Der Weltkrieg 1914–1917 und der “Zusammenbruch des Völkerrechts”: Band 2 [4., neubearb., stark verm. Aufl. Reprint 2018] 9783111570341, 9783111198781


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German Pages 481 [484] Year 1917

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Inhaltsverzeichnis des II. Bandes
II. Teil. Der Wirtlchattskrieg ein „Welthandelsduell"
43. Kapitel. Englilche Gelchälts- und Schuldnermoral im kriege. Deutlche rechtloligleit in den Ententelandern. – Vergewaltigung des neutralen handels durch den Vierverband. – Ausnahmegelze gegen deutche Vribatrechte
44. Kapitel. Vergetwalttgung des neutralen handels. – Vernichtung des druttchen handels nach dem kriege
45. Kapitel. Auhland. Frankreich und Italien folgen der englischen Wirtschaftskriegfüschrung
46. Kapitel. Die Schwarzen Litten der Ententemächte als kampfmittel gegen die Neutralen insbesondere
47. Kapitel. Andere Äuherungen des Wirtlchaktskrieges
48. Kapitel. Verletzungen der Voltrechte der Neutralen durch den Vierverband zu Land und zur See
III. Teil. Seekriessrechtliche Fragen
49. Kapitel. Allgemeines: England – das Seekriegsrecht und wir! – Die Londoner Deklaration und ihre Preisgabe durch England. – Die Aushungerung des Gegners
50. Kapitel. Die Legung von Seeminen
51. Kapitel. Verletzungen der Neutralität durch England und die anderen Vreiderbandltaaten zur See.– Kriegskonterbande, Blockade utw. – Nochmals völlige Beteiligung der Londoner Erklärung durch England
52. Kapitel. Amerikanilche „Neutralität“
53. Kapitel. Erklärung der Nordlee als kriegsgebiet leitens Deutlchlands. – Sog. „Unterleeboot-Vlockade" und ihre Folgen. – Fortsetzung der Auseinandersetzungen mit der Legierung der Vereinigten Staaten über der Unterleebootskrieg und die kriegslielerungen derlelben an die Entente. – Nochmals die „unfairen Munitionslielerungen" insbesondere
54. Kapitel. Vermiedene andere seerechtliche Fragen
55. Kapitel. „Flaggenbetrug": kriegdlift? – Mißbrauch von handels schitten zu kriegerilchen Unternehmungen gegen U-Doote usw
56. Kapitel. Velchiehung der englischen Küsten durch kriegsschiffe und Luttlchiffe – völkerrechtswidriges Auftreten Englands gegen andere Küsten
57. Kapitel. Behandlung der gefangenen Velatzungen der deutschen Unterfeeboote in England
58. Kapitel. Der „Baralong“.Fall insbelondere
59. Kapitel. Die Zuspitzung der deutsch-amerikanischen Beziehungen durch den Fall der ..Lusitania. – Waffenlieferungen ohne Ende
60. Kapitel. Endlose amerikanische klagen im herblt 1915. – Der „Ärabir”.Fall. – Fall Dumka. – Feindselige amerikanische haltung trotz englischer Demütigungen
61. Kapitel. Amerikanische Unlreunduchkeiten und herauslorderungen ohne Ende: Gleichzeitig Lteigende Knebelung des neutralen Handels durch England. – Dochmals die „Lulitania"!
62. Kapitel. Denklchrift der kailerlich Deuttchen Regierung der die Vehandlung bewaffneter Dtauffahrteifchitte vom 8. Februar 1916
63. Kapitel. Der Sog. Fryatt-Fall
64. Kapitel. Die nochmalige Präzisierung der bisherigen Entwicklung der Dinge im U-Boots-kriege gegenüber den Vereinigten Staaten seitens der deutschen Legierung vom 10. März 1016
65. Kapitel. Deutschland vor dem Kriege mit den Vereinigten Staaten: Ultimatum an Deutlchland (der „Sullex-Fall" insbelondere). – Deuttchlands nachgiebige Antwort vom Mai 1916
66. Kapitel. Das deutsche handels–U– Boot in den Vereinigten Staaten. – Kochmals der U-Boot–krieg: Die Vereinigten Staaten weilen neue Zumutungen der Entente zurück, Korwegen unterwirft sich ihnen
67. Kapitel. Portugielilche Seeräubern
Nachtragskapitel
68. Kapitel. Ein Kurzes Wort zur Proklamierung Polens zum felbltindigen königreich vom völkerrechtlichen Standpunkte aus
69. Kopitel. Nochmals die griechilchen Deutralitatsberletzungen: Die Vertreibung der Vierbundgelandten aus Athen und Anderes, insbelondere die Kriegserklärung des Denizelos
70. Kapitel. Die Hetze wegen der Verpflanzung der belgischen Arbeitslosen
71. Kapitel. Ein ölterreichilches Breuelbuch – Nochmals Rumäniens Greuel
72. Kapitel. Die englilch – franzölichen Ausschreitungen gegen die weihe Bevölkerung der deutschen Schutzgebiete Kamerun und Togo
73. Kapitel. Politische Schluhbetrachtung: Der zukünftige Frieden und das Recht
Anlag
Sachregister
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Der Weltkrieg 1914–1917 und der “Zusammenbruch des Völkerrechts”: Band 2 [4., neubearb., stark verm. Aufl. Reprint 2018]
 9783111570341, 9783111198781

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Der

Weltkrieg 19)4-19)7 ,Zusammenbruch des Völkerrechts" und der

Eine Abwehr und Anklage v»n

Dr. Ernst Müller-Meiningen Mtglled des Deutschen Aelchstag» und der bader. Äb-eordneten-a«mer

4. aeubearbeitete, start vermehrte Auflag«

Sand II

Berlin 1-17 Verlag von Georg Reimer

Motto Wir träumen nicht von raschem Lieg. Von leichten Vuhmesriigen, Lin Weltgericht ist dieser Krieg Und stark der Geist der Lügen. Doch der einst unsrer Väter Burg, Getrost, er führt auch uns hindurch l Vorwärts! €m. Selbel.

Nile Rechte, insbesondere das der Überlegung In fremde Sprache», torbebalte«.

Vem heldenmütigen deutschen Heere und seiner Waffenehre gewidmet

vom Verfasser

Inhaltsverzeichnis des D. Bandes. TL Teil. Der Wirtschaftskrieg ein „SBelthandelsduell". Seit

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ALL

43. Kapitel. Englische Geschäfte und Schuldnennoral im Kriege. — Deutsche Rechtlosigkeit in den Ententelänbern. — Dergewalligung des neutralen Handels durch den Merverdand. — Ausnahmegesetze gegen deutsche Privatrechte................................................... A. England und sein Kriegsbegtifs................................................... B. Wirtschaftskriegführung in den englischen Kronkolonien... 44. Kapitel. Dergewalligung des neutralen Handels. — Vernichtung des deutschen Handels nach dem Kriege...................................... a) Holland ............................................................................. b) Skandinavien und Dänemark............................................... c) Schweiz ............................................................................. (1) Die Bunkerkohle der neutralen Schiffe als Bannware ins­ besondere ............................................................................. Nochmals Englands Handelskrieg gegen Neutrale im allge­ meinen ................................................................................. Vernichtung des deutschen Handels auch nach dem Kriege — das Ziel englischer Politik................................................... 45. Kapitel. Rußland, Frankreich und Italien folgen der englischen Wirtschaftskriegfuhrung: Frankreich ........................................................................ Italien................................................................................. Rußland............................................................................. 46. Kapitel. Die Schwarzen Listen der Ententemächte als Kampfmittel gegen die Neutralen insbesondere................................................... Folgen der Schwarzen Listen............................................... 47. Kapitel. Andere Äußerungen des Wirtschaftskrieges: Aufhebung und Suspendierung von Patenten und Marten, vor allem in Frankreich und England........................................... 48. Kapitel. Verletzungen der Postrechte der Neutralen durch den Vierverdand zu Land und zur See............................................... Schweiz insbesondere........................................................... Die skandinavischen Staaten............................................... Holland ..................... ............................................... Die Vereinigten Staaten von Nordamerika und das Postrecht insbesondere........................................................................

