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German Pages 441 [442] Year 2017
Hajo Frölich Des Kaisers neue Schulen
Bibliotheks- und Informationspraxis
Herausgegeben von Klaus Gantert und Ulrike Junger
Band 57
Hajo Frölich
Des Kaisers neue Schulen Bildungsreformen und der Staat in Südchina, 1901–1911
Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 700 „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ an der Freien Universität Berlin Zugleich Dissertation in Sinologie am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin (unter dem Titel „Staatsbildung und das Bild des Staates. Staat und Schule in Guangdong, 1901–1911“)
ISBN 978-3-11-055617-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-055886-9 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-055653-7 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Titelbild: Diagramm zur Veranschaulichung der Gesamtzahl der Schüler an neuen Schulen nach Provinzen für das Jahr 1907 aus der ersten kaiserlichen Bildungsstatistik von 1909 (Ausschnitt) © Hajo Frölich Satz: bsix information exchange GmbH, Braunschweig Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Danksagung Ein Buch wie dieses – die überarbeitete Fassung meiner 2016 an der Freien Universität Berlin verteidigten Dissertation – schreibt man selbst, aber nicht allein. Mein vorderster Dank gebührt Klaus Mühlhahn, der mir mit seinen freundlichen aber präzisen Analysen immer wieder geholfen hat, mein Thema zu konturieren und meine Fragen weiterzuentwickeln. Dafür, und für seine Geduld, bin ich ihm sehr dankbar. Nicht weniger geduldig und scharfsinnig – und bei Bedarf auch sehr intensiv – hat Mechthild Leutner diese Arbeit betreut, von meiner ersten Idee bis zu ihrer – Mechthild Leutners – Emeritierung. Ihre Vermittlung hat mir in China alle Türen geöffnet. Ohne ihre Förderung (und Forderung) sowie ihr Vertrauen wäre ich nicht so weit gekommen, und dafür danke ich ihr herzlich. Einen großen Dank möchte ich auch Sebastian Conrad aussprechen, dessen Insistieren auf die größeren Zusammenhänge mir geholfen hat, die globalen Entwicklungen im lokalen Alltag einiger südchinesischer Provinzstädte noch deutlicher zu sehen – oder zumindest noch intensiver nach ihnen zu suchen. Seine kritische Lektüre und ausführliche Kommentierung war für mich von außerordentlichem Wert. Viele weitere haben mich bei meinen Forschungen unterstützt. In Beijing danke ich Zhang Guogang, Ouyang Zhesheng, Xu Kai und Hu Zhongliang; in Guangzhou Liu Zhiwei, Ching May-bo, Chen Chunsheng, An Dongqiang und ganz besonders herzlich Li Qingxin; in Chaozhou Huang Ting, in Shantou Chen Haizhong, Thomas Tsang in Hong Kong, sowie allen Direktorinnen und Direktoren, die mich einen Blick in ihre Schulen und deren Bibliotheken haben werfen lassen. Gleiches gilt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Archive und weiteren Bibliotheken, die ich benutzen durfte. Unschätzbar war in Berlin die Hilfe von Liu Bo und vor allem Yang Zhan’ao bei schwierigen Übersetzungen. Jeweils einzelne Kapitel lasen und kommentierten Andrea Bréard, Izabella Goikhman und Lasse Hölck. Verschiedenste Hilfen leisteten weiterhin Cord Eberspächer, Thoralf Klein, Joseph Tse-hei Lee, Katja Levy und Steven B. Miles. Ihnen und all jenen, die ich hier vielleicht vergessen habe, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Große Teile dieser Arbeit sind am Sonderforschungsbereich 700 an der Freien Universität Berlin entstanden, in dessen Workshops mir unter anderem Marianne Braig, Stefan Rinke und Sebastian Conrad Perspektiven aufzeigten und Mut machten. Unter den damaligen Kollegen möchte ich Lukas Bothe, Mathias Heinrich und Lasse Hölck hervorheben. Angenehm war auch die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen am Ostasiatischen Seminar, die
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VI Danksagung
mir zudem in den Colloquien von Mechthild Leutner und Bettina Gransow differenziert und konstruktiv die Meinung sagten. Sehr hilfreich war das bildungshistorische Feedback im Colloquium von Sabine Reh und Marcelo Caruso an der Humboldt-Universität zu Berlin. Terence Tan, das Archiv der Basler Mission/Mission 21, die Forschungsbibliothek Gotha und das Politische Archiv des Auswärtigen Amtes haben mir freundlicherweise erlaubt, Abbildungen aus ihren Beständen zu verwenden. Eva Kuch danke ich sehr für die Gestaltung der Karte auf S. 195. Bei De Gruyter habe ich mich dank Rabea Rittgerodt als Lektorin und Monika Pfleghar in der Herstellung immer gut aufgehoben gefühlt. In dieser Arbeit geht es auch um die Finanzierung des Lernens, und da habe ich an erster Stelle dem SFB 700 und damit der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu danken, welche mir nicht nur zahlreiche Forschungsreisen ermöglicht, sondern auch den Druck dieses Buches großzügig unterstützt hat. Die andere Hälfte der Druckkosten hat dankenswerterweise die Gerda Henkel Stiftung übernommen, nachdem sie zuvor bereits durch ein Promotionsstipendium den Abschluss der Arbeit ermöglicht hatte. Dankbar bin ich auf für eine Zuwendung des Chaoshan Fund for Christian Studies der Shantou University und der Chinese University of Hong Kong. Meine Mutter Monika Frölich hat mich nicht nur vor etlichen Jahren von Hannover Hauptbahnhof in Richtung Ulan Bator reisen lassen (womit alles begann), sondern auch, neben vielem anderen, unzählige Male mit Selbstverständlichkeit und Liebe unsere Kinder gehütet. Lotte, Elise und Greta ihrerseits haben sich hüten lassen, mich aufgemuntert und eine oft verblüffende Rücksichtnahme an den Tag gelegt. Meine Frau Ulrike Kuch hat das gesamte Manuskript gelesen – und das ist mit Abstand das kleinste ihrer Verdienste.
Inhaltsverzeichnis Danksagung V 1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7
Einleitung 1 Neue Schulen für einen neuen Staat 5 Fragen und Thesen 10 Forschungsstand 13 Schule, Staat und Nation 25 Testfall Südchina 44 Aufbau der Arbeit 50 Quellen 52
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Staat und Schule vor 1900 54 Staatliche Ziele 54 Private Wege 59 Staatliche Schulen und der Staat als Initiator 64 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts 71 Chinas Neue Schulen, 1860–1911 80 Zusammenfassung 86
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5
Ein neuer Anspruch und seine Techniken 88 Statistik und Territorialisierung 91 Schulinspektion 149 Training 160 „Büros zur Förderung der Bildung“ 170 Zusammenfassung 188
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
Der Staat im Schulalltag 193 Ost-Guangdong und seine Schulen 195 Lehrplan und neue Fächer 208 Schüler 229 Lehrer 235 Disziplin und Einheitlichkeit 248 Architektur 270 Finanzierung 293 Der Staat im Schulalltag und der state effect 341
VIII Inhaltsverzeichnis
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Reich und stark – und nackt 346
Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe 361 Personen, Institutionen und Orte 361 Sachwörter 364 Abbildungsverzeichnis 373 Abkürzungsverzeichnis 376 Quellen- und Literaturverzeichnis 377 Archive 377 Zeitungen und Zeitschriften 377 Gedruckte Quellen und Literatur 378 Register 425 Personenregister 425 Sachregister 426
1 Einleitung Am 5. Mai 1908 hielt Wu Tingfang (1842–1922), Botschafter des Reiches der Großen Qing in den USA, eine Rede in der New Yorker Carnegie Hall. Unter dem nicht nur damals inflationär gebrauchten Vortragstitel „China erwacht“ pries der 65-jährige Jurist – geboren in Singapur, aufgewachsen in Hong Kong, Studium in London – begeistert die Reformpolitik seiner Regierung. Das neu eingeführte Schulsystem spiele dabei eine Schlüsselrolle: China is moving, and she is moving with rapidity. […] With the introduction of western ideas and methods into the life of our people, the sphere of duties of the Imperial Government has been correspondingly enlarged. […] [O]ur system of education [...] in the face of modern civilization and modern struggle of existence and world-wide competition had become obsolete, and something more up-to-date had to be introduced. […] We are slow in making a new departure, but once the truth strikes home and its practicability is demonstrated, we do not hesitate at the radical nature of the change, nor are we discouraged by the difficulties and obstruction in the way.1
Sieben Jahre zuvor und 12.000 Kilometer weiter östlich hatte dies noch ganz anders ausgesehen. Beijing, die Hauptstadt des Reiches der 1644 proklamierten Qing-Dynastie, war nach dem Boxer-Krieg von ausländischen Truppen besetzt, der Hof hatte sich ins Exil in die zentralchinesische Stadt Xi’an geflüchtet. Dort rief am 29. Januar 1901 die regierende Kaiserinwitwe Cixi (1835–1908) alle Beamten des Reiches auf, dem Hof rasch Vorschläge für umfassende Reformen des Staates zu unterbreiten.2 So begann die „Neue Politik“ (xinzheng): ein ehrgeiziges Programm, das im Kern darauf abzielte, China wieder „reich und stark“ (fuqiang) zu machen, und zwar insbesondere durch die Stärkung der Zentralgewalt. Obschon die daraus resultierenden Reformen – oder zumindest die Erinnerung an sie – 1911 unter den Trümmern der Revolution begraben werden sollten, legten sie doch die Grundlage für den heutigen chinesischen Staat. Sie reichten von der Einführung einer Polizei, einem staatlich kontrollierten Schulwesen, dem Umbau des Justizwesens und der Etablierung moderner Armeen bis hin zur Zentralisierung des Steuersystems, zur Einführung der lokalen Selbst1 Wu Tingfang, The Awakening of China. An Address Delivered before The Civic Forum in Carnegie Hall, New York City, May 5, 1908, New York: The Civic Forum 1908, S. 3. Zu Wu als Repräsentant des kleinen „Milieus von kosmopolitischen Vermittlern zwischen den Kulturen“ um 1900, siehe Sebastian Conrad/Jürgen Osterhammel, Einleitung, in: Dies. (Hrsg.), Wege zur modernen Welt 1750–1870 (Geschichte der Welt), München: C. H. Beck 2016, S. 9–34, hier: S. 13–17. 2 Edikt, Guangxu (fortan: GX) 26/12/10 (29.01.1901), in: Qu Xingui/Tang Liangyan (Hrsg.), Xuezhi yanbian (Zhongguo jindai jiaoyu shi ziliao, fortan: ZGJDJYSZL), Shanghai: Shanghai jiaoyu chubanshe 2007, S. 3–5. https://doi.org/10.1515/9783110558869-001
2 1 Einleitung
verwaltung und zur Vorbereitung der konstitutionellen Monarchie.3 Damit vollzog die Qing-Regierung endgültig und umfassend, was sie vor 1900 im Zuge der so genannten Selbststärkungsbewegung (ziqiang yundong) nur in Ansätzen erprobt hatte: die selbstständige Anwendung von Techniken und Methoden – vom Umbau der Verwaltung bis zu Kartographie, Statistik und Volkszählung – die bis dahin fast nur die westlichen Kolonialmächte auf China angewandt hatten, und die, folgt man James L. Hevia, jenen das Anlegen eines „imperialen Archivs“ über das Kaiserreich erlaubt hatten.4 Der Boxer-Krieg und vollends die militärische Niederlage Russlands gegen Japan 1905 verhalfen jenen zum Durchbruch, die – wie der Gouverneur Yuan Shikai (1859–1916) – die Sammlung und Verfügbarmachung umfassender Informationen über das eigene Territorium, die Bevölkerung und die Wirtschaft als Schlüssel zur Wiederherstellung von Prosperität und Zentralgewalt propagierten.5 Doch ging es um viel mehr als eine Wiederherstellung. Die Welt um China hatte sich weiter verändert, seit die Debatten darüber, ob dem Feudalismus oder dem bürokratischen Staatsausbau der Vorzug zu geben sei, im 18. Jahrhundert einen neun Höhepunkt erreicht hatten. Selbst die Opiumkriege hatten Mitte des 19. Jahrhunderts in einer Welt stattgefunden, die es nun nicht mehr gab: ohne Telegraphenmasten und Unterseekabel, ohne ausländische Konzessionen in chinesischen Hafenstädten und chinesische Botschafter im Ausland, und ohne große Banken, staatlich dirigierte Industriebetriebe sowie ein kleines aber wachsendes Industrieproletariat. Der Imperialismus und die in den 1880er Jahren beginnende, „Zweite wirtschaftliche Revolution“, gekennzeichnet unter anderem durch den Auftritt global agierender, multinationaler Konzerne, brachten China in engeren Austausch mit der Welt, stellten das Land aber vor allem vor neue Herausforderungen.6 Die „Wettbewerbsfähigkeit“ des Landes und seiner Menschen in der globalen Wirtschaft war vielleicht die zentrale dieser Heraus3 Gesamtdarstellungen bei Douglas R. Reynolds, China, 1898–1912. The Xinzheng Revolution and Japan, Cambridge, MA: Harvard University Press 1993; Jing Yuexin, Guanzhi renyong, in: Shanghai shangwu yinshuguan bianyisuo (Hrsg.), Da Qing xin faling (fortan: DQXFL), Bd. 2, Beijing: Shangwu yinshuguan 2010, S. 1–17. Zu den Reformen der Zentralregierung siehe Xiong Yuezhi, Xixue dongjian yu wan Qing shehui, Shanghai: Shanghai renmin chubanshe 1994, S. 274–277; Richard S. Horowitz, Breaking the Bonds of Precedent. The 1905–6 Government Reform Commission and the Remaking of the Qing Central State, in: Modern Asian Studies 37 (2003) 4, S. 775–797. 4 James L. Hevia, English Lessons. The Pedagogy of Imperialism in Nineteenth-Century China, Durham: Duke University Press 2003, S. 124–155. 5 Stephen R. MacKinnon, Power and Politics in Late Imperial China. Yuan Shi-kai in Beijing and Tianjin, 1901–1908, Berkeley, CA: University of California Press 1980. 6 Jürgen Osterhammel, Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München: C. H. Beck 2009, S. 925f.
1 Einleitung
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forderungen, auf die chinesische Unternehmer aber durchaus zu reagieren wussten.7 Noch wichtiger war indes, dass Chinas führende Beamte, der Hof, die Menschen in den großen Städten und selbst viele auf dem Land 1901 wussten, dass die Welt sich geändert hatte und sich weiter ändern würde, und dass sie auf jede neue Lage auch neue Antworten würden finden müssen.8 An vorderster Front standen dabei einige wenige, sozial eher periphere Intellektuelle. Sie setzten sich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts intensiv mit den Techniken und dem Wissen auseinander, welches in ihren Augen das Geheimnis jener militärischen und ökonomischen Überlegenheit ausmachten, die dem Reich der Großen Qing eine Schmach nach der anderen zufügte. Dieses globale (Problem-)Bewusstsein fand seinen Niederschlag in allen Bereichen, die die Regierung mit der „Neuen Politik“ nun umzugestalten begann. Doch wohl nirgends wurde es so deutlich wie in den Bildungsreformen. Sie sollten nicht mehr eine kleine Elite, sondern massenweise Menschen hervorbringen, welche, untereinander geeint, in der neuen Welt ökonomisch, kulturell und auch militärisch würden bestehen können.9 Das Schulsystem sollte der Schlüssel zur Lösung aller Probleme werden. Yan Fu (1854–1921), der vielleicht bedeutendste der eben erwähnten Intellektuellen, hatte sich mit jedem dieser Probleme einzeln befasst und ins Chinesische übersetzt, was er unter den Werken europäischer Autoren für die geeigneten Antworten hielt, von Thomas Henry Huxleys (1825–1895) „On Evolution and Ethics“ bis zu John Stuart Mills (1806–1873) „On Liberty“. Zur Frage, wie China wieder reich (oder reicher) werden könne, zog Yan ab 1897 Adam Smith’ (1723–1790) „Wealth of Nations“ heran. Er interpretierte den 1776 erschienenen Klassiker der Nationalökonomie als Anleitung zur Mehrung des Reichtums des Staates durch die Freisetzung der wirtschaftlichen Energie des Individuums.10 Kurz nachdem er die Übersetzung des Buches vollendet hatte, schrieb Yan 1902 an eine Zeitung: What are China’s principle troubles? Are they not ignorance, poverty, and weakness? […] [A]ny method which can overcome this ignorance, cure this poverty, lift us out of this
7 Thomas G. Rawski, Economic Growth in Prewar China, Berkeley, CA: University of California Press 1989, S. 2f. 8 Rebecca E. Karl, Staging the World. Chinese Nationalism at the Turn of the Twentieth Century, Durham: Duke University Press 2002. 9 Paul J. Bailey, Reform the People. Changing Attitudes towards Popular Education in early Twentieth-Century China, Edinburgh: Edinburgh University Press 1990. 10 Benjamin Schwartz, In Search of Wealth and Power. Yen Fu and the West, Cambridge, MA: Harvard University Press 1964, S. 114–117.
4 1 Einleitung
weakness, is desirable. The most urgent of all is the overcoming of ignorance, for our failure to cure poverty and weakness stems from our ignorance.11
Der zentrale Mangel der chinesischen Wirtschaft lag für Yan darin, dass die Chinesen nicht wüssten, wie sie ihr eigenes ökonomisches Potential voll entfalten könnten. Die „Armut“ des chinesischen Staates war eines von zwei zentralen Problemen, die durch eine neuartige Schulbildung für jedermann gelöst werden sollten. Seine Überlegungen – und die des von Yan beeinflussten Liang Qichao (1873–1929) – hatten unmittelbaren Einfluss auf die Hundert-Tage-Reform von 1898, den Vorläufer der „Neuen Politik“.12 Der hohe Beamte Zhang Zhidong (1837–1909), Ko-Autor der Schulgesetze von 1904 und treibende Kraft hinter der gesamten Schulreform, hatte eine ähnliche Ansicht bereits 1898 vertreten und setzte sich für die Gründung von Berufsschulen ein.13 Wie aber wirkte sich das neue Schulwesen mit seinem umfassenden Anspruch vor Ort aus? Das ist die zentrale Frage, auf die dieses Buch Antworten geben will. Es handelt sich damit um eine Untersuchung der Schulreformen als alltägliche Praxis. Sie zielt darauf ab, die Debatten über Ziele, Visionen und Träume, über die großen Ideen und die globalen Trends und Wirkungszusammenhänge empirisch zu erden. In gewisser Weise heißt mein Ziel Desillusion. Eine Alltagsgeschichte der Schulreformen sehe ich als wichtiges Korrektiv, denn sie erst zeigt die konkreten, materiellen Bedingungen, unter denen global zirkulierende Ideen adaptiert oder verworfen wurden, oder aus denen heraus ganz neue Ideen und, weit wichtiger noch, vollkommen unintendierte Effekte entstanden. So war der Sturz der Qing im Jahr 1911 nicht allein, wie dies lange Zeit dargestellt worden ist, durch die Rezeption eines ethnischen Nationalismus’ in China, nicht allein durch die schwere innere Krisen, Opiumkriege und den westlichen Imperialismus bedingt – er hing auch damit zusammen, dass Intellektuelle, Militärs, Unternehmer und andere im täglichen Leben erfuhren, dass die Qing-Regierung mit ihren durchaus begrüßten Reformen vor Ort nicht unbedingt so erfolgreich war, wie die Reden eines Wu Tingfang oder auch die amtlichen Statistiken glauben machen wollten.
11 Zit nach ebd., S. 49. 12 Paul Trescott, Jingji Xue. The History of the Introduction of Western Economic Ideas into China, 1850–1950, Hong Kong: Chinese University Press 2007, S. 43f. 13 Tze-Ki Hon, Zhang Zhidong’s Proposal for Reform. A New Reading of the Quanxue Pian, in: Rebecca E. Karl/Peter G. Zarrow (Hrsg.), Rethinking the 1898 Reform Period. Political and Cultural Change in Late Qing China, Cambridge, MA: Harvard University Press 2002, S. 77–98, hier S. 94.
1.1 Neue Schulen für einen neuen Staat
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1.1 Neue Schulen für einen neuen Staat Beginnen wir mit einer Definition: Unter einer Schule verstehe ich eine baulich separierte Einrichtung außerhalb der gewohnten Bezugsrahmen Familie, Klan oder Dorf, in der Kinder, möglichst nach Altersgruppen geschieden, weitgehend unabhängig von lokalen Bedürfnissen unter Anleitung von Lehrern eine bestimmte Zeit mit dem Erlernen und Wiedergeben eines vom Staat festgelegten Wissensbestandes verbrachten. Dies geschah nach einem Stundenplan täglich – außer an freien Tagen sowie in den Ferien – im Rahmen thematisch gegliederter Unterrichtsfächer und aufeinander aufbauender Schulstufen. Die Schüler schlossen die Schule mit einem Zeugnis ab. Als oberste Kontrollinstanz bedurfte es eines eigenen Ministeriums, das auch dafür zuständig war, die Ausbildung und staatliche Prüfung von Lehrern zu organisieren.14 Für Schulen in diesem Sinne und damit für die Vermittlung von Bildung sorgte der chinesische Staat vor 1900 kaum. Dies mag verblüffen, da die kaiserliche Regierung ihre Beamten doch primär auf Grundlage höchst anspruchsvoller staatlicher Prüfungen rekrutierte und der Bildung überdies einen hohen ideologischen Stellenwert beimaß. Dennoch war die Verbreitung grundlegender Lese- und Schreibfähigkeiten, wie viele andere, heute öffentliche Aufgaben auch, bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts in China keine staatliche Aufgabe. Hierum kümmerten sich die Familie, der Klan, die Dorfgemeinschaft, die Gilde, die Landsmannschaft oder wohlhabende Mitglieder der Gentry (shenshi), von Fall zu Fall auch lokale staatliche Beamte in Eigeninitiative sowie Missionsschulen.15 Der Staat beschränkte sich auf den Unterhalt weniger höherer Bildungseinrichtungen in den Verwaltungszentren und übte auf den unteren Ebenen vor allem die Funktion eines Initiators aus, der die lokalen Eliten aufforderte, Schulen einzurichten. Die weitaus wichtigere Funktion des Staates in der Bildung bestand darin, dass er über die landesweiten Prüfungen die Ziele und Inhalte des Lernens weitgehend bestimmte. Dies entsprach ganz der minimalen 14 Christel Adick, Die Universalisierung der modernen Schule. Eine theoretische Problemskizze zur Erklärung der weltweiten Verbreitung der modernen Schule in den letzten 200 Jahren mit Fallstudien aus Westafrika (= Habil.-Schrift Universität Siegen), Paderborn, München, Wien: Schöningh 1992, S. 177; Osterhammel, Verwandlung, S. 1128. 15 Sofern ich keine genauere Bestimmung angebe, meine ich mit „Gentry“ (shenshi) alle Formen der lokalen Elite, die sich in der Regel durch erfolgreiche Teilnahme an den Staatsprüfungen sowie Landbesitz auszeichnete. Zusätzlich zur möglichen Unterscheidung von „upper“ und „lower“ Gentry kam es gerade im 19. Jahrhundert zu weiteren Formen, die als „gentrymerchants“ oder „new gentry“ beschrieben worden sind, siehe William T. Rowe, China’s Last Empire. The Great Qing, Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press 2009, S. 273–275.
6 1 Einleitung
Form des Regierens, die ein zentrales Merkmal der kaiserlichen Herrschaft war.16 Das galt nicht nur für China. Dieselbe Auffassung von den Aufgaben eines Staates und seiner Beziehung zu den Bewohnern seines Territoriums prägte im 19. Jahrhundert weite Teile der Welt und insbesondere die großflächigen Imperien.17 Doch das minimale Regieren kam um die Wende zum 20. Jahrhundert weltweit in immer mehr Staaten an sein Ende. Das galt seit den 1860er Jahren – dramatisch intensiviert nach 1900 – auch für China, das vom minimalinvasiven Imperium zum Nationalstaat des Typs „Leviathan 2.0“ werden sollte. Mit dieser Wortschöpfung hat Charles S. Maier den dominanten Staatstypus der Zeit zwischen 1850 und den 1970er Jahren beschrieben. Auch die europäischen Territorialstaaten des 16. und 17. Jahrhunderts hatten bereits ihr „Territorium“ und dessen „Bevölkerung“ als Gegenstand ihrer Regierung gesehen, wofür Michel Foucault den Begriff „Biopolitik“ prägte. Nun aber, ab 1850, erlebten diese Staaten technologische Innovationen vor allem der Kommunikation und des Transportes. Dieses „Update“ erlaubte es dem alten Leviathan, die Ressourcen „Territorium“ und „Bevölkerung“ noch viel intensiver zu beeinflussen und zu nutzen als ehedem. Deshalb, so führt Charles S. Maier aus, widmeten sich die Staaten in einem bislang unbekannten Maße dem Regieren, und auch ihre bürokratische Funktionalität, ihr ‚Einssein‘ mit einem festen territorialen Raum, ihr Glaube an die eigene konkurrierende Mission waren beispiellos.18
Stephen R. Halsey hat argumentiert, dass hierdurch in China an die Stelle des minimalen Regierens der „militärisch-fiskale Staat“ trat, forciert durch den europäischen und amerikanischen Imperialismus, der Herausforderung und Anschauungsobjekt zugleich war.19 Doch grundlegender als alle Bereiche, die Halsey untersucht – vom Außenhandel über die neue Bürokratie bis zu Logistik und Kommunikation – war das neue Schulsystem, das die Voraussetzung für die Verbreitung und den nachhaltigen Erfolg aller anderen Reformen schaffen würde.
16 Peter Kreuzer, Staat und Wirtschaft in China. Die kulturelle Grundlage politischer Steuerung. Verwaltungskultur und Verwaltungsstil der Qing-Administration, Frankfurt am Main: Peter Lang 1998, S. 135–139. 17 Charles S. Maier, Leviathan 2.0. Inventing Modern Statehood, in: Emily S. Rosenberg (Hrsg.), A World Connecting, 1870–1945 (A History of the World), Cambridge, MA: Harvard University Press 2012, S. 29–282. 18 Ebd., S. 37; zit. nach der deutschsprachigen Ausgabe München: C. H. Beck 2012. 19 Stephen R. Halsey, Quest for Power. European Imperialism and the Making of Chinese Statecraft, Cambridge, MA: Harvard University Press 2015.
1.1 Neue Schulen für einen neuen Staat
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Ab 1902 sollte nach dem Willen der Zentralregierung das gesamte Schulwesen des Landes staatlichen Regeln gehorchen. Nicht nur die Lehrinhalte, auch die Institutionen des Lernens, nach japanischem Vorbild dreigliedrig geordnet, wurden von Beijing vorgegeben.20 Hierzu führte die Regierung bald neue Verwaltungsorgane auf allen Ebene ein: ein Bildungsministerium (xuebu) in der Hauptstadt, Schulämter (xuewu gongsuo) in den Provinzen und Kreisen, und überall lokale „Büros zur Förderung der Bildung“ (quanxuesuo). Hinzu kamen Schulinspektoren auf allen drei Ebenen, Trainingszentren zur Ausbildung von Schulpersonal und Beamten in der Bildungsverwaltung sowie ein System zur Sammlung und Auswertung statistischer Daten über das entstehende Schulwesen. Das Ministerium genehmigte die Lehrbücher. Mittendrin wurden die kaiserlichen Beamtenprüfungen nach mehr als eintausend Jahren quasi über Nacht abgeschafft.21 Zeitgenössische Beobachter aus dem Ausland wähnten sich als Zeugen einer epochalen Umwälzung.22 Der Missionar D. L. Anderson begrüßte diese emphatisch: China is passing out into a new life of which Confucius knew nothing and in which he is no longer a real force. [...] The new education with its new vision of life, wide-reaching and glorious as compared with the narrow life of the past, is making the times of the ancient sages and kings seem very far away.23
Der Protestant sprach vor allem von den grundlegenden Veränderungen der Bildungsinhalte. Dabei spielte sich vor seinen Augen nicht bloß eine Reform des Lehrplans ab, sondern die chinesische Erfindung von schulischer (und universitärer) Bildung als einheitlichem System überhaupt. Dies war eine Erfindung 20 Hiroshi Abe, Borrowing from Japan. China’s First Modern Educational System, in: Ruth Hayhoe/Marianne Bastid (Hrsg.), China’s Education and the Industrialised World. Studies in Cultural Transfer, Armonk, N.Y: Sharpe 1987, S. 57–80, hier S. 63. 21 Überblicke bei C. Chuzo Ichiko, Political and Institutional Reform 1901–11, in: John King Fairbank/Kwang-Ching Liu (Hrsg.), The Cambridge History of China, Bd. 11: Late Ch’ing, 1800–1911, Part 2, Cambridge: Cambridge University Press 1980, S. 375–415, hier S. 375–383; Abe, Borrowing. 22 Ernest Young, The Presidency of Yuan Shi’h-kai, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 1977, S. 5f. 23 D. L. Anderson, The Mission School in its Relation to the Government Educational System, in: Educational Association of China (Hrsg.), Records of the Sixth Triennial Meeting of the Educational Association of China, held at Shanghai, May 19–22, 1909, Shanghai: American Presbyterian Mission Press 1909, S. 34–41, hier S. 36. Die von protestantischen Missionaren getragene Educational Association of China, vor deren Versammlung Anderson seine Rede hielt, hatte sich unter anderem zum Ziel gesetzt, durch vorbildliche Schulen und die Publikation von Lehrbüchern Einfluss auf die Reformierung des chinesischen Bildungswesens zu nehmen, siehe Eunice V. Johnson, Educational Reform in China, 1880–1910. Timothy Richard and his Vision for Higher Education, PhD Dissertation, University of Florida 2001, S. 134–159.
8 1 Einleitung
im doppelten Sinne, denn etymologisch betrachtet wurde der moderne Begriff für „Bildung“ (oder „Erziehung“), jiaoyu, erst in jenen Jahren durch den Einfluss des Japanischen zum gängigen Begriff auch in China und löste das allgemeinere „Lernen“ (xue) ab.24 Auch wenn jiaoyu damit als „return graphic loan“ viel älteren chinesischen Schriften entstammte, verband der Begriff um 1900 zwei zentrale Aspekte, die auch im deutschen Begriff „Bildung“ enthalten sind.25 Letzterer war seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zunehmend in Abgrenzung zum als eher ökonomisch-instrumentell verstandenen „education“ im Englischen und Französischen verwendet worden und sollte über solche „Erziehung“ hinaus einen lebenslangen Prozess der Selbstvervollkommnung bezeichnen.26 In ähnlicher Weise kombinierte jiaoyu die bis dahin getrennte Zivilisierung der Bevölkerung (jiaohua) mit der Ausbildung von „Talenten“ für den Staatsdienst (yucai).27 Jetzt freilich ging es im Zeichen des Liberalismus gerade nicht mehr um die wenigen Talente für die wenigen Staatsämter, sondern um die Ausschöpfung des ökonomischen Potentials der gesamten Bevölkerung. Deren Zivilisierung blieb jedoch ebenfalls auf der Agenda, weshalb ich in dieser Arbeit bewusst von „Bildung“ spreche, obwohl mit „Erziehung“ ein historisch und semantisch weniger befrachteter Begriff zur Verfügung stünde.28 Gerade die schillernde „Bildung“ aber spiegelt mit ihrem Anspruch sowohl auf Erziehung der Jugend als auch auf lebenslange Selbstvervollkommnung sehr gut die Bandbreite der Erwartungen, die sich um 1900 in China – aus historischen wie zeitgenössischen, ausländischen Quellen gespeist – mit jiaoyu verbanden.29 Anders als 24 Barbara Schulte, Social Hierarchy and Group Solidarity. The Meanings of Work and Vocation/Profession in the Chinese Context and their Implications for Vocational Education, in: International Review of Education 49 (2003) 1/2, S. 213–239, hier S. 219; Huang Xiangyang, „Jiaoyu“ yi ci de youlai, yongfa he hanyin, in: Qu Baokui (Hrsg.), Yuan jiaoyuxue yanjiu, Hangzhou: Zhejiang jiaoyu chubanshe 1999, S. 107–128. 25 Lydia He Liu, Translingual Practice. Literature, Culture, and Translated Modernity – China, 1900–1937, Stanford, CA: Stanford University Press 1995, S. 315. 26 Rudolf Vierhaus, „Bildung“, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hrsg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 1, Stuttgart: Klett-Cotta 1972, S. 508–551, hier S. 521. 27 Henry Rosemont/Roger T. Ames, The Chinese Classic of Family Reverence. A Philosophical Translation of the „Xiaojing“, Honolulu: University of Hawai’i Press 2009, S. 87f., 108. 28 Heinz-Elmar Tenorth, Geschichte der Erziehung. Einführung in die Grundzüge ihrer neuzeitlichen Entwicklung, 4. Aufl. Weinheim: Juventa 2008, S. 24f. 29 Dieser Neologismus signalisierte tatsächlich einen grundlegenden Wandel. Erziehung im modernen Sinn – Vermittlung von Wissen und Disziplin in altersgestuften Klassen nach einem Lehr- sowie einem Stundenplan – hatte es vor dem 19. Jahrhundert zum Beispiel auch in Ägypten nicht gegeben, und so sei es unsinnig, für die Zeit davor von „traditional education“ zu
1.1 Neue Schulen für einen neuen Staat
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von Missionar Anderson proklamiert, blieb Konfuzius durchaus eine „wirkliche Macht“. Auch dass der Staat für dieses gesamte Bildungssystem selbst Sorge tragen sollte, war, von einem kurzlebigen Ansatz während der Hundert-Tage-Reform des Jahres 1898 abgesehen, neu. Erstmals wurde die Vermittlung von Bildung an alle männlichen Untertanen – im Unterschied zum Prüfungssystem (keju) – von einer privaten zu einer staatlichen Aufgabe. Das zeigte sich auch am Umfang der in Schulen investierten, staatlichen Mittel. Lag deren Quote während des 19. Jahrhunderts noch bei rund 0,6 Prozent der gesamten Staatsausgaben, stieg sie bis 1911 – bei wachsenden absoluten Einnahmen – auf deutlich über ein Prozent. Vor dem Hintergrund der Reparationszahlungen für den BoxerKrieg der Jahre 1900/1901 sowie der generell steigenden staatlichen Investitionen war dies eine beachtliche Steigerung.30 Weitgehend ausgeschlossen von diesem neuen Schulsystem blieben jedoch zunächst die Mädchen und Frauen. Die formelle Schulbildung für jene wurde 1907 zwar ebenfalls erstmals eingeführt und in ungekanntem Ausmaß gefördert, blieb jedoch bis 1911 in absoluten wie in relativen Zahlen eine Randerscheinung. Dies änderte sich grundlegend erst nach Gründung der Volksrepublik China 1949. Mädchen und Frauen waren deshalb, zumal in der Elite, keineswegs von jeglicher Bildung ausgeschlossen. Doch fand diese weitestgehend innerhalb der Familie statt.31 Weil sich diese Arbeit aber auf das staatliche Bildungssystem konzentriert, berücksichtigt sie die Bildung von Mädchen und Frauen nicht. Wenn im Folgenden also von „Schülern“ die Rede ist, sind tatsächlich fast ausschließlich männliche Schüler gemeint.32 Auch zwischen Stadt und Land blieben noch lange große Unterschiede bestehen. Die private Ein-Lehrer-Schule war in den Dörfern bis in die 1930er, ja
sprechen, so Timothy Mitchell, Colonising Egypt, Cambridge: Cambridge University Press 1988, S. 85. 30 Chen Shao-Kwan, The System of Taxation in China in the Tsing Dynasty, 1644–1911, New York: Columbia University 1914, S. 33, 43f.; zu diesen Zahlen siehe auch S. 294, Fn. 415. 31 Hsiung Ping-chen, A Tender Voyage. Children and Childhood in Late Imperial China, Stanford, CA: Stanford University Press 2005, S. 206; William Lavely/Xiao Zhenyu/Li Bohua/Ronald Freedman, The Rise in Female Education in China. National and Regional Patterns, in: The China Quarterly (1990) 121, S. 61–93, hier S. 70. 32 Zudem liegen hierzu mehrere Arbeiten vor: Paul Bailey, Gender and Education in China. Gender Discourses and Women’s Schooling in the Early Twentieth Century, London: Routledge 2007; Weikun Cheng, Going Public Through Education. Female Reformers and Girls’ Schools in Late Qing Beijing, in: Late Imperial China 21 (2000) 1, S. 107–144; Cong Xiaoping, Cong muqin dao guomin jiaoshi. Qingmo minchu guojia jianshe yu gongli nuzi shifan jiaoyu, in: Qingshi yanjiu (2003) 1, S. 87–97.
10 1 Einleitung
teilweise bis in die ersten Jahre der Volksrepublik hinein der Standard.33 Zudem knüpfte die Finanzierung der neuen Schulen (xuetang) in vielem an bekannte Arrangements des 19. Jahrhunderts und früherer Zeiten an.34 Diesen Kontinuitäten zum Trotz, bedeutete die „Neue Politik“ einen tiefen Einschnitt.
1.2 Fragen und Thesen So unbestritten die Langzeitwirkung des Um- und Aufbaus der kaiserlichen Verwaltung über 1911 hinaus mittlerweile ist, wissen wir andererseits über den Einfluss, den die „Neue Politik“ in ihrer eigenen Zeit entfaltete, erstaunlich wenig. Gewiss, ihre destruktiven Auswirkungen sind gut belegt: Mit den Reformen schaufelten sich die Qing ihr eigenes Grab, weil sie Handelskammern und Studiengesellschaften zuließen, die lokal die Macht übernahmen und zu Diskussionsforen von Revolutionären wurden; weil sie lokale Selbstverwaltungsgremien und Provinzversammlungen (ziyiju) wählen ließen, die die Autorität des Zentralstaats und der Provinzgouverneure infrage stellten; und weil sie moderne Armeen aufstellten, deren Offiziere schließlich das Imperium mit jenen Waffen stürzten, mit welchen dieses sie ausgerüstet hatte. Und doch ging vor 1911 nicht alles schief. Die „Neue Politik“ hatte Erfolg. Das zeigt diese Arbeit am Beispiel des Schulwesens in drei Städten im Osten der Provinz Guangdong, und zwar in zweierlei Hinsicht. Erstens wurden die Vorgaben der neuen Schulgesetze vor Ort umgesetzt und bildeten den kaum hinterfragten Maßstab schulischer Modernität. Das Beispiel der Schulreformen zeigt, dass die Fähigkeit des spätkaiserlichen Staates zu hierarchischer Steuerung – governance by government – wuchs.35 Zweitens, und fundamentaler, änderte die „Neue Politik“ das Erscheinungsbild des chinesischen Staates, machte die Trennung zwischen „Staat“ (guojia) und „Gesellschaft“ (shehui) zur dominanten Unterscheidung und verlieh beiden quasi Akteursqualität. Damit wurden zugleich vormals entscheidende Kategorien des Kaiserreichs wie die „Oikumene“ (tianxia), die Dynastie (guo), Angehö33 Stig Thøgersen, A County of Culture. Twentieth-Century China seen from the Village Schools of Zouping, Shandong, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 2002, S. 36f.; Zuo Songtao, Wan Qing Minguo sishu yu shushi de „quanshi“ wenti yanjiu, in: Zhongshan daxue xuebao (shehui kexue ban) (2006) 2, S. 61–65. 34 Shang Lihao, Jindai xuetang shoufei zhidu de xingcheng, in: Jiaoyu yu jingji (1997) 2, S. 56– 59; Ders., Lun zhongyang zhengfu zai jiaoyu jindaihua zhong de juese. Yi caizheng wei zhongxin, in: Jiaoyu yu jingji (2000) 2, S. 55–60. 35 DFG-Sonderforschungsbereich 700 (Hrsg.), Grundbegriffe. Ein Beitrag aus dem Teilprojekt A1. SFB-Governance Working Paper Series 8, Berlin 2007, S. 4, 8.
1.2 Fragen und Thesen
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rige der chinesischen Kultur (xia), der „gemeine Mann“ (liangmin) oder die Gentry abgelöst oder in ihrer Bedeutung verändert.36 Dieser Wandel trat am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht aus dem Nichts auf, weder – was besser erforscht ist – als intellektuelles Konstrukt noch im praktischen Verwaltungshandeln, das im Zentrum dieser Arbeit steht. Das Qing-Reich hatte im 18. Jahrhundert beinahe eine Verdoppelung seiner Bevölkerung auf 300 Millionen Menschen erlebt. Um 1800 begannen Hungersnöte und große Aufstände dem Reich von innen zuzusetzen. Hinzu kam ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Bedrohung von außen in Form von britischen und anderen Kriegsschiffen und erzwungenen Handelsverträgen. Dieser Menge an gleichzeitigen Herausforderungen war die minimale Form des kaiserlichen Regierens nicht gewachsen. Eine mal langsam, mal sprunghaft zunehmende Eigenständigkeit der lokalen Elite und der Gouverneure war die Folge.37 Die Teile des Gemeinwesens begannen auseinanderzudriften, „Staat“ und „Gesellschaft“ begannen sichtbar zu werden. Diese langfristige Entwicklung kulminierte nach 1900 in der „Neuen Politik“: Auf den Boxer-Krieg und die ausländische Militärintervention als letzte Zuspitzung, ja Verbindung von innerer und äußerer Krise, antwortete der Kaiserhof mit einer radikalen Zuspitzung seiner Bemühungen um den Erhalt der Zentralmacht. Diese führten viel deutlicher als früher zu dem Eindruck, beim chinesischen Staat handele es sich um eine real existierende, mehr oder minder machtvolle Struktur unabhängig von den diese bevölkernden Menschen und getrennt von der Gesellschaft als Objekt ihres Handelns – kurz, die „Neue Politik“ forcierte in China das, was Timothy Mitchell als state effect beschrieben hat.38 Mit diesem Effekt erkläre ich zugleich, warum der Erfolg der Reformen das Scheitern des Kaisertums nicht nur nicht verhinderte, sondern sogar beschleunigte. Das Gros der Forschungsliteratur jedoch hat die Rolle lokaler Initiativen in den Mittelpunkt gestellt und dadurch verdeckt, wie stark sich zwischen 1901 und 1911 auch das Bild des chinesischen Zentralstaates wandelte. Dieser Wandel war eng mit dem Bildungswesen verknüpft. So ist die Abschaffung der kaiserlichen Prüfungen immer hinsichtlich ihrer zerstörenden Effekte für das ehedem feste Band zwischen Staat und Eliten untersucht worden. Sicher, die Auf36 Mitchell, Limits, S. 94; Peter Zarrow, After Empire. The Conceptual Transformation of the Chinese State, 1885–1924, Stanford, CA: Stanford University Press 2012, S. 8–16, 99f. 37 William T. Rowe, Hankow. Conflict and Community in a Chinese City, 1796–1895, Stanford, CA: Stanford University Press 1989, S. 349. In der Regel hatte jede der 18 Kernprovinzen einen Gouverneur. Zusätzliche Generalgouverneure waren meist für zwei Provinzen zuständig. 38 Timothy Mitchell, The Limits of the State. Beyond Statist Approaches and their Critics, in: American Political Science Review 85 (1991) 1, S. 77–96, hier S. 94; siehe gleich Abschnitt 1.4.
12 1 Einleitung
lösung dieses Bandes führte ganz wesentlich dazu, dass sich weite Teile der Elite nun auch ein Leben ohne Kaiser vorstellen konnten.39 Der Staat selbst aber verschwand dadurch nicht, nein, er wurde umso deutlicher sichtbar, indem er die Gesellschaft oder die Nation als Objekt seines Handelns viel deutlicher konturierte, wenn nicht erfand.40 Die neuen Schulen, die an die Stelle der kaiserlichen Prüfungen traten, spielten – und das ist bislang nicht erkannt worden – eine Pionierrolle für die Intensivierung der staatlichen Kontrolle und Durchdringung der Gesellschaft. Das neue Schulsystem erlaubte es dem Staat, neue Techniken des Regierens und neue Formen der Repräsentation staatlicher Modernität in der Praxis zu erproben. Dass diese Verstaatlichung der Bildung alles andere als geschmeidig verlief, ist von der Forschung oft festgestellt worden. Doch was geschah im Detail in jenem Jahrzehnt, das am Anfang einer langen Kette von Bildungsreformen im China des 20. Jahrhunderts stehen sollte? Gelang es dem finanziell und politisch schwachen Zentralstaat, im entfernten Guangdong ein staatliches Bildungswesen aufzubauen, und wenn ja, wie und mit wessen Unterstützung? Welche Akteure gründeten, finanzierten und betrieben die modernen Schulen, und wer bestimmte über die Lehrinhalte? Wie verhielten sich die lokalen Akteure angesichts der neuen Vorgaben und Kontrollmechanismen der Zentralund Provinzregierung? Wie weit reichte die tatsächliche Kontrolle des Staates? Was verbarg sich in der lokalen Umsetzung hinter der neuen oder umgedeuteten, westlich und japanisch inspirierten Terminologie der Schulgesetze, die zu oft für bare Münze genommen worden sind?41 Andererseits will die empirische Untersuchung der lokalen Fallbeispiele klären, welchen Effekt die modernen Techniken wie Fragebögen, Statistiken, Lehrpläne, Organigramme, Fotografien und neue (Schul-)Architektur für die Wahrnehmung des chinesischen Staates hatten. Abschließend sollen diese beiden Untersuchungsstränge zusammengeführt werden, um dem in unbefriedigender Weise disparaten Bild, das die Forschung von den Bildungsreformen bislang zeichnet, mehr Kohärenz zu verleihen – und um zu erkennen, dass das heutige, gemeinhin desolate Bild des chinesischen kaiserlichen Staates zu Beginn des 20. Jahrhunderts wesentlich durch Arten des Sehens, durch Techniken und Maßstäbe bestimmt ist, die eben jener Staat ab 1901 selbst einführte und die das chinesische Staatswesen bis heute prägen. 39 Luo Zhitian, Kejuzhi feichu zai xiangcun zhong de shehui houguo, in: Zhongguo shehui kexue (2006) 1, S. 191–204; Zarrow, After Empire, S. 278. 40 Tong Lam, A Passion for Facts. Social Surveys and the Construction of the Chinese Nation State, 1900–1949, Berkeley, CA: University of California Press 2011, S. 140f. 41 Xiaoping Cong, Teacher’s Schools and the Making of the Modern Chinese Nation-State, 1897–1937, Vancouver: University of British Columbia Press 2007, S. 10.
1.3 Forschungsstand
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Damit ist auch klar, dass zwei besser erforschte Felder in diesem Buch nur am Rande eine Rolle spielen. Das betrifft zum einen die Lehrinhalte, die in vielen Fällen mindestens ebenso neu waren wie die Techniken der Schulverwaltung selbst, was die Startschwierigkeiten des neuen Systems teilweise erklären kann.42 Zum anderen tauchen die in der Literatur lange Zeit viel beachteten und für sehr einflussreich befundenen Schulen der verschiedenen christlichen Missionsgesellschaften hier nur kursorisch auf.43 Der Grund ist, dass diese für die lokale Praxis der „Neuen Politik“ kaum eine Rolle spielten und stattdessen durch das neue Schulsystem komplett an den Rand gedrängt wurden. Der Vorreiterrolle, welcher die Missionsschulen sich selbst – nicht unberechtigt – während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stets gerühmt hatten, wurden sie binnen kürzester Zeit beraubt, als die Zentralregierung 1906 Schulen „unter der Leitung von Ausländern“ generell aus dem neuen System ausschloss. Dieser Schritt war dem Streben der chinesischen Regierung nach Souveränität – in der Erziehung wie in der Religion – geschuldet, und die Entwicklung in China war durchaus dem zeitgleichen Vorgehen kolonialer Regierungen gegen Missionsschulen in Afrika vergleichbar.44 Fortan bemühten sich Missionare in China vor allem darum, die staatliche Anerkennung ihrer Schulen doch noch zu erreichen. Die daraus resultierenden Anpassungs- und Systematisierungsbestrebungen des Missionsschulwesens konnten jedoch bis 1911 nichts an dessen peripherer Position ändern.45
1.3 Forschungsstand Der tatsächliche Erfolg der „Neuen Politik“ in ihrer Zeit ist in der Forschung umstritten. Zwar kann die These von einem kontinuierlichen „dynastischen Nieder-
42 Peter Zarrow, Educating China. Knowledge, Society and Textbooks in a Modernizing World, 1902–1937, Cambridge: Cambridge University Press 2015. 43 Daniel H. Bays, A New History of Christianity in China, Malden, MA: Wiley-Blackwell 2012, S. 93f.; Jessie Gregory Lutz, China and the Christian Colleges, 1850–1950, Ithaca, NY: Cornell University Press 1971, S. 98. 44 Christel Adick, Grundstruktur und Organisation von Missionsschulen in den Etappen der Expansion des modernen Weltsystems, in: Artur Bogner/Bernd Holtwick/Hartmann Tyrell (Hrsg.), Weltmission und religiöse Organisationen. Protestantische Missionsgesellschaften im 19. und 20. Jahrhundert, Würzburg: Ergon 2004, S. 459–482. 45 Ausführlich lege ich dies dar in Hajo Frölich, „Spirits that I’ve cited“. Christian Mission Schools and the Chinese State in Jiaying, 1903–1911, in: Joseph Tse-Hei Lee (Hrsg.), Christianizing South China, New York, London: Palgrave Macmillan i. E. 2018.
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gang“ mittlerweile als widerlegt gelten.46 Differenzierter aber hat Prasenjit Duara argumentiert, dass die Umsetzung der Reformen langfristig – bis weit in die Republikzeit (1912–1949) hinein – zur Auflösung des „cultural nexus of power“ führte, einem System von geteilten Werten zwischen Hof und Gentry, aus dem bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch der kaiserliche Staat seine Legitimation bezogen hatte. Aus dem angestrebten state building, so Duara, wurde dabei eine state involution, ein Prozess, in dessen Verlauf die Kontrollinstanzen des Staates zwar wuchsen, ohne dass dabei jedoch die tatsächliche Kontrolle in gleichem Maße zugenommen hätte.47 Auch ohne über die Revolution von 1911 hinauszublicken, hat Mary Backus Rankin die tatsächliche Wirkung der Reformen als destruktiv für das spätkaiserliche China eingeschätzt. Die neu eingeführten, lokalen Verwaltungsstellen seien von der seit dem Taiping-Aufstand (1851–1864) zusehends selbstbewusster agierenden, lokalen Elite gekapert worden, so dass die Zentralgewalt weiter erodiert sei.48 Indirekt bestätigt wurde Rankins These seither durch eine Reihe von Untersuchungen zur Modernisierung einzelner chinesischer Städte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die als treibende Kräfte hinter einer Vielzahl von Projekten in erster Linie lokale Eliten sowie lokale Beamte identifizieren und dem Zentralstaat nur eine Nebenrolle einräumen.49 Demgegenüber hat R. Bin Wong gezeigt, dass die Qing-Regierung im 19. und frühen 20. Jahrhundert mitnichten hilf- oder gar tatenlos dem eigenen Machtverlust zusah.50 Nicht nur die Staatseinnahmen stiegen in dieser Zeit entgegen früheren Annahmen an, die Zentralregierung leitete, unter anderem be46 So aber noch Susan Mann Jones/Philip A. Kuhn, Dynastic Decline and the Roots of Rebellion, in: John King Fairbank (Hrsg.), The Cambridge History of China, Bd. 10: Late Ch’ing, 1800–1911, Part 1, Cambridge: Cambridge University Press 1978, S. 107–162. 47 Prasenjit Duara, Culture, Power, and the State. Rural North China, 1900–1942, Stanford, CA: Stanford University Press 1988. 48 Mary Backus Rankin, Elite Activism and Political Transformation in China. Zhejiang Province, 1865–1911, Stanford, CA: Stanford University Press 1986, S. 204. Zu ergänzen wäre hier in jedem Fall die entscheidende und wortwörtlich destruktive Rolle, die die neuen Armeen für die Revolution von 1911 spielen sollten, siehe Zarrow, After Empire, S. 208f. 49 Kristin Stapleton, Civilizing Chengdu. Chinese Urban Reform, 1895–1937, Cambridge, MA: Harvard University Press 2000, S. 67–69; Peter J. Carroll, Between Heaven and Modernity. Reconstructing Suzhou, 1895–1937, Stanford, CA: Stanford University Press 2006; Michael TsangWoon Tsin, Nation, Governance, and Modernity in China. Canton, 1900–1927, Stanford, CA: Stanford University Press 1999; Joseph W. Esherick (Hrsg.), Remaking the Chinese City. Modernity and National Identity, 1900–1950, Honolulu: University of Hawaii Press 2000. 50 R. Bin Wong, China Transformed. Historical Change and the Limits of European Experience, Ithaca, NY: Cornell University Press 1997, S. 154–157; Stephen R. Halsey, Money, Power, and the State. The Origins of the Military-Fiscal State in Modern China, in: Journal of the economic and social history of the Orient 56 (2013) 3, S. 392–432.
1.3 Forschungsstand
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einflusst von Erneuerern der alten „Staatskunst“-Schule (jingshi pai), auch eine Reihe von Maßnahmen ein, um die Kontrolle über Territorium und Bevölkerung zu intensivieren. Dazu gehörten Reformen des Transports von Steuergetreide sowie Reformen des Währungssystems.51 Die „Staatskunst“-Vertreter propagierten jedoch nicht die Zentralisierung von Macht. Ihr Ideal war die eigenständige, lokale Herrschaft der Gentry (fengjian) als Gegenpol zur zentralisierten, bürokratischen Herrschaft des Kaiserhofes (junxian). Was die „Staatskunst“-Reformer des 19. Jahrhunderts aber auszeichnete, war, dass sie unter Einbeziehung ausländischer Herrschafts-Konzepte verstärkt über die Rolle profaner Institutionen für das Regieren nachdachten, die widerstreitende Interessen der Beteiligten einkalkulierten und überhaupt praktische Fragen in den Mittelpunkt stellten, statt das Regieren primär als ethisches Problem aufzufassen. Feng Guifen (1809–1874) zum Beispiel schlug für die lokale Gentry lebenslange Magistrats-Posten vor, in Kombination mit – und kontrolliert durch – vor Ort zu wählende Vorsteher politischer Einheiten unterhalb der Ebene des Kreises.52 Obwohl in dieser Form nie realisiert, führten andere, geographisch begrenzte Reforminitiativen doch zu einer weiteren Dezentralisierung der Macht.53 Zu Beginn der „Neuen Politik“ konkurrierten denn auch noch fengjian-Modelle zur Stärkung der Gentry mit junxian-Entwürfen zur Stärkung der hierarchischen Kontrolle durch den Zentralstaat.54 Doch schnell setzte sich Yuan Shikais an Japan orientiertes junxian-Modell durch, das die Gentry mehr als Helfer des Zentralstaates denn als eigenständige Kommunalverwaltung konzipierte. Die „Neue Politik“ reagierte also auf die Dezentralisierung mit Zentralisierung und war insofern nur das letzte (und umfangreichste) Reformpaket, das „frühere Formen der Organisation des Zentralstaats ersetzt und die Funktionen der Lokalregierung ausgeweitet hätte“ – wäre es denn vor 1911 noch vollständig realisiert worden. So aber bleibt auch bei R. Bin Wong von der „Neuen Politik“ letztlich wenig mehr als ihr Scheitern.55 51 Rowe, China’s Last Empire, S. 162–165. 52 Philip A. Kuhn, Local Self-Government under the Republic. Problems of Control, Autonomy, and Mobilization, in: Frederic Wakeman jr/Carolyn Grant (Hrsg.), Conflict and Control in Late Imperial China, Berkeley, CA: University of California Press 1975, S. 257–298; Rowe, China’s Last Empire, S. 59, 159f.; Chang Hao, The intellectual Context of Reform, in: Paul A. Cohen/ John E. Schrecker (Hrsg.), Reform in Nineteenth-Century China, Cambridge, MA: East Asian Research Center, Harvard University 1976, S. 145–149. 53 Stanley Spector, Li Hung-Chang and the Huai Army. A Study in Nineteenth-Century Chinese Regionalism, Seattle: University of Washington Press 1964. 54 Roger R. Thompson, Statecraft and Self-Government. Competing Visions of Community and State in Late Imperial China, in: Modern China 14 (1988) 2, S. 188–221. 55 Wong, China Transformed, S. 157; Hervorhebung von mir, H.F.
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Andere haben zumindest die langfristige Wirkung der „Xinzheng Revolution“ (Douglas R. Reynolds) als sehr viel bedeutender – nicht bloß als Katalysator gesellschaftlicher Konflikte – eingeschätzt und betonen, diese Reformen hätten den Grundstein für den modernen chinesischen Staat gelegt.56 Auch Julia C. Strauss nennt die „Neue Politik“ ein „new template for the evolution of a ‚modern‘ Chinese state“.57 Dies ist auch in der Forschung in der Volksrepublik China – insbesondere gegenüber der lange Zeit stark betonten Bewegung vom Vierten Mai im Jahr 1919 – wieder mehr ins Bewusstsein gerückt. Unterstützt durch das große Projekt zur Dokumentation der Qing-Geschichte, sind dort in den letzten Jahren Unmengen neuer Details über die „Neue Politik“ herausgearbeitet worden. Mittlerweile überwiegt unter chinesischen Historikern – auch unter dem Eindruck der 1978 begonnenen Reformpolitik – das Interesse an den staatlichen Reformen der späten Qing-Zeit deutlich. Diese werden zusehends positiv gewürdigt, während die jahrzehntelang obligatorische Konzentration auf die anschließende Revolution schwindet.58 So stehen drei Interpretationen der „Neuen Politik“ nebeneinander: Entweder war sie erfolglos oder wirkte gar destruktiv. Oder aber sie bildete lediglich den kaum erheblichen, zentralstaatlichen Rahmen für eine rasante Modernisierung vor allem des urbanen China durch lokale Akteure. Drittens schließlich: Sie blieb in ihrer eigenen Zeit ohne Wirkung, lieferte aber wichtige Anregungen für spätere Versuche des Staatsaufbaus in China. Dass die „Neue Politik“ zeitlich unmittelbare und zugleich konstruktive Auswirkungen hatte, ist in keiner dieser Deutungen vorgesehen. Dadurch aber wird nicht nur ein ungerechtes Urteil über die Reformfähigkeit insbesondere der Zentralregierung gefällt. Zugleich vergibt die Forschung die Gelegenheit, durch eine genauere Analyse etwas über das Ausmaß der alltäglichen, praktischen Herausforderungen und die zu ihrer Bewältigung ergriffenen Maßnahmen zu lernen. Dies ist allein schon
56 Reynolds, China, 1898–1912. 57 Julia C. Strauss, The Evolution of Republican Government, in: The China Quarterly (1997) 150, S. 329–351, hier S. 331f. Diese positivere Bewertung der „Neuen Politik“ findet sich mittlerweile auch in Überblickswerken wie etwa Rowe, China’s Last Empire, S. 257f. 58 He Zhuo’en, Lishi xuezhe dui Xinhai geming de yanjiu yu quanshi, Wuhan: Huazhong shifan daxue chubanshe 2011, S. 64–130; Joseph W. Esherick, Introduction, in: Ders./C. X. George Wei (Hrsg.), China. How the Empire Fell, London, New York: Routledge 2014, S. 1–16, hier S. 10; Timothy B. Weston, The Founding of the Imperial University and the Emergence of Chinese Modernity, in: Rebecca E. Karl/Peter G. Zarrow (Hrsg.), Rethinking the 1898 Reform Period. Political and Cultural Change in Late Qing China, Cambridge, MA: Harvard University Press 2002, S. 99–123, hier S. 101.
1.3 Forschungsstand
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deshalb wichtig, weil beides – die Herausforderungen und die Maßnahmen – den bevölkerungsreichsten Staat der Erde bis heute beschäftigen.59
1.3.1 Imperialismus und chinesisches state-building Dem gesteigerten Lenkungs- und Kontrollanspruch des chinesischen Staates hat die Forschung auch deshalb lange wenig Beachtung geschenkt, weil er sich weder mit dem Narrativ von „impact and response“ noch mit jenem von der Semi-Kolonialisierung Chinas im 19. und 20. Jahrhundert gut verträgt.60 Letzteren Ansatz hat außerhalb Chinas insbesondere James L. Hevia vertreten. Er beschreibt, wie die Kolonialmächte, allen voran Großbritannien, ein „imperiales Archiv“ des Wissens über China anlegten und dabei alles Einheimische mit ihren eigenen Kategorien überschrieben, neu ordneten und sich nutzbar zu machen suchten. Für Hevia spielen dabei just jene Techniken, die auch im Zentrum meiner Untersuchung stehen, eine zentrale Rolle, vor allem Statistik und Kartographie.61 Mechthild Leutner hat jüngst auf Hevias These aufgebaut, um die Rolle eines konkreten Akteurs – des frühen deutschen Dolmetschers und Sinologen Carl Arendt (1838–1902) – für die Produktion sowohl „klassisch“ sinologischen als auch gegenwärtigen, anwendungsbezogenen Wissens über China im kolonialen Kontext zu analysieren.62 Bezeichnend ist jedoch, dass weder Hevia noch Leutner der weiteren Entwicklung unmittelbar nach 1900 große Beachtung schenken: So kommt in beiden Fällen nicht zur Sprache, dass der chinesische Staat zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen eine „Selbstkolonialisierung“ in Gang setzt. Während der Zeitrahmen von Leutners Analyse durch den Tod Arendts 1902 abgesteckt ist, endet auch Hevia – wohl nicht zufällig – mit dem Boxer-Krieg 1901 und leitet dann direkt zu einem Ausblick auf die Zeit nach 1911 über.63 Wo er die „efforts of the Qing regime to re-form itself on the model of the Euroamerican nation-state“ an59 Yingjie Guo, The Role of Intellectual Elites in China’s Political Reform. The Discourse of Governance, in: Xiaowei Zang/Chien-Wen Kou (Hrsg.), Elites and Governance in China, London: Routledge 2013, S. 34–53. 60 Zum Schema von „impact and response“, siehe Ssu-yü Teng/John King Fairbank (Hrsg.), China’s Response to the West. A Documentary Survey, 1839–1923, Cambridge, MA: Harvard University Press 1954. Fundierte und einflussreiche Kritik hieran übte schon Paul A. Cohen, Discovering History in China. American Historical Writing on the Recent Chinese Past, New York: Columbia University Press 1984, Kapitel 1. 61 Hevia, English, S. 123–125. 62 Mechthild Leutner, Kolonialpolitik und Wissensproduktion. Carl Arendt (1838–1902) und die Entwicklung der Chinawissenschaft, Münster: LIT 2017. 63 Hevia, English, S. 282–345.
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spricht, meint er allein die Selbststärkungsbewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.64 Dass die Qing selbst zwischen 1901 und 1911 ihr Reich auf der Basis von Wissen viel stärker zu durchdringen und direkter zu regieren begannen, passt nicht in das Narrativ der semikolonialen Ausbeutung durch das Ausland. Sehr viel besser lässt sich Indien auf diese Weise beschreiben, und so hat sich Hevia in seinen jüngeren Arbeiten denn auch auf den Subkontinent konzentriert.65 Um die Rolle dieser lange anhaltenden ausländischen Dominanz sowie das Verhalten der chinesischen Regierung differenzierter zu bewerten, muss man nicht unbedingt so weit gehen wie der schon zitierte Stephen R. Halsey. Ihm zufolge verhalfen die imperialistischen Mächte China zur „most innovative period of state-making […] since the early seventeenth century“, die etwa von 1850 bis 1950 gedauert habe.66 Gegen Halseys vielleicht allzu positive Würdigung des Imperialismus mag sprechen, dass er, ähnlich wie Tong Lam, die einheimischen Quellen der „Neuen Politik“ eher gering wertet. Doch auch wenn man Halsey nicht rundum zustimmt, wird im Folgenden doch deutlich, dass das ehrgeizige Projekt der „Neuen Politik“ ohne die militärische Expansion und die Wissensproduktion der Kolonialmächte nicht zu verstehen ist.67 Damit ist keine Rehabilitierung des Paradigmas von „impact and response“ gemeint. Auch am Vorabend der Opiumkriege war der Qing-Staat keineswegs der selbstzufriedene, träge Riese, als der er so oft beschrieben worden ist.68 Dennoch hatte sich das internationale Umfeld zu Beginn des 20. Jahrhunderts dramatisch geändert, und dies konnte nicht ohne Auswirkungen auf innenpolitische Prioritäten und Vorgehensweisen bleiben.69 Aus Sicht westlicher Missionare machte sich der chinesische Staat dabei plötzlich Kategorien und Ziele zu eigen, die für die Missionare schon seit langem Teil ihres Selbstverständnisses als zivilisatorische Kräfte waren. Dabei galt die Schule fast allen Akteuren – Beamten, Reformern,
64 Ebd., S. 121, 153–155. 65 James Hevia, The Imperial Security State. British Colonial Knowledge and Empire-Building in Asia, Cambridge: Cambridge University Press 2012. 66 Halsey, Quest, S. 5. 67 Klaus Mühlhahn, Power, Knowledge, and Imperialism in the Making of Sino-Western Relations, 1784–1917, in: Ders. (Hrsg.), The Limits of Empire. New Perspectives on Imperialism in Modern China (Berliner China-Hefte 33), Münster: LIT 2008, S. 3–8, hier S. 5. 68 Zahlreiche Beispiele für das Gegenteil liefert Daniel McMahon, Rethinking the Decline of China’s Qing Dynasty. Imperial Activism and Borderland Management at the Turn of the Nineteenth Century, Abingdon, Oxon: Routledge 2014. 69 Prasenjit Duara, Rescuing History from the Nation. Questioning Narratives of Modern China, Chicago, IL: University of Chicago Press 1995, S. 158–161.
1.3 Forschungsstand
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Konservativen, Revolutionären, aber eben auch Missionaren –als das Instrument zur Lenkung der gesellschaftlichen Entwicklung in die je gewünschte Richtung.70 Zugleich machte der Imperialismus die chinesischen Eliten mit Techniken bekannt, die den Grad des „Fortschritts“ in neutraler Weise zu messen schienen, allen voran die Statistik. Tong Lam spricht deshalb von einer Zivilisierungsmission der Statistik und allgemein der Sozialwissenschaften.71 Auch jenseits der formalen Kolonien wurde der statistische Blick rasch zum kaum hinterfragbaren Standard. Das galt auch für das „semikoloniale“ China.72 Der internationale Standard moderner Staatlichkeit zwang die Qing zudem, neue Politikfelder zu erschließen und alte zu vernachlässigen. Mit dieser Beobachtung hat Kenneth Pomeranz eine schlüssige Erklärung gefunden für den widersprüchlichen Befund, dass der chinesische Staat einerseits erfolgreiches state-building zum Beispiel durch die Förderung der Industrialisierung betrieb, zugleich aber zu zerfallen schien: Ausschlaggebend für letztere Wahrnehmung sei gewesen, dass die Bewertung gerade in den Augen der ländlichen Bevölkerung von dessen Erfolg oder Misserfolg auf herkömmlichen Feldern wie der Bekämpfung von Missernten oder Räuberbanden abhing – die Erfolge des Staates in anderen Bereichen hätten hingegen im Hinterland niemanden interessiert.73
1.3.2 Chinesische Schulgeschichte aus lokaler Perspektive Das Bildungswesen zählt ohne Zweifel zu den am besten erforschten Aspekten der chinesischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Wenn man sich unter dem Blickwinkel des state effect jedoch speziell für Fragen der Verwaltung von Schulen sowie für die Techniken staatlicher Kontrolle interessiert, ist das Gros dieser Arbeiten wenig ergiebig. Das liegt vor allem an der Schwerpunktsetzung auf Ideengeschichte und Lehrinhalten.74 Diese Arbeiten sind wichtig, um ein 70 Frölich, Spirits; Stephen Averill, The Cultural Politics of Local Education in Early Twentieth-Century China, in: Twentieth Century China 32 (2007) 2, S. 4–32, hier: S. 7. 71 Lam, Passion, S. 27. 72 Andrea Bréard, Reform, Bureaucratic Expansion and Production of Numbers. Statistics in Early 20th Century China, Habilitationsschrift, Technische Universität Berlin 2008. 73 Kenneth Pomeranz, The Making of a Hinterland. State, Society, and Economy in Inland North China, 1853–1937, Berkeley, CA: University of California Press 1993, S. 21f. Ein weiteres Beispiel für solche – zumindest auch – dem Wunsch nach internationaler Anerkennung geschuldete Reformen war die Einführung der konstitutionellen Monarchie, siehe Zarrow, After Empire, S. 146. 74 Siehe als Beispiel für den geistesgeschichtlichen Schwerpunkt Ma Yong, Zhongguo jiating jiaoyushi, Changsha: Hunan jiaoyu chubanshe 1997. Hier sind durchaus Arbeiten erschienen,
20 1 Einleitung
Verständnis dafür zu entwickeln, wie groß die Herausforderung des neuen Schulsystems auch abseits der administrativen Fragen war. Denn neben den Formen des Lernens änderte sich ja auch dramatisch, was die Jungen nun lernen sollten. Auch die neuen Lehrinhalte hatten tiefgreifenden Einfluss darauf, wie die Schüler (und ihre Lehrer) den Staat der Qing wahrnahmen.75 Doch ich interessiere mich für die äußeren Strukturen des Lernens, und damit für eine andere Quelle eines neuen Verständnisses des Staates, die bislang viel weniger Beachtung gefunden hat. Seit den 1990er Jahren haben sich allerdings mehr und mehr Autoren der Schulentwicklung speziell während der „Neuen Politik“ angenommen, deren Charakter als „Mutter“ aller Bildungsreformen im China des 20. Jahrhunderts schon früh erkannt worden war.76 Sang Bing hat die revolutionäre Rolle der ersten Studenten und Lehrer der neuen Schulen herausgestellt.77 Insbesondere die jüngere chinesische Forschung hat erwiesen, dass Reform und Revolution nicht die klar entgegengesetzten Pole waren, für die man sie lange gehalten hat.78 Guan Xiaohong, die auf Grundlage eines umfangreichen Aktenbestandes die erste Gesamtdarstellung des 1905 gegründeten Bildungsministeriums bis 1911 lieferte, stellt fest, dass das Ministerium nie die Kontrollfunktion habe er-
die auch Fragen nach dem Bildungszugang und der Finanzierung nicht gänzlich ausklammern, diese aber eher am Rande behandeln: Robert Joseph Culp, Articulating Citizenship. Civic Education and Student Politics in Southeastern China, 1912–1940, Cambridge, MA: Harvard University Asia Center 2007; Cong, Teacher’s. 75 Ausführlich dazu Zarrow, Educating; Yvonne Schulz Zinda, Propagating New „Virtues“. „Patriotism“ in Late Qing Textbooks for the Moral Education of Primary Students, in: Michael Lackner (Hrsg.), Mapping Meanings. The Field of New Learning in Late Qing China, Leiden: Brill 2004, S. 685–710. 76 Anderson, Mission, S. 36; Meribeth E. Cameron, The Reform Movement in China 1898–1912, New York: Octagon Books 1963 [1931]; Mary C. Wright, Introduction. The Rising Tide of Change, in: Dies. (Hrsg.), China in Revolution. The First Phase, 1900–1913, New Haven, CT: Yale University Press 1968, S. 1–63, hier S. 25; Joseph W. Esherick, Reform and Revolution in China. The 1911 Revolution in Hunan and Hubei, Berkeley, CA: University of California Press 1976, S. 116f.; Daniel H. Bays, China Enters the Twentieth Century. Chang Chih-tung and the Issues of a New Age, 1895–1909, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 1978, S. 128f.; Reynolds, China, 1898–1912; Julia C. Strauss, Creating „Virtuous and Talented“ Officials for the Twentieth Century. Discourse and Practice in Xinzheng China, in: Modern Asian Studies 37 (2003) 4, S. 831– 850; Elizabeth R. VanderVen, A School in Every Village. Educational Reform in a Northeast China County, 1904–31, Vancouver: University of British Columbia Press 2012; Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, Guangzhou: Guangdong jiaoyu chubanshe 2000. 77 Sang Bing, Wan Qing xuetang xuesheng yu shehui bianqian, 3. Aufl. Guilin: Guangxi shifan daxue chubanshe 2007; Sang Bing, Qingmo xin zhishi jie de shetuan yu huodong, Beijing: Beijing sanlian shudian 1995. 78 Esherick, Introduction, S. 13.
1.3 Forschungsstand
21
langen können, die ihm zugedacht war. Dass die Formulierung eines solchen Anspruchs allein schon einschneidend für die Entwicklung des chinesischen Staates war, würdigt Guan indes nicht.79 Dennoch verdanken wir die wichtigsten Erkenntnisse zu Details der neuen Bildungsverwaltung in erster Linie Guan sowie ihren Schülerinnen und Schülern.80 Fragen zur Praxis des Schulbetriebs lassen sich darüber hinaus aus der sozialgeschichtlichen Literatur beantworten, die deutlich überschaubarer ist als das Feld der Geistes- oder Ideengeschichte. Während Evelyn S. Rawski sich in ihrem chinaweiten Überblick auf die Schreib- und Lesefähigkeit konzentriert und dazu insbesondere Lokalchroniken (difangzhi) ausgewertet hat, greift Sally Borthwick inhaltlich weiter aus und versucht, die Rolle der Bildung im Prozess des politischen Wandels ab dem späten 19. Jahrhundert zu bestimmen.81 Ähnlich wie Rankin kommt sie zu dem Schluss, die „Neue Politik“ habe die Gentry durch Sonderbefugnisse mächtiger gemacht, die staatlichen Beamten seien an den Rand gedrängt worden. Insofern sei es das entscheidende Manko der Reformen gewesen, dass zwar Inhalte und Organisation weitgehend aus dem Ausland übernommen worden seien, nicht aber das System der Finanzierung. Dies habe zugleich die Gentry in ihrer Forderung nach Selbstverwaltung bestärkt.82 Marianne Bastids Untersuchung des bildungspolitischen Engagements des Reformers Zhang Jian (1853–1926) in seinem ab der Wende zum 20. Jahrhundert zum „Modell der Moderne“ avancierten Heimatort Nantong nördlich von Shanghai rückt ebenfalls die lokale Elite in den Fokus.83 Dabei wird einerseits deutlich, welche Ausstrahlung deren urbane Vorbild-Unternehmungen entwickeln konnten. Andererseits betont Bastid unterschiedliche Erwartungshaltungen an die neuen Schulen: Während sich die Gentry Veränderung und Mobilität versprach, hofften die Beamten auf Stabilität und Gehorsam.84 79 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu. 80 Zuo Songtao, „Naoshu“ yu „huixue“. Wan Qing Minguo de sishu yu xuetang (xiao) zhi zheng, Dissertation Zhongshan Daxue, Guangzhou 2006; Xu Wenyong, Qingli zhisheng xuewu jigou jianzhi ji yu difang shehui de hudong, Dissertation Zhongshan Daxue, Guangzhou 2009; An Dongqiang, Qingdai xuezheng yange yu huangchao tizhi, Dissertation Zhongshan Daxue, Guangzhou 2011; Qi Mei, Qingmo Guangdong xuetang jingfei de chouji, MA thesis Zhongshan Daxue, Guangzhou 2005. 81 Evelyn Sakakida Rawski, Education and Popular Literacy in Ch’ing China, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 1979. 82 Sally Borthwick, Education and Social Change in China. The Beginnings of the Modern Era, Stanford, CA: Hoover Press 1983, S. 65, 76, 103. 83 Zum Modellcharakter der Stadt siehe Shao Qin, Culturing Modernity. The Nantong Model, 1890–1930, Stanford, CA: Stanford University Press 2004. 84 Marianne Bastid, Educational Reform in Early Twentieth-Century China, Ann Arbor, MI: Center for Chinese Studies, University of Michigan 1988, S. 55.
22 1 Einleitung
Bastids Fokus auf lokalen Einzelinitiativen wie auch der lokalen Umsetzung zentralstaatlicher Bildungsreformen ist immer wieder aufgegriffen worden.85 Die Ergebnisse sind, was bei Lokalstudien aus unterschiedlichen Landesteilen nicht überraschen wird, uneinheitlich. Insgesamt haben diese Studien aber zu einer Revision der herkömmlichen Darstellung geführt, der zufolge die neuen Schulen mit ihren westlichen Lehrinhalten vor allem auf dem Land auf breite Ablehnung gestoßen seien.86 Dieser Sichtweise, die heute am ehesten noch in der Forschung in der Volksrepublik China anzutreffen ist, scheint nicht zuletzt die höhere Aufmerksamkeit der Zeitgenossen für die Konflikte zugrunde zu liegen, die die Schulreform mit sich brachte.87 Nicht nur die staatliche Überlieferung sowie ausländische Beobachter widmeten den gewalttätigen Übergriffen aufgebrachter Bauern auf die neuen Schulen größere Aufmerksamkeit als den unspektakulären Fällen friedlicher Kooperation. Auch die zur Jahrhundertwende zunehmende Zahl chinesischer Illustrierter berichtete ausführlich darüber. Weil vergleichbare Bilder konfliktfreier Schulgründungen naheliegender Weise fehlen, tragen diese Abbildungen mit ihrer hohen Suggestionskraft bis heute zu einem einseitigen Bild bei (Abb. 1).88 Lange Zeit lautete die fast einhellige Meinung der Forschung denn auch, die Bildungsreformen seien schlicht gescheitert.89 Entweder seien statt moder85 VanderVen, A School in Every Village; Li Huaiyin, Village Governance in North China, 1875–1936, Stanford, CA: Stanford University Press 2005; Barry C. Keenan, Imperial China’s Last Classical Academies. Social Change in the Lower Yangzi, 1864–1911, Berkeley, CA: Institute of East Asian Studies, University of California 1994; Sarah Coles McElroy, Forging a New Role for Women. Zhili First Women’s Normal School and the Growth of Women’s Education in China, 1901–21, in: Glen Peterson/Ruth Hayhoe/Yongling Lu (Hrsg.), Education, Culture, and Identity in Twentieth-Century China, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 2001, S. 348– 374; Thøgersen, County. 86 Borthwick, Education, S. 97 und passim; ähnlich Roxann Prazniak, Of Camel Kings and Other Things. Rural Rebels against Modernity in Late Imperial China, Lanham, MD: Rowman & Littlefield 1999. 87 Jiang Chunjiao, Yi ge jieceng de xiaoshi. Wan Qing yi jiang shushi yanjiu, Shanghai: Shanghai shudian 2007, S. 155–161. 88 Zur Schilderung eines Beispiels siehe ebd., S. 159–161. Siehe auch die Abbildungen in Benjamin A. Elman, A Cultural History of Civil Examinations in Late Imperial China, Berkeley, CA: University of California Press 2000, S. 623 sowie in Thoralf Klein, Geschichte Chinas. Von 1800 bis zur Gegenwart, Paderborn: Schöningh 2007, S. 268. 89 Manchmal lag dies am europäischen Maßstab, der in der Tat nur eine „Geschichte des Mangels“ (Dipesh Chakrabarty) zuließ. Ähnlich jenen Reformern der späten Qing-Zeit, die idealisierenden Darstellungen westlicher Stärke und westlichen Reichtums nacheiferten, haben Historikerinnen und Historiker immer wieder westliche Ideale mit chinesischen Realitäten verglichen, siehe Wong, China Transformed, S. 154–165; Sun Qing, Wan Qing zhi „xizheng“ dongjian ji bentu huiying, Shanghai: Shanghai shudian 2009, S. 31.
1.3 Forschungsstand
23
ner Schulen bloß Fassaden derselben entstanden, hinter deren Mauern weiterhin die klassischen Texte an erster Stelle gestanden hätten.90 Die konservative Gentry habe das ungeliebte neue System usurpiert und unter dem Tarnnamen der modernen xuetang weiter gemacht wie zuvor. Dem Zentralstaat habe man die Umsetzung der Reformen nur vorgegaukelt. Oder aber – und das gilt besonders für Untersuchungen zu den Städten entlang der Ostküste – die lokalen Eliten hätten ihre Spielräume genutzt, um Schulen zu gründen, über die die Zentralregierung keine Kontrolle gehabt habe und die zu Zentren von Umsturzbewegungen geworden seien.91 Aus lokaler Perspektive indes verkehrt sich die Geschichte des Scheiterns zentralstaatlicher Kontrolle in eine Geschichte des lokalen Aufbaus von Bildungsinstitutionen und der Kooperation zwischen lokalen Beamten und der Bevölkerung. Man muss dabei nicht so weit gehen wie der oben zitierte D. L. Anderson. Dessen Annahme, die Gegenwart habe radikal mit der Vergangenheit gebrochen, hatte die frühere Forschung im Überschwang einer unkritischen Modernisierungserzählung noch geteilt, doch ist sie heute kaum noch anzutreffen.92 Tatsächlich wurden Bildung und entsprechende staatliche Interventionen gerade in den Dörfern längst nicht immer abgelehnt. Bildung genoss aufgrund ihrer historischen Verwurzelung und ihres Aufstiegsversprechens eine Sonderstellung unter allen Reformen der „Neuen Politik“.93 Tatsächlich haben Philip Huang und einige seiner Schüler zeigen können, dass die neuen Schulen oft bereitwillig akzeptiert und von den Bauern mitfinanziert wurden. Li Huaiyin führt dies auf die „cooperative tradition“ zwischen Bauern und Staat zurück. Konfliktfälle seien nur aufgetreten, wenn Dorfbewohner den Eindruck hatten, von der Schule nicht auch selbst zu profitieren.94 Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt Elizabeth VanderVen mit Bezug auf ei-
90 Konfuzius’ Stellenwert allerdings sollte auch gar nicht geschmälert, sondern gestärkt werden, siehe Zheng Yuan, The Status of Confucianism in Modern Chinese Education, 1901–49. A Curricular Study, in: Glen Peterson/Ruth Hayhoe/Yongling Lu (Hrsg.), Education, Culture, and Identity in Twentieth-Century China, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 2001, S. 193– 216, hier S. 195. 91 Elman, Cultural, S. 616. 92 So bei Zhang Ru, Qing mo xinzheng de xinshi xuetang yu jiaoyu jindaihua, in: Leshan shifan xueyuan xuebao 17 (2002) 1, S. 58–61. 93 Thomas D. Curran, Educational Reform and the Paradigm of State-Society Conflict in Republican China, in: Republican China 18 (1993) 2, S. 26–63; Thøgersen, County; VanderVen, A School in Every Village; Xiaohong Xiao-Planes, Éducation et politique en Chine. Le rôle des élites du Jiangsu, 1905–1914, Paris: Ed. de l’Ecole des Hautes Etudes en Sciences Sociales 2001. 94 Li Huaiyin, Village, S. 170f.
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nen Kreis im Nordosten Chinas.95 Beide Untersuchungen bestätigen damit die Ergebnisse der Studie Kathryn Bernhardts zum ländlichen Jangtse-Delta nach dem Taiping-Aufstand. Im Unterschied zu Rankin sieht Bernhardt hier nämlich eine Kooperation von Staat und Gentry zum gegenseitigen Nutzen.96 Die Langzeitstudie von Stig Thøgersen zum Kreis Zouping in der Provinz Shandong widerspricht nur auf den ersten Blick den oben angeführten Untersuchungen. Zwar stellt Thøgersen fest, dass die traditionellen privaten Schulen (sishu), die vornehmlich der Vermittlung einer grundständigen Schreib- und Lesefähigkeit dienten, bis in die 1950er Jahre hinein die beliebteste Schulform blieben. Dies schloss allerdings nicht aus, dass sich die Bauern den staatlichen Reformvorgaben gegenüber kooperativ verhielten. Thøgersen zeigt jedoch, dass sich die neuen Schulen häufig nur den äußerlichen Anschein von Modernität gaben.97 Diese offiziell kooperative, faktisch ablehnende Haltung der Landbevölkerung erklärt Thøgersen nicht wie die frühere Forschung als irrational, sondern gerade als rationales Verhalten der Bauern, deren Bildungsbedürfnisse nicht auf akademische Weihen, sondern auf den flexiblen und kostengünstigen Erwerb einer gewissen Lese- und Schreibfähigkeit abzielten.98 Zusammenfassend wird zum einen deutlich, dass in der Forschung, abgesehen von Edward J. M. Rhoads’ Monographie aus dem Jahr 1975, ein Mangel an detaillierten Fallstudien zur Umsetzung der „Neuen Politik“, und speziell der Schulreformen, in Südchina fehlt.99 Zum anderen, und das ist bedeutsamer, wird nirgendwo ein Zusammenhang zwischen Unterrichtspraxis, Schulverwaltung und der Wahrnehmung des expandierenden Staates hergestellt.
95 Elizabeth VanderVen, Village-State Cooperation. Modern Community Schools and Their Funding, Haicheng County, Fengtian, 1905–1931, in: Modern China 31 (2005) 2, S. 204–235, hier S. 230. 96 Kathryn Bernhardt, Rents, Taxes, and Peasant Resistance. The Lower Yangzi Region, 1840– 1950, Stanford, CA: Stanford University Press 1992, S. 117f. 97 Thøgersen, County, S. 40. Im Unterschied zu Japan hatten die Bildungsreformer in China aufgrund ihres radikaleren, vom Pathos der rasanten, allumfassenden Neuerung getragenen Eifers die alten sishu nicht in ihre Reformpläne einbezogen, sondern ihre Abschaffung und Ersetzung durch neue Schulen projektiert, siehe Suzanne Pepper, Radicalism and Education Reform in 20th-Century China. The Search for an Ideal Development Model, Cambridge: Cambridge University Press 1996, S. 79. 98 Thøgersen, County, S. 7–9. 99 Edward J. M. Rhoads, China’s Republican Revolution. The Case of Kwangtung, 1895–1913, Cambridge MA: Harvard University Press 1975.
1.4 Schule, Staat und Nation
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1.4 Schule, Staat und Nation Ich deute die Bildungsreformen der „Neue Politik“ sowohl als faktischen Ausbau des chinesischen Staates, als auch als Intensivierung der Wahrnehmung dieses Staates als eigenständiger Institution. Theoretisch fasse ich ersteren Aspekt mit den Begriffen state-building, nation-building und Governance, und den zweiten Aspekt mit den Begriffen statetification und state effect.
1.4.1 State-building, Nation-building und Governance Die „Neue Politik“ lässt sich zunächst als state-building im Sinne von Charles Tilly beschreiben.100 Das mag für ein Staatswesen mit einer so langen Geschichte wie dem chinesischen verwundern. Allerdings war – auch bei der „Staatskunst“-Schule des 19. Jahrhunderts – der Staat mit seinen Zwangsmitteln im chinesischen Diskurs meist schlecht beleumundet und galt allenfalls als zweitbestes Mittel, wenn nicht als notwendiges Übel. Nie war der Staat das höchste Gut.101 Das neokonfuzianische Ideal gab stattdessen dem minimalen Regieren den Vorzug: Der Zentralstaat, insbesondere der Kaiser, sollte durch Vorbild statt durch Zwang regieren, und seine Wohltätigkeit drückte sich vor allem in einer möglichst geringen Besteuerung aus. Rund 1.400 Kreisbeamte bildeten die unterste Verwaltungsebene, und mancher von ihnen war, auch wenn er über einen beträchtlichen Mitarbeiterstab verfügte, für alle Belange von mehr als einer Millionen Menschen zuständig. Unerlässlich war es daher, dass die lokale Gentry dem Beamten zur Seite stand oder die Dinge gleich selbst regelte.102 Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts aber verabschiedete sich die Zentralregierung vom überkommenen Bild des minimalinvasiven, minimal organisierten Staates. An seine Stelle setzte sie ein Ideal, das Elizabeth J. Remick in Anlehnung an Charles Tillys klassische Definition für China wie folgt bestimmt: State building is the process by which state actors make a state organization grow in size, extend its reach, and increase its functions. Growing in size means increasing the number of employees and suborganizations within the state organization. Extension of the state’s reach refers to its ability to exert influence through organizational presence at lower and
100 Charles Tilly, Coercion, Capital, and European States, AD 990–1990, Cambridge: Basil Blackwell 1990, S. 130f. 101 Zarrow, After Empire, S. 278. 102 Philip A. Kuhn, Origins of the Modern Chinese State, Stanford, CA: Stanford University Press 2002, S. 21–24; Rowe, China’s Last Empire, S. 44; Peter Kees Bol, Neo-Confucianism in History, Cambridge, MA: Harvard University Press 2008, S. 277.
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lower levels of the administrative hierarchy. Increasing the state’s functions means that it takes on new tasks that had not previously been the state’s responsibility.103
Die Schaffung eines umfassenden staatlichen Schulsystems ist ein klassisches Beispiel für eine neue Staatsfunktion. Als wichtigste Funktionen jedoch, an denen (europäisches) state-building gemeinhin gemessen wird, gelten Militär und Besteuerung.104 Dass im internationalen System zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Erwartungen an einen Staat jedoch bereits viel umfassender waren, war den chinesischen Zeitgenossen bewusst. So bemerkte ein 1902 erschienenes, chinesisches juristisches Handbuch, heutige Staaten seien dem „öffentlichen Gut“ (gong) verpflichtet und müssten daher auch für Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche Entwicklung und Infrastruktur Sorge tragen.105 Und tatsächlich hatte die Qing-Regierung bereits im 19. Jahrhundert begonnen, neue Funktionen zu übernehmen und dafür andere vernachlässigt.106 Während das staatliche Schulsystem also zweifelsohne eine neue Staatsfunktion darstellte, war der Boden dafür durchaus bereitet: Bildung und das geschriebene Wort hatten im kaiserlichen China qua des Systems der Beamtenprüfungen schon lange eine zentrale Rolle für die Legitimation staatlicher Herrschaft und die Reproduktion der Elite gespielt.107 Im Unterschied zu anderen Gebieten, auf denen die Expansion des Staates während der „Neuen Politik“ und seine Durchdringung der Lokalgesellschaft untersucht worden sind (insbesondere Besteuerung108), stellt Bildung also insofern einen Sonderfall dar, als dass sowohl wegen ihrer traditionellen Wertschätzung als auch wegen ihres Nutzens für die lokale Gesellschaft anzunehmen ist, dass das Potential für Konflikte mit dem expandierenden Staat von vornherein geringer war.109 Zudem waren bereits Strukturen vorhanden, an die der Staat anknüpfen konnte (Kapitel 2). Insofern intensivierte der Staat hier bereits vorhandene Elemente der hierarchischen Steuerung wie auch der Kooperation mit nicht-staatlichen Akteuren. Als eine Variante innerhalb der Steuerungstheorie beschreibt 103 Elizabeth J. Remick, The Significance of Variation in Local States. The Case of Twentieth Century China, in: Comparative Politics 34 (2002) 4, S. 399–418, hier S. 402. 104 Tilly, Coercion, S. 19, 87f. 105 Zarrow, After Empire, S. 100. 106 Pomeranz, Making, S. 21f. 107 Benjamin A. Elman, Political, Social, and Cultural Reproduction via Civil Service Examinations in Late Imperial China, in: The Journal of Asian Studies 50 (1991) 1, S. 7–28, hier S. 8– 10. 108 Philip A. Kuhn, Local Taxation and Finance in Republican China, in: Susan Mann Jones (Hrsg.), Select Papers from the Center for Far Eastern Studies. Proceedings of the NEH Modern China Project, Chicago, IL: The University of Chicago 1978–79, S. 100–136; Duara, Culture. 109 VanderVen, A School in Every Village, S. 165.
1.4 Schule, Staat und Nation
27
„hierarchische Steuerung“, am idealen europäischen Nationalstaat und der Herrschaftsdefinition Max Webers orientiert, die notfalls mit Zwang durchgesetzte Befolgung staatlicher Weisungen.110 Die „hierarchische Steuerung“ kennzeichnet insofern treffend sowohl den Anspruch der „Neuen Politik“ als auch Teile ihrer realen Implementierung (Kapitel 3). Demgegenüber entspringt die stärkere Beachtung kooperativer Arrangements der politikwissenschaftlichen Governance-Theorie.111 Deren bottom-upPerspektive ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit gut geeignet, um die Grenzen des Anspruchs der Zentralregierung auf hierarchische Steuerung in der lokalen Praxis auszuloten. Vor Ort nämlich hing die Umsetzung der Bildungsreformen in mehrfacher Hinsicht – am deutlichsten in der Finanzierungsfrage – vom Kooperationswillen der lokalen Eliten ab (Kapitel 4). Gründung und Betrieb der neuen Schulen bewegten sich irgendwo zwischen governance with government und governance without government. Nur selten handelte es sich um direkte governance by government.112 Während die heutige Governance-Theorie also den faktischen Grenzen des Modells der hierarchischen Steuerung Rechnung trägt, zielten zeitgenössisch manche Maßnahmen der Bildungsreformen gerade darauf ab, das Ideal hierarchischer Steuerung durch eine deutliche Trennung staatlicher von nicht-staatlichen Institutionen sichtbar zu machen und deren reale Überschneidungen zu verschleiern. Faktisch jedoch war der Zentralregierung bewusst, dass sie in einem solch großen Land nicht überall hierarchisch und einheitlich steuern konnte. Peter Kreuzer hat den daraus resultierenden Regierungsstil der Qing-Dynastie – nota bene vor 1900 – eingehend beschrieben und dabei verdeutlicht, dass die Definition „öffentlicher Aufgaben“, zu denen zu Beginn des 20. Jahrhunderts dann auch ein universelles Schulsystem gehören sollte, vordem weitgehend ins Ermessen des örtlichen Beamten und der lokalen Gentry gestellt gewesen war. Der Zentralstaat griff nur im ausufernden Konfliktfall ein, und das natürlich auch nur, sofern er davon Kenntnis erlangte.113 Wo es hingegen um die umfassende Durchsetzung zentralstaatlicher Vorgaben ging, setzte Beijing meist auf eine Strategie, die Sebastian Heilmann und 110 Renate Mayntz, Governance Theory als fortentwickelte Steuerungstheorie?, in: Gunnar Folke Schuppert (Hrsg.), Governance-Forschung. Vergewisserung über Stand und Entwicklungslinien, Baden Baden: Nomos 2005, S. 11–20, hier S. 13f., 16; DFG-Sonderforschungsbereich 700 (Hrsg.), Grundbegriffe, S. 8. 111 Renate Mayntz, Governance im modernen Staat, in: Arthur Benz (Hrsg.), Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen, Wiesbaden: VS 2004, S. 65–76, hier S. 69f. 112 Michael Zürn, Regieren jenseits des Nationalstaates. Globalisierung und Denationalisierung als Chance, Frankfurt am Main: Suhrkamp 1998, S. 169f. 113 Kreuzer, Staat, S. 197–201.
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Elizabeth Perry adaptive governance genannt haben: Abweichungen vom landesweiten Standard gemäß den jeweiligen lokalen Sonderbedingungen und -bedürfnissen waren von vornherein eingeplant, und viele Maßnahmen wurden (und werden bis heute) zunächst in lokalen Modellversuchen erprobt, ehe sie in die nationale Gesetzgebung einfließen.114 Zwar entwickeln Heilmann und Perry ihr Modell anhand der Volksrepublik China, doch lässt es sich auch auf die späte Kaiserzeit anwenden. Viele einzelne Reformen der „Neuen Politik“ gingen selbst auf lokale Versuche zurück. Als es allerdings an deren reichsweite Implementierung ging, das werden die Kapitel 3 und 4 zeigen, stand der Anspruch der „Neuen Politik“ auf Vereinheitlichung oft quer zur „von unten“ weiterhin eingeforderten, lokalen Adaption. Die Architekten der Reformen versuchten also bis 1911, ein bewährtes Prinzip chinesischer Verwaltung zurückzudrängen, mit geringem Erfolg. Spätere Regierungen sollten ebenfalls am Anspruch tatsächlicher Vereinheitlichung scheitern, ehe die Kommunistische Partei nach 1949 wieder an das alte Prinzip anknüpfte, „die Maßnahmen den lokalen Bedingungen anzupassen“ (yindi zhiyi). Die Debatte über das richtige Verhältnis zwischen (zentral)staatlicher Steuerung – government (tongzhi) – und provinzieller oder kommunaler Eigenständigkeit – governance (zhili) – spielt auch heute wieder eine gewichtige Rolle im politischen Diskurs der Volksrepublik China.115 Die Schaffung eines staatlichen Schulsystems bedeutete im globalen Kontext der Jahrhundertwende jedoch mehr als nur die „neutrale“ Aufnahme eines weiteren Politikfeldes in das Portfolio der Staatsfunktionen. Seit Benedict Andersons und Ernest Gellners Arbeiten steht fest, dass der Etablierung nationaler Bildungssysteme eine zentrale Funktion für die Entstehung der Nationalstaaten zukommt. Durch Lehrpläne und Schulbücher gelang es den Regierungen, Bildungsexperten und nationalen Agitatoren, Vorstellungen vom Entstehen und Wesen der eigenen Nation zu prägen und zu vereinheitlichen und so – in scharfer Abgrenzung von anderen – nationale Identitäten zu prägen.116 Jüngere Arbeiten haben insbesondere die Rolle des Globalisierungsschubs des 19. Jahrhunderts für die Entwicklung von Nationalismus und nationalen 114 Sebastian Heilmann/Elizabeth J. Perry, Embracing Uncertainty. Guerrilla Policy Style and Adaptive Governance in China, in: Dies. (Hrsg.), Mao’s Invisible Hand. The Political Foundations of Adaptive Governance in China, Cambridge, MA: Harvard University Asia Center 2011, S. 1–29. 115 Izabella Goikhman/Barbara Herrmann, The Governance Discourse in China, SFB-Governance Working Paper Series 41, Berlin 2012; Xiaowei Zang/Chien-Wen Kou (Hrsg.), Elites and Governance in China, London: Routledge 2013. 116 Benedict Anderson, Imagined Communities. Reflections on the Origins and Spread of Nationalism, London: Verso 1983; Ernest Gellner, Nations and Nationalism. New Perspectives on the Past, Ithaca, NY: Cornell University Press 1983.
1.4 Schule, Staat und Nation
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Schulsystemen hervorgehoben. Erst der zunehmende Kontakt, die zunehmende Kenntnis von anderen Menschen rund um die Erde – und die Vorstellung eines globalen, insbesondere ökonomischen Wettbewerbs der Nationen – verliehen dem Nationalismus und dem Bedürfnis, klare Unterschiede zu postulieren, Schwung.117 Staaten nutzten den direkten Zugriff auf die Bewusstseinsbildung der werdenden Staatsbürger, den ein staatliches Schulsystem versprach. Eckhardt Fuchs hat darauf hingewiesen, dass damit auch ein Wandel des Bildungsverständnisses einherging: An die Stelle universeller Ideale traten vermeintlich eigenständige nationale Schulsysteme, die sich freilich nur durch gegenseitige Abgrenzung definierten.118 Nationale Identität wurde nicht unbedingt planvoll implementiert, aber sie wurde von den Nationalstaaten dankbar aufgegriffen und benutzt, um die Bevölkerung zu mobilisieren und in den Dienst der nationalen Wirtschaft und des Militärs zu stellen. Charles S. Maiers „Leviathan 2.0“ entstand eben aus dem Glauben der Staaten an die eigene „competitive mission“.119 Solches nation-building setzt, im Unterschied zu Tillys state-building, die Vorstellung der Nation voraus.120 Nation-building zielt auf eine Homogenisierung, die hinsichtlich ganz unterschiedlicher Kategorien angestrebt werden konnte: ethnisch, sprachlich, religiös oder hinsichtlich des politischen Bekenntnisses. State-building dagegen lässt sich historisch schon im Mesopotamien des zweiten Jahrtausends vor Christus beobachten.121 Auf- und Ausbau des Staatswesens im Sinne von Charles Tilly kann also durch den Nationalismus gerade gefährdet und gestoppt werden, der Staat der Nation zum Opfer fallen. Eben dies geschah ja mit zahlreichen kleinen Staaten in Europa – insbesondere jenen 117 Christopher L. Hill, National History and the World of Nations. Capital, State, and the Rhetoric of History in Japan, France, and the United States, Durham, NC: Duke University Press 2008; Sebastian Conrad, Globalisierung und Nation im deutschen Kaiserreich, München: C. H. Beck 2006; Rebecca E. Karl, Staging the World. Chinese Nationalism at the Turn of the Twentieth Century, Durham, NC: Duke University Press 2002; ähnlich für die Zwischenkriegszeit Erez Manela, The Wilsonian Moment. Self-Determination and the International Origins of Anticolonial Nationalism, Oxford: Oxford University Press 2007. 118 Eckhardt Fuchs, Educational Sciences, Morality and Politics. International Educational Congresses in the Early Twentieth Century, in: Paedagogica Historica 40 (2004) 5/6, S. 757– 784, hier S. 782; Daniel Tröhler/Thomas S. Popkewitz/David F. Labaree (Hrsg.), Schooling and the Making of Citizens in the Long Nineteenth Century. Comparative Visions, New York: Routledge 2011. 119 Maier, Leviathan 2.0, S. 37. 120 Philip L. White, Globalization and the Mythology of the „Nation State“, in: Anthony G. Hopkins (Hrsg.), Global History. Interactions Between the Universal and the Local, Basingstoke, Hampshire: Palgrave Macmillan 2006, S. 257–284. 121 Tilly, Coercion, S. 1.
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des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation – wie auch mit den meisten multiethnischen Reichen; auch China kann zumindest für die Periode von 1911 bis 1949 nicht ausgenommen werden.122 Prasenjit Duara hat betont, dass im Unterschied zu den Nationalstaaten Europas im China des 19. und 20. Jahrhunderts das nation-building nicht chronologisch auf ein früheres state-building folgte, sondern dass beides gleichzeitig stattfand.123 Dies erklärt auch den Eindruck des rasanten und grundstürzenden Wandels, den die „Neue Politik“ bei den Zeitgenossen auslöste und den 1908 auch Wu Tingfang in seiner New Yorker Rede hervorhob. China hatte, aus europäischer Perspektive, den Territorialstaat des Westfälischen Systems „übersprungen“ und stieg an der Wende zum 20. Jahrhundert gleich mit dem „Leviathan 2.0“ ein. Doch der Nationalismus konnte dem Staat nur nutzen, wenn es letzterem gelang, sich mit der Nation zur Deckung zu bringen. Hierzu bedienten sich im 19. Jahrhundert die Imperien denn auch bald derselben Instrumente wie die Nationalstaaten.124 Dazu gehörten Sprachpolitik und Eisenbahnbau. Am wichtigsten aber war ein staatliches Schulsystem, weil es einen hegemonialen Anspruch auf die geistige, seelische und körperliche Formung der Staatsbürger vertrat. Dies machte es möglich, den Einzelnen dazu zu erziehen und zu befähigen, zu „Reichtum und Stärke“ der Nation beizutragen.125 Zudem konnte der Staat durch fixe Schulzeiten und nationale Feiertage das Bewusstsein einer gemeinsamen Zeit und eines gemeinsamen Raumes fördern.126
122 Jane Burbank/Frederick Cooper, Empires in World History. Power and the Politics of Difference, Princeton, NJ: Princeton University Press 2010, S. 388f. 123 Duara, Culture, S. 2f. 124 Joachim von Puttkamer, Schooling, Religion and the Integration of Empire. Education in the Habsburg Monarchy and in Tsarist Russia, in: Jörn Leonhard/Ulrike von Hirschhausen (Hrsg.), Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011, S. 359–372, hier S. 372; Jörn Leonhard/Ulrike von Hirschhausen, Beyond Rise, Decline and Fall. Comparing Multi-Ethnic Empires in the Long Nineteenth Century, in: Dies. (Hrsg.), Comparing, S. 10–34, hier S. 16. 125 Osterhammel, Verwandlung, S. 902f.; Andy Green, Education and State Formation. The Rise of Education Systems in England, France and the USA, Basingstoke, Hampshire: Palgrave Macmillan 1992, S. 109; Christopher A. Bayly, The Birth of the Modern World, 1780–1914. Global Connections and Comparisons, Malden, MA: Blackwell 2004, S. 12–19; Andrew D. Morris, „To Make the Four Hundred Million Move“. The Late Qing Dynasty Origins of Modern Chinese Sport and Physical Culture, in: Comparative Studies in Society and History 42 (2000) 4, S. 876– 906. 126 Ya-pei Kuo, Redeploying Confucius. The Imperial State Dreams of the Nation, 1902–1911, in: Mayfair Mei-hui Yang (Hrsg.), Chinese Religiosities. Afflictions of Modernity and State Formation, Berkeley, CA: University of California Press 2008, S. 65–84, hier S. 66f.
1.4 Schule, Staat und Nation
31
Die Qing-Regierung versuchte während der „Neuen Politik“, Kongruenz zwischen Staat und Nation herzustellen, stand aber vor dem Problem, die multiethnische chinesische „Nation“ unmöglich ethnisch homogen (han-chinesisch) definieren zu können. State-building und nation-building fanden gleichzeitig statt, standen aber, wie oben erläutert, in Widerspruch zueinander.127 Vor 1900 hatte die Herrschaft der Qing gerade auf der Trennung in einer Reihe ethnisch, religiös und kulturell definierter Gruppen beruht.128 Folgerichtig versuchte das Herrscherhaus nun, den Nationalismus seiner Untertanen nicht in eine ethnische, sondern in eine kulturelle, konfuzianische und kaisertreue Richtung zu lenken. Dies sollte durch Schulbücher und die Beförderung der Konfuzius-Verehrung zu einem Staatskult erreicht werden, aber auch durch die Vereinheitlichung der gesprochenen Sprache.129 Diese und weitere Maßnahmen waren nötig, wollte sich der Qing-Staat den globalen Trend hin zur Nation zunutze machen anstatt ihm zum Opfer zu fallen. Erst vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die Kaiserinwitwe sich 1901 zu solch radikalen Reformen entschloss, und warum viele Gouverneure ihr folgten und andere ihr gar vorauseilten. Die immensen praktischen Probleme eines im Handumdrehen komplett neu zu schaffenden Schulalltags, die uns im Folgenden beschäftigen sollen, nahm die Regierung in Kauf, weil nur ein staatliches Schulsystem einen Weg zur künftigen Nation China verhieß – und nur die Nation versprach in der Logik des globalen Diskurses der Jahrhundertwende noch die Erfüllung des imperialen – oder nun: chinesischen – Traums von Reichtum und Stärke. 127 Ausführlich hierzu Julia C. Schneider, Nation and Ethnicity. Chinese Discourses on History, Historiography, and Nationalism (1900s–1920s), Leiden: Brill 2017; Peter C. Perdue, Erasing the Empire, Re-racing the Nation. Racialism and Culturalism in Imperial China, in: Ann Laura Stoler/Carole McGranahan/Peter C Perdue (Hrsg.), Imperial Formations, Santa Fe, NM: School for Advanced Research Press 2007, S. 141–169; Pamela Kyle Crossley, Nationality and Difference in China. The Post-Imperial Dilemma, in: Joshua A. Fogel (Hrsg.), The Teleology of the Modern Nation-State. Japan and China, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2005, S. 138–158. 128 Evelyn Sakakida Rawski, Presidential Address. Reenvisioning the Qing. The Significance of the Qing Period in Chinese History, in: The Journal of Asian Studies 55 (1996) 4, S. 829–850, hier S. 833–836; James A Millward (Hrsg.), New Qing Imperial History. The Making of Inner Asian Empire at Qing Chengde, London: RoutledgeCurzon 2004. 129 Ya-pei Kuo, „The Emperor and the People in One Body“. The Worship of Confucius and Ritual Planning in the Xinzheng Reforms, 1902–1911, in: Modern China 35 (2009) 2, S. 123–154; Elisabeth Kaske, The Politics of Language in Chinese Education, 1895–1919, Leiden: Brill 2008, S. 234, 308–315; Tze-Ki Hon, Educating the Citizens. Visions of China in Late Qing History Textbooks, in: Ders./Robert Joseph Culp (Hrsg.), The Politics of Historical Production in Late Qing and Republican China, Leiden: Brill 2007, S. 79–105; Wang Jianjun, Zhongguo jindai jiaokeshu fazhan yanjiu, Guangzhou: Guangdong jiaoyu chubanshe 1996.
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1.4.2 Stateification, State Effect und Gesellschaft Revisionistische Lesarten der gesamten kolonialen Phase in China heben nicht allein den im globalen Kontext überlebenswichtigen Staatsausbau unter den schwierigen Bedingungen eingeschränkter Souveränität und erdrückender Reparationszahlungen hervor, sondern deuten gerade diese Bedingungen sogar positiv.130 Im Gegensatz zum 18. Jahrhundert sei seit 1850 das Streben nach Reichtum und Stärke zugunsten der chinesischen Souveränität zentrales Anliegen aller Regierungen geblieben, bis heute.131 Notwendig hierfür war eine „Mobilisierung der menschlichen und materiellen Ressourcen“. Um dieses übergeordnete Ziel zu erreichen, konnte sich die „Neue Politik“ nicht im Ausbau der staatlichen Verwaltung erschöpfen. Denn für eine solche Mobilisierung fehlten dem Staat zu Anfang ja selbst die personellen und finanziellen Mittel. Der bis dato minimalistische Staat war auf die Unterstützung der lokalen Eliten angewiesen. Dass Staatsausbau und Kooperation einander nicht, wie von Rankin angenommen, ausschließen mussten, hat Roger R. Thompson gezeigt.132 Zwar konnten sich auf die „Staatskunst“-Schule und fengjian zurückgreifende Reformmaßnahmen von Gouverneur Zhao Erxun (1844–1927) in Shanxi, die explizit die Kooperation propagierten, nicht gegen jene autoritäreren Reformvorschläge, für die Yuan Shikai sich auf Japan stützen sollte, durchsetzen.133 Dennoch fanden sich ihre Spuren faktisch in den Schulreformen, wo die lokalen Eliten sich, wenn auch innerhalb eines gesetzlichen Rahmens und vom Staat nominell beaufsichtigt, selbst um Gründung, Betrieb und Finanzierung von Schulen kümmern mussten. Hier diente also die Mobilisierung der Eliten dem Ausbau des Staates.134 Doch mit der ihr zugedachten Steigbügelhalterfunktion gab sich die Gentry nicht lange zufrieden, wie ab 1909 die Konflikte um die Macht der Provinzversammlungen zeigen sollten. Ein Teil der Gentry beschränkte sich darauf, als Schulgründer und -financiers aktiv zu werden und damit bei neuer Zielsetzung
130 Scott Relyea, Gazing at the Tibetan Plateau. Sovereignty and Chinese State Expansion in the Early Twentieth Century. PhD dissertation University of Chicago, Chicago, IL 2010; Halsey, Quest. 131 Halsey, Money, S. 427. 132 Auch Frederic Wakeman Jr. hat gegen Rankins These eingewendet, dass die Gentry mitnichten unabhängig vom Staat agierte und dass dieser sich auch nicht aus der lokalen Verwaltung zurückzog, siehe Frederic Wakeman jr, The Civil Society and Public Sphere Debate. Western Reflections on Chinese Political Culture, in: Modern China 19 (1993) 2, S. 108–138, hier S. 131. 133 Thompson, Statecraft, S. 193. 134 Ebd., S. 190.
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das alte fengjian-Muster beizubehalten. Ein anderer, kleinerer Teil hingegen wurde ab 1906 – wie wir in Kapitel 3 sehen werden, zunehmend formeller – in die staatliche Verwaltung einbezogen. Philip Huang nennt diesen Prozess der Einbeziehung bei Verweigerung einer wirklichen Mitsprache, zum Beispiel im Rahmen der „Büros zur Förderung der Bildung“, stateification.135 In einer Synthese verschiedener Lokalstudien hat Huang sich sodann an einer Neuinterpretation des Regierungsstils der späten Qing versucht, welchen er als centralized minimalism bezeichnet. Der Staat habe „Quasi-Beamte statt bezahlter Bürokraten“ eingesetzt und es vorgezogen, „so wenig wie möglich zu tun, solange es nicht zu Konflikten oder Beschwerden kam“. 136 Dass jene Mitglieder der Elite, die auf diese Weise in den Staat einbezogen wurden, sich zunächst mit dessen neuen Methoden der Verwaltung vertraut machen mussten, zeige ich in Kapitel 3.137 Ein pragmatischer Kompromiss wie dieser „zentralisierte Minimalismus“, der die internationalen Maßstäbe moderner Staatlichkeit mit den realen Möglichkeiten des imperialen Staates in Einklang zu bringen suchte, sollte sich zum Kennzeichen der gesamten „Neuen Politik“ entwickeln. Auf diese Weise war es dem Staat möglich, trotz begrenzter Ressourcen zumindest den Eindruck von Kontrolle und Zentralisierung zu erwecken. Den Gesetzen der „Neuen Politik“ wohnte insofern auch ein symbolischer oder performativer Nutzen inne, denn sie markierten in ihrem Inhalt wie schon im Akt ihrer Verkündung einen neuen Anspruch des Staates, der unabhängig von der Frage ihrer Implementierung Gültigkeit besaß.138 Diese symbolische Dimension verweist uns zurück auf den state effect. Timothy Mitchell benennt eine Reihe von sicht- und erfahrbaren Hierarchisierungen und Strukturierungen von Raum und Zeit als entscheidende Komponenten, die schließlich zu einer neuen, wenn nicht überhaupt erst zu einer Auffassung des Staates als etwas Existierendem führen: The precise specification of space and function that characterize modern institutions, the coordination of these functions into hierarchical arrangements, the organization of supervision and surveillance, and the marking out of time into schedules and programs all con135 Philip C. Huang, Public Sphere/Civil Society in China? The Third Realm between State and Society, in: Modern China 19 (1993) 2, S. 216–240, hier S. 225, 229, 230. 136 Philip C. Huang, Centralized Minimalism. Semiformal Governance by Quasi Officials and Dispute Resolution in China, in: Modern China 34 (2008) 1, S. 9–35, hier S. 24. 137 Siehe auch Robert Joseph Culp, Review Essay. Knowing Society, Cultivating Citizens, and Making the State in Post-Imperial China, in: Cross Currents. East Asian History and Culture Review (2013) 6, S. 154–166, hier S. 164. 138 Antje Flüchter, Structures on the Move. Appropriating Technologies of Governance in a Transcultural Encounter, in: Dies./Susan Richter (Hrsg.), Structures on the Move. Technologies of Governance in Transcultural Encounter, Berlin, Heidelberg: Springer 2012, S. 1–27, hier S. 10.
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tribute to constructing a world that appears to consist not of a complex of social practices but of a binary order: on the one hand individuals and their activities, on the other an inert structure that somehow stands apart from individuals, precedes them, and contains and gives a framework to their lives.139
All diese Komponenten werden wir auch an den Schulen Ost-Guangdongs wiederfinden. Mitchells These ist als scharfe Frontstellung gegen die Vertreter eines „state-centred approach“ zu verstehen, die dem Staat als Ganzem wieder Akteursqualität verleihen wollten.140 Auch ich halte von letzterem Postulat wenig. Dennoch wäre es ungenügend, die „Neue Politik“ allein aus Mitchells konstruktivistischer Perspektive zu erklären. Der state effect bedeutete nicht, dass alles state building bloß Illusion gewesen wäre.141 Vielmehr beschreiben state effect und state building zwei unterschiedliche Aspekte derselben Entwicklung. Denn einerseits vermehrte das state building die Zahl staatlicher Akteure und brachte diese im Zuge intensiverer staatlicher Steuerung viel häufiger in direkten Kontakt mit der Bevölkerung. Andererseits – und hier ist Mitchells Beitrag eine entscheidende Ergänzung zu Tilly – führte dies nicht dazu, dass Staat und Gesellschaft enger verschmolzen, sondern im Gegenteil dazu, dass sie zunehmend als getrennt erschienen. Dies ist die zentrale Ambivalenz der „Neuen Politik“. Sie erklärt – und das ist mein Kernanliegen – das scheinbare Paradox, dass der Erfolg der „Neuen Politik“ unmittelbar zum Scheitern des Kaisertums in China beitrug. Stateification und state effect beeinflussten das Verhältnis des chinesischen Staates zur Gesellschaft also nachhaltig. Während China von den bekannteren Theoretikern des Nationalismus oft ausgeklammert wurde, weil es nicht recht in das primär europäische Schema passte, haben in der chinahistorischen Forschung Fragen nach dem Verhältnis von Nation, Staat und Gesellschaft einer Reihe von Arbeiten zugrunde gelegen, die unser Verständnis der neueren chine-
139 Mitchell, Limits, S. 94. 140 Theda Skocpol, Bringing the State Back In. Strategies of Analysis in Current Research, in: Peter B. Evans/Dietrich Rueschemeyer/Theda Skocpol (Hrsg.), Bringing the State Back In, Cambridge: Cambridge University Press 1985, S. 3–37; George Steinmetz, Introduction. Culture and the State, in: Ders. (Hrsg.), State/Culture. State-Formation after the Cultural Turn, Ithaca, NY: Cornell University Press 1999, S. 1–49, hier S. 17–20. 141 Von der „illusion of bureaucratic control“ spricht demgegenüber mit Bezug auf den imperialen Zensus Ulrike von Hirschhausen, People that Count. The Imperial Census in Nineteenthand Early Twentieth-Century Europe and India, in: Jörn Leonhard/Ulrike von Hirschhausen (Hrsg.), Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011, S. 145–170, hier S. 168.
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sischen Geschichte verändert haben.142 Das grundlegende Problem der „Grenzen der europäischen Erfahrung“ (R. Bin Wong) wurde in der Debatte über eine „öffentliche Sphäre“ oder „Zivilgesellschaft“ in China offenbar.143 Im Kern ging es um die Frage, ob in China gegenwärtig eine solche Sphäre der politischen Debatte und des Handelns nicht-staatlicher Akteure existiere oder existiert habe. Aus heutiger Sicht ist diese Auseinandersetzung mit ihren eurozentrischen Prämissen leicht aus den Bedingungen ihrer Zeit zu erklären. Auslöser war Mary Backus Rankins oben erläuterte Beschreibung der Provinz Zhejiang nach dem Ende des Taiping-Aufstands, als viele Gentry-Mitglieder und Kaufleute begannen, ehemals staatliche Aufgaben zu übernehmen.144 Rankin sprach vom Entstehen einer public sphere, und eben dieser Begriff fand sich auch in Jürgen Habermas’ drei Jahre später erstmals in englischer Sprache erschienenen, historischen Analyse der Genese der Öffentlichkeit in Westeuropa, die die Diskussion entscheidend beleben sollte.145 Zum anderen erhielt die Auseinandersetzung Nahrung durch die zeitgleichen Demokratiebewegungen in Osteuropa und China mit dem 4. Juni 1989 als traurigem Höhepunkt. Doch unbeschadet dieser historischen Einordnung hat die Debatte einige für unseren Kontext wichtige Ergebnisse gebracht. So ist deutlich geworden, dass das, was Rankin „public sphere“ nannte, nicht die diskutierende Zeitungsöffentlichkeit im Sinne von Habermas war, sondern vielmehr die Übernahme ehemaliger Staatsfunktionen durch eine zunehmend nationalbewusste lokale Elite, die auf diesem Wege keineswegs den Staat herausfordern, sondern eher unterstützen wollte.146 Näher an Habermas’ These liegt die Darstellung von Joan Judge, die am Ende des 19. Jahrhunderts das Entstehen eines „middle realm“ zwischen Beamtenelite und einfachem Volk beobachtet. Diese „Mittelschicht“ 142 Siehe oben Abschnitt 1.3; Peter C. Perdue, Where Do Incorrect Political Ideas Come From? Writing the History of the Qing Empire and the Chinese Nation, in: Joshua A. Fogel (Hrsg.), The Teleology of the Modern Nation-State. Japan and China, Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press 2005, S. 174–199, hier S. 183–186; siehe auch Marc André Matten, Die Grenzen des Chinesischen. Nationale Identitätsstiftung im China des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden: Harrassowitz 2009. 143 Einen guten Überblick bietet Frederic Wakeman jr, Civil Society in Late Imperial and Modern China, in: Ders./Wang Xi (Hrsg.), China’s Quest for Modernization. A Historical Perspective, Berkeley, CA: Institute of East Asian Studies, University of California 1997, S. 325–351. 144 Rankin, Elite. 145 Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied: Luchterhand 1962. Die englische Übersetzung erschien unter dem Titel „The Structural Transformation of the Public Sphere. An Inquiry into a category of Bourgeois Society“, Cambridge, MA: MIT Press 1989. 146 Sabine Dabringhaus, Geschichte Chinas 1279–1949 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte 35), München: Oldenbourg 2006, S. 163f.
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zeichnet sich durch ihre herrschaftskritische Diskussionskultur insbesondere im neuen Medium der Zeitung aus und fordert zu Beginn des 20. Jahrhunderts vom Staat auch größere Freiheit und Selbstverwaltung. Es war maßgeblich eben jene Schicht, die das Kaisertum 1911 zu Fall bringen sollte. Ähnliches beschrieb Philip Huang mit dem Begriff des „third realm“.147 All diese Ansätze operieren jedoch mit den analytischen Kategorien „Staat“ und „Gesellschaft“ weitgehend so, als handele es sich um ahistorische Universalien. Prasenjit Duara hat demgegenüber die Begriffe historisiert und auf zwei Punkte hingewiesen: Zum einen lässt sich im chinesischen Begriff des „Feudalismus“ (fengjian) durchaus eine näherungsweise Entsprechung der verantwortungsbewussten Elite der „public sphere“ finden; der Begriff fengjian, Grundlage für die „Staatskunst“-Schule, wurde in den chinesischen Debatten am Ende des 19. Jahrhunderts als Gegensatz zu den Herrschaftsansprüchen des expandierenden Staates gebraucht. Zum anderen aber führt Duara die Entstehung des Konfliktes zwischen expandierendem Zentralstaat und lokaler Elite auf den globalen Kontext zurück. In den global zirkulierenden Vorstellungen von staatlicher Modernität war das Imperium mit seinem minimalen Regierungsstil schlicht ein Außenseiter, der nicht als Staat zählte und zur Kolonialisierung freigegeben war.148 Die Transformation zum modernen oder zumindest modern erscheinenden Nationalstaat war daher ein dringendes Anliegen nicht nur der Regierung. State-building – oder zumindest der Eindruck desselben – wurde zur Überlebensfrage, nicht nur in ökonomischer, sondern auch in außenpolitischer Hinsicht.149 Es ist wenig verwunderlich, dass das Konzept der „Gesellschaft“ (shehui) zur selben Zeit als Neologismus aus dem Japanischen in China auftaucht. Die Dichotomie von Staat und Gesellschaft war ein entscheidendes Kennzeichen staatlicher Modernität und wurde, wie wir in Kapitel 4 sehen werden, entsprechend betont. Eben diese „Gesellschaft“ sollte ja die neu entdeckte Quelle von Reichtum und Stärke werden. Wollte sich der chinesische Staat im internationa-
147 Joan Judge, Print and Politics. „Shibao“ and the Culture of Reform in Late Qing China, Stanford, CA: Stanford University Press 1996; Huang, Public. 148 Prasenjit Duara, State and Civil Society in the History of Chinese Modernity, in: Frederic Wakeman jr/Wang Xi (Hrsg.), China’s Quest for Modernization. A Historical Perspective, Berkeley, CA: Institute of East Asian Studies, University of California 1997, S. 300–324, hier S. 317– 320; vgl. unten den Abschnitt „Zivilisiertheit und Modernität“. 149 Jürgen Osterhammel, „The Great Work of Uplifting Mankind“. Zivilisierungsmission und Moderne, in: Boris Barth/Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, Konstanz: UVK 2005, S. 363–425, hier S. 391; Halsey, Quest, S. 240–242.
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37
len System behaupten, musste er demonstrieren, dass die Gesellschaft Objekt seines Handelns war und von ihm kontrolliert wurde.150
1.4.3 Innere Zivilisierungsmission und Biopolitik Zu den Motiven hinter der Demonstration innenpolitischer Souveränität durch die Qing-Regierung gehörte neben der außenpolitischen Signalwirkung und der Steigerung der ökonomischen Produktivität der Bevölkerung auch deren Zivilisierung – ein Motiv, das mit unterschiedlichen Schwerpunkten von der „Bewegung für Neue Kultur“ (xin wenhua yundong) um 1919 über die „Bewegung Neues Leben“ der 1930er Jahre bis zu den Kampagnen der Jahre unter und nach Mao Zedong (1893–1976) immer wieder auftauchen sollte. Die Zivilisierung der Bevölkerung, insbesondere durch Bildung, spielte in China wie auch in Europa schon lange vor dem Nationalismus eine Rolle für das state-building. Dies ist besonders in Gerhard Oestreichs Forschungen zur „Sozialdisziplinierung“ in der europäischen Frühen Neuzeit deutlich geworden. Trotz der begrenzten Reichweite des vermeintlich absolutistischen Staates kam es in jenen Jahrhunderten zu einem Wandel der Einstellung der Untertanen, die berechenbarer, rationaler, kurz: disziplinierter wurden. Private, städtische, kirchliche und fürstliche Schulen trugen entscheidend dazu bei und bereiteten den Boden für den Ausbau staatlicher Institutionen.151 Ihre primär disziplinierende Funktion sollte die Schule in Europa bis weit ins 19. Jahrhundert hinein behalten, während berufspraktische Kenntnisse lange kaum eine Rolle spielten. Dies änderte sich erst mit der Industrialisierung und dem Vordringen des Kapitalismus’ vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.152 In China dagegen traten beide Motive – Disziplinierung und ökonomische Indienststellung – an der Wende zum 20. Jahrhundert gleichzeitig auf. Das staatliche Schulsystem verfolgte, anders als in Europa, von Anfang an diese 150 Michael Tsang-Woon Tsin, Imagining „Society“ in Early Twentieth-Century China, in: Joshua A. Fogel/Peter G. Zarrow (Hrsg.), Imagining the People. Chinese Intellectuals and the Concept of Citizenship, 1890–1920, Armonk, NY: Sharpe 1997, S. 212–231. 151 Gerhard Oestreich, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: Ders., Geist und Gestalt des frühmodernen Staates, Berlin: Duncker & Humblot 1969, S. 179–197; Wolfgang Reinhard, Sozialdisziplinierung – Konfessionalisierung – Modernisierung, in: Nada Boškovska (Hrsg.), Die frühe Neuzeit in der Geschichtswissenschaft. Forschungstendenzen und Forschungserträge, Paderborn: Schöningh 1997, S. 39–55, hier S. 43. 152 John W. Meyer, The Social Construction of Motives for Educational Expansion, in: Bruce Fuller/Richard Rubinson (Hrsg.), The Political Construction of Education. The State, School Expansion, and Economic Change, New York, Westport, CN, London: Praeger 1992, S. 225– 238, hier S. 235.
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doppelte Zielsetzung. Chinesische Bildungsreformer hatten das Ideal einer Nation disziplinierter, fleißiger und produktiver Bürger vor Augen, zu der die Volksbildung den Weg ebenen sollte.153 Dieses Ideal speiste sich in typischer Weise aus früheren Erfahrungen wie auch aus ausländischen Vorbildern. Instrumentell war Bildung von vorangegangenen Dynastien immer wieder eingesetzt worden, nicht nur zur Bindung der Eliten an den Staat, sondern auch zur Disziplinierung und Zivilisierung (jiaohua) der breiten Bevölkerung.154 Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts aber trat als neue Erfahrung der Eindruck einer weltweiten, militärischen und zusehends ökonomischen Konkurrenz der Nationen hinzu. Deshalb erscheint es mir sinnvoller, statt von Sozialdisziplinierung lieber von einem state-building als innerer Zivilisierungsmission zu sprechen, wie dies in Bezug auf die „Neue Politik“ bereits vereinzelt geschehen ist.155 Dieser Ansatz hat zwei Vorteile: Zum einen umfasst er mehr als die (passive) Disziplinierung, nämlich auch die gerade für die Selbstverwaltung entscheidende soziale Mobilisierung. Zum anderen kann er unmittelbar an innerchinesische Vorläufer anschließen. Der Begriff der Zivilisierungsmission ist, darauf haben Boris Barth und Jürgen Osterhammel hingewiesen, im Deutschen ein Neologismus, während er im Französischen und Englischen fest im kolonialgeschichtlichen Kontext verankert ist.156 Zivilisierungsmissionen gab es jedoch nicht nur in Europa, wo sie eng mit der Aufklärung verbunden waren. Dort schrieben sie sich statt punktueller Eingriffe ab dem 18. Jahrhundert die generelle Herbeiführung einer „neuen und vernünftigen Ordnung“ auf die Fahnen, in der Metropole wie in den Kolonien.157 Wesentliche Instrumente hierzu waren Erziehung, Training und Mission. Hierzu passt Jürgen Osterhammel zufolge auch der klassische 153 Bailey, Reform, S. 265; Barbara Schulte, „Zur Rettung des Landes“. Bildung und Beruf im China der Republikzeit, Frankfurt a. M., New York: Campus 2008, S. 89–94. 154 Wang Gungwu, The Chinese Urge to Civilize. Reflections on Change, in: Journal of Asian History 18 (1984) 1, S. 1–34; Monika Übelhör, The Community Compact (Hsiang-yüeh) of the Sung and Its Educational Significance, in: Wm Theodore DeBary/John W. Chaffee (Hrsg.), NeoConfucian Education. The Formative Stage, Berkeley, CA: University of California Press 1989, S. 371–388, hier S. 386. 155 Tong Lam, Policing the Imperial Nation. Sovereignty, International Law, and the Civilizing Mission in Late Qing China, in: Comparative Studies in Society and History 52 (2010) 4, S. 881– 908, hier S. 883; Bailey, Reform, S. 3. 156 Boris Barth/Jürgen Osterhammel, Vorwort, in: Dies. (Hrsg.), Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, Konstanz: UVK, S. 7–11, hier S. 7; Harald Fischer-Tiné/Michael Mann (Hrsg.), Colonialism as Civilizing Mission. Cultural Ideology in British India, London: Anthem 2004. 157 Brett Bowden, The Empire of Civilization. The Evolution of an Imperial Idea, Chicago, IL: University of Chicago Press 2009, S. 129–160.
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deutsche Bildungsbegriff, gemäß welchem jeder Einzelne die eigene geistige und moralische Vervollkommnung anstreben müsse, um sein Potential auszuschöpfen.158 Die chinesische Zivilisierungsmission vor dem 20. Jahrhundert, so führt Osterhammel in Anlehnung an Wang Gungwu aus, sei demgegenüber schwach ausgeprägt und weitgehend erfolglos gewesen, auch, weil sie auf Gewalt verzichtet habe.159 Darüber ließe sich freilich streiten: Wenn Erfolg heißt, selbst wenigstens nicht wie das Gros der Welt kolonialisiert worden zu sein, dann wäre das chinesische Kaiserreich zumindest „semi-erfolgreich“ gewesen. Zudem erscheint die Behauptung der Gewaltlosigkeit gerade für die „Neue Politik“ fraglich. Ungezählte Todesopfer forderte die Niederschlagung von Protesten gegen neue Steuern, die Volkszählung oder die (im Namen des Kampfes gegen den „Aberglauben“ forcierte) Besteuerung oder Enteignung von Tempeln und Klöstern zu Schulzwecken.160 Auch auf das 17. bis 19. Jahrhundert trifft das Postulat der Gewaltfreiheit kaum zu, vor allem nicht in den Grenzregionen des Qing-Reiches.161 Das Neue an der „Neuen Politik“ lag eher darin, dass die Regierung nun auch im chinesischen Kernland moralische Appelle durch Maßnahmen des state-building flankierte, die sehr wohl Zwang, auch physischen, beinhalteten.162 Die „Neue Politik“ erschöpfte sich also nicht, wie Osterhammel argumentiert, in der „Selbstdestruktion des Systems und des kulturellen Kosmos vormoderner Politik“.163
158 Osterhammel, Great, S. 382; zum deutschen Begriff „Bildung“ im 18. und 19. Jahrhundert siehe Reinhart Koselleck, Zur anthropologischen und semantischen Struktur der Bildung, in: Ders., Begriffsgeschichten. Studien zur Semantik und Pragmatik der politischen und sozialen Sprache, hg. v. Ulrike Spree/Willibald Steinmetz/Carsten Dutt, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2006, S. 105–154. 159 Osterhammel, Great, S. 376f.; Wang Gungwu, Chinese. 160 Paul R. Katz, Religion in China and Its Modern Fate, Lebanon: Brandeis University Press 2014, Kapitel 1; Shuk-wah Poon, Negotiating Religion in Modern China. State and Common People in Guangzhou, 1900–1937, Hong Kong: Chinese University Press 2011, S. 24–35; Lam, Passion, Kapitel 3. 161 Siehe die Beiträge in Pamela Kyle Crossley/Helen F. Siu/Donald S. Sutton (Hrsg.), Empire at the Margins. Culture, Ethnicity, and Frontier in Early Modern China, Berkeley, CA: University of California Press 2006; Peter C. Perdue, China Marches West. The Qing Conquest of Central Asia, Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press 2005, S. 251f.; Relyea, Gazing; William T. Rowe, Saving the World. Chen Hongmou and Elite Consciousness in EighteenthCentury China, Stanford, CA: Stanford University Press 2001, Kapitel 12. 162 Lam, Policing, S. 905; Niels P. Petersson, Imperialismus und Modernisierung. Siam, China und die europäischen Mächte, 1895–1914, München: Oldenbourg 2000, S. 268–275. 163 Jürgen Osterhammel, China vor 1949. Widerständigkeit und selektive Übernahmen, in: Wolfgang Reinhard (Hrsg.), Verstaatlichung der Welt? Europäische Staatsmodelle und außereuropäische Machtprozesse, München: Oldenbourg 1999, S. 133–152, hier S. 146.
40 1 Einleitung
William T. Rowe hat denn auch die Parallelen der Problemwahrnehmung und der Lösungsansätze europäischer und chinesischer Eliten bereits für das 18. Jahrhundert betont.164 Zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch waren zur Ähnlichkeit der Problemwahrnehmung und der Lösungsansätze ein viel engerer Austausch von Ideen und vor allem eine Aneignung europäischer Techniken der Problemlösung durch Chinesen hinzugekommen.165 Diese neuen Techniken erhöhten nicht nur die Reichweite der chinesischen inneren Zivilisierungsmission, sondern machten diese viel stärker als zuvor zu einem Bestandteil des state-building.166 Dieses war somit zu einem guten Teil auf den Imperialismus der westlichen Mächte und Japans zurückzuführen, insofern als dieser insbesondere den chinesischen Eliten nicht nur neue, als global verstandene Maßstäbe des Grades der Zivilisiertheit von Nationen vor Augen stellte oder auch aufzwang. Genauso sorgte die zunehmende Migration dafür, dass solche neuen Maßstäbe und ihre Symbole in China bekannt wurden.167 Dabei fungierten gerade Schulen als „Orte der Zivilisierungsmission“, nicht nur in China.168 Dennoch darf man gerade ausländische, staatliche wie missionarische, Schulen in dieser Hinsicht nicht überbewerten.169 Schließlich mühten sich zu Beginn des 20. Jahr-
164 Rowe, Saving, S. 456. 165 Beispielhaft die Beiträge in Esherick, Remaking. Zur Kritik an der Konzentration der Forschung auf die Bezugnahmen Chinas auf „den Westen und Japan“, siehe Karl, Staging. 166 Es konnten jedoch durchaus auch bekannte Techniken wie die moralischen Vorträge durch Gentry-Mitglieder (xuanjiang) genutzt werden, um neue Inhalte wie zum Beispiel die Vorzüge des Konstitutionalismus oder auch moderner Schulen im Volk zu verbreiten, siehe Zhang Xiaoli, Shilun Qing mo xinzheng shiqi daode jiaohua zhengce de tiaozheng, in: Zhongguo shehui kexue yuan (Hrsg.), Wan Qing gaige yu shehui bianqian, Beijing: Shehui kexue wenxian chubanshe 2009, Bd. 1, S. 164–173, hier S. 170f. 167 Sebastian Conrad/Klaus Mühlhahn, Globale Mobilität und Nationalismus. Chinesische Migration und die Re-Territorialisierung des Nationalen um 1900, in: Birgit Schäbler (Hrsg.), Area Studies und die Welt. Weltregionen und neue Globalgeschichte, Wien: Mandelbaum 2007, S. 217–251. 168 Paul Sedra, From Mission to Modernity. Evangelicals, Reformers and Education in Nineteenth Century Egypt, London, New York: Tauris 2011; Jana Tschurenev, Imperial Experiments in Education. Monitorial Schooling in India, 1789–1835, Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin 2009; Selcuk Aksin Somel, The Modernization of Public Education in the Ottoman Empire, 1839–1908. Islamization, Autocracy and Discipline, Leiden: Brill 2001. 169 Esther Möller hat die von der französischen Mandatsmacht geförderten „Französischen Schulen“ im Libanon, zu denen auch etliche Missionsschulen unterschiedlicher Konfession gehörten, eingehend untersucht. Die gleichzeitigen Bemühungen der Regierung des Osmanischen Reiches selbst um die Zivilisierung des Libanon durch Schulen liegen jedoch außerhalb ihres eigentlichen Themas, womit der globale Aspekt des Zivilisierungsdiskurses etwas aus dem Blick gerät, siehe Esther Möller, Orte der Zivilisierungsmission. Französische Schulen im Libanon 1909–1943, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2013, S. 32.
1.4 Schule, Staat und Nation
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hunderts chinesische Beamte intensiv, „das Volk zu reformieren“. Die 1906 vom Kaiser bestätigten fünf „Ziele der Bildung“ erhoben diesen Anspruch explizit.170 Zivilisierung bedeutet nicht nur Gehorsam des Einzelnen wie im Falle der Sozialdisziplinierung, sondern setzt darüber hinaus auf dessen aktive Selbstverbesserung. Der Vorgang ist insofern der von Michel Foucault beschriebenen (Selbst)abrichtung des Individuums – in der Schule, im Gefängnis, der Fabrik – nicht unähnlich.171 Die Disziplinierung der gesamten Bevölkerung wurde, so hat es Foucault für die europäische Frühe Neuzeit gezeigt, in jenem Moment notwendig, da „die Bevölkerung“ als statistisch erfassbare Großkategorie die Metapher vom Volk als „Familie“ ablöste. Fortan galt alle Aufmerksamkeit des Staates der Lenkung und Verbesserung dieser Bevölkerung. Durch die wiederholte Einübung von Disziplin in den oben genannten Institutionen sei diese in Selbstdisziplin umgewandelt worden, worin ein – wenn nicht das – entscheidende Merkmal moderner Gesellschaften liege.172 Doch so plausibel Foucaults langfristige Analyse dieser „Biopolitik“ ist, so schwierig scheint es mir, sie für eine zeitlich so kurze Untersuchung wie die vorliegende fruchtbar zu machen. Von zunehmender Selbstdisziplinierung jedenfalls wird in den folgenden Fallstudien kaum etwas zu finden sein. Und in der Schulverwaltung legten die Akteure den Fokus ohnehin allein auf die Nützlichkeit der neuen Techniken für die staatliche Verwaltung.173 In den Augen Timothy Mitchells hat Foucault zudem einen wichtigen Aspekt übersehen. Die modernen Institutionen der Disziplinierung hätten nämlich nicht nur das Individuum in seiner inneren Einstellung verändert; zugleich hätten sie durch den machtvollen Eindruck, den sie durch Schulordnungen, Uniformen, militärischen Drill oder Architektur erweckten, dafür gesorgt, dass der Staat vom Individuum nicht länger als Teil der metaphorischen „Familie“ gesehen wurde, sondern als überpersönliche und außerhalb der „Bevölkerung“ oder 170 Bailey, Reform; siehe auch die Beispiele „zivilisierender“ öffentlicher Vorträge durch die Gentry bei James H. Cole, Shaohsing. Studies in Ch’ing Social History, Ph.D. dissertation, Stanford University 1975, S. 175–185; Bildungsministerium, Zouchen jiaoyu zongzhi zhe, GX 32/3/1 (25.03.1906), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 542–548, hier: S. 545. 171 Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1994, S. 220–229; Kuo, Redeploying, S. 66f. 172 Michel Foucault, Governmentality, in: Graham Burchell/Colin Gordon/Peter M. Miller (Hrsg.), The Foucault Effect. Studies in Governmentality, London: Harvester Wheatsheaf 1991, S. 87–104, hier S. 99–103. 173 Für Preußen hat Michael C. Schneider, Wissensproduktion im Staat. Das königlich-preußische statistische Bureau 1860–1914, Frankfurt a. M.: Campus 2013, S. 17–19 dieselbe Beobachtung gemacht, weshalb er Foucaults Ansatz ebenfalls nicht verfolgt. Zu dessen Betrachtung der Statistik, siehe Michel Foucault, Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1983, S. 165–211.
42 1 Einleitung
Gesellschaft stehende Struktur. Kurz, Foucault habe die Rolle der Disziplinierung für den state effect nur ungenügend berücksichtigt.174 Eingedenk der Tatsache, dass die chinesischen Zivilisierungsmission vorangegangener Jahrhunderte neben Gewalt immer auch auf moralische Appelle und auf Bildung gesetzt hatte, können wir die Bildungsreformen der „Neuen Politik“ insgesamt als eine staatliche, innere Zivilisierungsmission verstehen, die durch eine Mischung aus moralischen Appellen und neuen Institutionen, sozialer Mobilisierung und Zwang, und unter Anwendung teils der eigenen Geschichte entlehnter, teils neuer, aus dem Ausland adaptierter Techniken den Ausbau des chinesischen Staates einerseits real forcierte und dadurch andererseits ein neues Bild des Staates schuf.
1.4.4 Zivilisiertheit und Modernität Der Einfluss des Kolonialismus und der ihm als Rechtfertigung zugrundeliegenden Bewertung des Zivilisationsgrades von Gesellschaften ist im vorangegangenen Abschnitt besonders deutlich geworden. Wer zu den zivilisierten Völkern gehören wollte, die für eine Kolonialisierung nicht infrage kamen, musste nicht nur den Kriterien der Europäer entsprechen.175 Nein, er musste zuerst überhaupt in der Lage sein, Aussagen über die eigene Gesellschaft zu treffen, die dem modernen Anspruch an eine wahre Aussage entsprachen; mit anderen Worten, der betreffende Staat oder seine Eliten mussten die neuen Techniken der Datenerhebung und der Repräsentation der eigenen Zivilisiertheit (nach neuem Maßstab) erlernen und in der Praxis anwenden.176 Neben Gesetzgebung und Hygiene gehörten die staatlich organisierte Statistik, die Einführung von Schuluniformen und die großen Gewerbeausstellungen wie 1910 in Nanjing zu diesem Bereich. Es lassen sich also längst nicht alle Phänomene, die dieser Wandel des Maßstabs von Zivilisiertheit hervorbrachte, direkt auf die Gewalt der Kolonialmächte zurückführen, wie es bei James L. Hevia die Tendenz ist.177 Um in Hevias Bild von der „Pädagogik des Imperialismus“ zu bleiben: Als „Schüler“ lernte China weitaus rascher, als es den ausländischen Kolonialmächten lieb sein konnte, und das insbesondere ab 1901.
174 Mitchell, Limits, S. 92–94; Ders., Society, Economy, and the State Effect, in: George Steinmetz (Hrsg.), State/Culture. State-Formation after the Cultural Turn, Ithaca, NY: Cornell University Press 1999, S. 76–97, hier S. 86–89. 175 Duara, Rescuing, S. 164; Relyea, Gazing, S. 8. 176 Lam, Passion, S. 7; Osterhammel, Great, S. 391; Bowden, Empire, S. 123. 177 Hevia, English, S. 158f.
1.4 Schule, Staat und Nation
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Die Begriffe „Zivilisiertheit“ oder „zivilisiert“ – bisweilen auch „Modernität“ oder „modern“ – dienen in dieser Arbeit denn auch nicht als Epochenbegriff oder Maßstab der Beurteilung, sondern als Beschreibung eines zeitgenössischen Ideals.178 Um 1900 hatte sich unter der chinesischen urbanen Elite bereits über Jahrzehnte ein gemeinsames Vorbild (oder auch Feindbild) von zeitgemäßer Zivilisiertheit entwickelt, nicht viel anders als unter den Eliten Japans oder des Osmanischen Reiches.179 Japan stand für den chinesischen Diskurs über „Zivilisation“ (wenming) sogar unmittelbar Pate. 1881 wurde das französische civilisation erstmals als bunmei (mit denselben Zeichen wie wenming) ins Japanische übersetzt und dort als Alternative zur bisher „alternativlosen“, chinesischen Zivilisation dankbar aufgegriffen. Als return graphic loan fasste wenming bald in China Fuß und begann, vor allem unter den Befürwortern von Reformen, das ältere jiaohua beziehungsweise schlicht hua für „Zivilisation“ abzulösen.180 Doch selbst die konservative Gentry begeisterte sich nun für die „sauberen, wohlgeordneten und zivilisierten“ Städte wie Shanghai oder Tokio und wollte diese vor Ort nachahmen.181 Stadtplaner in ganz China verfolgten denn auch ein erstaunlich homogenes „modernist project“.182 Darüber hinaus teilten auch chinesische Christen und protestantische Missionare solche Ideale.183 Nicht umsonst wurde der Begriff xin, „neu“, geradezu inflationär gebraucht, nicht zuletzt auch für die „Neue Politik“ selbst.184 „Zivilisiertheit“ ist daher, als wenming, auch ein Begriff der hier verwendeten, zeitgenössischen chinesischen Quellen. Anders verhält es sich mit „Modernität“. Obgleich diese ebenfalls um 1900 von Japan kommend in China unter 178 Osterhammel, Verwandlung, S. 424–426; Tenorth, Geschichte, S. 32–35. Als Gegenbeispiel, in dem „modernity“ der Bewertung dient: John Cleverley, The Schooling of China. Tradition and Modernity in Chinese Education, Sydney: Allen & Unwin 1985. 179 Selçuk Esenbel, The Anguish of Civilized Behavior. The Use of Western Cultural Forms in the Everyday Lives of the Meiji Japanese and the Ottoman Turks During the Nineteenth Century, in: Japan Review 5 (1994), S. 145–185. 180 Wang Gungwu, Chinese, S. 2f. 181 Stapleton, Civilizing, S. 1f., 66f. 182 Joseph W. Esherick, Modernity and Nation in the Chinese City, in: Ders. (Hrsg.), Remaking the Chinese City. Modernity and National Identity, 1900–1950, Honolulu: University of Hawaii Press 2000, S. 1–16, hier S. 7. 183 Ryan Dunch, Mission Schools and Modernity. The Anglo-Chinese College, Fuzhou, in: Glen Peterson/Ruth Hayhoe/Yongling Lu (Hrsg.), Education, Culture, and Identity in Twentieth-Century China, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 2001, S. 109–136; Frölich, Spirits. 184 Mary Backus Rankin, Alarming Crises/Enticing Possibilties. Political and Cultural Changes in Late Nineteenth-Century China, in: Late Imperial China 29 (2008) Supplement 1, S. 40–63, hier S. 40; Hajo Frölich, Warum die „Neue Politik“ keine Kopie war. Das Beispiel der Bildungsreformen in China, 1901–1911, in: Lena Henningsen/Martin Hofmann (Hrsg.), Tradition? Variation? Plagiat? Motive und ihre Adaption in China, Wiesbaden: Harrasowitz 2012, S. 33–51.
