamburger Fremdenblatt«, der Wiener »Neuen Freien Presse« und – sehr zum Ärger der deutschen Botschaft in London – der »Gazette de Saint-Petersbourg« Nachrichten. Von Paris aus entfaltete Karl Lahm, Sohn des Chefredakteurs der Essener »Rheinisch-Westfälischen Zeitung«, um 1907 eine rege Korrespondententätigkeit für die Zeitung seines Vaters, die »Königsberger Hartungsche Zeitung« und neben weiteren reichsdeutschen Zeitungen auch für das Wiener »Deutsche Tagblatt«; 1913 arbeitete er offenbar nur noch als Korrespondent der NZ, im Jahr darauf stattdessen für das »Leipzi-
480
Metternich an Bülow, London, 9.1.1904, PA AA, RZ 201, England 73, R 5617 sowie Max O, Die Vossische Zeitung seit 1904, in: 50 Jahre Ullstein, S. 223–278, hier S. 233.
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ger Tageblatt«481 . Von London aus schrieb Gustav Krause mindestens seit 1902 für eine ganze Reihe von Zeitungen: die AZ, den »Schwäbischen Merkur«, die »Leipziger Zeitung«, die »Tägliche Rundschau« und die »Deutsche Zeitung«, seit Januar 1904 allerdings nur noch für die NZ, den »Hannoverschen Kurier« und den »Frankfurter Generalanzeiger«. 1912 scheint er ausschließlich für die »Schlesische Zeitung« berichtet zu haben. In vielen Fällen dürften die schlechten Honorare der einzelnen Zeitungen den Ausschlag für die Mitarbeit an mehreren Zeitungen gegeben haben, allerdings konnte es auch gegenüber offiziellen Stellen als Vorteil ausgenutzt werden. So notierte Botschaftsrat Flotow, der Pariser Korrespondent Treusch von Buttlar sei »[v]on Bedeutung durch die Zahl der Blätter, für die er schreibt«482 . Er korrespondierte für die HN, »Magdeburgische Zeitung«, MNN und »Deutsche Zeitung«. Außerdem gab er eine hektografierte Korrespondenz heraus, die »regelmässig von einer ganzen Anzahl kleinerer Provinzblätter benutzt« wurde483 . Dass man mit einem solchen Unternehmen durchaus zu Wohlstand kommen konnte, belegt der Fall von Max Schlesinger484 . Wahrscheinlich war der Übergang zwischen der Herausgabe einer Korrespondenz und der Tätigkeit als Auslandskorrespondent mehrerer Zeitungen oftmals fließend: Möglicherweise pickten sich die Herausgeber einer hektografierten oder gedruckten Korrespondenz ihre renommiertesten Abonnenten heraus und bezeichneten sich als deren Korrespondent, wenn sie sich Vorteile davon versprachen – etwa bei der Mitgliedschaft in einem Korrespondentenverein oder um Zugang zur Pressegalerie eines Parlaments zu erhalten. Auch konnten sich bis weit über das Ende des Untersuchungszeitraums hinaus hinter dem nicht eindeutig festgelegten Begriff des Korrespondenten ganz verschiedene Phänomene verbergen, vom festangestellten exklusiven Mitarbeiter über den gelegentlichen freien Mitarbeiter bis hin zum Inhaber eines Nachrichtenbüros485 . Derartige Korrespondenzbüros waren auch nach der Jahrhundertwende weit verbreitet. Fred Hood, der allerdings als Inhaber einer Korrespondenz und späterer Herausgeber von »Geistiges Eigentum. Zeitschrift für Schriftsteller und Journalisten«, dem Organ des 1908 gegründeten Verbandes der Zeitungs-Korrespondenzen, kein neutraler Beobachter war, behauptete 1902, dass etwa neun Zehntel des gesamten Zeitungsinhalts aus solchen Korrespondenzen stammten und dass »die Existenz von mindestens 6000 deutschen Blättern ganz und gar von den Correspondenzen« abhänge, denn Meldungen und Artikel von eigenen
481
482 483 484 485
Albert Graf Nemes an Jettel, Paris, 17.1.1907, AT-OeStA/HHStA PL 121; Assemblée nationale 1913, Presse étrangère. Cartes de tribune, AssN, Congrès du 18.2.1899 (E. Loubet), 12 P 185; [. V.], Le jugement de Leipzig. La presse allemand l’approuve, in: Le Figaro, 12.7.1914, S. 3. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RAV Paris, 342. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Siehe dazu Kap. III.1.1. Siehe Kap. I.1.
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Mitarbeitern kosteten die Zeitungen ein Vielfaches486 . Seiner Einschätzung nach wurden sie mehrheitlich von Journalisten herausgegeben, die auf diese Weise ihre eigenen Texte an die Zeitungen gelangen ließen487 . Nicht nur kleine Blätter nahmen die Dienste von Korrespondenzbüros in Anspruch, auch die FZ nutzte sie als günstige Ergänzung zu den Beiträgen ihrer eigenen Mitarbeiter488 . Weil derartige Unternehmen neben den großen Telegrafenagenturen aufgrund der (im Idealfall) großen Zahl ihrer Abonnenten wichtige Multiplikatoren sein konnten, interessierte sich auch das Auswärtige Amt für diese »Nachrichtenversorgungsanstalt[en]«489 . Obwohl Korrespondenzbüros zweifellos eine wichtige Quelle der Presse des 19. und frühen 20. Jahrhunderts waren und auch ein wichtiges Arbeitsfeld für Auslandskorrespondenten und andere Journalisten darstellten, ist aufgrund der Quellenlage nur wenig über sie bekannt. Die auf dünnem Papier in kleiner Schrift vervielfältigten Nachrichtenblättchen wanderten wohl in den Papierkorb, wenn der Redakteur die interessanten Artikel ausgewählt und an die Setzer weitergeleitet hatte490 . 2.4 Frauen in Männerberufen: »eine schöne junge Dame [. . . ] mit allen Attributen eines Berichterstatters« Im September 1867 leitete die »Neue Freie Presse«, ein liberales österreichisches Blatt, einen Bericht über die Eröffnung des Berliner Reichstags mit folgenden Worten ein: »Um 2 Uhr trat das Haus zu der ersten Plenarsitzung zusammen. (Auf der Journalisten-Tribüne nahm eine schöne junge Dame Platz, mit allen Attributen eines Berichterstatters versehen. Sie gab sich als Berichterstatterin für zwei amerikanische Zeitungen zu erkennen.) Das Haus war nicht gerade gut besetzt«.491 Aus dieser prominent am Anfang des Parlamentsberichts platzierten Beobachtung wird deutlich, dass im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Journalistinnen, noch dazu mit politischer Berichterstattung betraut, selbst liberalen Berufsvertretern als Novum und Sensation galten. Zwar waren auch im deutschsprachigen Raum während des 19. Jahrhunderts Frauen als Journalistinnen hervorgetreten, wie Therese Huber, die von 1817 bis 1823 das »Morgenblatt für gebildete Stände« (ab 1837 »Morgenblatt für gebildete Leser«) leitete, oder die Publizistinnen der Frauenbewegung im Umfeld der Revolution von 1848 wie 486
487 488 489 490 491
Fred H, Zum neuen Urheberrecht. Eine Antwort auf den Artikel des Reichstagsabgeordneten Dr. Müller-Menningen in Nr. 5 u. 7 des »Tag«, in: Die Feder. Halbmonatsschrift für die deutschen Schriftsteller und Journalisten 6 (1903), S. 721f. Ibid. Geschichte der Frankfurter Zeitung (1911), S. 144f. So etwa Hammans Vortrag am 15.11.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126a, R 1486. In der Sekundärliteratur werden sie dementsprechend nur gestreift, etwa S, Art. »Nachricht«, S. 334; B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 213. [. V.], Ausland, in: Neue Freie Presse, 12.9.1867, S. 4.
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Louise Otto-Peters oder Franziska Mathilde Anneke, die politische Periodika herausgaben492 . Auch entdeckten Verleger und Herausgeber etwa in den 1860er Jahren Frauen als Zielgruppe, die sie mit speziell zugeschnittenen Formaten wie Familienzeitschriften, Modezeitungen oder Frauenspalten in politischen Tageszeitungen zu erschließen versuchten493 . Gerade als Akteurinnen der politischen Berichterstattung waren Frauen aber auch um 1900 noch deutlich unterrepräsentiert, selbst wenn man Susanne Kinnebrocks Einwand berücksichtigt, dass wegen der Fokussierung der Forschung auf den hauptberuflichen Redakteur als journalistischen Normaltypus die oft nebenberuflich, gelegentlich und als freie Mitarbeiterinnen an Periodika mitwirkenden Frauen durch das Forschungsdesign und die Quellenlage in einen toten Winkel geraten494 . Gerade vor dem Hintergrund der schwierigen Quellenlage zu Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert ist ihre Argumentation plausibel. Die eingangs zitierte Episode jedoch zeigt, dass Frauen andererseits aufgrund ihres Status als Exoten des politischen Journalismus Aufmerksamkeit erregten und so mitunter Eingang in die Quellen fanden. Das leicht amüsierte, sonst aber wertneutrale Staunen, das der oben zitierte Korrespondent angesichts einer Parlamentsberichterstatterin an den Tag legte, scheint nicht unbedingt der allgemeinen Haltung gegenüber Journalistinnen entsprochen zu haben. 1897, dreißig Jahre später, stellte die österreichische Frauenrechtlerin Anna Hottner-Grefe fest, dass es zwar zahlreiche Schriftstellerinnen, aber nur wenige Journalistinnen gebe, und erklärte diesen Befund mit »einem gewissen Widerwillen der erbgesessenen Herren Redacteure gegen weibliche Mitarbeiter«495 . Dementsprechend unterschrieben viele Journalistinnen, aber auch politische Schriftstellerinnen wie Bertha von Suttner, ihre Texte oftmals mit geschlechtsneutralen Kürzeln oder männlichen Pseudonymen – sei es, weil die betreffende Zeitung es so wünschte, sei es, weil sie eine unvoreingenommene Rezeption ihrer Texte sicherstellen wollten496 . Die gesellschaftliche »Konstruktion eines Widerspruchs zwischen Weiblichkeit und journalistischer
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Susanne K, Frauen und Männer im Journalismus. Eine historische Betrachtung, in: Martina T (Hg.), Konkurrenz der Wirklichkeiten. Wilfried Scharf zum 60. Geburtstag, Göttingen 2005, S. 101–132, hier S. 109–116; B, Mediengeschichte, S. 107f. Ibid., S. 120. Ibid., S. 107f., 118–121; Susanne K, Frauen und Männer im Journalismus, S. 108f.; D., Schreiben für die politische Öffentlichkeit? Frauen im Journalismus um 1900, in: Caroline B (Hg.), Frauen in der literarischen Öffentlichkeit, 1780–1918, Bielefeld 2007, S. 143–167. Anna H-G, Die Journalistin, in: Frauenleben. Blätter zur Vertretung der Frauen-Interessen 9 (1897), S. 17f., hier S. 17. Elisabeth K, Ulla W, Journalistinnen. Eine Geschichte in Biographien und Texten 1848–1990, Wien, Berlin 2013, S. 351; K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 156f.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Professionalität«497 und die entsprechenden Diskurse erschwerten es Frauen, im Journalismus – zumal im politischen – Fuß zu fassen498 . Obwohl Großbritannien hinsichtlich der Frauenrechte fortschrittlicher war als Kontinentaleuropa und Journalistinnen im angelsächsischen Raum ein durchaus bekanntes Phänomen darstellten, war auch hier die Ablehnung seitens männlicher Kollegen und der Politiker gegenüber den sogenannten »Lady Reporters« groß, sobald diese Zugang zur männlich dominierten Sphäre der Politik verlangten499 . Dies zeigt sich etwa in der Weigerung des Unterhauses, die Berichterstatterin der Zeitschrift »Women’s Penny Paper«, Julia Bain, zur Reporters’ Gallery zuzulassen. Während der für die Kartenverteilung zuständige serjeant-at-arms sich zunächst darauf berief, dass Frauen nicht zugelassen und ohnehin bereits alle Plätze vergeben seien, erklärte er auf Rückfrage der Reporterin freimütig, er habe niemals von einem derartigen Anliegen gehört, »and he very plainly hinted that if ever it came, the time for their admission was not yet«500 . Damit sprach er dem Speaker des Unterhauses offenkundig aus der Seele, der unter Applaus und Gelächter der Abgeordneten auf die offizielle Anfrage des Abgeordneten Bradlaugh, ob etwas gegen die Zulassung von Frauen zur Reporters’ Gallery spreche, entgegnete, ihm sei zwar keine Regel bekannt, die Frauen den Zutritt untersage, allerdings wolle er von der bestehenden Praxis der Exklusion nicht ohne eine explizite Entscheidung des Unterhauses abweichen, zumal in einer Frage, deren Konsequenzen sich nicht absehen ließen501 . Mit dieser süffisanten Bemerkung war das Thema erledigt, Julia Bain hatte das Nachsehen. Immerhin zog der Vorfall eine kurze Debatte über »Lady Reporters« in den britischen Zeitungen nach sich: Neben den wenigen Pressestimmen, die die Gleichbehandlung von weiblichen und männlichen Journalisten bei der Vergabe von Karten zur Reporters’ Gallery einforderten502 , gab es vor allem solche, die dem dezidiert ablehnend gegenüberstanden und die Frauen aus der
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K, W, Journalistinnen, S. 349. Ibid., S. 63–68, 103–108; K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 143–167, hier S. 148. Groth charakterisiert auch 1962 noch den Journalismus aufgrund seiner Zugehörigkeit zur »objektiven Kultur« als einen seinem Wesen nach »männlichen« Beruf, räumt aber ein, dass einzelne Frauen auf einzelnen Gebieten durchaus erfolgreich als Journalistinnen arbeiteten: G, Die unerkannte Kulturmacht, Zitat S. 483. Unter diesem Schlagwort wurde die Debatte in der englischen Presse geführt, etwa [. V.], Our London Correspondence, in: Liverpool Mercury, 20.3.1890, S. 5; [. V.], London Correspondence, in: Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser, 18.3.1890, S. 6. So wenigstens gibt es ein Bericht der »Pall Mall Gazette« wieder: [. V.], Women in the Reporter’s Gallery. The Lady Journalist’s First Attack, in: Pall Mall Gazette, 14.3.1890, S. 6. Commons Sitting of 18. March 1890. Lady Reporters, in: Hansard’s Parliamentary Debates 342, Series 3 (1890), § 1146f., hier § 1147. [. V.], Women in the Reporter’s Gallery; [. V.], From the Radical Benches, in: Reynold’s Newspaper, 23.3.1890, S. 5; [. V.], Mrs. Crawford on Ladies as Parliamentary Reporters, in: Pall Mall Gazette, 3.4.1890, S. 6.
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2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung
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traditionell männlich konnotierten politischen Sphäre heraushalten wollten503 . Das Institute of Journalists führte im Zuge der Debatte zwar die Zulassung von Frauen ein, allerdings nicht aus Überzeugung, sondern weil die Beteiligten mit Blick auf die vielen Feuilletonmitarbeiterinnen nicht »exclusive in their professional dealings with ladies« erscheinen wollten504 . Dennoch nahm die Zahl von Journalistinnen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts zu, besonders in den USA und Großbritannien wurden Frauen nicht nur als Feuilletonistinnen und für Frauenthemen, sondern zunehmend auch in der politischen Berichterstattung beschäftigt. Vorreiterinnen wie Nellie Bly, die mit aufsehenerregenden Reportagen den Journalismus prägte, dienten den Schriftstellerinnen im deutschen Sprachgebiet als »anfeuerndes Beispiel«505 . Im Zusammenhang mit dem Aufschwung der deutschen Frauenbewegung stieg um 1890 auch die Zahl der Journalistinnen im deutschsprachigen Raum merklich an – vor allem, weil deren Vertreterinnen das Schreiben als eine Möglichkeit sahen, politischen und gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen506 . Dies taten sie nicht nur in der wachsenden Zahl von politischen Frauenzeitschriften, sondern auch in den politischen Tageszeitungen507 . Das allgemein in dieser Zeit deutlich expandierende Pressewesen bot auch für Frauen wachsende Chancen, sich den Lebensunterhalt mit journalistischer Tätigkeit zu verdienen508 . Trotz dieser auch von den Zeitgenossen registrierten Zunahme blieb der Frauenanteil im deutschen Journalismus im einstelligen Prozentbereich509 . Bei
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[. V.], Our London Correspondence, in: Liverpool Mercury, 20.3.1890; [. V.], London Correspondence, in: Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser, 18.3.1890. [. V.], Our London Letter, in: The Belfast News-Letter, 17.3.1890, S. 5. B, Mediengeschichte, S. 107f., 118–121; Zitat H-G, Die Journalistin, S. 17. Kerstin W, Ein ungewöhnlicher Schreib-Ort? Frauenrechtlerinnen im deutschen Kaiserreich und ihr politisches Schreiben im Frauenverein – eine Annäherung, in: Caroline B (Hg.), Frauen in der literarischen Öffentlichkeit, S. 121–142, hier S. 123; K, W, Journalistinnen, S. 103–108; Carmen S, »Die eine Hälfte vergißt man(n) leicht!« Zur Situation von Journalistinnen in Deutschland unter besonderer Berücksichtigung des 20. Jahrhunderts, Pfaffenweiler 1998, S. 111. K, Frauen und Männer im Journalismus, S. 115f.; K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 143–167; Anna P, Die Schriftstellerin, Journalistin und Redakteurin, in: Eugenie S (Hg.), Frauenberufe und -Ausbildungsstätten, Stuttgart 1913, S. 204–211, hier S. 208f.; Jörg R, Öffentlichkeit und Medien als Gegenstände historischer Analyse, in: Geschichte und Gesellschaft 25 (1999), S. 5–32. K, W, Journalistinnen, S. 105. Nach Schätzungen von Susanne K, Journalismus als Frauenberuf. Eine quantitative inhaltsanalytische sowie quellenkritische Auswertung des biografischen Lexikons »Frauen der Feder«, in: RatSWD Working Paper (2008), S. 2–22, hier S. 10–12, die auf zeitgenössischen Umfragen basieren. Requate verzeichnet unter den festangestellten Redakteuren des 19. Jahrhunderts nur drei Frauen: Jörg R, Journalismus als Beruf, in: N, G, P (Hg.), Grundlagentexte zur Journalistik, S. 417–454, nach K, Journalismus als Frauenberuf, S. 7f.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
der Mehrzahl von ihnen handelte es sich um nebenberufliche, gelegentliche Mitarbeiterinnen, die sich thematisch meist mit Kunst, Kultur und Bildung befassten, immerhin rund 18 % schrieben über sozialpolitische Themen, nur 3,5 % über »hohe« Politik510 . Nachdem im Ersten Weltkrieg viele Frauen an die Stelle von zum Kriegsdienst berufenen Redakteuren traten, wurden sie nach Kriegsende wieder aus den Redaktionen verdrängt. Selbst die liberale FZ nahm noch in den 1930er Jahren prinzipiell keine Frauen in ihren Redaktionsverband auf – beschäftigte aber Margret Boveri als Auslandskorrespondentin, nachdem diese zwischen 1934 und 1939 schon für das BT aus Rom, Lissabon und New York berichtet hatte511 . Trotz der geringen Zahl von Frauen, die jenseits des Feuilletons Beiträge in Tageszeitungen publizierten, gab es auch im 19. Jahrhundert schon einige weibliche Auslandskorrespondenten – was sich unter anderem aus der Anonymität des Berufs heraus erklären lässt. Da namentlich gezeichnete Artikel eine große Ausnahme waren, konnte die Mitarbeiterschaft von Frauen in diesem Bereich besonders leicht verschleiert werden512 . Die ersten Auslandskorrespondentinnen, Margaret Fuller und Harriet Ward, arbeiteten bereits in den 1840er Jahren für britische und amerikanische Zeitungen. Einige Berühmtheit erlangten in der zweiten Jahrhunderthälfte neben der bereits erwähnten Nellie Bly auch Emily Crawford, die seit 1864 zunächst zusammen mit ihrem Mann, nach dessen Tod 1885 eigenständig als Pariser Korrespondentin der »Daily News« arbeitete, und Flora Shaw, die aus dem Ausland für die »Pall Mall Gazette« korrespondierte und später im Außenressort der »Times« angestellt war513 . Die Redaktionen der »Daily News« und der »Pall Mall Gazette« waren offenkundig nicht mit den zeittypischen Vorurteilen gegen Frauen im Journalistenberuf belastet, denn beide Blätter beschäftigten vor dem Ersten Weltkrieg mindestens eine weitere Auslandskorrespondentin – Mrs. Frederic berichtete aus Berlin für die »Pall Mall Gazette«, die »Daily News« wurde aus Wien von Bettina Wirth mit Nachrichten versorgt514 . Auch die 510
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K, Frauen und Männer im Journalismus, S. 117; D., Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 161; K, W, Journalistinnen, S. 105, die sich alle auf die Ergebnisse von Eliza I, Die Journalistik als Frauenberuf, Berlin, Leipzig 1905, beziehen. Die Befunde decken sich mit den Aussagen in Josephine L-R, Lisbeth W, Freie Berufe. Kunst und Kunstgewerbe, in: D. (Hg.), Die deutsche Frau im Beruf. Praktische Ratschläge zur Berufswahl, Berlin 1906, S. 195–216, hier S. 213–215. S, »Die eine Hälfte vergißt man(n) leicht!«; K, W, Journalistinnen, S. 225–227. W, Art. »Foreign Correspondent«, S. 225. B, Mediengeschichte, S. 120f.; W, Art. »Foreign Correspondent«, S. 224f., sowie die entsprechenden Einträge in B, D (Hg.), Dictionary of Nineteenth Century Journalism. H-G, Die Journalistin; Verzeichniß jener Repräsentanten der auswärtigen Presse [. . . ], Wien, 27.9.1888, Botschaft Berlin, Korr. u. Varia, AT-OeStA/HHStA GKA – GsA Berlin 190.
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»Daily Mail« hatte in Wien bis 1914 zusätzlich zu ihrem Hauptkorrespondenten Lindsay Bashford eine Korrespondentin, Miss L. Reid, der »Standard« hatte eine Berichterstatterin in Rom515 . In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigten auch einige deutsche Zeitungen Frauen als Auslandsberichterstatterinnen. Auch wenn ihre Zahl ziemlich gering gewesen sein dürfte und sie nur einen sehr kleinen Teil der aus dem Ausland Korrespondierenden stellten, sollen einige Vertreterinnen des Berufs hier kurz erwähnt werden – eine umfassende Darstellung kann nicht geleistet werden, aber vielleicht können die vorliegenden Informationen weitere Untersuchungen anregen. Die oben beschriebenen Vorbehalte gegen Journalistinnen galten auch für die Auslandsberichterstattung: Als sich die Witwe Eugen von Jagows im Januar 1905 darum bewarb, die Stelle ihres Mannes als Pariser Korrespondent der »Kreuzzeitung« zu übernehmen, lehnte das konservative Blatt dies wie erwähnt aus Prinzip ab516 . Auch Clementine von Wedel gelang es zunächst nicht, den Posten ihres Mannes, der bis zu seinem Tod 1904 vor allem für den HC korrespondierte und als dessen Sekretärin sie gearbeitet hatte, zu erben. Ebenso wenig konnte sie ihre politischen Berichte an das Auswärtige Amt verkaufen517 . Als sie das Angebot der Berichterstattung an das Amt einige Jahre später wiederholte, gab sie aber an, als Korrespondentin deutscher und österreichischer Zeitungen für den Unterhalt ihrer Kinder zu sorgen518 . Diese Beispiele zeigen nicht nur, dass es tiefsitzende Vorbehalte gerade seitens konservativer Blätter gegen politische Korrespondentinnen gab, sondern auch, dass die Versorgung der Hinterbliebenen von Auslandskorrespondenten oftmals nicht gesichert war. Möglicherweise spielten Überlegungen in diese Richtung eine Rolle, als nach dem Tod des Wiener Korrespondenten der VZ, Fridolin Glinski, dessen Witwe Marie seinen Posten übernahm – offenkundig bewährte sie sich, denn sie berichtete von 1890 bis mindestens 1904 für das Blatt519 . Eine frühe deutsche Auslandskorrespondentin war Franziska Mathilde Anneke, die die »Neue Kölnische Zeitung« mitbegründet hatte, 1849 wegen ihrer Beteiligung an der Revolution fliehen musste und aus ihrem amerikanischen Exil für deutsche Zeitungen korrespondierte520 . Auch von den hier fokussierten Nachrichtenplätzen aus schrieben Frauen für deutsche Zeitungen: Aus London 515
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H-G, Die Journalistin; Ministerium des Äußern an Polizeidirektion Wien, Wien, 11.8.1914, AT-OeStA/HHStA PL 87, mit weiteren Beispielen B, Mediengeschichte, S. 121. Mühlberg an Radolin, Berlin, 11.1.1905; Flotow an Bülow, Paris, 24.1.1905; Richthofen an Radolin, Berlin, 20.3.1905; Radolin an Bülow, Paris, 23.6.1905, PA AA, RAV Paris, 343. Clementine von Wedel an das Auswärtige Amt, Sainte-Marie, 7.3 und 20.6.1905, sowie die Antwort darauf, Berlin, 13.7.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1211. Wedel an Kiderlen-Waechter, Berlin, 20.11.1911, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1220. O, Die Vossische Zeitung seit 1904, S. 233; Zusammenstellung der Preßerzeugnisse Wiens, bei Marschall von Bieberstein an Hatzfeldt, Berlin, 26.8.1896, PA AA, RAV London, 1323. K, W, Journalistinnen, S. 48.
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schrieb Jenny Marx von 1875 bis 1877 Theater-Feuilletons für die FZ521 . Aus Paris berichteten Käthe Schirmacher 1895–1910 für »Berliner Neueste Nachrichten«, »Tag«, KöZ, »Neue Freie Presse« und das Wiener »Fremdenblatt«, Clara Zetkin 1882–1891 für den »Sozialdemokrat«, später »Vorwärts«, »Die Gleichheit« bzw. »Arbeiter-Zeitung« und weitere deutsche und österreichische sozialistische Blätter, Marie Louise Becker schrieb 1907 bis 1914 in erster Linie Feuilletons über Politik und Kultur unter anderem für VZ, »Leipziger Neueste Nachrichten«, »Berliner Börsen-Courier«, »Berliner Lokal-Anzeiger«, KöZ und »Neue Freie Presse«522 . Aus Wien berichtete Bettina Wirth neben ihrer Tätigkeit für die »Neue Freie Presse« und die »Daily News« seit Mitte der 1880er Jahre auch für den »Berliner Lokal-Anzeiger« und den HC und Gertrude Grüttefien arbeitete vermutlich auch schon vor dem Krieg für die »Berliner Neuesten Nachrichten«523 . Dass von diesen sieben Frauen zwei promoviert waren, untermauert die Befunde der Forschung, nach der die Journalistinnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts überdurchschnittlich hoch gebildet waren524 . Allerdings hatten auch die männlichen Auslandskorrespondenten häufiger als andere Journalisten einen akademischen Hintergrund. Zwischen 1848 und 1870 hatten 92 % studiert, zwischen 1871 und 1914 immer noch 88 %, bei den Redakteuren sank der Anteil der Akademiker von 85 % auf 80 % nach 1870525 . Schirmacher absolvierte zunächst das Lehrerinnenseminar in Danzig, dann ein Oberlehrerinnenstudium in Paris und arbeitete einige Zeit in einer Liverpooler Schule. In der
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Bruno K, Jenny Marx als Theaterkritikerin. Zu einer bedeutsamen Wiederentdeckung, in: Beiträge zur Geschichte der Arbeiterbewegung 8 (1966), S. 1028–1045. Da es in dieser Arbeit in erster Linie um die tagesaktuelle Berichterstattung geht sowie aufgrund des geringen Umfangs ihrer Tätigkeit wird Marx hier nicht weiter berücksichtigt. Johanna G, De/Platzierungen – zwei Nationalistinnen in der Hauptstadt des 19. Jahrhunderts. Überlegungen zu Nationalität, Geschlecht und Auto/biographie, in: WerkstattGeschichte 32 (2002), S. 6–30; Anke W, Käthe Schirmacher. Eine deutsche Frauenrechtlerin auf dem Wege vom Liberalismus zum konservativen Nationalismus, Pfaffenweiler 1991; K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 157f.; K, W, Journalistinnen, S. 117–119; Archiv Remscheid, Tagebuch, N 21 Becker-Strube, 2; Archiv Remscheid, Sammlung III. Politische Artikel aus den Kriegsjahren, N 21 Becker-Strube, 9; Petra B, Jutta S, Art. »Becker, Marie Luise«, in: D., Schriftstellerinnen in Berlin 1871 bis 1945. Ein Lexikon zu Leben und Werk, Berlin 1995, S. 46–48. Wedel an Bülow, Wien, 17.7.1904, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 8, R 1698; H-G, Die Journalistin; O, Die Vossische Zeitung seit 1904, S. 233; Mitgliederliste der Union der Correspondenten der ausländischen Presse, 1916, ATOeStA/AVA MR Präs. Pl 109. K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 163; D., Journalismus als Frauenberuf, S. 22; Anthony S, The Newspaper. An International History, London 1979, S. 109–139. Da Informationen über den Bildungsgrad nur für die Hälfte des Samples vorliegen, müssen die Zahlen aber mit Vorbehalt betrachtet werden. Für die Vergleichswerte bei den Redakteuren R, Journalismus als Beruf, S. 142–158, bes. 144.
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Schweiz schloss sie später ein Studium der Romanistik, Literaturwissenschaft und Philosophie mit der Promotion ab526 . Becker studierte in Berlin Philosophie und Archäologie, anschließend belegte sie die Meisterklasse des Kunstgewerbemuseums527 . Clara Zetkin besuchte nach dem Gymnasium ebenfalls ein Lehrerinnenseminar, was in Zeiten, in denen Frauen im Deutschen Reich noch nicht studieren durften, eigentlich der höchstmögliche Abschluss war528 . Über den Bildungsweg der anderen Korrespondenteninnen ist nichts bekannt529 . Die gute Bildung der Korrespondentinnen korrelierte mit ihrer sozialen Herkunft. Soweit bekannt, entstammten alle dem (Bildungs-)Bürgertum: Zetkins Vater war Dorfschullehrer, Schirmacher und Becker kamen aus Kaufmannsfamilien530 . Auch die in der Forschung betonte enge Verzahnung von Frauenbewegung und Journalismus wird am Beispiel der Auslandskorrespondentinnen deutlich531 : Käthe Schirmacher, Clara Zetkin und Marie Louise Becker engagierten sich aktiv in der Frauenbewegung, bei den übrigen ist darüber nichts bekannt. Die wenigen bekannten biografischen Daten sprechen dafür, dass Wirth und Grüttefien mit den Zielen der Frauenbewegung zumindest sympathisierten. Das politische Interesse der Korrespondentinnen beschränkte sich aber offenkundig nicht auf Fragen des Frauenrechts. Becker publizierte auch politische Artikel, die sie in einer Sammelmappe sorgfältig aufbewahrte532 . Unmittelbar nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges empfand sie die Arbeit als Militärkrankenschwester als patriotische Pflicht und verfasste in Abstimmung mit dem Auswärtigen Amt eine Propagandabroschüre533 . Obwohl sie in Paris in erster Linie als Theater- und Kunstreferentin gearbeitet hatte, pflegte sie auch Kontakte zur deutschen Botschaft und wurde zu deren Festen und Veranstaltungen eingeladen534 . Dabei plauderte sie nicht nur mit der Frau des Botschafters über die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig, bei der sie sich als Vermittlerin zur französischen
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W, Käthe Schirmacher, S. 16–39; G, De/Platzierungen, S. 13–15. B, S, Art. »Becker, Marie Luise«; Silke H, Art. »Marie Luise Becker« [o. J.], http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/marie-luise-becker (Zugriff 16.6.2017). Sophie P, Lexikon deutscher Frauen der Feder. Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren, nebst Biographien der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme, Berlin 1898, S. 676f. Gertrude Grüttefien wurde in der Mitgliederliste des Verbandes der auswärtigen Presse mit dem Doktortitel verzeichnet, dokumentiert in AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 109. Das entspricht den Erkenntnissen von S, »Die eine Hälfte vergißt man(n) leicht!«, S. 118; K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 163; D., Journalismus als Frauenberuf, S. 14f. S, »Die eine Hälfte vergißt man(n) leicht!«, S. 111. Archiv Remscheid, Sammlung III. Politische Artikel aus den Kriegsjahren, N 21 BeckerStrube, 9. Marie Louise B, Ein Beitrag zur Aufklärung der feindlichen Greuelberichte, Berlin 1915. Marie Louise Becker, Tagebuch S. 2, Archiv Remscheid, Tagebuch, N 21 Becker-Strube.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Literaturszene engagierte, sondern tauschte sich auch mit den Diplomaten über ihre Einschätzung zur politischen Lage aus535 . Zwar ist über Becker in den Botschaftsakten nichts überliefert, ihre Kollegin Schirmacher aber wurde in einem Bericht über die deutschen Auslandskorrespondenten in Paris ausdrücklich erwähnt. Ihre politische Tendenz war in Berlin bekannt, sie pflegte kontinuierliche Beziehungen zur Botschaft und war dieser aufgrund ihrer Beziehungen zur Sorbonne oft nützlich536 . Auch die Wiener Korrespondentin Bettina Wirth pflegte den Kontakt zur Preßleitung und wurde im Sommer 1903 mit einer Empfehlung an die Botschaft in Rom versehen, was darauf hindeutet, dass sie wohl nicht allein für das Feuilleton – »neben Hofnachrichten hauptsächlich Korrespondenzen über Vorgänge in der Gesellschaft« – berichtete, sondern auch über Außenpolitik537 . Eine systematische Auswertung der Artikel und Meldungen der Korrespondentinnen im Vergleich mit jenen ihrer männlichen Kollegen wäre interessant, um ihre journalistische Rolle unabhängig von den zeitgenössischen Vorurteilen und Zuschreibungen besser einschätzen zu können, würde hier aber den Rahmen sprengen. Trotz der unterschiedlichen Bedingungen für weibliche und männliche Auslandskorrespondenten, die sich aus den vorherrschenden Rollenmustern und damit zusammenhängenden rechtlichen Unterscheidungen ergaben, lassen sich deutliche Parallelen zwischen den Berufsvertretern beiderlei Geschlechts beobachten. Auslandskorrespondentinnen waren nicht nur relativ gut ausgebildet und oft durch politische Anliegen motiviert, sie zeichneten sich auch durch hohe Mobilität aus und konnten häufig Auslandserfahrung vorweisen, bevor sie ihre Stelle antraten: Schirmacher hatte in Frankreich, England und der Schweiz gelebt, bevor sie Pariser Korrespondentin wurde; Wirth hatte vor ihrem Umzug nach Wien längere Zeit in England, Italien und der Schweiz verbracht. Becker wohnte schon vor ihrer Tätigkeit als Journalistin mit ihrem Mann in Paris. Wie viele ihrer männlichen Kollegen verfolgten auch Auslandskorrespondentinnen neben ihrer journalistischen Tätigkeit häufig publizistische bzw. belletristische Ambition. Sowohl Bettina Wirth als auch Marie Louise Becker begannen ihre publizistische Karriere mit Novellen und Romanen, bevor sie in den Journalismus einstiegen. Daneben übersetzte Wirth zeitgenössische Literatur aus dem Englischen, Becker gab den Nachlass ihres Mannes heraus538 . Käthe Schirmacher veröffentlichte unter anderem eine Biografie Voltaires, ein
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So zum Beispiel über die außenpolitischen Folgen des Regierungsantritts Poincarés, die sie mit von Schoen im Januar 1914 besprach, ibid., S. 2. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Schirmacher entwickelte sich seit 1904 zunehmend zu einer überzeugten Nationalistin: W, Käthe Schirmacher, S. 55. Tschirschky an Bülow, Wien, 22.2.1908, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1215. Bettina W (ed.), Bret Hartes neueste Novellen, Leipzig 1883; Marie Louise B (Hg.), Wolfgang Kirchbach in seiner Zeit, München 1910.