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VI III. Teil. Seekriegsrechtliche Fragen. 49. Kapitel. Allgemeines: England — Das Eeetriegsrechl und wir! — Die ***** Londoner Deklaration und ihre Preisgabe durch England. — Die Aushungerung des Gegners.............................................. 107 England und die Pariser bzw. Londoner Deklaration .... 116 Wie vor den englischen Prisengerichten Recht gesprochen wird . 130 Die Aushungerung als völkerrechtliche Masse............................. 132 50. Kapitel. Die Legung von Seeminen....................................................... 135 51. Kapitel. Verletzungen der Neutralität durch England und die andere» Dreiverbandstaaten zur See. — Kriegskonterbande, Blockade usw. — Nochmals völlige Beseitigung der Londoner Erklärung durch England........................................................................ 141 Das Abfangen deutscher und österreichischer Staatsangehörigen aus feindlichen und neutralen Schissen insbesondere.... 157 Die Erklärung der Nordsee als Kriegsgebiet seitens England . 170 Der „Highflyer"-Fall insbesondere.......................................... 175 52. Kapitel. Amerikanische „Neutralität". „Unfaire" Munitionslieferung an den Dreiverband mit direkter Unterstützung der amerikanischen Regierung. — Die Verhinderung der loyalen amerikanischen Lebensmittelzufuhr durch Grotzbritannien und seine Alliierten. — Sonstige Neutralitätsverletzungen.......................................... 177 Die Amerikaner und wir........................................................... 200 Zur Monroe-Doktrin und Neutralität im allgemeinen ... 203 53. Kapitel. Erklärung der Nordsee als Kriegsgebiet seitens Deutschlands. Sog. „Unterseeboot-Blockade" und ihre Folgen. — Fortsetzung der Auseinandersetzungen mit der Regierung der Vereinigten Staaten über den Unlerseeboolskrieg und die Kriegslieserungen derselben an die Entente: Nochmals die „unfairen Munitions­ lieserungen" ............................................................................ 207 Unterseebootskrieg und Kriegsgebietserklärung......................... 218 Weiterer Notenaustausch über den U-Boot-Krieg..... 225 Notenwechsel über die Armeelieserungen zwischen ÖsterreichUngarn und den Vereinigten Staaten......................................238 Der deutsch-amerikanische Notenwechsel über den „Lusttania"Fall (s. Kap. 59)................................................................ 307 54. Kapitel. Verschiedene andere seerechtliche Fragen: I. Die Wegnahme und Beschädigung deutscher Schisse, insbeson­ dere der „Gneisenau" in Antwerpen.......................................... 253 II. Der Verkauf der „Göden" und „Breslau" an dieTürkei ... 253 III. Beschlagnahme des Lazarettschiffes „Ophelia"......................... 256 55. Kapitel. „Flaggenbetrug": Kriegslist? — Mitzdrauch von Handelsschiffen zu kriegerischen Unternehmungen gegen U-Boote usw................... 260 56. Kapitel. Beschietzung der englischen Küsten durch Kriegsschiffe und Luft­ schiffe — völkerrechtswidriges Auftreten Englands gegen andere Küsten.................................................................................... 276

VII ectu

57. Kapitel. Behandlung der gefangenen Besatzungen der deutschen Unter­ seeboote in England................................................................ 280 58. Kapitel. Der „Daralong"-Fall insbesondere.......................................286 59. Kapitel. Die Zuspitzung der deutsch-amerikanischen Beziehungen durch den Fall der Jßufitonm*. — Waffenlieferungen ohne Ende .... 298 60. Kapitel. Endlose amerikanische Klagen im Herbst 1915. — Der ^ArabienFall. — Fall Dumba. — Feindselige amerikanische Haltung trotz englischer Demütigungen: 1. Eine amerikanische Rote anEngland............................................ 330 2. Der „Arabic"-Fall...................................... 333 3. Der Fall Dr. Dumba................................................................ 334 61. Kapitel. Amerikanische llnsreundlichkeiten und Herausforderungen ohne Ende: gleichzeitig steigende Knebelung des neutralen Handels durch England. — Nochmals die „Lusitania"!......................340 62. Kapitel. Denkschrift der Kaiserlich Deutschen Regierung über die Behand­ lung bewaffneter Kauffahrteischiffe vom 8. Februar 1916 . . 350 63. Kapitel. Der sog. Fryatt-Fall................................................................. 379 64. Kapitel. Die nochmalige Präzisierung derbisherigen Entwicklung der Dinge im U-Boots-Kriege gegenüber den Vereinigten Staaten seitens der Deutschen Regierung am 10. März 1916 .... 384 65. Kapitel. Deutschland vor dem Kriege mit den Vereinigten Staaten: Ultimatum an Deutschland (ber „Susser"-Fall insbesondere). — Deutschlands nachgiebige Antwort vom Mai 1916: Antwort Deutschlands auf die amerikanische Ansrage ln Sachen des U-Boot-Krieges vom 10. April 1916....................... 388 Die amerikanische U-Boots-Note vom 20. April 1916 ... 390 66. Kapitel. Das deutsche Handels-ll-Boot in den Vereinigten Staaten. — Nochmals der U-Boot-Krieg: Die Vereinigten Staaten weisen neue Zumutungen der Entente zurück, Norwegen unterwirft sich ihnen ..................................................................................... 412 Die Haltung der holländischen Regierung........................... 420 67. Kapitel. Portugiesische Seeräuberei................................................ 421 Nachtragskapitel. 68. Kapitel. Ein kurzes Wort zur Proklamierung Polens zumselbständigen Königreich vom völkerrechtlichen Standpunkte aus................ 426 69. Kapitel. Nochmals die griechischen Neutralitätsverletzungen: Die Vertrei­ bung der Vierbundgesandten aus Athen und Anderes, insbeson­ dere die Kriegserklärung des Venizelos................................428 70. Kapitel.. Die Hetze wegen der Verpflanzung der belgischen Arbeitslosen . 432 Belgischer Protest..............................................................435 Ein amerikanisch-deutscher Notenwechsel über die belgischen Ar­ beitslosen .................................................................................437 Weitere rechtliche und tatsächliche Bemerkungen zur Frage der Übersiedelung belgischer Arbeiterslosen................................439

VIII Seite

71. Kapitel. (Ein österreichisches Greuelbuch. — Nochmals Rumäniens Greuel 442 72. Kapitel. Die englisch-französischen Ausschreitungen gegen die weitze Be­ völkerung der deutschen Schutzgebiete Kamerun und Togo ... 444 73. Kapitel. Politische Schlutzbetrachtung: Der zukünftige Frieden und das Recht.................................................................................447 Anlage............................................................................................. 455

11. Seil.

Der Wirtlchattskrieg ein „Welthandelsduell"'). 43. Kapitel. Gnglilche GelchältS- und Kchuldnermoral tm fttfege. Deutlche UechtloligLeit in den Gntentelandern. — Ver­ gewaltigung des neutralen Handels durch den Vierverband. — Ausnahmegelet-e gegen deutlche fprivatrechte. Motto: Eie können mir glauben, was ich Ahnen von den Engländern gesagt have: Edelmut ist ihnen gänzlich fremd Wie Paoli sagt: modo meroanti — fie sind ein Krämer-volk Napoleon I. Kein Engländer wagt mehr die Wahrheit zu glauben! Seit 'Juu Jahren ist er eingehüllt in Lügen jeder Art. Ein feine» Eist der Luge durchdringt die Gesellschaft. Tarlyle.

Das Auswärtige Amt hat am 10. Dezember 1915 eine wert­ volle Denkschrift erscheinen lassen über die „Ausnahmegesetze gegen deutsche Privatrechte in England, Frankreich und Rußland". Sie enthält auf Seite 1—7 zunächst die eigentliche „Denk­ schrift", die Zusammenstellung der Ausnahmegesetze von S. 7—64 *) Das korrespondierende Mitglied der bayr. Akademie Professor David­ sohn sprach: über Wirtschaftskrieg im Mittelalter (24. 6. 1915). Er führte aus, der Krieg aus wirtschaftlichen Motiven sei so alt, wie der Kampf unter Menschen überhaupt; die Schwächung des Gegners durch wirtschaftliche Maßnahmen, der Versuch, dessen Widerstandskraft zu untergraben, indem man ihm die Mittel zur Fortführung des Kampfes entziehe. Das älteste, ursprünglichste Ver­ fahren dieser Art sei die Wüstlegung von Äckern, die Zerstörung der Weinberge und Pflanzungen gewesen, wie sie bis tief ins 14. Jahrhundert üblich war, und der Ölzweig sei Sinnbild des Friedens geworden, weil eine Landschaft nur dann im Schmuck der graugrünen Blätterkrone der sehr langsam wachsenden Olive prangen konnte, wenn sie während vieler Jahre vom Feinde verschont geblieben war. Der eigentliche Wirtschaftskrieg fei, nicht in tastenden Anfängen, sondern sofort auf das sorgsamste durchgebildet, in der Frühzeit des Kapitalismus, im 13. Müller-Meiningen, Weltkrieg und Dölkerrecbt. 4. Aust. IT. Bd.