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anderem als jindai und xiandai auftaucht, ist sie mir in den Quellen kaum begegnet. Die Hochzeit dieses Begriffes scheint eher mit der „Bewegung für Neue Kultur“ Mitte der 1910er Jahre begonnen zu haben.185 Allerdings ist die semantische Nähe von jindai oder xiandai zum eben erwähnten „neu“ (xin) – das auch in den hier verwendeten Quellen überaus häufig ist – sehr groß: Im Kern beschrieben alle diese Termini eine veränderte Wahrnehmung der Zeit als linear und betonten die Wichtigkeit der Gegenwart und des Neuen im Unterschied zum so oft als Argument gebrauchten, historischen Präzedenzfall. Deshalb spreche ich an mancher Stelle statt von „zivilisiert“ lieber von „modern“ oder „Modernität“, um dem zeitgenössischen Bedürfnis nach Orientierung an der globalen Gegenwart statt der chinesischen Vergangenheit – anders gesagt: dem „Modern-sein-Wollen“ – Ausdruck zu verleihen.
1.5 Testfall Südchina Im April 1910 wandte sich der im Vorjahr ernannte, neue Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, Yuan Shuxun (1847–1915), an den Thron im fernen Beijing und bat, in Guangzhou, der Hauptstadt Guangdongs, eine Universität eröffnen zu dürfen. Diese wäre nach Beijing erst die zweite staatliche Universität im ganzen Reich gewesen. Dementsprechend musste Yuan sein Ansinnen gut begründen, und er tat dies, indem er die Standortvorteile Guangdongs pries: Hier, in der südlichsten Provinz des Reiches, gebe es eine gute Infrastruktur und die Menschen seien schon lange „zivilisiert“ (wenming).186 Dieses Argument muss all jene überrascht haben, die noch im 19. Jahrhundert davon ausgingen, dass die Menschen im tiefen Süden nicht einmal die klassischen Schriften lesen konnten. Guangdong hatte unter den Gebildeten Chinas keinen guten Ruf und galt als rebellisch.187 Gerade hierdurch sowie durch ihre große Entfernung von der Hauptstadt Beijing bietet die randständige Provinz einen besonders geeigneten Testfall für die Durchsetzungsfähigkeit und das Image des Zentralstaates in der Zeit der „Neuen Politik“.
185 Dominic Sachsenmaier, Chinesische Intellektuelle und der Begriff der Moderne – Einige Betrachtungen, in: Peter Burschel/Alexander Gallus/Markus Völkel (Hrsg.), Intellektuelle im Exil, Göttingen: Wallstein 2011, S. 131–148, hier S. 132f. 186 Liangguang zongdu Yuan Shuxun zou qing she Guangdong daxue zhe, Xuantong (fortan: XT) 2/3/18 (27.04.1910), in: GDJYGB 1 (1910) 5, zhangzou, S. 45r–47r. 187 So die oft kolportierte Anekdote von den Hauptstadtprüfungen in Beijing im Jahr 1817, siehe Steven B. Miles, The Sea of Learning. Mobility and Identity in Nineteenth-Century Guangzhou, Cambridge, MA: Harvard University Asia Center 2006, S. 1.
1.5 Testfall Südchina
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China gilt bis heute, zumindest in fiskalischer Hinsicht, als der am meisten dezentralisierte Staat der Erde, obwohl der Zentralstaat gleichzeitig über große Eingriffsrechte verfügt.188 Dem lange Zeit autoritären Image des kaiserlichen Zentralstaates zum Trotz, bestand diese Dezentralisierung bereits unter den Qing und wurde im 19. Jahrhunderts noch verstärkt. Elizabeth Remick geht so weit, von den chinesischen Provinzen als local states zu sprechen, von deren individuellen Entscheidungen die Umsetzung zentralstaatlicher Direktiven maßgeblich abhänge.189 Die Maßnahmen der „Neuen Politik“ zielten gerade darauf ab, diesen Trend umzukehren. Folgt man Edward J. M. Rhoads noch immer maßgeblicher Untersuchung, so wurden diese Maßnahmen in Guangdong besonders erfolgreich umgesetzt.190 Doch Rhoads konzentrierte sich auf die Hauptstadt Guangzhou, und unterhalb davon, so werden die hier untersuchten Städte zeigen, war das Bild deutlich gemischter. Während Guangdong also für viele eine erst noch zu zivilisierende Peripherie war, wollte Generalgouverneur Yuan Shuxun umgekehrt Studenten aus anderen Provinzen anlocken, um sie zu Fachleuten für Recht und Politik (fazheng) für das ganze Reich auszubilden. Ein Studium in Guangzhou, fuhr Yuan fort, käme für solche Studenten „einem Auslandsaufenthalt gleich“ und werde sie entsprechend bereichern.191 In der Tat war Guangdong mehr als jede andere Provinz vom Kontakt mit der Welt außerhalb des Qing-Reiches geprägt. Schon seit dem 16. Jahrhundert trieben die Portugiesen von ihrer Kolonie Macau im Westen des Perlfluss-Deltas aus Handel mit dem Kaiserreich. Vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts dann wurde der Außenhandel Chinas offiziell fast ausschließlich über den Hafen von Guangzhou abgewickelt. Britische, deutsche, französische und viele andere Handelsfirmen errichteten Niederlassungen am dortigen Hafen. Nach den Opiumkriegen verlor Guangzhou diese Ausnahmestellung zwar, doch zugleich entstand am östlichen Rand des Deltas mit der britischen Kolonie Hong Kong ein neuer, wichtiger Umschlagplatz. Dort wurden seit den 1860er Jahren moderne Banken, Telegraphenlinien (1884 erfolgte die Anbindung an Guangzhou und von dort an Shanghai) sowie Zucker- und Zementfabriken errichtet.192 Wegen der langen Erfahrung im Umgang mit Ausländern wurde in Guangzhou zudem 1864 die reichsweit dritte Schule für Übersetzer und Diplomaten (tongwenguan) gegründet. 1881 entstand in Whampoa (Huangpu) am Rande der 188 Pierre Francois Landry, Decentralized Authoritarianism in China. The Communist Party’s Control of Local Elites in the Post-Mao Era, Cambridge: Cambridge University Press 2008, S. 3f. 189 Remick, Significance, S. 402. 190 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 270, 275. 191 Liangguang zongdu Yuan Shuxun zou qing she Guangdong daxue zhe (27.04.1910). 192 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 17f.
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Stadt eine „Schule für westliches Lernen“ (xixueguan), an der bald britische und deutsche Militärs chinesische Offiziere, Schiffbauingenieure sowie Deck- und Maschinenpersonal ausbildeten. Im Nordwesten der Stadt rief Zhang Zhidong 1888 die auch auf neue Unterrichtsfächer ausgerichtete Guangya Akademie (Guangya shuyuan) ins Leben. Vor 1898 hatte auch der bedeutende Reformer Kang Youwei (1858–1927) eine Akademie in der Innenstadt unterhalten, und bald gründeten andere reformorientierte Mitglieder der Gentry ebenfalls Schulen. Deutsche Kaufleute finanzierten maßgeblich die 1909 gegründete DeutschChinesische Schule. Hinzu kamen überdurchschnittlich viele Schulen verschiedener Missionsgesellschaften (was freilich nichts daran änderte, dass auch in Guangdong die „Neue Politik“ die Missionsschulen ins Abseits stellte).193 Jenseits der Provinzhauptstadt war der Austausch mit dem Ausland weniger intensiv, fand aber ebenfalls statt. Shantou, 1860 als erster von drei „Vertragshäfen“ Guangdongs für den Außenhandel geöffnet, wurde zum Ausgangspunkt von Millionen chinesischer Emigranten. Viele von ihnen versorgten ihre Heimatorte im Hinterland der Provinz nicht nur mit Geld – unter anderem für den Bau von Schulen – sondern auch mit neuen Eindrücken und Ideen aus Kolonien und Staaten von Singapur bis zu den USA.194 Auch wenn solche transnationalen Einflüsse längst nicht bei allen Mitgliedern der Gentry von Guangdong auf Gegenliebe stießen, konnte Generalgouverneur Yuan Shuxun seine Provinz also durchaus als „zivilisiert“ bezeichnen – zumindest im Sinne jenes Ideals westlich inspirierter Wissenschaft und Technik, für das die „Neue Politik“ stand. Die starke Präsenz des Auslands war zu193 Zhang Ji, Qushi yu quguan. Yi chouban yangwu shiqi tongwenguan xuesheng jiangli wei lie, in: Shixue yuekan (2008) 4, S. 52–55, hier S. 53; Steven B. Miles, Out of Place. Education and Identity among Three Generations of Urban Panyu Gentry, 1850–1931, in: Twentieth Century China 32 (2007) 2, S. 33–59, hier S. 50f.; Knight Biggerstaff, The Earliest Modern Government Schools in China, Port Washington, NY, London: Kennikat Press 1972, S. 48f.; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 18; Zhou Hanguang, Zhang Zhidong yu Guangya shuyuan, Taibei: Zhongguo wenhua daxue chubanbu 1983; Zhang Yaorong (Hrsg.), Guangdong gaodeng jiaoyu fazhan shi, Guangzhou: Guangdong gaodeng jiaoyu chubanshe 2002; Ka-lun Leung, Guangdong jidujiao jiaoyu 1807–1953, Hongkong: Jiandaoshen xueyuan 1993; Dong Wang, Managing God’s Higher Learning. U.S.-China Cultural Encounter and Canton Christian College (Lingnan University) 1888–1952, Lanham, MD: Lexington Books 2007; PA AA, RAV Peking II, 649, fol. 283–308: Deutsch-Chinesischer Schulverein Canton: Zweiter Jahresbericht des Deutsch-Chinesischen Schulvereins in Canton über das Schuljahr 1910, 15.04.1911. 194 Chen Haizhong, Wan Qing minguo shiqi Shantou shanghui yu difang jinrong yanjiu, Dissertation Zhongshan Daxue, Guangzhou 2008, S. 58–60; Philip A. Kuhn, Chinese among Others. Emigration in Modern Times, Lanham, MD: Rowman & Littlefield 2008, S. 38; Michael R. Godley, The Mandarin-Capitalists from Nanyang. Overseas Chinese Enterprise in the Modernization of China, 1893–1911, Cambridge: Cambridge University Press 1981, S. 149.
1.5 Testfall Südchina
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gleich der erste Grund, aus dem heraus Yuan meinte, ein Studium in Guangdong komme „einem Auslandsaufenthalt gleich“. Der zweite Grund für diese Annahme lag in der Geographie und der vielfältigen ethnischen Zusammensetzung der Provinz. Zunächst war Guangdong durch eine Gebirgskette im Norden vom Rest des Landes abgeschirmt, so dass der Austausch mit dem Binnenland und mit Beijing begrenzt war. Auch sonst dominieren in Guangdong Berge, so dass die landwirtschaftlich nutzbare Fläche nur etwa 20 Prozent der Provinz ausmacht. Diese konzentriert sich auf zwei große Flusstäler im Zentrum und im Osten. Auf diese Täler verteilen sich auch, neben kleineren Minderheiten, die drei großen ethnischen Gruppen, die Punti (bendi) oder „Einheimischen“, die Hoklo (fulao) und die Hakka (kejia).195 Erstere siedelten vor allem am Unterlauf des Westflusses (Xijiang), an dem auch Guangzhou liegt. Die Hoklo, Einwanderer aus der Nachbarprovinz Fujian, ließen sich am Unterlauf des Han-Flusses (Hanjiang) im Osten Guangdongs – wo meine Fallstudien angesiedelt sind – nieder. Als letzte große Einwanderergruppe kamen, spätestens im 14. Jahrhundert, die Hakka oder „Gast-Leute“ aus Zentralchina nach Guangdong, wo sie zunächst mit dem hügeligen Land entlang des Oberlaufs desselben Han-Flusses sowie des Mei-Flusses (Meijiang) vorlieb nehmen mussten.196 Seit dem 16. Jahrhundert wanderten immer mehr Hakka in die fruchtbareren und auch kommerziell ergiebigeren Regionen entlang der Küste. Im 19. Jahrhundert führte dies zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Punti und Hoklo, die die ohnehin grassierende Gewalt der Fehden zwischen Klans (xiedou) noch verstärkten.197 Erst im Verlauf dieser Auseinandersetzungen entwickelte sich die nach 1900 dominante, strikt abgegrenzte Identität der Volksgruppen. Allerdings waren alle drei Gruppen durch ihre Dialekte getrennt, die untereinander und auch für die Sprecher des Hochchinesischen un195 Mir ist bewusst, dass Ethnizität im pränationalen Kontext ein umstrittenes Konzept ist. Mit Mark Elliott und Anthony D. Smith gehe ich jedoch davon aus, dass ethnische Identitäten zwar Konstruktionen, aber nicht auf die Zeit der modernen Nationalstaaten beschränkt sind. Vielmehr gab es solche Identitätskonstruktionen auch unter anderen als den klassischen, nationalen Marginalisierungs-Konstellationen, siehe Mark C. Elliott, Ethnicity in the Qing Eight Banners, in: Pamela Kyle Crossley/Helen F. Siu/Donald S. Sutton (Hrsg.), Empire at the Margins. Culture, Ethnicity, and Frontier in Early Modern China, Berkeley, CA: University of California Press 2006, S. 27–57, hier S. 32–35; Anthony D. Smith, The Nation in History. Historiographical Debates about Ethnicity and Nationalism, Hanover, NH: University Press of New England 2000, S. 52–77. 196 Sow-theng Leong, Migration and Ethnicity in Chinese History. Hakkas, Pengmin, and their Neighbors, Stanford, CA: Stanford University Press 1997, S. 62–65. 197 Harry Lamley, Lineage and Surname Feuds in Southern Fukien and Eastern Kwangtung Under the Ch’ing, in: Kwang-Ching Liu (Hrsg.), Orthodoxy in Late Imperial China, Berkeley, CA: University of California Press 1990, S. 255–280, hier S. 266f.
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verständlich sind: Hakka (kejiahua), Teochew (chaoshanhua) und Kantonesisch (guangzhouhua).198 Auch diese ethnolinguistische Vielfalt wird dazu beigetragen haben, dass Generalgouverneur Yuan Shuxun von einem „Auslandsaufenthalt“ sprach. Zentren der möglichen Fremdheitserfahrung waren die Städte. Die Ming-Zeit (1368–1644) hatte einen großen Kommerzialisierungs- und Urbanisierungsschub erlebt. Nun zog es auch die landbesitzende – und deshalb bislang auf dem Land lebende – Gentry in die wachsenden Städte, wo einzig dort zu findende Annehmlichkeiten wie Buchläden, Teehäuser und Bordelle lockten. Im 19. Jahrhundert wurden die Städte zudem immer mehr zu Schaufenstern als „westlich“ begriffener „Modernität“. Die zugewanderte Gentry wurde zur „städtischen Reform-Elite“ (Joseph Esherick), für die westliche oder japanische Innovationen wie Straßenbeleuchtung, fließendes Wasser, Kanalisation, mechanische Uhren, westliche Anzüge, Krankenhäuser und eben auch neue Schulen zu Insignien von Zivilisation und Fortschritt wurden.199 Als administrative Einheit hingegen hatten Städte bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum eine Rolle gespielt, obwohl der Staat schon seit der MingZeit immer weniger in der Lage war, die sich kommerzialisierende und wachsende urbane Bevölkerung zu kontrollieren.200 Kreis (xian), Präfektur (fu) und Provinz (sheng) waren die Verwaltungseinheiten, auch wenn die entsprechenden Regierungsgebäude meist in der jeweils größten (und ummauerten) Stadt standen. Guangzhou zum Beispiel bestand administrativ aus den urbanen Teilen der beiden Kreise Panyu und Nanhai. Die Unterscheidung von Stadt und Land hatte also kaum eine Tradition in China. Erst die „Neue Politik“ wertete die Stadt auch als Verwaltungseinheit auf. Zum einen geschah dies dadurch, dass die Beamten aller Ebenen die geforderten neuen Schulen und Polizeieinheiten, Gefängnisse und Straßenreinigung zunächst an ihrem städtischen Verwaltungssitz ins Werk setzten, auch, um Vorbilder zu schaffen. Zum anderen 198 Chen Chunsheng, Diyu rentong yu zuqun fenlei. 1640–1940 nian Hanjiang liuyu minzhong „kejia“ guannian de yanbian, in: Kejia Yanjiu (Taiwan) (2006) 1, S. 1–43; Ching Maybo, Diyu wenhua yu guojia rentong. Wan Qing yilai „Guangdong wenhua“ guan de xingcheng, Beijing: Sanlian shudian 2006, S. 66–96; David Faure, Emperor and Ancestor. State and Lineage in South China, Stanford, CA: Stanford University Press 2007, S. 48–50; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 13; Alfred H. Y. Lin, The Rural Economy of Guangdong, 1870–1937. A Study of the Agrarian Crisis and Its Origins in Southernmost China, Basingstoke, Hampshire: Macmillan 1997, Kapitel 2. 199 Timothy Brook, The Troubled Empire. China in the Yuan and Ming Dynasties, Cambridge, MA: Belknap Press of Harvard University Press 2010, S. 112–117; Stapleton, Civilizing, S. 66f.; Esherick, Reform, S. 66f. 200 G. William Skinner (Hrsg.), The City in Late Imperial China. Studies in Chinese Society, Stanford, CA: Stanford University Press 1977.
1.5 Testfall Südchina
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erkannte der Staat mit Einführung der Selbstverwaltung 1909 die Stadt erstmals auch als Verwaltungseinheit an. Kreis-, Distrikt- und Präfektursitze hießen nun „Stadt“ (cheng), die übrigen Städte mit mindestens 50.000 Einwohnern hießen „Marktstadt“ (zhen).201 Die räumliche Verteilung der Regierungssitze sorgte dafür, dass die Mittel für die Reformprojekte zwischen Stadt und Land extrem hierarchisch verteilt wurden.202 So investierten in Guangzhou zugleich der Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, der Präfekt der Präfektur (nicht nur der Stadt) Guangzhou sowie die Magistrate der beiden Kreise Panyu und Nanhai (aus denen sich die Stadt wie eben erwähnt je zu Hälfte zusammensetzte) in die Modernisierung des urbanen Raumes.203 In einem Präfektursitz übernahmen dies schon nur noch der Präfekt und der Magistrat des betreffenden Kreises, und unterhalb der Präfektur nur der jeweilige Kreismagistrat. Eine Hafenstadt wie Shantou, die nicht einmal Sitz eines Magistrats war, erhielt entsprechend wenige Mittel.204 Insgesamt betrachtet, gehörte die Provinz Guangdong zu den Vorreitern der „Neuen Politik“. Verantwortlich dafür waren in erster Linie die Generalgouverneure jener Jahre, die den Reformen sehr aufgeschlossen gegenüberstanden.205 Einer von ihnen, Cen Chunxuan (1861–1933), berichtete nach Ende seiner ersten Amtszeit 1906 stolz von der hohen Zahl moderner Schulen, die bis dahin in Guangdong gegründet worden seien. Seine Aufzählung macht die oben erwähnte Diskrepanz zwischen der Provinzhauptstadt und den unteren Ebenen deutlich. An höheren Schulen zählte Cen sechs Institutionen in Guangzhou und nur 201 Roger R. Thompson, China’s Local Councils in the Age of Constitutional Reform, 1898– 1911, Cambridge, MA: Harvard University Press 1995, S. 111; Kristin Stapleton, Warfare and Modern Urban Administration in Chinese Cities, in: David Strand/Sherman Cochran/Wen-hsin Yeh (Hrsg.), Cities in Motion. Interior, Coast, and Diaspora in Transnational China, Berkeley, CA: Institute of East Asian Studies, University of California 2007, S. 53–78, hier S. 55–57; David Faure/Tao Tao Liu, Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Town and Country in China. Identity and Perception, Basingstoke: Palgrave 2002, S. 1–16, hier S. 14. 202 Stapleton, Civilizing, S. 65. 203 Michael Tsang-Woon Tsin, Canton Remapped, in: Joseph W. Esherick (Hrsg.), Remaking the Chinese City. Modernity and National Identity, 1900–1950, Honolulu: University of Hawaii Press 2000, S. 19–29, hier S. 21f.; der Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi war zugleich Gouverneur von Guangdong. 204 Im Falle Shantous allerdings sorgte der für den Außenhandel zuständige Daotai (Hui Chao Jia daotai) für einen gewissen Ausgleich, auch wenn dieser für drei Präfekturen bzw. Distrikte (Huizhou, Chaozhou und Jiaying) gleichzeitig zuständig war und seinen Sitz in Huizhou hatte. Joseph Esherick betont allerdings, dass die „Neue Politik“ wegen der starken Präsenz einer reformorientierten Gentry auch in den Präfekturstädten erfolgreich umgesetzt worden sei, siehe Esherick, Reform, S. 110. 205 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 73.
50 1 Einleitung
eine außerhalb der Stadt auf. Auf der Ebene der Primar- und Sekundarschulen seien in der gesamten Provinz 45 Pädagogische Schulen, 14 Mittelschulen und 560 Grundschulen ins Leben gerufen worden. Insgesamt besuchten 36.200 Schüler diese modernen Schulen.206 Bis 1910 sollten sich die Zahlen auf 1.435 moderne Schulen mit 68.242 Schülern (und Schülerinnen) erhöhen.207 Auch in der Reform der Bildungsverwaltung war Guangdong – neben Zhili unter Yuan Shikai – führend. Die wichtigsten neuen Institutionen, die der Hof ab 1906 für das ganze Reich verbindlich machen sollte, hatte Cen Chunxuan zu jenem Zeitpunkt in Guangdong bereits eingeführt. 1903 schuf er in Guangzhou das Schulamt (xuewuchu), und 1904 befahl er allen Kreisbeamten, ebenfalls jeweils ein solches (als xuewu gongsuo) einzurichten.208 Viele der letzteren gingen 1906 in den „Büros zur Förderung der Bildung“ auf. Guangdong war damit die erste, wenn auch nicht die einzige Provinz, die so den kaiserlichen Edikten von 1906 vorgriff.209
1.6 Aufbau der Arbeit Allem state-building zum Trotz blieb der finanziell und personell für seine neuen Aufgaben denkbar schlecht gerüstete Staat der „Neuen Politik“ gerade in der Finanzierung, aber auch hinsichtlich vieler anderer Aspekte auf die Kooperation der lokalen Eliten angewiesen. Ernest P. Young hat dementsprechend gefordert, man müsse zwischen einem großen Bereich von Reformen unterscheiden, für deren Umsetzung der Staat auf die lokalen Eliten angewiesen war (wozu Schulen zählen), und einem viel kleineren Bereich, in dem staatliche Akteure selbst Reformen durchführten, insbesondere in der Zentralisierung der Verwaltung in der Hauptstadt und in den Provinzen.210 Mir geht es darum, innerhalb der bisherigen Bewertungen der Bildungsreformen das Gewicht mehr in Richtung des letzteren Aspekts, der staatlichen Innovationen und Kapazitäten zu verschieben, die zu oft hinter den zuerst genannten Aktivitäten der lokalen Eliten verschwinden.
206 Qian Yue du Cen zouchen Guangdong quansheng xuewu banli qingxing zhe, in: Jiaoyu shijie (1906) 23, S. 97. 207 Shenbao, 08.03.1910, abgedruckt in: Lin Zhongjia/Zhang Tianxi (Hrsg.), „Shenbao“ Guangdong ziliao xuanji. 1872–1949, Bd. 7, Guangzhou: Guangdong sheng dang’anguan 1995, S. 380. 208 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 53f. 209 Keenan, Imperial, S. 106f. 210 Young, Presidency, S. 18.
1.6 Aufbau der Arbeit
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Dass von den neuen staatlichen Ansprüchen auf Organisation, Kontrolle und Lenkung in der Realität vieles nicht zum Tragen kam oder fatale Auswirkungen hatte, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Gleichzeitig aber begann die „Neue Politik“ – und hierfür waren die Bildungsreformen zentral – einen immer größeren Kreis von Menschen in die staatliche Verwaltung einzubeziehen und sie für einen Dienst innerhalb der wachsenden Bürokratie auszubilden, ohne ihnen dabei allerdings ein tatsächliches Mitspracherecht einzuräumen. Dies sollte sich zu einem Grundkonflikt der weiteren chinesischen Geschichte entwickeln. State-building bedurfte der auf Bildung beruhenden Mobilisierung der Bevölkerung und suchte diese gleichzeitig im Zaum zu halten; die Grenze zwischen „Staat“ und „Gesellschaft“ sollte aller Mobilisierung zum Trotz nicht verwischen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kollidierten diese Ziele miteinander, was das Ende der Monarchie beschleunigte.211 Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel. Das folgende, Kapitel 2, skizziert die Entwicklung von Bildungsinstitutionen in China von der neokonfuzianischen Blüte der Song-Dynastie (960–1279) bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Der Fokus dieser Vorgeschichte zu meiner eigentlichen Untersuchung liegt auf der Rolle des Staates für die Bildung. Dabei wendet sich das Kapitel auch einer kurzen, international vergleichenden Einordnung der bildungspolitischen Entwicklung in China zu. Das dritte Kapitel behandelt einen in der Forschung bislang wenig beachteten Aspekt, der die zentrale These meiner Arbeit – die prägende Rolle des Staates in der „Neuen Politik“ – nachhaltig stützt. Denn abseits der besser erforschten, neuen Lehrinhalte und neuen Zielsetzungen schulischer Bildung fand auch ein grundlegender Wandel des staatlichen Zugriffs auf Schüler, Lehrer und die Gesellschaft insgesamt statt: die zentralisierte, regelmäßige und standardisierte Erhebung von Informationen bedeutete eine Revolution des staatlichen Blicks auf die Gesellschaft, die weit über das engere Feld der Bildung hinaus Auswirkungen hatte und bis heute hat. Sie nahm ihren Anfang – was bislang nicht erkannt wurde – im Schulsystem. Heute ist die Volksrepublik China auch relativ zur Bevölkerungszahl der Staat mit dem weltweit umfangreichsten Statistikwesen.212 Dass das Ausfüllen von Fragebögen 1907 für Schulpersonal wie für Lokalbeamte aber noch ein Novum war, kann ich anhand der Reaktionen hierauf zeigen. Die detaillierte Analyse der Erhebungsmethoden macht einerseits deutlich, wie groß der neue Informationsanspruch des Staates war. Andererseits wird hieran erkennbar, wie begrenzt das Wissen staatlicher Instanzen über das 211 Tsin, Nation, S. 15; Thompson, China’s Local Councils, S. 137. 212 Xin Liu, The Mirage of China. Anti-Humanism, Narcissism, and Corporeality of the Contemporary World, New York: Berghahn Books 2009, S. 40.
52 1 Einleitung
von ihnen verwaltete Territorium noch war, wozu auch ein Abschnitt zur Kartographie beiträgt. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit hatte weitreichende Folgen für das Image des Staates und führte zu einem zwiespältigen state effect. Zudem behandelt Kapitel 3 die Umsetzung der staatlichen Reformen vor Ort durch neu geschaffene Institutionen wie das „Amt zur Förderung der Bildung“, die Schulinspektion sowie spezielle Trainingszentren. Kapitel 4 begibt sich vollends auf die Ebene der lokalen Praxis in den erwähnten drei Städten Ost-Guangdongs. Der empirische Schwerpunkt liegt auf den Mittelschulen (zhongxuetang) und damit auf einer meist in den Distriktund Präfekturstädten angesiedelten, höheren Schulform, die in China erst im Zuge der Selbststärkungsbewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Einzug gehalten hatte.213 In jedem der drei Orte analysiere ich im Detail die Geschichte mehrerer Schulen. Anhand des Curriculums, von Lehrern und Schülern sowie der Zeit- und Klasseneinteilung und der Architektur kann ich zeigen, dass die schulische Gesetzgebung des Zentralstaates auch lokal Beachtung fand, auch wenn sie – teils aus Unwillen, teils aus Mangel an Ressourcen oder Kenntnissen – nicht immer umgesetzt wurde. Letzteres galt insbesondere für die Finanzierung. Die Fallstudien verdeutlichen zudem, dass in Guangdong, anders als in den Provinzen Hunan und Hubei, Reformaktivitäten nicht auf große Verwaltungszentren begrenzt waren.214 Kapitel 5 schließlich fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und ordnet sie in einen größeren Kontext ein.
1.7 Quellen Für die Untersuchung chinesischer Schulen sowie der Schulverwaltung (Kapitel 3 und 4) stützt sich die Arbeit auf Quellen aus dem Stadtarchiv Shantou sowie dem Ersten Historischen Staatsarchiv in Beijing.215 Für den Schulalltag hat sich die 1902 gegründete, lokale Tageszeitung Lingdong Ribao aus dem Bestand der Bibliothek der Sun-Yat-sen-Universität Guangzhou als detailreichste Quelle erwiesen. Das behördliche „Bildungs-Amtsblatt der Provinz Guangdong“ (Guangdong Jiaoyu Guanbao) erschien zwar nur von 1910 bis 1911, lieferte aber wichtiges Material insbesondere zu Statistik und Inspektion. In der Provinzbibliothek 213 Wang Lunxin, Qing mo Minguo shiqi zhongxue jiaoyu yanjiu, Shanghai: Huadong shifan daxue chubanshe 2002, S. 13f. 214 Esherick, Reform, S. 109f. 215 Der dort lagernde Bestand des Bildungsministeriums der Qing ist jedoch mindestens seit 2008 nicht mehr zugänglich gewesen, mit der Begründung, dass er gescannt und neu katalogisiert werde. Auch im Provinzarchiv Guangdong in Guangzhou wurde mir nur sehr sporadisch Einsicht in nicht publiziertes Material gewährt.
1.7 Quellen
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von Guangdong fand ich eine ganze Anzahl behördlicher Drucksachen, insbesondere Fragebögen, Rechenschaftsberichte und behördeninterne Kommunikation. Weitere solcher Dokumente, vor allem zum Statistikamt der Provinz sowie zur Provinzversammlung, sind in der 150 Bände umfassenden Reihe „Manuscripts and Hand-Copied Books of the Qing Dynasty“ (Sanbian Qingdai gao chao ben) erschienen. Für die Untersuchung der Finanzierung war das „Handbuch der Finanzverwaltung der Provinz Guangdong“ (Guangdong caizheng shuoming shu) von 1910 unerlässlich. Die ersten reichsweiten Bildungsstatistiken der Jahre 1909 bis 1911 liegen als Faksimile vor. Bildungsgesetze und -verordnungen sowie einige weitere Quellen entstammen in erster Linie der zehnbändigen Quellenedition „Materialien zur neuzeitlichen chinesischen Erziehungsgeschichte“ (Zhongguo jindai jiaoyu shi ziliao). Hinzu kommen vereinzelte Ausgaben weiterer zeitgenössischer Zeitungen. Die Darstellung der Industrieausstellung in Nanjing (Nanyang Quanye Hui) im Jahr 1910 stützt sich einerseits auf Akten aus dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes (Bestände RAV Peking II und RAV Nanking II [vormals Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Bestände R 9208 und R 9325]) und andererseits auf die Quellenedition zum einhundertsten Jubiläum der Ausstellung (Nanyang Quanye Hui bai nian huiwang). Hinzu kommen weitere publizierte Quellen diverser Provenienz, darunter vereinzelt historische und moderne Lokalchroniken sowie die anekdotischen Berichte der „Kulturellen und historischen Materialien“ (wenshi ziliao) verschiedener Städte und Kreise. Für die hier nur kursorisch erwähnten Missionsschulen stellen die Archive und Publikationen der Missionsgesellschaften selbst die bedeutsamste Quelle dar.216 Es handelt sich um die Archive der Mission21/Basler Mission (BM, Basel), der American Baptist Missionary Union (ABMU, American Baptist Historical Society Archives, Atlanta, GA) und der English Presbyterian Mission (EPM, SOAS, London). Das Stadtarchiv Shantou bewahrt wertvolle Bestände insbesondere zur Geschichte der English Presbyterian Mission auf. In Basel konnte ich auch das „Evangelisches Missions-Magazin“ einsehen. Benutzt wurden zudem die publizierten Konferenzbände der Educational Association of China, die alle drei Jahre in Shanghai tagte. Deren Zeitschrift, das „Bulletin of the Educational Association of China“, später „Educational Review“, ist in der Staatsbibliothek zu Berlin zugänglich.
216 Ausführlicher zur Rolle der Missionsschulen Ost-Guangdongs während der „Neuen Politik“, siehe Frölich, Spirits.
2 Staat und Schule vor 1900 „In China it is even more obvious that […] educational reforms have been linked more directly to the political needs of the state than to developments in production and economic life.“1
Bis zum Beginn der „Neuen Politik“ im Jahr 1901 war Bildung in China weitgehend Privatsache. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Staat für das Bildungswesen keine Rolle gespielt hätte. Nur war diese Rolle überwiegend eine indirekte. Der Staat betrieb nur in sehr geringem Umfang selbst Schulen. Aber er beeinflusste maßgeblich die Inhalte dessen, was an den privaten Schulen gelehrt wurde. Nach 1900 nahm der Staat im Bildungswesen eine grundlegend andere Rolle an. Und doch knüpfte das neue Schulsystem in vielem an dieses Erbe an. Es sei im Folgenden kurz skizziert.
2.1 Staatliche Ziele Am 31. August 1905 reichte Zhang Zhidong, Mitglied des Großen Rates (junjichu), eine Throneingabe an den Guangxu-Kaiser (Zaitian, 1871–1908) ein, in dem er zusammen mit fünf weiteren Gouverneuren die Abschaffung des staatlichen Prüfungssystems forderte. Zwei Tage später, am 2. September, entsprach der Kaiser – oder vielmehr seine Tante, die faktisch regierende Kaiserinwitwe Cixi – in einem Edikt dieser Forderung.2 Damit endete ein System, das rund eintausend Jahre lang nicht nur die Vergabe von Beamten-Posten geregelt hatte, sondern darüber hinaus die Grundlage für den Status einer ganzen Klasse gebildet hatte, den der Gentry, die sich durch Landbesitz in Kombination mit einem staatlichen Prüfungstitel definierte. Ihre Symbiose mit dem Staat hatte die Stabilität der Herrschaft gesichert. Der Einfluss des Prüfungssystems reichte deshalb auch weit über das Jahr 1905 hinaus. Obschon das ehedem grenzenlose Vertrauen in die Macht der Bildung erschüttert war, blieb eine Anstellung im Staatsdienst lange das ultimative Ziel vieler Schüler und Studenten, und auch das Auswendiglernen und der geringe Praxisbezug der Ausbildung hielten an.3 Einige sehen noch die überlaufenen
1 Thøgersen, County, S. 7. 2 Bays, China, S. 126. 3 Barry C. Keenan, Educational Reform and Politics in Early Republican China, in: The Journal of Asian Studies 33 (1974) 2, S. 225–237, hier S. 228; Pepper, Radicalism, S. 116. https://doi.org/10.1515/9783110558869-002
2.1 Staatliche Ziele
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Auswahlprüfungen für Beamte in der heutigen Volksrepublik China als Erbe des Prüfungssystems.4 Für die Abschaffung des keju hatten die Autoren der Throneingabe eine ganze Reihe von Argumenten angeführt: Das Prüfungssystem werde von Korruption beherrscht und schade Chinas Ansehen im Ausland; es behindere mit seinen prestigeträchtigen Titeln das Aufblühen der modernen Schulen; einzig diese aber könnten jene Fachleute in Wissenschaft, Technik, Militär und Verwaltung hervorbringen, derer der Staat so dringend bedürfe; schließlich drohe im Falle der Beibehaltung des Prüfungssystems auch Gefahr von denjenigen, die die modernen Schulen bereits besuchten, weil ihnen ihr Abschluss derzeit weder Prestige noch die Sicherheit einer Anstellung im Staatsdienst einbrächte. Ihrer Loyalität könne sich das Kaiserreich nur durch ihre Übernahme in den Staatsdienst und durch Aufwertung der modernen Abschlüsse versichern, betonten die sechs hohen Beamten. Zudem werde das universelle Schulsystem, das sie stattdessen weiter ausbauen wollten, nicht nur den Staat mit spezialisierten Beamten versorgen, sondern zugleich den einfachen Menschen die Mittel an die Hand geben, ihr Los aus eigener Kraft zu verbessern und am Wirtschaftsleben teilzuhaben. Alle Bürger würden zudem ihren Egoismus ablegen und fortan das Wohl des ganzen Volkes im Blick haben.5 Inhaltlich hatte das Prüfungssystem Auswirkungen weit über den engeren Kreis des Bildungswesens hinaus gehabt. Die Titel, die hier auf mehreren Ebenen zu erwerben waren, bildeten nicht nur die Voraussetzung für den Eintritt in den Staatsdienst. Sie verschafften ihrem Träger zugleich hohes gesellschaftliches Ansehen, das sich wiederum – nicht nur durch die Aussicht auf einen Beamtenposten – in einen direkten materiellen Vorteil verwandeln konnte, durch das Anrecht auf einen Teil des Vermögens des eigenen Klans, durch Steuerfreiheit, Geschenke und eine lokale Machtposition.6 Ohnehin lässt sich die Entstehung der größeren, mehrere Familien umfassenden Klans während der SongDynastie zu einem großen Teil direkt auf das Prüfungssystem zurückführen. 4 Pepper, Radicalism, S. 519. Für die Regierung stellte sich schon unmittelbar nach 1905 das Problem, wie künftig fähige Beamte zu finden sein würden. Sowohl die Qing als auch später die Guomindang erschufen Auswahlverfahren, aus denen noch deutlich das große Vorbild sprach, siehe Strauss, Creating, S. 843–849; zur Guomindang siehe Julia C. Strauss, Strong Institutions in Weak Polities. State Building in Republican China, 1927–1940, Oxford: Clarendon Press 1998, S. 28–57. 5 William Ayers, Chang Chih-tung and Educational Reform in China, Cambridge MA: Harvard University Press 1971, S. 242–244; Bays, China, S. 125f. Eine englische Übersetzung der Throneingabe bei Wolfgang Franke, The Reform and Abolition of the Traditional Chinese Examination System, Cambridge, MA: Harvard University Press 1963, S. 59–61. 6 Ho Ping-ti, The Ladder of Success in Imperial China. Aspects of Social Mobility, 1368–1911, New York: Columbia University Press 1962, S. 42f. und 210f.
56 2 Staat und Schule vor 1900
Diese Klans bildeten sich überhaupt erst mit dem Ziel, materielle Ressourcen zu bündeln, um einige ihrer Mitglieder zum Erfolg bei den staatlichen Prüfungen führen zu können, auf dass der ganze Klan davon profitiere. Gleichzeitig bedeutete die Etablierung der Klans eine deutlich stabilere soziale Ordnung und eine Erleichterung für die staatliche Verwaltung auf der lokalen Ebene. Die staatlichen Prüfungen bildeten also eine feste Klammer zwischen dem Staat und den von ihm geschaffenen Eliten.7 Dass die Teilnahme an den Prüfungen – zumindest theoretisch – jedem chinesischen Mann offen stand und damit der Traum von sozialer Mobilität geträumt werden konnte, erhöhte zugleich die soziale Stabilität und die Legitimität der Herrschaft. Thomas H. C. Lee hat den Beginn dieser Öffnung des Zugangs zu Staatsämtern über den Adel hinaus während der Song-Dynastie als „perhaps one of the most important developments in the long history of China’s education“ bezeichnet.8 Dabei blieb die soziale Mobilität oft nur ein Traum, während die (verschwiegene) kulturelle und soziale (und geschlechtsspezifische) Auswahl, die faktisch den Zugang zu den Prüfungen bestimmte, doch dafür sorgte, dass die Prüfungen in erster Linie die Eliten reproduzierte und für Kontinuität sorgte.9 Auch deshalb rief die Abschaffung der Prüfungen im Jahr 1905 eine fundamentale Krise der Legitimität des Staates hervor, die direkt in den Sturz von Dynastie und Kaisertum sechs Jahre später mündete.10 Das System, das der Hof zur eigenen Stärkung durch ein universelles und praxisbezogenes Schulwesen hatte ersetzen wollen, hatte die Elite nicht nur reproduziert und an den Staat gebunden, sondern auch Ihre Söhne beschäftigt gehalten. In der Qing-Zeit fanden die Prüfungen hierarchisch gestaffelt auf Kreis-, Provinz- und Hauptstadtebene statt. Den potentiell krönenden Abschluss bildeten zusätzlich die Prüfungen im Kaiserpalast. Auf der untersten Verwaltungsebene, der des Kreises, der Präfektur oder des Distrikts, nahm der Magistrat beziehungsweise Präfekt alle zwei Jahre die Prüfung zum Lizentiat (shengyuan, umgangssprachlich xiucai, „blühendes Talent“) ab. Die erfolgreichen 7 Thomas H. C. Lee, Education in Traditional China, a History (Handbook of Oriental Studies 4/13), Leiden: Brill 2000, S. 148–150; Elman, Cultural, S. 71; Tu-Ki Min, National Polity and Local Power, Cambridge, MA: Harvard University Press 1989, S. 22. 8 Lee, Education in Traditional China, S. 79. Allerdings ist sich auch Lee der unterschiedlichen Maßstäbe sozialer Mobilität einst und jetzt bewusst, wie seine Anmerkungen ebd., S.164f. zeigen. 9 Elman, Political; vgl. auch Benjamin A. Elman/Alexander Woodside, The Expansion of Education in Ch’ing China, in: Dies. (Hrsg), Education and Society in Late Imperial China, 1600– 1900, Berkeley, CA: University of California Press, S. 525–560. 10 Iona D. Man-Cheong, The Class of 1761. Examinations, State, and Elites in Eighteenth-Century China, Stanford, CA: Stanford University Press 2004, S. 3; Elman, Cultural, S. 621f.
2.1 Staatliche Ziele
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Prüflinge waren nun zur Teilnahme an den Prüfungen in der Provinzhauptstadt berechtigt. Um sich darauf vorzubereiten, hatten sie die Möglichkeit, durch eine weitere Prüfung zum Schüler einer staatlichen Schule zu werden. Dies bedeutete jedoch weniger die tatsächliche Teilnahme an einem Unterricht als vielmehr den Bezug eines staatlichen Stipendiums. Mit Bestehen der Provinzprüfung wurde der Titel eines juren vergeben, während nach der Hauptstadtprüfung zum gongshi in der anschließenden Palastprüfung (bei der alle Kandidaten bestanden und es nur mehr um die Reihenfolge der besten ging) schließlich der höchste Titel, der eines jinshi, winkte.11 Da der Prüfungserfolg so enorm hohe Bedeutung für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg einer Familie oder eines Klans hatte, wurden dem Kandidaten auf allen Ebenen von seinem Heimatort bis nach Beijing zahlreiche Hilfestellungen gegeben.12 Die Prüfungen bedeuteten auf jeder Ebene ein rigides Auswahlverfahren, da die Regierung durch die Festlegung von Quoten stets bestrebt war, die Zahl der Titelträger gering zu halten. Über den gesamten Verlauf der Qing-Dynastie bestanden reichsweit jeweils etwa nur 1,5 Prozent der Kandidaten die Prüfungen zum shengyuan sowie diejenige zum juren.13 Manche scheiterten wieder und wieder, so dass zu den Kandidaten Teenager ebenso gehörten wie grauhaarige Männer. Wegen seiner zentralen Funktion scheute der Staat weder Kosten noch Mühen, um das System am Laufen zu halten. Dennoch sah es sich spätestens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gleich mit mehreren Problemen konfrontiert. Es warf trotz Quoten weitaus mehr Titelträger aus, als freie Stellen im Staatsdienst vorhanden waren; der zusätzliche, die Prüfungen umgehende Verkauf von Titeln durch den finanziell angeschlagenen Zentralstaat verschlimmerte den Überhang von Titelträgern weiter; und auf der Ebene der Prüfungsinhalte geriet deren Praxisferne immer stärker in die Kritik.14 Dass das keju-System dann 1905 so schlagartig abgeschafft wurde, ist in der älteren Forschung immer wieder als logischer Schritt im Rahmen einer Modernisierungserzählung dargestellt worden. Gegen eine solche Engführung hat sich am ausführlichsten Benjamin Elman ausgesprochen. Er verweist zum ersten auf die Tatsache, dass das Prüfungssystem bei der Auswahl von Beamten durchaus gute Dienste geleistet habe, was die von modernen Historikern oft angelegten, anachronistischen Maßstäbe von akademischer Spezialisierung und ökonomi11 Man-Cheong, Class, S. 25–43; eine graphische Darstellung bei Elman, Cultural, S. 659. 12 Eine lebendige Beschreibung bei G. William Skinner, Mobility Strategies in Late Imperial China. A Regional Systems Analysis, in: Carol Smith (Hrsg.), Regional Analysis. Bd. 1: Economic Systems, New York: Academic Press 1976, S. 327–364, hier S. 336–343. 13 Elman, Cultural, S. 143. 14 Bol, Neo-Confucianism, S. 41.
58 2 Staat und Schule vor 1900
scher Produktivität eines „Bildungssystems“ übersehen ließen; zum zweiten sei, hinsichtlich der Prüfungsinhalte, eine klassische Ausbildung in konfuzianischer Moral und Politiklehre mindestens ebenso sinnvoll für den werdenden Beamten gewesen wie eine klassische humanistische Ausbildung für seinen Kollegen im frühneuzeitlichen Europa; und zum dritten hebt Elman die vielen Reformen hervor, die die Chinesen im Laufe der Jahrhunderte – und insbesondere in den letzten Jahren des Bestehens des Prüfungssystems – vornahmen. So führte beispielsweise die Kritik an der Praxisferne des Prüfungsstoffes wiederholt zu Überarbeitungen des Aufgabenkatalogs, der lange dominiert worden war von Zitaten aus den Vier Büchern (si shu) und den Fünf Klassikern (wu jing), zu denen die Prüflinge sich zu äußern hatten. Auch Essays zu Fragen der chinesischen Politik hatten schon seit Jahrhunderten ihren Platz im Katalog der Prüfungsaufgaben, allerdings fanden sie sich meist ganz am Ende und wurden von den Kandidaten nur knapp beantwortet. Die Reform des Jahres 1901 räumte diesen fünf Essays den ersten Platz ein. Außerdem kamen als vollkommenes Novum fünf Essays zur Weltpolitik außerhalb Chinas hinzu, und die Zahl der Essays zu den klassischen Themen wurde reduziert und ans Ende verbannt.15 Doch Reformen des Prüfungssystems waren so wenig ein Novum der Jahrhundertwende wie die Kritik an diesem System, die bereits in der Tang-Dynastie (618–907) begonnen hatte. Hauptsächliche Steine des Anstoßes waren einerseits die zu starke Karriere- und Profitorientierung, der der Neokonfuzianer Zhu Xi (1130–1200) wieder das alte konfuzianische Ideal des Lernens aus Freude entgegenstellte, das auf Selbstvervollkommnung ziele (wei ji zhi xue).16 Andererseits wurde die fehlende praktische Orientierung des abgefragten Wissens moniert. Kritiker von Wang Anshi (1021–1086) in der Song-Dynastie bis zu Chen Li (1810–1882) in der Qing-Dynastie warnten immer wieder, die Form der Prüfungen führe dazu, dass die Kandidaten nur die Klassiker, die kanonischen Kommentare dazu sowie die publizierten Essays erfolgreicher Prüflinge aus vorangegangenen Jahren auswendig lernten, ohne sich selbst Gedanken zu machen. Dies aber konterkariere die Idee der Meritokratie.17
15 Benjamin A. Elman, Imperial Politics and Confucian Societies in Late Imperial China. The Hanlin and Donglin Academies, in: Modern China 15 (1989) 4, S. 379–418, hier S. 381; Elman, Cultural, S. 523, 596; eine äußerst detailreiche, chronologische Liste der Veränderungen im Prüfungsstoff von der Tang-Dynastie bis 1905 hat Benjamin Elman ebenfalls kompiliert, siehe ebd., S.729–737. 16 Lee, Education in Traditional China, S. 282. 17 Franke, Reform, S. 16–27; Lee, Education in Traditional China, S. 167–170; speziell zur Songzeitlichen Kritik durch den entstehenden Neokonfuzianismus siehe Bol, Neo-Confucianism, S. 52–56.
2.2 Private Wege
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Zur Kritik am Prüfungssystem in China bedurfte es also nicht unbedingt ausländischer Vorbilder eines „modernen“ Bildungswesens. Allerdings lieferten Autoren und Institutionen in Japan, den USA und Europa den chinesischen Kritikern ab Mitte des 19. Jahrhunderts neue Inspiration und Vorbilder, sie erweckten die innerchinesische Kritik zu neuem Leben und verstärkten sie.18 1905 unternahm die Regierung den letzten Schritt. Doch obwohl die neuen Schulen dieselben Titel vergaben, die ehedem im Rahmen des Prüfungssystems zu erlangen gewesen waren, konnten sie dessen weiterreichende Rolle unmöglich ausfüllen.
2.2 Private Wege Das höchste Ziel aller Bildungsanstrengungen im spätkaiserlichen China war die Vorbereitung auf die staatlichen Prüfungen. Doch konnte das Versprechen der sozialen Mobilität nicht von jedem Chinesen, der für einige Zeit eine private Schule besuchte, als realistische Perspektive und tatsächliche Motivation betrachtet werden. So wichtig das Prüfungssystem für die Verklammerung von Staat und Eliten war, so wichtig waren für die meisten Bauern, Handwerker, kleinen Kaufleute oder Apotheker die praktischen Kenntnisse, die sie in relativ kurzer Zeit an einer privaten Schule erwerben konnten. Für die ganz große Mehrheit der Bevölkerung darf man die Rolle des Prüfungssystems nicht überbewerten.19 Alles Lernen – sei es für die genannten praktischen Tätigkeiten, sei es für den Staatsdienst – verlief vor allem auf privaten Wegen. Zwar gab es auch staatliche Schulen – die rituellen guanxue sowie die Wohlfahrtsschulen (yixue) – aber diese spielten insbesondere in den hier interessierenden, letzten Jahren des Kaiserreichs nur eine sehr geringe Rolle. Das begrenzte Engagement des Staates gerade in der Elementarbildung lässt sich auch dadurch erklären, dass jener sich darauf verlassen konnte, dass die Attraktivität der Beamtenlaufbahn, der Staatsdienst als fernes Ideal und Ziel allein sicherstellte, dass Eltern und
18 Mark Elvin, The Collapse of Scriptural Confucianism, in: Ders., Another History. Essays on China from a European Perspective, Broadway, NSW: Wild Peony 1996, S. 352–389, hier S. 369. Diesen Mechanismus beschreibt Jürgen Schriewer als „Externalisierung“, siehe Jürgen Schriewer, The Method of Comparison and the Need for Externalization. Methodological Criteria and Sociological Concepts, in: Ders./Brian Holmes (Hrsg.), Theories and Methods in Comparative Education, Frankfurt a. M.: Peter Lang 1990, S. 25–86. 19 Charles W. Hayford, Literacy Movements in Modern China, in: Robert F. Arnove/Harvey J. Graff (Hrsg.), National Literacy Campaigns. Historical and Comparative Perspectives, New York: Plenum Press 1987, S. 147–171, hier S. 149–151.
60 2 Staat und Schule vor 1900
Angehörige sich selbst darum kümmern würden, dass ihre Söhne als Grundvoraussetzung zunächst lesen und schreiben lernten.20 So dominierten also der Unterricht durch Familienmitglieder zuhause und die klassischen Privatschulen (sishu), und zwar sowohl im Hinblick auf die Prüfungsvorbereitungen, als auch im Hinblick auf den ganz allgemeinen Erwerb elementarer Schreib- und Lesefähigkeiten. Diese Tatsache widersprach der damals im Westen noch dominanten, durch die Jesuiten-Missionare geprägten Auffassung, in China gebe es gewissermaßen Bildung für alle.21 Die nach wie vor maßgebliche Untersuchung zur Elementarbildung während der Qing-Zeit stammt von Evelyn S. Rawski, die vier Formen der Wissensvermittlung als die – in dieser Reihenfolge – bedeutsamsten herausgestellt hat: erstens den Unterricht durch Familienmitglieder, zweitens den Unterricht durch einen Privatlehrer an der klassischen sishu oder, drittens, an einer Klanschule (zuxue) – erst an vierter Stelle folgt die staatliche Wohlfahrtsschule, von der im folgenden Abschnitt die Rede sein soll.22 Folgt man Rawski, so lernten die Söhne (und seltener auch Töchter) einer Familie als erstes das Lesen und teilweise auch Schreiben von rund 2.000 Zeichen zuhause von einem literaten Verwandten, nicht selten übrigens der Mutter. Diese in der heutigen chinesischen Forschung als „Familienbildung“ (jiating jiaoyu) bezeichnete Form des Unterrichts wurde von den Zeitgenossen in hohen Ehren gehalten. Biographische Bildzyklen aus dem (idealisierten) Leben von Prüfungsbesten zeigen den Erfolgreichen, wie er als Kind die ersten Zeichen von seinen Eltern lernt.23 20 Angela Ki Che Leung, Elementary Education in the Lower Yangtze Region in the Seventeenth and Eigteenth Centuries, in: Benjamin A. Elman/Alexander Woodside (Hrsg.), Education and Society in Late Imperial China, 1600–1900, Berkeley, CA: University of California Press 1994, S. 381–416, hier S. 401. 21 Adele M. Fielde, A Corner of Cathay. Studies from Life Among the Chinese, New York, London: Macmillan 1894, S. 94; zur Rolle der Jesuiten für das idealisierte Bild des chinesischen Bildungswesens siehe Jürgen Osterhammel, Transkulturell vergleichende Geschichtswissenschaft, in: Ders., Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001, S. 11–45. 22 Die Terminologien einzelner Autoren weichen bei ihren Versuchen der historischen Rekonstruktion der Welt der privaten Bildung voneinander ab. So bezeichnet Borthwick die Schule im Haus einer wohlhabenden Familie als jiashu, was laut Peng Deng und Elizabeth VanderVen jedoch die Schule im Haus des Lehrers selbst oder in einer Ahnenhalle meint (Borthwick, Education, S. 18; Peng Deng, Private Education in Modern China, Westport, CN: Praeger 1997, S. 6; VanderVen, A School in Every Village, S. 39). Die Verwirrung der Begriffe ist auch ein Ergebnis der Systematisierungsbemühungen der „Neuen Politik“, als sich der heutige Sammelbegriff sishu für alle nicht dem neuen Ideal entsprechenden Schulformen durchsetzte, siehe Zuo Songtao, Xinci yu guwu – Qingli yi lai suowei „sishu“ wenti de zairenshi, in: Zhongshan daxue xuebao (2008) 3, S. 74–87; näher siehe unten Kapitel 3.1.5. 23 Siehe die Abbildung bei Elman, Cultural, S. 264.
2.2 Private Wege
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Waren die Kinder dann etwa sechs Jahre alt, kam bei wohlhabenderen Familien ein Lehrer ins Haus. Finanziell weniger gut gestellte Familien taten sich zusammen, um gemeinsam einen Lehrer für ihre Kinder zu bezahlen. Der Unterricht konnte dann entweder im Haus des Lehrers oder in dem einer der beteiligten Familien stattfinden.24 Diese sishu waren billig und konnten jederzeit begonnen oder abgeschlossen werden. Hauptkostenfaktor war das (oft magere) Gehalt des Lehrers, eventuell kam die Miete für einen Unterrichtsraum hinzu, die jedoch entfiel, wenn die Stunden zuhause gegeben wurden. Die Ferien richteten sich auf dem Land nach der Erntezeit.25 Im Kontext des staatlichen Prüfungssystems spielten die sishu eine wichtige Rolle, nicht nur als Orte der Vorbereitung auf die Prüfungen. Die Privatschulen stellten auch einen wichtigen Arbeitsmarkt sowohl für gescheiterte Prüfungskandidaten als auch für das wachsende Heer der erfolgreichen Absolventen dar, die keine Anstellung im Staatsdienst bekamen. Beide Gruppen konnten sich als Lehrer (shushi) verdingen und sicherten damit nicht nur ihren – meist bescheidenen – Lebensunterhalt, sondern trugen zugleich zu sozialer Stabilität und kultureller Kontinuität bei.26 Diese Konstellation sollte mit Einführung der modernen Schulen und dem Ende des Prüfungssystems vollkommen über den Haufen geworfen werden, mit den erwähnten Folgen für das gesamtgesellschaftliche Gleichgewicht.27 Die Klanschule wiederum war im Grunde eine sishu auf breiterer Grundlage. Zu ihrer Finanzierung mussten sich nicht erst Familien eigens zusammenfinden, sondern sie wurden aus den Pachteinnahmen für das Schulland (xuetian) finanziert, das Teil des gemeinsamen Besitzes des Klans war. Ort des Unterrichts war häufig die Ahnenhalle (citang). Sie war auch der Ort, an dem Tafeln zu Ehren jener Söhne aus dem Klan angebracht wurden, die in den Staatsprüfungen einen Titel erlangt hatten.28 Aus all den genannten privaten Formen der Bildungsvermittlung hielt sich der Staat formell heraus. Umso auffälliger ist der hohe Grad an Uniformität sowohl der Form des Lernens als auch der Lehrinhalte. Es herrschte im gesamten 24 Rawski, Education, S. 25–27, 81. 25 Ebd., S. 27. 26 Das ursprünglich hohe Ansehen des privaten Lehrers in der chinesischen Gesellschaft drückt sich nicht zuletzt darin aus, dass auch Konfuzius selbst als Privatlehrer galt, der keine institutionalisierte Schule hinterließ, vgl. Lee, Education in Traditional China, S. 43; siehe auch Benjamin A. Elman, From Philosophy to Philology. Intellectual and Social Aspects of Change in Late Imperial China, Cambridge, MA: Harvard University Press 1984, S. 131–133. 27 Jiang Chunjiao, Yi ge jieceng, S. 69–213. 28 Lee, Education in Traditional China, S. 12; Rawski, Education, S. 29–32; Leung, Elementary, S. 389f.
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chinesischen Kaiserreich ein weitgehender Konsens der Eliten darüber, wie und was ein Schüler in den ersten Jahren zu lernen habe. Alle Mitglieder der Gentry hatten dieselben klassischen Texte lernen müssen, und sie wussten, dass auch ihre Söhne diese Texte würden beherrschen müssen.29 Der Unterricht richtete sich nach dem Mondkalender. Das Schuljahr begann um den 15. Tag des ersten Monats und dauerte etwa bis zum 25. Tag des zwölften Monats. An rund zehn Tagen im Jahr fand wegen Feiertagen kein Unterricht statt. Der Schultag teilte sich für gewöhnlich in eine Morgen-, eine Vormittags-, eine Nachmittags- und eine Abendsitzung. Als Lehrbücher zum Erlernen der ersten Schriftzeichen wurden fast überall die folgenden drei benutzt: Der „DreiZeichen-Klassiker“ (sanzi jing), der „Tausend-Zeichen-Klassiker“ (qianzi wen) sowie die „Hundert Familiennamen“ (bai jia xing). Hinzu kamen zeitweise zwei von Zhu Xi eigens für die Grundschule verfasste Titel, das „Kleine Lernen“ (xiaoxue) und der „Klassiker zur Kindespietät“ (xiaojing). Über spezielle Lehrbücher in Reimform, etwa zur Geschichte der Dynastien, arbeiteten sich Lehrer und Schüler dann zu den ersten Texten aus den für die Staatsprüfungen maßgeblichen Werken vor, also den Vier Büchern und Fünf Klassikern.30 Alle bislang genannten Institutionen dienten vor allem der Elementarbildung. Höhere Bildung hingegen, sei es zum Zwecke der Vorbereitung auf die staatlichen Prüfungen, sei es als zweckfreie Aneignung von Gelehrsamkeit, fand auf zwei Wegen statt. Entweder im Selbststudium (gegebenenfalls mit Hilfe eines privaten Lehrers) oder an einer der Akademien (shuyuan).31 Letztere verdeutlichen, dass der Hof sich schon lange vor 1900 durchaus der Gefahr bewusst war, die seine Politik, Schulen weitgehend privater Initiative zu überlassen, mit sich brachte. Die Akademien – deren Name vor allem mit Aufstieg und Verbreitung des Neokonfuzianismus verbunden ist – waren zu Beginn ihrer Geschichte während der Song-Dynastie als Gegenentwurf zu den staatlichen, am Prüfungserfolg orientierten guanxue konzipiert worden. Freude am zweckfreien Lernen und Lehren fernab des Alltags waren die Maxime.32 Doch während der Dynastien der Ming und der Qing wandelte sich der Charakter der weiterhin shuyuan genannten Einrichtungen vollkommen. Ihre Zahl 29 Leung, Elementary, S. 391. 30 Ebd., S. 391–396. 31 Ho, Ladder, S. 197. 32 Näher zur Entstehungsgeschichte der ersten Akademien siehe Elman/Woodside, Expansion, S. 526f.; Lee, Education in Traditional China, S. 84f. Die Entfernung vom Alltag war durchaus wörtlich zu verstehen. Buddhistische Klöster dienten als Vorbild, als die ersten Akademien in der Einsamkeit der Berge und Wälder gegründet wurden. Der Leiter einer solchen Akademie firmierte entsprechend dem buddhistischen Vorbild als shanzhang, siehe Lee, Education in Traditional China, S. 93.
2.2 Private Wege
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begann sich parallel zum Niedergang der staatlich initiierten Gemeindeschulen (shexue, siehe unten) stark zu vergrößern.33 Statt in ländlicher Einsamkeit wurden die Akademien nun zusehends in den Städten gegründet (vor allem in den jeweiligen Hauptstädten der Provinzen), wo sie sich zu sich „Zentren politischer Netzwerke“ entwickelten.34 Insbesondere während der ersten Hälfte der MingDynastie scheute die Regierung deshalb nicht davor zurück, Akademien zu schließen oder gar zerstören zu lassen.35 Auch die Qing stellten die bestehenden privaten Akademien sofort unter Beobachtung und verboten schon 1652 die Errichtung neuer, vom Staat unabhängiger Akademien.36 Vor allem auf dem Land trat so an die Stelle ihrer bewussten Staatsferne eine starke Bestimmung und Kontrolle der Lerninhalte durch die neuen Herrscher. In den Städten hingegen werteten Gentry und Kaufleute mit der privaten Unterhaltung von Akademien ihr eigenes und insgesamt das Prestige ihrer Heimatregion auf.37 Unter dem Strich näherten sich dadurch viele shuyuan stark den staatlichen Schulen zur Vorbereitung auf die Staatsprüfungen (guanxue) an, während andere Akademien ihre Unabhängigkeit und Staatsferne wahren konnten. So firmierte unter dem Namen shuyuan bald eine ganze Bandbreite von Institutionen, vom Rückzugsort für einzelne Gelehrte über Klanschulen und Orte philosophischer Diskussion bis hin zu staatlichen Schulen.38 Für die Provinz Guangdong hat Liu Po-chi 1937 über den Verlauf der Qing-Dynastie hinweg insgesamt 411 Akademien gezählt, von denen zwei Drittel auf staatliche und ein Drittel auf private Initiative zurückgegangen seien.39 Während also die sishu verdeutlichen, dass die Vermittlung von Bildung auf dem Primarsektor ganz überwiegend auf privaten Wegen erfolgte, zeigen 33 Ho, Ladder, S. 197; Lee, Education in Traditional China, S. 92f. 34 David Faure/Helen F. Siu, Conclusion, in: Dies. (Hrsg.), Down to Earth. The Territorial Bond in South China, Stanford, CA: Stanford University Press 1995, S. 209–222, hier S. 211. 35 Elman, Imperial, S. 402f.; Lee, Education in Traditional China, S. 99. 36 Elman, From Philosophy, S. 119. 37 Tilemann Grimm, Academies and Urban Systems in Kwangtung, in: G. William Skinner (Hrsg.), The City in Late Imperial China. Studies in Chinese Society, Stanford, CA: Stanford University Press 1977, S. 475–498, hier S. 483, 496f. Für Guangdong ist das wichtigste Beispiel hierfür die 1821 in Guangzhou gegründete Xuehaitang, die zum zentralen Bezugspunkt einer eigenen Identität kantonesischer Gelehrter wurde, siehe Miles, Sea, S. 127–163. 38 Frederic Wakeman jr, Strangers at the Gate. Social Disorder in South China, 1839–1861, Berkeley, CA: University of California Press 1966, S. 182; Deng Hongbo, Qingdai shenghui shuyuan. Bianbu quanguo de jiaoyu xueshu zhongxin, in: Nanjing xiaozhuang xueyuan xuebao (2006) 6, S. 109–114; Liu Hsiang-kwang, Education and Society. The Development of Public and Private Institutions in Hui-chou, 960–1800, PhD Dissertation Columbia University, New York 1996, S. 3. 39 Zitiert nach Ho, Ladder, S. 201.
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die Akademien, dass sich im Bereich der höheren Bildung bereits mit Beginn der Ming-Dynastie eine Tendenz zu stärkerer staatlicher Kontrolle und Inkorporation abzeichnet. Damit ist auch klar, dass, anders als manche allzu sehr vom Pathos der Modernisierung geprägte Darstellung suggeriert, das System staatlicher Bildungsvermittlung im China des 19. Jahrhunderts mitnichten eine Wüste war, aus der sich nach 1900 über Nacht blühende Landschaften erheben sollten. Den staatlichen Bildungseinrichtungen vor 1900 widmet sich deshalb der folgende Abschnitt.
2.3 Staatliche Schulen und der Staat als Initiator Das System staatlicher Schulen vor der Wende zum 20. Jahrhundert ist – die Zwitterstellung der Akademien hat dies gezeigt – nicht leicht zu überschauen. Es lassen sich für die Ming- und Qing-Dynastien, auf die wir uns konzentrieren wollen, die folgenden drei bereits erwähnten Bereiche unterscheiden: Die höheren staatlichen Schulen (guanxue), die Gemeindeschulen und die Wohlfahrtsschulen. Auf die ab den 1860er Jahren im Rahmen der Selbststärkungsbewegung eingeführten, „modernen“ Schulen gehe ich im nachfolgenden Abschnitt ein. Schon die ersten von den Herrschern der Zhou-Dynastie (1046–771 v. Chr.) ins Leben gerufenen Schulen verfolgten neben rituellen und moralischen Zwecken primär das Ziel, Männer für den Staatsdienst auszubilden.40 Dass die staatlichen Schulen seit dem 14. Jahrhundert eine gegenüber dem Prüfungssystem nur noch marginale Rolle spielten, ist denn auch darauf zurückzuführen, dass spätestens zu dieser Zeit das Prüfungssystem diese Funktion – die Auswahl für den Staatsdienst – von den Schulen übernommen hatte.41 1905 versuchten die Qing dagegen, den fortgesetzten Prozess der Entstaatlichung des Schulwesens wieder auf den Kopf zu stellen. Nun sollten die staatlich vorgeschriebenen Schulen das Prüfungssystem ablösen. Doch jenseits der höheren staatlichen Bildungseinrichtungen zur Gewinnung von Staatsdienern gab es auch bereits während der späteren Han-Dynastie (25–220 n. Chr.) staatliche Initiativen zur Einrichtung von Elementarschulen. Über die Verwirklichung solcher frühen Pläne ist jedoch regelmäßig wenig bekannt. Allerdings ist es wichtig festzuhalten, dass diese Schulen schon zu jener Zeit tatsächlich als Orte der Bildung und Teil eines größeren Bildungssystems angesehen wurden, und dass den Han-Kaisern damit bereits ein – aus heutiger 40 Lee, Education in Traditional China, S. 41. 41 Elman, Cultural, S. 127, 145.
2.3 Staatliche Schulen und der Staat als Initiator
65
Sicht selbstverständlich rudimentäres – Ideal von universeller Bildung vorschwebte.42 Mit der Song-Dynastie wurden die Vorrechte des Adels durch das meritokratische Prüfungssystem abgelöst, und es begann jene Entwicklung, die bis in die Zeit unserer Untersuchung 900 Jahre später anhalten sollte: Die staatlichen höheren Bildungseinrichtungen, von denen die „Schule der Jugend des Reiches“ (guozi xue) und die kaiserliche Universität (taixue) die wichtigsten waren, wurden zu Orten der Vorbereitung auf staatliche Prüfungen. Dasselbe galt für die staatlichen Schulen auf lokaler Ebene, die nun gefragter denn je waren.43 Auch wurden die lokalen staatlichen Schulen nun erstmals systematischer verwaltet. Neue Ämter wurden geschaffen, die Auswahl von Lehrern und weiteres wurden geregelt. Im Jahr 1071 wurden erstmals Schulbeamte (xueguan) auf der lokalen Ebene ernannt. Die Oberaufsicht über die Bildung oblag dem kaiserlichen Direktorium (guozi jian), dem die „Schule der Jugend des Reiches“ angegliedert war. Ab dem Ende des 14. Jahrhunderts entstand der Posten des „Bildungskommissars“ (tixueguan) als permanente Einrichtung. Der Kommissar war für Bildung und Prüfungen auf lokaler sowie Provinzebene zuständig.44 Das System lokaler staatlicher Schulen wurde zu Beginn der Ming stark ausgebaut. Die drei Verwaltungsebenen Präfektur, Distrikt und Kreis erhielten je ihre eigene Schule. Die regulär zugelassenen Schüler, je nach Verwaltungsebene lediglich zwischen 20 und 40, erhielten ein staatliches Stipendium und trugen den Titel eines „Regierungsstudenten“ oder shengyuan. Doch wie bereits erwähnt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie tatsächlich irgendeine Art von Unterricht erhielten. Auch die höheren staatlichen Schulen wurden spätestens zur Zeit der Qing zu bloßen Institutionen für die Registrierung von Studenten und zur Stipendienvergabe, an denen kein Unterricht irgendwelcher Art mehr stattfand. Im 19. Jahrhundert versanken sie, wie viele andere Einrichtung der staatlichen Kontrolle auf dem Land, in der Bedeutungslosigkeit.45 Jedoch gab es neben diesen höheren noch zwei weitere Typen staatlicher Schulen. Die Gemeindeschulen waren vor allem ein Phänomen der Ming-Zeit, während unter den Qing die Wohlfahrtsschulen dominierten. Als historische Vorläufer und Bezugspunkte des ab 1898 eingeführten Schulsystems sind beide wichtig. Sie verdeutlichen, dass weder die Idee eines Bildungssystems für das ganze Volk, noch die Probleme, die die Umsetzung dieser Idee mit sich brachte, ein vollkommenes Novum der chinesischen Geschichte am Ende des 19. Jahr42 43 44 45
Lee, Education in Traditional China, S. 52f. Bol, Neo-Confucianism, S. 31. Lee, Education in Traditional China, S. 83, 94. Ebd., S. 97; Elman, Cultural, S. 127; Hsiao, Rural, S. 254–258.
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hunderts sind.46 Und sie machen einmal mehr klar, dass diese Ideen keine reinen Importe aus dem Ausland waren. Anders als die im vorangehenden Kapitel behandelten sishu und shuyuan nämlich, die (im Falle der shuyuan zumindest anfänglich) auf private Initiative zurückgingen, verdanken die Gemeinde- und Wohlfahrtsschulen ihre Existenz von Anfang an dem Handeln des Staates. Das Muster, das ihrem Entstehen zugrunde lag – also der zentralstaatliche Appell bei Delegation der Ausführung an lokale Beamte und Gentry – sollte sich außerdem ganz ähnlich bei der Etablierung des staatlichen Schulwesens nach 1900 wiederfinden.47 Beide Schultypen waren für die Ausbildung von Söhnen aus unterprivilegierten Verhältnissen gedacht, die wegen Mangels an Geld, Beziehungen oder wegen eines bildungsfernen Umfelds andernfalls keine Bildung erhalten hätten. Der Unterricht begann also, anders als an den guanxue, mit dem Elementaren: Lesen und Schreiben, ganz wie an der privaten Schule. Die Gemeindeschulen waren zudem im Gegensatz zu den Akademien der Qing-Zeit vor allem in ländlichen Regionen angesiedelt. Zurückgehend auf Zhu Xis Ideen aus dem 12. Jahrhundert, trieb insbesondere die Ming-Dynastie die reichsweite Einrichtung solcher Gemeindeschulen voran. Eine Schule sollte für je 50 Haushalte zuständig sein, und respektierte Gelehrte sollten außerhalb der landwirtschaftlichen Arbeitsperioden alle Kinder dieser Haushalte unterrichten.48 Auslöser dafür war die Einsicht der Ming-Herrscher, dass die bestehenden staatlichen Schulen (guanxue) allesamt höhere Bildungseinrichtungen waren, die als Schüler nur jene aufnahmen, die bereits den untersten Prüfungsgrad erlangt hatten.49 In ihrer Zielstellung und ihren Lehrinhalten verfolgten diese Gemeindeschulen jedoch in erster Linie die moralische Erziehung und Kontrolle des Volkes.50 Für die Realisierung der Pläne der Ming gilt wie so oft, dass generelle Aussagen schwierig sind. Viel Licht ins Dunkel hat Sarah Schneewind mit ihrer Arbeit über die Ming-zeitlichen Gemeindeschulen gebracht. Der erste Kaiser der Ming hatte 1375 die Gründung von Gemeindeschulen in allen Dörfern angeordnet und die Ausführung den lokalen Beamten übertragen. Nur fünf Jahre später 46 Daher ist Benjamin Elman nur zuzustimmen, insoweit er sich mit „state schools“ rein auf die guanxue bezieht: „Because training in both vernacular and classical literacy was left to the private domain, state schools in China never entertained goals of mass education until the twentieth century“ (Elman, Imperial, S. 382). 47 Hsiao Kung-chuan, Rural China. Imperial Control in the 19th Century, Seattle: University of Washington Press 1960, S. 252. 48 Lee, Education in Traditional China, S. 91. 49 Liu, Education, S. 4f.; Ho, Ladder, S. 194f. 50 Leung, Elementary, S. 382.
2.3 Staatliche Schulen und der Staat als Initiator
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schaffte der Kaiser diese Schulen wieder ab, weil er die ganze Idee der moralischen „Verwandlung [des Volkes] durch Bildung“ (jiaohua) – oder Zivilisierung – durch das korrupte und eigennützige Verhalten derjenigen Beamten, die für die Gemeindeschulen verantwortlich waren, gefährdet sah. Schon 1383 führte der Kaiser die Gemeindeschulen wieder ein, diesmal aber als von der Gentry freiwillig und ohne Einfluss des lokalen Beamten zu gründende Institutionen. Das aber führte dazu, dass die reiche Gentry viel eher die staatlichen Schulen auf der Ebene des Kreises finanzierte, weil sie an diesen als Sprungbrettern für die Karrieren der eigenen Söhne selbst viel mehr Interesse hatte. Die Auswertung einer großen Zahl von Lokalchroniken aus ganz China zeigt denn auch deutlich die begrenzte Reichweite der kaiserlichen Edikte: Bis 1398 wurden lediglich in 50 der etwa 1.400 Kreise des Reiches überhaupt Gemeindeschulen gegründet.51 1436 wurde deshalb die Verantwortung für die Gemeindeschulen von der Gentry wieder zurück auf die lokalen Beamten übertragen.52 Unter diesen hat Schneewind neben vielen, die die neue Aufgabe schlichtweg ignorierten, eine Gruppe von rund 100 Beamten ausgemacht, die im 15. und 16. Jahrhundert sehr viele Gemeindeschulen gründeten. Sie kooperierten dazu auch mit reichen Gentry-Mitgliedern. Dieses Engagement war weniger im größeren Pflichtgefühl der Einhundert, sondern mehr in ihrem Enthusiasmus für den Neokonfuzianismus begründet. Die Gemeindeschulen dienten ihnen dazu, den Einfluss der Volksreligionen Buddhismus und Daoismus zu begrenzen, indem sie junge Männer neokonfuzianisch bildeten sowie Tempel in Gemeindeschulen umwandelten oder abrissen und an ihre Stelle Schulen setzten.53 Das Ob und Wie der Umsetzung der kaiserlichen Edikte hing also ganz maßgeblich von der Person des jeweiligen lokalen Beamten und der lokalen Gentry ab. Auch das ist, wie wir sehen werden, eine deutliche Parallele zur Entwicklung nach 1900. Gegen Ende der Ming-Dynastie machte der Beamte Lü Kun (1536–1618) gar den Vorschlag, ein vom Staat finanziertes Programm zur Ausbildung von Lehrern zu etablieren und eine dreijährige Schulpflicht für alle Kinder einzuführen.54 Unabhängig von den (oft als Indoktrination gebrandmarkten) Intentionen der Herrscher brachten die Gemeindeschulen ihren Schülern doch den vielfältigen Nutzen, den eine Elementarbildung in der weitgehend illiteraten Lokalgesellschaft bedeutete: Die Schüler konnten plötzlich Knowhow aus Büchern be-
51 Sarah Schneewind, Community Schools and the State in Ming China, Stanford, CA: Stanford University Press 2006, S. 9–22, 164. 52 Ebd., S. 44–50. 53 Ebd., S. 58–61, 86–91. 54 Leung, Elementary, S. 384.
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ziehen, sie konnten Verträge schreiben und lesen, manche konnten die Landwirtschaft gegen eine Existenz als Lehrer eintauschen oder gar auf eine guanxue gelangen und an den Staatsprüfungen teilnehmen. Und Gentry-Familien konnten Geld sparen, indem sie ihre Kinder an den Gemeindeschulen ausbilden ließen statt an einer sishu oder zuhause.55 Der synchrone Vergleich zeigt, dass die Ming mit den Gemeindeschulen während der ersten 150 Jahre ihrer Herrschaft der Entwicklung der Volksbildung in Europa weit voraus waren.56 Indem sie die Gemeindeschulen eng mit den regelmäßigen, moralisierenden Vorlesungen im Rahmen des so genannten Dorfpakts (xiangyue) verbanden, machten die Kaiser den Betrieb der Gemeindeschulen zu einem weiteren Teil der Wohlfahrtsaufgaben der Gentry. Im Unterschied zu den praktischen, kurzfristigen Aufgaben (zum Beispiel in der Katastrophenhilfe) allerdings wurde der Betrieb der Schulen zu einer langfristigen Betätigung der lokalen Elite. Hier ging es nicht um die zügige Behebung plötzlich eingetretener Probleme, sondern um die langfristige moralische Erneuerung der Bevölkerung. Dazu schien eine rudimentäre Bildung für alle mit stark moralisch geprägten Inhalten das Mittel der Wahl zu sein.57 Das tiefe Vertrauen in die umwälzende Macht der Bildung sollte noch für lange Zeit und im Grunde bis heute eine Grundlinie der chinesischen Bildungsgeschichte bleiben. Als Mitte des 17. Jahrhunderts die Qing-Dynastie die Macht übernahm, behielten ihre Herrscher die Gemeindeschulen bei.58 Parallel dazu führten sie im Jahr 1702 die bereits mehrfach erwähnten, so genannten Wohlfahrtsschulen ein, die die Gemeindeschulen allmählich ablösen sollten.59 Erstere richteten sich, wie im Jahr 1713 explizit gemacht wurde, vor allem an die Söhne armer Familien und von Angehörigen ethnischer Minderheiten in Grenzregionen des Reiches.60 Die Abgrenzung zwischen beiden Schultypen ist in der Forschung umstritten, insbesondere hinsichtlich der jeweiligen Rolle des Staates.61 Doch müssen uns diese Debatten nicht weiter beschäftigen. Tatsächlich scheint, was 55 Schneewind, Community, S. 165. 56 Elman, Imperial, S. 381. 57 Leung, Elementary, S. 401. 58 Hsiao, Rural, S. 237. 59 Leung, Elementary, S. 384f. 60 Elman/Woodside, Expansion, S. 527–530; Leung, Elementary, S. 385. 61 Die Kontrolle der Gemeindeschulen eben durch die Gemeinden betont Leung, Elementary, S. 384; den bestimmenden Einfluss des Staates dagegen sehen William T. Rowe, Education and Empire in Southwest China. Ch’en Hong-mou in Yunnan, 1733–38, in: Benjamin A. Elman/Alexander Woodside (Hrsg.), Education and Society in Late Imperial China, 1600–1900, Berkeley, CA: University of California Press 1994, S. 417–457, hier S. 428 sowie Thøgersen, County, S. 30; keinen nennenswerten Unterschied zwischen beiden Schultypen kann Hsiao, Rural, S. 238f. entdecken.
2.3 Staatliche Schulen und der Staat als Initiator
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den Betrieb beider Schultypen anbelangt, ein Muster vorgeherrscht zu haben, das, wie wir in Kapitel 4 genauer sehen werden, auch noch die Bildungsreformen der „Neuen Politik“ bestimmen sollte. Die Zentralregierung verfügte die Einrichtung solcher Schulen in jedem Distrikt und jedem Kreis, übertrug dann die Ausführung an die lokalen Beamten, die sich in der Regel in Ermangelung eigener Finanzquellen an die örtliche Gentry wandten.62 Auffällig ist dabei der Trend des sich verstärkenden Engagements der Gentry. Waren während der Ming-Zeit noch mehr als 99 von einhundert Gemeindeschulen durch Beamte gegründet worden, so verkehrte sich das Verhältnis während der ersten gut 170 Jahre der Herrschaft der Qing: Zumindest im wohlhabenden Jiangnan-Delta wurde nun eine Mehrheit von 60 Prozent der Wohlfahrtsschulen durch die Gentry selbst ins Leben gerufen. Durch Spenden finanzierte, für alle armen Kinder zugängliche Grundschulen wurden so zu einem wichtigen Instrument der philanthropischen Offensive der Gentry, die seit der späten Ming-Zeit die mit Problemen behafteten gesellschaftlichen Wandlungsprozesse auf einen Verfall der Sitten im Volk zurückgeführt hatte und diesem Verfall nun mit allen Mitteln entgegen treten wollte.63 Hatte also in der Praxis bereits vor dem 19. Jahrhundert die Rolle der Gentry für die Schulen deutlich an Gewicht gewonnen, indem die lokale Elite von bloßen Geldgebern zu eigeninitiativen Schulgründern avanciert war, so behielten sich die lokalen Beamten Verantwortung für und Überwachung der Schulen weiterhin vor. Im Bewußtsein der Zeitgenossen gehörte die Schulbildung nach wie vor in die Zuständigkeit des Staates. Hier zeigt sich, wie wichtig das rudimentäre staatliche Schulsystem dann doch war für das konfuzianische Selbstverständnis des Staates: Die offiziellen Schulen mussten unter staatlicher Kontrolle bleiben, die sishu dagegen wurden offiziell gar nicht behandelt, sie hatten weniger repräsentativen als viel mehr technischen Charakter. Daher blieb es auch während der Qing-Zeit essentiell, dass diejenigen Gentry-Mitglieder, die eine Wohlfahrtsschule gründeten, die von ihnen aufgestellten Schulregularien im Nachhinein vom Magistrat genehmigen ließen.64 Generell lässt sich feststellen, dass das aktive lokale Engagement im Bildungswesen parallel zum sich intensivierenden Wettbewerb im Prüfungssystem zunahm. Noch während der Song-Dynastie lag die Initiative zum Bau und Betrieb von Schulen vor allem beim Magistrat und den Lehrer-Beamten der staatlichen Schulen. Erst auf ihr Bitten hin fanden sich die lokalen Eliten zur Unter62 Ch’ü T’ung-Tsu, Local Government in China Under the Ch’ing, Cambridge, MA: Harvard University Press 1962, S. 161f. 63 Leung, Elementary, S. 401. 64 Ebd., S. 386–388.
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stützung bereit. Das änderte sich spätestens zu Beginn der Ming. Nun, da vom Erfolg der Söhne im Prüfungswesen die Reputation und das materielle Auskommen ganzer Familien und Klans abhingen, kümmerte sich insbesondere die Gentry verstärkt selbst und von sich aus um die Errichtung von Schulgebäuden.65 Die Geschichte der staatlichen Bildungseinrichtungen während des 19. Jahrhunderts ist oft als eine Verfallsgeschichte erzählt worden: Unterbezahlte, korrupte und durch das Prüfungssystem dem selbstständigen Denken und Handeln entwöhnte Beamte hätten das Funktionieren von Schulen als „Instrumenten der Kontrolle“ nicht mehr gewährleisten können, und die Zentralregierung habe aus notorischer Angst vor dem Verlust ihrer Macht auch der lokalen Bevölkerung keine größere Selbstständigkeit in Bildungsdingen gewähren wollen.66 Dem vermeintlichen staatlichen Verfall gegenüber stand ein parallel zunehmender „elite activism“, der, wie wir am Beispiel der Wohlfahrtsschulen gesehen haben, bereits im 18. Jahrhundert einsetzte und dazu führte, dass immer mehr ehedem staatliche Funktionen – bei weitem nicht nur im Bildungsbereich – von der Gentry, von Klans und Kaufleuten ganz oder teilweise übernommen wurden.67 Beide Entwicklungen haben aber weniger mit einem Niedergang des Staates als vielmehr bereits mit dessen Reform und Stärkung zu tun. Denn in Reaktion auf die schwierigen neuen Verhältnisse begannen die Qing, ihre Prioritäten zu verschieben, und zwar sowohl geographisch durch eine Konzentration auf die ökonomisch entscheidende und militärisch bedrohte Ostküste, als auch sektoriell. Wasserregulierung und Hungervorsorge rückten gegenüber Industrie und Militär in den Hintergrund.68 Gemeinde- und Wohlfahrtsschulen verloren an Bedeutung, und die höheren staatlichen Schulen sanken zu reinen Stipendienvergabestellen ab. Stattdessen baute der Staat ab Mitte des 19. Jahrhunderts Schulen eines ganz neuen Typs auf. Bevor wir uns diesen widmen, ist es angesichts der nun offenkundig weit über die Grenzen des Qing-Reiches hinausreichenden Zusammenhänge sinnvoll, zuvor sowohl die Entwicklung in China mit jener in anderen Staaten zu vergleichen, als auch den globalen Verflechtungen zwischen diesen Entwicklungen nachzugehen.
65 66 67 68
Liu, Education, S. 93. Hsiao, Rural, S. 254–258. Leung, Elementary; Rankin, Elite. Halsey, Quest, S. 241.
2.4 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts
71
2.4 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts “China is, of course, not alone in having used education to clear the ground for modern state formation.“69
Die staatlich betriebene Verbreitung von „Massenbildung“ (mass education) im 19. und frühen 20. Jahrhundert war ein globales Phänomen.70 Anders als der erste Eindruck suggeriert, war aber die Schaffung von Schulsystemen unter Aufsicht und aktiver Beteiligung des Staates in Europa und Nordamerika mitnichten abgeschlossen, als Regierungen wie jene in Beijing sich von diesem Wandel ebenfalls inspirieren ließen. In England etwa war ein System staatlicher Schulen zu Beginn des 20. Jahrhunderts erst rudimentär entwickelt (ein Bildungsministerium gibt es dort erst seit 1944), und es spielt bis heute eine weit geringere als die in Deutschland seit dem späten 19. Jahrhundert vertraut gewordene Rolle. Im jungen Deutschen Reich war man eben erst damit beschäftigt, die Schulaufsicht der Kirche zu entziehen und die Vielzahl kommunaler und provinzieller Varianten der Volksschule überhaupt unter staatliche Kontrolle zu bringen. Ein einheitliches Unterrichtsgesetz kam auch nach 1871 nicht zustande, die preußische Volksschule konnte „kaum als ‚Staatsschule‘ […] begriffen werden“.71 Der Vergleich der Entwicklungen in Frankreich, Deutschland und England macht deutlich, dass selbst in Kerneuropa weder von einem einheitlichen „modernen Bildungssystem“ noch von dessen zeitlich genau fixierbarem „Aufstieg“ die Rede sein kann.72 Europa bildete hier keine homogene Einheit, und Vorbildcharakter für andere Staaten gewannen allenfalls die einzelnen nationalen Schulsysteme, die untereinander um diese Rolle konkurrierten.73 69 Edward Vickers, Education, the State and Modernity in China. From the Ming to the Post‐ Mao Era, in: History of Education 38 (2009) 4, S. 587–599, hier S. 599. 70 Laurence Brockliss/Nicola Sheldon, General Introduction, in: Dies. (Hrsg.), Mass Education and the Limits of State Building, 1870–1930, Basingstoke: Palgrave Macmillan 2012, S. 1–12, hier S. 1–3. 71 Frank-Michael Kuhlemann, Schulsystem. Niedere Schulen, in: Christa Berg (Hrsg.), 1870– 1918. Von der Reichsgründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs (Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte 4), München: C. H. Beck 1991, S. 179–227, hier S. 180–183, Zitat S. 182. Zu England siehe Edwin G. West, Education and the State. A Study in Political Economy, Indianapolis: Liberty Fund 1994, S. 170–198. 72 James Albisetti, Systematisation. A Critique, in: Detlef Müller/Fritz Ringer/Brian Simon (Hrsg.), The Rise of the Modern Educational System. Structural Change and Social Reproduction, 1870–1920, Cambridge: Cambridge University Press 1987, S. 210–216, hier S. 210 sowie die weiteren Beiträge in jenem Band. 73 Fuchs, Educational Sciences, S. 782. Für die unterschiedlichen nationalen Systeme, auf die in China Bezug genommen wurde, siehe die Beiträge in Hayhoe/Bastid (Hrsg.), China’s Education.
72 2 Staat und Schule vor 1900
Zudem waren andere Staaten der Erde durchaus schneller als manche europäische Nation: Brasilien hatte schon 1834 ein universelles Schulsystem zumindest verkündet, und Peru 1850. Für China gewann um 1900 denn auch kein europäisches Land, sondern Japan mit seinem 1872 initiierten Schulsystem als unmittelbares Vorbild das größte Gewicht.74 Gewiss schritt diese „Verschulung der Welt“ (Jürgen Osterhammel) mit unterschiedlicher Geschwindigkeit voran: Im Jahr 1910 lag die durchschnittliche Einschulungsquote in Westeuropa bereits bei 64,1 Prozent, während sie in Asien 16,7 und im Mittleren Osten nur 9,5 Prozent betrug. Etwa zwölf Prozent der asiatischen Staaten hatten zu diesem Zeitpunkt eine Schulpflicht eingeführt, gegenüber fast 70 Prozent der westeuropäischen Staaten. Ein Bildungsministerium allerdings besaßen im selben Jahr mehr als 30 Prozent der Staaten Asiens, in Westeuropa waren es mit knapp unter 40 Prozent nur wenig mehr.75 Doch die Kurven sollten sich in den folgenden Jahrzehnten zunehmend annähern, so dass in globaler Perspektive eine weltumspannende Entwicklung sichtbar wird, die, mit zeitlichen Verschiebungen von wenigen Jahrzehnten, so gut wie alle Staaten und, in unterschiedlichem und tendenziell geringerem Maße, auch Kolonien auf der Erde erfasste.76 Die Gleichförmigkeit dieser Entwicklung lässt ältere Forschungsansätze, die die Bildungsentwicklung einzelner Länder jeweils allein aus nationalen Bedingungen heraus zu erklären versuchten, heute weitgehend überholt erscheinen.77 Der Gedanke, dass Alphabetisierung, moralische Belehrung und Selbstvervollkommnung, Vermittlung wissenschaftlicher und (später) gar berufspraktischer Kenntnisse überhaupt zusammengehören und gemeinsam ein Bildungssystem formen, ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Und so sind denn auch die Wege, auf denen diese Formierung eines Bildungssystems vonstattenging und die uns heute so selbstverständlich erscheinen, erst im Laufe des 19. Jahrhunderts kanonisch geworden, so dass ihre in China 1898 begonnene Einführung 74 Brockliss/Sheldon, General Introduction, S. 2; Abe, Borrowing; Benjamin Duke, The History of Modern Japanese Education. Constructing the National School System, 1872–1890, New Brunswick, NJ: Rutgers University Press 2009. 75 Osterhammel, Verwandlung, S. 1131; Francisco O. Ramirez/Marc J. Ventresca, Building the Institution of Mass Schooling. Isomorphism in the Modern World, in: Bruce Fuller/Richard Rubinson (Hrsg.), The Political Construction of Education. The State, School Expansion, and Economic Change, New York, Westport, CN, London: Praeger 1992, S. 47–59, hier S. 55–58. Allerdings sind diese globalen statistischen Analysen der soziologischen „Stanford School“ wegen ihrer ahistorischen Begrifflichkeiten durchaus kritisch zu sehen. 76 Von einem „gemeinsamen, wenngleich historisch langgezogenen Wandlungsprozeß“ spricht Adick, Universalisierung, S. 35; siehe auch Osterhammel, Verwandlung, S. 1129. 77 Joel Samoff, Institutionalizing International Influence, in: Robert F. Arnove/Carlos Alberto Torres (Hrsg.), Comparative Education. The Dialectic of the Global and the Local, 3. Aufl. Lanham, MD: Rowman & Littlefield 2007, S. 47–77, hier S. 49f.
2.4 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts
73
bereits als „nachholende Modernisierung“ erscheinen konnte. Die Eckpunkte des in den vorangegangenen Jahrzehnten kreierten, modernen Systems im Sinne der eingangs getroffenen Definition von „Schule“ standen nun fest. Gleichwohl würde es zu kurz greifen, hierin allein die weltweite Verbreitung europäischer Muster und Werte durch „educational lending“ in den Rest der Welt erkennen zu wollen.78 Eine solche Sicht vereinfacht das Bild in dreierlei Hinsicht: Sie macht sich nicht nur blind für die insbesondere von den Vertretern der postcolonial studies immer wieder betonten Rückwirkungen der kolonialen Erfahrungen auf die europäische Metropole, sondern sie ignoriert auch die vielfältigen Adaptionsprozesse, die dazu führten, dass „das“ europäische Modell bei aller Gleichförmigkeit der Entwicklung eben doch überall in unterschiedlicher Weise überformt oder aus ganz anderen Intentionen heraus verwendet wurde.79 Schließlich blendet sie auch die Frage aus, warum eigentlich im Laufe des 19. Jahrhunderts so viele Staaten in aller Welt plötzlich ihre Liebe zu Schulsystemen nach europäischem Muster entdeckten. Eine Vorreiterrolle in diesem Prozess spielten zunächst die vom Staat unabhängigen Aktivitäten individueller Reformer. Solche Initiativen, die sich zu oft weltweiten Reformbewegungen auswuchsen, nahmen ab dem frühen 19. Jahrhundert immer weiter zu, und sie waren natürlich nicht auf das Feld der Bildung beschränkt. Kampagnen wandten sich gegen die Kinderarbeit in der frühen Industrie Großbritanniens, gegen die Sklaverei in den Vereinigten Staaten, gegen die Witwenverbrennung in Indien, gegen den rituellen Kannibalismus auf den Inseln des Pazifik oder gegen die religiöse Ahnenverehrung und das Füßebinden in China.80 Gerade die letztgenannte Kampagne – gegen die systematische Verkrüppelung der Füße von Mädchen – verweist darauf, dass hinter all diesen Bemühun78 So aber sehen es die Vertreter des „world model“-Ansatzes wie Francisco O. Ramirez/John Boli, The Political Construction of Mass Schooling. European Origins and Worldwide Institutionalization, in: Sociology of Education 60 (1987), S. 2–17, hier S. 14f. Zur Unterscheidung von „borrowing“ und „lending“ siehe B. A. Yates, Comparative Education and the Third World. The Nineteenth Century Revisited, in: Comparative Education Review 28 (1984), S. 533–549, hier S. 549. 79 Jürgen Schriewer, Konstruktion von Internationalität. Referenzhorizonte pädagogischen Wissens im Wandel gesellschaftlicher Systeme (Spanien, Sowjetunion/Russland, China), in: Hartmut Kaelble/Jürgen Schriewer (Hrsg.), Gesellschaften im Vergleich, Frankfurt a. M.: Peter Lang 1998, S. 151–258. Diese Kritik scheint mir mittlerweile beinahe common sense unter Historikern zu sein, gerade in Bezug auf China. Von „hybrider Interaktion“ spricht Natascha Vittinghoff, Introduction, in: Michael Lackner (Hrsg.), Mapping Meanings. The Field of New Learning in Late Qing China, Leiden: Brill 2004, S. 1–22, hier S. 5; konkret auf die Schulgeschichte bezieht sich die ausführliche Kritik bei Adick, Universalisierung, S. 28f., 136f. und passim. 80 Bayly, Birth, S. 272.
74 2 Staat und Schule vor 1900
gen in unterschiedlichen Teilen der Welt ein gemeinsames Motiv stand: die Steigerung der Produktivität des (und eben auch der) Einzelnen, und damit die möglichst effiziente Nutzung der Ressource „Bevölkerung“ durch den Staat. Die aus Gründen der Erotik eingebundenen Füße waren ursprünglich ein Phänomen der Elite gewesen, das sich aber während der Qing-Dynastie in allen gesellschaftlichen Schichten verbreitete. Der seit dem 18. Jahrhundert dagegen aufkeimende Protest wurde erst ab den 1890er Jahren im Umfeld von Reformern wie Kang Youwei zur organisierten Kampagne. Ihre beiden Hauptargumente gegen das Füßebinden waren, dass diese Praktik China international als unzivilisiert dastehen lasse – und dass die Nation gesunder, arbeitsfähiger Körper bedürfe statt Frauen, die das Haus kaum verlassen konnten.81 Die gesamte Bevölkerung zur Arbeit zu erziehen (oder erst zu befähigen), zu „verfleißigen“, wurde um 1900 zu einem globalen Projekt.82 Von staatlicher Seite wurden seit dem 18. Jahrhundert auch in Europa vermehrte Anstrengungen im Bereich der Wohlfahrt unternommen, wie sie in China schon lange gängige Praxis gewesen waren.83 All diese einzelnen Ansätze kulminierten in gewisser Weise in der Schule, die die jungen Menschen von Anfang an in ein gesundes und produktives Leben geleiten sollte (und an der folgerichtig in China 1904 gegen das Füßebinden agitiert wurde).84 Staatliche Elementarbildung gab es zuerst in Preußen, Frankreich und den nordöstlichen Staaten der späteren USA, aber auch in Österreich und Russland.85 Dass der Prozess der Etablierung eines staatlichen Schulwesens auch hier nur allmählich verlief, zeigt sich daran, dass die Schulpflicht in Preußen zwar nominell bereits seit dem 18. Jahrhundert bestand, faktisch aber 1816 erst 60 Prozent der schulpflichtigen Kinder an einer öffentlichen Schule registriert waren. Bis zum Jahr 1846 war dieser Wert auf 82 Prozent gestiegen, wobei noch immer starke Schwankungen zwischen den einzelnen preußischen Provinzen sowie zwischen Stadt und Land auftraten.86 In den USA nahm die Regierung vom Jahr der Gründung an Einfluss auf das Schulwesen. Doch auch hier war man am Ende des 19.
81 Dorothy Ko, Cinderella’s Sisters. A Revisionist History of Footbinding, Berkeley, CA: University of California Press 2005, S. 5, 38–42. 82 Conrad, Globalisierung und Nation, S. 99–101. 83 Pierre-Etienne Will/R. Bin Wong, Nourish the People. The State Civilian Granary System in China, 1650–1850, Ann Arbor, MI: University of Michigan Press 1991; Bayly, Birth, S. 272. 84 Ko, Cinderella’s, S. 43–45. 85 Green, Education; Ben Eklof, Russian Peasant Schools. Officialdom, Village Culture, and Popular Pedagogy, 1861–1914, Berkeley, CA: University of California Press 1986; Hans-Georg Herrlitz/Wulf Hopf/Hartmut Titze/Ernst Cloer, Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung, 5. Aufl. Weinheim: Juventa 2009, Kapitel 3. 86 Herrlitz et al., Deutsche Schulgeschichte, S. 50.
2.4 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts
75
Jahrhunderts weit entfernt von jenem Idealbild des staatlich gelenkten Schulwesens für alle Bürger, das als angebliche Quelle von Reichtum und Stärke des Westens so viele zeitgenössische chinesische Reformer inspirierte. Lokale Schulvorsteher in den USA scherten sich oft kaum um die Gesetzgebung des Bundes und verfuhren stattdessen nach Gutdünken mit „ihren“ Schulen.87 Am Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich auch in den Kolonien Indien, Algerien, Indochina und Ostindien erste Ansätze eines Grundschulsystems etabliert. Ähnlich verlief die Entwicklung im Osmanischen Reich, Ägypten und Japan.88 Die Motive für die Einführung dieser ersten umfassenden Systeme staatlicher Grundschulbildung waren verschiedene: Neben der eben angesprochenen „Verfleißigung“ (die keine rein protestantische Idee war) mit dem Ziel der Stärkung von Wirtschaft und Militär gehörten Ideen der Aufklärung über die Rolle von Bildung für die individuelle Befreiung aus der Unmündigkeit ebenso dazu wie säkulare Bestrebungen, die Macht der Kirche über die Bildung einzudämmen.89 Im Falle der multiethnischen Imperien, so auch Chinas, trat das Ziel der „kulturellen Integration“ und in langer Sicht gar die „Schaffung einer homogenen nationalen Kultur“ hinzu.90 In der Schweiz etwa wurde dafür seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert „Staatsbürgerlicher Unterricht“ in allen Klassenstufen gegeben.91 Besonders weit verbreitet und auffällig ist das Ziel der moralischen „Volkserziehung“, das der chinesische Staat schon so lange verfolgt hatte. Diesem galt auch in den europäischen Schulen des 19. Jahrhunderts anfangs die größte Sorge, weshalb Religion, Sprache und Geschichte die ersten Unterrichtsfächer waren, denen sich stärker mit direktem Nutzen assoziierte Fächer wie Mathematik und Naturwissenschaften erst später anschlossen. Insofern bildet die Konzentration auf die konfuzianische Ethik im chinesischen Bildungswesen mitnichten den absurd anmutenden Sonderfall, als welcher sie oft dargestellt worden ist.92 Mit der zunehmenden Säkularisierung wurde die moralische Erziehung, um die sich häufig religiöse Instanzen in besonderem Maße gekümmert hatten, in den
87 David Tyack/Thomas James/Aaron Benavot, Law and the Shaping of Public Education 1785–1954, Madison, WI: University of Wisconsin Press 1987, S. 108. 88 Bayly, Birth, S. 273; Somel, Modernization; Benjamin C. Fortna, Imperial Classroom. Islam, the State and Education in the Late Ottoman Empire, Oxford: Oxford University Press 2003; Mitchell, Colonising, Kapitel 3; Duke, History. 89 Bayly, Birth, S. 272f. 90 Osterhammel, Verwandlung, S. 1129. 91 Claudia Crotti, Schweizer sein – die Nationalisierung der Jugend. Politische Bildung im öffentlichen Bildungssystem, in: Dies./Fritz Osterwalder (Hrsg.), Das Jahrhundert der Schulreformen. Internationale und nationale Perspektiven, 1900–1950, Bern: Haupt 2008, S. 223–247. 92 Meyer, Social, S. 235; Lee, Education in Traditional China, S. 431.
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westlichen Staaten nun auch zum Ziel staatlicher Bildungsvermittlung. In den USA waren es vor allem Pietisten mit britischen Wurzeln, die sich vom Ende des 19. Jahrhunderts an und bis in die Zwischenkriegszeit hinein sehr erfolgreich dafür einsetzten, dass ihre eigenen moralisch-religiösen Überzeugungen, wie etwa die Zurückweisung der Darwin’schen Lehre, vom Gesetzgeber in die Curricula der öffentlichen Schulen eingeschrieben wurden.93 Im Deutschen Reich wurde im Rahmen der „Sozialistengesetze“ 1889 auch das Recht auf Bildung festgeschrieben, mit der bezeichnenden, von Kaiser Wilhelm II. verkündeten Maxime, die Schule müsse „bestrebt sein, schon der Jugend die Ueberzeugung zu verschaffen, dass die Lehren der Sozialdemokratie […] den göttlichen Geboten und der christlichen Sittenlehre widersprechen.“94 Eine wichtige Rolle für die Institutionalisierung eines globalen Diskurses über Bildung als Staatsaufgabe, Teil der „emergence of a world political culture“, spielten die internationalen Bildungskongresse seit dem späten 19. Jahrhundert.95 Diese waren zunächst primär europäische Veranstaltungen, doch gesellten sich mit der Zeit auch Vortragende aus außereuropäischen Ländern hinzu, oder aber es wurden Gegenveranstaltungen organisiert, insbesondere in Südamerika. Die frühesten solcher Kongresse waren einmalige Veranstaltungen, die parallel zu den Weltausstellungen abgehalten wurden, so 1876 in Philadelphia, 1880 in Brüssel und 1884 in London. Doch bereits in den 1880er Jahren wurden die ersten regelmäßig tagenden Bildungskongresse ins Leben gerufen, die jeweils einem speziellen Thema – dem Sportunterricht für die Jugend oder der technischen, wirtschaftlichen und industriellen Ausbildung – widmeten. Ihre Zahl nahm mit Beginn des 20. Jahrhunderts zu. Seit 1905 fanden jährliche Treffen des International Bureau of the Federation of Teachers statt, ab 1900 wurde alle fünf Jahre der International Congress on Primary Education abgehalten, es tagten ferner der Congrès International de l’éducation populaire oder der International Congress on Moral Education.96 Ziel all dieser Veranstaltungen war es zum einen, Informationen über den Stand der Bildungssysteme anderer Länder zu sammeln, und zum anderen, für das Bildungswesen der eige-
93 Tyack et al., Law, S. 154–157. 94 Zit. nach Herrlitz et al., Deutsche Schulgeschichte, S. 112. 95 Ramirez/Ventresca, Building, S. 50. Im Folgenden stütze ich mich zu großen Teilen auf die Arbeiten von Eckhardt Fuchs, Educational Sciences sowie Ders., The Politics of the Republic of Learning. International Scientific Congresses in Europe, the Pacific Rim, and Latin America, in: Ders./Benedikt Stuchtey (Hrsg.), Across Cultural Borders. Historiography in Global Perspective, Lanham, MD: Rowman & Littlefield 2002, S. 205–244. 96 Eine umfangreiche Auflistung aller großen pädagogischen Kongresse bei Fuchs, Educational Sciences, S. 764–766.
2.4 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts
77
nen Nation zu werben.97 So führten diese internationalen Zusammenkünfte dazu, dass die Unterschiede und Abgrenzungen zwischen den einzelnen Nationalstaaten nur umso deutlicher hervortraten.98 Gleichzeitig bildeten sich schärfere Abgrenzungen zwischen den Disziplinen heraus, was insbesondere für die Scheidung der praktischen Pädagogik (die Kongresse der Lehrer) von der Erziehungswissenschaft galt. Für erstere gewannen nicht so sehr wissenschaftliche als vielmehr politisch-ideologische Ziele an Bedeutung, insbesondere die internationale Friedensbewegung, die auch noch für die Reformpädagogen der 1920er Jahre einen wichtigen Bezugspunkt darstellen sollte. China indes war bis zum Ende des Kaiserreichs auf den pädagogischen Kongressen nicht selbst vertreten, wie die exemplarische Untersuchung einiger dieser Kongresse ergeben hat. Ein Beispiel: An dem ersten International Congress on Moral Education, der Ende September 1908 an der University of London stattfand, nahm kein Chinese teil, und kein Beitrag nahm direkten Bezug auf China. Hier sprachen vielmehr in erster Linie Wissenschaftler und Lehrer aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland in 122 Vorträgen, verteilt auf acht Sitzungen, über die Erfahrungen in ihren jeweiligen Heimatländern und über Fragen der geeigneten Lehrmittel, des Verhältnisses zwischen religiöser und sittlicher Erziehung, über „Charakterbildung durch Disziplin“, über „ethische Erziehung unter verschiedenen Alters- und Lebensbedingungen“ oder über „Biologie und Moralpädagogik“.99 So sehr sich die Beiträge und Diskussion jedoch auf Europa beschränkten, so wenig kann von einem völligen Desinteresse für andere Weltgegenden die Rede sein. Gustav Spiller (1864–1940), Sekretär der International Union of Ethical Societies, der den Kongress 1908 organisiert hatte, gab nicht nur die dort gehaltenen Vorträge heraus, sondern er veröffentlichte zugleich einen selbst verfassten Bericht über den Stand der moralischen Erziehung in 18 europäischen und außereuropäischen Ländern, darunter die Türkei, China und Japan.100 Die
97 Das galt auch für die Selbstdarstellung der deutschen Wissenschaft allgemein auf den Weltausstellungen, siehe Eckhardt Fuchs, Das Deutsche Reich auf den Weltausstellungen vor dem Ersten Weltkrieg, in: Comparativ (1999) 5/6, S. 61–88, hier S. 79, Fn. 70 sowie Rüdiger Vom Bruch, Weltpolitik als Kulturmission. Auswärtige Kulturpolitik und Bildungsbürgertum in Deutschland am Vorabend des Ersten Weltkrieges, Paderborn: Schöningh 1982. 98 Fuchs, Educational Sciences, S. 782. 99 Gustav Spiller (Hrsg.), Papers on Moral Education. Communicated to the First International Moral Education Congress Held at the University of London, September 25–29, 1908, 2. Aufl. London: David Nutt 1909. 100 Ian D. MacKillop, The British Ethical Societies, Cambridge: Cambridge University Press 1986, S. 138f.
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Literatur, auf die er sich stützte, fügte Spiller in Form einer rund 750 Titel umfassenden Bibliographie an. Zu Japan finden sich dort sieben Bücher und Aufsätze, teils Veröffentlichungen des japanischen Bildungsministeriums. China brachte es (wie die Türkei) auf einen einzigen Aufsatz, der 1904 erschienen war.101 Dass die Angaben in jenem Aufsatz – der Staat kümmere sich nicht um Schulen, zugleich seien alle Lehrinhalte rein ethisch, Naturwissenschaften würden gar nicht behandelt – mit der Abschaffung des Prüfungssystems nun, drei Jahre später, bereits weitgehend überholt waren, wusste Spiller offenbar nicht, der den Aufsatz als „a full summary of what is done in China“ lobte.102 Die diskursive Vernetzung zwischen China und der Welt im Rahmen dieser Kongresse blieb bis zum Jahr 1912 also begrenzt. Trotz der in allen Titeln behaupteten Internationalität wurden vor allem die Wissenschaftskongresse fast ausschließlich von Europäern und Amerikanern besucht.103 Diese selektive Internationalität war zum einen Ausdruck des kolonialen Zeitalters, in dem der herrschende Diskurs eben zwischen und in den Metropolen stattfand.104 Zum anderen war die Unterstützung der jeweiligen Regierungen für die internationalen Auftritte „ihrer“ Professoren und Experten ein entscheidender Faktor. Deren Teilnahme an internationalen Kongressen wurde im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik mal mehr und mal weniger unterstützt oder gar erst angebahnt.105
101 Chester Holcombe, The Moral Training of the Young in China, in: International Journal of Ethics 14 (1904) 4, S. 445–468. 102 Gustav Spiller, Report on Moral Instruction (General and Denominational) and on Moral Training in the Schools of Austria, Belgium, the British Empire, China, Denmark, France, Germany, Holland, Hungary, Italy, Japan, Norway, Portugal, Spain, Sweden, Switzerland, Turkey, and the United States. With two Introductory Essays and an Annotated Bibliography of About 750 Volumes, London: Watts & Co. 1909, S. 202–204, 321. 103 Fuchs, Politics, S. 227. Die einzige regelmäßige Ausnahme waren Teilnehmer aus Japan. Vielfältiger und breiter gestreut sollte Chinas Austausch mit dem Ausland dann in der Republikzeit werden: William C. Kirby, The Internationalization of China. Foreign Relations at Home and Abroad in the Republican Era, in: The China Quarterly (1997) 150, S. 433–458. 104 Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg jedoch sollten Kongresse in den westlichen Metropolen auch zu den Treffpunkten antikolonialer Bewegungen werden, siehe Manela, Wilsonian, S. 223. 105 Eckhardt Fuchs, Gouvernementaler Internationalismus und Bildung. Deutschland und die USA am Anfang des 20. Jahrhunderts, in: Jürgen Schriewer (Hrsg.), Weltkultur und kulturelle Bedeutungswelten. Zur Globalisierung von Bildungsdiskursen, Frankfurt am Main: Campus 2007, S. 45–73, hier S. 45–47. Fuchs stützt sich für diese übergreifende Einordnung seines Themas vor allem auf Madeleine Herren, Hintertüren zur Macht. Internationalismus und modernisierungsorientierte Außenpolitik in Belgien, der Schweiz und den USA, 1865–1914 (= Habilitationsschrift Universität Bern), München: Oldenbourg 2000 sowie auf Vom Bruch, Weltpolitik.
2.4 Die Schul-Welt des 19. Jahrhunderts
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Die Beschränktheit des Austausches und der europäischen Wahrnehmung hatte also weniger mit vermeintlich grundverschiedenen Weltsichten zu tun, als vielmehr mit den Asymmetrien des kolonialen Systems sowie mit den Kommunikations- und Transportmöglichkeiten, die sich um die Wende zum 20. Jahrhundert gerade rasant wandelten.106 So lässt sich ein zentraler Topos feststellen, der den Diskursen der Kongresse in Europa und den USA und jenem in China gemeinsam war. Es existierte um 1900 offensichtlich an vielen Orten der Welt eine Sorge um die Nation, um das fehlende Bewusstsein insbesondere der Jugend für das Gemeinwohl dieser größeren Gemeinschaft; „Bildung zur Rettung des Landes“ (jiaoyu jiu guo) war insofern nicht nur ein chinesischer Slogan.107 Während also der unmittelbare Austausch zwischen Pädagogen in Ost und West noch sehr begrenzt war, ging der inhaltliche Austausch, die „conceptual interaction“ (Rebecca Karl) schon sehr viel weiter. Zwar sollten noch einige Jahre vergehen, ehe die ersten chinesischen Studenten insbesondere am Teachers College der Columbia University ihre pädagogischen Master-Abschlüsse machten und häufig auch noch promoviert wurden. In Japan jedoch taten sie dies bereits um 1900. Zudem reiste 1905 eine aus hohen chinesischen Beamten bestehende Kommission um die Welt, um in Europa, den USA und Japan die Bildungssysteme zu studieren und Ideen für China zu sammeln. Flankiert und vorbereitet worden war dies durch die anwachsende Flut von Übersetzungen insbesondere englisch- und deutschsprachiger Literatur, die von grundlegenden Motiven der Bildungsreformen – etwa in Yan Fus Übersetzungen liberaler europäischer Denker – bis hin zu konkreter pädagogischer Literatur reichte. All diese neuen Texte, mit ganz spezifischen, reformerischen Intentionen ins Chinesische übertragen, lieferten Intellektuellen und Beamten neue Perspektiven auf und Argumente gegen oder für chinesische Grundsätze der Erziehung. Eine weitere Quelle neuer Ideen und Vorbilder habe ich bis hierhin bewusst ausgespart: Den christlichen Missionsgesellschaften wird in der Literatur fast immer ein gewichtiger Einfluss zugesprochen, insbesondere, da sie ab Mitte des 19. Jahrhunderts vor Ort unzählige Missionsschulen als lebendige Anschauungsobjekte betrieben. Aber ich halte, wie in der Einleitung erwähnt, den Einfluss der Missionsschulen auf die Bildungsreformen der Qing für stark überschätzt. Albert Monshan Wu hat im Gegenteil jüngst auf die Rückwirkungen hingewiesen, die ihre Tätigkeit in China auf die – in diesem Fall: deutschen – Missionare selbst hatte. Dass sich deren religiöse Auffassungen in den 1920er Jahren stark liberalisierten, führt Wu auf das Scheitern ihres Projekts der Evan-
106 Bailey, Reform, S. 80–84. 107 Zum chinesischen Untergangs-Diskurs und seinen globalen Bezügen, siehe Karl, Staging.
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gelisierung Chinas während des Ersten Weltkriegs zurück.108 Wie ich an anderer Stelle darlege, würde ich dieses Scheitern aber rund ein Jahrzehnt früher ansetzen: Es war bereits die „Neue Politik“, die unter den Missionaren in China etwa ab 1906 zu einer gewaltigen Ernüchterung führte. Und dies betraf längst nicht nur die deutschen Missionare: Auch Briten und Amerikaner sahen sich um ihren Traum gebracht, dass ein staatliches chinesisches Schulwesen sich eng an das Vorbild der Missionsschulen anlehnen würde. Stattdessen expandierten die ausdrücklich säkularen, staatlichen Schulen sprunghaft, und Missionsschulen wurden aus dem neuen System ausgeschlossen. Dies traf insbesondere jene, die sich, wie im Osten Guangdongs der Basler Missionar Friedrich Lindenmeyer (1878–1954), intensiv um die Etablierung so genannter „Heidenschulen“ bemühten, statt sich auf die Ausbildung christlicher Kinder für den Dienst innerhalb der Mission zu beschränken. Missionare mochten durch ihre Übersetzungen wichtige Akteure für den Transfer von Wissen sein – ihre Schulen jedoch spielten für die Reformen der Jahre 1901 bis 1911 kaum eine Rolle.109
2.5 Chinas Neue Schulen, 1860–1911 Unser Interesse gilt der Entwicklung eines universellen Bildungssystems in China. Kaum eine Bildungseinrichtung war von diesem Ziel weiter entfernt als die auf westliche Lehrinhalte spezialisierten, ersten „modernen“ Schulen, die nach den Niederlagen Chinas in den beiden Opiumkriegen (1839–1842, 1856–1860) gegründet wurden. Hierbei handelte es sich allein um höhere Bildungseinrichtungen. Erst am Ende des 19. Jahrhunderts sollte insbesondere die militärische Niederlage gegen Japan (1895) dazu führen, dass sich die Ansicht durchsetzen konnte, moralische Anleitung und fachliche Ausbildung müssten miteinander kombiniert und möglichst weit verbreitet werden. Unmittelbar im Anschluss an den Zweiten Opiumkrieg gründete die Regierung in Beijing ein erstes Proto-Außenministerium (Zongli geguo shiwu yamen), zu dem auch eine Schule für Übersetzer gehörte, das erwähnte Tongwenguan. Später kamen weitere Übersetzerschulen in Shanghai und Guangzhou hinzu. Nach dem Taiping-Aufstand führte die Selbststärkungsbewegung ab Mitte der 1860er Jahre zur Gründung einer Anzahl von höheren Fachschulen an den so genannten Arsenalen. Diese zunächst in Küstenstädten und später auch im Landesinnern gegründeten Einrichtungen verbanden moderne Industrie 108 Albert Monshan Wu, From Christ to Confucius. German Missionaries, Chinese Christians, and the Globalization of Christianity 1860–1950, New Haven, CT: Yale University Press 2016. 109 Frölich, Spirits.
2.5 Chinas Neue Schulen, 1860–1911
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– insbesondere den Bau von Waffen und Schiffen, aber auch Bergbau – mit der Einrichtung von Schulen, an denen das nötige Personal sowie verschiedene Militärgattungen ausgebildet werden sollten.110 An all diesen Einrichtungen unterrichteten neben Chinesen häufig auch ausländische Missionare und Militärs. Der Fächerkanon umfasste neben der militärischen und technischen Ausbildung auch Fremdsprachen und westliche Naturwissenschaften sowie Chinesisch.111 Finanziert wurden sie nicht allein aus Steuereinnahmen, sondern vor allem durch Spenden und zusätzliche Beiträge von Kaufleuten (zhaoshang).112 Bemerkenswert ist dabei zweierlei: Zum einen blieb die Kenntnis der chinesischen Klassiker eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme in diese Schulen, und die für die Staatsprüfungen relevanten Klassiker wurden auch weiterhin gelehrt, denn die Schüler wollten sich den Karriereweg als Beamter offen halten. In der Regel nahmen sie parallel an den Staatsprüfungen teil. Zum zweiten – und das erklärt diese Doppelstrategie – wurden die modernen Schulen keineswegs mit der uns heute naheliegenden Selbstverständlichkeit als Bestandteil des Bildungssystems begriffen. Sie waren vielmehr, getreu der Maxime Zhang Zhidongs, dass die chinesischen Wissenschaften die Basis seien, während die westlichen Wissenschaften der Nutzen bringenden Anwendung dienen sollten (zhongxue wei ti xixue wei yong), für den Spezialfall der Selbststärkung des chinesischen Militärs gedacht. Dementsprechend heftig wurden die Kontroversen darüber ausgetragen, ob und inwieweit die Absolventen der ersten modernen Schulen aufgrund ihres Abschlusses zur Teilnahme an den Staatsprüfungen berechtigt sein sollten. Im Fall der Tongwenguan einigte sich das Zongli Yamen mit den konservativen Kräften am Hof darauf, dass die Absolventen den Titel eines „Übersetzungs-Lizentiats“ (fanyi shengyuan) erhielten und damit zur Teilnahme an den Provinz-Prüfungen berechtigt waren. Über diese Ansätze kam die Integration von technischen Spezialschulen und allgemeinem Bildungssystem jedoch nicht hinaus.113 An weitergehenden Ideen und Debatten herrschte jedoch kein Mangel. 1884 schlug Zheng Guanying (1842–1923) vor, die Regierung möge in jeder Provinz eine Akademie für westliches Lernen einrichten und die Staatsprüfungen um einen entsprechenden Frageteil erweitern. Zheng war auch der erste, der eine Umwandlung der bestehenden staatlichen wie privaten Schulen in ein System 110 Biggerstaff, Earliest, S. 43–70. 111 Siehe die Übersicht bei Sun Peiqing (Hrsg.), Zhongguo jiaoyu guanli shi, Beijing: Renmin jiaoyu chubanshe 1997, S. 359f. 112 Ebd., S. 362–365; Huang Renxian, Zhongguo jiaoyu guanli shi, Fuzhou: Fujian renmin chubanshe 2003, S. 249–258. 113 Biggerstaff, Earliest, S. 39f.; Zhang Ji, Qushi.
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von Grund- und Mittelschulen anregte.114 1895 unterbreitete Kang Youwei dem Thron seinen berühmten Vorschlag zur Abschaffung der militärischen Prüfungen, an deren Stelle eine Kategorie „Künste“ (yike) treten sollte, die im Wesentlichen westliche Natur- und Ingenieurwissenschaften umfassen würde. Dafür sollten in allen Provinzen, Präfekturen und Distrikten spezielle Schulen (yixue shuyuan) eingerichtet werden, deren Absolventen je nach Verwaltungsebene einen shengyuan-, juren- oder jinshi-Titel erhalten sollten.115 Als in den 1890er Jahren absehbar wurde, dass das Programm der Selbststärkung nicht den erhofften Erfolg gebracht hatte, waren es einzelne Provinzgouverneure, die weitere moderne Schulen gründeten: 1893 in Wuchang, zwei Jahre darauf in Tianjin, 1896 in Changsha und 1897 schließlich in Shanghai.116 Anders als in der älteren Literatur häufig behauptet, ging die Öffnung dieser Schulen nicht mit einem kontinuierlichen Verfall des Prüfungssystems einher.117 Dieses hatte seinen Tiefpunkt während des Taiping-Aufstandes erlebt, als der durch die militärischen Ausgaben schwer gebeutelte Staat mehr Prüfungstitel denn je verkauft oder als Belohnung an Getreue vergeben hatte. Diese Entwicklung aber wurde mit Ende des Aufstandes im Jahr 1864 gestoppt. Der Verkauf von Titeln, der in Notzeiten schon lange als probates und legitimes Mittel der Politik angesehen worden war, wurde nun wieder zurückgefahren, und in den Städten, die von den Taiping zurückerobert worden waren, wurden so bald wie möglich, häufig innerhalb weniger Wochen, die Staatsprüfungen wieder in ihrer orthodoxen Form abgehalten, um sich der Loyalität der Gentry zu versichern.118 Dieselbe Kombination aus äußerer Bedrohung durch die westlichen Mächte und innerer Bedrohung durch Aufstände, die zur Einführung der Arsenale sowie der Tongwenguan geführt hatte, fand ihren Niederschlag nun auch in den Staatsprüfungen. Wenngleich das eigentliche Curriculum, das Form und Inhalt der Fragen in abstrakter Weise festlegte, zwischen 1793 und 1898 unverändert bleiben sollte119, rückten in der konkreten Formulierung der Fragen doch solche der praktischen Politik – wie etwa der Korruption der lokal verwurzelten Yamen-Angestellten zu begegnen sei, oder wie eine Verbesserung des Militärs für möglichst wenig Geld zu erreichen wäre – nun manchmal auf eine Stufe mit 114 Elman, Cultural, S. 582; Bailey, Reform, S. 21. 115 Franke, Reform, S. 33–37. 116 Ebd., S. 33. 117 Benjamin A. Elman, Civil Examinations and Meritocracy in Late Imperial China, Boston, MA: Harvard University Press 2013, S. 308. 118 Mary C. Wright, The Last Stand of Chinese Conservatism. The T’ung-chih Restoration, 1862–1874, Stanford, CA: Stanford University Press 1957, S. 79–87; Elman, Cultural, S. 574–577. 119 Elman, Cultural, S. 583, 737.
2.5 Chinas Neue Schulen, 1860–1911
83
Fragen der richtigen Moral oder der korrekten Auslegung der Klassiker.120 Doch handelte es sich dabei noch um Ausnahmen und nicht um die Regel. Die modernen Schulen blieben vorerst ohne prägenden Einfluss auf das Bildungswesen, da sie außerhalb des Prüfungssystems standen.121 Der erste, der dieses Haupthindernis für die Entwicklung der modernen Schulen deutlich benannte, war 1896 der Vizepräsident des Justiz-Amts, Li Duanfen (1833–1907). Li schlug ähnlich wie Kang Youwei vor, die Absolventen moderner Schulen direkt mit Prüfungstiteln auszustatten. Und er unterbreitete die wichtige und nach 1900 umgesetzte Idee, zur Schaffung eines reichsweiten Schulsystems die bestehenden Akademien in moderne Schulen umzuwandeln.122 Nach der Niederlage Chinas gegen Japan 1895 kam es zur ersten großen Welle der Begeisterung für das „westliche“ oder „neue“ Lernen.123 Bald erschien mit Zhang Zhidongs Schrift „Aufforderung zum Lernen“ (quanxue pian) ein Vorschlag für ein landesweites, allgemeines Schulsystem, die Abschaffung des „achtfüßigen Aufsatzes“ (baguwen), die Einführung moderner Fächer in das Prüfungssystem und die Umwandlung buddhistischer und daoistischer Tempel in Schulen bei Verwendung von deren Landbesitz für die Finanzierung der neuen Schulen.124 1898 forderte Kang Youwei die Regierung auf, zum ersten Mal in der chinesischen Geschichte eine komplette Aufstellung aller Schulen und Akademien des Reiches zu machen, weil die staatliche Kontrolle der Bildung unterentwickelt sei.125 Mit der Hundert-Tage-Reform nahm der Guangxu-Kaiser im Sommer desselben Jahres viele der Anregungen auf. Unter anderem ordnete er die Umwandlung von Akademien in moderne xuetang an und gestattete dafür die Verwendung von Tempeln und Klöstern und deren Land; es wurde eine neue kaiserliche Universität (Jingshi daxuetang, die heutige Peking Universität) gegründet, und junge Mandschuren wurden zum Studium ins Ausland geschickt. Doch
120 Siehe die Beispiele bei Wright, Last, S. 83. Reformer wie Feng Guifen verwiesen in ihren Vorschlägen die klassischen Fragen gar stillschweigend auf die hinteren Plätze, siehe Elman, Cultural, S. 579. 121 Franke, Reform, S. 30–32. 122 Ebd., S. 38f. 123 Einen guten Überblick über die Entwicklung der Bildungsverwaltung in der gesamten Periode bietet Huang Renxian, Zhongguo, S. 259–288. 124 Hon, Zhang Zhidong’s Proposal; Ping Wen Kuo, The Chinese System of Public Education, New York: Teachers College, Columbia University 1915, S. 69–71; Franke, Reform, S. 41–43. 125 Alexander Woodside, The Divorce between the Political Center and Educational Creativity in Late Imperial China, in: Benjamin A. Elman/Alexander Woodside (Hrsg.), Education and Society in Late Imperial China, 1600–1900, Berkeley, CA: University of California Press 1994, S. 458–492, hier S. 485.
84 2 Staat und Schule vor 1900
nach dem Staatsstreich im September 1898 wurden alle diese Maßnahmen widerrufen.126 Der Boxer-Krieg führte im Jahr 1900 zur Schließung fast aller modernen Schulen in Nordchina, nicht aber im Süden. Im Januar 1901 folgte Cixis eingangs zitierter Aufruf zu Reformvorschlägen. Im April wurde zur Auswertung dieser Vorschläge das „Büro für Regierungsangelegenheiten“ (zhengwu chu) gegründet, das fortan die Hauptinstitution der Reformen werden sollte.127 Die Initialzündung für die Bildungsreformen ging von einem weiteren Edikt des Jahres 1901 aus, das alle Gouverneure aufforderte, neue Schulen zu gründen und dafür insbesondere die bestehenden Akademien je nach Verwaltungsebene in Universitäten, Mittel- oder Grundschulen umzuwandeln. Dies wurde zum Beispiel in der Provinz Jiangsu prompt befolgt, und auch in Guangzhou entstand so aus der Guangya-Akademie noch 1901 die erste Universität von Guangdong.128 Zugleich wurden Auslandsstudenten zurückbeordert, um Beamtenposten zu erhalten, und eine spezielle Prüfung in öffentlicher Verwaltung wurde für Kandidaten geschaffen, die von hohen Beamten vorgeschlagen werden sollten.129 Sun Jianai (1827–1909), Direktor der Hanlin-Akademie, kritisierte, die Mitglieder seiner Akademie würden nur unnützes Zeug lernen statt praktischer Kenntnisse für den Staatsdienst, und er schlug als neue Themen unter anderem Geschichte, Politik und westliche Wissenschaften vor.130 Im Dezember 1901 wurden die Absolventen der modernen Schulen per Dekret von der Regierung anerkannt. Nun konnten sie durch Prüfung an der Universität in Beijing den jurenoder gongsheng-Titel erlangen, durch weitere Prüfungen gar den jinshi. Beginnend mit den Provinzprüfungen des Jahres 1902 wurden auch Fragen zur chinesischen Geschichte und Regierungsarbeit sowie zur Politik des Westens gestellt. Die Zentralregierung ermunterte Studenten, ins Ausland zu gehen, speziell nach Japan. Kurz darauf forderten Zhang Zhidong, Zhang Baixi (1847–1907) und Rongqing (1859–1917), statt der jungen Männer lieber erfahrene Beamte ins Ausland zu entsenden, damit jene dort Beobachtungen über Diplomatie, Seefahrt, Militär und die Bildungssysteme anstellen und darüber schriftlich berichten könnten.131 Tatsächlich beruhte das Gros der nachfolgend erlassenen Geset-
126 Kuo, Chinese System of Public Education, S. 72; eine knappe Übersicht über die Bildungsreformen während der „Hundert Tage“ gibt Huang Renxian, Zhongguo, S. 261–263. 127 Ichiko, Political, S. 375f. 128 1904 wurde sie dann auf Grundlage der neuen Schulgesetze zu einer Hochschule (Guangdong Gaodeng Xuetang) zurückgestuft, siehe Keenan, Imperial, S. 106. 129 Ichiko, Political, S. 376. 130 Kuo, Chinese System of Public Education, S. 75, 85. 131 Ebd., S. 74–77.
2.5 Chinas Neue Schulen, 1860–1911
85
ze auf den Ergebnissen solcher Studienkommissionen, die in den folgenden Jahren vor allem Japan, Europa und die USA bereisten. Ein erstes Paket von Schulregularien, Grundlage für ein aufzubauendes Schulsystem, verfasste Zhang Baixi 1902. Wegen verschiedener praktischer Mängel erließ der Hof zwei Jahre später eine überarbeitete Fassung, die sich stark an japanische Gesetze anlehnte und bis 1911 Bestand haben sollte.132 Sie brachte die Unterteilung in Primar-, Sekundar- und Hochschulsektor. Die entsprechenden Schulformen hießen Untere und Höhere Grundschule (chudeng xiaoxue für Kinder zwischen sechs und elf, gaodeng xiaoxue für Kinder zwischen elf und 15 Jahren), Mittelschule (zhongxuetang für Schüler zwischen 15 und 20 Jahren) sowie Hochschule (gaodeng xuetang für Studenten zwischen 20 und 23 Jahren), Universität (fenke daxue für Studenten zwischen 23 und 27 Jahren) und schließlich die Akademie der Wissenschaften (tongruyuan).133 Bald wurde gefordert, zur Koordination und Verwaltung der neuen Schulen ein eigenes Bildungsministerium zu gründen. Auf Empfehlung des „Büros für Regierungsangelegenheiten“ geschah dies im Dezember 1905. Das neue xuebu übernahm als Fachministerium die Bildung, die bis dahin zu den Aufgaben des Ritenamtes (libu) gehört hatte.134 Ursprünglich hatte die Regierung ab 1906 die Zahl der Prüflinge im Prüfungssystem langsam reduzieren wollen, aber dann hatte sich 1905 die Krisenstimmung durch die Niederlage Russlands gegen Japan abermals zugespitzt. Dies war eine der Ursachen, die zur eingangs dieses Kapitels geschilderten, plötzlichen Abschaffung des Prüfungssystems am 2. September 1905 führten. Die Zahl der modernen Schulen stieg daraufhin bis 1909 auf mehr als 52.000, mehr als das Zwölffache des Wertes von 1904; die Zahl der Schüler stieg gar beinahe um das Siebzehnfache auf über 1,5 Millionen.135 Einer der Gründe für diese rasante Entwicklung war, dass die neuen Schulen bis 1910 dieselben Titel verliehen wie zuvor das Prüfungssystem. So ehrten denn auch zum Beispiel die Klans Absolventen der neuen Schulen aus ihren Reihen in derselben Weise wie zuvor die erfolgreichen Prüflinge.136 Anfang 1906 bestätigte der Hof die bereits in der Einleitung zitierten fünf „Ziele der Bildung“ (jiaoyu zongzhi), nämlich einerseits Loyalität gegenüber dem Kaiser und Verehrung für Konfuzius (zhongjun zunkong), andererseits die Wertschätzung eines militärischen, gemeinwohlorientierten und praktischen 132 Huang Renxian, Zhongguo, S. 264f. 133 Ichiko, Political, S. 377f. Absolventen der Akademie und der Universität sollten den jinshiTitel erhalten, die der Hochschule den juren-, und die der Mittelschule den shengyuan-Titel. 134 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 90–92; Ichiko, Political, S. 378. 135 Ichiko, Political, S. 382f. 136 Faure, Emperor, S. 320.
86 2 Staat und Schule vor 1900
Geistes (shangwu shang’gong shangshi).137 Auf Provinzebene und darunter wurde eine neue Schulverwaltung aufgebaut, die auf der untersten Ebene auf die Mitarbeit der Gentry in „Büros zur Förderung der Bildung“ setzte.138 Im selben Jahr begann die staatliche Kontrolle und Herausgabe von Textbüchern für die neuen Schulen.139 1907 wurden offiziell auch Schulen für Mädchen und Lehrerschulen für Frauen eingeführt. In Beijing begann die systematische Reform und Einbindung der herkömmlichen Privatschulen in das staatliche System. Es folgten Pläne für die Vorbereitung des Volkes auf die Einführung von lokaler Selbstverwaltung und Verfassung, außerdem wurden Schulinspektoren eingeführt. 1911 berief das Ministerium zum ersten Mal eine Bildungskonsultativkonferenz (zhongyang jiaoyuhui) mit mehr als 100 Teilnehmern nach Beijing ein, die jeden Sommer für einen Monat tagen und das Ministerium beraten sollte. Die Mitglieder, die aus Ministerien, Behörden und der schulischen Praxis stammten, wurden für je drei Jahre ernannt. Ab 1911 erhielten Schulabsolventen dann nicht mehr automatisch einen Prüfungstitel, der sie zu einem öffentlichen Amt berechtigte, sondern rein akademische Titel, weil in jenem Jahr ein neues System der Beamtenauswahl eingeführt wurde.140
2.6 Zusammenfassung Der umfassende Wandel, der Chinas Bildungswesen nach 1900 erfassen sollte, war nicht ohne Vorgeschichte. Ein staatliches Schulwesen war kein vollkommenes Novum, vielmehr ergab es sich aus einer Beschleunigung von Tendenzen, einer Intensivierung von Debatten, der Realisierung vorhandener wie auch neuer Ideen. Zwar haben wir gesehen, dass Schulen, insbesondere im Elementarbereich, ganz überwiegend von Privatleuten betrieben wurden, und dass der Staat die Lehrinhalte nur indirekt – wenngleich sehr effektiv – durch das Prüfungssystem beeinflusste. Aber wir haben auch gesehen, dass die Idee eines universellen Bildungssystems schon seit Jahrhunderten immer wieder geäußert worden war, dass das Prüfungssystem ebenso lange kritisiert und reformiert worden war, und dass Ansätze zur Realisierung universeller, staatlich zumindest beeinfluss137 Bildungsministerium, Zouchen jiaoyu zongzhi zhe (25.03.1906). 138 An Dongqiang, Qingdai. 139 Kuo, Chinese System of Public Education, S. 105f.; die einzelnen, genehmigten Titel finden sich in der Bibliographie Xiong Yuezhi (Hrsg.), Wanqing xinxue shumu tiyao, Shanghai: Shanghai shudian 2007. 140 Strauss, Creating, S. 844–849; Kuo, Chinese System of Public Education, S. 93f., 100–105.
2.6 Zusammenfassung
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ter Bildung in Gemeindeschulen, Wohlfahrtsschulen und auch Akademien schon lange existierten. Und schließlich waren auch westliche Vorstellungen der praktischen, spezialisierten Ausbildung in Technik und Fremdsprachen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in China umgesetzt worden. Alle diese Entwicklungen und Ansätze sollten nach 1900 in einer Reihe von Reformen kulminieren. In den nächsten 15 Jahren kamen chinesische wie globale Strömungen zusammen und trieben eine Entwicklung voran, die ganz wesentlich mitverantwortlich für das Ende von vier Jahrtausenden kaiserlicher Herrschaft in China werden sollte. Im globalen Austausch war die Erkenntnis gereift, dass es zur Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität und der militärischen Stärke des Landes nicht ausreichte, konfuzianische Generalisten für die Verwaltung zu schulen. Auch die Ausbildung weniger Spezialisten, dies hatte die Selbststärkungsbewegung gezeigt, reichte nicht aus. Stattdessen sollte nun die gesamte Bevölkerung gebildet werden – langfristig auch alle Mädchen und Frauen – damit sie als Ressource der Volkswirtschaft und der Nation insgesamt dienen könnte. Dies fand seinen deutlichsten Ausdruck in der Vielzahl berufsspezifischer Fachschulen, aber auch in der Aufnahme neuer, vergleichsweise anwendungsorientierter Fächer wie der Naturwissenschaften oder Handarbeit. Auch der Körper sollte durch Sportunterricht verbessert werden, und die Einführung fester Stundenpläne nach der Uhrzeit sollte die Menschen an das neue Regime der Produktivität gewöhnen. Der Geschichtsunterricht schließlich griff erstmals über China hinaus und stellte die jüngere Historie europäischer Staaten und Japans in den Mittelpunkt. Die konkrete Umsetzung all dieser Ideen ist Thema der beiden folgenden Kapitel.
3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken „Unsere Absicht ist es, das Schulsystem im Reich gut zu ordnen und die Begeisterung für das Lernen [...] zu fördern.“ Bildungsministerium der Qing, 19101
Wie das obige Zitat zeigt, hielt mit der „Neuen Politik“ auch ein neuer Anspruch des Staates Einzug in China. Während der Reformen von 1898 hatte Kang Youwei noch erfolglos gefordert, die Regierung möge erstmalig eine komplette Aufstellung aller Schulen des Reiches erstellen.2 Nun, als die „Neue Politik“ an Fahrt aufnahm, machte sich die Regierung in Gestalt des Bildungsministeriums genau diese Aufgabe zueigen.3 Erstmals beanspruchte eine Zentralregierung, das Schulwesen Chinas nicht nur indirekt und ideel, sondern faktisch bis hinab auf die lokale Ebene umfassend zu kontrollieren und zu steuern. Dieser neue Anspruch drückte sich in der Anwendung einer Reihe neuer oder erneuerter Techniken der staatlichen Steuerung aus, vermittels derer die wachsende Zahl von Schulgesetzen und -verordnungen im ganzen Land implementiert, und diese Implemetierung quantifiziert werden sollte. Die wichtigsten unter diesen Techniken waren die Bildungsstatistik, die Schulinspektion, die praktische Ausbildung des Bildungspersonals sowie die staatlich kontrollierte, soziale Mobilisierung auf der lokalen Ebene durch die „Büros zur Förderung der Bildung“. Diese vier Techniken untersuche ich im Folgenden primär am Beispiel des Ostens der Provinz Guangdong (den ich zu Beginn von Kapitel 4 näher vorstelle), um herauszufinden, mit welchem Erfolg sie einerseits zur Durchsetzung des neuen Anspruchs, andererseits zur Erzeugung des state effect beitrugen. Insofern interessiert mich weniger die Disziplinierung und Selbstdisziplinierung der Individuen, die im Zentrum der auf Westeuropa konzentrierten Forschungen Michel Foucaults zur Gouvernementalität standen. Vielmehr geht es um die tatsächlichen Erfolge einer- und um den Eindruck von staatlicher hierarchischer Steuerung andererseits.4
1 Bildungsministerium, Xuebu zou yubei lixian di san nian shangjie chouban shiyi zhe, XT 2/ 9/29 (31.10.1910), in: DQXFL, Bd. 9, S. 424f., hier S. 425. 2 Woodside, Divorce, S. 485. 3 Stapleton, Civilizing, S. 59f.; Esther Morrison, The Modernization of the Confucian Bureaucracy. A Historical Study of Public Administration, Ph.D. dissertation Radcliffe College, Harvard University 1959, S. 968. 4 Zu Foucaults Theorie und den Schwierigkeiten bei ihrer Anwendung auf das spätkaiserliche China, siehe oben Kapitel 1.4. https://doi.org/10.1515/9783110558869-003
3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
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Diese Verwaltungsperspektive macht im Unterschied zum Gros der bisherigen Untersuchungen deutlich, dass im China der „Neuen Politik“ nicht so sehr die Nation einen neuen Staat, sondern vielmehr der Staat neue Vorstellungen und Ideale von der Nation schuf, wofür die Bildungsreformen ein wichtiges Instrument waren.5 Dass die Regierung dabei neben ausländischen auch an Vorbilder aus der Ming- und der früheren Qing-Zeit anknüpfen konnte, ändert nichts daran, dass der Anspruch der „Neuen Politik“ viel umfassender war und die oben genannten Techniken jetzt in viel ausgefeilterer und intensiverer Weise zum Einsatz kamen.6 Wie auch die (hier nicht behandelte) Standardisierung von Schulbüchern und der Kampf gegen die unregulierten Privatschulen zeigen, ging es dem Staat jetzt darum, tatsächlich Form und Inhalt von Bildung verbindlich festzulegen, um dadurch die Nation zu definieren und zugleich den chinesischen Staat vor seiner Desakralisierung zu bewahren.7 Dieser Fokus auf den Staat und seinen Wandel soll frühere, auf das Handeln lokaler Eliten und Intellektueller konzentrierte Arbeiten nicht infragestellen. Aber in einer längerfristigen Perspektive wird doch deutlich, dass sich die Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert als „unaufhaltsamer Marsch des Zentralstaates“ (Philip A. Kuhn) in die Gesellschaft hinein lesen lässt.8 Es ist somit ein verblüffendes Desiderat, dass ausgerechnet die „Neue Politik“ als Geburtsstunde dieses Marsches bislang so wenig Würdigung erfahren hat. Hierzu soll das Folgende einen Beitrag leisten. Mit der „Neuen Politik“ übernahmen die Qing in vielen Fällen die WissensKategorien der Imperialisten, reterritorialisierten ihr eigens Staatsgebiet und legten, ganz wie es James L. Hevia für die Briten beschrieben hat, ein „imperiales Archiv“ an. Im Bildungswesen drückte sich der neue Anspruch auf staatliche Organisation und Kontrolle – wie im Steuerwesen und beim Militär auch – in einer weitreichenden Umgestaltung der Verwaltungsstruktur aus. Einerseits sollte die Lokalverwaltung professionalisiert werden, indem man versuchte, den bisherigen, informellen Mitarbeiterstab des Lokalbeamten (mufu) durch unterschiedlich spezialisierte und vom Staat besoldete Angestellte zu ersetzen.9 5 Kuo, Redeploying, S. 70; Vickers, Education, S. 599; Anderson, Imagined, S. 141–143; Eric J. Hobsbawm, The Invention of Tradition, Cambridge: Cambridge University Press 1983. 6 Leung, Elementary, S. 402f. 7 Kuo, Redeploying, S. 69; Thoralf Klein, Political Religion in Twentieth-Century China and Its Global Dimension, in: Thomas Jansen/Thoralf Klein/Christian Meyer (Hrsg.), Globalization and the Making of Religious Modernity in China. Transnational Religions, Local Agents, and the Study of Religion, 1800–present, Leiden: Brill 2014, S. 52–90, hier S. 56. 8 Kuhn, Origins, S. 132. 9 Hierzu ausführlich Guan Xiaohong, Cong mufu dao zhiguan. Qingji wai guanzhi gaige zhong de muzhi fenke zhishi, in: Lishi Yanjiu (2006) 5, S. 88–103; zur Reorganisation der Verwaltung
90 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Andererseits sollte die Zentralgewalt gestärkt werden. 1906 schaffte das Bildungsministerium das Amt des Bildungsdirektors (xuezheng) ab. Dieser bis dahin in allen Provinzhauptstädten vertretene Beamte war für das gesamte Bildungswesen der jeweiligen Provinz zuständig gewesen. Das hieß bis zum September des Jahres 1905 in erster Linie, dass er für den korrekten Ablauf der staatlichen Prüfungen auf Provinzebene zu sorgen hatte. Aufgrund des Prestiges, mit dem diese Oberaufsicht über die orthodoxe Gelehrsamkeit verbunden war, handelte es sich beim Bildungsdirektor um ein ehrenvolles Amt, das meist von verdienten, älteren Beamten ausgeübt wurde, die sowohl gegenüber dem Gouverneur als auch gegenüber der Zentralregierung eine gewisse Unabhängigkeit besaßen.10 Mit der Förderung der neuen Schulen und der Umsetzung der Schulsysteme von 1902 und 1904 jedoch hatte der Bildungsdirektor schon nichts mehr zu tun. Zu diesem Zweck hatten viele Provinzen schon vor 1904, als die Zentralregierung dies befahl, begonnen, eigene Bildungsbehörden (xuewuchu) aufzubauen, die vollkommen unabhängig vom Bildungsdirektor arbeiteten. Auch die Zentralregierung hatte zunächst keinerlei Kontrolle über diese neuen Provinzbehörden.11 Mit der Abschaffung des Prüfungssystems ergab sich für das bald darauf gegründete Bildungsministerium jedoch die Gelegenheit, die Kontrolle über die neuen xuewuchu der Provinzen zu gewinnen. Den nun obsolet gewordenen Bildungsdirektor ersetzte das Ministerium durch einen Organisator des zu schaffenden staatlichen Schulwesens auf Provinzebene, den Bildungskommissar (tixueshi). Der entscheidende Unterschied zum Bildungsdirektor war, dass der Kommissar mit seiner neuen Behörde, dem „Bildungskommissariat“ (tixueshisi oder kurz tixuesi) als neuer Leiter den xuewuchu der Provinz übergeordnet wurde. Wo also der Bildungsdirektor vor Ort nur das Prüfungssystem überwacht hatte und von Beijing aus wenig zu beeinflussen gewesen war, wurde der neue Bildungskommissar einerseits zum Vorgesetzten des vormaligen xuewuchu der Provinz (das nun xuewu gongsuo hieß), und andererseits sehr viel direkter in die Hierarchie des Bildungsministeriums eingebunden.12 Das Ministerium durfte in der Frühphase der „Neuen Politik“ siehe Ji Manhong/Lü Xia, Qing mo xinzheng qianqi Jiangbei difang guanzhi de biange yu yinxi (1901–1905), in: Lishi Dang’an (2010) 4, S. 88–95. 10 An Dongqiang, Qingdai, S. 241–243; Charles O. Hucker, A Dictionary of Official Titles in Imperial China, Stanford, CA: Stanford University Press 1985, S. 89; H. S. Brunnert/V. V. Hagelstrom, Present Day Political Organization of China, Shanghai: Kelly & Walsh 1912, S. 407. 11 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 102f.; der offizielle Befehl zur Einrichtung der xuewuchu der Provinzen findet sich in: Zouding xuewu gangyao, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 494–515, hier: S. 514. 12 An Dongqiang, Qingdai, S. 220–223. Die Beamten der Qing-Dynastie waren in neun Ränge (pin) eingeteilt, die wiederum jeweils in einen oberen und einen unteren Rang getrennt waren,
3.1 Statistik und Territorialisierung
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zudem jederzeit Kontrollen durchführen und unfähiges Personal entlassen.13 Damit erhielt, zumindest auf dem Papier, das Ministerium in Beijing die Kontrolle über die Bildungsbehörden der Provinzen. Dies war der entscheidende Schritt von der bloßen Proklamation zentralstaatlicher Kontroll- und Lenkungsansprüche, der die ersten fünf Jahre der „Neuen Politik“ gekennzeichnet hatte, hin zu deren Umsetzung, an der die Qing-Regierung fortan bis zum Herbst 1911 intensiv arbeiten sollte. Alle Institutionen und Techniken der staatlichen Kontrolle und Lenkung des Bildungswesens, die ich in den folgenden Unterkapiteln analysiere, waren direkt mit dem neuen Amt des tixueshi verbunden: Seine Behörde erhob ab 1906 statistische Daten zur Entwicklung der Schulen; ihm waren auch die sechs Schulinspektoren der Provinzebene (sheng shixue) unmittelbar unterstellt, und mittelbar die Inspektoren der Präfekturen, Distrikte und Kreise (shixueyuan); er organisierte das Trainingszentrum für die Beamten der Bildungsverwaltung (jiaoyuguan lianxisuo).14 Und schließlich hatte der Bildungskommissar das letzte Wort in allen Personalentscheidungen der lokalen „Büros zur Förderung der Bildung“. Damit war die administrative Struktur geschaffen. Nun stand der Kommissar zuerst vor dem Problem, den status quo des Schulwesens zu eruieren. Also begann er, vor Ort Informationen zu sammeln – auf eine Art freilich, die neu war.