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Werk über Frauenarbeit und eine Geschichte der Frauenbewegung539 . Soweit es sich anhand dieser wenigen Beispiele einschätzen lässt, scheinen sich Auslandskorrespondentinnen tendenziell etwas häufiger als ihre männlichen Kollegen als Schriftstellerinnen verstanden zu haben, die den Journalismus entweder zusätzlich als Brotberuf oder als politisches Instrument pflegten540 . Die Frau als Schriftstellerin war ein anerkanntes Modell, die Journalistin dagegen noch nicht. Erschwerend kam hinzu, dass dem Beruf des Journalisten immer wieder das Ansehen abgesprochen wurde – auch wenn diffamierende Urteile um 1900 eher als überkommene Stereotype angesehen werden sollten, die sich zwar leicht reaktivieren ließen und immer wieder als Instrument gegen unliebsame Berichterstattung eingesetzt wurden, aber nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit entsprachen. 2.5 Journalistische Arbeits- und Recherchepraxis Die bereits verschiedentlich angesprochene verbesserte Positionierung der Presse und ihrer Akteure in den politischen Kulturen Europas wirkte sich ebenso auf die journalistische Arbeits- und Recherchepraxis aus wie technische und presseimmanente Neuerungen. Zwar behielten die zwischen 1848 und 1870 entwickelten Strategien der Informationsbeschaffung ihre Gültigkeit, beruhten aber zunehmend auf anderen Prämissen oder erfuhren qualitative oder quantitative Neugewichtungen. So blieben etwa die persönlichen Netzwerke der Korrespondenten eine wichtige Informationsquelle. Allerdings waren die Journalisten seit den 1870er Jahren zunehmend weniger darauf angewiesen, dass sie bereits bei Antritt ihres Postens über ausgebreitete Verbindungen verfügten, sondern ihre Rolle als Zeitungskorrespondent setzte sie in den Stand, rasch neue Kontakte zu unterschiedlichen Kreisen anzuknüpfen. Als frühes Beispiel sei noch einmal auf Arthur Levysohn verwiesen, dem – nach Ansicht seiner Redaktion – als Korrespondent der KöZ Verbindungen zur deutschen Diplomatie »zu Gebothe« standen541 . Rund drei Jahrzehnte später wurde der Pariser Korrespondent Treusch von Buttlar nicht in erster Linie aufgrund persönlicher Eigenschaften auf der Botschaft empfangen, sondern weil er für viele Blätter schrieb542 . Auch kam es etwa seit der Jahrhundertwende immer wieder vor, dass sich Journalisten ohne Empfehlung, nur unter Verweis auf die Bedeutung ihrer Zeitung an Staatsmänner wandten, um diese um ein Gespräch
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Käthe S, Die moderne Frauenbewegung. Ein geschichtlicher Überblick, Leipzig 1905; D., Die Frauenarbeit im Hause, ihre ökonomische, rechtliche und sociale Wertung, Leipzig 1905; D., Voltaire. Eine Biographie, Leipzig 1898. So z. B. K, Schreiben für die politische Öffentlichkeit?, S. 144. Siehe zu Levysohn Kap. III.2. Preßleitung an Innenminister Lasser, Wien, 29.4.1875, AT-OeStA/AVA MR Präs. Pl 7. Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212.
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zu bitten – oft erfolgreich543 . Die Korrespondenten der KöZ, der FZ und des BT gehörten fast immer zu denen, die Zugang zu den Mitarbeitern der deutschen Botschaften hatten, was darauf hindeutet, dass die Zugehörigkeit zu einer der bedeutenderen Zeitungen gewissermaßen eine Eintrittskarte zu den Vertretern von Diplomatie und Politik darstellte. Analog zu dieser Entwicklung wurde die Möglichkeit des Anbahnens von Kontakten in der politischen Welt von der parteipolitischen Haltung zunehmend abgekoppelt. Zwar gelang es den Korrespondenten nach wie vor am leichtesten, die Vertreter der Parteien kennenzulernen und in ihr persönliches Netzwerk zu integrieren, deren politische Tendenz ihrer eigenen Haltung nahestand. So pflegte etwa Karl Blind vor allem Beziehungen zu den »Häuptern der europäischen Demokratie«544 . Im Zusammenhang mit seiner journalistischen Tätigkeit hob er aber hervor, »daß zahlreiche persönliche Verbindungen mit hervorragenden Männern verschiedener Parteirichtung mich häufig in den Stand setzen, frühe verläßliche Mittheilungen zu machen«545 . Zudem ließ er durchblicken, dass er manche Kontakte nur pflegte, um sie als Quellen für seine Artikel zu nutzen und um den »Lesern eine genauere, auf gute Erkundigungen gegründete Darstellung zu geben«546 . Die Pflege solcher »nutzbringende[n] Beziehungen« koste Geld, Zeit und Mühe, denn diese müssten »stetig unterhalten werden; andernfalls versiegt die Quelle leicht«547 . Während Arthur Levysohns Forderung nach professioneller Zusammenarbeit auch im Falle politischer Differenzen an der Praxis deutscher Diplomaten zunächst noch abprallte, gelang seinen Kollegen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer häufiger deren Umsetzung. Das Streben nach einem möglichst bunten Strauß politischer Kontakte wurde nicht länger als korrumpierend betrachtet, sondern fand in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg in zunehmendem Maße das Verständnis von Politikern oder Diplomaten. So begrüßte etwa Bernhard von Bülow im Januar 1914 ausdrücklich Wolffs »Bemerkung, dass die politische Richtung die persönliche Wertschätzung nicht zu beeinträchtigen braucht«, und unterstrich ganz im Sinne Wolffs (und Levysohns) die »notwendige Rücksicht auf das große Ganze und das Gemeinsame« ihrer beider Tätigkeit548 . Wie der Chefredakteur des BT versuche auch er selbst, »das Persönliche vom Politischen 543 544
545 546 547 548
Siehe etwa Siegfried Löwy an Aehrenthal, Wien, 27.10.1906, AT-OeStA/HHStA PL 79, sowie Max Schandera an Aehrenthal, Wien, 24.10.1906, ibid. [. V.], Nachruf auf Karl Blind, in: Breslauer Zeitung, 1.6.1907, dokumentiert in Bayerische Staatsbibliothek, Briefe an Hermann Kletke, E. Petzetiana V Blind. Zu Blinds Korrespondenzpartnern gehörten etwa Ledru-Rollin, Garibaldi, Louis Blanc, BL, Blind Papers Vol. III: General Correspondence, Add Ms 40125. Blind an Hermann Kletke, London, 19.7.1877, Bayerische Staatsbibliothek, Briefe an Hermann Kletke, E. Petzetiana V Blind. Blind an Cotta, London, 7.7.1878, DLA, Cotta: Briefe – Blind. Blind an Cotta, London, 24.2.1886, ibid. (Hervorh. i. O.). Auch Theodor Wolff verwies auf die Flüchtigkeit solcher Berufsbekanntschaften, siehe Kap. III.2.2 zu Wolff und Guttmann. Bülow an Wolff, Rom, 7.1.1911, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Br-Bu, N 1207/7.
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zu trennen. Politische Meinungsverschiedenheiten auf das persönliche Gebiet übertragen heißt die ersteren unnötig verschärfen und dabei die persönlichen und gesellschaftlichen Beziehungen erschweren und verunstalten«549 . Auch der Staatssekretär des Reichsmarineamts, Alfred von Tirpitz, der ähnlich wie Bülow zu den staatlichen Akteuren gehörte, die die Presse ziemlich routiniert in ihre Arbeit einbanden, versicherte Theodor Wolff, »dass von einer einseitigen Bevorzugung von Freunden und Bekannten« nicht die Rede sein könne: Die Mitarbeiter seiner Dienststelle ließen sich in der Ausübung ihres Informationsdienstes nicht »von besonderer Gunst« leiten550 . Statt sich auf die Bindungskraft des eigenen politischen Milieus zu verlassen, setzten die Auslandskorrespondenten dementsprechend immer häufiger auf professionelle Standards wie Unabhängigkeit oder Objektivität, um sich Zugang zu politischen oder journalistischen Kreisen zu verschaffen. Dabei kamen ihnen auch die Korrespondentenvereine zugute, in denen sich die hauptberuflichen Kollegen ihres Berichtsortes versammelten und die daher ideale Plattformen für die Anbahnung von berufsrelevanten Kontakten waren551 . Umgekehrt war eine gute Vernetzung mit den politischen Kreisen eine Voraussetzung für die Übernahme einer verantwortlichen Aufgabe in einem solchen Verein. Dass Emil Ney zum syndic der Auslandspresse gegenüber der Parlamentsverwaltung erkoren wurde, wurde mit seinen zahlreichen Kontakten in der »monde parlementaire« begründet552 . Die Begegnung von Gentleman zu Gentleman auf rein professioneller Basis unabhängig von persönlichen oder politischen Sympathien dürfte gleichwohl eher eine Ausnahme gewesen sein, die nur wenigen Journalisten zugestanden wurde – die Regel blieb sicher die Kooperation mit Gleichgesinnten. Die hier angeführten Beispiele zeigen aber, dass sich die Grundlagen der Beziehungen von Auslandskorrespondenten bzw. Journalisten und Politikern in Wilhelminischer Zeit zu verschieben begannen. Die Gesandtschaften des Deutschen Reichs wie anderer Staaten und die jeweiligen Außenministerien, aber auch die Redaktionen der einheimischen Zeitungen waren wichtige Anlaufstellen der Auslandskorrespondenten. In den wenigen Belegen zu deren Recherchepraxis werden diese Institutionen immer wieder genannt. Als am 26. Juli 1914 »Le Temps« eine Meldung über eine Note des deutschen Botschafters brachte, nahm der Korrespondent des BT, Victor Auburtin, postwendend ein Taxi zur deutschen Botschaft, »um der Diplomatie auf den Zahn zu fühlen«, und fand dort Botschafter von Schoen
549 550 551 552
Bülow an Wolff, Rom, 10.1.1911, ibid. Tirpitz an Wolff, Berlin, 28.2.1914, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Ta-Zw, N 1207/19. Siehe dazu Kap. I.3. So die undatierte Notiz bei E. Dimitrieff (Syndicat de la presse étrangère) an E. Barthe (questeur de la Chambre des députés), Paris, 18.12.1926, AssN, Presse – Relations avec la presse étrangère, 12 P 175.
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»freundlich und heiter wie immer«553 . Trotz der angespannten Lage bot von Schoen dem Korrespondenten eine Zigarette an und nahm sich die Zeit für eine kleine Plauderei – zumindest erinnert es so der Journalist –, was auf einen selbstverständlichen und vertrauten Umgang mit dem Korrespondenten hindeutet554 . Bernhard Guttmann von der FZ verbrachte Anfang August 1914 ebenfalls einen »durchgehetzten« Tag damit, in den Botschaften und Redaktionen Londons Informationen zu sammeln555 . Doch auch in weniger bewegten Zeiten gehörte der tägliche Gang (nicht nur) zur deutschen Botschaft zu den Arbeitsroutinen deutscher Auslandskorrespondenten556 . Während sich noch Ende der 1880er Jahre einige der deutschen Korrespondenten offenbar mit der deutschen Botschaft als Informationsquelle begnügten und damit »höchstens an der Peripherie des Pariser Lebens vorbeistrichen«, bemühten sich auf ihre Unabhängigkeit bedachte Journalisten wie Theodor Wolff darum, auch zu den Politikern und Journalisten des Gastlandes Fühlung zu halten557 . So hatten etwa Wolff, Ney, Block, Kroeger und Treusch von Buttlar häufig Kontakt zur Pressestelle des französischen Außenministeriums am Quai d’Orsay, was die deutschen Diplomaten ebenso misstrauisch beäugten wie enge Beziehungen zur französischen Journalistenszene558 . Für eine generelle Aussage darüber, wie dicht die Beziehungen zwischen den deutschen Auslandskorrespondenten und den einheimischen Journalisten an ihrem Berichtsort geflochten waren, liegen nicht genügend Belege vor. Wie gut sich die einzelnen Korrespondenten in die Gesellschaft ihres Gastlandes integrierten, war individuell verschieden und hing von deren Persönlichkeit ebenso ab wie von ihrer Haltung gegenüber dem Gastland. Die vorhandenen Belege deuten aber doch darauf hin, dass die meisten einen intensiven Austausch anstrebten. Dass Theodor Wolff, Bernhard Guttmann und Otto Brandes gut in die Gesellschaft integriert waren, über die sie berichteten, wurde bereits 553 554 555 556
557 558
Victor A, Was ich in Frankreich erlebte und die Literarischen Korrespondenzen aus Paris, Berlin 1995, S. 363. Ibid. Bernhard G, Abschied von England, in: FZ, 13.8.1914, dokumentiert in IfZF, Belege FZ 1 (1898–1936), NL Guttmann, II AK 89/4–1. So zum Beispiel dokumentiert für Emil Ney, Radolin an Bülow, Paris, 5.10.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126 Nr. 3, R 1653; Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481, dort auch mit Bezug auf Schiff, Kroeger, Wolff und Treusch von Buttlar. In London wurden etwa Brandes, Piper, Plehn, Esser, Otto, Guttmann und Krause regelmäßig auf der Botschaft empfangen, Metternich an Bülow, London, 31.1.1902, PA AA, RAV London, 1325–1327; Metternich an Bülow, London, 9.1.1904, PA AA, RZ 201, England 73, R 5617; Bernhard Guttmann, Tagebuchnotizen England 1908/09, IfZF, Reisetagebuch England 1908/09, NL Guttmann, II AK 89/37. In Wien wurde als regelmäßiger Besucher neben Meissner Hartmeyer erwähnt: Tschirschky an Bethmann Hollweg, Wien, 4.8.1914, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1228. W, La Terrasse, S. 145f. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481; Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212; Bericht Riezlers, Paris, 4.11.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481.
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erwähnt559 . Auch Emil Ney pflegte ein gutes Verhältnis zu seinen französischen Kollegen, was sich etwa darin äußerte, dass er selbst in den Nachtstunden ganz routiniert die Redaktionen der Pariser Zeitungen abtelefonierte, um sich die neuesten Informationen zu verschaffen560 . Wie in der Phase vor 1870 spielten neben den persönlichen Kontakten auch bestimmte öffentliche Räume eine wichtige Rolle als Informationsbörsen. In Paris war dies etwa das Café Madrid, das schon Levysohn in den 1870er Jahren als Stammlokal oppositioneller Politiker bekannt gewesen war. Um die Jahrhundertwende versammelten sich dort »die Korrespondenten von Zeitungen aus aller Herren Länder, um Informationen zu erhalten«, und in den letzten Tagen der Julikrise suchte es Auburtin auf, um dort mit seinen Kollegen die Kriegsgefahr zu erörtern561 . Auch das Telegrafenamt an der Pariser Börse, das wegen seiner zentralen Lage und langen Öffnungszeiten von den Pariser Journalisten stark frequentiert wurde, war ein bekannter und wichtiger Nachrichtenumschlagplatz562 . Zumindest in Paris, wahrscheinlich aber auch andernorts waren die deutschen Auslandskorrespondenten größtenteils miteinander bekannt. Einige trafen sich regelmäßig – etwa zum Kneipenabend bei Pousset oder auf Pilsener Bier und Frankfurter Würstchen bei Appenrodt, um die Tagespolitik zu besprechen oder um eine gemeinsame Haltung angesichts ehrenrührigen Verhaltens von Kollegen zu finden563 . In London spielten die Clubs eine wichtige Rolle in der Kommunikation zwischen Politik und Presse564 . Von britischen Journalisten wurden vor allem Carlton Club, London Press Club, Whitefriars Club, Arundel, Garrick Club und Savage Club frequentiert; in welchem Maße dort auch deutsche Journalisten aufgenommen wurden, ist nicht bekannt565 . Für die meisten dürften die Türen der oft exklusiven Clubs verschlossen geblieben sein, Ausnahmen gab es aber: Max Schlesinger war um 1875 Mitglied des Garrick Club566 , in dem auch Bernhard Guttmann verkehrte; Letzterer gehörte zudem dem National Liberal Club an567 . Unter den Mitgliedern des Savage Club waren zumindest einige amerikanische Auslands-
559 560
561 562 563
564 565 566 567
Siehe Kap. II.1.4 und III.2.2. Gustav M, Erinnerungen. Vom Journalisten zum Historiker der deutschen Arbeiterbewegung, Zürich, Wien 1949, S. 116, auch Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Zitat M, Erinnerungen, S. 117; A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 363. M, Erinnerungen, S. 117. S, Psychopathologie, S. 391; A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 360; siehe auch den Abschnitt über die Journalistenduelle, insbesondere den Fall Stephan, S. 340–345. G, Pressekriege, S. 63f.; B, H, Im Bann der Öffentlichkeit, S. 21; B, Victorian News, S. 129–133. Ibid. Schlesinger an Odo Russell, London, 4.1.1875, TNA, Amphtill Papers, FO 918. Bernhard Guttmann, Tagebuchnotizen England 1908/09, IfZF, Reisetagebuch England 1908/09, NL Guttmann, II AK 89/37.
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korrespondenten568 . Weitere Gelegenheiten für den Austausch mit Kollegen wie Politikern boten die Kneipen in der Nähe der Fleet Street und des Strand sowie das Rauchzimmer des Unterhauses569 . In Wien wurden wiederum vor allem die Kaffeehäuser als Informationsbörsen genutzt, bei Journalisten beliebt waren vor allem das Café Griensteidl, wo etwa Hermann Greiml verkehrte, oder das Café Central570 . Konkrete Belege für diesen vermutlich alltäglichen Aspekt der beruflichen Kultur der Auslandskorrespondenten finden sich indes nur selten. Zwar legten die Journalisten zunehmend Wert darauf, ihre Nachrichten selbst zu recherchieren, allerdings spielte die Presse vor Ort als erster Informant und Impulsgeber nach wie vor eine große Rolle571 . Ob wie im Falle Gustav Mayers morgens im Bett oder wie bei Max Nordau in den Galerien des Théâtre de l’Odéon, ob im National Liberal Club oder der Bibliothek des British Museum wie im Falle Guttmanns oder Heinrich Diez’: Der normale Arbeitstag eines deutschen Auslandskorrespondenten begann mit der Lektüre der Zeitungen572 . Aber auch die direkte Augenzeugenschaft war im ausgehenden 19. Jahrhundert fest verankert in der journalistischen Arbeitspraxis. Karl Blind hielt es für eine selbstverständliche Pflicht, »auch wo persönliche Gefahr droht mit eigenen Augen und Ohren Sachen auf die Spur zu kommen, die ich für die ›Allg. Ztg.‹ von Werth halte«573 . Theodor Wolff bezeichnete die Anwesenheit am Ort des Geschehens als eine der wichtigsten Aufgaben des Journalisten und bewunderte den angelsächsischen Journalismus für seinen »Informationsdienst«574 . In einem Nachruf auf Max Nordau hob dessen Biograf nicht nur seinen glänzenden Stil und das selbstständige Urteil hervor, sondern vor allem die »gewissenhafte Beobachtung«575 . Mit »scharfem Auge und scharfer Feder« folgte er politischen, 568 569
570 571
572
573 574 575
W, The Savage Club, S. 249. Bernhard G, Über sozialistische Politiker, in: FZ, 3.9.1904, dokumentiert in IfZF, Belege FZ 1 (1898–1936), NL Guttmann, II AK 89/4–1; B, H, Im Bann der Öffentlichkeit, S. 21. Allgemein dazu F, Das Kaffeehaus, S. 113; Greiml an die Statthalterei, Wien, 7.5.1887, WStLA, M.Abt. 119, A32–1921: 195. Unechte Korrespondenzen nach dem Vorbild der Fontane’schen London-Berichterstattung wurden nach 1900 nicht mehr als statthaft angesehen. Ein Journalist, der wiederholt Meldungen falsch datierte, verlor als »ein nicht zuverlässiger und vertrauenswürdiger Berichterstatter« seinen Ruf und wurde zum Austritt aus dem Verband der ZeitungsKorrespondenzen gedrängt. Fred H, Prozeß von Loßberg, in: Geistiges Eigentum. Zeitschrift für Schriftsteller und Journalisten, 1.4.1908, S. 1. M, Erinnerungen, S. 118; N, Erinnerungen, S. 78; G, Schattenriss einer Generation, S. 289; Heinrich Diez an Preßleitung, London, 25.2.1913, AT-OeStA/HHStA PL 242, auch A-D [Fritz Walz], Die Presse und deutsche Weltpolitik, S. 69. Karl Blind an Redaktion der AZ, London, 24.2.1886, DLA, Cotta: Briefe – Blind. Theodor Wolff, Notes sur l’histoire de la presse, S. 78, BArch, NL T. Wolff: Notes sur l’histoire de la presse, N 1207/26; siehe auch Kap. III.2.2. WF, Max Nordau gestorben, in: VZ, 23.1.1923, S. 4, ähnlich auch N, Erinnerungen, S. 39.
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kulturellen und gesellschaftlichen Vorgängen und sei immer bemüht gewesen, »mehr als oberflächliche Einblicke zu gewinnen«576 . Andere Journalisten wie Ney oder Levysohn wurden für ihre objektive Beobachtung oder zuverlässigen Informationen gelobt577 . Mit dem Hervorheben geübter Beobachtung setzten sich die Qualitätszeitungen nicht nur von »Nachrichten-Diebstahl« und »journalistische[m] Langfingertum« ab, sondern schufen auch die Basis für das »wertvolle Gut der Unabhängigkeit«578 . Die Nachrichten sollten unabhängigen Quellen entspringen, um die Voraussetzung für ein unabhängiges Urteil zu schaffen. Selbst auf dem Gebiet der Literaturkritik stellte ein Redakteur fest: »[A]n Ort und Stelle pflegt das Urtheil richtiger und die Kenntnis der Persönlichkeiten größer zu sein«579 . In diesem Sinne wurde die unbefangene Beobachtung häufig in einem Atemzug mit dem sicheren Urteil genannt580 . Bernhard Guttmann bezeichnete ganz ausdrücklich die Information als Grundlage der Urteilsbildung – und die Urteilsfähigkeit wiederum erklärte er zur Kerntugend eines guten Korrespondenten: »Die instinktive Fähigkeit zu werten, Dinge nach ihrer Wichtigkeit zu placieren, also der Sinn für Proportionen auf der Grundlage einer gescheidten Skepsis, macht den Wert eines politischen Korrespondenten aus, ebenso wie den des Diplomaten«581 . In seiner Autobiografie wird deutlich, dass er die Meinungsbildung als Anliegen und Ziel des Journalismus betrachtete582 . Für Theodor Wolff beinhaltete Journalismus ganz selbstverständlich den »ehrlichen Kampf für eine Idee, für eine saubere Überzeugung«583 . Mit der Betonung des Urteils rückte Guttmann die Meinung des Journalisten in den Vordergrund seiner Vorstellung von guter journalistischer Praxis und schloss damit an die deutsche journalistische Tradition an; indem er aber die gut recherchierte Information zur Basis des Urteils erklärte, integrierte er ein Kernelement der angelsächsischen journalistischen Tradition und schuf so eine transnationale Variante der national vorgeprägten journalistischen Wertesysteme584 . Eng verbunden mit der Zuverlässigkeit der Information und der Sicherheit des Urteils war der Anspruch der Unabhängigkeit der Zeitung, die wiederum 576 577 578
579 580 581 582 583 584
WF, Max Nordau gestorben. Zu Emil Ney siehe M, Erinnerungen, S. 116f., zu Levysohn siehe Ludwig P, Von Berlin nach Paris. Kriegsbilder (1870–1871), Berlin 1871, S. 283f. [. V.], Beim Nachrichten-Diebstahl, in: Der Zeitungs-Verlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen 5 (1904), S. 1050, letztes Zitat Theodor Wolff, Notes sur l’histoire de la presse, S. 78, BArch, NL T. Wolff: Notes sur l’histoire de la presse, N 1207/26. Josef Ettlinger (Literarisches Echo) an Theodor Wolff, Berlin, 27.7.1898, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Di-Fl, N 1207/9. So etwa auf Otto Brandes gemünzt: [. V.], Otto Brandes ausgewiesen, in: Berliner Tageblatt, 25.3.1893, S. 1. G, Die Zukunft des Korrespondenten. D., Schattenriss einer Generation, S. 221–223. Theodor Wolff, Notes sur l’histoire de la presse, S. 60, BArch, NL T. Wolff: Notes sur l’histoire de la presse, N 1207/26. Zum deutschen und angelsächsischen journalistischen Selbstverständnis vor allem R, Journalismus als Beruf, S. 393–407.
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als Vorbedingung ihrer Glaubwürdigkeit angesehen wurde585 . Zeitungen wie die VZ, die FZ oder die »Kölnische Volkszeitung« betonten in ihren Jubiläumsschriften ihre Unabhängigkeit586 . Auch Theodor Wolff hob die Bedeutung der inneren und äußeren Unabhängigkeit der Redaktion bzw. des Journalisten hervor587 . Nicht zuletzt in dieser Haltung sieht Koszyk den Grund dafür, dass auch hochrangige Politiker Theodor Wolff bereitwillig als Gesprächspartner akzeptierten – wenn auch im Allgemeinen eher politische Übereinstimmung die Vorbedingung für engere Kontakte und Informationsaustausch war588 . Während Wolff in den 1930er Jahren auch die innere Unabhängigkeit der Redaktion von z. B. wirtschaftlichen Interessen des Verlegers einbezog, zielte diese Norm um 1900 noch in erster Linie auf die Unabhängigkeit von einer Partei, besonders aber von der Regierung. Dem von zahlreichen Zeitungen unterschiedlicher politischer Couleur gepflegten Anspruch der Unabhängigkeit wurde immer wieder der Vorwurf der Offiziosität oder auch der Käuflichkeit entgegengestellt589 . In der Wahrnehmung der Zeitgenossen brachten besonders liberale Journalisten diese Anschuldigung gegen regierungstreue Berichterstattung vor, die sie für beeinflusst hielten590 . So war dem pressepolitischen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, Kurt Riezler, das »Pathos der Unabhängigkeit«, mit dem sich Theodor Wolff umgab, ein Dorn im Auge, und er bemühte sich, es zu demontieren: Genau desselben Systems, das das B. T. der eigenen Regierung gegenüber mit moralischem Pathos und in gänzlich irriger Vorstellung der dortigen Situation perhorresziert, bedient sich das Pressbüreau des Quai d’Orsay dem Tageblatt gegenüber mit Erfolg und ohne auf Widerstand zu stossen. Um der Primeurs willen, die er von dort erhält, meldet der an und für sich sehr verständige, aber von seiner Zeitung abhängige Korrespondent des Tageblatts, Paul Block, was der Quai d’Orsay wünscht und verkauft so, um in Theodor Wolffs Sprache zu reden, seine Seele um die Nachrichten des französischen Pressbüreaus591 .
Derartige Vorwürfe wurden häufiger erhoben. So wurde dem FZ-Korrespondenten Ney unterstellt, er unterwerfe seine Berichterstattung französischem Einfluss592 . Es soll an dieser Stelle nicht darum gehen, den Wahrheitsgehalt dieser wechselseitigen Vorwürfe zu klären, das Interessante daran ist vielmehr, 585 586 587 588
589 590 591 592
So ausdrücklich etwa bei J, Der Journalist, S. 68. C, Fünfzig Jahre Kölnische Volkszeitung, S. 57; B, Die Vossische Zeitung, S. 124; Geschichte der Frankfurter Zeitung (1911), S. 40. Theodor Wolff, Notes sur l’histoire de la presse, S. 77f., 129–156, BArch, NL T. Wolff: Notes sur l’histoire de la presse, N 1207/26. K, Theodor Wolff, S. 449, ähnlich Helmut C, Über Theodor Wolff, in: S (Hg.), Journalisten über Journalisten, S. 140–149, hier S. 141; dagegen R, Journalismus als Beruf, S. 395f.; G, Pressekriege, S. 55–58. Dazu R, Journalismus als Beruf, S. 393–399. So klagte etwa Riezler in einem Bericht an das Auswärtige Amt, Paris, 4.11.1909, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481. Bericht Riezlers, Paris, 4.11.1909, ibid. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1909, ibid.; Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212.
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dass der Vorwurf der Abhängigkeit offenbar von beiden Seiten gezielt erhoben wurde, um die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung zu untergraben593 . Die Unabhängigkeit des Journalisten war also ein wichtiges Argument für die Glaubwürdigkeit und damit für die Qualität einer Zeitung, das die deutschen Auslandskorrespondenten für sich in Anspruch nahmen und das auch von ihnen erwartet wurde. Die KöZ etwa berücksichtigte diese Frage bei der Neubesetzung des Wiener Korrespondentenpostens. Dem scheidenden Korrespondenten Meissner warf die Redaktion angeblich bereits »seit Jahren vor, daß er sich von seinen Wiener Informatoren in seiner Berichterstattung zu sehr beeinflussen ließ«594 . Von seinem Nachfolger Hans Bungers dagegen erwartete die Redaktion ein selbstständigeres Urteil, er wurde ausdrücklich angewiesen, »absolute Objectivität walten zu lassen«595 . Diese versuchte die Kölner Redaktion bei ihren Auslandskorrespondenten unter anderem durch ein Verbot der aktiven Beteiligung an der Innenpolitik der jeweiligen Länder zu sichern596 . Die FZ verlangte ebenfalls objektive Berichterstattung von ihren Korrespondenten und ersetzte aus diesem Grund Heinrich Kanner in Wien durch »einen anderen, objectiven Correspondenten«597 . Bernhard Guttmann, der nach seinem Londoner Korrespondentenposten bei der FZ Karriere machte und bis zu seiner Pensionierung bei dem Blatt blieb, betonte, dass er selbst nach objektiver Berichterstattung strebe – interessanterweise als Reaktion auf ein Lob Otto Hammanns für seinen vom Auswärtigen Amt bezahlten Depeschendienst, so dass die Erklärung wie die Verteidigung seiner journalistischen Unabhängigkeit wirkt598 . Das Verhältnis der Auslandskorrespondenten zur Redaktion und der Einfluss, den Letztere auf die Berichterstattung nahm, lassen sich auch in dieser Phase nur schwer einschätzen. Die letzte Entscheidung über den Inhalt der Zeitung behielt die Redaktion – wenn sie einen Artikel nicht aufnahm, hatte der Korrespondent das Nachsehen. Für Korrespondenten wie Karl Blind, dessen Honorar sich nach den gedruckten Zeilen bemaß, war das besonders ärgerlich. Es blieb ihm aber nichts übrig, als den »Rückschwung des Interesses nach England hin« zu akzeptieren und nur noch drei statt wie bisher vier Briefe in der Woche an die AZ zu schicken599 . Auch Theodor Wolff, der schon als Pariser Korrespondent zu den besten Mitarbeitern des BT gehörte, handelte sich eine 593
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Requate stellt fest, dass der Vorwurf der Käuflichkeit oder Willfährigkeit meist gegen Journalisten von anderer politischer Gesinnung erhoben wurde: R, Journalismus als Beruf, S. 397. Lippert an Gołuchowski, Köln, 4.2.1905, AT-OeStA/HHStA PL 122. Ibid. Ibid. Dies meldete nach einem Gespräch mit dem Berliner Vertreter des Blattes August Stein nach Wien, Szögyeny an Gołuchowski, Berlin, 25.11.1899, AT-OeStA/HHStA PL 122. Guttmann an Hammann, London, 13.5.1914, PA AA, RZ 201, England 73, R 5641. Blind an Redaktion der Allgemeinen Zeitung, London, 7.7.1878, DLA, Cotta: Briefe – Blind.