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für Großbritannien (43 Erlasse und Urteile), von 64—106 für die britischen Kolonien und die auswärtigen Besitzungen,'die britischen Konsulargerichtsbezirke und die Okkupationsgebiete Englands (vor allem Ägyptens), von 106—152 für Frankreich (31 Erlasse) und das französische Marokko-Protektorat, und von 152—185 für Rußland (21 Erlasse). Eine systematische Übersicht über die Ausnahmegesetze von S. 185—192 beschließt die interessante Denkschrift, auf die wir hier im ganzen Umfange verwesen müssen. Im allgemeinen bemerkt die Denkschrift folgendes: „Die Unverletzlichkeit des Privateigentums im Landkrieg galt bis zu dem gegenwärtigen Kriege unbestritten als eine der elementarsten Regeln des Völker­ rechts. In der Rechtslehre und Praxis des europäischen Festlandes war dieser Grundsatz allgemein aus Privatrechte jeder Art, insbesondere auch aus Forderungsrechte, für anwendbar erachtet worden', dagegen herrschte in England die Ansicht, daß nach gemeinem englischen Rechte während eines Krieges die Erfüllung von Verträgen mit feindlichen Ausländern verboten ist und datz feindliche Ausländer vor englischen Gerichten nicht Recht nehmen können. Aus Antrag Deutschlands hat die zweite Haager Friedenskonferenz in Artikel 23 der Haager Landkriegsordnung eine Bestimmung aufgenommen, die den kontinentalen Rechtsgrundsatz zur Geltung brachte (s. unten das Nähere). Indessen hat die g r o b d r i t a n n i s ch e Regierung schon im Jahre 1911 zu erkennen gegeben, datz sie der angeführten Bestimmung des Haager Abkommens nicht die Tragweite beimißt, das gemeine englische Recht zu ändern. Unmittelbar nach Kriegsausbruch ist denn auch in England und in fast sämtlichen englischen Kolonien und auswärtigen Besitzungen eine Königliche Proklamation veröffentlicht worden, die jede vermögensrechtliche Leistung an feindliche Ausländer, insbesondere die Erfüllung von Verträgen, sür verboten erklärte. Später sind sowohl im Mutterland wie in den Kolonien zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Ausführungsbestimmungen ergangen, wodurch mit immer steigender Härte nicht nur in die Forderungsrechte, sondern auch in das Eigentum sowie in die Patent-. Jahrhundert in Italien entstanden, als der Handel eine reichere Ausgestaltung er­ fahren und das Gewerbe den Grobbetrieb entwickelt hatte. Es war der fran­ zösische Papst Urban IV., der, wahrscheinlich beraten durch guelfische Anhänger aus Siena und Florenz, den Wirtschaftskrieg zuerst gegen jene beiden Städte eröffnete, die zu jener Zeit unter der Oberhoheit König Manfreds, des der Kirche verhaßten Sohnes eines verhaßten Vaters, Kaiser Friedrichs II., standen. Hierher gehören ferner die wirtschaftlichen Maßnahmen Philipps des Schönen ooir Frank­ reich in seinem Kamps gegen Papst Bonifaz VIII. sowie die Clemens' V. gegen die Republik Venedig im Jahre 1309. Den größten bis auf unsere Zeit geführten Wirtschaftskrieg hat die Kontinentalsperre des französischen Imperators aus kor­ sisch-toskanischem Stamme gebildet. Der Wirtschaftskrieg ist eine sranzösischitalienische Erfindung; Deutschland führt ihn, dem Zwange der Verhältnisie fol­ gend, zum ersten Male, nachdem er vor 614 Jahrhunderten als ein neues Mittel des Kampfes in der Geschichte hervorgetreten ist. — Zur Literatur siehe u. a. auch „Der Wirtschaftskrieg", 2. Auflage der von der Wiener Handelskammer heraus­ gegebenen Sammlung der Wirtschaftsmaßnahmen der kriegführenden Staaten.

3 Muster- und Markenrechte feindlicher Ausländer eingegriffen worden ist Frank­ reich und Rußland find dem Beispiel Englands gefolgt und zum Teil noch erheblich darüber hinausgegangen. Der ursprüngliche Zweck, eine Stärkung der wirtschaftlichen Macht des Fein­ des während des Krieges zu hindern, ist mehr und mehr zurückgetreten gegenüber der Absicht, die wirtschaftliche Stellung Deutschlands im Ausland, namentlich in den überseeischen Gebieten, zu erschüttern und die erreichbaren Vermögenswerte der Angehörigen Deutschlands und seiner Verbündeten als Pfand für künfttge Unterhandlungen in die Hand zu bekommen. Von den übrigen Gegnern Deutschlands hat sich Japan dem Vorgehen der Dreiverbandmächte bisher im allgemeinen nicht angeschlossen. Immerhin hat die japanische Regierung die Schiffahrtsgesellschaften ihres Landes im Juli 1915 an­ gewiesen, Waren und sonstige Güter, die von deutschen Firmen gehandelt wer­ den, von der Verschiffung zurückzuweisen. Auch ist das Verfügungsrecht über deutsches Vermögen in den von japanischen Streitkrästen besetzten deutschen Schutzgebieten durch Anordnungen der dortigen Militär- oder MarinebesehlsHaber erheblichen Beschränkungen unterworfen worden. Die Ende August 1914 erlassenen Verordnungen des belgischen Militär­ gouverneurs der befestigten Stellung von Antwerpen, betreffend die Beschränkung feindlicher Ausländer in der Verfügung über ihr Vermögen, sowie die ser­ bischen Ausnahmegesetze sind inzwischen gegenstandslos geworden. Die Zusammenstellung der gegen die deutschen Privatrechte gerichteten Kriegsgesetzgebung unserer Feinde, die in der Denkschrift gegeben wird, ist naturgemäß nicht vollständig. Soweit die in Betracht kommenden Bestimmungen nicht in den amtlichen Gesetzblättern der feindlichen Länder veröffentlicht worden sind, war es vielfach nicht möglich, den Wortlaut zu erhalten. Aus einer Reihe von Kolonien sind nur vereinzelt zuverlässige Nachrichten nach Deutschland gedrungen. Die Zusammenstellung gibt in deutscher Übersetzung diejenigen Vorschriften wieder, die nach dem Ergebnis der getroffenen Feststellungen zurzeit in Kraft sind. Ausgeschieden sind die Maßnahmen aus dem Gebiete des Seekriegsrechts und des Requisitionsrechts sowie die Bestimmungen hinsichtlich der Kriegs- und Zivil­ gefangenen. Die Gesetze und sonstigen Vorschriften sind für jedes Land und für jede Kolonie nach der Zeitfolge geordnet und mit fortlaufenden Nummern ver­ sehen."

A. England und fein Kriegsbegriff.

I. England will Deutschland nicht bloß militärisch, sondern in erster Linie auch wirtschaftlich vernichten. Wir haben gesehen, daß die völkerrechtlichen Gründe zur Kriegserklärung nur oberslächliche Scheingründe waren. Die Gewohnheit der Engländer war von jeher, mit tugendhafter Entrüstung für Freiheit und Recht zu prunken. Dieser Krieg ist für England nichts anderes als ein buriness, ein Ge­ schäft, das nach alter englischer Taktik in erster Linie die Völker des Kontinents für den britischen Staat besorgen sollten. Bismarck nannte das „Wolf und Kranich spielen"! Offen gab man von maß­ gebender englischer Seite bei Kriegsbeginn zu, daß die Teilnahme

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Englands am Kriege den Schaden, der ohnedies eintrete, nicht beson­ ders erhöhen könne. Die Stellungnahme des englischen Staates zeigt, wie recht Hein­ rich Heine hatte, als er von England sagte: „Ls gibt in der ganzen Schöpfung kein so hartherziges Geschöpf wie den Krämer, dessen Han­ del ins Stocken gerät, dem seine Kunden abtrünnig werden und dessen Warenlager keinen Absatz mehr findet." Vernarb Shaw wie Oskar Wilde sagen dies in ihrer besonderen Art noch schärfer. Zur Vernichtung deutscher See- und Handelsgeltung begann England den Krieg; deshalb stiftete es zunächst Rußland und Frankreich zum Kriege an, trieb das Spiel, als wenn es die Beilegung des österreichisch-russischen Konflikts und seiner Folgen anstrebe — und hatte längst mit Belgien, Frankreich und Rußland den Krieg vorbereitet, dessen Ausbruch ihm momen­ tan vielleicht nicht gerade genehm war, dem es aber notgedrungen seine Unterstützung heimlich doch sofort zusagte. Schon im Jahre 1897 schrieb die „Saturday Review": „Völker haben jahrelang um eine Stadt oder ein Erbfvlgerecht gekämpft — sollten sie nicht um einen Handelswert von Milliarden Krieg führen? Wenn Deutschland morgen aus der Welt vertilgt würde, so gäbe es übermorgen keinen Engländer, der nicht um so reicher wäre." Der Herausgeber der „Daily News", Gardiner, schafft in einem Artikel (September 1915) die richtige Basis für englische Kriegsauffasiung: „Der wirkliche Kampf wird zwischen der englischen und der deutschen Industrie geführt. Wir sind die beiden großen Europa-Häuser." „Geschäft ist alles", ist eng­ lische Kriegsdevise, und für sie bluten die Millionen Europäer in Flan­ dern, an den Dardanellen, in den russischen Steppen, in allen Welt­ teilen! II. über den Kriegsbegriff im anglo-amerikanifchen Rechte siche den Aufsatz von Mendelssvhn-Bartholdy in der „D. I.-Z." 1915 Nr. 13/14. Dort ist u. a. ausgeführt: Die Begründung des anglo-ameritanischen Kriegsrechts ist im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts durch den Admiralitätsrichter Sir William Scott erfolgt. Das führende Urteil ist bis auf den heutigen Tag, und besonders auch für den heutigen Admiralitätsgerichts-Präsidenten Sir Samuel Evans. Scotts Entscheidung im Fall des Schiffes „The Hoop", v. 13. Febr. 1799'). Dieses Urteil ist aber zum Präjudiz geworden, nicht, wie man es bei einem gesunden Präjubiziensystem erwarten sollte, durch die vorbildliche Anwendung der mastgebenden Rechtsfähe auf den Tatbestand oder durch die besondere Klarheit, mit der diese Rechtsfätze im decisivum herauskommen, sondern dadurch, daß es an Stelle der l) Robinson Reports of Admirality läse» 1, 196—219.