3.1 Statistik und Territorialisierung Die Volksrepublik China ist heute ein von der Statistik und dem statistischen Vergleich geradezu besessener Staat.15 Begeben wir uns gute einhundert Jahre zurück, dann stehen wir ganz am Anfang dieser Entwicklung: Abgesehen von den Handelsstatistiken des ausländisch dominierten Seezollamtes in Shanghai, war die 1907 erhobene und 1909 publizierte Bildungsstatistik die erste moderne, reichsweite chinesische Statistik überhaupt.16 Die Statistik war eines der wichso dass sich zusammen 18 Abstufungen ergaben. Der höchste Rang war der obere erste Rang, der niedrigste der untere neunte Rang, siehe Hucker, Dictionary, S. 4f. 13 Ge sheng xuewu xiangxi guanzhi banshi quanxian bing quanxuesuo zhangcheng, Guangzhou o. J. [um 1906] [Sun Yat-sen Bibliothek, Guangzhou]. 14 Guangdong xuewu gongsuo (Schulamt von Guangdong), Xuewu baogao biaobu shi, Guangzhou 1907 [Sun Yat-sen Bibliothek, Guangzhou]; Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 408; An Dongqiang, Qingdai, S. 223. 15 Liu, Mirage. 16 Andrea Eberhard-Bréard, Robert Hart and China’s Statistical Revolution, in: Modern Asian Studies 40 (2006) 3, S. 605–629, hier S. 606, Fn. 5; Thomas Scharping, Statistik, in: Brunhild
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tigsten Instrumente, das der chinesische Staat zur Durchsetzung seiner Kontrolle nicht nur des entstehenden Bildungssystems einführte und mit dem er der eigenen Bevölkerung und dem Ausland seine neuen Fähigkeiten zu demonstrieren suchte. Dennoch ist die Institutionalisierung der staatlichen Statistik in Behörden und Publikationen bislang, wie überraschenderweise auch im europäischen und nordamerikanischen Fall, nur unzureichend untersucht worden, im Unterschied zur inhaltlichen Entwicklung der Statistik.17 Allerdings hatte der chinesische Staat, als die älteste kontinuierliche Bürokratie der Weltgeschichte, schon seit Jahrtausenden Daten über seine Bevölkerung erhoben. Täglich gingen Berichte von Provinz- und Kreisbeamten aus dem ganzen Reich im Kaiserpalast ein. Auf den ersten Blick war die Sammlung von „Fakten“ über Land und Leute also mitnichten ein Novum. Sie hatte sich vor 1900 nicht nur im Studium der Klassiker und in der „Staatskunst“-Lehre (jingshi) gezeigt, wo seit der frühen Qing-Dynastie die „Suche nach der Wahrheit in den Fakten“ (shishi qiushi) im Mittelpunkt der so genannten „Beweisforschung“ (kaozheng) stand.18 Derselbe Anspruch wurde bald auch in den Naturwissenschaften (gezhi) vertreten.19 Auch die Verwaltung des expandierenden Qing-Reiches war bestrebt, ihre Entscheidungen in diesem immer komplexeren Gemeinwesen auf möglichst exaktes, numerisches Wissen zu gründen.20 Dazu gehörten Volkszählungen oder zumindest die Zählung von Haushalten, die Verwaltung der Getreidespeicher für Notzeiten und das ausgefeilte Berichtswesen der kaiserlichen Bürokratie, das in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts noch gestärkt wurde.21 Lokale Beamte hatten auch vor der „Neuen Politik“ regelmäßig Staiger/Stefan Friedrich/Hans-Wilm Schütte (Hrsg.), Das große China-Lexikon. Geschichte – Geographie – Gesellschaft – Politik – Wirtschaft – Bildung – Wissenschaft – Kultur, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2003, S. 719–722, hier S. 720. 17 Jean-Guy Prévost, Statistics, Public Debate and the State, 1800–1945. A Social, Political and Intellectual History of Numbers, London: Pickering & Chatto 2012, S. 69f. 18 Elman, From Philosophy, S. 81. 19 Benjamin A. Elman, From Pre-Modern Chinese Natural Studies to Modern Science in China, in: Michael Lackner (Hrsg.), Mapping Meanings. The Field of New Learning in Late Qing China, Leiden: Brill 2004, S. 25–73, hier S. 43–48; Elman, Cultural, S. 58. 20 Lam, Passion, S. 21f. 21 Nicolas Schillinger, Survey the People. The Emergence of Population Statistics as Technology of Government in Early 20th Century China, in: Antje Flüchter/Susan Richter (Hrsg.), Structures on the Move. Technologies of Governance in Transcultural Encounter, Berlin, Heidelberg: Springer 2012, S. 87–104, hier S. 90f.; Michael R. Dutton, Policing and Punishment in China. From Patriarchy to „the People“, Cambridge: Cambridge University Press 1992, S. 55–70; Will/Wong, Nourish, Kapitel 7 und 8; John King Fairbank/Ssu-yü Teng, On the Types and Uses of Ch’ing Documents, in: Dies (Hrsg.), Ch’ing Administration. Three Studies, Cambridge, MA: Harvard University Press 1960, S. 36–106; Jennifer M. Rudolph, Negotiated Power in Late Im-
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Zahlen, insbesondere über Handel, Landwirtschaft und Steueraufkommen, meist jährlich an ihre Vorgesetzten berichten müssen.22 Die chinesische Verwaltung war insgesamt flexibler und effektiver als die Forschung lange gemeint hat.23 Was war dann an der Statistik überhaupt neu? Zwei Faktoren waren entscheidend: Erstens, die neue Qualität der Datenakquise im 20. Jahrhundert. Die Informationssammlung, die die Qing-Regierung unter dem Namen „Statistik“ betrieb, war regelmäßiger, systematischer, umfassender, geschah in kürzeren Abständen sowie als Antwort auf vorgegebene Fragen beziehungsweise Formulare. Zweitens, die neue Funktion quantitativer Daten: Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts nämlich hatten die regelmäßigen – meist jährlichen – Berichte der verschiedenen Beamten sowohl der Inventarisierung nationaler Ressourcen gedient, als auch eine rituelle Bedeutung gehabt. In einem riesigen Reich, in dem die Kommunikationswege lang, der unmittelbare Einfluss der Zentrale begrenzt und der Eigensinn der Lokalbeamten groß waren, funktionierten jährliche Berichte aus allen Ecken des Imperiums auch als turnusmäßige Versicherung der Loyalität gegenüber dem weit entfernten Kaiser. Wer Zahlen nach Beijing berichtete – und seien es auch Jahr um Jahr exakt die gleichen – signalisierte, dass alles in Ordnung war.24 Doch dies änderte sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts. Nun sollte auch in China die Erhebung abstrakter Daten jener Sichtbarmachung der beherrschten Bevölkerung dienen, der in der Forschung allgemein ein solch hoher Stellenwert für die Entstehung des modernen Staates zugesprochen wird. Mit der Sozialstatistik begannen auch in China die Sozialwissenschaften „to serve – and shape – the modern state’s desire for specific forms of order, control and reassurance“.25 Bisherige Untersuchungen zur Geschichte der Statistik befassen sich jedoch in erster Linie mit Europa und Nordamerika.26 Erste Studien zur Statistik in Imperial China. The Zongli Yamen and the Politics of Reform, Ithaca, NY: East Asia Program, Cornell University 2008, S. 136–139. 22 Ch’ü T’ung-Tsu, Local, S. 41. 23 Rudolph, Negotiated, S. 179–181. 24 Für den Hinweis auf diese Dimension des Berichtswesens danke ich Andrea Bréard. Siehe auch Halsey, Money, S. 412f.; Kreuzer, Staat, S. 129–135. 25 Sheila Jasanoff, Ordering Knowledge, Ordering Society, in: Dies. (Hrsg.), States of Knowledge. The Co-Production of Science and Social Order, London: Routledge 2004, S. 13–45, hier S. 33. 26 So jüngst bei Schneider, Wissensproduktion, und bei Prévost, Statistics; vgl. auch J. Adam Tooze, Statistics and the German State, 1900–1945. The Making of Modern Economic Knowledge, Cambridge: Cambridge University Press 2001; Silvana Patriarca, Numbers and Nationhood. Writing Statistics in Nineteenth-Century Italy, Cambridge: Cambridge University Press 1996;
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perien – im Unterschied zu den lange fokussierten Nationalstaaten – haben ergeben, dass auch diese die Technik der statistischen Erhebung rasch von den Nationalstaaten übernahmen. Allerdings beschränken sich die Autoren auch hier wieder weitgehend auf Volkszählungen.27 Dabei unterschied sich die imperiale Statistik in ihren Zielen und den Auswirkungen maßgeblich von der nationalen Statistik. Wo letztere Unterschiede in Sprache, Ethnizität und Religion zu verschweigen oder zu homogenisieren suchte, versuchten die meisten Imperien im Gegenteil, solche Diversität gerade zu erfassen und zu systematisieren. Damit lieferten die Volkszählungen in multiethnischen Imperien den Bevölkerungsgruppen der Peripherie oft gerade die Argumente für ihre Sezession, sorgten aber gleichzeitig für einen engen Kontakt von Bevölkerung und Vertretern des Staates.28 Der chinesische Zensus von 1909 jedoch versuchte, dem Vorbild der Nationalstaaten folgend, ethnische Unterschiede, die ja zugleich eine soziale und militärische Hierarchie markierten, durch die für alle Bevölkerungsgruppen einheitliche Zählung von Haushalten und Individuen zu nivellieren.29 Damit ist klar, dass das Anlegen von Statistiken seit dem 18. Jahrhundert sehr viel mehr bedeutete als eine unschuldige Sammlung von Informationen. Stattdessen ging hiermit ein Wandel der Wahrnehmung der Gesellschaft, ja häufig überhaupt erst deren Konstituierung als eigenständiger sozialer Einheit einher. Theodore M. Porter hat dies in den Begriff des „statistical thinking“ gefasst. Keine andere naturwissenschaftliche Methode, so Porter, habe seitdem die Gesellschaften derart durchdrungen; keine andere Methode gelte den RegieIan Hacking, The Taming of Chance, Cambridge: Cambridge University Press 1990; Theodore M. Porter, The Rise of Statistical Thinking, 1820–1900, Princeton, NJ: Princeton University Press 1986. 27 Umamaheswaran Kalpagam, Rule by Numbers. Governmentality in Colonial India, Lanham, MD: Lexington Books 2014; Hirschhausen, People; Achim Landwehr, Das gezählte Volk. „Bevölkerung“ als Gegenstand einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? (Zeitschrift für historische Forschung, Beiheft), Berlin: Duncker & Humblot 2005, S. 207–224. Gleiches gilt im Falle Chinas für Lam, Passion und die kürzere Untersuchung von Schillinger, Survey. In chinesischer Sprache liegt nur eine sehr allgemeine, additive Geschichte der Statistik vor (Li Huicun/Mo Yueda, Zhongguo tongji shi, Beijing: Zhongguo tongji chubanshe 1993). Bislang singulär geblieben ist also Bréard, Reform. 28 Sehr gut jetzt Wolfgang Göderle, Zensus und Ethnizität. Zur Herstellung von Wissen über soziale Wirklichkeiten im Habsburgerreich zwischen 1848 und 1910, Göttingen: Wallstein 2015. Siehe auch Ute Schneider, Commentary. Empires and the Tension between Difference and Likeness, in: Jörn Leonhard/Ulrike von Hirschhausen (Hrsg.), Comparing Empires. Encounters and Transfers in the Long Nineteenth Century, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011, S. 211–216, hier S. 215. 29 Lam, Passion, S. 85–88.
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rungen rund um die Welt als verlässlichere Basis für politische Entscheidungen.30 Die ersten Statistiker waren von der Aussicht auf die Entdeckung naturwissenschaftlicher Gesetze fasziniert, die die Gesellschaft jenseits der zufälligen Einzelschicksale beherrschten. Zugleich begeisterten sie sich für die Möglichkeiten der Steuerung von Gesellschaften, die sie sich von solchen Gesetzen versprachen.31 Die Statistik war, sofern sie von staatlichen Regierungen betrieben wurde, zentral für die Erzeugung des state effect.32 Der Staat, gleich ob imperial oder national, setzte sich durch das Sammeln von Daten von der Bevölkerung als neuem Objekt seines Handelns ab. Die Kategorien, die der Staat verwendete, waren zweifelsfrei „staatliche Fiktionen“ im Sinne von James C. Scott. Fiktionen freilich, die nicht fiktiv blieben, sondern soziale Wirklichkeit hervorbrachten. Statistiker erfanden Kategorien, um die Menschen sortieren zu können, aber diese Kategorien haben sich seither verselbstständigt und prägen heute nicht nur unser Bild der Gesellschaft als ganzer, sondern auch, in den Worten Ian Hackings, „die Art und Weise, auf die wir unseren Nachbarn beschreiben“.33 Nun ließe sich einwenden, dass die weitreichenden Auswirkungen des statistischen Denkens sich auf die Bevölkerungsstatistiken beschränkten. In der Tat spielen in der Schulstatistik die bekannten kritischen Faktoren wie Sprache oder Ethnizität keine Rolle. Hier begegnet uns stattdessen die schwierige Etablierung einer neuen Verwaltungsroutine, die weit weniger dramatische Züge trägt. Dies halte ich für sehr wichtig. Denn während die Gründe für das Scheitern von Imperien immer wieder benannt worden sind, ist von ihren Erfolgen, auch über ihr formelles Ende hinaus, seltener die Rede. Das liegt auch daran, dass – wie im Fall des gewaltsamen lokalen Widerstands gegen neue Schulen – das Scheitern das spektakulärere Quellenmaterial produziert (Abb. 1). Die Erhebung von Bildungsstatistiken aber brachte die Qing nicht zu Fall, löste keine Aufstände aus und diente auch nicht als Argument für die Sezession. Dennoch hatte sie in China eine bislang nicht erkannte Pionierfunktion. Die Bildungsstatistik konnte sich auf keine geeignete Volkszählung und kaum auf Landkarten
30 Porter, Rise, S. 3. In ähnlicher Weise hat Ernst Mayr vom „population thinking“ gesprochen, um den Wandel des Blicks weg vom Individuum und hin zur abstrakten Bevölkerung zu beschreiben: Ernst Mayr, The Growth of Biological Thought. Diversity, Evolution, and Inheritance, Cambridge, MA: Harvard University Press 1982, S. 45–47. 31 Hacking, Taming, S. 200f.; Porter, Rise, S. 5. 32 Culp, Review, S. 161f.; Lam, Passion, S. 140f. 33 James C. Scott, Seeing Like a State. How Certain Schemes to Improve the Human Condition Have Failed, New Haven, CT: Yale University Press 1998, S. 24; Liu, Mirage, S. 87; Hacking, Taming, S. 3.
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stützen. Deshalb, so zeige ich weiter unten, begann die Bildungsstatistik 1906 zunächst als Proto-Volkszählung.
Abb. 1: Spektakuläres Scheitern: Im Jahr 1907 verwüsten Bauern eine moderne Grundschule im Kreis Dapu in Ost-Guangdong. Im Hintergrund fliehen die uniformierten Schüler (Lithographie aus der Shishi Huabao)
3.1.1 Neue Behörden, neue Formulare Wenn man etwas über die Genese der Dichotomie von Staat und Gesellschaft in der Moderne lernen will, ist es unerlässlich, Statistiken und die konkreten Methoden ihrer Erhebung genau zu betrachten.34 Auch der vorliegende Fall macht deutlich, dass die Generierung und zentralstaatliche Sammlung von Wissen über die lokalen Gesellschaften eine entscheidende Rolle für die Entstehung dieser Dichotomie in China spielte. 34 Darauf hat Patrick Carroll hingewiesen und es – im Gegensatz zur Praxis vieler anderer Untersuchungen – am Beispiel mehrerer Volkszählungen im Irland des 19. Jahrhunderts auch selbst überzeugend demonstriert: Patrick Carroll, Science, Culture, and Modern State Formation, Berkeley, CA: University of California Press 2006, S. 94. Schneider, Wissensproduktion, S. 20 spricht von einem Blick in die „Fertigungshallen sozialer ‚Fakten‘“.
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Blickt man nur auf die Zentralregierung, so scheint alles im Sommer 1907 in Beijing begonnen zu haben. Im August wurde dort das zentrale Statistikbüro (tongji ju) eingerichtet. Zwei Monate später erhielt jedes Ministerium eine statistische Abteilung (tongji chu). Diese zentralen Stellen sollten fortan von den im Oktober 1907 neu gegründeten Informationsbüros (diaocha ju) auf Ebene der Provinzregierungen mit Daten versorgt werden.35 Analog zur Zentralregierung sollten außerdem alle Provinzbehörden eine statistische Abteilung einrichten. Dasselbe galt für die Dienstsitze der Beamten in den Präfekturen, Distrikten und Kreisen.36 Die „Kommission zur Erarbeitung von Regeln für die konstitutionelle Regierung“ (xianzheng biancha guan, fortan: Verfassungskommission) beschrieb die Aufgabe des zentralen Statistikbüros 1907 wie folgt: Die Statistik dient dazu, Informationen über Gewinn und Verlust der nationalen Wirtschaft sowie die Stärken und Schwächen der Situation in einem Land zu sammeln und Vergleiche anzustellen, um die Richtung der Politik festzulegen. […] Die Untersuchung all jener Länder, die jedes Jahr ein statistisches Jahrbuch veröffentlichen [zeigt, dass] sie über jedes Gebiet eine Statistik anlegen, um auf einen Blick über das Volk informiert zu sein.37
Andrea Bréard, von der die maßgeblichen Untersuchungen zur Statistik in der späten Qing-Zeit stammen, kommt zu dem Schluss, dass mit der „Neuen Politk“ „die Statistik anfing, als das universelle Werkzeug der modernen Verwaltung gesehen zu werden“.38 Doch obschon die Behörde selbst oder ein Patriot wie der schon zu Lebzeiten berühmte Gelehrte und Pionier-Diplomat Huang Zunxian (1848–1905) – der uns noch öfter beschäftigen wird – die Einführung dieses Werkzeuges mit der bekannten Formel zu legitimieren suchte, dass es sich ursprünglich um eine chinesische Technik aus der Zhou-Zeit gehandelt habe, erwies sich die Sammlung verlässlicher statistischer Daten im Qing-Reich in der Praxis als sehr schwierig.39 35 Verfassungskommission, Xianzheng biancha guan dachen Yi Kuang deng qing chi ge sheng sheli diaochaju zhe, GX 33/9/16 (22.10.1907), in: Gugong bowuyuan Ming Qing dang’an bu (Hrsg.), Qingmo choubei lixian dang’an shiliao, Bd. 1, Beijing: Zhonghua shuju 1979, S. 51f. 36 Die entsprechenden Memoranden von sieben Ministerien – leider ohne das Bildungsministerium – an die ihnen untergeordneten Behörden sind abgedruckt in DQXFL, Bd. 4, S. 530–555. 37 Verfassungskommission, Xianzheng biancha guan dachen Yi Kuang deng cuo ji xianzheng biancha guan banshi zhangcheng zhe, GX 33/7/5 (13.08.1907), in: Gugong bowuyuan Ming Qing dang’an bu (Hrsg.), Qingmo choubei lixian dang’an shiliao, Bd. 1, Beijing: Zhonghua shuju 1979, S. 47–51, hier: S. 48; auch zitiert in Andrea Bréard, Translating Statistics into 20th Century China. A Glimpse on Early Institutions and Manuals, in: Journal Electronique d’Histoire des Probabilités et de la Statistique 2 (2006) 2, S. 1–28, hier S. 7. 38 Ebd., S. 18f. Dieser Artikel beruht auf der umfassenden Habilitationsschrift Bréard, Reform. Zur europäischen Dimension dieser Entwicklung siehe Porter, Rise. 39 Eine Mitteilung der Verfassungskommission von 1909 zur Bekräftigung der Aufforderung, statistische Daten zu sammeln, beginnt mit den Worten: „Im Altertum gab es zwar den Begriff
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Im Bildungsbereich sollte die zentralisierte Datensammlung ab 1907 in der Theorie wie folgt ablaufen: Jedes Jahr stellte die Leitungsabteilung des Bildungsministeriums eine Reihe statistischer Formulare zusammen. Diese Vordrucke wurden dann über den Bildungskommissar einer jeden Provinz an jede einzelne Schule weitergeleitet. Hier sollten sie ausgefüllt und dann an den Bildungskommissar zurückgesandt werden. Dieser wiederum würde die Daten in diverse Tabellen für die gesamte Provinz zusammenstellen und an das Bildungsministerium weiterleiten. Dem Ministerium gelang es auf diese Weise tatsächlich, drei reichsweite Bildungsstatistiken (jiaoyu tongji tubiao) für die Jahre 1907, 1908 und 1909 zu kompilieren.40 Die Schwierigkeiten zeigten sich indes schon darin, dass die drei Bände jeweils erst zwei Jahre nach ihrem Berichtszeitraum erschienen.41 Lokal war die Sammlung der statistischen Daten in erster Linie Aufgabe der „Büros zur Förderung der Bildung“ sowie der Leitung der Schulen selbst.42 1907 veröffentlichte das Amt des Bildungskommissars von Guangdong einen Satz von 17 verschiedenen Tabellenformularen, die von der geographischen Lage eines Schulbezirks (xuequ) bis zum Verhalten jedes einzelnen Schülers eine umfassende Information des Staates über die Situation vor Ort gewährleisten sollten.43 Beinahe alle Formulare mussten einmal zu Beginn und einmal am Ende eines Halbjahres abgegeben werden. Ein neben diesen Anweisungen abgedrucktes Muster legte das Format der Tabellen samt Rändern auf 10 mal 7 cun, etwa 37 mal 26 Zentimeter, fest, damit es „einfacher zu schneiden und abzuheften“ sei.44
‚Statistik‘ nicht, wohl aber die Methode“ (gu wu tongji zhi ming er you tongji zhi fa), siehe Verfassungskommission, You zouding tongjibiao zong lie, XT 1/2/20 (10.02.1909), in: DQXFL, Bd. 5, S. 88–91, hier: S. 88. Zu Huang Zunxian siehe Bréard, Translating, S. 5f. 40 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 325–327. Weil die Kategorien dieser reichsweiten Statistiken nicht immer mit jenen der von den Bildungsbehörden verteilten Fragebögen übereinstimmen, ist nicht unmittelbar evident, ob tatsächlich das Bildungsministerium selbst die Daten für die reichsweiten Statistiken sammelte. Dafür spricht ein Dokument des Bildungsministeriums von 1909, demzufolge dieses 1907 zum ersten Mal entsprechende Formulare an die Schulämter aller Provinzen zur Weiterleitung gesandt hatte, siehe Bildungsministerium, Xuebu zhongding tongjibiao ji ge xuetang yilanbiao lixing ge sheng tixuesi wen fu biao lie er jian, November 1909, in: DQXFL, Bd.7, S. 55–58, hier: S. 55. 41 Allerdings knüpfte das nach 1911 in jiaoyu bu umbenannte Bildungsministerium der Republik China sehr rasch an die statistische Arbeit der Vorgänger an und publizierte bereits 1913 eine Statistik für das Jahr 1912 unter nur leicht verändertem Namen, siehe Bildungsministerium [Republik China], Zhonghua minguo di yi ci jiaoyu tongji tubiao, Beijing: Jiaoyu bu 1913. 42 Xu Wenyong, Qingli, S. 192. 43 Der als Zuständigkeitsbereich jeweils eines Mitarbeiters des lokalen „Büros zur Förderung der Bildung“ festgelegte xuequ umfasste etwa 3.000 bis 4.000 Haushalte. 44 Baogao qixian fanli (Anweisungen zu den Fristen für Berichte), in: Guangdong xuewu gongsuo, Xuewu, gegenüber S. 1r.
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Die Anordnung der einzelnen Formulare versinnbildlicht ausgezeichnet das Bestreben des Staates, viel tiefer als bisher in die lokale Gesellschaft einzudringen. Mit den ersten Fragen aus der Vogelperspektive startend, senkt sich der staatliche Blick am Ende bis hinab zu jedem einzelnen Schüler und Lehrer und erforscht deren individuelle Optimierungspotentiale. Folgen wir diesem staatlichen Blick, so wird gleich zu Beginn deutlich, wie ambitioniert das Ziel staatlicher Information und Lenkung wirklich war. Denn im Verhältnis hierzu ging der Staat von einem allenfalls rudimentären Kenntnisstand aus.45 Im ersten Formular, das der Erfassung der neuen Schulbezirke (xuequ fenhua biao) dienen sollte, wurden nicht nur der Name des Kreises, innerhalb dessen sich der Bezirk befand, sowie die Zahl der zugehörigen Dörfer und Haushalte und die Fläche abgefragt. Diese Angaben schienen zur Lokalisierung nicht zu genügen, und so wurde ebenfalls Auskunft erbeten zur Entfernung des Bezirks zur nächsten Stadt sowie zu den Grenzen des Bezirks in allen vier Himmelsrichtungen.46
Abb. 2: Formular zur Erfassung der neuen Schulbezirke (xuequ fenhua biao), 1907
45 Im Vergleich mit Europa wird deutlich, dass die Fragebögen der Qing einen ganz ähnlich fragmentarischen Kenntnisstand über Land und Leute verraten, wie ihn die englische Verwaltung noch 60 Jahre zuvor über Irland besessen hatte. Dazu Carroll, Science, S. 92–100. 46 Guangdong xuewu gongsuo, Xuewu, S. 2r.
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Für die Erhebung der Zahl der bereits vorhandenen modernen Schulen sowie der „noch erhaltenen“ Privatschulen (xian cun shu) und der Schüler sollte der lokale Magistrat gemeinsam mit dem Vorsitzenden des örtlichen „Büros zur Förderung der Bildung“ die Angestellten desselben (quanxueyuan) sowie die Anführer der lokalen Gentry instruieren, die Schulen eine nach der anderen zu untersuchen. Dies sollte innerhalb von nur einem halben Monat nach Erhalt dieses Formulars geschehen. Wo die erst 1906 eingeführten Schulbezirke noch nicht festgelegt waren und kein „Büro zur Förderung der Bildung“ existierte, hatte der lokale Beamte immerhin einen ganzen Monat Zeit für die Untersuchung.47 Das zweite Formular zielt auf die Erhebung der Gesamtheit der Kinder im schulfähigen Alter (xueji diaocha bu). Dieses Unterfangen nahm im Kleinen bereits die Volkszählung (renkou diaocha) des Jahres 1909 vorweg. Der jeweilige Mitarbeiter des „Büros zur Förderung der Bildung“ wurde angewiesen, gemeinsam mit den Anführern der lokalen Elite in jedes Dorf und jede Stadt eines Kreises zu gehen und dort Haus für Haus Angaben über den Haushaltsvorstand (jiazhang) und über die schulfähigen Kinder (Jungen zwischen fünf und elf Jahren sowie Mädchen zwischen fünf und neun Jahren) zu ermitteln. In die Liste eingetragen werden sollte zu jedem betreffenden Kind Name, Alter und Geschlecht. Außerdem war anzugeben, welche moderne Schule oder klassische Privatschule das Kind wie lange bereits besucht hatte. War das Kind bisher noch nicht zur Schule gegangen, so sollte der Grund hierfür genannt werden, wobei in den Erläuterungen Vorschläge gemacht wurden: das Fehlen einer Schule in der Nähe, fehlende finanzielle Mittel der Familie, eine ansteckende Krankheit des Kindes, oder dass es stattdessen eine handwerkliche Ausbildung absolvierte.48 Hier erreichte die Datensammlung also bereits jeden einzelnen Haushalt und jedes einzelne Kind. Von den nun noch folgenden 13 Formularen wenden sich elf von den Schülern weg und befassen sich mit Zahl, Ausstattung und Personalbestand der existierenden Schulen. Ein Formular jedoch fragt nach einer Namensliste der Schüler, die offenbar durch das Schulpersonal selbst zusammengestellt werden sollte. Mit einem weiteren Formular erreicht der staatliche Blick – wie schon im zweiten Formular – erneut die Ebene des individuellen Schülers und, mehr noch, des einzelnen Körpers. Das „Verzeichnis der Untersuchung der Schülerschaft“ (shengtu jiancha bu) erfasst das Ergebnis der körperlichen Untersuchung (shenti jianliang) jedes einzelnen Schülers, seine Krankheiten und deren Dauer, die Dauer seiner Abwesenheit vom Unterricht aus anderen Gründen, sei-
47 Ebd., S. 2v. 48 Ebd., S. 3r f.
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ne Verhaltensnoten, Auszeichnungen und Bestrafungen und seine Versetzung oder Nicht-Versetzung in die nächst höhere Klassenstufe.49 Auch wenn an das so erhobene Wissen über den Gesundheitszustand der Schüler 1906 noch keine konkreten Hygiene-Vorschriften gekoppelt waren – anders als in den schulischen Bauvorschriften (Kapitel 4.6) – lieferte dieses Wissen doch die Grundlage für den künftigen Zugriff des Staates auf den einzelnen Körper. Gerade dieser – durch die Anordnung von Hygienemaßnahmen, die Uniformierung von Schülern und Soldaten, Zwangsimpfungen und dergleichen – gilt als Signum des modernen Staates per se. Michel Foucault hat hierfür wie erwähnt den Begriff der „Biopolitik“ geprägt.50 Wiewohl deren Auftreten für Foucault eng mit dem Liberalismus verbunden ist und damit gerade mit einem Zurückdrängen des Staates und der Verlagerung seiner von außen wirkenden Disziplinargewalt in das Individuum selbst hinein, lassen sich während der „Neuen Politik“ sowohl die Zunahme staatlicher Disziplinierungs- und Kontrollmechanismen, als auch immer stärkere Versuche, die Bevölkerung zur Selbstdisziplinierung zu erziehen, beobachten.51 Das Anwachsen staatlicher Disziplinierung und der Disziplinierung des Selbst verliefen parallel. Dass freilich, wie wir gesehen haben, der Aufruf zur Selbstvervollkommnung in China mitnichten ein Novum des 19. Jahrhunderts war, sondern seit vielen Jahrhunderten Bestandteil des konfuzianischen Selbstverständnisses zumindest der Eliten, zeigt die Grenzen der Anwendbarkeit des Foucaultschen Modells auf die außereuropäische Geschichte. Dennoch bietet seine Analyse sehr gute Anknüpfungspunkte, wenn man etwa bedenkt, dass die „Selbstkultivierung“, wiewohl mit einer anderen Genealogie ausgestattet als in Europa, nach 1900 als xiushen sogar zur Namensgeberin des stets an der Spitze jedes staatlichen Lehrplans stehenden Schulfaches wurde.52 In der praktischen Politik jenes Jahrzehnts zeigte sich der staatliche Zugriff auf den Körper besonders in der Erziehung der Bevölkerung zu persönlicher Hygiene. Ruth Rogaski hat den Beginn staatlicher Gesundheitsversorgung und Hygieneerziehung nach 1900 auch darauf zurückgeführt, dass die Qing – und hier insbesondere Yuan Shikai – damit ihre an einem westlichen Standard gemessene Regierungsfähigkeit unter Beweis stellen wollten. Die Besatzungsmächte rechtfertigten ihr Bleiben nach dem Boxer-Krieg damit, dass die chinesische Regierung selbst für die Herstellung und Aufrechterhaltung von Sauberkeit und 49 Ebd., S. [13]r f. 50 Bayly, Birth, S. 12–17; Michel Foucault, Die Geburt der Biopolitik. Geschichte der Gouvernementalität II, Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2004. 51 Die öffentliche Debatte über Disziplinierung und Erziehung zu Selbstdisziplinierung ist sehr gut aufbearbeitet in Bailey, Reform, S. 72–79; für Ägypten siehe Mitchell, Colonising, S. 78f. 52 Schulz Zinda, Propagating.
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Ordnung unter der Bevölkerung nicht sorgen könne. Yuan Shikais Antwort war die Einrichtung des ersten städtischen Gesundheitsamtes in der chinesischen Geschichte der Neuzeit und der Aufbau einer schlagkräftigen Polizei.53 In Chengdu nahm sich ab 1906 die Polizei sogar des Baus standardisierter öffentlicher Toiletten an, prüfte die Qualifikation von Ärzten und überwachte die Qualität des Trinkwassers.54 Vor diesem Hintergrund kann also die Erfassung der körperlichen Gesundheit und der Verhaltensbewertungen eines jeden Schülers nicht überraschen. Augenfälliger noch wird der Zusammenhang von staatlicher Kontrolle und Selbstdisziplinierung in der Behandlung der Lehrer. Sie wurden explizit zur Selbstbeobachtung und Selbstvervollkommnung aufgefordert. So scheint das Formular „Aufzeichnungen über den Unterricht“ (jiaoshou jilubu) mindestens ebenso der Selbstbefragung des einzelnen Lehrers wie der Sammlung von Erfahrungen und Verbesserungsvorschlägen für die Behörden gedient zu haben. Die Lehrer und das Verwaltungspersonal sollten sich die täglichen Aufzeichnungen über den Unterricht ansehen und daraus Lehren für sich selbst ziehen. Dazu zählten die Gründe für das Schwänzen von Schülern ebenso wie Unterhaltungen zwischen diesen, deren Zeugen die Lehrer in der unterrichtsfreien Zeit wurden, Ermahnungen an die Schüler ebenso wie lehrreiche Eindrücke aus den Fragen und Antworten der Schüler.55 Bemerkenswert ist in jedem Fall die eingangs dieses Kapitels erwähnte Vorreiterrolle, die die Bildungsverwaltung für das Projekt der exakten Informationsbeschaffung spielte. Die Aufforderung an die Bildungskommissare, jenen umfangreichen Datenbestand zu jedem Kreis ihrer Provinz zu erheben, erfolgte wie gesagt im November 1906 und damit beinahe ein Jahr vor Gründung der statistischen Behörden in Beijing und den Provinzen. Insofern ist es einleuchtend, dass das Bildungsministerium zunächst nach allem fragt – nur nicht nach Schulen; dieses Ministerium war unter den Behörden in Beijing schlicht die erste, die über ihre Filialen in den Provinzen – die Bildungskommissare – und sogar in den Kreisen – die lokalen Schulinspektoren (xian shixue) – in die Fläche, in die Dörfer und bis zum einzelnen Haushalt vordrang. Entsprechend wenig wusste man, oder besser: Das Wissen, dass den Beamten in Peking verfügbar war, erschien ihnen plötzlich als sowohl quantitativ als auch qualitativ ungenügend.
53 Ruth Rogaski, Hygienic Modernity. Meanings of Health and Disease in Treaty-Port China, Berkeley, CA: University of California Press 2004, S. 187f.; MacKinnon, Power, S. 39–45. 54 Stapleton, Civilizing, S. 136–138. 55 Guangdong xuewu gongsuo, Xuewu, S. [15]r f.
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3.1.2 Widerstand Angesichts der früheren, allgemeineren und größtenteils bloß jährlich einzureichenden Berichte stellte ein solch umfangreicher Fragenkatalog wie jener des Bildungsministeriums die lokalen Beamten vor ganz neue Herausforderungen. Das Ministerium rechtfertigte ihn denn auch damit, dass „die Zahl jener lokalen Angelegenheiten, die mit Bildung zu tun haben, […] nicht gering“ sei.56 Da zu jener Zeit nicht nur das Bildungsministerium, sondern alle Ministerien und Behörden auch auf der Ebene der Provinzen damit begannen, Zahlen zu sammeln, wurden die Schulen und die Beamten mit Formularen geradezu überschwemmt. 1908 zum Beispiel ordnete der Thron an, dass jede Provinz, um der Finanzpolitik des Reiches ein neues Fundament zu geben, für die Jahre 1908 bis 1910 detaillierte Berichte über ihre Einnahmen und Ausgaben anzufertigen habe. Die Ergebnisse dieser Aufstellungen wurden dann 1910 als „Handbuch der Finanzverwaltung“ (caizheng shuoming shu) einer jeden Provinz veröffentlicht. Von 1909 an musste jede Behörde sogar monatliche Finanzberichte an das „Büro zur Reformierung der Finanzverwaltung“ (qingli caizheng ju, fortan: Finanzreform-Büro) der jeweiligen Provinz schicken.57 Die steigende Nachfrage nach Daten führte zu lokaler Überforderung oder Unwillen und damit zu mangelndem Rückfluss. Dies zeigte sich an immer häufigeren Ermahnungen von staatlicher Seite. So bekräftigte 1909 die Verfassungskommission ihre Aufforderung, mit Blick auf die Vorbereitung der Selbstverwaltung umfassende statistische Daten zu sammeln.58 Dabei machte sie genaue Vorgaben zu Art und Inhalt von 148 in der Hauptstadt und den Provinzen zu erhebenden Statistiken zur Zivilverwaltung (minzheng) sowie zu 177 Statistiken aus dem Bereich der Finanzverwaltung (caizheng).59 Unter letzteren waren auch eine vom Bildungsministerium zu erstellende Statistik der Bildungsfinanzen der Provinzen sowie eine von jeder Provinz selbst zu erstellende Statistik. Zu ersterer hieß es erläuternd, diese sei auf Grundlage der Angaben aus den Provinzen zu kompilieren; den Behörden dort wurde wiederum vorgeschrieben, sich an
56 Bildungsministerium, Xuebu zha ge sheng tixueshi fending xuequ wen, November 1906, in: Zhu Youhuan (Hrsg.), Jiaoyu xingzheng jigou ji jiaoyu tuanti (ZGJDJYSZL), Shanghai: Shanghai jiaoyu chubanshe 2007, S. 65–67, hier S. 65. 57 Paul Christopher Hickey, Bureaucratic Centralization and Public Finance in Late Qing China, 1900–1911, Ph.D. Dissertation Harvard University, Boston, MA 1990, S. 169f. 58 Verfassungskommission, You zouding tongjibiao zong lie (10.02.1909), S. 88. 59 Beijing tushuguan yingyinshi (Hrsg.), Qing mo Min chu xianzheng shiliao jikan, Bd. 1, Beijing: Beijing tushuguan chubanshe 2006, S. 599–712; in der Kategorie minzheng findet sich freilich nichts zum Thema Bildung.
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den einzelnen Statistikbögen des Bildungsministeriums zu orientieren.60 Zur selben Zeit bekräftigte auch das Bildungsministerium selbst seinen Befehl, Statistiken anzulegen.61 Zudem gab es offensichtliche Überschneidungen der Aufgabenbereiche, insbesondere zwischen dem Informationsbüro und dem Schulamt auf Provinzebene sowie zwischen dem Statistikbüro und dem Bildungsministerium in Beijing. Während das Schulamt 1907 seine zitierten Erhebungsbögen verschickte, folgte kurz darauf das Informationsbüro mit seinem eigenen Satz von Fragen. Diese gingen zwar nicht direkt an die einzelnen Schulen, sondern an den Magistrat des jeweiligen Kreises. Dieser jedoch war für die Beantwortung der Fragen selbstverständlich erneut auf die Mithilfe der Schuldirektoren sowie der quanxuesuo angewiesen, so dass diese neben den halbjährlichen Bögen des Bildungsamtes nun auch diejenigen des Informationsbüros ausfüllen mussten. Obendrein begannen 1909 auch die reformierten Finanzbehörden der Provinzen, die Schulfinanzen zu erfassen.62 Jeder einzelne der vielen Fragekataloge konnte wiederum sehr umfangreich sein und entsprechend viel Arbeit bedeuten. Vor allem das Informationsbüro von Guangdong hatte unzählige Fragen. Diese betrafen unter anderem um die Erfassung verschiedener Bevölkerungsgruppen (in den Bergen, auf dem Wasser, die Gentry) und ihrer Sitten, Wirtschaft, Infrastruktur und vieles mehr. Dazu gehörte auch die Rubrik „Fragen zur Praxis der Behandlung lokaler Angelegenheiten durch die Gentry“ (diaocha shenshi banshi xiguan tiao wen), deren erste Unterrubrik sich der „Förderung der Bildung“ (xingxue) widmete. Zu den Bildungsvereinigungen, „Büros zur Förderung der Bildung“, Gesellschaften zur Reform der sishu, Propagandabüros sowie den Klanschulen sollten die Untersuchenden jeweils Folgendes herausfinden: Erstens, wie die jeweilige Institution derzeit operiere; zweitens, Name, Beruf und Amtsdauer ihrer derzeitigen Leiter; drittens, ihre innere Organisation; viertens, ihre Einnahmequellen; fünftens, ihre derzeitigen Statuten. Weitere Fragen widmeten sich dann noch inten-
60 Ebd., S. 665, 698. 61 Verfassungskommission, You zouding tongjibiao zong lie (10.02.1909), Nos. 4 und 5. 62 Das mir vorliegende Beispiel eines Fragenkatalogs des Informationsbüros der Provinz Guangdong wurde erst 1909 gedruckt. Es handelt sich aber um eine Kompilation der seit 1907 verwendeten Dokumente. Guangdong diaocha ju (Informationsbüro der Provinz Guangdong), Guangdong diaocha ju gongdu lu yao chubian [1909], in: Sang Bing (Hrsg.), Sanbian Qingdai gao chaoben, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 2007–2010, Bd. 49, S. 175– 252, hier S. 202, 237f.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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siver der Verwendung kommunaler Mittel, die einst für das Prüfungssystem eine Rolle gespielt hatten, sowie dem Schulland (xuetian).63 Tatsächlich monierte das Ministerium in Beijing einige Zeit später die mangelnde Qualität der Daten, deren Sammlung es denn auch ständig zu verbessern suchte.64 1907 befahl das xuebu den Schulen zum einen, fortan auf einem vorgegebenen Formular monatlich das eigene Personalbudget über den lokalen Beamten an den Bildungskommissar einzureichen, der daraus einen Jahresbericht zusammenstellen möge; zum anderen beklagte das Ministerium, dass in den bisherigen Finanzberichten die Einnahmen nicht klar nach Quellen differenziert worden seien. Daher hatte das Ministerium einen neu ersonnenen Vordruck angefügt, der das Einkommen nach verschiedenen, jedoch von den Schulleitern selbst zu benennenden Kategorien (mo kuan) unterschied – was nicht verwundern kann, hatte doch das Ministerium selbst gerade eingeräumt, dass diese und andere Kategorien der Statistik in allen Ländern unterschiedlich sein und erst gefunden werden müssten.65 Doch litt die Qualität der Zahlen neben dem fehlenden Grundwissen des Personals und dem teilweisen, passiven Widerstand der Gentry noch an anderen praktischen Problemen. Eins davon war die Uneinheitlichkeit des Währungssystems. Für 1907 hatten sechs Provinzen ihre Bildungsausgaben und -einnahmen in den neu eingeführten Silberyuan (yinyuan) kalkuliert, elf Provinzen, darunter Guangdong, in Liang Silber (yinliang), die Provinz Anhui hatte sowohl Liang als auch Yuan verwendet, und vier Provinzen hatten gar nicht erst angegeben, welche Währungen ihren Statistiken zugrunde lagen.66 Zur besse-
63 Guangdong diaocha ju (Informationsbüro von Guangdong), Ben ju fenfa ge ting zhou xian diaocha shenshi banshi shangshi susongshi ge xiguan tiao wen ce zha [1909], in: Guangdong diaocha ju, Guangdong diaocha ju gongdu lu yao chubian, S. 201–208, hier: S. 202f. Diese Gelder waren wichtig, weil sie nun zur Finanzierung der neuen xuetang herangezogen werden sollten. Für Guangdong und Guangxi hatte dies Generalgouverneur Cen Chunxuan bereits 1903 als neue Methode der Finanzierung angekündigt, siehe Thronbericht von Generalgouverneur Cen Chunxuan und Gouverneur Li Xingrui, GX 29/8/18 (08.10.1903), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe (Abschriften von Throneingaben durch den Großen Rat) Nr. 03–7213–018. 64 Dies geht hervor aus Bemerkungen des Guangdong tixuesi (Bildungskommissariat von Guangdong), Qian si Jiang bianzao Guangxu sanshisi nian Guangdong jiaoyu tongjibiao chengqing xuebu chahe wen, in: GDJYGB 1 (1910) 2, baogao, S. 1f. 65 Bildungsministerium, Xuebu zha chi ge xuetang anyue zaosong shouzhi ce wen fu biaoshi, in: Zhejiang jiaoyu guanbao (1909) 10, wendu, S. 48. Bildungsministerium, Xuebu zha fa ge xuetang jingfeibiaoshi fu biaoshi, in: ebd., S. 47; Verfassungskommission: You zouding tongjibiao zong lie (10.02.1909), No. 4. 66 Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Xuebu zongwusi) (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (Erste Bildungsstatistik), Beijing 1909, Vorwort (liyan), S. 1; zu den Silberwährungen, siehe Hosea Ballou Morse, The Trade and Administration of
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ren Vergleichbarkeit musste das Ministerium die Angaben in Silberliang umrechnen. Ferner hatten die Provinzen in den einzelnen Tabellen häufig Schüler, aber keine Schulen, oder Schulen, aber keine Schüler aufgeführt.67 Außerdem, so schrieb das Ministerium, seien die Angaben zur Qualifikation der Lehrer und zur Zahl von Kindern im schulfähigen Alter für eine Statistik zu lückenhaft gewesen.68 Hier zeigte sich erneut die faktische Dezentralisiertheit des chinesischen Verwaltungs- wie auch Wirtschaftssystems. Hosea Balou Morse (1855–1934), der als Leiter der statistischen Abteilung des Seezollamtes seit 1904 an einer Gesamtdarstellung der „Verbindlichkeiten und Guthaben Chinas im internationalen Handel“ arbeitete, musste eigens komplexe Methoden zur Schätzung des gesamtwirtschaftlichen Soll und Haben entwickeln. Dabei kämpfte er – genau wie das Bildungsministerium – einerseits mit regional unterschiedlichen Währungen, andererseits mit einer wachsenden, aber eben nur nominell Beijing unterstellten Bürokratie.69 Sein 1908 erschienenes Buch fasste die Herausforderungen anschaulich zusammen – 50 Seiten verwendete Morse allein für die Darstellung der unterschiedlichen Währungen.70 Die Kritik derjenigen, die vor Ort all diese Angaben mühsam erheben mussten, fand jedoch erst 1909 mit der Eröffnung der Provinzversammlung von Guangdong auch ein öffentliches Ventil. Dort plädierte zum Beispiel ein Mitglied namens Hu Jiaqi für eine Verringerung des Verwaltungsaufwandes. Derzeit, so Hu, kämen vom Bildungsministerium und dem Bildungskommissar jedes Jahr mehr als zehn Formulare, die jährlich, halbjährlich oder gar monatlich und teilweise in achtfacher Ausfertigung einzureichen seien. Damit nicht genug, unterschieden sich die Formulare stark voneinander: die Ausgaben sollten einmal in offiziellen „Staatskassen-Silberliang“ (kuping yin) und im nächsten Formular in einer lokalen Währung angegeben werden;71 Lehr- und Verwalthe Chinese Empire. With Illustrations, Maps and Diagrams, London, New York, Bombay, Calcutta: Longmans, Green, & Co. 1908, S. 149–161. 67 Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao, Vorwort, S. 2. 68 Ebd., S. 3. 69 John King Fairbank/Martha Henderson Coolidge/Richard J. Smith, H. B. Morse. Customs Commissioner and Historian of China, Lexington: University Press of Kentucky 1995, S. 181. 70 Morse, Trade, S. 119–169; Hevia, English, S. 139. 71 Das liang, auch Tael genannt, ist eine Gewichtseinheit. Das Silberliang war in China zugleich bis 1911 eine wichtige Währungseinheit. Dabei existierte kein reichsweit einheitlicher Standard, so dass viele verschiedene Silberliang von unterschiedlichem Gewicht – meist um 35 Gramm – und unterschiedlicher Reinheit des Silbers koexistierten. Dazu gehörte zum Beispiel der von der Seezollbehörde festgelegte „Haikwan-Tael“ (Haiguan liang), der allerdings nicht real im Umlauf, sondern ein Standard war, nach dem Zölle berechnet wurden. Der Haik-
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tungspersonal wünsche die eine Behörde gemeinsam, die andere getrennt aufgeführt; die Schüler sollten mal summarisch, dann wieder nach neuen und alten Schülern getrennt gezählt werden. Wenn die Lehrer und die Mitarbeiter der Schulverwaltung dann über das Ausfüllen der Formulare hinaus noch irgendetwas für den Unterricht tun wollten, seien sie dafür oft zu erschöpft. Hu appellierte daher abschließend an das Bildungsministerium, die Formulare zu vereinheitlichen und für alle Verwaltungsebenen verbindlich zu machen.72 In einem anderen Fall beschwerte sich der Bildungskommissar bei einem Schuldirektor in Jiaying, dass dieser Angaben über den Lehrplan an seiner Schule erst drei Jahre nach Aufnahme des Unterrichts eingereicht habe und seine Angaben zudem missverständlich und unklar seien.73 Anders als diese Beschwerden von beiden Seiten vermuten lassen, waren sich das Bildungsministerium sowie der Bildungskommissar durchaus der Herausforderungen bewusst, vor die sie die klassisch ausgebildeten Schuldirektoren – in aller Regel Mitglieder der Gentry – stellten. Dies zeigte die Einrichtung von speziellen lokalen Trainingszentren für das Schulpersonal (unten Kapitel 3.3). Auch wenn uns genaue Zahlen fehlen, ist jedoch klar, dass längst nicht alle Angestellten der laufend an Zahl zunehmenden Schulen ein solches Trainingszentrum besuchen konnten. Allein schon die Tatsache, dass solche Zentren nötig waren, legt Zeugnis von einer rasch wachsenden Kluft zwischen staatlicher Verwaltung und Bevölkerung ab. Die oben zitierten Probleme und Beschwerden lassen erkennen, in welch tiefgreifender Weise die Einführung der Statistik an den Schulen zur Entfremdung zwischen Eliten und staatlicher Verwaltung beitrugen. Das gemeinsame Fundament klassischer Bildung, auf dessen Grundlage eine Verständigung zwischen Eliten und Verwaltung möglich gewesen war, erodierte also nicht allein durch den Wandel der Schultypen und der Lehrinhalte oder durch die plötzlich gestiegene finanzielle Belastung der lokalen Bevölkerung. Die Männer, die hier gegen die Formularflut protestierten, waren mitnichten konservative
wan-Tael entsprach gut 43 Gramm reinen Silbers. In dieser Arbeit werden alle Angaben entsprechend der Bezeichnung in den Quellen einheitlich in Silberliang gemacht, auch wenn an manchen Stellen tatsächlich leicht unterschiedliche, lokale Varianten gemeint sind. Auf eine Umrechnung in andere Währungen habe ich verzichtet. Siehe im Detail Lien-sheng Yang, Money and Credit in China. A Short History, Boston, MA: Harvard University Press 1952, S. 49f. sowie Morse, Trade, S. 149–161. 72 Hu Jiaqi, Qing xuebu gaiding jiaoyu faling zhi jianyi, in: GDJYGB 2 (1911) 2, fupian, S. 44– 46, hier: S. 46. Zur Wahl der Provinzversammlung von Guangdong, siehe Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 155–160. 73 Jiayingzhou Chengda Xuetang xiaozhang bing zun pi chengming you, in: GDJYGB 2 (1911) 1, wendu, S. 37.
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Hüter des alten Systems privater Schulen. Dass sie dennoch gegen die neue Ordnung aufbegehrten, ist mindestens ebenso als Reaktion auf die als unnötig kompliziert empfundenen Verwaltungstechniken zu verstehen wie als Ausdruck ihres wachsenden Selbstbewusstseins. Auch gegen das neue System der Schulfinanzierung protestierte die Provinzversammlung ja, weil sie es als zu kompliziert und ungerecht empfand. Bei aller Kritik an der Sammlung statistischer Daten muss man jedoch festhalten, dass diese im Bildungswesen sehr viel maßvoller ausfiel als zum Beispiel im Fall der reichsweiten Volkszählung, die im Jahr 1909 begann. Mit der Erhebung der Zahl der Kinder im schulfähigen Alter, die durch Besuche bei jeder einzelnen Familie durchgeführt werden sollte, stand die Untersuchung in Guangdong 1907 der Volkszählung zwei Jahre später – als von Beijing entsandte Volkszähler von Tür zu Tür gingen – in puncto Intensität des staatlichen Eindringens kaum nach.74 Ja, schon 1904 hatte Cen Chunxuan genau solche Hausbesuche den Mitgliedern der lokalen xuewu gongsuo aufgetragen, die zumindest die Klan-Vorsteher besuchen und nach der Zahl der Kinder fragen sollten.75 Bei der Volkszählung kam es häufig zu gewaltsamen Zwischenfällen, wenn insbesondere Dorfbewohner sich gegen die Volkszähler zur Wehr setzten, indem sie diese verprügelten und sich weigerten, ihre Fragen zu beantworten. Das galt auch für Guangdong, wo 1910 der Versuch einer Volkszählung in der Präfektur Lianzhou zu einem vier Monate dauernden Aufstand führte. Insbesondere Dorfbewohner fürchteten, dass auf Grundlage der Zählung neue Steuern erhoben werden würden oder dass die Beamten ihre Seelen stehlen würden. Der Aufstand zeigte aber zugleich, dass die Volkszählung nur der Auslöser war und sich die Proteste gegen die Ausbeutung durch die Gentry insgesamt richteten, wofür die neuen Schulen nur das sichtbarste Symbol waren. Die Aufständischen forderten die Abschaffung mehrerer lokaler Steuern, die die Gentry kürzlich im Rahmen ihrer neuen Befugnisse eingeführt hatte.76 Solche Vorfälle blieben bei der Erhebung der Kinder im schulfähigen Alter offenbar aus; zumindest habe ich keine Hinweise darauf gefunden. Der wahrscheinlichste Grund ist, dass die Beamten vor Ort auf eine tatsächliche Zählung verzichteten. Darauf deutet jedenfalls die Anmerkung im Vorwort zur ersten Bildungsstatistik von 1909 hin, derzufolge die von den Provinzen gemachten An74 Im selben Jahr wurde in Chengdu ein Register der Opiumsüchtigen angelegt, und schon 1906 hatte die Polizei mit Hausbesuchen zur Registrierung der Bewohner begonnen, siehe Stapleton, Civilizing, S. 134. 75 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi, 1903, in: Chen Zheng (Hrsg.), Huang Zunxian quanji, Bd. 1, Beijing: Zhonghua shuju 2005, S. 547–550; Xu Wenyong, Qingli, S. 105; siehe unten Kapitel 3.4. 76 Lam, Passion, S. 75–79; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 177–179, 213.
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gaben zur Zahl der Kinder derart lückenhaft gewesen seien, dass man auf ihre Publikation verzichtet habe.77 Ein anderer Grund könnte gewesen sein, dass es hier ausdrücklich „nur“ um Bildung ging, was die Menschen besänftigt haben könnte, weil es das Unterfangen als in ihrem eigenen Interesse erscheinen ließ.78 Und drittens könnte den Ausschlag gegeben haben, dass bei der Zählung der Kinder – anders als bei der allgemeinen Volkszählung – nicht aus Beijing entsandte Beamte, sondern Mitglieder der lokalen Gentry mit der Erhebung betraut waren, die potentiell einen Vertrauensvorschuss gegenüber Ortsfremden hatten. Die Volkszähler gingen von Tür zu Tür und befestigten, sobald sie die gewünschten Angaben erhalten hatten, eine Plakette an der Außenwand.79 Schulstatistiken hingegen wurden – vom eben zitierten Fall abgesehen – aus der Ferne erhoben, indem Formulare verschickt wurden. Das Bildungsministerium selbst hatte erkannt, dass es nicht ausreichend Personal und Mittel hatte, um die Daten der Schulen selbst zu erheben, und deshalb nutzte man Fragebögen und bediente sich der Unterstützung durch die quanxuesuo.80 Die Erhebung von Bildungsstatistiken bedeutete deshalb – abgesehen von der Einteilung der Schulbezirke – keine so deutliche Abkehr von früheren Praktiken wie die Volkszählung.81 Wenn es doch zu gewaltsamem Widerstand gegen die Bildungsreformen kam, dann entlud sich dieser in anderer Form: Moderne Schulen wurden verwüstet oder niedergebrannt, meist aufgrund einer Mischung religiöser, also gegen die Umwandlung von daoistischen und buddhistischen Tempeln in Schulen gerichteter, und finanzieller, also gegen neue Steuern für die Schulen gerichteter, Motive (Abb. 1).82 Dieser meist bäuerliche Widerstand nahm oft jene Formen an, die James C. Scott als die „Waffen der Schwachen“ beschrieben hat, wie Bummelei, Sabotage oder eben Brandstiftung.83 Doch nicht nur die schwachen Bauern, auf die Scott seine Analyse bezog, leisteten Widerstand. Auch die lokalen Eliten, deren 77 Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao, Vorwort. 78 So zumindest hat VanderVen, A School in Every Village, S. 99f. die friedliche Kooperation der Dorfbewohner in Nordostchina zur selben Zeit erklärt. 79 Lam, Passion, S. 69–71; BMA A–1.47/9: Jahresbericht der Station Lilong und ihrer Aussenstationen pro 1910, A. Nagel an das Komitee, Lilong, 30.12.1910. 80 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 303. 81 Lam, Passion, S. 64. 82 Prazniak, Of Camel Kings, S. 35. Zu einem Fall in Songkou in der Präfektur Jiaying, bei dem ein Mob unter anderem den Schulinspektor verprügelte, siehe Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 7, S. 104f. 83 James C. Scott, Weapons of the Weak. Everyday Forms of Peasant Resistance, New Haven, CT: Yale University Press 1985, S. 29.
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Macht durch die „Neue Politik“ eigentlich, wie zahlreiche Studien betonen, zugenommen habe, sabotierten jene Teile der Reformen, die ihren eigenen Interessen widersprachen. Allerdings ist der Widerstand der lokalen Eliten gegen den neuen, penetrativen Anspruch des Staates bislang nur anhand jener EliteVereinigungen untersucht worden, die die lokalen Eliten besonders mächtig und die Bürokratie schwach aussehen lassen. Hierzu zählen insbesondere die Bildungsvereinigungen (jiaoyuhui), die in den letzten Jahren der „Neuen Politik“ einen maßgeblichen, konstruktiven Einfluss auf die Bildungsreformen erlangten.84 Alltägliche Formen des Elite-Widrstand hingegen, die eher destruktiven Charakter hatten und sich abseits der großen Versammlungen in den Provinzhauptstädten oder in Beijing abspielten, haben weniger Aufmerksamkeit erfahren. Hierzu zählte die oben dargelegte Kritik an der Formularflut ebenso wie die Weigerung der Leiter der quanxuesuo, ihr Gehalt anzugeben, und weitere Fälle verweigerter oder ungenauer Informationen, zu denen ich gleich komme. Die meisten Untersuchungen gingen fälschlicher Weise davon aus, dass Gentry und Kaufleute vor Ort nahezu unabhängig von den Regierungen in Guangzhou oder Beijing agieren konnten, deren Handeln auf der lokalen Ebene wirkungslos gewesen sei.85 Es entbehrt nicht der Ironie, dass dieses Urteil zu einem Teil gerade auf jenen Statistiken beruht, die das Bildungsministerium zwischen 1909 und 1911 veröffentlichte. Diese Statistiken belegen in den Augen vieler heutiger Historiker/-innen vor allem, wie hoch die Zahl der von den lokalen Eliten betriebenen, öffentlichen Schulen (gongli xuetang) war und wie groß der Anteil lokaler, weitgehend ohne staatliche Hilfe aufgetriebener Mittel an ihrer Finanzierung.86 Paradoxerweise wird so ein Ergebnis der Ausweitung des staatlichen Netzes – die Statistik – dazu benutzt, gerade die Bedeutungslosigkeit des nämlichen Staates zu belegen. Im Ergebnis mag diese Analyse vor allem in finanzieller Hinsicht durchaus zutreffen.87 Die Tatsache jedoch, dass detaillierte Statistiken hierüber überhaupt angelegt und veröffentlicht werden konnten, ist ein wichtiger Be-
84 Hervorzuheben ist die Bildungsvereinigung der Provinz Jiangsu, siehe Xiao-Planes, Éducation, S. 248–313; Ernst P. Schwintzer, Education to Save the Nation. Huang Yanpei and the Educational Reform Movement in Early Twentieth Century China, Ph.D. thesis University of Washington 1992, S. 136–214; Sun Guangyong, Shehui bianqian zhong de Zhongguo jindai jiaoyuhui yanjiu, Dissertation Huazhong shifan daxue, Wuhan 2006, S. 95–125. 85 Rankin, Elite, S. 204–217. 86 Gerade Mary Backus Rankin macht von den Statistiken immer wieder Gebrauch, zum Beispiel ebd., S. 211; ganz ähnlich Borthwick, Education. 87 Siehe unten Kapitel 4.7.
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standteil jener Wandlung, die den chinesischen Staat des gesamten 20. Jahrhunderts von jenem des 19. Jahrhunderts so deutlich trennen sollte. Dass die Expansion der Bürokratie real war und die Gentry sich dagegen auch im Alltag zur Wehr setzte oder schlicht damit überfordert war, wird aus der Unzufriedenheit des Bildungsministeriums deutlich. 1910 berichtete der Bildungskommissar von Guangdong in der Vorrede zu seiner Statistik des Jahres 1908, dass das Ministerium moniert habe, dass die Datensammlung für das Jahr 1907 für die Anfertigung einer Statistik eigentlich nicht ausgereicht hätte. Aus Beijing, fuhr der Kommissar fort, habe man ihm daher 26 neue Vordrucke für künftige Erhebungen zugesandt, einschließlich einer 17 Punkte umfassenden Liste von Erläuterungen.88 Doch die Sammlung all dieser Informationen durch die statistische Abteilung des Bildungsministeriums habe sich auch für das Jahr 1908 als schwierig erwiesen: Einige der lokalen Beamten hätten ihre Berichte noch immer nicht eingereicht, wiewohl man sie mehrfach dazu ermahnt habe.89 Wenn sie jetzt keine Daten einreichten, so die Drohung aus Guangzhou, dann werde man die entsprechenden Felder in der für den Generalgouverneur sowie für das Bildungsministerium bestimmten Statistik einfach leer lassen und alle Telegramme, mit denen man die Schulen aufgefordert habe, ihre Listen einzureichen, an das Bildungsministerium weiterleiten.90
3.1.3 Überforderung und behördlicher Pragmatismus Ob solche Drohungen hilfreich waren, ist zweifelhaft. Schließlich rührte nicht jeder Fall ausbleibender Angaben vom absichtlichen Widerstand der Gentry her. Oft waren die lokalen Eliten – und sogar die Behörden selbst – mit den Neuerungen schlicht überfordert. Die quanxuesuo, die die Datensammlung vor Ort eigentlich organisieren sollten, waren dazu schon wegen ihrer chronischen 88 Gemeint ist wahrscheinlich Bildungsministerium, Xuebu zhongding tongjibiao ji ge xuetang yilanbiao lixing ge sheng tixuesi wen fu biao lie er jian (November 1909). 89 Ursprünglich waren die statistischen Abteilungen 1907 nur in den Ministerien für Inneres, Riten, Finanzen, Post und Kommunikation, Landwirtschaft, Arbeit und Handel sowie im Justizministerium eingerichtet worden (Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 50). Spätestens 1909 jedoch wurde auch im Bildungsministerium eine – wenn auch nur temporäre – statistische Abteilung gebildet, für die 26 Beamte aus verschiedenen anderen Abteilungen abgestellt wurden. Offenbar hatte man im Ministerium erkannt, dass es für die Kompilation dieser großen Statistiken einer speziellen Abteilung bedurfte, nachdem für die ersten beiden Ausgaben noch die Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (zongwusi) verantwortlich gezeichnet hatte (Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 128, 325). 90 Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Jiang bianzao Guangxu sanshisi nian Guangdong jiaoyu tongjibiao chengqing xuebu chahe wen (1910), S. 1.
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Unterfinanzierung oft kaum in der Lage.91 Auch das Finanzreform-Büro kämpfte 1909 in Guangdong mit ungenauen oder fehlenden Angaben sowie mit unklaren Kategorien im Bildungswesen. Aufgrund der Schwierigkeit, alle Einkunftsarten der Schulen einer Kategorie zuzurechnen, habe man daher notgedrungen die Kategorie „Diverse“ (za) eingeführt. Die Strukturen seien auch wirklich kompliziert, zum Beispiel erhielten manche Präfektur-Schulen Geld aus den zugehörigen Kreisen, während deren Schulen zugleich umgekehrt Geld von der Präfektur erhielten.92 Aus einem anderen Set von Fragebögen, das der Bildungskommissar im Auftrag des Bildungsministeriums verbreitete und das zwischen 1909 und 1911 gedruckt worden sein muss, lässt sich bereits ein großer Fortschritt der Rationalisierung erkennen. In diesen Bögen nämlich spiegeln sich die Kategorien der nationalen Statistik viel deutlicher. Insbesondere hatte man nun auch die Einnahmen und Ausgaben der Schulen als eigene Punkte aufgenommen.93 Der Bildungskommissar hob in der Einleitung zu letztgenannten Fragebögen hervor, dass die Angaben der Schulen im laufenden Jahr noch voller Fehler gewesen seien. Nur eine staatliche Mittelschule habe ihr Formular korrekt ausgefüllt, weshalb man dieses als Muster angefügt habe.94 Das Formular sei wie bisher zweimal jährlich in sechs Exemplaren einzureichen. Eines solle die Schule selbst behalten, die anderen seien für das „Büro zur Förderung der Bildung“, den lokalen Beamten, den Bildungskommissar, den Gouverneur oder Generalgouverneur sowie schließlich für das Bildungsministerium bestimmt.95 Das Ministerium, das diesen Prozess erdacht hatte, konnte davon ausgehen, dass die höheren Behörden die Verarbeitung der Formulare mit einer gewissen Routine erledigen würden. Denn wenngleich das Ausfüllen von Formularen mit numerischen Angaben nicht den Schwerpunkt ihrer Berichtstätigkeit gebildet hatte, waren die chinesischen Staatsdiener doch ausgewiesene Fachleute für das regelmäßige, fristgerechte und an strengen Vorgaben orientierte Verfassen von Memoranden.96 Diese waren entweder, als Thronberichte (zou91 Xu Wenyong, Qingli, S. 192. 92 Guangdong sheng caizheng kexue yanjiu suo (Hrsg.), Guangdong caizheng shuoming shu. Nachdruck, Guangzhou: Guangdong jingji chubanshe 1997 [1910], S. 608. 93 Bildungskommissariat von Guangdong (Guangdong tixuesi) (Hrsg.), Banfa Guangdong ge shu zaobao xuetang yi lan biaoshi, Guangzhou o. J. [1909] [Sun Yat-sen Bibliothek Guangzhou]. Die Datierung lautet schlicht auf „Xuantong“. Dieses Set von Fragebögen geht wahrschenlich zurück auf Bildungsministerium, Xuebu zhongding tongjibiao ji ge xuetang yilanbiao lixing ge sheng tixuesi wen fu biao lie er jian (November 1909). 94 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, Erläuterung zur Benutzung (fanli), S. [1r]. 95 Ebd., S. [1v]. 96 Die beste Darstellung des bürokratischen Kommunikationssystems unter den Qing sind wohl immer noch die drei erstmals um 1940 erschienenen Aufsätze von John King Fairbank/
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zhe), vertraulich an den Kaiser gerichtet; oder sie wurden als reguläre Memoranden (tiben) verfasst, die dann von allen Verwaltungsorganen, die sie nach Beijing weiterleiteten, eingesehen werden konnten.97 Auf den untersten Ebenen jedoch, bei dem lokalen Beamten sowie erst recht bei den Schulangestellten, hegten das Bildungsministerium und der Bildungskommissar berechtigte Zweifel an der bürokratischen Routine. Denn zum einen waren Schulen ja bis dahin von der Bürokratie kaum erfasst und schon gar nicht selbst mit Berichtspflichten belegt worden. Zum anderen bedeutete das tiefere Vordringen des Staates in die Lokalgesellschaft, dass etwa die Gentry im neu geschaffenen „Büro zur Förderung der Bildung“ nun ebenfalls regelmäßig Formulare ausfüllen sollte. Dass gerade den unteren Rängen das hierzu notwendige, neue Wissen fehlte, zeigte sich immer wieder. Das Bildungsministerium musste erläutern, wie Zahlen zu schreiben seien und welche Abmessungen Formulare haben müssten. Die Verfassungskommission betonte eigens, dass die Statistik die Wirklichkeit spiegeln müsse, was wenig implizit hieß, dass Zahlen nicht erfunden werden dürften.98 Noch 1910 wiederholte der Bildungskommissar die Aufforderung, für alle Statistiken und Berichte in jedem Fall die vorgegebenen Formulare zu verwenden. Die Schulinspektoren sollten sich ein Beispiel an ihrem Kollegen Zheng Zuren nehmen, der – offenbar entgegen der gängigen Praxis – eine übersichtliche Tabelle aller von ihm visitierten Schulen angelegt hatte.99 Leicht genervt erklärte das Ministerium 1909 den Schulämtern, vor allem aber dem Personal an den Schulen, wie man neuerdings Zahlen schreiben müsse. „2.536 Schüler“ zum Beispiel hatten diese oft in herkömmlicher Weise ausgeschrieben: „Zweitausend Fünfhundert Drei[mal]zehn Sechs“ (liangqian wubai Ssu-yü Teng (Hrsg.), Ch’ing Administration. Three Studies, Cambridge, MA: Harvard University Press 1960. Allerdings beziehen sie sich vor allem auf das 19. Jahrhundert und explizit nicht auf die „Neue Politik“, siehe Fairbank/Teng, On the Types, S. 37, Fn. 5. Siehe auch Silas Hsiu-liang Wu, The Memorial Systems of the Ch’ing Dynasty, in: Harvard Journal of Asiatic Studies 27 (1967), S. 7–75; Pei Huang, The Confidential Memorial System of the Ch’ing Dynasty Reconsidered, in: Bulletin of the School of Oriental and African Studies 57 (1994) 2, S. 329–338. 97 Ganz im Sinne der Stärkung der Zentralregierung wurden 1901 die tiben abgeschafft, um den Beamten in den Provinzen und Kreisen die Möglichkeit zur Einflussnahme zu versperren. Bis dahin waren es insbesondere die tiben gewesen, durch die auch Daten über die Verhältnisse auf Provinz- oder lokaler Ebene den Kaiserhof erreicht hatten, siehe Wu, Memorial, S. 9f., 14. 98 Verfassungskommission, You zouding tongjibiao zong lie (10.02.1909), Nos. 4 und 5. 99 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si feng du pi Nanshaolian sheng shixue yuan Zheng ling Zuren bing jiao baogao tubiao tongchi zunzhao fangban wen, 1908, in: GDJYGB 1 (1910) 6, baogao, S. 85. Nanshaolian steht für den unmittelbaren Distrikt Nanxiong (Nanxiong zhili zhou), die Präfektur Shaozhou (Shaozhou fu) sowie den unmittelbaren Distrikt Lianzhou (Lianzhou zhili zhou) im Südwesten Guangdongs.
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sanshi liu). Dies sei, wenn man mit den Zahlen arbeiten wolle, unpraktisch. Nun also sollten die Angestellten der Schulen zwar nicht, wie dies im MathematikUnterricht an den xuetang zur selben Zeit eingeführt wurde, arabische Zahlen benutzen, wohl aber chinesische Ziffern in der so genannten Positionsschreibweise – also unter Weglassung von shi, bai, qian und so weiter – notieren, also „Zwei Fünf Drei Sechs“ (er wu san liu, 2536).100 Dabei kam es offenbar regelmäßig zu dem Problem, dass das Personal an den Schulen „leere“ Dezimalstellen nicht durch Nullen kennzeichnete: So wurde aus 5.300 schnell wu san und damit nur 53. In Zukunft möge man stattdessen bitte „五三00“ schreiben. Nachkommastellen hingegen möge man weglassen.101 Die „Neue Politik“ bedeutete eben auch, dass eine neue Schicht von kleinen Staatsbediensteten entstand, die wenig gebildet und entsprechend schnell überfordert waren, aber dennoch die Statistik und andere, immer wieder neue Aufgaben vor Ort umsetzen mussten.102 Nicht zuletzt an diese Gruppe, die bislang mit Verwaltung wenig zu tun gehabt hatte, nun aber als Zuträger oder gar Teil derselben funktionieren musste, richtete sich ab 1910 auch ein besonderer Leserservice der vom Schulamt herausgegebenen Guangdong Jiaoyu Guanbao. Die Zeitung brachte zu einer Reihe neuer oder neugefasster Gesetze, die die lokale Bildungsverwaltung betrafen, jeweils Tabellen, die die Änderungen gegenüber älteren Fassungen sowie deren Auswirkungen auf die lokale Praxis übersichtlich nach Sachgebieten geordnet darboten.103 Weil das Ministerium und die Provinzregierung in Guangzhou um die Probleme der unteren Ebenen wussten, planten sie zudem deutlich längerer Bearbeitungszeiten ein. Während oberhalb der Ebene des lokalen Beamten überhaupt keine Vorgaben gemacht wurden, erhielt der Magistrat schon für das Weiterleiten der auszufüllenden Formulare an jede einzelne Schule bis zu zwei Monate Zeit. Bedenkt man, dass es sich um bereits fertige Vordrucke handelte, dann wird deutlich, dass diese Zeit vor allem dafür reserviert war, alle Schulen (zu denen ja ständig neue hinzu kamen) des jeweiligen Kreises ausfindig zu ma-
100 Arabische Zahlen verbreiteten sich in der chinesische Mathematik ab den 1890er Jahren und wurden mit dem neuen Schulsystem zum Standard zumindest in den Lehrwerken, siehe Joseph W. Dauben/Yibao Xu, Mathematics Education in Twentieth-Century China, in: Alexander Karp/Gert Schubring (Hrsg.), Handbook on the History of Mathematics Education, New York: Springer 2014, S. 361–375, hier S. 363–365. 101 Bildungsministerium, Xuebu zhongding tongjibiao ji ge xuetang yilanbiao lixing ge sheng tixuesi wen fu biao lie er jian (November 1909). 102 Culp, Review, S. 164. 103 Difang xuewu guanzhi zizhi zhizhi duizhao biao, in: GDJYGB 2 (1911) 1, fupian, S. 7–10; Quanxuesuo xin jiu zhangcheng duizhao biao, in: GDJYGB 2 (1911) 3, wendu, S. 102–105.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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chen und ihnen die Formulare zuzustellen.104 Während nämlich, entsprechend der vertikal ausgerichteten Kommunikation innerhalb der Bürokratie, das Botenwesen für die Zustellung von Berichten und Eingaben nach Beijing beeindruckend war, waren staatliche und auch private Postsysteme in der Horizontalen weniger gut entwickelt und auch aufgrund der mangelhaften Infrastruktur sehr langsam.105 1910 entschied das Bildungsministerium deshalb, dass künftig die quanxuesuo selbst die Abschlusszeugnisse der Unteren Grundschulen ausstellen dürften, was bis dahin Beijing vorbehalten gewesen war. Für die Post aus der Hauptstadt nämlich seien all die kleinen Orte, in denen es nun Schulen gebe, kaum erreichbar.106 Auch an das seit den 1880er Jahren expandierende Telegraphennetz waren solche Orte nicht angeschlossen. Zudem war der Telegraph für die Übermittlung umfangreicher Zahlentabellen nicht geeignet.107 Dass schon die rechtzeitige Verteilung der Formulare ein Problem darstellte, geht auch aus der Bestimmung hervor, der zufolge Kopien der Druckplatten für die Formulare jederzeit im Bildungskommissariat in Guangzhou gekauft werden konnten, um die Formulare vor Ort selbst nachdrucken zu können.108 Noch mehr Zeit, nämlich mindestens drei Monate, wurden dem Schulpersonal selbst zugestanden, um die Formulare auszufüllen und zurückzusenden. Das kann nicht verwundern, denn schließlich waren die Angestellten der Schulen die einzigen in der langen Kette der beteiligten Institutionen, die primäre Daten erheben mussten. Doch auch der lokale Beamte hatte zwei weitere Monate Zeit, die einmal erhaltenen Zahlen an das Bildungskommissariat weiterzuleiten. Das Ministerium ging offenbar davon aus, dass viele der Schuldirektoren 104 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, Erläuterung zur Benutzung, S. [1v]. 105 Lane Jeremy Harris, The Post Office and State Transformation in Modern China, 1896– 1949, Ph.D. Dissertation University of Illinois, Urbana-Champaign, IL 2012, S. 105; Rudolph, Negotiated, S. 88, 136; Joseph Needham, Physics and Physical Technology. Part 3: Civil Engineering and Nautics (Science and Civilisation in China 4-3), Cambridge: Cambridge University Press 1971, S. 34–36. Die Rolle, die ein einheitliches, staatliches Postsystem für die staatliche Durchdringung des Landes würde spielen können, wurde der Regierung erst zur Zeit der „Neuen Politik“ voll bewusst, als der Franzose Théophile Piry die Leitung der dem Seezoll unterstellten, Kaiserlichen Post übernahm und ihre Reichweite und Geschwindigkeit durch drastische Portosenkung und die Übernahme privater Konkurrenten rapide ausbaute: Harris, Post Office, S. 179–182. 106 Bildungsministerium, Xuebu xing ge sheng chudeng xiaoxuetang biye wenping zhun you quanxuesuo kanyin fagei wen, 1910, in: DQXFL, Bd. 11, S. 254–256. 107 Erik Baark, Lightning Wires. The Telegraph and China’s Technological Modernization, 1860–1890, Westport, CT: Greenwood Press 1997, S. 176f.; Thomas S. Mullaney, Semiotic Sovereignity. The 1871 Chinese Telegraph Code in Historical Perspective, in: Jing Tsu/Benjamin A. Elman (Hrsg.), Science and Technology in Modern China, 1880s–1940s, Leiden: Brill 2014, S. 153–183, hier S. 164f. 108 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, Erläuterung zur Benutzung, S. [2v–3r].
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3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
den Abgabetermin ohnehin nicht einhalten würden. Die Verantwortung hierfür lag indes beim lokalen Beamten, den man entsprechend auch gleich anwies, die Schuldirektoren „zu überwachen und zu ermahnen“ (ducui).109 Die Vorrede zu den Formularen schloss mit sechs Seiten detaillierter Erläuterungen zu jedem einzelnen auszufüllenden Feld.110 Ähnlich genaue Vorschriften machte – wohl aufgrund schlechter Erfahrungen – Ende 1909 das Bildungsministerium für die lokal auszufüllenden Erfassungsbögen einer jeden Schule sowie für die vom Bildungskommissar zu erstellende Gesamt-Statistik.111 Noch im selben Monat folgten weitere drei Ermahnungen, in denen das Bildungsministerium die Bildungskommissare zur Eile antrieb.112 Das Informationsbüro der Provinz Guangdong zeichnete 1909 ein vergleichbares Bild lokaler Überforderung, als es die Erfahrungen aus der ersten Runde der Datensammlung resümierte. Deren Mängel führte das Büro wie das Bildungsministerium auf die mangelnde Erfahrung der lokalen Akteure zurück.113 Doch anders als der Bildungskommissar schlug das Informationsbüro keinen drohenden Ton an, sondern bemühte sich zu loben, betonte seine Flexibilität und bot jede Hilfe an. So hob man gleich zu Beginn hervor, dass viele Kreisbeamte zu den drei Kategorien „Zustand des Volkes“ (minqing), Sitten und Bräuche (fengsu) sowie Landwirtschaft (minshi) ausführlich und „qualifiziert“ berichtet hätten. Deshalb wolle man auch keineswegs die laufende, dritte Runde der Datenerhebung unterbrechen. Stattdessen werde man alle bereits eingegangenen Berichte sorgfältig prüfen und im Einzelfall um Nachberichte bitten. Wenn es in dem Fragekatalog Punkte gebe, die sich die lokalen Beamten nicht erklären könnten, dann sollten diese sich getrost direkt an das Informationsbüro wenden. Dabei ließ man die elaborierten Formvorschriften, die dem amtlichen Schriftverkehr eigentlich zugrunde lagen, weitgehend fallen.114 Fragen möge jeder Beamte entweder durch ein amtliches Schreiben (gongdu) oder einen normalen Brief (shuhan) oder eine schnell geschriebene, kurze Notiz (xingcao zuo shu) zur Kenntnis bringen, „alles ist möglich“. Man scheue nicht davor zurück, jede Frage Punkt für Punkt zu beantworten und werde die Antwort so-
109 Ebd., S. [2r]f. 110 Ebd., S. [3r–5r]. 111 Bildungsministerium, Xuebu zhongding tongjibiao ji ge xuetang yilanbiao lixing ge sheng tixuesi wen fu biao lie er jian (November 1909). 112 DQXFL, Bd. 7, S. 59–63. 113 Informationsbüro von Guangdong, Ben ju fenfa ge ting zhou xian diaocha shenshi banshi shangshi susongshi ge xiguan tiao wen ce zha (1909), S. 201. 114 Zu den zahlreichen Typen amtlicher Dokumente und ihren Vorgaben siehe Fairbank/Teng, On the Types, S. 72–106.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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gleich per Express zurücksenden, denn diejenigen, die in den Behörden vor Ort die Daten erhöben, hätten sich bereits sehr verausgabt.115 Ein ähnlicher Pragmatismus hatte sich bereits 1906 im Aufruf zur Festlegung der Schulbezirke geäußert. Zu diesem Zweck möge man, so hatte das Ministerium damals geschrieben, bloß keine neuen Verwaltungseinheiten schaffen, sondern bestehende Unterteilungen eines Kreises – 14 mögliche waren aufgelistet – nutzen und diese zusätzlich als Schulbezirke definieren.116 Im Interesse der zügigen Datensammlung gestatteten die Behörden nicht nur pragmatische Lösungen wie die Übernahme bestehender geographisch-administrativer Einteilungen sowie Nachberichte und Rückfragen, sondern sie opferten insbesondere althergebrachte Formvorschriften des bürokratischen Schriftverkehrs – der sich vor allem an der hierarchischen Abstufung zwischen Sender und Empfänger orientiert hatte – der Geschwindigkeit und Vollständigkeit der Datensammlung. Eine solche Vereinfachung des amtlichen Schriftverkehrs hatten Zhang Zhidong und Liu Kunyi (1830–1902) bereits 1901 vorgeschlagen.117 Hier handelte es sich um eine vom Ausland inspirierte Rationalisierung, und es ist gewiss kein Zufall, dass die erste kaiserliche Behörde, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann, für ihre Kommunikation regelmäßig den vergleichsweise formlosen „Brief“ (han) zu verwenden, das Zongli Yamen war, das spätere Außenministerium, dessen Personal sich zu wachsenden Teilen aus Beamten mit Auslandserfahrung zusammensetzte.118 John King Fairbank und Ssu-yü Teng sahen solche Adaption hingegen noch als „breakdown of the traditional terminology“.119 In jedem Fall vollzog sich hier auf praktischer Ebene ein Wandel der Verwaltungskultur, der zugleich verdeutlicht, dass sich auch höhere Beamte der Herausforderungen bewusst waren, die die Statistik an alle Beteiligten stellte, zumal bei großer Eile und knappen Kassen.
115 Informationsbüro von Guangdong, Ben ju fenfa ge ting zhou xian diaocha shenshi banshi shangshi susongshi ge xiguan tiao wen ce zha (1909), S. 201. 116 Bildungsministerium, Xuebu zha ge sheng tixueshi fending xuequ wen (November 1906), S. 66. Dass solche praktischen Hinweise sinnvoll waren, zeigte das Beispiel des Kreises Zhenping, den der Leiter des quanxuesuo zu Anfang in zwölf willkürliche Schulbezirke unterteilt hatte, mit dem Ergebnis, dass „die Einteilung umstritten“ war und „die Arbeit nachlässig durchgeführt“ wurde. 1909 befahl der Magistrat daher eine Reduzierung der Zahl der Schulbezirke auf fünf, damit „die Grenzen klar“ würden, siehe Lingdong Ribao (fortan: LDRB) XT 1/ 2/13 (04.03.1909), Chao Jia xinwen (Nachrichten aus der Region Chaozhou und Jiaying), S. 3v. 117 Dai Angang, The Reform Predicament, in: Joseph Esherick/ C. X. George Wei (Hrsg.), China. How the Empire Fell, London, New York: Routledge 2014, S. 19–35, hier S. 20. 118 Richard S. Horowitz, Central Power and State Making. The Zongli Yamen and Self-Strengthening in China, 1860–1880, PhD dissertation Harvard University, Cambridge, MA 1998, S. 71f. 119 Fairbank/Teng, On the Types, S. 86.
118 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Der Staat verfolgte ambitionierte Ziele, aber seine Vertreter waren nicht blind für die Realität.
3.1.4 Von der Inventur zum Plan Trotz der wachsenden Bedeutung empirischer Forschung in der chinesischen Wissenschaft war es in der Verwaltung vor 1900 nicht als Mangel empfunden worden, dass der Staat keine genaue Kenntnis beispielsweise von der Zahl der Katholiken, dem Vorhandensein von Wasserwegen und bestimmten Tierarten oder den häufigsten Berufen in einem beliebigen Kreis hatte.120 Die existierenden Informationen, vor allem die regelmäßigen Berichte der Lokalbeamten sowie die – weniger regelmäßig – von der Gentry zusammengestellten Lokalchroniken (difangzhi), erfüllten den bürokratischen wie symbolischen Zweck der Inventur des Reiches zu Genüge.121 Das heißt nicht, dass die Instrumente dieser Inventur sich nicht verändert hätten: Der Inhalt der difangzhi war im Laufe der Qing-Dynastie, die als Blütezeit der Gattung gilt, immer mehr standardisiert worden, was sich durchaus bereits auf frühere Zentralisierungsbestrebungen des Herrscherhauses zurückführen lässt.122 Während der Qing-Zeit wurden – wie spätestens seit der Song-Zeit üblich – drei Gesamtausgaben von difangzhi für das ganze Reich kompiliert, die letzte erschien 1842.123 Generell machte die Qing-Regierung auf allen Ebenen sehr viel engere Vorgaben zu Format, Inhalten und Methoden der Kompilation von difangzhi als alle Vorgänger-Dynastien. Dieser Trend begann spätestens unter dem Qianlong-Kaiser (reg. 1735–1795).124 Die so standardisierten Kategorien wie auch die Arten der Darstellung, die in den Lokalmonographien zur Anwen120 Zur Bedeutung empirischer Forschung, siehe Benjamin A. Elman, On Their Own Terms. Science in China, 1550–1900, Cambridge, MA: Harvard University Press 2005, S. 255–280. 121 Eine Ausnahme von dieser Regel waren freilich die ethnographischen, illustrierten Aufzeichnungen über die nicht-chinesischen Völker der Peripherie, insbesondere im Südwesten (Laura Hostetler, Global or Local? Exploring Connections between Chinese and European Geographical Knowledge During the Early Modern Period, in: East Asian Science, Technology, and Medicine 26 (2007), S. 117–135, hier S. 134). Zur zunehmenden Kompilation von difangzhi im Guangdong des 19. Jahrhunderts, siehe Terence Pang Tim Tim, A Study of the Compiling Activities of Local Gazetteers in Kwangtung in the Ch’ing Dynasty, MA Thesis University of Hong Kong 1981. 122 Bayly, Birth, S. 275f. 123 Endymion Wilkinson, Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged, 2. Aufl., Cambridge, MA: Harvard University Asia Center 2000, S. 152. 124 Pierre-Étienne Will, Chinese Local Gazetteers. A Historical and Practical Introduction, Paris: Centre de Recherches et de Documentation sur la Chine Contemporaine 1992, S. 10.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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dung kamen, sind bis hin zu ihrer Reihenfolge annähernd identisch mit den oben zitierten Erhebungsbögen, die 1906 zur Einteilung der Schulbezirke verschickt wurden. Doch während diese Bögen faktisch auf der Tradition der difangzhi aufbauten, formulierten sie zugleich implizit einen neuen Anspruch. Dieser sollte von nun an aktiv auf die soziale und ökonomische Entwicklung seiner gesamten Bevölkerung einwirken, seine lokale Präsenz sollte sich dementsprechend intensivieren. Charles S. Maier hat dies als Phänomen vor allem der Nationalstaaten seit den 1850er Jahren beschrieben, das in den großen Imperien viel weniger signifikant gewesen sei. Dieser Befund gilt sicherlich auch für das Imperium der Qing, aber eben nur bis zur Jahrhundertwende.125 Einzelne Vorstöße zur stärkeren Systematisierung und übersichtlicheren Darstellung von Informationen hatte es auch bis dahin schon gegeben, insbesondere im 19. Jahrhundert unter dem Einfluss der „Staatskunst“-Schule.126 Ein besonders gut dokumentiertes, noch früheres Beispiel liefert der Magistrat Ye Chunji (1532–1595), der Methoden zur besseren Organisation von Lokalmonographien aufzeichnete.127 Doch erst mit der „Neuen Politik“ fanden ähnliche Methoden systematisch Anwendung auch durch den Zentralstaat: Statt über lange Jahre hinweg eine Lokalmonographie von einem oder mehreren Autoren kompilieren zu lassen, forderten die Behörden nun zahlenbasierte Berichte innerhalb von wenigen Monaten, in vorgegebenen Formaten, und vor allem: als Antwort auf eine sehr breite Palette vorgegebener Fragen zu allen Aspekten des Zustands der Bevölkerung. Der Statistik fehlte damit ganz jenes narrative, lokalpatriotische Element, das die Lokalchroniken kennzeichnete. Als einen Grund für diesen neuen Anspruch führten die Behörden immer wieder den Plan (jihua) und seine Ermöglichung, die Planbarkeit, als neue Maximen ins Feld. Die Statistik sollte eine wesentliche Grundlage der stärkeren hierarchischen Steuerung werden, die der Staat nun anstrebte, und die reine ex-post-Maßnahmen zur Behebung bereits eingetretener Probleme ablösen sollte, welche das Regierungshandeln bis dahin geprägt hatten. Planbarkeit, so betonten Beamte auf allen Ebenen immer wieder, konnte nur durch genaue Angaben, wenn möglich also durch Zahlen, gewährleistet werden. Ab 1907 wurde die Statistik binnen Monaten – nicht binnen Jahrzehnten, wie dies in Europa der Fall gewesen war – zur selbstverständlichen Grundlage staatlichen Handelns in China.128
125 126 127 62. 128
Maier, Leviathan 2.0, S. 163–165, 226. Rowe, Saving, S. 355; Chang Hao, intellectual. Timothy Brook, The Chinese State in Ming Society, London: RoutledgeCurzon 2005, S. 42– Maier, Leviathan 2.0, S. 165; Osterhammel, Verwandlung, S. 58–62.
120 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Jetzt dienten Zahlen nicht länger nur der Inventarisierung und der Rückversicherung kaiserlicher Herrschaft, sondern als „standard model for comparisons and as a base to make choices“. Doch fiel es der zentralen Statistikbehörde schwer, diese neue Natur der Datensammlung allen Beamten deutlich zu machen.129 Tatsächlich ermahnte die Zentralregierung jene, dass die Statistik insbesondere für den Vergleich zwischen einzelnen Provinzen, aber auch zwischen verschiedenen Jahren wichtig sei, weshalb die Beamten bitte regelmäßig den Tatsachen entsprechende Daten liefern sollten.130 Zahlenbasierte Planung fand sich bald allerorten. So hieß es zur Einrichtung und Untersuchung der Schulbezirke im November 1906, zum Zwecke der weiteren Verbreitung der Bildung sollten „dringend die Tatsachen ermittelt werden, um Vorbereitungen treffen und einen Plan aufstellen zu können“.131 1908 verkündete die Buchhaltungsabteilung des Bildungsamtes von Guangdong, man habe errechnet, dass man ad hoc die enorme Summe von 550.000 Tael Silber benötige. Damit das Amt unter diesen Umständen überhaupt weiterarbeiten könne, sollten die Schuldirektoren bitte präzise und vollständige Daten über ihre jeweilige Schule liefern. Nur so werde eine sinnvolle Finanzplanung möglich sein, die das wenige Geld nicht auch noch verschwende.132 Ähnlich hatte der aus Jiaying stammende und 1898 dorthin zurückgekehrte, bereits erwähnte Diplomat Huang Zunxian schon 1904 argumentiert, als er die Gentry seiner Heimatstadt aufrief, die Zahl der Kinder im Grundschulalter von den Klan-Vorstehern zu erfragen, „um herauszufinden, wie viele Kinder in die Grundschule eintreten sollten; eine Grundschule soll höchsten 110 bis 120 Kinder und mindestens 50 bis 60 Kinder haben. Die Zahl der Schüler soll akkurat untersucht werden, um die Schulen genau planen zu können.“133 Der Gelehrte Luo Zhenyu (1866–1940) plante zwei Jahre später die erforderliche Zahl verschiedener Schulen in allen Städten, Präfekturen und Kreisen für die kommenden zehn Jahre.134 In der Folgezeit übernahm das Bildungsministerium die Planung auf Grundlage seiner selbst erhobenen Zahlen. Im April 1909 zum Beispiel stellte es einen Plan für die Zeit bis zur für 1917 versprochenen Eröffnung des Parlaments und der damit verbundenen Einführung der Schulpflicht auf. Für je129 Bréard, Reform, S. 30f., 147. 130 Verfassungskommission, You zouding tongjibiao zong lie (10.02.1909), S. 89. 131 Bildungsministerium, Xuebu zha ge sheng tixueshi fending xuequ wen (November 1906), S. 65. 132 Guangdong xuewu gongsuo (Schulamt von Guangdong), Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe, Guangzhou 1908 [Sun Yat-sen Bibliothek, Guangzhou]. 133 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 548. 134 Luo Zhenyu, Ge sheng shi nian jian jiaoyu zhi jihua, in: Dongfang zazhi 3 (1906) 7, lunshuo (Diskussion), S. 1–12; Heft 8, lunshuo, S. 1–11; Heft 9, lunshuo, S. 1–7.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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des Jahr wurde genau aufgelistet, welche neuen Regularien erlassen, welche neuen Schultypen ins Leben gerufen und welche Schulbücher publiziert werden sollten. Außerdem war jährlich die Untersuchung aller Provinzen durch die Schulinspektoren vorgesehen, und es sollte im ganzen Land die Zahl der Leseund Schreibfähigen erhoben werden. 1910 und 1911 reagierte das Ministerium rasch mit aktualisierten Plänen auf die Ankündigung, dass das Parlament nun bereits 1913 eröffnet werden solle.135 Wenige Wochen nach Erlass des entsprechenden Edikts am 12. November 1910 gab man eine Liste der „wichtigsten und zweitwichtigsten Maßnahmen zur Verbreitung der Bildung“ heraus.136 Ähnliches geschah auf der Provinzebene. Für Guangdong ließ das Schulamt 1910 zunächst alle gegenwärtigen Statistiken abdrucken, um im Anschluss seine darauf aufbauende Planung bis zum Jahr 1916 kundzutun: Diese reichte von der Zahl der Studenten bestimmter Fachrichtungen, die in bestimmte Staaten zum Auslandsstudium entsendet werden sollten bis hin zur Projektierung von „Propagandabüros zur Reform der Sitten“ (fengsu gailiang xuanjiangsuo).137 Doch es ging noch präziser. 1911 erschien eine Tabelle der geplanten Schulen und der damit verbundenen Ausgaben in Guangdong für die Zeit von 1911 bis 1916. Neben einer wachsenden Vielfalt von Spezialschulen, unter anderem für Schüler aus anderen Provinzen sowie für Mandschuren, fanden sich hier auch konkrete Zahlen. So sollten ab 1913 in jedem Dorf mit mehr als 600 Familien zwei Grundschulen existieren. Mit jedem weiteren Jahr verringerte sich die Zahl der Familien pro Schule um 100, so dass schließlich 1916 provinzweit insgesamt 3.384 Untere Grundschulen existieren sollten. Dabei wurde auch auf eine angesichts der unsicheren Datengrundlage überraschend präzise Budgetplanung geachtet. Die Gesamtausgaben bis 1916 hätten sich den Berechnungen zufolge auf 49.263.718 Silberliang belaufen.138 Je geringer die Präzision in der Realität war, so scheint es, desto genauer sollte wenigstens die Planung sein. Die Behörden wollten den Aufbau des Schulwesens rationalisieren und planbar machen. Zu diesem Zweck sollte die Bildungsstatistik den Ist-Zustand 135 Bildungsministerium, Xuebu zoubao fen nian choubei shiyi zhe, Februar 1909, in: DQXFL, Bd. 5, S. 264–271; Kaske, Politics, S. 283f.; John H. Fincher, Chinese Democracy. The Self-Government Movement in Local, Provincial and National Politics, 1905–1914, London: Croom Helm 1981, S. 170. 136 Bildungsministerium, Xuebu zou fu chen puji jiaoyu zuiyao ciyao banfa zhe bing dan, XT 2/11/25 (26.12.1910), in: DQXFL, Bd. 10, S. 88–90; Bildungsministerium, Xuebu zou zhuo ni gaiding choubei jiaoyu shiyi zhe bing dan, XT 2/12/26 (26.01.1911), in: DQXFL, Bd. 10, S. 270–272. 137 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si niding fen nian choubei jiaoyu shiyi biao fenbie cheng xiang chahe wen, in: GDJYGB 1 (1910) 1, wendu, S. 1r–21v., hier: S. 21r. f. 138 Bildungskommissariat von Guangdong, Guangdong sheng putong jiaoyu fen nian choubei yusuan jingfei biao, in: GDJYGB 2 (1911) 4, wendu, S. 121–130. Zu den praktischen Problemen der Schulfinanzierung, siehe unten Kapitel 4.7.
122 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
zeigen und, wenn man die jährlichen Erhebungen aneinander reihte, eine Entwicklung sichtbar machen, in die die Schulverwaltung dann planvoll würde eingreifen können. Schon als Ende 1910 die zweite Gesamtstatistik (für das Jahr 1908) erschien, kam in Beijing verhaltene Euphorie auf: „Wenn man diese Graphiken mit jenen des Vorjahres vergleicht, so lässt sich sagen, dass sie von Fortschritt (jinbu) künden.“139 Jinbu war – wie jindai für „modern“ – als „return graphic loan“ aus dem Japanischen ein neues Konzept, das im Angesicht bewusst erfahrener, globaler Ungleichheit in Wirtschaft, Militär und auch Verwaltungskapzität Abschied nahm von zirkulären Zeitvorstellungen. Der statistische Vergleich schien sowohl den Wahrheitsgehalt der neuen Vorstellung zu belegen, als auch die Erfolge des Staates in seiner Aufholjagd gegenüber den Schulsystemen anderer Nationen.140
3.1.5 Kategorien werden Wirklichkeit – die „klassischen“ Privatschulen Zum anderen aber legten die Kategorien, innerhalb derer Zahlen gesammelt wurden, die Grundhaltung und die Ziele jener offen, die die Statistik ersonnen hatten. Denn Statistiken als Instrument des Verwaltungshandelns entwerfen durch ihre Kategorien zugleich das Problem und seine Lösung, definieren also das Ziel (in diesem Fall: schulischer) Modernität und bezeichnen zugleich seine Widersacher. Insofern ist eine „neutrale“ Statistik eine Illusion.141 Auf der Seite des Ziels finden wir insbesondere Zahlen zu den neuen Schulen (xuetang), ihren Schülern und Lehrern und ihren Finanzen. Die Widersacher des Projekts sind auf den ersten Blick weniger deutlich zu erkennen. Vieles ist zunächst nur ex negativo zu bestimmen, wenn zum Beispiel der Ausbildungsstand der Lehrer erhoben wird und die Kategorien nahelegen, dass eine pädagogische Ausbildung im In- oder Ausland der Standard für alle werden soll. Der eigentliche Widersacher aber waren die „klassischen“ Privatschulen (sishu), die in den bislang betrachteten Statistiken jedoch nur einen kleinen Auftritt haben.
139 Bildungsministerium, Xuebu zou jincheng die er ci jiaoyu tongji tubiao zhe, XT 2/12/26 (26.01.1911), in: DQXFL, Bd. 10, S. 278f. 140 Sebastian Conrad, Eine Kulturgeschichte globaler Transformation, in: Ders./Jürgen Osterhammel (Hrsg.), Wege zur modernen Welt 1750–1870 (Geschichte der Welt), München: C. H. Beck 2016, S. 411–625, hier: S. 529–532; Robert Joseph Culp, Teaching Baihua. Textbook Publishing and the Production of Vernacular Language and a New Literary Canon in Early Twentieth-Century China, in: Twentieth-Century China 34 (2009) 1, S. 4–41, hier S. 8. 141 Hacking, Taming, S. 197f.; Lam, Passion, S. 14.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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Diese anfänglich geringe Sichtbarkeit der sishu in den Statistiken hat einen einfachen Grund. Zuo Songtao hat nachgewiesen, dass der Begriff sishu überhaupt erst zu jener Zeit zum stark abstrahierenden Sammelbegriff für „klassische Privatschulen“ avancierte. Dies wird auch daraus ersichtlich, dass jede spätere Abhandlung, die sich genauer mit den sishu beschäftigt, diese wieder in jene Unterkategorien wie Schule einer Familie (jiaoguan), Dorfschule (cunshu), Klanschule (zuxue) oder Schule im Haus eines Lehrers (jiashu) aufgliedert, die vor der „Neuen Politik“ selbstverständliche, eigene Einheiten gebildet hatten.142 Erst die Systematisierung des Schulwesens entlang ausländischer Vorbilder machte die sishu zu jener bis heute geläufigen, abwertenden Kollektivbezeichnung aller nun als defizitär und deviant empfundenen Formen privater Bildung. Die neue Ordnung, zum Selbstzweck erhoben, wertete die „alte Ordnung“ schlicht zu ihrem Gegenteil, zur Unordnung, um. Dass ausländische Reisende und Missionare die herkömmlichen Privatschulen meist als lächerliche Veranstaltungen schilderten, dürfte diese Wahrnehmung forciert haben.143 Ein spätes Echo findet sie im 2008 eröffneten, nationalen Hakka-Museum (Zhongguo kejia bowuguan) in Meizhou (dem früheren Jiaying). Dort bildet das lebensgroße Modell der Ein-Lehrer-Schule mit ihren wahllos schreibenden, rezitierenden, lesenden oder schlafenden Schülern und ihrem Lehrer im langen Gewand den Mittelpunkt der Ausstellung zur Schulgeschichte – Symbol der langen Tradition des Lernens und zugleich Kontrastfolie für allen späteren Fortschritt (Abb. 3).
142 Borthwick, Education, S. 18; Deng, Private, S. 6; vgl. oben Kapitel 2.2. 143 Zuo Songtao, Xinci; „Schon von ferne, wenn wir uns nähern, tönt uns ein ohrenzerreißendes Geschrei entgegen“, beklagte sich 1899 der Basler Missionar Friedrich Müller (1875–1951) anlässlich seines Besuches einer Privatschule. Seine Schilderungen lesen sich wie ein Katalog zivilisatorischer Mängel: Die Schüler redeten beim Auswendiglernen der Klassiker laut durcheinander, ohne den Inhalt der Texte zu verstehen; der Lehrer, der das Pech habe, „nicht vom Staat angestellt“ zu sein, sei auf das Wohlwollen der Eltern angewiesen und besitze keine Autorität; die Schüler wie der Lehrer seien schmutzig und hätten Läuse; das Schulzimmer sei „ein dumpfer und schmutziger Raum“; der Lernstoff sei seit 2000 Jahren der gleiche, es fehlten Geographie und Mathematik, Naturwissenschaften, Sport und Singen. Als leuchtendes Gegenbild präsentierte Müller naheliegenderweise die von ihm selbst geleitete „Heidenschule“. Siehe Friedrich Müller, Ein Blick in die chinesische Schule. Nach Mitteilungen von Miss. Fr. Müller, in: Evangelisches Missions-Magazin 43 (1899) 7, S. 288–294, hier S. 288–291; ähnlich Arthur H. Smith, Village Life in China, New York: Fleming H. Revell 1899, S. 70–109.
124 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Abb. 3: Kontrastfolie: Bronzefiguren von Schülern und ihrem Lehrer im Modell einer Privatschule der späten Kaiserzeit im Chinesischen Hakka-Museum (Zhongguo kejia bowuguan) in der Stadt Meizhou, dem früheren Jiaying
Wie ernst die Verwaltung daher diese kleinen Schulen als Konkurrenz und als kollektives Feind- und Gegenbild zum Projekt schulischer Modernität nahm, wird daraus ersichtlich, dass über die Kategorie sishu bald eigene Statistiken angelegt wurden. Diese waren ein wichtiges Instrument für das staatliche Unterfangen der Abschaffung der alten Privatschule.144 Auch ein Teil der Berichte der Schulinspektoren widmete sich ihnen. 1910 stellte der für Guangzhou zuständige Inspektor fest, „70 bis 80 Prozent“ der alten Privatschulen seien sehr mangelhaft und entsprächen mitnichten den neuen Anforderungen.145 Außerdem wurden ab 1904 „Gesellschaften zur Reform der Privatschulen“ (sishu gailiang hui) gegründet, und 1910 erließ die Zentralregierung – die erkannt hatte, dass das vollständige Verbot nicht durchsetzbar war – erstmals offizielle Be-
144 Liu Qin/Zuo Songtao, Lüelun 20 shiji shangbanye zhongguo de sishu gailiang, in: Lishi Dang’an (2002) 2, S. 117–122. 145 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju shengcheng shixueyuan Deng Songtao deng bingjiao ge xuetang sishu baogao zha xiang banli wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 4, baogao, S. 43–45, hier: S. 44.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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stimmungen zu einer solchen Reform.146 Immer wieder wehrten sich sishu-Lehrer gegen die neuen Bestimmungen.147 Der Vorsitzende des quanxuesuo von Jiaying indes sprach Anfang 1909 offen aus, dass er lieber diese alten Lehrer verärgere als ihre jungen Schüler, die nach neuem Wissen lechzten. So begann die Regierung einen Kampf, der bis in die 1950er Jahre hinein andauern sollte.148 Solche Regularien wie auch die Statistiken, die ihnen zugrunde liegen, sind ein hervorragendes Beispiel für jenen Prozess, den ich eingangs dieses Kapitels in Anlehnung an Ian Hacking als Schaffung von Wirklichkeit durch Statistiken beschrieben habe. Bis heute prägt die staatlich geförderte, undifferenzierte modernistische Imagination der rückständigen, „klassischen“ Privatschule die Wahrnehmung von Historikern wie Pädagogen und Politikern.
3.1.6 Schulreformen und Territorialisierung Der Umstand, dass man – wie oben im Formular zur Festlegung der Schulbezirke gesehen – zur Feststellung der geographischen Lage jener Bezirke auf die Angabe von Entfernungen statt auf Landkarten zurückgriff, zeigt, wie sehr sich die Genese des modernen Staates im China der „Neuen Politik“ vom europäischen Fall unterschied, oder besser: in welchem Maße und welcher Geschwindigkeit die „Neue Politik“ eine „Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen“ (Ernst Bloch) hervorbrachte. Die ursprüngliche Anweisung des Bildungsministeriums von 1906 hatte gegenüber dem oben behandelten Formular noch weit detailliertere Angaben zur physischen, sozialen, wirtschaftlichen und sogar zur politischen Geographie gefordert. Sie macht sehr gut anschaulich, in welch breiten, insbesondere ökonomischen Wirkungszusammenhang das Bildungsministerium die Schulreformen gestellt sah. Die erste Frage galt der Verwaltungsgliederung, nämlich ob es sich
146 Liu Qin/Zuo Songtao, Lüelun, S. 117. Bildungsministerium, Gailiang sishu zhangcheng, 1910, in: Shu Xincheng (Hrsg.), Zhongguo jindai jiaoyu shi ziliao, Bd. 1, Beijing: Renmin jiaoyu chubanshe 1981 [1928], S. 108–112. 147 LDRB XT 1/2/13 (04.03.1909), Chao Jia xinwen, S. 3v. 148 LDRB XT 1/2/7 (26.02.1909), Chao Jia xinwen, S. 3r. 1940 existierten in Shantou 24 und im Kreis Jieyang, ehemals Präfektur Chaozhou, gar 346 sishu mit annähernd 10.000 Schülern, siehe Shantou jiaoyu zhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Shantou jiaoyu zhi, Shantou 1989, S. 49. In ganz Guangdong sollen noch 1949 rund 90 Prozent aller Grundschulen von Privatleuten oder Klans betrieben worden sein, siehe Glen Peterson, The Power of Words. Literacy and Revolution in South China, 1949–1995, Vancouver: University of British Columbia Press 1997, S. 24.
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um eine Präfektur, einen (unabhängigen) Distrikt, eine (unabhängige) Subpräfektur oder einen Kreis handele und an welche anderen Verwaltungseinheiten dieser grenze? Dann folgten Fragen nach Wasserwege und Straßen, Häfen, Eisenbahnen, Telegraphenlinien, Bergen, Flächen der einzelnen Kreise, der letzten bekannten Zahl der Haushalte, verschiedenen Ethnien, Religionszugehörigkeiten, Berufsgruppen, Menge an Tributgetreide und Steueraufkommen, Handelsvolumen, Wäldern, Salzfeldern, Pflanzen, Tieren, Bodenschätzen, handwerklichen Produkten und so fort – dass die Frage nach dem Vorhandensein von Schulen erst ganz am Ende dieser langen Liste (an 16. von 19 Stellen) steht, verdeutlicht nicht nur das plötzlich empfundene Defizit an allgemeinen Informationen auf Seiten des Bildungsministeriums in Beijing; zugleich wird hierin die enge Verquickung zwischen den Schulreformen und der avisierten, ökonomischen und sozialen Aktivierung der gesamten Bevölkerung deutlich. Die neuen Schulen sollten dieser Aktivierung dienen, und deshalb war es für ihre Planung notwendig, zuallererst grundlegende und aktuelle Informationen über die Wirtschaft und die Bevölkerung eines jeden Kreises einzuholen.149 In technischer Hinsicht arbeitete diese Territorialisierung in China nach 1900 zunächst weitgehend mit den überkommenen Mitteln des Imperiums. An die Stelle des exakten kartographischen Rasters, das den nationalen Statistiken in Europa zugrundelag, trat in China die Beschreibung in Worten. Die moderne Kartographie auf Grundlage der Triangulation wurde für kleinmaßstäbliche, lokale Landkarten, die die Einteilung der Schulbezirke erleichtert hätten, erst ab den 1920er Jahren eingesetzt.150 Um 1900 waren die vorhandenen Karten noch zu ungenau, um als tatsächliches Instrument einer geographisch so feingliedrigen Verwaltung dienen zu können. Damit soll nicht etwa in Abrede gestellt werden, dass China zu jener Zeit bereits über ein umfangreiches Kartenwesen mit einer langen Geschichte verfügte.151 Doch frühere Transfers kartographischen Know-Hows vor allem durch die Jesuiten-Missionare im 17. und 18. Jahrhundert hatten sich vorrangig auf großmaßstäbliche Darstellungen des gesamten Qing-Reiches und insbesondere der neu eroberten oder auch vertraglich festgelegten Gebiete, zum Beispiel des späteren Xinjiangs und der Grenze zu Russland im Nordosten, beschränkt. Diese Karten waren in erster Linie das zweidimensionale Äquivalent jener Sieges149 Bildungsministerium, Xuebu zha ge sheng tixueshi fending xuequ wen (November 1906). 150 Iwo Amelung, New Maps for the Modernizing State. Western Cartographic Knowledge and its Application in 19th and 20th Century China, in: Francesca Bray (Hrsg.), Graphics and Text in the Production of Technical Knowledge in China. The Warp and the Weft, Leiden: Brill 2007, S. 685–726, hier S. 707. 151 Grace Yen Shen, Unearthing the Nation. Modern Geology and Nationalism in Republican China, Chicago, IL: University of Chicago Press 2014, S. 22f.
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Stelen und Sieges-Tempel, mit denen die Qing ihre Eroberungen architektonisch verewigen ließen.152 Die Qing-Regierung setzte schlicht andere Prioritäten als die Geographen Europas. Hauptzweck der Geographie waren zum einen die Repräsentation, zum anderen die militärische Taktik.153 So sollten im 18. Jahrhundert Karten der Küstengebiete deren Verteidigung dienen, während ebensolche Karten unter dem Seezollamt ab Mitte des 19. Jahrhunderts für eine sichere Navigation der Handelsschiffe in die Vertragshäfen angefertigt wurden.154 Beides brachte keinen wesentlichen Zuwachs an exakten, kleinmaßstäblichen Karten unterhalb der Ebene der Provinzen. Der Verbreitung topographischer, nach europäischen Maßstäben exakter Regionalkarten – die es erlaubt hätten, die für die Bildungsstatistik befragten Ortschaften zweifelsfrei zu lokalisieren – stand somit entgegen, dass diese Informationen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gar nicht dem überwiegenden Interesse der Qing-Regierung entsprochen hatten.155 Erst der radikale Umschwung des staatlichen Anspruchs um 1900 ließ kleinmaßstäbliche Karten plötzlich als nützlich und wünschenswert erscheinen. Auch hatte es bereits seit den 1850er Jahren immer wieder einzelne prominente Stimmen aus dem Kreis der „Staatskunst“-Schule gegeben, die exakte Karten aller Kreise des Reiches forderten, aber diese hatten nie dazu geführt, dass die Zentralregierung ein der Größe des Reiches entsprechend umfangreiches, anspruchsvolles und vor allem kostspieliges Kartierungs-Unterfangen in Angriff genommen hätte.156 Die chinesische Kartographie habe, so Cordell D. K. Yee, im Unterschied zur westlichen „Wissen nicht mit Zahlen gleichgesetzt“, also der Beschreibung, dem Text, einen deutlich höheren wissenschaftlichen Wert beigemessen als die europäische Wissenschaft des späten 19. Jahrhunderts.157 Auch die Geschichte der Statistik legt von diesem allgemeinen Befund beredtes Zeugnis ab. Yee wehrt sich damit gegen die oft kritiklose Übertragung des westlichen, mathema152 Laura Hostetler, Qing Colonial Enterprise. Ethnography and Cartography in Early Modern China, Chicago, IL: University of Chicago Press 2001, S. 70f.; Joanna Waley-Cohen, Changing Spaces of Empire in Eighteenth-Century Qing China, in: Nicola Di Cosmo/Don J. Wyatt (Hrsg.), Political Frontiers, Ethnic Boundaries, and Human Geographies in Chinese History, London, New York: RoutledgeCurzon 2003, S. 324–350, hier S. 332f.; Elman, On Their Own Terms, S. 191–202. 153 Elman, On Their Own Terms, S. 192. 154 Hans J. Van de Ven, Breaking with the Past. The Maritime Customs Service and the Global Origins of Modernity in China, New York: Columbia University Press 2014, S. 84–90; China Imperial Maritime Customs (Hrsg.), List of Lighthouses, Light-Vessels, Buoys and Beacons on the Coast and Rivers of China (3: Miscellaneous Series, No. 6), Shanghai 1876–1912. 155 Charles S. Maier, Once Within Borders. Territories of Power, Wealth, and Belonging since 1500, Cambridge, MA: The Belknap Press of Harvard University Press 2016, S. 54f. 156 Hostetler, Qing, S. 70; Amelung, New, S. 693f.
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tischen Konzepts von Kartographie auf die chinesische Karten-Produktion, die deren ganz andere Funktion, die insbesondere im Ritus sowie in der Kunst liege, verschleiere.158 Man darf diesen Kontrast zwischen chinesischen und europäischen Kartographie-Idealen zwar nicht übertreiben. Immerhin entstand ein vergleichbares Bedürfnis nach der Aufzeichnung des Territoriums offenbar zunächst unabhängig voneinander in Frankreich, dem Zarenreich und im Reich der Qing.159 Die Karten der Jesuiten waren am chinesischen Hof auch durchaus willkommen. Jedoch konnte sich die westliche Form der Kartographie nicht dauerhaft durchsetzen. Typisch chinesische Karten wurden weiterhin produziert und offenbar nicht als weniger legitim denn diejenigen der Jesuiten empfunden.160 Insofern ist es konsequent, wenn sich die Raumerfassung im Rahmen der Bildungsreformen in Guangdong nicht etwa auf Karten stützt oder primär deren Erstellung fordert, sondern sich ganz auf die Beschreibung in Worten und Zahlen verlässt. Mit der geographischen Beschreibung vor allem in den Lokalchroniken existierte zudem bereits eine ausgefeilte, für die Zwecke der Verwaltung vor 1900 durchaus angemessene und zudem viel kostengünstigere Technik der Repräsentation des verwalteten Raumes.161 Auch den Beschreibungen in den Lokalchroniken waren zwar oft Karten beigefügt, die jedoch eher der Illustration des Textes dienten und wenig exakt im Sinne der modernen Geographie waren.162 Ohnehin hat die sogenannte „kritische Kartographie“ seit den 1970er Jahren argumentiert, dass die Vorstellung der Geschichte der Kartographie als einer Geschichte zunehmender Präzision – an deren Ende die quasi vollkommene Repräsentation der Wirklichkeit stehen müsste – eine Illusion ist. Karten sind, 157 Allerdings war die Reduktion der realen Welt auf Zahlen im 19. Jahrhundert auch in Europa von vielen Wissenschaftlern als unterkomplex kritisiert worden, siehe Schneider, Commentary, S. 213f. 158 Cordell D. K. Yee, Reinterpreting Traditional Chinese Geographical Maps, in: J.B Harley/ David Woodward (Hrsg.), The History of Cartography. Bd. 2, 2: Cartography in the Traditional East and Southeast Asian Societies, Chicago, IL: University of Chicago Press 1994, S. 35–70, hier S. 67. 159 Hostetler, Qing, S. 74. 160 Yee, Reinterpreting, S. 67. 161 Bayly, Birth, S. 275f.; Osterhammel, Verwandlung, S. 54. 162 Christine Moll-Murata, Die chinesische Regionalbeschreibung. Entwicklung und Funktion einer Quellengattung, dargestellt am Beispiel der Präfekturbeschreibungen von Hangzhou, Wiesbaden: Harrassowitz 2001, S. 11f. Der Wandel der kartographischen Darstellungsformen ist gut nachvollziehbar, wenn man eine chinesische Karte der Stadt Guangzhou des Jahres 1898 mit einer nur neun Jahre später publizierten Darstellung derselben Stadt aus dem Verlag Justus Perthes in Gotha vergleicht (Abb. 18): Zhongguo diyi lishi dang’an guan (Hrsg.), Guangzhou lishi ditu jingcui, Beijing: Zhongguo dabaike quanshu 2003, S. 78, 84–87.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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nicht anders als Statistiken, immer subjektive Konstruktionen, die eine Auswahl dessen treffen, was sie zeigen wollen. Sie sind Instrumente der Macht.163 Mehr noch: Stuart Elden hat für Europa gezeigt, dass die Kartographie durch ihre Bilder, die Karten, den Staat als Souverän über ein Territorium, ja, das Territorium selbst erst hervorbrachte. Das „Territorium“ sei mithin eine „politische Technologie“.164 Auf China übertragen, würde dies bedeuten, dass durch die fehlende, genaue Kartierung der Kreise jene auch nur eingeschränkt als Territorium des Staates betrachtet werden konnten. Tatsächlich zog die japanische Diplomatie schon in den 1870er Jahren, gestützt auf das europäische Verständnis von „Territorium“, genau dies für die Insel Taiwan in Zweifel, weil die Qing dieses Gebiet nicht wirklich kontrollierten, über keine genauen Kenntnisse der Insel und ihrer Bewohner verfügten.165 Der wohl wichtigste Ansatz, insbesondere die Kartographie stärker als bisher in den Dienst der Regierungspraxis zu stellen, begann 1891 mit der Aufnahme von Karten aller Provinzen, Präfekturen und Kreise für die neuen „Statuten der Großen Qing“ (Da Qing huidian). Die genauesten dieser Karten, jene der Kreise, sollten einen Maßstab von etwa 1:250.000 haben, sämtlich genordet (statt wie bis dahin gesüdet) sein, anders als früher eine Kegelprojektion und damit kein rein rechtwinkliges Gitternetz verwenden und vor allem auf tatsächlichen, neuen Vermessungen durch Triangulation beruhen. Tatsächlich aber basierte aus Mangel an Ausrüstung, Wissen, geschultem Personal und auch aus Mangel an Interesse kaum eine der ab 1894 von den Provinzbehörden eingereichten Karten auf tatsächlichen Messungen, und auch die sonstigen Vorgaben wurden häufig missachtet oder falsch umgesetzt.166 Für den Zweck der Einteilung von Schulbezirken jedenfalls reichten die Ergebnisse offensichtlich nicht aus, wie die so entstandene „Karte der Präfektur Guangzhou nach neuer Methode“ (xin fa Guangzhou fu tu, Abb. 4) anschaulich macht.167 163 J. B. Harley, Deconstructing the Map, in: Paul Laxton (Hrsg.), The New Nature of Maps. Essays in the History of Cartography, Baltimore, MD: Johns Hopkins University Press 2001, S. 149–168; zur sozialen Konstruktion von Statistik, siehe Alain Desrosières, The Politics of Large Numbers. A History of Statistical Reasoning, Cambridge, MA: Harvard University Press 1998. 164 Stuart Elden, Land, Terrain, Territory, in: Progress in Human Geography 34 (2010) 6, S. 799–817, hier S. 811f. 165 Chang Lung-chih, From Island Frontier to Imperial Colony. Qing and Japanese Sovereignty Debates and Territorial Projects in Taiwan, 1874–1906, PhD dissertation Harvard University, Cambridge, MA 2003. Den Hinweis auf diesen Fall verdanke ich einem Vortrag von Yeh Wen-hsin (UC Berkeley) in Berlin im Sommer 2015. 166 Amelung, New, S. 699f., 703f. 167 Ein weiteres Beispiel – eine „Karte nach neuer Methode“ der Provinz Guangdong – findet sich in der Sammlung Zhongguo diyi lishi dang’an guan, Guangzhou, S. 76f.
130 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Abb. 4: Nicht ausreichend für die Festlegung von Schulbezirken: „Karte der Präfektur Guangzhou nach neuer Methode“, entstanden im Rahmen der Kompilation der neuen Statuten der Großen Qing (Da Qing huidian) ab 1891
Auch um einen Zensus oder auch nur eine genaue Zählung der Kinder im schulfähigen Alter akkurat durchführen zu können, hätte man eigentlich zuerst ein „geographical framework“, also genaue Landkarten benötigt, auf denen man dann Zählbezirke hätte festlegen können.168 Doch das dafür notwendige Personal und Fachwissen wurde während der „Neuen Politik“ – auch in Reaktion auf das Scheitern des Kartierungsprojekts der 1890er Jahre – erst aufgebaut, vor allem an Militär- und Polizeischulen.169 Die Statistik wurde auch deshalb zum Mittel der Wahl für die Implementierung der Schulreformen, weil sie – anders als die Kartographie – an das bestehende Berichtswesen und die Lokalchroniken anknüpfen konnte, ohne zuvor ein Heer von Experten in vollkommen neuen Methoden wie der Triangulation ausbilden zu müssen. 168 Matthew G. Hannah, Governmentality and the Mastery of Territory in Nineteenth-Century America, Cambridge: Cambridge University Press 2000, S. 118. 169 Amelung, New, S. 706f.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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3.1.7 Graphiken und Karten als Symbole staatlicher Modernität Die drei großen Bildungsstatistiken der Jahre 1907 bis 1909 enthielten detaillierte Angaben über Schulfinanzen, Schulen und Schüler, Absolventenzahlen und so weiter. Der Großteil der drei Bände besteht jeweils aus endlosen Tabellen für jede einzelne Provinz, deren häufig leere Felder beredtes Zeugnis ablegen von den oben skizzierten, praktischen Problemen der Datensammlung, von der Unfähigkeit der vom Staat Beauftragten, oder von der Tatsache, dass es schlicht nichts zu berichten gab, weil keine entsprechenden Schulen eingerichtet worden waren. Das enge Raster entblößte die Lücken im System. Die ersten rund zehn Seiten jedoch geben ein ganz anderes Bild wieder. Hier erwecken verschiedene – im Gegensatz zum Rest des Bandes farbige – Diagramme den Eindruck, der Staat liefere eine vollständige Bestandsaufnahme. Wo die Tabellen weiter hinten durch leere Felder und durch Randbemerkungen sogleich die Lücken erkennen lassen, zeigen die Diagramme schlicht unterschiedlich hohe Balken oder verschieden große Tortenstücke, die keine Rückschlüsse auf Versorgungslücken oder Probleme der Datenakquise zulassen.170 Dadurch erst konnten die Diagramme für die chinesische Regierung jene Funktion erfüllen, die bislang den Kolonialmächten vorbehalten gewesen war: In diesen Diagrammen schuf das chinesische Bildungsministerium das, was Bruno Latour „immutable and combinable mobiles“, also „unveränderliche und kombinierbare mobile Elemente“ genannt hat – hochgradig kondensierte, abstrakte Informationen, die, auf Papier geschrieben, unabhängig von ihrem Gegenstand fast beliebig vervielfältigt, transportiert, gelesen, miteinander kombiniert und so genutzt werden konnten. Folgt man dem eingangs zitierten James Hevia, dann hatte in der Summe all dieser Elemente die „medientechnische Überlegenheit des Westens“ (Erhard Schüttpelz) gegenüber China bestanden.171 170 Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. [9]; ähnlich Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Guangxu sanshisi nian: Di er ci jiaoyu tongji tubiao, Beijing 1910, nachgedruckt in: Minguo jiaoyu ziliao xubian, Bde. 1–2, Beijing: Guojia tushuguan chubanshe 2012 und Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Xuantong yuannian: Di san ci jiaoyu tongji tubiao, Beijing 1911, nachgedruckt in: Minguo jiaoyu ziliao xubian, Bde. 3–4, Beijing: Guojia tushuguan chubanshe 2012; vgl. zu diesen Problemen Scharping, Statistik, S. 719f. 171 Bruno Latour, Science in Action. How to Follow Scientists and Engineers through Society, Cambridge, MA: Harvard University Press 1987, S. 227, 238; Ders., Drawing Things Together, in: Michael Lynch/Steve Woolgar (Hrsg.), Representation in Scientific Practice, Cambridge, MA: MIT Press 1990, S. 19–68, hier S. 26, 33f.; Hevia, English, S. 124–128; Erhard Schüttpelz, Die medientechnische Überlegenheit des Westens. Zur Geschichte und Geographie der immutable mobiles Bruno Latours, in: Jörg Döring/Tristan Thielmann (Hrsg.), Mediengeographie. Theorie–Analyse–Diskussion, Bielefeld: Transcript 2009, S. 67–110.
132 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Abb. 5: Rasanter Anstieg von rechts nach links: Graphik zur Entwicklung der Gesamtzahl der Schüler an modernen Schulen in ganz China zwischen 1902 und 1907 (aus der staatlichen Bildungsstatistik)
3.1 Statistik und Territorialisierung
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Abb. 6: Bunte Eindeutigkeit: Tortendiagramm der Gesamtzahl von Schülern nach Provinzen für das Jahr 1907 (aus der staatlichen Bildungsstatistik)
Dafür, dass die Statistiken des Bildungsministeriums die von Latour beschriebene Funktion erfüllen konnten, kam es auf die Qualität der Daten – ob sie richtig und vollständig waren – gar nicht so sehr an. Das heißt mitnichten, dass sich die frühen Statistiker selbst um Präzision nicht geschert hätten, wie wir oben gesehen haben. Doch trotz aller den Beteiligten vollauf bewusster Probleme – wenn nicht aufgrund dieser – erstellte das Bildungsministerium aus den vorhandenen Zahlen die erwähnten Diagramme, die einen eindrucksvollen Anstieg zum Beispiel der Gesamtzahl der Schüler an modernen Schulen von Null im
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Jahr 1902 auf 510.000 im Jahr 1907 zeigten (Abb. 5, Abb. 6). Die Herausgeber betonten eigens, sie wollten die Geduld ihrer Leser nicht strapazieren und ihnen in kürzest möglicher Zeit einen Überblick verschaffen. Wer es genauer wissen wolle, könne weiter hinten die einzelnen Tabellen studieren.172 Der Staat, so die Botschaft dieser Darstellung, war umfassend informiert und Herr der Lage. Als Medium der Herrschaftsrepräsentation fungierte in China also zumindest in diesem Fall zunächst die Statistik, während hierfür in Europa, wie wir gesehen haben, Karten eine wichtigere Rolle spielten.173 Diese Form der graphischen Darstellung war zudem durchaus typisch für die populäre Darstellung von Wissenschaft in jenen Jahren. Das Argument für die Graphik war, ganz wie im obigen Zitat der Verfassungskommission, die schnelle Erfassbarkeit der (dramatisch vereinfachten) Informationen „auf einen Blick“ (yilan). Das oben behandelte Formular zur Erfassung aller Schulen eines xuequ trägt als yilan biao den „einen Blick“ sogar im Titel. Auch chinesische wissenschaftliche Werke machten zur gleichen Zeit teils inflationären Gebrauch von Graphiken und symbolischen Darstellungen. Zur Begründung gab der Herausgeber einer Einführung in die Logik 1904 an, Ziel seines Buches sei es, „to introduce logical terms and their meanings in a concise yet comprehensive manner so that readers will have to spend the smallest amount of time possible to understand the essentials of the discipline.“174 Wie lückenhaft dieser „Überblick“ im Falle der Schulstatistik in Wahrheit jedoch war, wird nicht allein anhand der zitierten Einzelstatistiken deutlich, sondern mehr noch anhand jener detaillierteren Statistiken, die ab 1906 in der zentralen Xuebu Guanbao und seit 1910 in der Guangdong Jiaoyu Guanbao abgedruckt wurden.175 Als Beleg für meine These, derzufolge die Statistik nicht nur tatsächliches Steuerungsinstrument wurde, sondern auch für einen –
172 Bildungsministerium, Xuebu zou jincheng bianding di yi ci jiaoyu tongji tubiao zhe, in: Jiaoyu zazhi 2 (1910) 5, wendu zhangcheng, S. 29f. 173 Ute Schneider, „Den Staat auf einem Kartenblatt übersehen!“ Die Visualisierung der Staatskräfte und des Nationalcharakters, in: Christof Dipper/Ute Schneider/Wolfgang Behringer (Hrsg.), Kartenwelten. Der Raum und seine Repräsentation in der Neuzeit, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006, S. 11–25. 174 Zit. nach Joachim Kurtz, The Discovery of Chinese Logic, Leiden: Brill 2011, S. 227. 175 Die erste amtliche Schulstatistik, eine allerdings noch individuelle Auflistung aller xuetang in Beijing samt Gründungsdatum, Zahl der Schüler und Lehrer, Anzahl der Klassenstufen und Budget, erschien am 06.12.1906 (GX 32/10/21) in: Xuebu Guanbao (Amtsblatt des Bildungsministeriums) 1 (1906) 8, Jing wai xuewu baogao (Berichte über das Schulwesen außerhalb der Hauptstadt [sic]), S. 41–45.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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wenngleich ambivalenten – state effect sorgte, sind gerade die „Amtsblätter“ (guanbao) von großer Bedeutung. Von ihnen nämlich wissen wir im Gegensatz zu den Statistikbänden mit Sicherheit, dass sie eine große Leserschaft hatten. Diese Amtsblätter wurden mit Beginn der „Neuen Politik“ insbesondere von den Provinzregierungen vertrieben, um den regierungskritischen Stimmen der wachsenden, privaten Presse eine staatliche Sicht entgegen zu stellen. So waren von den insgesamt 27 verschiedenen Zeitschriften, die sich zwischen 1905 und 1911 speziell mit Bildung befassten, immerhin 13 in staatlicher Hand.176 Die zentrale Xuebu Guanbao wie auch die jaoyu guanbao der einzelnen Provinzen wurden einerseits vom Ministerium oder den Schulämtern direkt an alle untergebenen Stellen versandt. Von der bald alle zehn Tage erscheinenden Xuebu Guanbao beispielsweise wurden in Guangdong jeweils rund 600 Exemplare verteilt. Zusätzlich wurde die Zeitschrift aber auch für einen jiao (ein Zehntel eines Yuan) frei verkauft.177 Es entsprach ganz der Intention des Ministeriums, dass diese Publikationen auch außerhalb von Behörden gelesen wurden.178 Über Inhalt und Ziele der guanbao hieß es 1910, sie sollten nicht länger wie die „normalen Amtsblätter“ nur Gesetze verkünden, sondern hätten „den Charakter einer Zeitschrift“ (zazhi zhi xing), indem sie generelles Wissen über das Schulsystem vermittelten und vor allem ein Forum für die Diskussion von Bildungsfragen zwischen Beamten und Volk der gesamten Provinz böten. Waren dies deutliche Zugeständnisse an das Leserinteresse und den neuen Zeitschriftenmarkt, so hielt sich die Guangdong Jiaoyu Guanbao zugleich zugute, sie übernehme „die Aufgabe, die Zivilisation [wenming] zu verbreiten“. Hierzu trage auch die Publikation der Ergebnisse der neuesten Inspektionen und Untersuchungen bei.179 Was ihre Leser zu Gesicht bekamen, sah dann aber häufig wie auf den folgenden Abbildungen aus (Abb. 7, Abb. 8).
176 Ding Shouhe (Hrsg.), Xinhai geming shiqi qikan jieshao, Beijing: Renmin chubanshe 1982– 1987, Bd. 5, S. 547–553. 177 Guangdong jiaoyu guanbao gaiban zhangcheng, in: GDJYGB 2 (1911) 17, S. 1. 178 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 324f. 179 Guangdong jiaoyu guanbao fakanci, in: GDJYGB 1 (1910) 1, S. 3f.
136 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Abb. 7: Große Leere: Statistik der Fachschulen der Provinz Guangdong für das Jahr 1908 in der Guangdong Jiaoyu Guanbao
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Abb. 8: Ebenfalls viel Weiß: Tabelle der Qualifikationen der Lehrkräfte an Pädagogischen Schulen der Provinz Guangdong für das Jahr 1908 in der Guangdong Jiaoyu Guanbao
Abb. 9: Ohne Gehaltsangaben: Statistik der Büros zur Förderung der Bildung in der Provinz Guangdong für das Jahr 1908, ebenfalls aus der Guangdong Jiaoyu Guanbao. Man beachte die zweite und vierte Zeile von unten, die mangels Angaben leer gelassen werden mussten
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138 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Die erste Seite der „Statistik der Fachschulen der Provinz Guangdong“ (Abb. 7) ließ schnell erkennen, dass es von dieser Sorte Schulen bislang nur drei in der Hauptstadt gab – was die Macher des Amtsblattes nicht davon abhielt, anschließend noch sieben Seiten mit ausnahmslos leeren Feldern zu allen weiteren Kreisen abzudrucken. Die „Tabelle der Qualifikationen der Lehrkräfte an Pädagogischen Schulen“ (Abb. 8) konnte keinen viel besseren Eindruck erwecken und kam nach zehn weitgehend leeren Seiten auf insgesamt 55 Lehrerausbilder in der gesamten Provinz. Und auch wenn sie auf den ersten Blick viel besser gefüllt erschien, entblößte die „Statistik der ‚Büros zur Förderung der Bildung‘“ (Abb. 9) deutlicher die Schwäche des Staates: Denn leer blieben hier einzig jene zwei Zeilen, in denen die Vorsteher der quanxuesuo ihr eigenes sowie das Monatsgehalt ihrer Untergebenen – über welches sie selbst bestimmen konnten – hätten angeben sollen. Wie eine resignierte Anmerkung am Ende mitteilt, hatte der Großteil der Angesprochenen keine Angaben gemacht – und der Staat war offenkundig nicht in der Lage, sie dazu zu zwingen.180 Ad hoc korrekte und vollständige Daten zu erlangen, war eine Aufgabe, die die Kapazitäten des expandierenden Staates der „Neuen Politik“ (noch) überstieg. Die bunten Graphiken der Bildungsstatistik erfüllten vor diesem Hintergrund vor allem zwei Funktionen: Erstens repräsentierten sie ganz allgemein die Erfolge beim Aufbau des staatlichen Schulwesens. Ihre zweite Funktion indes erschließt sich erst im globalen Kontext: Diese Graphiken waren in ihrem Aussehen deutlich an solche japanischer und westlicher Provenienz angelehnt; sie reklamierten schon in der Art ihrer Gestaltung den überlebenswichtigen Anspruch des chinesischen Staates auf Zivilisiertheit oder Modernität. Ähnlich wie in Europa im Verlauf des 19. Jahrhunderts, repräsentierte die Form der Statistik – dass sie staatlich institutionalisiert war – auch in China bereits einen Inhalt, eine Botschaft; in gewisser Weise war die Form sogar wichtiger als der Inhalt.181 Denn den Anspruch auf staatliche Modernität auch international glaubhaft machen zu können, war für die chinesische Regierung – und nicht nur für diese – überlebenswichtig. Dass dies durch die Selbststärkungsbewegung nicht ausreichend gelungen war, wurde zu einer Triebfeder der „Neuen Politik“.182 Weil die Statistik heute zu einer selbstverständlichen Art des Sehens geworden ist, schenken Historiker der Demonstration von Modernität, die Statistik eben auch bedeutet, bisweilen wenig Beachtung. Stattdessen werden die oben
180 Guangdong sheng quanxuesuo tongjibiao, in: GDJYGB 1 (1910) 10, baogao, S. 137–140. 181 Prévost, Statistics, S. 64. 182 Duara, State, S. 320; Petersson, Imperialismus, S. 361.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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genannten drei Bände immer wieder gerne als bloße Datenquelle benutzt, wobei kaum ein Autor vergisst, vor ihrer mangelnden Verlässlichkeit zu warnen.183 Sally Borthwick vermutet gar (mit guten Gründen, aber nicht ohne Vorwurf), dass entlegene Provinzen sich ihre Statistiken nur ausdachten.184 Es ist jedoch gerade diese Unzuverlässigkeit, Lückenhaftigkeit und womöglich Fiktionalität, die die Statistiken für unsere Zwecke interessant macht. Den zahlreichen Lesern der Guangdong Jiaoyu Guanbao können die annähernd leeren Tabellen nicht den Eindruck eines starken Staates vermittelt haben. Der state effect – also die Wahrnehmung des Staates als einer real existierenden Struktur unabhängig von den sie bevölkernden Beamten – wird zu einem guten Teil durch jene Instrumente erzeugt, durch die der Staat sieht, wie es in der berühmten Formulierung von James C. Scott heißt.185 Wenn dabei jedoch gerade deutlich wird, dass der Staat tatsächlich nur wenig sieht, und wenn dieser Eindruck zudem nicht verschleiert wird wie auf den ersten Seiten der reichsweiten Statistikbände, sondern ganz offen zutage tritt, dann resultiert daraus eher der Eindruck eines schwachen Staates. Das bedeutet mitnichten, dass die Veröffentlichung solcher Statistiken nicht zur Wahrnehmung einer Trennung von Staat und Gesellschaft geführt hätte. Es bedeutet nur, dass die separate Struktur „Staat“ nicht zwangsläufig als mächtig wahrgenommen wurde. Dass die Qing, indem sie eigene Maßstäbe guten Regierens über Bord warfen und stattdessen zahlenbasierte, global zunehmend dominierende Maßstäbe von Effizienz und numerischem Output anlegten, sich selbst als kaum dem neuen Anspruch gewachsen darstellten, konnte für die Legitimität des Kaisertums gerade unter jenen städtischen, neuen Eliten und Berufsgruppen, die sich genau dieselben Maßstäbe zu eigen machten, nicht ohne Auswirkungen bleiben. Dafür kamen die Reformen in China – im Gegensatz etwa zu jenen in Thailand oder Japan – zu spät.
183 Zur Kritik speziell an den „unzuverlässigen“ Bildungsstatistiken der Qing siehe Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 326f.; Borthwick, Education, S. 94; zur Kontinuität der Klage über unzuverlässige chinesische Statistiken, in diesem Fall zwischen 1949 und 1976, siehe Vilma Seeberg, The Rhetoric and Reality of Mass Education in Mao’s China, Lewiston: Mellen Press 2000, S. 26–28 sowie Judith Banister, China’s Changing Population, Stanford, CA: Stanford University Press 1987, S. 12–20. Eine Übersicht über die Probleme bei der Übersetzung kaiserlicher chinesischer Bevölkerungszahlen in moderne Statistiken liefert Wilkinson, Chinese History, S. 228–230. 184 Borthwick, Education, S. 78–80. 185 Scott, Seeing, S. 76–81.
140 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
3.1.8 Konkurrierende Repräsentation Obwohl sie für das praktische Verwaltungshandeln zunächst kaum eine Rolle spielten, avancierten im westlichen kartographischen Stil gezeichnete Landkarten von China während der „Neuen Politik“ rasch zu einem generellen Symbol von Modernität und nationaler Souveränität, ganz ähnlich wie die angesprochenen Diagramme. Das Fehlen von Karten im Klassenraum wurde von den lokalen Schulinspektoren negativ vermerkt, und der Bildungskommissar von Guangdong forderte 1910 alle Schulen dazu auf, die kürzlich in Tianjin gegründete „Geographische Zeitschrift“ (Dixue Zazhi) zu abonnieren. Die Schüler in China müssten nicht nur die Weltkarte kennen, sondern auch die Karte der „großflächigen und an Dingen reichen Heimat“, die nicht an das feindliche Ausland verloren gehen dürfe.186 Wie ernst um 1900 diese Frage der kartographischen Repräsentation genommen wurde, zeigt ein Blick auf die protestantischen Missionsgesellschaften in China. Diese begannen, aufgeschreckt durch die „Neue Politik“, einen Prozess der Systematisierung ihrer Schulen, in dem neben der Statistik auch der Raum eine wichtige Rolle spielte.187 Allerdings standen die Missionare vor demselben Problem wie die chinesische Regierung. Exakte Karten der einzelnen Kreise standen auch ihnen nicht zur Verfügung. Doch anders als die Qing-Regierung konnten die Missionsgesellschaften nicht einfach auf die kartographische Repräsentation ihrer Bildungsarbeit verzichten. Moderne Karten waren – wie in den Missionsschulen selbst auch – ein zwingend notwendiges Mittel der Darstellung und vor allem ein Zeichen von Modernität.188 Man muss dabei bedenken, dass sich die Karten und Atlanten, die die Missionsgesellschaften von ihren Missionsgebieten in China erstellten, in erster Linie nicht an die eigenen Missionare in China oder an ein chinesisches Publikum richteten, sondern an die Unterstützer der Mission und die breite Öffentlichkeit in den Herkunftsländern.189 Diese wären mit einer rein textlichen Beschreibung der Missionsgebiete nicht zu beeindrucken gewesen. 186 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si zhun Zhili tixuesi zisong dixue zazhi tongchi zhuanxing quandao gou yue wen, in: GDJYGB 1 (1910) 8, wendu, S. 226; VanderVen, A School in Every Village, S. 147; Amelung, New, S. 707. 187 Frölich, Spirits. 188 Rankin, Alarming, S. 58–60; Wen-hsin Yeh, Shanghai Splendor. Economic Sentiments and the Making of Modern China, 1843–1949, Berkeley, CA: University of California Press 2007, S. 63–68. 189 Paul Jenkins/Guy Thomas, Die weite Welt rund um Basel. Mission, Medien und die regionale Vermittlung eines Afrikabildes im 19. und 20. Jahrhundert, in: Regio Basiliensis 45 (2004) 2, S. 99–107.