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Rüge ein, weil er auf die »Raumbedürfnisse der Redaktion« keine Rücksicht nahm und weiter dreispaltige Feuilletons schrieb600 . Sein »Bienenfleiß« zwang die Redaktion mitunter dazu, einige seiner hochgelobten Berichte von der Pariser Weltausstellung nicht abzudrucken – der zuständige Feuilletonredakteur riet, er solle versuchen, sich daran zu gewöhnen601 . Unter »chronischem Raummangel« litt die KöZ Anfang der 1880er Jahre ebenso wie die »Schlesische Volkszeitung« 1911, so dass nur die Artikel untergebracht werden konnten, die sich »mit unabweisbarer Notwendigkeit aufdrängen«602 . Nach welchen Kriterien diese ausgewählt wurden, an welchen Nachrichtenfaktoren sich die Redaktionen orientierten, lässt sich aufgrund der Quellenlage nicht feststellen. Zwar scheinen die Korrespondenten innerhalb des vorher vereinbarten Rahmens weitgehend freie Hand bei der Auswahl der Themen ihrer Berichterstattung gehabt zu haben, allerdings finden sich immer wieder Hinweise auf eine Einmischung seitens der Redaktionen. Weil Karl Blind als guter Demokrat anlässlich des Thronjubiläums der Queen nur einen einzigen Artikel in Form eines »geschichtlichen Überblick[s]« lieferte, nicht aber die Feierlichkeiten selbst besprach, wurde er vom Redakteur der AZ, Otto Braun, kurzerhand entlassen603 . Die Tatsache, dass er das Jubiläum nicht als berichtenswertes Ereignis erkannte, könnte darauf hindeuten, dass seine in den 1850er Jahren geprägte journalistische Arbeitspraxis den Ansprüchen der Redaktion nicht mehr entsprach – wobei die AZ selbst in den 1880er Jahren sicher nicht mehr der Inbegriff eines modernen Qualitätsjournalismus war. Mit Sicherheit jedoch zeigt der Konflikt, dass die Redaktionen eine feste Vorstellung davon hatten, über welche Themen sie Berichte von ihren Korrespondenten wünschten, auch wenn dahinter wohl kaum ein ausformulierter Katalog von Nachrichtenfaktoren stand. Gängige Praxis war es wohl, dass die Korrespondenten zu besonderen Ereignissen in ihrem Berichtsland geschickt wurden, wie etwa im Falle Max Nordaus, der von der Redaktion der VZ mit der Berichterstattung über den DreyfusProzess in Rennes beauftragt wurde604 . Die Anregung des Chefredakteurs des BT, Theodor Wolff solle doch auf der deutschen Botschaft »den Herren auf den Zahn« fühlen, welche Vorstellungen sie für etwaige Siegesfeierlichkeiten angesichts des bevorstehenden Jahrestags des Deutsch-Französischen Krieges hätten, wirkte noch eher beiläufig und unverbindlich605 . Fast zwanzig Jahre 600 601 602
603 604 605
Friedrich Dernburg an Wolff, Berlin [1890er Jahre], BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Ca-De, N 1207/8. Dernburg an Wolff, Berlin, 10.7.1895 sowie 26.5.1900, ibid. Erstes Zitat H. Trimborn an Victor Naumann, Breslau, 26.10.1911, Bayerische Staatsbibliothek, Briefe an Naumann von H. Trimborn, Redakteur Schlesische Volkszeitung, Naumanniana B.IV. Trimborn, zweites Zitat August Schmits an Heinrich Kruse, Köln, 30.5.1881, HHI, NL Kruse, Briefe Schmits. Karl Blind an Cotta’sche Buchhandlung, London, 14.7.1887, DLA, Cotta: Briefe – Blind. N, Erinnerungen, S. 206f. Levysohn an Wolff, Berlin, 22.1.1895, BArch, NL T. Wolff: Allgemeine Korrespondenz, Kr-Le, N 1207/14.
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später wurde Victor Auburtin von seiner Redaktion extra angerufen und auf die »deutschfeindlichen Unruhen in Paris« angesetzt. Er und sein Kollege, der dieselbe Order von seiner Redaktion empfangen hatte, hatten nichts Derartiges beobachtet und suchten denn auch vergeblich nach diesen Unruhen606 . Das zeigt, dass sich die Redaktionen nicht allein auf die Berichte ihrer Auslandskorrespondenten verließen, sondern sich parallel Anregungen aus den Meldungen der Nachrichtenagenturen holten, die sie nutzten, um ihre Korrespondenten auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen. Aus den vorliegenden Quellen lässt sich nicht ermessen, ab wann und in welchem Maße die Redaktionen hinsichtlich der Themenauswahl so dezidiert zu lenken versuchten, ob dieses Vorgehen in der deutschen Presse eher eine Ausnahme oder die Regel darstellte und ob sich daraus eine zunehmend einförmige Berichterstattung ergab. Auch Hinweise auf die Selektionskriterien der Korrespondenten finden sich nicht. Es wäre anhand einer vergleichenden Untersuchung der Berichterstattung zu überprüfen, ob eigene Auslandskorrespondenten tatsächlich der Monopolisierung und Uniformität der Zeitungsinhalte vorbauten; Requate konstatiert schon seit den 1850er Jahren eine einförmiger werdende Berichterstattung, betont aber, dass die französische Presse aufgrund der langjährigen Monopolstellung der Agence Havas davon stärker betroffen war als die deutsche Presse, bei der der stärker etablierte Einsatz eigener Korrespondenten für mehr Diversität sorgte607 . Seit Ende der 1880er Jahre wandelten sich die Ausstattung und die Infrastruktur, derer sich die Korrespondenten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit bedienen konnten. So hatte etwa der Pariser Korrespondent der KöZ Cramer 1888 einen Sekretär, Baron de Scheidlein, der jedoch selbst auch als Korrespondent dieses Blattes auftrat und zudem Vorstandsmitglied der APE war608 . Nach der Jahrhundertwende verfügten auch andere Pariser Korrespondenten über eigene Sekretäre, neben dem der KöZ waren dies Theodor Herzl (»Neue Freie Presse«), Theodor Wolff und Victor Auburtin (BT)609 ; Ernst Leopold von Wedel, der vor allem für den HC schrieb, setzte seine Frau als Sekretärin ein, eine Praxis, die zwar nur in diesem einen Fall dokumentiert, aber wahrscheinlich häufiger angewandt wurde610 . Über die Sekretäre der Korrespondenten 606 607 608 609
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A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 359f. Dazu R, Kommunikationswege, S. 85, 88f. [. V.], Journaux officieux, in: Le Matin, 23.6.1888, dokumentiert in PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1199. Flotow an Bülow, Paris, 24.1.1905, PA AA, RAV Paris, 343; A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 366; S, Psychopathologie, S. 368; Notiz »Au sujet du nouveau journal de M. Théodor Wolff«, Paris, 12.2.1899, AN, F/7/12566–12572. Clementine von Wedel an das Auswärtige Amt, Sainte-Marie, 7.3.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1211. Der Wiener Korrespondent der FZ, Hugo Ganz, widmete sein Buch über eine Russlandreise seiner Frau, der »treuen Helferin«, was diese Annahme nahelegt: Hugo G, Vor der Katastrophe. Ein Blick ins Zarenreich. Skizzen und Interviews aus den russischen Hauptstädten, Frankfurt a. M. 1904.
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liegen so gut wie keine Informationen vor, allerdings scheint es sich bei ihnen häufig um Journalisten gehandelt zu haben: Auburtins Sekretär Lery arbeitete als Berichterstatter für die »Straßburger Bürgerzeitung«611 , Kroegers Sekretär Pötter bewarb sich um die Stelle als Korrespondent der »Kreuzzeitung« und korrespondierte später für die »Tägliche Rundschau«612 . Eine Stelle als Sekretär des Korrespondenten einer großen deutschen Zeitung war vermutlich ein guter Einstieg in den Korrespondentenberuf – oder ein willkommener Nebenverdienst zu einer schlechtbezahlten eigenen Korrespondententätigkeit. Ob es sich um Privatsekretäre handelte oder ob sie von der Redaktion gestellt wurden, ließ sich nicht feststellen. Etwa seit der Jahrhundertwende konnten zumindest die Korrespondenten einiger großer Zeitungen an ihrem Berichtsort auf eine permanente Infrastruktur zurückgreifen. Der Pariser Korrespondent der FZ, Emil Ney, hatte in der Nähe der Börse Büroräume, in denen auch sein Urlaubsvertreter Gustav Mayer im Herbst 1898 wohnte und arbeitete613 . Sein Arbeitstag begann daher im Bett, wohin ihm der Portier nicht nur »einen enormen Berg von Zeitungen« brachte, sondern auch ein »opulentes Frühstück«614 . Sein Kollege vom BT in London, Otto Brandes, verfügte zur Jahrhundertwende sogar schon über einen eigenen Telefonanschluss, und auch das Büro seines Pariser Kollegen Auburtin war 1914 mit einem Telefon ausgestattet615 . Das Telefon hielt seit den 1880er Jahren Einzug in die ersten Redaktionen, hatte zunächst jedoch rein lokale Bedeutung und blieb auch um die Jahrhundertwende gegenüber der Telegrafie nachrangig616 . Um 1912 hatte es sich aber als Bestandteil von Zeitungsredaktionen durchgesetzt und wurde auch für die Auslandsberichterstattung ein zunehmend relevanter Kommunikationskanal617 . Bereits Ende der 1890er Jahre ersehnte die Redaktion der FZ den Anschluss Frankfurts an die Telefonnetze der europäischen Metropolen, und beim BT erwartete man nicht nur die baldige Verbindung mit London und Paris,
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[. V.], Les correspondants parisiens de la presse allemande, in: Agence Fournier, 17.7.1914; [. V.], Les correspondants parisiens des journaux allemands et divers incidents, in: Le Gaulois, 18.7.1914, S. 4. Radolin an Bülow, Paris, 9.5.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 126, R 1481; Flotow an Bülow, Paris, 24.1.1905, PA AA, RAV Paris, 343. M, Erinnerungen, S. 118. Ibid. Siehe den Briefkopf auf Brandes an Hermann Sudermann, London, 10.5.1900, DLA, Cotta: Nachl. Sud. V 37, Bl. 37; A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 359. W, Grundzüge, S. 164. In amerikanischen Zeitungsredaktionen dagegen wurde das Telefon schon um 1900 häufiger genutzt als der Telegraf: Asa B, Peter B, A Social History of the Media. From Gutenberg to the Internet, Oxford, Cambridge, Malden 2002, S. 150. B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 195–202; B, Mediengeschichte, S. 109; Werner F, Medienwandel im Industrie- und Massenzeitalter (1830–1900), Göttingen 2004, S. 183–194.
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sondern auch mit Peking618 . Seit dem Anschluss Berlins an die internationalen Telefonnetze nutzten etwa die »BZ am Mittag« als ›schnellste Zeitung der Welt‹ oder auch die VZ das Telefon zunehmend zur regulären Übermittlung ihrer Auslandsnachrichten619 . Kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges war die telefonische Nachrichtenübermittlung so normal geworden, dass sie selbst für die Theaterkritik eingesetzt wurde. Nach der Aufführung des Wilhelm Tell im Odéon übermittelte Marie Louise Becker noch in der Nacht ihre Berichte vom Keller der Börse aus telefonisch an die »Leipziger Neuesten Nachrichten« und den »Berliner Börsen-Courier«620 . Auch in der Parlamentsberichterstattung war das Telefon offenbar ein gängiges Medium, denn wenigstens die Parlamentsgebäude in Wien und Paris verfügten über öffentliche Telefone621 . Während die telefonische Auslandsberichterstattung um 1900 noch eine kleine Sensation war, gehörte das tägliche Telegramm des Auslandskorrespondenten längst zum Standard. Zum 25-jährigen Jubiläum des BT hielt ein Mitarbeiter im Januar 1897 fest: »Das ›Privattelegramm‹, bisher ein seltener Gast in den Zeitungen, wurde zur ständigen Einrichtung [. . . ]. Heute wundert sich Niemand mehr über das, was damals als journalistische Großthat galt, wenn ein spaltenlanger Prozeßbericht oder eine ganze Kammerrede von außerhalb auf den Draht geworfen wurde«622 . Zwar schieden die Zeitungen noch zwischen Meldungen, die ein Telegramm rechtfertigten, und solchen, in denen ein Brief völlig ausreichte – als Guttmann für die FZ zu arbeiten begann, wurde er ausdrücklich gebeten, nur in besonders wichtigen Einzelfällen zu telegrafieren –, allerdings war es um 1900 üblich, dass die Hauptkorrespondenten ihre Redaktion mehrmals am Tag mit kurzen Depeschen belieferten623 . Während Moritz Brühl im Frühjahr 1865 monatlich im Durchschnitt etwa sechs Telegramme aus Wien an die Redaktion der AZ sandte, die zudem aufwändig abgerechnet werden mussten624 , schickte Theodor Wolff seiner Zeitung ganz regulär zwei Telegramme am Tag – morgens eines, das für die Abend-Ausgabe gedacht war, abends eines, das in die Morgen-Ausgabe
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M, Erinnerungen, S. 110, sowie Fritz E, Die Zeitung, in: Berliner Tageblatt, Jubiläums-Nr. 1872–1897, Berlin 1.1.1897, S. 13–16, hier S. 15. S, Psychopathologie, S. 396; B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 199; K, »Bezett – Bezett am Mittag!«, S. 193; K, Deutsche Presse, S. 289. Als eine der ersten wurde die Verbindung Paris–Berlin freigeschaltet: Michael R, Telekommunikation. Aus der Geschichte in die Zukunft, Heidelberg 1990, S. 117; insgesamt ist die Forschungslage zum Ausbau der internationalen Telefonnetze recht dürftig. Marie Louis Becker, Tagebuch, S. 2, Archiv Remscheid, Tagebuch, N 21 Becker-Strube. Arthur H, Le palais du Luxembourg. Le palais, le Petit-Luxembourg, le jardin, le musée, les carrières, Paris 1905, S. 41, für Wien Dossier Telefonangelegenheiten, 1888–1918, ÖP, Allgemeine Büroangelegenheiten, 1h/2 (1), Schachtel 83. E, Die Zeitung, S. 15. Josef Stern an Guttmann, Frankfurt a. M., 29.10.1898, IfZF, Korrespondenz Guttmanns mit dem Verlag der FZ, NL Guttmann, II AK 89/53. Moritz Brühl an Cotta-Verlag, Wien, 1.3. und 2.9.1865, DLA, Cotta: Briefe – Brühl.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
des nächsten Tages einfließen sollte625 . Bei außergewöhnlichen Vorkommnissen waren es deutlich mehr Telegramme. Als Casimir-Perier überraschend vom Präsidentenamt zurücktrat, sandte Wolff dem »Tageblatt« an einem einzigen Tag mindestens sieben Depeschen626 . Das Beispiel verdeutlicht den hohen Aktualitätsdruck, der auf der Auslandsberichterstattung lastete, die im Idealfall immer so aktuell war, wie es die technische Infrastruktur und die Finanzkraft der Zeitung zuließen. Die Forschung datiert den Durchbruch des Telegrafenwesens in der Presse und die Verdrängung des Briefes durch das Telegramm als gängigste Form der Nachrichtenübermittlung etwa auf die 1860er/1870er Jahre627 . Das war sicher nur bei den größeren Zeitungen der Fall, die »Kölnische Volkszeitung« etwa empfing auch noch in den 1870er Jahren nur vereinzelt Telegramme628 . Ihre ältere Nachbarin, die KöZ, hatte den telegrafischen Dienst schon seit der Jahrhundertmitte ausgebaut und empfing am 8. Dezember 1874 das erste Mal eine Depesche über ihre eigene Leitung629 , doch selbst beim BT vollzog sich diese »journalistische Revolution« erst in den 1880er Jahren630 . Seither entwickelte sich die tägliche Depesche aber offenbar auch für die Auslandskorrespondenten anderer Blätter mehr und mehr zum Standard631 . Auf internationalen Kongressen versuchten die Pressevertreter daher vergünstigte Gebühren für Pressetelegramme mit den Telegrafengesellschaften auszuhandeln632 . In der »Praxis des Journalisten«, so stellte der Autor des so betitelten Handbuchs, Johannes Frizenschaf, 1901 fest, werde der Brief immer mehr verdrängt, dagegen nehme die telegrafische und telefonische Berichterstattung bereits den größten Teil des Raums in den Zeitungen ein633 . Diese Entwicklung stieß auch auf Kritik: Der Publizist Eduard Goldbeck etwa plädierte dafür, die Zahl der Zeitungstelegramme einzuschränken. Das dem amerikanischen Journalismus nachempfundene Nachrichtenblatt, das ohne Gewichtung, Wertung und Urteil einen unüberschaubaren Wust von einander widersprechenden Depeschen abdruckte, erliege der Illusion, dass eine objektive Berichterstattung möglich sei, 625 626 627 628 629
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W, La Terrasse, S. 195; K, Der Chef-Redakteur, S. 90f.; S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 52. Siehe zu Theodor Wolff Kap. III.2.2. G, Pressekriege, 33f.; W, Grundzüge, S. 160–164; B, Das Selbstgespräch der Zeit, S. 134f.; auch B, B, A Social History, 132–142. C, Fünfzig Jahre Kölnische Volkszeitung, S. 32. Schultze an Kruse, Köln, 8.12.1874, HHI, NL Kruse, Briefe Schultze. Auch die NZ brachte schon seit 1849 regelmäßig Depeschen: F, Die Geschichte der Berliner »NationalZeitung«, S. 19. B, Die Geschichte des Hauses, S. 38f. Etwa N, Erinnerungen, S. 140; Geschichte der Frankfurter Zeitung (1911), S. 144. Weil nicht immer alles auch abgedruckt wurde, lässt sich die Veränderung der Arbeitspraxis nicht unbedingt durch einen Blick in die Zeitungen bestätigen, wenngleich die Tendenz der Entwicklung sichtbar wird. F, Aux origines de l’identité professionnelle, S. 147. F, Die Praxis des Journalisten, S. 91.
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und vergesse darüber hinaus, dass auch das »Thatsachenmaterial« kein Rohstoff sei, auf dessen Basis der unabhängige Leser sein Urteil fällen könne, sondern selbst schon »Halbfabrikat«634 . Statt des Nachrichtenjournalismus amerikanischer Prägung forderte er einen starken Redakteur, der die Nachrichten sorgfältig auswählte, gewichtete und dem Leser orientierend und meinungsbildend zur Hand ging635 . Auch wenn diese Kritik überspitzt ist und auf einer Übertreibung der Praxis zumindest der meisten deutschen Zeitungen beruhte, kann sie doch als Indikator für die Entwicklungstendenz der deutschen Presse interpretiert werden. Wie wichtig Telefon und Telegraf für die Arbeitsroutinen der deutschen Auslandskorrespondenten geworden waren, zeigte sich beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges, als diese Kommunikationskanäle gekappt wurden: Während alle anderen Auslandskorrespondenten im Telefonzimmer der Börse einen freien Apparat zu erhaschen versuchten, blieb den deutschen Korrespondenten nichts zu tun. Botschaftsattaché Hatzfeld riet dem Korrespondenten des BT folglich abzureisen, »hier sei ja doch nichts mehr zu holen, seitdem der Telegraph nicht mehr arbeite«636 . Dass sich seit den 1880er Jahren eine gemeinsame berufliche Identität der Auslandskorrespondenten herauskristallisierte, die zumindest zeitweise eine transnationale Berufsgemeinschaft stiftete, wurde bereits gezeigt637 . Hier soll nun an konkreten Einzelbeispielen noch einmal darauf eingegangen werden, womit sich deutsche Auslandskorrespondenten außerdem identifizierten. Nur in seltenen Ausnahmen spielte dabei die Konfession der Korrespondenten eine Rolle, und wenn ein Korrespondent sich selbst stark mit einer Religion identifizierte, nahm sie doch nur einen geringen Einfluss auf seine journalistische Tätigkeit. Max Nordau war zwar einer der bekanntesten Vertreter des politischen Zionismus, dennoch scheint es kaum angebracht, ihn als Vertreter eines jüdischen Journalismus zu kennzeichnen. Seine Rolle als politischer Paris-Korrespondent der VZ scheint er zumeist von seinem zionistischen Engagement getrennt zu haben. Seine Parteinahme in der Dreyfus-Affäre resultierte nicht aus diesem Engagement, sondern dieses basierte umgekehrt auf seinen Erfahrungen während des Prozesses. Auch Theodor Wolff oder Paul Goldmann empörten sich über den in der Affäre zutage tretenden Antisemitismus, allerdings in erster Linie aufgrund ihrer demokratischen und republikanischen Überzeugungen. Auch wenn die Dreyfus-Affäre bei Wolff einen Prozess der Selbstvergewisserung anstieß, identifizierte er sich kaum mit dem Judentum und schrieb seine Artikel nicht aus einer dezidiert jüdischen
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G, Die Depeschenzeitung. Ibid. A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 366f. Siehe Kap. I.
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Perspektive heraus638 . Dem »Glauben nach war Wolff Jude«, aber »[p]olitisch wie kulturell fühlte er sich ganz und gar der deutschen Nation zugehörig«639 . Ähnlich verhielt es sich bei seiner Zeitung. Zwar befand sich das BT im Besitz des jüdischen Verlegers Rudolf Mosse, hatte einen jüdischen Chefredakteur (Arthur Levysohn bzw. Theodor Wolff) und beschäftigte einige jüdische Mitarbeiter, ihrem Inhalt und Charakter nach war die Zeitung aber liberal, nicht jüdisch. Bernhard Guttmann, der ebenfalls jüdischer Herkunft war, reflektierte zwar öfters die unterschiedliche Stellung der deutschen und englischen Juden, blieb dabei aber ähnlich neutral und distanziert wie Wolff. Wie das BT wurde auch seine Zeitung häufig als »Organ des Judentums« bezeichnet, woran er in seiner Autobiografie die Feststellung knüpfte, dass im »Frankfurter innern und auswärtigen Stabe [. . . ] auf den wichtigeren Posten ungefähr der dritte Teil von israelitischer Abkunft« war640 , was er folgendermaßen erklärte: »Da die jüdische Intelligenz zu den geistigen Berufen hindrängte, sah man in der Presse Juden an Stellen, die in die Augen fielen, doch machten sie zusammen keinen hohen Prozentsatz aus. Gemäß der Natur der Dinge standen sie fast alle auf der linken politischen Seite«641 . Bezeichnenderweise thematisierte er selbst diese Frage nur deshalb, weil sie von außen an ihn bzw. seine Zeitung herangetragen wurde. Die Zuschreibung eines jüdischen Charakters wurde oft instrumentalisiert, um bei Meinungskonflikten jenseits inhaltlicher Argumentation die Integrität einer Zeitung anzugreifen. Schon 1849 hatte Zedlitz den Begriff »Judenpresse« abwertend benutzt, um die Redaktion der AZ von der Übernahme der politischen Ansichten der oppositionellen Wiener Blätter abzuhalten642 . Mitte der 1870er Jahre fand der Begriff dann im Zuge des sich ausbreitenden Antisemitismus breiteren Eingang in den Sprachgebrauch, mit besonderer Stoßrichtung gegen die modernen liberalen Großstadtzeitungen643 . Während der Begriff zunächst als Bestandteil antisemitischer Verschwörungstheorien genutzt wurde, verselbstständigte er sich bald zu einem Schimpfwort, das die Glaubwürdigkeit der so bezeichneten Zeitungen unterhöhlen sollte. So verbat sich etwa Ernst von der Nahmer, Redakteur der KöZ, die selbst laut Guttmann grundsätzlich keine Juden als Mitarbeiter akzeptierte und deren 638 639
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S, Theodor Wolff. Ein Leben mit der Zeitung, S. 68f.; G, Distanzierte Beobachtung. Adolf G, Theodor Wolff zum Kriegsausbruch 1914. Eine Primärquelle von durchschlagender Aussagekraft, in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 35 (1985), S. 47–53, hier S. 47. G, Schattenriss einer Generation, S. 223f. Ibid. Zedlitz an Cotta, 2.3.1849, DLA, Cotta: Briefe – Zedlitz. Zur Geschichte des Begriffs der Judenpresse siehe den Exkurs in Katrin D, Die jüdische Presse im Dritten Reich. Zwischen Selbstbehauptung und Fremdbestimmung, Tübingen 1997, S. 42–50, sowie Clemens E, Judenpresse, in: Wolfgang B (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, Berlin 2010, S. 156f.
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Vertreter antisemitische Ausfälle in ihre Briefwechsel einstreuten, den Vergleich seines Blattes mit der »corrupten Judenpresse in Wien«, um eine privilegierte Behandlung seiner Mitarbeiter zu erreichen644 . Der französische Botschafter in Berlin, Emmanuel Henri Victurnien de Noailles, bediente sich haltloser antisemitischer Verschwörungstheorien angesichts der Haltung der VZ, der NZ, der FZ und anderer liberaler deutscher Blätter zum Dreyfus-Prozess645 . Die Zeitungen, die für Dreyfus Partei ergriffen, so führte der Botschafter aus, stünden unter »semitischem Einfluss«, die »israelitischen« Korrespondenten sekundierten angeblich ihrem »coreligionaire« und gehorchten – so Noailles – »un même mot d’ordre«646 . Ähnlich wie der Vorwurf der Käuflichkeit oder der Offiziosität wurde der Begriff »Judenpresse« bei politischen Meinungsverschiedenheiten genutzt, um die betroffene Zeitung zu diffamieren und ihr die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Eine tatsächliche Begründung im journalistischen Selbstverständnis der Auslandskorrespondenten oder ihrer Zeitungen hatte diese Diffamierung nicht; die deutschen Journalisten jüdischer Herkunft trennten Glaubensbekenntnis und Berufspraxis. Im Falle der »Kölnischen Volkszeitung« oder der »Germania« als den wichtigsten überregionalen Tageszeitungen des politischen Katholizismus dagegen dürfte die Konfession der Korrespondenten durchaus Relevanz besessen haben. Einige Indizien sprechen dafür, dass das Blatt seine Korrespondenten bevorzugt aus dem katholischen Milieu rekrutierte – aus Wien korrespondierte etwa 1889 ein katholischer Geistlicher namens Monsignore Josef Knab für beide Blätter, Friedrich A. Bacciocco, der zwischen 1889 und ca. 1910 für die »Kölnische Volkszeitung« aus Wien berichtete, war der Neffe eines Geistlichen, der Pariser Korrespondent der 1860er Jahre, Adolf Ebeling, war gläubiger Katholik, bei dem Londoner Korrespondenten Stanislaus Reuschel, der unter dem Pseudonym »Rollo« publizierte, könnte es sich um den späteren Abgeordneten der Zentrumspartei gleichen Namens gehandelt haben. Für die übrigen Korrespondenten liegen nur ganz vereinzelt Informationen über die Religionszugehörigkeit vor, so dass keine Aussagen darüber getroffen werden können, ob und in welcher Weise die Konfession für das berufliche Selbstverständnis, die Entscheidung für den Beruf oder die Wahl der Zeitung eine Rolle spielte. Wichtiger als »ererbte« Zugehörigkeiten waren wohl selbstgewählte Loyalitäten. Angesichts des Befundes einer transnationalen Berufsidentität leuchtet es ein, dass viele der deutschen Korrespondenten Kosmopoliten waren und die
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Tschinkel an Jettel, Köln, 2.6.1908, AT-OeStA/HHStA PL 122. Antisemitische Äußerungen finden sich etwa in den Briefen Wilhelm Friedrich Schultzes an Heinrich Kruse, z. B. über Arthur Levysohn, Köln, 2.12.1878, HHI, NL Kruse, Briefe Schultze. Noailles an Delcassé, Berlin 15.2.1899, sowie Noailles an Hanotaux, Berlin, 16.1.1898, FR-MAE AD, Allemagne, NS 91. Noailles an Hanotaux, Berlin, 15.11.1896, FR-MAE AD, 1871–1896, 3CP Allemagne 1871–1896/133.
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Rolle von Vermittlern zwischen dem Deutschen Reich und ihrem Gastland anstrebten. Max Nordau etwa hatte das Ziel, zwischen Deutschland und Frankreich zu vermitteln und so den Frieden zu befestigen647 . Auch Otto Brandes, der nach Theodor Wolffs Urteil gelegentlich durch einen etwas zu ostentativen preußischen Patriotismus auffiel, stellte seine Korrespondententätigkeit in Paris in den Dienst der Annäherung und Versöhnung mit dem »feindlichen Nachbar[n]«648 . Er habe stets sein Möglichstes getan, die beiden Länder einander wieder anzunähern, »de rapprocher [s]es deux pays«649 . Ob seine Pariser Korrespondenzen tatsächlich in diesem Sinne abgefasst waren, kann hier nicht überprüft werden; jenseits des Journalismus wurde Brandes aber als Kulturvermittler aktiv und bemühte sich etwa darum, dass französische Maler ihre Werke in Deutschland ausstellten. Auch französische Journalisten bestätigten Brandes’ Bemühungen und nannten ihn einen »Freund des französischen Volkes«650 . Hinter seinen Vermittlungsbemühungen scheint nicht nur eine besondere Sympathie mit Frankreich gestanden zu haben, sondern eine grundsätzlich kosmopolitische Haltung, denn auch von seinem Korrespondentenposten in London aus betrieb er den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und England651 . Auch andere Auslandskorrespondenten setzten sich außerhalb der Spalten ihrer Blätter für einen zwischenstaatlichen Austausch ein. Bernhard Guttmann, der sich im August 1914 tief enttäuscht zeigte, dass seine Bemühungen um die deutsch-britische Versöhnung nicht gefruchtet hatten, engagierte sich nach dem Ende des Krieges weiter in diesem Sinne und setzte sich für einen Beitritt Deutschlands zum Völkerbund ein652 . Paul Block (BT) organisierte mit seinen Pariser Kollegen Kroeger (KöZ), Ney (FZ) und Feldmann (HC) eine Reise republikanischer französischer Journalisten nach Hamburg, Berlin, Köln und Frankfurt a. M.653 , die auf das Vorbild des deutsch-englischen Journalistenaustauschs von 1906 zurückging654 . Der französische Botschafter in Berlin, Jules Cambon, fand diesen Journalistenbesuch jedoch »tout à fait inopportune«, obwohl er der Meinung war, dass die deutsch-britischen Journalistenreisen zur 647 648
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So halten es zumindest die von seiner Witwe herausgegebenen Erinnerungen fest: N, Erinnerungen, S. 110. Otto B, Ausgewiesen!, in: Berliner Tageblatt, 2.4.1893, Erstes Beiblatt. Zu seinem Patriotismus W, La Terrasse, S. 190, sowie G, Zwischen Nationalisierung und Internationalisierung, S. 214. [. V.], Au jour le jour. L’affaire du panama, in: Le Temps, 26.3.1893, S. 2. Ibid. Brandes an Hermann Sudermann, London, 10.5.1900, DLA, Cotta: NL Sudermann V 37, Bl. 37. G, Abschied von England; G, Schattenriss einer Generation, S. 221, sowie D., Soll Deutschland in den Völkerbund?, Berlin 1919; Eintrag vom 25.11.1919, IfZF, Englandreise 1919, NL Guttmann, II AK 89/6. Im Dossier Voyage de journalistes en Allemagne, 1907 die Noten vom 18. und 29.7.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 129. Cambon an Pichon, Berlin, 23.6.1907, FR-MAE AD, Allemagne, NS 31.