Urieilsgründe, in denen vom gemeinen Völkerrecht die Rede ist, ungeprüft, und immer mehr mit kanonischem Ansehen ausgestattet, zunächst in amerikanische Völkerrechtslehrbücher, und dann in die Praxis Amerikas und wieder zurück in die englische Judikatur der letzten Kriegsfälle gewandert ist. Diese Stelle ist eine offenbare Fälschung. Sie beruft sich aus den Holländer Bynkersh o e k, der ja gröberes Ansehen als selbst G r o t i u s genotz; er sollte in seinen Quaestiones iuris publici als gemeine Meinung der kontinentalen Jurisprudenz gelehrt haben, datz durch den Krieg von selbst jeder Handelsverkehr zwischen de» Angehörigen der feindlichen Staaten unzulässig, widerrechtlich und verboten werde. Ön Wirklichkeit hat Bynkershoek an der angeführten Stelle das leidige Schwanken der Staatenpraxis besprochen, die bald ausdrückliche und besondere Handelsverbote, bald einzelne Verkehrserlaubnisie bei allgemeinem Verbot im Verhältnis zum Feind auszuweisen habe. Der englische Richter hat die Stellen, an denen von den be­ tonteren Handelsverboten die Rede ist, in seiner Wiedergabe der holländischen Gelehrtenmeinung weggelasien, und so wird der Eindruck erweckt, dab Bynkershoek das durch den Kriegsausbruch selbst eintretende Handelsverbot, von dem nur eine Regierungslizenz besondere Befreiung erteilen könne, als gemeines Recht Europas erklärt habe.

Mendelssohn faßt unter Berufung auf die Commentaries von Kent (1826), Wheaton und Lord Mansfield und Kenyon fein Urteil dahin zusammen: „Der jetzige Kampf wird nicht zwischen den Regie­ rungen und Staaten, auch nicht zwischen den feindlichen Völkern, er wird geführt von einer territorial abgegrenzten Gemeinschaft von Vermögenssubjekten gegen eine andere solche Gemeinschaft." Der englische Handelsminister Runciman £at in einer seiner Reden (Januar 1916) die vollständige Vernichtung des deutschen Handels unter dem Beifall des versammelten Un­ terhauses als das Kriegsziel Englands enthüllt. Seine Ausführun­ gen gipfelten in den Worten: „Wir müden alles tun, um den deutschen Handel zu verstümmeln, zu be­ schneiden, zu zerquetschen und zu zerstören. . . . Und wenn wir Frieden machen, bann werden wir dafür sorgen, daß Deutschland nie wieder sein Haupt erhebt!"

In der Begründung der schweren Gefängnisstrafe, die über die Inhaber der weltbekannten Handschuhfirma Fownes Brothers ver­ hängt wurde, weil sie während des Krieges durch ihr New Dorker Haus deutsche Handschuhe bezogen, um sie in Amerika zu verkaufen, erklärte der Richter, heute sei es beinahe das Wesen der Kriegführung, keine Gelegenheit zu versäumen, den Handel des Feindes zu lähmen Die Firma hätte daher eine Art Vaterlandsverrat begangen. Den „allen enemy" mit seinen völkerrechtswidrigen Folgen aus der Welt zu schaffen, erscheint wirklich als die Zukunftsfrage des Völkerrechts und der Menschlichkeit! Eines der großen Ziele des Weltkrieges! (S. „D. 3.-3." 1915 a. a. O. 6. 661 ff.)

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Bei solcher materiellen, kalt berechnenden Denkweise, die das „welsche Roh" und den „russischen Elefanten" als Vorspann benutzt, kann es nicht wundernehmen, datz nunmehr jedes auch noch so unan­ ständige Mittel, die deutsche Industrie und den deutschen Handel zu schädigen, dem englischen Volke recht ist. III. Datz es dabei wiederum klare völkerrechtliche Normen ignoriert, ergibt der Wortlaut des oft zitierten IV. Abkommens vom 18. Oktober 1907. Es sagt in Art. 23 unter Buchstaben h: „U n terjagt ist insbesondere die Aushebung oder zeitweilige Außer­ kraftsetzung der Rechte und Forderungen von Angehörigen der Gegenpartei oder die Ausschließung ihrer Klagbarkeil." Diesen Satz kehrt England, wie wir sehen, in sein gerades Gegen­ teil um. Trotz der Ratifikation des Abkommens und damit dieser Be­ stimmung durch England! Freilich im Abkommen von 1899 fehlt dieser Satz! Er ist bei dem Amendement der „Landkriegsordnung" von 1907 in diese erst hineingekommen, da man ihn als völkerrechtliche Kriegsusance ohne weiteres anerkannte! Die wenig vornehme Berufung Englands auf Montenegros und Serbiens Nichtratifizierung haben wir schon im 1. Kapitel (I. Band) hinreichend gewürdigt und zurückgewiesen. Bester kann die grotze Rechtsschützerin Britannia jedenfalls ihre Weltmacht- und Kulturstellung nicht kennzeichnen, lils durch die Bezugnahme auf die kulturgleichen Staaten Montenegro und Serbien, das Land des systematischen Meuchelmordes, gegen das sich seinerzeit keine Presse entrüsteter auf­ bäumte als die englische! Doch für solche Empfindungen der Logik, der geschichtlichen Achtung vor sich selbst — hat der Engländer wenig Verständnis! Mehr für den Satz: „Auf einen Schelmen — anderthalbe!" Und das sollte auch die Maxime des Deutschen gegen seinen hochmütigen Vetter werden, gleichviel, wie dieser Krieg endet! Gewiß, die Praxis, die England hier im Gegensatze zu der von lhm ratifizierten Vertragsbestimmung in Art. 23 h anwendet, ist für England alt und hergebracht, aber trotzdem gilt der Vertrag auch für dieses Land, dem nach der Erklärung seines Königs Verträge heilig sind, das von mittelalterlichen Brutalitäten sich ebenso wie andere Länder freimachen muß, wenn es als wirkliches „Kulturvolk" an­ gesehen werden will, und wenn nicht das Wort der „Morningpvst" „Ihr Gott ist der Mammon" und ihr erhabenstes Motto „Business as usual" auch auf die Regierung angewendet werden soll. Triepel hat in der „Köln. Ztg." daran erinnert, daß es ein be­ deutender englischer Völkerrechtslehrer, T. E. Holland, war, der die

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Unmöglichmachung der Geltendmachung der nichtenglischen Forde­ rungen gegen britische Untertanen als eine „unintelligible nullity“ erklärte. Ein „unverständliches Nichts" erscheint mir freilich diese — die ganze englische Rücksichtslosigkeit verratende — Maßregel wider das Recht absolut nicht. Wenn Triepels Mitteilung richtig ist, daß ein amtliches Schreiben des britischen Unterstaatssekretärs des Auswärtigen vom 27. März 1911 ausgesprochen hatte, England sei weit davon entfernt, die Klausel so zu verstehen, wie sie von allen Be­ teiligten offenbar gemeint war: „die Bestimmung wolle lediglich dem Befehlshaber einer Feldarmee untersagen, die Bevölkerung eines be­ setzten Gebietes durch Hinderung in der Ausübung ihrer Privatrechte zu terrorisieren", so ist dies eine höchst merkwürdige, geradezu unserständliche Auslegungl)! Viel klarer ist das, was England jetzt praktisch tut, um seine alten Prinzipien zur Durchführung zu bringen! Zuvor aber sei aus dem deutschen Weißbuch 1907 S. 7 konstatiert, welche Bedeutung nach dem Willen der Berfaster der Art. 23 h haben sollte. „Der Zusatz geschah auf deutschen Antrag. Es sollte der Grund­ satz der Unverletzlichkeit des Privateigentums auch auf dem Gebiete des Forderungsrechts anerkannt werden. Rach der Gesetzgebung einzelner Staaten soll nämlich der Krieg die. Folge haben, daß die Schuldverbindlichkeiten des Staates oder seiner Angehörigen gegen Angehörige des Feindes aufgehoben oder zeitweilig außer Kraft gesetzt oder wenigstens von der Klagbarkeit ausgeschlosten werden. Solche Vorschriften werden nunmehr durch den Art. 23 Abs. 1 sub b für un­ zulässig erklärt." Also hier ein deutlicher Hinweis auf die englische (und amerikanische) bisherige Praxis, die aufgehoben werden soll! Das Protokoll Bd. III (2. Kommist.) S. 25 sagt: „Celte addition a 616 consid6r6e comme pr6cisant en termes tr6s heureux l'une des cons6quences des principes admis en 1899. Elle a 616 approuv6e ä Vunanimit6.“

Was machte nun England aus dieser von seinen Vertretern ge­ billigten, unterzeichneten und ratifizierten, einstimmig angenommenen internationalen Norm, die nichts weiter ist als die authentische Interpretation der Grundsätze, die bereits in den Beschlüsten der ersten Haager Konvention von 1899 feierlich niedergelegt sind, indem ') Siehe auch Strupp in Niemeyers „Zeitschrift für internationales Recht" Bd. 25 S. 250, wo mit Recht „bas Absurde" dieser willkürlichen Deutung scharf zurückgewiesen wird, wie die Oberflächlichkeit englischer Rechtsauslegung, die sich über die Entstehungsgeschichte als „immaterial” hinwegsetzt.