3.1 Statistik und Territorialisierung
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Um 1900 veröffentlichten daher zahlreiche Missionsgesellschaften, aber auch kommerzielle Verlage Atlanten von ganz China oder auch nur von ihren jeweiligen Missionsgebieten.190 Ein Beispiel: Der vielleicht am weitesten verbreitete Missionsatlas jener Jahre war – was eingedenk des Fehlens präziser Karten nicht verwundern kann – eine Kombination aus Karte und Text. 1907 veröffentlichte der britische Missionar Marshall Broomhall (1866–1937) anlässlich der 100-Jahr-Feier protestantischer Mission in China für seinen Arbeitgeber, die China Inland Mission, den Band „The Chinese Empire“ mit dem Untertitel „A General and Missionary Survey“. Auf jeweils zehn bis 20 Seiten wurde hier jede Provinz von einem schon lange dort tätigen Missionar beschrieben: Geographie, ethnische und linguistische Zusammensetzung, Geschichte und natürlich die Missionsarbeit wurden vorgestellt.191 Der Titel „survey“ legt Parallelen zu den difangzhi nahe. Ein gewichtiger Unterschied bestand freilich in der Rhetorik insbesondere des Vorworts, die sich ganz um Statistik, Präzision und Vereinheitlichung drehte. Besonders hob Broomhall die Statistiken über die protestantische Mission hervor, die er selbst auf Grundlage der publizierten Berichte der einzelnen Missionsgesellschaften erstellt hatte – leider, so bedauerte Broomhall ausdrücklich, seien diese Berichte jedoch nicht normiert gewesen, so dass er nicht alle erwünschten Informationen erhalten habe. Auch dafür, dass die Texte zu den einzelnen Provinzen in ihrer Schwerpunktsetzung und Länge voneinander abwichen, meinte Broomhall sich entschuldigen zu müssen.192 Als 1908 auch der dazugehörige Atlas erschien, hob Broomhall hervor, dass das Warten sich gelohnt habe, da man inzwischen alle Ortsnamen nach dem neuen Standard der chinesischen kaiserlichen Post romanisiert habe und sie damit eindeutig seien (Abb. 10). Die hier verwendeten Schreibweisen würden 190 Um nur einige zu nennen: James S. Dennis/Harlan P. Beach/Charles H. Fahs (Hrsg.), World Atlas of Christian Missions. Containing a Directory of Missionary Societies, a Classified Summary of Statistics, an Index of Mission Stations, and Maps Showing the Location of Mission Stations throughout the World, New York: Student Volunteer Movement for Foreign Missions 1911; G. M. H. Playfair, The Cities and Towns of China. A Geographical Dictionary, 2. Aufl., Shanghai: Kelly & Walsh 1910; D. Alexander Merensky, Missions-Atlas über die Arbeitsgebiete der Berliner evangelischen Missionsgesellschaft Berlin I (Gesellschaft zur Beförderung der evangel. Missionen unter den Heiden) in Südafrika, Deutsch-Ostafrika, Südchina (Provinz Kanton und Nordchina (Kiautschou)). 10 Haupt- und zahlreiche Nebenkarten mit ausführlichem, erläuterndem Text, Berlin: Buchhandlung der Berliner evangelischen Missionsgesellschaft 1900; Wesleyan Methodist Church Missionary Atlas. China Section, London: Wesleyan Methodist Missionary Society 1892. 191 Marshall Broomhall (Hrsg.), The Chinese Empire. A General and Missionary Survey, London: Morgan & Scott 1907. 192 Ebd., S. xi–xviii.
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künftig hoffentlich von zumindest allen britischen Missionsgesellschaften in China verwendet werden, „with the hope that uniformity of usage may be adopted in all missionary reports and other literature.“193 Diese Vereinheitlichung, die 1905 unter Sir Robert Hart (1835–1911) in Shanghai begonnen worden war, war für Broomhall ein wichtiges Merkmal der Modernität des Atlasses.194
Abb. 10: Ohne Höhenlinien, aber als Kegelprojektion: Karte der Provinz Guangdong im Atlas of the Chinese Empire der China Inland Mission von 1908
Das zweite und vielleicht noch wichtigere Merkmal waren jedoch die Karten der Provinzen selbst, von denen sich sagen lasse, sie seien „based on the most recent surveys“ (wenngleich auch nur im Maßstab 1:3 Mio., was ungefähr jenen
193 Marshall Broomhall, Preface, in: Edward Stanford/China Inland Mission, Atlas of the Chinese Empire. Containing Separate Maps of the Eighteen Provinces of China Proper on the Scale of 1:3,000,000 and of the Four Great Dependencies on the Scale of 1:7,500,000 together with an Index to all the Names on the Maps and a List of all Protestant Mission Stations, London: Morgan & Scott 1908, S. v–vii, hier S. vi. 194 Lane J. Harris, A „Lasting Boon to All“. A Note on the Postal Romanization of Place Names, 1896–1949, in: Twentieth-Century China 34 (2009) 1, S. 96–109, hier S. 99–103.
3.1 Statistik und Territorialisierung
143
des Da Qing Huidian entsprach).195 Die Herkunft dieser Landaufnahmen jedoch war selbst vollkommen uneinheitlich und illustriert zugleich vortrefflich die „semikoloniale“ Situation Chinas und das von James L. Hevia konstatierte „imperiale Archiv“: Kaum die chinesische Regierung selbst, dafür aber alle maßgeblichen Kolonialmächte – deren Militärs sowie Forschungsreisende in ihren Diensten – hatten Karten ihrer jeweiligen „Einflussgebiete“ oder Pachtgebiete zur Verfügung gestellt. Im Einzelnen listete der Atlas rund 30 verschiedene Quellen auf.196 Während moderne Karten für die Missionsgesellschaften vor allem der Symbolisierung ihres Herrschaftsanspruchs dienten, waren sie für die Kolonialmächte obendrein auch tatsächliche, praktische Herrschaftsinstrumente. Unter zahllosen Beispielen ragt die geologische und karthographische Arbeit von Ferdinand von Richthofen (1833–1905) heraus, dessen Erkundung von chinesischen Bodenschätzen im Dienste der Expansion des Deutschen Reiches stand, diese vorbereitete und legitimierte.197 Deutlich intensiver noch war dann 1922 der wissenschaftliche Anstrich des 580 Seiten starken Werkes „The Christian Occupation of China“. Obwohl zu jenem Zeitpunkt nur wenig präzisere Karten der Provinzen Chinas vorlagen, kam kaum eine Seite dieses Bandes ohne diverse thematische Karten oder statistische Tabellen aus, und die 112 Seiten des Anhangs bestanden ausschließlich aus solchen.198 Dabei war es weder für die Missionsgesellschaften noch für chi195 Broomhall, Chinese Empire, S. xiii. 196 Broomhall, Preface, in: Stanford, Atlas, S. v–vii. Angesichts solch offensichtlicher Berührungspunkte zwischen Mission und ausländischen Militärs lag es nahe, dass die Basler Mission, deren Leitung strikt darauf bedacht war, den Eindruck von Neutralität zu wahren, es 1899 dem britischen Verlag Kelly & Walsh in Shanghai untersagte, eine von dem Basler Missionar Jakob Lörcher 1879 publizierte Karte von Guangdong nachzudrucken. Weil die Karte auch von britischen Offizieren genutzt werde, könne andernfalls der Eindruck entstehen, dass die Missionsgesellschaft eben nicht neutral sei, siehe Thoralf Klein, Die Basler Mission in Guangdong (Südchina), 1859–1931. Akkulturationsprozesse und kulturelle Grenzziehungen zwischen Missionaren, chinesischen Christen und lokaler Gesellschaft, München: Iudicium 2002, S. 306f. Auch im Titel jener Karte selbst hatte sich bereits die Mischung missionarischer und militärischer, aber auch chinesischer ziviler Quellen gezeigt: Jakob Lörcher, Map of the Province of Canton According to the Map of the Kwong-Tung T’u shot. With Coast-Line Taken from Navy-Charts and Details Supplied by Several Protestant Missionaries, Winterthur: Wurster, Randegger & Co. 1879. 197 Ferdinand von Richthofen, China. Ergebnisse eigener Reisen und darauf gegründeter Studien, 7 Bde., Berlin: Reimer 1877–1912. Dazu Jürgen Osterhammel, Forschungsreise und Kolonialprogramm. Ferdinand von Richthofen und die Erschließung Chinas im 19. Jahrhundert, in: Archiv für Kulturgeschichte 69 (1987), S. 150–195. 198 Milton T. Stauffer (Hrsg.), The Christian Occupation of China. A General Survey of the Numerical Strength and Geographical Distribution of the Christian Forces in China Made by
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nesische Verlage, die ähnliche Werke auf den Markt brachten, entscheidend, dass solche Atlanten und Karten nicht auf einer tatsächlichen Vermessung des Raumes beruhten und daher arm an Details und ungenau waren: Im missionarischen „Atlas of the Chinese Empire“ von 1908 (Abb. 10) gibt es zum Beispiel keinerlei Höhenangaben, und im chinesischen, 1905 in Shanghai erschienenen „Atlas des Reiches der Großen Qing“ (Da Qing diguo quantu) sind lediglich idealtypische Bergketten eingezeichnet, wie wir sie aus früheren chinesischen, aber auch europäischen Karten kennen.199 Wichtiger aber war, dass die nach europäischem Vorbild gestaltete Karte selbst als Zeichen von Modernität diente. Auch in China entwickelte sich zu jener Zeit eine Nachfrage nach kartographischen Darstellungen des Qing-Reiches, die zumindest „modern“ aussahen.200
3.1.9 Ein neues, zweischneidiges Schwert Die Bildungsstatistik war der Pionier des entstehenden Statistikwesens im China des frühen 20. Jahrhunderts. Gegenüber den Erhebungen des 19. Jahrhunderts und früherer Zeiten war die Statistik nicht nur umfassender, einheitlicher und regelmäßiger. Sie veränderte auch das Verhältnis der Menschen zum Staat, indem sie einerseits für einen state effect sorgte und andererseits die Steuerungskapazität des Staates auch real erhöhte. Beides geschah auf viererlei Weise. Erstens präsentierte sich der Staat durch Anwendung statistischer – oder zumindest so titutlierter – Methoden als Herr der Lage und als modern, konnte aber nicht verhindern, dass so auch – am neuen Maßstab gemessen – seine Schwächen offenbar worden. Zweitens konstruierte der Staat durch die Statistik ein Schulsystem und definierte zugleich dessen „Anderes“, insbesondere die Privatschulen. Drittens bezog er in großer Zahl Menschen in die staatliche Verwaltung ein oder machte sie zumindest zu deren Zuträgern, die zuvor kaum in Kontakt mit dem Staat gekommen waren. Und viertens ermöglichte es die Statistik dem Staat, genauer als vordem Pläne für die Zukunft aufzustellen und Entwicklungen zumindest im Ansatz zu steuern. Zum ersten Punkt: Die übersichtliche Statistik wurde für den Staat zu einem zweischneidigen Schwert. Als das Instrument der modernen Verwaltung schien sie unverzichtbar. Ihre Verwendung allein bewies, dass sich die Qing auf der the Special Committee on Survey and Occupation, China Continuation Committee 1918–1921, Shanghai: China Continuation Committee 1922. 199 Hajo Frölich, Grenzerfahrung. Reisen durch Sibirien nach China seit dem 18. Jahrhundert. Magisterarbeit Humboldt-Universität zu Berlin, Berlin 2006, S. 58f. 200 Da Qing diguo quantu (Atlas of the Chinese Empire), Shanghai: Shangwu yinshuguan 1942 [1905]; Amelung, New, S. 707f.
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Höhe der Zeit befanden. Zugleich aber erlaubte die veröffentlichte Statistik eine Art des Blicks auf die Verhältnisse in den Städten und Dörfern des Reichs, die – sofern man sich nicht mit den bunten Diagrammen zufrieden gab – den Staat ungemein schwach aussehen ließ. Anders als die Lokalmonographie war die Statistik frei von Sentimentalität, und der durch sie hervorgerufene state effect war ambivalent. Dies zeigt sich deutlich in einem Aufsatz des amerikanischen Präsidenten des St. John’s College in Shanghai, Francis Lister Hawks Pott (1864–1947), der über das letzte Jahr der Kaiserherrschaft urteilte: „Up to the present time, as will be seen later on when we quote statistics, very inadequate provision has been made for the education of the whole nation.“201 Dennoch: Ähnlich wie in der Anverwandlung westlicher Kleidungsstile, war auch in der Statistik und (in Ansätzen) in der Kartographie das Medium die Botschaft.202 Ohne leugnen zu wollen, dass sich auch die Methoden der Erhebung von Daten über die Bevölkerung dramatisch wandelten, ist doch festzustellen, dass der Wandel in der Art der Darstellung von Wissen mindestens ebenso wichtig war und in vielen Fällen sogar schneller vonstatten ging. Andrea Bréard hat dies für die chinesische Statistik gezeigt, die sich in mathematischer Hinsicht erst in den 1930er Jahren der westlichen angenähert habe. Zur Zeit der „Neuen Politik“ hingegen habe man zwar einerseits Daten auf neue Weise erhoben, andererseits aber auch bestehende Formen der Buchhaltung schlicht in „Statistik“ umbenannt.203 Allerdings wählte man, und das ist hier der entscheidende Punkt, nun Balken- und Tortendiagramme zur Darstellung der Ergebnisse.204 Folgt man Bruno 201 Francis Lister Hawks Pott, China’s Method of Revising Her Educational System, in: Annals of the American Academy of Political and Social Science 39 (1912), S. 83–96, hier S. 89; Hervorhebung von mir, H.F. 202 Antonia Finnane, Changing Clothes in China. Fashion, History, Nation, New York: Columbia University Press 2008, S. 70f., 99; Bayly, Birth, S. 12–17. 203 Andrea Bréard, Where Shall the History of Statistics in China Begin?, in: Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.), „Es gibt für Könige keinen besonderen Weg zur Geometrie“. Festschrift für Karin Reich, Augsburg: Rauner 2007, S. 93–100, hier S. 95. Dagegen würde ich allerdings einwenden, dass, wie oben gezeigt, die Formen der Datenerhebung erheblich zentralisiert und vereinheitlicht wurden. Zudem ließe sich verweisen auf unterschiedliche Konzepte von „Statistik“. Während sich die Statistik in Europa und den USA oft der Hochrechnung von Stichproben bediente, beruhte die Statistik in der Sowjetunion über viele Jahrzehnte (und damit bis in die 1980er Jahre auch jene der Volksrepublik China) auf einem zentral organisierten, von lokalen Akteuren ausgeführten Berichtswesen, das stark an die hier diskutierte, spätkaiserliche Statistik erinnert: Li Choh-ming, The Statistical System of Communist China, Berkeley, CA: University of California Press 1962, S. 12–20; Liu, Mirage, S. 70–72. 204 Auch diese Art der Darstellung war natürlich nicht ohne Vorläufer, siehe Michael Lackner, Diagrams as an Architecture by Means of Words. The Yanji tu, in: Francesca Bray (Hrsg.), Graphics and Text in the Production of Technical Knowledge in China. The Warp and the Weft,
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Latour, dann ist dies weniger trivial als es zunächst erscheinen mag. Denn nach Latour war die wissenschaftliche Revolution des (europäischen) 18. und 19. Jahrhunderts vor allem eine der „Sichtweise“ (sight). Europäische Wissenschaftlichkeit bestand demnach in der Reduzierung von Komplexität und der Sichtbarmachung der (vermeintlich) grundlegenden Zusammenhänge unter Ausblendung der empirischen Uneindeutigkeit und Vielfalt. Diese Reduktion ist für Latour vor allem in Graphiken und Tabellen verkörpert.205 Und genau so argumentierten auch die Herausgeber der ersten Bildungsstatistik. Die Diagramme sollten dazu dienen, dem Leser in kürzest möglicher Zeit einen Überblick zu verschaffen, ohne seine Geduld zu strapazieren. Diese tubiao reduzierten die Welt auf so wenige Fakten, dass jene tatsächlich „auf einen Blick“ erfassbar wurde. 206 Die staatliche Konstruktion des (einzig legitimen) Schulsystems durch Abgrenzung gegenüber seinem „Anderen“, der klassischen Privatschule, war, zweitens, ebenfalls eng verknüpft mit diesem neuen Geist von Übersichtlichkeit und Abstraktion. Dieser fand sich erst recht in Schul-Ausstellungen wie auf der internationalen Industrieausstellung in Nanjing (Nanyang Quanye Hui) des Jahres 1910 (Abb. 26), die ich in Kapitel 4.6 behandele. Die Statistik hatte maßgeblichen Anteil daran, dass eine aus einem zivilisatorischen Impuls geborene, staatliche Anti-Fiktion wie „die“ klassische Privatschule allgemein als Realität akzeptiert wurde, die es, zumindest in den Augen der urbanen Elite, zu transformieren und zu bessern, wenn nicht zu bekämpfen galt.207 Dies war beileibe nicht die einzige Konstruktion. Viel stärker als vordem das Berichtswesen, wandte sich die chinesische Statistik generell der sozialen Welt zu, untersuchte (und schuf) also mehr menschliche Kategorien statt sich auf materielle, insbesondere Landwirtschaft und Handel betreffende Zahlen zu konzentrieren.208 Michael Tsin hat diesen Wandel gewissermaßen als die Erfindung der Gesellschaft (shehui) beschrieben. Bedenkt man die mit dieser Erfindung verbundene Erwartung an den Staat, den „aggregate body“ aus vormals nur lose miteinander verbundenen Untertanen zu formen, zu disziplinieren und „ihm eine Richtung zu geben“, so wird klar, dass es hier vor allem um die Schaffung der Nation ging. Mehr als jedes andere System war das Schulwesen Leiden: Brill 2007, S. 341–377, hier S. 341. Zur stark zunehmenden Verwendung von Diagrammen im 17. und 18. Jahrhundert, siehe Elman, Cultural, S. 48f. 205 Zit. nach Lam, Passion, S. 45. 206 Bildungsministerium, Xuebu zou jincheng bianding di yi ci jiaoyu tongji tubiao zhe (1910). 207 Darin waren sich der chinesische Staat und die ausländischen Missionare weitgehend einig, siehe Frölich, Spirits. 208 Lam, Passion, S. 22. Die moderne chinesische Statistik begann insofern stärker derjenigen Japans, Deutschlands oder Frankreichs zu gleichen, jener Länder also, bei denen die chinesischen Fachleute auch direkte Anleihen machten, siehe Bréard, Translating, S. 11.
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dazu prädestiniert, genau diese Transformation zu erreichen und aus dem „losen Haufen Sand“ eine produktive, disziplinierte chinesische Nation zu machen.209 Drittens war die Erhebung statistischer Daten über die neuen Schulen nun nicht mehr bloß Aufgabe der lokalen Beamten und ihrer inoffiziellen Angestellten und Helfer. Diese hatten zwar eine gewisse Übung in der Kompilation von Zahlen, doch ihr Zuständigkeitsbereich war geo- wie demographisch sehr groß: Im Durchschnitt war ein Magistrat für die Belange von 250.000 Menschen zuständig, so dass die von der „Neuen Politik“ avisierte, intensivere Verwaltung auch mit dem zwar großen, aber schlecht ausgebildeten Stab an informellen Angestellten nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre.210 Stattdessen erweiterte sich der Kreis derjenigen, die in das statistische Projekt und damit in den Staat eingebunden waren, dramatisch, indem die Mitarbeiter der quanxuesuo sowie die Angestellten all jener neuen Schulen, die in schneller Folge gegründet wurden, nun selbst Schüler, Schulgeld, Stunden, Lehrer und so weiter nach staatlich vorgegebenen Schemata zählen und die Ergebnisse nach oben weiterleiten sollten. Zwar hatte der kaiserliche Beamtenapparat angesichts des enormen Kommunikationsaufkommens schon vor 1900 das Problem mangelnder Übersichtlichkeit addressiert und Redundanz, Behandlung mehrerer Themen auf einmal und mangelnde Präzision in der Darstellung moniert. Erst die Durchsetzung entsprechender Standards hatte zu der heute geläufigen, klaren und einheitlichen Struktur der Thronberichte und des sonstigen Schriftverkehrs geführt.211 Doch mit der Einbeziehung von immer mehr bürokratischen Laien in den Staatsapparat nach 1900 wurden diese strikten Regeln der schriftlichen Kommunikation im Zeichen eines neuen Pragmatismus’ aufgegeben. Die Übersichtlichkeit der Schriftform wurde geopfert, um stattdessen Übersichtlichkeit auf der höheren, weitaus abstrakteren Ebene der Zahlen und ihrer graphischen Darstellung zu erreichen. Dafür war der Staat auf die Zuarbeit von Menschen ohne bürokratische Routine angewiesen, was durch Trainingszentren rasch behoben werden sollte. Doch gerade in den ersten Jahren konnten die neuen Kenntnisse nicht so schnell verbreitet werden, wie sie im Alltag schon benötigt wurden. Ministerium und Schulamt sahen sich daher veranlasst, nicht nur die Kommunikation zu entformalisieren und dadurch zu beschleunigen; sie erklärten auch die grundlegendsten Regeln gleich selbst und drängten auf die Einhaltung von Fris-
209 Tsin, Nation, S. 8. 210 Kreuzer, Staat, S. 139. 211 Thomas A. Metzger, The Internal Organization of Ch’ing Bureaucracy. Legal, Normative, and Communication Aspects, Cambridge, MA: Harvard University Press 1973, S. 96f.
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ten, die Verwendung der richtigen Formulare und die korrekte Schreibweise von Zahlen. Viertens bedeuteten solch enge Vorgaben und strikten (oder zumindest strikt eingeforderten) Fristen nichts weniger als einen Anstieg der Steuerungskapazität des Staates und zugleich einen grundlegenden Wandel der Verwaltungskultur. Berichte, darauf wiesen die Behörden immer wieder hin, sollten nun unbedingt die Realität spiegeln und so der Planung der Zukunft dienen. Ihre ursprünglich auch rituelle Funktion – dass der Beamte durch seine turnusmäßige Rückmeldung die Autorität des Kaiserhauses bestätigte – trat demgegenüber in den Hintergrund. Das engte auch den Spielraum des jeweiligen Magistrats ein, der früher vor Ort oft Tatsachen geschaffen hatte, ehe er den Thron über sein Handeln informierte.212 Dem neuen Anspruch des Staates widersprach solche lokale adaptive governance. Dass die Monarchie sie einzuschränken versuchte und damit zugleich die bestehende Verwaltungskultur angriff, trug wesentlich zu ihrem Scheitern bei. Innerhalb Chinas freilich wurden die Anfänge einer breiten Anwendung der Statistik schnell vergessen oder nicht mehr ernst genommen. Als 1923 das erste Lehrbuch speziell für Bildungsstatistik erschien, behauptete im Vorwort der einflussreiche Pädagoge Tao Xingzhi (1891–1946), Absolvent der Columbia University und nach eigenen Angaben einer von damals nur vier chinesischen Experten auf dem Gebiet der Bildungsstatistik, jene gebe es in China eigentlich erst seit vier Jahren. Emphatisch pries Tao jedoch ihre Möglichkeiten: Will man im Bereich der Bildung ans Licht bringen, was die Alten [guren] nicht herausfanden; will man verstehen, was die Zeitgenossen [jinren] nicht verstehen, dann kommt man nicht umhin, sich direkt oder indirekt auf die statistische Methode zu verlassen.213
Gerade einmal 14 Jahre waren zu jenem Zeitpunkt vergangen, seit die Zentralregierung die erste reichsweite Bildungsstatistik veröffentlicht hatte. Und doch schien der statistische Blick bereits unabdingbar geworden zu sein, wollte man legitime Aussagen über das Bildungswesen Chinas treffen.
212 Kreuzer, Staat, S. 128f. 213 Xue Hongzhi, Jiaoyu tongji xue dagang, Beijing: Beijing gaodeng shifan bianyibu 1923, S. iv. Zu Taos prominenter Rolle im chinesischen Mass Education Movement der 1920er Jahre und zu seinem langfristigen Einfluss, siehe Heike Frick, Rettet die Kinder! Kinderliteratur und kulturelle Erneuerung in China, 1902–1946, Münster: LIT 2002, S. 199–244; Pepper, Radicalism, S. 92–95.
3.2 Schulinspektion
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3.2 Schulinspektion Die Statistik erhob quantitative Daten über das neue Schulsystem und sollte so einerseits Planungen für die Zukunft erleichtern und andererseits demonstrieren, dass der Staat jederzeit über den Stand der Entwicklung informiert war. Eine wirkliche, qualitative Kontrolle des Unterrichts und die tatsächliche Umsetzung der Vorschriften zu Hygiene, Architektur, Lehrbüchern und so fort war mit der Statistik allein aber nicht zu erreichen. Deshalb wandte der Qing-Staat eine zweite Technik an: Er ließ die einzelnen Schulen regelmäßig inspizieren, um individuelle Mängel und Verstöße erkennen zu können und auf ihre Abstellung zu drängen. Das dreistufige System der Schulinspektion, das das Bildungsministerium im Mai 1906 verbindlich vorschrieb, war ein weiteres wichtiges Instrument, mit dem der Staat seine Distanz zur Gesellschaft und seine erhabene Aufsichtsposition unterstrich. Doch auch hier erwies die Praxis bald, dass der Staat seinen selbstgesetzten Kontrollansprüchen so rasch nicht gewachsen war. Die ambivalente Wirkung solcher Ansprüche und daran gemessen mangelhafter Realisierung war also nicht auf die Statistik begrenzt. Um dies zu zeigen, gehe ich zunächst auf die Organisation und hernach auf die praktischen Ergebnisse der Schulinspektion ein. Das System ging insbesondere auf japanische und deutsche Vorlagen zurück. Das japanische System war bereits sehr viel zentralisierter als sein preußisches Vorbild. Die Inspektoren auf Ebene der Zentralregierung, der Provinzen und der Kreise waren dort allesamt dem Bildungsministerium untergeordnet, und sie überwachten nicht nur die Unterrichtsinhalte, sondern konnten auch einzelne Lehrer und anderes Schulpersonal maßregeln oder ihre Entlassung anordnen. Damit ging Japan auch weit über das britische, föderale System hinaus, in dem die Schulinspektoren der lokalen Ebene Teil der Selbstverwaltung waren.214 Das japanische System war dafür gemacht, ein öffentliches Bildungswesen, dessen Entwicklung in Europa Jahrzehnte und Jahrhunderte gedauert hatte und eng mit der Emanzipation der Bürger vom Obrigkeitsstaat verbunden gewesen war, binnen weniger Jahre von oben zu implementieren, nicht um der Emanzipation, sondern um der Erziehung zu Kaisertreue, Nationalbewusstsein und Produktivität willen.215 Genau diese Version der Schulinspektion war es, die – wie in vielen anderen Bereichen des Bildungswesens auch – die führenden chi-
214 Herrlitz et al., Deutsche Schulgeschichte, S. 104–106. 215 Wang Wan, Wan Qing Zhili de chaxue he shixue zhidu. Jian yu Riben bijiao, in: Jindaishi yanjiu (2010) 4, S. 34–51, hier S. 35.
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nesischen Beamten überzeugte.216 Vorreiter war auch hier wieder Yuan Shikai, der als Gouverneur der nördlichen Provinz Zhili bereits im Mai 1902 ein erstes System der Schulüberwachung durch die Provinzverwaltung zu etablieren begonnen hatte, das landesweit für Aufsehen sorgte.217 Wenig überraschend ist, dass ausnahmslos jeder von Yuans Schulinspektoren ein Studium in Japan absolviert hatte.218 Das System der Schulinspektion, das dann ab 1906 reichsweit entstehen sollte, übertraf nicht nur das preußische an Zentralisiertheit und Machtbefugnissen, sondern zudem das japanische hinsichtlich der Breite des Aufgabenspektrums.219 Dies galt insbesondere für die (wenigen) Inspektoren, die im direkten Auftrag des Beijinger Bildungsministeriums unterwegs waren: Bei jedem ihrer Besuche in einem Kreis erteilten sie verbindliche Anweisungen, was zu ändern und wer gegebenenfalls zu entlassen sei. Gleiches galt für ihre Besuche in der Provinzhauptstadt, wo sich der Bildungskommissar ihren Befehlen beugen musste.220 Im Unterschied zu früheren Formen der Überwachung des Bildungswesens kennzeichnete die Schulinspektion – ähnlich wie die Statistik – ein neues Maß an Intensität, Reichweite und Regelmäßigkeit. Theoretisch hatten seit der MingZeit die Prüfungen auf allen Ebenen unter Aufsicht eines aus der Hauptstadt entsandten Beamten stattfinden sollen, des Bildungskommissars und später, in der Qing-Zeit, unter Aufsicht des Bildungsdirektors. Dieser sollte zudem alle staatlichen Schulen in allen Kreisen der ihm zugewiesenen Provinz mindestens einmal jährlich visitieren und die fällige Prüfung abnehmen. Während dies im 15. Jahrhundert noch von der Mehrzahl der Kommissare befolgt worden zu sein scheint, ließ ihr Engagement in den folgenden Jahrzehnten rasch nach. Immer mehr Kommissare ließen sich nun lediglich die Klausuren der besten Studenten zuschicken und verließen ihr Yamen in der Provinzhaupstadt – und das bequeme Leben dort – höchstens alle drei Jahre für eine Inspektionstour. Zum einen scheuten sie die Mühen der langen Reise immer mehr, so dass sie gerade die entlegenen Orte allenfalls einmal im Jahrzehnt aufsuchten. Zum anderen ersparte der Verzicht auf die jährliche Inspektion den Provinzbeamten Auseinandersetzungen mit der lokalen Bürokratie. Die lokalen Prüfungen wurden so, von außen unbeaufsichtigt, durch den örtlichen Magistrat oder Präfekten abgenommen. Der Kommissar überwachte in erster Linie die Provinzprüfungen, wobei seine Aufgabe vor allem in der Verhinderung von Betrug und Korruption be-
216 Bailey, Reform, S. 263–265. 217 She chaxueguan, in: Jiaoyu shijie (1904) 6, benguo xueshi, S. 1. 218 Siehe die Tabelle bei Wang Wan, Wan, S. 38. 219 Ebd., S. 48. 220 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 132.
3.2 Schulinspektion
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stand.221 Nach 1900 weitete der Staat seine Kontrolle also nicht nur von der Provinz- auf die Kreisebene aus, sondern auch auf bis dahin gänzlich unregulierte Bereiche wie die Leistung von Lehrern oder den Zustand von Schulgebäuden. Allerdings verlief, wie wir sehen werden, die Implementierung des Systems nicht so gradlinig, wie eine Betrachtung nur der Gesetze suggerieren mag.222 Der personelle Auf- und Ausbau der Bildungsverwaltung konnte nicht mit dem rasanten Wachstum des Schulsystems schritthalten. Aus eben diesem Grund delegierte das Bildungsministerium zum Beispiel 1911 das Recht zur Verleihung von Abschlussurkunden an den Unteren Grundschulen an die quanxuesuo.223 Außerdem waren den Zwangsmitteln der Inspekteure durchaus Grenzen gesetzt. So bestimmte die revidierte Schulinspektionsverordnung für die Provinzen von 1908 unter anderem, dass die sechs Provinzinspekteure über Verstöße und Konflikte nur berichten, nicht aber selbst in diese eingreifen dürften.224
3.2.1 Organisation Die drei Stufen der Schulinspektion waren zunächst die Kreise, wo je ein KreisSchulinspektor (xian shixue) unter den „charakterlich tadellosen“ Mitgliedern der Gentry, die über 29 Jahre alt und bereits im Ausland gewesen sein oder pä221 Tilemann Grimm, Ming Education Intendants, in: Charles O. Hucker (Hrsg.), Chinese Government in Ming Times. Seven Studies, New York: Columbia University Press 1969, S. 129–148, hier S. 140–146; Tilemann Grimm, Erziehung und Politik im konfuzianischen China der MingZeit (1368–1644), Hamburg: Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens 1960, S. 85–88; Elman, Cultural, S. 134, 147–152, 191–202; An Dongqiang, Qingmo ge sheng xuezheng de gaizhi fang’an ji jiuge, in: Xueshu Yanjiu (2012) 3, S. 97–109. 222 Am Beispiel der Provinz Jiangsu zeigt dies Hu Geng, Qingmo Minchu de shixue zhidu yanjiu. Yi Jiangsu wei zhongxin (1903–1927), Dissertation Zhongshan Daxue, Guangzhou 2008, Kapitel 2 und 3. 223 Bildungsministerium, Xuebu xing ge sheng chudeng xiaoxuetang biye wenping zhun you quanxuesuo kanyin fagei wen (1910). Durch das Wachstum des Schulsystems gewann das Prinzip der Kooperation zwischen staatlichen und lokalen Akteuren für den Staat also noch an Bedeutung. Deshalb versuchte dieser, es durch eine immer weiter steigende Zahl von Auszeichnungen aufrechtzuerhalten. Ein Blick in die Inhaltsverzeichnisse der Xuebu Guanbao verdeutlicht dies, denn hier finden sich unzählige Bitten lokaler Schulbehörden, bestimmte Mitarbeiter oder andere Akteure belohnen zu dürfen: Shanghai tushuguan (Hrsg.), Zhongguo jindai qikan pianmu huilu, Shanghai: Shanghai renmin chubanshe 1980–1984, Bd. 2, S. 1849–1908. Viele weitere Bitten um Auszeichnungen, die Beijing erreichten, finden sich unter den Abschriften der Thronberichte durch den Großen Rat, zum Beispiel ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7212–019. 224 Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Wang xiang bao gaiding sheng shixueyuan zhangcheng wen, GX 34/2/16 (18.03.1908), in: GDJYGB 1 (1910) 3, wendu, S. 66–69.
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dagogische Erfahrung haben mussten, durch den lokalen Beamten ausgewählt und durch den Bildungskommissar in sein Amt eingesetzt werden sollte. Der Kreisinspektor versah zugleich das Amt des Direktors des örtlichen „Büros zur Förderung der Bildung“ (quanxuesuo zongdong) und war angehalten, regelmäßig alle Schulen in den Städten und Dörfern aufzusuchen, anzuleiten und zu ermutigen.225 Jede Provinz wiederum war in sechs Zonen eingeteilt, für die jeweils ein Provinz-Schulinspektor (sheng shixue) zuständig war. Diese sechs Inspektoren hatten ihren Amtssitz bei der Behörde des Bildungskommissars (tixuesi), dessen Befehl sie unterstanden. Sie sollten die ihnen zugeteilte Zone in regelmäßigen Abständen bereisen, die dortigen Schulen inspizieren und dem Bildungskommissar darüber Bericht erstatten.226 Während die Regularien für die beiden unteren Ebenen also bereits 1906 weitgehend festgelegt waren, dauerte es weitere drei Jahre, bis das Bildungsministerium – vermutlich aus Gründen der Überlastung – auch für die Inspektion auf Ebene der Zentralregierung ein Verfahren festlegte.227 Doch auch auf der Ebene der Provinzen blieb die Inspektion vorerst Theorie, denn das leitende Personal musste sich zunächst das notwendige praktische Wissen aneignen: Weil sich die Bildungskommissare der meisten Provinzen derzeit auf Studienreise im Ausland befänden, meldete das Bildungsministerium Anfang 1907, mache es keinen Sinn, das Inspektionssystem der Provinzen bereits jetzt zu starten. Lieber sollten die Kommissare nach ihrer Rückkehr das System für ihre jeweilige Provinz selbst etablieren.228 Bis dahin sandte das Ministerium, auch ohne dass eine entsprechende Ordnung erlassen worden wäre, seine eigenen Inspektoren aus. Die ersten fünf von ihnen verließen Beijing im September 1906, um die Situation der Schulen in den Provinzen Zhili, Henan, Shandong und Shanxi zu untersuchen. Im Jahr darauf bereisten vier Inspektoren abermals Shandong und Henan, aber auch Fujian, Anhui und Jiangxi. 1909 untersuchten drei Abgesandte die Situation in Jiangsu, Zhejiang, Hunan und Hubei, außerdem abermals in Jiangxi, Anhui und Henan. 1910 folgte die letzte Reise, die sechs Inspekteure nach Zhili, Shandong, Shanxi, Guangxi, Fujian und schließlich und endlich auch erst- und letztmals nach Guangdong führte.229 225 Bildungsministerium, Xuebu zou chen ge sheng xuewu guanzhi zhe, GX 32/4/20 (13.05.1906), in: Zhu Youhuan, Jiaoyu, S. 43–47, hier: S. 47. 226 Ebd., S. 46; Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 408f. 227 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 131. 228 Xuebu zou pai shiguanxue [sic] pian, in: Jiaoyu shijie (1907) 1, wendu, S. 1. 229 Xuebu you zou pai shixueguan, in: Shenbao, 06.11.1910; Xuebu dui shixueguan zhi zhuzhong, in: Shenbao, 23.12.1910; Bildungsministerium, Ben bu shixueguan diaocha Henan xuewu weiyuan baogaoshu, in: Xuebu Guanbao 3 (1908) 53, GX 34/04/11 (10.05.1908); Bildungs-
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Ein festes Schema für diese zentralen Inspektionen erließ das Ministerium erst 1909. Das Reich wurde dadurch in zwölf „Inspektionsgebiete“ (shixuequ) eingeteilt, deren jeder – mit Ausnahme der Mongolei, Qinghais und Tibets – mindestens einmal in drei Jahren von zwei Inspektoren besucht werden sollte. Diese Inspektoren wurden von Fall zu Fall ernannt, zumal es für das Ministerium schwierig war, überhaupt geeignete Kandidaten zu finden. Diese sollten nicht nur „ein tiefes Verständnis der Prinzipien der Bildung“ mitbringen; zumindest je einer von ihnen musste zudem eine oder mehrere Fremdsprachen beherrschen und in Naturwissenschaften bewandert sein, um auch den Unterricht an Mittel- und höheren Schulen bewerten zu können.230 Dementsprechend uneinheitlich waren auch ihre Methoden und die Maßstäbe ihrer Beurteilungen.231 Das Ministerium versuchte 1910, dem entgegenzuwirken: Wir sind für die Bildung im ganzen Land zuständig, deshalb müssen wir über die Bildungsverwaltung einer jeden Provinz jederzeit informiert sein. […] Die Inspektion muss jetzt schnell gehen. Wenn die Kompetenzen der Inspektoren aber nicht klar sind, dann kann das zu Problemen führen. Wenn die Überprüfbarkeit der Erfolge [der Schulen] nicht festgelegt ist, dann haben die Schulverwalter keinen Maßstab, an dem sie sich orientieren können. Deshalb haben wir jetzt 33 Punkte einer Inspektionsordnung festgelegt.232
Diese Inspektionsordnung bestimmte, dass die von Beijing ernannten Inspektoren in der jeweiligen Provinzhauptstadt sowie in den Präfekturen und Distriktsitzen ausnahmslos alle Schulbehörden und Schulen visitieren mussten; jenseits dieser genügten Stichproben (choucha). An den Schulen waren neben dem Unterricht auch die hygienischen Verhältnisse, die Finanzen, die Arbeit des sonstigen Schulpersonals sowie das Sozialverhalten der Schüler zu überprüfen. Die Bezahlung der zentralen Inspektoren lag mit 160 Silberliang pro Monat mehr als doppelt so hoch wie im Falle der Provinz-Inspektoren in Guangdong. Hinzu kamen je nach Entfernung der Provinz von Beijing noch einmal 140 bis 180 Silberliang im Monat für Reisekosten.233
ministerium, Ben bu shixueguan diaocha Shandong xuewu weiyuan baogaoshu, in: Xuebu Guanbao 3 (1908) 54, GX 34/04/21 (20.05.1908); Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 133f.; Bildungsministerium, Xuebu zou niding shixueguan zhangcheng zhe bing dan, XT 1/10/29 (30.11.1910), in: DQXFL, Bd.6, S. 424–428, hier: S. 424. Der Bericht zu Guangdong ist nach meiner Kenntnis nicht erhalten geblieben. 230 Bildungsministerium, Xuebu zou niding shixueguan zhangcheng zhe bing dan (30.11.1910), S. 425. 231 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 136f. 232 Xuebu zou niding shixueguan zhangcheng shu, in: Datong bao (Shanghai) (1910) 24, S. 30. 233 Bildungsministerium, Xuebu zou niding shixueguan zhangcheng zhe bing dan (30.11.1910), S. 425, 428; Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908), S. 19.
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Dass die Reisekosten das Gehalt der Inspektoren faktisch verdoppelten, sollte ihre finanzielle Unabhängigkeit und damit die Unabhängigkeit ihres Urteils sichern. Ausdrücklich war es ihnen verboten, sich vom jeweiligen lokalen Beamten bewirten und unterbringen zu lassen. Wo immer möglich, sollten sie stattdessen in der zu visitierenden Schule übernachten und auch in der dortigen Mensa essen, mussten aber selbst dafür bezahlen. Deshalb erhielten auch die Provinz-Inspekteure in Guangdong mit gut 100 Silberliang beinahe doppelt so viel Spesengeld wie Gehalt.234 Bis dahin war es üblich gewesen, dass jedweder Abgesandte des Hofes unterwegs durch den jeweiligen Kreisbeamten bewirtet und versorgt wurde. Das hatte auch für die seit 1580 aus Beijing entsandten Aufseher über die Prüfungen auf Provinzebene gegolten, was schon damals Kritik wegen möglicher Bestechung hervorgerufen hatte.235 Nun jedoch wurde den Magistraten und Schulleitern diese Möglichkeit, auf die besuchenden Beamten einzuwirken, im Interesse schonungsloser Inspektionsberichte abgeschnitten. Ganz im Sinne des state effect markierte der Staat jetzt Distanz zur Gesellschaft, wo vordem zumindest demonstrierte Einigkeit geherrscht hatte. Noch deutlicher wird die explizite Distanz im größten Abschnitt der Regularien, der sich den Grenzen der Befugnisse der Inspektoren widmet. Konflikte zwischen der lokalen Bevölkerung und den Inspektoren waren von Beginn des Systems an vorgekommen. Durch die ebenfalls 1909 eingeführte lokale Selbstverwaltung aber hatten gerade die direkten Eingriffe durch Abgesandte der Zentralregierung noch einmal an Brisanz gewonnen. Generell war nun eine möglichst klare Trennung der Befugnisse staatlicher Stellen von jenen der Selbstverwaltung nötig geworden. Die zentralen Schulinspektoren sahen sich ab 1909 mit einer Liste von 13 Ge- und Verboten konfrontiert. Grundsätzlich durften sie bei festgestellten Mängeln die betreffende Institution zur Beseitigung dieser Mängel auffordern. Immer aber mussten sie zugleich die übergeordneten Stellen darüber informieren. Sie hatten das Recht, alle Unterlagen jeder Institution einzusehen. Um den Lernstand der Schüler zu erheben, waren sie angehalten, sowohl deren Aufzeichnungen einzusehen als auch die Lehrmaterialien und Lektürelisten. Bei jeder Inspektion sollten sie sich jedoch vom zuständigen Schulleiter oder Beamten begleiten lassen, um von ihnen Erläuterungen einzuholen. Eine vorherige Ankündgung der Inspektion war nicht notwendig, ein Abschlussbericht hingegen vorgeschrieben.236
234 Ebd.; Bildungsministerium, Xuebu zou niding shixueguan zhangcheng zhe bing dan (30.11.1910), S. 428. 235 Elman, Cultural, S. 200. 236 Bildungsministerium, Xuebu zou niding shixueguan zhangcheng zhe bing dan (30.11.1910), S. 426f.
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Wie sehr dem Bildungsministerium bei aller Kontrolle und demonstrierten Distanz gleichzeitig daran gelegen war, Konflikte zu vermeiden, zeigt die abschließende Bestimmung: Ihr zufolge waren die Inspektoren aus Beijing verpflichtet, sich nicht nur mit dem Vorsitzenden der jeweiligen Provinzversammlung, der Bildungsvereinigung und den Provinz-Inspekteuren über die lokale Schulsituation und Verbesserungsvorschläge auszutauschen. Sie sollten dies „zum gegenseitigen Nutzen“ auch mit den Inspektoren auf Kreisebene tun und möglichst auch an einer Versammlung der Bildungsvereinigung des betreffenden Kreises teilnehmen.237 Gegenüber dem Vorjahr hatte sich das Gewicht damit deutlich in Richtung Konfliktvermeidung verschoben. Noch 1908 hatte die Inspektionsordnung für die Provinzebene eine sehr viel umfassendere Liste der zu prüfenden Gegenstände enthalten – darunter Statistiken der Schule, ihre Finanzen, Architektur und Einstellungsverfahren für Lehrer – und die Inspektoren obendrein ermächtigt, in Fällen von Gewalt gegen Schulen oder Korruption neben ihren offiziellen auch Geheimberichte (mimi baogao) an das Schulamt der Provinz zu senden. Andererseits hatte man hier weniger Vorsicht gegenüber möglichen Quellen der Korruption in den Reihen der Inspektoren selbst walten lassen, die – anders als ihre Kollegen aus Beijing – nicht gegen Bezahlung in den Schulen wohnen, sondern von der lokalen Gentry auf deren Kosten untergebracht und verpflegt werden sollten. Dies war in Anbetracht der knappen Provinzkassen eine pragmatische Bestimmung, die ganz in der Tradition der lokalen Finanzierung staatlicher Aufgaben stand. In besonders armen Regionen ging der Pragmatismus sogar noch weiter: Hier sollten die Inspektoren nicht länger bloß prüfen und beraten, sondern sich gemeinsam mit dem Lokalbeamten gleich selbst um die Beschaffung von Geld zur Gründung neuer Schulen kümmern.238 Dass die Tätigkeit der Inspektoren in jedem Fall konfliktträchtig blieb, lag in der Natur ihrer Aufgabe. Wie die folgende, exemplarische Analyse einiger Berichte zeigt, war Lob viel seltener als Tadel. Gleichwohl blieb das Inspektionssystem hinter den Erwartungen zurück, was insbesondere an der mangelnden Umsetzung seiner Empfehlungen und Anordnungen lag.
237 Ebd., S. 427. 238 Gaiding sheng shixueyuan zhangcheng, GX 34/02/25 (27.03.1908), in: GDJYGB 1 (1910) 3, wendu, S. 66–69.
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3.2.2 Die Inspektion in der Praxis Da der oben erwähnte, einzige von der Zentralregierung erhobene Bericht über ganz Guangdong meines Wissens nicht erhalten ist, konzentriere ich mich auf die Kurzfassungen der Berichte der für Guangdong zuständigen Provinz-Inspektoren aus dem Jahr 1910, wozu auch die Berichte eines Wang Peisheng aus OstGuangdong gehören.239 Solche Berichte, wie sie 1910 in der Guangdong Jiaoyu Guanbao erschienen, sind bislang in der einschlägigen Forschung nicht beachtet worden.240 Hierbei handelt es sich allerdings auch um Material aus zweiter Hand. Geschrieben wurden sie vom Bildungskommissar in Guangzhou auf Grundlage jener Berichte, die er selbst von den Inspektoren der Provinz erhalten hatte. Sie sind recht kurz gehalten und bestehen im Kern aus Anweisungen an einzelne, für mangelhaft befundene Schulen. Der bei der Inspektion festgestellte Mangel wird benannt und seine Behebung angewiesen. Obwohl sie ihre Besuche nicht ankündigen mussten, erschienen zumindest die Inspekteure aus Beijing und jene aus Guangzhou offenkundig nie überraschend.241 Das lag schon daran, dass die bevorstehende Ankunft eines hohen Beamten nicht lange geheim blieb. Die Lokalzeitung Lingdong Ribao zum Beispiel kündigte ihren Lesern zuverlässig spätestens am Vortag an, dass ein Schulinspektor oder gar der Generalgouverneur selbst auf dem Weg nach Shantou sei.242 Auch als der Generalgouverneur persönlich 1911 die Grundschulen vor seiner Haustür, in Guangzhou, inspizieren wollte, war dies vorab in der landesweit wichtigsten pädagogischen Fachzeitschrift, der Jiaoyu Zazhi zu lesen,
239 Nur die detaillierten Berichte der ersten, von Yuan Shikai beauftragten Inspektoren wurden in der staatlichen „Bildungszeitschrift für Zhili“ (Zhili Jiaoyu Zazhi) insbesondere des Jahres 1904 publiziert und sind daher erhalten. Ausschließlich auf diese stützt sich Wang Wan, Wan. Sie machen auch rund 80 Prozent der in der wichtigsten Quellensammlung zur modernen chinesischen Bildungsgeschichte (ZGJDJYSZL) abgedruckten Inspektionsberichte aus. Vom Inhalt der Berichte aus anderen Provinzen – nach Etablierung des reichsweiten shixue-Systems 1906 – haben wir hingegen grundsätzlich nur fragmentarische Kenntnisse. Dies gilt insbesondere für die Berichte der lokalen Inspektoren. Eine Ausnahme stellt die Untersuchung von VanderVen, A School in Every Village, S. 69–77 dar, die sich jedoch nicht für die Technik der Inspektion und die Interaktion der Inspektoren mit der Bevölkerung wie mit den höheren Autoritäten interessiert. 240 Auch Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu stützt sich in erster Linie auf die in der o.g. Quellensammlung nachgedruckten Berichte. 241 Anders sah es offenbar bei den Kreis-Inspektoren aus, siehe VanderVen, A School in Every Village, S. 74 sowie BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S. [4]. 242 LDRB GX 32/3/18 (11.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.; LDRB GX 32/3/23 (16.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
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nebst der Bitte, Lehrer und Schüler mögen sich nicht eigens auf den hohen Besuch vorbereiten, sondern so tun, als sei alles wie immer.243 Da war es nur konsequent, dass die Leiter der quanxuesuo schon qua Regularien verpflichtet waren, alles für den Besuch eines Provinzinspekteurs vorzubereiten, um diesem die Arbeit zu erleichtern.244 Den Maßstab für die Inspektionen bildeten allgemein die Regularien der jeweiligen Schulform, anhand derer die Inspekteure zum Beispiel die Lehrpläne, die Zahl und Qualifikation der Lehrer oder die Zahl und Art von Räumen überprüften. Eine herausragende Rolle spielten daneben aber die für alle Schulen verbindlichen, 1904 erstmals erlassenen „Generellen Verwaltungsregeln für alle Schulen“, die 1910 in überarbeiteter und erweiterter Form erschienen. Sie waren, wie die für alle Schulen einheitlichen Bestimmungen der Ferienzeiten, ein wichtiges Instrument oder zumindest Symbol der staatlich verordneten Homogenisierung.245 Die Verwaltungsregeln bestimmten alle Angelegenheiten, die jenseits der rein fachlichen lagen und die für die zivilisierungsmissionarischen Aspekte der Schulreformen – und damit für den state effect – von entscheidender Bedeutung waren: das korrekte Verhalten von Lehrern, sonstigem Schulpersonal und Schülern, Prüfungen und Verleihung von Abschlüssen, die richtige Aufteilung, Einrichtung und Nutzung von Räumen, Kleidungsvorschriften, das richtige Begehen der Feiertage, Strafen und Belohnungen, Finanzierung, Behandlung von Gästen, Architektur, Hygiene und vieles mehr.246 Hauptkritikpunkte in den Berichten Wang Peishengs und anderer waren weniger mangelnde Disziplin seitens der Schüler, als vielmehr die fachliche Eignung von Lehrern, die verwalterischen Fähigkeiten von Schulleitern, die zu ge243 Yue du shixue, in: Jiaoyu zazhi 3 (1911) 3, jishi, S. 26. 1904, als das System der Inspektionen noch nicht etabliert war, war seinem Amtsvorgänger dagegen ein Überraschungsbesuch an der Provinz-Hochschule (Guangdong Gaodeng Xuetang) im ehemaligen Guangya Shuyuan in Guangzhou geglückt: Der erzürnte Generalgouverneur fand dort nur einen Lehrer und wenige Schüler, woraufhin er die Verantwortlichen teils entließ und teils anderweitig bestrafte, siehe Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 7, S. 147. Den Kreis-Inspekteuren hingegen scheinen auch nach 1906 noch tatsächliche Überraschungsbesuche gelungen zu sein, siehe VanderVen, A School in Every Village, S. 74. 244 Bildungsministerium, Xuebu zouding quanxuesuo zhangcheng, Juni 1906, in: Zhu Youhuan, Jiaoyu, S. 62–65, hier: S. 63. 245 Tatsächlich beriefen sich auch die individuellen Verhaltensregeln und Strafkataloge einzelner Schulen explizit auf die „Generellen Verwaltungsregeln“, so zum Beispiel die Guangdong fazheng xuetang (Hrsg.), Guangdong fazheng xuetang guanli xice, Guangzhou [1906] [Sun Yat-sen Bibliothek Guangzhou]. 246 Zouding ge xuetang guanli tongze, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 481–494; Bildungsministerium, Xuebu zou zengding ge xuetang guanli tongze zhe bing dan, XT 1/12/28 (07.02.1910), in: DQXFL, Bd. 7, S.350–365.
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ringen Budgets einzelner Schulen sowie Platzmangel und mangelhafte Qualität der Schulgebäude. In den Kreisen der Präfektur Chaozhou fand Wang insgesamt jedoch wenig zu kritisieren. Einzelne Schulen verfügten zwar, wie zum Beispiel die staatliche Mittelschule in Haiyang, über zu wenig Platz und hatten deshalb zu wenige Schüler aufgenommen, und andere hatten zu kleine Klassen eingerichtet, was jeweils geändert werden solle – insgesamt aber fehle es in Chaozhou nicht an Menschen, die sich für die Schulen einsetzten.247 Dass die Situation der neuen Schulen in dieser wohlhabenden Präfektur insgesamt relativ gut war, wird aus dem Vergleich mit dem ärmeren Westen Guangdongs deutlich. Die Berichte des dort zuständigen Inspektors aus dem Hinterland des abgelegenen Vertragshafens Beihai (Pakhoi) jedenfalls veranlassten den Bildungskommissar nicht nur zu viel zahlreicheren Ermahnungen wegen schlecht ausgestatteter, zu enger und dunkler Schulgebäude, zu weniger Schüler, zu niedrigen Niveaus oder mangelnder Hygiene; gleichzeitig lobte er auch viele Schulleiter, sie machten trotz der Abgelegenheit der Region, trotz des „von Banditen angerichteten Chaos“ und trotz der chronischen finanziellen Probleme doch gute Arbeit.248 Wenig überraschend, kamen die klassischen Privatschulen in den Berichten meist sehr schlecht weg. Über jene in Guangzhou urteilte der Bildungskommissar fast ausschließlich, im Unterricht werde noch immer auswendig gelernt statt erklärt, der staatliche Lehrplan finde keine Beachtung, die modernen Lehrbü247 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Haiyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 92f.; Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Chaoyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 93; Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Jieyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 93f.; Bildungskommissariat von Guangdong: Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Puning xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 94. Die Kategorie minli kam in den Schulgesetzen nicht vor, wurde in Guangdong jedoch häufig in Zusammenhang mit Klanschulen verwendet, die dann zusätzlich den jeweiligen Klan im Namen trugen. 248 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Lianzhou fu guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 94f.; Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Qinzhou guan min ge xuetang baogao zha zhou zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 95f.; Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Fangcheng xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 96; Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Lingshan xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 96f.
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cher fehlten, die Lehrer seien unqualifiziert und die Zahl der Schüler sei fast immer zu gering. Dennoch befahl er zunächst, die sishu weiter zu beobachten, nur eine einzige sollte aufgrund der Inkompetenz des Lehrers geschlossen werden.249 Mit diesen Berichten erlangte die Bildungsverwaltung zweifelsohne einen Überblick über den lokalen Stand der Schulentwicklung. Ob aber die Anweisungen des Bildungskommissars vor Ort dann auch befolgt wurden, ist zweifelhaft. Eher pessimistisch äußerten sich dazu 1910 jedenfalls Generalgouverneur Yuan Shuxun sowie der Bildungskommissar. Zu einem Bericht und den Anweisungen von Inspektor Zheng Zuren bezüglich eines Distriktes im Südwesten der Provinz schrieb der Generalgouverneur, Zheng habe alle Ergebnisse sehr anschaulich zusammengefasst und alle seine Ansichten seien richtig. Doch Yuan bezweifelte, dass die Anweisungen auch umgesetzt würden. Falls die Missstände nach einem Jahr nicht behoben seien, solle man den lokalen Beamten dafür zur Rechenschaft ziehen. Der Bildungskommissar führte sodann im Detail aus, welche der häufigsten Mängel wie zu beheben seien.250 Das periodische Auftauchen der Inspektoren – gleich ob von Kreis-, Provinz- oder Zentralregierung – war eine wichtige Komponente des state effect. Denn die Inspektionen wurden vor Ort bisweilen als schwerer Eingriff wahrgenommen. Dies zeigte sich an vereinzelten Unruhen und Streiks von Schülern, die auf solche Inspektionsbesuche folgten.251 Offenbar wollten die zunehmend selbstbewussten Schüler sich nichts vom Staat vorschreiben lassen oder zweifelten die Autorität individueller Inspektoren an. In der Stadt Songkou, Distrikt Jiaying, verprügelte 1908 ein Mob den Schulinspektor.252 Der Basler Missionar Friedrich Lindenmeyer, selbst Leiter einer Mittelschule der Mission in Jiaying, wusste von einem anderen Zwischenfall an einer Schule unweit der Stadt zu berichten, bei dem die Schüler den überrumpelten Inspektor aus der Schule warfen, unter anderem weil sie sich nicht von jemandem ihr Verhalten hätten vorschreiben lassen wollen, der selbst (im Klassenraum) Opium rauche.253 Auch 249 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju shengcheng shixueyuan Deng Songtao deng bingjiao ge xuetang sishu baogao zha xiang banli wen (1909), S. 43; Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Jiang ju shengcheng shixueyuan Deng dashi Songtao deng diaocha sishu baogao zhachi Nan Pan liang xian huitong quanxuesuo fenbie zhengdun wen, 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 3, baogao, S. 28–34. 250 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si feng du pi Nanshaolian sheng shixue yuan Zheng ling Zuren bing jiao baogao tubiao tongchi zunzhao fangban wen (1908). 251 LDRB GX 30/4/2 (16.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r; LDRB GX 30/4/3 (17.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r f. 252 Shenbao, 13.05.1908, siehe Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 7, S. 104f. 253 BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S. 4.
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Guo Moruo (1892–1978), der spätere Vorsitzende des Schriftstellerverbandes der Volksrepublik China, berichtet in seiner Autobiographie von Zusammenstößen zwischen den Schülern der Mittelschule in Chengdu, die er zur Zeit der „Neuen Politik“ besuchte, und dem Schulinspektor, den erstere ebenfalls als staatliche Zumutung empfanden.254 Die fehlende Einheitlichkeit des Inspektionssystems, die schleppende Behebung beanstandeter Mängel und der Widerstand in der Bevölkerung blieben der Öffentlichkeit nicht verborgen. Auch die protestantischen Missionare lehnten vor diesem Hintergrund ein einheitliches Inspektionssystem für alle Missionsschulen in China ab. 1911 sprach sich mit Li Chih eines der wenigen chinesischen Mitglieder der Educational Association of China gegen die Einführung eines solchen Systems aus: Dieses würde nur Unmengen von Geld kosten, und Schulinspektoren seien, so Lis eigene Erfahrung aus dem staatlichen Schulsystem, meist bestechlich oder darauf bedacht, sich selbst zulasten der visitierten Schulen zu profilieren.255 Für die Protagonisten eines eben erst eingeführten, staatlichen Schulsystems, die selbst allesamt noch in der unregulierten Welt der sishu aufgewachsen waren, bedeutete die Inspektion eine Zumutung, die die vorherige, relative Freiheit der Lehre massiv einschränkte. Entsprechend gering war ihre Bereitschaft, sich den Anweisungen, die aus der Inspektion folgten, zu beugen. Einmal mehr erwies sich der neue Anspruch des Staates als schwer umsetzbar, und er brachte die Inspektoren aller Ebenen und damit die Repräsentanten des Staates erneut in Opposition zur Gesellschaft. Um die Schulleute vor Ort zu disziplinieren und in das nationale Projekt moderner Staatlichkeit einzubinden, bedurfte es offenkundig weiterer Maßnahmen. „Training“ hieß eine davon.
3.3 Training Dass neue Herausforderungen zuallererst durch neue Formen der Bildung würden bewältigt werden können, hatte schon lange zu den Kernüberzeugungen chinesischer Politik gehört. Eben deshalb bildeten die Schulreformen ja auch die Speerspitze der „Neuen Politik“. Schon im 19. Jahrhundert waren aus diesem Glaubenssatz die diversen Fachschulen für Übersetzer und Dolmetscher, Schiffsoffiziere, Bergbauingenieure und andere entstanden. Dennoch rief eine hoch spezialisierte Behörde wie der Seezoll bereits 1896 nach mehr chinesi254 Guo Moruo, Jugend. Übertragen aus dem Chinesischen und Nachwort von Ingo Schäfer, Frankfurt a. M.: Insel-Verlag 1985, S. 31–35. 255 Li Chih, System or no System?, in: Educational Review 4 (1911) 4, S. 10–12.
3.3 Training
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schen Männern mit einer Ausbildung in westlichen Wissenschaften, auch für andere Behörden.256 Nach 1900 aber führte die neue Breite und Geschwindigkeit der Reformen zu einer funktionalen Differenzierung und fachlichen Spezialisierung unterschiedlicher Verwaltungszweige in einem Ausmaß, das insbesondere für die Lokalbeamten ein absolutes Novum war. Diese hatten bis dahin wie erwähnt nur einen inoffiziellen Kreis von Mitarbeitern unterhalten.257 Nun reichte es nicht mehr, wie noch ein Jahrzehnt zuvor wenige Fachkräfte in mehrjährigen Kursen in einigen ausgewählten Städten auszubilden. Die verschiedenen Kommissionen, die die Qing nach Japan, Europa und Nordamerika entsendet hatten, um die besten Wege für künftige Reformen zu eruieren, hatten schnell festgestellt, dass keine der anstehenden Umwälzungen zur Schaffung einer Nation sich ohne zusätzliche Ausbildung für die Beamten würde bewerkstelligen lassen.258 Schon ab 1901 entstanden so von Shandong bis Yunnan insgesamt 23 „Schulen für Beamte“ (shixueguan und keliguan), die im Idealfall von jedem im Amt befindlichen und angehenden Beamten besucht werden sollten.259 Doch damit nicht genug: Im Schulbereich brauchte nun auch jeder Schulleiter, jeder Lehrer und Angestellter, jeder Mitarbeiter der Bildungsverwaltung und jedes Mitglied eines quanxuesuo neue Fachkenntnisse und praktisches Know-How, um als Teil der expandierenden Bürokratie bestehen zu können.260 Zu diesem Zweck wurden schon früh verschiedene „Trainingszentren“ (lianxisuo) eingerichtet, die längst nicht auf den Bildungsbereich beschränkt waren.261 Ihre Geschichte verdeutlicht nicht nur, wie neu die „Neue Politik“ mit ihrem Bestreben, immer weitere Kreise der Bevölkerung in den Dienst der Nation stellen, tatsächlich war. Sie verdeutlicht zugleich, dass dieses Unterfangen mehr Geld kosten würde, als dem Staat zur Verfügung stand. Und sie zeigt, dass Zhang Zhidongs Maxime, derzufolge „chinesische Lehren als Grundlage“ dienen sollten, endgültig obsolet war: Als Lehrbücher kamen an den Zentren ganz über256 Hosea Ballou Morse, The Value of the Work of the Association to the Government of China, in: Educational Association of China (Hrsg.), Records of the Second Triennial Meeting of the Educational Association of China, held at Shanghai, May 6–9, 1896, Shanghai: American Presbyterian Mission Press 1896, S. 175–178, hier S. 176. 257 Guan Xiaohong, Cong mufu dao zhiguan, S. 102f. 258 Thronbericht von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 31/11/23 (19.12.1905), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7215–085. 259 Xu Bao’an, Qing mo difang guanyuan xuetang jiaoyu shulun. Yi keliguan he fazheng xuetang wei zhongxin, in: Jindaishi yanjiu (2008) 1, S. 84–103, hier S. 87f.; Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 267f. 260 Culp, Review, S. 164. 261 Xu Wenyong, Qingli, S. 201–206. Zu den ganz ähnlichen Trainingszentren für angehende Polizisten, siehe Halsey, Quest, S. 139–142.
162 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
wiegend Übersetzungen aus dem Japanischen zum Einsatz. Chinas Rettung lag nicht länger in den eigenen Erfahrungen, sondern im Ausland. In Guangdong rief das eben gegründete Schulamt bereits Ende 1903 ein „Trainingszentrum für das Personal der neuen Schulen“ (xuetang renyuan lianxisuo) ins Leben. Hier konnten sich Männer aus der Gentry aller Kreise der Provinz auf Vorschlag des Kreisbeamten um die Teilnahme an einem viermonatigen Kurs bewerben, der im Gebäude des staatlichen Guangya-Verlages (Guangya Shuju) in Guangzhou stattfand, den Zhang Zhidong 1877 zusammen mit der Akademie gegründet hatte, um für die Verbreitung der neuen Wissenschaften zu sorgen. Zudem konnten auch Schulen direkt einzelne Lehrer oder Verwalter hierhin entsenden. Voraussetzung waren mindestens ein shengyuanTitel, ein Alter zwischen 24 und 49 Jahren, Kenntnisse des Hochchinesischen sowie fünf Empfehlungsschreiben.262 Die maximal 160 erfolgreichen Bewerber hatten für den gesamten Lehrgang ein Schulgeld von 30 Yuan zu entrichten, das jeweils von dem Kreis beglichen werden sollte, der sie geschickt hatte. Den so generierten Einnahmen von 4.800 Yuan standen durch die Anstellung eines Leiters und zweier Lehrer sowie durch Kosten für Feuerholz und Verpflegung jedoch Ausgaben von insgesamt 6.810 Yuan gegenüber. Das Schulamt musste die Lücke von gut 2.000 Yuan aus den spärlichen eigenen Mitteln stopfen. Dies gab einen Vorgeschmack darauf, wie teuer die Expansion der Bürokratie und die dafür notwendige Professionalisierung immer weiterer Bevölkerungskreise noch werden sollte. Mehr als zwei Drittel der Aufwendungen für die Ausbildung von gerade einmal zwei bis drei Schulverwaltern aus jedem Kreis hatte die Provinz von eben diesen Kreisen selbst eingetrieben – und dennoch stöhnte das Schulamt unter den verbleibenden Kosten. Ein staatliches Schulsystem für alle (künftigen) Bürger würde, das war spätestens jetzt klar, sehr viel mehr kosten als das noch bestehende, reine Prüfungswesen.263 Der Unterricht umfasste Mandarin (guanhua), Schulverwaltung, Schulfinanzierung, Bildungsgeschichte und Pädagogik. Als Lektüre waren unter anderem die ersten beiden Bände eines „Lehrbuchs der Pädagogik“ (Shifan Jiangyi) des erst im Januar 1902 eigens für Studenten aus China gegründeten KobunInstituts (Hongwen Xueyuan/Kobun Gakuin) in Tokio vorgesehen. Am Ende der vier Monate sollten die Absolventen dann an ihren Heimatort zurückkehren,
262 Guangdong xuewuchu, Banli xuetang renyuan lianxi suo zhangcheng, 1903 [Sun Yat-sen Bibliothek, Guangzhou], S. 1r–2; Xu Wenyong, Qingli, S. 101. 263 Guangdong xuewuchu, Banli, S. 16r.
3.3 Training
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um dort als Schulleiter oder auf anderen Posten der Schulverwaltung zu wirken.264 Im Osten der Provinz traf die Initiative des Schulamtes von Guangdong kurz vor Beginn der Sommerferien 1904 auf ein breites Echo. Dem Aufruf, Kandidaten für das Trainingszentrum zu benennen, folgten mindestens die Kreisbeamten von Xingning, Haiyang und Changle; außerdem entsandte der einflussreiche Huang Zunxian in seiner Funktion als inoffizieller Bildungsbeauftragter des Distrikts Jiaying mehrere Kandidaten, und Wen Zhonghe (1849–1904) schickte als Leiter der Lingdong Tongwen Xuetang in Shantou zwei Lehrer zur Aufnahmeprüfung an das Zentrum. Die zwei Personen, die jeder Kreisbeamte nominierte, erhielten für die Fahrt nach Guangzhou vom Magistrat ein Reisegeld.265 Wie groß aber der Bedarf an einem solchen Training war und wie groß auch das Vertrauen, dass ein solches sich auszahlen werde, zeigt die Tatsache, dass sich neben den offiziellen Kandidaten auch der eine oder andere „Selbstzahler“ auf den Weg machte, der die Kosten für die lange Reise zur Aufnahmeprüfung oder gar die gesamte Ausbildung aus eigener Tasche zu finanzieren bereit war.266 Während sich dieser frühe, grundlegende Crash-Kurs in Schulverwaltung an die Praktiker in den xuetang richtete, zielten bald darauf andere Formen der Ausbildung allein auf die professionellen Bürokraten. Stark beschleunigt wurde dieser Trend durch die Abschaffung der Beamtenprüfungen 1905. Mit ihnen war ein allgemeiner Bewertungsmaßstab für das Verwaltungspersonal abhanden gekommen, was die Bürokratie bei der Suche nach geeigneten Kandidaten für all die alten und neuen Posten vor schwerwiegende Probleme stellte. Zwar vergaben nun die neuen Schulen die alten Prüfungstitel, die bis zur Einführung ei264 Guangdong xuewuchu, Banli. Gründer des Kobun-Instituts war Kanō Jigorō (1860–1938), der Präsident der Pädagogischen Hochschule in Tokio. Er hatte bereits 1897 die erste Gruppe chinesischer Studenten in Japan betreut und kannte sich mit den Problemen, die diese mit dem japanischen Schulsystem hatten, sehr gut aus, siehe Paula Harrell, Sowing the Seeds of Change. Chinese Students, Japanese Teachers, 1895–1905, Stanford, CA: Stanford University Press 1992, S. 34, 42f. – Der xuetang jiandu oder Schulleiter war der höchste Posten an einer Schule und übte, wie die Amtsbezeichnung nahelegt, eine Überwachungsfunktion (jiandu) aus. Der xuetang zongli oder der xiaozhang als Direktor waren ihm unterstellt, siehe Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 273. Zur Vieldeutigkeit der Begriffe „Mandarin“, „guanhua“ und auch „guoyu“ im Kontext des Schulunterrichts, siehe unten Kapitel 4.2.2. 265 LDRB GX 30/4/28 (11.06.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/5/15 (28.06.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/5/23 (06.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/5/24 (07.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/5/28 (11.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v. Zu Huang Zunxians herausgehobener Stellung siehe unten Kapitel 4.1; zu Wen Zhonghe, siehe Qiu Zhuchang, Qiu Fengjia jiao wang lu, Wuhan: Huazhong shifan daxue chubanshe 2004, S. 209f. 266 So geschah es zumindest in den Kreisen Xingning und Haiyang: LDRB GX 30/5/23 (06.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/5/24 (07.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v.
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nes neuen Systems der Beamtenauswahl im Jahr 1911 auch weiterhin zum Eintritt in den Staatsdienst berechtigten.267 Doch die Zahl der Schulabsolventen übertraf jene der erfolgreichen Prüflinge im alten System um ein Vielfaches, ohne dass der Schulabschluss immer zwingend Ausweis einer ausreichenden Qualifikation in den neuen Verwaltungstechniken gewesen wäre. Als Konsequenz führten verschiedene Ministerien schon ab 1907 ihre eigenen Einstellungstests ein, und auch in anderen Bereichen traten immer neue Prüfungen an die Stelle des eben abgeschafften, einheitlichen Systems: Es gab spezialisierte Tests für zurückkehrende Auslandsstudenten, für Absolventen neuer Schulen ohne Anstellung und Nachprüfungen für Träger von Titeln aus dem alten Prüfungssystem.268 Hinsichtlich der Ausbildung in jenen neuen Kenntnissen, die die Spezialprüfungen den Kandidaten abverlangten, wurde gerade das Angebot für die Elite der Beamten – anders als für die Graswurzel-Ebene der Schulangestellten – auch mehrfach erweitert. 1906 machte das Bildungsministerium die regelmäßige Aus- oder Fortbildung in moderner Bildungsverwaltung zur Pflicht für alle Beamten der Schulämter. In den Hauptstädten der Provinzen waren wie erwähnt „Trainingszentren für Beamte der Bildungsverwaltung“ einzurichten, an denen alle Beamte unterhalb des Bildungskommissars mindestens drei Mal in der Woche Unterricht in Pädagogik, Bildungsverwaltung, Inspektion und weiteren Fächern besuchen mussten. Unter Oberaufsicht des Gouverneurs sollte der Bildungskommissar dafür die geeigneten „inländischen oder ausländischen Experten“ als Lehrer ernennen.269 Als das Schulamt von Guangdong 1908 ein solches Trainingszentrum in Guangzhou zu eröffnen plante, veranschlagte es die einmaligen Investitionen auf überschaubare 500 Silberliang, die laufenden Kosten vor allem für die Gehälter der Dozenten jedoch auf jährlich 2.000 Liang.270 Auch hier zeigte sich, dass das breitenwirksame Lernen vom Ausland hohe Kosten verursachte. Außerdem legte der Zentralstaat 1906 fest, dass jeder Vorsteher eines Schulbezirks vor Amtsantritt zwei Monate lang ein am Sitz des quanxuesuo einzurichtendes „Bildungsinstitut“ (jiaoyu jiangxisuo) besuchen sollte, um
267 Kuo, Chinese System of Public Education, S. 99. Ab 1911 bekamen Schulabsolventen nur noch rein akademische Titel, nicht mehr per se zu einem staatlichen Amt berechtigten. 268 Strauss, Creating, S. 845–849; Luca Gabbiani, „The Redemption of the Rascals“. The Xinzheng Reforms and the Transformation of the Status of Lower-Level Central Administration Personnel, in: Modern Asian Studies 37 (2003) 4, S. 799–829. 269 Bildungsministerium, Xuebu zou chen ge sheng xuewu guanzhi zhe (13.05.1906), S. 47; Sun Peiqing, Zhongguo, S. 400. 270 Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908), S. 5r.
3.3 Training
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ebenfalls die Grundlagen der Pädadgogik und Bildungsverwaltung zu erlernen.271 Neben solche Sofortmaßnahmen zur Weiterbildung traten ab 1906 die allgemeineren „Hochschulen für Recht und Verwaltung“ (fazheng xuetang), an denen künftige Beamte in einem dreijährigen Studium auf die werdende neue Welt der Bürokratie vorbereitet werden sollten.272 Doch schon 1905 warnte der Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, Cen Chunxuan, die an ihren Vorgänger-Institutionen, den eingangs dieses Abschnitts erwähnten „Schulen für Beamte“ gepflegte „strenge Methode der Prüfung und starke Betonung der Pflichten der Beamten“ allein reichten nicht aus: Die Dinge verändern sich jeden Tag, die akademischen Gegenstände werden jeden Tag komplizierter; die Politik und das Recht der Länder in Ost und West sind alle bedeutungsvoll, und sie sind das, was China früher nie gehabt hat.273
Daher, so Cen weiter, solle man nicht länger auf der „alten Bildung“ beharren und sich stattdessen ganz dem Studium des Auslands widmen. Weil zudem das 1902 in Guangzhou gegründete keliguan bislang keinen einzigen Absolventen hervorgebracht hatte, plante Cen, dieses in eine „Hochschule für Recht und Verwaltung“ auf Provinzebene umzuwandeln. Dort sollten Lehrbücher nicht nur zu chinesischem, sondern auch zu ausländischem Recht und Verwaltung benutzt werden, und ein Teil der Lehrer sollte ebenfalls aus dem Ausland kommen. Als Schüler für das vierjährige Studium habe er „Beamte im Wartestand“ (houbu guan), amtierende Beamte sowie generell Mitglieder der Gentry vorgesehen, die alle unter 39 Jahre alt sein sollten. Cen plante zudem weitere fazheng xuetang in der ganzen Provinz, denn langfristig sollten nach seinen Vorstellungen alle Beamtenstellen in Guangdong nur noch an Absolventen dieser Hochschulen vergeben werden.274 Cens Vorstoß fiel auf fruchtbaren Boden. Die Nachfrage nach Beamten, die in den neuen Verwaltungstechniken professionell geschult waren, war in ganz China derart groß, dass der Hof 1907 per Edikt schließlich alle Gouverneure aufforderte, „Hochschulen für Recht und Verwaltung“ nach dem Vorbild Guang271 Bildungsministerium, Xuebu zouding quanxuesuo zhangcheng (Juni 1906); Sun Peiqing, Zhongguo, S. 402. Allerdings wurden diese Institute 1911 wieder abgeschafft, siehe Quanxuesuo xin jiu zhangcheng duizhao biao (1911), S. 103. 272 Xia Chengfeng (Hrsg.), Xiandai jiaoyu xingzheng, Shanghai: Zhonghua shuju 1932, S. 365. Tatsächlich brachten diese Hochschulen eine Reihe von Absolventen hervor, die nach der Revolution von 1911 zur politischen Elite des Landes gehören sollten, siehe Miles, Out, S. 49. 273 Thronbericht von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 31/11/23 (19.12.1905), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7215–085. 274 Ebd.
166 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
dongs auch in ihren Provinzen einzurichten.275 Die Hinwendung zu ausländischen Techniken, Lehrbüchern und Lehrern machte so aus der einstmaligen Peripherie der Gelehrsamkeit binnen kürzester Zeit einen nationalen Vorreiter.
Abb. 11: Zimmer frei: Unterrichtsgebäude der „Hochschule für Recht und Verwaltung“ der Provinz Guangdong (Guangdong Fazheng Xuetang) im Amtssitz des neuen Bildungskommissars in Guangzhou, ca. 1910
Passend dazu hatte Generalgouverneur Cen für die Hochschule in Guangzhou ursprünglich auch ein neues, repräsentatives Gebäude errichten wollen. Doch wieder vereitelten die materiellen Beschränkungen den Traum von einem runderneuerten chinesischen Staat. Anfang 1906 vermeldete der letzte Bildungsdirektor Guangdongs, Cens Vertrauter Yu Shimei (1853–1915), dass für einen Neubau kein Geld und für einen Anbau kein Platz vorhanden sei. Wie so oft aber erwies sich die „Neue Politik“ auch als Lehrmeister in der Kunst der Improvisation: In seinem eigenen Amtssitz, so Yu weiter, seien allerdings durch die Ab275 Hou Yijie, Ershi shiji chu Zhongguo zhengzhi gaige fengchao. Qing mo lixian yundong shi, Beijing: Zhongguo renmin daxue chubanshe 2009, S. 99.
3.3 Training
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schaffung der Beamtenprüfungen – bis dahin die Hauptaufgabe des xuezheng – etwa einhundert Räume frei geworden. Die neue Hochschule könne also in den Ostflügel (Abb. 11) einziehen, ohne nennenswerte Kosten zu verursachen. Als Vorteil komme hinzu, dass die Hochschule sich dadurch ein Gebäude mit dem künftigen Bildungskommissar teile, was ihre Überwachung erleichtern werde.276 Das war ein ernstzunehmender Aspekt. Die Männer, die diese Hochschule besuchten, sollten jene Disziplin und Regelkonformität, für die sie später als Beamte sorgen sollten, zunächst selbst zu verkörpern lernen. Wiewohl es sich um Erwachsene handelte, wurden sie denselben strengen Verhaltensnormen unterworfen wie selbst Grundschüler: Wer mehr als zehn Minuten verspätet zum Unterricht erschien, erhielt einen Malus-Punkt; wer im Unterrichtsraum nicht auf Sauberkeit achtete, erhielt zwei Mali; drei Mali gab es für Unaufmerksamkeit während einer Vorlesung oder für diejenigen, die auf dem Sportplatz nicht die vorgeschriebene Kleidung trugen; auf Lügen standen fünf, und auf mangelnden Respekt gegenüber dem Lehrer gar zehn Mali.277 Wie schon das Trainingszentrum im Sommer 1904, lockte nun auch die „Hochschule für Recht und Verwaltung“ viele Bewerber aus dem Osten Guangdongs an. Im März 1906 verbreitete die Lingdong Ribao die Kunde, dass Cen Chunxuan telegraphisch alle Kreise aufgerufen habe, Kandidaten zur Aufnahmeprüfung nach Guangzhou zu schicken.278 Kurz darauf hatten in Chaoyang bereits das Amt für Sicherheit (bao’an ju) und das Schulamt gemeinsam zwei shengyuan in den Zwanzigern und einen älteren Regierungsstipendiaten (linsheng) als Kandidaten ausgewählt. Ende April wurde den drei Herren ihr Reisegeld ausgezahlt und sie bestiegen in Shantou ein Schiff, das sie in die Provinzhauptstadt bringen sollte.279 Der Kreis Fengshun im Distrikt Jiaying entsandte zur gleichen Zeit zwei Kandidaten, die Kreise Chenghai, Xingning und Jieyang je einen.280 276 Thronbericht von Bildungsdirektor Yu Shimei, GX 32/2/5 (27.02.1906), ZDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7216–020. Yu Shimeis Amt wurde im Mai desselben Jahres durch das des Bildungskommissars (tixueshi) ersetzt, siehe oben Kapitel 2.5; zu Yu Shimeis Laufbahn, siehe Zeng Fanliang, Wan Qing Hexian ji mingchen Yu Shimei shengping yanjiu, in: Hezhou xueyuan xuebao 24 (2008) 1, S. 31–38. 277 Guangdong fazheng xuetang (Hrsg.), Guangdong fazheng xuetang guanli xice, Guangzhou [1906] [Sun Yat-sen Bibliothek Guangzhou], S. 4r–5r. 278 LDRB GX 32/3/6 (30.03.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 279 LDRB GX 32/3/20 (13.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 32/3/30 (23.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 280 LDRB GX 32/3/30 (23.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r; GX 32/3/28 (21.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 32/4/16 (07.06.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r; GX 32/4/8 (01.05.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
168 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Da die Beamtenprüfungen seit einem halben Jahr Geschichte waren, stellte die Aussicht auf einen Platz an der neuen Kaderschmiede in der Provinzhauptstadt eine rare Chance auf raschen Aufstieg im Staatsdienst dar. Während in Jieyang das Schulamt seinen Kandidaten in einem nicht näher erläuterten Verfahren ausgesucht hatte, hatte man sich in Jiaying dazu entschlossen, eine Auswahlprüfung (xuanju) zu veranstalten.281 Am Morgen des 17. April 1906 zeigte sich, dass mit dem Ende der Staatsprüfungen auch alte gesellschaftliche Abgrenzungen im Wanken begriffen waren. Die staatlich propagierte Idee universeller Bildung fiel gerade im armen Hinterland auf einen Boden, der fruchtbarer war, als der bisherigen Gentry lieb sein konnte: An jenem Tag [der Auswahlprüfung] versammelten sich plötzlich lauter Menschen, die nicht der Welt der Gelehrten entstammten. Ein großer Teil von ihnen waren Unwissende. Sie kamen mit allerlei erpresserischen Forderungen zum Schulamt. Mit Nachdruck forderten sie das Recht, alle ausgewählt zu werden. Als die Mitarbeiter des Schulamtes diese Situation sahen, fürchteten sie, dass die Auswahlprüfung so nicht in legitimer Weise würde abgehalten werden können.282
Und so sagten die Mitarbeiter die Prüfung für jenen Tag ab und wandten sich stattdessen an den Magistrat. Dieser beschloss, die nach Cen Chunxuans Vorgaben ohnehin einzig zur Aufnahme in die Hochschule zugelassenen Gentry-Mitglieder direkt zur Auswahlprüfung einzuladen und forderte die Vorsteher eines jeden bao auf, jeweils geeignete Kandidaten zu schicken.283 Die dieser Art begrenzte Auswahlprüfung fand dann zehn Tage später, am 27. April, im Yamen des Magistrats statt. Diese an sich unbedeutende Episode verdeutlicht einmal mehr, wie es passieren konnte, dass die „Neue Politik“ zum Totengräber ihrer eigenen Erfinder wurde. Nicht allein der neue Anspruch des Staates war meilenweit von seiner Realisierung entfernt. Auch die Erwartungen an das persönliche Fortkommen, die speziell die Bildungsreformen in vielen Menschen weckten, wurden massiv enttäuscht. Trotz avisierter Massenbildung blieben die Vorrechte der alten Elite bestehen, während zugleich ein Aufrücken in dieselbe seit 1905 versperrt war. Die Frustration hierüber, die in Jiaying kurz aufblitzte, sollte fünf Jahre später einen wesentlichen Anteil am Ende der Kaiserherrschaft haben. Die erfolgreichen Kandidaten aus dem Kreis der alten Gentry indes lernten in Guangzhou in den ersten Jahren vor allem die Inhalte der „Statuten der Gro-
281 Theoretisch könnte dies auch eine Wahl gewesen sein, siehe gleich Kapitel 3.4. 282 LDRB GX 32/4/4 (26.05.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 283 Zu Aufbau und Funktion des baojia-Systems als Organisation der Bevölkerung während der Qing-Zeit siehe Hsiao, Rural, S. 43–83 sowie knapper Hucker, Dictionary, S. 90.
3.3 Training
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ßen Qing“ und der jüngsten Gesetze der „Neuen Politik“ (Da Qing lü).284 Doch Ende 1910 wurde der Lehrplan den stetig wachsenden Herausforderungen weiter angepasst. Insbesondere die Neuerungen, die das 1909 erlassene Gesetz zur lokalen Selbstverwaltung mit sich brachte, fanden nun Berücksichtigung. Den bisher einzigen Hauptfächern – Recht (falü) und Verwaltung (zhengzhi) – wurde als drittes Finanzwesen und Wirtschaft (caizheng jingji) an die Seite gestellt. Zur Begründung hieß es, dass die Wirtschaft in China dringend geordnet werden müsse und es deshalb nicht länger reiche, wenn sich einige der Studenten allein aus eigenem Antrieb auf Wirtschaftsfragen spezialisierten. Entsprechend dem gesteigerten Lernumfang wurde die Dauer des Kurses von drei auf vier Jahre angehoben.285 Neben dem grundsätzlichen Ziel einer ökonomischen Mobilisierung war für diese neue Schwerpunktsetzung auch die Veröffentlichung der Finanzberichte der Provinzen zur selben Zeit verantwortlich, die zeigten, dass die öffentlichen Haushalte dringen der Reform bedurften. Dennoch konnte die Ausbildung selbst an diesen spezialisierten Hochschulen nicht lange schritthalten mit der quantitativ wie qualitativ rasant steigenden Nachfrage nach Personal. Ebenfalls 1910 forderte das Amt zur Vorbereitung der Verfassung in Guangdong (Guangdong xianzheng choubei chu) daher, in der Provinz rasch eine Universität zu gründen, da trotz aller Anstrengungen in den letzten neun Jahren noch immer die Talente fehlten „wie ein wichtiger Pfeiler beim Hausbau“.286 Die Universität in Beijing war zu jener Zeit (wieder) die einzige staatliche Universität des Landes. Die fazheng xuetang in den Präfekturen litten jedoch entweder unter Geldmangel oder seien überstürzt gegründet worden und dementsprechend schlecht. Weil das Bildungsministerium überdies verboten habe, dass Recht und Verwaltung an privaten Schulen unterrichtet würden, kämen auch von dort keine fähigen Beamten. Kurz, eine einzige Universiät in Beijing reiche nicht mehr aus. Stattdessen brauche im Grunde jede Provinz ihre eigene Universität; wenn man sich nun als erstes für Guangdong starkmache, dann deshalb, so argumentierte das Amt ganz ähnlich wie der in der Einleitung zitierte Cen Chunxuan einige Jahre zuvor, weil diese Provinz einerseits politisch ruhig sei und andererseits am Meer liege, weshalb sie durch
284 Letztere entsprechen der von mir häufig herangezogenen Sammlung DQXFL. 285 Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding fazheng xuetang zhangcheng zhe, XT 2/11/19 (20.12.1910), in: GDJYGB 2 (1911) 1, zhangzou, S. 9f.; Xia Chengfeng, Xiandai, S. 365. 286 Zur Neudefinition des klassischen Begriffs cai durch die „Neue Politik“ als „expert and technical knowledge of ’modern’ subjects“, siehe Strauss, Creating, S. 839.
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den vielen Austausch mit anderen Ländern schon länger zivilisert sei als andere.287 Erneut also sollte, was Guangdong einst zum outcast gestempelt hatte – der rege Austausch mit Übersee – nun als sein größter Vorzug gelten. Die Phase intensiver Globalisierung um 1900 sorgte dafür, dass sich innerhalb Chinas die regionalen Schwerpunkte von Einfluss und Prestige verschoben. Der weitere Verlauf des 20. Jahrhunderts sollte dies vor allem in ökonomischer Hinsicht unterstreichen. Hatten sich die Behörden in der ersten Hälfte des Jahrzehnts zur Deckung ihres Personalbedarfs noch mit lokalen Trainingszentren und einigen wenigen, zentralen Beamtenschulen zufrieden gegeben, stand nun also die Forderung nach einem reichsweiten Universitätssystem im Raum.288 Die Beamten vorangegangener Generationen waren bereits Akademiker gewesen, wenn auch in einem anderen Sinne.289 Nun sollten auch ihre Nachfolger höchste Bildungsgrade erwerben – aber nicht mehr als Autodidakten und Universalkräfte, sondern als vom Staat selbst ausgebildete Fachkräfte mit spezifischen Kenntnissen für einen drastisch veränderten, immer komplexeren Verwaltungsalltag.
3.4 „Büros zur Förderung der Bildung“ Mit der Statistik und dem Inspektionswesen konnte die Zentralregierung die lokale Implementation des neuen Schulwesens überwachen. Damit diese Implementation aber in jedem Dorf überhaupt erst in Angriff genommen würde, bedurfte der minimalistische Staat der Qing vor allem einer Institution, die diese Aufgabe vor Ort übernehmen würde. Hierzu wurden 1906 die bereits vielfach erwähnten „Büros zur Förderung der Bildung“ (quanxuesuo) ins Leben gerufen. Ihre Entwicklung verdeutlicht nicht nur erneut die Probleme, die dem Zentral287 Amt von Guangdong zur Vorbereitung der Verfassung, Guangdong xianzheng choubei chu baogaoshu bu fenlei, 1910, in: Sang Bing (Hrsg.), Sanbian Qingdai gao chaoben, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 2007–2010,, Bd. 50, S. 37–88, hier S. 80. 288 Im Hochschulbereich – anders als im Fall niedrigerer Schulstufen – übten insbesondere protestantische Missions-Universitäten, aber auch säkulare ausländische Hochschulen in China einen deutlichen Einfluss aus und wirkten als Vorbilder. Nicht zufällig formulierte das Amt zur Vorbereitung der Verfassung seinen Vorschlag am Ende jenes Jahrzehnts, das so viele ausländische Universitätsgründungen in China gesehen hatte (Jessie Gregory Lutz, China and Protestantism. Historical Perspectives, 1807–1949, in: Stephen Uhalley/Wu Xiaoxin (Hrsg.), China and Christianity. Burdened Past, Hopeful Future, Armonk, NY: Sharpe 2001, S. 179–194, hier S. 188). 289 Alexander Woodside, Lost Modernities. China, Vietnam, Korea, and the Hazards of World History, Cambridge, MA: Harvard University Press 2006, S. 5f.
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staat bei dem Versuch, seine Herrschaft zu zentralisieren, erwuchsen. Sie zeigt vor allem, dass bei allem Erfolg der Bildungsreformen die zentrale Frage, wie sich das Verhältnis von lokaler Elite und Beijing künftig gestalten sollte, bis 1911 ungelöst blieb. Die Zentralisierung, so viel lässt sich sagen, scheiterte, und es sollte weitere Jahrzehnte dauern, ehe die Volksrepublik China eine mehr dauerhafte Antwort auf diese Frage fand. Das Hauptaugenmerk der „Büros zur Förderung der Bildung“ lag auf der Einrichtung und Überwachung von Grundschulen und nicht auf den Mittelschulen, die im Fokus des vierten Kapitels stehen werden. Dies galt nicht nur für die Finanzierung, sondern auch für die Berichtstätigkeit der zugleich als Kreis-Schulinspektoren fungiernden Direktoren der quanxuesuo. Da es Mittelschulen jedoch qua Gesetz ohnehin nur in den Präfektur- und Distriktsitzen gab, wo der Staat im Unterschied zu den Dörfern bereits präsent war, wirkte sich die Konzentration der Arbeit der Büros auf die Dörfer erst recht auf die wahrgenommene Intensivierung der staatlichen Präsenz aus. Mit den Assistenten der Büros kamen in viele Dörfer erstmals überhaupt regelmäßig Vertreter des Staates, um zu überwachen, ob dessen Gesetze dort nicht nur nominell, sondern tatsächlich galten. Insofern kam auch den quanxuesuo eine wichtige Rolle für den state effect zu.
3.4.1 Organisation Vor Beginn der „Neuen Politik“ hatte sich die staatliche Schulverwaltung unterhalb der Provinzebene auf einige wenige Beamte an den staatlichen Schulen (guanxue) beschränkt. Für alle Schulen einer Präfektur gab es einen gemeinsamen Direktor (jiaoshou) mit vier Stellvertretern (xundao); die Distrikt-Schulen hatten ebenfalls einen Direktor (xuezheng) mit je einem Stellvertreter, und selbes galt für die staatlichen Schule eines jeden Kreises.290 Bei allen Direktoren und ihren Stellvertretern handelte es sich noch im 14. Jahrhundert meist um juren, die an der Prüfung in Beijing gescheitert waren; im Verlauf der Ming- und Qing-Dynastien nahm das Prestige dieser Posten jedoch stark ab, so dass sie zunehmend von shengyuan bekleidet wurden.291 Für die nun steigende Zahl der Gemeinde- und Wohlfahrtsschulen waren hingegen keine speziellen Bildungsbeamten zuständig, sondern entweder der Magistrat oder die lokale Gentry.292
290 Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 429, 432, 435; vgl. oben Kapitel 2.3. 291 Elman, Cultural, S. 148f. 292 Rowe, Education, S. 428.
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Da sich der tatsächliche Schulbetrieb an den guanxue jedoch in der weitgehend individuellen Vorbereitung der Schüler auf die Beamtenprüfungen erschöpfte und die Hauptaufgabe der Schulbeamten daher in der Organisation dieser Prüfungen bestanden hatte, wurden sie, die einen sehr niedrigen Beamtenrang bekleideten, in den meisten Provinzen nach der Abschaffung des Prüfungssystems und der schrittweisen Einführung der „Büros zur Förderung der Bildung“ ab dem Jahr 1906 überflüssig. Als oberster Schul-Beamter trat an die Stelle des Direktors auf allen Ebenen der Inspektor (shixueyuan), der zugleich Direktor des quanxuesuo war. Wiewohl die Posten seiner Vorgänger nach und nach wegfallen sollten, scheinen doch manche noch bis 1911 weiter amtiert zu haben.293 Ebenfalls 1906 wurde auch das Amt des Bildungdirektors auf Provinzebene, der ebenso wie die lokalen Direktoren vor allem für die Überwachung des Prüfungssystems zuständig gewesen war, abgeschafft.294 Dass der Provinz Guangdong eine Vorreiterrolle für die Bildungsreformen zukam, zeigte sich auch während dieser Umwandlung der Bürokratie. Generalgouverneur Cen Chunxuan hatte mit dem Bildungsamt (xuewuchu) in Guangzhou – als auf die Provinzen Guangdong und Guangxi beschränktes Experiment außerhalb des (offiziell reichsweit einheitlichen) Schulsystems – bereits 1903 eine Provinz-Behörde eigens zur Förderung der neuen Schulen geschaffen. Schon im Jahr darauf ließ deren Leiter, der spätere letzte Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, Zhang Mingqi (1875–1945), in allen Präfekturen, Distrikten und Kreisen beider Provinzen lokale Pendants des Amtes, die xuewu gongsuo gründen.295 Weil es sich jedoch um vom Hof noch nicht genehmigte Institutionen handelte, wurden ihre Mitglieder auch nicht durch die Provinzbehörde ernannt, sondern zunächst diskret vor Ort von der Gentry gewählt und anschließend durch den Magistrat in ihr Amt eingesetzt.296 Als der Hof zwei Jahre darauf die reichsweiten quanxuesuo aus der Taufe hob, bedeutete dies für die beiden Guang-Provinzen nur noch eine Umbenennung der xuewu gongsuo sowie eine Neuwahl der Mitglieder.297
293 Weitere neue Beamte waren der Polizeichef (jingwuzhang), die Industrie-Abgesandten (quanyeyuan), der Gefängnisleiter (dianyuyuan) und der Steuerinspektor (zhujiyuan), siehe Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 432. Auf die Fortexistenz mancher Verwaltungsposten deuten auch vielfache Erwähnungen in der Lingdong Ribao nach 1906 hin. 294 An Dongqiang, Qingdai, S. 220. 295 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 53f. 296 Xu Wenyong, Qingli, S. 111. 297 Der Prozess der Einführung der xuewu gongsuo in Guangdong und Guangxi ist genau deshalb quellenmäßig nur unter Mühen nachvollziehbar, weil es sich eben um ein inoffizielles Experiment handelte, das nicht zu viel Aufsehen erregen sollte. Xu Wenyong hat die Vorgänge dennoch im Detail recherchiert und stützt sich dabei vor allem auf die Überlieferung in der
3.4 „Büros zur Förderung der Bildung“
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3.4.2 Verstaatlichung oder kommunale Selbstverwaltung? An die Stelle auswärtiger Beamter traten in Guangdong also bereits ab 1904 peu à peu Vertreter der lokalen Gentry, die fortan vor Ort das Geld für neue Schulen organsieren, für die Einrichtung neuer Schulen werben und in öffentlichen Vorträgen an eigens zu gründenden Propagandabüros sowohl das alte „Heilige Edikt“ (shengyu) – eine durch den Kangxi-Kaiser (reg. 1661–1722) zusammengestellte Sammlung moralischer Verhaltensregeln, aus denen die Gentry schon früher vorgetragen hatte – als auch die neuen staatlichen Bildungsideale propagieren sollten.298 Was zunächst nach Dezentralisierung und lokaler Selbstverwaltung klingt, erwies sich, glaubt man Philip Huang, in der Realität jedoch als Verstaatlichung oder „stateification“ der schon früher üblichen, informellen Kooperation zwischen Beamten und lokaler Elite. Die nun auch formelle Einbeziehung der Gentry in lokales staatliches Handeln – die Expansion der Bürokratie – vergrößerte laut Huang also nicht die lokale Autonomie, sondern machte im Gegenteil wichtige Vertreter der Lokalgesellschaft zu einem Teil des Staates.299 Diese These scheint durch die weitere Entwicklung deutlich belegt zu sein: Als 1909 die lokale Selbstverwaltung nach zwei Jahren der Erprobung offiziell eingeführt wurde, stellte das Bildungsministerium klar, dass die quanxuesuo nicht Teil dieser Selbstverwaltung sein sollten. Nein, sie gehörten nun ganz explizit, wenn auch nur als „Hilfsorgan“ (fuzhu jiguan), zur staatlichen Verwaltung (guanzhi), die gerade den Gegenpol zur Selbstverwaltung (zizhi) darstellte.300 Dass das Gesetz diese Opposition so deutlich betont, muss allerdings aufhorchen lassen und weckt Zweifel an Philip Huangs eindeutiger These. Die stateification, und das spielt bei Huang nur eine geringe Rolle, traf offensichtlich auf größeren Widerstand. Das Beispiel Ost-Guangdong zeigt deutlich, dass die neue Bildungsverwaltung nicht überall in China so treu, autoritär und klaglos implementiert wurde wie im Nordosten des Reiches.301
Lingdong Ribao: Xu Wenyong, Liangguang xuewuchu yange kaolüe, in: Lishi Jiaoxue (2008) 9, S. 69–75. 298 Sun Peiqing, Zhongguo, S. 401; Zhang Xiaoli Shilun, S. 170f.; Übelhör, Community Compact. Die Maximen des „Heiligen Edikts“ sind übersetzt bei Hsiao, Rural, S. 186–191. Siehe speziell zur Finanzierung von Schulen durch die quanxuesuo auch unten Kapitel 4.7.1. 299 Huang, Public, S. 225–230. 300 Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan, XT 2/12/ 26 (26.01.1911), in: DQXFL, Bd. 10, S. 273–277, hier: S. 273. Zum Einfluss der Selbstverwaltung auf die Umgestaltung der Bildungsverwaltung auf lokaler und auf Provinz-Ebene insgesamt, siehe Xu Wenyong, Qingli, S. 207–243. 301 VanderVen, A School in Every Village, S. 79.
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So sollte der direkt dem Bildungsministerium unterstellte Bildungskommissar eigentlich die der lokalen Gentry entstammenden Leiter der quanxuesuo auf Vorschlag des Magistrats ernennen. Diese wiederum konnten sich ihre je für einen Schulbezirk zuständigen Assistenten zwar selbst auswählen – abschließend ernannt werden sollten aber auch diese erst durch den Magistrat, wobei sich der Bildungskommissar ein Vetorecht vorbehielt.302 Allerdings verlief dieses Verfahren in der Praxis sehr selten so strikt von oben nach unten. Ganz offensichtlich wirkte das Beispiel von Zhang Mingqis demokratisch legitimierten, lokalen xuewu gongsuo als Standard, hinter den man in den meisten Orten nicht zurück wollte. Die Mitglieder der xuewu gongsuo waren ja ebenfalls per Zensuswahlrecht von der lokalen Gentry bestimmt worden. Und die ganz von der lokalen Gentry dominierten, beratenden Bildungsvereinigungen, die der Hof ebenfalls 1906 einführte, um den seit 1895 allerorten entstandenen Studiengesellschaften (xuehui) eine staatliche Form zu geben und ihrem Missbrauch als politische Parteien Einhalt zu gebieten, wählten ihren Vorstand ohnehin selbst.303 Nimmt man hinzu, dass die einzelnen Kreise Guangdongs bereits seit 1907 weitgehend autonom mit der lokalen Selbstverwaltung hatten experiementieren dürfen, dann wird klar, warum in Ost-Guangdong weder die Direktoren der quanxuesuo noch deren Assistenten einfach von der Obrigkeit eingesetzt werden konnten.304 Dem Bildungskommissar beziehungsweise dem Magistrat blieb häufig nur, die lokal Gewählten amtlich zu bestätigen. So wandte sich der neue Direktor des Büros des Distrikts Jiaying, Jiang Bingqian, 1909 mit folgenden Worten an eine Versammlung seiner Semi-Behörde sowie an den ebenfalls anwesenden Distrikt-Magistrat: Ich habe keine Fähigkeiten und bin dieser Aufgabe nicht gewachsen. Aber ich wurde von allen öffentlich gewählt und dann von der vorgesetzten Behörde ernannt, und so werde ich selbstverständlich die Sanierung der Schulbildung in Angriff nehmen.305
302 Sun Peiqing, Zhongguo, S. 402. 303 Schwintzer, Education, S. 135f.; Bailey, Reform, S. 101f. Bei einer solchen Wahl erhielten zum Beispiel 1906 im Kreis Haiyang der Vorsitzende und sein Stellvertreter auf der Gründungsversammlung 57 beziehungsweise 36 Stimmen, siehe LDRB GX 32/10/26 (11.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 2v f. 304 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 98, 154. Auch innerhalb der Zentralregierung in Beijing wurde zudem die Frage heiß diskutiert, ob man künftig die lokalen Beamten wählen lassen sollte, statt sie zu ernennen. Mit der Wahl verband sich vor allem die Hoffnung, dass korrupte und damit unpopuläre Beamte dann chancenlos sein würden, siehe Thompson, China’s Local Councils, S. 75–77. 305 LDRB XT 1/2/7 (26.02.1909), Chao Jia xinwen, S. 3r.; Hervorhebung von mir, H.F.
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Im Kreis Fengshun lud das xuewu gongsuo schon 1906 die lokale Gentry zu einer Versammlung, auf der das Personal des zu bildenden quanxuesuo ebenfalls gewählt wurde.306 Auch in Raoping und in vielen weiteren Kreisen fanden Wahlen der Direktoren der quanxuesuo statt.307 In Chenghai an der Küste hatte der Direktor die Schulbezirke selbstständig eingeteilt und die Assistenten ausgewählt und bat den Beamten nurmehr, sie in ihr Amt einzusetzen.308 Und nach dem Rücktritt des für den östlichen Schulbezirk des Kreises Huilai zuständigen Assistenten befahl der Magistrat, dieser möge sein Amt so lange weiter ausüben, bis der Direktor selbst „einen Nachfolger ausgesucht“ habe. Um im Jahr 1909 Kritik an dem Direktor des quanxuesuo von Haiyang zu begegnen, hob der Magistrat des Kreises eigens hervor, dass der Direktor „nicht von allen gewählt“, sondern von seinem Vorgänger bestimmt worden sei.309 Offensichtlich war dies nicht die Regel. Doch es herrschte nicht überall ein solch demokratischer Geist. Im Herbst 1906 hatte der Direktor des quanxuesuo des nämlichen Kreises Haiyang mehr als 50 Männer zu seinen Assistenten ernannt und diese schriftlich zur vorgeschriebenen Schulung in das Büro bestellt. Doch nur gut 30 von ihnen erschienen zum festgesetzten Termin. Daraufhin entband der Magistrat die übrigen 20 Assistenten umgehend wieder von ihren Ämtern.310 Auch als zur gleichen Zeit der Direktor des quanxuesuo im Kreis Puning sein Amt aufgeben wollte, griff der zuständige Lokalbeamte ein. Fang Erjun, der Direktor, hatte einen vorschnellen Versuch unternommen, in Puning die Schulpflicht einzuführen, wogegen viele Einwohner protestiert hatten. Das aber, so der Magistrat, könne er als Rücktrittsgrund nicht akzeptieren. Schon Menzius habe gesagt, man könne beim Regieren nicht jedem gefallen. Und so nötigte er Fang, dessen Amt weiter auszuüben.311 Unter dem Strich aber war es im Osten Guangdongs offenbar eher die Regel denn die Ausnahme, dass die Direktoren und manchmal auch die Assistenten der Büros von der Gentry vor Ort gewählt wurden. Die Gentry der Provinz hatte schon 1903 ihren Einfluss unter Beweis gestellt, als sie den neuen Generalgouverneur Cen Chunxuan zur Gründung eines der ersten Bildungsämter (xuewuchu) Chinas gedrängt hatte.312 Auch an anderen Orten Chinas kam es zur Wahl statt bloßen obrigkeitlichen Bestimmung der Büro-Direktoren. Gegen den mög306 LDRB GX 32/9/16 (02.11.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 307 LDRB XT 1/1/18 (27.02.1910), Chao Jia xinwen, S. 3r; Xu Wenyong, Qingli, S. 112. 308 LDRB GX 32/10/30 (15.12.1906), Chao Jia xinwen, S.3v. 309 LDRB XT 1/2/10 (20.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 310 LDRB GX 32/10/22 (07.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 311 LDRB GX 32/9/17 (03.11.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 312 Xu Wenyong, Qingli, S. 97f.
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lichen Einwand, dass schon die Terminologie uneindeutig sei – xuanju meinte gerade zu Beginn des Jahrhunderts auch noch die „Auswahl und Ernennung“ durch das Prüfungssystem und wandelte sich erst langsam zur „Wahl“ in einem demokratischen Sinne313 – lässt sich eine Schilderung vom Oktober 1906 anführen. Die „öffentliche Wahl“ des Direktors des quanxuesuo im Kreis Huilai fand demnach durch eine Versammlung der Gelehrten des Kreises statt. Gewählt wurde mittels offenbar mit dem Namen des Wählers gekennzeichneter Stimmzettel, die in Umschlägen verschlossen wurden. Wer genau stimmberechtigt war, wird nicht mitgeteilt. Doch die Tatsache, dass bei der Auszählung mehr als vierzig Stimmen von „unberechtigten Personen“ (bu hege zhe) entdeckt wurden, deutet daraufhin, dass hier wohl wirklich nur die durch Titel und womöglich durch Besitz definierte Gentry wählen sollte. Der titellose Grundschullehrer, „ein gewisser Fang“, für den die vierzig Unberechtigten gestimmt hatten, wurde jedenfalls nicht Direktor, und die Wahl wurde auf Geheiß des Magistrats auf später verschoben.314 Wie im oben geschilderten Fall der als illegitim erachteten Kandidaten für einen Trainingskurs in Guangzhou, konnte auch hier die Gentry noch einmal ihr altes Vorrecht durchsetzen. Die lokale Elite erhielt sich also trotz ihrer gesetzlichen stateification in der Praxis große Spielräume. Philip Huang hat seine These deshalb in jüngerer Zeit modifiziert und die quanxuesuo als Teil einer Verwaltungspraxis des „zentralisierten Minimalismus“ charakterisiert, bei dem sich nominelle Kontrolle durch den Zentralstaat und weitgehende lokale Autonomie gegenseitig bedingten.315 Diese Einschränkung der stateification-These gilt für Chinas vergleichsweise autoritären Nordosten, noch deutlicher aber für den viel demokratischeren Umgang mit den quanxuesuo in Ost-Guangdong.316 An dem grundsätzlichen Anspruch des Staates jedoch, die lokale Schulverwaltung und damit die involvierte Gentry zu verstaatlichen, ändert sich durch diese Relativierung wenig. Ob unter obrigkeitsstaatlichen oder kommunal-demokratischen Vorzeichen: so oder so wurde die Schulverwaltung bürokratisiert und die Gentry zunehmend auch formell zu einem Teil des Staates. Dass dies zu großen Teilen nur nominell und symbolisch geschah und die Praxis im Sinne Philip Huangs „minimalistisch“ blieb, unterstreicht gerade die herausragende Bedeutung des so erzeugten state effect: Die in der Praxis weitgehend nur nominelle und symbolische Zentralisierung und Bürokratisierung des lokalen Schulwesens erlaubte es beiden Seiten,
313 Joshua Benjamin Hill, Voting as a Rite. Changing Ideas of Elections in Early Twentieth Century China, PhD Dissertation Harvard University, Cambridge, MA 2011, S. 14. 314 LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 315 Huang, Centralized, S. 9. 316 VanderVen, A School in Every Village, S. 61.
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in weitgehend friedlicher Koexistenz unterschiedliche Ziele zu verfolgen. Der Zentralstaat ließ tatsächliche lokale Abweichungen so lange zu, wie die lokale Gentry ihm durch unauffälliges Gebaren erlaubte, die Fiktion zentralisierter Herrschaft aufrechtzuerhalten. Damit freilich bemäntelte der state effect nur vorübergehend die Tatsache, dass der Grundkonflikt zwischen zentralisierter Bürokratie und lokaler Elite nach wie vor ungelöst geblieben war. Dies sollte sich 1911 deutlich zeigen.
3.4.3 Personal und Finanzierung Die Männer, die durch Wahlen oder Ernennungen in ihr neues Amt kamen, waren in Ost-Guangdong ausschließlich shengyuan. Unter denjenigen, über die Angaben vorliegen, besaß einzig der Direktor des quanxuesuo des Kreises Fengshun in der Präfektur Chaozhou, Wu Boling, keinen Prüfungstitel und hatte sich stattdessen offenbar als Mann der Praxis für den Posten qualifiziert, wie seine Bezeichnung als „Direktor einer Grundschule“ nahelegt.317 Neben praktischer pädagogischer Tätigkeit war Auslandserfahrung ein mögliches Qualifikationskriterium für die Direktoren.318 Andererseits bekleideten auch mindestens drei juren je eine der neuen Positionen, zwei als Direktoren und einer gar nur als Assistent.319 Beinahe alle diese Männer stammten auch aus der Gegend, in der sie jetzt arbeiteten, was auch anderswo in China üblich war.320 Die Umwandlung der bestehenden xuewu gongsuo in die quanxuesuo in der Präfektur Chaozhou erfolgte rasch: Bis zum Oktober 1906 hatten mindestens sieben von neun Kreisen das erst Anfang des Jahres dekretierte Büro eingerichtet, was die in Shantou ansässige Lingdong Ribao mit Stolz erfüllte.321 Im Distrikt Jiaying dagegen verlief die Entwicklung schleppender und ungleichmäßiger: nur ein Büro wurde 1906 eröffnet, zwei 1907, und der Kreis Xingning behauptete im Gegensatz gar, sein quanxuesuo bereits ein Jahr vor Erlass des Gesetzes ge-
317 Alle folgenden Angaben stützen sich auf GDJYGB 1 (1910) 10, baogao, S.139 sowie LDRB GX 32/10/30 (15.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 318 Bildungsministerium, Xuebu zou chen ge sheng xuewu guanzhi zhe (13.05.1906), S. 47. 319 Dies war ein ungewöhnlich hoher Titel für ein Mitglied eines quanxuesuo, vgl. Li Huaiyin, Village, S. 180. 320 Auch im Kreis Baoshan (Shanghai) und in Nordost-China stammten alle Mitglieder aus der lokalen Gentry, siehe Gao Jun, Qing mo quanxuesuo duban difang xuewu shulun. Yi Baoshan xian wei an, in: Shilin (2012) 3, S. 133–139, hier S. 134; VanderVen, A School in Every Village, S. 67. 321 LDRB GX 32/9/16 (02.11.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v.
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gründet zu haben – wahrscheinlich war das xuewu gongsuo gemeint, dessen Kontinuität zum neuen Büro damit deutlich wird. Das quanxuesuo im Distrikt-Sitz Jiaying wurde hingegen erst 1907 eröffnet. Die Gründe dafür sind unklar, umso mehr, da die Stadt zuvor dank der schulpolitischen Vorarbeit Huang Zunxians zu den Pionieren gehört hatte. Anfang 1904 bereits hatte Huang einen „Rat zur Schulförderung“ (Jiaying Xingxue Huiyisuo) einberufen, der Ende des Jahres zum xuewu gongsuo des Distrikt wurde, mit Huang an der Spitze.322 Damit nicht genug, rief Huang die Gentry aller Orte des Distrikts auf, jeweils ein lokales „Büro zur Vorantreibung der Bildung“ (xingxue gongsuo) zu gründen.323 Nach Huangs viel betrauertem Tod im Frühjahr 1905 versuchte die Gentry zunächst, mit Qiu Fengjia (1864–1912) – der selbst Gründungsdirektor des xuewu gongsuo von Zhenping in der Präfektur Chaozhou gewesen war – einen ähnlich prominenten Nachfolger zu installieren. Doch Qiu wurde nach Guangzhou an das Schulamt (xuewuchu) berufen, und so wurde ein anderer Direktor.324 Dennoch blieb die Kontinuität vom xingxue huiyi suo über das xuewu gongsuo bis hin zum quanxuesuo hoch: Ganz am Anfang hatte Huang Zunxian aus jedem der 36 bao des Distrikts einen Vertreter berufen, und noch 1907 wies das quanxuesuo genau diese Zahl an Assistenten (und damit an Schulbezirken) aus.325 Was jedoch in den meinen Angaben zugrunde liegenden Quellen sogleich ins Auge sticht, sind die fehlenden Angaben zum Gehalt. Die Außenwirkung dieser leer gelassenen Formularfelder habe ich bereits oben kurz diskutiert. Im Gegenzug für ihr Engagement erhielten die Direktoren innerhalb der 18 Abstufungen umfassenden Beamtenhierarchie der Qing zwar einen oberen siebten Rang, der sie auf eine Stufe mit dem Magistrat stellte – allerdings handelte es sich um einen nominellen Rang (xuxian) ohne Gehalt.326 Waren dies also unver322 Eine Versammlung dieses Rates besuchte auch der Basler Missionar Friedrich Lindenmeyer, siehe LDRB GX 30/5/18 (01.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v. 323 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 548f. 324 LDRB GX 30/1/26 (12.03.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r; GX 30/3/17 (02.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/3/18 (03.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r; Xu Wenyong, Qingli, S. 112f. Unter den vielen Nachrufen auf Huang Zunxian widmete sich der folgende insbesondere seiner Pionierrolle für die Schullandschaft Jiayings: LDRB GX 31/4/2 (05.05.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 325 LDRB GX 30/3/17 (02.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v. Hier war also tatsächlich in Erfüllung gegangen, was das Bildungsministerium von allen Büros gefordert hatte: sich bei der Einteilung der Schulbezirke doch bitte an existierenden Unterheiten zu orientieren, in diesem Fall dem bao. Siehe Bildungsministerium, Xuebu zha ge sheng tixueshi fending xuequ wen (November 1906), S. 66. 326 Keenan, Imperial, S. 111; zur Vergabe nomineller Titel, siehe Xu Daling, Qingdai juan’na zhidu, Beijing: Harvard-Yenching Institute 1950.
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bindliche Ehrenämter? Nein, und ihre Inhaber wurden auch durchaus bezahlt. Der Modus dieser Bezahlung allerdings bestätigt die „semi-formale“ Natur (Philip Huang) der quanxuesuo, auch über deren Reform 1909 hinaus. Schon das Gehalt der Mitglieder, Sekretäre, Buchhalter, Boten und anderen Angestellten der xuewu gongsuo – im Kreis Raoping waren dies immerhin 50 Männer – war Sache der informellen Verhandlung zwischen diesen und dem Magistrat gewesen und musste wie das gesamte Budget des Büros aus einer Mischung von staatlichen und kommunalen Mitteln finanziert werden.327 Mancher, der es sich leisten konnte, verzichtete ganz auf ein Gehalt, und die wenigen anderen, von denen wir Kenntnis haben, mussten sich mit Jahresgehältern zufrieden geben, die deutlich unter den durchschnittlichen 200 Yuan eines Grundschullehrers lagen. Allerdings kamen moderate Spesen hinzu, und das Amt war auch nicht unbedingt eine Vollzeitbeschäftigung.328 An den nachfolgenden quanxuesuo lag die Bezahlung etwas höher, auch wenn es zunächst bei ihrem informellen Charakter blieb. Das Gehalt sollte, wie das Gesamt-Budget, „entsprechend den lokalen Gegebenheiten“ festgelegt werden, wobei offen blieb, ob dieses Recht dem Magistrat oder dem Direktor des quanxuesuo selbst zustand.329 Systematische Angaben zu dessen Höhe fehlen auch hier. Im Kreis Zhenping erhielten die zehn Assistenten Anfang 1909 ein Jahresgehalt von 80 Yuan sowie Spesen in ungenannter Höhe. In der Provinz Zhili waren 120 Yuan Gehalt üblich.330 Das war immer noch mager im Vergleich zu 252 Yuan Jahresgehalt für die Kollegen in der Provinz Fengtian in NordostChina, deren Direktor sogar 720 Yuan erhielt. Dennoch konnten auch die Assistenten im Nordosten davon nicht angemessen leben und verdingten sich meist zusätzlich als Lehrer.331 Die Gehälter waren in ärmeren Regionen besonders niedrig, weil sie komplett aus dem selbst zu organisierenden Budget der Büros gezahlt werden mussten, das häufig nur bei etwa 1.000 Silberliang im Jahr lag und in manchen Kreisen sogar unter 100 Silberliang – die Varianz war enorm.332
327 Für Ost-Guangdong findet sich eine Auflistung der Geldquellen in Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 632–635. 328 Xu Wenyong, Qingli, S. 114, 116; zum durchschnittlichen Lehrergehalt, siehe unten Kapitel 4.7.2. 329 Bildungsministerium, Xuebu zouding quanxuesuo zhangcheng (Juni 1906), S. 62. 330 LDRB XT 1/2/13 (04.03.1909), Chao Jia xinwen, S. 3v; Xu Wenyong, Qingli, S. 192. Das entsprach etwa einem Zehntel der Einkünfte eines Provinz-Schulinspektors, der allerdings zusätzlich knapp das Doppelte an Spesen bekam, siehe Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908), S. 19. 331 VanderVen, A School in Every Village, S. 63. 332 Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 632–635.
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Dass sich fast alle Direktoren der „Büros zur Förderung der Bildung“ geweigert hatten, Angaben über die Bezahlung ihrer eigenen Mitarbeiter nach Guangzhou zu melden, kann angesichts der niedrigen Gesamtbudgets nicht daran gelegen haben, dass die Gehälter unanständig hoch waren. Eher geschah dies aus aus einem moralischen Grund, der zugleich die Stellung der quanxuesuo zwischen formellem Staatsorgan und freiwilligem Engagement der lokalen Elite unterstreicht. Viele Mitglieder dieser Elite fühlten sich offenbar gehalten, ihre Tätigkeit als ehrenvollen Dienst an der (örtlichen) Gemeinschaft zu betrachten. Dafür Geld zu nehmen, galt als unfein. Als der Magistrat des Kreises Jieyang 1909 auf Geheiß des Bildungskommissars ein eigenes „Schulfinanzbüro“ (xuewu caizheng suo) einrichtete und dessen Direktor ein Jahresgehalt von 220 Yuan zusprach, beschwerten sich bald darauf vier Vertreter der Gentry, dies sei unpassend: Angesichts der knappen Kassen – das Budget des Büros lag bei gut 1.100 Silberliang und damit knapp unter jenem des quanxuesuo – solle der Direktor lieber auf ein Gehalt verzichten und sich mit der Erstattung von Reisekosten zufriedengeben.333 Und um den erwähnten Direktor Fang Erjun von seinem proklamierten Rücktritt abzuhalten, lobte ihn der Magistrat von Puning mit den Worten, Fang habe stets seine Pflicht getan – und er nehme kein Gehalt an.334 Ganz gleich ob die Gentry kein Gehalt annahm oder dieses nur verschwieg – dass sie trotz der ausdrücklichen Aufforderung durch den Kommissar in Guangzhou hierzu keine Angaben machte, zeugt von einer größeren Unabhängigkeit und Widerspenstigkeit der Gentry in Guangdong.335 Genau wie im Fall der Wahlen zum Direktor zeigt sich hier ein deutlicher Kontrast zur von Elizabeth VanderVen untersuchten Provinz Fengtian, wo die Gehälter aller Mitarbeiter der quanxuesuo durch den Magistrat minutiös dokumentiert wurden.336 Anders als in Guangdong kam dort auch das komplette Budget der quanxuesuo aus staatlichen und nicht aus kommunalen Mitteln. Die urbane Gentry in Guangdong agierte also deutlich unabhängiger von Provinz- und Zentralregierung als jene in Fengtian. Schon die Vorbereitung der lokalen Selbstverwaltung war durch die Gentry ganz im Süden Chinas deutlich vehementer vorangetrieben worden als in anderen Landesteilen. Neben der Gentry zeigte zudem auch 333 LDRB XT 1/2/10 (20.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v f.; Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 634. Dies erinnert an den generellen, hohen moralischen Anspruch, der an Staatsbedienstete gestellt wurde und dem zum Beispiel die Kreisbeamten ihr zumindest nominell lächerlich geringes Einkommen verdankten. 334 LDRB GX 32/9/17 (03.11.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 335 Ihr Gehalt hatten nicht nur die quanxuesuo-Mitarbeiter im Osten der Provinz, sondern in ganz Guangdong verschwiegen, siehe Guangdong sheng quanxuesuo tongjibiao (1910). 336 VanderVen, A School in Every Village, S. 63f.
3.4 „Büros zur Förderung der Bildung“
181
die Kaufmannschaft der Provinz mehr Selbstbewusstsein gegenüber dem Staat und organisierte sich früh. In Guangzhou gründeten sie bereits 1907 einen Selbstverwaltungsrat (Yueshang Zizhihui), und ein Handelshafen wie Shantou wurde faktisch von der Handelskammer regiert.337
3.4.4 Trennung von Staat und Gesellschaft Doch so viel Eigenständigkeit wollte die Zentralregierung dauerhaft nicht zulassen. Wichtige Änderungen brachten in dieser Situation die Einführung der lokalen Selbstverwaltung im Jahr 1909. Nach einer liberaleren Phase lokaler Experimente ab 1906 hatten in Beijing die Befürworter einer stärkeren, aber selektiven Zentralisierung der Verwaltung um Yuan Shikai die Oberhand gewonnen. Yuans Vision beruhte auf der Trennung von Kernbereichen, die hierarchisch von Beijing aus gesteuert werden sollten, von weniger wichtigen Belangen, die in die Verantwortung der neuen, lokalen Gemeinderäte (yishihui) fallen sollten.338 Das Schulwesen wurde durch diese Trennung vermittels einer Reform der „Büros zur Förderung der Bildung“ in zwei Bereiche aufgeteilt. Wie das Bildungsministerium selbst eingestand, hatte die lokale Selbstverwaltung zunächst zu Verwirrung über die verbleibenden Kompetenzen der quanxuesuo geführt, weil den Gemeinderäten ganz allgemein auch das örtliche Schulwesen anvertraut worden war.339 Klarheit sollten Ende 1910 die von der erstmals zusammengetretenen, beratenden Nationalversammlung (Zizheng Yuan) vorgeschlagenen und vom Bildungsministerium rasch erlassenen, neuen „Regularien
337 Hou Yijie, Ershi, S. 99–106; Joseph Tse-Hei Lee, Christianity and State-Building in Republican Chaozhou, South China, in: Friederike Assandri/Dora Martins (Hrsg.), From Early Tang Court Debates to China’s Peaceful Rise, Amsterdam: Amsterdam University Press 2009, S. 67– 87, hier S. 75; Tsin, Nation, Kapitel 1. 338 Thompson, China’s Local Councils, S. 109–114. Zur Einführung der Selbstverwaltung siehe auch Hou Yijie, Ershi sowie Norbert Meienberger, The Emergence of Constitutional Government in China 1905–1908. The Concept Sanctioned by the Empress Dowager Tz’u-Hsi, Bern: Lang 1980. 339 Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan (26.01.1911), S. 273; Schwintzer, Education, S. 197f. Zu den weiteren Aufgabenbereichen und der Organisation der Gemeinderäte, siehe Hou Yijie, Ershi, S. 179–182. In Guangdong wurden bis 1911 nur in fünf Kreisen Gemeinderäte gewählt, darunter in Shantou. Wegen des Zensuswahlrechts waren dort nur drei Prozent der Bevölkerung wahlberechtigt, siehe Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 173f.
182 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
zur lokalen Bildung“ und dazugehörigen Ausführungsbestimmungen sowie eine neuerliche Revision der Regularien der quanxuesuo bringen.340 Da die quanxuesuo nun offiziell ein Organ der staatlichen Verwaltung wurden, sollten ihre Mitglieder keinesfalls gewählt, sondern durch den Bildungskommissar der Provinz auf Vorschlag des Magistrats eingesetzt werden.341 Gewählt wurden stattdessen jetzt die Mitglieder der lokalen Gemeinderäte (yishihui), die einen oder mehrere Bildungsbeauftragte (xuewu zhuanyuan) aus ihren Reihen benennen sollten. Doch deren Kompetenzen blieben, das machten die neuen Regeln deutlich, weit hinter jenen der quanxueyuan zurück, die zu einem „Hilfsorgan der staatlichen Bildungsverwaltung“ (guan jiaoyu xingzheng fuzhu jiguan) befördert worden waren.342 Die Beauftragten der Räte hatten folglich nur Zugriff auf kommunale Mittel (gongkuan), mit denen sie Grund- und Berufsschulen finanzieren durften. Den quanxuesuo hingegen oblag die Verwaltung aller „staatlichen Mittel“ (guankuan), mit denen sie jedwede Schule finanzieren oder bezuschussen durften, insbesonder aber alle staatlichen Schulen.343 Gleiches galt für die Statistik: Die Beauftragten der Selbstverwaltung durften nur über öffentliche Schulen Buch führen, die Mitarbeiter der staatlichen Büros dagegen über staatliche, öffentliche und private Schulen. Genauso war es für die Hygiene sowie für sonstige Eingriffe in Verwaltung und Unterrichtsgestaltung geregelt – in fast allen Bereichen waren die quanxuesuo für alle Schulen, die Räte nur für die öffentlichen – also kommunalen – befugt. Schließlich waren es auch die quanxuesuo, die über die Anerkennung privater Schulen entschieden
340 Nationalversammlung, Zizheng yuan hui zouyi jue difang xuewu zhangcheng zhe bing dan, XT 2/11/1 (02.12.1910), in: DQXFL, Bd. 10, S. 26–29; Bildungsministerium, Xuebu zou niding difang xuewu zhangcheng shixing xize zhe bing dan, XT 2/12/19 (19.01.1911), in: DQXFL, Bd. 10, S. 187–195. Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan (26.01.1911). Um sicherzustellen, dass die lokalen Beamten, Büro-Mitarbeiter und Abgeordneten angesichts all dieser neuen Bestimmungen den Überblick nicht verloren, fasste die Guangdong Jiaoyu Guanbao die wichtigsten Änderungen sowie die unterschiedlichen Kompetenzen der Institutionen zusätzlich in einer übersichtlichen Tabelle zusammen: Difang xuewu guanzhi zizhi zhizhi duizhao biao (1911). 341 Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan (26.01.1911), S. 275. Meldungen in der Lingdong Ribao deuten aber darauf hin, dass der Magistrat in vielen Fällen weiterhin die Direktoren nicht selbst aussuchte, sondern sie wählen ließ und dann den Gewinner der Wahl dem Kommissar vorschlug. 342 Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan (26.01.1911), S. 273; Hervorhebung von mir, H.F. 343 Zur nicht immer eindeutigen Unterscheidung von gongkuan und guankuan, siehe Kapitel 4.7.
3.4 „Büros zur Förderung der Bildung“
183
sowie Prüfungen an den Schulen abnahmen.344 Ab 1910 durften die Direktoren der Büros wie erwähnt sogar selbst die Urkunden für die Absolventen der Unteren Grundschulen ausstellen, die bislang immer direkt aus Beijing gekommen waren.345 Von solchen Kompetenzen – Bildungstitel, und seien es die niedrigsten, waren so heiß begehrt wie vor 1905 – konnten die Gemeinderäte nur träumen.346 Noch enger als ihre Rechte waren nur diejenigen der Bildungsvereinigungen gefasst, jener anderen ganz von der lokalen Gentry beherrschten Instanz. Die Vereinigungen sollten nach dem Willen des Hofes mit der Schulfinanzierung gar nichts zu tun haben, sondern waren als „geistige“ Institution (sixiang jiguan) mit beratender Funktion konzipiert, im Unterschied zu den quanxuesuo, die zur Exekutive (zhixing jiguan) gehörten.347 Die Zentralregierung unter dem neuen, sehr konservativen Kabinett, das nach dem Tod des GuangxuKaisers und der Kaiserinwitwe Cixi 1908 ins Amt gekommen war, führte zwar unter öffentlichem Druck die Selbstverwaltung ein und zog auch die Eröffnung des nationalen Parlaments vor; sie folgte dabei aber Yuan Shikais Vision einer „staatlich kontrollierten, lokalen Selbstverwaltung, angeschlossen an das untere Ende einer gestärkten, modernen Verwaltung“.348 Deshalb war das Mißtrauen gegenüber einer Expansion der Selbstverwaltung und gegenüber allen Elementen der formalen Herrschaftsdelegation – faktisch wurden weite Teile der Lokalverwaltung ja schon lange von der Gentry ausgeübt – mit Händen zu greifen.349 344 Difang xuewu guanzhi zizhi zhizhi duizhao biao (1911). Die komplette Liste der Zuständigkeiten der quanxuesuo findet sich in Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan (26.01.1911), S. 275f. 345 Bildungsministerium, Xuebu xing ge sheng chudeng xiaoxuetang biye wenping zhun you quanxuesuo kanyin fagei wen (1910). Für die anderen Schulen bis hoch zur Mittelschule sollte dies künftig der Bildungskommissar der Provinz tun, und erst ab den Höheren Schulen (gaodeng xuetang) stellte weiterhin das Ministerium selbst die Urkunden aus. 346 Die einzelnen Provinzen wachten denn auch argwöhnisch darüber, dass keine Schüler aus anderen Provinzen bei ihnen Abschlüsse machten und damit Titel erhielten. Hier standen die früheren Quoten im Hintergrund, die die Zahl der erfolgreichen Prüflinge je Provinz gedeckelt hatten. Siehe Schwintzer, Education, S. 133. 347 Paragaraph 6 der „Regularien zur Verzahnung der Bildungsvereinigungen und der ‚Büros zur Förderung der Bildung‘“, siehe Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Jiang chengjiao duxian jiaoyuhui quanxuesuo lianhe banfa bing wen fu jianzhang, XT 1/9/8 (21.10.1909), in: GDJYGB 1 (1910) 6, wendu, S. 156–158, hier: S. 157. 348 Mary Backus Rankin, The Origins of a Chinese Public Sphere. Local Elites and Community Affairs in the Late Imperial Period, in: Études chinoises 9 (1990) 2, S. 13–60, hier S. 57. 349 Philip A. Kuhn, The Development of Local Government, in: John King Fairbank/Albert Feuerwerker (Hrsg.), The Cambridge History of China. Bd. 13: Republican China 1912–1949, Part 2, Cambridge: Cambridge University Press 1986, S. 329–360, hier S. 335; Li Zhenwu, Late Qing Govenors and Provincial Assemblies, in: Joseph Esherick/ C. X. George Wei (Hrsg.), China. How
184 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
Als das Bildungsministerium Ende 1910 Regeln für die Beiräte der Schulämter aller Provinzen erließ, da betonte es wie im Falle der jiaoyuhui, dieses GentryGremium sei da, „um dem Bildungskommissar zu helfen und sich an der Planung des Schulwesens zu beteiligen“. Es handele sich um eine Institution zur Unterstützung der Verwaltung, die selbst keine Entscheidungen fällen könne.350 Die Dichotomie von staatlicher Verwaltung und lokaler Selbstverwaltung drückte sich daneben auch im Gehalt aus: Die Mitarbeiter der quanxuesuo stiegen zu staatlich besoldeten Beamten auf – jeder Mitarbeiter, der noch ohne staatlichen Posten und Rang war, sollte nun einen solchen erhalten (den siebten oder achten). Sein Gehalt, über dessen anfängliche Höhe freilich weiterhin der örtliche Magistrat entschied, stieg alle drei Jahre automatisch an.351 In jedem Fall aber war der Magistrat nun ausdrücklich verpflichtet, die Höhe der Gehälter sowie alle anderen Ausgaben des quanxuesuo sowohl an den Kommissar als auch an das Bildungsministerium zu melden – offenbar hatte die Zentralregierung ihre Lehren aus den leeren Tabellen gezogen und war entschlossen, die Kontrolle zu verstärken.352 Der Gemeinderat indes sollte über das Gehalt seiner eigenen Bildungsbeauftragten selbst entscheiden – letztlich hatten sie keinen Anspruch, überhaupt entlohnt zu werden – und die Mitglieder der Bildungsvereinigungen mussten gar selbst einen Mindestbeitrag von sechs Yuan jährlich entrichten.353 Insgesamt betrachtet, setzte die Zentralregierung unter ihrem konservativen Kabinett ab 1909 alles daran, die Befugnisse der Selbstverwaltung von vornherein strikt zu begrenzen. Die ersten Erfolge der Expansion des Staates in die Lokalgesellschaft sollten so konsolidiert werden. Dabei wurde aber sogleich deutlich, dass diese Erfolge bislang eher nomineller Natur gewesen waren. Zwar war bis in die Kreisstädte hinein eine recht verlässliche und robuste Verwaltungsstruktur aufgebaut worden. Die unterhalb jener Ebene eingerichteten quanxuesuo aber besaßen gerade in Guangdong ein großes Maß an Unabhängigkeit und the Empire Fell, London, New York: Routledge 2014, S. 36–65, hier S. 37–40; Li Xizhu, Provincial Officials in 1911–12. Their Backgrounds and Reactions to Revolution – an Inquiry into the Structure of „Weak Centre, Weak Regions“ in the Late Qing, in: Joseph Esherick/ C. X. George Wei (Hrsg.), China. How the Empire Fell, London, New York: Routledge 2014, S. 159–176; Ichiko, Political, S. 398–402; Kuhn, Local, S. 276–278. 350 Bildungsministerium, Xuebu tongxing ge sheng xuewu gongsuo yishi xize wen bing xize, ca. XT 2/12 (Januar 1911), in: DQXFL, Bd. 10, S. 90f. 351 Bildungsministerium, Xuebu zou gaiding quanxuesuo zhangcheng zhe bing dan (26.01.1911), S. 276f. 352 Ebd., S. 276; Difang xuewu guanzhi zizhi zhizhi duizhao biao (1911), S. 7. 353 Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Jiang chengjiao duxian jiaoyuhui quanxuesuo lianhe banfa bing wen fu jianzhang (21.10.1909), S. 157.
3.4 „Büros zur Förderung der Bildung“
185
waren eigentlich Organe der Gentry, auch wenn sie oberflächlich im Sinne des state effect als Teil der staatlichen Verwaltung erschienen. Diese Täuschung war der Zentralregierung voll bewusst. Allein deshalb war sie ja bestrebt, die quanxuesuo nun, 1909, endgültig in die formelle Verwaltung einzugliedern, um so insbesondere das höhere Schulwesen dem Einfluss der lokalen Elite zu entziehen.
3.4.5 Die Büros in der Praxis Wie erfolgreich die quanxuesuo darin waren, Schulen zu gründen und zu verwalten, ist umstritten. Zum einen gab es regionale Unterschiede: So wurde ihr Wirken von unterschiedlichen Autoren in Shanghai, Zhejiang und Fengtian als sehr bedeutend bewertet, während es in Hebei unklar bleibt und in Jiangsu eher weniger bedeutend gewesen sein soll.354 In der Region um Shanghai handelten die quanxuesuo häufig subsidiär gegenüber den Bildungsvereinigungen.355 In Guangdong hingegen bestand ein deutlicher Zusammenhang zwischen der raschen Gründung von quanxuesuo – 1907 verfügten bereits zwei Drittel aller Kreise über ein solches – und dem ebenso raschen Zuwachs an Grundschulen.356 Doch der Erfolg ist, zum anderen, natürlich eine Frage des Maßstabs, und diesen legte der Bildungskommissar in Guangzhou bei allem Verständnis und allem Pragmatismus denn doch sehr hoch an. Einen Bericht über die geringen Fortschritte in Nanshaolian nahm der Kommissar 1908 zum Anlass, um seiner Enttäuschung über die dortige Gentry Luft zu machen. Diese habe zwar ganz nach Vorschrift die quanxuesuo gegründet – dann aber hätten sie weder die Schulbezirke eingeteilt noch die Zahl der potentiellen Schüler erhoben; sie hätten nicht Schulen entsprechend der Zahl der Haushalte geplant, auf dem Land keine Werbung für das neue Bildungssystem gemacht und überhaupt nichts für die Verbreitung der Bildung getan. Daran sehe man, dass diese Leute die Bildung missbrauchten, um ihren eigenen Vorteil zu suchen und an staatliche Gel354 Gao Jun, Qing mo quanxuesuo; Rankin, Elite, S. 208; VanderVen, A School in Every Village, S. 59f.; Keenan, Imperial, S. 111; Li Huaiyin, Village, S. 166; Helen R. Chauncey, Schoolhouse Politicians. Locality and State during the Chinese Republic, Honolulu, HI: University of Hawaii Press 1992, S. 62. Zu den auch aufgrund der früher dünnen Quellenlage eher oberflächlichen Bewertungen der quanxuesuo bei Bastid, Bailey und Borthwick, siehe Elizabeth VanderVen, Educational Reform and Village Society in Early Twentieth-Century Northeast China. Haicheng County, 1905–1931. PhD Dissertation University of California, Los Angeles, CA 2003, S. 205–207. 355 Schwintzer, Education, S. 192f. 356 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 73f.
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der zu kommen. Andernorts sei es noch schlimmer. Abschließend erinnerte der Kommissar die Lokalbeamten an ihre Verantwortung und rief sie dazu auf, sich mit den Direktoren der quanxuesuo zusammenzusetzen und alles dafür zu tun, um dem neuen Schulsystem zum Durchbruch zu verhelfen.357 Die Mitglieder der quanxuesuo selbst scheinen für diese Aufgabe nicht immer die ausreichende Autorität besessen zu haben. 1908 rief der Direktor des „Büros zur Förderung der Bildung“ im Kreis Raoping, Zhan Hankuang, den Magistrat zu Hilfe: Da es vor Ort noch am entsprechenden, offenen Geist fehle, möge dieser die Gentry zur Gründung neuer Schulen anhalten. Das wäre eigentlich Zhans eigene Aufgabe gewesen. Der Vorsitzende war auch nicht untätig geblieben, sondern hatte ausführliche Vorschriften zum Unterricht an Grundschulen, zu den Befugnissen seiner Assistenten sowie zur Schulfinanzierung ausgearbeitet. Seine Apelle indes waren ungehört verhallt.358 Auch der Distrikt-Magistrat von Jiaying hatte, wie wir gesehen haben, aktiv in die Arbeit des quanxuesuo eingegriffen und als Warnung rund 20 der eben ernannten Assistenten gleich wieder entlassen.359 Allerdings war nicht jeder Magistrat ein enthusiastischer Unterstützer der Neuerungen. In Jiaying hatte der frühere Distrikt-Magistrat alle Bildungsreformen kurzerhand an Huang Zunxian übertragen, und im Kreis Raoping bedurfte der Magistrat mehrerer Aufforderungen durch den Direktor des quanxuesuo, ehe er dessen Assistenten offiziell bestätigte und in die ihnen zugeteilten Schulbezirke schickte.360 In Ost-Guangdong dachten immer wieder Direktoren und Assistenten an Rücktritt, weil sie sich mit Protesten der Bevölkerung und anderen Widrigkeiten konfrontiert sahen. Anfang 1909 wollte deshalb der Leiter des quanxuesuo von Haiyang nach drei Jahren im Amt seinen Posten aufgeben.361 Zur gleichen Zeit quittierten die Assistenten zweier Schulbezirke im Kreis Huilai den Dienst.362 Auch vom abgewiesenen Rücktrittsgesuch Fang Erjuns, des Direktors des quanxuesuo von Puning, haben wir bereits gehört.363 Jiang Bingqian, der ebenfalls bereits zitierte, bescheidene Direktor des Büros im Distrikt Jiaying, war sich der Spannungen bewusst, die seine Arbeit – insbesondere die vom Schulamt der Provinz angeordnete Reform der sishu – in 357 Bildungskommissariat von Guangdong: Ben si feng du pi Nanshaolian sheng shixue yuan Zheng ling Zuren bing jiao baogao tubiao tongchi zunzhao fangban wen (1908). 358 LDRB XT 1/1/18 (27.02.1910), Chao Jia xinwen, S. 3r. 359 LDRB GX 32/10/22 (07.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 360 LDRB XT 1/2/10 (20.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v f.; zu Huang Zunxian, siehe BMA A– 1.38b/232: Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 15.02.1905, S. [4f.]. 361 LDRB XT 1/1/25 (15.02.1909), Chao Jia xinwen, S. 3v. 362 LDRB XT 1/2/10 (20.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 363 LDRB GX 32/9/17 (03.11.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
3.4 „Büros zur Förderung der Bildung“
187
der Gesellschaft hervorrufen würde. Wenn sein Büro nun darangehe, sagte Jiang auf einer Versammlung Anfang 1909, eine Reihe von Privatschulen zu schließen und die übrigen zu überprüfen, werde dies die Privatlehrer verärgern. Wenn man aber die sishu zum Nachteil der neuen Schulen unverändert fortbestehen ließe, dann verärgere man die Mehrheit der Jugendlichen, und da sei ihm ersteres lieber.364 Kurz darauf bestellte Jiang alle Privatlehrer zu einer Versammlung ein, um mit ihnen eine „Gesellschaft zur Reformierung der Privatschulen“ zu gründen und deren Statuten zu beraten.365 Daraufhin aber zogen mehr als zehn der alten Lehrer zum quanxuesuo, um sich über die angeblich unerfüllbaren neuen Anforderungen zu beschweren.366 Die Lingdong Ribao hatte schon 1906 anlässlich der Inspektion der sishu in Chaoyang durch einen Assistenten kritisiert, dass die alten Lehrer die geforderten Reformen an ihren Schulen nicht würden durchführen können, da ihnen selbst die entsprechende Bildung fehle.367 1910 klagten im Kreis Haiyang acht Privatlehrer den Direktor des quanxuesuo beim Magistrat an, wenn auch die Gründe unklar blieben. Und in Jieyang begründete der Schuldirektor und gleichzeitige Leiter des erwähnten „Schulfinanzbüros“ seinen Rücktritt mit der nicht mehr zu schulternden Doppelbelastung. Zu seinen Aufgaben hatte es gehört, die Einnahmen und Ausgaben des quanxuesuo zu überwachen.368 Die „Büros zur Förderung der Bildung“ verfügten also in der Praxis längst nicht immer über die notwendige Autorität, um die Kompetenzen, die die Zentralregierung ihnen verliehen hatte, auch tatsächlich und dauerhaft auszuüben. Ihre 1909 erfolgte Aufwertung von „Hilfsorganen“ zu einem wirklichen Teil der staatlichen Exekutive scheint ihrer Durchsetzungsfähigkeit vor Ort dann sogar weiter geschadet zu haben. Allerdings ist schwer zu entscheiden, zu welchen Teilen diese fehlende Durchsetzungskraft auf die Verstaatlichung der quanxuesuo, und zu welchen Teilen auf ihre chronische Unterfinanzerung zurückzuführen ist. In jedem Fall war die Tätigkeit der Büros, zumal ab 1909, Beweis dafür, dass der Staat den Menschen näher kam – bis in die Dörfer – und sich dabei zugleich 364 LDRB XT 1/2/7 (26.02.1909), Chao Jia xinwen, S. 3r. 365 LDRB XT 1/2/10 (20.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v f. Vorbild für das Vorgehen zur Verbesserung, Umwandlung oder Schließung der sishu waren die 1909 für Beijing erlassenen, detaillierten Jingshi quanxuesuo gailiang sishu banfa, in: DQXFL, Bd. 7, S. 375–379. Hier (S. 376) findet sich auch die vielsagende Anweisung, gemeinsam mit der Polizei alle sishu in einem Schulbezirk zu erfassen und zu bewerten, ob sie bezüglich Größe, Sauberkeit, Methoden, Schülerzahl und so weiter leicht oder schwer zu reformieren sein würden. 366 LDRB XT 1/2/13 (04.03.1909), Chao Jia xinwen, S. 3v. 367 LDRB GX 32/9/16 (02.11.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 368 LDRB XT 1/2/10 (20.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v f.
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– über Beamtenränge, die in der Kleidung sichtbar wurden, oder in den neuen Wörtern, die in den Vorlesungen der „Propagandabüros“ gebraucht wurden – zu distanzieren suchte. Die wachsende physische Nähe erforderte die demonstrierte Distanz – dies umso mehr, da fast alle Mitarbeiter der Büros jetzt, im Unterschied zum Magistrat, der Gegend entstammten, in der sie Dienst versahen.