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Befriedung der Pressebeziehungen der beiden Länder beigetragen hätten655 . Dominik Geppert kommt zu dem Ergebnis, dass der deutsch-britische Journalistenaustausch keine langfristigen Effekte zeitigte, ein Austausch zwischen französischen und britischen Journalisten dagegen wirkte nach656 . Ob die Deutschlandreise der französischen Journalisten im Sommer 1907 tatsächlich stattfand, ist unklar; überraschend erscheint zumindest, dass das Unternehmen in den Akten des Auswärtigen Amtes keinerlei Spuren hinterließ. Diese Vermittlungsbemühungen der deutschen Auslandskorrespondenten zeigen, dass sich die Journalisten durchaus mit ihrem Gastland identifizierten – im Falle Karl Blinds wurde sogar vom »Adoptivvaterland« gesprochen657 . In der Regel wurde diese Sympathie mit dem Gastland aber von dezidiertem Patriotismus begleitet, in dem Guttmann, Wolff, Brandes und Blind keinen Konflikt zu ihrer kosmopolitischen Einstellung sahen658 . Das Gegengewicht, das sie mit ihrer Berichterstattung zur »weithin vorherrschenden Frankreichfeindschaft« zu schaffen versuchten, sahen sie vielmehr als den deutschen außenpolitischen Interessen gemäß an659 . Eine ähnliche Haltung spricht etwa aus Bernhard Guttmanns Engagement im Auswärtigen Amt, wo er nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges einige Wochen aus politischer Überzeugung heraus arbeitete, nachdem er schon seine Korrespondententätigkeit in London in den Dienst der Aussöhnung Deutschlands und Englands gestellt hatte. Traten die Loyalitäten zum Gast- und zum Heimatland aber miteinander in Konflikt – etwa im Falle internationaler Spannungen oder eines Krieges –, erwies sich die zu Letzterem als stärker. Der gut in die Pariser Gesellschaft integrierte und auf journalistische Unabhängigkeit bedachte Arthur Levysohn scheute sich nicht, nach Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges eine preußisch-offiziöse französischsprachige Zeitung zu redigieren660 . Auch nach dem Friedensschluss blieb die Stimmung in Paris vergiftet. Die Deutschen waren dort Anfang der 1870er Jahre so unbeliebt, dass selbst alte Bekannte gemieden wurden661 . Angesichts der Tatsache, dass sich die Informationsbeschaffung vor allem in der persönlichen Umgebung der Journalisten vollzog, dürfte sich dies negativ auf die Rechercheoptionen der deutschen Korrespondenten in Paris ausgewirkt haben. Die Haltung deutscher Journalisten verschärfte dieses 655 656 657 658
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Cambon an Pichon, Berlin, 23.6. sowie 7.9. und 18.11.1907, ibid. Dazu G, The Public Challenge, S. 152–160. [. V.], Nachruf auf Karl Blind. Ibid., zu Wolff etwa K, Der Chef-Redakteur, S. 68; B, Einleitung, S. 6; Klaus W, »Terrible ami – aimable ennemi«. Kooperation und Konflikt in den deutschfranzösischen Beziehungen 1911–1914, Bonn 1998, S. 287; Theodor W, Deutschland und Frankreich, S. 73; auch Kroeger galt als patriotisch gesinnt, Flotow an Bülow, Paris, 7.12.1905, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1212. Zitat R, Kommunikationswege, S. 89; ähnlich auch W, »Terrible ami – aimable ennemi«, S. 286–292. L, Aus einer Kaiserzeit, S. 196–200; P, Von Berlin nach Paris, S. 283f. L, Nur Erinnerungen, S. 123, auch R, Kommunikationswege, S. 87.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Problem zusätzlich: Noch beinahe zwanzig Jahre nach Kriegsende beobachtete Theodor Wolff bei seinen Pariser Kollegen eine weitgehende Abstinenz von Quellen aus französischen Kreisen und die Fokussierung auf die deutsche Botschaft für ihre Recherchen, weil sie »irgendwie mißtrauisch und erfüllt von der Idee [waren], die Sieger von Sedan zu sein«662 . Wenn diese Beobachtungen stimmen – und Wolff galt gemeinhin als ausgesprochen scharfsinniger Beobachter –, beruhte die Frankreich-Berichterstattung deutscher Zeitungen also lange Zeit auf recht einseitigen Quellen. Angesichts dessen verwundert die weitverbreitete frankophobe Berichterstattung der 1870er und 1880er Jahre kaum, gegen die Brandes und Wolff ihre Aussöhnungsbemühungen setzten663 . »Differenzierte Wahrnehmungen waren dort, wo es um das ›nationale Interesse‹ ging, nicht mehr opportun«664 . So klagte etwa die FZ, dass sie nicht mehr unabhängig und neutral berichten könne, ohne die »patriotische Gesinnung« abgesprochen zu bekommen665 . Der Erste Weltkrieg zeitigte ähnliche Konsequenzen; die Korrespondentenvereine zerbrachen entlang der Bündnisgrenzen, den deutschen Korrespondenten schlug bis mindestens Mitte der 1920er Jahre in Frankreich und Großbritannien eine ziemlich feindselige Stimmung entgegen. Bernhard Guttmann, der als erklärter Anglophiler schon kurz nach Kriegsende unbehelligt nach England reisen konnte, sorgte sich angesichts dessen um die Recherchemöglichkeiten deutscher Auslandskorrespondenten: »Wie werden nun diese von dem gespannten Interesse der Behörden auf allen ihren Wegen begleiteten Herren ihre Informationen erhalten? In die einheimischen politischen Kreise werden sie nicht leicht gelangen. In Klubs und Gesellschaften [. . . ] können sie schwer Aufnahme finden«666 . Die zivile Fortsetzung militärischer Feindschaften fand jedoch auch entschiedene Gegner unter den internationalen Journalisten, die sich für den Völkerbund engagierten und gezielt versuchten, die internationale Kooperation etwa der Korrespondentenvereine zu stärken667 . Der Kontaminierung des journalistischen Selbstverständnisses mit Patriotismus und Nationalismus entsprechend, akzeptierten die Korrespondenten hinsichtlich der außenpolitischen Berichterstattung besondere Regeln668 . Wolff etwa, der die Unabhängigkeit der Presse als ein besonders hohes Gut erachtete, sich entschieden gegen deren Beeinträchtigung seitens der Politik aussprach und eine unkontrollierte Diplomatie für »eine unheimliche, schleichende Gefahr« hielt, räumte ein: »[M]an kann nicht immer der ganzen öffentlichen
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W, La Terrasse, S. 146. Dazu etwa R, Kommunikationswege, S. 89. Ibid., S. 88. Ibid. Requate bezieht sich auf die FZ vom 2.11.1888. G, Die Zukunft des Korrespondenten. Siehe dazu Kap. I.3. Siehe zur Praktikerliteratur auch Kap. I.2.
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2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung
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Meinung im vollen Licht der Scheinwerfer die Etappen einer Aktion zeigen, die zu Resultaten führen soll«669 . Mit diesen Worten legitimierte er die Behandlung der Außenpolitik als Arkanbereich und rechtfertigte die Geheimdiplomatie, die seit Ausbruch des Ersten Weltkrieges immer öfter kritisiert wurde670 . Hinter Wolffs Aussage stand die Annahme, dass der Auslandskorrespondent bzw. der mit Außenpolitik befasste Journalist eine besondere Verantwortung trage. Ein »gewissenhafter Journalist« werde es immer vermeiden, »die Dinge so darzustellen, dass ein aufhorchendes Ausland daraus falsche und gefährliche Schlüsse zieht«671 . Dominik Gepperts Untersuchung der deutsch-englischen Pressekriege belegt zwar, dass diese Maxime gerade bei der Berichterstattung über krisenhafte internationale Ereignisse, als es auf Mäßigung und sachliche Argumentation angekommen sei, oft nicht mehr befolgt wurde. Dennoch war der Anspruch ein fester Bestandteil des journalistischen Normenkatalogs und gehörte zur beruflichen Kultur der angesehensten Auslandskorrespondenten672 . Während Wolff die Wirkungen der Berichterstattung auf das Ausland fokussierte, hatte Guttmann eher die nach innen gerichteten Effekte im Blick, als er 1920 den Korrespondenten als zentrale Mittlerfigur darstellte. Seine Mahnungen gingen weniger an die Adresse der Korrespondenten als vielmehr an die ihrer Leser: Damit der Auslandskorrespondent seine Wirkung entfalten könne, sei es nötig, dass der Zeitungsleser seine Vorurteile »verlerne«, um für die Urteile und Informationen des Korrespondenten empfänglich zu sein. Seine Kritik gründete auf den Erfahrungen der Vorkriegszeit, in der unter den deutschen Blättern ein schreiendes Mißverhältnis zwischen der Bedeutung ihres ausländischen Dienstes und ihrem politischen Einflusse [bestand]. Die Last der Information wurde ganz überwiegend von der großen demokratischen und liberalen Presse getragen, und die der rechten Seite machte das Wetter. Die konservativen und alldeutschen Organe hatten eine sehr unerhebliche eigene Grundlage für ihre Urteilsbildung, aber ihre Redaktionen sprachen trotzdem mit Unfehlbarkeit über internationale Politik673 .
Aus dieser Kritik spricht nicht nur die Überzeugung, dass den Auslandskorrespondenten die Rolle von Vermittlern und Übersetzern zwischen den Kulturen zukomme, sondern auch die Hoffnung, dass die Information, das Wissen über die Nachbarstaaten zur Befriedung der internationalen Beziehungen beitrage. Guttmann maß der Tätigkeit der Auslandskorrespondenten Bedeutung für die
669 670
671 672 673
Theodor Wolff, Notes sur l’histoire de la presse, S. 89, BArch, NL T. Wolff: Notes sur l’histoire de la presse, N 1207/26. K, Das Paradox der Geheimdiplomatie, S. 76; S, Diplomatie von Angesicht zu Angesicht, S. 362–364; H, Außenpolitik und Öffentlichkeit; B, G (Hg.), Journalists as Political Actors; G, Pressekriege. Theodor Wolff, Notes sur l’Histoire de la presse, S. 112, BArch, NL T. Wolff: Notes sur l’histoire de la presse, N 1207/26. G, Pressekriege. G, Die Zukunft des Korrespondenten.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
Außenpolitik bei, musste aber zugleich deren Macht- und Einflusslosigkeit feststellen: Die öffentliche Meinung dominierten andere. Mit der Aufwertung der Bedeutung, die die Auslandsberichterstattung gleichwohl in den Augen der außenpolitischen Akteure, der Journalisten selbst und ihrer Leser erfuhr, dürfte auch eine Veränderung auf einer anderen Ebene des Politischen verquickt sein, die in besonderem Maße die deutschen Korrespondenten in Frankreich betraf. Meinungsverschiedenheiten der internationalen Presse, die ihren Grund in nationalen Befindlichkeiten hatten und auf außenpolitischen Konflikten zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich beruhten, wurden nicht mehr allein als Pressekriege in den Zeitungen ausgetragen, sondern wurden mitunter auch an die Person des Auslandskorrespondenten herangetragen674 . Die antideutsche Stimmung nach dem Deutsch-Französischen Krieg und ihre Auswirkungen auf die gesellschaftliche Stellung deutscher Korrespondenten in Paris wurden bereits angeschnitten. Diese Ressentiments verloren im Laufe der 1880er/1890er Jahre an Schärfe, blieben jedoch leicht reaktivierbar, was sich etwa in der Affäre Brandes oder den Spionageverdächtigungen gegen Deutsche zeigte675 . Auch blieben sie in nationalistischen bzw. revanchistischen und republikfeindlichen Kreisen virulent und führten zu Publikationen wie »Le dossier de la revanche«, dessen Autor 1887 grobe Vorwürfe gegen mehrere bekannte deutsche Korrespondenten in Paris erhob und ihre Ausweisung forderte676 . Derartige Ausbrüche gegen deutsche Journalisten blieben aber die Ausnahme, im Allgemeinen waren die Beziehungen zwischen deutschen und französischen Journalisten um die Jahrhundertwende neutral bis freundschaftlich. »Sie verkehren in Paris in guter Harmonie, so verschieden auch die politischen Ansichten sein mögen«677 . Der »kameradschaftliche Ton« blieb auch in Zeiten internationaler Spannungen wie etwa der Marokkokrise gewahrt, »und keinem fällt es ein, dem Kollegen die Stellung zu verdenken, die nationale Rücksichten ihm vorschreiben«. Dennoch soll hier eine dieser Ausnahmen geschildert werden, weil sie zum einen die besondere Brisanz zeigt, die der Nationalismus gerade in den deutschfranzösischen Pressebeziehungen gewinnen konnte, und zum anderen einen Unterschied zwischen der deutschen und der französischen journalistischen Kultur offenlegt. Die Rede ist von der »Journalistenaffäre in Frankreich«, die sich zwischen den Brüdern Paul und Guy de Cassagnac sowie den deutschen Auslandskorrespondenten in Paris Mitte Juli 1914 entspann678 . Ein inhaltlicher Bezug 674 675
676 677 678
G, Pressekriege; B, Öffentliche Geheimnisse. Etwa das Dossier zur Affaire Brandes, FR-MAE AD, Espionnage. Affaire Brandes, 3ADP/46. Auch Brandes war als Spion bezeichnet worden, Émile Berr verteidigte ihn dagegen: B, Expulsion d’un journaliste allemand; siehe dazu auch Kap. II.1. L, Le dossier de la revanche, bes. S. 135–142. Paul B, Unsere lieben Feinde. Pariser Bilder und Geschichten, Berlin 1911, S. 271, auch für die Zitate des folgenden Satzes. Zitat [. V.], Die Journalistenaffäre in Paris, in: Prager Tagblatt, 18.7.1914, S. 6.
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2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung
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zur Julikrise existierte nicht, die Affäre entzündete sich hingegen an der Verurteilung des elsässischen Zeichners Jean-Jacques Waltz alias Hansi, der wegen seiner antideutschen Karikaturen des Hochverrats angeklagt worden war, und den Meinungsäußerungen deutscher Zeitungen dazu679 . Die Gebrüder Cassagnac, seit 1904 Herausgeber der antirepublikanischen »L’Autorité«, werteten besonders die Berichterstattung des »Lokal-Anzeigers« und des »Leipziger Tageblatts« als »Angriff auf das nationale Erbe Frankreichs« und benutzten diese Gelegenheit nicht allein für Drohungen gegen die deutschen Korrespondenten in Paris, sondern auch, um die französische Regierung zu diffamieren, die nichts gegen diese »Beleidigungen« unternehme680 . In den folgenden Tagen forderte Guy de Cassagnac den Korrespondenten des »Berliner Lokal-Anzeigers«, Isidor Fuchs, zum Duell, sein Bruder Paul forderte zunächst F. von Daum vom »Berliner Lokal-Anzeiger«, dann Karl Lahm vom »Leipziger Tageblatt«681 . Daraufhin distanzierte sich der Korrespondent der »Deutschen Tageszeitung«, der Österreicher Ferdinand Stephan, in einem offenen Brief von seinen deutschen Kollegen sowie entsprechenden Artikeln in seiner Zeitung, bekundete seine Sympathie mit der Haltung der Cassagnacs und bat um Schonung682 . Dieses Verhalten schmähte wiederum der Korrespondent des BT, Victor Auburtin, als unkollegial, woraufhin Stephan von diesem Satisfaktion verlangte683 . Keines dieser Duelle wurde ausgetragen, die deutschen Journalisten wiesen die Forderung alle zurück, woraufhin sich auch die Cassagnacs auf verbale Angriffe beschränkten. Der frühere Offizier von Daum lehnte das Duell mit der Begründung ab, er werde sich nicht wegen eines in Berlin erschienenen Artikels duellieren, und ergänzte, er arbeite gar nicht mehr für den »Lokal-Anzeiger«, auch weigerte er sich, seinen Nachfolger preiszugeben684 . Fuchs benannte zwar Sekundanten, die Kollegen Simson (Telegraphen Union) und Pietro Croci (»Corriere della Sera« und Vizepräsident der APE), aber nur um Cassagnac mitzuteilen, er habe nichts mit dem entsprechenden Artikel zu tun685 . Lahm schickte die sozialistischen Abgeordneten de Monzie und Godart mit der Botschaft zu den Zeugen seines Herausforderers, er 679
680 681
682 683 684 685
Zu Waltz Hans-Jürgen L, Publizistische Grenzgänger im Zeitalter des Nationalismus – der Fall des Jean-Jacques Waltz, patriote alsacien, in: Reinhard S (Hg.), Grenzgänger, Saarbrücken 1998, S. 111–124. [. V.], Le jugement de Leipzig. [. V.], L’incident Guy de Cassagnac – Fuchs est terminé, in: Journal des débats, 15.7.1914, S. 4; [. V.], L’incident de Cassagnac – Lahm, in: Le Petit Parisien, 17.7.1914, S. 2; [. V.], MM. de Cassagnac contre le »Lokal Anzeiger«, in: Le Figaro, 13.7.1914, S. 2; [. V.], Le jugement de Leipzig. [. V.], Les correspondants parisiens des journaux allemands et divers incidents. Ibid.; [. V.], Die Journalistenaffäre in Paris. [. V.], MM. de Cassagnac contre le »Lokal Anzeiger«; [. V.], MM. de Cassagnac et les correspondants allemands, in: Le Gaulois, 14.7.1914, S. 3. Ibid.; [. V.], L’incident Guy de Cassagnac – Fuchs est terminé; Simson wird gelegentlich auch Stimson geschrieben, es ließen sich keine weiteren Informationen zu seiner Person ermitteln.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
lebe seit 15 Jahren in Frankreich, pflege zahlreiche Beziehungen mit Franzosen und habe das Land niemals angegriffen, womit er den Fall als erledigt betrachte686 . Auburtin dagegen lehnte Stephans Forderung ab, weil er im Gegensatz zu seinem Kontrahenten Akademiker sei687 . Auch auf die Gefahr hin, dass ihr Ansehen in Frankreich durch dieses Verhalten geschmälert würde, bemühten sich die deutschen Korrespondenten darum, den Konflikt gewaltfrei beizulegen. Sie suchten Rat beim deutschen Botschafter von Schoen und entsandten eine Delegation ins französische Außenministerium, nicht um sich zu beschweren oder Intervention zu fordern, sondern nur mit der Bitte um einen Rat, wie sie sich verhalten sollten688 . Die Delegation bestand aus Repräsentanten der Pariser Korrespondentenvereine – Theodor Steinherz (»Pariser Courier« und Präsident des Syndicat de la presse étrangère), Charles Inman Barnard (»New York Tribune« und Präsident der APE), Pietro Croci (»Corriere della Sera« und Vizepräsident der APE) und Emil Ney (FZ und syndic der Auslandspresse beim Parlament) –, was verdeutlicht, dass sich auch die Korrespondenten anderer Staatsangehörigkeit von den Cassagnacs potentiell bedroht sahen und Solidarität mit ihren deutschen Berufskollegen demonstrieren wollten689 . Kurz darauf schickten die deutschen Korrespondenten eine gemeinsame Erklärung an deutsche und französische Zeitungen, in der sie den »persönlichen Feldzug gegen die Pariser Vertreter« publik machten und als »privaten Einschüchterungsversuch« verurteilten – eine andere Verteidigung komme für sie nicht in Frage: »[N]icht nur, weil wir als Deutsche in Paris wegen politischer Meinungsverschiedenheiten keine persönlichen Zänke mit der französischen Presse aufkommen lassen wollen, sondern auch, weil wir die Unabhängigkeit der Presse ohne Unterschied der Meinungen achten«690 . Mit dieser Äußerung machten die Verfasser der Erklärung deutlich, dass sie das Duell nicht als geeignete Strategie zum Austragen von Meinungsdifferenzen in der Presse ansahen und nicht als Bestandteil ihrer beruflichen Kultur betrachteten. Damit vertraten sie zwar eine Mehrheitsmeinung deutscher Journalisten691 , doch im Frankreich der Dritten Republik war das (rituelle) 686 687 688 689
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[. V.], L’incident de Cassagnac – Lahm. [. V.], Honneur allemand, in: L’Ouest-Éclair, 19.7.1914, S. 2; [. V.], Die Journalistenaffäre in Paris. Aktennotiz, 13.7.1914, FR-MAE AD, Allemagne, NS 52. So argumentiert auch Y, Eine Erklärung der deutschen Presse-Vertreter in Paris, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 19.7.1914, S. 1. Die Delegierten hinterließen ihre Visitenkarten im Außenministerium: Aktennotiz, 13.7.1914, FR-MAE AD, Allemagne, NS 52. Von Schoen und sein französischer Kollege empfahlen, die Sache vor ein Gericht zu bringen, eingreifen wollten sie in die Angelegenheit nicht. Etwa Y, Eine Erklärung der deutschen Presse-Vertreter in Paris; auch [. V.], Die Pariser Vertreter der deutschen Presse, in: BT, 19.7.1914, S. 2f. Georg B, Das Duell in Deutschland. Geschichte und Gegenwart, Kassel 1896, S. 63–67, der das Duell zumal bei politischen oder publizistischen Fragen als »Fremdling« bezeichnet, S. 67. Arthur Levysohn rechnete das Duell schon 1878 dem »dumpfen Geist
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2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung
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Duell geradezu ein »Markenzeichen der politischen Streitkultur« und wurde nicht nur besonders häufig von Journalisten und Publizisten ausgetragen, sondern war seit den 1880er Jahren auch ein fester Bestandteil der Berichterstattung692 . Während unter französischen Journalisten die Meinung verbreitet war, dass die Teilnahme an einem Duell die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der beteiligten Journalisten untermauere, betrachteten ihre deutschen Kollegen die Duellforderungen der Cassagnacs im Gegenteil als Angriff auf ihre journalistische Unabhängigkeit sowie als Mittel der Vertuschung inkorrekten Verhaltens und somit als Indiz für Unglaubwürdigkeit693 . Trotz dieser gegensätzlichen Bedeutung des Duells für die deutsche bzw. französische journalistische Berufskultur war die Berichterstattung der französischen Blätter über die Angelegenheit neutral. Die meisten Journale beschränkten sich darauf, die Fakten unkommentiert abzudrucken; zu einem Reputationsverlust führte die Weigerung der deutschen Korrespondenten offenbar nicht694 . Während französische Journalisten (und Politiker) die in der Regel nur mit einer symbolischen Verletzung endenden Duelle oftmals als ›Baustein‹ der Karriereplanung betrachteten und nicht nur zur Wiederherstellung der Ehre, sondern auch zur Demonstration ihrer Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit sowie zur Steigerung ihrer Bekanntheit und Reputation nutzten695 , bemühten sich verschiedene Journalistenvereinigungen darum, Auseinandersetzungen in der internationalen Presse etwa durch Schieds- und Ehrengerichte zu befrieden. Die Journalisten sollten sich im Umgang mit Kollegen von Solidarität, Anstand, wechselseitigem Respekt und Mäßigung leiten lassen, statt Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten in exzessive Sprache und persönliche Fehden ausarten zu lassen696 .
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695 696
entschwundener Jahrhunderte« zu und machte kein Hehl daraus, dass er das politische Duell für »Nonsens« hielt – bezogen übrigens auf eine Duellforderung, die Paul de Cassagnac père an einen französischen Journalisten gerichtet hatte: L, Aus einer Kaiserzeit, S. 79f. Für die Cassagnacs scheint das Duellieren zusätzlich eine Art Familientradition gewesen zu sein: Stephan G, Das Duell in Frankreich 1789–1830. Zum Wandel von Diskurs und Praxis in Revolution, Kaiserreich und Restauration, München 2013, S. 315–320. Ibid., S. 193. Zwischen 1880 und 1900 berichteten französische Zeitungen jährlich über etwa 300 Duelle, nach der Jahrhundertwende noch über etwa 100, ibid., S. 310; auch L, Histoire de la presse, S. 354. Dagegen konstatiert Martin die abnehmende Bedeutung des Journalistenduells seit etwa 1880: M, »La grande famille«, S. 153. Diesen Vorwurf machte etwa Georg von Below dem Kreuzzeitungsredakteur Hammerstein, der Belows Ansicht nach durch Duellforderungen von der ihm angelasteten Korruptionsaffäre ablenkte: B, Das Duell in Deutschland, S. 63–66. [. V.], Le jugement de Leipzig; [. V.], L’incident Guy de Cassagnac – Fuchs est terminé; der »Gaulois« kommentierte selbst nicht, bot aber Cassagnac breiten Raum für seine Ansichten: [. V.], MM. de Cassagnac et les correspondants allemands; der »Ouest-Éclair« dagegen zeigte Verständnis für die Haltung der deutschen Korrespondenten: [. V.], Honneur allemand. G, Das Duell in Frankreich, S. 308–310, Zitat S. 317. B, »Scrupulous Integrity and Moderation«, S. 104.
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III. Deutsche Auslandskorrespondenten und ihre berufliche Kultur
1905 versuchte der Internationale Pressekongress, Journalistenduelle per Beschluss aus der internationalen journalistischen Berufskultur zu verbannen. Martin deutet die Bemühungen der französischen Journalistenvereinigungen um die Einrichtung von Schiedsgerichten ebenfalls als Strategie gegen die ausufernde Duellpraxis französischer Journalisten697 . Die Cassagnacs scheinen besonders duellfreudig gewesen zu sein, außerdem gab es durchaus auch französische Journalisten, die von dieser Variante des journalistischen Konfliktaustrags nichts wissen wollten. Die Pariser Korrespondenten ausländischer Zeitungen scheinen nur selten mit Duellforderungen konfrontiert worden zu sein – die deutschen Korrespondenten konstatierten in ihrer Erklärung, dies sei das erste Mal, »daß in dieser Weise versucht wird, gegen die Vertreter der Presse im Auslande persönliche Repressalien zu üben«698 . Das legt den Schluss nahe, dass dieser Aspekt der beruflichen Kultur französischer Journalisten bzw. die sich in diesem Punkt unterscheidenden Berufskulturen deutscher und französischer Journalisten den Stand und die Arbeitspraxis deutscher Auslandskorrespondenten in Paris nicht maßgeblich beeinflussten: Weder wurden deutsche Korrespondenten in signifikantem Ausmaß mit Duellforderungen behelligt, noch scheint es deren gesellschaftlichem Stand geschadet zu haben, wenn sie sich derartigen Forderungen entzogen. Die Unterschiede in den nationalen beruflichen Kulturen scheinen den Journalisten also klar gewesen zu sein und wurden respektiert. Dem Korrespondenten der liberalen FZ, Paul Goldmann, gelang es, sich durch die Adaption der französischen Duellpraxis zumindest kurzfristig die Anerkennung seiner französischen Kollegen zu verschaffen. Als die »Patrie« ihn aufgrund eines für Alfred Dreyfus Partei ergreifenden Artikels persönlich angriff, forderte er den Chefredakteur des konservativen Blattes, Lucien Millevoye, kurzerhand zum Duell699 . Der »Figaro« hielt das Duell nicht nur für das erste, das seit 1870 zwischen einem Deutschen und einem Franzosen stattgefunden hatte, sondern auch für das erste überhaupt zwischen einem französischen Journalisten und einem Pariser Auslandskorrespondenten. Der Autor äußerte sich anerkennend über den Schneid, den Goldmann mit seinem Vorgehen bewiesen hatte, und beschrieb ihn respektvoll als einen talentierten und unabhängigen Journalisten700 . Der deutsche Botschafter Münster schrieb dem Duell nicht nur eine günstige Wirkung auf Goldmanns Ansehen in der Pariser Gesellschaft zu, sondern brachte es auch mit dem Verstummen von Ausweisungsforderungen in Zusammenhang701 .
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Ibid., S. 104; M, »La grande famille«, S. 152–157; D., Médias et journalistes, S. 129. Y, Eine Erklärung der deutschen Presse-Vertreter in Paris. Das Pistolenduell fand statt und endete trotz zweimaligem Schusswechsel ohne Verletzte, [. V.], Ein Duell zwischen Journalisten, in: Innsbrucker Nachrichten, 24.11.1896, S. 3. Maurice L, L’affaire Millevoye-Goldmann, in: Le Figaro, 21.11.1896, S. 1f. Münster an Hohenlohe, Paris, 22.11.1896, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3, R 1203.
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2. Das goldene Zeitalter der Auslandsberichterstattung
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Die Duelle bzw. Duellforderungen zwischen den deutschen Auslandskorrespondenten und den französischen Journalisten Millevoye sowie Paul und Guy de Cassagnac waren nicht allein Ausnahmeerscheinungen, sie scheinen zudem selbst mitten in der Julikrise keinen Einfluss auf das Ansehen der Deutschen in Paris gehabt zu haben. Die von seiner Redaktion in den letzten Julitagen gewünschten Berichte über deutschfeindliche Unruhen in Paris konnte Auburtin nicht liefern, weil er bis zum 31. Juli nichts Derartiges entdecken konnte. Seine unfreiwillige Verwicklung in die Duellaffäre hielt er in diesem Zusammenhang zunächst nicht für erwähnenswert, seine Verhaftung bei einer Ausweiskontrolle am 1. August führte er dann aber doch darauf zurück: »[D]a ich von der Pressefehde mit den Gebrüdern Cassagnac eine Art von kleiner Bekanntheit genoß, so war hier ein großer Staats- und Spionagefall gegeben«702 . Das Beispiel zeigt, dass die deutschen Auslandskorrespondenten ihrer eigenen Berufskultur entgegenstehende Praktiken der Journalisten an ihrem Korrespondentenplatz in der Regel nicht übernahmen. Es zeigt auch, dass die von der französischen journalistischen Kultur abweichenden Wertvorstellungen der deutschen Journalisten akzeptiert wurden und nicht zu Konflikten führten. Besonders der Konflikt zwischen Auburtin und Stephan zeigt zudem, dass die Korrespondenten Solidarität von ihren Berufskollegen erwarteten — ein weiterer Hinweis auf eine gefestigte berufliche Identität. Das ernste Nachspiel, das die Angelegenheit für Auburtin hatte, unterstreicht noch einmal die Bedeutung des Ersten Weltkrieges für die Geschichte der Auslandskorrespondenten.
702
A, Was ich in Frankreich erlebte, S. 371. Vom Verdacht der Spionage wurde Auburtin zwar im September freigesprochen, er musste aber zwei Jahre als Zivilinternierter in französischen Gefängnissen verbringen, ibid., S. 369–437.