8 dort bereits das Privateigentum als unverletzlich bezeichnet wurde? Cs machte aus seiner klaren Bertragspslicht mit der windigen und kläglichen Einrede, „England sei sich bei der Ratifikation über die Tragweite der Bestimmung nicht im klaren gewesen" (!) — trotz der klaren Sitzungsprotokolle! — das genaue Gegenteil! Ihm sind ja vertragsmätzige Verpflichtungen „heilig", und König Georg, der das mit Ernst erklärte, ist doch ein ehrenwerter Mann. Unzweifelhaft können nach Art. 3 des 4. Haager Abkommens alle Deutschen Schadensersatz verlangen, die durch irgendwelche Vorschrif' ten Englands oder Frankreichs gegen Art. 23 h an ihrem Vermögen Schaden erlitten haben (s. insbesondere unten die schamlosen Vor­ schriften für die Stroits Settlements). Die in der Londoner „Gazette" vom 9. September 1914 ver­ öffentlichte grundlegende Proklamation, den „Handel mit Feinden" betreffend, hat nach der Übersetzung des Deutschen Handelsvertrags­ vereins folgenden wesentlichen Inhalt'): „Die Proklamation vom 5. August 1914. die sich auf den Handel mit dem Feinde bezieht, und § 2 der Proklamation vom 12. August 1914, sowie auch jede amtliche Ver-ffentlichung, die als Erklärung dazu dient, wird hiermit aufgehoben. Cs gilt anstatt derselben diese Proklamation. In ihr bezeichnet der Ausdruck „Feindes­ land" die Gebiete des deutschen Kaiserreichs und der Doppelmonarchie ÖsterreichUngarn samt deren Kolonien und den von ihnen abhängigen Gebieten. In der Proklamation bezeichnet der Ausdruck „Feind" jede Person oder Gesellschaft jeder Staatsangehörigkeit, die im feindlichen Lande ansässig ist oder dort Handel treibt. Nicht mit inbegriffen sind Personen feindlicher Staatsangehörigkeit, die nicht im feindlichen Lande wohnen und auch bort nicht Handel treiben. Was Körper­ schaften anbelangt, so werden als feindlich nur solche angesehen, die in einem feind­ lichen Lande inkorporiert sind. Folgende Verbote traten in Kraft: 1. Dem Feinde oder zu besten Ruhen eine Summe Gelbes zu zahlen. 2. Für eine Schuld oder andere Geldsumme einem Feinde oder -u besten Gunsten Bürgschaft zu leisten oder eine Summe zu zahlen. 3. Sich zugunsten eines Feindes daran zu beteiligen, Wechsel auszustellen ober zu akzeptieren, zu bezahlen, zur Annahme oder zur Zahlung zu präsentieren oder zu begeben oder sonst mit bankfähigen Papieren zu handeln. 4. Mit einem bankfähigen Papier, das dem Feinde gehört, zu handeln, es -u akzeptieren oder zu bezahlen. Dieses Gebot gilt nicht als übertreten von denen, die in diesem Falle ihren guten Glauben nachweisen können. 5.

Mit dem Feinde neue Geschäfte in Wertpapieren aller Art (stocks,

•bares and other securities) abzuschließen oder laufende Geschäfte in solcheN Wertpapieren zu beenden. 6. Mit dem Feinde oder zu besten Gunsten neue See-, Lebens-, Feuer- oder *) Siehe ln der Folge die Trading with the Enemy Acts vom 18. Sep­ tember 1914, 27. November 1914, 11. Januar 1915, sowie die englische Prollamation vom 15. März 1915 betreffend Maßnahmen gegenüber deutschen Waren

9 andere Policen oder Versicherungskontrakte abzuschlietzen, irgendeine Versicherung oder ein Risiko, das durch eine Police oder einen Versicherungskontrakl (infl. RückVersicherung) veranlatzt ist, die mit oder zugunsten des Feindes vor Ausbruch des Krieges gemacht oder vereinbart sind, zu akzeptieren oder in Wirksamkeit treten zu lasten. 7. Mittel- oder unmittelbar einem feindlichen Lande oder einem Feinde zu besten Gebrauch oder Nutzen Güter und Waren zuzuführen oder sie aus dem Lande auszuführen, auch nicht auf Umwegen, auch nicht mit Waren zu handeln, die für Feind oder Feindesland bestimmt sind oder daher kommen. 8. Datz britische Schiffe einen Hafen oder sonstigen Ort in einem feindlichen Lande anlaufen oder mit demselben in Verbindung treten. 9. Einen kaufmännischen, finanziellen oder andern Vertrag mit dem Feinde oder zu besten Gunsten zu machen. 10. Mit dem Feinde Geschäfte abzuschlietzen, gegen die der Kronrat ein Ver­ bot erlasten hat, das auf Veranlastung eines Staatssekretärs veröffentlicht worden ist, mögen sie sonst auch durch Gesetz, durch Gegenwärtiges oder durch irgendeine andere Proklamation erlaubt fein. Es wird hierdurch ausdrücklich darauf hingewiesen, datz, wer dieses Gefetz mittel- oder unmittelbar übertritt, ein Verbrechen begeht und der darauf gesetzten Strafe verfällt. Wenn ein Feind eine Fweigniederlastung aus britischem, alliiertem oder neu­ tralem Gebiet besitzt (mit Ausnahme der neutralen Gebiete in Europa), sotten Ge­ schäfte durch solche Fweigniederlastung oder mit derselben nicht als Geschäft mit einem Feinde oder durch einen Feind angesehen werden. In dieser Proklamation sollen ferner nicht als in das Verbot eingefchlosten gelten die Zahlungen, die durch und auf Rechnung der Feinde an Personen geleistet werben, die in unseren Ko­ lonien ansässig sind und Geschäfte treiben, wenn solche Zahlungen sich auf Geschäfte beziehen, die vor Ausbruch des Krieges begonnen waren oder sonst erlaubt sind. Mit dieser Proklamation soll auch nichts verboten sein, wozu amtliche Erlaubnis erteilt worden ist oder wozu der Staatssekretär oder das Handelsministerium für uns die Erlaubnis erteilt hat, mag solche Erlaubnis einzelnen Personen gewährt sein oder für Gruppen von Personen bekanntgegeben worden sein." Neuerdings ist dem englischen Parlament ein Gesetzentwurf vorgelegt worben, wonach Zahlungen an das feindliche Ausland verboten werden, selbst zur Abwick­ lung von Geschäften, die vor Ausbruch des Krieges eingegangen finbl). Die Büchereinsicht soll in Verdachtsällen erlaubt werden. Verstötze gegen das Gesetz können mit sieben Jahren Zuchthaus bestraft werden. Dieses Kriegsrecht und damit auch die neuerliche Verordnung vom 9. Sep­ tember 1914 gilt auch für das gesamte Kolonialgebiet Grotzbritanniens. Infolgedessen hat z. B. die Kanada-Pacisic-Eisenbahn beschlosten, während der Dauer des Krieges *) Das W. T. B. teilte am 21. Januar 1915 mit: Von dem Obersten Appellgericht wurde folgende Entscheidung getroffen: Ein Untertan eines feindlichen Staates kann bei den englischen Gerichtshöfen nicht Klage führen, autzer, wenn er unter dem Schutz der Krone steht, das heitzt, naturalisiert ist. Ein Angehöriger eines feindlichen Staates kann angeklagt werden, er kann jedoch nach dem Krieg gegen die Entscheidung, die vor dem Krieg gegen ihn gefällt wurde, Berufung ein­ legen. In England eingetragene Gesellschaften mit feindlichen Fremden als Direk­ toren und Aktionäre können bei englischen Gerichten Klage führen.

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an ihre deutschen und österreichischen Aktionäre keine Dividende auszuzahlen, son­ dern sie vorläufig zurückzuhalten. (Zeitschr. d. Handelsvertragsvereins Nr. 15, 1914.)