3.5 Zusammenfassung Alle Neuerungen – Statistik, Schulinspektion, Training und die „Büros zur Förderung der Bildung“ – machten den Staat im Alltag der Bevölkerung zunehmend präsenter. Das staatliche Schulsystem sollte schließlich langfristig alle Menschen erreichen. Um diesen Anspruch einlösen zu können, war es nötig, dass der Staat überhaupt erst eine möglichst zuverlässige Übersicht über die Bevölkerung vor Ort, über lokale Schulen und über ihre Rahmenbedingungen erlangte. Dies geschah durch die Einführung der Statistik sowie der Schulinspektion. Beides war jedoch ohne eine dramatische Vergrößerung des Personalstabs nicht zu haben. Da diese trotz des steigenden Staatseinkommens nicht ad hoc und vor allem nicht aus zentralen Mitteln zu finanzieren war, setzten die Qing weitgehend auf das bewährte Muster der Finanzierung lokaler Aufgaben aus lokalen Mitteln und auf das mehr oder minder freiwillige Engagement der Gentry. Beides aber wurde nun, im Zeichen von Zentralisierung und staatlicher Modernität, viel stärker als zuvor formalisiert und kodifiziert. So entstanden die „Büros zur Förderung der Bildung“. Doch wohin die Reise langfristig gehen sollte, zeigte sich schon in den ersten Jahren der Reformen. Die quanxuesuo sollten stärker an den Staat gebunden werden. Sie wurden zu „Hilfsorganen“ der staatlichen Verwaltung erklärt und ihre Mitglieder erhielten Beamtenränge. Auf diese Weise wollte die Zentralregierung sicherstellen, dass der tatsächliche Einfluss der zugleich eingeführten Selbstverwaltung nicht zu groß wurde. Gleichzeitig war der Zentralregierung, aber auch der Provinzregierung klar, dass all das neue (Hilfs)Personal nicht aus dem Stand in der Lage sein würde, die neuen Aufgaben routiniert zu erfüllen. Dies wurde im Bereich der Statistik deutlich, wo selbst gestandene Beamte Probleme hatten, die neuen Formulare in einer solchen Weise auszufüllen, dass das Bildungsministerium damit problemlos hätte arbeiten können. Deshalb lag ein Schwerpunkt der „Neuen Politik“ auf dem Training, der Schulung angehender und im Dienst befindlicher Beamten einerseits, und von Mitgliedern der quanxuesuo sowie dem allgemeinen Schulpersonal andererseits. Die Professionalisierung wie auch stärkere Struktu-
3.5 Zusammenfassung
189
rierung insbesondere der Lokalverwaltung wurde ein generelles Kennzeichen der „Neuen Politik“.369 Dies kann schon deshalb nicht überraschen, weil die Datensammlung Teil eines Pakets von Maßnahmen zur Stärkung der Zentralgewalt gedacht war, mit dem die Qing ja gerade auf die parallel verlaufende, faktische Dezentralisierung Chinas reagierten. Die Inklusion immer größerer Teile der gebildeten Bevölkerung in das Projekt eines nationalen, verpflichtenden Schulsystems führte jedoch mitnichten dazu, dass die Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft verwischten. Im Gegenteil wurde „die Gesellschaft“ als Gegenstand staatlichen Handelns überhaupt erst zu jener Zeit erfunden, woran die staatliche Statistik keinen geringen Anteil hatte. Je mehr Menschen aber, ob formell eingebunden oder bloß als Zuarbeiter, Teil der staatlichen Verwaltung wurden, umso dringender wurde es gerade, die Grenze zwischen beiden Sphären deutlich zu markieren. Dass die „Büros zur Förderung der Bildung“ mit Einführung der lokalen Selbstverwaltung umso stärker durch den Staat kontrolliert wurden, ist mithin alles andere als „paradox“.370 Der state effect, der den Staat als oberhalb der Gesellschaft stehende Einheit erscheinen ließ, war dabei nicht unbedingt ein bewusst eingesetztes Mittel der Politik. Am ehesten noch galt dies im Fall der „Büros zur Förderung der Bildung“, die die Regierung ab 1909 gezielt in einen Gegenpol zur lokalen Selbstverwaltung umzugestalten und trotz ihrer örtlichen Verwurzelung von der Lokalgesellschaft zu distanzieren suchte. Ähnliches galt für das System der Schulinspektion, das ja ganz explizit gekennzeichnet war von der Visitation der Schulen durch den außenstehenden, durchreisenden Inspektor. Im Bereich der Statistik hingegen handelte es sich um einen weitgehend unbewusst herbeigeführten state effect. Es besteht kein Anlass daran zu zweifeln, dass die Initiatoren der Bildungsstatistik tatsächlich der gleichen Faszination erlagen wie ihre Kollegen in Europa, Amerika oder Japan: Eine schnelle, tiefgreifende Beeinflussung der Entwicklung der Gesellschaft auf der Grundlage der faktenbasierten Übersicht „auf einen Blick“, die fein abgestimmte Zukunftsplanungen ermöglichte – nichts weniger versprach die neue Methode. Gleichzeitig ließ sich die Statistik durchaus an bestehende Formen der Informationsbeschaffung anschließen und stellte für die chinesische Bürokratie keinesfalls ein absolutes Novum dar. Aber sie versprach, die Mängel des bestehenden Systems zu beheben: Den Qing bereitete es schließlich generell Probleme, von den Verwaltungsebenen unterhalb der Provinzregierung korrekte und vollständige Daten zu erlangen, weil es dort keinen Kontrollmechanismus gab wie in den
369 Guan Xiaohong, Cong mufu dao zhiguan. 370 So aber VanderVen, A School in Every Village, S. 64.
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Provinzhauptstädten.371 Dass die visualisierten Ergebnisse der Statistik, die dieses Problem aus der Welt schaffen sollte, den Staat dann als, wahlweise allwissenden oder ahnungslosen, in jedem Fall aber distanzierten, abgehobenen Akteur erscheinen ließen, war sicher nicht das primäre Ziel gewesen. Dennoch war dieser Effekt nicht unerwünscht, demonstrierte er doch die Zugehörigkeit der chinesischen Regierung zur zivilisierten Welt der Kolonialmächte. Die Einführung der Statistik in China erwies sich rasch als irreversibel.372 Zwar tat die Statistik, einmal in die Hände staatlicher Behörden gelangt und zur Grundlage politischen Handelns geworden, der sozialen Wirklichkeit Gewalt an: die Kategorien, die die Statistiker zum Zwecke der Komplexitätsreduzierung bilden mussten, verselbstständigten sich und schufen Realität, wo sie zu beschreiben vorgaben. Dennoch konnte keine Regierung mehr auf die wirkmächtige Illusion exakten Wissens verzichten, weil diese eine schwer hinterfragbare Grundlage für das politische Handeln lieferte.373 Diese Abhängigkeit politischer Entscheidungen von numerischen Daten war in Europa und den USA seit Anfang des 19. Jahrhunderts über Jahrzehnte gewachsen, im Zusammenspiel von Wissenschaftlern, statistischen Vereinigungen und dem Staat.374 Im China der „Neuen Politik“ hingegen entstand dieselbe Abhängigkeit viel rascher, binnen weniger Jahre, und anfangs fast ausschließlich auf staatliche Initiative hin.375 Den Fragekatalog zur Festlegung der Schulbezirke von 1906 kann man als Archetyp aller kommenden Befragungen ansehen.376 Es ist, das hat Marc Bloch treffend festgestellt, grundsätzlich unsinnig, über die „Anfänge“ eines Phänomens zu streiten.377 Doch dass die Beamten der neuen Bildungsverwaltung die Pioniere der Erhebung sozialer Fakten in China wurden, bestätigt einmal mehr die These, dass die Bildungspolitik im Gelehrten-Staat China gerade im 20. Jahrhundert wie ein Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen funktionierte.378
371 Hickey, Bureaucratic, S. 191f. 372 Lam, Passion, S. 21. 373 Stuart Woolf, Statistics and the Modern State, in: Comparative Studies in Society and History 31 (1989) 3, S. 588–604, hier S. 603f. 374 Osterhammel, Verwandlung, S. 58–62. 375 Wenngleich das kaiserliche Seezollamt unter Sir Robert Hart bereits seit den 1860er Jahren regelmäßig immer differenziertere Zahlen über Ein- und Ausfuhren publiziert hatten, hatte dieses Beispiel nicht auf die allgemeine chinesische Verwaltungspraxis ausgestrahlt, siehe Eberhard-Bréard, Robert Hart, S. 622, 624f. 376 Die Volkszählung von 1909 war insofern nicht, wie Lam, Passion, S. 17 argumentiert hat, „the beginning of the movement to produce facts about the social world.“ 377 Marc Bloch, Apologie der Geschichtswissenschaft oder der Beruf des Historikers, Stuttgart: Klett-Cotta 2002 [1949], S. 34f. 378 Pepper, Radicalism, S. 519.
3.5 Zusammenfassung
191
Dennoch brachte die Statistik nach 1900 kein vollkommen neues „regime of truth“ (Tong Lam) hervor.379 Zwar war in der Tat bis dahin die Klage über das fehlende Verständnis der Chinesen für die Notwendigkeit genauer Zahlen und Fakten unter westlichen Ausländern weit verbreitet, wie eine Abhandlung des amerikanischen Präsidenten des Canton Christian College, Charles Keyser Edmunds (1876–1949) aus dem Jahr 1903 zeigt: „There is no more vexing factor in the life of a foreigner in China than the lack of accuracy among the Chinese in most matters involving numerical relations.“380 Wenngleich aber die „Neue Politik“ die Erscheinungsform und Argumentationsweise des chinesischen Staates veränderte, bestanden auch Kontinuitäten: „Fakten“ hatte der chinesische Staat schließlich auch vorher erhoben und genutzt. Nach 1900 sollten Zahlen zwar mehr und mehr der Zukunftsplanung dienen. Aber auch für die Dokumentation des status quo wurden sie weiterhin eingesetzt. Der Unterschied war eher gradueller Natur: Die Datenerhebungen der „Neuen Politik“ wurden stärker zentralisiert, ihre Inhalte reichsweit vereinheitlicht, und die Abstände zwischen ihnen verkürzt und auf eine regelmäßige Basis gestellt. Für den Staat brachte diese Form der Statistik einen realen Zuwachs der Steuerungskapazität. Die Zahlen machten den Staat durch Komplexitätsreduzierung wieder stärker handlungsfähig. Die Statistik erschöpfte sich also weder in einem rein epistemologischen Umschwung, noch in der „Illusion von Kontrolle“ (Ulrike von Hirschhausen). Gegen Lams These spricht auch eine weitere, vielleicht erst langfristig sichtbare Adaption der Statistik in China. Diese bestand darin, dass das Berichten auch dieser neuen Form von Zahlen an den Hof durch lokale Beamte weiterhin stark der rituellen Rückversicherung der Loyalität letzterer diente. Dieser Aspekt ging durch den Übergang vom Berichtswesen zur vermeintlich rationaleren, modernen Statistik nicht verloren, sondern lebt in veränderter Form bis heute – auch außerhalb Chinas – weiter.381 Der kurzfristige Erfolg der Bemühungen des Bildungsministeriums, mittels der Statistik die Provinzen enger an die Zentralregierung zu binden und deren Steuerungskapazität zu steigern, war, wie erwähnt, insgesamt jedoch geringer 379 Lam, Passion, S. 43, 49. 380 Zit. nach Dong Wang, From Lingnan to Pomona. Charles K. Edmunds and His Chinese American Career, in: Daniel H. Bays/Ellen Widmer (Hrsg.), China’s Christian Colleges. CrossCultural Connections, 1900–1950, Stanford, CA: Stanford University Press 2009, S. 173–188, hier S. 187. 381 Robert P. Weller, „Shared Fictions and Informal Politics in China“, Vortrag, Graduate School of East Asian Studies, Freie Universität Berlin, 16. Juni 2015; Adam B. Seligman/Robert P. Weller/Michael J. Puett/Bennett Simon, Ritual and its Consequences. An Essay on the Limits of Sincerity, Oxford: Oxford University Press 2008.
192 3 Ein neuer Anspruch und seine Techniken
als die publizierten Daten glauben machten. Dies zeigte sich in finanzieller Hinsicht an einer „Bitte“ des Ministeriums von 1910 an die Provinzen: Diese sollten endlich all jene verschiedenen Gelder zahlen, die sie dem Gesetz nach dem xuebu schuldig seien, und die bislang fast keine von ihnen an Beijing abgeführt habe. Eine Liste der säumigen Provinzen umfasste auch Guangdong. Eingeleitet wurde dieses Schreiben mit einer langen Aufzählung all jener Aufgaben, die das Ministerium zu erledigen habe und die allein im laufenden Jahr 1,66 Millionen Silberliang kosten würden.382 Zweifelsohne wusste die Zentralregierung dank der „Neuen Politik“ nun viel genauer, was in den Provinzen vor sich ging und vor allem, was dort alles schief lief. Doch Beijings Möglichkeiten, solchen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken, hatten sich weit weniger stark verbessert. Dafür aber wirbelten die Schulreformen die lokale Gesellschaftsordnung durcheinander und brachten so die Herrschaft der Qing weiter in Gefahr. Welchen Einfluss der neue Schulalltag vor Ort auf das Bild des chinesischen Staates hatte, ist daher Thema des folgenden Kapitels.
382 Bildungsministerium, Xuebu zou qing chi ge sheng jiang yingti yingjie ge kuan yilü qingjie zhe, XT 2/5/27 (03.07.1910) in: DQXFL, Bd. 8, S. 434–436. Das Bildungsministerium erhielt ungefähr ein Drittel seines Budgets vom Finanzministerium, ein Drittel von den Provinzen und dem Seezoll, und ein Drittel erhob es selbst, siehe Morrison, Modernization, S. 1216.
4 Der Staat im Schulalltag „The government issues the edict ‘let there be these new schools,’ and it becomes the duty of officials and people to see that the mandate is carried out.“ Francis Lister Hawks Pott, 19121
Reichweite und Intensität der von der Zentralregierung beanspruchten Kontrolle über das neue Schulsystem waren in der Praxis begrenzt. Der Staat konnte nicht alles sehen, zumal seine Vertreter erst lernen mussten, die Wirklichkeit überhaupt so zu sehen, wie es der neue Anspruch verlangte. Und wo Zentralund Provinzbehörden dennoch Missstände erkannten, konnten sie nicht darauf zählen, dass ihren Befehlen, diese abzustellen, gehorsam gefolgt werden würde. Zudem war das gesamte Reformprogramm der „Neuen Politik“ nicht nur ehrgeizig, weil es, allem voran im Bildungswesen, mit kulturellen Normen brach und radikal neue Lehrinhalte präsentierte, die sich auch die Lehrer selbst meist durch die neuen Schulbücher erst aneignen mussten. Zusätzlich war das Reformprogramm aufgrund seines Umfangs auch sehr teuer.2 Die Schulregularien von 1904 sprachen explizit davon, dass der Staat zu wenig Geld habe und stattdessen Spenden brauche.3 So blieb der Staat sowohl hinsichtlich der Finanzierung, als auch in allen anderen Punkten der Implementierung des Schulsystems weiterhin auf die Kooperation der lokalen Eliten angewiesen. Dieses Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Zentralisierung und Kontrolle einerseits und der Abhängigkeit von lokaler Kooperation andererseits hatte Auswirkungen auf die Praxis des Schulbetriebs. Die Qing machten daher die nationale oder zumindest regionale Gemeinwohlorientierung des Einzelnen (shang’gong) zum abstrakten Lehrinhalt in Form des Faches Moralische Erziehung (xiushen) – nicht allein aus dem allgemeinen Bestreben heraus, das ökonomische Potential der Nation zu mobilisieren, sondern ganz konkret, weil die Einrichtung und langfristige Finanzierung der modernen Schulen in der chinesischen Wirklichkeit des frühen 20. Jahrhunderts ohne den Gemeinschaftssinn der Bevölkerung nicht zu haben war.4 Diese Verbindung zwischen moralischer Erziehung und Durchführbarkeit staatlicher
1 Pott, China’s Method, S. 88. 2 Halsey, Money, S. 426; Wright, Introduction, S. 25. 3 Deng, Private, S. 24f. 4 Ching May-bo, You aixiang er aiguo. Qingmo Guangdong xiangtu jiaocai de guojia huayu, in: Lishi yanjiu (2003) 4, S. 68–84; Schulz Zinda, Propagating. https://doi.org/10.1515/9783110558869-004
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Reformen ist bislang wenig beachtet worden – ein Defizit, auf das R. Bin Wong mit Nachdruck hinweist: The government well understood that it possessed material and coercive powers far too limited to rule the empire without simultaneous appeal to ideological control. The notion of ruling as educating became a central component of the political tradition.5
Wie sehr diese „Herrschaft als Erziehung“ oder „Herrschaft durch Erziehung“ – auch abseits der behördlich zugelassenen Schulbücher – die Verwirklichung der Reformpläne prägte, wird anhand der Regularien für die „Büros zur Förderng der Bildung“ deutlich, die das Bildungsministerium im Mai 1906 veröffentlichte. Darin enthalten sind fünf Handlungsanweisungen für die Assistenten der Büros. Die erste Anweisung beinhaltet folgenden Rat: „Treten Sie an die Familien von Gentry und Kaufleuten heran und überzeugen Sie sie, mit Spenden die Entwicklung der Bildung zu fördern und so ihrem Heimatort zu nützen.“ Und in der dritten Anweisung heißt es: „Reiche Gentry-Mitglieder, die Mittel für die Eröffnung von Schulen bereit stellen, sollen dem örtlichen Magistraten gemeldet werden, auf dass sie ermutigt und belohnt werden.“6 Nicht umsonst hatte Rongqing als einer der Autoren des Schulsystems Anfang 1906 in den „Grundlagen des Bildungswesens“ (xuewu gangyao) argumentiert, dass die Ehrerbietung gegenüber dem Kaiser und Konfuzius in China schon seit Ewigkeiten selbstverständlich seien, nicht aber die nun von der Regierung geforderte Achtung des Gemeinwohls. Die aber sei nötig, um das Land „wachzurütteln“: Worauf sich ein starkes Land verlassen kann, sind der unaufhaltsame Willen und die unbeugsame Kraft des ganzen Volkes, ohne gegenseitige Liebe, gegenseitiges Mitgefühl und gegenseitige Hilfe geht es nicht! Das alles kann man nur durch Bildung erreichen. In der neuen Schule sollen den Kindern Vertrauen und gegenseitige Liebe vermittelt werden; in Moralischer Erziehung, Geschichte, Geographie und anderen Fächern können die Kinder diese Gefühle entwickeln, auf dass der Gemeinsinn gesteigert werde. Wir müssen den Egoismus beseitigen, dazu müssen wir in jedem Textbuch den Gemeinsinn [gongde] und den Nutzen für die Gruppe genau erläutern und als eine unveränderliche Norm darstellen, damit die Menschen sich selbst im Anderen erkennen und das Land lieben wie die eigene Familie.7
Während innerhalb der Verwaltung also Zwang und Zentralisierung zumindest angestrebt wurden, sollte die dringend nötige Kooperation der lokalen Eliten außerhalb der Verwaltung durch Überzeugung mit nationalen Argumenten erlangt und durch ideelle wie materielle Belohnungen gefestigt werden. Dieses 5 Wong, China Transformed, S. 160f. 6 Bildungsministerium, Xuebu zouding quanxuesuo zhangcheng (Juni 1906), S. 63f. 7 Zouding xuewu gangyao (13.01.1904); Übersetzung H. F.
4.1 Ost-Guangdong und seine Schulen
195
System freilich erlebte einen holprigen Start, schadete dadurch vor allem dem Ansehen der Regierung in Beijing und verringerte ihren lokalen Rückhalt drastisch.
4.1 Ost-Guangdong und seine Schulen Anders als das Gros der bisherigen Untersuchungen befasse ich mich mit der Implementation der Schulreformen abseits von Provinzhauptstädten.8 Dies sind, jeweils tief im Osten Guangdongs, der Distrikt-Sitz Jiaying, der PräfekturSitz Chaozhou sowie die Hafenstadt Shantou (Abb. 12). Der Osten der Provinz gehörte zu den relativ wohlhabenden Teilen Guangdongs, vor allem entlang der Küste, was sich nach 1900 auch in den Berichten der staatlichen Schulinspektoren zeigte.9
Abb. 12: Guangdong
Jiaying, im Hochland nördlich von Chaozhou gelegen, wurde während der Südlichen Han-Dynastie (917–971) gegründet. 1733 erhielt es den Status eines unabhängigen Distrikts. 1818 hatte die Stadt, die zugleich Sitz des Kreises Meixian war, etwa 15.000 Einwohner, 1911 waren es schon rund 30.000. Wirtschaftlich stand die Region schlechter da als die Gemeinden an der Küste, denn zwischen den steilen Berghängen war fruchtbarer Boden rar, das Einkommen entsprechend niedrig und Hungersnöte häufig. Der Urbanisierungsgrad der Region war 8 Stapleton, Civilizing; MacKinnon, Power; David Strand, Rickshaw Beijing. City People and Politics in the 1920s, Berkeley, CA: University of California Press 1989; Rhoads, China’s Republican Revolution. Rhoads’ Buch behandelt zwar die gesamte Provinz Guangdong, sein Fokus liegt jedoch auf der Hauptstadt Guangzhou. 9 Siehe oben Kapitel 3.2.
196 4 Der Staat im Schulalltag
sehr viel geringer als an der Küste.10 Dennoch (oder eher deshalb) erlangte der Distrikt Berühmtheit wegen der vergleichsweise vielen Graduierten, die er hervorbrachte. Insgesamt kamen von hier 221 jinshi, knapp mehr als aus dem viel wohlhabenderen Chaozhou. Für deren Ausbildung sorgten im gesamten Kreis unter anderem acht Akademien, sieben Wohlfahrtsschulen und elf Gemeindeschulen. In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden im gesamten Distrikt neun Mittel- sowie 625 Grundschulen.11 Zudem eröffneten um 1900 die Basler Mission und die American Baptist Missionary Union je eine höhere Schule in der Stadt.12 1907 berichtete der Basler Missionar Friedrich Lindenmeyer von Aufbruchsstimmung und zahlreichen neuen Schulgründungen in der Stadt, die jene wohltuend von Chaozhou abhebe, das die Missionare in Jiaying als zu konservativ und „verschlafen“ empfanden.13 Chaozhou, Sitz der gleichnamigen Präfektur wie auch des Kreises Haiyang, war aufgrund seiner Lage am fruchtbaren Unterlauf des Han-Flusses eine wohlhabende Stadt, die 331 n. Chr. erstmals erwähnt wurde. Zur Präfektur wurde sie zu Beginn der Ming-Zeit (1369). Die anfangs spärlich bevölkerte und von viel Wald umgebene Stadt erlebte seit der Song-Zeit mehrere rasante Zuwanderungswellen aus dem Norden. Zwischen dem frühen 18. Jahrhundert und 1818 verfünffachte sich die Bevölkerung des gesamten Kreises Haiyang von 44.000 auf 221.000 Menschen. Neben der Landwirtschaft wurden Porzellan und Tee zu den wichtigsten Exportgütern, die insbesondere rund um das Südchinesische Meer Absatz fanden. Auch andere Handwerke florierten. Chaozhou wurde, an der wichtigsten Wasserstraße der Region gelegen, in der Ming- und Qing-Zeit zum wichtigsten Handelszentrum in Ost-Guangdong. Der so erreichte Wohlstand schlug sich in einer starken Bautätigkeit wie auch in der Gründung zahlreicher Schulen und Akademien nieder. In den 1860er Jahren aber begann Shantou, mit seinem eben für den Außenhandel geöffneten Hafen Chaozhou den Rang abzulaufen.14
10 Klein, Basler, S. 49–52. 11 Meizhou shi difangzhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Meizhou shizhi, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 1999, Bd. 2, S. 1429f. 12 Frölich, Spirits; BMA A–1.37b/325: Die Station Kayintschu an das Komitee: Jahresbericht über „Schule für westl. Wissen“, Kayintschu, 03.12.1903; Edmund F. Merriam, The American Baptist Missionary Union and its Missions, Boston, MA: American Baptist Missionary Union 1897, S. 151f.; Lida Scott Ashmore, The South China Mission of the American Baptist Foreign Mission Society. A Historical Sketch of Its First Cycle of Sixty Years, Shanghai: Methodist Publishing House 1920, S. 76–78. 13 BMA A–1.41/89: Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu 16.02.1907. 14 Chaozhou shi difangzhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Chaozhou shi zhi, Shaoguan: Guangdong renmin chubanshe 1995, Bd. 1, S. 4–7; Bd. 2, S. 1736.
4.1 Ost-Guangdong und seine Schulen
197
In der Tang-Zeit hatte Chaozhou seinen ersten jinshi hervorgebracht, dem in der Song-Zeit 80 weitere folgten sowie 85 während der Ming- und 43 während der Qing-Dynastie. In der Song- und Yuan-Zeit (1279–1368) waren zusätzlich zur staatlichen Kreis- und Präfekturschule die ersten Akademien und weitere, private Schulen entstanden. Die älteste Akademie, das Hanshan Shuyuan, das uns später noch begegnen wird, stammte von 1090. Unter den elf weiteren Akademien war als eine der letzten Gründungen 1877 auch das mit reichem Landbesitz ausgestattete, auf westliche Lehrinhalte spezialisierte Jinshan Shuyuan, das nach 1900 eine zentrale Rolle für die Finanzierung des neuen Schulwesens spielen sollte.15 Die Präfektur insgesamt zählte am Ende der Qing-Zeit 42 Akademien und 46 Gemeindeschulen und belegte damit einen der vordersten Plätze innerhalb der Provinz.16 In der Stadt selbst gab es vier Gemeindeschulen sowie bemerkenswerte 15 der lokal finanzierten Wohlfahrtsschulen, von denen allein sieben in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet wurden. Nicht erfasst wurde die Zahl der kleinen Privatschulen, von denen jedoch zwischen 1860 und 1910 allein in einem Dorf des Kreises 43 entstanden sein sollen. Bereits seit den späten 1890er Jahren und bis 1909 dann entstanden in der Stadt und ihrer Umgebung 32 neue oder umgewandelte Mittel-, Lehrer- sowie Grundschulen des neuen Schulsystems.17 Missionsschulen hingegen konnten sich in der Stadt wegen des Widerstands der Gentry nicht ansiedeln. Dieser Widerstand war auch der Grund, aus dem die 1858 im Vertrag von Tianjin festgelegte Öffnung des Hafens von Chaozhou für den Außenhandel zwei Jahre später auf den gerade einmal einen Quadratkilometer kleinen Küstenort Shantou übertragen wurde.18 Die Hafenstadt Shantou schließlich spielte in administrativer Hinsicht die mit Abstand am wenigsten bedeutende Rolle, war sie doch lediglich eine Marktstadt innerhalb des Kreises Chenghai. Wirtschaftlich hingegen sollte der winzige Vertragshafen, den die Europäer Swatow nannten, nach 1860 den eigentlich übergeordneten Präfektursitz Chaozhou schnell überflügeln. Direkten Handel mit Europa und Nordamerika gab es zwar kaum – dieser lief fast ausschließlich 15 Chaozhou shi jiaoyu ju (Hrsg.), Chaozhou shi jiaoyu zhi, Chaozhou 1990, S. 62–70. 16 Liu Boji, Guangdong shuyuan zhidu, Taibei: Zhonghua congshu 1978 [1938], S. 82. 17 Chaozhou shi jiaoyu ju, Chaozhou, S. 53–62, 71–73; Zhong Jiahua, Shishen, zongzu, zongjiao yu Qingmo Minchu Chaojia diqu jiaoyu de fazhan, in: Kejia yanjiu jikan (2000) 1, S. 31–57, hier S. 53f. 18 Chi-cheung Choi, Rice, Treaty Ports and the Chaozhou Chinese Lianhao Associate Companies. Construction of a South China-Hong Kong-Southeast Asia Commodity Network, 1850s– 1930s, in: Yu-ju Lin/Madeleine Zelin (Hrsg.), Merchant Communities in Asia, 1600–1980, London: Pickering & Chatto 2015, S. 53–78, hier S. 54f.; Joseph Tse-Hei Lee, The Bible and the Gun. Christianity in South China, 1860–1900, New York, London: Routledge 2003, S. 53.
198 4 Der Staat im Schulalltag
über das nahegelegene Hong Kong –, doch stattdessen war das Handelsvolumen mit den Häfen Ost- und Südostasiens umso größer: Aus Indien importierte man Baumwollgarn und Opium, aus Japan Kohle, Reis aus Vietnam und Siam (Thailand), Kerosin aus Sumatra. Ausgeführt wurden primär landwirtschaftliche Produkte, darunter Rohrzucker, Orangen, eingesalzenes Gemüse, Tee und Tabak, aber auch Papierschirme. 1909 erhielt Shantou als eine der ersten Städte Chinas elektrische Straßenbeleuchtung.19 Die junge Stadt war von Kaufleuten, die 1904 eine Handelskammer gründeten, dominiert und verfügte daneben nicht bloß über eine gut 200-köpfige, ausländische Gemeinde – neben Händlern insbesondere Missionare – sondern wurde auch zum wichtigsten Hafen für rund drei Millionen Migranten aus der weiteren Umgebung, die als Arbeiter oder Unternehmer nach Südostasien (vor allem Singapur und Siam) und in alle Welt aufbrachen. Um 1905 lag die Zahl der jährlichen Auswanderungen bei rund 100.000, die der Rückkehrer bei gut 80.000.20 Doch der wirtschaftliche Boom zog auch Menschen an, die sich hier niederließen. 1911 lebten in Shantou mit 30.000 Menschen genauso viele wie in der Distrikt-Hauptstadt Jiaying. Unter diesen waren sowohl Hoklo aus dem nahen Chaozhou als auch Hakka aus dem Landesinnern. Mitglieder beider Gruppen kooperierten jedoch zunächst friedlich, und bezeichnenderweise brachte die 1902 in Shantou gegründete Zeitung Lingdong Ribao ihre Lokalnachrichten in der gemeinsamen Rubrik „Nachrichten aus Chaozhou und Jiaying“ (Chao Jia xinwen).21 Das Bildungswesen in Shantou hatte, ganz anders als in den Verwaltungssitzen Jiaying und Chaozhou, keine lange Tradition. Der Kreis Chenghai zählte 19 China Imperial Maritime Customs (Hrsg.), Decennial Reports on the Trade, Industries, etc., of the Ports open to Foreign Commerce, and on the Condition and Development of the Treaty Port Provinces (1: Statistical Series, No. 6). 1892–1901, Shanghai 1906, S. 150f.; China Imperial Maritime Customs (Hrsg.), Returns of Trade and Trade Reports (1: Statistical Series, NoS. 3, 4). Bd. 4: Southern Coast Ports. 1910, Shanghai 1911, S. 592f.; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 126. 20 Broomhall, Chinese Empire, S. 45. Zur dominanten Rolle der Handelskammer in Shantou, siehe Chen Haizhong, Wan Qing, S. 52–58. 21 Ching May-bo, Classifying Peoples. Ethnic Politics in Late Qing Native-Place Textbooks and Gazetteers, in: Tze-Ki Hon/Robert Joseph Culp (Hrsg.), The Politics of Historical Production in Late Qing and Republican China, Leiden: Brill 2007, S. 55–77, hier S. 72; Kuhn, Chinese, S. 38; Choi, Rice, S. 55; Lee, Christianity, S. 75. Auch die chinesischen Studenten im Ausland kamen im übrigen vor allem aus Guangdong, siehe Kuo, Chinese System of Public Education, S. 107. Die Lingdong Ribao wurde 1902 von einigen prominenten Gentry-Mitgliedern, vor allem Hakka, in Shantou ins Leben gerufen, vertrat eine reformerische und nationalistische Linie und stach durch ihre breite Mischung aus internationalen, nationalen, Provinz- und lokalen Nachrichten hervor, siehe Ding Shouhe, Xinhai geming, Bd. 5, S. 682.
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gerade einmal zwei Akademien, beide aus der Ming-Zeit, von denen keine in Shantou stand. Von Trägern kaiserlicher Prüfungstitel aus der Stadt ist gar nichts bekannt.22 So konnte es zum einen von zwei Missionsgesellschaften geprägt werden, die wie erwähnt in Chaozhou auf Ablehnung gestoßen waren und deshalb im liberaleren Shantou ihren Sitz genommen hatten. Die Insel Queshi gegenüber dem Hafen wurde so in den 1860er Jahren zum „Bildungszentrum“ der ABMU. Die EPM hingegen errichtete ihre Schulen (und ein Krankenhaus) im Zentrum Shantous.23 Zum anderen spielte das Engagement chinesischer Kaufleute – sowohl jener, die in Shantou ansässig waren, als auch jener, die sich von hier aus über das Südchinesische Meer verteilt hatten – eine herausragende Rolle. Mit ihren Zuwendungen sollen vor 1949 nach Schätzungen bis zu 80 Prozent der Bildungsausgaben in der Region bestritten worden seien.24 Die wohl berühmteste solcherart teilfinanzierte Einrichtung war die Lingdong Tongwen Xuetang, für die Qiu Fengjia unter anderem auf einer Reise durch die chinesischen Gemeinden in Südostasien Spenden gesammelt hatte.25 Von staatlicher Seite war hingegen wenig zu erwarten. Weil sich auch die Schulgesetze noch streng an der alten Hierarchie orientierten, kam Shantou, das nicht einmal Sitz einer Kreisregierung war, als Standort einer Mittelschule gar nicht in Betracht. Dass Shantou hier dennoch auftaucht, verdankt sich allein der Sonderstellung der Lingdong Tongwen Xuetang, die direkt der Provinzregierung unterstand und nur so den elitären Status einer mittleren Schule erlangt hatte.26 Die drei Städte repräsentierten also innerhalb der vergleichsweise kleinen Region Ost-Guangdong drei geographisch, wirtschaftlich und sozial recht unterschiedliche Gemengelagen. Sie bilden damit ausgezeichnet die Herausforderungen ab, mit denen eine zentral orchestrierte Schulreform an der Peripherie des Reiches zu kämpfen hatte. Wo, wenn nicht hier, sollte die „Neue Politik“ schei-
22 Shantou jiaoyu zhi bianzuan weiyuanhui, Shantou jiaoyu zhi, S. 47; Chaoshan lishi wenhua yanjiu zhongxin (Hrsg.), Chaoshan jiaoyu shiye fazhan ziliao, Shantou: Chaoshan lishi wenhua yanjiu zhongxin 2005, S. 198f. 23 Emanuel H. Giedt, Early Mission History of the Swatow Region. Brought Down to the Present for the American Baptist Mission, o.O.: South China Mission of the American Baptist Foreign Mission Society 1946. 24 Wei Mingshu, Huaqiao yu Qing mo Meizhou xinxue jiaoyu de xingqi, in: Jiaying daxue xuebao 19 (2001) 4, S. 112–115, hier S. 114. Für Beispiele einzelner wohlhabender Kaufleute, siehe Chenghai xian difangzhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Chenghai xianzhi, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 1992, S. 682, 844. 25 Su Wenji/Liu Xiaoli, Qiu Fengjia chuangban Lingdong tongwen xuetang de jingguo jiqi yingxiang, in: Shantou daxue xuebao (renwen shehui kexue ban) 21 (2005) 4, S. 79–82. 26 Wang Lunxin, Qing mo, S. 13f.
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tern? Der Testfall Ost-Guangdong erzählt viel über ihre Erfolge, Misserfolge und die unbeabsichtigten Wirkungen. Im Folgenden konzentriere ich mich auf vier Mittelschulen sowie eine Sprachschule. Bei allen fünf handelt es sich um weiterführende Schulen in Städten. Nach dem Gesetz von 1904 musste jede Präfektur-Stadt zumindest eine Mittelschule einrichten.27 Nach den überall zu gründenden, Unteren Grundschulen sowie den erst ab der Ebene der Kreisstädte zu findenden, Höheren Grundschulen handelte es ich hier also bereits um die dritte Stufe der schulischen Hierarchie.28 Anfangs waren von den untersuchten Mittelschulen nur zwei staatliche (guanli) Schulen, die anderen drei private (sili) beziehungsweise öffentliche (gongli) Schulen. Letztere stellten in ganz Guangdong mit Abstand die Mehrheit aller modernen Schulen, vor allem der Grundschulen. Anders sah es bei den weiterführenden Schulen aus. Auch von den hier untersuchten Schulen sollte bis 1911 nur eine einzige – die Wuben Xuetang in Jiaying – als öffentliche Schule bestehen bleiben, während die anderen verstaatlicht wurden. Die Dongshan Shifan Xuetang in Jiaying wurde 1904 von Huang Zunxian gegründet, der bereits mehrfach erwähnten, zu Beginn des 20. Jahrhunderts einflussreichsten Figur in der Schullandschaft der Stadt.29 1848 in Jiaying geboren, hatte Huang im Alter von 29 Jahren den Titel eines juren erlangt und war im gleichen Jahr (1877) als Sekretär an die eben gegründete chinesische Botschaft in Tokio entsandt worden.30 Seine Beobachtungen der dortigen Reformen fasste Huang später in den „Aufzeichnungen über Japan“ (Riben Guozhi) sowie in einer Sammlung von Gedichten zusammen. Seine scharfsinnigen Analysen sowie seine zahlreichen Reformvorschläge für China brachten ihm nachhaltigen Ruhm und sicherten ihm die Wertschätzung des Guangxu-Kaisers.31
27 Zouding zhongxuetang zhangcheng, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 326–337, hier: S. 326. 28 Wang Lunxin, Qing mo. 29 Huangs Einfluss auf die Bildungsreformen in Jiaying wurde bereits von seinen Zeitgenossen ausführlich gewürdigt, wie ein langer Nachruf in der Lokalzeitung zeigt: LDRB GX 31/4/2 (05.05.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 30 Huang Shengren, Huang Zunxian pingzhuan, Nanjing: Nanjing Daxue chubanshe 2006, S. 77; Richard John Lynn, Straddling the Tradition-Modernity Divide. Huang Zunxian (1848– 1905) and His „Poems on Miscellaneous Subjects from Japan“, in: Richard King/Cody Poulton/ Katsuhiko Endo (Hrsg.), Sino-Japanese Transculturation. From the Late Nineteenth Century to the End of the Pacific War, Lanham, MD: Lexington Books 2012, S. 19–32, hier S. 22f. 31 Noriko Kamachi, Reform in China. Huang Tsun-hsien and the Japanese Model, Cambridge, MA, London: Harvard University Press 1981, S. 148–169. Ihre volle Wirkung konnten Huangs 1887 vollendeten „Aufzeichnungen“ jedoch erst nach der chinesischen Niederlage im Krieg gegen Japan 1895 entfalten. Bis dahin hatte sich das Außenamt (Zongli Yamen) trotz nach-
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Huang setzte seine diplomatische Karriere mit Stationen in San Francisco, London und Singapur fort. Zurück in China, gehörte er 1897 neben Tan Sitong (1865–1898) und Liang Qichao zu den zentralen Figuren der Reformbewegung in Hunan. Als der Guangxu-Kaiser im Jahr darauf dann jene Reformen ins Werk setzte, die nur gut einhundert Tage Bestand haben sollten, beorderte er nicht nur Huang Zunxian, Kang Youwei, Liang Qichao und Tan Sitong nach Beijing, sondern nutzte auch Huangs „Aufzeichnungen über Japan“ als Vorlage für seine Reformen. Dass Huang zu jener Zeit krank war und dem Ruf des Kaisers nicht folgen konnte, rettete ihm möglicherweise das Leben. Nach Cixis Coup gegen die Reformen wurde ihm lediglich befohlen, in seinen Heimatort Jiaying zurückzukehren und sich zur Ruhe zu setzen.32 Das abrupte Ende seiner Karriere bewegte Huang dazu, seine reichsweiten Reformideen nun im kleinen Maßstab im Distrikt Jiaying umzusetzen. Dabei nutzte Huang Ideen, die er in Japan, Europa und den USA kennengelernt hatte, um seine „konfuzianische Agenda“ (R. Bin Wong) vor Ort zu verwirklichen. Sein Ziel bestand in der Verbesserung der Lebensbedingungen und der Erziehung der Menschen zum Guten, wenn auch mit neuen Methoden.33 Seinem Pflichtgefühl folgend, hatte Huang, wiewohl bereits von Krankheit gezeichnet, bald nach seiner Rückkehr nach Jiaying nicht nur für die Ausbildung seines Sohnes und seines Neffen dort und in Japan gesorgt, sondern auch die Dongshan-Lehrerschule für bis zu 120 Schüler gegründet. Ihren Namen erhielt sie von der Dongshan-Akademie (Abb. 13), deren Gebäude und Vermögen ebenfalls auf die neue pädagogische Schule übergingen.34 Ihre Regularien bezeichneten die Schule in der Anfangszeit explizit als „Vereinfachte Niedere Lehrerschule“ (chuji shifan jianyi ke), die junge Männer in einem nur einjährigen Kurs zu Grundschullehrern ausbilden sollte. Solche verkürzten Ausbildungsgänge hatte das Schulgesetz von 1904 vorgesehen, um die Zahl der Grundschullehrer rasch zu erhöhen, ehe dann überall im Land die drücklicher Empfehlungen von Li Hongzhang (1823–1901) und Zhang Zhidong geweigert, das Buch zu verlegen. 32 Luke S. K. Kwong, A Mosaic of the Hundred Days. Personalities, Politics, and Ideas of 1898, Cambridge, MA: Harvard University Press 1984; J. D. Schmidt, Within the Human Realm. The Poetry of Huang Zunxian, 1848–1905, Cambridge: Cambridge University Press 1994, S. 38–41; Kamachi, Reform, S. 233f. 33 R. Bin Wong, Confucian Agendas for Material and Ideological Control in Modern China, in: Theodore Huters (Hrsg.), Culture & State in Chinese History. Conventions, Accommodations, and Critiques, Stanford, CA: Stanford University Press 1997, S. 303–325, hier S. 325. 34 BMA A–1.38b/232: Jahresbericht des Gymnasium in Kayintschu für 1904, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 15.02.1905, S. [4]. Ähnlich, wenn auch in viel größerem Maßstab und weniger konfuzianisch geprägt, betrieb dies Zhang Jian in Nantong, siehe Shao Qin, Culturing. Speziell mit Zhangs Bildungsreformen befasst sich Bastid, Educational.
202 4 Der Staat im Schulalltag
reguläre, vierjährige Lehrerausbildung verpflichtend werden sollte.35 Dass Huang diese Ausnahmeregelung dankbar als Chance ergriff, war seiner Überzeugung geschuldet, dass der gesetzlich gewollte Trend zur Gründung höherer „Musterschulen“ (mofan xuetang) in den Provinzhauptstädten mitsamt ihren prächtigen Neubauten falsch sei. Stattdessen müsse der Staat sich zunächst ganz auf die Ausbildung von Lehrern und auf die Schaffung eines breiten Fundaments von Grundschulen konzentrieren. Zwar hatte auch das Gesetz von 1904 die Lehrerschulen als „Basis zur Verbreitung der Grundschulbildung“ bezeichnet. Aber Huang war wie vielen seiner Zeitgenossen nicht entgangen, dass die Realität vor Ort anders aussah und lokale Beamte sich vor allem um prestigeträchtige, höhere Schulen bemühten. Die Dongshan Shifan Xuetang sollte demgegenüber endlich ernst machen mit der „Verbreitung der Bildung“, die Huang in Japan, den USA und Europa kennen- und schätzen gelernt hatte.36
Abb. 13: Gebäude der ehemaligen Dongshan-Lehrerschule – und davor der Dongshan-Akademie – in Jiaying, dem heutigen Meizhou
Aufgrund von Huangs Reputation und Engagement übertrug ihm der DistriktMagistrat von Jiaying denn auch die Durchführung der Bildungsreformen in dem Distrikt insgesamt. Umso erstaunlicher ist, welche Freiheiten Huang sich
35 Zouding chuji shifan xuetang zhangcheng, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 403–419, hier: S. 403. Der verkürzte Lehrplan für die Schnellkurse findet sich ebd., S. 415. 36 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 547.
4.1 Ost-Guangdong und seine Schulen
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gegenüber den gesetzlichen Vorschriften, die er ja zum Großteil vollkommen befürwortete, selbst herausnahm. Dies gilt umso mehr, als die Schule bereits ein Jahr nach ihrer Gründung, also 1905, selbst in eine staatliche „einfache Lehrerschule“ (chuji shifan xuetang) umgewandelt wurde, weil nun bestimmt war, dass alle Lehrerschulen durch den Staat selbst zu betreiben seien.37 Die staatliche Mittelschule von Jiaying, die Jiaying Zhongxue, wurde 1905 durch den Präfekten von Jiaying ins Leben gerufen, der damit der Aufforderung des Bildungsministeriums folgte. Im folgenden Jahr wurde der Unterricht in den eigens umgebauten Gebäuden der ehemaligen Peifeng Akademie (Peifeng Shuyuan) aufgenommen. Mit rund 500 Schülern war die Jiaying Zhongxue die mit Abstand größte der hier untersuchten Schulen und die einzige, die die gesetzlich vorgesehenen Schülerzahlen überhaupt erreichte. Zu den Schülern gehörten vor allem ehemalige Prüfungskandidaten, so dass auch der Anteil älterer Schüler jenseits von 20 oder 30 Jahren höher als an den anderen untersuchten Schulen war.38 Dennoch lobte die Lokalpresse den raschen Aufbau einer so großen Schule – man zählte sieben Unterrichtsräume anstatt der üblichen ein oder zwei – als Beleg für die Leistungsfähigkeit des lokalen Schulamtes und unterstrich den „luxuriösen und urbanen“ Charakter der Schule und ihrer „hervorragenden Lehrer“.39 Damit handelte es sich bei der Jiaying Zhongxue um eine jener klassischen Leuchtturm-Gründungen oder Musterschulen, die von Huang Zunxian scharf kritisiert wurden. Die Wuben Xuetang war bereits 1902 als Wuben Zhongxi Xuetang („Chinesisch-Westliche Schule der grundlegenden Dinge“) in Jiaying gegründet worden.40 Sie entstand – und das hebt sie hervor – als Kooperationsprojekt der beiden Gentry-Mitglieder und Kaufleute Wu Dengchu und Huang Mocun mit den Basler Missionaren Martin Maier (1866–1954) und dem bereits mehrfach er37 BMA A–1.38b/232: Jahresbericht des Gymnasium in Kayintschu für 1904, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 15.02.1905, S. [4f.]; Han Xiaolin, Lun jindai kejia wenhua de ronghe yu kaifang – yi Jiaying zhou (jin Guangdong sheng Meizhou shi) wei li, in: Guoli zhongyang daxue kejia xueyuan, kejia shehui wenhua yanjiusuo (Hrsg.), Chuantong yu xiandai de kejia liang’an xueshu yantaohui, Taoyuan 2004, S. 102–118, hier S. 114; Meizhou shi difangzhi bianzuan weiyuanhui, Meizhou shi zhi, S. 1458; Cong, Teacher, S. 40f. 38 Freunde der Meizhou Mittelschule (Meizhou Zhongxue Xiaoyou) (Hrsg.), Laoxiao women dushu de difang, o. O. 2004, S. 8; LDRB GX 30/2/1(17.03.1904), Chao Jia xinwen, S. 3. 39 LDRB GX 32/3/30 (23.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r; LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v. 40 Wuben ist ein Begriff aus den „Gesprächen des Konfuzius“ (Lunyu), wo es in Kapitel I, 2 heißt: „Dem Edlen geht es stets vor allem darum, dem Leben einen festen Grund zu geben. Ist der Grund gefestigt, eröffnet sich der rechte Weg" (Junzi wu ben, ben li er dao sheng). Übersetzung aus: Konfuzius, Gespräche: Aus dem Chinesischen von Ralf Moritz, 4. Aufl., Leipzig: Reclam 1988, S. 41.
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wähnten Friedrich Lindenmeyer.41 Im Rahmen eines Vertrages zwischen beiden Parteien investierten die Kaufleute einen Teil ihres in Singapur erworbenen Vermögens in die Schule, während die Missionare vornehmlich als Lehrer tätig werden sollten.42 Doch alle vier Männer fungierten anfangs als Direktoren der Wuben Xuetang, die am 27. Februar 1903 in einer Ahnenhalle außerhalb der Stadtmauern von Jiaying eröffnet wurde.43 Bereits im Herbst kam es jedoch zum Streit, und die chinesischen Financiers führten die Wuben Xuetang alleine fort, während die Missionare eine andere Ahnenhalle mieteten und dort im Frühjahr 1904 ihre eigene „Chinesisch-Westliche Schule des freudigen Lernens“ (Leyu Zhongxi Xuetang) eröffneten.44 Huang Mocun und Wu Dengchu hingegen holten zunächst die Genehmigung des Provinz-Schulamtes in Guangzhou ein und mobilisierten anschließend eine große Anzahl von Spendern insbesondere unter den Kaufleuten Jiayings, während sie sich gleichzeitig Zuschüsse von lokalen und Provinzbehörden sicherten. So gelang es ihnen, die Schule trotz eines zwischenzeitlichen Einbruchs der Schülerzahlen erfolgreich weiterzubetreiben.45 Auch zog die Schule bald mit Genehmigung des Generalgouverneurs, aber gegen den Willen des Präfekten, in den viel größeren Konfuziustempel der Stadt um, in dem der Präfekt die Jiaying Zhongxue hatte unterbringen wollen (Abb. 25).46 Als öffentliche, vor allem durch Schulgebühren und Spenden finanzierte Mittelschule verstanden die Leiter der Wuben Xuetang ihre Schule als Gegenstück zu den beiden oben vorgestellten, staatlichen höheren Schulen in Jiaying. Dies drückte sich auch in dem neuen Namen aus, den sie ihrer Schule bald gaben. Ab Ende 1903 sollte sie Jiaying Minli Wuben Xuetang heißen, also nicht bloß eine öffentliche, sondern eine „Volksschule“ sein. Die Lingdong Tongwen Xuetang war im Dezember 1899 – und damit bereits vor Beginn der „Neuen Politik“ – zunächst in Chaozhou als Tongwen Yuan gegründet worden.47 Den Namen, unter dem sie Bekanntheit erlangen sollte, er41 Zhong Jiahua, Shishen, S. 48. 42 Wu und Huang hatten trugen fugongsheng-Titel, siehe Jiaying gongli wuben xuetang, Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng, Jiaying 1904, S. 5v [Jianying-Bibliothek, Meizhou]; Man-Cheong, Class, S. 44. 43 Han Xiaolin, Lun jindai kejia wenhua, S. 107. 44 BMA A–1.37b/325: Die Station Kayintschu an das Komitee: Jahresbericht über „Schule für westl. Wissen“, Kayintschu, 03.12.1903, S. [3–8]; Han Xiaolin, Lun jindai kejia wenhua, S. 107. 45 Freunde der Meizhou Mittelschule, Qian, S. 8; LDRB GX 31/7/3 (03.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. 46 BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [11–13]. 47 Chen Jinghuai, Qiu Fengjia yu Lingdong tongwen xuetang ruogan shishi kaozheng, in: Shantou daxue xuebao (renwen shehui kexue ban) 22 (2006) 6, S. 81–85, hier S. 82; Cai Rong-
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hielt die Schule erst im darauf folgenden Jahr nach ihrem Umzug in das südlich gelegene Shantou. Dort bezogen die Schüler und Lehrer ein Gebäude in der Waimalu-Straße unweit des Hafens (Abb. 14). Die Schule zählte bis zu 300 Schüler.48 Sie bezog sich vor allem in der Fremdsprachenausbildung auf das „kulturell gleiche“ (tongwen) und zu jener Zeit von vielen als Vorbild gefeierte Japan.49
Abb. 14: Innenhof der ehemaligen Lingdong Tongwen Xuetang in der Nähe des damaligen Hafens von Shantou, heute die Dritte Grundschule der Stadt
Doch als die Schülerzahlen infolge anti-japanischer Proteste zurückgingen, wurde sie 1908 in eine Handelsschule, die Lingdong Zhongdeng Shangye Xuetang, umgewandelt. Diese widmete sich der Berufsausbildung von Kaufleuten, damit diese ihren ausländischen Konkurrenten im Vertragshafen Shantou mehr würden entgegenzusetzen haben. Als Mittelschule (zhongdeng) ordnete sie sich zugleich in die mittlerweile etablierte staatliche Schulhierarchie ein. 50 wu, Jinian Qiu Fengjia danchen yi bai er shi zhounian, in: Shantou wenshi 2 (1985), S. 1–12, hier S. 5f. 48 China Imperial Maritime Customs (Hrsg.), Decennial Reports on the Trade, Industries, etc., of the Ports open to Foreign Commerce, and on the Condition and Development of the Treaty Port Provinces (1: Statistical Series, No. 6). 1902–1911, Shanghai 1913. 49 Negativ und als bloßer Trick der japanischen Regierung wurde die Tongwen-Bewegung, die unter anderem im Dongya Tongwen Hui institutionalisiert war, erst ab den 1930er Jahren bewertet, aus dann naheliegenden Gründen, siehe Reynolds, China, 1898–1912, S. 141. 50 Zu der Handelsschule, siehe GDJYGB 1 (1910) 7, S. 189f.; Wen Yuan, Lingdong Tongwen Xuetang lailong qumai, in: Shantou wenshi ziliao 9 (1991), S. 75–82, hier S. 81f.; Douglas R.
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Schulgründer Qiu Fengjia stammte aus einem kleinen Ort auf der Insel Taiwan. Sein Talent wurde früh von einflussreichen Männern, darunter Tang Jingsong (1841–1903), dem letzten Qing-Gouverneur von Taiwan, erkannt und gefördert.51 1889 erlangte Qiu den Jinshi-Grad und wurde Beamter am Hof. Dieses Dasein jedoch gefiel ihm nicht, und so zog er sich als Lehrer an verschiedenen Akademien auf Taiwan zurück. Als die Insel 1895 japanische Kolonie wurde, organisierte Qiu Fengjia zusammen mit Tang Jingsong einen kurzlebigen militärischen Widerstand, floh nach dessen Scheitern jedoch auf das Festland. Dort ließ er sich im Kreis Zhenping im Nordosten von Guangdong nieder und verbrachte seine Zeit vor allem mit Dichtung. 1897 ernannte ihn der Präfekt zum Leiter der Hanshan-Akademie in Chaozhou. Qius Betonung westlichen Wissens und demokratischer Elemente im Unterricht erregte jedoch das Missfallen der konservativen Gentry vor Ort. Und so entschloss er sich 1899 gemeinsam mit He Shoupeng (1866–1922), der in Japan studiert hatte, und dessen Vater He Ruzhang (1831–1891), der der erste Botschafter Chinas ebendort gewesen war, zur Gründung einer eigenen Schule.52 Die „Neue Politik“ bot Qiu, der gleichwohl Mitglied des 1905 von Sun Yatsen (1866–1925) gegründeten, revolutionären Tongmenghui werden sollte, neue Karrierechancen: Nachdem er neben der Lingdong Tongwen Xuetang noch weitere Schulen in der Region gegründet hatte und verschiedentlich als Direktor oder Aufseher tätig war, berief ihn Generalgouverneur Cen Chunxuan 1906 als Direktor an die staatliche Mittelschule der Präfektur Guangzhou und ernannte ihn zum Schulinspektor für Huizhou, Chaozhou und Jiaying. 1909 wurde er als einer von 94 Abgeordneten in die Provinzversammlung von Guangdong gewählt.53 Die Lingdong Tongwen Xuetang war in verschiedener Hinsicht besonders: Bis 1911 gab es neben ihr nur eine einzige weitere Mittelschule in Shantou, das 1905 gegründete Anglo-Chinese College (Huaying Zhongxue) der English Presbyterian Mission.54 Qiu Fengjia zählte mit dieser Schulgründung also durchaus zur Howland, Borders of Chinese Civilization. Geography and History at Empire’s End, Durham, NC: Duke University Press 1996, S. 2f. 51 Zu Tang Jingsong, siehe Denny Roy, Taiwan. A Political History, Ithaca, NY: Cornell University Press 2003, S. 33. 52 Cai Rongwu, Jinian, S. 2–5. 53 LDRB GX 31/3/8 (12.04.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 31/4/2 (05.05.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 31/5/24 (26.06.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 31/7/7 (07.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r; Ching May-bo, Classifying, S. 72f.; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 159; Thronbericht von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 32/9/22 (08.11.1906), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–5467–078. 54 Shantou shi dang’anguan (Stadtarchiv Shantou, STSDAG), Minguo xuexiao wenjiao weisheng (Schulen, Kultur, Bildung und Gesundheit in der Republikzeit), 1920–1949, Nr. 12/5/
4.1 Ost-Guangdong und seine Schulen
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Avantgarde, zumal „östlich der Berge“ (lingdong), also tief im Osten der Provinz Guangdong, wo es vor 1899 noch keine einzige reformorientierte Schule gegeben hatte.55 Doch davon abgesehen, lässt sich an der Geschichte dieser Schule gut beobachten, wie die Integration einer von vornherein als modern angelegten Schule, an der auch Lehrer aus Japan unterrichteten, in das sich kurz darauf entwickelnde, staatliche Schulsystem vonstatten ging. Von besonderem Interesse ist dabei ihre Umwandlung in eine staatliche Schule infolge finanzieller Schwierigkeiten nach dem Weggang Qiu Fengjias im Jahr 1904. Die staatliche Jinshan Zhongxue oder „Goldberg-Mittelschule“ war offiziell auch unter dem Namen Chaozhou-Mittelschule (Chaozhou Zhongxue) bekannt. Den umgangssprachlichen Namen Jinshan erhielt auch sie nach einer gleichnamigen Akademie, dem 1877 gegründeten Jinshan Shuyuan, in dessen Gebäude sie 1903 eingerichtet wurde, und von dessen umfangreichem Besitz sie ihre Ausgaben bestritt. Für diesen Besitz hatte der Gründer Fang Yao (1834–1891) gesorgt, der als Philanthrop auch mehr als 100 Grundschulen und mehrere Waisenhäuser in der Region gegründet hatte.56 Das Jinshan Shuyuan hatte zu jenen modernen Akademien ganz neuen Typs gehört, die mit den traditionellen shuyuan, die ich in Kapitel 2 erwähnt habe, nicht zu verwechseln waren, weil sie – wie am prominentesten das von Zhang Zhidong gegründete Guangya Shuyuan in Guangzhou – aus der Selbststärkungsbewegung hervorgegangen waren und neue Wissenschaften lehrten.57 Wohl auch deshalb besuchte Zhang als Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi im Rahmen einer Inspektionstour 1887 das Jinshan Shuyuan in Chaozhou und forderte den Präfekten auf, noch mehr in Ausstattung und Lehrer zu investieren.58 Im Unterschied zu den meisten anderen Mittelschulen hatte die 112: Shantou shili di yi zhongxuexiao yange shilüe (Eine kurze Geschichte der Ersten Mittelschule von Shantou), o.D.; Presbyterian Church of England, Foreign Mission Council Archives (PCE.FMC) Series 1, Box 31, file 7; Shantou huaying xuexiao (Hrsg.), Shantou huaying xuexiao bei zhan zhi shilüe, Shantou 1925, S. [1]. Dieses College wurde der EPM, wie schon zuvor ein Krankenhaus, vom konvertierten Kaufmann und Philanthropen Chen Yuting (Hou Teng-thai, 1842–1905) finanziert, siehe Lin Weilong/Lin Weitian, Wan Qing Chaozhou shangren de cishan huodong. Yi Chen Yuting wei lie, in: Hanshan shifan xueyuan xuebao 34 (2013) 1, S. 38–43. 55 Wen Yuan, Lingdong, S. 75. In der insgesamt spärlichen chinesischen Literatur zur Geschichte der Schule überwiegt denn auch ein lokalpatriotischer Ton, der die Lingdong Tongwen Xuetang zur ersten modernen Schule Guangdongs überhaupt erhebt, siehe Cai Rongwu, Jinian, S. 6–8; Wen Yuan, Lingdong, S. 81. 56 Ebd.; Wu Rongqing, Chaozhou de shuyuan, Chaozhou: Yiyuan chubanshe 2001, S. 104– 106. 57 Zur Geschichte des Guangya Shuyuan siehe Zhou Hanguang, Zhang Zhidong yu Guangya shuyuan. 58 STSDAG, Minguo xuexiao wenjiao weisheng, Nr. 12/5/57, fol. 58r.
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Jinshan Zhongxue denn auch nur selten mit Geldsorgen zu kämpfen. Im Gegenteil konnte der Präfekt aus ihren Pachteinnahmen weitere Schulen subventionieren, so dass, als 1906 der Verkauf eines Teils der Ländereien erwogen wurde, sogar aus Chaozhou stammende Kaufleute in Südostasien schriftlich dagegen protestierten.59 Auch wenn genaue Schülerzahlen fehlen, deuten die mehrfache Erweiterung des Schulgeländes sowie Umzugspläne darauf hin, dass die Jinshan Zhongxue sehr beliebt war.60 Ende 1905 erhielten 225 Kandidaten aus neun Kreisen der Präfekturen Chaozhou und Jiaying von der Schulleitung die Zulassung zur Aufnahmeprüfung für einen von 60 Plätzen in einer neuen Klasse.61
4.2 Lehrplan und neue Fächer 1929 erinnerte sich der Schriftsteller Guo Moruo an seine Schulzeit an einer Mittelschule im Sichuan des Jahres 1907: Der Geographielehrer hieß Lin. […] Sogar Osten und Westen, Süden und Norden wußte er nicht auseinanderzuhalten. Er behauptete, Japan läge südlich von China, Korea östlich von Japan, sein Unterricht war mysteriöser als die ‚Geographischen Belehrungen‘ aus dem ‚Klassischen Buch von den Bergen und Meeren‘ [Shanhaijing]. Mit den übrigen Lehrern verhielt es sich kaum anders. Wir hatten einen Englischlehrer, […] auch heute wage ich nicht zu entscheiden, ob das, was er sprach und schrieb, wirklich Englisch war.62
Guos Schilderung führt vor Augen, wie grundstürzend, wie herausfordernd die neue Schulpraxis war. Das galt nicht nur für die größtenteils neuen Fächer wie Geographie, Englisch, Mathematik oder Sport – es galt schon für die Einteilung des Schultages selbst in so etwas wie Fächer, die der sishu fremd gewesen war. Auch Lehrpläne im heutigen Sinne, in denen „bestimmte, verbindliche Lehrziele mit den ihnen zukommenden Lehrstoffen so vermittelt [werden], daß eine langfristige Unterrichtsorganisation zur Erreichung der Lehrziele möglich wird“, erließ die chinesische Zentralregierung erstmals 1898 sowie 1902 und 1904.63 Dass diese Lehrpläne in erster Linie eine Aufzählung der zu behandeln59 LDRB GX 32/10/26 (11.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 2v f.; siehe Kapitel 4.7. 60 So erwog man Ende 1905 die Umnutzung der ehemaligen Prüfungshallen der Präfektur zu Gebäuden der Schule, siehe LDRB GX 31//10/18 (14.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. 61 LDRB GX 31/11/14 (10.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. 62 Guo Moruo, Kindheit. Übertragen aus dem Chinesischen und Nachwort von Ingo Schäfer, Frankfurt a. M.: Insel-Verlag 1981, S. 134f. 63 Rudolf Kammerl, „Lehrplan“, in: Gerd Reinhold (Hrsg.), Pädagogik-Lexikon, München: Oldenbourg 1999, S. 345–347, hier S. 345. Im Sommer 1898 hatte der Hof noch keine zentralen
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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den Fächer und ihres zeitlichen Umfangs waren und darüber hinaus nur wenige Erläuterungen gaben, galt zu jener Zeit auch noch für die Lehrpläne zum Beispiel im Deutschen Reich.64 Die fehlenden Angaben zur konkreten Ausgestaltung des täglichen Unterrichts in den ersten chinesischen Lehrplänen führten denn auch dazu, dass die von kommerziellen Verlagen aufgelegten Lehrbücher zur eigentlichen Richtschnur für die in den neuen Fächern noch unerfahrenen Lehrer wurden, wie Guo Moruos Erinnerungen anschaulich machen.65 Dieser weite Abstand zwischen der Theorie des Lehrplans und der Praxis des Unterrichts scheint zunächst die grundlegende Annahme der Vertreter des „world model“-Ansatzes zu bestätigen, demzufolge sich nationale Lehrpläne in der Welt des 20. Jahrhunderts weniger an wie auch immer definierten, konkreten lokalen Bedürfnissen, als vielmehr an global zirkulierenden Standards und Idealen orientierten.66 Dennoch verlief die lokale Implementierung dieser Lehrpläne nicht reibungslos. Abweichungen einzelner Schulen – die sich am anschaulichsten an dem ebenfalls neuen Instrument des Stundenplans ablesen lassen – waren keine Ausnahmen. Vielmehr gewährt ihre Analyse Einblick sowohl in die lokale Adaptionsfähigkeit, als auch in die Reichweite und Durchsetzungsfähigkeit des Staates.67 Und genau diese Abweichungen und Reibungen in der Praxis sollen hier interessieren. Diese Praxis nämlich ist bislang weit weniger gut erforscht als jene Ideale, die die Qing ihren jungen Bürgern in spe durch Lehrpläne und entsprechende Lehrbücher vermitteln wollten. Peter Zarrow hat jene Ideale im DeLehrpläne für ganz China erlassen, siehe Tang Zhijun/Chen Zu’en/Tang Renze (Hrsg.), Wuxu shiqi jiaoyu (ZGJDJYSZL), Shanghai: Shanghai jiaoyu chubanshe 2007, S. 122. Allerdings formulierte das Außenamt einen solchen für die neue, später Peking Universität genannte Jingshi Daxuetang: Jingshi daxuetang zhangcheng, 03.07.1898, in: ebd., S. 228–239, besonders S. 230– 232. Die viel differenzierteren Lehrpläne der Jahre 1902 und 1904 finden sich in: Qu Xingui/ Tang Liangyan, Xuezhi, S. 243–296 und S. 300–474. Auch nach 1904 wurden in unregelmäßigen Abständen revidierte Lehrpläne sowie neue Lehrpläne für hinzugekommene Schulformen erlassen. 64 Erst mit Beginn der Weimarer Republik und unter dem Einfluss der Reformpädagogik setzte sich eine Form des Lehrplans durch, der „pädagogische[n] und didaktische[n] Leitlinien“ mehr Gewicht einräumte, siehe Andreas Dörpinghaus/Karl Helmer/Gaby Herchert, „Lehrplan“, in: Dietrich Benner/Jürgen Oelkers (Hrsg.), Historisches Wörterbuch der Pädagogik, Weinheim: Beltz 2004, S. 565–602, hier S. 598f. 65 Henrietta Harrison, China (Inventing the Nation), London: Arnold 2001, S. 92. 66 John W. Meyer/ David H. Kamens/Aaron Benavot, School Knowledge for the Masses. World Models and National Primary Curricular Categories in the Twentieth Century, Washington, DC: Falmer Press 1992, S. 58f., 65. 67 Allerdings sagt auch der Grad der Kongruenz zwischen staatlichem Lehrplan und Stundenplan natürlich noch nichts über die tatsächliche Umsetzung zentral formulierter Lernziele aus, siehe Kammerl, Lehrplan, S. 345.
210 4 Der Staat im Schulalltag
tail aus einer großen Anzahl von Schulbüchern der späten Qing-Zeit herausdestilliert. Dabei macht er deutlich, wie die Narrative, derer sich insbesondere Sprach-, Geschichts- und Morallehrbücher bedienten, die Schüler „in ein Verhältnis zur Familie, zur Schule, Nachbarschaft, Region, Nation und der Welt“ setzten.68 Aber für unseren Kontext entscheidend ist doch, was von diesen Idealen – oder welche anderen Ideale – in der Praxis gelehrt wurden. Denn es war ja gerade der Abstand zwischen Theorie und Praxis, der den chinesischen Staat so modern und so schwach, so hoffnungsvoll und so gescheitert erscheinen ließ. Für das China der „Neuen Politik“ stellt sich dabei die Frage nach der Persistenz „traditionellen“ Unterrichts in einem umfassenden, auch methodischen Sinne.69 Schließlich brachten die Lehrpläne wie erwähnt erstmals überhaupt einen in feste zeitliche Sequenzen gegliederten Unterricht mit sich. Der Stundenplan, der das Lernen nach Wochen, Tagen und Stunden festschrieb, war für viele Schüler und Lehrer eine zweite Zumutung, die zu den ganz neuen Lehrinhalten noch hinzutrat.70 Die folgende, exemplarische Analyse einiger Unterrichtsfächer kann indes aufgrund der Quellenlage nicht in allen Fällen ins Detail gehen. Für die Lingdong Tongwen Xuetang zum Beispiel sind statt genauer Stundenpläne nur Lehrpläne ohne Angaben von Stundenzahlen überliefert. Den ersten hatte Qiu Fengjia ausdrücklich als unvollständig betrachtet und zu Verbesserungsvorschlägen aufgerufen.71 Von der Jiaying Zhongxue wiederum sind gar keine Lehrpläne überliefert. Hier lässt allein die namentliche Auflistung von zwölf Fachlehrern mitsamt ihrer hochkarätigen Ausbildungsstätten – von Guangzhou bis nach Japan – vermuten, dass sich gerade diese staatliche Schule wie das Gros ihrer Schwesterinstitutionen weitestgehend an die staatlichen Lehrpläne hielt.72 Die 68 Zarrow, Educating, S. 249. 69 Die Persistenz solcher Lehrinhalte und Lehrformen auch im Angesicht neuer, „moderner“ Curricula findet sich mitnichten nur in Situationen radikaler bildungspolitischer Umschwünge wie in China zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Thøgersen, County, S. 40). Dieselbe Persistenz kennzeichnete zum Beispiel auch die Lehrplanreformen im Großbritannien der 1960er Jahre, weshalb der Curriculum-Historiker Ivor Goodson davor warnt, radikale Neuformulierungen von Lehrplänen mit einer radikal neuen Unterrichtspraxis zu verwechseln, siehe Ivor Goodson, The Need for Curriculum History, in: Roy Lowe (Hrsg.), Studies in Learning and Teaching, London: Routledge/Falmer 2000, S. 93–100, hier S. 94, 99. 70 Elizabeth VanderVen, It’s Time for School. The Introduction of the New Calendar in Haicheng County Primary Schools, Northeast China, 1905–1919, in: Twentieth Century China 32 (2007) 2, S. 60–83; Culp, Articulating, S. 165–176. 71 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng, 1900, Art. 12, zit. nach: Wen Yuan, Lingdong, S. 77f., hier: S. 78. 72 LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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Wuben Xuetang wiederum veröffentlichte 1904 ein ausführliches Curriculum für ihren Mittelschulzweig.73 Dabei betonten Huang Mocun und Wu Dengchu eigens, dass sich ihre Lehrpläne schon zur Zeit der Kooperation mit den Basler Missionaren an die Vorgaben aus Beijing gehalten hätten, und dass sie diese nun an die neuen Schulgesetze angepasst hätten. Allerdings fällt sofort auf, dass die beiden keine Stundenpläne veröffentlichten, sondern lediglich die Fächer auflisteten, die sie zu unterrichten beabsichtigten. Insofern ist auch hier kein so präziser Abgleich möglich wie im Falle der Dongshan-Lehrerschule. Weitgehend unstrittig war an den Mittelschulen, dass sie die vom Staat vorgeschriebenen, aus japanischen und westlichen Schulen entlehnten Fächer lehren würden. Eine andere Frage war es, in welchem Verhältnis diese neuen Fächer zur nationalen Identität stellen sollten. In Shantou entschied sich Qiu Fengjia im Jahr 1900 noch für den schon klassischen Dualismus, den die Selbststärkungsbewegung geprägt hatte: „An dieser Schule steht das chinesische Lernen im Mittelpunkt, und das westliche Lernen ist nur eine Ergänzung, von der die Nutzen bringenden Lehren, nicht aber ihre Ideologie gelernt werden sollen.“74 Fünf Jahre darauf stand demgegenüber für Huang Zunxian der universelle Vorbild-Charakter ausländischer Lehrpläne außer Zweifel: In jedem Land in Ost und West gehören zu den Schulfächern an der Grundschule zum einen moralische Erziehung [xiushen], dann Ethik [lunli], nationale Sprache und Schrift, Mathematik, Geographie und Naturwissenschaften, um den Kindern die natürlichen Dinge und die Phänomene der Natur in einem ersten Schritt näherzubringen […]. Außerdem gibt es Sportunterricht, um sicherzustellen, dass sie stark werden und nicht krank […]. Und dann gibt es noch das Fach Handarbeit […]; außerdem gibt es noch zwei zusätzliche Fächer, nämlich Zeichnen und Singen […]. Die groben Züge heißen also moralischer Unterricht, geistiger Unterricht und physischer Unterricht.
Ein solcher Kanon sei, anders als der bisherige an Chinas Schulen, kindgerecht, nützlich und weltoffen, schließlich wurden die Kinder im alten System zwar zur Schule geschickt, aber das hohe Prinzip [der alten Bildung], angewendet in den Jahren kindlicher Ignoranz, [ließ die Kinder] die Worte fürchten wie die Endlosigkeit der Milchstraße […]. Heute aber hat alles einen Plan, es ist leicht verständlich […], das ist der erste Vorteil; alles was man lernt, ist nützlich, was nicht nützlich ist, wird nicht gelernt […], das ist der zweite Vorteil; dass man schnell grobe Kenntnisse der Geschichte des eigenen Landes erwirbt, zugleich aber auch über die heutige Situation der fünf Kontinente informiert ist, und weder unzeitgemäß noch in der Welt unerfahren ist, das ist der dritte Vorteil.75
73 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904). 74 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), S. 77. 75 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 549; Übersetzung H. F.
212 4 Der Staat im Schulalltag
Huang hatte also seine eigenen Ansichten und erlaubte sich deshalb an der von ihm gegründeten Dongshan Shifan Xuetang wie erwähnt eine Reihe von Abweichungen vom staatlichen Lehrplan, die deutlich machen, welchen Spielraum das neue Schulsystem lokalen Schulleitern in der Praxis bot. Die praktischen Grenzen staatlicher Vereinheitlichung werden auf diese Weise ebenso deutlich wie ihre Erfolge. Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Huangs Lehrplan insofern dem Gesetz folgte, als dass er keines der dort vorgeschriebenen Fächer einfach wegfallen ließ und sich auch an die Gesamtsumme von 36 Wochenstunden hielt. Vollkommene Übereinstimmung – auch in der Anzahl der Wochenstunden und ihrer Verteilung auf die beiden Halbjahre – herrschte dennoch nur in den Fächern Chinesische Literatur (Zhongguo wenxue), Geographie und Mathematik. Abweichungen hinsichtlich der Zahl der Stunden gab es im Geschichtsunterricht (zwei statt drei Stunden), im Zeichnen (eine statt zwei Stunden) und im Sportunterricht (drei statt vier Stunden).76 Solche kleineren Abweichungen tolerierte die Schulverwaltung meist stillschweigend. So konnte die Wuben Xuetang folgenlos auf den Unterricht im Zeichnen und sogar auf Sport verzichten, obschon letzteres Fach wie kein anderes die nun geforderte Wertschätzung des Militärs verkörperte (die Lingdong Tongwen Xuetang veranstaltete sogar ein großes Sportfest in Shantou und ließ ihre Schüler durch einen japanischen Offizier drillen).77 Wenn eine Schule jedoch mehrere zentrale Fächer ganz wegfallen ließ, griff der Staat ein. Der Lehrplan der 1903 gegründeten Jinshan Zhongxue in Chaozhou zum Beispiel erfüllte die Vorgaben des Schulgesetzes lange Zeit nicht. Noch im April 1905 monierte die Lingdong Ribao unter Bezug auf das staatliche Curriculum, es fehlten Geographie, Naturkunde, Physik und Chemie, Fremdsprachen und Sport. Obendrein vermisste die Zeitung die Fächer Recht (fazhi) und Finanzverwaltung (licai).78 Daraufhin schickte das Schulamt auf Bitte des Präfekten einen neuen Direktor aus Guangzhou, der bereits im August 1905 „dafür sorgte, dass alle Fächer komplett waren“.79 Damit hatte nicht nur der Staat seinen Lehrplan durchgesetzt – dass auch die Autoren der privaten Lokalzeitung diesen Lehrplan zum selbstverständlichen Maßstab nahmen, zeigt, dass der Staat als Hüter von Bildungsstandards nach wie vor Autorität genoß. 76 Jianyike zhi xueke chengdu, in: Zouding chuji shifan xuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 415; LDRB GX 31.10.04 (31.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 2. 77 Nicolas Schillinger, The Body and Military Masculinity in Late Qing and Early Republican China. The Art of Governing Soldiers, Lanham, MD: Lexington Books 2016, S. 290–298; Cai Rongwu, Jinian, S. 7; LDRB GX 31/9/16 (14.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 78 LDRB GX 31/3/20 (24.04.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 79 LDRB GX 31/7/2 (02.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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4.2.1 Moralische Erziehung und Ethik In kaum einem Fach drückte sich die Zivilisierungsmission der „Neuen Politik“ so klar aus wie in der moralischen Erziehung. Xiushen bezeichnete ursprünglich die „Selbstkultivierung“ und damit das zentrale Ziel des Konfuzianismus.80 Als Name des Schulfaches hatten die Qing xiushen aus dem japanischen Schulsystem übernommen, wo es seit 1880 eine konservative Rückbesinnung auf „japanische“, konfuzianische Werte und eine Ablehnung des bis dahin gelehrten, westlichen Individualismus zum Ausdruck bringen sollte. In China sollten xiushen-Lehrbücher den Kindern vor allem beibringen, dass „der Staat über der Gesellschaft steht“, und dass der Einzelne sich der Mehrheit unterzuordnen habe, die ihren Ausdruck eben im Staat finde. „Zivilisierung“ bedeutete in dieser Lesart vor allem, dem Individuum – unter Rückgriff auf konfuzianische Ideale wie kindliche Pietät und Loyalität gegenüber dem Herrscher – bewusst zu machen, dass eine Verbindung zwischen seinem Verhalten und dem Wohl oder Wehe der Nation bestand. Dies war vielleicht die wichtigste Aufgabe des neuen Bildungssystems.81 In der Praxis aber hielten sich offenkundig längst nicht alle an diese Interpretation. Nicht nur erschienen einzelne Lehrbücher, die den Staat im republikanischen Sinne als „Sache der Bürger“ bezeichneten. Auch Huang Zunxian war mit der staatsfixierten Deutung des moralischen Unterrichts nicht zufrieden und nannte das Fach an seiner Schule statt xiushen lieber lunli. Mit diesem abstrakteren, umfassenderen Begriff gab Huang einer eher akademischen, liberaleren Auseinandersetzung mit Fragen der Ethik den Vorzug gegenüber der für die Lehrerschule eigentlich vorgeschriebenen Vermittlung feststehender Leitsätze im Sinne von xiushen. Zudem wurde lunli um 1900 bereits häufig zur Übersetzung westlicher Morallehren verwendet, vor allem von den Reformern Kang Youwei und Liang Qichao.82 So zeigte Huang mit einer – offenbar geduldeten – terminologischen Abweichung, dass er von der Propagierung der unbedingten Suprematie des Staates nicht überzeugt war. Auch die Leiter der Wuben Xuetang, Huang Mocun und Wu Dengchu, nannten das Schulfach lieber lunli. Doch betonten sie sogleich, dieses diene der
80 Thomas H. C. Lee, „Xiu shen 修身“, in: Xinzhong Yao (Hrsg.), RoutledgeCurzon Encyclopedia of Confucianism, London: RoutledgeCurzon 2003, S. 709f. 81 Bailey, Reform, S. 32; Zarrow, Educating, S. 89–94; Schulz Zinda, Propagating, S. 702f., 707. 82 Huang Xingtao/Ceng Jianli, Qing mo xinshi xuetang de lunli jiaoyu yu lunli jiaokeshu tanlun – jian lun xiandai lunlixue xueke zai Zhongguo de xingqi, in: Qingshi yanjiu (2008) 1, S. 51–72, hier S. 52f.
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Selbstkultivierung (xiushen) der Schüler, womit sie dann doch auf den Namen aus dem staatlichen Lehrplan Bezug nahmen.
4.2.2 Lokale Sprachen, „Nationalsprache“ und Fremdsprachen Die Unterrichtsstunden, die Huang durch die oben genannten Reduzierungen gegenüber dem staatlichen Lehrplan gewann, benötigte er, um weitere, im Gesetz nicht vorgesehene Fächer hinzuzufügen beziehungsweise dort aufgeführte Fächer in Subdisziplinen zu unterteilen. So fügte er dem Lehrplan ebenfalls eigenmächtig Mandarin oder die „Nationalsprache“ (guoyu) hinzu. Genauso hielt es Qiu Fengjia in Shantou.83 Im offiziellen Lehrplan aller Schulen aber war Mandarin – anfangs noch mehrheitlich als „Sprache der Beamten“ (guanhua) bezeichnet – bis 1911 nicht als eigenes Fach vorgesehen.84 Die Autoren der Schulgesetze von 1904 waren davon ausgegangen, dass die Anweisung, ab Beginn der Höheren Grundschule (also im sechsten Schuljahr) im Rahmen des Unterrichts in chinesischer Literatur die Hochsprache zu üben, ausreichen würde. Die gleiche Bestimmung galt auch für die verkürzte Lehrerschule. Von der Mittelschule an galt dann nur noch die generelle Regel, derzufolge „an allen Schulen“ Mandarin (als gesprochene Sprache) zu benutzen sei.85 Erst 1911 sollte das 83 LDRB GX 31/2/19 (24.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 84 Der westliche Begriff „Mandarin“ allerdings bezeichnet mindestens zwei unterschiedliche Dinge, nämlich die gesprochene Sprache der Beamten einer- und die behördliche Schriftsprache andererseits. Beide existierten um 1900 zudem in unterschiedlichen regionalen Ausprägungen oder Dialekten, die zueinander in Konkurrenz um ihre Anerkennung als nationalem Standard gerieten. Siehe Kaske, Politics, S. 77–151; Culp, Teaching, S. 7–17 sowie immer noch Carl Arendt, Handbuch der nordchinesischen Umgangssprache. Mit einem Einschluss der Anfangsgründe des neuchinesischen officiellen und Briefstils. Erster Theil: Allgemeine Einleitung in das chinesische Sprachstudium, Stuttgart, Berlin: W. Speman 1891, S. 357–363. 85 Zouding gaodeng xiaoxuetang zhangcheng, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 315–326, hier: S. 318; Zouding chuji shifan xuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 408. Wörtlich heißt die gesamte Passage: „Die Sprache eines jeden Landes ist einheitlich, sie vereinigt die Menschen des jeweiligen Landes und lässt ihre Gefühle leicht harmonieren. Dies beginnt in der Tat mit der Aussprache der Zeichen in der Grundschule. Im chinesischen Volk hat jeder Ort seinen Dialekt, was dazu führt, dass die Menschen eines Kreises einander nicht verstehen, es gibt viele Ausdrucksweisen. Nun planen wir, durch die Hochsprache [guanyin] die Sprache unter dem Himmel zu vereinen. Deswegen soll an den Lehrerschulen und den Höheren Grundschulen dem Fach Chinesische Literatur [Zhongguo wen] das Fach Mandarin [guanhua] hinzugefügt werden. Zur Übung sollen alle Schulen das ‚Heilige Edikt‘ als Standard nutzen. Künftig soll jeder Lehrer den Unterricht in Mandarin halten. Selbst wenn er darin nicht die Versiertheit eines in Beijing Aufgewachsenen erreicht, muss er dennoch die Zeichen rein lesen und eine klare Aussprache haben“ (Zouding xuewu gangyao
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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Bildungsministerium seine Planung bekannt machen, Mandarin (nun als guoyu) tatsächlich als separates Unterrichtsfach in den Lehrplan jeder Schule aufnehmen zu wollen. Zur Begründung hieß es, auch im viel kleineren Japan werde dies so gehandhabt, und China sei so groß und seine Grenzregionen so weitläufig, dass man „die Sprache des ganzen Landes und des großen Volkes“ vereinheitlichen müsse.86 Wie im Falle der moralischen Erziehung, war das Schulsystem also auch in sprachlicher Hinsicht ein zentrales Werkzeug zur Verwandlung des gesamten Imperiums in einen Nationalstaat.87 Die frühere Vorstellung, ab der Mittelschule sei es nicht mehr nötig, die Hochsprache – wenn auch nur, wie in der Grundschule, als Teil des ChinesischUnterrichts – zu lehren, hatte sich als realitätsfremd erwiesen. Und wie die Erfahrungen in der Republikzeit zeigen sollten, ging jenes Kalkül auch langfristig nicht auf. In den ersten Jahren nach Einführung des neuen Schulsystems war deshalb, anders als gesetzlich vorgesehen, gar nicht daran zu denken, in der Mittelschule auf den „Mandarin“-Unterricht zu verzichten.88 An den Mittelschulen in Guangdong scheint es daher schon in den letzten Jahren der Qing üblich gewesen zu sein, die Hochsprache eigens zu unterrichten, weil nur so ein gemeinsamer Unterricht verschiedener Dialektgruppen möglich war. Die Schüler der Lingdong Tongwen Xuetang etwa waren zu einem Teil ursprünglich aus Jiaying stammende Hakka und zum anderen Teil Fulao aus Chaozhou und aus Shantou selbst. Der wirtschaftliche Aufstieg Shantous zog zudem Schüler aus den benachbarten Provinzen Fujian und Jiangxi an; 1905 stammte etwa die Hälfte der 80 Schüler aus Jiaying und dem Kreis Dapu sowie anderen Hakkasprechenden Regionen, die andere Hälfte aus den sonstigen, Chaoshanhua sprechenden Kreisen der Präfektur Chaozhou.89 Weil sie sich untereinander kaum verständigen konnten, wurden die Schüler anfangs in getrennten Klassen unterrichtet. Qiu Fengjia, selbst Hakka, geriet über diese Praxis mit einem ein[13.01.1904], S. 505; Übersetzung H. F.). Zum „Heiligen Edikt" als Standard der gesprochenen Sprache an den modernen Schulen siehe Ichiko, Political, S. 380. 86 Bildungsministerium, Xuebu zouyi fu ge xuetang tianshe guoyuke zhe, XT 3/4/5 (03.05.1911), in: DQXFL, Bd. 11, S. 190f. 87 Gang Zhao, Reinventing China. Imperial Qing Ideology and the Rise of Modern Chinese National Identity in the Early Twentieth Century, in: Modern China 32 (2006) 1, S. 3–30, hier S. 16f. 88 Elisabeth Kaske geht hingegen davon aus, dass diese vorgeschriebene Unterweisung in der gesprochenen Sprache der Beamten ohnehin nur den künftigen Lehrern unter den Schülern gegolten habe und zudem nie in die Tat umgesetzt worden sei (Kaske, Politics, S. 252). Dass freilich sowohl chinesische als auch missionarische Mittelschulen aus freien Stücken ein eigenes Unterrichtsfach „Mandarin“ unterrichteten, deutet doch darauf hin, dass hier ein Bedarf bestand. 89 LDRB GX 30/11/28 (03.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v f.; Wen Yuan, Lingdong, S. 80.
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flussreichen Mitglied der lokalen, Chaoshanhua sprechenden Gentry in Konflikt. Dieser weitete sich 1903 zum „Krieg zwischen Einheimischen und Hakka“ aus. Die einheimische Gentry schickte sogar Schlägertrupps in die Schule, die die Fortführung des Unterrichts unmöglich machten. Qiu Fengjia wandte sich an die Lokalregierung, die wiederum den Generalgouverneur einschaltete.90 Als Konsequenz setzte die Schulleitung ab 1904 ganz auf die sprachliche Vereinheitlichung und stellte junge Pädagogik-Absolventen ein, die in anderen Provinzen ihre Abschlüsse gemacht hatten und auf Hochchinesisch unterrichten konnten.91 Offenkundig hatte die einheimische Gentry durch ihr Vorgehen 1903 versucht, die auch als wirtschaftliche Konkurrenten wahrgenommenen Zuwanderer abzuwehren. Das neue, nationale Schulsystem mit seinem Streben nach Homogenisierung konnte also gerade dazu beitragen, dass bislang als unbedeutend empfundene, linguistische Unterschiede deutlicher zutage traten und ethnisch aufgeladen wurden.92 So entbrannte kurze Zeit später ein großer öffentlicher Disput über ein staatlich genehmigtes Schulbuch, das erklärte, weder Hakka noch Hoklo gehörten zu den Han-Chinesen – dies aber nahmen beide für sich in Anspruch und suchten es auch gleich gegenüber dem kantonesischen Autor des Schulbuches zu beweisen.93 Und während der Revolution von 1911 sollte sich die ethnische Frontstellung zwischen Shantous einheimischen, gemäßigten Kaufleuten und den zahlreichen Revolutionären unter den Zugezogenen weiter verschärfen.94 Weniger konfliktreich war die Lage in Jiaying. Doch auch hier hatte Huang Zunxian bereits 1905 aufgrund der verschiedenen lokalen Dialekte aus eigenen Stücken das Fach guoyu eingeführt. Zwar wurde hier überwiegend Hakka gesprochen, doch einzelne Schüler stammten auch von weiter her und sprachen zum Beispiel Chaoshanhua. Huangs früher Einsatz für den guoyu-Unterricht erklärt sich zudem dadurch, dass er wie Liang Qichao ein früher, energischer Fürsprecher der baihua-Bewegung war, also für die Verwendung der gesprochenen
90 Chen Jinghuai, Qiu Fengjia, S. 85. 91 LDRB GX 29/11/14 (01.01.1904), Chao Jia xinwen, S. 2v. 92 Helen F. Siu, Key Issues in Historical Anthropology. A View from „South China“, in: Cross Currents. East Asian History and Culture Review (2014) 13, S. 174–187, hier S. 180. Chen Chunsheng demonstriert am Beispiel von Shantou die Genese ethnischer Klassifikationen im China des 20. Jahrhunderts, siehe Chen Chunsheng, Diyu shehui shi yanjiu zhong de zuqun wenti. Yi „Chaozhou ren“ yu „Kejia ren“ de fenjie wei lie, in: Shantou daxue xuebao (renwen shehui kexue ban) 23 (2007) 2, S. 73–77. 93 Ching May-bo, Classifying, S. 72. 94 Edward Friedman, Revolution or Just Another Bloody Cycle? Swatow and the 1911 Revolution, in: Journal of Asian Studies 29 (1970) 2, S. 289–307, hier S. 293; Lee, Christianity, S. 75.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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Sprache auch als Schriftsprache und damit für die Abschaffung der Diglossie eintrat.95 Als Parole berühmt wurde eine Halbzeile aus einem seiner Gedichte, das er bereits 1868 verfasst hatte: „Meine Hand schreibt, wie mein Mund spricht“ (Wo shou xie wo kou).96 Doch Huangs Ergänzung des Stundenplans war eine lokale Adaption, die durchaus im Sinne des Gesetzgebers lag. Schließlich hatten die kaiserlichen „Grundlagen des Bildungswesens“ von 1904 eigens hervorgehoben, wie wichtig die Vereinheitlichung der gesprochenen Sprache sei.97 Gingen die Schulleiter vor Ort zunächst ihre eigenen Wege, um das vom Zentralstaat vorgegebene Ideal einer einheitlichen Sprache für ganz China zu verwirklichen, sah dann 1910 auch das Schulamt in Guangzhou ein, dass hierzu weitere staatliche Maßnahmen nötig waren. Für die Jahre 1912 bis 1916 machte es entsprechende Pläne.98 Zudem sollten in der Provinzhauptstadt schon 1911 mindestens zehn „Mandarin-Trainingszentren“ (guanhua jiangxi suo) errichtet werden. Dieselbe Zielvorgabe galt für die Präfekturstädte bis zum Jahr 1912 und für alle Kreisstädte bis 1913.99 An der Wuben Xuetang deuteten die Abweichungen vom staatlichen Lehrplan im Bereich Sprache und Literatur ebenfalls in eine mehr pragmatische Richtung. Grundsätzlich hielten sich die Regularien der Schule an den staatlichen Lehrplan, auch in der Reihenfolge der Auflistung der Fächer. Aber in chinesischer Literatur sollten die Schüler, ähnlich wie im Falle der Klassiker (jingxue), lediglich die Grundzüge kennenlernen; wichtig sei auch hier die „praktische Anwendbarkeit“ des Lernstoffes (shiyong wei zhu). Und während der Staat
95 „Umgangssprache“ (baihua) und „Sprache der Beamten“ (guanhua, Mandarin) waren einander ähnlich, wurden jedoch mit unterschiedlichen Konnotationen benutzt. Während die Qing-Regierung mit der „Sprache der Beamten“ lediglich für eine Standardisierung der gesprochenen Sprache eintrat, wollten die radikaleren Verfechter der „Umgangssprache“ dieselbe „Sprache der Beamten“ auch als Schriftsprache nutzen. 1910 ersetzte die Qing-Regierung den Begriff „Sprache der Beamten“ durch „Nationalsprache“ (guoyu), die sich nach 1911 auch als Schriftsprache durchsetzen sollte. Die klassische, elaboriertere Schriftsprache (wenyan) existierte jedoch parallel und wurde seit der Jahrhundertwende meist als guowen bezeichnet: Elisabeth Kaske, Mandarin, Vernacular and National Language. China’s Emerging Concept of a National Language in the Early Twentieth Century, in: Michael Lackner (Hrsg.), Mapping Meanings. The Field of New Learning in Late Qing China, Leiden: Brill 2004, S. 265–304, hier S. 285–297; Culp, Teaching, S. 4, Fn. 1 sowie S. 7f. 96 Das ganze Gedicht ist abgedruckt in Huang Shengren, Huang Zunxian, S. 512; eine Übersetzung ins Englische findet sich bei Schmidt, Within, S. 224f. 97 Zouding xuewu gangyao (13.01.1904), S. 505. 98 Guangdong sheng putong jiaoyu fen nian choubei shiyi biao, in: GDJYGB 1 (1910) 1, wendu, S. 16. 99 Guanhua jiangxi suo, in: GDJYGB 1 (1910) 1, wendu, S. 20v.
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bei den Fremdsprachen die Wahl zwischen Japanisch, Englisch, Deutsch, Französisch und Russisch ließ, formulierten Huang und Wu euphemistisch, bei Ihnen bilde „derzeit das Englische den Schwerpunkt“.100 Aus den Berichten Friedrich Lindenmeyers wissen wir jedoch, dass der Wuben Xuetang für weitere Angebote das Geld wie auch das Personal gefehlt hätten.101 Dasselbe Argument des praktischen Nutzens bewog Qiu Fengjia, an der Lingdong Tongwen Xuetang zunächst allein Japanisch zu unterrichten: Westliche Sprachen beherrscht man frühestens nach zehn Jahren, die östliche Sprache [i. e. Japanisch, H.F.] beherrscht man spätestens nach einem Jahr; westliche Sprachen kann man nur erfolgreich lernen, wenn man schon als Kind damit anfängt, aber die östliche Sprache kann man sich auch noch nach der Lebensmitte aneignen. Von den nützlichen Büchern der Westler haben die Japaner viele übersetzt; Japanisch lesen zu können ist also genauso gut wie westliche Sprachen lesen zu können.102
Dass die Schule angesichts der Vorgeschichte ihres Mitbegründers, der ja auf Taiwan den Widerstand gegen die japanischen Besatzer mitorganisiert hatte, ausgerechnet auf die japanische Sprache kaprizierte, hing zum einen damit zusammen, dass der andere Mitbegründer, He Shoupeng, in Japan studiert hatte. Zum anderen findet sich auch in den Schriften Qius eine Argumentationsform, die damals weit verbreitet war: Hatte sich Japan nicht Mitte des 19. Jahrhunderts dem Westen gegenüber in einer ähnlichen Situation befunden wie China? Und doch hatte Japan durch die Meiji-Reformen etwas geschafft, was dem „zehnmal größeren, zehnmal so stark bevölkerten“ China noch bevorstand: „Die großen Männer Japans haben gemeinsam für die Bildung gekämpft, und sie haben es innerhalb von weniger als 30 Jahren geschafft, ihr Land durch Bildung zu stärken.“ So gesehen war Japan nicht trotz, sondern gerade wegen seines militärischen Sieges über China und 1905 über Russland das große Vorbild.103
100 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 6v. 101 BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [12]. 102 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), S. 77f.; Übersetzung H. F. 103 Qiu Fengjia, Chuangshe Lingdong Tongwen Xuetang xu, Zhixin Bao (Macau), 03.12.1899, in: Huang Zhiping/Qiu Chenbo (Hrsg.), Qiu Fengjia ji, Changsha: Yuelu shushe 2001, S. 780– 785, hier: S. 781.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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4.2.3 Musik Musikunterricht war im staatlichen Lehrplan von 1904 nicht vorgesehen. Drei Jahre später allerdings wurde „Singen“ zumindest als fakultatives Fach zunächst an allen Grund- und Lehrerschulen für Mädchen beziehungsweise Frauen, ab 1909 dann auch an jenen für Jungen eingeführt.104 Dass Huang Zunxian dem Lehrplan der Dongshan-Lehrerschule (Dongshan Shifan Xuetang) dennoch bereits 1905 eine Stunde Musikunterricht hinzufügte, lässt sich ebenfalls aus seinen persönlichen Erfahrungen und Ansichten erklären. Während seiner Aufenthalte in Japan, den USA und in Europa hatte der Diplomat das gemeinsame Singen der Schüler als wertvolles Instrument zur Förderung eines patriotischen Gemeinschaftsgeistes schätzen gelernt.105 Nach China zurückgekehrt, begann Huang auch selbst, Liedtexte für den Schulunterricht sowie für das Militär zu komponieren, zum Beispiel ein „Kindergarten-Lied zum Schulbeginn“ (Youzhiyuan Shangxue Ge), das Kinder dazu ermutigen sollte, eine Schule zu besuchen: „Geh auf die Schule, bleib nicht dumm“, hieß es im Refrain zu einer der zehn Strophen. Mit einem deutlichen Appell an den nationalen Zusammenhalt, die Liebe zum Vaterland und die Loyalität zum Kaiser wartet hingegen Huangs „Chor für Grundschüler“ (Xiaoxuexiao Xuesheng Xianghe Ge) auf.106 Dass um 1900 solche Werte für einen weitgereisten Diplomaten und Intellektuellen nicht im Gegensatz zu Weltoffenheit und Zukunftsorientierung standen, sondern durch diese gerade bedingt waren, zeigt die neunzehnte und letzte Strophe: Vorwärts, Ihr kleinen Schüler, gestaltet die Welt nach Euren Vorstellungen! Obwohl der himmlische Friede noch fern ist, liegt die Verantwortung dafür bei Euch. […] Bereist die ganze Welt, bereist die Meere! Wohlan denn, meine kleinen Schüler, der Lauf der Welt ist jeden Tag ein neuer, täglich geht es voran, täglich ändert sich etwas!107
Auch die Wuben Xuetang bot Musik schon seit 1904 als freiwilliges Zusatzfach an. Noch deutlich früher war Musikunterricht an den Missionsschulen erteilt worden, was, so hat Yeh Wen-hsin betont, neben Gottesdiensten, Mannschafts104 Yongsheng Liang, Western Influence on Chinese Music in the Early Twentieth Century, PhD dissertation Stanford University, Stanford, CA 1994, S. 31. 105 Kamachi, Reform, S. 252f. 106 Beide Lieder sind abgedruckt in Chen Zheng, Huang Zunxian, Bd. 1, S. 224–227; zu beiden Liedern finden sich Auszüge in englischer Übersetzung sowie Interpretationen bei Kamachi, Reform, S. 253f. 107 Huang Zunxian, Xiaoxuexiao xuesheng xianghe ge, in: Chen Zheng, Huang Zunxian, S. 227; Übersetzung H. F. Zum zunehmenden globalen Austausch und Informationsfluss als Triebkraft des Nationalismus um 1900 allgemein, siehe Conrad, Globalisierung.
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sport, Theateraufführungen und Schuljahrbüchern durchaus zur kulturellen Entfremdung von den indigenen (höheren) Schulen beitrug, an denen eher Gedichtrezitation, Pekingoper und Teezeremonien üblich gewesen waren.108 Parallel erlebte China jedoch eine erste Welle der Popularisierung westlich inspirierter Schulmusik, die Yongsheng Liang das „School-song Movement“ nennt.109 Obgleich deutliche Kontinuitäten zwischen den Verfechtern der Schulmusik in der späten Qing-Zeit und den späteren Protagonisten der revolutionären „Bewegung für neue Kultur“ um 1919 bestehen, war Huangs eigenmächtige Einführung des Musikunterrichts 1905 sicher kein revolutionärer Akt. Vielmehr war er, wie schon bei der Etablierung der „Büros zur Förderung der Bildung“, dem Zentralstaat schlicht einige Jahre zuvorgekommen.
4.2.4 Recht und Wirtschaft Ganz anders verhält es sich mit Huangs nächster eigenmächtiger Abweichung vom staatlichen Curriculum, nämlich der Aufnahme von „Recht und Wirtschaft“ (fazhi jingji) in den Lehrplan der Dongshan Shifan Xuetang. Denn den Unterricht in diesen gewissermaßen „staatstragenden“ Fächern an gewöhnlichen, öffentlichen Schulen hatte das Bildungsministerium explizit verboten.110 Nur die erstmals 1905 in der Provinz Zhili eingeführten „Hochchulen für Recht und Verwaltung“, die bereits ab 1902 landesweit etablierten „Vorbereitungsschulen für Beamte“ sowie die staatlichen Hochschulen durften angehende Beamte sowie ausgewählte Gentry-Mitglieder in diesen Wissenschaften unterweisen.111
108 Yeh Wen-hsin, The Alienated Academy. Culture and Politics in Republican China, 1919– 1937, Cambridge, MA: Council on East Asian Studies, Harvard University Press 1990, S. 206. 109 Liang, Western Influence, S. 65. 110 Amt von Guangdong zur Vorbereitung der Verfassung, Guangdong xianzheng choubei chu baogaoshu bu fenlei (1910), S. 80; Ichiko, Political, S. 382. 111 Zouding xuewu gangyao (13.01.1904), S. 504; dazu Xiao Zongzhi, Wan Qing de keliguan, in: Qingshi yanjiu (2006) 1, S. 103–108, hier S. 103 sowie Xu Bao’an, Qing mo difang guanyuan, S. 92–95. Das Guangdong keliguan war bereits 1905 durch Generalgouverneur Cen Chunxuan in eine staatlich finanzierte „Hochchule für Recht und Verwaltung“ (fazheng xuetang) umgewandelt worden. Die Schule in Guangzhou war damit in ganz China die zweite Institution dieses Namens und eröffnete nur einen Monat nach derjenigen in Tianjin, siehe Guangdong fazheng xuetang, Guangdong fazheng xuetang guanli xice [1906]. Sie umfasste eine Klasse von 125 Beamten, die einen einjährigen Kurs absolvierten, sowie eine weitere Klasse von 100 Gentry-Mitgliedern, die nach zwei Jahren ihren Abschluss machen sollten, siehe Xu Bao’an, Qing mo difang guanyuan, S. 95.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
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Das staatliche Monopol auf diese Fächer widersprach indes dem Gefühl wachsender Dringlichkeit, mit dem die Zeitgenossen insbesondere auf die Wirtschaft schauten. Denn diese wurde nach 1900 immer mehr als das entscheidende Schlachtfeld wahrgenommen, da insbesondere mit dem Bau immer neuer, oft vom Ausland finanzierter Eisenbahnlinien der wirtschaftliche Imperialismus den militärischen abzulösen schien. Yan Fu argumentierte 1904, dass China einzig durch die Freisetzung des ökonomischen Potentials eines jeden Bürgers wieder seinen seit der Han-Zeit angestammten Platz vor den Nationen Europas einnehmen könne.112 Zhang Zhidong hatte bereits 1898 vorgeschlagen, zum Zweck einer solchen Freisetzung die strikte Trennung der vier konfuzianischen Klassen aufzuweichen. Stattdessen müssten Beamte und Gelehrte – die erste Klasse – mit Bauern, Handwerkern und Kaufleuten in Kontakt kommen und deren Leistungsfähigkeit verbessern. Folgerichtig schwebten Zhang schon damals statt ökonomischer Theorie für die Mittelschule eher praktische Berufsschulen für Landwirtschaft, Handwerk und Handel vor, wie sie dann ab 1904 auch überall entstanden.113 Offenbar stimmte auch Huang Zunxian mit dieser Einschätzung überein. Doch während die Regierung daraus den Schluss zog, dass die Schlüsselkompetenzen Recht und Wirtschaft allein an staatlichen Schulen vermittelt werden dürften, entschloss sich Huang umgekehrt, diese zum Bestandteil schon der Ausbildung von Grundschullehrern zu machen – schließlich würden in Zukunft viel breitere Schichten der Bevölkerung im Alltag sowohl mit der kapitalistischen Produktionsweise als auch mit der staatlichen Verwaltung konfrontiert werden und selbst deren Grundzüge beherrschen müssen.114 Und Huang war mitnichten allein: Auch die Lingdong Ribao widersprach der Regierung und forderte Recht und Finanzverwaltung als Unterrichtsfächer für die staatliche Mittelschule.115
112 Tze-Ki Hon, Revolution as Restoration. Guocui xuebao and China’s Path to Modernity, 1905–1911, Leiden: Brill 2013, S. 26–28, 32–34. 113 Ders., Zhang Zhidong’s Proposal, S. 94; Schulte, „Zur Rettung des Landes“, S. 77–80. 114 Culp, Review, S. 164. Zum Kontrast: Der auf drei Jahre angelegte Lehrplan der Hoschule für Recht und Verwaltung in Beijing (Jingshi Fazheng Xuetang) umfasste 1907 insgesamt 20 Fächer und jeweils 35 bis 36 Wochenstunden. Neben verschiedenen Rechtsgebieten gehörten dort auch Statistik, Steuerverwaltung, Weltgeschichte und Völkerrecht zu den Fächern, siehe Xu Bao’an, Qing mo difang guanyuan, S. 99. 115 LDRB GX 31/3/20 (24.04.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v f.
222 4 Der Staat im Schulalltag
4.2.5 Geographie und Geschichte Geographische Beschreibungen hatten in China eine lange Geschichte. Zu einem eigenen Schulfach aber wurde die Geographie erst um 1900, und zwar als wichtiger Baustein des Nationalismus. Nicht nur machte sie das Weltbild festgefügter Nationalstaaten mit klaren Grenzen weithin bekannt. Ähnlich wie in der verwandten Geologie, sollte der Geograhieunterricht zudem die Schüler zu Zukunftsvisionen anregen: Was würde aus dieser großen und an Menschen wie an Bodenschätzen reichen Nation werden können, wenn nur alle mit anpackten?116 Um zu solchen Visionen für die gesamte imagined community zu kommen, ging das Curriculum der Qing sehr planvoll vor: In der Grundschule wurde zunächst nur die lokale Geographie behandelt – bei einem Geographie-Begriff wohlgemerkt, der so weit wie jener der Lokalchroniken war und neben der Topographie auch Geschichte, Wirtschaft und die Bevölkerung umfasste. Waren die lokalen Grundlagen gelegt, schritt der Lehrplan am Ende der Grundschule zur Geographie der gesamten Nation voran, die dann in der Mittelschule in Bezug und Abgrenzung zur Geographie der übrigen Welt genauere Konturen erhalten sollte.117 In der Geographie hielt sich der Lehrplan der Wuben Xuetang auch genau an diese Reihenfolge. Ebenso planvoll sollte nach dem Willen des Ministeriums auch der Unterricht in Geschichte der Schaffung einer nationalen Identität dienen und auf spezifische Weise Chinas Platz in der neuen Welt der Nationalstaaten bestimmen.118 Auch hier sollte – nach Lektionen in Lokalgeschichte während der Grundschule – in den ersten beiden Jahren der Mittelschule die Geschichte Chinas, dann diejenige „der Länder Asiens“ (Yazhou ge guo shi) und am Ende die „Geschichte Europas und Amerikas“ (Ouzhou Meizhou shi) behandelt werden.119 Der so propagierte, evolutionäre statt zyklische Blick auf die Geschichte sollte, so sah es die Qing-Version einer chinesischen Nationalgeschichte vor, das Werden der chinesischen Nation jedoch gerade nicht als Fortschritt, nicht als Abschied von der Vergangenheit beschreiben, sondern als Rückbesinnung auf die guten und intakten Wurzeln. Ein Autor wie Xia Zengyou (1863– 1924), dessen 1904 erschienenes „Lehrbuch der Neuesten Geschichte Chinas“ vom Ministerium genehmigt wurde, beschrieb die jüngste Entwicklung der Qing-Dynastie als Renaissance der goldenen Zeiten der Han-Dynastie, als lokale 116 Shen, Unearthing, Kapitel 1; Zarrow, Educating, S. 215f.; vgl. oben Kapitel 3.1. 117 Ching May-bo, You aixiang er aiguo. 118 Diese Aufgabe fiel der Geschichte in allen Nationalstaaten des späten 19. Jahrhunderts zu, in durch ihre je individuelle Position in dieser neuen Welt bestimmter, Weise: Hill, National History, S. 51. 119 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 330.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
223
Eliten im Zusammenwirken mit der Zentralregierung die Nation stabilisiert sowie reich und stark gemacht hätten. Die Anspielung auf die „Neue Politik“ war deutlich.120 Das Problem an solchen Versionen der Vergangenheit, die zugleich Visionen für die Zukunft sein sollten, war nur: Sie wurden gar nicht unbedingt gelesen. Die Wuben Xuetang zum Beispiel ignorierte, anders als im Fach Geographie, den staatlichen Lehrplan für Geschichte völlig. In Jiaying begann der Unterricht statt mit der chinesischen Nation mit der „Geschichte der Evolution der Welt“ (shijie jinhua shi), womit eine „Geschichte Europas“ (Ouzhou zhilüe) gemeint war; im zweiten Jahr behandelte man die „Geschichte aller Länder“ (wanguo lishi), was laut Erläuterung wiederum einer Geschichte „der westlichen Länder sowie Japans während der 30 Jahre der Meiji-Reformen“ entsprach; die späteren Schuljahre brachten weitere Vertiefungen in europäischer und (nord-) amerikanischer Geschichte – von Chinas eigener Historie fehlte jede Spur. Als Lehrbuch sollte denn auch die chinesische Übersetzung des 1880 erschienenen „The Nineteenth Century. A History“ des britischen Historikers Robert Mackenzie (1823–1881) dienen.121 Zudem kam im vierten Schuljahr eine 1901 in Tokio veröffentlichte „Moderne Geschichte der Welt“ (Shjie Jinshi Shi) des Japaners Matsudaira Yasushi (1863–1945) zum Einsatz, die 1903 in chinesischer Übersetzung in Shanghai erschienen war.122 Hier zeigt sich erneut, wie sehr es in die Irre führen kann, gesetzliche Lehrpläne mit ihrer Implementierung gleichzusetzen.123 Der Blick in die Praxis zeigt also deutlich, dass die Idee der Qing, den Geschichtsunterricht vom Lokalen über die Nation hin zum Globalen aufzubauen, nicht funktionierte. Die Autoren der Schulgesetze hofften noch, dass auch die 120 Hon, Educating, S. 84–95. Auch Autoren, deren Schulbücher einem potentiell antimonarchischen Fortschritt das Wort redeten, blieben in ihren politischen Forderungen so vage, dass ihre Bücher ebenfalls genehmigt wurden (Zarrow, Educating, S. 182f.). 121 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 6v. Timothy Richard und Cao Erkang hatten Mackenzies Buch 1894 unter dem Titel „Grundzüge der neueren Geschichte des Westens“ (Taixi xinshi lanyao) in Übersetzung veröffentlicht, woraufhin es schnell zu einem der wichtigsten und am weitesten verbreiteten Bücher über die Geschichte des Westens in China wurde, siehe Xiong Yuezhi, Wanqing xinxue, S. 12; Hu Weiqing, Wan Qing jidujiao zhongdeng xuexiao kecheng yanjiu, in: Yin Wenjuan (Hrsg.), Jidujiao yu Zhongguo jindai zhongdeng jiaoyu, Shanghai: Shanghai renmin chubanshe 2007, S. 1–37, hier S. 17; Natascha Gentz, From News, Xinwen, to New Knowledge, Xinxue. Newspapers as Sources for Early Modern Chinese Encyclopaedias, in: Milena Doleželová-Velingerová/Rudolf G. Wagner (Hrsg.), Chinese Encyclopaedias of New Global Knowledge (1870–1930). Changing Ways of Thought, Heidelberg u. a.: Springer 2013, S. 55–84, hier S. 59. 122 Xiong Yuezhi, Wanqing xinxue, S. 224f. 123 So aber Zarrow, Educating, S. 150f.
224 4 Der Staat im Schulalltag
chinesischen Geschichten von Aufstieg und Fall der Dynastien „die Ambitionen der Bürger erwecken“ und ihre Unterstützung für die Qing fördern würden.124 Lokale Schulleiter aber suchten in der Geschichte oft viel pragmatischer nach Handlungsanweisungen für die Gegenwart. Huang Mocun und Wu Dengchu stellten ihren gesamten Geschichtsunterricht unter das Motto: „Im Zentrum steht das Verstehen der Gegenwart; je jünger, desto wichtiger [ist die Geschichte].“125 Die Historie Chinas aber, und sei sie noch so jung, schien den beiden keine Lehren für die Gegenwart mehr bieten zu können.
4.2.6 Naturwissenschaften und Mathematik Auch in den Naturwissenschaften und der Mathematik setzten die Schulen in Ost-Guangdong ihre je eigenen Schwerpunkte und hielten sich nicht unbedingt an das staatliche Curriculum. Doch anders als im Geschichtsunterricht, wo mancher die Geschichte Chinas unter den Tisch fallen ließ, gingen sie hier eher über die staatlichen Anforderungen hinaus. Huang Zunxian zum Beispiel legte solchen Wert auf die neuen Fächer, dass er zu ihren Gunsten den Unterricht in praktischer Pädagogik um insgesamt 13 Wochenstunden in zwei Semestern kürzte. Während der Staat für die Lehrerschulen auch Didaktik (jiaoshoufa) sowie praktischen Übungsunterricht vorsah, verzichtete Huang hierauf und blieb stattdessen einem eher akademischen Zugang auch zur Lehrerausbildung verpflichtet. Den pauschalen Unterricht in „Pädagogik“ (jiaoyu) unterteilte er in die Fächer Schulsystem (xuexiao zhidu), Schulmanagement (jiaoxue guanli fa) und Psychologie (xinlixue) – letzteres Fach übernahm er gar aus dem Lehrplan der Höheren Lehrerschulen (youji shifan xuetang).126 Entsprechend akademisch untergliederte Huang auch die Naturwissenschaften im Unterschied zum offiziellen Lehrplan weiter, wobei er aber durchaus die Vorgaben des Throns aufgriff. Dort hieß es, man möge Naturkunde oder die „breite Lehre von den Dingen“ (bowu) sowie Physik und Chemie (lihua) unterrichten. Auf die komplexen Fragen der Terminologie gehe ich hier nicht nä-
124 „Zhenfa guomin zhi zhiqi“, siehe Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 330. 125 „Yi tong jin wei zhu. Yu jin yu yao“, siehe Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 6v. 126 Jianyike zhi xueke chengdu, in: Zouding chuji shifan xuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 415; Zouding youji shifan xuetang zhangcheng, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 419–432, hier: S. 421.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
225
her ein.127 Wichtig scheint mir allein festzuhalten, dass Huang aufgrund dieser Vorgaben zuerst allgemein Naturkunde unterrichten ließ, in den höheren Klassen aber aus lihua wieder die getrennten Fächer Physik und Chemie machte.128 Schwerer noch wog, dass er die wöchentliche Stundenzahl in allen Naturwissenschaften zusammen gegenüber dem Lehrplan auf neun Stunden verdreifachte. Doch das Spektrum der Interpretationen des staatlichen Lehrplans war noch breiter. So betonte die Wuben Xuetang, die Naturwissenschaften sollten „in erster Linie der praktischen Anwendung, erst an zweiter Stelle der breiten Gelehrsamkeit“ dienen, woraus man die Konsequenz zog, alle Differenzierungen zu ignorieren und durchgehend schlicht „Naturwissenschaften“ (gezhi) zu unterrichten, wiewohl dieser Begriff im staatlichen Lehrplan gar nicht mehr auftauchte. Obendrein listeten die beiden Schulleiter Zoologie und Botanik – die beiden vorgeschriebenen Bestandteile des Faches Naturkunde – als freiwillige Nebenfächer auf, neben Hygiene, Physiologie, Psychologie, Astronomie und weiteren.129 In die andere Richtung ging Missionar Friedrich Lindenmeyer, der an der nahen Leyu Xuetang die Naturkunde gleich in die getrennten Pflichtfächer Botanik und Zoologie unterteilte.130 Die Schulinspektoren in Ost-Guangdong freilich kritisierten stets nur Abweichungen in eine andere Richtung, nämlich die Überbetonung der konfuzianischen Klassiker bei Vernachlässigung der Naturwissenschaften. Dies lag zum einen daran, dass die unveränderte Fortführung des überkommenen Curriculums der weitaus häufigere Fall war. Zum anderen bestand der Auftrag der Inspektoren – wie aller Angehörigen der Bildungsverwaltung auf allen Ebenen generell – ja gerade darin, die lokale Elite zur Übernahme und Verbreitung der
127 Hierzu ausführlich David Wright, Translating Science. The Transmission of Western Chemistry into Late Imperial China, 1840–1900, Leiden, Boston, Köln: Brill 2000, besonders Kapitel VII; Benjamin A. Elman, Toward a History of Modern Science in Republican China, in: Jing Tsu/Benjamin A. Elman (Hrsg.), Science and Technology in Modern China, 1880s–1940s, Leiden: Brill 2014, S. 15–38, hier S. 17. 128 Iwo Amelung, Naming Physics. The Strife to Delineate a Field of Modern Science in Late Imperial China, in: Michael Lackner (Hrsg.), Mapping Meanings. The Field of New Learning in Late Qing China, Leiden: Brill 2004, S. 381–422, hier S. 401–403. 129 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 6v. Die zeitgenössische Abgrenzung zwischen dem älteren Begriff bowu und dem seit der Yuan-Zeit parallel gebräuchlichen gezhi ist bis heute unklar, siehe Elman, From Pre-Modern, S. 30. Gezhi, das im 19. Jahrhundert auch als Übersetzung von „Wissenschaft“ gedient hatte, wurde just um 1900 vom japanischen Lehnwort kexue verdrängt, das jene neue, systematische Erforschung der Natur im Sinne westlicher Wissenschaft bezeichnen sollte, die China selbst angeblich nicht hatte hervorbringen können, siehe ebd., S. 60. 130 BMA A–1.38b/232: Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 15.02.1905, S. [9f., 36].
226 4 Der Staat im Schulalltag
neuen Fächer zu motivieren. Wenn dann jemand über das Ziel hinausschoss, war dies eher verzeihlich, als wenn er sich gar nicht um dieses Ziel scherte. Dass der geduldete Übereifer in den neuen Fächern nicht unbedingt sinnvolle Resultate zeitigte, verdeutlicht das Beispiel des Mathematik-Unterrichts an der Wuben Xuetang. Wie die Naturwissenschaften auch, wollten die beiden Schulleiter Mathematik allein im Hinblick auf ihre praktische Anwendung unterrichten. Damit stimmten sie mit dem staatlichen Lehrplan überein, der die Vermittlung „authentischen Wissens“ zur „Anwendung im täglichen Leben und für jedwede praktische Tätigkeit“ forderte.131 Ein Blick auf Wus und Huangs Curriculum lässt jedoch Zweifel aufkommen: Die staatlicherseits für die ersten beiden Schuljahre vorgeschriebene Arithmetik, also die Grundrechenarten mit natürlichen Zahlen, wollten sie gar nicht mehr behandeln. Stattdessen setzten sie gleich mit Algebra – dem Rechnen in Gleichungen mit Unbekannten – ein.132 Erst im dritten Jahr stimmte ihr Lehrplan wieder mit dem Gesetz überein, es wurde Geometrie gelehrt. Im fünften Jahr fügte der offizielle Lehrplan mit Trigonometrie – der Bestimmung von Größen in einem Dreieck mittels Sinus, Kosinus und Tangens – lediglich eine Subdisziplin der Geometrie hinzu, während Huang und Wu stattdessen mit der Analysis – dem Rechnen mit Funktionen – ein ganz neues Feld eröffneten. Als wollten sie ihren eigenen Anspruch, Mathematik zum täglichen Nutzen zu unterrichten, gänzlich ad absurdum führen, verzichteten die beiden schließlich auch darauf, die Schüler in der Nutzung des im Alltag omnipräsenten Abakus (zhusuan) zu unterweisen. Selbst der staatliche Lehrplan aber sah dessen Anwendung – als einzigen Bestandteil der chinesischen Mathematik – zumindest für die vier Grundrechenarten weiterhin vor.133 Dabei existierte auch jenseits der Schulen eine Nachfrage nach Grundkenntnissen in den Naturwissenschaften. Der Lehrer für Physik und Chemie an der Lingdong Tongwen Xuetang organisierte deshalb im April 1906 eigens eine „Studiengesellschaft für Physik und Chemie“ (Lihua Zhuanke Xueshe), die sich immer nachmittags um 15 Uhr in eigens angemieteten Räumlichkeiten treffen sollte. Der Lehrer rief über die Lokalzeitung Männer zwischen 19 und 39 Jahren zur Bewerbung auf. Am 25. des Monats sollte der Unterricht mit maximal 60 131 „Zhenque zhi zhishi […] riyong shengji ji ge xiang shiye zhi yong“, siehe: Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 331. 132 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 330f.; Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 6v. 133 Hua Yinchun, Zhongguo zhusuan shigao, Beijing: Zhongguo caijing jingji chubanshe 1987, S. 107; Ho Peng-Yoke, Li, Qi and Shu. An Introduction to Science and Civilization in China, Hong Kong: Hong Kong University Press 1985, S. 112; Dauben et al., Mathematics, S. 365; Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 331; Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 6v.
4.2 Lehrplan und neue Fächer
227
Schülern beginnen, die binnen eines Jahres den Kenntnisstand der Höheren Grundschule in Physik und Chemie erreichen sollten.134
4.2.7 Erfolg trotz Abweichungen Während der „Neuen Politik“, so haben es Ruth Hayhoe und andere beschrieben, hätten chinesische xuetang allen Lippenbekenntnissen zum Trotz in der Praxis unterrichtet, was sie wollten, und das Bildungsministerium habe keinerlei Kontrolle über den Inhalt erlangt.135 Die hier untersuchten Lehr- und Stundenpläne lassen dagegen einen anderen Schluss zu. Die städtischen Mittelschulen in Ost-Guangdong setzten die neuen staatlichen Lehrpläne weitestgehend in konkrete Stundenpläne um. Auch wenn die Quellenlage dies nicht in allen Fällen genau nachzuweisen erlaubt, ist doch klar, dass die Schulen weit davon entfernt waren, die Vorgaben Beijings zu ignorieren. Wo sie sich nicht genau daran hielten, ging es eher um eine weitere Differenzierung und Präzisierung der Vorschriften und nicht darum, diese zu konterkarieren. Huang Zunxian zum Beispiel untergliederte Fächer in weitere Untereinheiten, die jedoch nicht seine eigenen Erfindungen waren, sondern meist den Erläuterungstexten entstammten, die das Gesetz zur Präzisierung der Inhalte der einzelnen Fächer mitgeliefert hatte. Wenn es Abweichungen gab, dann zeugten sie eher von der Ungeduld einzelner Direktoren mit der herrschenden Dynastie und von der Radikalität der Lehrer. Diese warfen zum Beispiel den Unterricht in chinesischer Geschichte gänzlich über Bord, weil sie ihnen keine für die Zukunft relevanten Lehren zu enthalten schien – ganz anders als die Geschichten Japans, Europas und der USA, die sie stattdessen vorzogen. Ähnliche Muster lassen sich auch in anderen Teilen Chinas finden: So wichen viele Schulen in der Stadt Nantong nördlich von Shanghai nach 1904 graduell von den Vorgaben zu Umfang und Inhalt des Unterrichts in den Klassikern ab, indem sie zum Beispiel neokonfuzianische Schriften ignorierten und stattdessen radikale Autoren lasen oder die Zahl der Wochenstunden reduzierten.136 Andere hielten sich genauer an die Vorgaben und leiteten aus diesem 134 Dafür musste jeder Schüler 25 Yuan Schulgeld aufbringen, zuzüglich der Unterbringungskosten für diejenigen, die in der Schule wohnen wollten. Die Sonntage waren frei. Siehe LDRB GX 32/3/3 (27.03.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 135 Ruth Hayhoe, Cultural Tradition and Educational Modernization. Lessons from the Republican Era, in: Dies. (Hrsg.), Education and Modernization. The Chinese Experience, Oxford: Pergamon Press 1992, S. 47–72, hier S. 52; Borthwick, Education, S. 78. 136 Bastid, Educational, S. 57.
228 4 Der Staat im Schulalltag
Praxistest der Lehrpläne dann Vorschläge zu dessen Überarbeitung ab. 1909 beschwerte sich die Bildungsversammlung der Provinz Jiangsu, der Lehrplan für die Grundschulen sei überfrachtet, ihre Dauer mit fünf Jahren zu lang, und die Kinder lernten zu viele Klassiker und zu wenig modernes Chinesisch. Auf diese Weise, so habe die Praxis gezeigt, werde sich das Ziel der Schulpflicht für alle nicht verwirklichen lassen. Daraufhin änderte das Bildungsministerium noch im selben Jahr den Lehrplan entsprechend.137 Auch wurden ja tatsächlich in den meisten Fällen für alle im gesetzlichen Lehrplan vorgesehenen Fächer jeweils eigens Lehrer engagiert. Zudem spielten in der Unterrichtspraxis die Lehrbücher eine zentrale Rolle – unerfahrene Lehrer strukturierten mit ihrer Hilfe den Unterricht, und sie wurden zuvor vom Bildungsministerium genehmigt.138 Auch der mögliche Einwand, dass die Befolgung staatlicher Schulgesetze auf die höheren, städtischen Schulen beschränkt gewesen sei, während Ruth Hayhoes eingangs zitierte Einschätzung die Situation an den Grundschulen des oft armen Hinterlands durchaus zutreffend beschreibe, kann in dieser allgemeinen Form nicht erhoben werden.139 Auch die Berichte der Schulinspektoren widersprechen der These von der weitgehenden Mißachtung des staatlichen Lehrplans.140 Inhaltlich, das hat Peter Zarrow herausgestellt, war der Abstand beträchtlich zwischen jenen idealen Verhältnissen, die die staatlich genehmigten Lehrbücher präsentierten, und der Realität, in der die Schüler lebten. Doch genau dieser Abstand sei zugleich der Kern des ganzen Projekts gewesen: Die Lehrpläne und die entsprechenden Bücher sollten die Schüler dazu anspornen und in die Lage versetzen, genau diese Idealwelt selbst zu errichten.141 Als problematisch daran erwies sich weniger die quasi intendierte Realitätsferne und Abstraktheit des Unterrichts, die mancher Schulleiter noch weitertrieb als im Lehrplan vorgesehen; problematisch war vielmehr, dass sich das gesamte Vorhaben einer wirtschaftlichen, technischen, sozialen und kulturellen Modernisierung unter weitgehender Beibehaltung des politischen Systems schon durch leichte Abweichungen in der Deutung – beispielsweise im Geschichtsunterricht – rasch
137 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 342f. 138 Bastid, Educational, S. 78. Dass diese prägende Rolle der Lehrbücher auch Nachteile hatte, weil selbige kaum didaktisch strukturiert waren, beleuchtet Wang Jianjun, Zhongguo jindai jiaokeshu, S. 108. 139 Klein, Geschichte Chinas, S. 243; Elizabeth Vanderven und andere haben in Fallstudien zu ländlichen Schulen in unterschiedlichen Gegenden Chinas das Gegenteil bewiesen: Vanderven, A School in Every Village, S. 129–134; Li Huaiyin, Village, S. 163f. 140 Vgl. oben Kapitel 3.2. 141 Zarrow, Educating, S. 247.
4.3 Schüler
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in eine Zukunftsvision verwandeln ließ, die ebenso prächtig war, aber ohne Kaiser auskam.
4.3 Schüler Vor große Probleme stellte alle Schulen in Ost-Guangdong – und in ganz China – die hohe Fluktuation der Schülerzahlen. Ausgenommen hiervon waren lediglich die staatlichen Schulen, insbesondere nachdem im September 1905 das System der Beamtenprüfungen abgeschafft worden war. Solange jedoch mit dem Prüfungssystem ein alternativer Karriereweg existiert hatte, hatten oft vermeintlich kleine Anlässe wie zum Beispiel der Tod des angesehenen Direktors der Jinshan Zhongxue Anfang 1905 ausgereicht, um viele Schüler vom weiteren Besuch einer Schule abzuhalten.142 Auch die Zahl der Neuanmeldungen schwankte je nach gesellschaftlichem Klima. Insbesondere zwischen 1905 und 1908, als besonders viele Schulen gegründet worden waren, gingen die anfänglich hohen Schülerzahlen zunächst – zumindest an den öffentlichen und priva-
Abb. 15: Gesamtzahl der Schüler an der Chengxi-Grundschule in Jiaying/Meixian zwischen 1905 und 1933 (von rechts nach links)
142 LDRB GX 31/2/10 (15.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3f.; LDRB GX 33/11/28 (01.01.1908), Chao Jia xinwen, S. 3v.
230 4 Der Staat im Schulalltag
ten Schulen – rasch zurück. Das Beispiel der 1905 gegründeten Chengxi-Grundschule (Chengxi Xuexiao) in Jiaying zeigt dies deutlich: Von 90 im Jahr 1905 sank die Zahl der Schüler auf 51 im Jahr 1908, ehe sie bis 1911 auf 160 emporschnellte. Wie die 1934 erstellte Graphik aus einer Jubiläumspublikation der Schule (Abb. 15) zeigt, hielten ähnliche Schwankungen noch bis weit in die Republikzeit hinein an. Die grundsätzlich höhere Attraktivität der staatlichen Schulen beruhte auf der populären Annahme, dass deren Absolventen deutlich bessere Chancen hatten, einen staatlichen Titel und damit Zugang zum Staatsdienst zu erhalten. Erst recht mit der Mittelschule verbanden die Schüler und ihre Eltern die Erwartung, dass die Absolventen nahtlos in den Staatsdienst übergehen würden. Von dieser konkreten Hoffnung abgesehen, war (und ist bis heute) das Prestige staatlicher Schulen in China schlicht größer als jenes privater Bildungsanstalten.143 Es waren denn auch primär das fehlende Geld oder die langfristige Unentbehrlichkeit von Arbeitskräften, die viele Familien davon abhielten, ihre Kinder auf die relativ teuren und von vornherein auf mehrere Jahre angelegten, neuen Schulen zu schicken. Die Steigerung der Attraktivität der modernen Schulen sowohl gegenüber den Beamtenprüfungen als auch gegenüber den sishu war demzufolge ein gewichtiges Argument für die Abschaffung eben jenes Prüfungssystems gewesen, nachdem man seit 1902 hatte beobachten können, dass die neuen Schulen eben nicht von selbst Schüler in großer Zahl anzogen.144 Doch auch die Zäsur des Jahres 1905 führte noch nicht dazu, dass die neuen xuetang automatisch zur ersten Wahl junger Männer auf der Suche nach Bildung wurden.145 Die unter diesen Umständen naheliegende Einführung einer Schulpflicht hatte das Bildungsministerium erst für das Jahr 1912, also nach acht Jahren, ge-
143 Pepper, Radicalism, S. 519; Paul S. Reinsch, The Intellectual and Political Currents in the Far East, Boston, New York: Houghton Mifflin 1911, S. 216; siehe unten Kapitel 4.5.3. 144 Thøgersen, County, S. 19–22; vgl. oben Kapitel 2.1. Der damalige Generalgouverneur von Guangdong und Guangxi, Tao Mo, plädierte 1902 in einem Thronbericht nicht für die Abschaffung der Beamtenprüfungen, wohl aber für die Schließung der mit diesen eng verbundenen, staatlichen Präfekturschulen (fuxue). An diesen wurde kaum unterrichtet, aber sie vergaben lukrative Stipendien und waren deshalb beliebter als die neuen Schulen. Siehe Shenbao, 06.09.1902, in: Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 5, S. 24. 145 Luo Zhitian, Kejuzhi, S. 194. Noch 1909 wehrten sich die Lehrer verschiedener sishu in Jiaying vehement gegen eine neuerliche Kampagne zur Umwandlung ihrer Schulen, siehe LDRB XT 1/2/13 (04.03.1909), Chao Jia xinwen, S. 3v; siehe auch GX 34/9/26 (20.10.1908), Chao Jia xinwen, S. 4r.
4.3 Schüler
231
plant.146 Dieses Ziel erhielt mit der 1906 getroffenen Entscheidung, China in eine konstitutionelle Monarchie zu verwandeln, besondere Dringlichkeit, denn ohne eine gewisse Grundbildung würden die avisierten „Bürger“ (guomin) nicht in der Lage sein, am politischen Leben teilzuhaben.147 Als die Kaiserinwitwe Cixi am 1. September jenes Jahres die Eröffnung des Parlaments für 1916 ankündigte, betonte das Edikt eigens die Notwendigkeit, bis dahin weiter „die Bildung zu verbreiten“.148 Das Bildungsministerium arbeitete hierzu im November 1906 einen detaillierten Zeitplan für die Entwicklung des Schulsystems bis 1915 aus und aktualisierte diesen mehrmals.149 1909 schlug die Kommission einen neuen, radikal vereinfachten und für die Schüler kostenlosen Schultyp vor: die „Vereinfachte Zeichen-Lern-Schule“ (jianyi shizi xueshu), an der die Schüler ein bis drei Jahre zubringen und dabei bis zu 3.000 Zeichen lernen sollten. Auf diese Weise sollte die Quote der lesefähigen Bevölkerung nun etwa ein Prozent im Jahr 1912 und fünf Prozent bis zum Jahr 1917 erreichen.150 1910 befahl das Schulamt in Guangzhou allen Lokalbeamten in Guangdong und Guangxi, für die Gründung solcher vereinfachten Schulen in jeder Stadt und jedem Dorf zu sorgen. Für das Jahr 1911 plante das Schulamt eine solche Schule auf 500 Haushalte, bis 1916 sollte dann schon eine Schule auf 50 Haushalte kommen.151 Auch das Verbot der sishu wurde wieder aufgehoben, weil man festgestellt habe, dass die xuetang den Bedarf gerade in ärmeren, ländlichen Gegenden bei weitem nicht decken könnten und den Eltern häufig das Geld fehle, ihre Kinder zu den weit entfernten, neuen Schulen zu schicken.152 All dies zeigt, dass eine 146 Sabine Dabringhaus, Geschichte Chinas im 20. Jahrhundert, München: C. H. Beck 2009, S. 38. 147 Peter G. Zarrow, Constitutionalism and the Imagination of the State. Official Views of Political Reform in the Late Qing, in: Ders. (Hrsg.), Creating Chinese Modernity. Knowledge and Everyday Life, 1900–1940, New York, Washington, D. C., Bern: Lang 2006, S. 51–82, hier S. 61. 148 Edikt GX 3232/7/13 (01.09.1906), in: Gugong bowuyuan Ming Qing dang’an bu (Hrsg.), Qingmo choubei lixian dang’an shiliao, Bd. 1, Beijing: Zhonghua shuju 1979, S. 43f.; Thompson, China’s Local Councils, S. 55f. 149 Zuletzt 1911, siehe Bildungsministerium, Xuebu zou zhuo ni gaiding choubei jiaoyu shiyi zhe bing dan (26.01.1911). 150 Kaske, Politics, S. 283f.; Meienberger, Emergence, S. 78. 151 Bezeichnenderweise fand im Unterricht neben einem einfachen Lehrbuch auch das Textbuch „Essentielle Lektüre für den Bürger“ (guomin xudu keben) Verwendung, siehe Jianyi shizi xueshu zhangcheng, XT 2/8/7 (10.09.1910), in: GDJYGB 1 (1910) 8, wendu, S. 210–226. Bereits im Sommer 1910 existierten in Guangzhou 20 dieser staatlichen „Vereinfachten Zeichen-LernSchulen“. Beinahe ausnahmslos in Tempeln untergebracht, unterwiesen je ein oder zwei Lehrer insgesamt 1.784 Schüler, siehe Guangdong shengcheng guanli jianyi shizi xueshu yilanbiao wen, XT 2/7/7 (11.08.1910), in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 91f. 152 Bildungsministerium, Gailiang sishu zhangcheng (1910).
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Schulpflicht also auch sechs Jahre nach Verkündung des neuen Schulsystems noch in weiter Ferne lag, weil Schulen in ausreichender Zahl nach wie vor erst noch aufgebaut werden mussten. Dass es trotz der geringen Anzahl von Schulen schwierig war, Schüler in ausreichender Zahl anzuwerben, thematisierte das Schulgesetz von 1904 dennoch nur am Rande. Festgelegt wurden hier allein Unter- und Obergrenzen der Schülerzahl, die für die Mittelschule bei 300 bis 400, in Ausnahmefällen bei 600 Schülern lagen. Zum Vergleich: An der großen Jinshan-Akademie in Chaozhou war die Zahl der Studenten 1899 auf 140 aufgestockt worden, was damals als bemerkenswert galt, denn die alten staatlichen Schulen hatten nur zwischen 70 und 120 (nominellen) Schülern gehabt.153 Dass die neuen Zahlen also in vielen Gegenden zunächst vollkommen illusorisch bleiben mussten, war den Autoren des Gesetzes dann aber doch nicht entgangen. Der letzte Satz des betreffenden Abschnitts stellte lapidar fest: „In der gegenwärtigen Aufbauphase ist die [oben genannte] Zahl von Schülern nicht verbindlich.“154 Neben den geschilderten Prestige- und Nützlichkeitserwägungen stellten wie erwähnt die Schulgebühren einen zusätzlichen Grund für die Nichterfüllung der vorgegebenen Schülerzahlen dar. Eine andere Hürde waren die Aufnahmevoraussetzungen. Auch hier zeigte sich, dass die Zentralregierung durchaus über die erwartbaren Schwierigkeiten im Bilde war. Als Mittelschüler kam laut Gesetz langfristig nur infrage, wer zuvor die Abschlussprüfung einer Höheren Grundschule bestanden hatte. Kurzfristig aber erlaubte das Gesetz zwei zeitlich befristete Ausnahmen: Zum ersten durften die Mittelschulen durch Aufnahmeprüfungen (zhaokao) selbst aktiv nach Schülern suchen und dabei auch solche aufnehmen, die zwar eine Grundschule besuchten, aber noch keinen Abschluss erlangt hatten.155 Zum zweiten durften die Schulleiter, „um in dieser Zeit des Aufbaus anpassungsfähig zu sein“, ganz generell junge Männer zwischen 14 und 17 Jahren aufnehmen, sofern diese die klassische Schriftsprache beherrschten und eine gewisse Allgemeinbildung besaßen. Die Bewerbungsanforderungen, die einzelne Schulen wie die Wuben Xuetang in Jiaying veröffentlichten, spiegelten denn auch genau diese Freiheiten wider: Bei minimalen forma-
153 Minguo Chaozhou zhi, Shanghai: Shanghai shudian 2004 [1949], S. 544; Hucker, Dictionary, S. 94. 154 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 326. 155 Auch Generalgouverneur Tao Mo hatte sich 1902 bei Gründung der Universität von Guangdong zunächst eines zhaokao bedient, schrieb aber an den Hof: „Später wird man keine Aufnahmeprüfung mehr veranstalten müssen, dann nehmen wir die Absolventen der Mittelschulen.“ Siehe Thronbericht von Generalgouverneur Tao Mo und Gouverneur Deshou, GX 28/5/27 (02.07.1902), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7212–020.
4.3 Schüler
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len Voraussetzungen – Mindestalter 14 Jahre – wurden vor allem die sittlichen Anforderungen betont.156 Mittelschulen im städtischen Raum hatten es dabei aufgrund ihres Prestiges sowie des größeren Wohlstands grundsätzlich etwas leichter, an Schüler zu kommen.157 Dennoch zeigen meine Fallstudien deutlich, dass sich auch die öffentlichen Mittelschulen in den ersten Jahren aktiv um die Gewinnung neuer Schüler bemühen mussten. Die Wuben Xuetang, die Lingdong Tongwen Xuetang (bis zu ihrer Verstaatlichung Anfang 1905) und die Dongshan Shifan Xuetang (ebenfalls bis zur Verstaatlichung 1905) verdeutlichen, dass die staatlichen Appelle allein selbst im städtischen Kontext bei weitem nicht ausreichten, um flächendeckend Mittelschulen mit 300 bis 400 Schülern, wie sie das Gesetz als Normalfall vorsah, tatsächlich zu etablieren. Als wichtigstes Instrument zur Gewinnung neuer Schüler erwies sich die gesetzlich vorgesehene Aufnahmeprüfung. Während sich die staatlichen Schulen in den Präfekturstädten Jiaying und Chaozhou damit begnügen konnten, die Termine ihrer Prüfungen in der lokalen Presse anzukündigen, und allein dadurch häufig zwei- bis dreimal so viele Bewerbungen erhielten, wie sie Plätze zu vergeben hatten, mussten die öffentlichen und privaten Mittel- und auch Grundschulen zu zusätzlichen Werbemaßnahmen greifen. Dazu zählten Flugblätter, Plakate sowie insbesondere die Akquise von Schülern über Beziehungsnetzwerke. Solche Maßnahmen sind in chinesischen Quellen zwar kaum je dokumentiert (eines der wenigen Beispiele ist die Jiaozhong Xuetang in Guangzhou, die 1902 unter anderem für Zeitungsanzeigen 83 Silberliang zahlte). Dafür fielen die Werbemaßnahmen ausländischen Beobachtern, insbesondere Missionaren, umso mehr ins Auge, zumal jene, mit denselben Problemen konfrontiert, zu ähnlichen Mitteln griffen.158
156 Ji nian ruxue zhang di san (Paragraph 3 zur Berechnung der jährlichen Aufnahme in die Schule), in: Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 335; Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 5r. 157 Allerdings ist es schwierig, Aussagen über die wirtschaftliche Situation der Schüler zu treffen, da diese nicht dokumentiert wurde (Bastid, Educational, S. 76). Dennoch ist klar, dass als Schüler der Mittelschulen gerade in den ersten Jahren des neuen Schulsystems nur solche Söhne in Betracht kamen, deren Eltern ihnen bereits eine langjährige Ausbildung hatten finanzieren können. 158 Jiaying Leyu Zhong Xi Xuetang (Die Chinesisch-Westliche Schule des freudigen Lernens in Jiaying), Jiaying 1903; BMA A–1.43/119: Kollision der Pflichten (Quartalsbericht), Georg Reusch an das Komitee, Kayintschu 17.11.1908, S. [2f.]; BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [8]; Jiaozhong xuetang (Hrsg.), Jiaozhong xuetang zhengxin lu, Guangzhou 1902 [Sun Yat-sen Bibliothek, Guangzhou]; Thøgersen, County, S. 22.
234 4 Der Staat im Schulalltag
Abseits der Aktivierung konkreter Netzwerke war ganz offensichtlich auch das Renommee einzelner Schulleiter oder Lehrer ein entscheidender Faktor. Bestes Beispiel hierfür ist die Dongshan Shifan Xuetang, an der sich dank des Prestiges Huang Zunxians 800 Kandidaten um 120 Plätze bewarben.159 Die anfangs hohen Anmeldezahlen an der Lingdong Tongwen Xuetang gingen einerseits auf das Renommee ihres umtriebigen Gründers Qiu Fengjia zurück, andererseits auf so berühmte Lehrer wie He Shoupeng aus dem Kreis Dapu. He hatte 1898 den jinshi-Titel erlangt und gehörte 1902 zu den Mitbegründern der Lingdong Ribao in Shantou. Auch dass mit Wen Zhonghe ein Mitglied der HanlinAkademie zum Lehrkörper zählte, steigerte die Anziehungskraft der Schule im (noch) kleinen Shantou.160 Daneben gehörten auch bei den öffentlichen Schulen die Ankündigung in der Zeitung, neue Schüler aufzunehmen, sowie die Veröffentlichung des Reglements für die Aufnahmeprüfungen zum Standard. Entsprechend häufig waren diesbezügliche Nachrichten in der Lingdong Ribao zu finden.161 Öffentliche Schulen hoben bei dieser Gelegenheit auch gerne Beweise ihrer Glaubwürdigkeit und ihrer staatlichen Anerkennung hervor. So verwies die Wuben Xuetang Anfang 1906 darauf, dass sie mittlerweile ein staatliches Siegel aus Guangzhou erhalten habe.162 Andere öffentliche Schulen machten in der Zeitung umgehend ihre amtliche Registrierung (li’an) in Guangzhou bekannt.163 Die (damals noch öffentliche) Lingdong Tongwen Xuetang meldete 1903 stolz, dass sie mehrere ihrer Schüler zur Aufnahmeprüfung an die Universität in Beijing, die höchste Bildungseinrichtung des Reichs, gesandt habe.164 Und jene Schulen, die von einer öffentlichen in eine staatliche umgewandelt worden waren, beeilten sich natürlich, dies kundzutun.165 Auch schon bestehende staatliche Schulen erhielten bisweilen zusätzliche Schützenhilfe: So rief im April 1906 der Präfekt von
159 LDRB GX 31/12/2 (27.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3; LDRB GX 31/11/8 (04.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. Etwas zu vollmundig hatte Huang kurz zuvor der Gentry des gesamten Distrikts versprochen: „Senden Sie Ihre Söhne als Studenten der Pädagogik hierher an diese Schule, sie werden ohne Ausnahme aufgenommen werden.“ Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 550. 160 Qiu Zhuchang, Qiu Fengjia jiao wang lu, S. 209f.; Su Wenji et al., Qiu Fengjia chuangban, S. 79. 161 Allein in den Jahren 1903 bis 1905 habe ich mehr als 50 solcher Bekanntmachungen für die Präfektur Chaozhou und den Distrikt Jiaying gefunden. 162 LDRB GX 31/12/10 (04.01.1906), Chao Jia xinwen. S. 3. 163 So im Herbst 1905 die Schule für Architektur im Kreis Changle (Changle Jianzhu Xuetang), siehe LDRB GX 31/9/2 (30.09.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. 164 LDRB GX 29/2/26 (24.03.1903), Chao Jia xinwen, S. 3. 165 LDRB GX 31/9/7 (05.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 3.
4.4 Lehrer
235
Chaozhou die Leiter aller Grundschulen dazu auf, ihre besten Absolventen zur Aufnahmeprüfung an die Jinshan Zhongxue zu schicken.166 Frei von Nachwuchssorgen waren neben den höheren staatlichen Schulen in den Städten nur jene privaten Schulen (sili xuetang), die von einem Klan betrieben wurden – und das war die Mehrzahl der Privatschulen, denn außer den großen Klans konnte kaum eine Familie allein das Geld für eine neue Schule (im Unterschied zur sishu) aufbringen.167 Die privaten Klanschulen ersetzten daher meist nahtlos jene sishu, die zuvor aus dem Vermögen des jeweiligen Klans finanziert worden war, und übernahmen dementsprechend auch die aus einem Teil der Söhne des Klans bestehende Schülerschaft. Deshalb konnten jene Schulen auch gänzlich darauf verzichten, in der Zeitung auf sich aufmerksam zu machen.168 All diese Konflikte und Schwierigkeiten aber wurden erneut von der staatlichen Statistik verdeckt. Von Fluktuation und der teils schwierigen Anwerbung von Schülern (oder deren übergroßem Ansturm) sagt diese nichts, wenn sie für 1908 an den 27 Mittelschulen Guangdongs insgesamt 3.058 Schüler zählt, was etwa 113 Schülern pro Schule entsprach – und damit, nebenbei bemerkt, weit weniger als den vorgesehenen 400 Schülern.169 Wenngleich der Anstieg der Gesamtzahl von Schülern ab 1905 beeindruckend bleibt, zeigt der genaue Blick auf die lokale Praxis also, dass dieser Aufschwung mitnichten ein Selbstläufer war.
4.4 Lehrer „In der gegenwärtigen Schlacht geht es nicht um die Stärke der Offiziere und Soldaten, sondern um die Erfolge der Lehrer an den Schulen.“ Huang Zunxian, 1904 170
Schwieriger noch als geeignete Schüler waren geeignete Lehrer zu finden. Denn diese mussten ja neue Fächer wie Fremdsprachen, Naturwissenschaften und 166 LDRB GX 32/3/18 (11.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3. 167 Zhong Jiahua, Shishen, S. 39. 168 Eine der wenigen publizierten Schulordnungen einer Klanschule – der Grundschule des Luo-Klans in der Kreisstadt Xingning nahe Jiaying – bestimmte, die Schule solle „die Söhne und jüngeren Brüder des Klans erziehen“ mit dem Ziel „das Land und das Volk zu bewahren“, siehe LDRB GX 30/10/22 (28.11.1904), Chao Jia xinwen, S. 4. 169 Guangdong sheng xuewu tongji zongbiao (Gesamtstatistik des Bildungswesens der Provinz Guangdong), GX 34 (1908), in: GDJYGB 1 (1910) 1, baogao, S. 1 f. 170 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 547.