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Fazit und Ausblick Am Vorabend des Ersten Weltkriegs zeichneten sich deutsche Auslandskorrespondenten in London, Paris und Wien durch eine berufliche Kultur aus, durch die sie sich in wesentlichen Aspekten von ihren Vorgängern in der Mitte des 19. Jahrhunderts unterschieden. Die Auslandskorrespondenten verband sehr viel mehr als nur ihre Berichterstattertätigkeit: Sie verstanden sich selbst und wurden zunehmend auch von außen als Vertreter eines spezifisch journalistischen Berufs wahrgenommen, der sich seit 1848 zusehends etablierte und profilierte. Dieser Wandel vollzog sich auf verschiedenen Ebenen und äußerte sich etwa in der Veränderung typischer Berufsbiografien, der Selbstund Fremdwahrnehmung, journalistischer Konzeptionen und Praktiken sowie im Wandel der Wechselbeziehungen mit Politik und Diplomatie. Die Grundlage dieser Entwicklung bildete der allgemeine Aufschwung des deutschen Pressewesens seit Mitte des Jahrhunderts, besonders aber seit den 1870er und noch einmal forciert seit den 1890er Jahren. Im Zuge dieses Aufschwungs verbesserten sich nicht nur die finanziellen Möglichkeiten der Zeitungen, sondern auch ihr Anspruch an Herkunft, Aktualität und Exklusivität der Nachrichten. In der Jahrhundertmitte bestand die vorherrschende Praxis darin, den Löwenanteil der Auslandsberichterstattung anderen deutschen oder ausländischen Zeitungen zu entnehmen. Nur etwa ein halbes Dutzend überregionaler Qualitätszeitungen war im Stande, eigene Korrespondentennetze zu finanzieren. Die Revolution 1848/49 beförderte das Interesse an einem rasch arbeitenden europäischen Nachrichtendienst, führte zu einer zunehmenden Synchronisierung der internationalen Berichterstattung und etablierte ein Reservoir potentieller Auslandskorrespondenten in Gestalt der Revolutionsflüchtlinge. In der Folge verbesserte sich schon in den 1850er Jahren die Versorgung der Zeitungen mit Nachrichten eigener Korrespondenten aus London, an allen drei untersuchten Nachrichtenplätzen beschäftigten deutsche Zeitungen ständige Korrespondenten. Mit dem »Take-off« der deutschen Presse nach Reichsgründung und Reform des Pressegesetzes wurden diese externen Mitarbeiter zunehmend aufgewertet. Zwar blieb weiterhin die »Gesinnungsfestigkeit« ein zentrales Qualitätsmerkmal des deutschen Journalismus, allerdings versuchten immer mehr Zeitungen, sich auch über die Güte ihres Nachrichtendienstes zu profilieren. Besonders seit den 1880er Jahren bemühten sich die Redakteure, ihr Korrespondentennetz auszubauen. Der Ursprung der Auslandsnachrichten wurde durch eine entsprechende Rubrizierung hervorgehoben, wobei nicht allein der Hinweis auf die telegrafische Übermittlung für bedeutsam gehalten wurde, sondern auch der auf Exklusivität von Nachrichten (»Originalbericht«) und Korrespondenten (»von unserem Korrespondenten«). Um die Jahrhundertwende forcierten immer mehr Zeitungen den Ausbau ihrer Korrespondentennetze und setzten mit dem Telefon auch in der Auslandsberichterstattung immer https://doi.org/10.1515/9783110581973-006
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Fazit und Ausblick
häufiger die neueste und schnellste Technik ein; die »BZ am Mittag« stellte erfolgreich die Qualität und Schnelligkeit ihres Nachrichtendienstes in den Mittelpunkt ihrer Marketingstrategie (»Die schnellste Zeitung der Welt«). Auch wenn weiterhin die Meinung die Kernkompetenz des deutschen Journalismus, der Leitartikel das Herzstück des journalistischen Portfolios und der Posten des Chefredakteurs die Krönung der journalistischen Karriere bildete, gab es zunehmend Stimmen, die die Bedeutung der Nachricht hervorhoben, diese zur Grundlage eines unabhängigen Urteils erklärten und den Korrespondentenposten in einer europäischen Hauptstadt dem eines Redakteurs vorzogen. Die Aufwertung des Nachrichtendienstes der Zeitungen hatte Konsequenzen für dessen Akteure. Am auffälligsten wandelte sich der soziale und wirtschaftliche Status der Auslandskorrespondenten. Den prekären Existenzen, die in der Jahrhundertmitte oftmals aus der Not heraus als Auslandskorrespondenten für deutsche Zeitungen arbeiteten, kaum über andere berufliche Optionen verfügten und mit unregelmäßig gezahlten und meist knapp bemessenen Einkünften ihr Leben bestreiten mussten, standen seit den 1870er Jahren immer häufiger Korrespondenten gegenüber, die sich bewusst und freiwillig für diese inzwischen durchaus einträgliche Arbeit entschieden hatten und diese als Sprosse auf der Karriereleiter zum Chefredakteur betrachten konnten. Die wachsende Bedeutung des Nachrichtendienstes für die Zeitungen spiegelte sich auch darin, dass die Korrespondenten nicht mehr ausschließlich als freie, sondern immer häufiger als festangestellte Mitarbeiter beschäftigt wurden, an denen auch im Falle eines Ortswechsels festgehalten wurde. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts genoss der Beruf des Korrespondenten bei einigen seiner Vertreter größere Beliebtheit als ein Redakteursposten. Aus dem Brotberuf, der oftmals eine Notlage oder einen finanziellen Engpass überbrücken musste, wurde zusehends ein Wunsch- und Lebensberuf, mit dem sich seine Träger identifizierten. Spätestens seit den 1890er Jahren war Auslandskorrespondent ein in bürgerlichem Sinne respektabler Beruf, der jetzt auch in finanzieller Hinsicht attraktiv sein konnte. Der Posten eines Auslandskorrespondenten wurde nicht mehr als Ausdruck des Scheiterns betrachtet, sondern durchaus als Gipfel der beruflichen Laufbahn. Die wachsende Wertschätzung der Korrespondenten äußerte sich nach der Jahrhundertwende auch in ihrer Berücksichtigung bei der betrieblichen Altersversorgung – dies allerdings blieb den Vertretern großer Zeitungen wie etwa der KöZ vorbehalten und stellte vor dem Ersten Weltkrieg noch eher die Ausnahme dar. Nach wie vor gab es zahlreiche nebenberufliche Auslandskorrespondenten; vor allem unter den Wiener Redakteuren, Journalisten und Schriftstellern war dies eine verbreitete Möglichkeit, das Einkommen aufzustocken. Auch wenn der Begriff des Auslandskorrespondenten noch nicht in den lexikalisch verzeichneten Wortschatz eingegangen war und die Bezeichnung über den Kreis der Medienvertreter hinaus noch keinen Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch gefunden hatte, genoss zumindest die Elite des Berufs ein gewisses Prestige. Dies zeigte sich nicht nur durch die Ausgestaltung der Ar-
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Fazit und Ausblick
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beitsbeziehungen mit ihren Zeitungen, ihre Berücksichtigung bei der Besetzung wichtiger Posten und ihrer Bezahlung, sondern auch in der Art, wie Vertreter aus Politik und Diplomatie den Korrespondenten begegneten. Während sich die politischen Akteure Deutschlands, Großbritanniens, Österreichs und Frankreichs zu Beginn des Untersuchungszeitraums noch nicht für deutsche Auslandskorrespondenten interessierten, brachten sie ihnen an dessen Ende nicht allein Interesse, sondern in manchen Fällen sogar Wertschätzung entgegen. Die österreichischen Außenpolitiker waren die ersten, die die Zeitungen nicht mehr als Blackbox betrachteten, sondern nach den Personen fragten, die hinter der Berichterstattung standen – und sie interessierten sich nicht allein für Redakteure, sondern zunehmend auch für Auslandskorrespondenten. Durch ihre Bemühungen, die Österreichberichterstattung deutscher Zeitungen zu beeinflussen, trug die Preßleitung zur Herausbildung des Typus des offiziösen Korrespondenten bei, der in der Etablierungsphase des Berufs unter den Wiener Auslandskorrespondenten vorherrschte. Die politische Kultur Österreichs, die sich durch eine entschiedene Restauration, ausgeprägte Versuche aktiver Beeinflussung der Presse und gezielte Steuerung des Informationsflusses zwischen Außenministerium und Journalisten auszeichnete, hatte also erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Korrespondentenberufs und seine berufliche Kultur. Auch wenn sich die britische Politik einer aktiven Beeinflussung der Auslandspresse enthielt und im gesamten Untersuchungszeitraum keine institutionalisierten Kontakte zu deutschen Auslandskorrespondenten aufwies, prägte doch auch die englische politische Kultur den in London vorherrschenden Typus des Auslandskorrespondenten. Hier war es die flüchtlingsfreundliche Asylpolitik, die den Revolutionsexilanten zum vorherrschenden Korrespondententypus vor 1870 werden ließ, der sich nicht nur im sozialen und finanziellen Status vom typischen Wiener Korrespondenten unterschied, sondern auch in seiner Arbeitspraxis und seinem Selbstverständnis. Im Fall von Paris dagegen sorgten vor allem das Image der Stadt sowie ihr reges und vielseitiges kulturelles Leben dafür, dass sich kein vorherrschender Typus etablieren konnte. Die zunächst große Attraktivität für Revolutionsflüchtlinge verminderte sich erheblich durch die Verschärfung des Asylrechts und die Einrichtung eines autokratischen Regimes. Zugleich brachten auch hier polizeiliche Überwachungsmaßnahmen und Versuche aktiver Beeinflussung ausländischer Journalisten abhängige Auslandskorrespondenten hervor, denen jedoch eine immer noch große Zahl korrespondierender Revolutionsflüchtlinge, aber auch eher dem literarischwissenschaftlichen Milieu entstammende Korrespondenten gegenüberstanden. Seit den 1860er Jahren, stärker noch seit den 1870er Jahren wurden die Auslandskorrespondenten – vor allem jene in Paris – auch von der deutschen Diplomatie als Akteure entdeckt, die sich für die eigenen außenpolitischen Zielsetzungen als nützlich erweisen konnten. Das Interesse der Diplomaten basierte zunächst auf einem instrumentalisierenden Umgang mit der Presse, deren politische Bedeutung gewissermaßen zähneknirschend anerkannt, aber keineswegs gutgeheißen wurde. Dementsprechend waren die seltenen Be-
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ziehungen zu deutschen Auslandskorrespondenten oft von leiser Verachtung geprägt und beruhten auf der Voraussetzung von deren Unterordnung und Loyalität. Wie im Umgang mit anderen Journalisten galt auch hier die Prämisse »Information gegen Wohlverhalten«1 . Damit folgten die deutschen Diplomaten im Umgang mit den Auslandskorrespondenten ähnlichen Prinzipien, wie die Journalisten selbst sie dem Aufbau ihres beruflichen Kontaktnetzes zugrunde legten: Entsprechend der Betonung der »Gesinnungsfestigkeit« als zentraler journalistischer Tugend umgaben sich deutsche Auslandskorrespondenten in den 1850er und 1860er Jahren in erster Linie mit politischen Weggefährten und etablierten Beziehungen vor allem in dem sozialen und politischen Milieu, dem sie selbst angehörten – soweit dies aus den Quellen ersichtlich wird. Nach 1870 wurde dieses Prinzip zunehmend aufgeweicht und die Journalisten hoben im Gegenteil immer häufiger hervor, dass sie im Rahmen der Berufsausübung ein vielseitiges Beziehungsnetz zu Vertretern unterschiedlicher politischer Couleur pflegten. Damit begann sich im Konzept guter journalistischer Praxis die Beschaffung der Information von der politischen Haltung und vertretenen Meinung zu lösen – ein Prozess, der beständiger Aushandlung unterworfen blieb. Die Auslandskorrespondenten legten zwar auch nach der Jahrhundertwende noch großen Wert auf einen gefestigten eigenen politischen Standpunkt, von dem aus sie die vorliegenden Informationen und Nachrichten beurteilten. Bei der Beschaffung dieser Nachrichten bedienten sie sich aber zunehmend möglichst verschiedener Quellen, um ihre eigene Unabhängigkeit von Institutionen oder Parteien zu gewährleisten. Während in der Jahrhundertmitte noch Loyalität der Schlüssel zur Informationsbeschaffung war, traten an deren Stelle nun immer häufiger Objektivität, Neutralität oder Sachlichkeit – zumindest in der Darstellung besonders prominenter Berufsvertreter. Trotzdem blieb die journalistische Rolle durchsetzt mit dem Anspruch politischer Einflussnahme oder Wirkung. Selbst wenn sie seltener wurden und Redaktionen sie oft nicht mehr akzeptierten, gab es auch am Ende des Untersuchungszeitraums noch offiziöse Korrespondenten. Dies galt besonders für Wien, wo 1914 noch Mitarbeiter der Preßleitung als Auslandskorrespondenten fungierten – allerdings nicht mehr bei den großen Qualitätszeitungen, die korrumpierende Vereinbarungen ostentativ zurückwiesen. Der deutsche auswärtige Dienst etablierte in Gestalt des journalistischen Vertrauensmannes eine Sonderform des offiziösen Korrespondenten. Dieser wurde vor allem als Bindeglied zur Presse vor Ort genutzt, war aber oftmals zugleich Korrespondent deutscher Zeitungen. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert wurden die Vertrauensmänner nicht mehr auf finanzieller Basis an die betreffende Botschaft gebunden, sondern eher auf der Grundlage einer ohnehin bestehenden Nähe ausgesucht und durch den Appell an ihr patriotisches Pflichtgefühl gebunden. Damit verbunden war zudem
1
R, Journalismus als Beruf, S. 274.
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eine größere Wertschätzung, die sich mitunter auf andere Auslandskorrespondenten erstreckte. Das Auswärtige Amt und die deutschen Botschaften pflegten weiterhin Beziehungen nur zu ausgewählten Korrespondenten und brachen diese ab, sobald die Berichterstattung zu kritisch oder respektlos erschien. Allerdings gehörten zu den regelmäßig empfangenen und geschätzten Journalisten auch solche, die die Regierungspolitik häufig kritisierten. Offensichtlich gelang es den angeseheneren Berufsvertretern mit Hilfe ihres journalistischen Anspruchs von Unabhängigkeit und Objektivität, das bislang gültige Prinzip der an Loyalität und Wohlverhalten geknüpften Informationserteilung aufzuweichen. Auslandskorrespondenten und andere Journalisten waren nun auch in den Augen einiger Politiker und Diplomaten geschätzte und anerkannte außenpolitische Akteure, der Einfluss der Presse auf die zwischenstaatlichen Beziehungen beinahe unbestritten – auch wenn immer wieder Stimmen laut wurden, die darin einen Fluch und eine zu bekämpfende Erscheinung sahen. Auch wenn die Rolle der Presse und ihrer Vertreter in der Außenpolitik umstritten blieb, sich in einem Spannungsfeld zwischen Kooperation, Instrumentalisierung und Exklusion bewegte und daher permanenter Aushandlung unterworfen war, so begann doch der Umgang mit Journalisten am Vorabend des Ersten Weltkrieges zumindest einigen deutschen Diplomaten zur Routine zu werden. Mit manchen Auslandskorrespondenten wurden freundliche, fast vertraute Umgangsformen gepflegt – selbst wenn es sich dabei noch um Ausnahmen gehandelt haben dürfte: eine ›Pariakaste‹ waren die Korrespondenten nicht mehr. Indem der Kontakt zu Journalisten unter Bülow zu einer Routineaufgabe der Botschaftssekretäre erhoben wurde, dürfte der Umgang mit Journalisten späteren Botschaftergenerationen vertraut und selbstverständlich geworden sein – die weitere Entwicklung dieses Verhältnisses in der Weimarer Republik, besonders unter Außenminister Stresemann, würde einen lohnenden Forschungsgegenstand darstellen2 . Außer in London hatten am Ende des 19. Jahrhunderts alle Außenministerien reguläre Ansprechpartner für die Vertreter der Auslandspresse eingerichtet; in der Wiener Preßleitung wurden schon längst regelmäßig in- und ausländische Journalisten empfangen, und auch der Quai d’Orsay wurde oft von diesen frequentiert. Entsprechend der abweichenden Tradition der Pressebeziehungen des britischen Außenministeriums wurden dort keine amtlichen Beziehungen zu Auslandskorrespondenten gepflegt, für angesehene Vertreter gab es aber auf informellem Weg die Möglichkeit des Kontakts. Auch wenn die Pressefreiheit in Großbritannien am stabilsten etabliert war, herrschten hier doch für Auslandskorrespondenten in dieser Hinsicht die schwierigsten Bedingungen. Alles hing von der Person des Korrespondenten ab. Wer nicht das Prestige eines Bernhard Guttmann genoss, hatte kaum die Chance, mit hochrangigen Regierungsvertretern zusammenzutreffen. 2
Karl Heinrich P, Ein früher Medienpolitiker? Stresemanns Außenpolitik und die Öffentlichkeit, in: B, H (Hg.), Außenpolitik im Medienzeitalter, S. 146–166. Pohl berücksichtigt aber nicht die deutschen Auslandskorrespondenten.
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Auch was den Zugang zum Parlament betraf, konnten die Auslandskorrespondenten in London nicht auf Vorteile hoffen, die aus ihrer professionellen Rolle resultierten. Die begehrten Karten zur Reporters’ Gallery wurden ausschließlich an Vertreter britischer Zeitungen ausgegeben, so dass die Auslandskorrespondenten nicht anders als das Laienpublikum behandelt wurden und entweder auf ausreichend Platz hoffen mussten oder darauf, dass ihre Bekanntschaft mit einem MP ihnen zu einer Karte verhalf. In Wien, Paris und Berlin dagegen wurden die Auslandskorrespondenten seit den 1860er bzw. 1870er Jahren gezielt in der Ausübung ihrer Berichterstatterfunktion unterstützt und mit einem Kontingent eigens für sie reservierter Karten bedacht. Die französische Parlamentsverwaltung bemühte sich dezidiert darum, die ausländischen Journalisten nicht schlechter zu behandeln als ihre französischen Kollegen. Diese Unterschiede bestätigen erneut die These, dass die politische Kultur die Arbeitspraxis der Auslandskorrespondenten beeinflusste, sie zeigen aber auch, dass eine freie Presse und starke Stellung des Journalismus innerhalb des Geflechts von Politik und Öffentlichkeit allein nicht ausreichten, um gute Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Ein Blick auf gegenwärtige Entwicklungen – zu nennen sind hier die Repressionen seitens der türkischen Regierung gegen unliebsame in- und ausländische Journalisten, der (gescheiterte) Versuch der polnischen Regierung, Medienberichterstatter aus dem Parlament auszuschließen und die ablehnende Haltung des im Januar 2017 ins Amt getretenen amerikanischen Präsidenten gegenüber Medienvertretern – bestätigt dies und unterstreicht die Aktualität dieser Untersuchung. Während sich die politische Kultur des Berichtsorts in der Etablierungsphase des Berufs noch deutlich auf die Herausbildung des jeweils vorherrschenden Korrespondententyps auswirkte, rückten seit den 1870er Jahren zunehmend andere Kriterien in den Vordergrund, anhand derer sich verschiedene Korrespondententypen identifizieren lassen: Mit der Aufwertung des Nachrichtendienstes und der damit einhergehenden wachsenden Bedeutung der Korrespondenten für die Zeitungen etablierten sich im Wesentlichen zwei Modelle der Beziehung zwischen Korrespondent und Zeitung, die sich an allen drei Berichtsorten gleichermaßen finden, nämlich der festangestellte eigene Korrespondent und der mobile Berufskorrespondent. Auch wenn sich die Biografien beider Typen äußerlich erheblich unterschieden, waren doch beide Formen Ausdruck dafür, dass der Beruf inzwischen etabliert war und sich zu einem angesehenen und attraktiven Haupt- und Lebensberuf entwickelt hatte, dessen Vertreter und Kultur hauptsächlich von professionellen Erfordernissen geprägt wurden, wenn auch die Berufspraxis weiterhin von äußeren Rahmenbedingungen beeinflusst blieb. Die wachsende Relevanz professioneller Aspekte wird etwa dadurch deutlich, dass nicht mehr das bestehende persönliche Netzwerk eine Person zum Korrespondenten befähigte, sondern dass umgekehrt die Position des Korrespondenten einer bedeutenden Zeitung das persönliche Netzwerk beeinflussen konnte. Seit etwa den 1880er Jahren vermochte die professionelle Rolle Türen zu öffnen und Informationen erreichbar zu machen. Während noch Anfang der
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1860er Jahre kaum ein Zusammenhalt zwischen den internationalen Auslandskorrespondenten eines Berichtsortes bestand, hatte sich spätestens Anfang der 1880er Jahre ein Gemeinschaftssinn entwickelt, der sich in der Gründung von Korrespondentenvereinen manifestierte und durch diese weiter gefestigt wurde. Diese Vereine sind nicht nur deutliche Symptome eines beruflich fundierten Selbstverständnisses, sondern sprechen auch dafür, dass die berufliche Kultur zumindest in manchen Aspekten universelle Gültigkeit besaß: Nicht nur deutsche Auslandskorrespondenten schlossen sich zusammen, sondern alle an einem Berichtsort ansässigen. Die zeitliche Nähe der Vereinsgründungen und die Parallelen in Zielsetzungen, règlements und Aktivitäten deuten zudem darauf hin, dass zwischen den Korrespondenten verschiedener Nachrichtenplätze ein Austausch bestand. Spätestens die Tendenzen zur internationalen Vernetzung der verschiedenen Vereine in den 1920er Jahren untermauern dies. Die berufliche Rolle und die Arbeitspraxis der Korrespondenten unterschiedlicher Nationen wiesen genug Gemeinsamkeiten auf, um eine Grenzen überbrückende berufliche Solidarität zu begründen. Zumindest das berufliche Selbstverständnis der Auslandskorrespondenten wies eine transnationale Komponente auf. Gleichwohl blieben die deutschen Auslandskorrespondenten in den journalistischen Traditionen ihres Heimatlandes verankert. Wenngleich die Einschätzung der Herkunft einzelner Aspekte der beruflichen Kultur problematisch ist, deuten die Ergebnisse dieser Studie doch darauf hin, dass die Korrespondenten Komponenten aus unterschiedlichen journalistischen Kulturen aufgriffen und integrierten. So verband etwa Bernhard Guttmann die Meinungslastigkeit des deutschen Journalismus mit der Nachrichtenorientierung des britischen Journalismus und erklärte die selbst recherchierte, objektive Information zur Grundlage der Urteilsbildung, die er jedoch nicht dem Leser überließ, sondern selbst in seinen Artikeln vornahm. Arthur Levysohn verschmolz französischen Stil mit österreichischem Reportertum zu deutschen Leitartikeln. Theodor Wolff gründete sein wohlformuliertes Urteil am liebsten auf eigene Anschauung. Diese Beispiele legen die Annahme nahe, dass die deutschen Korrespondenten im Austausch mit ihren internationalen Kollegen ihre berufliche Kultur modifizierten und ergänzten. Die Etablierung des Berufs sowie der Ausbau und die Aufwertung der Korrespondentennetze sprechen dafür, dass die Bedeutung der Augenzeugenschaft für die Erzeugung journalistischer Glaubwürdigkeit und Evidenz im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts stieg. Um diese These zu untermauern wäre eine Auswertung der Berichterstattung hinsichtlich der Argumente wünschenswert, die die Authentizität einer Meldung stützen sollten. Trotz oder auch gerade wegen der Internationalität ihrer Kontakte und des transnationalen Arbeitszusammenhangs, in dem sie agierten, und bei aller Vermittlertätigkeit, die viele Korrespondenten zwischen ihrem Gast- und ihrem Heimatland anstrebten, blieb doch die eigene Nation die zentrale Referenz. Viele Auslandskorrespondenten übten ihre Arbeit auf der Grundlage eines stabilen Patriotismus oder auch Nationalismus aus. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs erfüllte Guttmann mit tiefem Bedauern – dass er aber mit seinen
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Mitteln sein Vaterland unterstützte, stand für ihn außer Frage. Der nachhaltige Bruch entlang der Bündnislinien, der sich bis weit in die 1920er Jahre durch die Korrespondentenvereine zog, zeigt, dass viele seiner Kollegen ganz klar nationalistischen Mustern verpflichtet blieben, die die transnationale berufliche Solidarität mit ihren Kollegen im Zweifelsfalle überlagerten bzw. außer Kraft setzten. In diesem Zusammenhang wären die Bestrebungen der 1920er Jahre zu einer internationalen Vernetzung der Korrespondentenvereine und die Propagierung des Völkerbundgedankens aus den Reihen der Auslandskorrespondenten näher zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung deutscher Auslandskorrespondenten und ihrer beruflichen Kultur im 19. und frühen 20. Jahrhundert lenken den Blick auf eine Reihe weiterer Forschungsfragen. Angesichts der Bedeutung, die die politische Kultur des Nachrichtenplatzes und die Beziehungen zwischen Gast- und Heimatland für die dort tätigen Auslandskorrespondenten hatten, wäre eine Ausweitung der Perspektive auf weitere Orte, insbesondere St. Petersburg, Konstantinopel, Washington und New York, wünschenswert. Zudem schloss die Entscheidung, den politischen Journalismus ins Zentrum dieser Untersuchung zu stellen, jene Korrespondenten weitgehend aus, die auf andere Themenbereiche spezialisiert waren. Aufgrund der inhaltlichen Ausdifferenzierung der Zeitungen und der Stärkung bestimmter Themenbereiche wurden diese gerade zum Ende des Untersuchungszeitraums immer wichtiger. Einige Zeitungen beschäftigten daher an manchen Nachrichtenplätzen nicht mehr nur einen Korrespondenten, sondern verfügten neben dem mit der politischen Berichterstattung beauftragten Hauptkorrespondenten zusätzlich über Spezialisten für das Feuilleton oder die Börsen- und Handelsberichterstattung3 . Die FZ etwa beschäftigte in Wien in den 1880er und 1890er Jahren neben ihrem Hauptkorrespondenten Hugo Ganz, der für die politische und Parlamentsberichterstattung zuständig war, drei Feuilletonkorrespondenten, einen Mitarbeiter für den telegrafischen Dienst und mehrere Handels- und Börsenberichterstatter, außerdem einen Kunst- und einen Musikkritiker. Aus Paris sandte Emil Ney die politischen Berichte, Felix Vogt und später Fritz Schotthöfer schrieben Artikel für das Feuilleton, Louis Stern besorgte die Wirtschaftsberichterstattung. Daneben berichteten Sportberichterstatter seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer häufiger als Spezialkorrespondenten auch über Sportereignisse des Auslandes. Zwar brach die große Zeit der Sportberichterstattung erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges an, doch auch zuvor versuchten professionelle Sportjournalisten beispielsweise über französische Manöver zu berichten4 . Neben den thematisch spezialisierten 3 4
R, Vom »Kuli der Börse«, S. 16–27, sowie D., Auguren des Geldes. Von Pustenau an Kiderlen-Wächter, Berlin, 6.9.1911, PA AA, RZ 201, Deutschland 122 Nr. 3 secr., R 1234. Dies wirft auch die Frage nach der Veränderung der Inhalte der Sportberichterstattung auf. Als Einstieg mit weiteren Nachweisen B, Europäische Medienereignisse.
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Journalisten wären auch Fotojournalisten oder Pressemaler und ihre Bedeutung für die Auslandsberichterstattung sowie ihr Verhältnis zu normalen Auslandskorrespondenten in den Blick zu nehmen5 . Hier bieten sich transnationale und vergleichende Perspektiven an, um nicht nur die Praktiken der Journalisten, sondern auch etwaige Abweichungen der Bildsprache untersuchen zu können6 . Auch ein Spezialtypus des politischen Auslandskorrespondenten, der hier ausgeklammert wurde, verdient Beachtung: der Korrespondent sozialdemokratischer Zeitungen. Durch die Sozialistengesetze waren die Bedingungen für die sozialdemokratische Presse von 1878 bis 1890 deutlich schwieriger als für andere Zeitungen7 , auch dürfte der spezifische Charakter dieser Parteizeitungen sich auf deren Auslandskorrespondenten ausgewirkt haben. So hatte keiner der Korrespondenten, die für ein sozialdemokratisches Blatt schrieben, direkte Kontakte zum deutschen auswärtigen Dienst. Dagegen standen alle der Sozialdemokratie nahe, waren Parteimitglieder oder übernahmen später politische Mandate oder führende Parteiposten, wie etwa Eduard Bernstein (London), Clara Zetkin und Boris Kritschewski (Paris)8 . Besonders das Rollenverständnis dieser Journalisten in der Schnittmenge von Politik und Presse sowie die Frage, inwieweit es sich von Konzepten anderer (Partei-)Journalisten unterschied, verdienen Aufmerksamkeit. Im Zuge der Recherchen fanden sich Hinweise darauf, dass es Kooperationen der sozialdemokratischen Blätter verschiedener Länder gab, die eine noch deutlich stärker transnationale Perspektive erfordern. So waren die beiden Wiener Korrespondenten des »Vorwärts«, Viktor Adler und Friedrich Austerlitz, zugleich Mitarbeiter der Wiener »Arbeiter-Zeitung«, aus Paris berichtete Otto Pohl für beide Blätter. Ein weiterer Wiener Korrespondent war Engelbert Pernerstorfer, der für die »Sozialdemokratische Arbeiterpartei« Österreichs im Abgeordnetenhaus saß. Auch das Auswärtige Amt vermutete internationale Verflechtungen zwischen den sozialdemokratischen Journalisten und ging davon aus, dass der Londoner Korrespondent des »Vorwärts«, Max
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Mit Blick auf Österreich H, Rasende Reporter. Ulrich K, The Ultimate Spectacle. A Visual History of the Crimean War, Amsterdam 2001; Gerhard P, Bilder des Krieges – Krieg der Bilder. Die Visualisierung des modernen Krieges, München 2004; Wolfgang P, Eine Geschichte des Fotojournalismus. Was zählt, sind die Bilder, Wiesbaden 2015. Zur Presse der deutschen Sozialdemokratie Klaus L, »Vorwärts« in »Die Neue Zeit«. Die sozialdemokratische Presse im langen 19. Jahrhundert, Leipzig 2014; Waltraud S, Journalist mit Mandat. Sozialdemokratische Reichstagsabgeordnete und ihre Arbeit in der Parteipresse, 1867 bis 1918, Düsseldorf 1983. Eduard B, Die Geschichte der Berliner Arbeiterbewegung. Teil 3: Fünfzehn Jahre Berliner Arbeiterbewegung unter dem gemeinen Recht, Berlin 1910, S. 404. Auch Fritz T, Salomon Grumbach, Korrespondent des »Vorwärts« in Paris. Das politische Leben Frankreichs, deutschen Sozialdemokraten geschildert von einem sozialdemokratischen Elsässer, in: Helga A (Hg.), Visions allemandes de la France (1871–1914)/Frankreich aus deutscher Sicht (1871–1914), Bern 1995, S. 373–388.
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Beer, mit russischen Journalisten in Kontakt stand9 . Samuel Grumbach (Paris) galt als Bindeglied zum französischen Sozialismus10 . Gerade mit Blick auf die sozialistischen Korrespondenten wäre eine Inhaltsanalyse der Auslandsberichterstattung von Interesse, ebenso wäre jedoch der Frage nachzugehen, inwiefern sich die Beschäftigung eigener Korrespondenten auf die Berichterstattung der Zeitungen auswirkte und wie diese sich von Zeitungen ohne Korrespondenten unterschied, die ihre Auslandsmeldungen ausschließlich aus anderen Zeitungen, Telegrafenagenturen und Korrespondenzbüros schöpften. Wirkten die Korrespondenten tatsächlich ihrem Anspruch entsprechend als interkulturelle Vermittler? Unterschieden sich die Nachrichten, Deutungen und Urteile ihrer Zeitungen von denen der Blätter ohne eigenen Nachrichtendienst? Ebenso wäre bei Zeitungen mit eigenem Korrespondentennetz über eine Auswertung des Inhalts der Anteil eigener Meldungen gegenüber jenen von Agenturen und Korrespondenzbüros auszuloten, um die Relevanz von Auslandskorrespondenten in der Nachrichtenbeschaffung besser beurteilen zu können. Beugten eigene Korrespondenten tatsächlich der Uniformität der Berichterstattung vor, konnten sie in ihren Zeitungen eigene Akzente setzen, oder folgte die Themenwahl durch Vorgaben der Redaktionen, die sich an Agenturmeldungen orientierten, trotzdem dem Nachrichten-Mainstream? Auch die Korrespondenten und Netzwerke der Nachrichtenagenturen sind noch wenig erforscht11 . Ebenso erscheint eine systematische Analyse der Korrespondentennetze großer Zeitungskonzerne wie Ullstein, Scherl oder Hugenberg insbesondere mit Blick auf die Entwicklung der deutschen Presselandschaft in den 1920er Jahren lohnend12 . Auch die Untersuchung der offiziösen oder regierungsnahen Korrespondenten ließe sich durchaus noch weiter vertiefen, als dies hier geschehen ist, zumal mit Blick auf die Entwicklung seit den 1920er Jahren. Auch Medienereignisse wie die Weltausstellungen sollten hinsichtlich ihrer Rolle als Schrittmacher und Kristallisationspunkte journalistischer Arbeitspraxis und der Entwicklung der Beziehungen von Politik und Wirtschaft zur Presse noch eingehender untersucht werden, nicht zuletzt weil sie sich für international vergleichende Perspektiven eignen. Diese sollten schon aufgrund des transnationalen Gruppenbewusstseins der Auslandskorrespondenten und der Tendenzen zur Internationalisierung der Presse vor 1914 weiterhin im Fokus der mediengeschichtlichen Forschung bleiben. 9
10 11 12
Richthofen an Metternich, Berlin, 18.2.1904, sowie Metternich an Richthofen, London, 15.3.1904, beide PA AA, RZ 201, RVA London, 1325–1327. Beer hatte zuvor als Redakteur der »Volksstimme« gearbeitet, dann als New York-Korrespondent mehrerer sozialdemokratischer Blätter. T, Salomon Grumbach, S. 373–388. Weitere Mitarbeiter des »Vorwärts« waren Paul Arndt (Paris), Köttgen und Oskar T. Schweriner (beide London). Volker Barth forschte im Rahmen seines Habilitationsprojekts zur Wissensproduktion globaler Nachrichtenagenturen. Als Einstieg R, Kommerzialisierung der Presse im frühen 20. Jahrhundert, S. 129– 132.