IV. Was ist also nun in England Rechtens? Man kann dies kurz in folgenden Sätzen zusammenfassen: Alle Verträge, die während des Krieges zwischen den Angehörigen kriegführender Staaten abge­ schlossen werden, sind nach diesem Rechte voll­ kommen nichtig, es kann auch nach der Wiederherstellung des Friedenszustandes ein Anspruch aus Grund derselben vor einem eng­ lischen Gericht nicht geltend gemacht werden. Was im Gegensatz hier­ zu die vor dem Krieg abgeschlostenen Verträge betrifft, so bleiben sie zwar gültig, doch können sie während der Dauer des Krieges nicht eingeklagt werden, und der zur Leistung an und für sich verpflichtete Engländer darf während des Krieges nicht leisten. Leistet er doch, wird er wegen Hochverrats bestraft. Diese letztere Regel erfährt dann eine Durchbrechung, wenn die Erfüllung der Verträge ihrer Natur nach oder auf Grund von Ver­ tragsbestimmungen nur während des Krieges möglich wäre. Die englische Theorie hat z. B. selbst erklärt, datz ein Frachtvertrag durch den Krieg von selbst aufgelöst wird, wenn der Transport während des Krieges hätte erfolgen muffen. Dies ist von besonderer Bedeutung für alle diejenigen Branchen, die Saisonartikel von England beziehen. Können infolge des Krieges die Waren nicht zu der Zeit geliefert wer­ den, wie dies bedungen, so werden die Abnehmer von der Verpflich­ tung zur Abnahme und zur Zahlung frei. (Dr. Wassermann in den „M. N. N.".) Dagegen werden Versicherungsverträge sogar nichtig, wenn sie vor dem Kriege geschlosien sind und das zum Schadenersatz verpflichtende Ereignis während des Krieges eintritt (f. Drucks, des Reichstages Nr. 26. 1914, S. 87 und Nr. 73 S. 52 und 53 über die Rechte und Pflichten gegenüber englischen Lebensversicherungs­ gesellschaften ohne Vermittlung einer deutschen Niederlasiung; siehe darüber auch unten Ziffer VIII. Nach englischem Recht ruht, da die Forderungen während des Krieges suspendiert sind, auch die Verpflichtung zur Zinszahlung. Der Anspruch auf Zinsen entsteht erst wieder mit dem Friedensschlusie'). *) Die Manchester Handelskammer hat über den Handel mit dem Feinde eine praktisch maßgebende Zusammenstellung ausgearbeitet. Sie lautet, wie folgt (Oanuar 1916):

1. Der Handel mit einer Firma feindlicher Nationalität auf britischem Gebiet ist gestattet.

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Wir haben hier die Frage nicht zu erörtern, ob der deutsche Geseh' geber mit weiteren legislatorischen Vergeltungsmatzreaeln auftreten soll oder muh. Die deutsche Reichsregierung hat natürlich entsprechende 2. Der Handel mit einer feindlichen Firma auf verbündetem Gebiet ist gestattet. 3. Der Handel mit einer Firma feindlicher und anderer Nationalität aus vom Feinde besetztem Gebiet ist verboten und erfordert die Genehmigung des Board of Trade oder des Parliamentary Council. 4. Der Handel mit Firmen feindlicher Nationalität auf neutralem Gebiet ist nur mit rein lokalen Firmen gestattet, d. h. mit Unternehmen, die in keinerlei Verbindung mit Firmen, die ihre Hauptbureaus auf feindlichem Gebiet haben, stehen. Indessen kann kein Handel mit Firmen feindlicher Nationalität, wenn sie Handels­ gesellschaften sind und ihre Teilhaber oder einer ihrer Teilhaber ihren Wohnsitz auf feindlichem Gebiete haben, erfolgen; oder in Fällen, wo das Geschäft nur die Agentur eines im feindlichen Lande befindlichen Hauses ist; oder mit einer Firma, die vor dem Kriege das Zweiggeschäft eines deutschen Hauses war. 5. Der Handel mit Firmen feindlicher Nationalität auf neutralem Gebiet außerhalb Europas ist erlaubt unter folgendem Vorbehalt: a) hinsichtlich des Versicherungsgefchäftes unter dem durch die Verordnung vom 8. Oktober 1914 festgesetzten Vorbehalt: b) in bezug auf Bankgeschäfte und Transaktionen mit Zweig­ unternehmen feindlicher Banken unter der durch die Verordnung vom 7. Januar 1915 festgesetzten Beschränkung; c) durch die Verordnung vom 25. Juni 1915 ist es den Händlern untersagt, mit Firmen feindlicher Nationalität in China, Persien, Siam und Marokko in Gefchästsverbindung zu treten; d) durch die Verordnung vom 10. November ist es verboten, mit feindlichen Firmen in Liberien, Portugiesifch-Ostafrika Handel zu treiben; e) es kann kein Handel mit Firmen feindlicher Nationalität getrieben werden, wenn sie eine Handelsgesellschaft sind und die Teil­ haber oder einer von ihnen sich auf feindlichem Gebiet aüfhalten, oder in Fällen, in denen bas Geschäft nur eine Agentur eines sich auf feindlichem Gebiet befind­ lichen Hauses ist; f) für Süd- und Mittelamerita mutz der genügende Beweis erbracht werden, daß die dorthin verschifften Waren auch in den genannten Ländern verbraucht werden. Mit Ausnahme der obigen Beschränkungen ist es unbedenklich, mit dem Zweig­ geschäft eines deutschen Hauses auf neutralem Gebiet Handel zu treiben. Man kann zwar unmöglich das Wort Zweiggeschäft genau definieren, aber eine beträcht­ liche Anzahl von Auskünften über verschiedene Firmen aus neutralem Gebiet ist gesammelt worden, und es ist vorgeschlagen worden, daß sich die Mitglieder der Manchester Handelskammer in Fällen, wo sie sich nicht ganz klar über die Richtigkeit des Handels mit besonderen Firmen sind, an das Kriegshandelsdepartement wenden. In allen Fällen, die den Handel mit lokalen Firmen feindlicher Nationalität In neutralen außereuropäischen Ländern betreffen, ist es entscheidend, ob das Ge­ schäft zugunsten eines Feindes ausfällt, wie es in der Verordnung über den Handel mit dem Feinde vom 9. September 1914 definiert wurde. Wenn es scheint, daß bas an eine lokale Firma feindlicher Nationalität gezahlte Geld direkt an Personen in feindlichen Ländern geht oder zu ihren Gunsten eingenommen wird, so ist es ganz klar, daß mit dieser Firma kein Handel getrieben werden darf. „Feinde" ist eine Person oder sind Personen, von welcher Nationalität sie auch sein mögen, die in feindlichem Lande wohnen oder dort geschäftlich tätig sind; der Begriff

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wirtschaftliche Maßregeln ergehen lasten mästen'). Uns interessiert im übrigen hier nur die rigorose, völlige Mißachtung unterzeichneter Ab­ kommen durch Englands Regierung. schliebt aber nicht solche Personen feindlicher Nationalität ein, die nicht in feind­ lichem Lande wohnen und dort auch keinen Handel treiben. 3n dem Falle inkorpo­ rierter Gesellschaften bezieht sich der Begriff „feindlich" nur aus solche, die in feind­ lichem Lande inforporiert sind." („The Manchester Guardian" vom 2. Dezember 1915.) *) In der Sitzung vom 30. September 1914 hat der Bundesrat einer Ver­ ordnung, betreffend Zahlungsverbot gegen England, seine Zustimmung gegeben. Nach der „Nvrdd. Allg. Zig." hat der Erlab folgenden wesentlichen Inhalt: „Die Dundesratsverordnung vom 30. September trägt dem Verlangen weiter Kreise Rechnung. Nur ein Zahlungsverbot, auf das sich der deutsche Kaufmann und der deutsche Schuldner berufen kann, versetzt ihn in die richtige Stellung gegen­ über seinem englischen Gläubiger oder bellen Agenten. Es ist nicht zu verkennen, dab es Fälle geben kann, wo Zahlungen nach England eine Notwendigkeit sind, fei es, um den dortigen Deutschen eine Unterstützung zu gewähren, oder um deutsche Filialen in England zu unterstützen, sei es, um wirkliche Werte für unser nationale» Vermögen zu erlangen oder sicherzustellen. Solchen Sondersällen trägt die Ver­ ordnung Rechnung, indem sie den Reichskanzler ermächtigt, Ausnahmen zu be­ willigen. Die Zahlung darf auch nicht über ein neutrales Land erfolgen. Eine willentliche Zuwiderhandlung gegen das Verbot ist mit Gefängnisstrafe bis zu drei Jahren und mit Geldstrafen bis 50 000 M. bedroht. Selbstverständlich läßt dieses Zahlungsverbot das Recht des Gläubigers als solches bestehen. Die Schulden sind nicht erlasien, sondern nur bis auf weitere» gestundet. Diese Stundung aber ist nicht nur für die Gelbforderungen ausge­ sprochen, auf deren Erfüllung sich das Verbot beschränkt, sondern sie ist auf ver­ mögensrechtliche Ansprüche aller Art ausgedehnt. Eine Verzinsung während der Dauer der Stundung braucht nicht geleistet werden. Soweit die Zinsen für die Zeit vor der Fälligkeit der Forderung geschuldet werden, laufen sie bis zur Fällig­ keit der Prolesterhebung weiter; sie wird bei Wechseln, die unter das Zahlungs­ verbot satten, solange die Verordnung in Kraft ist, hinausgeschoben. Hat der Schuldner ein Interesse daran, sich alsbald von der Schuld zu befreien, so kann er zu diesem Zwecke den geschuldeten Betrag bei der Reichsbank hinterlegen. Es war zu berücksichtigen, datz eine grotze Zahl deutscher Geschäftsleute es bereits seit dem Ausbruch des Krieges und insbesondere seit dem Bekanntwerden des englischen Zahlungsverbots abgelehnt hat, noch nach England zu zahlen. Auch diese bereits eingetretene Zahlungsverweigerung ist nachträglich gebilligt worden. Etwaige an sich bereits eingetretene Verzugsfolgen sind wieder aufgehoben worden. Die Stundung wirkt auch gegenüber dem Erwerber einer Forderung. An die hiesigen Niederlassungen englischer Unternehmungen, mögen sie in englischen oder deutschen Händen sein, soll auch weiterhin gezahlt werden und ge­ zahlt werden müssen, vorausgesetzt, datz die Forderung in dem inländischen Betriebe dieser Unternehmungen entstanden ist. Es kommt darauf an, datz Geld nicht nach England gehen darf. Die Abführung der eingenommenen Gelder nach dem Mutter­ land ist natürlich den hiesigen englischen Filialen verboten. Man hat sie in der Hauptsache bisher durch die Bestellung einer Überwachung nach der Verordnung vom 4. September 1914 zu verhindern gewutzt. Scharf zu trennen von den er-