236 4 Der Staat im Schulalltag
Sport unterrichten, und dies obendrein in neuer Weise, nämlich durch Erklärung statt durch Auswendiglernen.171 Missionar Friedrich Lindenmeyer resümierte die Situation Anfang des Jahres 1908 nicht ohne Genugtuung: Die Chinesen meinten alles selbst zu können. Nun müssen sie immer mehr erkennen, wie schwer es ist, ihre Pläne nur mit den ihnen zur Verfügung stehenden Kräften durchzuführen. Es fehlt ihnen überall an tüchtigen Lehrern. […] Ein Lehrer des hiesigen staatlichen Gymnasiums gestand mir, daß all ihr Unterrichten nicht viel Wert habe. […] ‚Wir hier in Kayintschu verstehen es einfach nicht, den modernen Schulplan durchzuführen‘, klagte er ehrlich.172
In Shantou zeigten sich die Probleme an der Lingdong Tongwen Xuetang schon früh. Im Dezember 1904 suchte die Schule nach dem Tod ihres Direktors einen Nachfolger.173 Im Februar 1905 fungierten dann zwei Herren namens Chen und Liao gemeinsam als Interimsdirektoren. Zur selben Zeit hatten der aus Japan stammende Sportlehrer, der Lehrer für konfuzianische Klassiker und Geographie, Wen Tingjing (1869–1954) sowie ein weiterer Lehrer gekündigt. Der Mathematiklehrer war bereits seit längerem nicht mehr erschienen. Zwei neue Lehrer für Naturwissenschaften sowie für Physik und Chemie sollten eingestellt werden, waren aber schwer zu finden, so dass sich die Interimsdirektoren gezwungen sahen, Freunde um Hilfe bei der Suche zu bitten.174 Während die Autoren der Schulgesetze im Falle der Schüler vor allem auf die Attraktivität der überkommenen Bildungstitel vertrauten, war ihnen bewusst, dass zur Heranziehung neuer Lehrer weitere Maßnahmen notwendig sein würden. Langfristig waren dafür die Lehrerschulen gedacht. In den Präfekturstädten sollten sie in vier Jahren Grundschullehrer ausbilden. Um aber bis dahin den Bedarf decken zu können, wurden zudem ein- oder gar nur halbjährige Schnellkurse eingerichtet. Zumindest auf dem Land waren die Lehrer damit die erste Berufsgruppe überhaupt, deren Ausbildung vom Staat organisiert und überwacht wurde und zudem, wie Xiaoping Cong betont, die erste Profession, in der Frauen sich eine respektierte Stellung erkämpfen konnten.175 All dies löste aber das Problem der ad hoc fehlenden Lehrer für die Mittelschulen und die Lehrerschulen selbst nicht. Ganz realistisch sahen denn auch 171 Zhang Licheng, Qing mo xin shi xuetang jiaoshi qunti de chuxian ji qi yingxiang, in: Zhongguo shehui kexue yuan (Hrsg.), Wan Qing gaige yu shehui bianqian, Beijing: Shehui kexue wenxian chubanshe 2009, Bd. 2, S. 890–897. 172 BMA A–1.44/209: Offener Brief betreffs der Sprachschule in Kayintschu, Sikemeier an das Komitee, Nyenhangli 15.02.1908, Replik von Lindenmeyer, S. [13]. 173 LDRB GX 30/11/20 (26.12.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r. 174 LDRB GX 31/1/27 (02.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. 175 Thøgersen, County, S. 12; Cong, Teacher, S. 38–70.
4.4 Lehrer
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die „Bestimmungen zur Ernennung von Lehrern“ vor, dass als Mittelschullehrer zwar zukünftig nur infrage kommen solle, wer eine einheimische oder ausländische, Höhere Lehrerschule in der Gruppe der Besten oder Zweitbesten abgeschlossen habe; vorerst freilich bleibe nichts anderes übrig, als die Lehrerstellen mit solchen Kandidaten zu besetzen, die im Ausland einen beliebigen Abschluss gemacht, sich mit Pädagogik befasst, oder überhaupt ein ausreichendes Niveau in irgendeinem Fach erreicht hätten. Friedrich Lindenmeyer machte sich im Frühjahr 1904 darüber lustig, dass die einzige Qualifikation des neuen Englischlehrers der Wuben Xuetang darin bestehe, dass dieser „im Ausland geboren ist und dort eine englische Volksschule besucht hat.“176 Für die Hilfslehrer (fu jiaoyuan) galten die gleichen Voraussetzungen auf etwas niedrigerem Niveau.177 Die Lage an den Mittelschulen im Osten Guangdongs zeigte, dass die Zentralregierung mit ihrer Einschätzung ganz richtig gelegen hatte. Zwar beschäftigten die 27 Mittelschulen der Provinz 1908 zusammen 204 Lehrer oder rund acht Lehrer pro Schule.178 Doch einerseits waren Unterrichtskräfte für die neuen Fächer nur schwer zu finden. Andererseits gelang es den reichlich vorhandenen Lehrern für die chinesischen Klassiker, Sprache, Geschichte und Ethik oft nicht, diese Fächer wie gefordert nun in weniger frontaler Weise zu unterrichten, worüber sie wiederum häufig mit den Schülern in Streit gerieten. Wenn diese mit einem Aufruhr antworteten, reichten die betreffenden Lehrer nicht selten ihre Kündigung ein.179 Hinzu kamen die schwierigen Reisebedingungen im gebirgigen Osten der Provinz, die die Ankunft neuer Lehrer verzögerten.180 Die Folge war, wie schon im Fall der Schüler, eine hohe Fluktuation auch innerhalb des Lehrkörpers. So vermeldete es die Lingdong Ribao im Mai 1904 schon als Erfolg, dass drei Monate nach Beginn des Schuljahres die meisten
176 BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [9–13]. 177 Zouding renyong jiaoyuan zhangcheng (Kaiserlich bestätigte Regularien zur Ernennung von Lehrern), GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 432–435, hier: S. 433. Auch für alle anderen Schularten erließ der Thron sehr pragmatisch nur vage Einstellungsvoraussetzungen. 178 Guangdong sheng xuewu tongji zongbiao (1908), S. 1r. 179 Beispiele: LDRB GX 31/12/23 (17.01.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 31/11/4 (30.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 31/7/21 (21.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 180 Dies wird anschaulich in der Schilderung einer Reise, die die Missionarin der ABMU und spätere Frauenrechtlerin Adele Marion Fielde (1839–1916) im Jahr 1886 von Shantou nach Chaozhou und weiter den Han-Fluss aufwärts bis zur Grenze Fujians unternahm: Adele M. Fielde, Notes on the Geology of China, in: Proceedings of the Academy of Natural Sciences of Philadelphia 39 (1887), S. 30–31; siehe auch BMA A–1.42/216: Lindenmeyer an den Inspektor, Kayintschu 18.06.1907, S. [12].
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Lehrer der Lingdong Tongwen Xuetang an der Schule eingetroffen seien.181 Fast wöchentlich brachte die Zeitung Meldungen über das Ausscheiden alter und die Ernennung neuer Lehrer. Wegen der schieren Menge wurden die verschiedenen Wechsel oft in einem Beitrag zusammengefasst.182 Von dieser summarischen Behandlung ausgenommen blieben nur die Lehrer in Naturwissenschaften und die Sportlehrer. Denn an ihnen herrschte besonders großer Mangel und sie verkörperten zugleich wie keine andere Gruppe den „militärischen und bürgerlichen Geist“ (jun guomin qixiang) des neuen Schulsystems. Als die Lingdong Tongwen Xuetang 1905 mitten im ersten Halbjahr ihren neuen Lehrer für Naturkunde, Physik und Chemie begrüßen konnte – einen Ingenieur von der Beiyang Xuetang – wurde dies in der Zeitung eigens gewürdigt. Auch die Sportlehrer, unter ihnen einige japanische Militärs, konnten sich besonderer Aufmerksamkeit sicher sein.183 Weil es von ihnen so wenige gab, erhielten die Lehrer der Naturwissenschaften per Gesetz die Erlaubnis, ausnahmsweise und im Unterschied zu allen anderen Kollegen an bis zu vier Schulen parallel unterrichten zu dürfen.184 Die Hanshan-Lehrerschule (Hanshan Shifan Xuetang) in Chaozhou richtete eigens einen einjährigen Zusatzkurs für angehende Lehrer im Alter zwischen 20 und 30 Jahren ein, in dem nur die neuen Fächer Physik und Chemie, Mathematik und Sport unterrichtet wurden.185 1909 legte das quanxuesuo von Jiaying zudem fest, dass die Lehrer für Mathematik und für Sport zusätzlich an den sishu der Nachbarschaft unterrichten sollten.186 Unter diesen Umständen waren kleinere Defizite zu verschmerzen. Dass ein Lehrer an der Wuben Xuetang seine Schüler schlug (was nun verboten war), zog zwar eine Untersuchung durch den Bildungskommissar nach sich, die aber im Sande verlief.187 Schwerer wog da schon das Problem der sprachlichen Verständigung. Der Englischlehrer der Jinshan Zhongxue sprach überhaupt kein Chinesisch, was den Unterricht schwierig machte.188 181 LDRB GX 30/4/23 (06.06.1904), Chao Jia xinwen, S. 4r. 182 So zum Beispiel LDRB GX 30/11/9 (15.12.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 31/10/25 (21.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 183 LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v; GX 31/03/28 (02.05.1905), S. 3r; GX 31/12/23 (17.01.1906), S. 3v; GX 31/8/21 (19.09.1905), S. 3v; GX 31/8/11 (09.09.1905), S. 3v. 184 Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 482. 185 LDRB GX 32/03/28 (21.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 186 LDRB XT 1/2/11 (21.03.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v. 187 GX 32/10/23 (08.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. Auch Guo Moruo berichtet, dass Lehrer ihre Schüler schlugen „wie eh und je“, siehe Guo Moruo, Kindheit, S. 92. Die Schulregularien sahen lediglich drei Arten von Strafen vor, nämlich den schriftlichen Tadel (jiguo), einen Arrest (jinjia) von drei, fünf oder zehn Tagen sowie den Schulverweis (chutang), siehe Bildungsministerium, Xuebu zou zengding ge xuetang guanli tongze zhe bing dan (07.02.1910), S. 359f. 188 LDRB GX 32/11/3 (18.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
4.4 Lehrer
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Wichtiger noch war die Vereinheitlichung des gesprochenen Chinesisch, auf die die Schulreformen ja unter anderem abzielten.189 Mittelschulen mit ihrem gegenüber der Grundschule deutlich erweiterten Einzugsgebiet – längst nicht alle Schüler kamen aus dem betreffenden Kreis, einige gar aus benachbarten Provinzen – brachten die wirkliche Dimension dieser Herausforderung erst ans Licht.190 Inspektoren, aber auch Schüler nahmen Anstoß an Lehrern, deren Dialekt sie nicht verstehen konnten.191 An der Lingdong Tongwen Xuetang stellte sich, wie wir gehört haben, das Problem mit besonderer Dringlichkeit. Deshalb kündigte die Schulleitung schon Ende 1903 einigen ihrer örtlichen Lehrer und bemühte sich stattdessen um solche, die Hochchinesisch sprachen und oft aus Nordchina kamen. 1906 beschäftigte die Lingdong Tongwen Xuetang dann eigens einen „Lehrer für die Standard-Aussprache“ (zhengyin jiaoxi), und etliche andere Schulen taten dies auch.192 Externe Lehrer aber führten an vielen Schulen zum umgekehrten Problem, nämlich dass die Lehrer ihre Schüler nicht verstanden. Die Jinghan Xuetang in Shantou verschliss auf diese Weise allein im Jahr 1905 drei Aussprache-Lehrer, die offenbar entnervt aufgaben.193 Das Projekt des nation-building durch stärkere Mobilität, Integration und Austausch erwies sich in der Praxis also nicht nur als ambitioniert und notwendig als Langzeitprojekt. Es führte zugleich zu nicht intendierten Abgrenzungsbestrebungen und zu einer Stärkung lokaler Identitäten, die nicht automatisch – wie die Qing gehofft hatten – in der Identifikation mit der Nation aufgingen.194 Obgleich sie also händeringend gesucht wurden, konnten die Pädagogen dennoch nicht schalten und walten wie es ihnen beliebte. Neben den selten fügsamen Schülern waren es vor allem die neuen staatlichen Institutionen, die sie unter Druck setzten. Das Schulamt der Provinz etwa verlangte zumindest von den Lehrern der staatlichen Schulen, ihre Lehrmaterialien zur Überprüfung einzureichen. Schließlich dienten die staatlichen Schulen den öffentlichen und pri189 Kaske, Politics, S. 233f. 190 Klein, Basler, S. 85f. 191 So beklagten sich die Schüler der Dongshan Shifan Xuetang, siehe LDRB GX 31/4/26 (29.05.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 192 LDRB GX 29/11/14 (01.01.1904), Chao Jia xinwen, S. 2v; 29/11/18 (05.01.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r; dies galt unter anderem für die Wuben Xuetang: LDRB GX 32/10/30 (15.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r; die Jinshan Zhongxue: LDRB GX 31/11/8 (04.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r; die Jinghan Xuetang: LDRB GX 31/7/26 (26.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; das LehrerAusbildungszentrum von Chaoyang (Chaoyang shifan fuxi suo): LDRB GX 31/4/15 (18.05.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r; und die Jiaying Zhongxue: LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v. 193 LDRB GX 30/10/6 (12.11.1904), Chao Jia xinwen, S. 4r f.; GX 31/4/6 (09.05.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r f.; GX 31/7/26 (26.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 194 Ching, Diyu wenhua.
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vaten als Vorbild, weshalb das Schulamt sicherstellen müsse, dass dort der richtige „Bildungsgeist“ (jiaoyu zhi jingshen) herrsche.195 Auch die harsche Kritik eines Schulinspektors, der im Herbst 1905 drei Grundschulen im Kreis Chaoyang besuchte, sorgte für Angst unter den Lehrkräften. Die Lingdong Ribao berichtete: „Wie wir gehört haben, gab es an einer gewissen Schule einen Lehrer, der [daraufhin] Urlaub genommen hat und nicht mehr zurückgekehrt ist. Alle Lehrer an den Schulen sind ziemlich beunruhigt.“196 Generell bemühte sich die Lokalzeitung, das Kommen von Inspektoren rechtzeitig anzukündigen.197 So konnten sich die Schulleiter auf die Fragen der Inspektoren vorbereiten und für die möglichst vollzählige Anwesenheit ihrer Schüler sorgen.198 Die Inspektoren wussten von diesen Ankündigungen und versuchten, ihren anstehenden Besuch geheim zu halten, oder sie baten explizit darum, keine Vorbereitungen zu treffen.199 Die Schulinspektion trug bisweilen eher zu einem Katz-und-Maus-Spiel denn zur Hebung der Qualität des Unterrichts bei. Wer aber waren diese Mittelschullehrer, die als erste Generation „moderner“ Pädagogen einerseits zur Avantgarde gehörten, und sich andererseits vor den staatlichen Inspektoren fürchteten? Handelte es sich wirklich, wie Tze-ki Hon argumentiert, um „periphere Literati und neue Intellektuelle“, die als Junioren mit seit 1905 unsicherer Perspektive und Identität die Nation für sich entdeckten, um die Qing zu kritisieren und sich selbst als Heilsbringer zu etablieren?200 Für die von Hon behandelten, noch heute bekannten Männer der ersten 195 LDRB GX 31/7/3 (03.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 196 LDRB GX 31/9/5 (03.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 197 Im Falle des Provinz-Schulinspektors Tan Xiaofang, der 1906 die Jinghan Xuetang inspizieren wollte, hieß es in der Ausgabe vom 11. April, Tan habe Guangzhou vor vier Tagen abends verlassen, komme jetzt von Hong Kong mit dem Schiff und könne „schon heute abend“ in Shantou sein, siehe LDRB GX 32/3/18 (11.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. Solche alarmierenden Vorankündigungen dienten zum Teil auch dazu, der lokalen Elite die Chance zu geben, dem Beamten aus der Provinzhauptstadt einen gebührenden Empfang zu bereiten – als nur eine Woche zuvor der Besuch von Generalgouverneur Cen Chunsheng in der Hafenstadt angekündigt gewesen war (der dann wegen eines Sturms ausfiel), hatten sich alle Beamten aus Shantou im Hafen eingefunden, und auch aus Chaozhou waren etliche herbeigeeilt, siehe LDRB GX 32/3/23 (16.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 198 VanderVen, A School in Every Village, S. 151 vermutet, dass die Leiter der Grundschulen auf den Dörfern in der Regel nicht vorab vor dem Besuch eines Inspektors gewarnt wurden. Allerdings existierten dort auch keine Zeitungen, die solche Informationen hätten publik machen können. 199 Yue du shixue, in: Jiaoyu zazhi 3 (1911) 3, jishi, S. 26; zu den spontanen Inspektionen, siehe BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S.[4] sowie VanderVen, A School in Every Village, S. 74. Vgl. oben Kapitel 3.2. 200 Hon, Revolution, S. 11f.
4.4 Lehrer
241
Reihe galt dies gewiss; nicht aber für den durchschnittlichen Mittelschullehrer in Ost-Guangdong, der meist schlicht seinen Lebensunterhalt verdienen wollte. Insgesamt sprechen wir hier über eine recht kleine Gruppe von Menschen. Im Jahr 1907 gab es ausweislich der Statistik des Bildungsministeriums für die gut 30.000 Schüler an den 398 Mittelschulen in ganz China 2.112 Mittelschullehrer. Von diesen besaß nur jeder fünfte einen pädadgogischen Abschluss. Jeweils gut 800 Lehrer dagegen hatten keinen oder einen anderen Abschluss erlangt.201 Damit die beiden letzteren Gruppen – insbesondere jene ganz ohne Abschluss – als Lehrer tätig werden durften, sollte ihre Qualifikation seit 1906 zumindest theoretisch durch den Bildungskommissar geprüft werden. 202 Für die Provinz Guangdong allein liegen gleichermaßen detaillierte Zahlen erst für das Jahr 1909 vor. Zu jenem Zeitpunkt waren in der gesamten Provinz 204 Mittelschullehrer an 27 Schulen angestellt. Fast die Hälfte von ihnen hatte überhaupt keinen Abschluss, was signifikant über dem chinaweiten Durchschnitt von 1907 lag.203 Auf der Ebene der Präfekturen Chaozhou und Jiaying verändert sich das Bild deutlich. Für Chaozhou verzeichnet die kaiserliche Statistik überhaupt nur die zwölf Mittelschullehrer der Jinshan Zhongxue in der Präfekturstadt selbst, von denen neun gar keinen und die verbleibenden drei einen anderen Abschluss gehabt haben sollen. Im Distrikt Jiaying dagegen hatte 1909 schon jeder zweite der 14 Mittelschullehrer eine pädagogische Ausbildung, vier hatten eine andere Schule abgeschlossen, und nur drei waren ohne regulären Abschluss.204 Aus diesen wenn auch rudimentären Zahlen wird deutlich, dass die Professionalisierung des Lehrerberufs auf der Ebene der Mittelschulen binnen weniger Jahre erste Erfolge verzeichnete. Dabei war die Entwicklung, bei aller gebotenen Vorsicht der Statistik gegenüber, in Jiaying überdurchschnittlich, in Chaozhou hingegen deutlich unterdurchschnittlich. Dies hing mit dem Engagement 201 Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. 26, 51. Die Zahl der Lehrer für das Jahr 1907 beinhaltet übrigens weder Guangdong noch das zahlenmäßig noch bedeutendere Sichuan, da beide Provinzen hierzu keine Zahlen nach Beijing gemeldet hatten (wohl aber zur Menge der Schulen und Schüler). 202 Quanxuesuo xin jiu zhangcheng duizhao biao (1911), S. 103. 203 Allerdings scheint die Veränderung in Guangdong selbst gegenüber 1907 nicht sehr groß gewesen zu sein – zumindest hatte sich Zahl der Mittelschulen unwesentlich von 25 auf 27 vergrößert, während die Zahl der Lehrer von 216 auf 204 gefallen war, siehe Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. 26; Guangdong sheng xuewu tongji zongbiao (1908), S. 1r; Guangdong sheng putong xuetang jiaoyuan zige biao (Tabelle der Qualifikationen der Lehrkräfte an allgemeinen Schulen der Provinz Guangdong), 1908, in: GDJYGB (1910) 9, baogao, S. 129–132. 204 Guangdong sheng shifan xuetang jiaoyuan zige biao (Tabelle der Qualifikationen der Lehrkräfte an pädagogischen Schulen der Provinz Guangdong), 1908, in: GDJYGB (1910) 9, baogao, S. 124–128.
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Huang Zunxians für die Lehrerbildung in Jiaying zusammen, die dieser bereits seit 1904 nicht nur durch Gründung der Dongshan-Lehrerschule, sondern auch durch die Entsendung einer Vielzahl junger Männer zum pädagogischen Studium nach Japan gefördert hatte. In Chaozhou bestand zwar seit 1904 mit der Hanshan-Lehrerschule ebenfalls eine pädagogische Ausbildungsstätte, die aber nicht in vergleichbarer Weise gefördert wurde.205 Bei aller staatlich angestrebten Vereinheitlichung hing also nach wie vor viel von den jeweiligen lokalen Bedingungen und dem Engagement der lokalen Eliten ab. Insgesamt ging mit der zunehmenden Professionalisierung der Mittelschullehrer auch eine gewisse soziale Homogenisierung dieser Gruppe einher.206 Zu Beginn der „Neuen Politik“ waren die Lehrer an den neuen Schulen generell eine sehr heterogene Gruppe gewesen, die sich grob in zwei Lager einteilen ließ. Auf der einen Seite standen die klassischen Privatlehrer, zum Großteil gescheiterte Prüflinge in bescheidenen finanziellen Verhältnissen, die bis vor kurzem noch an einer sishu unterrichtet hatten. Diese Gruppe, zu deren Schicksal chinesische Historiker in jüngster Zeit hervorragende Arbeiten vorgelegt haben, fand sich nach 1905 häufig – sofern sie nicht einfach weiterhin ihre sishu betrieben – als Grundschullehrer insbesondere auf dem Land wieder.207 Die Lehrer an den Mittelschulen dagegen waren sozial meist deutlich besser gestellt, wenngleich genaue Forschungen zu dieser ersten Generation noch in den Anfängen stecken.208 Ihre höhere Stellung schlug sich auch in einem Gehalt nieder, das – wiewohl staatlich nicht festgelegt – überall dasjenige der Grundschullehrer um ein Vielfaches überstieg. Die individuelle Bezahlung variierte jedoch unter anderem je nach Art der Ausbildung, die ein Lehrer vorweisen konnte, sowie nach seinem Fach, seiner Herkunft, und natürlich der finanziellen Situation der jeweiligen Schule. An der Höheren Lehrerschule von Guangdong und Guangxi (Liangguang Youji Shifan Xuetang) in Guangzhou fanden sich zwischen 1904 und 1906 fast ausschließlich „Beamte im Wartestand“ sowie Träger rein nomineller Titel, ein, von denen die meisten zwischen 26 und 40 Jahren alt waren – genau jene Gruppe wirtschaftlich und sozial marginalisierter keju-Absolventen also, die schon seit Jahrzehnten eine latente Bedrohung für den Rückhalt der kaiserlichen Herr205 Wu Rongqing, Qing mo Yue dong diqu shuyuan dao xuetang de yanbian – yi Hui Chao Jia shifan xuetang wei lie, in: Hanshan shifan xueyuan xuebao 34 (2013) 4, S. 43–51, hier S. 44f. 206 Cong, Teacher, S. 70. 207 Jiang, Yi ge jieceng; Zuo Songtao, Xinci; Ders., Naoshu. 208 Siehe aber Cong, Teacher, S. 38–70 sowie Han Ce, „New Education by Old Hands. The Last Group of Literati in Late Qing and the Early Republic“, Vortrag, Workshop „Knowledge, Power and Prestige: Education in Modern and Contemporary China“, Freie Universität Berlin, 10.11.2014.
4.4 Lehrer
243
schaft unter der Gentry darstellte. Offensichtlich verfolgten diese Männer das Ziel, nach einem Abschluss schnell eine wirkliche Anstellung als Verwalter oder Lehrer einer staatlichen Schule (und zwar jenseits der Grundschule) zu erlangen, was ihnen in fast allen Fällen auch glückte. Die Bildungsreformen schufen also mit dem Schulverwalter und dem Sekundarschullehrer zwei weitere, alternative Karriereziele, wie sie sich für die Beamten in spe schon zuvor in den irregulären staatlichen „Büros“ (ju) zur Bewältigung neuer Staatsaufgaben geboten hatten.209 Doch diese ersten Absolventen der wenigen Höheren Lehrerschulen repräsentieren aus drei Gründen nicht den durchschnittlichen Mittelschullehrer der frühen Jahre der „Neuen Politik“. Erstens handelte es sich um Elite-Einrichtungen, die in den ersten Jahren weit weniger Absolventen hervorbrachten, als Mittelschullehrer gebraucht wurden. Wie die oben angeführten Zahlen gezeigt haben, machten die als solche ausgebildeten Lehrer auch noch 1909 nur etwa ein Drittel des durchschnittlichen Kollegiums aus. Die Liangguang Youji Shifan Xuetang zum Beispiel hatte 1904 in ihrem Lehrer-Programm gerade einmal 60 Absolventen.210 Der zweite Grund, aus dem die Absolventen der Höheren Lehrerschulen und damit der Status des „Beamten im Wartestand“ nicht repräsentativ für alle Mittelschullehrer in Guangdong waren, ist, dass ein guter Teil der letzeren zu jener neuen Klasse von Gelehrten gehörte, die seit den 1860er Jahren aus den ersten Schulen für westliches Lernen hervorgegangen war und nicht unbedingt parallel an den Staatsprüfungen teilgenommen hatte. Nachdem diese Gruppe jahrzehntelang unsichere Beschäftigungsperspektiven gehabt hatte, spülte die
209 Cong, Teacher, S. 61–63; Han Ce, „New Education by Old Hands“; Philip Yuen-Sang Leung, Crisis Management and Institutional Reforms. The Expectant Officials in the Late Qing, in: Robert J. Antony/Jane Kate Leonard (Hrsg.), Dragons, Tigers, and Dogs. Qing Crisis Management and the Boundaries of State Power in Late Imperial China, Ithaca, NY: Cornell University Press 2002, S. 61–77, hier S. 67, 74. 210 Bis 1909 hatte sich diese Schere weitgehend geschlossen, denn die Liangguang Youji Shifan Xuetang entließ 1906 schon 223 Pädagogen und im Jahr darauf derer 445, wenn auch nach einem Schnellkurs (was bedeutete, dass sie nur als Grundschullehrer zugelassen waren). Doch weil längst nicht jede Provinz so früh wie Guangdong eine Höhere Lehrerschule eingerichtet hatte, stand der steigenden Zahl der Absolventen dort eine weit größere Zahl von Stellen an den Mittelschulen in ganz China gegenüber. Viele Absolventen aus Guangzhou fanden deshalb in anderen Teilen des Reiches Arbeit. Unter ihnen fiel der Anteil der Träger eines keju-Titels von 73 Prozent (1904) auf 41 Prozent (1907), und auch das Durchschnittsalter sank ungefähr von 25 auf 20 Jahre. Binnen drei Jahren wurden also viele der älteren, klassischen Gelehrten von jüngeren xuetang-Absolventen abgelöst, siehe Cong, Teacher, S. 64f.
244 4 Der Staat im Schulalltag
Abschaffung des Prüfungssystems 1905 sie als nun stark nachgefragte Lehrer an den neuen Schulen ins Zentrum der Aufmerksamkeit.211 Drittens schließlich zeigt ein Blick in die hier untersuchten Schulen, wie unterschiedlich die Karrierewege der frühen Mittelschullehrer tatsächlich verliefen. Die Tatsache, dass relativ viele der Revolutionäre von 1911 Lehrer waren, wie vor allem die chinesische Forschung immer betont, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die große Mehrheit der Lehrer bis zum Ende den Qing gegenüber vollkommen loyal verhielt.212 Sie unterstützten weiterhin den Staat, dem ja die meisten von ihnen auch ihre berufliche Existenz verdankten, selbst wenn sie keine Höhere Lehrerschule besucht hatten. So war zum Beispiel der Oberlehrer (zong jiaoxi) der Wuben Xuetang Absolvent des staatlichen Guangya Shuyuan in Guangzhou; die beiden Leiter der Schule trugen unterschiedliche (allerdings wohl gekaufte) shengyuan-Titel, der Hilfslehrer war immerhin Kandidat für die Prüfung zum shengyuan; die staatliche Jiaying Zhongxue beschäftigte einen Sohn Huang Zunxians, der die Hanshan-Lehrerschule abgeschlossen hatte. Außerdem unterrichteten dort drei Absolventen des Lehrerseminars in Guangzhou (Liangguang Shifan Fuxisuo) sowie zwei Absolventen der dortigen Einfachen Lehrerschule (Liangguang Chuji Shifan Xuetang).213 An der Jinshan Zhongxue unterrichteten Absolventen einer der von Zhang Zhidong geförderten „Schulen zum Erhalt des Altertums“ (cungu xuetang), der ebenfalls staatlichen Guangdong Fangyan Xuetang (dem ehemaligen Tongwenguan) sowie der Hochschule für Recht und Verwaltung in Guangzhou.214 Andere Lehrer waren Nutznießer des staatlich finanzierten Auslandsstudiums, darunter der Englischlehrer der Wuben Xuetang, der seinen Abschluss in den USA gemacht hatte, fast alle Lehrer der Dongshan Shifan Xuetang, die auf Huang Zunxians Betreiben in Tokio am Kobun-Institut studiert hatten, mindestens zwei Lehrer der staatlichen Jiaying Zhongxue, die eine Sprachenschule in Tokio besucht hatten, und schließlich der Sportlehrer der Jiaying Zhongxue, der einen Abschluss einer berühmten Militärschule für Chinesen in Tokio, der Futa-
211 Zhang Licheng, Qing mo xin shi xuetang, S. 892–894. 212 Zarrow, Educating, S. 8. 213 LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v. Der Gelehrte Liang Bocong (1871– 1945), bekannt als „letzter xiucai von Meixian“, veröffentlichte später eine Sammlung von 200 Gedichten, die unter anderem seine Zeit als Lehrer an der Wuben Xuetang behandelten: Liang Bocong, Meixian fengtu erbai yong, Hong Kong: Sheng ruo wang yingwen shuyuan chubanbu 1997 [1941]. 214 STSDAG, Minguo xuexiao wenjiao weisheng, Nr. 12/5/103, fol. 1r, 2r; Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 5v.
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ke Gakko oder Zhengwu Xuexiao besaß.215 Längst nicht alle diese jungen Männer, das zeigen meine Fallstudien, kehrten von ihrem Auslandsaufenthalt als radikale Anti-Monarchisten zurück. Am ehesten würde man die Revolutionäre unter den Lehrern der Lingdong Tongwen Xuetang vermuten, denn Qiu Fengjia, der Gründer der Schule, wurde ja selbst Mitglied im Revolutionsbündnis Tongmenghui des späteren ersten Präsidenten der Republik China, Sun Yat-sen.216 Doch weder im Schulalltag noch in der Auswahl der Lehrer spiegelte sich dies wider (mit einer Ausnahme). Stattdessen wird am Beispiel dieser Schule deutlich, welch große Rolle regionale und von ethnischer Identität geprägte – fast alle Lehrer waren Hakka – Netzwerke bei der Zusammenstellung des Lehrkörpers spielten, obwohl die Schulgesetze allein berufliche Qualifikationen gelten lassen wollten. So meldete die Lingdong Ribao wie erwähnt 1905, die beiden Interimsdirektoren beabsichtigten, „mit Hilfe von Freunden“ zwei neue Lehrer einzustellen.217 Auch Qiu Fengjia hatte zwar als Direktor lauter alte Bekannte beschäftigt, obwohl seine eigenen Regularien allein auf „guten Charakter und große Gelehrsamkeit“ (pinxue jianyou) abgehoben hatten.218 Qius Freund Wen Zhonghe, Mitglied der Hanlin-Akademie, war bis zu seinem Tod 1904 Oberlehrer.219 Die Verwaltung des Unterrichts übernahm mit He Shoupeng ebenfalls ein langjähriger Freund Qius. Er unterrichtete Geschichte und Geographie, ebenso wie Wen Tingjing, ein juren der letzten Kohorte, der wie He aus dem Kreis Dapu stammte. Wen Tingjing hatte zusammen mit Qiu zu den Gründern der Lingdong Tongwen Xuetang gehört, war Herausgeber der Lingdong Ribao und wurde zusammen mit Qiu auch politisch aktiv.220 Mathematiklehrer Liu Jiaju (1875–1911), den Qiu Fengjia 1899 kennengelernt hatte, stammte ebenfalls aus Dapu. Zu den Chinesisch-Lehrern schließlich zählte Luo Xianchou (ca. 1870–1917), als aktiver Revolutionär die oben erwähnte Ausnahme. Auch er kam aus Dapu, war früh dem Tongmenghui beigetreten und gehörte 1911 zu den Anführern der Revolution in
215 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 5v.; Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 548; Lynn, Straddling, S. 24–26; LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v. Zu den bekanntesten Absolventen der Futake Gakko gehören Chen Duxiu (1879–1942) sowie Chiang Kai-shek (1887–1975). Viele der chinesischen Studenten wurden Mitglied im Tongmenghui. 216 Ching May-bo, Classifying, S. 72f. 217 LDRB GX 31/1/27 (02.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. 218 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), Art. 5, S. 78. 219 LDRB GX 30/11/20 (26.12.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r. 220 Ching, Classifying, S. 68f.
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Guangdong. Weiterhin unterrichteten zwei ehemalige Schüler Kang Youweis Chinesisch.221 Die unsichere Zeit des Übergangs zum neuen Schulsystem führte auch bei den Lehrern zu einer, gezwungenen oder freiwilligen, jedenfalls erstaunlichen Mobilität. Dies wird deutlich am Beispiel der Chengxi-Grundschule in Jiaying, wo keiner der Lehrer, die 1904 an der Schule zu unterrichten begonnen hatten, 1911 noch immer dort arbeitete.222 Zugleich begnügten sich berühmte Gelehrte wie Wen Zhonghe oder Qiu Fengjia meist nicht mit einer Funktion an nur einer Schule. Als die „Neue Politik“ für einen sprunghaften Anstieg der Betätigungsmöglichkeiten innerhalb der vom Staat neu geschaffenen Strukturen sorgte, griffen diese Männer freudig zu. Wen Zhonghe von der Lingdong Tongwen Xuetang etwa war zugleich Leiter der Jinshan-Akademie und wechselte nach deren Umwandlung in eine xuetang als Oberlehrer dorthin.223 Auch Wen Tingjing suchte sich Ende 1903 eine neue Stellung.224 Qiu selbst hatte in den 1890er Jahren zunächst an verschiedenen Akademien in Chaozhou und Jiaying unterrichtet und zeitweise als Leiter der Hanshan-Akademie in Chaozhou fungiert. Seine Erfahrungen dort brachten ihn dazu, die Gründung der Lingdong Tongwen Xuetang in Angriff zu nehmen. 1904 gehörten er und Wen Zhonghe zu den ersten Unterzeichnern einer Unterstützerliste für die Wuben Xuetang in Jiaying.225 Daneben rief Qiu gemeinsam mit verschiedenen Mitstreitern weitere neue Schulen in Ost-Guangdong ins Leben, darunter 1906 die staatliche Mittelschule des Kreises Zhenping. An andere Schulen wurde er als Direktor berufen. Bald wurde Generalgouverneur Cen Chunxuan auf Qiu aufmerksam und holte den 42-Jährigen 1905 nach Guangzhou. Hier wurde Qiu 1909 nicht nur in die Provinzversammlung gewählt, sondern auch zum Vorsitzenden der Bildungsvereinigung von Guangdong.226 Insgesamt betrachtet, ergibt sich das Bild einer Lehrerschaft, die mehrheitlich im Besitz von Prüfungstiteln war. Einige dieser neuen Lehrer waren als Absolventen neuer Schulen in China oder als zurückgekehrte Auslandsstudenten bereits selbst ein Produkt der „Neuen Politik“. Doch gerade in den Jahren bis 221 Wen Yuan, Lingdong, S. 79; Chen Jinghuai, Qiu Fengjia, S. 84; nähere Angaben zu den genannten Personen finden sich in Qiu Zhuchang, Qiu Fengjia jiao wang lu, S. 12–18, 183, 209f., 242, 262, 292f., 308, 312. 222 Meixian chengxi xuexiao (Hrsg.), Meixian chengxi xuexiao sanshi zhounian jiniankan, Guangzhou 1934 [Jianying Bibliothek Meizhou]. 223 Qiu Zhuchang, Qiu Fengjia jiao wang lu, S. 16f. 224 LDRB GX 29/11/14 (01.01.1904), Chao Jia xinwen, S. 2v. 225 Ebd., S. 4v. 226 Jiaoling xian difangzhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Jiaoling xianzhi, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 1992, S. 625; Qiu Zhuchang, Qiu Fengjia jiao wang lu, S. 335–342; Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 615.
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etwa 1907 überwogen zwangsläufig jene, die noch nicht die junge, reguläre Lehrerausbildung durchlaufen hatten. Eine solche wurde in den Jahren danach immer üblicher, weshalb man von einer Professionalisierung der Mittelschullehrer sprechen kann. Doch das neue staatliche Schulsystem bot weiterhin auch Quereinsteigern gute Chancen. In demselben Maße, in dem die Abschaffung des keju 1905 die klassische Elite dem Staat entfremdete, brachte das neue Schulsystem eine mehr reformorientierte Elite näher an den Staat heran. Natürlich waren die Übergänge zwischen beiden Gruppen fließend. Aber es ist bezeichnend, dass jemand wie Qiu Fengjia, der noch bis 1903 am Jinghan Shuyuan in Shantou unter dem Titel „Lehre von den Reformen“ (weixin zhi xue) Vorlesungen über die Ideen Liang Qichaos und Kang Youweis gehalten sowie heimlich an Plänen für die militärische Verteidigung des Guangxu-Kaisers gegen Cixi mitgewirkt hatte und in Kontakt mit Kang Youwei stand, ab 1904 in immer mehr Funktionen an einzelnen Schulen sowie in der Schulbürokratie auf verschiedenen Ebenen eine enorme Aktivität entfaltete.227 An die Unterstützer „seiner“ Schule in Jiaying unter den Auslandschinesen in Singapur schrieb Qiu, man könne trotz allem in Shantou die Dinge nicht so frei tun wie im Ausland.228 Solange sie bereit waren, sich – wie Qiu Fengjia – pragmatisch in die Grenzen des politisch Machbaren zu fügen, bot der chinesische Staat nach 1900 also auch potentiellen Revolutionären einen ungekannten, wenn auch lokal begrenzten, Entfaltungsspielraum.229 Die Lehrer der Mittelschulen, aber auch viele Direktoren, Verwalter und andere Funktionsträger nutzten diesen Spielraum keineswegs nur, um – wie Mary Backus Rankin argumentiert hat – unbehelligt von Provinz- und Zentralregierung ihren eigenen, lokalen Vorteil zu suchen und immer größere Entscheidungsbefugnisse zu usurpieren.230 Was immer die Haltung des Einzelnen zur herrschenden Dynastie gewesen sein mag: Am Ziel eines allumfassenden, staatlich organisierten Schulwesens hegten diese Männer nicht nur keinen Zweifel, sondern sie wirkten an seiner Realisierung nach Kräften mit, auch wenn sie dabei eigene Schwerpunkte zu setzen versuchten. Dass die kaiserliche Regierung damit zugleich jene anzog und nährte, die nicht nur ein neues Schulsystem und Verwaltungsreformen wollten, sondern denen auch die konstitutionelle Monarchie nicht Reform genug war, steht auf einem anderen Blatt. 227 Zhao Chunchen, Qiu Fengjia canyu gengzi liangguang wuzhuang „qinwang“ mimou kao, in: Guangzhou daxue xuebao (shehui kexue ban) 6 (2007) 3, S. 3–9; Chenghai xian difangzhi bianzuan weiyuanhui, Chenghai xianzhi, S. 672; Qiu Zhuchang, Shilun Qiu Fengjia yu Kang, Liang, Huang zhi guanxi, in: Xueshu Yanjiu (2001) 2, S. 118–123. 228 Zhong Jiahua, Shishen, S. 32. 229 Esherick, Reform, S. 95–105. 230 Rankin, Elite, S. 208.
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4.5 Disziplin und Einheitlichkeit Eine zentrale Entwicklung der Neuzeit ist nach Michel Foucault die individuelle Verinnerlichung äußerlicher Disziplin.231 Doch wie erkennt man solche Verinnerlichung? Der folgende Blick auf den Alltag im Schulgebäude legt nahe, dass zwischen dem nach außen vermittelten Eindruck sowie der Rhetorik von Disziplin und Zivilisierung einerseits und der Praxis der Individuen andererseits eine große Kluft bestehen kann. Diese Kluft zwischen äußerem Eindruck und schulischer Wirklichkeit betrachten wir im Folgenden anhand von Zeiteinteilung, Klasseneinteilung, Prüfungen, Verhaltensregeln, Schülerprotesten und schließlich – als Kulmination des disziplinierten Images – anhand des Schulfotos. Huang Zunxian ereiferte sich 1904 über die Mängel des entstehenden neuen Schulsystems und gab vor allem der Zählebigkeit einer alten Institution die Schuld hieran: Die alten Privatschulen [sishu] ändern ihren Namen und machen eine xuetang ohne feste Regularien, ohne ansteigende Reihenfolge der Schulklassen, ohne Altersgrenze für den Schulabschluss, so dass das Alter der Schüler unregelmäßig ist und ihre Leistungen voneinander abweichen, sie kommen mit Sonnenaufgang und gehen mit der Dämmerung, sie tun dies und lassen jenes bleiben.232
Die spätere Forschung hat sich oft gefragt, warum der Staat mit solcher Vehemenz gegen die sishu vorging, statt sie stärker in das neue System zu integrieren.233 Vereinfacht gesagt: Der chinesische Staat konnte, wollte er seine Autorität behaupten, nicht auf die Dichotomie von Alt und Neu verzichten, die es ihm erlaubte, sich selbst sowohl als Speerspitze des Fortschritts wie auch als Hüter der Tradition zu präsentieren.234 Zwar gab es Bemühungen, diese beiden Pole miteinander zu verbinden, von Zhang Zhidongs staatlichen „Schulen zum Erhalt des Altertums“ bis zu den „nationalen Studien“ (guoxue) und dem Konstrukt der „nationalen Essenz“ (guocui).235 Aber dies waren Verbindungen primär inhaltlicher Art. Vermittelt werden sollte eine Mischung aus chinesischem und westlichem Wissen, fast immer aber in der Form moderner westlicher Schulen und in deutlicher Anlehnung an das neue Ideal eines „militärischen Geistes“.236 Insofern feierte das oben zitierte, Zhang Zhidong zugeschriebene Motto 231 Foucault, Governmentality, S. 99–103. 232 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 547. 233 Pepper, Radicalism, S. 79. 234 Frölich, Warum. 235 Zu den von Zhang Zhidong initiierten und 1909 vom Bildungsministerium für alle Provinzen geforderten cungu xuetang, siehe Kaske, Politics, S. 233, 279–281. 236 Zarrow, Educating, S. 20; Schillinger, Body, S. 323–325.
4.5 Disziplin und Einheitlichkeit
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der Selbststärkung, „Chinesisches Wissen als Grundlage, westliches Wissen zur Anwendung“, in der „Neuen Politik“ einen verspäteten Triumph. Auch die konfuzianischen Klassiker wurden inhaltlich neu (nationalistisch) interpretiert; ihre äußere Form aber wurde radikal modernisiert, als guocui wurden sie zum international kommunizierbaren, modernen Bestandteil der Nation China, verbreitet an den modernen Schulen und in den neuen Medien der Jahrhundertwende: in Magazinen, Zeitungen und Schulbüchern.237 Genauso verhielt es sich mit dem Schulunterricht. In den Inhalte mochten Alt und Neu sich verbinden, in der Form aber vertrat der Staat den Anspruch, etwas ganz Neues zu schaffen. „Westliches Wissen“, das hieß eben nicht nur Waffentechnik und Naturwissenschaften, sondern es betraf vor allem die Formen des Lernens: Den größten Eindruck auf chinesische Beobachter machten vom Militär inspirierte Disziplin, Uniformität, Pünktlichkeit, Gehorsam und Überwachung, die vermeintlich an den Schulen der westlichen Industriestaaten herrschten.238 Deshalb setzte sich die chinesische Regierung, wie wir gesehen haben, ausdrücklich von der sishu als anti-modernem Gegenbild ab.239 In den unten näher zu behandelnden Bauvorschriften wird dies ex negativo deutlich: Die neue Schule sollte großzügig und weitläufig sein, funktional getrennte Räume, Gebäude und Außenanlagen umfassen und mit ausreichend Licht, frischer Luft und sauberem Wasser versorgt sein – alles Merkmale, die der Ein-Raum-Privatschule gerade abgingen.240 Zivilisierungsanstrengungen wie die Reform der sishu betrieb jedoch nicht allein der Staat. Insbesondere die städtische Gentry ergriff zahlreiche ähnliche Initiativen. Dazu gehörten öffentliche Vorträge gegen „abergläubische“ Praktiken wie die Geomantie, gegen das Füßebinden, gegen das Fehdewesen und gegen seichte Theaterstücke und stattdessen für harte Arbeit und fleißiges Lernen.241 Nicht alles daran war unbedingt neu, weder in Form noch Inhalt – solche Vorträge, wie sie auch von den quanxuesuo organisert wurden, knüpften an die Praxis der moralischen Lesungen im Rahmen des „Dorfpaktes“ an. Inhaltlich waren auch früher lokaler Streit, heterodoxe Praktiken und ein Übermaß 237 Hon, Revolution, S. 8–12; Klaus Mühlhahn, National Studies and Global Etanglements. The Reenvisioning of China in the Early Twentieth Century, in: Vanessa Künnemann/Ruth Mayer (Hrsg.), Trans-Pacific Interactions. The United States and China, 1880–1950, New York, NY: Palgrave Macmillan 2009, S. 43–57. 238 Harrell, Sowing, S. 46f.; Bailey, Reform, S. 265. 239 Ähnlich hielten es die protestantischen Missionare in China, siehe Frölich, Spirits. 240 Jianzao xuetang fashi, in: Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 491–494; näher hierzu unten Kapitel 4.6. 241 Cole, Shaohsing, S. 175–185.
250 4 Der Staat im Schulalltag
an Unterhaltung verurteilt worden. Während der „Neuen Politik“ allerdings propagierte die Gentry in denselben Lesungen nun auch den nationalen Zusammenhalt, die moderne Armee, den Breitensport und eben auch die neuen Schulen.242
4.5.1 Zeiteinteilung Zu den Neuerungen des Schulsystems, die am schwierigsten durchzusetzen waren, gehörte die neue Zeiteinteilung. Sie sollte den gerade von der städtischen Elite zunehmend als unerträglich empfundenen Zustand beenden, dass die Schüler „mit Sonnenaufgang und kommen und mit der Dämmerung gehen“, statt sich nach der mechanischen Uhr zu richten.243 Im ländlichen China waren die modernen Schulen der erste Ort überhaupt, an dem die lokale Bevölkerung mit dem Regime der homogenen Uhrzeit in regelmäßige Berührung kam. Die Zeitmessung als solche war dabei natürlich kein Novum, wohl aber die Art ihrer Einteilung und ihr Stellenwert im Alltag.244 Nicht nur ersetzte bald der Sonnenden Mondkalender und die Sieben- die Zehn-Tage-Woche (xun). Auch der Tag sollte nun 24 statt zwölf Stunden (chen) oder zehn Wachen (gengci) haben. Doch gemeinhin maßen die Menschen in China – zumal außerhalb der Städte, in denen der Trommelturm zumindest die zehn Wachen signalisierte – die Zeit auch zu Beginn des 20. Jahrhundert, wie auch noch in weiten Teilen Europas, eher in Erfahrungswerten, so dass zum Beispiel der Weg zum nächsten Dorf so lange dauerte, „wie es braucht, eine Schale Reis zu essen“.245 Uhren waren auch zu jener Zeit noch nicht weit verbreitet, und sie waren eher Statussymbol denn alltäglich genutzter Zeitmesser (Abb. 26, Abb. 28).246 In dieser Hinsicht 242 Zhang Xiaoli, Shilun, besonders S.169–171. 243 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 547. 244 Siehe jetzt zur „Ordnung der Zeit“ in der Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts und ihren vielfältigen Einflüssen – nicht zuletzt auf die Geschichtswissenschaft – Conrad, Kulturgeschichte, S. 512–558. 245 Statt des astronomischen Mondkalenders wurde zudem der an der Sonne gemessene und in 24 landwirtschaftlich relevante Jahreszeiten-Phasen unterteilte Bauern- oder Festkalender (nongli) genutzt, siehe Joseph Needham/Wang Ling, Mathematics and the Sciences of the Heavens and the Earth (Science and Civilisation in China 3), Cambridge: Cambridge University Press 1959, S. 313–329, 404–406; Wilkinson, Chinese History, S. 202–219; Anthony F. Aveni, Empires of Time. Calendars, Clocks, and Cultures, Boulder: University Press of Colorado 2002, S. 281. 246 Silvio A. Bedini, Oriental Concepts of the Measure of Time. The Introduction of the Mechanical Clock Into China and Japan, in: J. T. Fraser/N. Lawrence (Hrsg.), The Study of Time II, New York: Springer 1975, S. 451–484, hier S. 476–479; Frank Dikötter, Things Modern. Material
4.5 Disziplin und Einheitlichkeit
251
unterschied sich zumindest das ländliche China nicht wesentlich von ländlichen Regionen in Europa. Das strengere Uhrzeitregime war für alle Gesellschaften des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein Novum.247 Dennoch musste, anders als die Forschung lange Zeit glaubte, die Einführung dieses Regimes in China nicht zwingend als gewaltsamer Zusammenstoß mit der etablierten Zeitwahrnehmung erlebt werden.248 Dies lag weniger an dem vorausschauenden Handeln der Zentral- und Provinzregierungen – die die Einteilung des Schuljahres und implizit auch die Uhrzeiten des Unterrichts reichsweit einheitlich festlegten – als vielmehr an den lokalen Schulleitern, die eigenmächtig Adaptionen vornahmen.249 Die Lokalbeamten, die Mitglieder der quanxuesuo und die Schulinspektoren drückten ein Auge zu, solange die Abweichungen innerhalb eines bestimmten Korridors blieben.250 Dennoch veröffentlichte die Lingdong Ribao bereits im Sommer 1903 genaue Regelungen der Ferienzeiten.251 Auch Huang Zunxian pries in Jiaying die Einteilung des Unterrichts in „Jahr, Monat, Tag und Stunde“ und die damit verbundene, klare Gliederung des Lernstoffs als einen der Vorteile des modernen Schulsystems.252 Gegenüber den Regularien von 1902, über die es oft heißt, sie seien wegen ihrer Praxisferne nicht implementiert worden, waren diejenigen von 1904 hinsichtlich der Zeiteinteilung noch praxisferner: Waren die Semestertermine 1902 noch Bestandteil der Regularien jeder einzelnen Schulform und damit zumindest dieser (wenn auch nicht den lokalen Verhältnissen) angepasst, so wurden Culture and Everyday Life in China, London: Hurst 2007, S. 184f.; Susan R. Fernsebner, Material Modernities. China’s Participation in World’s Fairs and Expositions, 1876–1955, PhD Dissertation University of California, San Diego, CA 2002, S. 87. Auch das monumentale Eingangstor der Industrieausstellung in Nanjing 1910 (Abb. 26) wurde von einer mechanischen Uhr gekrönt. 247 Conrad, Kulturgeschichte, S. 521f.; Vanessa Ogle, The Global Transformation of Time 1870–1950, Cambridge, MA: Harvard University Press 2015, Kapitel 1. 248 Zur gegenteiligen Sicht: Osterhammel, Verwandlung, S. 121–126; Conrad, Kulturgeschichte, S. 556–558; Borthwick, Education, S. 35. 249 Laut VanderVen, A School in Every Village, S. 137f. habe das Schulgesetz von 1904 – im Unterschied zu jenem von 1902 – weder ein genaues Datum für den Beginn des Schuljahres, noch eine genaue Uhrzeit für den Beginn des Schultages festgelegt. Die Zentralregierung habe es den quanxuesuo so ermöglicht, peu à peu bestimmte Zeitkorridore für diese Ereignisse zu etablieren, die an die lokalen Gewohnheiten angepasst waren (VanderVen, It’s Time for School, S. 70–81). Dies erscheint auf den ersten Blick als Musterbeispiel für adaptive governance. Doch ist VanderVen ein Irrtum unterlaufen: Tatsächlich schrieb auch das Schulgesetz von 1904 das Schuljahr genau vor und legte Uhrzeiten für den Ablauf des Schultages zumindest indirekt fest, siehe Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 484–486. 250 VanderVen, It’s Time for School, S. 73; Dies., A School in Every Village, S. 138f. 251 LDRB GX 29/5/18 (12.07.1903), Chao Jia xinwen, S. 3v. 252 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 549f.
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sie 1904 in ein eigenes Regelwerk ausgelagert. Die „Generellen Verwaltungsvorschriften für jede Schule“ umfassten die Semestertermine nebst spezifischen Verhaltensegeln für jede Art von Schulgebäude, Anweisungen zur korrekten Feier der Riten, Bestimmungen zur Einstellung von Lehrern, Listen mit Verboten und Bestrafungen, Bauvorgaben, eine Gebührenordnung und vieles mehr.253 Diese galten einheitlich für alle Schulformen bis hin zur Universität. Damit war die Uniformität des Schulsystems aber nur auf dem Papier gewachsen.254 In den hier untersuchten Städten in Ost-Guangdong finden wir ebenfalls eine Mischung aus adaptive governance und dem Ignorieren von Gesetzen. Während die meisten sishu gar keine Regularien gekannt hatten, legten die neuen Schulen allesamt schriftlich die Unterrichtszeiten fest. An der Wuben Xuetang zum Beispiel dauerte jene von morgens neun Uhr bis mittags um zwölf, und von 14 bis 18 Uhr.255 Die Jinghan Xuetang schrieb ihren Schülern vor, dass diese zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn in der Schule zu erscheinen hatten.256 Während die Einteilung des Schuljahres in zwei Semester und auch die Einführung der Sieben-Tage-Woche mit einem schulfreien Sonntag weitgehend unproblematisch verliefen und auch Anfangs- und Endtermine des Schuljahres wenigstens näherungsweise eingehalten wurden, so führte die Einteilung des Tages in Schulstunden gemäß einer mechanischen Uhr häufiger zu Konflikten, und ihre Nichteinhaltung zu Beschwerden der Schulinspektoren.257 1910 monierte zum Beispiel der Provinz-Inspektor Wang Peisheng in seinem Bericht über den Kreis Haiyang, den Schülern einer bestimmten Grundschule müsse klar gemacht werden, dass sie nicht kommen und gehen könnten, wie sie wollten.258 Auch andernorts trafen die Inspektoren immer wieder auf Schüler, die sich nicht an die Unterrichtszeiten gebunden fühlten. Das galt auch für alle fünf staatlichen Grundschulen im Kreis Hepu ganz im Westen Guangdongs in der 253 Qinding xiaoxuetang zhangcheng (Kaiserliche Regularien für die Grundschule), GX 28/7/ 12 (15.08.1902), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 279–290, hier: S. 286; Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904). 254 1906 sah sich das Bildungsministerium denn auch genötigt, alle Schulen in ganz China zu ermahnen, sie müssten sich an die festgelegten Ferienzeiten halten: Der Unterricht beginne jedes Jahr am 20. Tag des ersten Monats und ende am 25. Tag des zwölften Monats, siehe Li Guilin (Hrsg.), Putong jiaoyu (ZGJDJYSZL), Shanghai: Shanghai jiaoyu chubanshe 2007, S. 287f. 255 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 7r. 256 LDRB GX 31/2/22 (27.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; Ähnlich verhielt es sich bei den weiteren Schulen: LDRB GX 32/10/30 (15.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 2v; LDRB GX 31/10/25 (21.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 257 VanderVen, It’s Time for School, S. 79. Ganz ähnlich war dies in Nantong: Shao Qin, Culturing, S. 88–94. 258 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Haiyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909).
4.5 Disziplin und Einheitlichkeit
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Nähe des Vertragshafens Beihai. Nur wenn man die Schüler nicht nach Belieben kommen und gehen lasse, könne man auch in dieser armen Region auf Erfolge der Schulen hoffen.259 Explizit unterrichtsfrei hatten die Schüler laut dem Gesetz von 1904 nur an den wichtigsten Feiertage des chinesischen Bauernkalenders, also zum Drachenbootfest (Duanwu jie) am fünften Tag des fünften Monats nach dem Mondkalender und zum Mondfest (Zhongqiu jie) am 15. Tag des achten Monats; das Totengedenkfest (Qingming jie) Anfang April war hingegen kein schulfreier Tag. Hinzu kamen die Geburtstage der Kaiserinwitwe Cixi am zehnten Tag des zehnten Monats, des Kaisers am 28. Tag des sechsten Monats und der Geburtstag des Konfuzius am 27. Tag des achten Monats.260 Das Schulgesetz von 1904 machte die letzteren drei, und insbesondere den Geburtstag des Konfuzius, zu neuen, patriotischen und auf die Einbeziehung breiter Volksschichten angelegten Feiertagen, die die ganze Schule zu begehen hatte. Was in der Forschung lange als reaktionär betrachtet wurde, ist erst in jüngster Zeit als konsequenter Teil der Nationalisierung des Imperiums erkannt worden. Konfuzius, dem als Mensch bislang nur ein den Göttern untergeordneter Status in der vom Staat vorgeschriebenen, rituellen Verehrung zugestanden hatte, wurde zur universellen Symbolgestalt der chinesischen Nation erhoben, welcher fortan auch der Kaiser durch dreimaligen Kniefall und neunmaligen Kotau die Ehre zu erbieten hatte. Neu war, dass zeitgleich mit dem Kaiser auch das ganze Volk dies tun sollte, auf dass die Existenz der Nation nicht nur symbolisiert, sondern auch erfahrbar würde.261 Insgesamt versuchte die Regierung also, die neue Zeiteinteilung konsequent durchzusetzen. In der Praxis jedoch kam es insbesondere hinsichtlich der homogenen Uhrzeit immer wieder zu Abweichungen, die lokal stillschweigend geduldet wurden und der Zentralregierung nur selten überhaupt zur Kenntnis gelangten. So blieb den Lehrern und Schülern vor Ort ausreichend Zeit, sich an die neue Einteilung derselben langsam zu gewöhnen, während gleichzeitig die
259 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Lianzhou fu guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909); Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Lingshan xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909). 260 Wilkinson, Chinese History, S. 188. Bis auf das Qingming-Fest wurden diese Feiertage auch als schulfreie Tage in das Schulgesetz von 1904 aufgenommen, siehe Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 486. Allerdings zählte das Gesetz neben den schulfreien Feiertagen auch solche auf, zu denen Unterricht stattfand, darunter Semesterbeginn, Semesterende sowie Graduierung, siehe ebd., S. 485. 261 Kuo, Emperor, S. 124f.; Dies., Redeploying, S. 76–79, 81–84; Carroll, Between, S. 124–128; Gang Zhao, Reinventing, S. 16–18.
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Zentralregierung an ihrem Bild der nicht nur linguistisch, sondern auch temporal zusehends homogenisierten Nation festhalten konnte.
4.5.2 Klasseneinteilung Ein weiteres Novum des Schulsystems war die Einteilung der Schülerschaft in Klassen gemäß dem Leistungsniveau und dem Alter der Schüler. Dass dies wie so vieles zunächst Ideal blieb, zeigt die Klage Huang Zunxians im Jahr 1904, „dass das Alter der Schüler unregelmäßig ist und ihre Leistungen voneinander abweichen.“262 Dies galt für die öffentlichen wie die staatlichen Schulen. Obzwar letztere sich über mangelnde Schülerzahlen nicht beklagen konnten, war auch ihre Schülerschaft in qualitativer Hinsicht viel weniger homogen als vom Gesetz vorgesehen. So klagten die Verantwortlichen der Lingdong Tongwen Xuetang, als sie 1905 nach der Verstaatlichung der Schule neue Schüler suchen mussten, sie hätten „wohl oder übel [Schüler] von überall her“ rekrutieren müssen, unabhängig vom Niveau und dem Alter. Bei den Aufnahmeprüfungen habe sich dann erwiesen, dass viele nur für die Grundschule qualifiziert gewesen seien, und die Vorkenntnisse etlicher Kandidaten selbst dafür nicht ausgereicht hätten.263 Zwei Jahre zuvor war die Situation noch deutlich einfacher gewesen, als die Schule die zu schlechten Schüler gleich bei der Aufnahmeprüfung hatte abweisen können und die erfolgreichen Kandidaten dann lediglich in eine „vollgültige“ und eine „zusätzliche“ Klasse eingestuft hatte.264 Noch im Frühjahr 1905 hob die Lingdong Ribao als besonderes Merkmal der Modernität der Schule die Organisation des Unterrichts hervor. Im Gegensatz zum gewohnten Modell der sishu finde dieser hier nach Klassen getrennt statt, es herrsche diesbezüglich eine „korrekte Ordnung“.265 Ein Grund für die plötzliche Verschlechterung der Lage später im Jahr 1905 war die Übernahme zahlreicher ehemaliger Kandidaten und Absolventen aus der untersten Stufe des kaiserlichen Prüfungssystems, die in aller Regel älter waren als die gesetzlich vorgesehenen 14 bis 17 Jahre, ohne jedoch eine Vorbildung zu besitzen, die sie zum Besuch einer Mittelschule oder auch nur Höheren
262 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 547. 263 Tongwen xuetang gaiding zhangcheng, Teil 1, in: LDRB GX 30/11/28 (03.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 264 LDRB GX 29/3/9 (06.04.1903), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 265 LDRB GX 31/2/19 (24.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v.
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Grundschule befähigt hätte.266 Dennoch blieb den meisten dieser oft verzweifelten Männer nur der Besuch einer xuetang als letzter Ausweg. Voll Empathie forderte selbst die reformorientierte Lingdong Ribao im Herbst 1905 ihre Leser auf: „Bitte seht die große Hoffnungslosigkeit jener, die mit heißem Herzen an den staatlichen Prüfungen hängen!“267 Zur Lösung des Problems extrem altersgemischter Klassen, das bei ausländischen Beobachtern Staunen und Spott hervorrief, waren die Schulen anfangs auf sich allein gestellt.268 Zwar hatten sich Vordenker wie Huang Zunxian längst mit dem Problem befasst und zum Beispiel eigene Abend- und Fachschulen für „jene Herren, die jetzt schon zu alt sind“ geplant.269 Aber diese Ideen waren nicht so schnell umzusetzen wie die Abschaffung des keju, die schlagartig geschah. Deshalb strömte das Gros der ehemaligen Kandidaten doch an die neuen Schulen. Daraufhin formte zum Beispiel die Yude Xuetang im Distrikt Jiaying im Sommer 1905 der Einfachheit halber drei Klassen, die sie „Mittelschule“, „Höhere Grundschule“ und „Einfache Grundschule“ nannte – eine pragmatische Lösung, die zweifelsohne im Schulgesetz so nicht vorgesehen, aber zumindest bemüht war, das gesetzliche Ideal mit der Realität einer vollkommen inhomogenen Schülerschaft in Einklang zu bringen.270 Einige Monate später jedoch griff die Schulbehörde der Provinz ein und wählte für die Mittelschulen der Region eine andere Lösung. Ab dem Frühjahr 1906 setzte sie verschiedene neue Direktoren ein, die im Sinne des neuen Schulsystems für eine höhere Alters- und Leistungshomogenität der Schülerschaft sorgen sollten. So wurde der staatlichen Jinshan Zhongxue in Chaozhou ein neuer Direktor zugewiesen, der sogleich anordnete, die Schüler auf Grundlage einer neuerlichen Prüfung in drei Gruppen einzuteilen. Daraufhin wurden diejenigen, 266 Stapleton, Civilizing, S. 65. Nicht umsonst hatten Zhang Zhidong und andere sehr detaillierte Planungen für ein allmähliches Ausschleichen des keju-Systems bei gleichzeitiger Ausweitung des Schulsystems entwickelt, die mit dem plötzlichen Ausstieg im September 1905 jedoch Makulatur waren, siehe Cong, Teacher, S. 42f. 267 LDRB GX 31/9/2 (30.09.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. Der psychische Flurschaden, den das Ende des Prüfungssystems vor allem im ländlichen China anrichtete, ist nicht zu unterschätzen (Luo Zhitian, Kejuzhi, S. 194). Chinesische Illustrierte druckten im Herbst 1905 Lithographien weinender Prüfungs-Kandidaten sowie Gelehrter, die die nun nutzlosen Ehrentafeln mit ihren Titeln darauf ins Feuer warfen, siehe Jiang Zhihua (Hrsg.), Jiu Yue bai tai. Guangdong shengli Zhongshan tushuguan zang wan Qing huabao xuanji, Beijing: Zhongguo renmin daxue chubanshe 2008, S. 139. 268 Martin Maier, Die Aufgaben eines Missionars in China. Referat, gehalten auf der IX. christlichen Studentenkonferenz in Aarau (Schweiz), 16.–18. März 1905, in: Evangelisches MissionsMagazin 49 (1905) 7, S. 281–306, hier S. 285; Averill, Cultural, S. 9. 269 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 550. 270 LDRB GX 31/7/19 (19.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3.
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die im vorgegebenen Alter waren und gute Leistungen zeigten, zu vollwertigen Schülern (benkesheng) ernannt. Diejenigen, die zwar im richtigen Alter, aber weniger gut waren, wurden als „Schüler in Vorbereitung“ (yubeikesheng) geführt. Übrig blieben schließlich jene, die zu alt waren und mit den neuen Fächern häufig wenig anfangen konnten. Ein Teil von ihnen sollte, ähnlich wie Huang Zunxian angeregt hatte, in einem eigens eingerichteten Schnellkurs zu Lehrern ausgebildet werden, alle anderen wurden entlassen, wobei die besseren zuvor noch eine Auszeichnung erhielten.271 Wenige Monate zuvor noch hatte die Schulleitung geplant, für jene ältere Schüler, die trotz allem ohne Aussicht auf einen Abschluss ihre Studien fortsetzen wollten, einen eigenen Klassenraum einzurichten.272 Dieser mildtätige Plan wurde aber aufgrund der staatlichen Anweisung fallengelassen. Zur gleichen Zeit schlug der Leiter der staatlichen Höheren Grundschule in Dapu vor, eine eigene Klasse für jene Schüler einzurichten, die für die Grundschule zu alt und zugleich für die Mittelschule zu schlecht seien. Diese explizit aus dem Schulgesetz von 1904 fortentwickelte Idee sollte den Namen „ausgewählte Klasse der staatlichen Höheren Grundschule“ (gaodeng guan xiaoxue xuanban) erhalten.273 Im Herbst 1906 erhielt die Jinghan Xuetang in Shantou ebenfalls einen neuen Direktor. Dieser befahl der Schule eine ähnliche Aufteilung wie an der Jinshan Zhongxue. Diesmal waren die Auswirkungen freilich gravierender, denn der Direktor ließ die Leiter der Schule die zehn besten der jüngeren Schüler an die Jinshan Zhongxue schicken. Die weniger guten, 21 an der Zahl, durften auf eine andere Höhere Grundschule wechseln. Alternativ konnten sie auf eigenen Wunsch auch an der Jinghan Xuetang bleiben, um sich zu Lehrern ausbilden zu lassen. Der dritten Gruppe, den zwölf ältesten und schlechtesten Schülern, blieb nur die Wahl, ebenfalls Lehrer zu werden oder die Schule ganz zu verlassen.274 Einer ähnlichen Weisung eines Schulinspektors hatte sich unter anderem auch die Lingdong Tongwen Xuetang gefügt.275 Hier nahm die Provinzregierung also direkten Einfluss auf die Details der lokalen Ausgestaltung des Schulwesens. Was zunächst zynisch klingt – die hoffnungslosen Fälle werden Lehrer – entsprach jedoch vollkommen der gängigen Praxis. Gescheiterte Prüflinge hat-
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LDRB GX 32/4/12 (03.06.1906), Chao Jia xinwen, S. 3. LDRB GX 31/12/17 (11.01.1906), Chao Jia xinwen, S. 3. LDRB GX 32/10/26 (11.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. Ebd. LDRB GX 31/12/18 (12.01.1906), Chao Jia xinwen. S. 3.
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ten schließlich schon seit Jahrhunderten ihre Existenz als meist schlecht bezahlte Pädagogen bestritten.276 Freilich hemmte neben Niveau und Alter noch ein dritter Faktor die angestrebte Homogenisierung der Klassenverbände: die Sprache. Wie wir oben gesehen haben, bestand ein langfristiges Ziel der Schulreformen in der Etablierung einer standardisierten Aussprache. Die zu reformierende Realität war aber vorerst naturgemäß eine andere. Das bekam besonders die Lingdong Tongwen Xuetang zu spüren, die sowohl die Kinder von aus dem Landesinnern zugewanderten Hakka-Kaufleuten als auch lokale Sprecher des Chaozhou-Dialekts unterrichtete. Die Schüler waren im Jahr 1900 zunächst lediglich gemäß ihrem Leistungsniveau in zwei Gruppen, die „normalen“ (pubian) Schüler und die „spezialisierten Schüler auf höherem Niveau“ (zhuanmen gaodengzhe), aufgeteilt worden. 1903 unterschied man anhand des durch eine Prüfung ermittelten Niveaus dann drei Klassen.277 Wegen der gegenseitigen Unverständlichkeit der Dialekte aber unterrichtete die Schule die jeweiligen Gruppen getrennt voneinander, was zu den oben erwähnten Auseinandersetzungen führte. Im Bemühen um Homogenisierung wurden die Schüler ab 1905 zumindest in Sport, Mathematik und Japanisch wieder gemeinsam unterrichtet. Die zusätzliche Unterweisung in der Hochsprache sollte es in absehbarer Zeit ermöglichen, die Trennung der Dialektgruppen auch in den übrigen Fächern aufzuheben.278 Das Sprachproblem zwischen Kejiahua und Chaoshanhua und mithin das Problem der Klasseneinteilung war jedoch nicht auf Shantou und die Lingdong Tongwen Xuetang begrenzt. An der Jinshan-Mittelschule in Chaozhou quittierten Ende 1903 immer mehr Schüler, die aus dem von Hakka dominierten Kreis Dapu stammten, den Unterricht, weil sie die Chaoshanhua der Lehrer nicht verstanden.279 Obwohl zwischenzeitlich offiziell die Hochsprache als Mittel der Vereinheitlichung eingeführt worden war, wandten sich sieben Jahre später einige aus Dapu stammende Schüler sogar an das Schulamt in Guangzhou und beschwerten sich, der Dialekt der lokalen Lehrer behindere den Unterricht. Das Schulamt
276 Zum Beispiel in dem satirischen Roman Rulin waishi (Die inoffizielle Geschichte des Gelehrtenwalds) von Wu Jingzi (1701–1754), der 1749 erschien (Wu Jingzi, Der Weg zu den weißen Wolken. Geschichten aus dem Gelehrtenwald. Aus dem Chinesischen übertragen von Yang Enlin, Leipzig: Kiepenheuer 1989) oder in Lu Xuns Erzählung über den gescheiterten Prüfling „Kong Yiji“ (Lu Xun, Applaus. Erzählungen, hg. v. Wolfgang Kubin, Zürich: Unionsverlag 1994, S. 33–41). 277 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), Art. 4, S. 78; LDRB GX 29/5/1 (25.06.1903), Chao Jia xinwen, S. 3. 278 LDRB GX30/11/29 (04.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 2v f.; LDRB GX 29/11/14 (01.01.1904), Chao Jia xinwen, S. 2v. 279 LDRB GX 29/11/14 (01.01.1904), Chao Jia xinwen, S. 2v f.
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indes stellte, ganz im Sinne lokaler adaptive governance, dem Direktor die Entscheidung über die Unterrichtssprache frei.280
4.5.3 Staatlich überwachte Prüfungen Der durch die Abschaffung des Prüfungssystems 1905 hervorgerufene Bruch war deutlich, aber er war nicht vollständig.281 So wurden die Prüfungen am Ende eines Schuljahres sowie die Abschlussprüfung der Absolventen wie zu Zeiten des Prüfungssystems von Vertretern des Staates überwacht. Dies war von zentraler Bedeutung für die performative Erzeugung des state effect.282 Denn während dieses Vorgehen die Kontinuität der Staatsfixiertheit bezeugte, erhöhte es gleichzeitig die Frequenz der Prüfungen und damit der ritualisierten Begegnungen zwischen Staat und Bevölkerung erheblich. Auch die viel selteneren Beamtenprüfungen mit ihrer insgesamt viel geringeren Zahl von Teilnehmern waren bereits aufwendige Großveranstaltungen gewesen, die sogar den Umsatz des lokalen Handels und Dienstleistungsgewerbes beflügelt hatten. Genau dies taten nun die Aufnahmeprüfungen der Mittelschulen, die für Missionar Lindenmeyer „tatsächlich an die Stelle der alten öffentlichen Prüfungen getreten“ waren.283 Die Prüfungen an den Schulen waren zwar kleiner, aber sie gaben nun viel häufiger Gelegenheit zur öffentlichen oder teilweise öffentlichen Darstellung von Staat und Gesellschaft und ihrer Beziehung zu einander. Wo vor 1905 der Staat lediglich alle zwei bis drei Jahre in Erscheinung getreten war, tat er dies nun mindestens jährlich, teils auch halbjährlich zu Semesterabschlussprüfungen.284 In jedem Fall mussten die lokalen Schulinspektoren gemeinsam mit dem Magistrat alle Prüfungen zum Schuljahresende an den Grundschulen überwachen. Der Magistrat oder der Präfekt waren es auch, die in einer gesonderten
280 Bildungskommissariat von Guangdong. Ben si pi Dapu xian Chaozhou Jinshan zhongxuesheng Zhong Zhenchao deng cheng zashou tuyin zu’ai jiaoyu you, in: GDJYGB 2 (1911) 18, wendu, S. 6. 281 So argumentiert hingegen Elman, Cultural, S. 617. 282 Zur performativen Dimension der Beamtenprüfungen, siehe, allerdings mit sehr kritischen Untertönen, Rui Magone, Who Wants to be a Bureaucrat? The Performative Dimensions of Civil Examinations in Late Imperial China, in: Asiatische Studien. Zeitschrift der Schweizerischen Asiengesellschaft 58 (2004) 3, S. 581–595. 283 BMA A–1.41/89: Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu 16.02.1907; LDRB GX 32/3/19 (12.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v; Elman, Cultural, S. 180. 284 Hucker, Dictionary, S. 94.
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Prüfung ermittelten, welche der Grundschulabsolventen auf eine Mittelschule wechseln durften.285 An den Mittelschulen wiederum mussten alle Schüler nach fünf Jahren eine elaborierte Abschlussprüfung (biye kaoshi) ablegen, der der Daotai und der Präfekt gemeinsam mit dem Direktor, dem Schulleiter sowie den Lehrern beiwohnten. Nur diejenigen, deren Ergebnis mindestens im mittleren Bereich lag, konnten anschließend vom Daotai oder Präfekten für den Besuch einer höheren Schule vorgeschlagen werden, mussten sich aber dann noch einer „Aufstiegsprüfung“ (shengxue kaoshi) durch einen Abgesandten des Schulamtes aus der Provinzhauptstadt unterziehen.286 In gewisser Weise setzte das Schulsystem also die Beamtenprüfungen fort. Bald aber zeigte sich, dass die Analogie zwischen den Prüfungen zum xiucai und den Abschlussprüfungen der Mittelschulen im Rahmen eines universellen Schulwesens nicht aufrechtzuerhalten war. Dass in Guangdong die Zahl der öffentlichen Schulen so rasant anstieg wie in kaum einer anderen Provinz, hatte auch damit zu tun, dass die Gentry hier sehr schnell begriffen hatte, dass sie ihren Söhnen durch die Gründung neuer Schulen viel leichter als ehedem zu den zumindest nominell identischen Titeln des alten Prüfungssystems verhelfen konnte.287 Die daraus resultierenden, ständigen und dem Schulgesetz entsprechenden Gesuche von immer mehr Schulen an das Schulamt in Guangzhou, einen Vertreter zur Überwachung einer anstehenden Prüfung zu entsenden, überforderten die Provinzverwaltung.288 1910 wurde daher in einem ersten Schritt verfügt, dass fortan kein Abgesandter des Schulamtes der Provinz mehr anwesend sein musste. Schuljahres- und Abschlussprüfungen an Grund- und Mittelschulen sollten nur noch gemeinsam von dem lokalen Beamten, dem Leiter des quanxuesuo und den Angestellten der jeweiligen Schule durchgeführt werden, die am Jahresende einen gemeinsamen Bericht darüber zu schreiben hatten.289
285 So zum Beispiel 1906 im Kreis Chaoyang, siehe LDRB GX 32/4/15 (06.06.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 286 Zouding ge xuetang kaoshi zhangcheng (Kaiserlich bestätigte Prüfungsregularien für alle modernen Schulen), GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 515– 521, hier: 519f. 287 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 75. 288 Ein Beispiel für die langen Listen solcher Gesuche findet sich als Bildungskommissariat von Guangdong: Ben si pi yilanbiao, in: GDJYGB 1 (1910) 4, wendu, S. 99–112. 289 Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Wang xiang bao gaiding sheng shixueyuan zhangcheng wen (18.03.1908).
260 4 Der Staat im Schulalltag
1911 dann erhielten die Vorsitzenden der quanxuesuo vom Bildungsministerium zusätzlich das Recht, die Urkunden für die Absolventen der Unteren Grundschulen selbst auszustellen. Für die anderen Schulen bis hoch zur Mittelschule sollte dies künftig der Bildungskommissar der Provinz machen; erst ab der Hochschule stellte weiterhin das Ministerium die Urkunden aus. Begründet wurde diese Delegation von Befugnissen mit der schweren Erreichbarkeit kleinerer Schulen und der steigenden Zahl der Grundschulen.290 Bedenkt man, dass bis dahin alle Urkunden aus Beijing gekommen waren und entsprechendes Prestige besessen hatten, dann war dies ein revolutionärer Schritt. Die erwähnten „Aufstiegsprüfungen“ der Mittelschulabsolventen wurden freilich weiterhin durch einen Vertreter des Schulamtes der Provinz abgenommen. Die Lingdong Tongwen Xuetang warb Anfang 1905 ganz offensiv damit, dass jeder ihrer Absolventen durch einen solchen Beamten geprüft würde und bei Bestehen nicht nur einen Titel verliehen bekomme, sondern zudem mit einem Preis ausgezeichnet werde.291 In direkter Fortführung des keju waren als Titel je nach Leistung der Graduierte ersten (bagongsheng), zweiten (yougongsheng) oder dritten Ranges (suigongsheng) zu erreichen. Wer knapp durchfiel, konnte immerhin als „herausragender Stipendiat“ (youlinsheng) an die Mittelschule zurückkehren und die Prüfung im kommenden Jahr wiederholen.292 Die verschiedenen gongsheng-Titel waren zugleich Voraussetzung für die Erlangung eines juren- oder gar jinshi-Titels, den Absolventen der Höheren Schulen und der fazheng xuetang beziehungsweise der Hochschulen erlangen konnten. Erst diese höheren Titel befähigten dann tatsächlich zu einem Beamtenposten. Für Grundschulabsolventen gab es hingegen gar keine Titel.293 Die entscheidende – und fatale – Neuerung gegenüber dem keju-System bestand indes darin, dass die Quoten, nach denen die höheren Titel vordem vergeben worden waren, abgeschafft wurden. Die Regularien zur Vergabe von Titeln an Schul-Absolventen hielten explizit fest – und erklärten dieses Novum ausführlich – dass sich die Anzahl der zu vergebenden Titel fortan nur noch 290 Bildungsministerium, Xuebu xing ge sheng chudeng xiaoxuetang biye wenping zhun you quanxuesuo kanyin fagei wen (1910); zur Reichweite des den Behörden vorbehaltenen Botenwesens und der kaiserlichen (allgemein zugänglichen) Post, siehe oben Kapitel 3.1. 291 LDRB GX30/11/29 (04.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 2v f. 292 LDRB GX 32/11/16 (31.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 293 Zu den Titeln für Mittelschul-Absolventen und dem Ablauf der „Aufstiegsprüfung“ siehe Zouding ge xuetang jiangli zhangcheng (Kaiserlich bestätigte Regeln für die Vergabe von Titeln an modernen Schulen), GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 521– 530, hier: S. 524f.; zu allen Titeln je nach Schulform sowie den daraus jeweils resultierenden Beschäftigungsmöglichkeiten im Staatsdienst siehe die Übersicht bei Jiang, Yi ge jieceng, S. 145; Zhang Jing, Wan Qing xuanguan zhidu biange yanjiu, Beijing: Zhongguo jiancha chubanshe 2010, S. 230f.
4.5 Disziplin und Einheitlichkeit
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nach den absoluten, nicht nach den relativen Leistungen der Schüler richten sollte.294 In der Folge sanken die tatsächlichen Aussichten auf einen Beamtenposten noch unter das Niveau von 1905.295 Damit erodierte, bei aller äußerlichen Kontinuität, der Rückhalt des Staates bei den Gebildeten weiter.296 Das Bildungsministerium versuchte dem entgegenzuwirken, indem es schon ab 1906, ein Jahr nach Abschaffung des Prüfungssystems – die Intention der ganzen Schulreform konterkarrierend, die ja auch auf die Aufwertung alternativer Karrierewege jenseits des Staates abzielte – wieder verschiedene zentrale, einheitliche Prüfungen für die Absolventen der höheren Schulen einführte. So sollten die Gleichwertigkeit der entscheidenden Titelvergabe im Bereich der höheren Schulen gewährleistet und zugleich ihre Inflation gestoppt werden. Zusätzlich veranstalteten verschiedene Ministerien ihre je eigenen Prüfungen zur Besetzung von Stellen.297 Hatte das neue Schulsystem mit seiner Beibehaltung der zentralisierten Prüfungsüberwachung also zunächst dafür gesorgt, dass die jungen Schüler und (wenige) Schülerinnen viel häufiger als zu Zeiten des keju eines Vertreters des Staates aus Guangzhou oder gar aus Beijing angesichtig wurden, so führten die quantitative Erweiterung des Systems, aber auch der Beginn der lokalen Selbstverwaltung ab 1909 umgekehrt zu einer gewissen Dezentralisierung des Prüfungswesens. Ob damit die unteren Schulabschlüsse entwertet wurden, ist unklar; in jedem Fall stieg hierdurch das Prestige der höheren Prüfungen, die weiterhin durch die Provinzbehörden oder gar das Bildungsministerium abgenommen wurden. Die Provinz- und Zentralregierung entzogen sich den unteren Ebenen des Schulwesens. Die direkten Begegnungen, zum Beispiel anlässlich der Überwachung einer Prüfung, wurden wieder ähnlich selten, wie sie es vor 1905 gewesen waren. So wuchs die gefühlte Distanz des Staates, und mit ihr das Verlangen nach jenen höheren Weihen, die nach wie vor nur dieser spenden konnte.
294 „Bei allen oben genannten Prüfungen [zur Vergabe von Titeln] an den Schulen zählt die Punktzahl, es gibt keine Quote. Wenn in der ganzen Klasse niemand mehr als 80 Punkte [von 100] erreicht, dann gibt es keine ‚Besten‘; wenn kein Schüler weniger als 20 Punkte erzielt, dann gibt es keinen ‚Schlechtesten‘. Dies gilt analog [für alle fünf Grade].“ Siehe Zouding ge xuetang jiangli zhangcheng (13.01.1904), S. 529. Bis dahin hatte die Quote der Erfolgreichen lediglich bei etwa 1,5 Prozent gelegen, siehe Elman, Cultural, S. 143. 295 Strauss, Creating, S. 846f. 296 Dies galt, obzwar letztere nun leichter in den Genuss jener Steuerprivilegien kamen, die weiterhin mit dem Titelerwerb verbunden blieben, siehe Ichiko, Political, S. 381. 297 Zhang Jing, Wan Qing xuanguan, S. 231; Strauss, Creating, S. 844f.; Elman, Cultural, S. 614. Zwei Beispiele solcher Prüfungen zur Besetzung von Stellen analysiert Gabbiani, Redemption.
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4.5.4 Verhaltensregeln Dass es Schülern wie Lehrern allerorten an dem nun geforderten, „militärischbürgerlichen“ Geist mangele, den der Hof 1906 ganz explizit zu einem Grundprinzip des Schulsystems erklärt hatte, beklagten zahllose Stimmen.298 Um ihm im Alltag dennoch zur Durchsetzung zu verhelfen, führten die Qing speziell an Mittelschulen – zumindest an den Internaten – das Amt des Schulaufsehers (jianxue) ein. Jede Schule sollte zwei von ihnen beschäftigen.299 Diese Schulaufseher sollten den neuen Anforderungen an die Disziplin des Einzelnen zur Durchsetzung verhelfen. Sie wohnten zusammen mit den Schülern in der Schule und überwachten diese auch in ihrer Freizeit. Wie der Schulalltag im Idealfall aussehen sollte, stand in den „Generellen Regeln der Schulverwaltung“, die 1904 erlassen und Ende 1909 durch das Bildungsministerium deutlich verschärft wurden. Neben dem Verhalten von Lehrern, Schulverwaltern und Schülern wurden hier auch die korrekte Nutzung von Räumen und die Schularchitektur geregelt.300 Neben den Schülern sollten also auch die Lehrer der neuen Disziplin unterworfen werden. Auch von letzteren, das wusste die Zentralregierung sehr wohl, war nicht zu erwarten, dass sie sich umstandslos in das neue System fester Lehr- und Stundenpläne einfügen würden. Die „Generellen Regeln“ ermahnten die Pädagogen daher von vornherein, nicht eigenmächtig Lehrinhalte auszuwählen. Auch sollten sie – wie die Schüler – zu den vorgegebenen Zeiten zum Unterricht erscheinen und die Ferienzeiten einhalten. Den Schülern wurde zudem das Tragen einer Schuluniform vorgeschrieben.301 Solche Regeln allein sagen ex negativo schon etwas aus über die Realität. Die sittlichen Qualitäten der Schüler waren offenbar nicht immer unproblematisch. Ähnliche Bestimmungen hatten sich schon in der Schulordnung der Lingdong Tongwen Xuetang von 1899 gefunden. Deren Artikel 8 hatte bestimmt, dass „überhebliche und unernste“ Kandidaten mit einem „niederen Charakter“ nicht als Schüler aufgenommen würden. Wer von den Erfolgreichen wiederum trinke, 298 LDRB GX 31/9/16 (14.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v; LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v. Vgl. Zarrow, Educating, S. 20. 299 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 337. Die jianxue (Punkt 7) sind nicht zu verwechseln mit dem an der Spitze der Schule stehenden Direktor (jiandu, ebd., S. 336, Punkt 1). Dass die Schulaufseher auch tatsächlich selbst unterrichteten, ist zumindest im Fall der staatlichen Jiaying Zhongxuetang belegt, siehe LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 4v. 300 Bildungsministerium: Xuebu zou zengding ge xuetang guanli tongze zhe bing dan (07.02.1910). 301 Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 482.
4.5 Disziplin und Einheitlichkeit
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rauche oder sich sonst wie nicht an die Schulordnung halte, werde sofort der Schule verwiesen.302 1905 veröffentlichte die Jinghan Xuetang ihre am Vorbild der kaiserlichen „Generellen Regeln“ orientierten Verhaltensvorschriften. Hier lag der Schwerpunkt auf Pünktlichkeit: Wer nicht zum Unterricht erschien, ohne sich zuvor beim Stellvertretenden Schulleiter begründet entschuldigt zu haben, erhielt einen Eintrag.303 Ähnlich verfuhren die Hanshan-Lehrerschule und die Jinshan Zhongxue in Chaozhou.304 Auffallend ist jedoch, dass in allen mir vorliegenden Berichten der Schulinspektoren aus Guangdong undiszipliniertes Verhalten von Schülern während des Unterrichts gar keine Rolle spielt. Einzig dass sich manche Schüler nicht an die festgesetzten Unterrichtszeiten hielten, wurde, wie wir oben gesehen haben, kritisiert. Ein Grund für die sonst fehlende Kritik war sicherlich, dass schon die Anwesenheit eines Schulinspektors selbst für eine gewisse Disziplin, zumindest für die Dauer seines Besuchs, sorgte.305 Andere Missstände – bauliche, finanzielle, personelle – waren indes weniger leicht zu kaschieren. Statt der Schüler wurden in den Inspektionsberichten denn auch meist die Lehrer, vor allem aber die Schulleiter für ihre Nachlässigkeit oder Eigenmächtigkeit scharf gerügt. Insgesamt lag der Fokus der Inspektionen auf den Grundschulen, was sowohl an deren viel größerer Zahl als auch daran gelegen haben wird, dass sie in den Augen des Schulamtes eher als die elitären Mittelschulen der Inspektion und Verbesserung bedurften.306 Hauptkritikpunkte waren mangelnde Sauberkeit, falsche Klasseneinteilung und schlampige Verwaltung. Manche Schule wurde dagegen als vorbildlich herausgehoben, und wo die Leistungen nicht zufriedenstellend ausfielen, versuchten die Inspektoren doch oft, Schüler, Lehrer und Direktoren zu ermutigen, indem sie zumindest deren Bemühungen um Ordnung und Sauberkeit würdigten.307 302 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), Art. 8, S. 78. 303 LDRB GX 31/2/22 (27.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 304 LDRB GX 32/10/30 (15.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 2v; LDRB GX 31/10/25 (21.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 305 BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S. 4. 306 Die einzige Mittelschule in Ost-Guangdong, zu der ich einen Inspektionsbericht finden konnte, war die staatliche Mittelschule des Kreises Haiyang (Haiyang xian zhongxuetang). Kritisiert wurde nur, dass die Schule zwar genug Geld, aber zu wenig Platz habe. Siehe Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Haiyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909). 307 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Chaoyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909); Ben si ju Hui Chao Jia sheng shixueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Jieyang xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909); Ben si ju Hui Chao Jia sheng shi-
264 4 Der Staat im Schulalltag
So zeigte sich erneut, dass man die Ideale, die den Verhaltensnormen zugrunde lagen, nicht mit deren Umsetzung verwechseln darf. Aller strengen Rhetorik zum Trotz ließen die Akteure vor Ort oft Milde walten. Dass das auch nötig war, zeigen die Schülerproteste.
4.5.5 Schülerproteste Obwohl die Disziplin der Schüler in den Inspektionsberichten kein Thema war: Jenseits dieser Berichte und jenseits der schönen Schulfotografien (siehe gleich) bot sich ein schwieriges Bild – sowohl an den Schulen des staatlichen Systems als auch an den Missionsschulen. Die auch für die Schüler spürbare Auflösung der alten Ordnung, die Delegitimierung alter Autoritäten griff auf den Unterricht über, und Proteste und Demonstrationen von Schülern und Studenten häuften sich.308 Guo Moruo hat in seinen Jugenderinnerungen eindrücklich von der revolutionären Stimmung der Schüler und ihrer Missachtung einzelner Lehrer und anderer Autoritäten berichtet.309 Auch Missionar Friedrich Lindenmeyer schickte die Anekdote eines Schulinspektors nach Basel, der von Schülern vor die Tür gesetzt worden war, ebenso wie einen Bericht über eine politische Versammlung von Schülern und Lehrern in Jiaying, die im Tumult endete.310 Dass sich Chinas Studenten und Schüler – insbesondere jene der Mittelschulen – seit Beginn des 20. Jahrhunderts durch Demonstrationen, Streiks und Boykotte gesellschaftlichen und politischen Einfluss zu erkämpfen suchten und damit für Entsetzen bei jenen Beamten sorgten, die das neue Schulsystem entwickelt hatten, ist oft beschrieben worden. Als Antriebskräfte hierfür wurden überwiegend nationalistische Kritik an Chinas Schwäche gegenüber dem Ausland sowie an dem konservativen, mandschurisch dominierten Staat ausgemacht, gepaart mit einem tief im Prüfungssystem verankerten Elitebewusstsein der Protestierenden.311 Grundlegende Voraussetzung war auch, dass die neuen xueyuan Wang ling Peisheng bingjiao Puning xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909); Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Qinzhou guan min ge xuetang baogao zha zhou zunban wen (1909); Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Fangcheng xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen (1909). 308 Sang Bing, Wan Qing xuetang , S. 313–328; Jeffrey N. Wasserstrom, Student Protests in Twentieth Century China. The View from Shanghai, Stanford, CA: Stanford University Press 1991, S. 37–44. 309 Guo, Jugend, S. 31–35 und passim. 310 BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S. 3f. und 18–22. 311 Zhang Licheng, Qing mo xin shi xuetang, S. 894; Sang Bing, Wan Qing xuetang, S. 114; Culp, Articulating, S. 29.
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und größeren Schulen erstmals überhaupt viele junge Männer aus entfernten Gegenden zusammenbrachten, was die Interaktion und Politisierung der Schüler erst ermöglichte.312 Auch in Shantou, Chaozhou und Jiaying organisierten Schüler Proteste zum Beispiel gegen den französischen Einfall in Guizhou 1903, oder sie priesen in Reden die vorbildliche Einigkeit des japanischen Volkes im Krieg gegen Russland.313 In Jiaying gehörten die Schüler der Wuben Xuetang 1905 zu den treibenden Kräften der Proteste gegen den Chinese Exclusion Act der USA.314 Auch in Chaozhou und Shantou fanden Protest-Versammlungen gegen jenes Gesetz reihum an verschiedenen Schulen statt, an denen auch Missionsschüler teilnahmen und sogar Missionare der American Baptist Missionary Union unterstützende Reden hielten.315 In Shantou organisierten Schüler der Lingdong Tongwen Xuetang gemeinsam mit der Handelskammer einen Boykott amerikanischer Waren, gehörten zu den Mitbegründern eines entsprechenden Komitees und verfassten einen offenen Brief an die Gilden und die Gentry in Ost-Guangdong.316 Doch die Schüler in Ost-Guangdong protestierten nicht nur gegen Imperialismus und die Ungleichbehandlung Chinas im internationalen System. Dies waren nur die gut organisierten Massen-Proteste, die die größte Aufmerksamkeit erregten. Häufiger aber ging es ihnen um rein lokale Probleme des Schulalltags.317 Abseits aller abstrakteren politischen Ideale betraf dies zum Beispiel die offensichtlich mangelnde Fähigkeit vieler Lehrer, Fächer zu unterrichten, die ihnen selbst vollkommen neu waren. Andererseits stellten sich die jungen Männer, während sie sich außenpolitisch einen starken Qing-Staat wünschten, in lokalen Angelegenheiten dem tatsächlich entstehenden starken Staat entgegen. Streiks und Unruhen entstanden auch immer dann, wenn Schüler sich gegen Entscheidungen von Autoritäten zur Wehr setzten, oft begleitet von Protestschreiben an den Magistrat oder Präfekt. Das betraf Schulleiter, die neue Gebühren einführten, wie zum Beispiel 1905 an Shantous Jinghan Xuetang.318 Oder 312 Averill, Cultural, S. 10f. 313 LDRB GX 29/5/4 (28.06.1903), Chao Jia xinwen, S. 2v; LDRB GX 31/5/11 (13.06.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 314 LDRB GX 31/10/11 (07.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 4r. 315 LDRB GX 31/5/25 (27.06.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r; LDRB GX 31/7/9 (09.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. Ein ausführlicher Bericht zur Protestversammlung mehrerer xuetang findet sich in: LDRB GX 31/5/26 (28.06.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. Ähnliches geschah zur gleichen Zeit am methodistischen Anglo-Chinese College in Fuzhou in der Provinz Fujian, siehe Dunch, Mission Schools, S. 119. 316 LDRB GX 31/5/17 (19.06.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r sowie GX 31/5/26 (28.06.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r; Cai Rongwu, Jinian, S. 7. 317 Averill, Cultural, S. 11f. 318 LDRB GX 31/11/21 (17.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3.
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es betraf einzelne Lehrer, deren strenge Unterrichtsmethoden den Schülern mißfielen, wie an der Jinshan Zhongxue in Chaozhou.319 Häufig erreichten die Schüler ihr Ziel: An der Jinghan Xuetang trat 1905 einer der Assistenten des Schuldirektors zurück, und im Jahr darauf folgte ihm der Geschichtslehrer, mit dem die Schüler in ständigem Streit gelegen hatte.320 Zudem konnte sich der Protest auch gegen die Vertreter der neuen Schulbürokratie und ihre Eingriffe wenden. So kam es im Frühjahr 1904 zu einem Ausstand der Schüler der Wuben Xuetang, nachdem ein aus Guangzhou entsandter Schulinspektor verschiedene Ungesetzlichkeiten an der Schule festgestellt hatte und deren Beseitigung forderte. Auch dass der Präfekt den Klan der Ng darin unterstützte, die Schule aus der Ahnenhalle dieses Klans zu vertreiben, führte zu Unruhen an der Wuben Xuetang, die erst endeten, als diese ein neues Domizil im Konfuziustempel der Stadt gefunden hatte.321 Der Distrikt-Magistrat von Jiaying war 1905 sogar von zwei jungen und prominenten Protagonisten des revolutionären Tongmenghui wegen einer vermeintlichen Unterschlagung verprügelt worden.322 Vor diesem Hintergrund hielt es sein Amtsnachfolger Chen bei Eröffnung der staatlichen Mittelschule im April 1906 für angebracht, den Schülern vorsorglich ins Gewissen zu reden: Ihr sollt wissen, dass dies eine staatliche Schule ist, und ein Vorbild für alle öffentlichen und privaten Schulen in unserem Distrikt. Die Beamten sollen dafür sorgen, dass sich die Schüler an die Vorschriften halten und auf die Anweisungen der Verwalter und Lehrer hören. Die Schüler sollen sich auf das Lernen konzentrieren und sich nicht in Sachen einmischen, die sie nichts angehen. Ihr sollt Euch nicht in die Politik des Staats einmischen, Euch nicht anmaßen, Bittschriften einzureichen, und es ist Euch nicht erlaubt, Euch zu versammeln, um ungehörige Forderungen zu stellen.323
Eigentlich war den Schülern schon von Gesetzes wegen jede „Einmischung in die politischen Angelegenheiten des Staates“ ausdrücklich verboten; auch als Zeitungsredakteure oder als Reporter durften sie nicht tätig sein.324 In Chaozhou 319 LDRB GX 31/7/21 (21.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3. 320 LDRB GX 31/11/29 (25.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3; LDRB GX 31/12/23 (17.01.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 321 LDRB GX 30/4/2 (16.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r; LDRB GX 30/4/3 (17.05.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r f.; BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [8–11]. 322 Tongmenghui zai Chao Jia diqu huodong de yi xie huiyi (Einige Erinnerungen an die Aktivitäten des Revolutionären Schwurbundes in der Region um Chaozhou und Jiaying), in: Guangzhou wenshi ziliao, http://news.dayoo.com/history/201007/28/88672_13424764.htm [25.03.2015]. 323 LDRB GX 32/4/2 (25.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r; Hervorhebung von mir, H. F. 324 Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 88.
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verbat der Präfekt den Schülern der staatlichen Jinshan Zhongxue gar, überhaupt mit Journalisten zu reden, nachdem erstere immer wieder Einzelheiten über interne Querelen in die Redaktion der Lingdong Ribao getragen hatten.325 Schülerproteste wurden durch die Neuorganisation des Schulwesens nach 1900 überhaupt erst ermöglicht. Und es waren zugleich oft die Defizite dieses neuen Systems, die Proteste auslösten – und nicht etwa immer nur jene größeren, außenpolitischen Forderungen, die heute mit den damaligen Protesten assoziiert werden. Das Vordringen des Staates ermöglichte und provozierte zugleich Proteste, die die neue Intensität der staatlichen Präsenz auf der lokalen Ebene ins Bewusstsein der Menschen riefen.
4.5.6 Schulfotografie Der Übergang von der heterogenen, vergleichsweise winzigen Schülerschaft der sishu zur hunderte Schüler zählenden xuetang mit festem Klassenverband, der langfristig in die uns heute selbstverständliche, altershomogene Klasse münden sollte, gestaltete sich wie gesehen schwierig. Für die chinesischen Schulen wurde – anders als für die Missionsschulen, obschon dort ähnliche Verhältnisse herrschten – die Mischung von Alt und Jung in einer Klasse, die ganz dem vorherigen, „bunten, originellen Bild“ bei den Provinzprüfungen entsprach, zum festen Topos der Literatur.326 Gleichzeitig aber wurde die Fotografie der diszipliniert aufgereihten Klasse nebst Lehrer zur oft reproduzierten, modernen Ikone sowohl chinesischer als auch missionarischer Schulen.327 Doch diese Bilder täuschen, ja, sie sollten täuschen.328 Bilder von Erziehung, gerade wenn sie in wer-
325 LDRB GX 31/11/11 (07.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r f. 326 Maier, Aufgaben, S. 285. Das Theologische Seminar der ABMU in Shantou hatte 1904 70 Schüler, die zwischen 20 und 60 Jahren alt waren, siehe American Baptist Historical Society (ABHS) Archives, Baptist International Ministries (BIM): Partridge, annual report of the Theological School for 1904, Shantou Januar 1905, official correspondence, S. 1. 327 Lewis H. Gaunt, School-Mates. Pictures of School-Time and Play-Time in the Mission Field. With eighty-two illustrations, London: London Missionary Society 1906; Paul Jenkins, Camera Evangelistica – Camera Lucida? Trans-Border Experiences with Historical Photographs from a Mission Archive, in: Michael Albrecht/Veit Arlt/Barbara Müller/Jürg Schneider (Hrsg.), Getting Pictures Right. Context and Interpretation, Köln: Rüdiger Köppe Verlag 2004, S. 117–140; Thoralf Klein, The Basel Mission as a Transcultural Organization. Photographs of Chinese Christians and the Problem of Agency, in: Michael Albrecht et al., Getting Pictures Right, S. 39–56. 328 Christian Henriot/Wen-hsin Yeh, Introduction. China Visualised. What Stories Do Pictures Tell?, in: Dies. (Hrsg.), Visualising China, 1845–1965. Moving and Still Images in Historical Narratives, Leiden, Boston: Brill 2013, S. vii–xxv, hier S. xix.
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bender Absicht verbreitet werden, sind „Zeugnisse des geltenden pädagogischen Codes und der historischen Konvention der Erziehung“.329 Zunächst fällt auf, dass man auf den chinesischen Schulfotografien jener Jahre kaum je eine Schule im alltäglichen Betrieb sieht, was nur zum Teil durch die längeren Belichtungszeiten zu erklären ist. Vielmehr dominieren zwei Varianten von Fotos: Entweder sind ein oder mehrere Gebäude abgelichtet, die wie ausgestorben daliegen (Abb. 11, Abb. 20, Abb. 21); oder wir sehen das ordentlich nach Seniorität und Rang geordnete Gruppenbild einer Klasse oder ganzen Schule mit ihren Lehrern, Leitern, und womöglich mit Beamten der lokalen Schulbürokratie (Abb. 16, Abb. 17). Solch ein diszipliniertes, in höchstem Maße inszeniertes Klassen- oder Schulfoto sollte nach dem Willen jener Schulleiter, die es in Auftrag gaben oder, wie mancher Missionar, selbst aufnahmen, den alltäglichen Kampf um Pünktlichkeit, Disziplin und Homogenität gerade nicht sichtbar machen, sondern verstecken. Solche Bilder zielten darauf ab, jenen entscheidenden zivilisatorischen Unterschied zu demonstrieren, der vermeintlich alle modernen Schulen, in der lokalen Praxis jedoch allenfalls die Minderheit höherer Einrichtungen und Musterschulen, von der breiten Masse der sishu trennte. Dies galt auch für Missionsschulen.330 So hieß es in einer stakkatohaften Anleitung zur Spendenakquise für das Canton Christian College in Guangzhou, 1914 verfasst von James M. Henry, dem Sekretär und Schatzmeister der Trustees der Universität mit Sitz in New York: News-Letter, quarterly, to practically everybody who has had a real introduction to the C. C.C. Regularity is necessary. Good style equally so. Pictures good if really nice appearance. Otherwise not. […]They should be interesting and should always show a hopeful tone.331
Darüber hinaus plante Henry die Publikation eines Bildbandes, der – wie alle Fotografien der Universität – dazu dienen sollte, die Überlegenheit der dortigen Bildung zu demonstrieren. Am besten seien Fotografien mehrerer der chinesischen Mitarbeiter aller Alterstufen „with our product at one end and the oldest style fellows at other, best at one end and worst at other“.332 So deutlich wie von Henry wurde die Zielgerichtetheit solcher Schulfotografie selten benannt. Doch dieselbe Form der Visualisierung von Ordnung und Disziplin erschien auch chinesischen Schuldirektoren erstrebenswert. Auch an 329 Heinz-Elmar Tenorth, Das Unsichtbare zeigen – das Sichtbare verstehen. Fotografien als Quelle zur Analyse von Erziehungsverhältnissen, in: Fotogeschichte 17 (1997) 66, S. 51–56, hier S. 53. 330 Klein, Basel Mission as a Transcultural Organization, S. 40. 331 „C.C.C. Publicity and Cultivation Brief“ 1914, zit. nach Wang, Managing, S. 87; Hervorhebung von mir, H. F. 332 Ebd., S. 88.
4.5 Disziplin und Einheitlichkeit
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den meisten chinesischen xuetang – zumal an jenen in den Städten, wo die nötige Technik verfügbar war – wurden entsprechende Fotografien gemacht. Auf der internationalen Industrieausstellung in Nanjing gehörten sie zu den zentralen Belegen des chinesischen bildungspolitischen Fortschritts.333 Zwei Bilder aus dem Jubiläumsband zum 30jährigen Bestehen der Chengxi Xuetang in Jiaying verdeutlichen in Kleidung, Haltung und Positionierung, wie Ordnung und Disziplin visualisiert wurden.334 Sie zeigen jedoch zugleich, dass chinesische Schulen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch weit entfernt waren vom Ideal der altershomogenen Klasse. Aus jener Zeit findet sich denn auch gar kein reines Klassenfoto, sondern eben nur Gruppenfotos von fünf oder sechs Absolventen, oder aber Bilder der gesamten Schülerschaft, jeweils zusammen mit den Lehrern. Und doch spiegelt sich die Absicht, Ernst, Disziplin und Homogenität darzustellen, nicht nur in den Schuluniformen, sondern auch im Arrangement der Abgelichteten wie in ihrer Körperhaltung und Mimik. Diese nicht zufällig an das moderne Militär erinnernde Bildsprache war Ausdruck des nun verlangten, „militärisch-bürgerlichen“ Geistes. Dass dieser, wie wir gesehen haben, im Schulalltag oft gerade fehlte, wurde durch die Fotografien überdeckt.
Abb. 16: Schüler in der Minderheit: Gruppenbild der elf Lehrer (hinten) und fünf ersten Absolventen der Chengxi Xuetang in Jiaying, 1908
333 „Briefe aus China“, Frankfurter Zeitung, 24.07.1910. 334 Meixian chengxi xuexiao sanshi zhounian jiniankan (1934), o. S.
270 4 Der Staat im Schulalltag
Abb. 17: Wohlgeordnet: Gruppenbild aller Lehrer (hinten) und Schüler der Chengxi Xuetang in Jiaying, 1910
4.6 Architektur In seiner Beschreibung der ägyptischen Reformen einerseits und der Besuche ägyptischer Intellektueller in Europa andererseits hat Timothy Mitchell die Trennung von Repräsentation und repräsentierter, außerhalb liegender Wirklichkeit als Kern des neuen europäischen Blicks im 19. Jahrhundert ausgemacht und in den Begriff „Die Welt als Ausstellung“ gegossen. Dazu gehörte auch eine strikte Trennung der „Struktur“ von ihrem „Inhalt“. Im Schulwesen sorgte hierfür, neben Stunden- und Lehrplänen, auch die Architektur der neuen Schulgebäude.335 Sie machten noch im hintersten Winkel des Reiches sichtbar, dass eine neue Zeit angebrochen war und dass der Staat fortan eine viel größere Rolle im Alltagsleben der Menschen zu spielen gedachte.
335 Mitchell, Colonising, S. 79; Ders., Die Welt als Ausstellung, in: Sebastian Conrad/Shalini Randeria (Hrsg.), Jenseits des Eurozentrismus. Postkoloniale Perspektiven in den Geschichtsund Kulturwissenschaften, Frankfurt a. M.: Campus 2002, S. 148–176.
4.6 Architektur
271
Auch in China repräsentierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts die von Japan, Europa und Nordamerika inspirierten Neubauten vor allem das Ideal der klaren Struktur, die man mit „Modernität“ verband und die das neue Bildungssystem nach China zu bringen versprach. Noch vor den Veränderungen im Baustil gehörte jedoch eine gegenüber den bisherigen, wenigen, niedrigen und hinter Mauern und Bäumen versteckten Regierungsgebäuden (yamen) gesteigerte, ausdrückliche Sichtbarkeit der Schulen und anderen Gebäude zu den fundamentalen Kennzeichen dieses neuen Bauens (Abb. 19, Abb. 21, Abb. 22, Abb. 28).336 Schon dieser Akt des demonstrativen Sichtbarmachens staatlicher Institutionen an sich war ein entscheidender Beitrag zum state effect – unabhängig davon, was hier überhaupt sichtbar ausgestellt wurde. Die prunkvollen Schulbauten in Guangzhou, aber auch in den Präfekturstädten, waren mithin nicht allein Ausdruck eines übertriebenen Geltungsdrangs einzelner Gouverneure oder Präfekten, die auf diese Weise Schaufensterpolitik betreiben wollten. Vielmehr war die gesamte Schulpolitik bewusst und ausdrücklich auf die Schaffung weniger, leuchtender Vorbilder durch den Staat ausgerichtet, die dann die Gentry zur Nachahmung anspornen sollten. Weniger strikt als in Ägypten, wo die Regierung zwölf verschiedene Typen von Schulgebäuden vorgab, ließ der Staat in China damit erneut Raum für regionale Varianten, erließ aber zugleich grundsätzliche Bauvorschriften für Schulgebäude. Dies war Ausdruck von adaptive governance: Nur so ließen sich die unterschiedlichen kulturellen und klimatischen Bedingungen zwischen Heilongjiang und Hainan angemessen berücksichtigen.337 Die Bauvorschriften von 1904 verwiesen teilweise ausdrücklich auf regionale Unterschiede, etwa in Paragraph Acht, der sich dem Unterrichtsraum widmet: In den tiefliegenden, feuchten Gebieten des Südens muss ein [hölzerner] Fußboden eingebaut werden. Dieser muss zwei chi [60 Zentimeter] hoch sein und an allen vier Seiten Lüftungsöffnungen haben, damit die feuchte Luft abziehen kann. […] In den Gebieten mit sehr kalter Luft [hingegen] soll man doppelte Fenster einbauen sowie einen doppelten Fußboden und einen Heizofen.338
336 Virgil K. Y Ho, Understanding Canton. Rethinking Popular Culture in the Republican Period, Oxford: Oxford University Press 2005, S. 69; John R. Watt, The Yamen and Urban Administration, in: G. William Skinner (Hrsg.), The City in Late Imperial China. Studies in Chinese Society, Stanford, CA: Stanford University Press 1977, S. 353–390; Charles D. Musgrove, Monumentality in Nationalist Nanjing. Purple Mountain’s Changing Views, in: James A. Cook (Hrsg.), Visualizing Modern China. Image, History, and Memory, 1750–Present, Lanham, MD: Lexington Books 2014, S. 87–105, hier S. 102. 337 Dies galt nicht nur für die Mittelschule, sondern für alle Schulformen, siehe Zouding chudeng xiaoxuetang zhangcheng, GX 29/11/26 (13.01.1904), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 300–315, hier: S. 301; Mitchell, Colonising, S. 78.
272 4 Der Staat im Schulalltag
Mit dieser Mischung aus Adaption und Vorbild verfolgten die Macher der „Neuen Politik“ selbst ein durchaus gängiges Muster chinesischen Staatshandelns, das auch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts und – gerade im Bildungsbereich – bis in die Gegenwart hinein bedeutsam geblieben ist.339 Aller Kritik von Zeitgenossen wie Huang Zunxian zum Trotz – „bis heute […] gibt es keine Grundschul-Absolventen, doch man plant Mittelschulen, um sich mit falschem Prestige zu schmücken“ – war der state effect in der Schularchitektur also kein unbewusster Nebeneffekt.340 Vielmehr war die Vorbildfunktion der wenigen, teuren und weithin sichtbaren staatlichen Einrichtungen ein bewusst eingesetztes Mittel der Politik, deren Stellenwert schon darin zum Ausdruck kam, dass das Bildungsministerium eine eigene Abteilung für Schularchitektur unterhielt.341 Auch wenn das langfristige Ziel dieser durchaus konfuzianisch geprägten Herrschaft durch gutes Vorbild darauf ausgerichtet war, dass alle anderen Akteure sich dem vom Staat gesetzten Vorbild annähern sollten, markierte eben dieses Vorbild doch gerade den Abstand zwischen Staat und Gesellschaft. Die Regularien für die Mittelschulen von 1904 drückten diese Idee gleich im zweiten Paragraphen aus, der die lokalen Beamten zur Errichtung von Musterschulen aufforderte, weil „aller Anfang schwer“ sei.342 Die Errichtung staatlicher Gebäude wurde so wortwörtlich zu einer Form von state-building.343 Im modernen Schulhaus sollten sich einerseits „Modernität“ und Überlegenheit des chinesischen Staates zeigen, und sie sollten andererseits zur Nachahmung anregen.344 In diesem Bewusstsein klagte im Sommer 1904 der Präfekt von Guangzhou, die im Jahr zuvor eröffnete Mittelschule sei weder groß noch schön genug; er plane, westlich der Schule ein weithin sichtbares, hohes Gebäude zu 338 Jianzao xuetang fashi, in: Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 491–494, hier: S. 492. 339 Boerge Bakken, The Exemplary Society. Human Improvement, Social Control, and the Dangers of Modernity in China, Oxford: Oxford University Press 2000. 340 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 547. 341 Sun Peiqing, Zhongguo, S. 398. 342 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 326. 343 William Charles Wooldridge, Building and State Building in Nanjing after the Taiping Rebellion, in: Late Imperial China 30 (2009) 2, S. 84–126, hier S. 86. 344 Diese Tendenz wurde auch in der Praxis der Auszeichnungen durch den Kaiserhof deutlich. Als der Generalgouverneur Ende 1905 in Beijing um die Auszeichnung von Beamten, die sich in seiner Provinz besonders um die Bildungsreformen verdient gemacht hatten, nachsuchte, da waren unter den vier Nominierten drei, die jeweils einer Musterschule in Guangzhou vorstanden: Lu Erkui von der Mittelschule der Präfektur Guangzhou (Guangzhoufu zhongxuetang), Zhu Shichou von der Zweigliedrigen Grundschule (Liangdeng xiaoxuetang) und Liu Shiji von der Höheren Lehrerschule der Provinz (Liangguang Youji Shifan Xuetang), siehe Shenbao, 04.01.1906, in: Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 6, S. 264.
4.6 Architektur
273
errichten, um mehr Räume für den Unterricht, das Wohnheim sowie Bücher und Geräte zu gewinnen; einen alten Lotus-Teich immerhin habe er bereits zuschütten lassen, um an seiner Stelle einen Sportplatz einzurichten.345 In Jiaying kritisierte denn auch der Basler Missionar Friedrich Lindenmeyer, „daß viel zu großes Gewicht auf das Äußerliche, schöne Turnkleider, äußere Einrichtung der Schule, Wandkarten u.s.w. gelegt wird.“346 Das Ergebnis des in den Augen der Missionare übertriebenen Eifers konnte, das sei nicht verschwiegen, tatsächlich desaströs sein. In Chengdu musste die 1903 erbaute Provinz-Hochschule schon zwei Jahre später wegen extremer Baumängel wieder abgerissen werden. Auch aus anderen Provinzen kamen Klagen über die schlechte Qualität von Ziegeln und Holz und über die schlampige Bauausführung. Alles musste schnell gehen.347
4.6.1 „Nichtssagender europäischer Putzstil“ Was aber kennzeichnete die Neubauten in architektonischer Hinsicht konkret? Während Elemente europäischer Architektur bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts allein in die exotisierenden Gebäude im alten Sommerpalast in Beijing sowie in die Gebäude der Arsenale eingeflossen waren, fanden sie mit Beginn der „Neuen Politik“ rasch größere Verbreitung.348 Als berühmteste Beispiele werden immer wieder das 1910 begonnene (und nie zuende geführte) chinesische Parlamentsgebäude nach Plänen des deutschen Architekten Curt Rothkegel (1876– 1945) sowie das 1907 erbaute Armee-Ministerium genannt.349 In Tianjin ließ 345 Guangzhou fu zhongxuetang, in: Jiaoyu shijie (1904) 11, benguo xueshi, S. 2. 346 BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S. 4. 347 Myron H. Peck, Description of Buildings [of Shansi University], in: The East of Asia Magazine (1904) Special Educational Number, S. 9–14, hier S. 14; Stapleton, Civilizing, S. 145; LDRB GX 32/3/30 (23.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 348 Le Jiazao, Zhongguo jianzhu shi, Beijing: Tuanjie chubanshe 2005, S. 176–178; Hui Zou, A Jesuit Garden in Beijing and early Modern Chinese Culture, West Lafayette: Purdue University Press 2011; Ines Eben von Racknitz, Die Plünderung des Yuanming yuan. Imperiale Beutenahme im britisch-französischen Chinafeldzug von 1860, Stuttgart, Konstanz: Steiner 2012, S. 60– 65. 349 Torsten Warner, Deutsche Architektur in China. Architekturtransfer, Berlin: Ernst & Sohn 1994, S. 34–39; Peter G. Rowe/Seng Kuan, Architectural Encounters with Essence and Form in Modern China, Cambridge, MA: MIT Press 2002, S. 30, 43; Jianfei Zhu, Architecture of Modern China. A Historical Critique, London: Routledge 2009, S. 34. Ausführlich hierzu jetzt Edward Denison, Architecture and the Landscape of Modernity in China Before 1949, Abingdon, Oxon, New York: Routledge 2017, bes. Kapitel 6.
274 4 Der Staat im Schulalltag
Gouverneur Yuan Shikai das Provinz-Regierungsviertel nach den Zerstörungen durch den Boxer-Krieg 1902 an anderem Ort als „Melange aus chinesischem und ausländischem Stil“ komplett neu bauen.350 Schon zuvor hatte sich der neue Baustil insbesondere in den Vertragshäfen etabliert, nahm Bezug auf die Schularchitekturen Europas, Japans und der USA und verzichtete bewusst auf jene „chinesischen“ Elemente, die in der Republikzeit den Stil der „Chinesischen Renaissance“ prägen sollten.351 Bei solcher architektonischen „Anlehnung an europäische Muster“ handelte es sich aber um einen „kulturellen Vorgang auf freiwilliger Grundlage“ (Jürgen Osterhammel).352 Auch die Missionsarchitektur in China war nicht, wie Jeffrey W. Cody meint, ein Beispiel für eine „westliche architektonische Intervention in einem nicht-westlichen kulturellen Kontext“353 Es geht hier nicht um eine Intervention, sondern um die Frage, wer die architektonischen Standards setzt, ganz unabhängig von deren eigener, verflochtener Herkunftsgeschichte. Während der „Neuen Politik“ waren dies insbesondere die Zentral- und Provinzregierungen. Zur gleichen Zeit, da die deutsche Kolonialverwaltung in Qingdao begann, ihren „etablierten Kanon“ deutscher Architektursprache aufzuweichen und immer mehr chinesische Stilelemente zuließ, tat der chinesische Staat das genaue Gegenteil.354 Wo es zum Neubau von Schulen kam, dominierte vor 1911 nicht nur in der Raumaufteilung, sondern auch in der äußeren Gestaltung ein „westlicher“ Stil. Es war diese Begeisterung der Chinesen für die neue Architektur, die bei Reisenden aus Europa und Amerika sehr bald zu nostalgischer Sehnsucht nach dem „wahren China“ führte, in dem es noch keine „europäischen Gebäude“ gegeben habe, die „die Vulgarität des Westens mit der gegenwärtigen Armut des Ostens“ kombinierten.355 Der deutsche Architekturhistoriker und Sinologe Ernst Boerschmann (1873–1949) widmete seinen auf eigenen Fotografien der Jahre 1906 bis 1909 beruhenden Bildband 1925 denn auch ganz der „Chine350 Rogaski, Hygienic, S. 200. 351 Peter Cunich, Making Space for Higher Education in Colonial Hong Kong, 1887–1913, in: Laura Victoir/Victor Zatsepine (Hrsg.), Harbin to Hanoi. The Colonial Built Environment in Asia, 1840 to 1940, Hong Kong: Hong Kong University Press 2013, S. 181–205, hier S. 200f. 352 Osterhammel, Verwandlung, S. 352. 353 Jeffrey W. Cody, Striking a Harmonious Chord. Foreign Missionaries and Chinese-Style Buildings, 1911–1949, in: Architronic 5 (1996) 3, http://corbu2.caed.kent.edu/architronic/ v5n3/v5n3.03ref.html [10.12.2013]. 354 Klaus Mühlhahn, Mapping Colonial Space. The Planning and Building of Qingdao by German Colonal Authorities, 1897–1914, in: Laura Victoir/Victor Zatsepine (Hrsg.), Harbin to Hanoi. The Colonial Built Environment in Asia, 1840 to 1940, Hong Kong: Hong Kong University Press 2013, S. 103–128, hier S. 113, 119f. 355 Alexandra Etheldred Grantham, Pencil Speakings from Peking, London: Allen & Unwin 1918, S. 26f., zit nach Dikötter, Things, S. 5.
4.6 Architektur
275
sischen Architektur“. Viele der Tempel, Wohnhäuser und insbesondere Stadtmauern, die der Bildband festhielt, existierten bereits bei Erscheinen des Buches nicht mehr.356 Vor diesem Hintergrund kann Boerschmanns emphatische Würdigung der Vitalität der „baukünstlerischen Kultur des alten China“ auch als Versuch einer selbsterfüllenden Prophezeiung gelesen werden, die bereits von Nostalgie gekennzeichnet ist: Abendländische Bauformen finden sich in China nur erst an einigen Punkten, das große Bild bleibt das alte. Und besaß dieses die Macht, Vorbild zu werden für das architektonische Antlitz Asiens […], so sind die inneren Kräfte Chinas stark genug, um auch ihren äußeren Ausdruck in den Formen der Baukunst auf lange Zeit zu bewahren.357
Tatsächlich jedoch gehörten vor allem Schulgebäude zu den Pionieren jenes neuen Stils, den Jianfei Zhu „Beaux-Arts based Chinese Neo-Classicism“ getauft hat.358 Reformorientierte Chinesen bauten ihre Schulen in jenem Stil, den sie für den korrekten westlichen hielten: „tall, plain houses of wood and plaster with bare roofs of grey tiles“ – selbst der Ostasiatische Lloyd klagte über den „nichtssagenden europäischen Putzstil“ der Nanjinger Ausstellung.359 Dabei zeigte sich, dass bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Globalisierung von Architekturstilen deren nationale Zuordnung schwierig machte: Während der eine chinesische Besucher der Nanjinger Ausstellung den Baustil des „Hauses der Bildung“ als „deutsch“ identifizierte, nannte der andere denselben Stil „amerikanisch“.360 Solcher Feinheiten ungeachtet war klar, dass die Vorbilder für neue Schulbauten nur aus dem Ausland kommen konnten. 1906 ließ sich Generalgouverneur Cen Chunxuan Pläne japanischer Lehrerschulen zuschicken, um auf deren Grundlage seine eigene Höhere Lehrerschule in Guangzhou für insgesamt 1.000 Schüler zu projektieren.361 Bald heuerte er zusätzlich einen britischen Architek356 Zu Ernst Boerschmanns Schaffen siehe Eduard Kögel, The Grand Documentation. Ernst Boerschmann and Chinese Religious Architecture (1906–1931), Berlin: De Gruyter 2015. 357 Ernst Boerschmann, Chinesische Architektur, Berlin: Wasmuth 1925, Bd. 1, S. 1. 358 Zhu, Architecture, S. 234. 359 Zit. nach Cody, Striking, S. 3; „Ein Besuch der Nankinger Ausstellung“, Ostasiatischer Lloyd, 08.07.1910. 360 Su Keqin/Yu Jieyu (Hrsg.), Nanyang quanyehui tu shuo, Shanghai: Shanghai jiaotong daxue chubanshe 2010, S. 97; Wang Shuyan, Nanyang quanyehui zayong. Reprint der Ausgabe 1910, überarbeitet und annotiert von Su Keqin, Shanghai: Shanghai jiaotong daxue chubanshe 2010, S. 65. Dies bestätigt, dass sich die meisten Menschen in China damals „mehr Gedanken über den tatsächlichen Nutzen bestimmter Dinge als über ihre vermutliche Herkunft“ machten: Dikötter, Things, S. 6. 361 Thronbericht von General Shouyin im Auftrag von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 32/8/27 (14.10.1906), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7218–085.
276 4 Der Staat im Schulalltag
ten an, der das nicht länger benötigte Ensemble von mehr als 11.000 Zellen sowie Unterkünften für bis zu 3.000 Mann Personal, das sich im Südosten an die Stadtmauer schmiegte (Abb. 18) entsprechend den japanischen Plänen umgestalten sollte.362 1908 war vom Labor bis zum Speisesaal alles fertig, und der britische Konsul berichtete aus Guangzhou, die „foreign-style buildings“ der neuen Lehrerschule, die das Architekturbüro von William Danby (1842–1908) gebaut habe, seien schön, im Gegensatz zu den eigenen „Ergänzungen“ der chinesischen Auftraggeber (Abb. 19).363 Doch die Umnutzung bestehender Gebäude konnte nur zweite Wahl sein: Der mandschurische General der Bannertruppen in Guangzhou kritisierte 1906, in der neuen Fremdsprachenschule in einem alten Gebäude seiner Garnison entsprächen die Räume nicht den Vorschriften, Licht und Luft seien schlecht; der im Jahr zuvor fertiggestelte Neubau eines Seminars zur Vorbereitung auf ein Auslandsstudium sei hingegen sehr gut.364 Anlässlich der Umwandlung der damals keine 20 Jahre alten, großzügigen Guangya-Akademie (Abb. 18) in eine Provinz-Universität hatte Generalgouverneur Tao Mo (1835–1902) schon kurz nach Beginn der „Neuen Politik“ an den Thron geschrieben: Eigentlich braucht man für eine Universität neue Gebäude und muss unbedingt die westlichen Standards einhalten, auch jene für Verwaltung und Hygiene. Aber wir haben dafür nicht das Geld, deshalb müssen wir die alten Akademien [in Universitäten] umwandeln. Doch jene sind meist zu klein für eine moderne Schule, einzig das Guangya Shuyuan – obwohl auch dieses nicht den Vorgaben für eine moderne Schule entspricht – ist groß genug.365
Zwölf Jahre später sah Isaac Taylor Headland (1859–1942), Professor an der Peking Universität, in der rein westlichen Architektur schon einen allgemeinen Trend, vor allem bei offiziellen Gebäuden: All the new Government buildings that have been and are being erected are built after the style of our own. Instead of the old paper windows, brick bed, brick floors, tile roofs, and
362 Thronbericht von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 32/10/2 (17.11.1906), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7219–001; John G. Kerr, A Guide to the City and Suburbs of Canton, 2. Aufl. Hong Kong u.a.: Kelly & Walsh 1904, S. 29. 363 National Archives Kew, FO 228.1694, Intelligence Report Quarter ended March 31, 1908, Canton, fol [6f.]. Zu William Danby, siehe Tony Lam Chung Wai, From British Colonization to Japanese Invasion. The 100 Years Architects [sic] in Hong Kong 1841-1941, in: HKIA Journal 45 (2006) 2, S. 44-49, hier S. 45. 364 Thronbericht von General Shouyin im Auftrag von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 32/8/27 (14.10.1906), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7218–085. 365 Thronbericht von Generalgouverneur Tao Mo und Gouverneur Deshou, GX 28/5/27 (02.07.1902), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7212–020.
4.6 Architektur
277
three-room buildings as of yore, we are now seeing them erecting buildings with glass windows, board floors, and corrugated iron roofs, not very unlike those in the foreign missions, legations, and customs compounds.366
Von geschwungenen „chinesischen“ Dächern, wie sie Jeffrey W. Cody als Signum der Epoche beschreibt, war zu diesem Zeitpunkt tatsächlich also noch kaum die Rede.367 Dies verdeutlicht auch das 1905 gegründete und von einem schottischen Architekten realisierte Anglo-Chinese College in Shantou, das der Kaufmann Chen Yuting (Hou Teng-thai, 1842–1905) den englischen Presbyterianern bezahlt hatte (Abb. 22). Die von Headland bezeugte Ähnlichkeit zwischen chinesischen Regierungsgebäuden und jenen in den ausländischen Konzessionen rührte daher, dass die Vorstellungen von moderner Architektur auf beiden Seiten sehr ähnliche waren. Diese hatte hygienisch und funktional zu sein. Während in Europa jedoch historistische Fassaden den Widerstand gegen die neue, monumentale Architektur überwinden sollten, war dies in China gar nicht nötig. Mochte die Neo-Gothik in England der Vorspiegelung von Tradition dienen, in China stand dieser Stil genau wie alle anderen westlichen Stile schlicht für Modernität. Folgerichtig begannen die „chinesischen“, geschwungenen Dächer auch erst im Zuge des wachsenden Ringens um nationale Identität in den 1920er Jahren die schlichteren, „europäischen“ Dächer zu verdrängen.368 Wie bei allen anderen Institutionen der „Neuen Politik“ auch – Polizeistationen, Museen oder Banken – entstanden die meisten, größten und teuersten der neuen Schulen, durch den Staat finanziert, in den Hauptstädten der Provinzen.369 Dabei war die Entwicklung regional sehr unterschiedlich. Die Großstadt Xi’an zum Beispiel, fernab der Vertragshäfen gelegen, erhielt mit dem Postamt
366 Isaac Taylor Headland, Home Life in China, London: Methuen 1914, S. 304; man beachte die Erwähnung hölzener Fußböden, die sich auch in den Bauvorschriften für Schulen von 1904 findet. 367 Cody, Striking, S. 1, 4; Ders., American Geometries and the Architecture of Christian Campuses in China, in: Daniel H. Bays/Ellen Widmer (Hrsg.), China’s Christian Colleges. Cross-Cultural Connections, 1900–1950, Stanford, CA: Stanford University Press 2009, S. 27–56, hier S. 54f. 368 Dikötter, Things, S. 113f.; ausführlich hierzu jetzt Denison, Architecture, Kapitel 7 sowie Jonathan Andrew Farris, Enclave to Urbanity. Canton, Foreigners, and Architecture from the Late Eighteenth to the Early Twentieth Centuries, Hong Kong: Hong Kong University Press 2016; Jeffrey W. Cody, Building in China. Henry K. Murphy's "Adaptive architecture", 19141935, Hong Kong: Chinese University Press 2001. 369 Stapleton, Civilizing, S. 63–65.
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von 1912 ihr erstes öffentliche Gebäude im modernen Stil erst nach der Revolution, während in Chengdu, der Hauptstadt von Sichuan, schon 1903 eine moderne Provinz-Hochschule für 500 Schüler stand.370 Auch in vielen anderen Städten setzte ein wahrer Bauboom ein, so dass Material und gute Arbeiter knapp wurden.371 Im kosmopolitischen Guangzhou war mit dem erwähnten Guangya Shuyuan bereits 1884 ein Vorläufer westlich inspirierter Schularchitektur entstanden. Nach 1900 folgten weitere Prachtbauten wie die Höhere Lehrerschule (Abb. 19) oder die Mittelschule der Präfektur Guangzhou (Abb. 21).372 Doch auch Chaozhou, Shantou und Jiaying erhielten modernisierte Schulgebäude. Obschon es sich nicht um Neubauten handelte, fungierten diese, weitestmöglich nach den neuen Standards ausgeführt, als „stille Lehrer“ (Brian Edwards) und als Instrumente einer Zivilisierungsmission durch den chinesischen Staat.373 Die in den 1870er Jahren erbaute Jinshan-Akademie in Chaozhou hatte indes trotz moderner Inhalte noch ein ganz herkömmliches Äußeres. Ihr Beispiel verdeutlicht, wie in kleineren Orten der Mangel an Bauland und Geld oft dazu zwangen, bestehende Gebäude möglichst vorbildlich umzubauen.374 So plante der Distrikt-Magistrat in Jiaying ursprünglich, für eine prächtige staatliche Mittelschule Teile des Konfuziustempels, den Ackerbaualtar sowie eine benachbarte Akademie mit ausgedienten Kasernen und Lagerhäusern zu verschmelzen (Abb. 25). Die Lingdong Ribao aber zweifelte 1905 – wie sich zeigen sollte, zurecht – daran, dass der Distrikt ein solch „riesiges Bauprojekt“ würde finanzieren können.375 Einige Monate später unterbreitete das Schulamt dem Magistrat den sehr viel bescheideneren Plan, doch lieber nur die ehemalige Prüfungshalle zur Mittelschule umzubauen.376 Doch selbst dies überstieg offenbar noch die Möglichkeiten, und so wurde die Schule schließlich und ausdrücklich
370 Pierre-Étienne Will, Xi’an, 1900–1940. From Isolated Backwater to Resistance Center, in: Jilang Su (Hrsg.), New Narratives of Urban Space in Republican Chinese Cities. Emerging Social, Legal and Governance Orders, Leiden: Brill 2013, S. 223–274, hier S. 257f.; Stapleton, Civilizing, S. 145. 371 Peck, Description, S. 10. 372 Zum Bau der Höheren Lehrerschule von Guangdong und Guangxi siehe Cong, Teacher, S. 60–70. 373 Brian Edwards, University Architecture, London: Spon 2000, S. vii, zit. nach Cunich, Making, S. 201. 374 Zur gesetzlich vorgeschriebenen Ausstattung einer Mittelschule siehe unten Kapitel 4.7.2. 375 LDRB GX 30/12/1 (06.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r f. 376 LDRB GX 31/11/22 (18.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r.
4.6 Architektur
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„vorläufig“ im Frühjahr 1906 im Konfuziustempel der Stadt eingeweiht.377 Gut zwei Jahre darauf aber platzte der Tempel trotz kleinerer Erweiterungen bereits aus allen Nähten, so dass der Magistrat zumindest den Neubau von drei Unterrichtsräumen in Auftrag gab.378 Die Dongshan-Lehrerschule, ebenfalls in Jiaying, kam in den Gebäuden der ehemaligen Akademie gleichen Namens unter. Huang Zunxians Vermögen und zusätzliche Spenden machten es möglich, bis Ende 1905 weitere Gebäude auf dem Areal zu errichten und sämtliche Gerätschaften für den Unterricht aus Japan zu importieren. Die Lokalzeitung lobte denn auch, im Innern entsprächen alle Räume den staatlichen Bauvorschriften und seien vollständig eingerichtet.379 An der äußeren Erscheinung der Akademie änderte sich freilich wenig (Abb. 13). Auf dem Gelände von Shantous Lingdong Tongwen Xuetang, einer eigentlich bescheidenen Halle, wurde 1905 ebenfalls gebaut. Weil nach dem Ende des Prüfungssystems von den vielen Neuankömmlingen noch 50 bis 60 keinen Schlafplatz in der Schule hatten, wurde ein Lehrgebäude zum Schlafsaal umfunktioniert, während nebenan ein weiteres Schülerwohnheim ganz neu entstand (Abb. 14).380 Material- und Geldmangel führten mancherorts dazu, dass der Unterricht aufgenommen werden musste, ehe die Bauarbeiten abgeschlossen waren.381 Den geringsten Bedarf an Neubauten hatte ausgerechnet Chaozhou, das am ehesten die Mittel dafür zur Hand gehabt hätte. Hier waren mit der Hanshanund der Jinshan-Akademie bereits großzügige und immer wieder erweiterte Gebäude-Ensembles vorhanden, die nun als Schulen genutzt werden konnten. Dennoch waren die Akademien nicht auf Massenbetrieb ausgelegt gewesen und mussten deshalb in den folgenden Jahren fortlaufend vergrößert werden. Gut zu erkennen ist dies an einem Plan der ehemaligen Jinshan-Mittelschule in Chaozhou aus dem Jahr 1937, auf dem die entlang einer Zentral-Achse angeordneten Gebäude der ursprünglichen Akademie im Zentrum des nun viel größeren Gebäudekomplexes noch gut erkennbar sind (Abb. 23).
377 LDRB GX 32/3/30 (23.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 378 LDRB GX 34/9/22 (16.10.1908), Chao Jia xinwen, S. 3v; LDRB XT 1/1/18 (27.02.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v; zur Finanzierung der Baumaßnahmen siehe unten Kapitel 4.7. 379 LDRB GX 32/4/7 (29.05.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 380 LDRB GX 31/11/1 (27.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r f. 381 So im Frühjahr 1905 an der Lehrerschule in Chaoyang, siehe LDRB GX 31/3/6 (10.04.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v.
280 4 Der Staat im Schulalltag
Auch aus vielen anderen Kreisen Ost-Guangdongs kamen laufend Meldungen über Neu- und Umbauten an Schulen, wobei die Errichtung der den meisten Platz brauchenden Wohnheime im Mittelpunkt stand. Angesichts der immer auch erwähnten, knappen Geldmittel blieb außerhalb der größeren Städte für Prunkbauten kein Spielraum.382 Die staatlichen Schulen konnten sich dabei immerhin repräsentative Gebäude wie den jeweiligen Konfuziustempel vor Ort sichern. Die öffentlichen und privaten Schulen – insbesondere Grundschulen – mussten dagegen mit kleineren, oft baufälligen Tempeln, Klöstern und Ahnenhallen vorlieb nehmen. Insbesondere die Ahnenhallen waren unbeliebt, standen in Guangdong aber zahlreich zur Verfügung. Hier hatte früher meist auch der sishu-Lehrer unterrichtet, doch für die neuen Schulen erwiesen sich die Hallen, die in der Regel eben nur aus einem großen Raum bestanden, als unpraktisch. In ihrer Verzweiflung teilten die Lehrer der Wuben Xuetang die Halle mit einem Vorhang in zwei Räume, doch dann musste sich die eine Klasse immer still lesend beschäftigen. Zudem bekam die Schule wegen solcher respektlosen Provisorien Ärger mit den Vorstehern des Klans, welcher die Halle nach wie vor auch selbst nutzte.383 Zudem fehlte den Ahnenhallen die Art von Belüftung, die die Bauvorschriften für neue Schulbauten vorsahen, weshalb Friedrich Lindenmeyer von der Basler Mission klagte, er unterrichte „unter einem glühendenDach in einem chinesischen dumpfen Loch“.384 Da nimmt es kaum Wunder, wenn sich die Leiter einer öffentlichen Grundschule in Dapu 1905 freuten, dass sie dank Spenden aus Übersee endlich ein eigenes Schulhaus bauen und aus der bisherigen Ahnenhalle ausziehen konnten.385
382 So zum Beispiel Mitte 1905 an der Vereinfachten Lehrerschule in Chaoyang (LDRB GX 31/ 5/18 [20.06.1905], Chao Jia xinwen, S. 3r f.) und Anfang 1905 an der staatlichen Grundschule von Changle, Präfektur Jiaying (LDRB GX 30/12/4 [09.01.1905], Chao Jia xinwen, S. 3r). 383 BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [10f.]. 384 BMA A–1.42/216: Lindenmeyer an den Inspektor, Kayintschu 18.06.1907, S. [3]. 385 LDRB GX 31/7/11 (11.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v.
4.6 Architektur
281
Abb. 18: Die 1888 gegründete, ehemalige Guangya-Akademie und kurzzeitige Hochschule von Guangdong auf einer 1907 bei Justus Perthes in Gotha gedruckten Karte der Stadt Guangzhou im Maßstab 1:5.000 [Ausschnitt]. Deutlich zu erkennen ist das von einem Wassergraben umgebene, quadratische Schulgelände nordwestlich der Stadt. Auf der hellen Fläche im südöstlichen Winkel der Stadtmauer, wo vor 1905 die Provinzprüfungen stattgefunden hatten, wurde 1908 die Höhere Lehrerschule errichtet (folgende Abbildung)
Abb. 19: Musterschule: Neubau der Höheren Lehrerschule von Guangdong und Guangxi (Liangguang Youji Shifan Xuetang) in Guangzhou, Datum unklar [nach 1907]
282 4 Der Staat im Schulalltag
Abb. 20: Unauffällig hinter Palmen: Altbau der Mittelschule der Präfektur Guangzhou (Guangzhou fu zhongxuetang), 1910
Abb. 21: Höher, heller, sichtbarer: Neubau der Mittelschule der Präfektur Guangzhou, 1910
4.6 Architektur
283
Abb. 22: Geteilte Ideale: Das von einem Architekten aus Glasgow entworfene, von dem Kaufmann Chen Yuting finanzierte und von der English Presbyterian Mission geleitete Anglo-Chinese College am Stadtrand von Shantou kurz nach seiner Eröffnung 1906, Postkarte
Abb. 23: Fortlaufende Erweiterung: Geländeplan der ehemaligen Jinshan-Mittelschule in Chaozhou mit Ergänzungsbauten aus der Republikzeit, 1937. Gut zu erkennen ist die entlang einer Achse aufgebaute, ursprüngliche Akademie im linken unteren Zentrum
284 4 Der Staat im Schulalltag
4.6.2 Innenräume Abseits der äußeren Erscheinung gaben die kaiserlichen Bauvorschriften auch die Umgebung der Schule sowie ihre Inneneinrichtung vor und nahmen dabei Elemente des zeitgenössischen Hygiene-Diskurses sowie Moralvorstellungen auf. Diese spielten an den Schulen also nicht erst in der Republikzeit eine Rolle.386 So war es verboten, Schulen in der Nachbarschaft von Industriebetrieben, offenen Gewässern, Teehäusern, Schenken oder Bordellen zu errichten. Folgerichtig untersagten lokale Beamte auch das Glücksspiel im Umkreis von Schulen.387 Alle Gebäude mussten außen Regenrinnen und innen Papierkörbe und Spucknäpfe haben, und zwischen Unterrichtsgebäude und Toiletten waren immergrüne Fichten zu pflanzen. Jeder Unterrichtsraum schließlich musste sechs bis acht Meter breit, acht bis zehn Meter lang und vier bis fünf Meter hoch sowie hellgelb und grau gestrichen sein.388 Auch die geforderte Zahl funktional unterschiedener Räume war hoch. Nötig waren gemäß der Mittelschul-Regularien zwei Gebäude mit zusammen mindestens 20 Zimmern, darunter zumindest ein allgemeiner Unterrichtsraum, gesonderte Zimmer für den Unterricht in Physik, Chemie, Naturkunde, Zeichnen und weiteren Fächern, eine Bibliothek, ein Raum zur Verwahrung von Unterrichtsmaterial, eine Aula, mehrere Büros, eine Turnhalle, ein Sportplatz, ein Speisesaal, ein Waschraum und ein Wohnheim.389 Das waren weit mehr Räume, als in einem Tempel, einer Ahnenhalle oder selbst in mancher Akademie, die typischerweise die ersten Mittelschulen beherbergten, vorhanden waren.390 Auch die Basler Missionare in Jiaying mussten in ihrem Streben, sich um der staatlichen Anerkennung willen ganz genau an die chinesischen Vorschriften zu halten, erkennen, dass deren Realisierung ihre finanziellen Möglichkeiten überstieg – es blieb vorerst bei einem Entwurf für das neue Schulgebäude „nach Regierungsvorgaben“, der indes gut erkennen lässt, welche Dimensionen Schulen langfristig erreichen sollten (Abb. 24).
386 So aber Zarrow, Educating, S. 113f. 387 LDRB GX 31/6/12 (14.07.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r; zum Hygien-Diskurs siehe Rogaski, Hygienic. 388 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 335f.; Jianzao xuetang fashi, in: Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 491–494. 389 Ebd. 390 Liu Boji, Guangdong shuyuan zhidu, S. 90–97 listet unter den Akademien Guangdongs einige mit bis zu 70 Räumen, aber auch viele mit zwölf oder weniger Räumen auf. Die Mehrzahl dieser Zimmer waren zudem kleine Studierkammern (xueshe). Anschaulich wird dies anhand eines Grundrisses der Südstadt-Akademie (Chengnan Shuyuan) in Chaozhou, siehe ebd., S. 98.
4.6 Architektur
285
Abb. 24: Missionsschule „nach Regierungsvorschrift“: Aufsichtsplan für den Neubau der LeyuMittelschule der Basler Mission in Jiaying, Januar 1907
Tatsächlich aber bewiesen die Autoren des Gesetzes erneut ein feines Gespür für die Notwendigkeit, den lokalen Akteuren genug Freiraum für die Adaption idealer Pläne an lokale Realitäten zu gewähren: Der allgemeine Unterrichtsraum dürfe, um die Kosten zu senken, zugleich als Aula dienen; die speziellen Unterrichtsräume könnten zu einem Raum zusammengelegt werden; und auch die Bibliothek, das Büro der Verwaltung sowie alle Aufbewahrungsräume dürften vereint werden. Während der Direktor und der Schulaufseher in der Schule wohnen mussten, durften die Lehrer je nach lokalen Umständen auch außerhalb Quartier beziehen.391 Mit der Einführung funktional streng getrennter Räume war also die „compartmentalization of space“, die Robert Culp als fundamentales Prinzip der Se-
391 Bildungsministerium, Xuebu zou zengding ge xuetang guanli tongze zhe bing dan (07.02.1910); LDRB XT 1/2/5 (15.03.1910), jiaoyu an (Bildungsdinge), S. 1v.
286 4 Der Staat im Schulalltag
kundarschule im China der Republikzeit ausgemacht hat, in der „Neuen Politik“ schon längst angelegt, ähnlich wie der Hygiene-Diskurs.392 Dass die gesetzlichen Vorgaben auch in Ost-Guangdong verwirklicht wurden, soweit die existierenden Gebäude dies zuließen, wird am Grundriss der Wuben Xuetang deutlich, die 1904 vorübergehend im Konfuziustempel und dessen Nachbargebäuden untergekommen war (Abb. 25).393 Die hinterste der drei Hallen (auf dem Plan ganz oben) wurde zum Unterrichtsraum, die mittlere zum Empfangsraum für Gäste und die vordere Halle zum Speisesaal umgebaut. Der Unterrichtsraum wurde vom Büro der Verwaltungsangestellten flankiert. Rechts an den Speisesaal grenzte das Sekretariat, links das Lehrerzimmer. Vor der Eingangshalle entstand der Sportplatz.
Abb. 25: Umnutzungen: Grundriss der Wuben Xuetang in den Gebäuden des Konfuziustempels (Mitte), der Chongshi-Akademie (links) sowie des Ackerbau-Tempels (rechts unten). Gut zu erkennen sind oben rechts auch jene Lagerhäuser, die der Präfekt mit den drei anderen Anlagen zur staatlichen Mittelschule zusammenlegen wollte 392 Culp, Articulating, S. 168. 393 BMA A–1,38b/226a: Lindenmeyer, Entstehung einer deutschen Missionsschule (I. Quartalsbericht), Jiaying 28.04.1904, S. [11–13].