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Abkürzungen AA AN APE AssN AT-OeStA/AVA
Auswärtiges Amt (Berlin) Archives nationales Association syndicale de la presse étrangère Assemblée nationale – Division des archives Österreichisches Staatsarchiv – Allgemeines Verwaltungsarchiv AT-OeStA/HHStA Österreichisches Staatsarchiv – Haus-, Hof- und Staatsarchiv AZ Allgemeine Zeitung (Augsburg) BArch Bundesarchiv Koblenz BL British Library BT Berliner Tageblatt Deutsches Literaturarchiv Marbach, Cotta-Archiv (Stiftung DLA Cotta der Stuttgarter Zeitung) Eastern/African/China Department des Londoner Foreign EAC Office FIJ Fédération internationale des journalistes FPA Foreign Press Association FPA A Foreign Press Association, Archives FR-MAE AD Ministère des Affaires étrangères – centre des archives diplomatiques FZ Frankfurter Zeitung GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz HC Hamburgischer Correspondent HHI Heinrich-Heine-Institut, Archiv HN Hamburger Nachrichten HStAD Hessisches Staatsarchiv Darmstadt IfZF Institut für Zeitungsforschung KöZ Kölnische Zeitung MdÄ Ministerium des Äußern (Wien) MNN Münchner Neueste Nachrichten MP Member of Parliament NAZ Norddeutsche Allgemeine Zeitung NL Nachlass NZ National-Zeitung ÖP Österreichisches Parlamentsarchiv PA AA Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes RAMar Riksarkivet Marieberg RAV Reichsauslandsvertretung SFJ Society of Foreign Journalists
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Abkürzungen
StadtA MA TNA TKB UB LMU Union VAP Verband VZ WStLA WTB
Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte The National Archives k. k. Telegraphen-Korrespondenz-Bureau Universitätsbibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München Union der Correspondenten der ausländischen Presse (Wien) Verein der ausländischen Presse (Berlin) Verband der auswärtigen Presse (Wien) Vossische Zeitung Wiener Stadt- und Landesarchiv Wolff’s Telegraphisches Bureau
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Quellen- und Literaturverzeichnis Archivalische Quellen Deutschland Archiv Remscheid
N 21, Nachlass Becker-Strube Bayerische Staatsbibliothek
Nachlass Victor Naumann (Naumanniana) Bundesarchiv Koblenz
Nachlass Theodor Wolff (N 1207) Deutsches Literaturarchiv Marbach
Cotta-Archiv (Stiftung der Stuttgarter Zeitung): Copierbücher II–X; Copierbuch AZ 1851–1867; Copierbücher Expedition und Druckerei München sowie Journalcorrespondenten; Briefe (v. a. Bernays, Biscamp, Blind, J. A. M. Brühl, W. von Chézy, M. G. Conrad, F. Giehne, K. Grün, Hesekiel, M. Hess, G. Kolb, W. Lauser, A. Levysohn, W. Liebknecht, Ohly, H. Orges, H. Reeve, Savoye, K. Scherzer, C. Weil, A. C. Wiesner, Zedlitz) Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GStA PK)
Ministerium des Innern: Literarisches Büro (I HA Rep. 77 A); Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten: Politische Abteilung (III HA MdA, I), besonders Politische Polizei: Presse und Zensur, Politische Beziehungen zu Einzelstaaten: Politischer Schriftwechsel mit der preußischen Vertretung in Paris, London, Wien Heinrich-Heine-Institut Düsseldorf, Archiv
Nachlass Heinrich Kruse, Briefe (v. a. F. Fischer, Oldenberg, J. E. Russel, Schlesinger, A. Schmits, F. E. Szarvady, O. Windscheid) Hessisches Staatsarchiv Darmstadt
Nachlass Karl Ohly (HStAD, O 59 Ohly) Institut für Zeitungsforschung
Nachlass Bernhard Guttmann
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA)
Presseakten der Reichsauslandsvertretungen (RAV) Paris, London, Wien; Deutsches Reich – Zentrale, Politik, Abteilung IA – Politische Abteilung (RZ 201): Europa Generalia: Einwirkung auf die Presse im Interesse Preußens (14), Preßberichte (60), L. Sonnemann und Frankfurter Zeitung (70), Beziehungen deutscher und fremder Literaten zu Organen der europäischen Presse (73), Sozialdemokratische Presse (82 Nr. 14), Telegraphen-Institute (86 secr.); Deutschland: Journalisten (122 Nr. 3), Presse – Generalia (126), Geheime Ausgaben für Pressezwecke (126a secr.), Pressraten und Leitwege (126e secr.), Berliner Presse (126 Nr. 2), Presse in Deutschland (126 Nr. 3), Das Litterarische Büro (126 Nr. 8); Frankreich: Berichte des Dr. Bamberg (51), Für die diesseitigen Interessen in Frankreich tätige Presse- und Polizeiagenten (77), Die französische Presse (91), Journalisten (105 Nr. 2), Pariser Weltausstellung im Jahre 1900 (111), Das Pressebüro und der Geschäftsgang im Auswärtigen Ministerium (114); England: Die englische Presse (73), Englische Journalisten (81 Nr. 3); Österreich: Die österreichisch-ungarische Presse (74), Österreichische Journalisten (86 Nr. 3), Beziehungen des österreichischen Ministeriums zur Presse (88 Nr. 1) Stadtarchiv Mannheim – Institut für Stadtgeschichte
Nachlass Karl Blind Universitätsbibliothek der LMU München
Nachlass M. Greif: Briefe Ziegler Zeitungsarchiv der Fachbibliothek Englischer Garten, UB LMU München
Jubiläums- und Festnummern deutscher Zeitungen Frankreich Archives nationales
Police générale (F/7), besonders Mouvement syndical (F/7/13589–13593 und 13750–13751), Étrangers: expulsés (F/7/13988–14591); Imprimerie, librairie, presse, censure: Presse étrangère: Allemagne (F/18), besonders Bureau de la presse: Dossiers personnels (F18/266–293), Presse étrangère/Allemagne (F/18/543) Archives du Sénat
Procès-verbaux des délibérations de la questure, 1887–1905 (58S 7–10, 58S 21– 22); Délibérations & Arrêtés de questure, 1905–1913 (58S 24–26); Règlement du Sénat (1876–1921)
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Archivalische Quellen
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Assemblée nationale – division des archives
Archives du secrétariat général de la questure, 1806–1967 (12 P), besonders Organisation du congrès (12 P 181–195), Presse (12 P 173–177); Règlement de l’Assemblée nationale, 1848–1852; Corps législatif – Règlement, 1863–1869; Règlement de la Chambre des députés, 1871–1920 Ministère des Affaires étrangères – centre des archives diplomatiques
Correspondance politique: Allemagne (2CP, 3CP), Bade (13CP), Bavière (16CP), Prusse (106CP), Wurtemberg (141CP); Ministère des Affaires étrangères. Correspondance politique et commerciale, 1896–1918. Nouvelle série: Allemagne 1897–1918 (131CPCOM, NS. Besonders: NS 91–92: Presse et revue de la presse), Bavière 1897–1917 (141CPCOM, NS); Affaires diverses politiques – Allemagne (3 ADP) Großbritannien British Library
Blind Papers (Add Ms 40123–40126) Foreign Press Association, Archives
Committee Meetings File, 1912–1938 Parliamentary Archives
House of Commons: Foreign Newspapers (HC/SA/SJ/5/24); Tickets Reporters’ Gallery (PRG_2: HoC) The National Archives (TNA)
Foreign Office and Predecessor: Political and Other Departments: General Correspondence before 1906, Bavaria (FO 9), Germany (FO 30), Prussia and Germany (FO 64), Wurttemberg and Bade (FO 82), Germany (FO 371); Confidential Print (FO 881) Österreich Österreichisches Parlamentsarchiv
Abgeordnetenhaus 1861–1918 – Allgemeine Büroangelegenheiten (Schachtel 83), Varia (Schachtel 71); Geschäftsordnungen 1887–1912
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Österreichisches Staatsarchiv – Allgemeines Verwaltungsarchiv
Inneres – Ministerratspräsidium – Presseleitung – Akten (AT-OeStA/AVA Inneres MR-Präsidium Presseleitung Akten); Inneres – Ministerium des Inneren – Allgemeine Reihe Teil 2: Vereinsakten/Presse- und Insertionsangelegenheiten (AT-OeStA/AVA Inneres MdI Allgemein Teil 2 A) Österreichisches Staatsarchiv – Haus-, Hof- und Staatsarchiv
Diplomatie und Außenpolitik 1848–1918 – Ministerium des Äußern – Presseleitung/Literarisches Bureau 1864–1918; Ministerium des Äußern – Politisches Archiv (PA II: Deutscher Bund; PA III Preußen; PA IV Bayern); Ministerium des Äußern – Administrative Registratur – Fach 4 Generalia 1850–1870: Journalistik (AT-OeStA/HHStA MdÄ AR F 4); Gesandtschafts- und Konsulatsarchive – Berlin (AT-OeStA/HHStA GKA – GsA Berlin); Sonderbestände – Nachlass L. Mandl (AT-OeStA/HHStA SB Nl Mandl) Wiener Stadt- und Landesarchiv
Stadtarchiv – Magistratsabteilungen – Gelöschte Vereine (WStLA, M.Abt. 119 A 32): Union der auswärtigen Presse (1920–74), Deutscher Schriftstellerund Journalistenverband (1639/1922), Union nationaler Journalistenverbände (851/1942), Presseklub der Union nationaler Journalistenverbände (1761/1942), Verband der Wiener Zeitung-Korrespondenten (7739/1927), Vereinigung der Auslandsjournalisten in Wien (3247/1931), Verband der auswärtigen Presse in Wien (195/1921) Schweden Riksarkivet Marieberg
Verein der ausländischen Presse zu Berlin (SE/RA/770176)
Zeitungen und zeitgenössische Fachzeitschriften Zeitgenössische Fachzeitschriften
Der Zeitungs-Verlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen; Deutsche Presse: Organ des Deutschen Schriftsteller-Verbandes; Die Feder. Halbmonatsschrift für die deutschen Schriftsteller und Journalisten; Die Literarische Praxis; Die Redaktion. Fachzeitschrift für Redakteure, Journalisten, Schriftsteller und Verleger; Geistiges Eigentum. Zeitschrift für Schriftsteller und Journalisten; Neue deutsche Schriftsteller-Zeitung. Fachblatt für die Interessen der deutschen Redakteure und Journalisten, Schriftsteller und Illustratoren
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Lexika
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Zeitungen
Allgemeine Zeitung; Anglo-German Courier; Das Ausland; L’Autorité; The Belfast News-Letter; Berliner Lokal-Anzeiger; Berliner Tageblatt; Daily News; Deutsche Zeitung (Wien); Le Figaro; Frankfurter Zeitung und Handelsblatt; Frauenleben. Blätter zur Vertretung der Frauen-Interessen; Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser; Le Gaulois; Die Grenzboten; Hochland; The Illustrated Magazine; Innsbrucker Nachrichten; Journal des débats; Kölnische Volkszeitung; La Lanterne; Der Leuchtthurm; Liverpool Mercury; Le Matin; Morgen-Post (Wien); Neue Freie Presse; Neue Preußische (Kreuz-)Zeitung; Die Neue Zeit. Revue des geistigen und öffentlichen Lebens (später: Wochenschrift der deutschen Sozialdemokratie); Neues Wiener Journal; The Nineteenth Century; Norddeutsche Allgemeine Zeitung; The Observer; L’Ouest-Éclair; Le Palais-Bourbon et le Luxembourg; Pall Mall Gazette; Le Petit Parisien; Prager Tagblatt; Die Presse (Wien); La Presse; La Revue hebdomadaire; Reynold’s Newspaper; Le Temps; The Times; Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie; Vorwärts; Vossische Zeitung; Die Welt; Die Weltbühne; Wiener Sonn- und Montags-Zeitung; Wiener Zeitung; Znaimer Wochenblatt; Die Zukunft
Lexika Brockhaus B, Friedrich Arnold (Hg.), Conversations-Lexicon oder Hand-Wörterbuch für die gebildeten Stände über die in der gesellschaftlichen Unterhaltung und bei der Lectüre vorkommenden Gegenstände, Namen und Begriffe [. . . ], 4 Bde., Leipzig 2 1812. –(Hg.), Conversations-Lexicon oder Hand-Wörterbuch für die gebildeten Stände, 10 Bde., Leipzig, Altenburg 3 1814–1820. –(Hg.), Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände. ConversationsLexicon [Brockhaus], 10 Bde., Leipzig 5 1819–1822. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon [Brockhaus], 15 Bde., Leipzig 9 1843–1848. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände. Conversations-Lexikon [Brockhaus], 15 Bde., Leipzig 11 1864–1868. Conversations-Lexikon. Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie [Brockhaus], 15 Bde., Leipzig 12 1875–1879. Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 16 Bde., Leipzig, Berlin, Wien 14 1894–1896. FaksimileDigitalisat unter http://www.retrobibliothek.de/retrobib/index.html (16.6.2017). Der große Brockhaus. Handbuch des Wissens in zwanzig Bänden, Leipzig 15 1928–1935. Der Große Brockhaus, 12 Bde., Wiesbaden 16 1952–1957. Brockhaus Enzyklopädie, 30 Bde., Leipzig 21 2005–2006.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Weitere Allgemeines deutsches Conversations-Lexicon für die Gebildeten eines jeden Standes [Gebrüder Reichenbach], 10 Bde., Leipzig 1834–1839. Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände, 12 Bde., Leipzig 1848–1856. Herders Konversations-Lexikon, 8 Bde., Freiburg i. Br. 3 1902–1907. M, Georg Joseph (Hg.), Allgemeine Realencyclopädie, oder Conversationslexikon für alle Stände, 12 Bde., Regensburg 3 1865–1873. P, Heinrich August (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, 34 Bde., Altenburg 2 1840–1846. –(Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, 17 Bde., Altenburg 3 1849–1852. S, Otto (Hg.), Illustrirtes Konversations-Lexikon. Vergleichendes Nachschlagewerk für den täglichen Gebrauch. Hausschatz für das deutsche Volk und »Orbis pictus« für die studirende Jugend, 8 Bde., Leipzig, Berlin 1870–1880. Z, Johann Heinrich (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde., Halle, Leipzig 1732–1754 [Faksimile-Nachdruck Graz 1961],Digitalisat unter www.zedler-lexikon.de (Zugriff am 16.6.2017).
Biographische Lexika C, Henry (Hg.), Dictionnaire biographique international des écrivains, Paris 1899. D, Herrmann A. L. (Hg.), Wer ist’s? Zeitgenossenlexikon, Leipzig 4 1909. G, Angelo de (Hg.), Dictionnaire international des écrivains du jour, Florenz 1888–1891.
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Gedruckte Quellen und Literatur
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K, Adolph, Berühmte israelitische Männer und Frauen in der Kulturgeschichte der Menschheit, Leipzig 1901. P, Sophie, Lexikon deutscher Frauen der Feder. Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienenen Werke weiblicher Autoren, nebst Biographien der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme, Berlin 1898. W, Oskar (Hg.), Hand-Lexikon der deutschen Presse und des graphischen Gewerbes, Leipzig 1905. W, Constant von (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, 60 Bde., Wien 1856–1891.
Gedruckte Quellen und Literatur [. V.], IX. Internationaler Preßkongreß in Wien (vierter Verhandlungstag), in: Neues Wiener Abendblatt, 15.9.1904, S. 2. –, A Society of Foreign Journalists, in: The Times, 7.6.1910, S. 3. –, Art. »Adolph Neustadt«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 20 (1869). –, Art. »Berichterstatter«, in: Meyers Konversationslexikon, Bd. 2 (4 1890). –, Art. »Correspondent«, in: P (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit, Bd. 7 (3 1841). –, Art. »Correspondent«, in: Z (Hg.), Grosses vollständiges Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste, Bd. 6 (1733/1961). –, Art. »Coudurier de Chassaigne«, in: Who’s Who in France 1959–1960, Paris 1959. –, Art. »Debrauz, Alois«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 3 (1858). –, Art. »Debrauz, Alois«, in: ibid., Bd. 24 (1872). –, Art. »Eduard Ludwig«, in: Munzinger Online/Personen – Internationales biographisches Archiv, http://www.munzinger.de/document/00000003813 (Zugriff am 16.6.2017). –, Art. »Gabriel de Wesselitsky«, in: Who Was Who 1929–1940. A Companion to Who’s Who, London 1941. –, Art. »Georges Pétilleau«, in: Pierre L, Grand dictionnaire universel, Bd. 17, 2. Supplement, Paris 1866–1877. –, Art. »Johannes Nordmann«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 20 (1869). –, Art. »Journalismus«, in: Herders Konversations-Lexikon, Bd. 4 (3 1904). –, Art. »Journalismus«, in: S (Hg.), Illustrirtes Konversations-Lexikon, Bd. 5 (1876). –, Art. »Journalist«, in: Brockhaus’ Konversations-Lexikon, Bd. 9 (14 1894). –, Art. »Journalist«, in: M (Hg.), Allgemeine Realencyclopädie, Bd. 8 (3 1873). –, Art. »Journalist«, in: Meyers Konversations-Lexikon, Bd. 9 (5 1896). –, Art. »Journalist«, in: P (Hg.), Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit, Bd. 15 (2 1943). –, Art. »Korrespondent«, in: Der große Brockhaus, Bd. 10 (15 1931). –, Art. »Korrespondent«, in: Meyers Konversationslexikon, Bd. 10 (4 1890).
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Quellen- und Literaturverzeichnis
–, Art. » Korrespondent«, in: Meyers Konversations-Lexikon, Bd. 10 (5 1896). –, Art. »Korrespondent«, in: Meyers Lexikon, Bd. 6 (8 1939). –, Art. »Korrespondent«, in: Oskar W (Hg.), Hand-Lexikon der deutschen Presse und des graphischen Gewerbes, Leipzig 1905, S. 478f. –, Art. »Korrespondenz«, in: M (Hg.), Das Große Conversations-Lexicon für die gebildeten Stände, Bd. 18 (1851). –, Art. »Korrespondenz«, in: Meyers Konversationslexikon, Bd. 10 (4 1890). –, Art. »Korrespondiren«, in: S (Hg.), Illustrirtes Konversations-Lexikon, Bd. 5 (1876). –, Art. »Louis Macon«, in: Henry C (Hg.), Dictionnaire biographique international des écrivains, Paris 1899. –, Art. »Lübeck in seinen neueren und neuesten Zuständen«, in: Die Gegenwart. Eine encyklopädische Darstellung der neuesten Zeitgeschichte für alle Stände, Leipzig 1853, Bd. 8, S. 605–660. –, Art. »Max Schlesinger«, in: W (Hg.), Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 30 (1875). –, Art. »Van der Veer«, in: Notable Personalities. An Illustrated Who’s Who of Professional and Business Men and Women, London 1926. –, Art. »Zeitungen und Zeitschriften«, B, Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie für die gebildeten Stände, Bd. 15 (9 1848). –, Arthur Levysohn, in: Berliner Tageblatt, 11.4.1911, S. 1. –, Arthur Levysohn, in: Berliner Tageblatt, 12.4.1911, S. 1. –, Au jour le jour. L’affaire du panama, in: Le Temps, 26.3.1893, S. 2. –, Das Auftauchen des Namens Mohrenheim [. . . ], in: Vossische Zeitung, 17.1.1893, S. 1. –, Ausland, in: Neue Freie Presse, 12.9.1867, S. 4. –, Austria-Hungary and Germany, in: The Times, 9.2.1910, S. 6. –, Beim Nachrichten-Diebstahl, in: Der Zeitungs-Verlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen 5 (1904), S. 1050. –, Correspondance anglaise, in: Le Figaro, 28.11.1888. –, Correspondants étrangers, in: Le Gaulois, 16.1.1893, S. 1. –, Les correspondants parisiens de la presse allemande, in: Agence Fournier, 17.7.1914. –, Les correspondants parisiens des journaux allemands et divers incidents, in: Le Gaulois, 18.7.1914, S. 4. –, Démarches politiques, in: Le Matin, 16.1.1893, S. 1. –, Dernière heure, in: Le Temps, 25.3.1893, S. 1. –, Der Dreibund und Panama, in: Berliner Tageblatt, 27.1.1893, S. 1. –, Écho politique, in: Le Gaulois, 23.1.1893, S. 1. –, Ein Duell zwischen Journalisten, in: Innsbrucker Nachrichten, 24.11.1896, S. 3. –, Ein kalter Strahl nach Paris, in: Berliner Tageblatt, 30.3.1893. –, Eine Parade in Brüssel, in: Neues Wiener Journal, 24.9.1914, S. 3. –, Eine Rede Viktor Taunays, in: Neues Wiener Abendblatt, 14.9.1904, S. 2. –, England an der Jahreswende (Von unserem Korrespondenten), in: Berliner Tageblatt, 6.1.1893, S. 1. –, Entertainment of the Representatives of the Foreign Press, in: The Observer, 15.6.1862, S. 6.
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Gedruckte Quellen und Literatur
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–, Erinnerungen an das zweite Kaiserreich, in: Die Grenzboten (1877), S. 513–518. –, Les expulsions, in: La Lanterne, 19.1.1893, S. 2. –, Foreign Press Association, in: The Times, 29.4.1898, S. 10. –, The Foreign Press Association in London, in: The Times, 18.12.1899, S. 4. –, Die Frage, wer das große »x.« des Herrn Andrieux [. . . ], in: Berliner Tageblatt, 21.3.1893, S. 2. –, Frankfurt, 16. Januar, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 17.1.1893, S. 1. –, Frankreich, in: Frankfurter Zeitung und Handelsblatt, 18.1.1893, S. 1. –, From the Radical Benches, in: Reynold’s Newspaper, 23.3.1890, S. 5. –, Fürst Bismarck und die Presse, in: Morgen-Post (Wien), 20.12.1875, S. 1f., http://anno.onb. ac.at/ (Zugriff am 16.6.2017). –, Honneur allemand, in: L’Ouest-Éclair, 19.7.1914, S. 2. –, Im neuen Reichsrathsgebäude, in: Morgen-Post (Wien), 4.12.1883, S. 1f. –, In belgischen Gefängnissen, in: Berliner Tageblatt, 30.9.1914, S. 2. –, L’incident de Cassagnac – Lahm, in: Le Petit Parisien, 17.7.1914, S. 2. –, L’incident Guy de Cassagnac – Fuchs est terminé, in: Journal des débats, 15.7.1914, S. 4. –, Die Journalisten-Ausweisungen aus Paris, in: Berliner Tageblatt, 17.1.1893. –, Die Journalistenaffäre in Paris, in: Prager Tagblatt, 18.7.1914, S. 6. –, Les journalistes expulsés, in: Le Petit Parisien, 17.1.1893, S. 1. –, Journaux officieux, in: Le Matin, 23.6.1888, S. 1. –, Le jugement de Leipzig. La presse allemand l’approuve, in: Le Figaro, 12.7.1914, S. 3. –, Kleine Chronik, in: Neue Freie Presse, 20.7.1871, Abendblatt. –, Kleine Chronik. Englische Gastfreundlichkeit, in: Neue Freie Presse, 3.2.1887, S. 1. –, Kleine Nachrichten aus Wien, in: Wiener Zeitung, 26.9.1848, S. 16. –, London Correspondence, in: Freeman’s Journal and Daily Commercial Advertiser, 18.3.1890, S. 6. –, Mein künftiger Beruf. Praktische Anleitung zur Berufswahl. Der Journalist und Redakteur, Leipzig 1926. –, MM. de Cassagnac contre le »Lokal Anzeiger«, in: Le Figaro, 13.7.1914, S. 2. –, MM. de Cassagnac et les correspondants allemands, in: Le Gaulois, 14.7.1914, S. 3. –, Mrs. Crawford on Ladies as Parliamentary Reporters, in: Pall Mall Gazette, 3.4.1890, S. 6. –, Nachruf auf Karl Blind, in: Breslauer Zeitung, 1.6.1907. –, Neueste Posten. Augsburg, 25. Oct. Proceß Vogt gegen die Redaction der Allgemeinen Zeitung, in: Allgemeine Zeitung, 27.10.1859, S. 4898–4900. –, Der IX. internationale Preßkongreß (zweiter Verhandlungstag), in: Neues Wiener Abendblatt, 14.9.1904, S. 2–4. –, Nos ennemis. Les correspondants parisiens des journaux allemands, in: Le Matin, 23.6.1888, S. 1. –, Nouvelles du jour, in: Le Temps, 27.3.1893, S. 2. –, Otto Brandes ausgewiesen, in: Berliner Tageblatt, 25.3.1893, S. 1. –, Otto Brandes’ Ausweisung aus Paris, in: Berliner Tageblatt, 27.3.1893, S. 1. –, Our London Correspondence, in: Liverpool Mercury, 20.3.1890, S. 5. –, Our London Letter, in: The Belfast News-Letter, 17.3.1890, S. 5.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
–, The Panama Scandal, in: Daily News, 7.1.1893, S. 6. –, The Panama Scandals, in: The Times, 16.1.1893, S. 5. –, Die Panama-Skandale, in: Berliner Tageblatt, 16.1.1893, S. 1. –, Die Panama-Skandale und die Großmächte, in: Berliner Tageblatt, 24.1.1893, S. 1. –, Paris, 16. Januar, in: Vossische Zeitung, 16.1.1893, S. 1. –, Paris, 16. Januar, in: Vossische Zeitung, 18.1.1893, S. 2. –, Paris au jour le jour, in: Le Figaro, 10.8.1871, S. 2. –, Die Pariser Vertreter der deutschen Presse, in: Berliner Tageblatt, 19.7.1914, S. 2f. –, Rechtsschutz der Ausländer gegen unbegründete Ausweisungen, in: Berliner Tageblatt, 5.4.1893, S. 1. –, Revue des journaux, in: Le Figaro, 25.3.1893, S. 2. –, Seit langem hat sich das deutsche Publikum [. . . ], in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 30.3.1893, S. 1. –, Tagesneuigkeiten. Aus dem Parlamentshause, in: Morgen-Post (Wien), 3.11.1873, S. 3. –, This Morning’s News, in: Daily News, 29.4.1898. –, Ungenauigkeit der Wolff-Berichte, in: Der Zeitungs-Verlag. Fachorgan für das gesamte Pressewesen 6 (1905), S. 969. –, Von der französischen Gränze, in: Allgemeine Zeitung, 20.3.1859, S. 1272. –, Wer ist Andrieux?, in: Berliner Tageblatt, 28.1.1893. –, Wer verbirgt sich hinter dem berüchtigten »X« des Herrn Andrieux?, in: Berliner Tageblatt, 20.3.1893, S. 2. –, Wien, 19. Januar, in: Neue Freie Presse, 20.1.1910, Morgenblatt, S. 1. –, Wien, 16. Mai, in: Localanzeiger der »Presse«, 17.5.1874. –, Wien, 29. April, in: Wiener Zeitung, 30.4.1868, S. 1. –, Wiener Localzeitung, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 15.11.1861, S. 3. –, Wiener Localzeitung, in: Das Vaterland. Zeitung für die österreichische Monarchie, 28.7.1861, S. 3. –, Women in the Reporter’s Gallery. The Lady Journalist’s First Attack, in: Pall Mall Gazette, 14.3.1890, S. 6. –, Die zehn Gebote für Journalisten, in: Die Redaktion. Fachzeitschrift für Redakteure, Journalisten, Schriftsteller und Verleger (1911), S. 5. –, Zeitregister. Ein großer Schriftsteller, in: Die Gegenwart. Eine Halbmonatsschrift 4 (1949), S. 1–2. –, Zur Vertretung der deutschen Presse in England, in: Die Redaktion 2 (1903) 12, S. 183. A, Andrew Delano, The System of Professions. An Essay on the Division of Expert Labor, Chicago 1988. A, Franz; F, Margret (ed.), Heinrich Friedjung. Geschichte in Gesprächen. Aufzeichnungen 1898–1919, Bd. 1, Wien, Köln, Weimar 1997. A, Pierre, La presse française de 1871 à 1940, in: B u. a. (Hg.), Histoire générale de la presse française, Bd. 3, S. 135–622. –, Histoire de la presse politique nationale au début de la Troisième Republique (1871–1879). 1re partie: Le monde de la presse, Lille 1980.