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V. Es ist leider nur zu richtig und man begeht mit dieser Behaup­ tung kein Unrecht gegen England: Keine Nation der Welt geht so gewaltsam mit den Rechten anderer Völker, mit internationalen Verträgen, mit der Neutralität anderer Staaten um, als gerade England. Jedes Blatt der englischen Geschichte zeigt das gleiche Bild! Von Kopenhagen bis Alexandrien und zu der Burenrepublik! Hier nun macht England die Schuldnerunmoral neuerlich zu seinem Prinzip! Auch dies wird sich an wähnten Fällen sind diejenigen, bei denen es sich um Agententätigkeit im Aufträge von Gläubigern in England handelt. Diese fallen unter das Verbot, d. h. es darf nicht an Agenten eines englischen Gläubigers gezahlt werden. Der Agent selbst darf sein Geld nicht nach England abfuhren. Eine besondere Vorschrift ist mit Rücksicht auf die überseeischen Geschäfte deutscher Kaufleute getroffen worden. Infolge der kriegerischen Ereignisse, -. B. infolge der Beschlagnahme von Waren und der Schliestung deutscher Geschästsfilialen im Auslande, ist es leicht möglich, bah Wechsel, die aus ausländische Kun­ den, oder sonst auf das Ausland gezogen sind, gegenwärtig nicht zur Einlösung gelangen. In solchen Fällen sollen auch die in Deutschland befindlichen Nieder­ lassungen englischer Gesellschaften bis auf weiteres nicht berechtigt sein, wegen der Nichteinlösung der Wechsel Rückgriffsansprüche wechselrechtlicher oder zivilrecht­ licher Art in Deutschland geltend zu machen." Dieser Erlab wurde mit einer Reihe von verschärfenden Modifikationen am 20. Oktober 1914 (R.-G.-Bl. S. 443) auf Frankreich ausgedehnt, da Frankreich sich, wie unten erwähnt, völlig und kritiklos dem englischen Wirtschafts­ kriege anschlob- Siehe die sämtlichen wirtschaftspolitifchen Bundesratsmabnahmen auf Grund der Generalvollmacht vom 4. August 1914 in der Drucks, des Reichst. Nr. 26, 13. Legisl.-Per., ferner eine Zusammenstellung der Retorsionsmabregeln wegen Verletzung der deutschen wirtschaftlichen Interessen in der „Nordd. Allg. Ztg." vom 10. November 1914 (|. Anhang). Drucks. 26 enthält als „Denkschrift über wirtschaftliche Mabnahmen aus Anlast des Krieges" nicht weniger als 95 Ver­ ordnungen, Gesetze und Bekanntmachungen (s. dort das Nähere). Drucks. 27 zählt 54 Bekanntmachungen des Bundesrats gemäst § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Mastnahmen vom 4. August 1914 (R.-G.-Bl. 6. 327) auf (Inhaltsverzeichnis S. 48 dortselbst). Ausnahmen von Zahlungsverboten gegen Frankreich und Rustland f. Bekanntmachung des Reichs­ kanzlers vom 16. Dezember 1914 und Zeitschrift „Außenhandel* Nr. 1 Iahrg. 11/1915; siehe die weiteren Denkschriften und wirtschaftlichen Anordnungen Nr. 49 der Drucksachen des Reichstages 13. Legislaturperiode II. Session 1914/15 (vom 10. März 1915), sowie Nr. 72 und 73 der Drucksachen (8. Mai 1915), den 4. Nachtrag zu der Zusammenstellung der Anordnungen des Bundesrats auf Grund des § 3 des Gesetzes über die Ermächtigung des Bundesrats zu wirtschaftlichen Mastnahmen vom 4. August 1914 und Denkschrift (3. Nachtrag zu Nr. 26). Die sämtlichen wirtschaftspolitifchen Bundesratsverordnungen und Erlasse sind auch zusammengestellt in den Mitteilungen der Kriegszentrale des Hansabundes sowie vom Deutschen Landwirtschaftsrate.

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diesem Handelsvolk einstmals rächen! Es handelt sich tatsächlich um die Übertragung des Kaperrechts, des Seebeuterechts auf den Handels­ verkehr. Der Zweck soll derselbe sein: rücksichtslose, wirt­ schaftliche Vernichtung des Gegners! Um jeden 'Preis! ,,Business as usual“, sagte die „Morning Post", — auch für diese Art Patriotismus gilt ihr Ausspruch. Während alle neueren völkerrechtlichen Abkommen von dem Grundgedanken beherrscht sind, nur die offiziellen Armeen den Krieg austragen zu lasten, die Bürger in ihren persönlichen, wirtschaft­ lichen und finanziellen Beziehungen aber möglichst von den kriegeri­ schen Vorgängen auszuschalten und zu trennen, gehen diese singulären englischen Nechtsbestimmungen, die für die Kriege im Mittelalter erklärlich sein mochten, darauf aus, den Krieg bis in das Haus, in das Bureau, in die Fabrik, in die intimsten FamilienverhäUniste hineinzu­ tragen, alle unzähligen Kanäle und Kanälchen des modernen Verkehrs zwischen den Bürgern der kämpfenden Länder, die sich verwandtschaft­ lich, freundschaftlich, wissenschaftlich, geschichtlich und geschäftlich so nahe standen, zu zerreißen, jeden Verkehr mit Gewalt zu verhüten und zu unterbinden. Auch das ist mit der Grund des bedauerlichen, aber entschuldbaren Hastes, der die weitesten deutschen Kreise, die bisher offen englandfreundlich waren und englischen Sitten und Gewohn­ heiten gegenüber fast allzu schwach gegenüberstanden, jetzt er­ griffen hat. England will es so! Ohne jeden nationalen Impuls zum Kriege, aus reiner geschäftlicher Spekulation peitschte es auch durch dieses rücksichtslose Vorgehen die Leidenschaften gegen sich in verblen­ deter Weise auf in der Hoffnung, daß andere Völker wiederum die Tor­ heit begehen, ihm die Opfer zu tragen. Es weckt mit dieser Krieg­ führung die Geister finsteren Mittelalters und findet ein bis ins tiefste Innere beleidigtes großes Volk, das den frivol hingeworfenen Hand­ schuh aufhebt. Es ignoriert dabei die verkehrsgeschichtliche Entwicklung von Jahrhunderten; es vermißt sich, k ü n st l i ch Zustände zu schaffen, deren Tragweite es nicht nur selbst nicht übersieht, sondern die sich im letzten Effekt gegen den Veranlaster selbst rächen müssen. VI. Mit Recht hebt „The Nation's Busineß" vom 15. April 1915, das offizielle Organ der amerikanischen Zentralhandelskammer, in einem Artikel über die englische Handelskaperpolitik hervor, daß der Kampf zwischen England und Deutschland zur Hauptsache ein „Welthandelsduell" ist und daß der englische -.Board of Trade“ als besonderer Zweig der englischen Regierung an dem Ver­ nichtungskampf den größten und lebhaftesten Anteil nimmt.

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Tatsächlich hat das englische Handelsamt bisher eine ganz unge­ wöhnliche Rührigkeit in der Bekämpfung des deutschen Han­ dels entwickelt. Seine Bestrebungen, den deutschen Export zu verdrängen, gehen auf das Jahr 1899 zurück. Damals wurde ihm der

„Commercial Intelligence Branch“ angegliedert. Dieses Bureau wurde eingerichtet mit der ausschließlichen Zweckbestimmung, wichtige Handelsinformationen aller Art zu sammeln und zu verbreiten. Es hat auch während des Krieges mit ganz außerordentlicher Intensität gearbeitet und das Informationsmaterial entweder direkt von den Le­ gationen oder durch Handelsattaches, britische Konsulatsbeamte, durch Handelskommisiare usw. erhalten. Es ist recht eigentlich die Stelle, wo die Fäden der englischen Handelsspionage zusammenlaufen. In der Reklame, welche es für die „British Industries Fair" vom 10./12. Mai 1915 machte, betonte diese offizielle Stelle besonders, daß sie beabsichtige, den englischen Industriellen aufs wirksamste zu Helsen, „den deutschen und den österreichischen Handel zu kapern", und daß sie zu diesem Zweck eine Anzahl besonderer Warenmessen abhalten wolle, die ein doppeltes Ziel verfolgen. Einmal sollten den englischen Indu­ striellen besonders erfolgreiche deutsche und österreichische Warenmuster gezeigt werden. Zum andern sollten nach dem Vorbilde der Leipziger Mesie zahlreiche solche ausländische Käufer mit den englischen Indu­ striellen in Berührung gebracht werden, die bisher regelmäßig nach Leipzig gefahren waren und dort ihre Einkäufe besorgt halten. Die Leipziger Messe als viele Jahrhunderte alte Einrichtung mit ihren verschiedenen Unterzweigen, die Art ihrer Finanzierung und Verwaltung, sollte gewisiermaßen nach London verpflanzt werden. Eine weitere hervorragende Stelle, von welcher aus die englischen Welthandelsinteressenten ihre Anschläge auf den deutschen Welthandel ins Werk gesetzt haben, ist die „Association of Chambers of Com­ merce“. In einer Tagung, die am 16. bis 18. März dieses Jahres stattfand, wurde eine Resolution angenommen, welche zum Ausdruck brachte, daß die englischen Industriellen ermutigt werden müßten, das nötige Kapital für das Kapern und die Behauptung des verdrängten deutschen und österreichischen Warenhandels herzugeben und daß sie die besten Mittel ins Auge zu fasten hätten, um die Gleichmäßigkeit einer guten Entwicklung auch nach dem Kriege zu sichern. (Zeitschrift des Handelsvertragsvereins 1915 Nr. 9 S. 144 ff.) Auch das Imperial Museum in London, die Auslandshandels­ kammern, z. B. in Italien und Rußland, sind in erster Linie dazu be­ stimmt, den deutschen Handel zu verdrängen.