4.6 Architektur
287
Auch die links angrenzenden Gebäude der ehemaligen Chongshi-Akademie (Chongshi Shuyuan) hatte der Präfekt der Wuben vorübergehend zur Nutzung überlassen.394 In den Seitengebäuden befanden sich die Schlafräume der Schüler, während die mittleren Hallen ein Versamlungs- und Studierzimmer für die Schüler und einen Zeitlungslesesaal enthielten. Im angrenzenden, noch kleineren Altar des Ackerbaus hatte man die hintere Halle zum Unterrichtsraum der angegliederten Grundschule bestimmt. Die Abmessungen der meisten umgenutzten Räume entsprachen zwar nicht den Bauvorschriften, aber zumindest hatten die Schulleiter sich verpflichtet gefühlt, diese Abmessungen um der Überprüfbarkeit willen überhaupt anzugeben.395
4.6.3 Schulausstellungen Die Idee des deutlich sichtbaren Vorbilds legte es nahe, Schulen auch zum Gegenstand von tatsächlichen Ausstellungen zu machen. Seit 1876 hatte sich das chinesische Kaiserreich, durch das Seezollamt organisiert, regelmäßig an den Weltausstellungen beteiligt, die in Europa und den USA stattfanden. Die Präsentation des eigenen Bildungssystems gehörte bei diesen Anlässen zum selbstverständlichen Repertoire zumindest der Industrienationen.396 Um nicht länger bloß als Hort der Vergangenheit dazustehen, zeigte bald auch das chinesische Kaiserreich, was es an fortschrittlichen Bildungsinstitutionen vorzuweisen hatte. Im Unterschied zur wenig entwickelten Industrie war es für die Regierung leichter, auf Erfolge auf dem Gebiet des sich rasant entwickelnden Schulwesens zu verweisen und sich wenigstens hier als nach international anerkannten Maßstäben „modern“ darzustellen. Das galt vor allem für die Weltausstellungen während der „Neuen Politik“.397 In Lüttich präsentierte man 1905 die Stadt Xiamen unter anderem mit Fotografien der 1898 gegründeten Übersetzerschule; Ningbo war mit dem Modell einer modernen Grundschule vertreten; im für jene Jahre typischen Spagat zwischen Traditionswahrung und Modernitätsbetonung 394 Han Xiaolin, Lun jindai kejia wenhua, S. 124. 395 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 5v sowie hintere Umschlaginnenseite (Plan). 396 Zu den Beiträgen Frankreichs, der USA, Deutschlands und Japans siehe Klaus Dittrich, Experts Going Transnational. Education at World Exhibitions during the Second Half of the Nineteenth Century, PhD Dissertation University of Portsmouth 2010. 397 Eine ganz ähnliche Funktion hatten die Bildungssektionen der japanischen Regierung auf den Weltausstellungen seit jener in Philadelphia 1876, siehe Daniel Hedinger, Im Wettstreit mit dem Westen. Japans Zeitalter der Ausstellungen, 1854–1941, Frankfurt a. M.: Campus 2011, S. 128.
288 4 Der Staat im Schulalltag
wurde aber auch die Kleidung eines xiucai aus dem noch bestehenden Prüfungssystem präsentiert.398 Von diesem Engagement im Ausland wie auch vom Vorbild des Ausstellungs-Booms in Japan inspiriert, fand 1905 auch die erste regionale Leistungsschau in China selbst statt.399 Im Sommer 1910 eröffnete dann die erste landesweite und sogar internationale Industrieausstellung in Nanjing ihr großes Eingangstor. Nach Plänen des britischen, in Shanghai ansässigen Architekturbüros Atkinson & Dallas waren 36 Gebäude errichtet worden. Zwischen den weiß getünchten, überwiegend einstöckigen Häusern verstreut lagen zahlreiche große und kleine Teiche und Grünanlagen. Im hinteren Teil waren eine Pferderennbahn, ein Vergnügungspark, ein kleiner Zoologischer Garten sowie eine von Geschäften flankierte Einkaufsmeile entstanden. Man konnte das Gelände stündlich in den Waggons einer Schmalspurbahn umrunden.400 Doch zuallererst stieß der Besucher gleich rechts des Eingangs auf das „Haus der Bildung“ (jiaoyuguan). In diesem Gebäude „im deutschen Baustil“ wurden, nach den Schulformen des neuen Systems unterteilt, vor allem neue Unterrichtsmaterialien und Arbeiten von Schülern (darunter zahlreiche Porträtgemälde Otto von Bismarcks, Napoleons und George Washingtons), viele Fotografien, aber auch die neuesten Bildungsstatistiken präsentiert, insgesamt rund 14.000 Exponate.401 Der Korrespondent der Frankfurter Zeitung war nur mäßig beeindruckt, schätzte aber die Wirkung auf das chinesische Publikum umso größer ein: Der Ausstellungsleitung lag besonders eine Popularisierung des modernen chinesischen Unterrichtswesens am Herzen. Man kann wohl zugeben, daß diese Absicht für den chinesischen Geschmack […] erreicht wird, wenn auch ein ordnendes Prinzip in dieser Sammlung […] nirgends ersichtlich ist. Dem noch an die alten Lehrmethoden gewöhnten chinesischen Besucher wird aber schon diese, für unsern Begriff ziemlich unsystematische und oberflächliche Darbietung eine wahre Offenbarung sein.402
398 China Imperial Maritime Customs (Hrsg.), Catalogue spécial des objets exposés dans la section chinoise. Exposition Universelle et Internationale de Liége en 1905 (3: Miscellaneous Series, No. 29), Brüssel: G. Piquart 1905, S. 2, 203, 217. 399 Hedinger, Wettstreit, S. 65. 400 Susan R. Fernsebner, Objects, Spectacle, and a Nation on Display at the Nanyang Exposition of 1910, in: Late Imperial China 27 (2006) 2, S. 99–124, hier S. 100 und passim sowie ausführlich Fernsebner, Material Modernities, S. 63–144. 401 Siehe den ursprünglich 1910 erschienenen Reisebericht Su Keqin/Yu Jieyu, Nanyang quanyehui, S. 97 sowie die poetische Schilderung eines mehrtägigen Besuchs der Ausstellung durch Wang Shuyan, Nanyang, S. 65. 402 „Briefe aus China“, Frankfurter Zeitung, 24.07.1910.
4.6 Architektur
289
Weiter hinten auf dem Gelände, das der Korrespondent als „Zusammentreffen von Neuzeit und Mittelalter“ beschrieb, fanden die Besucher – knapp 300.000 sollten es bis Ende des Jahres werden – die Halle der Provinz Guangdong, die die größte der Provinzhallen und so groß wie eine der gemeinsamen Hallen der vier teilnehmenden ausländischen Nationen – Japan, die USA, Großbritannien und das Deutsche Reich – war. Die Kaufleute Guangdongs hatten hierfür 500.000 Silberdollar aufgebracht. Von dieser Summe ließen sie in Abstimmung mit dem Schulamt ihrer Provinz zusätzlich eine eigene Halle zum Bildungswesen in Guangdong errichten – keine andere Provinz hatte eine solche vorzuweisen (Abb. 27). Unter den rund 2.500 Ausstellungsstücken waren ein Pinsel mit eingebautem Tintenreservoir und ein Mikroskop mit fünfhundertfacher Vergrößerung. Der Wille der Kaufmannschaft wie der Schulbürokratie, die Provinz an der südlichen Peripherie als besonders zivilisiert und bildungsbeflissen darzustellen, war unverkennbar. Der Gelehrte Wang Shuyan (1872–1929) aus Zhejiang zeigte sich nach seinem Besuch denn auch beeindruckt: „Das Volk von Guangdong ist reich, und mannigfach sind seine Dinge, die Bildung ist fortschrittlich – hier sieht man einen Teil davon.“403 Damit diese Erkenntnis auch beim heimischen Publikum reifte, hatte das Schulamt in Guangzhou schon 1908 immerhin 50.000 Silberliang – mehr als das Jahresbudget aller Höheren Schulen der Provinz zusammen – für die Errichtung eines eigenen „Bildungs-Museums“ (jiaoyu bowuguan) zur Seite gelegt.404 Für Shantou bemühte sich Qiu Fengjias Nachfolger an der Lingdong Handelsschule 1910, von der Ausstellung in Nanjing eine Reihe exemplarischer Handelsgüter aus verschiedenen Provinzen Chinas zu erhalten. Sein Plan war es, unweit der Schule eine Dauerausstellung einzurichten. Auf diese Weise wollte er den Schülern wie auch Kaufleuten Shantous die Vielfältigkeit der chinesischen Wirtschaft vor Augen führen und einen Anreiz zur Steigerung des Handels und der Produktion in Shantou selbst bieten.405 Selten wurden die ökonomischen Motive, die auch hinter den Bildungsreformen standen, so augenfällig wie hier. 403 „Yuesheng min yin wu bo, jiaoyu jinbu, yuci jian qi yi ban“, siehe Wang Shuyan, Nanyang, S. 60; Xuanbu Nanyang Quanye Hui Guangdong jiaoyu guan jianli zhi liyou shu (Begründung für den Bau einer eigenen „Halle der Bildung“ der Provinz Guangdong auf der Industrieausstellung in Nanjing), in: GDJYGB 1 (1910) 8, fupian, S. 228; Michael R. Godley, China’s World Fair of 1910. Lessons from a Forgotten Event, in: Modern Asian Studies 12 (1978) 3, S. 503–522, hier S. 521. 404 Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908), S. 5r. 405 Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Lingdong zhongdeng shangye xuetang jiandu Cui Jingyuan dian qing yi shang Nanyang Quanye Hui zhuo bo shangpin biaoben yi kaiban chenliesuo wen, XT 2/10/7 (08.11.1910), in: GDJYGB 1 (1910) 9, wendu, S. 257f.
290 4 Der Staat im Schulalltag
Abb. 26: Demonstration von Modernität: Panoramasicht auf das Gelände der Internationalen Industrieausstellung in Nanjing, Plakat, 1910. Im Vordergrund rechts des weißen, von einer Uhr gekrönten Haupttores das „Haus der Bildung“
Abb. 27: Selbstbewusst: Das „Haus der Bildung der Provinz Guangdong“ (Guangdong jiaoyu guan) auf der Ausstellung in Nanjing. Keine andere Provinz leistete sich einen solchen zusätzlichen Bau. Die Kaufleuten Guangdongs brachten hierfür aus eigenen Stücken 500.000 Silberdollar auf. Lithographie aus dem Bericht Wang Shuyans
4.6 Architektur
291
Auch für die Nachnutzung des Nanjinger Ausstellungsgeländes gab es übrigens Pläne: In einen Teil der Gebäude sollten Behörden einziehen, und einen anderen Teil kaufte ein Unternehmer aus Guangdong, um dort neben Industriebetrieben auch mehrere Schulen unterzubringen.406
4.6.4 Das Schulgebäude als Fotografie Wenige Jahre nach der Revolution von 1911 sollte sich der von einem westlichen Architekturideal geprägte Standard auf die gesamte Stadtarchitektur Chinas ausweiten. Geschäftsleute und die urbane Oberschicht feierten die Eröffnung jedes der immer höheren Verwaltungs-, Büro- oder Kaufhäuser – gerne als qilou mit den bald typischen Arkaden versehen – aber auch asphaltierter Straßen,
Abb. 28: Stadtmarketing: Das Hauptgebäude der Provinz-Mittelschule von Meizhou, dem vormaligen Jiaying (oben links) in europäischem Stil sowie rechts die öffentliche Uhr der Mittelschule des Kreises in einem Bildband der 1930er Jahre
406 PA AA, RAV Nanking II, 34, Nr. 1810: Wendschuch an Bethmann Hollweg, Deutsches Konsulat Nanking, 04.11.1910, S. [6].
292 4 Der Staat im Schulalltag
Brücken aus Stahl und nicht zuletzt von Schulgebäuden enthusiastisch in immer neuen Bildbänden (Abb. 28). Fast jede Präfekturstadt eiferte dem „zivilisierten“ äußeren Erscheinungsbild von Städten wie Tokio oder Shanghai nach.407 Die Betrachtung solcher Bildbände aber verzerrt unseren Eindruck des urbanen Raumes in der frühen Republikzeit, weil dabei die gewöhnlichen Häuser und erst recht die Hütten der Armen ausgeblendet bleiben. Ihr Ziel war es gerade nicht, die Gegenwart zu dokumentieren, sondern Vorbilder für die Zukunft zu schaffen. Dasselbe gilt auch schon für die vor 1912 entstandenen Fotografien, von denen ich oben einige Beispiele gegeben habe, und zwar sowohl jene staatlicher als auch jene missionarischer Schulgebäude. Genau wie zu ihrer Hochzeit in den 1920er und 1930er Jahren, feierten auch schon die frühen Aufnahmen aus der Zeit der „Neuen Politik“ eine Architektur, die für Modernität und Macht, für Hygiene und Zukunft stand, und das vermittels eines Mediums, das in sich selbst bereits den Fortschritt repräsentierte.408 So dienten auch die oben abgedruckten Fotografien, die der amtlichen Guangdong Jiaoyu Guanbao entstammen (Abb. 11, Abb. 21), in politischer Absicht als ideale Versinnbildlichung des neuen Schulwesens. Sie wurden jeweils zusammen mit dem Bild einer viel älteren, bildungsbezogenen Institution abgedruckt, zum Beispiel dem Grab des Konfuzius oder einem alten Schulgebäude (Abb. 20). Dies sollte nicht den Kontrast zwischen Neu und Alt zulasten des letzteren beschwören, sondern ganz im Sinne der generellen Linie der „Neuen Politik“ die radikalen Maßnahmen als im Einklang mit der konfuzianischen Tradition stehend porträtieren.409 Auch die Provinzregierung in Guangzhou nutzte so das Medium der Fotografie, um ihre Ideale zu propagieren und um ihre Leistungsfähigkeit zu demonstrieren. Öffentliche Sichtbarkeit wurde zu einem Kernelement der „Neuen Politik“ und, wie im Falle der statistischen Publikationen oder der Ausstellungen in China und in Übersee, zu einem wichtigen Faktor in der Erzeugung des state effect. Wie gut Fotografien sich für die Öffentlichkeitsarbeit eigneten, hat407 Stapleton, Civilizing, S. 67. Zu Jiaying siehe die reich bebilderte, an klassische difangzhi angelehnte Image-Broschüre Meixian xin wenhua she (Hrsg.), Meixian daguan (The Living Moyan), Shanghai: Shangwu yinshuguan 1936. Weit mehr solcher oft von lokalen Unternehmern finanzierter Publikationen entstanden zur Provinzhauptstadt Guangzhou, siehe Ho, Understanding, S. 36–38. 408 Ho, Virgil K. Y., Images of Houses, Houses of Images. Some Preliminary Thoughts on a Socio-Cultural History of Urban Dwellings in pre-1940s Canton, in: Christian Henriot/Wen-hsin Yeh (Hrsg.), Visualising China, 1845–1965. Moving and Still Images in Historical Narratives, Leiden, Boston: Brill 2013, S. 171–228, hier S. 180, 187f. Bilder der qilou wurden in den 1930er Jahren auch in Jiaying als Sinnbild der Stadterneuerung präsentiert, siehe Meixian xin wenhua she, Meixian daguan, S. 33–35. 409 Frölich, Warum; Kuo, Emperor, S. 136.
4.7 Finanzierung
293
ten in China als erste die Geschäftsleute und Zeitungsmacher im Shanghai der 1890er Jahre entdeckt.410 1910 unterschied sich die Regierung in Guangzhou in ihrer Nutzung von Fotos dann schon nicht mehr nicht grundsätzlich von Missionaren und anderen Ausländern, die Schulen oder Hochschulen betrieben.411 1922 beschrieb Charles Keyser Edmunds, der erwähnte Präsident des Canton Christian College in Guangzhou, seine Tätigkeit als Fotograf im Dienste der eigenen Hochschule: I was kept quite busy getting out two campaign letters to our friends in America […]; in taking numerous photographs for later reproduction in campaign literature, the negatives for which I am bringing with me […]. My sole exercise for the fifty-seven days was carrying my camera over the Campus!412
Mit solcher Propaganda allerdings konnten viele Missionare – vor allem die Pietisten aus Baden-Württemberg, die bei der Basler Mission die Mehrheit stellten – genauso wenig anfangen wie mit der chinesischen Strategie staatlicher Vorbild-Architektur. Beides sahen sie vor allem als Verschwendung von Ressourcen.413 Die Schulgebäude der „Neuen Politik“ fungierten insgesamt also durchaus als „Ausstellung“, als weithin sichtbares Pars pro Toto der Modernität des neuen staatlichen Systems. Das bedeutete für den Baustil, dass man sich – besonders bei den expliziten Musterschulen in den großen Städten – eng an leicht variierende Vorstellungen europäischer Architektur anlehnte. In kleineren Orten waren den Neubauten zwar finanzielle Grenzen gesetzt. Doch auch hier verwandelte man im Rahmen der Möglichkeiten das neue Ideal von Ordnung, Übersichtlichkeit, Sauberkeit und Rationalität in symbolische Bauten. Weil die staatlichen Schulen wegen ihrer besseren Geldquellen hier die wortwörtlich sichtbarsten Zeichen setzten, wuchs die Distanz von Staat und Gesellschaft einmal mehr.
4.7 Finanzierung In einer 1911 erschienenen Analyse zählte Paul S. Reinsch (1869–1923), bald darauf Botschafter der Vereinigten Staaten in Beijing, die „enormen finanziellen Belastungen“ zu den größten Problemen des neuen chinesischen Schulsys410 Yeh, Shanghai, S. 63–68; Rankin, Alarming, S. 58–60. 411 Siehe auch oben Kapitel 4.5.6. 412 Zit. nach Wang, Managing, S. 95; Hervorhebung von mir, H. F. 413 BMA A–1.41/25: I. und II. Quartalsbericht: Schulideal und Wirklichkeit, Schmoll an das Komitee, Kuchuk 12.05.1907, S. [5f.].
294 4 Der Staat im Schulalltag
tems.414 Und tatsächlich überstiegen die Ausgaben für alle Schulen in China zwischen 1907 und 1909 deutlich die Investitionen in Industrie und Bergbau. 1907 wurden rund 23 und 1909 schon 33 Millionen Silberdollar für Schulen aufgewendet. Diese Summe hätte nach neueren Berechnungen beinahe dreizehn Prozent der Staatseinnahmen entsprochen – wobei der Löwenanteil, wie wir sehen werden, gerade nicht vom Staat bezahlt wurde.415 Insofern kann man Reinsch’ Einschätzung nur zustimmen. Die Schulfinanzierung wurde denn auch zu dem Pferdefuß des neuen Systems. Wenn es ums Geld ging, wurden die hohen Ideale des „militärisch-bürgerlichen Geistes“ geerdet, und der lokalen Gentry wurde – insbesondere abseits der Provinzhauptstädte – klar, dass der Zentralstaat bei allen Ansprüchen kein klares Konzept zu deren Realisierung anzubieten hatte – außer, dass eben sie, die Gentry, dafür zahlen sollte. Obschon der Staat ab 1909 einlenken und sich aktiv um die lokale Finanzierung kümmern sollte, führte die Frage des Geldes wie keine andere zu Sonderwegen und Konflikten und ließ den Staat im Sinne eines negativen state effect als der lokalen Realität entrückt erscheinen. Dieses Phänomen ist bislang – wie die Schulfinanzierung selbst – kaum untersucht worden, weshalb ich beidem hier etwas mehr Raum geben will. Geht man allein von den Bildungsgesetzen aus, dann war die Finanzierung der Schulen ein blinder Fleck im neuen System. Hinsichtlich der Mittelschulen fand sie nur an wenigen Stellen überhaupt Erwähnung. So zum Beispiel in den „Regularien für die Mittelschule“ selbst, die eine Einteilung in drei Typen enthielt: Erstens die als Vorbild gedachte, „staatliche Mittelschule“ (guanli zhongxue) in der Präfekturstadt, über die es heißt, für sie müssten die Beamten das Geld bereitstellen. Ferner könne auch die lokale Gentry Mittelschulen eröffnen, für die sie die Mittel selbst beschaffen müsse. Handele es sich dabei um „öffentliche Gelder“ (gongkuan), so müsse die Schule dann auch „öffentliche Mittelschule“ (gongli zhongxue) heißen; handele sich um privates Geld, heiße die Schule „private Mittelschule“ (sili zhongxue). Für die beiden letzteren Schultypen dürfe man „buddhistische und daoistische Tempel und ähnliche Orte“ benutzen.416 Dass darüber hinaus von den Schülern Schulgeld verlangt werden musste – ausgenommen waren nur die niederen Grundschulen sowie alle Lehrerschulen – begründeten die „Grundlagen des Bildungswesens“ ausführlicher: einerseits 414 Reinsch, Intellectual, S. 200. 415 Bastid, Educational, S. 71 gibt die Staatseinnahmen 1909, gestützt auf das China Mission Yearbook 1913, noch mit „360–430 Millionen“ an. Stephen R. Halsey kommt demgegenüber auf Grundlage einer Vielzahl von Quellen für das Jahr 1909 auf rund 260 Millionen Silberdollar, siehe Halsey, Money, S. 405, Figure 1 und S. 404, Fn. 45. 416 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 326f.
4.7 Finanzierung
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mit der „äußerst dünnen Finanzdecke“ aller Provinzen; andererseits rückten sie ein pädagogisches Argument ins Zentrum: Wenn die Schüler für ihre Ausbildung nichts zahlen müssten, nähmen sie diese auch nicht ernst, „die Schule abzubrechen, erscheint ihnen dann als keine große Sache“. Man dürfe die Schüler zudem gar nicht erst daran gewöhnen, „dass sie sich auf staatliche Geldmittel verlassen“.417 Zudem wurde die Finanzierung der Mittelschulen auch deshalb so selten thematisiert, weil sie weitgehend gesichert schien. Im Unterschied zu den Grundschulen auf den Dörfern, die auf keine institutionellen Vorgänger aufbauen konnten, sollten in den Verwaltungssitzen die vorhandenen Akademien peu à peu in Mittelschulen wie auch Höhere Grundschulen umgewandelt werden. Als einer der ersten Schritte war dies bereits im August 1901 angeordnet worden. Zwei Jahre später bat Cen Chunxuan den Thron um Erlaubnis, sofort alle verbliebenen Akademien in Guangdong in moderne Schulen umwandeln zu dürfen.418 Auch um 1906 den riesigen Bau der Höheren Lehrerschule in Guangzhou (Abb. 19) zu bezahlen, veräußerte Cen nicht nur die Ländereien eines Tempels, sondern bediente sich zusätzlich an den Einnahmen der fünf größten Akademien der Stadt.419 Während für die benötigte, viel größere Zahl von einfachen Grundschulen also überhaupt erst eine finanzielle Basis geschaffen werden musste, schienen die Mittelschulen kein Problem darzustellen. Im Vergleich zur Menge und Detailliertheit der sonstigen Regularien – in der gängigsten Quellensammlung füllen die Gesetze von 1904 volle 235 Seiten – nimmt sich die Behandlung der Schulfinanzen dennoch minimal aus. Das bedeutet aber nicht, dass, wie sowohl Sally Borthwick als auch Ernest P. Schwintzer mutmaßten, die Qing die Finanzierung „vergessen“ hätten.420 Wie das teure neue Schulsystem bezahlt werden sollte, war im Grundsatz durchaus klar, nämlich hauptsächlich aus lokalen Mitteln sowie, in geringerem Maße, durch die Provinzregierungen. Während letztere vor allem für die höheren Bildungseinrichtungen zuständig sein sollten, werde, wie Gouverneur Yuan Shikai sich ausdrückte, die lokale Bevölkerung, angespornt durch den Staat, „mit Freude“ aus eigener Kraft für den Bau von Grundschulen sorgen.421 Man zählte schlicht darauf, dass die lokalen Beamten wie bisher auch mit Unterstützung der Gentry die Finanzierung zentralstaatlicher Projekte in Eigenregie sicherstellen würden. 417 Zouding xuewu gangyao (13.01.1904), S. 511. 418 Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 21. 419 Thronbericht von Generalgouverneur Cen Chunxuan, GX 32/10/2 (17.11.1906), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7219–001. 420 Borthwick, Education, S. 76; Schwintzer, Education, S. 189. 421 Zit. in: Liu Fusen/Wang Shujuan, Quanxuesuo yu jiaoyu jingfei de, in: Zhongnan Caizheng Zhengfa Daxue Yanjiusheng Xuebao (2007) 6, S. 150–155, hier S. 150; Deng, Private, S. 24f.
296 4 Der Staat im Schulalltag
Einzelne Schulgründer waren auch „cultural entrepreneurs“, die Schulen aus ökonomischen Interessen gründeten.422 In Anbetracht der neuen finanziellen Dimension aber, die ein Schulsystem für (langfristig) alle Kinder des Reiches bedeutete, war dies eine gewagte Rechnung. Anders als der Hof 1901 erwartet hatte, genügten die Besitztümer der ehemaligen Akademien mitnichten, um die Ausgaben aller Mittelschulen zu decken – zumal diese, wie wir sehen werden, nicht die einzigen waren, die auf diese Finanzierungsquelle zugriffen. 1908 zum Beispiel lagen die Ausgaben aller 27 Mittelschulen in Guangdong bei 209.951 Silberliang, ihre Einnahmen hingegen nur bei 192.279 Silberliang – sie zehrten von ihrem Vermögen.423 Dennoch ging der Plan im Grundsatz auf. Nachdem anfangs die staatlichen Musterschule in der Überzahl gewesen waren, überstieg die Menge der öffentlichen (gongli) Schulen jene rasch – allerdings zum Preis schwindenden Prestiges des Staates und wachsender Eigenständigkeit der lokalen Elite.424
4.7.1 „Büros zur Förderung der Bildung“ und die Finanzierung von Mittelschulen Ging es nach dem Bildungsministerium, dann sollte allerdings der den lokalen Akteuren anfänglich bewusst gewährte Spielraum im Gegenteil bald begrenzt werden – schließlich war die „Neue Politik“ vor allem dazu gedacht, die Kontrolle des Zentralstaates wieder zu intensivieren. Im Herbst 1906 rief das Ministerium deshalb die lokalen „Büros zur Förderung der Bildung“ ins Leben. Wie wir in Kapitel 3.4 gesehen haben, waren sie die entscheidenden Scharniere zwischen der untersten Ebene staatlicher Verwaltung und der Lokalgesellschaft. In charakteristischer Weise versuchten die Regularien dieser Büros, der lokalen Praxis einerseits eine verbindliche, reichsweit einheitliche Form zu geben. Andererseits sollten sie weder die Anpassung an lokal unterschiedliche Bedingungen unmöglich machen, noch die lokale Kreativität ersticken. 422 Christopher Rea/Nicolai Volland, Introduction, in: Dies. (Hrsg.), The Business of Culture. Cultural Entrepreneurs in China and Southeast Asia, 1900–65, Vancouver: University of British Columbia Press 2014, S. 3–9. 423 Guangdong sheng xuewu tongji zongbiao (1908), S. 1r. 424 Diese sprunghafte Entwicklung war selbstverständlich nicht allein dem liberalen Finanzierungsmodell geschuldet. Einen entscheidenden Impuls erhielt sie zum Beispiel durch die Abschaffung der Beamtenprüfungen, die die modernen Schulen zur einzig verbleibenden Karriereleiter der gelehrten Elite machte und dieser zugleich neue Beschäftigungsmöglichkeiten bot, siehe Luo Zhitian, Kejuzhi, S. 197f.; Averill, Cultural, S. 7f.; Keenan, Imperial, S. 125; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 76.
4.7 Finanzierung
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Mit der Finanzierung von Mittelschulen hatten die quanxuesuo jedoch nur wenig zu tun. Wie die wiederholte Nennung von Grundschulen sowie die Erwähnung von Dorfvorstehern in den Regularien der quanxuesuo zeigt (siehe gleich unten), dachten deren Autoren vor allem an die Organisation des ländlichen Schulwesens, das bislang fernab staatlicher Stellen gelegen hatte. Zwar existierten auch in den Städten „Büros zur Förderung der Bildung“, aber auch hier oblag ihnen in erster Linie die Förderung von Grundschulen. Gab es dort eine Mittelschule, dann berichteten die Büros zwar über diese, doch scheinen sie in deren Finanzierung nur wenig involviert gewesen zu sein.425 Ein Grund hierfür war, dass die Finanzierung wie erwähnt halbwegs gesichert schien. Immerhin besaßen die 27 Mittelschulen Guangdongs 1908 zusammen gut eine Million Silberliang in Land, Immobilien und Kapital.426 In vielen Fällen wurden Mittelschulen zudem bald nach ihrer Gründung der direkten Verwaltung durch das Provinz-Schulamt in Guangzhou unterstellt.427 Dies wiederum hing mit der starken Hierarchisierung des Schulwesens zusammen, in der sich noch die Zahlenverhältnisse des kaiserlichen Prüfungssystems spiegelten. Ähnlich wie in jenem nur ein bis zwei Prozent der Prüflinge die Tests auf der untersten Ebene hatten bestehen können, besuchte zunächst auch nur ein Bruchteil der Grundschulabsolventen im Anschluss die Mittelschule.428 Immerhin war diese nach der unteren Grundschule und der auf die Kreisstädte beschränkten, Höheren Grundschule bereits die dritte Stufe der sich nach oben rasch verschlankenden Schulpyramide. In Chaozhou kam so auf 400 Grundschulen nur eine Mittelschule. Insofern handelte es sich um prestigeträchtige Elite-Einrichtungen, um die sich offenbar der Präfekt selbst oder das Schulamt der Provinz kümmerten, nicht die lokalen quanxuesuo.429 Zum besseren Verständnis der neuen Rolle des Staates für die lokale Schulfinanzierung ist es dennoch unerlässlich, kurz auf die quanxuesuo einzugehen. In deren Regularien hieß es zunächst, der Staat habe mit der Finanzierung der dörflichen Schulen „nichts zu tun“, das Geld müsse der Dorfvorsteher vor Ort sammeln. Allerdings wurde von den quanxueyuan zugleich verlangt, dass sie vor Ort „die Erhebung von Geldmitteln für die Finanzierung der Bildung untersuchen“ und gemeinsam mit dem Dorfvorsteher eine passende Vorgehensweise erarbeiten sollten. Über deren Einhaltung sollten sie ihrem eigenen Büro berichten, das seinerseits zweimal im Jahr den lokalen Beamten in tabellarischer Form 425 426 427 wen 428 429
Gao Jun, Qing mo quanxuesuo, S. 137; An Dongqiang, Qingdai, S. 223. Guangdong sheng xuewu tongji zongbiao (1908), S. 1r. In der entsprechenden Auflistung von 1910 finden sich unter anderem die Lingdong TongXuetang und die Wuben Xuetang, siehe GDJYGB 1 (1910) 7, fupian, S. 187. Wang Lunxin, Qing mo, S. 13f. Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 50f.
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über den Stand der Dinge zu unterrichten hatte, der wiederum eine Zusammenfassung an die Provinzbehörde weiterleitete.430 Anders als er selbst behauptete, war der Staat also sehr wohl in die lokale Finanzierung involviert. Die halb-staatlichen quanxuesuo sollten, durch den lokalen Beamten überwacht, die lokale, eigentlich unabhängige Organisation der Schulfinanzen in staatskonforme Bahnen lenken. So war der Vorsteher des Büros verpflichtet zu ermitteln, wieviel Geld die Dorfgemeinschaft für Prozessionen zu Ehren lokaler Gottheiten angespart habe. Dies implizierte, dass diese Gelder für die Schulfinanzierung genutzt werden sollten. Das staatliche Schema der Schulfinanzierung diente so zugleich der Bekämpfung der unorthodoxen Volksreligion, die zum Gegenbild jener Modernität stilisiert wurde, für die die neuen Schulen standen.431 Außerdem sollten den Regularien der quanxuesuo zufolge reiche Gentry-Mitglieder, die Geld für Schulen spendeten, vom lokalen Beamten dafür mit einem Titel ausgezeichnet werden.432 Es ist leicht, angesichts dieser scheinbar intensiven staatlichen Regulierung der Akquirierung von Geldmitteln den entscheidenden Punkt zu übersehen: dass nämlich, von Ausnahmen wie den Tempeln oder den Gelder für Prozessionen abgesehen, die konkreten Finanzquellen kaum je genannt wurden. Stattdessen blieb es bei der allgemeinen Kategorie „öffentlicher Gelder“, aus denen Schulen bezahlt werden sollten. Weil es sich bei gongkuan aber um keine klar definierte, sondern um eine hochgradig interpretationsbedürftige Kategorie handelte, erwiesen sich in der lokalen Praxis auch die vermeintlich detaillierten Vorgaben als wenig hilfreich. Welche Folgen diese Unbestimmtheit für die lokale Finanzierung neuer Schulen hatte, beleuchte ich im Abschnitt „Einnahmen“. Zunächst aber wende ich mich den für eine Mittelschule nötigen Ausgaben zu.
4.7.2 Ausgaben Wo das Geld für die neuen Schulen genau herkam, war also weitgehend in das Ermessen der lokalen Akteure gestellt. Wieviel Geld aber war überhaupt nötig, um zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Osten Guangdongs eine Mittelschule zu betreiben? 430 Bildungsministerium, Xuebu zouding quanxuesuo zhangcheng (Juni 1906), S. 62–64. 431 Don C. Price, Popular and Elite Heterodoxy Toward the End of the Qing, in: Kwang-Ching Liu/Richard Hon-Chun Shek (Hrsg.), Heterodoxy in Late Imperial China, Honolulu: University of Hawaii Press 2004, S. 431–461, hier S. 433; Stapleton, Civilizing, S. 121; Prasenjit Duara, Knowledge and Power in the Discourse of Modernity. The Campaigns Against Popular Religion in Early Twentieth-Century China, in: Journal of Asian Studies 50 (1991) 1, S. 67–83. 432 Bildungsministerium, Xuebu zouding quanxuesuo zhangcheng (Juni 1906), S. 62f.
4.7 Finanzierung
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Während die staatlichen Vorschriften zur Einnahmen-Seite wenig zu sagen hatten, beeinflussten sie die Höhe der Ausgaben doch ganz wesentlich. Auf dem Papier waren die Ansprüche hoch, wie wir bereits anhand der mehr als 20 funktional differenzierten Schulräume gesehen haben. Da die Gebäude in der Realität oft enteignet oder gemietet wurden, waren die größten anfänglichen Investitionen für den Umbau zu erwarten. Hinzu kamen einmalige Ausgaben für Mobiliar und Unterrichtsmaterialien: Tische, Stühle, eine Kreidetafel; Modelle, Proben, Erklärungstafeln sowie Ausrüstungsgegenstände für den Sportunterricht; Lehrbücher und Nachschlagewerke; und schließlich für die Verwaltung zwölf verschiedene Verzeichnisse.433 Neben diesen Investitionen kamen an langfristigen Ausgaben allen voran die Gehälter der Lehrer und für mindestens drei Angestellte hinzu. Und schließlich mussten die Schüler auch verpflegt werden, wofür an den meisten Mittelschulen eigens ein Koch angestellt wurde.434 Im Vergleich mit der viel karger ausgestatteten sishu führten die staatlichen Vorschriften an den Mittelschulen also zu viel höheren Investitionen und laufenden Kosten. Genaue Angaben über diese, speziell zu Mittelschulen in OstGuangdong, fehlen. Doch Daten über andere Schulformen sowie die vom Schulamt in Guangzhou erhobenen Gesamtsummen erlauben dennoch eine näherungsweise Bestimmung. So schätzte Huang Zunxian 1905 die für eine Grundschule im Distrikt Jiaying anfallenden, einmaligen Kosten auf 200 Yuan und die laufenden Kosten auf 440 Yuan pro Jahr.435 Huangs Kalkulation sollte dazu dienen, die Gentry von Jiaying zu überzeugen, selbst Grundschulen zu gründen oder Geld dafür zu spenden. Um die nötige Summe möglichst klein zu halten, ging er deshalb davon aus, dass ein Tempel kostenfrei als Schulgebäude genutzt werden könne, und plante weder Umbaukosten noch Gehälter für Angestellte ein. Da Grundschulen immer in fußläufiger Entfernung zum Wohnort der Schüler liegen mussten, erübrigten sich auch die Kosten für ein Wohnheim.436 Insofern können wir Huangs Angaben in erster Linie entnehmen, dass Bücher und Mobiliar einer einfachen, ländlichen Grundschule im günstigsten Fall 200 Yuan kosteten, und dass das Gehalt für einen Lehrer zwischen 120 und 200
433 434 435 436
Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 335f. Ebd., S. 337. Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 548f. Ebd.
300 4 Der Staat im Schulalltag
Yuan im Jahr lag. Letztere Spanne entspricht ziemlich genau dem Gehalt, das zur gleichen Zeit Grundschullehrer in Nordchina erhielten.437 Dies war zwar eine immense Steigerung gegenüber den zehn bis 40 Yuan, die ein sishu-Lehrer auf dem Land bekam.438 Das Gehalt für städtische Mittelschullehrer lag indes oft noch deutlich höher. Das hatte zum einen damit zu tun, dass Lehrer in Städten und an höheren Schulen generell besser verdienten, zumal wenn sie einen juren- oder gar jinshi-Titel trugen.439 Ein Dozent an einer Akademie erhielt im 19. Jahrhundert etwa 350 Silberliang im Jahr. Im Jahr 1890 verdiente der Leiter der Hanshan-Akademie in Chaozhou 400 Silberliang.440 Zum anderen herrschte, wie wir oben gesehen haben, gerade an Lehrern für die neuen Fächer großer Mangel, was die Gehälter für diese Gruppe in die Höhe trieb. Viele japanische Lehrer kamen zu jener Zeit nach China, weil sie dort viel mehr verdienen konnten als in der Heimat.441 Ein japanischer Lehrer an der Dongshan-Lehrerschule erhielt zum Beispiel ein Jahressalär von 1.000 Yuan.442 Schon zwischen den spartanischen, öffentlichen Grundschulen, wie Huang sie propagierte, und den staatlichen „Musterschulen“ in den Kreisstädten lagen deshalb Welten. Dies zeigt die Kostenordnung der staatlichen Chaoyang Xuetang in der gleichnamigen Kreisstadt, die ebenfalls eine Grundschule war. Hier verdiente der Oberlehrer pro Jahr 600 Yuan, jeder der drei weiteren Lehrer (für Chinesisch, westliche Wissenschaften und Mathematik) verdiente 300 Yuan. Außerdem wurden ein Unterrichtsaufseher sowie ein Assistent eingestellt, die im Jahr 240 beziehungsweise 144 Yuan erhielten. Damit betrugen die Ausgaben allein für die Pädagogen zusammen 1.884 Yuan im Jahr. Hinzu kamen: ein Buchhalter mit 84 Yuan Jahresgehalt, ein Torwächter, zwei Köche und ein Wasserträger (je 78 Yuan) sowie drei Putzkräfte (je 60 Yuan). So lagen die jährlichen Personalkosten insgesamt bei 2.460 Yuan.443 437 VanderVen, A School in Every Village, S. 82. 438 Rawski, Education, S. 54f.; Reinsch, Intellectual, S. 201. Die karge Entlohnung der Lehrer in den Dörfern ermöglichte es der Berliner Mission und anderen Gesellschaften, diese gegen einen geringen Gehaltszuschuss zu verpflichten, im Unterricht christliche Lehrbücher zu verwenden, siehe Amir Moghaddass Esfehani, Belehrung oder Bekehrung? Ziele und Wirkungen des protestantischen Schulwesens in China am Beispiel der Schulen der Berliner Missionsgesellschaft in Guangdong 1905–1925, Magisterarbeit, Freie Universität Berlin 1999, S. 8, Fn. 17. 439 Cong, Teacher, S. 25; Rawski, Education, S. 59. 440 Chang Chung-li, The Income of the Chinese Gentry. A Sequel to The Chinese Gentry, Studies on Their Role in 19th Century Chinese Society, Seattle: University of Washington Press 1962, S. 105; Liu Boji, Guangdong shuyuan zhidu, S. 268. 441 Abe, Borrowing, S. 73. 442 LDRB GX 31/12/23 (17.01.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v. 443 LDRB GX 29/7/10 (01.09.1903), Chao Jia xinwen, S. 3r f.
4.7 Finanzierung
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Eine der wenigen Mittelschulen, von der ein genauer Finanzbericht erhalten ist, ist die 1902 von dem konservativen Gelehrten Ding Renchang (1860– 1926) gegründete „Schule zur Unterweisung in Loyalität“ (Jiaozhong Xuetang) in Guangzhou, die 1906 in eine Lehrerschule umgewandelt werden sollte.444 Auch hier wurde eine Mischung aus westlichem und chinesischem Wissen gelehrt, so dass die Schule auch hinsichtlich der Zusammensetzung ihrer Lehrerschaft gut mit den Mittelschulen im Osten der Provinz vergleichbar ist. Weitgehend aus Spenden finanziert, gab die Jiaozhong Xuetang in den ersten sechs Monaten zwischen ihrer Gründung und dem Ende des Jahres 1902 insgesamt 5.083 Silberliang aus. Knapp die Hälfte – 2.506 Silberliang – fielen dabei für Gehälter, Wegegelder und Zulagen an. Die Aufwendungen für die acht Lehrer wiederum machten mit 1.823 Silberliang knapp 73 Prozent der Personalkosten aus. Das Einkommen der einzelnen Lehrer war in dieser Zeit breit gefächert und lag zwischen knapp 90 und gut 600 Silberliang, was den Einfluss von Titeln und Renomée auf das Gehalt verdeutlicht. Weitere 491 Silberliang oder knapp 20 Prozent strichen die drei Direktoren und Manager der Schule ein. Der Unterrichtsaufseher erhielt 120 Silberliang, und die übrigen fünf Angestellten mussten sich mit je zwölf bis 27 Silberliang begnügen.445 Im darauffolgenden Jahr, dem ersten vollen Unterrichtsjahr, verdreifachten sich die Gesamtausgaben nahezu und stiegen auf 14.121 Silberliang, während sich die Personalkosten auf knapp 4.762 Silberliang verdoppelten. Das lag daran, dass die Zahl der Lehrer von acht auf zwölf gestiegen war, und dass diese nun ein volles Jahr zu unterrichten hatten. Nur weil einmalige Ausgaben wie im Gründungsjahr entfielen und der Posten des Unterrichtsaufsehers unbesetzt blieb, lag die Summe der Gehälter nicht noch höher. Auf die zwölf Lehrer entfielen nun 3.769 Silberliang oder 79 Prozent der Personalkosten; die vier Direktoren und Manager erhielten zusammen 845 Silberliang oder 18 Prozent; für die sechs Angestellten blieben insgesamt gerade einmal 148 Silberliang.446 444 Der Name der Schule bezeugt die Intention ihres Gründers: Ding Renchang gehörte zur Gentry von Panyu, war jinshi und Mitglied der Hanlin-Akademie sowie Berater der Schulbehörde der Provinz. Er sah den zunehmenden Einfluss ausländischer Lehrer und republikanischer Lehren, insbesondere am Canton Christian College, äußerst kritisch, siehe Miles, Out, S. 50f.; Shen Qionglou, Guangzhou de shuyuan yu xuetang, in: Guangzhou wenshi ziliao 52 (1998); Ching May-bo, Literary, Ethnic or Territorial? Definitions of Guangdong Culture in the Late Qing and the Early Republic, in: Tao Tao Liu/David Faure (Hrsg.), Unity and Diversity. Local Cultures and Identities in China, Hong Kong: Hong Kong University Press 1996, S. 51–66, hier S. 53; Panyu shi difangzhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Panyu xianzhi, Foshan: Guangdong renmin chubanshe 1995, S. 978. 445 Jiaozhong xuetang zhengxin lu (1902), S. 5r–6r. 446 Jiaozhong xuetang (Hrsg.), Jiaozhong xuetang zhengxin lu, Guangzhou 1903 [Sun Yat-sen Bibliothek, Guangzhou].
302 4 Der Staat im Schulalltag
Diese Zahlen decken sich weitgehend mit jenen aus der Küstenstadt Chaoyang. Aber sie scheinen auch für eine Stadt im Landesinnern wie Jiaying gegolten zu haben: Dort hatte Huang Zunxian das Jahressalär eines Grundschullehrers wie erwähnt auf 120 bis 200 Yuan geschätzt. 1908 zahlte die Basler Mission dem Englischlehrer an ihrer Mittelschule 250 Silberliang, und die konkurrierende Wuben Xuetang bot gar 400 Silberliang Jahresgehalt, um ihn abzuwerben.447 Die Baptisten zahlten dem chinesischen Lehrer ihres Internats 300 Silberliang im Jahr.448 Die Kosten für das übrige Personal fielen auch hier im Inland vergleichsweise wenig ins Gewicht: Der Koch an der Mittelschule der Basler Mission verdiente 60 Silberliang im Jahr und damit geringfügig weniger als sein Kollege an der staatlichen Schule flußabwärts in Chaoyang.449 Wir können also von einem Jahresgehalt von etwa 300 Silberliang für einen Mittelschullehrer in den Städten Guangdongs ausgehen, wobei wie gesagt individuelle Qualifikationen zu deutlichen Abweichungen führen konnten. Die Gehälter für die übrigen Angestellten machten nur etwa ein Viertel der Personalkosten aus. Die größtenteils einmaligen Ausgaben für Mobiliar und Lehrmittel nahmen sich dagegen auf den ersten Blick bescheiden aus. 1910 veranschlagte das Schulamt der Provinz für einen Pinsel je Schüler einen fen, für einen Tuschestein je fünf Schüler einen jiao, für eine tönerne Tuscheschale je zehn Schüler drei fen und für 400 Blatt Papier je zehn Schüler zwei jiao – für gerade einmal einen Silberliang ließen sich also 30 Schüler mit dem Nötigsten ausrüsten. Den Leitern der Wuben Xuetang fiel es daher auch nicht schwer, die Übernahme dieser Kosten durch die Schule zu versprechen.450 Für eine Mittelschule kamen aber noch etliche Ausgaben hinzu, die jedoch meist nicht überliefert sind. Eine Ausnahme bildet erneut die Jiaozhong Xuetang, an der die zusätzlichen Kosten besonders hoch waren. Allein für 104 verschiedene Bücher – darunter viele Werke über Naturwissenschaften, Geschichte, Militärkunde und Hygiene – sowie für Landkarten wandte die Schule 1902 zusammen 562 Silberliang auf. Für die Renovierung eines Schulgebäudes wurden weitere 653 Silberliang fällig. Immerhin 47 Silberliang kostete der gesetzlich vorgeschriebene Druck des Stundenplans und der Schulordnung. Kaum weniger Silber – 39 liang – investierten die Gründer in mehrere Tafelinschriften, die sie über verschiedenen Eingängen aufhängen ließen. 447 BMA A–1.44/212: Lindenmeyer an den Inspektor (Oehler), Kayintschu 21.04.1908, S. [20f.]. 448 ABHS BIM: John Harry Giffin, letter to Thomas S. Barbour, Jiaying 27.11.1909, official correspondence. 449 BMA A–6–3,3 Jahresrechnungen China 1896–1909, Jahresrechnung pro 1908, S. 39. 450 Jianyi shizi xueshu zhangcheng (10.09.1910), in: GDJYGB 1 (1910) 8, wendu, S. 210–226, hier: S. 219r f.; Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 5v.
4.7 Finanzierung
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Ganz erheblich waren auch die Ausgaben für die Aufnahmeprüfung, die die Mittelschulen in Jiaying, Chaozhou und Shantou ja ebenfalls veranstalteten. Hierfür mieteten die Leiter der Jiaozhong Xuetang 1902 eigens die bereits erwähnte, riesige Prüfungshalle in Guangzhou, verköstigte Prüfer und Kandidaten, stellte ihnen Papier, Pinsel und Tusche zur Verfügung, zahlte Reisegelder aus, beschäftigte allerlei Aufseher, Diener und Handwerker und kam am Ende auf Kosten von 130 Silberliang. Vor Eröffnung der Schule mussten außerdem Vertreter verschiedener Behörden bewirtet werden, Anzeigen in der Zeitung mussten bezahlt werden und so weiter, was zusammen 83 Silberliang ergab. Insgesamt gab die Schule so zusätzlich zu den 2.506 Silberliang für Gehälter im ersten Jahr noch einmal 2.577 Silberliang aus.451 Solche Investitionssummen scheinen aber die Ausnahme gewesen zu sein. In der Finanzordnung der oben erwähnten Grundschule, der staatlichen Chaoyang Xuetang, tauchten Baumaßnahmen zum Beispiel gar nicht auf. Den größten Posten jenseits der Personalkosten machten hier mit 200 Yuan die Preisgelder für die Besten der zwei jährlichen Prüfungen aus; ferner gab man 160 Yuan für neue Bücher aus, 50 Yuan für Büromaterial und Aushänge, 24 Yuan für Wasser, Brennholz und Lampenöl sowie 134 Yuan für verschiedene Gebühren.452 Gehälter machten also das Gros der Kosten einer Schule aus, während die Betriebs- und Baukosten bemerkenswert gering waren. Diese aus überlieferten Einzelfällen gewonnenen Zahlen werden durch eine Statistik des Schulamtes von Guangdong bestätigt. Die jährlichen Kosten jeder der 27 Mittelschulen Guangdongs lagen im Jahr 1908 demzufolge bei durchschnittlich 7.777 Silberliang. Die Lehrergehälter bildeten dabei mit 39 Prozent der Ausgaben den größten Posten. An zweiter Stelle folgten Essen und Kleidung, dann die Gehälter der 451 Jiaozhong xuetang zhengxin lu (1902), S. 7r–27r. 452 LDRB GX 29/7/10 (01.09.1903), Chao Jia xinwen, S. 3r f. Die schwierige Anfangszeit des modernen Schulsystems konnte freilich auch bei der Beschaffung von Unterrichtsgegenständen zu unvorhergesehenen Mehrausgaben (und Verzögerungen) führen: Als die Lingdong Tongwen Xuetang 1905 für den Unterricht in Chemie und Physik mehrere Geräte benötigte, sandten die Lehrer zunächst 300 Yuan an das Schulamt in Guangzhou mit der Bitte, die Geräte zu kaufen. Als ein Abgesandter sie in der Provinzhauptstadt abholen wollte, wurde ihm jedoch mitgeteilt, die Geräte seien mittlerweile an eine andere Schule gegeben worden. Weil der Chemie- und Physiklehrer nun keinen Unterricht machen konnte, kündigte er. Anfang 1906 schließlich forderte das Schulamt eine Nachzahlung von 140 Yuan, doch als erneut ein Abgesandter zur Abholung erschien, waren die Geräte schon wieder anderweitig vergeben. Der Abgesandte forderte das Geld zurück, doch ohne Erfolg. Aus Angst, dass auch der neue Lehrer kündigen könnte, brachte die Schulleitung noch einmal einige hundert Yuan auf und schickte diesmal den Lehrer persönlich nach Shanghai, damit er die Geräte dort kaufe, siehe LDRB GX 32/3/6 (30.03.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
304 4 Der Staat im Schulalltag
leitenden Angestellten. Alle weiteren Kosten zusammen machten gerade einmal ein Viertel der Gesamtausgaben aus. Auffällig ist insbesondere, dass die Baukosten bei nur drei Prozent lagen und diejenigen für Miete (und Steuern) bei weniger als einem Prozent.453 Insgesamt kostete eine Mittelschule damit etwa das Zehnfache einer durchschnittlichen Grundschule, bot dafür aber auch bessere Bedingungen sowie mehr und höher gebildete Lehrer. Im Gegenzug nahm sie auch ein höheres Schulgeld. Dennoch war dieses noch weiter davon entfernt als im Falle der Grundschulen, die Kosten zu decken. Wie es den Mittelschulen dennoch gelang, ihre Ausgaben zu finanzieren, ist die wohl komplexeste Detailfrage dieses Kapitels; zugleich aber spielt sie für die Erzeugung des state effect durch die „Neue Politik“ eine entscheidende Rolle.
4.7.3 Einnahmen Die Finanzierung der neuen Schulen knüpfte in vielem an bekannte Arrangements des 19. Jahrhunderts und früherer Zeiten an.454 Das zentrale Bildungsministerium finanzierte weiterhin lediglich zentrale Schulen wie die kaiserliche Universität in Beijing, und zwar aus Zinsen eigener Anlagen sowie aus den Steuern der einzelnen Provinzen; alles andere jedoch musste jeweils lokal aufgebracht werden.455 Die Schuleinnahmen bestanden, wie schon im 18. und 19. Jahrhundert, im Wesentlichen aus Landbesitz, Immobilienbesitz, Kapitalzinsen sowie staatlichen Zuschüssen der Lokal- oder Provinzregierung.456 Neu waren hingegen die wachsende Bedeutung von Spenden und vor allem die Erhebung Dutzender lokaler Sondersteuern und -abgaben. Lokale Ausgaben wurden also weiterhin nicht aus einem allgemeinen Steueraufkommen beglichen. Stattdessen musste für jede Ausgabe eine eigene, spezifische Einnahmequelle gefunden werden.457 Nur deshalb war für jeden gleich zu erkennen, welchem Zweck welche Gelder dienen sollten. Gerade daher kam es zu gewaltsamen Übergriffen auf einzelne neue Schulen, weil klar war, wofür zum Beispiel eine „Zuwendung der 453 Guangdong sheng xuewu suichu leibie tongjibiao yi yi xuewu fen, für GX 34 [1908], in: GDJYGB 1 (1910) 4, baogao, S. 53r; Guangdong sheng xuewu tongji zongbiao (1908), S. 1r. 454 Shang Lihao, Jindai xuetang; Ders., Lun zhongyang. 455 Ders., Lun zhongyang, S. 55f. 456 Elman, From Philosophy, S. 135f. 457 Morse, Trade, S. 82f.; Guangdong qingli caizheng ju, Guangdong qingli caizhengju huibian si ju deng ku Xuantong er nian chunji fen shoukuan baogao ce [1910], in: Sang Bing (Hrsg.), Sanbian Qingdai gao chaoben, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 2007–2010, Bd. 50, S. 135–169, hier S. 146–150.
4.7 Finanzierung
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Glücksspielunternehmer zugunsten des Schulbudgets“ (dushang baoxiao xuefei) erhoben wurde.458 Reichte diese nicht aus, musste der Lokalbeamte selbst mit seinem eigenen – regulären wie irregulären – Einkommen die Ausgaben bezuschussen.459 Dass die Regierung 1909 daran ging, einen reichsweiten Haushalt aufzustellen, der mit dem alten Prinzip gebrochen hätte, änderte an der Realität der „Neuen Politik“ zunächst nichts.460 Das xuebu schaffte es bis 1911 trotz der Aufstellung von Regeln kaum, die lokale Finanzierung von Schulen zu kontrollieren. Am ehesten gelang dies noch in Bezug auf die Festsetzung von Schulgeldern der Schüler, aber dies war einer der kleinsten Posten im Budget.461 Die Konsequenz war, dass das neue Bildungssystem deutlich unterfinanziert war. Das bedeutet nicht, dass es dem Zentralstaat nicht gelungen wäre, enorme Summen zu mobilisieren. Zwischen 1885 und 1911 vervierfachten sich die jährlichen Staatseinnahmen von rund 75 auf beinahe 300 Millionen Silberliang.462 Darin waren die lokalen Gemeindemittel (gongkuan), Schulgebühren und Spenden, die zusammen mehr als die Hälfte des Schulbudgets ausmachten, noch gar nicht eingerechnet. Und doch: Die Staatsausgaben, die zumal für Reparationszahlungen, Auslandsschulden und für das Modernisierungsprogramm ab 1901 nötig waren, stiegen noch schneller als die Einnahmen. Im Budget-Entwurf des Jahres 1911 standen den vor allem aus Land-, Salz- und Transportsteuer (lijin) sowie dem Seezoll erzielten Einnahmen von knapp 300 Millionen Ausgaben in Höhe von 376 Millionen Silberliang gegenüber.463 Einnahmen laut der amtlichen Statistik Wir betrachten die Finanzquellen der Mittelschulen in Jiaying, Chaozhou und Shantou zunächst durch die Brille der zeitgenössischen Statistiken. Durch die Suggestion von Eindeutigkeit trugen diese wie erwähnt wesentlich zum state effect bei. Auf den zweiten Blick werden wir feststellen, wie mehrdeutig und vor allem konfliktträchtig die Realität hinter der Statistik war. Auf dem höchsten, dem zentralstaatlichen Abstraktionsniveau, gliederte das Bildungsministerium die Einnahmen der Schulen in acht Kategorien: Pacht458 Guangdong caizheng shuoming shu [1910], in: Sang Bing (Hrsg.), Sanbian Qingdai gao chaoben, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 2007–2010, Bd. 89, S. 1–403, hier S. 144. 459 Ch’ü T’ung-Tsu, Local, S. 26. 460 Hickey, Bureaucratic, Kapitel 4; Paul Christopher Hickey, Fee-Taking, Salary Reform and the Structure of State Power in late Qing China, 1909–1911, in: Modern China 17 (1991) 3, S. 389–417. 461 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 298. 462 Halsey, Money, S. 405; vgl. oben S. 294, Fn. 415. 463 Chen Shao-Kwan, System, S. 43f.
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einnahmen aus Landbesitz (chanye zuru), Zinseinnahmen aus Finanzkapital (cunkuan lixi), staatliche Bewilligungen (guankuan bogei), öffentliche Gelder (gongkuan), Schulgebühren, staatlich verfügte Abgaben (paijuan), Spenden (lejuan) sowie „diverse Einnahmen“ (zaru).464 Für das Jahr 1907 ergaben sich in der Provinz Guangdong Gesamteinnahmen von gut einer Million Silberliang. Den mit Abstand höchsten Anteil an dieser Summe – mit der Guangdong in absoluten Zahlen den fünften Platz hinter Hubei, Zhili, Sichuan und Fengtian belegte – hatten die „öffentlichen Gelder“ (vor allem lokales Gemeindeeigentum, siehe unten), gefolgt von staatlichen Bewilligungen, Schulgebühren und Pachteinnahmen. Kaum eine Rolle spielten hingegen Zinseinnahmen sowie Einnahmen aus Steuern und Abgaben.465 Während sich die Gesamteinnahmen bis 1909 fast verdoppelten, sank der Anteil der öffentlichen Gelder auf weniger als ein Viertel, während die staatlichen Bewilligungen von 18 Prozent auf ein Drittel stiegen. Der Anteil der Schulgebühren stieg ebenfalls an. Die Pachteinnahmen aber stagnierten in absoluten Zahlen, so dass ihr Anteil von zehn auf sieben Prozent sank.466 Der kontinuierliche Anstieg der Staatsquote war nicht zuletzt auf Generalgouverneur Cen Chunxuan zurückzuführen. Der hatte schon 1906, alarmiert durch einen Bericht des Bildungsamtes in Guangzhou, demzufolge der Provinz für neue Schulen jährlich 473.000 Silberliang fehlten, eine Reihe staatlicher Quellen angezapft: Unter anderem sollten die Budgets der Guangya-Akademie und des GuangyaVerlages, Pachteinnahmen staatlicher Ländereien, die Gewinne zweier im Besitz des Staates befindlicher Fabriken sowie der jährliche Zuwachs der Transportsteuer komplett an das Bildungsamt fließen.467 Ein vergleichender Blick auf andere Provinzen verdeutlicht, dass die „Neue Politik“, statt wie intendiert die Nation zu homogenisieren, an unterschiedlichen Orten auch ganz unterschiedlich umgesetzt wurde. Unter den so entstehenden „lokalen Staaten“ (Elizabeth J. Remick) habe ich die Provinzen Zhejiang, Hubei und Zhili zum Vergleich ausgewählt, da zu allen drei bereits detaillierte Studien vorliegen.468 Dabei wird deutlich, dass in Guangdong nicht nur 464 Bildungsministerium (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. 21 und passim. 465 Ebd., S. 747. Bezeichnenderweise ist auch die allererste der oben in Kapitel 3.1 beschriebenen, farbigen Graphiken dem „Ranking“ der Provinzen nach ihren Bildungseinnahmen gewidmet. 466 Bildungsministerium (Hrsg.), Di er ci jiaoyu tongji tubiao (1910), Bd. 2, S. 312; Bildungsministerium (Hrsg.), Di san ci jiaoyu tongji tubiao (1911), Bd. 4, S. 324. 467 Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908) [hinterer Teil], S. 10r. 468 Die folgenden Angaben stützen sich auf: Bildungsministerium (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. 95, 564, 656, 747; Bildungsministerium (Hrsg.), Di er ci jiaoyu tongji tubiao (1910), Bd. 1, S. 152; Bd.2, S. 61, 153, 312; Bildungsministerium (Hrsg.), Di san ci jiaoyu
4.7 Finanzierung
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die Staatsquote relativ hoch war, sondern dass auch die „öffentlichen Gelder“ nirgends eine so wichtige Rolle spielten wie hier. Ihre Dominanz in Guangdong korrespondiert mit dem Anteil öffentlicher Schulen, der bereits im Jahr 1907 mit 64 Prozent (997 von 1.546 Schulen) ebenfalls zu den höchsten in ganz China zählte.469 Bis 1909 sollte er weiter auf 83 Prozent (1.413 von 1.693 Schulen) steigen.470 Ein Grund hierfür war sicherlich der hohe Anteil von Klanschulen in Guangdong, die in der Statistik als gongli xuetang gezählt wurden. Doch Klanschulen waren fast ausnahmslos Grundschulen. Von den hier untersuchten Mittelschulen war keine eine Klanschule. Damit präsentiert Guangdong im Bereich der Mittelschulen – anders als bei den Grundschulen – keinen Sonderfall. Auch in anderen Provinzen war ja deutlich, dass von Schulstufe zu Schulstufe der Anteil staatlicher Einrichtungen gegenüber öffentlichen und privaten drastisch zunahm. Hochschulen waren ausnahmslos in staatlicher Hand. Insofern blieb es auch nach 1905 bei der engen Verbindung zwischen Staat und Ausbildung der Elite, die durch die Abschaffung der Staatsprüfungen vermeintlich gekappt worden war. Auffallend hohe, absolute Zahlen von Schulen hatte die Provinz Zhili in Nordchina vorzuweisen, wo zudem der Anteil staatlicher Schulen mit gut 20 Prozent im Jahr 1909 überdurchschnittlich war. Dies ist auf das frühe Engagement Yuan Shikais als Gouverneur zurückzuführen. Yuan hatte bereits von 1900 bis 1901 in Shandong ein ganz an Japan orientiertes Schulsystem aufgebaut, das die Kaiserinwitwe Ende 1901 zum Modell für ganz China erklärte.471 Engagiert trieb er dann zwischen Ende 1901 und 1907 das neue Schulsystem in Zhili voran, das Cixi 1904 wiederum zum nationalen Vorbild erhob. Dabei hatte er die volle Unterstützung der Eliten in Stadt und Land, und Zhili wurde zum Pionier moderner Schulen. Seit 1901 erschien dort mit der Beiyang Xuebao zudem die erste staatliche Bildungszeitschrift Chinas, die zum Vorbild für all die jiaoyu guanbao der anderen Provinzen wurde. Es kann nicht verwundern, dass die Kaiserinwitwe das Bildungsministerium bei seiner Gründung 1905 mit einer
tongji tubiao (1911), Bd. 3, S. 157; Bd. 4, S. 61, 159, 324. Ein Vergleich mit Sichuan wäre ebenfalls aufschlussreich gewesen, doch hatte diese Provinz für 1907 derart lückenhafte Angaben nach Beijing weitergeleitet, dass das Bildungsministerium keine detaillierte Statistik veröffentlichen wollte. Die einschlägige Untersuchung zu Sichuan, die sich allerdings auf die Polizei und nicht auf das Schulsystem konzentriert, wäre Stapleton, Civilizing. 469 Bildungsministerium (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. 36; einen noch höheren Anteil hatten nur Henan (56 Prozent oder 941 von 1.685 Schulen), Jiangsu (62 Prozent oder 590 von 952 Schulen) und Zhejiang (73 Prozent oder 322 von 439 Schulen). 470 Bildungsministerium (Hrsg.), Di er ci jiaoyu tongji tubiao (1910), Bd. 3, S. 92f. 471 MacKinnon, Power, S. 28, 138.
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Vielzahl erfahrener Mitarbeiter aus Yuan Shikais Schulverwaltung in Zhili besetzte.472 Ähnlich, wenn auch später und in kleinerem Maßstab, verlief die Entwicklung in Hubei. Hier war es vor allem Zhang Zhidong als Generalgouverneur, der den Ausbau von Hoch-, Mittel- und Grundschulen forderte und durch Abgabensenkungen und direkte Finanzhilfen förderte. Doch weil die Gentry von Hubei insgesamt konservativer war, stießen Zhangs Initiativen auf ein verhalteneres Echo als in Zhili. So ergaben sich gegenüber den anderen Provinzen deutlich erhöhte Staatsquoten. Dass den in absoluten Zahlen enormen staatlichen Investitionen in die Bildung in Hubei keine ebenso enorme, absolute Anzahl von Schulen gegenüberstand – in Zhili unterhielt man 1909 bei geringeren Gesamtausgaben mehr als dreimal so viele Schulen wie in Hubei – ist wiederum Zhang Zhidongs überdurchschnittlicher Förderung weniger Elite-Schulen in der Provinzhauptstadt Wuchang zuzuschreiben.473 Am meisten ähnelte die Situation in Guangdong den Verhältnissen in Zhejiang südlich von Shanghai. Den geringen Anteil staatlicher Schulen und staatlicher Finanzierung in beiden Provinzen hat Mary Backus Rankin den „ähnlichen gesellschaftlichen Merkmalen der zentralen und südlichen Kernregionen an der Küste“ zugeschrieben, die allesamt Zentren des internationalen Handels waren. Diese Merkmale – insbesondere eine hohe Akzeptanz für neue Bildungsinhalte, ein gesteigertes Verantwortungsgefühl der Eliten für das Gemeinwohl, ein Interesse am Prestigegewinn durch ein „modernes“ Erscheinungsbild sowie der enge Kontakt mit der chinesischen Diaspora – erklären auch, warum es in diesen Provinzen überhaupt zu einem Wachstum des neuen Systems kommen konnte, obwohl es hier keine Gouverneure gab, die die Reformagenda mit derselben Vehemenz vorangetrieben hätten wie Yuan Shikai oder Zhang Zhidong.474 Mit dieser überzeugenden Rückführung des Booms öffentlicher Schulen auf das Engagement einer an den praktischen Chancen wie am Prestige moderner Bildung interessierten Elite entlang der Küste entwertet Rankin freilich zugleich ihr eigenes Argument, demzufolge erst die Übernahme ehemaliger Staatsfunktionen durch die Gentry infolge des Taiping-Aufstand Mitte des 19. Jahrhunderts die Gentry von Zhejiang auf ihre prominente Rolle in der „Neuen Politik“ vorbereitet habe. Die Zahlen zeigen, dass die Gentry Guangdongs sich
472 Ebd., S. 146–150; Li Siyi, Qingmo 10 nian guanbao huodong gaimao, in: Xinwen yanjiu ziliao (1991) 55, S. 127–144; Roger R. Thompson, New-Style Gazettes and Provincial Reports in Post-Boxer China. An Introduction and Assessment, in: Late Imperial China 8 (1987) 2, S. 78– 97, hier S. 81; Shanghai tushuguan, Zhongguo jindai qikan pianmu huilu, Bd. 2, S. 1743–1753. 473 Esherick, Reform, S. 42, 44f. 474 Rankin, Elite, S. 221–223.
4.7 Finanzierung
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mindestens ebenso für neue Schulen engagierte – obwohl ihre Provinz vom Aufstand der Taiping fast komplett unberührt geblieben war. Sowohl in der Präfektur Chaozhou als auch in dem Distrikt Jiaying wich die Verteilung der Einkunftsarten der Mittelschulen deutlich vom oben skizzierten Trend der gesamten Provinz ab.475 Zwar stiegen die Gesamteinnahmen auch in Jiaying und Chaozhou zwischen 1907 und 1909 kontinuierlich an. Doch der Anteil der Schulgebühren pendelte dabei immer um 30 Prozent und war damit doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Provinz. Dies lag unter anderem daran, dass umgekehrt die staatlichen Zuwendungen, die vor allem von der Provinzregierung in Guangzhou kamen, viel spärlicher floßen als in der Provinzhauptstadt. So erreichte Chaozhou stets weniger als ein Drittel der provinzweiten Durchschnitts-Quote, die bald bei 30 Prozent lag, und Jiaying gar nur ein Sechstel. Dennoch war auch der Anteil der „öffentlichen Gelder“ im Jahr 1907 in beiden Regionen deutlich kleiner als die 41 Prozent, die für ganz Guangdong gemessen wurden, während er in den Folgejahren auf demselben Niveau wie der nun gesunkene Provinz-Mittelwert lag. Auch die Schulgebühren konnten den Fehlbetrag nicht ausgleichen. In Jiaying war stattdessen die Spendenquote dramatisch erhöht: 1907 wurde ein Fünftel aller Schulausgaben aus Spenden finanziert, mehr als dreimal so viel wie in ganz Guangdong. Auch 1908 und 1909 war der Anteil mit einem Achtel noch knapp doppelt so hoch wie im Rest der Provinz. Es war wohl kein Zufall, dass Huang Zunxian schon 1904 die „Spenden reicher Leute“ als erste Einnahmequelle moderner Schulen in Jiaying genannt hatte.476 Auch in Chaozhou war der Spendenanteil mit bis zu 25 Prozent deutlich erhöht. Dies galt jedoch nur für die öffentlichen und privaten Schulen, während die staatlichen den Mangel an Zuwendungen aus Guangzhou durch die deutlich höheren Pachteinnahmen ausgleichen konnten, weil die Stadt mit dem Jinshan Shuyuan Zugang zu Pachteinnahmen einer extrem wohlhabenden Akademie hatte. Während im Kreis Chaozhou das Schulland beinahe 15 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche umfasste, war es in Jiaying nur gut ein halbes Prozent.477 Während der Anteil der Zinseinnahmen überall im niedrigen einstelligen Bereich blieb, zeigen sich deutliche Abweichungen bei zwei weiteren, größeren 475 Alle folgenden Angaben stützen sich auf: Bildungsministerium (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao (1909), S. 744f.; Bildungsministerium (Hrsg.), Di er ci jiaoyu tongji tubiao (1910), Bd. 2, S. 308f.; Bildungsministerium (Hrsg.), Di san ci jiaoyu tongji tubiao (1911), Bd. 4, S. 320f. 476 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 549. 477 Wang Jixun, Qingdai xuetian ge’an yanjiu. Guangdong xuetian, in: Qilu xuekan (2004) 2, S. 59–63, hier S. 59.
310 4 Der Staat im Schulalltag
Posten: Erstens trugen lokale Abgaben, die der Lokalbeamte oder der Daotai erhoben, in Guangdong insgesamt immer nur drei bis vier Prozent zu den Bildungseinnahmen bei. In Jiaying hingegen waren es zehn Prozent, in Chaozhou immerhin rund sechs Prozent. Dass diese niedrigen Werte nicht zusammen passen mit den viel zitierten Protesten gegen neue Schulen, liegt daran, dass, zweitens, zusätzlich zu den staatlich verfügten, vom Lokalbeamten eingenommenen Abgaben (paijuan) auch noch die Gentry selbst Abgaben erhob, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach hinter der Kategorie der „diversen Einnahmen“ (zaru) verbergen.478 Deren Anteil war in Ost-Guangdong beinahe doppelt so hoch wie andernorts. In Jiaying stieg dieser Wert binnen drei Jahren von vier auf 21 Prozent, oder, in absoluten Zahlen, von 2.914 auf 24.126 Silberliang. Der Unmut, für den dies unter den betroffenen Kaufleuten sorgte, wird uns noch beschäftigen. Insgesamt flossen in Jiaying und Chaozhou, weitab vom Zentrum der Provinz, etwas weniger Gemeindeeigentum („öffentliche Gelder“) und deutlich weniger staatliche Zuwendungen aus Guangzhou in das Schulbudget ein. Stattdessen spielten in beiden Fällen die Schulgebühren sowie staatlich verfügte Abgaben eine überdurchschnittliche Rolle, und mehr noch die Abgaben, die die Gentry erhob. Chaozhou erzielte zudem für seine staatlichen Schulen höhere Einnahmen aus der Verpachtung von Land, und in beiden Orten flossen deutlich mehr Spenden.
478 Ganz eindeutig ist diese Zuordnung aufgrund der unklaren Terminologie nicht zu treffen. Dass zaru 1906 die von der Gentry erhobenen Abgaben meint, lässt sich nur ex negativo schließen, weil sich die andere infrage kommende Kategorie, paijuan, eindeutig nur auf die vom Lokalbeamten eingetriebenen Abgaben bezieht. Das Guangdong caizheng shuoming shu änderte 1910 jedoch offenbar die Begrifflichkeiten: Hier hießen die durch die Gentry selbst erhobenen, 58 verschiedenen Abgaben präziser zajuan. Dagegen meinte zaru nun tatsächlich solche Einnahmen, von denen die Finanzreformkommission nicht recht wusste, welcher der anderen Kategorien sie sie zuteilen sollte. Dazu zählten vor allem die von der Zentralregierung notgedrungen geduldeten Gebühren (lougui), von denen die Reformkommission stolze 412 Arten zählte. Anders als bei allen anderen Staatseinnahmen empfahl die Kommission weder, die lougui künftig als nationale, noch als lokale Steuern zu behandeln, sondern merkte nur an, sie seien „von ihrer Natur her keine Steuern“ (fei shuixiang xingzhi). Hintergrund war, dass die lougui als bloß geduldete Form der lokalen Verwaltungsfinanzierung außerhalb zentralstaatlicher Kontrolle im Zuge der Finanzreformen abgeschafft werden sollten. An ihrer statt sollte das durch den Yongzheng-Kaiser eingeführte „Verwaltungsbudget“ (gongfei) des Beamten erhöht werden, siehe Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 16–26; Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 680; Hickey, Fee, S. 391–394; Guan Xiaohong, Wan Qing Zhi sheng ’gongfei’ yu lizhi zhengdun, in: Lishi Jiaoxue (2010) 5, S. 65–80; Morse, Trade, S. 80–82.
4.7 Finanzierung
311
Diesseits der Statistik So nützlich sie also für die Analyse regionaler Finanzstrukturen ist, so interpretationsbedürftig ist die kaiserliche Statistik. Denn vor allem die vom Bildungsministerium vorgegebenen Kategorien von Einnahmen waren in der Praxis höchst umstritten, was die Statistik gerade verdeckte. Während die kaiserlichen Schulgesetze hierzu schwiegen, versuchte sich 1906 immerhin der Bildungskommissar von Guangdong an einer näheren Bestimmung von fünf Arten von Einnahmen. Wie wichtig solche Klärung war, zeigte sich allein schon daran, dass die Guangdong Jiaoyu Guanbao denselben Text noch 1910 erneut abdruckte.479 Denn trotz dieses Definitionsversuchs hatte sich schnell erwiesen, wie unklar die Grenzen zwischen Staat und lokaler Gesellschaft, die die „Neue Politik“ ja ständig zum Ausdruck brachte, in der Praxis tatsächlich waren. Als „staatliche Mittel“ (guankuan) für Bildungszwecke definierte das Schulamt jede Art von Transportsteuer und staatliche Steuer, die der Beamte einnimmt, alles zusätzliche Gehalt […], alle Geldmittel, die ein jegliches Yamen besitzt, alle bewilligten Bildungsausgaben sowie alle Mittel, die von ihrer Natur her staatliche Gelder sind.480
Ohne die abschließende, unscharfe Auffangdefinition könnte man meinen, „staatliche Mittel“ sollten allein die seit Jahrhunderten existierenden, „klassischen“ Land- und Arbeitsdienst-Steuern, die zur Finanzierung des Taiping-Aufstand eingeführte Transportsteuer sowie das Verwaltungsbudget (gongfei) des Beamten und seine Gehaltszulagen (yanglian yin) bezeichnen.481 Da der Beamte jedoch auch mit den letzten beiden Posten in der Regel nicht alle Ausgaben bestreiten konnte – die neben seinen privaten Aufwendungen zahlreiche Gebühren, Geschenke für Vorgesetzte, die Gehälter seiner Sekretäre und Läufer, die Instandhaltung seines Amtssitzes und sogar regelmäßige Abgaben an die Provinzkasse umfassten – waren alle Beamten dazu übergegangen, für jedwede Tätigkeit Gebühren (lougui) zu verlangen. Diese waren gesetzlich nicht vorgesehen, aber allgemein akzeptiert. Nur durch diese Einkünfte konnten die Lokalbe-
479 GDJYGB 1 (1910) 5, wendu. 480 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, S. [6]. 481 Die Einnahmen aus dem staatlichen Salzmonopol finden hier keine Erwähnung, weil für dieses eine separate Verwaltungsstruktur existierte, siehe Ch’ü T’ung-Tsu, Local, S. 145. Die Gehaltszulagen, die der Yongzheng-Kaiser (reg. 1723–1735) zusätzlich zu dem mageren Grundgehalt (pro Jahr 45 Silberliang für einen Kreisbeamten und 80 Silberliang für einen Distriktbeamten) eingeführt hatte, lagen in Guangdong zwischen 600 und 1.600 Silberliang im Jahr. Auch das Verwaltungsbudget, das noch geringer ausfiel als die Zulage, ging auf die Reformen des Yongzheng-Kaisers zurück.
312 4 Der Staat im Schulalltag
amten ihre Ausgaben bestreiten, die schon vor Beginn der kostspieligen „Neuen Politik“ oft weit über 10.000 Silberliang im Jahr gelegen hatten.482 Spätestens nach 1900 aber – in Gebieten, die durch den Taiping-Aufstand verheert worden waren, noch weit früher – reichten auch die geduldeten Gebühren nicht mehr zur Finanzierung lokaler Reformprojekte aus, von denen Polizei und Schulen das meiste Geld verschlangen. Die Lösung lag in den so genannten „diversen Abgaben“ (zajuan), von denen das Guangdong Caizheng Shuoming Shu im Jahr 1910 insgesamt 58 verschiedene zählen sollte.483 Diese, die zusätzlich zur Transportsteuer vor allem auf Handelsgüter, aber auch auf Dienstleistungen und Handwerk erhoben wurden, brachten zwar weniger Geld ein als die oben genannten, „großen“ Steuern.484 Für die Provinzen und Landkreise waren sie dennoch essentiell. Die fixen Quoten nämlich, die die Provinzen im Falle der Land-, Arbeitsdienst- und Transportsteuern an Beijing abzuführen hatten, waren bei den „diversen Abgaben“ viel niedriger oder fehlten ganz, so dass gemessen am gewöhnlichen lokalen Budget erhebliche Summen zusammen kamen. Diese konnte entweder eines der Büros der Gentry für seine jeweiligen Zwecke nutzen – in unserem Fall das quanxuesuo zur Finanzierung von Schulen – oder der lokale Beamte setzte es vor Ort ein, oder die Provinzregierung verfügte darüber.485 Dieses vordem informell geduldete System von Haushalten jenseits der Kontrolle der Zentralregierung war schon in den 1860er Jahren offiziell anerkannt worden.486 Zahlreiche der Reformprojekte auf lokaler und Provinz-Ebene insbesondere ab den 1890er Jahren konnten nur hierdurch finanziert werden. Entscheidend war dabei, dass die „diversen Abgaben“ nicht länger – wie die Landsteuer – durch den Lokalbeamten beziehungsweise seine „Steuer-Läufer“ (liangchai) im Steuerpacht-Verfahren, sondern von der lokalen Gentry selbst eingetrieben wurden, was der Zentralstaat bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts immer peinlich vermieden hatte. Wie stark die zajuan und mit ihnen die Gentry – nicht die Beamten – die lokalen Finanzen dominierten, wurde für den Außenstehenden aber erst 1910 durch deren Auflistung in den caizheng shuoming shu einer jeden Provinz deutlich, was nach William Rowe entscheidend zur Revolu482 Ch’ü T’ung-Tsu, Local, S. 22–26; Hickey, Fee, S. 392f.; Chang Chung-li, Income, S. 15–41. 483 Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 16f.; Kuhn, Local, S. 117; zur Finanzierung lokaler Aufgaben im Zhejiang der Nach-Taiping-Zeit, siehe Rankin, Elite, S. 98–107。 484 Deshalb urteilte Chen Shao-Kwan noch 1914, dass die Abgaben jenseits von Land- und Salzsteuer, Seezoll und lijin keiner Untersuchung wert, weil unbedeutend seien, siehe Chen Shao-Kwan, System, S. 34. Für den Haushalt der Zentralregierung traf dies auch zu. 485 Ch’ü T’ung-Tsu, Local, S. 145; Kuhn, Local, S. 118–120. 486 Wenkai He, Paths toward the Modern Fiscal State. England, Japan, and China, Cambridge, MA: Harvard University Press 2013, S. 154.
4.7 Finanzierung
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tion im folgenden Jahr beitrug.487 Auch hier hatte der unerbittliche Blick der staatlichen Statistik also den nachteiligen Effekt, den Staat schwächer statt stärker dastehen zu lassen.488 Dem Bildungskommissar allerdings war 1906 noch nicht ganz klar, wie die „diversen Abgaben“ zu definieren seien. Nur so ist zu erklären, dass er sie auf zwei Kategorien verteilte. Unter den „öffentlichen Mitteln“ (gongkuan) führte er explizit nur Abgaben auf Schnaps, Indigo, Zuckerrohr, Zucker, Öl, auf den Betrieb von Kalköfen sowie zusätzliche Abgaben auf Land an. Danach folgen in der zweiten Kategorie vor allem jene Quellen, die schon vor dem späten 19. Jahrhundert das finanzielle Rückgrat der Gemeinden gebildet hatten: unter anderem das Vermögen der Klans (zuchang gu), Schulland, Tempelgelder (miaochang), Zinsen aus dem Wohlfahrtsspeicher (yicang xi gu), Pacht- und andere Einnahmen der Akademien (shuyuan zu gu) und das Vermögen der Wohlfahrtshallen (tongshanci gongkuan). Alle diese Mittel wollte das Schulamt explizit nur als Beispiele verstanden wissen. Auch hier sollte also den lokalen Umständen und der individuellen Kreativität Rechnung getragen werden.489 Die dritte und vierte Kategorie, die der Bildungskommissar aufrief, waren die „angeordneten Beiträge“ (paijuan) und die „freiwilligen Spenden“ (lejuan). Abgaben auf Pacht, für daoistische Zereomien sowie Pachteinnahmen aus dem Landbesitz buddhistischer oder daoistischer Klöster und Tempel oder deren Vermögen sowie „ähnliche Einnahmen“ zählten zu den unfreiwilligen Beiträgen; Spenden reicher Gentry-Mitglieder sowie „Spenden aus Dankbarkeit“ (baoxiao – tatsächlich waren auch dies oft erzwungene Abgaben) von Händlern, Tempeln und Klöstern und dergleichen sollten den Schulen als mehr oder minder freiwillige Spenden zur Verfügung stehen.490 Das Gros der „diversen Abgaben“ aber, von denen der Bildungskommissar ja einige zur ersten Kategorie, den „öffentlichen Mitteln“, gezählt hatte, findet sich in der fünften Kategorie, die mit „diverse Posten“ (zaxiang) überschrieben ist. Diese Kategorie verdeutlicht besser als alle vorhergehenden die fehlende
487 Kuhn, Local, S. 115–118; Antony/Leonard, Dragons, S. 16f. 488 Rowe, China’s Last Empire, S. 280; Esherick, Reform, S. 116–118. 489 So gab es in Guangdong auch verschiedene Klan-Vereinigungen zur Finanzierung von Schulen und Stipendien, siehe Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, S. [6]f. 490 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, S. [7]. Wie die erzwungenen „Spenden aus Dankbarkeit“ zeigen, darf man sich von all der Spenden-Rhetorik nicht über den staatlichen Druck hinwegtäuschen lassen. So ermahnte zum Beispiel das Provinz-Schulamt 1905 die Mitglieder einer Wohlfahrtshalle (shantang) im Kreis Chenghai: Es gebe doch vor Ort so viel „öffentliches Geld“ (gemeint war das Vermögen der Wohlfahrtshalle), warum man denn noch immer keine Lehrerschule eröffnet habe? Siehe LDRB GX 31/8/20 (18.09.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r.
314 4 Der Staat im Schulalltag
Trennschärfe des ganzen Systems der Schulfinanzierung.491 Dem Schulamt waren die Inkonsistenzen durchaus bewusst, wie die Vorrede verrät: Während die Kategorien eins bis vier „klar“ seien, würfen die „diversen Mittel“ Probleme auf. Doch der Klärungsversuch der Behörde steigerte die Verwirrung nur noch, weil hier einerseits die Posten der fünften Kategorie plötzlich als Mischung der vorangegangenen Kategorien präsentiert wurden; andererseits wurde die nachfolgende, sechste Kategorie (die nur eine Auffangkategorie für alle nicht zuzuordnenden Gelder war) ebenfalls als „diverse Posten“ bezeichnet: Alle in der fünften Kategorie [i.e., zaxiang] genannten Beiträge [juan], staatlichen Mittel und öffentlichen Mittel sowie die in der sechsten Kategorie genannten, diversen Posten [zaxiang] sind von ihrer Natur her ziemlich schwer zu unterscheiden und werden häufig und schnell falsch [in das Formular] eingetragen.
Der Lösungsvorschlag war wie so oft ein pragmatischer: Deswegen sollen in dem Berichtsbogen einer jeden Schule [zunächst] die einzelnenPosten jeder Spalte grob zusammengefasst und nach Kategorien geordnet werden. Diejenigen Posten, die man dann nicht zuordnen kann, soll man gemäß der an der jeweiligen Schule individuell üblichen Kategorien eintragen.492
Ein Blick auf die „diversen Posten“ der fünften Kategorie zeigt außerdem, dass der Name eine Verharmlosung von Umfang und auch Art der Einnahmen darstellte.493 Insbesondere im Falle Jiayings haben wir ja gesehen, dass diese „diversen Posten“ am Ende ein Viertel des Schulbudgets trugen. Die Liste beginnt mit einer jibu jingfei, einer „Abgabe zur Verhaftung [von Banditen]“. Der kryptische Name – andernorts firmierte derselbe Obulus als „Küstenverteidigungsabgabe“ – sollte kaschieren, dass der Staat von etwas profitierte, das als unmoralisch galt und dem eigenen Anspruch, als zivilisierende Kraft zu wirken, widersprach: dem Glücksspiel.494 Die Einnahmen hieraus – in Guangdong speziell 491 Tatasächlich war die Kategorisierung noch komplizierter, denn all jene Abgaben, die das Schulamt 1906 als „sonstige“ klassifiziert hatte, wurden 1910 vom Guangdong caizheng shuoming shu in „reguläre Abgaben“ (zhengjuan) und „diverse Abgaben“ (zajuan) unterteilt. Da dies bereits den Versuch einer Reformierung des Steuersystems darstellte, ist es nicht verwunderlich, dass die Kategorien teilweise jenen des Schulamtes von 1906 widersprechen. Siehe Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 16f. sowie Chen Shao-Kwan, System, S. 96f. Alle im Folgenden genannten, „diversen Abgaben“ finden sich – zusammen mit vielen weiteren – in der eben zitierten Tabelle in: Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 16f. 492 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, S. [6]. 493 Alle nachfolgend genannten Abgaben und ihre Höhe finden sich in Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 134–166. 494 Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 144.
4.7 Finanzierung
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aus dem Spiel fantan sowie aus verschiedenen Lotterien (shanpiao) – waren enorm: 1911 brachten Glücksspielsteuer und Lotterien, die der Staat durch private Firmen im Steuerpacht-Verfahren eintreiben beziehungsweise veranstalten ließ, allein in Guangdong 4,4 Millionen Silberliang oder ein Achtel aller „kleinen Steuern“ des gesamten Kaiserreichs ein. Diese wurden, anders als der Name suggeriert, mitnichten allein für die Verteidigung ausgegeben.495 Doch die „Verhaftungsgebühr“ war nur die erste der „diversen“ Einnahmequellen für moderne Schulen. Auch die nächsten beiden Quellen waren so ergiebig wie moralisch zweifelhaft. Zuerst die Abgabe, die Opiumgeschäfte zu leisten hatten (gaopai juan): Sie wurde in Guangdong 1905 eingeführt und trotz des ab 1906 von der Qing-Regierung angestrebten, vollständigen Verbotes der Droge lange beibehalten.496 1908 nahm das Amt für Wiederaufbau (shanhouju) in Guangdong 173.000 und im Jahr darauf 181.470 Silberliang von den Opiumgeschäften ein.497 Weitere Einnahmen in der Größenordnung von wenigen tau495 Innerhalb der Provinz war die Glücksspielsteuer damit sogar der drittgrößte Posten aller Steuereinnahmen hinter dem Seezoll (6,1 Mio. Silberliang) und der Transportsteuer (5 Mio. Silberliang), siehe Chen Shao-Kwan, System, S. 45f.; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 165; Xavier Paulès, Gambling in China Reconsidered. Fantan in South China during the Early Twentieth Century, in: International Journal of Asian Studies 7 (2010) 2, S. 179–200, hier S. 186. Lotterien zur Finanzierung der neuen Schulen waren weit verbreitet und keineswegs auf Guangdong beschränkt. Sie wurden zum Beispiel auch in Shanxi veranstaltet, siehe Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 304. Schon Zhang Zhidong hatte 1889 als Generalgouverneur in Guangzhou das Glücksspiel wieder erlaubt, um so die privaten Glücksspielmagnaten als Financiers seiner Modernisierungs-Projekte zu gewinnen, siehe Daniel H. Bays, The Nature of Provincial Political Authority in Late Ch’ing Times. Chang Chih-tung in Canton, 1884– 1889, in: Modern Asian Studies 4 (1970) 4, S. 325–347, hier S. 335f.; Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 142. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich 1910 der neue Generalgouverneur Yuan Shuxun vehement gegen die Initiative der Provinzversammlung von Guangdong aussprach, das Glücksspiel erneut zu verbieten. So sehr dieser Schritt zur allgemeinen Vorstellung staatlich angeführter Zivilisierung gepasst hätte – Yuan wollte lieber warten, bis ein Ersatz für die dann fehlenden Staatseinnahmen gefunden wäre. Dieser fand sich bald in Form einer Steuer auf Wein, und das staatlich lizensierte Glücksspiel wurde abgeschafft, siehe Li Zhenwu, Late Qing Govenors, S. 53f.; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 213. Zur Herausbildung des Steuerpachtsystems im 19. Jahrhundert siehe Kuhn, Local, S. 108–110. 496 Guangdong sheng difang shizhi bianzuan weiyuanhui (Hrsg.), Guangdong shengzhi. Shuiwu zhi, Guangzhou: Guangdong renmin chubanshe 1995, S. 76, 85; Wu Zhaoshen, Zhongguo shuizhi shi, Beijing: Shangwu yinshuguan 1998, Bd. 2, S. 100–102. 497 „Ämter für Wiederaufbau“ waren im Anschluss an den Taiping-Aufstand gegründet worden, insbesondere in Jiangnan. Sie gehörten wie viele „Büros“ (ju) zu jenen Institutionen, die als Übergangsmaßnahme gedacht waren, sich dann aber verstetigten. Über die Geschichte des shanhouju von Guangdong ist wenig bekannt, obwohl es finanziell offenbar gut ausgestattet war, siehe Elizabeth J. Remick, Regulating Prostitution in China. Gender and Local Statebuilding, 1900–1937, Stanford, CA: Stanford University Press 2014, S. 121.
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send Silberliang gingen direkt an die Distrikte und Kreise, in denen sie erhoben wurden.498 Schon im 19. Jahrhundert hatte die Besteuerung von Einfuhr (für ausländisches Opium), Großhandel, Verkauf und Konsum von Opium zusammen für sechs bis sieben Prozent der chinesischen Staatseinnahmen gesorgt. Mit Beginn der kostenintensiven „Neuen Politik“ fiel es den Provinzregierungen deshalb erst recht schwer, darauf zu verzichten.499 Moralisch war das Opiumverbot zwar ganz im Sinne der chinesischen wie globalen Zivilisierungsagenda, weshalb selbst die britische Regierung es unterstützte.500 Doch zugleich gefährdete der Kampf gegen die Droge die Finanzierung vieler anderer Institutionen, die auf derselben Agenda standen. Wo zivilisatorische Ideale und ambitioniertes state-building kollidierten, mussten erstere zurückstehen. Das galt auch für die dritte „sonstige“ Geldquelle, die Bordellsteuer (huajuan). Sie wurde in Guangdong bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhoben, und zwar durch das Amt für Wiederaufbau, das seinerseits Steuerpächter-Firmen damit beauftragte.501 Im Guangzhou der 1930er Jahre sollte die Prostitutionssteuer zu einer der Hauptquellen des state-building insgesamt werden.502 Davon war sie 1908 jedoch noch weit entfernt, auch wenn die Abgabe mit rund 275.000 Silberliang bereits einen ordentlichen Beitrag in die Provinzkasse spülte. Hinzu kamen Gebühren für das Schlachten von Rindern (tujuan), lokale Fischereirechte, Geldbußen, Eheschließungsgebühren und vieles mehr.503 All diese Abgaben sollten auch zur Finanzierung des neuen Schulsystems genutzt werden. Falls, so fügte das Schulamt hinzu, das Geld dennoch nicht reiche und ein-
498 Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 138. 499 Mechthild Leutner, Opiumhandel–Opiumkriege–„Opiumfalle“. Chinas gewaltsame Einbindung in die globale Ökonomie und ihre gravierenden Auswirkungen, in: Klaus Mühlhahn/Nathalie van Looy (Hrsg.), The Globalization of Confucius and Confucianism (Berliner China-Hefte 41), Berlin, Münster: LIT 2012, S. 119–145, hier S. 136; Man-houng Lin, Late Qing Perceptions of Native Opium, in: Harvard Journal of Asiatic Studies 64 (2004) 1, S. 117–144, hier S. 120–122, 135f.; Joyce A. Madancy, The Troublesome Legacy of Commissioner Lin. The Opium Trade and Opium Suppression in Fujian Province, 1820s to 1920s, Cambridge, MA, London: Harvard University Press 2003, S. 71f. 500 Petersson, Imperialismus, S. 268–275. 501 Wieviele Einnahmen aus welcher Abgabenart welcher Kreis zu welchem Zeitpunkt an das Schatzamt der Provinz (fansi) abführte, ist im Regelfall nicht mehr nachvollziehbar. Eine Ausnahme bildet das Frühjahr 1910, für das ein Bericht der Finanzreformkommission der Provinz Guangdong erhalten geblieben ist: Guangdong qingli caizheng ju, Guangdong qingli caizhengju huibian si ju deng ku Xuantong er nian chunji fen shoukuan baogao ce [1910], S. 154–170. 502 Remick, Regulating, S. 146f.; Dies., Prostitution Taxes and Local State Building in Republican China, in: Modern China 29 (2003) 1, S. 38–70. 503 Zu den einzelnen Abgaben siehe Wu Zhaoshen, Zhongguo shuizhi, Bd. 2, S. 115–122.
4.7 Finanzierung
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zelne Schulen sich genötigt sähen, vorrübergehend andere öffentliche Gelder „auszuleihen“, so sollten für diese im Finanzbericht keine neuen Kategorien eingefügt werden. Stattdessen sollten auch sie unter den „diversen Posten“ aufgelistet werden.504 Es mangelte im Schulsystem Ost-Guangdongs also nicht unbedingt an Geld – wohl aber an Überblick über dessen Quellen. Der Preis für das auf zentraler wie auf lokaler Ebene tatsächlich deutlich steigende Staatseinkommen war „virtual chaos in county finances“ (Philip A. Kuhn) – auch die Autoren des Guangdong Caizheng Shuoming Shu beklagten, die Finanzierungsstrukturen einzelner Schulen seien schwer zu durchschauen. Doch selbst das von Kuhn dafür verantwortlich gemachte System der „Sonderbudgets“ (zhuankuan) – die, wie jene der quanxuesuo oder einzelner Schulen, außerhalb der bestehenden Kreisverwaltung für die Finanzierung neuer Aufgaben aufgestellt und meist von Gentry-Mitgliedern verwaltet wurden und ihre eigenen Steuern einnahmen – selbst jenes System also wurde ja gar nicht konsequent durchgehalten, wie die folgenden Beispiele zeigen werden.505 Die mangelnde Transparenz war so sehr Folge der handstreichartigen Einführung vieler neuer, teurer Institutionen, wie sie Anlass für Proteste der Gentry und besonders der Provinzversammlung werden sollte.
4.7.4 Kampf ums Geld Angesichts dieses „Chaos“ der Finanzierung lohnt es sich, die einzelnen Mittelschulen in Jiaying, Chaozhou und Shantou und ihre Geldquellen genauer zu betrachten. Denn in keinem anderen Bereich war der Kontrast zum staatlichen Anspruch auf Kontrolle und Uniformität so deutlich wie hier, und kein anderer Bereich trug so sehr zu einem negativen state effect bei. Weil die Schulen sehen mussten, wie sie an Geld kamen, variierten ihre Einkunftsarten stark, und fast immer kam es zu Konflikten. Chaozhou und Shantou Die staatliche Mittelschule in Chaozhou bezog wie erwähnt beinahe ihr komplettes Einkommen aus den Pacht- und Zinseinnahmen der vorherigen JinshanAkademie – 1908 waren dies gut 15.000 Silberliang und damit rund das Doppel504 Bildungskommissariat von Guangdong, Banfa, S. [7]. 505 Kuhn, Local, S. 120; Halsey, Money, S. 394. Für Verwirrung unter den Mitgliedern der Finanzreformkommission sorgte beispielsweise, dass manche Schule eines Kreises durch die übergeordnete Präfektur finanziert wurde, während gleichzeitig umgekehrt einige Kreise für die Präfekturschulen zahlten, siehe Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 608.
318 4 Der Staat im Schulalltag
te eines durchschnittlichen Mittelschul-Budgets.506 Zudem zahlte jeder Schüler Verpflegungs- und Unterkunftskosten in Höhe von drei Yuan pro Monat.507 Eine Bestandsaufnahme im Jahr 1906 zeigte, dass sich im Besitz der Schule neben Läden, Gaststätten und Teichen zur Zucht von Fischen und Krabben auch dem Meer abgetrotzte, eingedeichte „Sandfelder“ (shatian) an der Küste befanden.508 Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Jinshan-Akademie 4.732 mu – etwa 290 Hektar – Land besessen.509 Mit Beginn der Reformen vermehrte sich der Besitz weiter. Laut einem Bericht der Lingdong Ribao hatte sich die Gentry von Jiaying Anfang 1902, als Generalgouverneur Cen Chunxuan befahl, alle Akademien in moderne Schulen umzuwandeln, zunächst dagegen gesträubt. Daraufhin hatte der Magistrat die Sache selbst in die Hand genommen und die Jinshan Zhongxue ins Leben gerufen – damit war sie eine der ersten umgewandelten Akademie in ganz Guangdong.510 Dann forderte er die Gentry auf, den Besitz der neuen Schule durch weitere Abgaben noch zu mehren. Das Ergebnis war, dass die Schule bereits 1903 jährlich rund 17.000 Silberliang abwarf, von denen in der Anfangsphase jedoch nur 8.000 bis 9.000 Silberliang für die laufenden Kosten benötigt wurden. Um, wie er argumentierte, eine Veruntreuung dieses Überschusses zu verhindern, hatte der Magistrat die gesamte Finanzverwaltung der Schule an sich gezogen.511 Aus Sicht der Gentry, die die Akademie bislang selbst geführt hatte, rächte sich die Verstaatlichung schon 1904. Da zeigte sich, dass der Staat die Überschüsse der Schule anderen Zwecken zuführen wollte. Mehr noch: Angesichts all der kostspieligen Reformen beschloss der Generalgouverneur kurzerhand,
506 Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 624, 631. 507 LDRB GX 29/7/10 (01.09.1903), Chao Jia xinwen, S.3r f. Das Verpflegungsgeld (shanjin) ist nicht mit dem Schulgeld (xuefei oder xuejin) zu verwechseln. 508 LDRB GX 32/10/27 (12.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. Die shatian waren eine begehrte Ressource, weil sie in den ersten fünf Jahren von der Landsteuer befreit waren. Für die Entstehung der reichen lineages insbesondere im Perlflussdelta waren sie von großer Bedeutung: Helen F. Siu, Agents and Victims in South China. Accomplices in Rural Revolution, New Haven, CT: Yale University Press 1989, S. 73f.; Liu Zhiwei, Lineage on the Sands. The Case of Shawan, in: David Faure/Helen F. Siu (Hrsg.), Down to Earth. The Territorial Bond in South China, Stanford, CA: Stanford University Press 1995, S. 21–43, hier S. 23; Faure, Emperor, S. 51–53. 509 Wu Rongqing, Chaozhou de shuyuan, S. 106; Qian Rong, Qingdai xuetian laiyuan shixi, in: Qingshi yanjiu (1998) 4, S. 64–72. 510 Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 18. 511 LDRB GX 29/2/11 (09.03.1903), Chao Jia xinwen, S. 3r f.; GX 31/9/26 (24.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. Über seine Weisung zur Umwandlung aller Akademien berichtete Cen Chunxuan 1903 an den Thron, siehe Thronberich von Generalgouverneur Cen Chunxuan und Gouverneur Li Xingrui, GX 29/8/18 (08.10.1903), ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7213– 018.
4.7 Finanzierung
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aus dem Besitz der Schule die Sandfelder zu verkaufen. Das so entstehende Loch im Budget der Schule solle die Gentry anderweitig stopfen.512 Gegen den geplanten Ausverkauf „ihrer“ ehemaligen Akademie aber lief die Gentry Sturm, mit Erfolg. Im Herbst 1905 klagte zunächst die Lingdong Ribao, der Präfekt kenne nur ein Ziel, nämlich zu sparen. So habe er versucht, gegen geringes Gehalt einen unfähigen Lehrer anzustellen. Die Anschaffung neuer Geräte sei verweigert worden. Andererseits habe der Präfekt den jährlichen Überschuss von 7.000 Silberliang, der bislang bei einer Bank angelegt worden sei, an sich gerissen.513 In dieser Situation wandten sich Gentry und Händler an den Daotai in Huizhou, der vom Generalgouverneur dazu ermächtigt worden war, die Sandfelder der Schule zu verkaufen. Der Landbesitz der Jinshan Zhongxue sei, argumentierte ein aus Chaozhou stammender Kaufmann aus Übersee in einem Telegramm, die „Lebensader“ (mingmai) des Bildungswesens in Chaozhou.514 Tatsächlich lenkte der Daotai ein und stoppte den geplanten Landverkauf.515 Wenig später verfasste die Gentry eine Petition an den Generalgouverneur und den Schulinspektor mit der Bitte, allgemein zu verfügen, dass der Landbesitz einzelner Schulen fortan nur noch von den Schulleitern selbst verwaltet werden sollte. Insbesondere sollten sie nicht verkauft werden dürfen, um kurzfristig Finanzlöcher zu stopfen.516 Die Episode zeigt, dass die Verstaatlichung einer Schule nicht automatisch bedeutete, dass der lokale Beamte mit deren Ressourcen nach Gutdünken verfahren konnte. Obwohl die Chaozhou Zhongxue eine staatliche Schule war, sah es die Gentry als ihr Recht an, über deren Finanzen, zu denen sie ja einen Gutteil beigetragen und die sie lange selbst verwaltet hatte, mitzubestimmen. Wieder wird deutlich, dass die Trennung „staatlicher“ von „öffentlichen“ Mitteln in der Praxis nicht einfach war. Damit verweist diese lokale Auseinandersetzung bereits auf den größeren Konflikt um die Mitspracherechte der Gentry in Budgetfragen, der am Ende des Jahrzehnts ins Zentrum rücken sollte. Im Kontrast zur Jinshan Zhongxue war die Lingdong Tongwen Xuetang in Shantou in ihren ersten Jahren vor allem auf Spenden angewiesen. Das lag zu512 LDRB GX 30/5/24 (07.07.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; Wu Rongqing, Chaozhou de shuyuan, S. 106. 513 LDRB GX 31/9/26 (24.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 514 Qian Rong, Qingdai xuetian betont, dass einzig Landbesitz den Schulen der Qing-Zeit ein beständiges Einkommen garantiert habe; die herausgehobene Stellung der Jinshan-Akademie als mit Abstand reichster Schule der Region betont auch Wu Rongqing, Chaozhou de shuyuan, S. 105f. 515 LDRB GX 32/10/29 (14.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 516 LDRB GX 32/11/2 (17.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
320 4 Der Staat im Schulalltag
nächst daran, dass sie ja bereits 1899 und damit lange vor der Etablierung jedes allgemeinen Finanzierungssystems für moderne Schulen gegründet worden war. In Chaozhou war die Schule im Haus der Gilde der Kaufleute aus Zhenping untergebracht, jenem Ort, von wo auch Qiu Fengjia selbst stammte.517 Nach dem Umzug an die Küste mietete Qiu, da man noch kein Grundstück habe erwerben können, vorerst einen „sauberen und vernünftigen Raum“, dessen Kosten wie jene für die Ausstattung von „Kameraden“ (tongren) getragen wurden.518 Hinter diesen dürren Worten freilich steckte eine etwas komplexere Konstellation, denn unter den „Kameraden“ Qius waren auch führende Beamte der Provinz. So hatte sich Qiu auf der Suche nach einem geeigneten Gebäude an den Generalgouverneur Tao Mo in Guangzhou gewandt und diesen um ein öffentliches Grundstück gebeten. Der als reformfreudig bekannte Generalgouverneur wies daraufhin den Daotai an, Qiu zu helfen.519 Nun handelte der Daotai mit den Kaufleuten und der Gentry vor Ort aus, dass die Lingdong Tongwen Xuetang in ein ungenutztes Gebäude hinter einer Wohlfahrtshalle (shantang) einziehen dürfe.520 Doch die Einwerbung finanzieller Mittel verlief nicht immer auf solch diskreten Wegen. Es mag sein, dass, wie Dong Wang betont hat, frühere chinesische Gelehrte sich um Geld keine Gedanken machten, weil dies als unter ihrer Würde galt.521 Aber die Distanz zu den profanen Fragen des finanziellen Managements von Schulen verloren – so sie sie je gehabt hatten – am Ende des 19. Jahrhunderts nicht nur US-amerikanische, protestantischen Missionen in China und anderswo, sondern genauso die chinesischen Schulgründer.522 Das lag in manchen Fällen daran, dass sich mit Schulen nun plötzlich gutes Geld verdienen ließ, und nicht bloß der Hungerlohn, den ein gescheiterter Prüfling als sishu-Lehrer erhielt. Das soll nicht heißen, dass alle Schulgründungen nur unternehmerischem Interesse entsprungen wären. Aber das Problem der Finanzierung der „Neuen Politik“ machte unternehmerisches Denken zu einer Notwendigkeit auch für Gelehrte. Auch Qiu Fengjia warb von Anfang an um Spenden und mühte sich, sein Vorhaben weithin bekannt zu machen. So erschienen die ersten Schulregula517 Chenghai xian difangzhi bianzuan weiyuanhui, Chenghai xianzhi, S. 683. Der Ort heißt heute Jiaoling. 518 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), Art. 6, S. 78. 519 Zu Tao Mos Engagement für die „Neue Politik“ in Guangdong siehe Guan Xiaohong, Tao Mo yu Qing mo xinzheng, in: Lishi Yanjiu (2003) 6, S. 72–89. 520 Wen Yuan, Lingdong, S. 79. 521 Wang, Managing, S. 101. 522 Valentin H. Rabe, The Home Base of American China Missions, 1880–1920, Cambridge, MA: Harvard University Press 1978, S. 154f.
4.7 Finanzierung
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rien ursprünglich als Anhang eines längeren Textes am 3. Dezember 1899 in der Zhixin Bao, einer in Macau herausgegebenen Zeitung. Hier malte Qiu mit nationalistischem Furor die Lage Chinas und Guangdongs in den düstersten Farben aus und skizzierte eine Kombination aus konfuzianischen Lehren und westlicher Wissenschaft als einzigen Ausweg aus der Erniedrigung durch den Imperialismus. Dann wies Qiu auf seinen eigenen bescheidenen Beitrag, auf die Lingdong Tongwen Xuetang hin und rief seine „Kameraden aus Chaozhou“ sowie alle ehrenhaften Männer ganz Chinas dazu auf, ihn zu unterstützen. Das sich zu jener Zeit rasant ausweitende Zeitungswesen spielte also auch für die Finanzierung moderner Schulen eine wichtige Rolle.523 Dennoch blieben persönliche Kontakte zur Spendenakquise unerlässlich. Just als es im Frühjahr 1900 soweit war, den Schulbetrieb in Shantou aufzunehmen, entsandte die Provinzregierung Qiu Fengjia zu einer Inspektionsreise ins Südchinesische Meer, damit er die Situation der Überseechinesen untersuche. Qiu nutzte diese Reise zugleich, um unter jenen Überseechinesen – die von der Qing-Regierung bereits erfolgreich als Investoren für die Industrialisierung des Reiches umworben wurden – weitere Spenden für seine Schule zu sammeln. So hielt er im April 1900 eine flammende Rede vor chinesischen Unternehmern und Arbeitern in der malaysischen Bergbau-Stadt Ipoh, in der er in ganz ähnlichen Worten wie zuvor in dem Zeitungsartikel vor dem drohenden Zerfall Chinas warnte, eine Modernisierung des Bildungswesens als Gegenmittel pries und um Spenden dafür warb. Diese Rede wiederum erschien Anfang Juni in Singapur in der Zeitung.524 Drei Monate zuvor hatte Qiu in derselben Zeitung einige Ergänzungen zur Satzung seiner Schule veröffentlichen lassen. Diese bezogen sich insbesondere auf den Umgang mit Spenden von Auslandschinesen, die für die Entwicklung Ost-Guangdongs und speziell Shantous von überragender Bedeutung waren.525 Alle Spenden sollten nicht von der Schulleitung, sondern von respektablen Mitgliedern der örtlichen Gentry und Kaufmannschaft entgegengenommen und auf verschiedene Bankhäuser verteilt werden. Gleichzeitig sollten die Spenden in der Zeitung veröffentlicht werden, und am Jahresende sollte ein Finanzbericht 523 Qiu Fengjia, Chuangshe Lingdong Tongwen Xuetang xu (1899), besonders S. 784f. Zum generellen Bedeutungszuwachs der Zeitungen siehe Natascha Vittinghoff, Die Anfänge des Journalismus in China (1860–1911), Wiesbaden: Harrassowitz 2002. 524 Qiu Fengjia, Zai Nanyang da Bile bu de yanshuo (Die in der Hauptstadt von Bile [Perak] gehaltene Rede), Tian’nan Xinbao, 04.06.1900, in: Huang Zhiping/ Qiu Chenbo, Qiu Fengjia ji, S. 823–827. 525 Wei Mingshu, Huaqiao, S. 114; Godley, Mandarin, S. 78 und passim; Michael R. Godley, The Late Ch’ing Courtship of the Chinese in Southeast Asia, in: Journal of Asian Studies 34 (1975) 2, S. 361–385.
322 4 Der Staat im Schulalltag
zur Kontrolle durch die Öffentlichkeit gedruckt werden. Das Vertrauen auf die korrekte Verwendung ihres Geldes sollte den hunderte oder tausende Kilometer entfernt lebenden Spendern so erleichtert werden.526 Eine weitere wichtige Einnahmequelle bildete das Schulgeld, das explizit niedrig sein sollte, um die Begeisterung für das Lernen zu fördern. Jeder Schüler sollte pro Jahr 30 Yuan für den Unterricht sowie weitere 30 Yuan für die Verpflegung bezahlen, später wurden die Beträge etwas reduziert.527 Angesichts ihrer Finanzierungsstruktur wäre die Lingdong Tongwen Xuetang nach dem neuen Schulsystem wohl als „öffentliche Schule“ klassifiziert worden. Bevor das neue System jedoch überhaupt Fuß gefasst hatte, wandte sich Qiu Fengjia Ende 1903 erstmals mit der Bitte an Generalgouverneur Tao Mo, die Lingdong Tongwen Xuetang zu einer staatlichen Schule zu machen. Alles spricht dafür, dass Qiu diesen Schritt tat, um die Schule dauerhaft auf ein sicheres finanzielles Fundament zu stellen.528 Schon zuvor hatte der Daotai der Schule mehrfach Geld zugesagt, so jährlich 2.400 Yuan aus zusätzlichen Pachtabgaben auf den Landbesitz der staatlichen Hanshan-Akademie. Zusammen mit den Schulgebühren und den Spenden ließen sich so die jährlichen Kosten von 6.000 bis 7.000 Yuan für eine Weile zuverlässig decken.529 Doch die staatlichen Zahlungen verzögerten sich immer wieder, einzelne Raten blieben aus. Im ganzen Jahr 1904 erhielt die Schule nur 1.070 statt der zugesagten 2.400 Yuan.530 Ende 1904 dann wurden die Zahlungen ganz eingestellt. Wie in Chaozhou, sollte der Daotai nach dem Willen des Generalgouverneurs auch die Felder der Hanshan-Akademie verkaufen, was dieser – anders als in Chaozhou – auch tat. Damit fielen die Pachteinnahmen zur Unterstützung der Lingdong Tongwen Xuetang weg.531 In dieser Situation bat der nach Qius Fortgang amtierende Schulleiter namens Chen das Provinz-Schulamt um Hilfe. Chen verwies darauf, dass der Generalgouverneur der Schule schon im Frühjahr 1904 finanzielle Hilfe zugesagt habe.532 Das Insistieren des Schulleiters zeigte Wirkung. Als die Schule im Januar 1905 ihre neuen Schulregeln veröffentlichte,
526 Qiu Fengjia, Kaishe Lingdong Tongwen Xuetang bing gao ji xu yi zhangcheng, Tian’nan Xinbao, 23.03.1900, in: Huang Zhiping/ Qiu Chenbo, Qiu Fengjia ji, S. 817–819, hier: S. 819. 527 Lingdong Tongwen Xuetang zhangcheng (1900), Art. 7, S. 78; Qiu Fengjia, Kaishe Lingdong Tongwen Xuetang bing gao ji xu yi zhangcheng (23.03.1900), S. 819. 528 Chen Jinghuai, Qiu Fengjia, S. 85; Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 50f. 529 LDRB GX 28/12/14 (12.01.1903), Chao Jia xinwen, S. 3r; GX 28/12/18 (16.01.1903), Chao Jia xinwen, S. 3r; GX 30/10/9 (15.11.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v 530 LDRB GX 31/1/27 (02.03.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. 531 LDRB GX 30/10/9 (15.11.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v; GX 30/10/24 (30.11.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r f. 532 LDRB GX 30/10/24 (30.11.1904), Chao Jia xinwen, S. 3r f.
4.7 Finanzierung
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hieß es erstmals offiziell, aus ihr solle eine staatliche Schule werden.533 Im September 1905 verkündete die Lingdong Ribao, dass dieser Schritt vollzogen sei.534 Das Besondere in diesem Fall war, dass die Lingdong Tongwen Xuetang anders als die anderen staatlichen Schulen nicht der Präfektur oder dem Kreis unterstellt wurde, sondern als zhixia xuetang direkt der Provinz. Damit war der Zugang zu umfangreichen Zuschüssen aus Guangzhou frei.535 Praktisch lag die Finanzierung in den Händen des Daotai – dies wohl auch deshalb, weil die Schule ihren fremdsprachlichen Schwerpunkt schon im Namen trug und deshalb zum Bereich der Außenbeziehungen gezählt wurde, für den der Daotai von Amts wegen zuständig war.536 Doch auch die Verstaatlichung brachte nicht die erhoffte Lösung der Geldprobleme. Wieder zeigt sich, dass alle Schulen, staatliche wie öffentliche, um ihr Geld kämpfen mussten. So ermahnte das Schulamt in Guangzhou ein gutes Jahr später den Daotai, endlich für eine zuverlässige Finanzierung der Schule zu sorgen.537 Letztere bemühte sich weiterhin intensiv um Spenden.538 Doch erst ab 1908 entspannte sich die Lage. In jenem Jahr zahlte das Provinz-Schulamt 3.234 Silberliang an die Lingdong Tongwen Xuetang.539 Zumindest der Planung nach sollte sie dann 1909 einmalig 10.000 Silberliang für die neu gegründete Handelsschule erhalten sowie fortan eine jährliche Unterstützung von ebenfalls 10.000 Silberliang, die die Kosten weitgehend gedeckt hätte.540 Tatsächlich taucht die Schule 1910 in einer Liste des Schulamtes als Empfängerin von jährlich 9.600 Silberliang auf.541 Klare und komfortable Finanz-Verhältnisse wie im eingangs zitierten Falle der Jinshan Zhongxue, die sogleich Begehrlichkeiten weckten, waren also die absolute Ausnahme. Alle anderen staatlichen wie auch öffentlichen Schulen in Guangdong lebten von einer Mischung verschiedener Finanzquellen.542 Das galt 533 LDRB GX 30/11/28 (03.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 534 In den Regeln zur Restrukturierung der Schule (shanhou zhangcheng) des Schulamtes von Guangdong wurde die Lingdong Tongwen Xuetang zu jenem Zeitpunkt als „staatlich geführte“ (guanban) Mittelschule bezeichnet: LDRB GX 31/8/22 (20.09.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. 535 Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 33. 536 Brunnert/Hagelstrom, Present, S. 424; Biggerstaff, Earliest, S. 31–41. 537 LDRB GX 32/10/29 (14.12.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r. 538 LDRB GX 31/11/18 (14.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r. In der Lingdong Ribao erschienen fast jeden Tag kleine Meldungen unter Überschriften wie „Spenden für eine Schule“ oder „Schule erhält Buchspenden“, aber einzig die Lingdong Tongwen Xuetang scheint regelmäßig ihre Spendeneingänge veröffentlicht zu haben. 539 Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 622. 540 Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908), S. 23. 541 GDJYGB 1 (1910) 7, fupian, S. 189. 542 Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 33.
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auch für die übrigen Schulen in Chaozhou, die nicht der Präfektur, sondern dem Kreis Haiyang zugeordnet waren. Abgesehen von Spenden brachten Teichpacht (tangzu), Landpacht, Lotteriegebühren und die Abgaben des großen buddhistischen Kaiyuan-Tempels zusammen zwischen 4.600 und 6.100 Silberliang für die Schulen sowie rund 1.400 Silberliang für das quanxuesuo des Kreises ein. 543 Jiaying Ähnlich sah die Situation in Jiaying aus. Die staatliche Mittelschule, die Wuben Xuetang und die Dongshan-Lehrerschule teilten sich neun Finanzquellen: die Lizenzgebühren für Boote (chuanya)544, Mieteinahmen von Ladengeschäften (dianzu), Pachteinnahmen eines Nonnenklosters (anzu), Landpacht, Glücksspielabgabe, Schlachtabgabe, Tempelabgabe, Einnahmen von Akademien sowie verschiedene gewohnheitsrechtliche Gebühren. Trotzdem kamen unter dem Strich nur rund 9.000 Silberliang im Jahr zusammen, außerdem rund 680 Silberliang als Budget des quanxuesuo. Alle drei Schulen mussten sich deshalb um weitere Einkünfte bemühen.545 Für die Wuben Xuetang als öffentliche Schule spielten dabei, ähnlich wie für die Lingdong Tongwen Xuetang, Spenden eine herausragende Rolle. Die Wuben Xuetang selbst war von in Singapur tätigen Hakka-Kaufleuten aus Jiaying gegründet worden und sollte sich vor allem aus den Zinsen des Gründungskapitals finanzieren. Huang Mocun schrieb denn auch 1904 ein Vorwort zur neuen Schulordnung, das er mit dem Aufruf enden ließ, Geld an die Schule zu spenden – das „Gesetz vom Aufstieg und Fall der Völker“ zwinge die Chinesen schließlich dazu, jetzt neue Schulen zu gründen.546 Dementsprechend stellten die Schulgründer jedem Spender von 1.000 Yuan oder mehr in Aussicht, dass ihm von Beijing ein Ehrentitel verliehen würde (jiangli). Ab 100 Yuan erhielt der Spender eine Ehrentafel mit seinem Namen, und für kleinere Summen wurde sein Name immerhin noch – zusammen mit anderen – in eine Steinstele gemeißelt.547
543 Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 627f., 634. 544 Die Terminologie ist hier nicht ganz eindeutig. Zu den Lizenzgebühren für Zwischenhändler (yahang) siehe Susan Mann, Local Merchants and the Chinese Bureaucracy, 1750–1950, Stanford, CA: Stanford University Press 1987, S. 41f. 545 Guangdong caizheng shuoming shu [1910], S. 632. 546 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 2v f. 547 Ebd., S. 3v. Solche Ehrentitel wie zum Beispiel „Hervorragender Held der Bildung“ (yuyingcai) wurden dann für die Empfänger auf hölzerne Schilder geschrieben. Beispiel einer Liste so Auszuzeichnender: ZGDYLSDAG, Junjichu lufu zouzhe Nr. 03–7212–019.
4.7 Finanzierung
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Da aber Ehrentitel immer häufiger und rascher vergeben wurden, war ihr Wert bereits im Laufe des 19. Jahrhunderts stetig gesunken. Die „Neue Politik“ führte endgültig zu einer Inflation, weshalb neue Anreize nötig waren.548 Das wussten auch Huang Mocun und Wu Dengchu, die Gründer der Wuben Xuetang. Und so bestimmte der vierte Paragraph ihrer Spendenordnung zusätzlich, dass, wer 1.000 Yuan spendete, auf ewig zwei Söhne seines Klans kostenlos auf die Schule schicken könne; für 500 Yuan erhielt man einen Schulplatz auf ewig; für 200 Yuan einen Platz an Grund- und dann Mittelschule für die Dauer von 14 Jahren; für 120 Yuan einen Platz an der Mittelschule für fünf Jahre; und für 80 Yuan einen Platz an der Grundschule für neun Jahre.549 Auf dem erhofften Spendenaufkommen ruhten große Zukunftspläne. Die Schule plante unter anderem Stipendien für ein Auslandsstudium, die Gründung einer Studiengesellschaft, eines Kindergartens, einer Mädchen-, einer Halbtags- sowie einer Abendschule.550 Auch wenn wir über den tatsächlichen Erfolg dieser mit patriotischen Worten vorgetragenen Ideen keine Angaben haben, ist doch klar, dass vor allem die Spenden von Kaufleuten im südchinesischen Meer, die aus Jiaying stammten, einen wichtigen Beitrag darstellten. Anfang 1905 berichtete die Lingdong Ribao namentlich über vier solcher Händler aus Jakarta, die der Schule jeweils 300 Silberliang hätten zukommen lassen. Viele weitere Händler aus der Region seien so eifrige Spender, dass dem Schulwesen in Jiaying eine glückliche Zukunft bevorstehe.551 Doch Spenden allein reichten nicht aus. Um vermehrt an staatliche Mittel zu gelangen, war wie in Shantou, so auch in Jiaying Hartnäckigkeit gefragt. Im Sommer 1904 reichte ein Abgesandter der Wuben Xuetang eine Bittschrift beim Generalgouverneur ein. Darin ersuchte er die Provinzregierung um Geld aus der staatlich lizensierten Lotterie, aus dem Spendenaufkommen des Stadtgotttempels in Jiaying sowie aus den Pachteinnahmen dreier Klöster. Die Lotterie, entgegnete der Gouverneur, könne nach den neusten Regeln des shanhouju zwar nicht zur Finanzierung von Schulen herangezogen werden. Ob aber die anderen beiden Quellen zur Finanzierung der Wuben Xuetang infrage kämen, möge das Schulamt des Distrikts Jiaying untersuchen lassen und dann Bericht erstatten.552 Der Direktor des Schulamts ließ ein halbes Jahr später verlauten, dass seine Be548 Zhang Xiaoli, Qingmo „Xinzheng“ shiqi zhengfu dui jiaoyu jiankuan de jiangli zhengce, in: Lishi Dang’an (2003), S. 113–118, hier S. 115. 549 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 3v; ähnliche Anreize setzten auch andere Schulen in ganz China, siehe Yan Guangfen, Jingshang yu banxue. Jindai shangren jiaoyu huodong yanjiu, Shijiazhuang: Hebei jiaoyu chubanshe 2001, S. 87f. 550 Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng (1904), S. 4r. 551 LDRB GX 31/1/14 (17.02.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 552 LDRB GX 30/6/28 (09.08.1904), Chao Jia xinwen, S. 3v.
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hörde zwar gehalten sei, auch die „privat gegründeten“ Schulen zu unterstützen. Doch zum einen sei ungewiß, ob es der Wuben Xuetang überhaupt an Geld mangele; zum anderen gebe es ja nicht nur eine „privat gegründete“ Schule, und er könne öffentliche Gelder nicht einfach derjenigen Schule zusprechen, die als erste darum bitte. Dennoch wolle er den Antrag prüfen.553 Trotz dieser zunächst vergeblichen Bemühungen stand die Wuben Xuetang unter den nicht-staatlichen Schulen Jiayings im Sommer 1905 finanziell noch am besten da, und zwar wegen der Spenden aus Übersee.554 Ohne die Leyu Xuetang der Basler Missionare zu erwähnen, stellte die Lokalzeitung fest, es gebe neben der Wuben nur zwei weitere moderne Schulen in Jiaying, die allesamt von der Gentry selbst ins Leben gerufen worden seien. Die zweite erhalte im Jahr 40 Silberliang vom Amt für Sicherheit, die dritte bekomme gar kein Geld vom Staat und habe auch sonst wenig Einkünfte. Es kursiere in der Stadt daher folgender Witz: „Die Angestellten der Wuben Xuetang essen Reis; diejenigen der Guili Xuetang essen Suppe; und die Mitarbeiter der Chengxi Xuetang essen leidenschaftliche Hingabe.“555 Eine eigene staatliche xuetang, kritisierte die Zeitung, gebe es in Jiaying noch gar nicht, weil der Magistrat die neue Bildung nicht ernst nehme. Doch im selben Monat wurde ein Teil der Forderungen der Wuben Xuetang endlich erfüllt. Fortan sollten jährlich 500 Yuan vom „Weihrauchgeld“ (xiangqian) des Tempels des Stadtgotts an zwei Schulen fließen: Die eben begonnene Dongshan-Lehrerschule allerdings bekam mit 300 Yuan den größeren Teil, die Wuben Xuetang musste sich mit 200 Yuan begnügen.556 Doch kaum dass der erste staatliche Zuschuss gesichert war, gerieten die Finanzen der Wuben Xuetang erneut in Schieflage. Wieder wandte man sich an das Schulamt der Präfektur und verwies auf eine Anweisung der Provinzregierung, dass die infolge der die Abschaffung der kaiserlichen Prüfungen im September desselben Jahres nicht länger benötigten Reisestipendien zur Teilnahme an den Prüfungen stattdessen in neue Schulen investiert werden sollten. Erneut antwortete das Schulamt, dies sei ein berechtigtes Anliegen, das jedoch genau geprüft werden müsse.557 Ehe eine Entscheidung ergangen war, kam es um weitere Geldquellen zu einem grundlegenden Streit zwischen Kaufleuten, Schulbetreibern und dem Präfekten. Letzterem oblag es darüber zu entscheiden, welche Handelsgüter in 553 LDRB GX 31/1/14 (17.02.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r f. 554 Liu Feng, Meixian renmin juanzi banxue de youliang chuantong, in: Meixian wenshi ziliao (1993) 25, S. 83–85, hier S. 84. 555 LDRB GX 31/7/3 (03.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 556 LDRB GX 31/7/21 (21.08.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 557 LDRB GX 31/10/17 (13.11.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v.
4.7 Finanzierung
327
der Präfektur in welchem Umfang zur Finanzierung von Schulen zusätzlich mit Abgaben belegt werden sollten.558 Anfang 1906 hatte die bereits mehrfach erwähnte Chengxi Xuetang, eine Grundschule, den Präfekten um einen Anteil der Abgaben auf Rinderhäute, Geflügel, Tabak und andere Güter gebeten, die bis dahin der Polizei zugute gekommen waren. Die Wuben Xuetang beantragte daraufhin ebenfalls einen Anteil dieser Gelder. Präfekt Chen entschied, dass die Mittel zwischen den Schulen und der Polizei aufgeteilt werden sollten. Daraufhin verlangte Huang Mocun, der ja selbst Kaufmann und somit von den Abgaben unmittelbar betroffen war, weitere 800 Yuan aus den Abgaben auf Geflügel für seine Wuben Xuetang. Tags darauf beantragte ein anderer Kaufmann, von den Abgaben auf Rinderhäute weitere 300 Yuan der örtlichen Polizei zur Verfügung zu stellen. Als der Präfekt weder auf die eine noch auf die andere Forderung einging und stattdessen die Chengxi Xuetang mit weiteren 300 Yuan sowie das Schulamt der Präfektur mit 500 Yuan aus den Abgaben bedachte, beschlossen sowohl Huang als auch der andere Kaufmann, die Abgaben zu verweigern und Flugblätter dagegen zu verteilen. Sie beriefen eine Versammlung ein, auf der einige Dutzend Kaufleute beratschlagten, wie sie sich gegen die immer neuen Abgaben, die ihnen insbesondere das Schulamt in letzter Zeit abfordere, zur Wehr setzen oder zumindest über deren Verwendung mitbestimmten könnten. Da unter Anwesenden die Befürworter weiterer Boykotte und die Vertreter einer Verhandlungslösung einander die Waage hielten, vertagte man sich. Friedrich Lindenmeyer von der Basler Mission wurde zum Zeugen dieser Auseinandersetzung zwischen seinen ehemaligen Mitstreitern von der Wuben Xuetang – der „Partei der Kaufleute“ oder „demokratischen Partei“, wie er sie nannte – und der „Regierungspartei“ oder „aristokratischen Partei“ um den Präfekten und die Chengxi Xuetang.559 Der Konflikt sollte sich ein weiteres Jahr hinziehen, in dessen Verlauf zweimal ein Abgesandter des Generalgouverneurs in Jiaying erschien und schließlich entschied, dass die Abgaben zugunsten der Wuben Xuetang rechtens seien, diejenigen zugunsten der Chengxi Xuetang aber gekürzt werden müssten. Erst 1907 kehrte etwa mehr Stabilität ein, als die Wuben Xuetang – wohl in Reaktion auf die lokalen Querelen – direkt dem Schulamt in Guangzhou unterstellt wur-
558 BMA A–1.45/105: Das neue Schulwesen in China im Kampf mit dem alten Heidentum (III. Quartalsbericht), Georg Reusch an das Komitee, Kayintschu 30.09.1909, S. [3]. 559 LDRB GX 32/3/30 (23.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v; BMA A–1.41/89: I. und II. Quartalbericht von 1907, Lindenmeyer an das Komitee, Kayintschu, 16.02.1907, S. 8–18.
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de. Fortan erhielt sie auch einen monatlichen staatlichen Zuschuss in Höhe von 200 Silberliang.560 Hier zeigt sich exemplarisch, welch großes und zugleich mehrdimensionales Konfliktpotential die weitgehende Abwesenheit klarer staatlicher Regeln für die lokale Schulfinanzierung barg. Gerade in den Städten waren Kaufleute zur Zeit der „Neuen Politik“ maßgeblich an der Finanzierung moderner Schulen beteiligt.561 Die Händler forderten deshalb, durch die kaiserliche Zulassung von Handelskammern bestärkt, nicht etwa bloß eine geringere Abgabenlast; wichtiger noch war ihnen ein Mitspracherecht über die Verwendung der Mittel. Sie stellten mit anderen Worten die lokale Budgethoheit des Magistrats oder Präfekten und der Gentry-Vertreter in den verschiedenen Büros infrage. Als eines der kostspieligsten und zugleich für alle ungehindert zugänglichen Felder wurde das Schulwesen so zum Schauplatz einer tieferreichenden Auseinandersetzung um das Machtverhältnis zwischen staatlicher Verwaltung, Gentry und Kaufleuten.562 Einzelne Schulen wurden zu Vertretern spezifischer politischer Ansichten, mit denen sich meist auch die Schülerschaft identifizierte. Die Position einer Schule innerhalb dieses Konfliktes hatte direkte Auswirkungen auf ihre finanzielle Lage. Insbesondere für die öffentlichen Schulen zeigte sich hier, dass die ordnende Hand des Staates der „Neuen Politik“ bloße Fiktion war. Für die staatlichen Schulen war die Geldbeschaffung einfacher, aber ebenfalls nicht unproblematisch. Dass sich die Gründung der staatlichen Mittelschule des Distrikts Jiaying immer wieder verzögerte, war weniger mangelnden Geldmitteln als vielmehr dem Fehlen eines geeigneten Gebäudes oder Grundstücks geschuldet. Anfang 1905 plante Distrikt-Vorsteher Qin noch, die Schule in mehreren benachbarten Gebäuden nördlich der Stadtmauer unterzubringen. Dazu zählten wie bereits erwähnt der Konfuziustempel, der Altar des Ackerbaus, die Chongshi-Akademie sowie ausgediente Kasernen und Lagerhäuser (Abb. 25). Der geplante Neubau erschien dem Autor der Lingdong Ribao jedoch reichlich ambitioniert, zumal der Magistrat verlangte, dass die Gentry von Jiaying zuerst die nötigen Geldmittel beschaffen möge. Bis zum Beginn der Bauarbeiten dürfe die Wuben Xuetang den Konfuziustempel nutzen.563 Und so passierte zunächst acht Monate lang gar nichts. Den Kommentator der Lokalzeitung ärgerte die Untätigkeit der Beamten. Es sei eine Schande, 560 GDJYGB 1 (1910) 7, fupian, S. 190r. 561 Yan Guangfen, Jingshang yu banxue, S. 94–106; Manbun Kwan, The Salt Merchants of Tianjin. State-Making and Civil Society in Late Imperial China, Honolulu, HI: University of Hawaii Press 2001, S. 101–103 zeigt, dass die Salzhändler in Tianjin ganz wesentlich das Schulwesen während der „Neuen Politik“ finanzierten. 562 Averill, Cultural, S. 30f. 563 LDRB GX 30/12/1 (06.01.1905), Chao Jia xinwen, S. 3r f.
4.7 Finanzierung
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schrieb er im September 1905, dass bislang allein die Gentry moderne Schulen in Jiaying geschaffen habe. Gewiss seien sowohl ein Grundstück als auch Mittel zur Deckung der laufenden Kosten schwer zu beschaffen. Doch zu beidem machte der Autor Vorschläge: So ließe sich nun, da auch die militärischen Prüfungen der Vergangenheit angehörten, der Truppenübungsplatz im Osten der Stadt als Schulgelände nutzen; und die laufenden Kosten könnten durch Teilung der geplanten Mittelschule in eine Unter- und eine Oberstufe auf den Distrikt einer- und die Kreise andererseits verteilt werden.564 Es war wohl weniger dieser Zeitungskommentar, als vielmehr das zeitgleiche Ende der Staatsprüfungen, das auch hier wie ein Katalysator wirkte. Schon im Oktober 1905 unternahm das Schulamt von Jiaying einen neuen Anlauf und schlug dem Präfekten die Gründung einer staatlichen Mittelschule im alten Prüfungsgebäude vor. Der Präfekt genehmigte die Idee im Dezember. Die Schulbehörde in Guangzhou bestätigte ebenfalls den Plan und lobte den Vorsitzenden des Schulamtes von Jiaying für seine Initiative.565 Vier Monate später wurde die erste staatliche Mittelschule Jiayings feierlich eröffnet. Auch die amerikanischen und deutschen Missionare waren eingeladen. Die Lingdong Ribao war besänftigt und pries nun die „Fähigkeit der Mitarbeiter des Schulamtes“. Allerdings hatte man die immer noch ehrgeizigen Baupläne abermals zurückgefahren. Nun war die Schule „vorübergehend“ im Konfuziustempel eingerichtet worden, die Wuben Xuetang hatte von dort ausziehen müssen. Der neue Präfekt lobte in seiner Eröffnungsansprache dennoch sich selbst: Gleich nach seinem Amtsantritt habe er erkannt, dass Jiaying eine staatliche Mittelschule brauche und daher das Schulamt instruiert, schnell eine solche ins Leben zu rufen. Diese werde fortan als „Vorbild für alle öffentlichen und privaten Schulen im ganzen Distrikt“ dienen.566 Doch der Traum des Schulamtes von einer auch in baulicher Hinsicht vorbildlichen Muster-Mittelschule ging nicht in Erfüllung. Statt wie geplant die Prüfungshalle umzubauen, genehmigten die wechselnden Präfekten in den folgenden Jahren mehrfach den Verkauf von Mobiliar aus jenem ungenutzten Ge564 LDRB GX 31/8/18 (16.09.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. Die Umnutzung insbesondere der kaum noch in Betrieb befindlichen Schießstände für die Bogen- und Gewehrschützen der Bannertruppen wurde in vielen Städten in ganz China veranlasst, um Schulen und andere Einrichtungen der „Neuen Politik“ zu finanzieren, siehe Stapleton, Civilizing, S. 148; zum Niedergang des Bogenschießens und der Bannertruppen insgesamt, siehe Mark C. Elliott, The Manchu Way. The Eight Banners and Ethnic Identity in Late Imperial China, Stanford, CA: Stanford University Press 2002, S. 276–290. 565 LDRB GX 31/09/12 (10.10.1905), Chao Jia xinwen, S. 4r; GX 31/11/26 (22.12.1905), S. 3v; GX 31/11/22 (18.12.1905), S. 3r. 566 LDRB GX 32/4/2 (25.04.1906), Chao Jia xinwen, S. 3r.
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bäudekomplex, um mit dem Erlös immer neue Anbauten auf dem Gelände des Konfuziustempels zu finanzieren. Wo die Lokalverwaltung über weniger üppige Mittel verfügte als in Chaozhou, waren also selbst höhere staatliche Schulen von Geldmangel betroffen, der dafür sorgte, dass Provisorien sich verstetigten.567 Hinzu kam, dass die zunehmend erfolgreiche Etablierung eines tatsächlichen Schulsystems aus aufeinander folgenden Klassen und Schulstufen die laufenden Kosten mit den Jahren nur noch weiter steigen ließ. So mussten 1908 für die staatliche Mittelschule in Jiaying drei neue Unterrichtsräume geschaffen werden, weil sich nun fast alle Absolventen der Chengxi-Grundschule um eine Aufnahme bewarben.568 Über die Finanzierung der Dongshan-Lehrerschule sind weit weniger Details bekannt. Sicher ist, dass ihre Gründung noch von Huang Zunxian selbst weitgehend aus eigenem Vermögen bezahlt wurde. Dies wurde durch den Umstand erleichtert, dass Huang sich über seinen jüngeren Bruder, den Präfekten Huang Zungeng, Gebäude und Vermögen der Dongshan-Akademie hatte sichern können. Darüber hinaus setzte auch Huang Zunxian auf die Spendenbereitschaft der Jiayinger Kaufmannschaft in Nah und Fern.569 Das war auch nötig, denn trotz der Übernahme der Akademie schlugen fortgesetzter Umbau und Möblierung dieser ersten Lehrerschule Jiayings bis 1906 mit mehr als 10.000 Silberliang zu Buche.570 Huang Zunxians Engagement aber ging über die Dongshan-Lehrerschule weit hinaus. Er setzte sich allgemein für die Gründung von modernen Schulen in Jiaying ein. Ohne die reformfreundliche Haltung der Provinzregierung in Guangzhou freilich wäre das nicht denkbar gewesen. Huang, der seine Unterstützung der Hundert-Tage-Reform 1898 beinahe mit dem Leben bezahlt hätte, hatte sich denn auch in seinen ersten Jahren in Jiaying davor gehütet, überhaupt politisch in Erscheinung zu treten. Erst als Generalgouverneur Cen Chunxuan 1903 in Guangzhou das xuewuchu, den Vorgänger des Bildungskommissariats, schuf und 1904 allen Kreisbeamten befahl, jeweils ein Schulamt einzurichten, wagte sich auch Huang wieder aus der Deckung. Ohne dass es dafür 1904 bereits eine gesetzliche Grundlage gegeben hätte – Cen Chunxuan hatte ja lediglich zur Gründung von Schulämtern aufgerufen – gründete Huang zum Zweck der Förderung moderner Schulen den erwähnten „Rat zur Schulförde567 LDRB GX 34/9/22 (16.10.1908), Chao Jia xinwen, S. 3v. 568 LDRB XT 1/1/18 (27.02.1910), Chao Jia xinwen, S. 3v. 569 Zhong Jiahua, Shishen, S. 47–49. Dazu gehörte eine Spende des erwähnten Kaufmanns Xie Mengchi von 1.500 Silberliang für den Umbau der Dongshan-Akademie in die Lehrerschule, siehe Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 549; LDRB GX 31/1/12 (15.02.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 570 LDRB GX 32/4/7 (29.05.1906), Chao Jia xinwen, S. 3v.
4.7 Finanzierung
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rung“ in Jiaying und rief die Gentry im ganzen Distrikt auf, es ihm gleichzutun. Damit hatte Huang faktisch die Einführung der quanxuesuo durch das Bildungsministerium um beinahe zwei Jahre vorweggenommen.571 Nach Huangs Tod 1905 wurde die Schule offiziell verstaatlicht. Für ihre Finanzierung war dies ein entscheidender Schritt, denn Lehrerschulen mussten laut Gesetz vollständig vom Staat bezahlt werden – öffentliche Lehrerschulen waren dagegen überhaupt nicht vorgesehen.572 In der Realität freilich war der Anteil staatlicher Gelder am Gesamtbudget staatlicher Schulen zwar deutlich höher als bei den öffentlichen Schulen, wo er in Jiaying 1908 nur vier Prozent ausmachte. Die Dongshan-Lehrerschule erhielt zur Deckung ihrer laufenden Kosten zusätzlich zu den Pachteinnahmen ab 1906 jährlich 500 Silberliang aus den Steuereinnahmen des Amtes für Sicherheit. Weitere drei Schulen der Stadt mussten sich, wie wir gesehen haben, mit je nur 100 Silberliang staatlicher Zuwendungen begnügen.573 Dennoch kam der Staat 1908 – im ersten Jahr, zu dem die amtliche Statistik Zahlen auch für Jiaying liefert – lediglich für 15 Prozent des Budgets der staatlichen Schulen oder 881 Silberliang auf. Die Zuwendungen aus dem Polizeihaushalt waren mit anderen Worten die einzige unmittelbar staatliche Finanzierung dieser „staatlichen“ Schulen. Zum Vergleich: Die Schulgelder sorgten mit rund 2.200 Silberliang für mehr als ein Drittel der Einnahmen, und auch der Anteil der kommunalen Gelder lag mit 22 Prozent deutlich über jenem der staatlichen.574
4.7.5 Staatliche Ordnung ins lokale Chaos, 1909–1911 Der mikrohistorische Blick auf die Haushaltslage einzelner Schulen zeigt, dass kein Schuldirektor sich auf den Staat verlassen konnte. Das galt nicht bloß für öffentliche und private Schulen, sondern sogar, wenn auch in geringerem Ma571 Huang Zunxian, Jinggao tongxiang zhujunzi (1903), S. 548. Dies war jedoch keineswegs ein Einzelfall, wie ähnliche Beispiele, von denen Mary Backus Rankin aus Zhejiang zu berichten weiß, sowie ein Fall aus Nanhai (Guangzhou) zeigen, wo der Kreismagistrat 1904 die Gentry aufrief, ein Büro für Bildungsangelegenheiten zu errichten, um Schulvorschriften, Lehrinhalte und anderes festzulegen, siehe Shenbao, 07.05.1904, in: Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 6, S. 151. 572 Cong, Teacher, S. 40f.; Jiaying Dongshan shifan xuetang zhangcheng, 1905, in: LDRB GX 31/10/3 (30.10.1905), zhuan jian, S. 2r f.; GX 31/10/4 (31.10.1905), zhuan jian, S. 1v f.; GX 31/10/ 5 (01.11.1905), zhuan jian, S. 1v f.; siehe auch LDRB GX 31/3/8 (12.04.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 573 LDRB GX 31/11/18 (14.12.1905), Chao Jia xinwen, S. 3v. 574 Bildungsministerium (Hrsg.), Di er ci jiaoyu tongji tubiao (1910), Bd. 2, S. 309; Bildungsministerium (Hrsg.), Di san ci jiaoyu tongji tubiao (1911), Bd. 4, S. 321.
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ße, für die staatlichen Schulen. Während ihnen der Staat also genau vorgab, welche Schulen sie wie zu betreiben hatten, mussten die lokalen Akteure Monat für Monat selbst sehen, wie sie finanziell über die Runden kamen. Der Legitimität staatlicher Herrschaft war diese Diskrepanz nicht zuträglich – zumal der Staat seine mangelnde Output-Legitimität nicht durch die Ermöglichung von Input-Legitimität ausgleichen wollte, wie das Ringen von Gentry und Kaufleuten um Einfluss auf die Schulfinanzierung gezeigt hat. Die fehlende Regulierung der lokalen Schulfinanzierung war in gewissem Sinne ihr Erfolgsgeheimnis – der Zentralstaat hätte die Schulen nicht selbst bezahlen können, und eine striktere staatliche Verwaltung hätte die notwendige lokale Kreativität erstickt. Zugleich aber war die fehlende Regulierung der Pferdefuß des Schulwesens: Je intensiver nämlich die lokalen Schulverwalter, Beamten, Gentry und Kaufleute – notgedrungen – um die verfügbaren Gelder kämpften, umso mehr verloren die Provinzregierungen und, mehr noch, der Hof in Beijing, die Kontrolle über die Entwicklung. Die gewählte Finanzierungspraxis stand also in scharfem Kontrast zum neuen staatlichen Anspruch auf Homogenisierung, den das Bildungsministerium in anderen Bereichen – von Textbüchern über Bauvorschriften bis zu Unterrichtszeiten – durchzusetzen versuchte. Diese Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit blieb weder der Provinzregierung noch dem Kaiserhof verborgen. Schon im November 1906 sah sich das Bildungsministerium genötigt, den Schulbetreibern erste Beschränkungen aufzuerlegen. Diese betrafen die Höhe des Schulgeldes. 1904 hatte die Zentralregierung jene noch nicht vorgeben wollen: Das Schulgeld müsse, so hatte es damals geheißen, im Einzelfall lokal festgesetzt werden, wobei die finanzielle Situation der jeweiligen Provinz ebenso eine Rolle spielen müsse wie der langfristige Finanzbedarf der betreffenden Schule.575 Doch durch den Generalgouverneur von Jiangsu, Jiangxi und Anhui (Liangjiang), Zhou Fu (1837–1921) über Missbräuche alarmiert, führte das Bildungsministerium zwei Jahre später Obergrenzen ein. „Wenn ohne alle Beschränkung [Schulgeld] eingetrieben wird, dann ist zu befürchten, dass dies die Entwicklung [des Schulsystems] behindern wird“, hieß es zur Begründung. Für die einfache Grundschule durften fortan höchstens drei jiao, für die Mittelschule ein bis zwei Silberliang pro Monat und Schüler erhoben werden.576 Sollte es im Einzelfall nötig sein, die Obergrenzen
575 Zouding zhongxuetang zhangcheng (13.01.1904), S. 327. 576 Bildungsministerium, Xuebu tongxing jingwai zhengshou xuefei zhangcheng wen, GX 32/ 09/24 (10.11.1906), in: Li Guilin, Putong jiaoyu, S. 292–295. Wir erinnern uns: An der Lingdong Tongwen Xuetang und vielen anderen Schulen lag das Schulgeld mit 30 Silberliang weit über diesem neuen Grenzwert.