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Gedruckte Quellen und Literatur
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten Aufgeführt sind – unter Verweis auf die Quellenlage ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Auslandskorrespondenten, die zwischen 1848 und 1914 aus London, Paris und Wien für deutsche Zeitungen berichteten. Soweit bekannt, wurden die Lebensdaten angegeben (direkt hinter dem Namen), die Zeitungen und der Korrespondentenplatz mit den Wirkungsdaten. Die im Text behandelten Korrespondenten sind kursiv hervorgehoben. Acsady (früher: Adler), Ignaz: BT, Paris (ab 1906) Adler, Viktor (1852–1918): Vorwärts, Wien (um 1900) Albon, Eugen Baron d’ (geb. 1859): Neue Hamburger Zeitung, Wien (ca. 1894–ca. 1903) Arndt, Paul: Vorwärts, Paris (um 1900) Arnold: NZ, Wien (um 1889) Auburtin, Victor (1870–1928): BT, Paris (1911–1914) Anspitzer, Wilhelm: Berliner Morgenpost, BZ am Mittag, Wien (um 1910) Austerlitz, Friedrich (1862–1931): Vorwärts, Wien (ca. 1893–ca. 1900) Bacciocco, Friedrich Albert (geb. 1834): Kölnische Volkszeitung, Wien (1889–ca. 1910), zeitweise auch für AZ, Kreuzzeitung Bamberg, Felix (1820–1893): KöZ u. a., Paris (1858–1860er) Basch, Raphael (1815–1909): AZ, Paris (1853– 1858), London (1867–1868), auch für Neue Freie Presse Batz de Trenquelléon, Charles de (1835– 1914): AZ, Paris (ab 1854) Bauer, Edgar (1820–1886): Altonaer Zeitung, Kreuzzeitung u. a., London (1851–ca. 1861) Bayer, A.: AZ, Paris (1851–1853) Becker, Marie Louise, verw. Kirchbach, verh. Strube (1871–1960): VZ, Leipziger Neueste Nachrichten, Berliner BörsenCourier u. a., Paris (1907–1914) Beckmann, Albert (gest. 1894): KöZ (1849– 1853), NZ, Paris (1860er–1894), auch für AZ und französische Zeitungen; Besitzer Französische Korrespondenz (um 1887)
Beer, Max/Moshe (1864–1943): Vorwärts, London (1901–1911) Berkmann, J.: NZ (um 1872), Dresdner Journal (um 1889), für beide aus Wien Bernays, Adolph (1794–1864): AZ, London (1819–1850) Bernstein, Eduard (1850–1932): Socialdemokrat, Vorwärts u. a., London (1887–1901) Bettelheim, Anton (1851–1930): AZ, VZ, Wien (ca. 1896–ca. 1904) Biczó, Alexander Edler von (1868–1935): Korrespondent in Wien (um 1900) Biendl, Hans (1865–1946): Korrespondent in Wien (um 1905) Biscamp, Elard Christian (1821–1882): AZ, London (1859–1876), auch für WeserZeitung, VZ, KöZ Bissing, Walter Freiherr von (geb. 1855): Kreuzzeitung, London (ca. 1888–ca. 1900) Blind, Karl (1826–1907): AZ, London (1852– 1887), auch BT, Neue Freie Presse, Westliche Post u. a. (bis 1904) Block, Paul H. H. (1862–1934): BT, Paris (1906–1911, 1920–1933); ab 1899 als Redakteur beim BT Böck-Gnadenau, Josef (1859–1940): freier Korrespondent in Wien (um 1900) Böhm, Julius: Berliner Börsen-Courier, Paris (um 1888) Brand, Wilhelm Ferdinand (1854–1943): FZ, Königsberger Hartungsche Zeitung, London (ca. 1893–ca. 1894) Brandes, Fred (geb. 1877): Londoner Universalkorrespondenz, Korrespondent in London (ca. 1900–ca. 1904) Brandes, Otto (geb. 1844): BT, Paris (1883– 1893), London (1893–1912) Braun, Otto (1824–1900): AZ, Paris (1850er), auch aus Madrid und München
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten
Breitler: Börsenberichterstattung KöZ (ca. Dubjanski: freier Korrespondent in Wien 1903–ca. 1910) (um 1851) Brömer, Ferdinand: freier Korrespondent in Wien (um 1900) Ebeling, Adolf (1827–1896): Kölnische VolksBrühl, Johann August Moritz (1819–1877): zeitung, Paris (ca. 1859–ca. 1866) AZ, Wien (1859–1871), auch Dresdner Ebstein: Frankfurter Generalanzeiger, Paris Journal (bis 1914) Bucher, Bruno Adalbert (1826–1899): AZ, Eckstein, Ferdinand Friedrich Baron von Wien (1856–1892) (1790–1861): AZ, Paris (1832–1860) Bucher, Lothar (1817–1892): NZ (ca. 1850– Eisler, J. H. sen.: FZ, Wien (um 1880) 1861), AZ (1860–1861), für beide aus Engel: Frankfurter Journal, Wien (Mitte der London 1850er) Büchner, Louis [i. e. Alexander Karl Ludwig] Engelmann, Gustav: Magdeburgische Zei(1827–1904): FZ, Frankreich tung, Wien (um 1889) Buczek: Deutsches Volksblatt, Deutsche Engländer, Sigmund (1828–1902): KöZ, NZ, Volkshalle, Wien (um 1848) Paris (ca. 1849), dort auch Mitarbeiter der Budde: KöZ, Paris (1872–1878), danach KorAgence Havas; KöZ u. a., London (1852– respondent in Rom 1853), dort auch Mitarbeiter von Reuters, Bungers, Hans (geb.1869): KöZ, Wien (1905– 1870–ca. 1885 Reuters-Korrespondent in ca. 1915), 1902–1904 Korrespondent des Konstantinopel, um 1894 für Reuters in Blattes in Rom London. Esser, Hans Paul (geb. 1839): Englische Correspondenz (ab 1866), KöZ (1897– Charmatz, Rulard: Breslauer Zeitung, HC, Wien (um 1908) 1909), für beide aus London Chézy, Wilhelm von (1806–1865): AZ, Wien (1850–1861) Faucher, Julius (1820–1878): KöZ, KreuzClauß, Maximilian: freier Korrespondent in zeitung u. a., London (ca. 1850–ca. 1861) London (um 1900) Federn, Walther: FZ, Wien (1880er) Conrad, Michael Georg (1846–1927): FZ, Feigl, Leo: Korrespondent in Wien (um 1900) Paris (1878–1883) Feldmann: HN, Berliner Lokal-Anzeiger u. a., Conried, Julius: Stuttgarter Tagblatt, Wien Paris (um 1907) (ca. 1903–1910) Fischer: MNN, London (um 1901), Paris (um Cramer, Louis: KöZ, Paris (ca. 1856–ca. 1894) 1903) Fischer: BT, Paris (bis Ende der 1880er) Daum, F. von: Berliner Lokal-Anzeiger, Paris Fischer, G. A.: Frankfurter Generalanzeiger, (ca. 1905–1914), auch für Straßburger Paris (um 1909) Post und Scherl’sche Blätter Fischer, Samuel: AZ, Weser Zeitung, Wien Debrauz, Alois/Louis Antoine, bis 1838 Alojz (um 1889) Dobravec, ab 1858 Ritter di Saldapenna Flandrak, J. P.: Leipziger Abendzeitung, Berli(1811–1871): AZ, Paris (1841–1862), auch ner Neueste Nachrichten u. a., Wien (um für Morning Post und Wiener Lloyd 1907) Dehm, Paul: HC, Schlesische Zeitung, Deut- Fleischmann, Moriz: NAZ, Wien (um 1903), sches Tageblatt, Kreuzzeitung, Wien (um danach Hg. der Allgemeinen Korrespon1889) denz Dengler, Max (geb. 1875): FZ, Wien (ab 1902) Florencourt, Franz von (1803–1886): Deutsche Volkshalle, Wien (1850–1853) Deutsch, Ignaz: Dresdner Nachrichten, Wien (ab 1901) Fontane, Theodor (1819–1898): KorresponDietz, Max (1857–1928): Musikberichtdent in London (1852, 1855–1859), u. a. erstattung für KöZ, Wien (um 1896) Preußische Zeitung, Kreuzzeitung, Zeit; Dronke, Ernst (1822–1891): KöZ, Paris (1848– Kriegsberichterstatter, VZ (1870) 1849), freier Korrespondent in London Frank, J. C.: Berliner Fremdenblatt, London (ca. 1852–ca. 1856) (um 1894)
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten Frankel, Léo (1844–1896): Social-Demokrat u. a., Paris (1867–ca. 1871) Freyburger: Berliner Volkszeitung, Paris (um 1884) Friedjung, Heinrich (1851–1920): AZ, VZ, NZ, Berliner Volkszeitung, Wien (ca. 1889–ca. 1911) Friedländer, Heinrich (1853/54–1904): BT, Paris (langjährig bis 1904) Friedenfels, Eugen Freiherr von (1810–1885): Korrespondent in Wien (1849–1852) Friedmann, D.: Weser Zeitung, Wien (um 1854) Frischauer, Emil (1853–1913): VZ, Badische Landeszeitung, Wien (um 1889) Fröschel, Josef: VZ, Wien (um 1910) Frydmann, Harald: NZ, Wien (um 1889) Fuchs, Bernhard: NZ, Wien (um 1910) Fuchs, Isidor: Berliner Lokal-Anzeiger, Paris (ca. 1905–1914), auch für Wiener Fremdenblatt, Wiener Illustrirtes Extrablatt, Wiener Allgemeine Zeitung Fuchs, Moriz: Magdeburgische Zeitung (um 1889), Berliner Morgenpost (um 1905), für beide aus Wien
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Glinski, Marie: VZ, Wien (1890–ca. 1904), Witwe des Vorigen Glogau, Heinrich: Korrespondent in Wien (um 1889) Glücksmann, Heinrich (1864–1947): Korrespondent in Wien (um 1900) Goldmann, Paul (1865–1935): FZ, Paris (1891–1898), 1890 FZ, Brüssel, 1898– 1900 in Ostasien, 1900–1933 Neue Freie Presse, Berlin. 1906 Gründer VAP Gottberg, Otto von (geb. 1867): Berliner Lokal-Anzeiger, Wien (um 1914) Gottstein, H. H.: freier Korrespondent in London (ab 1906), u. a. Leipziger Illustrierte Zeitung Goutta, Joseph: freier Korrespondent in Wien (um 1853) Granitsch, Georg (1833–1903): AZ (ca. 1856– ca. 1862); Mitarbeiter Ostdeutsche Post, Neue Freie Presse, Pester Lloyd, Botschafter Greiml, Hermann (geb. 1853): HN (1884– ca. 1903), Augsburger Abendzeitung (um 1903), NAZ (ca. 1910–ca. 1911) Grohs, Ferdinand (geb. 1849): Korrespondent in Wien (um 1880) Grüttefien, Gertrude: Berliner Neueste Nachrichten, Wien (ca. 1915) Grüttefien, Ernst (geb. 1866): BT, Tägliche Rundschau, Hannoverscher Anzeiger, Leipziger Neueste Nachrichten, Königsberger Allgemeine Zeitung u. a., Wien (ca. 1905–ca. 1930) Guttmann, Bernhard (1869–1959): FZ, London (1908–1914), ab 1898 freier Mitarbeiter FZ, 1899–1902 FZ Hamburg, 1902 FZ Konstantinopel, 1903–1908 Auslandsredakteur FZ; 1912–1914 Korrespondenzdienst nach Südamerika und Ostasien für das Auswärtige Amt, Vorstand FPA; 1914–1920 Auslandsredakteur FZ, ab 1920 Leiter Berliner Büro FZ
Gaedke, R.: Berliner Lokal-Anzeiger, London (um 1905) Ganz, Hugo (1862–1922): FZ, Wien (1889–ca. 1917) Gaertner, Friedrich (1882–1931): Germania, Wien (ca. 1905–ca. 1907) Gathy, August (1800–1858): AZ, Paris (1848– 1854) Gaupp, Otto (geb. 1866): MNN, London (1892–1914), auch für Hamburger Fremdenblatt Gerson, H.: Berliner Börsenzeitung, TKB (um 1896) Gessmann, Albert (1852–1920): Kreuzzeitung (um 1896), Germania (um 1910), für beide aus Wien Giehne, Friedrich Wilhelm (1807–1879): AZ, Kölnische Blätter, KöZ, Wien (1859– Haefner, Leopold (geb. 1820): AZ, Paris (ca. 1876), ab 1850 Redakteur regierungs1849–ca. 1890), zeitweise auch KöZ, HC naher Zeitungen in Wien u. a., 1848 Hg. Constitution (Wien) Gilles: VZ, London (um 1888) Hagen, Helmuth von dem: WTB, Wien (ab Glinski, Fridolin (1846–1890): VZ, Wien 1910) (um 1889); Gründer/Redakteur Wiener Hahn, Hermine: freie Korrespondentin in Blatt (1862), Freies Blatt (1872), später Wien (um 1900) Aufenthalt in Berlin, nach Rückkehr Kor- Hahn, Ludwig Benedict: FZ, Wien (um 1889) respondent in Wien Hahn, Siegmund (1844–1928): Kleines Berliner Journal, Wien (um 1896)
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten
Harms, Paul (1866–1945): BT, Wien (1909– ca. 1914), Chefredakteur NZ (um 1908) Hartmeyer, Hans (geb. 1880): HN, Wien (ca. 1912–ca. 1933) Heine, Heinrich (1797–1856): AZ, Paris (1831–1832, 1842–1848) Heitmann, Karl Friedrich: Berliner Morgenpost, BZ am Mittag, London (um 1912) Hercovici: Berliner Morgenpost, BZ am Mittag, Paris (ca. 1909–1914) Hermann, Friedrich: VZ, Paris (langjährig bis um 1904) Hermann, Wilhelm (1844–ca. 1899): BT, Wien (ca. 1884–ca. 1896) Herz, Leone (1811–1869): AZ, Wien (1844– 1859) Hesky, J.: AZ, Rheinische Zeitung, KöZ, Social-Demokrat, Wien (ca. 1849–ca. 1869) Hess, Moses (1812–1875): AZ, KöZ u. a., Paris (1843, 1848–1849, 1853–1870) Hirsch, Carl (1841–1900): FZ (1870–1878, ca. 1881–ca. 1890), Berliner Volkszeitung (um 1907), Paris Hirsch, Emil/Emilio: Frankfurter Journal, Wien (um 1889) Hirschfeld, Robert (1857–1914): FZ (ab 1890) Hoff, Friedrich (gest. 1870): AZ, NZ, Paris (1860er–1870), auch für Wiener Zeitungen Höfken, Gustav (1811–1889): KöZ, AZ, Wien (um 1849) Höllrigl, Franz: MNN, Wien (um 1896) Horn, Ignaz E. (1825–1875): KöZ, Paris (1858– ca. 1864); 1851–1855 Brüssel, ab 1855 in Paris, Redakteur Journal des débats Hornung, August: KöZ, Weser Zeitung, London (bis 1902, um 1904); Mitarbeiter Londoner Finanz-Chronik, Redakteur Hermann (London); KöZ, in Marokko (1902–1904, ca. 1907–ca. 1911) Huhn, Arthur von (1851–1913): KöZ, Paris (ca. 1882–ca. 1891); Kriegskorrespondent KöZ im Russisch-Osmanischen Krieg (1877–1878), danach zwei Jahre Redakteur KöZ. Um 1894 nach Berlin für KöZ Hüffer, Franz/Francis Hueffer (1845–1889): FZ, London (um 1869) Hunerbein, Hans von (gest. 1917): freier Korrespondent in Paris (bis 1914) Huppert, Rudolf (1881–1932): freier Korrespondent in Wien (bis ca. 1890) Ilg, Albert (1847–1896): FZ, Wien (bis 1896)
Immendorf, J. von: Korrespondent in Wien (um 1900) Jagow, Eugen von (1849–1905): Kreuzzeitung, Paris (ca. 1883–1904), auch für AZ Jansen, H.: Berliner Herold, Wien (um 1898) Joseph, Leopold (geb. 1863): FZ, London (ab 1896) Juncker, Carlheinz (1864–1928): Leipziger Illustrierte Zeitung u. a., Wien (ca. 1880) Kafka, Eduard: Korrespondent in Wien (1854–ca. 1862) Kalisch, Ludwig (1814–1882): linksgerichtete deutsche Zeitungen, KöZ, Paris (ca. 1849, ab 1851), 1843–1846 Redakteur Narhalla, 1850–1851 London Kanner, Heinrich (1864–1930): FZ, Wien (1892–1900), 1890–1892 Redakteur und Reiseberichterstatter FZ (u. a. Chicago); 1894–1903 Hg. Die Zeit Kappus, Franz: freier Korrespondent in Wien (um 1900) Karpelet, J.: KöZ (1847–1852), AZ (1848– 1855), beide Paris Kaufmann, Jakob: Die Grenzboten, London (1850er–1860er) Kiesselbach, Wilhelm: Korrespondent in Wien (um 1849) Kinkelin de Pelletan, Jules Pierre (1806–1873): AZ, Paris (ca. 1855–ca. 1866) Klage: Magdeburgische Zeitung, London (um 1907) Klahre, Rudolf (gest. 1910): Württembergische Zeitung, Paris (um 1903) Klein, Hugo (1853–1915): BT, Wien (ca. 1899– ca. 1906), Redakteur Ungarischer Lloyd, Neues Pester Journal (bis 1883), Theaterschriftsteller in Wien, Mitarbeiter Neue Freie Presse. Ab 1904 Hg. An der schönen blauen Donau Kleser, Hans (1850–1901): KöZ, Wien (ca. 1877/78) Knab, Franz Josef (1846–1899): Germania, Kölnische Volkszeitung, Wien (um 1889) Kohn, Gustav (1846–1931): NZ, Wien (um 1896) Kompert, Leopold (1822–1886): Korrespondent in Wien (um 1851) König, Otto (1882–1932): Berliner LokalAnzeiger, Wien (um 1916) Körner: NZ, Paris (um 1907) Köttgen: Vorwärts, London (ab 1911)
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten
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Kramer; KöZ (um 1866) Hamburgischer Correspondent, MagKrause, Gustav: NZ, AZ, Schwäbischer Merdeburgische Zeitung, VZ (bis 1876); kur, Leipziger Zeitung, Stettiner Neueste Redakteur Neues Wiener Tagblatt (ca. Nachrichten, Tägliche Rundschau, Lon1873–1876); 1876 Auslandsredakteur BT, don (ca. 1902–ca. 1904), Schlesische 1881–1906 Chefredakteur. Zeitung, London (ca. 1904–ca. 1912) Levin, Julius: Berliner Börsencourier, Paris Kritschewski, Boris: Vorwärts, Paris (um (um 1907) 1900) Liebknecht, Wilhelm (1826–1900): AZ, LonKroeger, Heinrich: KöZ, Brüssel (vor 1896); don (1855–1862), vorher schon für KöZ, Paris (ca. 1896–1914) Morgenblatt für gebildete Leser, 1861– Kuhn, Hermann (gest. 1905): Kölnische 1862 für NAZ. Ab 1862 Journalist in Volkszeitung, Germania, Paris (1860er) Deutschland, u. a. Redakteur NAZ, SocialDemokrat, Der Volksstaat, Chefredakteur Lackenbacher, Ignatz von: KöZ, Wien (1853– Vorwärts (1876–1878, 1891–1900) ca. 1859) Lindau, Paul (1839–1919): freier KorresponLahm, Karl (1876–1960): NZ, Königsberger dent in Paris (ca. 1855–1963); Redakteur Hartungsche Zeitung, Paris (ca. 1907–ca. Düsseldorfer Zeitung, WTB, Elberfelder 1914), auch Wiener Deutsches Tagblatt Zeitung, Gegenwart, Nord und Süd (ab Landesmann, Heinrich (1821–1902): KöZ, 1863) Wien (1848–1853) Loeb, Julius: Berliner Morgenpost, Paris Landsteiner, Leopold (1817–1875): Korre(bis 1902), auch für Dresdner Neueste spondent in Wien (1848–1856) Nachrichten; Redakteur Deutsche Pariser Landsberg, Emil (gest. 1882): Spenersche Zeitung (1902–ca. 1909) Zeitung u. a., Paris (ca. 1866–ca. 1882), Loewenfels, Moritz Wilhelm von/Maurice Guilab 1865 auch TKB. Besitzer Französische laum de: AZ, KöZ, Paris (ca. 1851–1856), Correspondenz (1866–1882) Herausgeber der Französischen CorreLaufer: MNN, Wien (bis 1896) spondenz (bis 1856) Lauser, Wilhelm (1836–1902): AZ, Paris Loin, von: Leipziger Zeitung, Wien (1867) (1865–ca. 1869), AZ, Wiener Presse, Nea- Lothar, Rudolf: VZ, Wien (um 1900) pel, Madrid (1969–1871), Redakteur in Löwenthal, Jakob (1807–1882): freier KorreWien: Presse, Neues Wiener Tageblatt spondent in Wien (1848–1862) (1871–1892); Redakteur Über Land und Löwy, Siegfried (1857–1931): Berliner BörMeer (1892–1896), Chefredakteur NAZ sencourier, Frankfurter Journal, Wien (1896–1902) (1881–ca. 1906) Lederer, Leo (1883–1946): BT, Wien (ca. Ludwig, Emil (1881–1948): BT, VZ (ca. 1914– 1905–ca. 1918); Redakteur BT, dessen 1917) Korrespondent in St. Petersburg, Konstantinopel; Mitarbeit Pariser Tageblatt, Paris Magner, Emil: Schlesische Zeitung, Schwäbi(ab 1938); Neues Österreich, Paris (1945– scher Merkur (um 1889) 1946) Mandl, Leopold (1860–1930): VZ, Wien Lehmann, E. E.: freier Korrespondent in Lon(1903–ca. 1904); 1911 Gründer Union don (um 1908/9) der Correspondenten der ausländischen Leindörfer, Emil: Berliner Neueste NachrichPresse ten, Frankfurter Generalanzeiger, Wien Mannheimer, Theodor (1828–1862): freier (bis 1908) Korrespondent in Wien (um 1851) Lemoine, Édouard (1810–1868): AZ, Paris Marquardsen, Heinrich (1826–1897): KöZ, (ca. 1852–1854) London (ca. 1850–1853) Léostér, Leopold Heinrich (1866–1924): Ber- Marschner, Franz (1855–1932): KöZ, Musikliner Lokal-Anzeiger, Wien (ca. 1913) kritiker Wien (ca. 1903–1910) Lery: Straßburger Bürgerzeitung, Paris (bis Marx, Jenny (1814–1881): FZ, Feuilletonistin 1914); Sekretär Auburtins (BT) London (1875–1877) Levysohn, Arthur (1841–1908): KöZ, Paris (1865–1872); Wien (1872–ca. 1873), auch
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten
Mayer, Gustav (1871–1948): FZ, Paris (1898, um 1905). Ab 1893 Auslandskorrespondent der FZ in Amsterdam, Brüssel Meissner, Johannes Friedrich (1847–1918): KöZ, Wien (1885–1905), auch für Straßburger Post (um 1889); FeuilletonRedakteur Wiener Deutsche Zeitung (1873–1885) Melly, Eduard Carl Joseph (1814–1854): AZ, Wien (1846–1854) Mendl, Wilhelm (geb. 1851): FZ, Wien (ca. 1889–1910) Mohl, Julius von (1800–1876): AZ, Paris (1830–ca. 1863) Moldauer, Berthold: Weser Zeitung, HN, FZ, Wien (um 1889) Moos, Ferdinand: Der Reichsbote, London (bis 1887) und Paris (1887–ca. 1909) Mühling, Karl (1858–1904): freier Korrespondent in Rom (1884–1887), Berichterstatter in Bulgarien (1886), FZ, Paris (1887–1889); ab 1889 und um 1903 freier Korrespondent in Rom; Redakteur AZ, HC, Börsenhalle Müller, Heinrich: Korrespondent in Wien (um 1900) Müller, Moriz: BZ am Mittag, Berliner Morgenpost, Wien (1912–1916) Müller-Heymer, Paul: Weser Zeitung, VZ u. a., London (ca. 1912–ca. 1913) Münz, Joseph: KöZ, HC, Wien (ca. 1896– ca. 1910) Munzinger, Ludwig (1877–1957): Dresdner Anzeiger, London (1910–1911) Müller-Tellering, Paul Eduard (geb. 1811): Neue Rheinische Zeitung, Wien (ca. 1848– 1849), London (1849–ca. 1852) Mysing, Oscar (1867–1933): KöZ, Paris (um 1907)
Ohly, Karl Friedrich Christian Hermann (1825–1881): AZ, London (1851–1857) Orges, Hermann von (1821–1874): Korrespondent in Wien (1864–1874), darunter HC, Hamburgische Börsenhalle. Nach 1848 gelegentlicher Reisekorrespondent AZ u. a. aus Paris, Konstantinopel (bis 1853). Redaktion AZ (1854–1864). Ab 1864 in Wien, Mitarbeit Handelsministerium, dann Preßleitung Otterburg [möglicherweise Salomon Jonas Otterbourg (1810–1881)]: Kreuzzeitung, Paris (um 1870) Otto, Richard (geb. 1863): FZ, Amsterdam (1896), FZ, London (1897–ca. 1902), 1892 Redakteur AZ
Natscheradetz, Rudolf: Frankfurter Actionär, Wien (um 1896) Naumann, Viktor (1865–1927): gelegentlicher Korrespondent FZ, Augsburger Postzeitung, Schlesische Volkszeitung, MNN, Wien (ca. 1910–ca. 1917); 1919 Leiter der Presseabteilung im AA Neisser, Karl (geb. 1859): Schlesische Zeitung, Wien (um 1889) Nemeny, Ambros (gest. 1904): FZ, Paris (um 1875) Neudörfer, Otto (1875–1932): FZ, Aktionär, Wien (um 1911)
Patzelt, Julius (1864–1941): Schlesische Zeitung, Wien (um 1910) Peez, Alexander Ernst von (1824–1912): AZ, Wien (1864–1899) Pernerstorfer, Engelbert (1850–1918): Vorwärts, Wien (1890–ca. 1900); 1881–1904 Redakteur Deutsche Worte Petersen, Niels Lorenz (1814–1894): Socialdemokrat, Paris (um 1868–1869) Pfau, Ludwig (1821–1894): FZ, Paris (um 1869). Ab 1864 Redakteur Beobachter. Bis 1870 häufig Kunstberichterstattung aus Paris für deutsche Zeitungen
Neufeld, Ernst Hans: BT, später Kleines Journal, London (ca. 1904–ca. 1908) Neustadt, Adolph (geb. 1812): Leipziger Allgemeine Zeitung, Zeitung für die Elegante Welt, AZ, Berliner NZ, Wien (ca. 1849– 1852, 1854–ca. 1866); bis 1848 Redakteur Preßburger Zeitung; Redakteur Österreichische Zeitung (1860–1866) Ney, Emil (geb. 1864): FZ, Paris (1894–1914). Bis 1894 Feuilletonredakteur FZ. Bis 1914 syndic der Auslandspresse beim französischen Parlament Nordau, Max [früher Südfeld] (1849–1923): VZ, Paris (1881–1914). Ab etwa 1863 Mitarbeiter Pester Lloyd. 1873–1875 Spezialund Reisekorrespondent Pester Lloyd. 1875 Feuilletonredakteur Pester Lloyd Nordmann, Johann (1820–1887): Deutsche Allgemeine Zeitung, Wien (um 1854). Ab 1845 Redakteur deutscher und österreichischer Zeitungen: Wanderer (1862– 1869), Neue Freie Presse (1869–1887)
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten Philipp, Fabien: Berliner Lokal-Anzeiger, Paris (1890–ca. 1891) Pick, Eduard: AZ, Paris (ca. 1853–ca. 1859), London (ca. 1869–ca. 1883) Pietznigg, Franz von (1802–1856): AZ, Freimüthige Sachsenzeitung, Wien (ca. 1845–ca. 1852) Pilat, Joseph Anton von (1782–1865): AZ, Wien (1833–1860, vor allem vor 1848) Piper, Max: WTB (1896–1909), HC (1899– 1904), London. Ab 1910 WTB Berlin. 1912 Gründung eines Korrespondezbüros in Berlin geplant Pisling, Theophil (1834–1916): Korrespondent in Wien (ca. 1863–ca. 1898), u. a. AZ, Schwäbischer Merkur, Kreuzzeitung, Deutsches Volksblatt, Magdeburgische Zeitung; Redakteur u. Korrespondent Prager Zeitung (1856–1863); Redakteur Botschafter (1863–1867). Ab 1867 Mitarbeiter Preßleitung, ca. 1902–ca. 1910 Eigentümer von Warrens’ Wochenschrift für Finanzwesen und Volkswirtschaft Plehn, Hans Heinrich (1868–1918): AZ u. a. (1904–1909), WTB (1910–ca. 1914), London; WTB, Amsterdam (nach August 1914); nach 1900 Redakteur Kreuzzeitung, MNN, Königsberger Allgemeine Zeitung; Auslandsredakteur MNN (1909– 1910) Pohl, Otto (1872–1941): Vorwärts, auch Wiener Arbeiter-Zeitung, Paris (ca. 1907– 1914), Wiener Arbeiter-Zeitung, Prag (1895–1898); Redakteur Arbeiter-Zeitung (1898–ca. 1907 und 1914–1918); Verleger Moskauer Rundschau (1929–1934). Ab 1937 in Paris, Pariser Tageblatt Pollak, Heinrich (1835–1908): Deutsche Allgemeine Zeitung, Frankfurter Journal u. a., Wien (um 1866); Kriegsberichterstatter für Wiener Zeitungen (1859 und 1866), Lokalredakteur Wiener Morgenpost (1860–1867), Miteigentümer Neues Wiener Tagblatt (ab 1867) Pollak, Hermann: Das Ausland, London (1887–ca. 1898), auch für Wiener Börsencorrespondenz, Wiener Handelsblatt; Präsident der FPA, London (ca. 1893– 1896) Pötter, F.: Tägliche Rundschau, Paris (um 1909) Prévot: MNN, Paris (bis 1914)
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Pulszky, Ferenc/Franz (1814–1897): KöZ, London (ab 1853) Reeve, Henry (1813–1895): AZ, London (1841–1870); Auslandsredakteur Times (1840–1855), Chefredakteur Edinburgh Review (ab 1855) Reinhard, Karl Friedrich Albert von (1802– 1873): AZ, Paris (1854–1856) Rennebarth, Arnold N.: NZ, London (ca. 1907–ca. 1910), Hg. Londoner Weltwirtschaftliche Nachrichten (ab 1907) Renner, Heinrich: Schlesische Zeitung, Wien (bis 1876) Reuschel, Stanislaus: Kölnische Volkszeitung, London (1887–ca. 1900). Möglicherweise identisch mit Stanislaus Reuschel (1856– 1917) Rhein: FZ, London (um 1903), auch für andere deutsche Zeitungen Ring, Moritz/Moriz: VZ, FZ, Wien (ca. 1889– ca. 1896) Roerdanz, Adalbert (1821–1869): KöZ u. a., Wien (1862–ca. 1867); Redakteur Österreichische Zeitung Roese, Otto (1853–1925): MNN, Paris (ca. 1881–ca. 1897) Roggen, Walter: VZ, Magdeburgische Zeitung, Berliner Börsenzeitung, Breslauer Zeitung, Wien (um 1889) Rosendorff, Adolph (1860–1909): Magdeburgische Zeitung, Berliner Neueste Nachrichten u. a., London (ca. 1898–ca. 1907) Rubinstein, Siegmund (1869–1934): Berliner Lokal-Anzeiger, Wien (um 1911); Redakteur in Brünn, danach Berlin; Redakteur Neue Freie Presse (1911), danach Redakteur Pester Lloyd, Chefredakteur Neues Wiener Tagblatt (1919) Ruge, Arnold (1802–1880): Bremer Tageschronik, Demokratische Zeitung Berlin, London (ca. 1849–ca. 1850) Ruppel, Willy (geb. 1874): FZ, Wien (1903– 1904); ab 1904 FZ, Bern; vorher Redakteur kleinerer Blätter, dann Redakteur FZ (bis 1903) Russell, Jos. E.: KöZ, Wien (1879–1885): vor 1879 Redakteur KöZ, 1877 Kriegsberichterstatter für diese im RussischOsmanischen Krieg; Gründer Verband der selbstständigen Correspondenten aus-
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wärtiger Blätter in Österreich-Ungarn (1883); Vorsitzender (1884) Sabarth, Ludwig von: AZ, Wien (1860–1868) Saß, Friedrich (1817–1851): Nationalzeitung, Paris (1849–1850), London (ab 1850); Redakteur Telegraph für Deutschland (1841), Redakteur Pilot (1842–1843) Sasse, Moritz (gest. 1905): VZ, Magdeburgische Zeitung, MNN, Hamburger Fremdenblatt, London (ca. 1890–1905), auch Neue Freie Presse Savoye, Henri Charles Joseph (1802–1869): AZ, Paris (1833–1848), London (1852– 1866), auch Siècle Schalit, Leon (1884–1950): Dresdner Neueste Nachrichten, London (um 1913) Schandera, Max (geb. 1863): MNN, Wien (ca. 1896–ca. 1915); Redakteur Illustriertes Wiener Extrablatt Schardt, Carl Christof (1848): FZ (1882– 1904), VZ (bis 1910), London, auch Berner Bund, Neue Zürcher Zeitung Scheidlein, M. F. von/de: KöZ, Paris (ca. 1884– ca. 1895); Vorstand APE Scherer, Charles: FZ, Paris (1880er/1890er) Scherer, Hermann (1816–1903): KöZ, London (1851–1853) Scherzer, Karl von (1821–1903): AZ, Wien (1855–1856) Schickele, René (1883–1940): Straßburger Neue Zeitung u. a., Paris (um 1909) Schidrowitz, Samuel (1840–1918): FZ, London (um 1875), auch Neue Freie Presse Schiff, Friedrich (1857–1917): WTB, Paris (1890–1914), auch Neue Freie Presse, TKB (ab 1904) Schirmacher, Käthe (1865–1930): Der Tag, Berliner Neueste Nachrichten, KöZ, Paris (1895–1910), auch Neue Freie Presse, Wiener Fremdenblatt Schlesinger, Max (1822–1881): KöZ, Wien (1848), London (1852–1881), auch für AZ, NZ, Neue Freie Presse; Redakteur in Wien (1848); Hg. Englische Correspondenz (ab 1852) Schmidt, Karl Eugen: Berliner LokalAnzeiger, Der Tag, Paris (ca. 1905–ca. 1909), auch für ein Hamburger Blatt Schmidt auf Altenstadt, Karl August von (1816–1890): AZ, Nürnberger Correspondent, Schwäbischer Merkur, VZ u. a., Wien (1848~1884); Gründung Öden-
burger Stadt- und Landbote (1850), Mitarbeiter Presse, Neue Freie Presse Schneider, Carl (geb. 1846): KöZ, Paris (1878– 1881), London (um 1873; 1881–1895), Wien (ca. 1897–1902); FZ, Konstantinopel (um 1880) Schöler, Heinrich: AZ, Kreuzzeitung, Paris (ca. 1848–ca. 1871) Schotthöfer, Fritz (1871–1951): FZ, Paris (1900–1914); ab 1918 Auslandsredakteur FZ, bis 1943 Mitarbeiter FZ Schüler, Albert: FZ, Wien (1880er) Schultheiß, Ernst (geb. 1842): Neue Hamburger Zeitung, Wien (um 1903) Schulz: Zeitungen des Scherl-Verlags, Paris (um 1904) Schürmann, J.: Schlesische Zeitung, Paris (bis 1908) Schuselka, Franz (1811–1886): AZ, Wien (1848–ca. 1851) Schütte, Anton (1817–1857): freier Korrespondent in Wien (um 1848) Schweriner, Oskar (1873–1934): Vorwärts, London (um 1900), auch Berliner LokalAnzeiger (um 1909) Sedlak, Carl: Tägliche Rundschau, Wien (um 1903) Seinguerlet, Louis Eugène (1827–1887): FZ, Paris (bis um 1875); Mitarbeiter Siècle, Temps, Revue germanique u. a. (ab 1858) Seuffert, Georg: AZ, Kreuzzeitung, Wien (ca. 1852–ca. 1873), Paris (1871–1876); Redakteur Wiener Zeitung, Redakteur Wiener Abendpost (1865–1871) Seuffert, Heinrich/Henri (1812–1856): AZ, Paris (1838–1856); Mitarbeiter Morgenblatt für gebildete Stände und Das Ausland (ab Mitte 1830er) Siegmann, Hugo: Hirschs Telegraphen Bureau, Wien (in den 1890ern) Silberer, Geza (1876–1938): Berliner Morgenpost, BZ am Mittag u. a., London (1894–1914), auch Neue Freie Presse (ca. 1907–1914) Silberstein, August (1827–1900): Neue Rheinische Zeitung (1848), AZ, Über Land und Meer (ca. 1860–1895), Wien Simon, Eduard: Nationalzeitung, Paris (1860er/1870er) Simon, Ludwig (1819–1872): FZ, Paris (1861– 1865) Simson/Stimson: Telegraphen-Union, Paris (ca. 1913–1914)
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten Sommaruga, Franz Philipp von: AZ, Wien (1849–1850) Spitzer, Leopold (geb. 1865): FZ, Paris (1880er–ca. 1907) Stampfer, Friedrich (1874–1957): Leipziger Volkszeitung, Wien (bis 1900) Stein, Fritz: HN, Kreuzzeitung, Paris (ca. 1913–1914), auch Osmanischer Lloyd, um 1940 freier Korrespondent in Paris; Sohn des Berlin-Korrespondenten der FZ August Stein Steinbach, Gustav (1848–1911): VZ (um 1896), WTB (1902–ca. 1910), Wien Steinacker, Edmund (1839–1929): Kreuzzeitung, Schwäbischer Merkur, Deutsche Tageszeitung, Wien (ca. 1903–ca. 1904) Steinherz, Theodor (geb. 1861): Post, Paris (ca. 1898–1914), auch Pariser Courier; Neue Freie Presse, Bern (1917); Vorstand Syndicat de la Presse Étrangère (1903–1914) Stephan, Ferdinand: Deutsche Tageszeitung, Paris (1905–1914) Stern, Bernhard (1867–1929): BT, Wien (1889–1894); BT, Lokal-Anzeiger, Konstantinopel (1894–1900), freier Korrespondent in Budapest (1900–1925) Stern, Friedrich (1848–1921): MNN, Wien (ca. 1890–ca. 1891) Stern, Louis (geb. 1853): FZ, Paris (1898–ca. 1907); Frankfurter Börse (1871–1878), Lyoner Börse (1878–1893); ab 1882 Handelsberichterstatter FZ Stern, Victor (1837–1913): freier Korrespondent in Wien (um 1900) Straube: Schwäbischer Merkur, Deutsches Volksblatt, Wien (um 1854) Stuht, Johannes (geb. 1846): AZ, KöZ, Die Post, Paris (ca. 1875–ca. 1890); Redakteur Französische Correspondenz (1882–1893) Szarvady, Friedrich (1822–1882): KöZ, Wien (1843–1851), KöZ, AZ, Paris (1850–ca. 1859); politischer Publizist und Korrespondent Constitutionnel (ab 1847); Mitarbeiter Agence Havas Teschenberg, Ernst von (1836–1886): AZ, HC, Deutsche Nordseezeitung, Wien (1864–1875) Thaler, Karl von (1836–1916): AZ, Wien (1864–1871)
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Trebitsch, Josef: Breslauer Zeitung, Magdeburgische Zeitung, Wien (ca. 1896–ca. 1910) Trenschiner, Jacob von (1852–1933): Kleines Berliner Journal, Wien (um 1896) Treusch von Butlar, Fritz: HN, Magdeburgische Zeitung, MNN, Paris (ca. 1904–ca. 1913) Tschiedel, Johannes (geb. 1864): Tägliche Rundschau (1899–ca. 1908), BT (1914), Paris; VZ (1910–1912), BT (1912–1914), London; Tägliche Rundschau, Rom (1894– 1896); Berliner Lokal-Anzeiger, Madrid (1896–1897); VZ, Madrid (1919); Redakteur VZ (1909–1910), Kriegskorrespondent Lokal-Anzeiger (ab 1914) Tuvora, Franz (gest. 1866): Dresdner Journal, Hamburger Börsenhalle, Kreuzzeitung, Schlesische Zeitung u. a., Wien (um 1854) Tuvora, Josef (1811–1871): AZ, KöZ, Leipziger Allgemeine Zeitung, Nürnberger Correspondent, Wien (1854–1866) Uhl, Friedrich (1825–1906): AZ (ca. 1852–ca. 1853), später KöZ, FZ (um 1900), Wien Urban, W.: Berliner Lokal-Anzeiger, Wien (um 1913) Vidacky: KöZ, Wien (um 1896) Vincenti, K. v.: AZ, Wien (ca. 1896–ca. 1903) Vogelsang, Karl von (1818–1890): Augsburger Postzeitung, Wien (um 1889) Voget, Hermann (1838–1883): FZ, Wien (ab 1872), auch für andere Zeitungen Vogt, Felix: FZ, Paris (ca. 1884–ca. 1907), auch für Berner Bund Wachenhusen, Hans (1823–1898): VZ (um 1855), FZ (1866–ca. 1870), Paris; Reiseschriftsteller und Kriegskorrespondent für VZ, KöZ u. a. im Krimkrieg, Sardinischen Krieg und Deutsch-Französischen Krieg Wagner, Moritz (1813–1887): AZ, KöZ, Wien (um 1848), Paris (1860er) Waldberg, Heinrich von (um 1862–1929): Korrespondent in Wien (um 1900) Wallraf, Hermann J.: FZ, London (1880– 1896) Wassermann, Jacob (1873–1934): FZ, Wien (1898–ca. 1900) Wedel, Ernst Leopold von (1849/50–1904): FZ, Madrid (vor 1890); HC, Paris (ca.