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zu überschreiten, so waren die Schulleiter angewiesen, dies beim Schulamt der Provinz zu beantragen. Um die weitere Veruntreuung der Schulgelder, die ein häufiger Grund für lokale Proteste war577, zu verhindern, schloss die neue Bestimmung mit dem Verbot, etwaige Überschüsse für anderes als die Schulen zu verwenden.578 In der Folgezeit versuchte das Bildungsministerium immer wieder, durch weitere gesetzliche Konkretisierungen die anfangs so stiefmütterlich behandelte Frage der Finanzierung gerade der öffentlichen Schulen in den Griff zu bekommen.579 1909 veröffentlichte man eine viel detailliertere Fassung der allgemeinen Regeln der Schulverwaltung, die auch präzise Bestimmungen zur Finanzbuchhaltung enthielt.580 Im Jahr darauf versuchte das Ministerium, mehr Kontrolle über die Lehrer und die diesen gezahlten Gehälter zu erlangen, indem es zunächst ein Formular an alle Schulen austeilen ließ, das zu jedem Lehrer und jedem Angestellten neben dessen Monatslohn auch Alter, Herkunft, Einstellungsdatum, Unterrichtspensum und weitere Angaben erfassen sollte.581 Speziell in Guangdong war es zudem immer wieder zu Konflikten um die Verwendung des Vermögens der großen Klans zur Finanzierung öffentlicher Schulen gekommen. Auch die Provinzversammlung von Guangdong sollte sich auf ihrer ersten Sitzung Ende 1909 hiermit befassen und forderte eine Sonderregelung für die Provinz: „Klanschulen“ (jiazu xuetang) sollten als vierte Kategorie von Schulen quasi zwischen den öffentlichen und den privaten Schulen eingefügt werden. Und in der Tat gab das Schulamt von Guangdong kurz darauf eine Anleitung zur Untersuchung der öffentlichen Gelder für Schulen durch die quanxuesuo heraus und fügte auch gleich einen Formularvordruck an. Es gebe, so das Amt zur Begründung, zwei Arten von öffentlichen Geldern, die „lokalen öffentlichen Gelder“ (difang gongkuan) und die „familiären öffentlichen Gelder“ (jiazu gongkuan). Während in anderen Provinzen beide immer zusammengefasst würden, gebiete es die Sondersituation Guangdongs, „wo die großen Fa577 Auch in Jiaying kam es zu Überfällen auf neue Schulen, siehe als Beispiel: Shenbao, 13.05.1908, in: Lin Zhongjia et al., „Shenbao“, Bd. 7, S. 104f. 578 Xuebu tongxing jingwai zhengshou xuefei zhangcheng wen (10.11.1906). Die Pflicht zur Berichterstattung über Einnahmen und Ausgaben findet sich bereits in Zouding ge xuetang guanli tongze (13.01.1904), S. 490f.; zu den Protesten wegen angeblicher Veruntreuung siehe Li Huaiyin, Village, S. 171; Bailey, Reform, S. 102f. sowie BMA A–1.45/105: Das neue Schulwesen in China im Kampf mit dem alten Heidentum (III. Quartalsbericht), Georg Reusch an das Komitee, Kayintschu 30.09.1909, S. [2–11], hier S. [4–7]. 579 Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 33f. 580 Bildungsministerium, Xuebu zou zengding ge xuetang guanli tongze zhe bing dan (07.02.1910). 581 Bildungsministerium, Xuebu zha fa xuetang jiaoyuan guanliyuan yilanbiao chi si zunzhao banli wen, XT 1/11 (Dezember 1909), in: GDJYGB 1 (1910) 6, wendu, S. 142–145.
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milien oft zusammen wohnen“ – gemeint waren die Klandörfer –, die beiden Kategorien zu trennen. Das Schulamt versuchte auch, die „öffentlichen Gelder“ genau zu definieren und listete unter anderem Getreidespeicher, Schulfonds und Landbesitz der Akademien auf.582 Schon 1909 hatte das Schulamt seine Finanzplanung bis einschließlich zum Jahr 1916 und damit bis zum Vorabend der versprochenen Eröffnung des nationalen Parlaments vorgestellt. Details auch zur vorgesehenen Zahl und Größe wurden nur hinsichtlich jener Fachschulen (zhuanmen xuetang) sowie Bibliotheken und sogar Museen angegeben, die die Provinzregierung selbst zu unterhalten vorsah. Die weitaus größere finanzielle Bürde der Berufs- (shiye xuetang) und vor allem der allgemeinbildenden Schulen sollte jedoch aus lokalen Mitteln getragen werden: Bis 1916 waren für die allgemeinbildenden Schulen aus der Provinzkasse gut 1,5 Millionen Silberliang, aber rund 48 Millionen Silberliang aus lokalen Quellen eingeplant – ein Verhältnis von eins zu 32.583 Eine wichtige Botschaft dieses Dokuments sollte sein, dass die Regierung überhaupt einen Plan verfolgte. Unfreiwillig wurde damit zugleich bestätigt, dass das Gros der Kosten von Gentry und Händlern vor Ort würde bezahlt werden müssen, erneut ohne dass Details zu den Quellen genannt wurden. Die Forderung der Provinzversammlung von Guangdong, die lokalen Steuern und Abgaben sollten stattdessen in einen Gesamthaushalt der Provinz fließen, aus dem das Schulamt dann alle Schulen würde finanzieren können (siehe gleich unten), verhallte dagegen ungehört. Wirklich offen zu Tage trat das ganze Ausmaß der chaotischen Finanzierungsverhältnisse jedoch erst gegen Ende des Jahrzehnts. Um die Grundlage für die avisierte Selbstverwaltung und die konstitutionelle Monarchie zu schaffen, wurden ab 1909 nicht nur überall im Land Lokal- und Provinzversammlungen eingerichtet, sondern generell Zahlen und Fakten in bis dahin ungekanntem Ausmaß zusammengetragen – von der Volkszählung über die Erhebung der lesefähigen Bevölkerung bis hin zu den finanziellen Verhältnissen der Provinzen und Kreise (Kapitel 3.1) – und Probleme wurden öffentlich benannt.584 Drei konkrete Beispiele möchte ich nennen. Weil, erstens, die öffentlichen Finanzen zentral von der Einführung der Selbstverwaltung betroffen sein würden, und weil die Zentralregierung die Finanzen wieder stärker unter Kontrolle bringen wollte, wurden diese 1909 in je-
582 Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Jiang chengjiao duxian diaocha gongkuan xingban xuetang bing wen, XT 1/9/7 (20.10.1909), in: GDJYGB 1 (1910) 6, wendu, S. 152–156. 583 Guangdong sheng jiaoyu fei fen nian choubei yusuan zongbiao, in: GDJYGB 2 (1911) 11, wendu, S. 20–25. 584 Meienberger, Emergence, S. 78–80; Thompson, China’s Local Councils, S. 47, 115–121.
4.7 Finanzierung
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der Provinz untersucht. Die hieraus resultierenden „Erklärungsbücher“ (shuoming shu), die dann 1910 erschienen, trugen die Unübersichtlichkeit der Lokalfinanzen ex negativo schon im Titel. Zu den drängendsten Reformvorschlägen, die die Finanzreformkommission zugleich präsentierte, gehörte eine eindeutige Trennung von lokalen und nationalen Abgaben und Steuern.585 Zweitens war bereits ein Jahr zuvor die erste nationale Bildungsstatistik erschienen. Wie ich in Kapitel 3 erläutert habe, machte auch diese teils deutlich, dass das Schulsystem unterfinanziert war, teils, dass dem Hof in zahllosen Fällen überhaupt keine genauen Informationen vorlagen. Ein dritter Faktor, der zur Zuspitzung der Krisenwahrnehmung im Jahr 1909 – nach dem Tod der Kaiserinwitwe und des Guangxu-Kaisers im vorangegangenen Herbst – beitrug, war die Wahl der Provinzversammlungen. Cen Chunxuan hatte 1907 zu den ersten Gouverneuren gehört, die dem Hof die Einberufung solcher beratender Organe vorgeschlagen hatten. Als die Provinzversammlung von Guangdong im Sommer 1909 zum ersten Mal tagte, zeigte sich jedoch, dass die Ambitionen ihrer der „liberalen städtischen Reform-Elite“ entstammenden, relativ jungen Mitglieder viel weiter gingen, als dem Gouverneur lieb war. Nur auf drei der 26 dort verabschiedeten Vorschläge reagierte der Gouverneur, und nur einen einzigen setzte er um.586 Tatsächlich thematisierten die Abgeordneten während der ersten der jährlichen Sitzungen Ende 1909 bestehende Missstände in ungekannter Deutlichkeit und vor allem Öffentlichkeit. Auch die chaotische Finanzierung der Schulen kam zur Sprache, und es wurden Vorschläge zu deren künftiger Strukturierung gemacht. So diskutierte die Versammlung einen Antrag auf Untersuchung der öffentlichen Gelder, die zur Unterstützung von Schulen Verwendung fanden. Die Erhebung und Verteilung dieser Gelder sei zu kompliziert und müsse genauer kategorisiert werden. Unter anderem wurde eine Trennung öffentlicher Schulen von den Klanschulen gefordert, und dass die von einem Klan zusammengesparten Schulfonds – die das Schulamt ja kurz zuvor den „öffentlichen Geldern“ zugerechnet hatte – nicht umstandslos für die öffentlichen Schulen genutzt werden sollten.587 585 Hickey, Bureaucratic, S. 76f.; Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 11–26. 586 Esherick, Reform, S. 99; Li Zhenwu, Late Qing Govenors, S. 47. Bevor die Verfassungskommission in Beijing im Sommer 1908 verkündete, dass die ziyiju gewählte Provinzversammlungen sein sollten, hatten die Gouverneure unter demselben Namen bereits handverlesene Gremien zusammengestellt. Wie der britische Konsul in Guangzhou berichtete, handelte es sich bei den Auserwählten in Guangdong fast ausschließlich um pensionierte Beamte, und deshalb werde man hier kaum die Stimme des Volkes repräsentiert finden. Siehe National Archives Kew, FO 228.1694 „Intelligence Report for the quarter ending September 30, 1908“, S. 16f.; Thompson, China's Local Councils, S. 97; Hou Yijie, Ershi, S. 161f.
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Auf der nämlichen Sitzung verabschiedete das Gremium weiterhin einen allgemeineren Vorschlag „zur Vereinheitlichung der Finanzverwaltung der Provinz [Guangdong]“ (tongyi bensheng caizheng), der unter anderem die Umsetzung der Reformvorschläge der zentralen Finanzreformkommission forderte: Die einzelnen Büros zur Beschaffung von Schulbudgets sollten aufgelöst werden. Nicht länger solle das Schulamt in Guangzhou sein eigenes Einkommen generieren – stattdessen solle es ein Budget aus dem Gesamthaushalt der Provinz erhalten, mit dem es künftig alle Schulen würde finanzieren können. Auf diese Weise sollten die bislang streng voneinander getrennten staatlichen und öffentlichen Schulen beide aus demselben Budget finanziert werden, und das System gesonderter Einnahmequellen für beinahe jede einzelne Schule sollte abgeschafft werden.588 In dieselbe Richtung hatte bereits 1908 die Buchhaltungsabteilung des Schulamtes der Provinz argumentiert.589 Ähnliche Initiativen gab es auch andernorts, und schon 1904 hatte ein ungenannter Autor in der Dongfang Zazhi vorgeschlagen, eine allgemeine Schulsteuer einzuführen.590 Am Ende des Jahrzehnts unternahmen Provinz- und Zentralregierung dann tatsächlich Versuche, die lokale Finanzierung von Schulen zu entwirren und zu verbessern. So betraf zum Beispiel einer der wenigen Vorschläge des Guangdonger ziyiju von 1909, den die Provinzregierung aufgriff, ebenfalls das Schulwesen. Unter der Überschrift „Vereinigung der Gesellschaft zum Zweck der Förderung der Bildung“ (lianhe shehui yi bao jiaoyu zhi jinxing) hatte die Versammlung eine Zusammenlegung der, oder zumindest Kooperation zwischen den quanxuesuo, die ja dem Lokalbeamten unterstellt waren, und den von der Gentry kontrollierten Bildungsvereinigungen gefordert.591 Tatsächlich erließ das Schulamt noch im selben Jahr unter ausdrücklichem Bezug auf die Provinzversammlung entsprechende Regularien.592 Die wichtigste Unterscheidung, die diese zwischen den beiden Einrichtungen trafen, bezog sich auf die Aufgabenbereiche, anhand derer deutlich wird, dass die quanxuesuo als staatliche Organe der Selbstverwaltung übergeordnet bleiben sollten: Die Bildungsbeauftragten der (als Verwaltungseinheit neu ge587 Guangdong ziyiju di yi ci huiyi baogaoshu, in: Sang Bing, Sanbian Qingdai gao chaoben, Bd. 49, S. 131–173, hier S. 143–145. 588 Ebd., S. 147–149. 589 Guangdong xuewu gongsuo kuaijike shilüe (1908), [hinterer Teil ], S. 1r. 590 Guan Xiaohong, Wan Qing xuebu yanjiu, S. 294; Jiaoyu puji yi, in: Dongfang Zazhi, 08.6.1904, S. 75–78. 591 Guangdong ziyiju di yi ci huiyi sujilu, in: Sang Bing, Sanbian Qingdai gao chaoben, Bd. 49, S. 253–290, hier S. 280–283; Guangdong ziyiju di yi ci huiyi baogaoshu, S. 141–143. 592 Bildungskommissariat von Guangdong, Qian si Jiang chengjiao duxian jiaoyuhui quanxuesuo lianhe banfa bing wen fu jianzhang (21.10.1909), S. 156–158.
4.7 Finanzierung
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schaffenen) Großstädte (cheng), Städte (zhen) und Gemeinden (xiang) sollten aus öffentlichen Mitteln in erster Linie die Unteren Grundschulen und einfachen Alphabetisierungsschulen (jianyi shizi xueshu) finanzieren; ihre Kollegen auf der Ebene der Subpräfekturen, Distrikte und Kreise aus nämlicher Quelle die Mittelschulen, Höheren Grundschulen, Unteren Grundschulen (chudeng xiaoxuetang – von diesen aber nur die Musterschulen) und die Berufsschulen. Die quanxuesuo hingegen sollten fortan nur noch über staatliche Mittel (guankuan) verfügen, mit denen sie „alle Schulen“ zu finanzieren hatten. Damit ist klar, dass das Bildungsministerium 1910 versuchte, das Chaos der lokalen Finanzquellen zu beseitigen und öffentliche deutlicher von staatlichen Geldern zu trennen, indem es sie von unterschiedlichen Organen verwalten lassen wollte.593 Doch damit war die Ausweitung der staatlichen Regelung der Schulfinanzierung noch lange nicht am Ende. Für das Jahr 1911 hatte sich das Bildungsministerium unter dem Eindruck der nun schon auf 1913 vorgezogenen Eröffnung des Parlaments als „wichtigste Maßnahmen“ vorgenommen, die zentralstaatliche Bezuschussung von Grundschulen zu regeln sowie ein Muster zur Finanzierung von Grundschulen festzulegen. Auch Regeln für ein Pilotprojekt zur Erprobung der Schulpflicht waren für das Revolutionsjahr avisiert.594 Doch zu all diesen Schritten kam es nicht mehr. Gleichzeitig begannen manche Kreise, sich selbst zu helfen. Die lokale Selbstverwaltung war vielerorts ohnehin weiter fortgeschritten, als der Hof in Beijing vorgesehen hatte.595 Im Kreis Jieyang in Ost-Guangdong gründete die Gentry 1909 mit Genehmigung des Kreisbeamten ein eigenes „Büro für Bildungsfinanzen“ (xuewu licai suo). Ziel des aus gewählten Gentry-Mitgliedern gebildeten Gremiums war es, „bestehende Übel [in der Schulfinanzierung] zu beseitigen, auch kleinste Spenden dem Gemeinwohl zunutze zu machen, den vorhandenen [Land-]Besitz [zur Finanzierung von Schulen] zu bewahren und neue Finanzquellen zu erschließen“. Auch wenn wiederum nicht klar wird, wie diese Stelle zu ihren Einnahmen kommen wollte, ist doch deutlich, dass hier Gentry-
593 Ebd.; Meienberger, Emergence, S. 80. 594 Bildungsministerium, Xuebu zou fu chen puji jiaoyu zuiyao ciyao banfa zhe bing dan (26.12.1910); Bildungsministerium, Xuebu zou zhuo ni gaiding choubei jiaoyu shiyi zhe bing dan (26.01.1911). 595 Thompson, China’s Local Councils, S. 92f.
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Mitglieder zur Selbstorganisation griffen, weil sie vom staatlichen System der Finanzierung der öffentlichen Schulen enttäuscht waren.596 Alles in allem wäre wohl die Schaffung eines „soliden Steuersystems“ essentiell zur Sicherstellung des Betriebs der bestehenden Schulen und zum weiteren Ausbau des Schulsystems gewesen.597 Ansätze hierzu existierten auch durchaus. Vor allem die Provinzversammlung von Guangdong machte mehrere Vorschläge in diese Richtung, die jedoch vom Generalgouverneur abgelehnt wurden. Die Vorschläge der zentralen Kommission zur Reform des Finanzsystems zielten mit ihrer detaillierten Aufteilung bestehender Steuern und Abgaben in zwei Kategorien – national (guojia) und kommunal (difang) – in dieselbe Richtung.598 Doch alle Versuche, das grundsätzliche Übel unklarer Grenzen zwischen staatlichen und kommunalen Mitteln zu beseitigen, bestanden weitgehend nur auf dem Papier. Mit seinen hohen Ansprüchen und dem zum Ende des Jahrzehnts noch einmal rapide ansteigenden Tempo, in dem eine gesetzliche Neuerung die nächste, eine Revision die andere jagte, entfernte sich der Staat stattdessen zusehends von der Realität verwickelter und unklarer lokaler Finanzverhältnisse. Der state effect, der hierdurch eintrat, ließ den chinesischen Provinz- und Zentralstaat weniger erhaben als vielmehr entrückt, weniger mächtig als vielmehr machtlos erscheinen.
4.7.6 Staat und Macht und Geld Die Finanzierung der modernen Schulen hatte der Zentralstaat nur scheinbar klar geregelt. In der Praxis herrschten weitgehend Chaos und Improvisation. Der state effect wirkte daher vor allem negativ: In den Provinzhauptstädten entstanden teure Schulneubauten, während lokal selbst an den staatlichen Schulen Mangel herrschte. Dadurch erschien der Staat noch entfernter als ehedem – der Modus der Finanzierung hatte sich nicht wesentlich verändert, wohl aber war der Umfang der staatlichen Vorgaben zum Schulbetrieb enorm gewachsen. Die teuren Ideale wurden zwar in den Musterschulen der Kreisstädte sichtbar, aber über die Finanzierung der allgemeinen Verwirklichung dieser Ideale schien 596 Jieyang xuewu licai suo zhangcheng (Regularien des Büros für Bildungsfinanzen des Kreises Jieyang), in: LDRB XT 1/2/13 (04.03.1909), Chao Jia xinwen, S. 4r; XT 1/2/14 (05.03.1909), Chao Jia xinwen, S. 3v f. 597 Qi Mei, Qingmo Guangdong, S. 50. 598 Guangdong caizheng shuoming shu 2007–2010, S. 11–26. Unter anderem empfahl die Kommission, in Guangdong sollte die Abgabe der Opiumläden (gaopai juan) eine staatliche Steuer sein (ebd., S. 16); die Bordell-Abgabe (huajuan) dagegen rechnete man den kommunalen Steuern zu (ebd., S. 17).
4.7 Finanzierung
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sich der entfernte Staat keine Gedanken gemacht zu haben. Die fiskalische Dezentralisierung führte dazu, dass sich die lokalen Eliten entweder vom fernen Staat im Stich gelassen fühlten oder ihre Chance sahen, die Dinge mehr noch als ehedem selbst in die Hand zu nehmen. Gentry und Kaufleute wehrten sich denn auch in Auseinandersetzungen über die Verwendung lokaler Mittel immer häufiger gegen die Vorschriften und Eingriffe des Staates, oft mit Erfolg. Dennoch gelang es dem Qing-Staat, lokale Finanzmittel in bis dahin ungekanntem Umfang zu aktivieren.599 Dass im Fall des Schulsystems der größte Teil dieser Ressourcen vor Ort verblieb und in Schulen floss, von denen die ansässige Bevölkerung selbst profitierte, erklärt auch, warum der Widerstand gegen diesen staatlichen Eingriff in die fiskalische Lokalautonomie nicht noch größer war.600 Zugleich erwiesen sich angesichts der prekären Finanzlage die aktiv eingeworbenen Zuwendungen von Auslandschinesen wie auch deren politisches Engagement – wie wir im Fall der Chaozhou Zhongxue gesehen haben – als einflussreiche Faktoren in der lokalen Bildungslandschaft Ost-Guangdongs.601 Dort nämlich, fernab der Provinzhauptstadt, lag die Staatsquote bei der Schulfinanzierung deutlich unter dem Durchschnitt. Die Lücke, die so entstand, wurde aber nicht nur durch lokale und transnationale Spenden geschlossen. Auch die Schulgebühren trugen hier mehr als andernorts zum Betrieb der xuetang bei. Maßgeblichen Anteil hatten die „diversen Abgaben“, darunter jene auf Glücksspiel, Opium und Prostitution. Weil viele andere Abgaben jedoch schwer zu kategorisieren waren, entbrannte über ihre Erhebung und Verwendung immer wieder Streit. Dabei war es nicht so, dass die von den Abgaben besonders betroffenen Kaufleute in den Städten keinen Beitrag zum Schulwesen leisten wollten. Doch sie beanspruchten ein Mitspracherecht über die Verwendung der Mittel. Angesichts der chaotischen Finanzierung erschien vielen Schulleitern die Verstaatlichung als willkommene Option zur materiellen Absicherung. Doch selbst diese Rechnung ging nicht immer auf, weil die lokalen Beamten neben dem Schulwesen noch zahlreiche weitere Reformprojekte aus lokalen Quellen bezahlen mussten und daher versucht waren, insbesondere den umfangreichen Landbesitz mancher Schulen anzuzapfen. Dass der Staat die Schulfinanzierung – im Unterschied zu fast allen anderen Bereichen des Schulwesens – anfangs kaum regulierte, war angesichts der 599 Halsey, Money, S. 407–414. 600 VanderVen, A School in Every Village, S. 99f. 601 Glen Peterson, Overseas Chinese in the People’s Republic of China, London: Routledge 2012, S. 75–77.
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prekären Finanzlage nicht verwunderlich. So wenig dies mit dem neuen Kontrollanspruch vereinbar war, so sehr gebot die Geldnot dem Staat, den lokalen Akteuren bei der Suche nach Einkommensquellen freie Hand zu lassen. Dies ermöglichte Kreativität und Flexibilität entsprechend den lokal unterschiedlich verteilten Ressourcen. Gerade auf dieser Adaptionsfreiheit hatte der Erfolg des Regierungsstils der Qing schon länger geruht, und er lebt in der heutigen Volksrepublik China fort.602 Und so war es denn auch nur zum Teil dem neuen Anspruch auf Kontrolle und Übersicht geschuldet, dass der Staat ab 1909 versuchte, diese maximale adaptive governance schrittweise durch Finanzpläne und die Kategorisierung von Einnahmen in geordnetere Bahnen zu lenken. Mindestens ebenso stark wirkte die neue Provinzversammlung auf diese Ziele hin, deren Mitglieder das bestehende System als ungerecht empfanden. Stattdessen schlugen sie eine Schulfinanzierung aus dem allgemeinen Steueraufkommen der Provinz vor. Die angesprochene Adaptionsfreiheit erklärt auch, warum historische Fallstudien aus unterschiedlichen Teilen des Kaiserreichs unterschiedliche Muster der Schulfinanzierung an den Tag bringen. Während die Zentralregierung alle anderen Bereiche des Schulwesens zu vereinheitlichen suchte und dabei auf Widerstände stieß, funktionierte die zentral wenig regulierte Finanzierung erstaunlich rasch, auch wenn – oder gerade weil – sie chaotisch und ungerecht war. Im Vergleich mit anderen Provinzen ähnelten die Verhältnisse insbesondere im Osten Guangdongs stark jenen in der Provinz Zhejiang, wo ebenfalls der Staat eine geringere und das Engagement der lokalen Eliten wie auch der Überseechinesen eine größere Rolle spielten. Die von Rankin dafür verantwortlich gemachte Langzeitwirkung der Post-Taiping-Krise kann im Falle Guangdongs freilich nicht die Ursache gewesen sein.603 Das Engagement der städtischen Eliten hatte eher mit dem Streben nach Prestige und nach alternativen Aufstiegschancen zu tun. Dies galt gerade tief im bergigen Osten Guangdongs und damit fernab der Provinzhauptstadt und der staatlichen Töpfe, wo stattdessen der Kontakt zur Außenwelt – über den Hafen Shantou wie über die Beziehung zu den zahlreichen auslandschinesischen Gemeinden – Vorbilder und Unterstützung lieferte.
602 Kreuzer, Staat, S. 128–135; Tingjin Lin, Politics of Financing Education in China, Basingstoke, Hampshire: Palgrave Macmillan 2013, S. 6f. 603 Rankin, Elite, S. 213.
4.8 Der Staat im Schulalltag und der state effect
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Man darf freilich bei aller auf Zahlen gestützten Argumentation nicht die Unzulänglichkeiten der Statistiken des Bildungsministeriums vergessen.604 Das tatsächliche Ausmaß der Bildungsreformen in Guangdong könnte daher deutlich größer gewesen sein, als die hier in Ermangelung anderer Quellen verwendeten, staatlichen Daten erahnen lassen. Es gehört eben auch zum state effect, dass der Staat nur sah, was in sein Raster passte – und dieses wurde eben nur sehr langsam den chinesischen Realitäten jenseits der japanisch inspirierten Muster angepasst. Die Kategorien und Methoden der „Neuen Politik“ zwangen den alten chinesischen Staat, von Neuem „zu lernen, wie ein Staat zu sehen“.605 Wie ein „moderner“ Staat auszusehen, war nicht genug.
4.8 Der Staat im Schulalltag und der state effect Bedenkt man die Kürze der Zeit, so muss überraschen, wie vergleichsweise erfolgreich die Implementierung des neuen, staatlich gelenkten Schulsystems in China war. Dies lag einerseits gerade daran, dass der Staat in manchen Punkten relativ wenig Einfluss auf dessen konkrete lokale Ausgestaltung nahm. Die Regularien von 1904 hatten den Beamten und Schuldirektoren vor Ort in zahlreichen Passagen explizit zugestanden, von den konkreten Vorgaben abzuweichen und stattdessen Lösungen zu wählen, die den lokalen Bedingungen besser angepasst wären.606 Andererseits aber hieß dies nicht, dass, wie manche Autoren suggeriert haben, die Vorgaben der Zentral- und Provinzregierung in den Städten und Dörfern gar keine Rolle gespielt hätten. Nein, diese Vorgaben stellten einen zwar flexiblen, aber eben doch einen Rahmen dar, dessen Überschreitung von Beamten und Schulinspektoren auch schnell geahndet wurde. Fast alle lokalen Schulakteure nahmen auf genau diesen staatlichen Rahmen Bezug. Die Bildungsgesetze der „Neuen Politik“ waren weit davon entfernt, ignoriert zu werden. Zusätzlich manifestierte sich die neue, stärkere staatliche Ordnung in der Schularchitektur, dem Lehrplan, den Disziplinarregeln, der Klasseneinteilung, 604 Wie der Vorschlag der Provinzversammlung von 1909, den vielen Klanschulen eine eigene Kategorie zwischen öffentlichen und privaten Schulen zuzuweisen, andeutet, wurden zum Beispiel diese in Guangdong zahlreichen Schulen häufig gar nicht von der amtlichen Statistik erfasst, obgleich auch sie ihre Curricula und ihre gesamte Organisation an den neuen Gesetzen ausrichteten, siehe ebd., S. 211. 605 So die Abwandlung des Buchtitels von James C. Scott bei Thomas Shawn Mullaney, Coming to Terms with the Nation. Ethnic Classification in modern China, Berkeley, CA: University of California Press 2011, S. 41. 606 Cong, Teacher, S. 43.
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Zeiteinteilung und im Inspektionswesen. Mit anderen Worten: Der state effect entstand sowohl dadurch, dass neue staatliche Regeln den Schulalltag konkret prägten, als auch dadurch, dass der Staat neue Modelle und Ideale einführte, die zwar lokal nicht ad hoc zu realisieren waren, aber die Zielvorstellungen lokaler Akteure prägten. So befolgten alle hier untersuchten Schulen den staatlichen Lehrplan weitgehend, untergliederten ihn nur hier und da feiner und erlaubten sich vereinzelt Abweichungen, die ihren persönlichen Vorstellungen näher kamen: Mancher legte mehr Wert auf eine tiefere Durchdringung der Naturwissenschaften und verzichtete dafür auf Sport, andere hielten die Geschichte Japans und des Westens für lehrreicher denn diejenige Chinas, und wieder andere versuchten, dem lokalspezifischen Problem einer linguistisch gemischten Schülerschaft durch verstärkten Unterricht in der gemeinsamen Hochsprache zu begegnen. Das waren gewiss keine Petitessen. Die Entscheidung beispielsweise, die Geschichte der chinesischen Dynastien überhaupt nicht zu behandeln, war natürlich ein direkter und bewusster Affront gegen die Intention des Hofes, die Legitimität des Kaisertums in die Gegenwart zu retten statt China in Hegelscher Manier aus der Weltgeschichte zu verbannen. Dennoch bezogen sich alle Schulen – auch wo sie davon abwichen – auf den staatlichen Lehrplan und zeigten so, dass sie den Staat als Hüter auch der neuen Bildungsstandards zumindest nominell anerkannten. Dass die Schüler hingegen von dem neuen System erst überzeugt werden mussten, führte zu stark schwankenden Anmeldezahlen. Für die Mittelschulen erwies sich als besonderes Problem, dass es in den ersten Jahren noch fast überhaupt keine Grundschulabsolventen gab. Dass dadurch trotz verschiedener Werbemaßnahmen die vorgegebenen Schülerzahlen deutlich unterschritten wurden, hatte der Gesetzgeber indes bereits vorhergesehen und explizit erlaubt – wie an vielen anderen Stellen auch, zeigte sich hier, dass die Schulreformen alles andere als realitätsfremd geplant waren. Auch bei den Lehrern herrschte eine große Fluktuation, denn die passenden Fachlehrer waren schwer zu finden. Wie die Grundschulen, so produzierten auch die Lehrerschulen in den ersten Jahren eben noch keine Absolventen. Entsprechend hoch waren die Gehälter, die die Schulen für zurückkehrende Auslandsstudenten und ausländische Lehrer zu zahlen hatten. Doch die Vorschriften waren so pragmatisch, dass in dieser Anfangsphase auch anderweitig Qualifizierte (oder Unqualifizierte) als Lehrer arbeiten konnten. Dennoch war im weiter fortgeschrittenen Jiaying bereits jeder zweite Mittelschullehrer ein ausgebildeter Pädagoge. Diese Männer – Frauen kamen an Mittelschulen noch nicht vor –, vor allem die weniger qualifizierten, fürchteten zwar die Schulinspektoren, standen jedoch größtenteils loyal zum Staat, schließlich verdankten sie dessen
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Schulsystem ihre Anstellung und häufig auch ihre Ausbildung – sei es, dass sie dem alten Prüfungssystem entstammten, sei es, dass sie auf Staatskosten im Ausland studiert hatten. So band das neue Schulsystem, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine neue Elite an den Staat, die an der Erreichung des Ziels eines staatlich organisierten, umfassenden Bildungssystems mitwirkte. Auch an anderer Stelle wirkte das System der Beamtenprüfungen fort. Die Prüfungen an den neuen Schulen wurden auch weiterhin vom Staat überwacht, und das Prestige der Abschlussurkunden war dadurch gesichert, dass das Bildungsministerium sie ausstellte. Bald aber überstieg der Bedarf an Prüfungsbetreuung und Urkundenvergabe die Kapazitäten der zentralen Bildungsverwaltung; nun wurden keine Beamten aus Beijing mehr entsandt, die lokalen quanxuesuo stellten die Urkunden aus, und die Distanz zum Staat wuchs folglich wieder. Deutlicher als in allen anderen Bereichen wurde das neue Ideal von Disziplin (und vom disziplinierenden Staat) in der Durchregelung des Schulalltags. Als anti-modernes Gegenbild diente dem Staat dabei die sishu, wenngleich er auch bei deren Umwandlung durchaus Raum für lokale Abweichungen ließ – dem Anspruch auf Vereinheitlichung tat dies keinen Abbruch. So war die reichsweit einheitliche Einteilung des Schuljahres noch relativ leicht durchzusetzen. Auf mehr Widerstand stieß die genaue Einteilung des Tages nach der Uhrzeit. Anders als bei der Architektur oder dem Lehrplan gab es hier kaum adaptive governance. Bei der Klasseneinteilung wiederum regierte angesichts der Mischungen von Niveau, Alter und Sprache wieder Pragmatismus. Abgesehen von Unpünktlichkeit monierten die Schulinspektoren auch kaum je das (gesetzlich nun streng normierte) Verhalten der Schüler. Gerügt wurden stattdessen Lehrer und Schulleiter, meist für fehlende Sauberkeit und Ordnung, mangelhafte Ausstattung und zu niedriges Unterrichtsniveau. Die Schüler selbst wiederum protestierten, behördlichen Ermahnungen zum Trotz, nicht nur im großen Stil gegen außenpolitische Entwicklungen, sondern auch gegen konkrete Probleme des Schulalltags. Im Wortsinne sichtbar wurde die Disziplin in der Klassen- oder Schulfotografie, die darauf zielte, über tatsächliche Mängel im Alltag hinwegzutäuschen. Dass der Staat und seine Institutionen – in diesem Fall die Musterschulen in den Städten – überhaupt deutlich sichtbar wurden, war ein entscheidendes Kennzeichen der neuen Schularchitektur, die wesentlich zum state effect beitrug. Die bewusste Politik des weithin sichtbaren Vorbilds betraf nicht nur die Ausstattung der Klassenräume und den Unterricht, sondern vor allem das äußere Erscheinungsbild der Schulen: Die Gebäude wurden nun mehrstöckig angelegt, weiß verputzt, erhielten häufg ein hohes, von einer Uhr gekröntes Eingangstor, und auf den früher üblichen, hohen Grüngürtel verzichtete man.
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Schulen vom Zuschnitt einer solchen staatlichen Musterschule waren allerdings viel zu kostspielig, um von der Gentry eines Ortes wirklich nachgebaut werden zu können; gerade dadurch aber verdeutlichten sie erneut den Abstand zwischen Staat und Gesellschaft. Folgerichtig erlaubten die Bauvorschriften kostengünstigere Lösungen, auch wenn deren Defizität gegenüber westlichen BauStandards explizit benannt wurde – meist lief es in Ost-Guangdong sogar in den Verwaltungssitzen auf die Umnutzung bestehender Gebäude hinaus. Auch auf nationalen und internationalen Ausstellungen präsentierte die Qing-Regierung ihr neues Schulsystem und dessen Erfolge, und auch das geschah in Gebäuden, die in einem imaginierten „westlichen“ Stil errichtet und, wie manches Schulgebäude, teils von britischen oder anderen ausländischen Architekten geplant wurden. Nach 1900 war ein solcher Baustil bei öffentlichen Gebäuden in China bereits derart verbreitet, dass westliche Beobachter dem chinesischen Stil nachzutrauern begannen. Waren die staatlichen Vorgaben im Schulbau flexibel, so fehlten sie in der Finanzierung von Schulen zunächst fast ganz. Das Ergebnis war einerseits, dass Schulen gezwungen waren, ihre Mittel selbst zu organisieren, was ihnen erstaunlich oft auch gelang. Andererseits aber führte dies zu starker Konkurrenz unter den einzelnen Schulen, wobei die staatlichen Schulen solche Vorteile genossen, dass einzelne Schulleiter versuchten, auch für ihre Schule den Status einer guanli xuetang zu erlangen. Die hohen Kosten, die das Schulsystem verursachte, wurden zu großen Teilen durch immer neue, lokale Abgaben gedeckt, was zu Protesten insbesondere der betroffenen Kaufleute führte. Am Ende des Jahrzehnts unternahmen Provinz- und Zentralregierung daher, teils auf Druck der Provinzversammlungen hin, verschiedene Versuche, das Finanzierungssystem zu ordnen und zu vereinfachen, was jedoch bis 1911 keine Früchte trug. Der Reputation des Staates schadete diese Situation, und doch trug sie zum state effect bei, wenn auch im negativen Sinne: Weil der Staat sich vor allem in den ersten Jahren kaum um die Finanzierung der Schulen kümmerte und stattdessen auf das alte Prinzip der weitgehend autonomen, lokalen Finanzierung zentralstaatlich vorgegebener Maßnahmen vertraut hatte, erschien er umso distanzierter und abgehobener. Insgesamt aber zog sich der Staat während der „Neuen Politik“ keineswegs aus dem lokalen Schulwesen zurück. Dass immer mehr Mitglieder der Gentry nun staatliche oder staatsnahe Positionen, zum Beispiel in den quanxuesuo, den Bildungsvereinigungen oder an Schulen selbst bekleideten, bedeutete nicht, dass die lokale Elite den Staat quasi usurpierte. Wenn diese Ausweitung der Bürokratie eine „scheinbare“ (Mary Backus Rankin) war, dann in dem Sinne, dass hier lokale Akteure plötzlich von der Gesellschaft zum Staat hinüberzuwechseln schienen und damit genau den Abstand zwischen den beiden Ein-
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heiten demonstrierten.607 Genau in dieser zunehmenden Formalisierung und Verstaatlichung der Rolle der Gentry bestand die Expansion des Staates, der hierdurch nicht nur symbolische Präsenz, sondern auch ungekannten tatsächlichen Einfluss auf die lokalen Verhältnisse erlangte.608 Nicht zufällig war es ein zentrales Anliegen der späten Reform der quanxuesuo, die Grenze zwischen staatlicher Verwaltung und bloßen „Hilfsorganen“ wieder deutlicher zu markieren. Denn diese Grenze drohte durch die formale Indienstnahme der örtlichen Elite zu verwischen. Durch die Schulreformen wuchs der chinesische Staat in der Provinz nicht bloß als effect, sondern auch tatsächlich.
607 Rankin, Elite, S. 242; vgl. die Kritik von Frederick Wakeman Jr. an Rankins Analyse: Wakeman jr, Civil Society in Late Imperial and Modern China, S. 131. 608 VanderVen, A School in Every Village, S. 99f.
5 Reich und stark – und nackt Als Kaiserinwitwe Cixi ihre Untergebenen im Januar 1901 zu Reformen aufrief, kritisierte sie, bisher hätten sich die Gelehrten Chinas nur mit der Oberfläche des westlichen Wissens befasst, nicht aber mit dessen Grundlagen. Dies aber sei nötig, wolle man China reich und stark machen.1 Noch gut zwei Jahre zuvor hatte die Monarchin die Protagonisten der Hundert-Tage-Reform für genau denselben Ansatz ins Exil verbannen oder hinrichten lassen. Doch unter dem Schock der ausländischen Intervention gegen die Boxer besann sich Cixi auf eben jene grundlegenden Reformvorschläge, von denen einige in China selbst schon seit dem 18. Jahrhundert immer wieder vorgebracht worden waren, und die durch die zunehmende, teils gewaltsame Einbindung des Landes in die Weltwirtschaft seit den 1860er Jahren an Dringlichkeit gewonnen hatten. Und so setzte die „Neue Politik“ genau bei diesen Grundlagen der westlichen Überlegenheit an. Allen voran sollte Bildung die Zivilisierung und Mobilisierung einer nun als „Bevölkerung“ verstandenen Untertanenschaft erreichen. Diese Bevölkerung wurde im Zuge der militärischen, vor allem aber ökonomischen Konkurrenz innerhalb des expandierenden, globalen Wirtschaftssystems immer deutlicher als Ressource, als „Humankapital“ gesehen. Jenes sollte, so stellte es sich Yan Fu in seiner Übersetzung von Adam Smith vor, durch die neue Schulbildung in die Lage versetzt werden, das je individuelle ökonomische Potential zu entfalten. Dann erst würde die chinesische Nation – oder der chinesische Staat, das war für Yan Fu zusehends ein- und dasselbe2 – im „modernen Überlebenskampf“ und dem „weltweiten Wettbewerb“ bestehen könne, wie es Wu Tingfang 1908 im sozialdarwinistischen Jargon der Zeit formulieren sollte. Eng mit diesem Ziel des reichen und starken Staates hingen die Zentralisierung und der Ausbau der Verwaltung sowie die Steigerung der Staatseinnahmen durch Steuerreformen zusammen. All dies sollte durch Inspektionen und Statistiken kontrolliert und auf einen Blick erfassbar gemacht werden. Allen innerchinesischen Vorläufern und Ideen zum Trotz lässt sich die Ankunft des „Leviathan 2.0“ (Charles S. Maier) in China recht genau auf Anfang 1901 datieren. Aber der Monarchie half alles dies nicht mehr. Nach dem Tod des Guangxu-Kaisers und der Kaiserinwitwe im November 1908 brachte Prinz Chun (Zaifeng, 1883–1951) als Regent seines Sohnes, des kindlichen Xuantong-Kaisers (Puyi, 1906–1967), viele Provinzbehörden vollends gegen die Zentralregierung auf, indem er die letzten herausragenden Gouverneure entließ und gegen weniger talentierte, mandschurische Vertraute er1 Edikt, GX 26/12/10 (29.01.1901), in: Qu Xingui/Tang Liangyan, Xuezhi, S. 3–5, hier: S. 4. 2 Schwartz, In Search of Wealth and Power, S. 117. https://doi.org/10.1515/9783110558869-005
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setzte. Zudem sahen viele Gouverneure in den letzten drei Jahren der Dynastie ihre ehemalige Machtfülle gleich von zwei Seiten beschnitten: Zum einen durch das Finanzministerium in Beijing, das sie ab 1910 zur jährlichen Aufstellung eines Budgetplans zwingen wollte, zum anderen durch die 1909 eingeführten Provinzversammlungen, die nun ebenfalls mit dem Recht ausgestattet wurden, die Budgets der Gouverneure zu debattieren. Die resultierenden Konflikte entsprachen dem Kalkül der Zentralregierung, die auf diese Weise als Streitschlichter auftreten und ihre Legitimität erhöhen wollte. So führten die Zentralisierungsmaßnahmen der „Neuen Politik“ tatsächlich zu einer Umkehrung des seit Mitte des 19. Jahrhunderts anhaltenden Trends der Stärkung der Provinzen. Doch deren Schwächung führte nicht automatisch zur Stärkung der Zentralregierung. Die so entstehende Kombination von „schwachem Zentrum und schwachen Regionen“ (Li Xizhu) besiegelte den Untergang der Qing, weil 1911 weder die Regierung in Beijing noch irgendein Provinzgouverneur mehr stark genug waren, die sich ausbreitende Revolution aufzuhalten.3 Shantou wurde am Morgen des 10. November 1911, einen Tag, nachdem die Regierung in Guangzhou ihre Unabhängigkeit vom Zentrum erklärt hatte, von den Aufständischen übernommen. Am 12. November besetzten revolutionäre Truppen das nördlich gelegene Chaozhou, und auch Jiaying wurde im November eingenommen.4 Am 1. Januar 1912 – der gregorianische Kalender war ihm wichtig – wurde Sun Yat-sen als Präsident vereidigt, und bald darauf dankte der kleinen Puyi ab. Aus dem vierten Jahr seiner Regierungsdevise, Xuantong, wurde in der offiziellen Zeitrechnung das erste Jahr der Republik China. In ganz China wurden Schulen geschlossen, als Armeelager genutzt oder geplündert. Viele Schüler meldeten sich freiwillig als Soldaten, sammelten Geld für den revolutionären Krieg oder hielten öffentliche Vorlesungen über den Fortgang der Revolution. Dennoch kehrte, was man mittlerweile als Schulalltag bezeichnen konnte, rasch zurück, wenn auch mit markanten Änderungen. Die provisorische Regierung in Nanjing führte schon im Januar 1912 offiziell die Koedukation für Jungen und Mädchen in der Grundschule ein, beendete die Praxis des Verleihens staatlicher Titel an Schulabsolventen, schuf die chinesischen Klassiker im Curriculum ab und zensierte alle monarchistischen Inhalte in den Schulbüchern. Stattdessen wurden die „Rechte und Pflichten eines Bürgers der Republik“ propagiert.5 3 Li Zhenwu, Late Qing Govenors, S. 54–58; Li Xizhu, Provincial Officials, S. 171; Edward J. M. Rhoads, Manchus and Han. Ethnic Relations and Political Power in Late Qing and Early Republican China, 1861–1928, Seattle: University of Washington Press 2000, S. 121–172. 4 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 230–232. 5 Kuo, Chinese System of Public Education, S. 110–112; Culp, Articulating; Zarrow, After Empire, Kapitel 7.
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Reich und stark war China nicht geworden – aber es war diesem Ziel einen großen Schritt nähergekommen. So unbeabsichtigt die „Neue Politik“ die Revolution gefördert hatte, so effektiv hatten sie das Fundament für die erste Republik auf dem asiatischen Kontinent gelegt. Doch die Qing hatten sich in ihrem Streben nach Reichtum und Stärke der Nation zu sehr auf die zentrale Kontrolle sowie die Steigerung des Staatseinkommens konzentriert und darüber jene Institutionen zu spät und zu halbherzig installiert, die die notwendige Legitimität für dieses rasante state-building hätten generieren können. Dieses Desiderates mussten sich alle folgenden Machthaber annehmen. 1915 lernte Yuan Shikai bei seinem vergeblichen Versuch, das Kaisertum wiederzubeleben, dass sich ohne eine wenigstens rudimentäre Form der demokratischen Legitimation die Macht in China nicht mehr übernehmen ließ. In langfristiger Perspektive hat Stephen R. Halsey überzeugend argumentiert, dass der westliche und japanische Imperialismus China nicht schadete, sondern eine Unmenge von Adaptionen anregte (oder erzwang), die den chinesischen Staat, die Wirtschaft und die Infrastruktur des Landes stärkten.6 Die Betonung muss hier allerdings tatsächlich auf dem größeren Zeithorizont liegen, denn die Adaptionen nahmen die verschiedenen Regierungen natürlich nur deshalb vor, weil in der Wahrnehmung fast aller Zeitgenossen (und bis vor kurzem auch der meisten Historiker) der Imperialismus – neben den Kriegen im Innern – sehr wohl eine existentielle Bedrohung dargestellt hatte. Zumal für die Herrscher der Qing, die Familie Aisin Gioro, führte er in der Katastrophe. Und dennoch stechen innerhalb dieses Adaptionsprozesses, für den Halsey das gesamte Jahrhundert von den Opiumkriegen bis zur Gründung der Volksrepublik veranschlagt, just die zehn Jahre der „Neuen Politik“ als rasanteste und tiefgreifendste Periode heraus. Mit den Bildungsreformen lieferte sie, den Vorstellungen eines Zhang Zhidong oder Yan Fu folgend, den Schlüssel zur Lösung beinahe aller Probleme. Doch wieder erwies sich die Wahrnehmung der Zeitgenossen – nicht das Urteil heutiger Historiker – als entscheidend. Und ersteren boten gerade die jede Familie betreffenden Schulreformen kurzfristig das Bild eines zwar ambitionierten, aber letztlich hoffnungslos überforderten und zunehmend entrückten Staates. Auch die Herausforderung der neuen Lehrinhalte hatte daran ihren Anteil.7 Dennoch hatten die Innovationen der „Neuen Politik“ Bestand. Auch nach 1911 sorgten Guangdongs Gouverneure für den weiteren Ausbau des neuen 6 Halsey, Quest. 7 Zum Einfluss unterschiedlicher Zeithorizonte auf die Einordnung der neueren Geschichte Chinas, siehe Sebastian Conrad, What is Global History?, Princeton, Oxford: Princeton University Press 2016, S. 148f.
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Schulsystems. Dies galt auch für viele andere Landesteile. Die „Büros zur Förderung der Bildung“ existierten fort, nur dass zusehends ausgebildete Lehrer die bislang dominante Gentry als Mitglieder der Büros ablösten. Das System der Schulinspektion wurde nicht nur fortgeführt, sondern ausgebaut. Gleiches galt für die Schulstatistik. Selbst während des Zweiten Weltkriegs sammelte die Regierung der aus Sun Yat-sens Revolutionsbund hervorgegangenen Nationalpartei (Guomindang) Daten zum Bildungswesen in Guangdong und veröffentlichte diese nach Kriegsende.8 Andererseits dauerte auch das wohl größte Hindernis, mit dem speziell das Schulwesen zu kämpfen gehabt hatte, an: Seine Finanzierung blieb schwierig – was schon deshalb nicht verwundern kann, weil die Steigerung der Wirtschaftsleistung und damit der Staatsfinanzen ja gerade zu den Zielen der Schulreformen gezählt hatte. Chinesen in Übersee glichen dies weiterhin teilweise aus und spendeten immer mehr Geld für Schulen in ihrer Heimat, bis hinein in die frühen Jahre der Volksrepublik, und dann wieder ab 1978. Auch heute müssen Universitäten bis zu 80 Prozent ihres Budgets selbst organisieren oder erwirtschaften, und ähnliches gilt für Schulen.9 Auch die Dominanz der sishu und insbesondere der Klanschulen im ländlichen Guangdong nahm nach 1911 nur sehr langsam ab, so dass diese noch 1949 volle 90 Prozent der Grundschulen außerhalb von Städten stellten. Die Kommunisten, anders als die Architekten der „Neuen Politik“ und die modernitätsgläubige Gentry, erkannten deren Vorteile – vor allem, dass sie den Staat nichts kosteten – und banden sie als „vom Volk betriebene“ (minban) Schulen in ihr Bildungssystem ein. Heute florieren Privatschulen mehr denn je.10
8 Cleverley, Schooling, S. 43; Donald George Gillin, Warlord. Yen Hsi-shan in Shansi Province, 1911–1949, Princeton: Princeton University Press 1967; David D. Buck, Educational Modernisation in Tsinan, in: Mark Elvin/G. William Skinner (Hrsg.), The Chinese City between two Worlds, Stanford, CA: Stanford University Press 1974, S. 171–212, hier S. 194f.; Hu Geng, Qingmo Minchu de shixue zhidu; Guangdong sheng zhengfu jiaoyuting (Hrsg.), Guangdong sheng jiaoyu tongji 1936–1945, Beijing: Guojia tushuguan chubanshe 2012 [Guangzhou 1947]. 9 Peterson, Overseas, S. 75–77; Yang Qunxi, Haiwai Chaoren xingxue jishi, Chenghai: Chaoshan lishi wenhua yanjiu zhongxin 2000; Heidi Ross/Jingjing Lou, „Glocalizing“ Chinese Higher Education. Groping for Stones to Cross the River, in: Indiana Journal of Global Legal Studies 12 (2005) 1, S. 227–250, hier S. 234. 10 Peterson, Power, S. 24, 28–33; Ying Wang, Managing Institutions. The Survival of Minban Secondary Schools in Mainland China, Newcastle Upon Tyne: Cambridge Scholars Press 2013; Renata Fu-sheng Franke, Bildung und Erziehung in China. Reform und Transformation, in: Dies. (Hrsg.), Das Bildungswesen in China. Reform und Transformation, Köln: Böhlau 2003, S. 9–15, hier S. 13; Jing Lin, Social Transformation and Private Education in China, Westport, CT: Praeger 1999.
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Doch viele der Reformen der „Neuen Politik“ – am deutlichsten im Schulwesen – trugen, für sich genommen, nicht erst nach 1911 Früchte. Die Bildungsreformen waren auch unmittelbar erfolgreich. Die Entwicklung der „Büros zur Förderung zur Bildung“ wie auch der Bildungsstatistik zeigt zwar, dass die von Prasenjit Duara diagnostizierte involution des Staates auch in Guangdong stattfand: Die genannten Institutionen staatlicher Kontrolle wuchsen oder wurden gar erst geschaffen, ohne dass der Staat dadurch ad hoc in die Lage versetzt worden wäre, Entwicklungen vor Ort in gleichem Maße präziser zu steuern. Dafür war nicht zuletzt die Zeit zu knapp. Und dennoch erschöpften sich die Reformen nicht in diesem gewissermaßen verkappten Scheitern, erschöpften sich nicht darin, dass lokale Eliten die neuen Institutionen des Staates kaperten und für ihre eigenen Zwecke missbrauchten. Anders als selbst R. Bin Wong geurteilt hat, hatte die „Neue Politik“ unmittelbare, praktische Erfolge zu verzeichnen. Der erste war die nachhaltige Etablierung eines staatlichen Schulsystems innerhalb von nur sieben Jahren. Aus wenigen tausend Schülern an neuen Schulen waren 1909 rund eineinhalb Millionen geworden, die aus Bücher lernten, die ein erst vier Jahre zuvor gegründetes Bildungsministerium in Beijing für sie alle – von Xinjiang bis Guangdong – begutachten und genehmigen musste. Pädagogische Schulen und Schnellkurse brachten im ganzen Land die ersten staatlich ausgebildeten Lehrer hervor. Zum ersten Mal gab es öffentliche Schulen für Mädchen, diverse Berufs- und Fachschulen, und Abendschulen, an denen auch die Armen ein wenig Lesen und Schreiben lernen konnten. Dass die Idee eines solchen Schulwesens in China kein Novum der Jahrhundertwende war, haben wir in Kapitel 2 gesehen. Doch das, was die Qing nach 1900 erfolgreich in Angriff nahmen, ging nicht nur dem Umfang nach, sondern vor allem hinsichtlich seiner Techniken weit über das bis dahin Ersehnte hinaus. Kapitel 3 hat verdeutlicht, dass allen voran die Statistik es dem Staat ermöglichte, die Gesellschaft als Objekt seines Handelns in neuer Weise zu sehen. Zudem konnten die Beamten jetzt numerisch fundierte Pläne für die Zukunft machen. Die Schulinspektion versprach darüber hinaus Kontrolle über die tatsächliche Einhaltung der Gesetze vor Ort. Deren Umsetzung hatten die Qing ansonsten in Fortführung überkommener Formen neokonfuzianischer Herrschaft der lokalen Elite übertragen müssen. Doch gab der Staat der so mobilisierten Bevölkerung zugleich einen festen Rahmen vor, die „Büros zur Förderung der Bildung“. Kaum vor Ort etabliert, versuchte die Regierung, die Mitglieder dieser Büros formell ganz in den Staat zu integrieren und sie von der lokalen Gesellschaft zu separieren. Die deutliche Trennung von Staat und Gesellschaft war zwar in der Praxis meist unmöglich. Als Anspruch aber war diese Fiktion unabdingbarer Teil der Hinwendung zum globalen Modell moderner Staatlichkeit.
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Zu dieser sichtbaren Trennung, dem state effect, trug auch die Statistik erheblich bei – wenn auch nicht unbedingt zum Vorteil jener, die sie eingeführt hatten. Anders als bei Timothy Mitchell, wo der state effect zur Wahrnehmung des Staates als mächtig führt, hatte er während der „Neuen Politik“ eine viel ambivalentere Wirkung (die nebenbei auch die widersprüchlichen Urteile der Forschung erklärt). Denn durch die Tabellen und Graphiken blickte nicht nur der Staat auf die Gesellschaft; auch diese konnte nun ihrerseits auf den Staat blicken. Jeder konnte nun sehen, wie wenig dieser seinem eigenen neuen Anspruch gerecht wurde: wie wenige Schulen in manchen Bereichen entstanden, und wie wenig Gehorsam der Staat bei vielen seiner neuen Zuarbeiter noch fand. Zwar versuchte das Bildungsministerium, diesem Eindruck durch ansteigende Linien und bunte Tortendiagramme entgegenzuwirken. Doch sei es, weil es vor Ort nichts zu berichten gab, da die Reformen gar nicht umgesetzt worden waren; sei es, weil Einzelne sich weigerten, überhaupt Zahlen nach oben zu melden; oder sei es, weil die Verwaltungsnovizen in den Städten und Dörfern nicht wussten, wie sie die ihnen zugesandten Formulare auszufüllen hatten: Die Schwäche des Staates wurde gerade durch jene Techniken sichtbar, die nicht nur praktischen Zwecken hatten dienen, sondern auch die Stärke und Modernität des Staates hatten versinnbildlichen sollen. Indem die Qing ein umfassendes Schulsystem einführten, führten sie zugleich einen neuen Maßstab für staatliches Handeln ein, der das bisherige Regieren defizitär erscheinen lassen musste. Gleichzeitig ließen – in der Außenwahrnehmung – erst die Bildungsreformen den chinesischen Staat als im globalen Maßstab zivilisiert, informiert und handlungsfähig erscheinen. In dieser Hinsicht war der state effect ein ganz bewusster Effekt, der nicht nur auf die eigene Bevölkerung, sondern auch auf das internationale Publikum der Kolonialmächte gemünzt war. Wu Tingfangs Rede von 1908 oder Chinas Beiträge zu verschiedenen internationalen Ausstellungen zeigen dies eindrücklich. Die Menschen in China aber sollten an der neuen Verwaltung mitwirken. Solche stateification (Philip Huang) betraf zum Beispiel die lokale Selbstverwaltung wie auch die „Büros zur Förderung der Bildung“. Hier allerdings übernahmen Mitglieder der Elite formal Aufgaben, die sie in ähnlicher Form auch früher schon informell erledigt hatten. Andere aber – und da liegt eine weitere, entscheidende Novität der „Neuen Politik“ – andere übernahmen zum ersten Mal staatliche Aufgaben. Viele der Männer, die nun mühsam durch Versuch und Irrtum lernten, wie man einen Berichtsvordruck ausfüllt, gehörten nicht den oberen Rängen der Gentry an. Jetzt mussten sie dennoch die neuen Verfahrensweisen der staatlichen Verwaltung mühsam erlernen. Die Trainingszentren, die die Qing – längst nicht nur für das Schulpersonal, sondern zum Beispiel auch für
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Polizisten – allerorten eröffneten, konnten mit der sprunghaft steigenden Nachfrage nach Verwaltungsfachkräften nicht Schritt halten, denn die Schulreformen sollten ja sofort ins Werk gesetzt werden. Also erklärte das Bildungsministerium durch seine neuen Kommunikationskanäle den Mitarbeitern in allen Schulen und allen Schulbehörden im ganzen Reich geduldig die Positionsschreibweise mit chinesischen Ziffern, die Bedeutung von Präzision und Wahrhaftigkeit und auf was alles sonst noch zu achten sei. Die rigide Etikette der hierarchischen Kommunikation wurde zugunsten eines neuen Pragmatismus’ aufgegeben. Vereinzelt beschwerten sich die lokalen Adressaten all dieser Belehrungen über die Zumutungen des immer bürokratischeren Schulalltags oder unterschlugen Angaben, doch im Großen und Ganzen gehorchten sie. Diese Inklusion immer weiterer Kreise der Bevölkerung ist mit stateification gut beschrieben. Doch angesichts der Intensität, mit der staatliche Stellen aller Ebenen hierbei vorgingen, scheint mir Philip Huangs zweiter Begriff – der „zentralisierte Minimalismus“ – die dahinter stehende Intention nicht adäquat zu beschreiben. Gewiss lässt sich mit „Minimalismus“ die Funktionsweise der „Büros zur Förderung der Bildung“ in den ersten Jahren ihres Bestehens treffend charakterisieren. Doch war dies eben nur als Übergang gedacht. Das eigentliche Ziel war nicht governance with government, sondern die hierarchische Steuerung durch den Zentralstaat selbst. Schon 1909 versuchte dieser ja gerade, die Büros der lokalen Kontrolle zu entwinden, stattete ihre Mitglieder mit Beamtenrängen aus und brachte sie durch größere Befugnisse gegen die lokale Selbstverwaltung in Stellung. Auch die großen Anstrengungen des Staates, künftiges Personal für alle Ebenen der Verwaltung auszubilden, ist sicher kein Kennzeichen administrativen Minimalismus‘. Für Huangs anderslautende Bewertung wird eine Rolle gespielt haben, dass er sich auf Beispiele aus dem ländlichen China bezieht, wo die Finanz- und Personallage oft deutlich schlechter war als in den von mir untersuchten Städten. Doch auch auf dem Land war klar, dass der dort vielleicht eher zu beobachtende Minimalismus allenfalls eine Übergangsphase bilden sollte. Die Bildungsreformen funktionierten also – zunächst. Um die zentralstaatliche Steuerung des Schulsystems aber wie gewünscht auf Dauer stellen zu können, hätte Beijing nicht nur der bisherigen Gentry, sondern der wachsenden Gruppe lokaler Funktionsträger insgesamt mehr bieten müssen als Ehrentitel und inflationäre Schulabschlüsse. Auch die neuen Gemeinderäte waren ja in ihren schulischen Befugnissen den „Büros zur Förderung der Bildung“ untergeordnet, welche letztlich dem Bildungsministerium unterstanden. Doch die Regierung in Beijing, der für die angestrebte, maximale Zentralisierung die Ressourcen fehlten, war nicht bereit, zur Erlangung letzterer Zugeständnisse hinsichtlich ersterer zu machen. Das Imperium konnte es sich schlicht nicht leis-
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ten, zentralisiert und hierarchisch bis hinab auf die Kreisebene zu regieren und gleichzeitig dieselben „öffentlichen Güter“ wie ein Nationalstaat bereitzustellen. Tatsächlich hatten, den neuen Kontrollmechanismen zum Trotz, die Schuldirektoren, Verwalter und Lehrer vor Ort zunächst noch relativ freie Hand. Kapitel 4 hat uns an die per se recht elitären Mittelschulen in den Präfektur- und Distriktstädten geführt, deren Freiheiten besonders groß waren, weil sich die „Büros zur Förderung der Bildung“ kaum in ihren Betrieb einmischten. Umso auffälliger ist der relativ hohe Grad an Übereinstimmung der lokalen Schulpraxis mit den Vorgaben der fernen Zentralregierung. Die Lehrpläne wurden, im Rahmen der oft schwierigen personellen Möglichkeiten, weitgehend eingehalten, nur hier und da weiter untergliedert, oder Schwerpunkte wurden anders gesetzt – manchmal auch entgegen den Intentionen des Hofes. In anderen Bereichen kam es ebenfalls zu Abweichungen, doch hatte das Ministerium genau dies vorhergesehen. Bei vielen der erstmals überhaupt staatlich fixierten Standards wie der Qualifikation der Lehrer, Anzahl, Vorbildung und Alter der Schüler, der Anzahl und funktional spezifischen Aufteilung der Unterrichtsräume sowie deren Ausstattung, hatten die Autoren der Gesetze von vornherein Ausnahmen und Übergangsfristen vorgesehen, die sich auch als notwendig und realistisch erwiesen. Allerdings waren gerade jene Regelungen, die hier den größten Grad an adaptive governance zugestanden, nicht auf dauerhafte geographische oder kulturelle Abweichungen gemünzt, sondern lediglich auf zeitliche: Für eine „Phase des Übergangs“ blieb vieles erlaubt, was langfristig der reichsweiten Homogenisierung weichen sollte. Das galt auch für die vorübergehend unentschiedene Stellung der „Büros zur Förderung der Bildung“ zwischen staatlicher Verwaltung und lokaler Selbstverwaltung. Die pragmatische Festlegung von bloßen Mindeststandards passt zu meiner Annahme, derzufolge der „zentralisierte Minimalismus“ bloß als rasch zu überwindende Interimslösung gedacht war. Allenthalben mit Händen zu greifen war, dass Vertreter des Staates und die urbane Elite (die ja teilweise identisch waren) wie auch protestantische Missionare dieselben Vorstellungen schulischer Modernität teilten. Beide wollten so zivilisiert oder „modern“ sein, wie sie dies – zum Beispiel die rückkehrenden Kaufleute in Shantou oder die Auslandsstudenten aus Jiaying – in Singapur oder Japan erlebt hatten. Besonders augenfällig wurde dies in den staatlichen Musterschulen. In der Vorbild-Architektur zeigte sich deutlicher als in allen anderen Bereichen die Idee zahlreicher Reformer vom state-building als innerer Zivilisierungsmission. Hohe, weiß gekalkte und weithin sichtbare Schulgebäude in einem nicht zuletzt von Kolonialbauten inspirierten Stil – diese Musterschulen sollten im ganzen Reich einen neuen Maßstab nicht nur der Ästhetik, son-
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dern auch der funktionalen Raumaufteilung verbreiten. Aus Mangel an Mitteln musste man in Chaozhou und Jiaying zwar auf Neubauten verzichten, aber zumindest in Chaozhou machte der Präfekt schon Pläne hierfür, die Kaufleute und Gentry auch gerne verwirklicht gesehen hätten. Einzig im wirtschaftlich aufstrebenden Shantou entstand mit dem Anglo-Chinese College eine Mittelschule nach dem urbanen Geschmack der Zeit. In Guangzhou hingegen hatte die Regierung Geld genug, um die nach damaligen Maßstäben riesige Pädagogische Hochschule der Provinz von britischen Architekten entwerfen und bauen zu lassen. Dass zuvor die kurzlebige Provinz-Universität in der ehemaligen Guangya-Akademie hatte unterkommen müssen, hatte dem Generalgouverneur Bauchschmerzen verursacht, weil die Universität so gar nicht dem internationalen Standard entsprach. Diesen äußerlich sichtbaren, architektonischen Standard verbreitete das Schulamt ab 1910 auch durch Fotografien in der Guangdong Jiaoyu Guanbao. Ähnlich wie auf den Fotografien der Schüler und Lehrer wurde auch hier in erster Linie das Bild von Ordnung und Disziplin vermittelt. Die Achillesferse des gesamten Schulsystems, ja der ganzen „Neuen Politik“, waren ihre immensen Kosten. Daran ändert auch der mittlerweile gut belegte Nachweis nichts, dass es dem Qing-Staat in seinen späten Jahren gelang, mehr Geld als je zuvor einzunehmen. Gewiss, die Einnahmen stiegen, aber weil der Staat zugleich auf immer mehr neue Politikfelder vorstieß und dabei immer häufiger auf staatlichen Zwang von außen statt auf die Kooperation vor Ort setzte, stiegen die Ausgaben noch viel stärker. 1910 hatte das Bildungsministerium, obwohl die ganz überwiegende Mehrheit der Schulen lokal finanziert wurde, für die Erledigung seiner Verwaltungsaufgaben 1,66 Millionen Silberliang veranschlagt. Dass andererseits die Finanzierung der Schulen vor Ort noch zu einem guten Teil auf dem neokonfuzianischen Modell von „limited government with voluntary communal leadership“ beruhte, hieß mitnichten, dass die Elite Schulen aus ihrem Privatvermögen bezahlt hätte.11 Stattdessen kam es zum einen zu Konflikten um die Einnahmen aus Gemeindeeigentum, und zum anderen erhob die Gentry eigenständig immer neue lokale Steuern und Abgaben, mit denen sie Schulen, aber auch andere Aufgaben und nicht selten den eigenen Lebenswandel finanzierte. Weitere Steuern erhoben der Kreis, die Präfektur und die Provinz (die einen wachsenden Teil dem Zentralstaat weiterzugeben hatte, was gegen Ende des Jahrzehnts immer häufiger unterblieb). Aus einem Teil dieser letzteren, staatlichen Steuern wurden wiederum die staatlichen Schulen bezahlt, weshalb deren Status begehrt war, selbst wenn auch für sie die Finanzierung nicht unbedingt sicher war. Auch eine Reihe öffentlicher
11 Bol, Neo-Confucianism, S. 277.
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Schulen in den Städten Ost-Guangdongs wurde von staatlichen Stellen verschiedener Ebenen bezuschusst. Gemessen am Anspruch eines Schulsystems war die Finanzlage also höchst unsystematisch. Auch um der neuen Idee der Übersichtlichkeit gerecht zu werden, versuchte sich das Schulamt von Guangdong deshalb an einer genaueren Definition der vagen drei Finanzierungs-Kategorien, die das Schulgesetz 1904 mehr beiläufig bestimmt hatte. Doch der Klärungsversuch steigerte die Verwirrung eher noch. Als 1909 die Finanzreformkommission in allen Provinzen einen Kassensturz durchsetzte, wurde die ganze Komplexität der öffentlichen Finanzen sichtbar. Wieder stand der Staat dank einer selbst initiierten, empirischen Untersuchung nackt da. 1910 erfolgte die Publikation der dringend nötigen „Erklärungsbücher“ (shuoming shu), die nicht nur die interne Komplexität der Provinz-Finanzen aufzeigte, sondern auch offenlegte, dass die meisten Provinzen Beijing seit Jahren die gesetzmäßigen Zahlungen vorenthalten hatten. Dieser Offenbarungseid des augenscheinlich machtlosen Zentralstaats trug nicht wenig zur revolutionären Stimmung bei. Doch so sehr sich die Zentralregierung als machtlos (und beinahe insolvent) blamiert hatte, so sehr zeugten schon die shuoming shu – bei allem vermeintlichen Chaos – von einer wachsenden Kreativität der Provinzregierungen in der Erschließung neuer Einkommensquellen. Einige davon – wie in Guangdong die Steuern auf Prostitution und Glücksspiel – sollten sich in den folgenden Jahrzehnten auf Provinzebene als wichtige finanzielle Basis für die Fortsetzung jenes state-building erweisen, das die Zentralregierung 1901 angestoßen hatte.12 Während Guangdong bei der Gründung neuer Schulen ganz vorne mit dabei war, hinkte die Provinzregierung bei der Einführung der Selbstverwaltung hinterher. Hier wurden, anders als in anderen Provinzen, Kreistage erst nach 1911 eingeführt. Bis dahin war es bei der Provinzversammlung und ein paar wenigen Gemeinde- oder Stadträten geblieben, von denen in Ost-Guangdong nur Gentry und Kaufleute von Shantou einen gewählt hatten. Dass die Forderung nach Mitbestimmung gerade bei den Kaufleuten viel größer war, hatte der Gouverneur 1910 sogar als Argument gegen die Einführung der Kreistage gebraucht: Wer das Temperament der Menschen in Guangdong kenne, der wisse, dass dies im Desaster enden müsse.13 Dass es den Eliten in Chaozhou und Jiaying tatsächlich nicht an Selbstbewusstsein mangelte, haben wir im Fall der „Büros zur Förderung der Bildung“ gesehen, deren Mitglieder hier, in Abweichung von den Regularien, offenbar 12 Remick, Regulating; Halsey, Money, S. 428. 13 Zit. nach Li Zhenwu, Late Qing Govenors, S. 46; Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 249.
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gewählt wurden, so dass dem Magistrat nur blieb, die Wahl zu bestätigen. Auch die Auseinandersetzungen zwischen Kaufleuten über die Besteuerung von Waren in Jiaying, der erfolgreiche Aufstand von Gentry und Kaufleuten gegen die Veräußerung des Landbesitzes der Jinshan-Mittelschule in Chaozhou und der Streit zwischen Hakka und Hoklo an der Lingdong Tongwen Xuetang in Shantou machen die Befürchtungen des Gouverneurs verständlicher. Tatsächlich brachen nach der Revolution auch innerhalb des nun unabhängigen Guangdong ethnische Konflikte auf: So pochte die Region um Chaozhou und Shantou ihrerseits auf mehr Unabhängigkeit von Guangzhou, forderte Chaoshanhua als offizielle Sprache an der fortbestehenden Jinshan-Mittelschule wie auch in der Verwaltung, und einen einheimischen Bürgermeister statt eines Mannes aus Guangzhou.14 Solche ethnisch begründeten Konflikte innerhalb einer Provinz gehören ebenfalls zu den ambivalenten Wirkungen der „Neuen Politik“ und verdeutlichen ihr destabilisierendes Potential, zumal in einer sprachlich und ethnisch so diversen Region wie Ost-Guangdong. Beijings Zentralisierungsbemühungen hatten den Ruf nach lokaler Selbstverwaltung nur noch verstärkt, und diese Selbstverwaltung wiederum stärkte die zentrifugalen Kräfte. Wie in anderen multiethnischen Imperien der Zeit auch, baute der imperiale chinesische Staat, um die Sympathien der lokalen Eliten nicht zu verspielen, deren Kooperation er bedurfte, jene Institutionen auf, innerhalb derer sich dann die unterschiedlichen regionalen und lokalen Interessen erst artikulieren konnten.15 So traten an die Stelle des Einheitsstaates mehr und mehr die von Elizabeth J. Remick beschriebenen „lokalen Staaten“. Dies schloss jedoch die Implementierung zentralstaatlicher Gesetze nicht aus. Aber die Entscheidung darüber, welche der Gesetze aus Beijing wie umgesetzt wurden, fiel in Guangzhou, und auch diese Festlegung wurde nicht von jedem Präfekt oder Magistrat gleichermaßen in die Tat umgesetzt. Alle bis 1949 folgenden Konstellationen – von den Regierungen in Beijing, Guangzhou und Nanjing über die verschiedenen Warlords und die Sowjetgebiete der Kommunisten bis hin zu den sozialreformerischen Experimenten eines James Yen (Yan Yangchu, 1890–1990) oder Liang Shuming (1893–1988) – blieben zwar stets auf wenige Provinzen, eine einzelne Provinz, oder noch deutlich kleinere Gebiete beschränkt. Hier aber wurde oft ein lokales state-building betrieben, das die Initiativen der „Neuen Politik“ nahtlos fortsetzte und in manchen Fällen die Ausweitung auf ganz China, wie es die Qing bis 1911 regiert hat-
14 Rhoads, China’s Republican Revolution, S. 251. 15 Puttkamer, Schooling, S. 366.
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ten, im Blick behielt.16 R. Bin Wong sieht die Gründe für diesen nationalen Zusammenhalt über Jahrzehnte der politischen Desintegration hinweg in einer chinesischen Identität, die die Qing (und die Dynastien vor ihnen) – allen Theorien vom nicht-nationalen Charakter „vormoderner“ Imperien zum Trotz – in weiten Teilen ihres Reiches hinterlassen hätten.17 Aber das konkrete Ideal eines modernen, zentralisierten Einheitsstaates, der dieser chinesischen Identität eine politische Form hätte geben können, war nun nicht mehr die Kaiserherrschaft vergangener Jahrhunderte. Das Ideal war jener vergrößerte und (potentiell) starke Staat – Beschützer der nationalen Wirtschaft, Förderer von Infrastruktur und Bildung, mächtiger Militär – der sich während der „Neuen Politik“ aufgrund deren kurzer Dauer nur in Ansätzen hatte verwirklichen lassen; künftig allerdings gepaart mit irgendeiner Form demokratischer Legitimierung oder zumindest Berufung auf das Volk oder die Nation. Die zunehmend positive Würdigung der administrativen Innovationen jener Jahre auch durch immer mehr Historikerinnen und Historiker in der Volksrepublik China legt in der heutigen Zeit von Reform und Öffnung ein spätes Zeugnis davon ab.18 Auch der neue Alleinvertretungsanspruch des Staates im Schulwesen, den die „Neue Politik“ durch die Bekämpfung der privaten sishu und der Missionsschulen markierte, setzte sich nach 1911 fort. Dies gilt zum Beispiel für den ebenfalls nur bedingt erfolgreichen Versuch der Guomindang in den 1930er Jahren, im Zuge der Expansion des staatlichen Bildungswesens konkurrierende Angebote (wie Missionsschulen) der eigenen Kontrolle zu unterstellen oder auszuschalten.19 In den frühen 1950er Jahren schaffte die kommunistische Regierung die Missionsschulen dann gänzlich ab. Zugleich aber existierte doch selbst in der maoistischen Phase der Volksrepublik mit den erwähnten minban-Schulen eine staatlich geduldete, private Ergänzung zum nicht ausreichenden öffentlichen Schulsystem.20
16 Strauss, Strong Institutions; Elizabeth J. Remick, Building Local States. China during the Republican and Post-Mao Eras, Cambridge, MA: Harvard University Press 2004; Gillin, Warlord; Guy S. Alitto, The Last Confucian. Liang Shu-ming and the Chinese Dilemma of Modernity, Berkeley, CA: University of California Press 1986; Charles W. Hayford, To the People. James Yen and Village China, New York: Columbia University Press 1990. 17 Wong, China Transformed, S. 172, 176. 18 He Zhuo’en, Lishi xuezhe dui Xinhai geming; Li Xizhu, Zhang Zhidong yu Qing mo xinzheng yanjiu, Shanghai: Shanghai shudian 2003; Esherick, Introduction. 19 Deng, Private, S. 45f., 79f. 20 Jin Xibin, Die Institution der nicht staatlichen Minban-Lehrer. Entstehung, Entwicklung, Ende, in: Renata Fu-sheng Franke (Hrsg.), Das Bildungswesen in China. Reform und Transformation, Köln: Böhlau 2003, S. 105–120; Pepper, Radicalism, S. 196f., 281.
358 5 Reich und stark – und nackt
Elizabeth Vanderven hat von diesem Befund auf eine Kontinuität zwischen „Neuer Politik“ und dem maoistischen China geschlossen: In beiden Fällen habe der Staat lediglich die Einhaltung bestimmter Mindest-Standards gefordert, die Umsetzung und Finanzierung aber den lokalen Gemeinschaften überlassen.21 Bei genauer Betrachtung wird jedoch schnell klar, dass diese Parallelen von kaiserlichem und maoistischem China – die sich zum Beispiel in der minimalistischen Form der Regierungsführung und einem geringen Zentralisierungsgrad ausdrücken22 – gerade auf die Zeit der „Neuen Politik“ kaum zutreffen. Die von Heilmann und Perry beschriebene adaptive governance der jungen Volksrepublik, die auf flexible Anpassung allgemeiner, zentraler Politikvorgaben an lokale Gegebenheiten setzte, hat ihre Parallele am ehesten in der kaiserlichen Politik des 19. Jahrhunderts, als lokale Initiativen und Experimente auch auf die Politik des Zentralstaates zurückwirkten.23 Die „Neue Politik“ hingegen, ungeachtet der Tatsache, dass ihre Maßnahmen sich selbst zu großen Teilen den regionalen Experimenten insbesondere Yuan Shikais in Zhili verdankten, hatte gerade die Zentralisierung und Vereinheitlichung zum Ziel.24 Die Anpassungen an örtliche Gegebenheiten, die lokale Beamte und Schulleiter während der „Neuen Politik“ vornehmen durften, waren eben mehr vorübergehend geduldetes, notwendiges Übel zur Aufrechterhaltung der Einheitlichkeits-Fiktion denn bewusst eingesetzte Adaptionsstrategie wie in den 1950er Jahren. In gewissem Sinne verband die Politik Deng Xiaopings ab 1978 das – aus der Sicht des Staates – Beste aus mehreren Phasen chinesischer Geschichte: eine dezidierte Förderung des lokalen Experiments wie in den 1950er Jahren einerseits, und eine intensivierte, zentrale Oberaufsicht und Kontrolle wie zur Zeit der „Neuen Politik“ andererseits. Die Finanzierung des Schulsystems ist jedoch bis heute ein Problem, und praktisch an jeder Schule wird Schulgeld genommen. Das hat auch damit zu tun, dass die Zentralregierung den Provinzen konkrete schulpolitische Vorgaben macht, ohne ihnen zu sagen, wie sie diese finanzieren sollen.25
21 VanderVen, A School in Every Village, S. 168f. 22 Jae Ho Chung, Central-Local Dynamics. Historical Continuities and Institutional Resilience, in: Heilmann/Perry, Mao’s Invisible Hand, S. 297–320, hier S. 297. 23 Sebastian Heilmann, Policy-Making through Experimentation. The Formation of a Distinctive Policy Process, in: Ders./Perry, Mao’s Invisible Hand, S. 62–101, hier S. 73. Heilmann und Perry selbst führen die adaptive governance der KPCh größtenteils auf deren Erfahrung im Bürgerkrieg seit den 1920er Jahren zurück, siehe Heilmann/Perry, Embracing, S. 15. 24 Zu Zhao Erxun in Shanxi siehe Thompson, Statecraft; zu Yuan Shikai in Zhili siehe MacKinnon, Power; Yuans Zentralisierungsbestrebungen setzten sich unter seiner Präsidentschaft in der Republik China bis zu seinem Tod 1916 fort, siehe Young, Presidency. 25 Lin, Politics of Financing Education, S. 6f.
5 Reich und stark – und nackt
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Ohne neue Schulen in jedem Ort des Reiches, zu dieser Überzeugung waren Zhang Zhidong und die anderen Architekten der Bildungsreformen im Laufe der 1890er Jahre gelangt, würde dem chinesischen Staat die Grundlage fehlen, um vor allem wirtschaftlich in der neuen Konkurrenz der Nationen nicht nur überleben zu können, sondern diese wieder anzuführen. Neue Schulen würden neue Menschen – Bürger – erziehen, die nicht nur ökonomisch effizient, diszipliniert, nationalbewusst und dem Kaiser ergeben sein würden; zugleich würden diese neuen Menschen durch Schulbildung in die Lage versetzt werden, all die neuen, zunehmend spezialisierten Tätigkeiten in der Verwaltung und der Wirtschaft auszuüben. Und die Qing-Regierung konnte mit diesen neuen Schulen den Kolonialmächten deutlich machen, dass China zur zivilisierten Welt gehörte. Für das lokale Publikum jedoch wurde der Staat nun durch den Auf- und Ausbau von Verwaltungsstrukturen in Gestalt von Volkszählern und quanxuesuo-Mitarbeitern, in Formularen, auf Ausstellungen, in modernen Schulgebäuden, Fotografien, Disziplin-Vorschriften und vielem mehr permanent sicht- und erlebbar und konnte dadurch deutlich als distanzierte Gesamtstruktur wahrgenommen werden. Timothy Mitchell selbst hat Theda Skocpol treffend dafür kritisiert, dass sie, auf der Wirklichkeit von „Staat“ und „Gesellschaft“ beharrend, für das kaiserliche China erklärte, die beiden genannten Einheiten seien hier so eng miteinander verzahnt, dass man sie nicht recht unterscheiden könne.26 Im China der Qing konnte man das in dieser Form tatsächlich die meiste Zeit nicht. Dafür bedurfte es der erfolgreichen Expansion des Staates und der Aufkündigung jenes alten Kompromisses mit den sich nun wandelnden, lokalen Eliten. Erst diese Expansion brachte den Staat in deutliche Frontstellung zur so ebenfalls deutlichere Konturen annehmenden, wenn nicht erst erfundenen, Gesellschaft. Die Bildungsreformen der „Neuen Politik“ trugen so dazu bei, dass die von Skocpol vermisste Unterscheidung möglich wurde. Sichtbar wurden eine Gesellschaft, die sich immer weiter diversifizierte, und ein Staat, der in raschem Tempo eine neue Verwaltung aufbaute, dabei aber mit modernsten Mitteln seine gegenwärtige Schwäche bloßlegte. Aus dieser ambivalenten, kurzfristigen Wirkung der Reformen erklärt sich das Paradox, dass ausgerechnet jene Regierung und Staatsform, die das neue und langfristig sehr erfolgreiche Fundament für den heutigen Reichtum und die Stärke Chinas legte, dieser Innovation binnen eines Jahrzehnts selbst zum Opfer fiel. Des Kaisers neue Schulen ließen das Kaisertum nackt dastehen.
26 Mitchell, Limits, S. 88 über Theda Skocpol, States and Social Revolutions. A Comparative Analysis of France, Russia, and China, Cambridge, New York: Cambridge University Press 1979.
Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe Personen, Institutionen und Orte Beihai 北海 Cen Chunxuan 岑春暄 Changle Jianzhu Xuetang 长乐建筑学堂 Chaoyang 潮阳 Chaoyang Shifan Fuxi Suo 潮阳师范傅习所 Chaozhou fu 潮州府 Chaozhou Zhongxue 潮州中学 Chen Duxiu 陈独秀 Chen Li 陈澧 Chen Yuting 陈雨亭 Chenghai 澄海 Chengnan Shuyuan 城南书院 Chengxi Xuexiao 城西学校 Chiang Kai-shek 蒋介石 Chongshi Shuyuan 崇实书院 Cixi 慈禧 Dapu 大浦 Ding Renchang 丁仁长 Dongshan Shifan Xuetang 东山师范学堂 Dongya Tongwen Hui 东亚同文会 Fang Erjun 方尔钧 Fang Yao 方耀 Feng Guifen 冯桂芬 Fengshun 丰顺 Guangdong Fangyan Xuetang 广东方言学堂 Guangdong Gaodeng Xuetang 广东高等学堂 Guangdong Xianzheng Choubei Chu 广东宪政筹备处 Guangxu 光绪 Guangya Shuju 广雅书局 Guangya Shuyuan 广雅书院 Guangzhoufu Zhongxuetang 广州府中学堂 Guo Moruo 郭沫若 Haiyang 海阳 Haiyang Xian Zhongxuetang 海阳县中学堂 Hanjiang 韩江 Hanlin Yuan 翰林院 Hanshan Shifan Xuetang 韩山师范学堂 Hanshan Shuyuan 韩山书院 He Ruzhang 何如璋 He Shoupeng 何寿朋 Hepu 合浦
https://doi.org/10.1515/9783110558869-006
362 Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe
Hongwen Xueyuan 弘文学院 Hu Jiaqi 胡家祺 Huang Mocun 黄墨村 Huang Zunxian 黄遵宪 Huaying Zhongxue 华英中学 Hui Chao Jia daotai 惠潮嘉道台 Huilai 惠来 Huizhou 惠州 Jiang Bingqian 江秉乾 Jiaoling 蕉岭 Jiaoyu bu 教育部 Jiaozhong Xuetang 教忠学堂 Jiaying Xingxue Huiyisuo 嘉应兴学会议所 Jiaying Zhongxue 嘉应中学 Jiaying zhou 嘉应州 Jinghan Shuyuan 景韩书院 Jinghan Xuetang 景韩学堂 Jingshi Daxuetang 京师大学堂 Jinshan Shuyuan 金山书院 Jinshan Zhongxue 金山中学 Junjichu 军机处 Kaiyuan 开元 Kang Youwei 康有为 Kangxi 康熙 Leyu Zhongxi Xuetang 乐育中西学堂 Li Duanfen 李端棻 Li Hongzhang 李鸿章 Liang Bocong 梁伯聪 Liang Qichao 梁启超 Liang Shuming 梁漱溟 Liangguang Chuji Shifan Xuetang 两广初级师范学堂 Liangguang Shifan Fuxisuo 两广师范傅习所 Liangguang Youji Shifan Xuetang 两广优级师范学堂 Lianzhou 廉州 Lianzhou zhili zhou 连州直隶州 Lihua Zhuanke Xueshe 理化专科学社 Lingdong 岭东 Lingdong Tongwen Xuetang 岭东同文学堂 Lingdong Zhongdeng Shangye Xuetang 岭东中等商业学堂 Liu Jiaju 刘家驹 Liu Kunyi 刘坤一 Lü Kun 呂坤 Luo Xianchou 罗仙俦 Luo Zhenyu 罗振玉 Mao Zedong 毛泽东 Matsudaira Yasushi 松平康国 Meijiang 梅江
Personen, Institutionen und Orte
Meixian 梅县 Meizhou 梅州 Nanhai 南海 Nanxiong zhili zhou 南雄直隶州 Nanyang Quanye Hui 南洋劝业会 Panyu 番禺 Peifeng Shuyuan 培风书院 Puning 普宁 Puyi 溥仪 Qiu Fengjia 丘逢甲 Queshi 礐石 Raoping 饶平 Rongqing 荣庆 Shantou 汕头 Shaozhou fu 韶州府 Sun Jianai 孫家鼐 Sun Yat-sen 孙中山 Tan Sitong 谭嗣同 Tan Xiaofang 覃孝方 Tang Jingsong 唐景崧 Tao Mo 陶模 Tao Xingzhi 陶行知 Tongmenghui 同盟会 Tongwen Yuan 同文院 Waimalu 外马路 Wang Anshi 王安石 Wang Peisheng 汪佩聲 Wang Shuyan 王漱岩 Wen Tingjing 温廷敬 Wen Zhonghe 温仲和 Wu Boling 吴伯龄 Wu Dengchu 吴登初 Wu Jingzi 吴敬梓 Wu Tingfang 伍廷芳 Wuben Xuetang 务本学堂 Wuben Zhongxi Xuetang 务本中西学堂 Xia Zengyou 夏曾佑 Xijiang 西江 Xingning 兴宁 Xuantong 宣统 Xuebu 学部 Xuehaitang 学海堂 Yan Fu 严复 Yan Yangchu 晏阳初 Ye Chunji 葉春及 Yongzheng 雍正 Yu Shimei 于式枚
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364 Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe
Yuan Shikai 袁世凯 Yuan Shuxun 袁树勋 Yude Xuetang 育德学堂 Yueshang Zizhihui 粤商自治会 Zaifeng 载沣 Zaitian 载湉 Zhan Hankuang 詹汉匡 Zhang Baixi 张百熙 Zhang Jian 张謇 Zhang Mingqi 张鸣岐 Zhang Zhidong 张之洞 Zhao Erxun 赵尔逊 Zheng Guanying 郑观应 Zheng Zuren 郑祖仁 Zhengwu Xuexiao 振武学校 Zhenping 镇平 Zhongguo Kejia Bowuguan 中国客家博物馆 Zhou Fu 周馥 Zhu Xi 朱熹 Zizheng Yuan 资政院 Zongli Geguo Shiwu Yamen 总理各国事务衙门
Sachwörter anzu 庵租 bagongsheng 拨贡生 baguwen 八股文 bai jia xing 百家姓 baihua 白话 bao 保 bao’an ju 保安局 baogao qixian fanli 报告期限凡例 baojia 保甲 baoxiao 报效 Beiyang Xuebao 北洋学报 bendi 本地 benkesheng 本科生 biye kaoshi 毕业考试 bowu 博物 bu hege zhe 不合格者 caizheng 财政 caizheng jingji 财政经济 caizheng shuoming shu 财政说明书
Sachwörter
chanye zuru 产业租入 Chao Jia xinwen 潮嘉新闻 Chaoshanhua 潮汕话 chen 辰 cheng 城 choucha 抽查 chuanya 船牙 chudeng xiaoxue 初等小学 chuji shifan jianyi ke 初级师范简易科 chuji shifan xuetang 初级师范学堂 chutang 出堂 citang 祠堂 cun 寸 cungu xuetang 存古学堂 cunkuan lixi 存款利息 cunshu 村塾 Da Qing diguo quantu 大清帝国全图 Da Qing huidian 大清会典 Da Qing lü 大 清律 dianyuyuan 典狱员 dianzu 店租 diaocha ju 调查局 diaocha shenshi banshi xiguan tiao wen 调查绅士办事习惯条问 difang 地方 difang gongkuan 地方公款 difangzhi 地方志 Dixue Zazhi 地学杂志 Duanwu jie 端午节 ducui 督催 dushang baoxiao xuefei 赌商报效学费 er wu san liu 二五三六 falü 法律 fansi 藩司 fantan 番摊 fanyi shengyuan 翻译生员 fazheng 法政 fazheng xuetang 法政学堂 fazhi 法制 fei shuixiang xingzhi 非税项性质 fen 分 fengjian 封建 fengsu 风俗 fengsu gailiang xuanjiangsuo 风俗改良宣讲所 fenke daxue 分科大学 fu 府 fu jiaoyuan 副教员 fugongsheng 附贡生
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366 Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe
fulao 福佬 fuqiang 富强 fuxue 府学 fuzhu jiguan 辅助机关 gailiang sishu hui 改良私塾会 gailiang sishu zhangcheng 改良私塾章程 gaodeng guan xiaoxue xuanban 高等官小学选班 gaodeng xiaoxue 高等小学 gaodeng xuetang 高等学堂 gaopai juan 膏牌捐 gengci 更次 gezhi 格致 gong 公 gongde 公德 gongdu 公牍 gongfei 公费 gongkuan 公款 gongli xuetang 公立学堂 gongli zhongxue 公立中学 gongshi 贡士 guan jiaoyu xingzheng fuzhu jiguan 官教育行政辅助机关 guanban 官办 guanbao 官报 guangzhouhua 广州话 guanhua 官话 guanhua jiangxisuo 官话讲习所 Guangdong caizheng shuoming shu 广东财政说明书 Guangdong Jiaoyu Guanbao 广东教育官报 guankuan 官款 guankuan bogei 官款拨给 guanli zhongxue 官立中学 guanxue 官学 guanyin 官音 guanzhi 官治 guo 国 guocui 国粹 guojia 国家 guomin 国民 guomin xudu keben 国民必读课本 guowen 国文 guoxue 国学 guoyu 国语 guozi jian 国子监 guozi xue 国子学 guren 古人 Haiguan liang 海关两 han 函
Sachwörter
houbu guan 候补官 hua 化 huajuan 花捐 jiandu 监督 jiangli 奖励 jianxue 监学 jianyi shizi xueshu 简易识字学塾 jiao 角 jiaoguan 教馆 jiaohua 教化 jiaoshou 教授 jiaoshou jilubu 教授记录簿 jiaoshoufa 教授法 jiaoxue guanli fa 教学管理法 jiaoyu 教育 jiaoyu bowuguan 教育博物馆 jiaoyu jiangxisuo 教育讲习所 jiaoyu jiu guo 教育救国 jiaoyu tongji tubiao 教育统计图表 Jiaoyu Zazhi 教育杂志 jiaoyu zhi jingshen 教育之精神 jiaoyuguan 教育馆 jiaoyuguan lianxisuo 教育官练习所 jiaoyuhui 教育会 jiashu 家塾 jiating jiaoyu 家庭教育 jiazhang 家长 jiazu gongkuan 家族公款 jiazu xuetang 家族学堂 jibu jingfei 缉捕经费 jiguo 记过 jihua 计划 jinbu 进步 jindai 近代 jingji 经济 jingshi pai 经世派 jingwuzhang 警务长 jingxue 经学 jinjia 禁假 junzi wu ben, ben li er dao sheng 君子务本,本立而道生 jinren 今人 jinshi 进士 ju 局 jun guomin qixiang 军国民气象 junxian 郡县 juren 举人 kaozheng 考證
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368 Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe
kejia 客家 kejiahua 客家话 keju 科举 keliguan 课吏馆 kexue 科学 kuping yin 库平银 lejuan 乐捐 li’an 立案 liang 两 liangchai 糧差 liangdeng xiaoxuetang 两等小学堂 liangmin 良民 liangqian wubai sanshi liu 两千五百三十六 lianhe shehui yi bao jiaoyu zhi jinxing 联合社会以促教育之进行 lianxisuo 练习所 libu 礼部 licai 理财 lihua 理化 Lingdong Ribao 岭东日报 linjin 厘金 linsheng 廪生 lougui 陋规 lunli 伦理 Lunyu 论语 miaochang 庙尝 mimi baogao 秘密报告 minban 民办 mingmai 命脉 minli 民立 minqing 民情 minshi 民事 minzheng 民政 mo kuan 莫款 mofan xuetang 模范学堂 mu 亩 mufu 幕府 Nanyang Quanye Hui bai nian huiwang 南洋劝业会百年回望 nongli 农历 Ouzhou Meizhou shi 欧洲美洲史 Ouzhou zhilüe 欧洲志略 paijuan 派捐 pin 品 pinxue jianyou 品学兼优 pubian 普遍 qianzi wen 千字文 qilou 骑楼 qingli caizheng ju 清理财政局
Sachwörter
Qingming jie 清明节 Quanxue pian 劝学篇 quanxuesuo 劝学所 quanxuesuo zongdong 劝学所总董 quanxueyuan 劝学员 quanyeyuan 劝业员 renkou diaocha 人口调查 Riben guozhi 日本国志 Rulin waishi 儒林外史 Sanbian Qingdai gao chao ben 三编清代稿钞本 sanzi jing 三字经 shang’gong 尚公 shangshi 尚实 shangwu 尚武 shanhou zhangcheng 善后章程 shanhouju 善后局 shanpiao 山票 shantang 善堂 shanzhang 山长 shatian 沙田 shehui 社会 sheng 省 sheng shixue 省视学 shengtu jiancha bu 生徒檢查簿 shengxue kaoshi 升学考试 shengyu 圣祖 shengyuan 生员 shenshi 绅士 shenti jianliang 身体检量 shexue 社学 Shifan jiangyi 师范讲义 shijie jinhua shi 世界进化史 Shijie jinshi shi 世界近世史 Shishi Huabao 时事画报 shishi qiushi 实事求是 shixueguan 仕学馆 shixuequ 视学区 shixueyuan 视学员 shiye xuetang 实业学堂 shiyong wei zhu 实用为主 shuhan 书函 shushi 孰师 shuyuan 书院 shuyuan zu gu 书院租谷 si shu 四书 sili xuetang 私立学堂 sili zhongxue 私立中学
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sishu 私塾 sixiang jiguan 意思机关 suigongsheng 岁贡生 Taixi xinshi lanyao 泰西新史揽要 taixue 太学 tangzu 塘租 tianxia 天下 tiben 题本 tixueguan 提学官 tixueshi 提学使 tixueshisi 提学使司 tixuesi 提学司 tongji chu 统计处 tongji ju 统计局 tongren 同人 tongruyuan 通儒院 tongshanci gongkuan 同善祠公款 tongwenguan 同文馆 tongyi bensheng caizheng 统一本省财政 tongzhi 统治 tujuan 屠捐 wanguo lishi 万国历史 wei ji zhi xue 为己之学 weixin zhi xue 维新之学 wenli 文理 wenming 文明 wenshi ziliao 文史资料 wenyan 文言 wo shou xie wo kou 我手写我口 wu jing 五经 xia 夏 xian 县 xian cun shu 现存塾 xian shixue 县视学 xiandai 现代 xiang 乡 xiangqian 香钱 xiangyue 乡约 xianzheng biancha guan 宪政编查馆 xiaojing 孝经 xiaoxue 小学 Xiaoxuexiao xuesheng xianghe ge 小学校学生相和歌 xiedou 械斗 xin 新 xin fa Guangzhou fu tu 新法广州府图 xin wenhua yundong 新文化运动 xingcao zuo shu 行草作书
Sachwörter
xingxue 兴学 xingxue gongsuo 兴学公所 xinlixue 心理学 xinzheng 新政 xiucai 秀才 xiushen 修身 xixueguan 西学馆 xuangjiangsuo 宣讲所 xuanju 选举 xue 学 Xuebu Guanbao 学部官报 xuefei 学费 xueguan 学官 xuehui 学会 xueji diaocha bu 学籍调查簿 xuejin 学金 xuequ 学区 xuequ fenhua biao 学区分画表 xueshe 学舍 xuetang 学堂 xuetang renyuan lianxisuo 学堂人员练习所 xuetian 学田 xuewu caizheng suo 学务财政所 xuewu gangyao 学务纲要 xuewu gongsuo 学务公所 xuewu licai suo 学务理财所 xuewu zhuanyuan 学务专员 xuewuchu 学务处 xuexiao zhidu 学校制度 xuezheng 学政 xun 旬 xundao 训导 xuxian 虚衔 yahang 牙行 yamen 衙门 yanglian yin 养廉银 Yazhou ge guo shi 亚洲各国史 yicang xi gu 义仓息谷 yike 艺科 yilan 一览 yilan biao 一览表 yindi zhiyi 因地制宜 yinliang 银两 yinyuan 银元 yishihui 议事会 yixue 义学 yixue shuyuan 艺学书院
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372 Glossar ausgewählter chinesischer Begriffe
yougongsheng 优贡生 youlinsheng 优廪生 youji shifan xuetang 优级师范学堂 Youzhiyuan shangxue ge 幼稚园上学歌 yubeikesheng 预备科生 yucai 育才 yuyingcai 育英才 za 杂 zajuan 杂捐 zaru 杂入 zaxiang 杂项 zazhi zhi xing 杂志之性 zhaokao 招考 zhaoshang 招商 zhen 镇 zhenfa guomin zhi zhiqi 振发国民之志气 zhengjuan 正捐 zhengwu chu 政务处 zhengyin jiaoxi 正音教习 zhengzhi 政治 zhili 治理 Zhili Jiaoyu Zazhi 直隶教育杂志 zhixia xuetang 直辖学堂 Zhixin Bao 知新报 zhixing jiguan 执行机关 Zhongguo jindai jiaoyu shi ziliao 中国近代教育史资料 Zhongguo wenxue 中国文学 zhongjun 忠君 Zhongqiu jie 中秋节 zhongxuetang 中学堂 zhongxue wei ti xixue wei yong 中学为体西学为用 zhongyang jiaoyuhui 中央教育会 zhuankuan 专款 zhuanmen gaodengzhe 专门高等者 zhuanmen xuetang 专门学堂 zhujiyuan 主计员 zhusuan 珠算 ziqiang yundong 自强运动 ziyiju 咨议局 zizhi 自治 zong jiaoxi 总教习 zouzhe 奏折 zuchang gu 祖尝谷 zunkong 尊孔 zuxue 族学
Abbildungsverzeichnis Abb. 1:
Abb. 2:
Abb. 3:
Abb. 4:
Abb. 5:
Abb. 6:
Abb. 7: Abb. 8:
Abb. 9:
Abb. 10:
Abb. 11:
Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15:
Spektakuläres Scheitern: Im Jahr 1907 verwüsten Bauern eine moderne Grundschule im Kreis Dapu in Ost-Guangdong. Im Hintergrund fliehen die uniformierten Schüler. Lithographie aus der Shishi Huabao (Quelle: Shishi Huabao (1907) 22) 96 Formular zur Erfassung der neuen Schulbezirke (xuequ fenhua biao), 1907 (Quelle: Guangdong xuewu gongsuo, Xuewu baogao biaobu shi, Guangzhou 1907, S. 2r) 99 Kontrastfolie: Bronzefiguren von Schülern und ihrem Lehrer im Modell einer Privatschule der späten Kaiserzeit im Chinesischen Hakka-Museum (Zhongguo kejia bowuguan) in der Stadt Meizhou (Quelle: Autor) 124 Nicht ausreichend für die Festlegung von Schulbezirken: „Karte der Präfektur Guangzhou nach neuer Methode“, entstanden im Rahmen der Kompilation der neuen Statuten der Großen Qing (Da Qing huidian) ab 1891 (Quelle: Qinding Da Qing huidian tu [Guangxu chao] 1899, juan 238) 130 Rasanter Anstieg von rechts nach links: Graphik zur Entwicklung der Gesamtzahl der Schüler an modernen Schulen in ganz China zwischen 1902 und 1907, (Quelle: Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao, Beijing 1909, S. [9]) 132 Bunte Eindeutigkeit: Tortendiagramm der Gesamtzahl von Schülern nach Provinzen für das Jahr 1907 (Quelle: Bildungsministerium, Abteilung für allgemeine Angelegenheiten (Hrsg.), Di yi ci jiaoyu tongji tubiao, Beijing 1909, S. [3]) 133 Große Leere: Statistik der Fachschulen der Provinz Guangdong für das Jahr 1908 in der Guangdong Jiaoyu Guanbao (Quelle: GDJYGB 1 (1910) 1, baogao, S. 2r) 136 Ebenfalls viel Weiß: Tabelle der Qualifikationen der Lehrkräfte an Pädagogischen Schulen der Provinz Guangdong für das Jahr 1908 (Quelle: GDJYGB 1 (1910) 9, baogao, S. 124) 137 Ohne Gehaltsangaben: Statistik der Büros zur Förderung der Bildung in der Provinz Guangdong für das Jahr 1908. Man beachte die zweite und vierte Zeile von unten, die mangels Angaben leer gelassen werden mussten (Quelle: GDJYGB 1 (1910) 10, baogao, S. 137) 137 Ohne Höhenlinien: Karte der Provinz Guangdong im Atlas of the Chinese Empire der China Inland Mission von 1908 (Quelle: Edward Stanford/China Inland Mission, Atlas of the Chinese Empire, London: Morgan & Scott 1908, S. 16) 142 Zimmer frei: Unterrichtsgebäude der „Schule für Recht und Verwaltung“ der Provinz Guangdong (Guangdong fazheng xuetang) im Amtssitz des neuen Bildungskommissars in Guangzhou, ca. 1910 (Quelle: GDJYGB 1 (1910) 2, S. 3) 166 Guangdong (Quelle: http://www.d-maps.com/carte.php?num_car=20991&lang=de, bearbeitet von Eva Kuch) 195 Gebäude der ehemaligen Dongshan-Lehrerschule – und davor der DongshanAkademie – in Jiaying, dem heutigen Meizhou (Quelle: Autor) 202 Innenhof der ehemaligen Lingdong Tongwen Xuetang in Shantou, heute die Dritte Grundschule der Stadt (Quelle: Autor) 205 Gesamtzahl der Schüler an der Chengxi-Grundschule in Jiaying/Meixian zwischen 1905 und 1933 (von rechts nach links) (Quelle: Meixian chengxi xuexiao (Hrsg.), Meixian chengxi xuexiao sanshi zhounian jiniankan, Guangzhou 1934) 229
https://doi.org/10.1515/9783110558869-007
374 Abbildungsverzeichnis
Abb. 16: Schüler in der Minderheit: Gruppenbild der elf Lehrer (hinten) und fünf ersten Absolventen der Chengxi Xuetang in Jiaying, 1908 (Quelle: Meixian chengxi xuexiao (Hrsg.), Meixian chengxi xuexiao sanshi zhounian jiniankan, Guangzhou 1934) 269 Abb. 17: Wohlgeordnet: Gruppenbild aller Lehrer (hinten) und Schüler der Chengxi Xuetang in Jiaying, 1910 (Quelle: Meixian chengxi xuexiao (Hrsg.), Meixian chengxi xuexiao sanshi zhounian jiniankan, Guangzhou 1934) 270 Abb. 18: Die 1888 gegründete, ehemalige Guangya-Akademie und kurzzeitige Hochschule von Guangdong auf einer 1907 bei Justus Perthes in Gotha publizierten Karte der Stadt Guangzhou [Ausschnitt]. Deutlich zu erkennen ist das von einem Wassergraben umgebene, quadratische Schulgelände nordwestlich der Stadt (Quelle: Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, SPK_30_21.c_C0) 281 Abb. 19: Musterschule: Neubau der Höheren Lehrerschule von Guangdong und Guangxi (Liangguang Youji Shifan Xuetang) in Guangzhou, Datum unklar [nach 1907] (Quelle: http://www.gzzxws.gov.cn/gzws/gzws/ml/hqcc/201107/t20110720_21511.htm [18.10.2017]) 281 Abb. 20: Unauffällig hinter Palmen: Altbau der Mittelschule der Präfektur Guangzhou (Guangzhou fu zhongxuetang), 1910 (Quelle: GDJYGB 1 (1910) 4, S. 2) 282 Abb. 21: Höher, heller, sichtbarer: Neubau der Mittelschule der Präfektur Guangzhou, 1910 (Quelle: GDJYGB 1 (1910) 4, S. 2) 282 Abb. 22: Geteilte Ideale: Das von einem Architekten aus Glasgow entworfene, von dem Kaufmann Chen Yuting finanzierte und von der English Presbyterian Mission geleitete Anglo-Chinese College am Stadtrand von Shantou kurz nach seiner Eröffnung 1906 auf einer kolorierten Postkarte (Quelle: Chen Chuanzhong (Terence Tan), Shantou jiu ying, Singapur: Singapore Teochew Poit Ip Huay Kuan 2011, S. 42) 283 Abb. 23: Fortlaufende Erweiterung: Geländeplan der ehemaligen Jinshan-Mittelschule in Chaozhou mit Ergänzungsbauten aus der Republikzeit, 1937. Gut zu erkennen ist die entlang einer Achse aufgebaute, ursprüngliche Akademie im linken unteren Zentrum (Quelle: k. A., Jinshan gailan, Chaozhou o. J. [1934], o. S.) 283 Abb. 24: Missionsschule „nach Regierungsvorschrift“: Aufsichtsplan für den Neubau der LeyuMittelschule der Basler Mission in Jiaying, Januar 1907 (Quelle: BMA , Ref. Nr.: A-031.05,08#b) 5d: „Projectionsplan nach Regierungsvorschrift für die mit der Mittelschule vereinigte westliche Schule – Für 150 Schüler“, Otto Schultze, Kayintschu 16.01.1907) 285 Abb. 25: Umnutzungen: Grundriss der Wuben Xuetang in den Gebäuden des Konfuziustempels (Mitte), der Chongshi-Akademie (links) sowie des Ackerbau-Tempels (rechts unten). Gut zu erkennen sind oben rechts auch jene Lagerhäuser, die der Präfekt mit den drei anderen Anlagen zur staatlichen Mittelschule zusammenlegen wollte (Quelle: Jiaying gongli wuben xuetang (Hrsg.), Jiaying gongli wuben xuetang gailiang zhangcheng, Jiaying 1904 hintere Umschlaginnenseite) 286 Abb. 26: Demonstration von Modernität: Panoramasicht auf das Gelände der Internationalen Industrieausstellung in Nanjing, Plakat, 1910. Im Vordergrund rechts des weißen, von einer Uhr gekrönten Haupttores das „Haus der Bildung“. (Quelle: PA AA, RAV Nanking II, 35) 290 Abb. 27: Selbstbewusst: Das „Haus der Bildung der Provinz Guangdong“ (Guangdong jiaoyu guan) auf der Ausstellung in Nanjing. Keine andere Provinz leistete sich einen
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solchen zusätzlichen Bau. Die Kaufleuten Guangdongs brachten hierfür aus eigenen Stücken 500.000 Silberdollar auf. Lithographie aus dem Bericht Wang Shuyans (Quelle: Wang Shuyan, Nanyang quanyehui zayong. Reprint der Ausgabe 1910, Shanghai: Shanghai jiaotong daxue chubanshe 2010, S. 60) 290 Abb. 28: Stadtmarketing: Das Hauptgebäude der Provinz-Mittelschule von Meizhou, dem vormaligen Jiaying (oben links) in europäischem Stil sowie rechts die öffentliche Uhr der Mittelschule des Kreises in einem Bildband der 1930er Jahre (Quelle: Meixian xin wenhua she (Hrsg.), Meixian dagua, Shanghai: Shangwu yinshuguan 1936, S. 26) 291
Abkürzungsverzeichnis ABHS ABMU BMA
American Baptist Historical Society American Baptist Missionary Union Archiv der Mission 21/Basler Mission DQXFL Da Qing xin faling EPM English Presbyterian Mission GDJYGB Guangdong Jiaoyu Guanbao GX Guangxu LDRB Lingdong Ribao
https://doi.org/10.1515/9783110558869-008
PCE.FMC
Presbyterian Church of England, Foreign Mission Council Archives STSDAG Shantou shi dang’anguan XT Xuantong ZGDYLSDAG Zhongguo di yi lishi dang’anguan ZGJDJYSZL Zhongguo jindai jiaoyu shi ziliao
Quellen- und Literaturverzeichnis Archive Erstes Historisches Staatsarchiv der Volksrepublik China (Zhongguo di yi lishi dang’anguan 中国第一历史档案馆, ZGDYLSDAG), Beijing: – Quanzong 3: Abschriften von Thronberichten durch den Großen Rat (Junjichu lufu zouzhe 军机处录副奏折) Stadtarchiv Shantou (Shantou shi dang’anguan 汕头市档案馆, STSDAG), Shantou: – Quanzong 12/5: Schulen, Kultur, Bildung und Gesundheit in der Republikzeit (Minguo xuexiao wenjiao weisheng 民国学校文教卫生), 1920–1949 Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Berlin: – RAV Peking II: Deutsche Botschaft China (vormals Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde [BArch], R 9208) – RAV Nanking II: Konsulat Nanking (vormals BArch, R 9325) Archiv Mission 21/Basler Mission, Basel (BMA): – A–1: Letters and reports from China – A–31: China maps National Archives, Kew: – FO 228: Foreign Office: Consulates and Legation, China: General Correspondence, Series I American Baptist Historical Society Archives, Atlanta, GA (ABHS): – Baptist International Ministries (BIM): official correspondence Presbyterian Historical Society, Philadelphia, PA: – MF 10/F761a/reel 215: The Annual Report of the Canton Mission [of the American Presbyterian Church], 1896–1908 Presbyterian Church of England, Foreign Mission Council Archives (PCE.FMC), SOAS, London: – Series 1, Box 31: Lingtung, Swatow, General Correspondence, 1876–1909
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Gedruckte Quellen und Literatur
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Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Lianzhou fu guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen 本司据钦廉省视 学员许之衡禀缴廉州府官民各学堂报告札县遵办文 (Handlungsanweisungen an die Kreismagistrate gemäß den Berichten über staatliche und private xuetang in der Präfektur Lianzhou, die wir vom für Qinzhou und Lianzhou zuständigen Schulinspektor Xu Zhiheng erhalten haben), 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 94f. Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Lingshan xian guan min ge xuetang baogao zha xian zunban wen 本司据钦廉省 视学员许之衡禀缴灵山县官民各学堂报告札县遵办文 (Handlungsanweisungen an den Magistrat gemäß den Berichten über staatliche und private xuetang im Kreis Lingshan, die wir vom für Qinzhou und Lianzhou zuständigen Schulinspektor Xu Zhiheng erhalten haben), 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 96f. Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju Qin Lian sheng shixueyuan Xu Zhiheng bingjiao Qinzhou guan min ge xuetang baogao zha zhou zunban wen 本司据钦廉省视学 员许之衡禀缴钦州官民各学堂报告札州遵办文 (Handlungsanweisungen an den DistriktMagistrat gemäß den Berichten über staatliche und private xuetang im Distrikt Qinzhou, die wir vom für Qinzhou und Lianzhou zuständigen Schulinspektor Xu Zhiheng erhalten haben), 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 7, baogao, S. 95f. Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si ju shengcheng shixueyuan Deng Songtao deng bingjiao ge xuetang sishu baogao zha xiang banli wen 本司据省城视学员邓嵩焘等禀缴各 学堂私塾报告札乡办理文 (Handlungsanweisungen an die Kreise gemäß den Berichten über xuetang und sishu, die wir vom für die Provinzhauptstadt zuständigen Schulinspektor Deng Songtao und anderen erhalten haben), 1909, in: GDJYGB 1 (1910) 4, baogao, S. 43–45. Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si niding fen nian choubei jiaoyu shiyi biao fenbie cheng xiang chahe wen 本司拟定分年筹备教育事宜表分别呈详查核文 (Präsentation des tabellarischen Entwurfs der nach Jahren getrennten Planung für das Bildungswesen durch das Bildungskommissariat von Guangdong zur detaillierten Begutachtung) in: GDJYGB 1 (1910) 1, wendu, S. 1–21. Bildungskommissariat von Guangdong. Ben si pi Dapu xian Chaozhou Jinshan zhongxuesheng Zhong Zhenchao deng cheng zashou tuyin zu’ai jiaoyu you 本司批大浦县潮州金山中学生 种振朝等呈杂授土音阻碍教育由 (Kommentar des Bildungskommissariats zu der Beschwerde der aus Dapu stammenden Schüler der Jinshan-Mittelschule in Chaozhou, Zhong Zhenchao et al., die beliebige Verwendung des örtlichen Dialekts im Unterricht behindere ihre Ausbildung), in: GDJYGB 2 (1911) 18, wendu. Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si pi yilanbiao 本司批一览表 (Liste der Kommentare/Anweisungen des Bildungskommissariats), in: GDJYGB 1 (1910) 4, wendu, S. 99–112. Bildungskommissariat von Guangdong, Ben si zhun Zhili tixuesi zisong dixue zazhi tongchi zhuanxing quandao gou yue wen 本司准直隶提学司咨送地学杂志通饬转行劝导购阅文 (Das Bildungskommissariat befiehlt die Verteilung der „Geographischen Zeitschrift“ und rät, diese zu kaufen und zu lesen), in: GDJYGB 1 (1910) 8, wendu, S. 226f. Bildungskommissariat von Guangdong, Guangdong sheng putong jiaoyu fen nian choubei yusuan jingfei biao 广东省普通教育分年筹备预算经费表 (Nach Jahren getrennte Finanzplanung für das allgemeine Schulwesen der Provinz Guangdong), in: GDJYGB 2 (1911) 4, wendu, S. 121–130.
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Register Personenregister Anderson, Benedict 28 Arendt, Carl 17, 214 Barth, Boris 38 Bastid, Marianne 21 Bismarck, Otto von 288 Bloch, Ernst 125 Boerschmann, Ernst 274f. Borthwick, Sally 21, 139, 295 Bréard, Andrea 97, 145 Broomhall, Marshall 141f. Cen Chunxuan 49f., 108, 165, 167–169, 172, 175, 206, 246, 275, 295, 318, 330, 335 Chen Li 58 Chen Yuting (Hou Teng-thai) 207 Cixi 1, 54, 84, 183, 201, 231, 247, 253, 307, 346 Cody, Jeffrey W. 274, 277 Cong, Xiaoping 236 Culp, Robert 285 Deng Xiaoping 358 Ding Renchang 301 Duara, Prasenjit 14, 30, 36, 350 Edmunds, Charles Keyser 191, 293 Edwards, Brian 278 Elden, Stuart 129 Elman, Benjamin 57f., 66 Fang Yao 207 Feng Guifen 15, 83 Foucault, Michel 6, 41f., 88, 101, 248 Gellner, Ernest 28 Guan Xiaohong 20f. Guangxu-Kaiser 54, 83, 183, 200f., 247, 335, 346 Guo Moruo 159, 208f., 238, 264 Habermas, Jürgen 35 Hacking, Ian 95, 125 Halsey, Stephen R. 6, 18, 294, 348 Hart, Sir Robert 142, 190 Hayhoe, Ruth 227 He Ruzhang 206 He Shoupeng 206, 218, 234, 245
https://doi.org/10.1515/9783110558869-010
Headland, Isaac Taylor 276f. Heilmann, Sebastian 27f., 358 Hevia, James L. 2, 17f., 42, 89, 131, 143 Hirschhausen, Ulrike von 191 Huang Mocun 203f., 211, 213, 224, 324f., 327 Huang Zunxian 97, 120, 163, 178, 186, 200f., 203, 211, 213, 216, 221, 224, 227, 235, 241, 244, 248, 251, 255f., 272, 279, 299, 302, 330 Huang, Philip 23, 33, 36, 173, 176, 179, 351f. Huxley, Thomas Henry 3 Kaiser Wilhem II. 76 Kang Youwei 46, 74, 82f., 88, 201, 213, 246f. Kangxi-Kaiser 173 Karl, Rebecca 79 Konfuzius 7, 9, 23, 31, 85, 194, 253, 292 Kreuzer, Peter 27 Kuhn, Philip A. 89, 317 Lam, Tong 18f., 191 Latour, Bruno 131, 133, 146 Leutner, Mechthild 17 Li Duanfen 83 Li Xizhu 347 Liang Qichao 4, 201, 213, 216, 247 Liang Shuming 356 Liang, Yongsheng 220 Lindenmeyer, Friedrich 80, 159, 196, 204, 225, 218, 236f., 258, 264, 273, 280, 327 Liu Jiaju 245 Liu Kunyi 117 Lü Kun 67 Luo Xianchou 245 Luo Zhenyu 120 Mackenzie, Robert 223 Maier, Charles S. 6, 29, 119, 346 Maier, Martin 203 Mao Zedong 37, 357f. Matsudaira Yasushi 223 Mill, John Stuart 3
426 Register
Mitchell, Timothy 11, 33f., 41, 270, 351, 359 Morse, Hosea Balou 106 Napoleon 288 Osterhammel, Jürgen 38f., 72, 274 Perry, Elizabeth 28, 358 Pott, Francis Lister Hawks 145, 193 Prinz Chun (Zaifeng) 346 Qiu Fengjia 178, 199, 206f., 210f., 214–216, 218, 234, 245–247, 289, 320–322 Rankin, Mary Backus 14, 21, 24, 32, 35, 110, 247, 308, 340, 344 Rawski, Evelyn Sakakida 21, 60 Reinsch, Paul S. 293f. Remick, Elizabeth J. 25, 45, 306, 356 Reynolds, Douglas R. 16 Rhoads, Edward J. M. 24, 45 Richthofen, Ferdinand von 143 Rongqing 84, 194 Rothkegel, Curt 273 Rowe, William T. 40, 312 Sang Bing 20 Schneewind, Sarah 66f. Schwintzer, Ernest P. 295 Scott, James C. 95, 109, 139, 341 Skocpol, Theda 359 Smith, Adam 3, 346 Spiller, Gustav 77f. Strauss, Julia C. 16 Sun Jianai 84 Sun Yat-sen 206, 245, 347, 349 Tan Sitong 201 Tang Jingsong 206 Tao Mo 230, 232, 320, 322 Tao Xingzhi 148 Teng, Ssu-yü 117
Thøgersen, Stig 24 Tilly, Charles 25, 29, 34 VanderVen, Elizabeth 23, 180, 251 Wang Anshi 58 Wang Shuyan 288–290 Wang, Dong 320 Washington, George 288 Weber, Max 27 Wen Tingjing 236, 24f. Wong, R. Bin 14–15, 35, 194, 201, 350, 357 Wu Dengchu 203f., 211, 213, 224, 325 Wu Tingfang 1, 4, 30, 346, 351 Wu, Albert Monshan 79 Xia Zengyou 222 Xuantong-Kaiser (Puyi) 346f. Yan Fu 3, 79, 346, 348 Ye Chunji 119 Yee, Cordell D. K. 127 Yen, James 356 Yu Shimei 166 Yuan Shikai 2, 15, 32, 50, 101f., 150, 181, 183, 274, 295, 307–308, 348, 358 Yuan Shuxun 44–46, 48, 159, 315 Zarrow, Peter 209, 228 Zhang Baixi 84f. Zhang Jian 21, 201 Zhang Mingqi 172, 174 Zhang Zhidong 4, 46, 54, 81, 83f., 117, 161f., 207, 221, 248, 308, 348, 359 Zhao Erxun 32 Zheng Guanying 81 Zhou Fu 332 Zhu Xi 58, 62 Zhu, Jianfei 275 Zuo Songtao 123
Sachregister Abendschule 255, 325, 350 Abgaben 306, 308, 310f., 313–316, 318, 324, 327, 334f., 338f., 344, 354 – diverse Abgaben (zajuan) 310, 312, 339 Ägypten 8, 75, 101, 270f. Ahnenhalle (citang) 61, 204, 266, 280, 284
Akademie (shuyuan) 62–64, 66, 83f., 87, 196f., 199, 202f., 206f., 246, 276, 278f., 284, 295f., 300, 313, 318, 324, 334 American Baptist Missionary Union (ABMU) 53, 196, 199, 237, 265, 267 Amt für Wiederaufbau (shanhouju) 315f., 325
Sachregister
Amt zur Vorbereitung der Verfassung in Guangdong (Guangdong xianzheng choubei chu) 169f. Amtsblatt (guanbao) 135, 138 Anglo-Chinese College (Huaying Zhongxue) 206, 277, 283, 354 Anhui 105, 152, 332 Architektur 12, 41, 155, 157, 270–280, 284, 287, 291–293, 341, 343f., 353f. – Bauvorschriften 249, 271, 274, 279f., 284, 287, 344 – Raumaufteilung 274, 284f. – Umbauten 280, 299, 330 Aufklärung 38, 75 Auslandschinesen 199, 247, 321 Auslandsstudium 84, 121, 150, 162, 164, 244, 246, 276, 325, 342, 353 Ausstellung 123, 146, 270, 287f., 292f., 344, 351 – Nanjing 1910 (Nanyang Quanye Hui) 42, 53, 146, 269, 275, 288–291 – Weltausstellung 76f., 287 Basler Mission 53, 123, 143, 159, 196, 203, 211, 273, 280, 284f., 293, 302, 326f. Beamte im Wartestand (houbu guan) 165, 242f. Beamtenhierarchie 90, 172, 178, 188 Beihai (Pakhoi) 158, 253 Beiyang Xuebao 307 Berufsschule 4, 182, 221, 337, 350 Bestrafung von Schülern 101, 238, 252 Bildung (Begriff) 39 Bildungsbeauftragter (xuewu zhuanyuan) 182, 184, 336 Bildungsdirektor (xuezheng) 90, 150 Bildungskommissar [Ming] (tixueguan) 65 Bildungskommissar [Qing] (tixueshi) 90f., 98, 102, 105, 106f., 113, 115f., 140, 150, 152, 156, 158f., 164, 166f., 174, 180, 182, 184f., 238, 241, 260, 311, 313 Bildungsministerium (Gründung) 85, 307, 350 Boxer-Krieg 1f., 9, 84, 101, 274, 346 Brasilien 72 Brüssel 76
427
Bürger (guomin) 38, 55, 75, 149, 209, 213, 224, 231, 238, 359 Büro zur Förderung der Bildung (quanxuesuo) 7, 33, 50, 86, 88, 91, 98, 100, 104, 109–113, 137f., 147, 151, 157, 170–189, 220, 238, 249, 251, 259f., 296f., 312, 324, 331, 333, 336, 343, 345, 349–353, 355, 359 Bürokratie (junxian) 2, 15, 51, 92, 106, 110f., 115, 161, 165, 172f., 177, 189, 344 Centralized minimalism 33, 176, 352f. Changle (Kreis) 163, 234, 280 Changsha 82 Chaoshanhua siehe Sprache Chaoyang (Kreis) 167, 187, 240, 259, 279f., 302 Chaozhou (Präfektur) 158, 177f., 195–199, 204, 206–208, 212, 215, 232–234, 238, 241f., 246, 257, 266, 278f., 297, 300, 309f., 319f., 324, 347, 354–356 Chaozhou Zhongxue siehe Staatliche Mittelschule Chaozhou Chengdu 102, 108, 160, 273, 278 Chenghai (Kreis) 167, 175, 197., 313 Chengxi Xuetang 229f., 246, 269f., 326f., 330 China Inland Mission 141f. Chinesische Literatur (Zhongguo wenxue) siehe Unterrichtsfächer Chongshi-Akademie 286f., 328 Daotai 49, 259, 310, 319f., 322f. Dapu (Kreis) 96, 215, 234, 245, 256f., 280 Deutsch siehe Unterrichtsfächer Deutsch-Chinesische Schule (Guangzhou) 46 Deutsches Reich 71, 76f., 143, 209, 289 Diagramm 131, 133, 140, 145f., 351 Disziplinierung 37f., 41f., 77, 88, 101f., 146, 160, 167, 248f., 262–264, 267–269, 343, 359 Dongshan-Lehrerschule (Dongshan Shifan Xuetang) 200–202, 211f., 219, 233f., 242, 244, 279, 300, 324, 326, 330f. Dorfpakt (xiangyue) 68, 249 Dynastic decline 13
428 Register
Educational Association of China 7, 53, 160 Englisch siehe Unterrichtsfächer English Presbyterian Mission (EPM) 53, 199, 207 Erziehung (Begriff) 8 Fachschule 80, 87, 136, 160, 255, 334, 350 Feiertag 30, 62, 157, 253 Fengshun (Kreis) 167, 175, 177 Fengtian 179f., 185, 306 Ferien 5, 61, 157, 251f., 262 Feudalismus (fengjian) 2, 15, 32f., 36 Finanzreform-Büro (qingli caizheng ju) 103, 112 Fortschritt (jinbu) 122, 223 Fotografie 12, 267–269, 274, 287, 292f., 343, 354 Frankreich 71, 74, 77, 128 Frauen 9, 74, 86, 236, 342 Fujian 47, 152 Gehalt 61, 110, 154, 164, 178–180, 184, 242, 299–303, 311, 319, 333, 342 Gemeinderat (yishihui) 181–184, 352, 355 Gemeindeschule (shexue) 63–69, 87, 171, 196f. Gentry (Begriff) 5 Geographie 47, 125, 127f., 141, 222 siehe auch Unterrichtsfächer Geschichte siehe Unterrichtsfächer Gesellschaft 10–12, 34, 36f., 42, 51, 89, 94– 96, 139, 149, 154, 160, 189, 213, 258, 293, 311, 336, 344, 350f., 359 – Begriff 36, 146 Gesellschaft zur Reform der Privatschulen (sishu gailiang hui) 104, 124, 187 Gilde 5, 265, 320 Globalisierung 28, 170, 275 Glücksspiel 284, 304, 314f., 324, 339, 355 Governance 10, 25, 27f., 271, 352 – Adaptive governance 28, 148, 251f., 258, 340, 343, 353, 358 Großbritannien 3, 17, 71, 73, 77, 99, 210, 277, 289 Grundschule 50, 69, 62, 82, 84f., 96, 121, 125, 151, 156, 171, 177, 182f., 185f., 196f., 200, 202, 207, 211, 214f., 219, 222, 227f., 232f., 235, 239f., 243, 252,
254–256, 258–260, 263, 280, 287, 294f., 297, 299f., 303f., 307f., 325, 327, 332, 337, 342, 347, 349 Guangdong Jiaoyu Guanbao 52, 114, 134f., 139, 156, 292, 311, 354 Guangxi 44, 49, 152, 165, 172, 207, 231 Guangya-Akademie (Guangya Shuyuan) 46, 84, 207, 244, 276, 281, 306, 354 Guomindang (Nationalpartei) 55, 349, 357 Haiyang (Kreis) 158, 163, 174f., 186f., 252, 263, 324 Hakka (Ethnonym) 47, 198, 215f., 245, 257, 356 siehe auch Sprache Han-Dynastie (206 v. Chr.–220 n. Chr.) 64, 222 Han-Dynastie, Südliche (917–971) 195 Handarbeit siehe Unterrichtsfächer Handbuch der Finanzverwaltung (caizheng shuoming shu) 53, 103, 310, 312, 314, 317, 335, 355 Handel 11, 45, 91, 93, 106, 126f., 181, 196f., 205, 221, 258, 289, 308, 312, 326 Handelskammer 10, 181, 198, 265, 328 Hanshan-Lehrerschule (Hanshan Shifan Xuetang) 238, 242, 244, 263 Hebei 185 Heiliges Edikt (Shengyu) 173, 214f. Henan 152, 307 Hierarchische Steuerung 27, 352 Hochchinesisch siehe Sprache Hochschule 85, 157, 170, 220, 260, 273, 278, 281, 293, 307f. Hochschule für Recht und Verwaltung (fazheng xuetang) 165–167, 169, 220f., 244, 260 Höhere Lehrerschule von Guangdong und Guangxi (Liangguang Youji Shifan Xuetang) 242f., 275, 278, 281, 354 Hoklo (fulao; Ethnonym) 47, 198, 215f., 356 Hong Kong 1, 45, 198, 240 Hubei 52, 152, 306, 308 Huilai (Kreis) 175f., 186 Hunan 52, 152, 201 Hundert-Tage-Reform 4, 9, 83, 330, 346 Hygiene 42, 101, 153, 157f., 182, 225, 276f., 284, 286, 292, 302
Sachregister
Imperialismus 2, 4, 6, 18f., 40, 42, 221, 265, 321, 348 Indien 18, 73, 75 Industrialisierung 2, 19, 37, 70, 80, 284, 287, 291, 294, 321 Informationsbüro (diaocha ju) 97, 104, 116 Intellektuelle 3f., 79, 89, 219, 240, 270 Irland 99 Jakarta 325 Japan 2, 7, 15, 32, 36, 40, 43, 59, 72, 75, 77– 80, 83–85, 129, 139, 149f., 161, 198, 200–202, 205, 207f., 210, 213, 215, 218f., 223, 236, 242, 265, 271, 274f., 279, 288f., 300, 307, 342, 353 Japanisch siehe Unterrichtsfächer Jesuiten 60, 126, 128 Jiangsu 84, 151f., 228, 307, 332 Jiangxi 152, 332 Jiaoyu Zazhi 156 Jiaozhong Xuetang 233, 301–303 Jiaying (Distrikt) 107, 120, 123, 125, 159, 163, 167f., 174, 178, 186, 195f., 198, 200– 204, 206, 208, 215f., 223, 229f., 233, 238, 241f., 246, 251, 255, 264, 266, 269, 273, 279, 284, 291, 299, 302, 309f., 318, 324–327, 329–331, 342, 347, 353, 355f. Jiaying Zhongxue siehe Staatliche Mittelschule Jiaying Jieyang 167f., 180, 187, 337 Jingshi Daxuetang 83, 209, 234, 304 Jinshan Shuyuan 197, 207, 232, 246, 278f., 309, 318 Jinshan Zhongxue siehe Staatliche Mittelschule Chaozhou Kantonesisch siehe Sprache Kapitalismus 37 Kartographie 17, 126–130, 134, 140–145, 281 Kaufleute 35, 46, 59, 70, 81, 110, 194, 198f., 203–205, 208, 216, 221, 289f., 310, 320, 324–328, 332, 339, 344, 353–356 Kindergarten 219, 325 Klan 5, 47, 55–57, 61, 70, 85, 108, 120, 235, 266, 280, 313, 325, 333–335 Klanschule 60f., 63, 104, 123, 158, 235, 307, 333, 335, 349
429
Klasseneinteilung 254–257, 263, 341, 343 Klassiker (jingxue) siehe Unterrichtsfächer Kobun-Institut (Hongwen Xueyuan) 162f., 244 Kolonialismus 2, 13, 17f., 32, 36, 38f., 42, 73, 78f., 131, 143, 274, 351 Kommunikation 6, 79, 93, 112, 115, 147, 352 Kommunistische Partei Chinas 28, 349, 356f. Konfuzianismus 25, 31, 58, 67, 69, 75, 101, 201, 213, 221, 227, 249, 272, 321, 350, 354 Körper 74, 87, 100f. Landwirtschaft 47, 66, 68, 93, 116, 198, 221, 309 Lehrbuch 7, 62, 148, 161f., 165f., 209, 213, 222f., 231 Lehrer 5, 20, 61f., 67f., 77, 102, 107, 122– 125, 149, 151, 157, 159, 161–167, 179, 187, 202–204, 206–210, 214, 226f., 234–239, 241–247, 253, 256f., 262– 265, 267–270, 275, 280, 285, 299–304, 319f., 333, 342f., 349f., 353 Lehrerschule (shifan xuetang) 50, 86, 201, 203, 213f., 219, 224, 236f., 243f., 276, 294, 301, 330f., 342 Lehrplan 7, 12, 28, 101, 157f., 169, 209–212, 214f., 217, 219f., 222–228, 341–343, 353 Lianxisuo siehe Trainingszentren Liberalismus 8, 101 Lijin siehe Steuern Lingdong Ribao 52, 156, 167, 177, 187, 198, 212, 221, 234, 237, 240, 245, 251, 254f., 267, 318f., 323, 325, 328f. Lingdong Tongwen Xuetang 163, 199, 205f., 210, 212, 215, 218, 226 Lokalchronik (difangzhi) 21, 53, 118f., 128, 130, 141, 222 Lokale Selbstverwaltung (difang zizhi) 10, 154, 169, 173f., 180f., 183, 189, 261, 337, 351f. London 1, 53, 76f., 201 Lotterie (shanpiao) 315, 324f. Lüttich 287 Macau 45, 321
430 Register
Mädchen 9, 73, 86, 100, 219, 325, 347, 350 Mädchenschule 86, 350 Mandarin siehe Sprache Mathematik siehe Unterrichtsfächer Meiji-Reformen 218, 223 Migration 40, 47, 198, 257 Militär 1, 3f., 10f., 18, 26, 29, 38, 46, 55, 70, 75, 81f., 84f., 87, 89, 94, 122, 127, 130, 143, 160, 212, 219, 221, 238, 244, 248– 250, 269, 273, 302, 329, 346f., 357 Minban-Schule 349, 357 Ming-Dynastie (1368–1644) 48, 62, 64–70, 89, 171, 196, 199 Missionsschule 5, 13, 40, 46, 53, 79f., 140, 160, 197, 219, 264f., 267, 285, 357 Mittelschule 50, 52, 82, 85, 112, 158–160, 171, 200, 204–208, 211, 214f., 221f., 227, 230, 232f., 235–237, 239, 241f., 246f., 254f., 258–260, 262–264, 266, 272, 278, 282, 284–286, 291, 294–299, 301–305, 307, 309, 317, 325, 329, 332, 337, 342, 353f. Modernität (Begriff) 43f. Mongolei 153 Moral 39f., 42, 58, 64, 66–68, 72, 75–77, 80, 83, 173, 180, 193, 213, 249, 284, 314–316 siehe auch Unterrichtsfächer Museum 124, 277, 289, 334 Musik siehe Unterrichtsfächer Musterschule (mofan xuetang) 202f., 268, 272, 281, 293, 296, 329, 337f., 343f., 353 Nantong 21, 201, 227, 252 Nation-building 25, 29–31, 239 Nationale Essenz (guocui) 248f. Nationale Studien (guoxue) 248 Nationalismus 4, 28–31, 34, 37, 222 Nationalversammlung (Zizheng Yuan) 120f., 181, 183, 334, 337 Naturkunde siehe Unterrichtsfächer Naturwissenschaften (gezhi) siehe Unterrichtsfächer Öffentliche Gelder (gongkuan) 182, 294, 298, 305–307, 309, 313, 317, 326, 333– 335 Opium 108, 159, 198, 315f., 338f.
Opiumkriege 2, 4, 18, 45, 80, 348 Osmanischen Reich 40, 43, 75 Österreich 74 Panyu (Kreis) 48f., 301 Peifeng Shuyuan 203 Peking Universität 83, 276 Personalkosten 300–303 Peru 72 Philadelphia 76, 287 Physik und Chemie (lihua) siehe Unterrichtsfächer Planung 119–121, 126, 148, 211, 215, 256, 278, 329, 334 Polizei 1, 48, 102, 108, 130, 172, 187, 277, 307, 312, 327, 331 Postwesen 115, 141, 277 Preußen 41, 71, 74, 149f. Privatschule (sishu) 24, 60f., 63, 66, 68f., 86, 89, 100, 122–125, 144, 146, 158– 160, 186f., 197 208, 230f., 235, 242, 248f., 252, 254, 267f., 299f., 343, 357 Propagandabüro (xuanjiangsuo) 104, 121, 173, 188 Prostitution 316, 339, 355 Provinzversammlung (ziyiju) 10, 32, 53, 106, 108, 155, 206, 315, 317, 333f., 338, 340, 344, 347, 355 Prüfung 164, 183, 255, 258–261, 343 – Aufnahmeprüfung (zhaokao) 163, 167, 208, 232–235, 254, 258 – Aufstiegsprüfung (shengxue kaoshi) 259– 260 – Auswahlprüfung (xuanju) 55, 168 Prüfungssystem (keju) 5, 9, 7, 26, 54f., 57– 59, 61, 64f., 69f., 78, 82f., 85f., 90, 105, 163f., 167f., 172, 176, 229f., 242, 244, 247, 254f., 258–261, 264, 276, 279, 288, 297, 343 Puning (Kreis) 175, 180, 186 Punti (Ethnonym) 47 Qianlong-Kaiser 118 Qingdao 274 Qinghai 153 Quanxuesuo siehe Büro zur Förderung der Bildung Raoping (Kreis) 175, 179, 186
Sachregister
Recht und Wirtschaft (fazhi jingji) siehe Unterrichtsfächer Religion 13, 29, 67, 73, 75, 77, 79, 94, 109, 126, 298 siehe auch Unterrichtsfächer Republik China (1912–1949) 14, 98, 215, 230, 245, 274, 284, 286, 292, 347f. Revolution von 1911 1, 14, 16, 20, 216, 244f., 291, 312, 347f., 356 Russisch siehe Unterrichtsfächer Russland 2, 74, 85, 126, 128, 218, 265 Schriftsprache 214, 217 Schriftverkehr 116f., 147 Schulamt (xuewuchu/xuewu gongsuo) 7, 50, 90, 104, 113f., 121, 135, 147, 155, 162–164, 167f., 178, 184, 186, 203f., 212, 217, 231, 239f., 257, 259f., 263, 278, 289, 297, 299, 302f., 311, 313f., 316, 322f., 325–327, 329f., 333f., 336, 354f. Schulaufseher (jianxue) 262, 285 Schulausgaben 112, 207, 294, 296, 299– 304, 354 Schulbezirk (xuequ) 98–100, 109, 117, 119f., 125f., 130, 134, 164, 174f., 178, 185f., 190 Schule (Begriff) 5 Schule der Jugend des Reiches (guozi xue) 65 Schule für Beamte (shixueguan/ keliguan) 161, 165, 220 Schule für Übersetzer und Diplomaten (tongwenguan) 45, 80–82, 244 Schule zum Erhalt des Altertums (cungu xuetang) 244, 248 Schuleinnahmen 105, 112, 295f., 304f., 314f., 324, 337, 340 Schülergewinnung 233, 235 Schülerprotest 264–267 Schulgebühren 204, 232, 294, 304–306, 309, 318, 322, 332f., 358 Schulinspektion (shixue) 135, 149–157, 159f., 164, 170, 187–189, 240, 263, 342, 346, 349f. Schulpflicht 67, 72, 120, 175, 228, 230f., 337 Seezollamt 91, 106, 115, 127, 160, 190, 192, 287
431
Selbststärkungsbewegung 2, 18, 52, 64, 80, 87, 138, 207, 211 Shandong 24, 152, 161, 307 Shanghai 21, 43, 45, 53, 80, 91, 142, 144f., 185, 223, 227, 288, 292f., 308 Shantou 46, 49, 156, 163, 167, 177, 181, 195–199, 205f., 211f., 214f., 234, 236, 239, 247, 256f., 265, 277, 279, 283, 289, 319, 321, 340, 347, 353–356 Sichuan 208, 241, 278, 306f. Singapur 1, 46, 198, 201, 204, 321, 353 Sishu siehe Privatschule Song-Dynastie (960–1279) 51, 55f., 58, 62, 65, 69, 118, 196f. Songkou (Kreis) 109, 159 Sozialdisziplinierung 37f., 41 Spenden 81, 193f., 199, 204, 268, 279f., 298, 301, 304–306, 309, 313, 319, 321– 326, 330, 337, 339, 349 Sport siehe Unterrichtsfächer Sprache 31, 75, 94f., 218, 235, 257f., 343 – Hakka (kejiahua) 48, 257 – Hochchinesisch (guanhua/Mandarin) 47, 162, 214, 216f., 239 – Kantonesisch (guangzhouhua) 48 – Nationalsprache (guoyu) 214, 216f. – Teochew (chaoshanhua) 48, 215f., 257, 356 Staat – Aufgaben 5f., 9, 26–28, 35, 76, 243, 308, 351 – Begriff 25–28 Staatliche Mittelschule Chaozhou (Chaozhou Zhongxue/Jinshan Zhongxue) 207f., 229, 238, 241, 244, 255–257, 263, 266f., 279, 283, 317–319, 323, 339, 356 Staatliche Mittelschule Jiaying (Jiaying Zhongxue) 203f., 210, 244, 328–330 Staatliche Schule (guanxue) [bis 1905] 59, 62, 64, 66, 68, 171f. Staatskunst (jingshi) 15, 32, 36, 92, 119, 127 State effect 11, 19, 25, 33f., 42, 52, 88, 95, 135, 139, 144., 154, 157, 159, 171, 176f., 185, 189, 258, 271f., 292, 294, 305, 317, 338, 341, 343f., 351
432 Register
State-building 14, 19, 25f., 29–31, 34, 36– 40, 50f., 272, 316, 348, 353, 355f. Statistik 4, 12, 17, 19, 42, 53, 91–97, 103– 114, 116f., 119–127, 129, 131, 133–141, 144–146, 148f., 155, 170, 182, 188–191, 235, 241, 288, 303, 305, 307, 311, 331, 335, 341, 349–351 Statuten der Großen Qing (Da Qing huidian) 129f., 168 Steuern 55, 81, 89, 93, 108f., 126, 304, 306, 310f., 315, 331, 334f., 338, 340, 346, 354f. – Schulsteuer (Vorschlag) 336 – Transportsteuer (lijin) 305f., 311–315 Studiengesellschaft (xuehui) 10, 174, 325 Stundenplan 5, 87, 209–211, 217, 227, 262, 302 Taiping-Aufstand 14, 24, 35, 80, 82, 308, 311f., 315, 340 Taiwan 129, 206, 218 Tang-Dynastie (618–907) 58, 197 Thailand (Siam) 139, 198 Tianjin 82, 140, 197, 328 Tokio 43, 162f., 200, 223, 244, 292 Tongmenghui 206, 245, 266 Tongwenguan siehe Schule für Übersetzer und Diplomaten Trainingszentren (lianxisuo) 7, 107, 147, 161, 170, 351 – für das Personal der neuen Schulen (xuetang renyuan lianxisuo) 162f. – für die Beamten der Bildungsverwaltung (jiaoyuguan lianxisuo) 91, 164 – Mandarin-Trainingszentren (guanhua jiangxisuo) 217 Uhr 48, 87, 250–253, 290f., 343 Universität 44, 65, 83–85, 169f., 232, 252, 268, 276, 349, 354 Unternehmer 3f., 198, 291, 305, 320f. Unterrichtsfächer 5, 46, 75, 81, 164, 194, 208–212, 227f., 235, 237, 284 – Chinesische Literatur (Zhongguo wenxue) 212, 214 – Deutsch 218 – Englisch 208, 218, 237f., 244
– Finanzwesen und Wirtschaft (caizheng jingji) 169 – Französisch 218 – Geographie 194, 208, 211f., 222f. – Geschichte 75, 87, 194, 211f., 222–224, 227f., 237, 342 – Handarbeit 87, 211 – Japanisch 218, 257 – Klassiker (jingxue) 217, 225, 227f., 237, 347 – Mathematik 114, 208, 211f., 224, 226, 238, 257 – Moralische Erziehung (xiushen) 101, 194, 211, 213f. – Musik 211, 219f. – Naturkunde 212, 224f. – Naturwissenschaften (gezhi) 75, 78, 81, 87, 211, 224f., 235, 342 – Physik und Chemie (lihua) 224–227, 238, 284, 303 – Recht und Wirtschaft (fazhi jingji) 220f. – Religion 75 – Russisch 218 – Sport 76, 87, 208, 211f., 235, 238, 257, 299, 342 Vereinfachte Zeichen-Lern-Schule (jianyi shizi xueshu) 231, 337 Vereinigte Staaten von Amerika 1, 46, 59, 74–76, 79, 85, 189f., 201f., 219, 222, 227, 244, 265, 274, 287, 289 Verfassungskommission (xianzheng biancha guan) 97, 103, 113, 134 Verstaatlichung 12, 173, 187, 233, 254, 318f., 323, 339, 345 Volksrepublik China 9f., 16, 22, 28, 51, 55, 91, 145, 160, 171, 340, 348f., 357 Volkszählung 39, 92, 94–96, 100, 108f. Whampoa (Huangpu) 45 Widerstand – gegen Bildungsverwaltung 105, 110f., 160, 173, 339 – gegen neue Schulen 22, 95f., 109 Wirtschaft 2–4, 26, 29, 55, 75, 87, 97, 104, 106, 122, 126, 221f., 289, 346, 348, 357, 359
Sachregister
Wohlfahrtsschule (yixue) 59f., 64–66, 68– 70, 87, 171, 196f. Wuben Xuetang 200, 203f., 210, 212, 219, 222f., 225f., 232–234, 237f., 244, 246, 252, 265f., 280, 286, 302, 319f., 324– 329 Wuchang 82, 308 Xiamen 287 Xingning 163, 167, 177, 235 Xinjiang 126, 350 Xi’an 1, 277 Xiushen siehe Unterrichtsfächer
433
Xuebu Guanbao 134f., 151 Yuan-Dynastie (1279–1368) 197, 225 Yunnan 161 Zeiteinteilung 250f., 253, 341 Zhejiang 35, 152, 185, 289, 306–308, 340 Zhenping (Kreis) 117, 178f., 206, 246, 320 Zhili 50, 150, 152, 179, 220, 306–308, 358 Zhou-Dynastie (1045–256 v. Chr.) 64, 97 Ziele der Bildung (Jiaoyu Zongzhi) 41, 85 Zivilisierungsmission 19, 38–40, 42, 213, 278, 353
Bibliotheks- und Informationspraxis
Herausgegeben von Klaus Gantert und Ulrike Junger
Band 57