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Verzeichnis deutscher Auslandskorrespondenten
1890–1893; 1896–1904), auch AZ, LokalAnzeiger Weigl, Franz: Korrespondent in Wien (um 1900) Weil, Carl (1806–1878): AZ, Paris (1830– 1832); AZ, KöZ, Wien (1853–1870) Weill, Alexandre (1811–1899): Kreuzzeitung, Paris (um 1852) Weinberg, Max (geb. 1856): Leipziger Illustrirte Zeitung, Wien (um 1900) Weisbrodt, Gustav (geb. 1823): Oberdeutsche Zeitung, KöZ, Frankfurt (1849); AZ (1856–1894); Redaktion AZ (um 1854) Werthner, F.: Breslauer Morgenzeitung, Wien (um 1891) Wiesner, Alois C. (geb. 1825): AZ, Italien (1857–1864); AZ u. a., Wien (1860er–ca. 1874, 1881–1887); Redakteur verschiedener Zeitungen in Österreich und Deutschland (ab 1871) Winternitz, Jakob von (1843–1921): Berliner Post, Hamburger Fremdenblatt, Wien (ca. 1876–ca. 1904), auch Pester Lloyd Wirth, Bettina (1849–1926): Daily News (ca. 1890–1908), Berliner Lokal-Anzeiger (ca. 1896–ca. 1908), HC (1904–ca. 1908), Wien; Mitarbeiterin Neues Wiener Tagblatt, Neue Freie Presse Woellwarth-Lauterburg, Albrecht von (1889– 1969): Leipziger Tageblatt, Grenzboten, London (ca. 1912–ca. 1913) Wolff, Ferdinand (1812–1905): Neue Rheinische Zeitung (1848), AZ (1849–1856), London; Redakteur Neue Rheinische Zeitung (1848–1849); Mitarbeiter Die Gegenwart, Morgenblatt für gebildete Leser, Deutsches Museum, Westdeutsche Zeitung Wolff, Karl: Herold Telegraphenbureau, Wien (ca. 1895–ca. 1896)
Wolff, Theodor (1868–1943): gelegentlicher Reisekorrespondent BT (1888–1894); BT, Paris (1894–1906); Chefredakteur BT (1906–1933) Wolffers, Franz von: AZ, Paris (1854–1856); Mitarbeiter KöZ, später Direktor Straßburger Correspondent Wolheim da Fonseca, Anton Eduard (1810– 1884): NAZ, Paris (1870–1872); offiziöser Publizist und Diplomat, Wien (1854– 1858); Übersetzer Agence Havas, Paris (1864–1867); Redakteur Moniteur officiel, Reims (1870/71) Wollmann, Arnold: NZ, Wien (um 1889) Wugk, Franz: HN (1903–1904), Kreuzzeitung (um 1909), Paris. Mitarbeiter Die Grenzboten, Gartenlaube Wyslouch, Julius (1813–1863): AZ, Constitutionelles Blatt, Wien (um 1850), auch für Czas und französische Blätter Zdekauer, Konrad von (1847–1929): Dresdner Zeitung u. a., Wien (ab 1872) Zedlitz-Neumann, Constantin von (1870– 1914): Berliner Lokal-Anzeiger, London (ca. 1904–ca. 1909) Zedlitz-Nimmersatt, Joseph Christian von (1790–1862): AZ, Wien (1838–1861) Zetkin, Clara (1857–1933): Sozialdemokrat, später Vorwärts, Paris (1882–ca. 1891), auch Gleichheit, Arbeiter-Zeitung u. a.; Mitarbeiterin Socialdemokrat, Zürich (1882) Ziegler, Johannes (1837–1905): AZ u. a., Wien (1870–ca. 1905) Zverina, Felix (geb. 1841): Augsburger Postzeitung, Wien (um 1896), auch für Buon Senso (Rom) Zweybrück, Franz (geb. 1853): Hannoverscher Courier, Wien (ca. 1896–ca. 1903)
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Register
Personen Adler, Viktor 355 Aehrenthal, Alois Lexa von 79 Alt, Richard 142 Andrieux, Louis 142 Andrássy, Gyula 116 Anneke, Franziska Mathilde 311, 315 Arnim, Harry von 166f. Auburtin, Victor 321, 323, 329f., 341, 345 Auerbach, Berthold 283 Austerlitz, Friedrich 355 Bacciocco, Friedrich A. 276, 335 Bain, Julia 312 Balan, Hermann Ludwig von 165 Bamberg, Felix 134, 158–160, 162, 164, 180, 255 Barnard, Charles Inman 342 Basch, Raphael 243 Bashford, Lindsay 315 Bauer, Edgar 222, 225 Becker, Marie Louise 316–318, 331 Beckmann, Albert 166–169, 174, 180, 186, 255, 274 Beck-Rzikowsky, Friedrich von 115 Beeg, Johannes 270 Beer, Max 356 Belcredi, Richard von 110, 112, 121, 247 Bernays, Adolphus 223 Bernstein, Eduard 355 Bernstorff, Albrecht Theodor Andreas von 305 Bernstorff, Albrecht von 160 Bernstorff, Johann Heinrich von 176f. Bethmann Hollweg, Theobald von 186 Beust, Friedrich Ferdinand von 106, 111f., 116f., 121, 243, 247 Biedermann, Friedrich Carl 112 Biscamp, Elard Christian 42, 221f., 224–226, 228, 230–233, 236, 262, 264f., 269f., 272, 274 Bismarck, Otto von 134, 141, 157, 165, 167–170, 186, 206, 228
Bissing, Walter von 210f. Blind, Karl 53, 211, 222f., 225, 233, 261, 264, 272, 320, 324, 327f., 337 Block, Paul 184, 187, 322, 326, 336 Bloomfield, John A. 129 Bly, Nellie 313f. Bodman, Hans von und zu 172f. Bonaparte, Charles Louis Napoléon 19, 66, 131, 137, 192, 249, 256 Bonaparte, Napoléon 131 Bonn, Max Julius 302 Boveri, Margret 314 Bradlaugh, Charles 312 Brandes, Fred 53 Brandes, Otto 80, 140f., 145, 147–151, 171, 290, 294, 303, 307, 322, 330, 336–338, 340 Braun, Otto 54, 85, 328 Brisson, Henri 197 Brockdorff-Rantzau, Ulrich von 305 Brühl, Johann August Moritz 134–136, 239, 331 Bucher, Lothar 166, 217, 222, 228, 233, 265, 271 Budde (Korrespondent BT) 133 Bungers, Hans 208, 290, 327 Buol-Schauenstein, Karl Ferdinand von 105 Burlumi, Theodor 211f. Burns, John 302 Börne, Ludwig 23, 266 Bülow, Bernhard von 171, 173f., 176–178, 182, 185f., 189, 320f., 351 Cadore, Jérôme de 138 Cambon, Jules Martin 154f., 336 Caprivi, Leo von 170 Carnot, Ernest 147 Carnot, Marie François Sadi 144, 147–149 Cassagnac, Guy de 155, 340–345 Cassagnac, Paul de 155, 340–345
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Register
Cassel, Ernest 302 Cavour, Camillo Benso di 253 Chézy, Helmina von 241 Chézy, Wilhelm von 234, 241f., 246, 260 Cobbet, William 209 Cotta von Cottendorf, Johann Friedrich 234 Cotta von Cottendorf, Johann Georg 42, 55, 85, 110, 223, 226, 230, 232f., 235–237, 241f., 244–247, 254, 256–260, 263, 268, 273 Cotta, Carl von 272f. Coudurier de Chassaigne, Joseph-Louis 82 Cramer, Louis 169, 254, 329 Crawford, Emily 314 Crawford, George M. 65, 314 Crispi, Francesco 141 Croci, Pietro 341f. Crowe, Eyre 130 Damgren, Karl Albert 88 Daum, F. von 184, 187, 341 Debrauz, Louis Antoine 251, 256f., 259 Dehm, Paul 308 Delcassé, Théophile 153 Dernburg, Friedrich 296 Develle, Jules 150 Diez, Heinrich 324 Diez, Hermann 55 Dronke, Ernst 255 Drouyn de Lhuys, Édouard 137f., 256 Dumba, Konstantin 107 Dupuy, Charles 153 Dóczi, Ludwig 108, 113f. Ebeling, Adolf 251, 335 Eckardstein, Hermann von 79, 175f. Eckstein, Ferdinand von 134, 251, 258f. Ehrenstein, Otto von 109 Engländer, Sigmund 255 Esser, Hans 175 Fabrizii, Karl von 72f. Falke von Lilienstein, Johann 69, 113, 239 Faucher, Julius 160 Feldmann (Korrespondent HC) 336 Fischer, G. A. 184 Flotow, Johannes von 187, 299, 309 Flotow, Ludwig von 119, 184
Fontane, Theodor 159f., 168, 218, 221, 223, 229, 232, 263f., 274 France, Anatol 298 Franz Joseph I., Kaiser 116f., 202, 218 Frederic, Mrs. (Korrespondentin Pall Mall Gazette) 314 Fuchs, Isidor 184, 341 Fuller, Margaret 314 Gambetta, Léon 136 Ganz, Hugo 15, 75, 115, 119, 208, 354 Gardiner, Alfred 302 Gaupp, Otto 171 Giehne, Friedrich Wilhelm 234, 237, 256 Girardins, Émile de 256 Glinski, Fridolin 315 Glinski, Marie 315 Goldmann, Paul 83, 296, 298, 333, 344 Goltz, Robert Heinrich Ludwig von der 161–164, 170, 186 Gooch, George P. 302 Goschen, William Edward 124, 126 Greiml, Hermann 75, 178, 180, 276, 324 Grein, J. T. 303 Grey, Edward 124, 130f., 303 Groeben, Unico von der 299 Grumbach, Samuel 356 Grétor, Willy 298 Grévy, Jules 147 Grüner, Joseph 102, 120 Grüttefien, Ernst 208 Grüttefien, Gertrude 316f. Guttmann, Bernhard 9, 82f., 130f., 183, 190, 291, 293, 300–305, 322–325, 327, 331, 334, 336–339, 351, 353 Haefner, Leopold 135f., 249, 254, 256, 258 Haller, Gustav 205 Hammann, Otto 64, 176, 183, 185, 304, 327 Harcourt, Lewis Vernon 212 Hardinge, Charles 129 Harms, Paul 106, 119, 122, 187 Hartmann, J. G. 239 Hartmeyer, Hans 208 Hatzfeldt-Trachenberg, Maximilian von 158 Havas, Charles-Louis 250 Heine, Heinrich 23, 266 Heise, Heinrich 222 Herbette, Jules 143, 148
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Personen Hercovici (Korrespondent Ullstein) 184 Herz, Cornélius 142 Herzl, Theodor 298, 329 Hesekiel, George 217 Hess, Moses 254, 256 Hirsch, Carl 168 Hofmann, Leopold von 113, 117 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig zu 118, 167f. Hood, Fred 309 Horn, Ignaz E. 249, 254 Horowitz, Johannes 72 Hottner-Grefe, Anna 311 Huber, Therese 310 Huhn, Arthur von 169, 284, 291 Hüffer, Franz 223 Jacobson, J. 267 Jadot, Louis 86 Jagow, Eugen von 153, 171, 187, 284, 289, 315 Jagow, Gottlieb von 187 Jettel von Ettenach, Emil 106f., 109, 114, 118f. Johnson, Thomas 76f. Kalisch, Ludwig 252–254, 262 Kanner, Heinrich 120, 327 Karpelet, J. 254 Kaufmann, Jakob 232, 265 Kellner, Gottlieb 222 Khevenhüller-Metsch, Rudolf von 107, 109 Kiderlen-Waechter, Alfred von 154, 189, 302 Kinkel, Gottfried 225 Kinkelin de Pelletan, Jules Pierre 256 Klein, Hugo 114 Kleser, Hans 70 Knab, Josef 335 Koch, Otto 109f. Kolb, Gustav 227, 236f., 242, 269 Krafft von Crailsheim, Friedrich 118 Krause, Gustav 82, 176, 309 Kritschewski, Boris 355 Kroeger, Heinrich 181, 183, 322, 330, 336 Kruse, Heinrich 35, 70 Kálnoky von Köröspatak, Gustav Sigmund 118 Kánia von Kánya, Kálmán 113 Kübeck von Kübau, Karl Friedrich 245 Kühlmann, Richard von 80, 303, 305
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Lackenbacher, Ignaz von 240f. Lahm, Karl 184, 308, 341 Landsberg, Emil 166, 168, 274 Langlé, Aylic 135 Lascelles, Frank Cavendish 130 Lasser von Zollheim, Josef A. 120, 247 Lauser, Wilhelm 115 Le Royer, Philippe 197 Lederer, Leo 208 Lefèbvre, Édouard Alphonse de 138 Lery (Korrespondent Straßburger Bürgerzeitung) 330 Lesseps, Ferdinand de 141 Lessing, Carl Robert 285 Levysohn, Arthur 114, 120f., 133, 140, 162–164, 180, 186, 255, 274, 277–281, 292f., 296, 298, 300, 319f., 323, 325, 334, 337, 353 Levysohn, Friedrich Wilhelm 277 Lichnowsky, Karl Max von 72, 303 Liebknecht, Wilhelm 222, 225f., 228, 233, 263f., 273 Lindau, Paul 266 Lindenau, Karl von 173 Lippert von Granberg, Stephan 118, 288 Lochner, Louis P. 87, 89 Loeb, Julius 181, 184 Loewenfels, Moritz Wilhelm von 249, 254, 256 Lorek, Alfred 50 Low, Sidney 303 Ludwig, Eduard 207f. Mackenzie Smeaton, Donald 212 Macnamara, Thomas 302 Macon, Louis 65, 198 Maddison, Frederick 212 Mandl, Leopold 73f., 208 Manteuffel, Otto von 129 Marschall von Bieberstein, Adolf 173 Marx, Jenny 316 Marx, Karl 222, 224f. Mayer, Gustav 324, 330 Meissner, Johannes 70, 179, 282, 286–290, 327 Menabrea, Luigi Federico 142, 147 Merley, Jules 197 Metternich siehe Wolff-Metternich, Paul von Metternich, Klemens von 110, 235f. Metzel, Ludwig 159, 163 Millage, John Clifford 146, 201
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Register
Millevoye, Lucien 344f. Moberly Bell, Charles F. 77 Mohl, Julius von 251, 258f. Mohrenheim, Arthur von 142, 145–148 Montlong, Oskar von 115 Monts, Anton von 305 Mosenthal, Julius 135 Mosse, Rudolf 292, 294, 300, 334 Moustier, Léonel de 138 Méneval, Eugène de 137 Mérey, Kajetan 113 Mühling, Karl 169f. Müllendorff, Prosper 118, 290 Müller-Heymer, Paul 82 Münster von Dernburg, Georg Herbert zu 143, 146, 167, 299, 344 Münsterberg, Oscar 106f. Nahmer, Ernst von der 118, 190, 334 Naumann, Victor 15 Neustadt, Adolph 242 Ney, Emil 155, 184f., 201, 321–323, 325f., 330, 336, 342, 354 Noailles, Emmanuel Henri Victurnien de 152, 335 Nordau, Max 153, 184, 282–285, 289, 294, 298, 324, 328, 333, 336 Nordmann, Johannes 242 O’Connor, T. P. 212 Ohly, Karl 222, 226, 228, 232f., 236, 261, 265, 269 Oldenberg, C. M. 269 Oppenheim, Simon von 113, 117 Orges, Hermann 54, 135, 226, 238, 257–259, 268 Orme, Frederick Doveton 127 Orsenigo, Cesare 89 Ostertag, Roland 303 Otterburg (Korrespondent Kreuzzeitung) 217 Otto, Richard 176 Otto-Peters, Louise 311 Pacelli, Eugenio 87 Palmerston, Henry John Temple 123, 127 Pernerstorfer, Engelbert 355 Pfannkuch (Redakteur Deutsches Tageblatt) 170 Pfau, Ludwig 218, 249, 255 Piper, Max 108, 175, 178, 180 Pisling, Theophil 110, 237–239, 244
Plehn, Hans 81–83, 108, 130, 175, 180 Pohl, Otto 355 Pollak, Heinrich 112, 234, 243f., 247 Pollak, Hermann 78f. Proust, Antonin 198 Pétilleau, Georges 76, 199 Pötter, F. 184, 187, 330 Radolin, Hugo von 172, 181, 184–186, 189, 299 Reeve, Henry 223, 229, 232f., 273 Reid, L. 315 Reinach, Jacques de 142 Reinhardt (Korrespondent in Paris) 256 Reuschel, Stanislaus 335 Reuter, Paul Julius 250 Reuß, Heinrich zu 286 Ribot, Alexandre 142–145, 147–150 Richthofen, Herbert von 184f. Riezler, Kurt 182, 326 Roerdanz, Adalbert 112, 240f., 244 Rosenberg, Adalbert von 162, 277 Rouanet, Gustave 298 Rouvier, Maurice 185 Ruppel, Willy 172 Russell, Jos. E. 67–70 Salisbury, Robert Cecil of 123 Salkind, Leo 75 Sanderson, Thomas Henry 127f. Sasse, Moritz 276, 308 Saß, Friedrich 255 Savoye, Henri Charles Joseph 222, 228, 231 Schandera, Max 119 Schardt, Carl Christof 307f. Scheffer, Paul 292 Scheidlein, M. F. von 169, 329 Schiff, Friedrich 107–109, 180f., 183 Schirmacher, Käthe 316–318 Schlesinger, Max 117, 159, 223, 228–230, 232, 265, 267, 269, 272, 309, 323 Schmerling, Anton von 203, 206, 240 Schmidt auf Altenstadt, Karl August von 243 Schmidt, Karl Eugen 184 Schneider, Carl 181 Schoen, Wilhelm von 149, 151, 154–156, 169, 321, 342 Schotthöfer, Fritz 184, 291, 354 Schwarzenberg, Felix von 236f. Schöler, Heinrich 161f., 258
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Personen Schürmann, J. 187 Seebach, Albin Leo von 161 Seinguerlet, Eugène 218, 274 Selves, Justin de 154 Seuffert, Georg 237f. Seuffert, Heinrich 251, 258 Shaw, Flora 314 Simon, Ludwig 218, 255 Simson (Korrespondent Telegraphen Union) 341 Solms-Sonnenwalde, Eberhard zu 162, 164 Sonnemann, Leopold 301 Speyer, Edgar 302 Spicer, Gerald S. 129 Sporschill, Johann 102 Stadion, Franz von 240 Stein, August 185 Stein, Fritz 171 Steinherz, Theodor 184, 342 Stephan, Ferdinand 184, 341f., 345 Stephany, Friedrich 284 Stern, Louis 354 Stoedten, Hellmuth Lucius von 299 Stresemann, Gustav 351 Stuht, Johannes 168f. Stumm, Wilhelm von 303 Suttner, Bertha von 311 Szarvady, Friedrich 249, 253f., 256, 259 Szekely, Samuel 142 Szeps, Moriz 243 Szögyény-Marich, László von 106f. Tardieu, André 298 Taunay, Victor 212 Thielmann, Max F. G. von 168 Thiers, Adolphe 166, 278 Tiander, Karl 87f. Tirpitz, Alfred von 321 Tisza, Kálmán 69 Tower, Reginald 125f., 128 Trefz, Friedrich 119 Treusch von Buttlar, Fritz 182, 184, 276, 309, 319, 322 Tschiedel, Johannes 187, 306–308
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Tschinkel, Camillo 118 Tschirschky und Bögendorff, Heinrich Leonhard von 154, 179, 299 Tucholsky, Kurt 31, 53 Tyrrell, George 303 Veer, John C. van der 82 Victoria, Königin 233 Vogt, Carl 225 Vogt, Felix 354 Vollrath, Karl 83 Wachenhusen, Hans 133 Ward, Harriet 314 Wedel, Botho von 143, 177–179, 287f. Wedel, Clementine von 315, 329 Wedel, Ernst Leopold von 140, 142–144, 146, 149, 315, 329 Wedel, Wilhelm von 143 Weil, Carl 234, 237, 244–246 Weisbrodt, Gustav 237 Weitz, Paul 120, 173, 301 Wesselitzky, Gabriel de 78–82 Wiesner, Alois C. 228 Wilhelm II., Kaiser 116, 151 Wilson, Daniel 147 Wirth, Bettina 276, 314, 316–318 Wolf, Lucien 303 Wolff, Bernhard 250, 255 Wolff, Ferdinand 222, 228, 269 Wolff, Theodor 9, 153, 155, 172, 181, 184, 292–302, 304–306, 320–322, 324–329, 331–334, 336–339, 353 Wolffers, Franz von 256 Wolff-Metternich, Paul von 79, 81, 130, 175f., 303 Wolheim da Fonseca, Anton Eduard 165 Wrede, Nicolaus von 118 Wrede, Richard 49f. Wugk, Franz 171, 184 Zedlitz-Nimmersatt, Joseph Christian von 55, 110, 234–237, 244–247, 260, 334 Zetkin, Clara 316f., 355 Zola, Émile 298
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Register
Zeitungen, Agenturen und Vereine Abendpost 161 Advertiser 265 Agence Havas 18, 53, 155, 168, 194, 197, 250, 297, 329 Agencia Americana 183 Agencia Stefani 73 Allgemeine Correspondenz 53 Allgemeine Preußische Zeitung 240 Allgemeine Zeitung 18, 23f., 28, 34f., 42f., 53f., 85, 103, 108, 110, 115f., 130, 134–138, 146, 194, 217, 219f., 223–231, 233–240, 242f., 245f., 248f., 251–253, 255–264, 268–271, 273f., 276–278, 283, 288, 309, 324, 327f., 331, 334 Arbeiter-Zeitung 316, 355 Associated Press 53 Association de la presse républicaine départementale, Paris 65 Association de la presse étrangère siehe Association syndicale de la presse étrangère, Paris Association syndicale de la presse étrangère, Paris 36, 64–67, 76f., 80, 84, 91, 94, 145f., 148, 196, 198f., 201, 284, 290, 329, 341f. Augsburger Abendzeitung 276 Autorité 341 Badischer Beobachter 238 Bank- und Handelszeitung 204 Berliner Börsen-Courier 316, 331 Berliner Börsen-Zeitung 297 Berliner Lokal-Anzeiger 26, 142, 176, 184, 208, 276f., 306–308, 316, 341 Berliner Morgenpost 181, 277 Berliner Neueste Nachrichten 113, 316 Berliner Tageblatt 9, 26, 28f., 80, 114f., 119, 121, 125, 133, 141f., 144f., 147–152, 155, 162, 170, 172, 176, 181, 184–187, 208, 255, 277, 279, 281, 290–294, 297, 299f., 303, 307f., 314, 320f., 327–334, 336, 341 Berliner Volkszeitung 83 Berlingske Tidende 267 Bote für Stadt und Land 252 Breslauer Zeitung 134 Bund, Bern 136, 308 BZ am Mittag 277, 331, 348
Cocarde 141 Concordia, Journalisten- und Schriftstellerverein Wien 59f., 84, 267, 289 Constitution 135 Correspondance allemande 194 Correspondance helvétique 65 Correspondance Russe 197 Corriere della Sera 341f. Daily Chronicle 72, 201 Daily News 65, 142, 265, 276, 314, 316 Demokrat 252 Deutsche Allgemeine Zeitung 112, 134, 242–244 Deutsche Tageszeitung 184, 341 Deutsche Zeitung 184, 276, 286, 309 Deutsches Tageblatt 308 Donau-Zeitung 219 Dresdener Neueste Nachrichten 109, 184 Dresdner Journal 134, 239 Écho de Paris 154 Edinburgh Review 232 Englische Correspondenz
159, 228–230
Figaro 76, 82, 149, 195, 344 Foreign Press Association, London 36, 57f., 76–82, 87, 91–94, 199, 210–212, 303, 308 Frankfurter Generalanzeiger 184, 309 Frankfurter Journalisten- und Schriftstellerverein 59 Frankfurter Zeitung 9, 26, 28f., 77, 115, 119f., 130, 137, 144–146, 149, 151, 155, 168f., 172f., 176, 183–185, 188, 201, 208, 218, 249, 255, 264, 274f., 277, 284, 289, 291, 296, 298, 301f., 304, 308, 310, 314, 316, 320, 322, 326f., 330f., 335f., 338, 342, 344, 354 Freier Verkehr 127 Fremdenblatt 219, 238, 316 Fédération internationale des journalistes 88 Gazette de Saint-Petersbourg 308 Geistiges Eigentum 309 Gentleman’s Magazine 209 Germania 335 Gleichheit 316
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Zeitungen, Agenturen und Vereine Globe 265 Glocke 219 Grünberger Wochenblatt
277
Hamburger Fremdenblatt 276, 308 Hamburger Nachrichten 171, 178, 182, 184, 208, 276, 309 Hamburgischer Correspondent 120, 175, 217, 276f., 308, 315f., 329, 336 Hamburgischer unparteiischer Correspondent siehe Hamburgischer Correspondent Hannoverscher Kurier 188, 309 Hansard’s Parliamentary Debates 209, 211 Hermann. Deutsches Wochenblatt aus London 225 Hirlap 142 Hornisse 222 Hugenberg-Konzern 356 Indépendance belge 194, 219, 274 Institute of Journalists, London 62, 95 Internationaler Pressekongress 62f. Journal 76, 198 Journal des débats 219 Journalisten- und Schriftstellerverein München 59 Kleines Journal 153 Kreuzzeitung 129, 137, 146, 153, 160–162, 170, 184, 187, 210, 217f., 258, 276f., 284, 289, 308, 315, 330 Kölnische Volkszeitung 218, 251, 276, 326, 332, 335 Kölnische Zeitung 23f., 26, 35, 67, 70, 112f., 115–118, 120, 134, 138, 162–164, 169, 175, 179, 181, 183, 187f., 190, 208, 217, 219, 222, 225, 228–231, 240f., 249, 252–256, 259, 264, 269, 277f., 280, 286, 288–292, 308, 316, 319f., 327–329, 332, 334, 336, 348 Königsberger Hartungsche Zeitung 308 Lanterne 146 Leipziger Abendpost 238 Leipziger Allgemeine Zeitung 235 Leipziger Neueste Nachrichten 316, 331 Leipziger Tageblatt 309, 341 Leipziger Zeitung 116, 309 Libre Parole 141
Lose Blätter 252 Louis Hirsch’s Telegraphisches Büro Lübecker Zeitung 222
409
29
Magdeburgische Zeitung 120, 184, 276f., 308f. Matin 169, 198 Moniteur officiel 278 Moniteur universel 135, 195 Morgenblatt für gebildete Leser 226, 242, 310 Morning Chronicle 160, 194, 265 Morning Herald 194, 265 Morning Post 265 Morning Star 161, 270 Mémorial diplomatique 257 Münchner Neueste Nachrichten 108, 115, 118f., 171, 184, 276f., 308f. Münchner Zeitung 137 Narrhalla 252 National Association of Journalists siehe Institute of Journalists National Union of Journalists, London 62 National-Zeitung 106f., 109, 113, 115, 130, 166–169, 174, 184, 217, 228, 243, 255, 271, 277, 308, 335 Nazione 77 Neue Freie Presse 79, 180, 208, 211, 242f., 276, 282, 285, 298, 308, 310, 316, 329 Neue Hamburgische Börsen-Halle 53 Neue Kölnische Zeitung 315 Neue Preußische Zeitung siehe Kreuzzeitung Neue Rheinische Zeitung 217 Neue Zeit 225 Neue Zürcher Zeitung 308 Neues Pester Journal 284 Neues Wiener Tagblatt 120, 243f., 278f. Neueste Weltkunde siehe Allgemeine Zeitung New York Herald 149 New York Tribune 222, 230f., 342 Norddeutsche Allgemeine Zeitung 118, 125, 146, 150, 167, 228, 276, 297, 304 Nouvelle de Rotterdam 77 Nowoje Wremja 78, 80 Nürnberger Correspondent 218, 243 Oberdeutsche Zeitung 256 Observer 271 Osmanischer Lloyd 182
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Register
Österreichische Reichszeitung 242 Österreichische Zeitung 242 Österreichischer Lloyd 243 Ouest-Éclair 147 Pall Mall Gazette 314 Pariser Courier 184, 342 Pariser Zeitung 181, 184 Parliamentary Debates 209 Patrie 162, 344 Pester Lloyd 282–284 Petit Journal 148, 198 Petit Parisien 198 Popolo Romano 182 Post 168f., 184 Postzeitung 137 Prager Zeitung 238 Presse, Paris 256 Presse, Wien 115, 242 Preußische Zeitung 159 Reichsverband der Deutschen Presse 59 Reuter’s Telegram Company 18, 127f. Rheinische Volkshalle 242 Rheinischer Kurier 116, 219 Rheinisch-Westfälische Zeitung 308 Rheinland 252 Scherl-Verlag 50, 276, 356 Schlesische Volkszeitung 328 Schlesische Zeitung 188, 308f. Schwäbischer Merkur 218, 240, 243, 309 Society of Foreign Journalists, London 80, 82 Soir 149 Sozialdemokrat 316 Spenersche Zeitung 166 Standard 113, 219, 264, 315 Stettiner Neueste Nachrichten 109f. Straßburger Bürgerzeitung 330 Straßburger Post 184, 187 Syndicat de la presse parisienne 65 Syndicat de la presse étrangère, Paris 342 Syndicat des journalistes étrangers amis de la France, Paris 80 Süddeutsche Zeitung für Kirche und Staat 242 Tag 316 Tageschronik 222 Telegraaf 82
Telegraphen Union 341 Telegraphen-Korrespondenz-Bureau, Wien 72f., 92, 108, 180f. Temps 147, 321 Times 23, 77, 79f., 113, 145, 177, 194, 232, 261, 264f., 314 Tägliche Rundschau 184, 208, 306–309, 330 Ullstein-Verlag 50, 184, 356 Union der Correspondenten der ausländischen Presse, Wien 36, 73–76, 93f. Union des associations de presse 62f. Union internationale de la presse 87 Union internationale des associations pour la Société des nations 86 Verband der Auslandskorrespondenten, Wien 76 Verband der auswärtigen Presse, Wien 36, 58, 60, 67, 70–76, 84, 87, 93f., 97, 116, 178 Verband der selbstständigen Correspondenten auswärtiger Blätter in Österreich-Ungarn siehe Verband der auswärtigen Presse, Wien Verein Berliner Presse 59 Verein der ausländischen Presse, Berlin 35, 57f., 83–89, 93f. Verein der Parlamentsjournalisten, Berlin 67 Volk, London 225, 230f. Volks-Zeitung, Berlin 297 Vorwärts 184, 277, 316, 355 Vossische Zeitung 28, 120, 133, 144, 151, 153, 176, 184f., 208, 218, 222, 230, 243, 276f., 282, 284f., 290, 298, 307f., 315f., 326, 328, 331, 333, 335 Wanderer 242 Weser-Zeitung 134, 176, 222, 230 Wiener Börsen-Correspondent 77 Wiener Geschäftsbericht und Neuigkeitsbote 242 Wiener Morgenpost 203, 207, 243, 247 Wiener Zeitung 102, 205, 238f. Wolff’s Telegraphisches Bureau 29, 53, 55f., 107f., 175, 180f., 183, 217, 255, 295, 297 Zeit
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Sonja Hillerich: Deutsche Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert — 2018/2/13 — page 346 — le-tex
Sonja Hillerich: Deutsche Auslandskorrespondenten im 19. Jahrhundert — 2018/2/13 — page 346 — le-tex