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VII. Die British Bank of Northern Commerce teilte Ritzous Bureau in Kopenhagen Ende August 1914* offen mit, daß mehrere deutsche und österreichische Banken einen Versuch gemacht hätten, ihre englischen Wechsel und Schecks durch die skandinavischen Länder, Holland und Portugal, einzukassieren. Die Banken in diesen Ländern wären deshalb daraus aufmerksam zu machen, datz die englische Gesetz­ gebung jede Bezahlung von Geld oder andere Handlungen, die die Feinde des Landes begünstigen können, verbietet. Österreichische oder deutsche Schecks würden nicht akzeptiert oder bezahlt, auch wenn sie von der Firma eines neutralen Staates unter Indossament präsentiert werden. Es wird also gar nicht gefragt, auf welche Weise die skandi­ navischen usw. Banken in den Besitz der deutschen Wechsel gelangt sein könnten, sondern die Zahlung rundweg verweigert. Die englischen und französischen Banken haben dementsprechend grundsätzlich die Diskontierung und Einziehung von Wechseln auf England und Frankreich abgelehnt, sofern sie ein deutsches Giro tragen, auch dann, wenn solche Wechsel von deutschen Firmen in das neutrale Ausland giriert waren. Selbstverständlich mutzten die zu­ ständigen deutschen Bankier- und Börsenkreise entsprechend vorgehen, um den Streich zu parieren. Die Reichsbank hat bekanntgegeben, daß sie nach dem 31. Januar 1915 keine Wechsel oder Schecks mehr kauft, beleiht oder einzieht, die in französischer Sprache ausgestellt sind. Ebenso schließen französische Vermerke auf dem Wechsel oder Scheck ihn vom Geschäftsverkehr der Reichsbank aus. Das mögen sich die elsatz-lothringischen Firmen merken! VIII. über die sonstigen späteren Maßnahmen s. insbesondere die Rede des Attorney-General Sir 3. Simon über ein Ergänzungsgesetz über die Handelsbeziehungen zum Feinde in der Sitzung des engli­ schen Unterhauses vom 21. November (W. T.-Bericht), über die Versicherungen bei englischen Gesellschaften s. auch Denkschrift der deutschen Reichsregierung Drucks. Nr. 26, 1914, S. 87, ferner Drucks. Nr. 27 S. 24; kais. Aufsichtsamt f. Privatvers. v. 22. Sept. 1914. Einige Zweigniederlassungen englischer Feuerversicherungsgesell­ schaften in Deutschland (z. B. Londoner Phönix, Commercial Union, North British and Merkantile, Porkshire) haben mit deutschen Ver­ sicherungsgesellschaften Garantieverträge abgeschlosien, auf Grund deren die deutschen Gesellschaften für die Erfüllung der Verbindlich­ keiten der englischen einzustehen sich bereit erklärt haben. Das Kaiser­ liche Aufsichtsamt für Privatversicherung hat den Standpunkt ein­ genommen, daß die Versicherungsnehmer beim Vorliegen derartiger

Verträge zwar nicht zum übertritt zu der deutschen Gesellschaft verpslichtet, andererseits aber auch nicht in der Lage sind, ihre Versicherungsverträge mit den englischen Gesellschaften einseitig zu lösen. Auf Grund dieses Bescheides des Aufsichtsamtes wird vielfach behauptet, daß damit die Frage, ob den Versicherungsnehmern ein Rücktrittsrecht zustehe, im verneinenden Sinne entschieden sei. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Entscheidung über die Frage der Zu­ lässigkeit des Rücktritts haben allein die Gerichte zu fällen. Dies ist noch vor kurzem in der von der Reichsregierung dem Reichstage übermittelten Denkschrift über wirtschaftliche Maßnahmen aus Anlaß des Krieges mit aller Schärfe zum Ausdruck gebracht worden. Es liegen auch bereits gerichtliche Entscheidungen vor, und zwar solche, welche den Rücktritt als zulässig erscheinen lasien, also die Auffasiung des Kaiserlichen Aufsichtsamtes nicht teilen. Die Urteile sind er­ gangen von dem Oberlandesgericht Hamburg, den Landgerichten in Bremen und Altona, sowie von dem Amtsgericht in Oldesloe (Schleswig-Holstein). Es ist anzunehmen, daß die Gerichte diesen Standpunkt, der früher vom Reichsgericht in einem ganz ähnlich gelagerten Falle eingenommen wurde, allgemein einnehmen und bei­ behalten werden. Diejenigen Versicherungsnehmer also, die von ihren mit englischen Gesellschaften abgeschlossenen Versicherungsverträgen befreit sein und auch nichts mit den deutschen Gesellschaften zu tun haben wollen, welche so bereitwillig den englischen Gesellschaften zu Hilfe gekommen sind, sollen sich durch den Bescheid des Kaiserlichen Aufsichtsamtes nicht bestimmen lasien, von der Ausübung des Rückttittsrechtes Abstand zu nehmen. (Hansabund.) Siehe die Druck­ sachen des Reichstags Nr. 73 S. 52 und 53. Siehe zu der Frage der deutschen Versicherungsnehmer englischer Versicherungsgesellschaften auch den Aufsatz von Kammergerichtsrat Otto Hagen, „D. Iur.-Ztg." 1915 Nr. 1/2 S. 60 ff. Auch dort ist bewiesen, daß das Rücktrittsrecht der deutschen Versicherungsnehmer im Ernste gar nicht zu bestreiten ist. Auch bei Übertragung des Portefeuilles, d. h. des gesamten deutschen Geschäfts der englischen Anstalt an befreundete deutsche Gesellschaften muß dies gelten, auch wenn die Versicherungsaussichtsbehörde nach § 14 VAGes. die Genehmigung zu dieser Übertragung gegeben hat. Nach dem beispiellos brutalen Benehmen der ganzen englischen Geschäfts­ welt, die sich mit Freuden auf die dem Völkerrechte hohnsprechenden Vorschriften der 2. englischen Kriegsdeklaration vom 9. September 1914 stürzte, muß das Ziel dieses englischen Raub-, Neid- und Handelskrieges, wie Hagen sehr richtig bemerkt, die V e r Müller-M einin gen. Weltkrieg und Völkerrecht

4. Aufl. II. Sb.

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Ireibung des ganzen englischen Versicherun gs geschäftes aus dem deutschen V er sicherungs­ markte sein')'). IX. Eine Verordnung vom 9. Oktober 1914 schreibt vor, bafe vom 19. Oktober 1914 ab alle Waren, die in britische Gebiete eingeführt werden, von Ursprungszeugnissen begleitet sein müssen: ausgenommen sind solche, die über russische, belgische, französische oder portugiesische Häfen kommen. Ebenso mutz beim Export die End­ bestimmung entsprechend angemeldet werden. Durch einen Erlaß vom 7. Januar 1915 sollen alle außerhalb Großbritanniens be­ findlichen Filialen feindlicher Firmen als „Handel mit dem Feinde" angesehen werden. l) Der Weltkrieg hat in bic Rechtsverhältnisse der Lebensversicherungsgesellschäften, deren Geschäftsgebiet ein internationales ist, dadurch besonders tief ein­ gegriffen, datz der Entrichtung der Prämien und der Auszahlung der fälligen Summen durch die von den kriegführenden Staaten erlassenen Sperrgesetze Hin­ dernisse in den Weg gelegt wurden. Ein dadurch entstandener Rechtsstreit hat kürzlich vor dem schweizerischen Bundesgericht einen bemerkenswerten Ausgang ge nommen. Der Tatbestand war folgender: Rach dem Ausbruch des Krieges hatte Frankreich bekanntlich ein Dekret erlassen, das jeden Geschäftsverkehr mit den Angehörigen feindlicher Staaten verbietet. Ein Deutscher, der sich 1900 in Basel bei einer französischen Gesellschaft für 100 000 Franken versichert hatte und bei Kriegsbeginn in feine Heimat zurückgekehrt war, wollte die für 1915 fällige Prämie bezahlen, worauf die Gesellschaft unter Beru­ fung auf jenes Dekret deren Annahme verweigerte. Hierauf erhob der Versiche­ rungsnehmer Klage, indem er behauptete, der Vertrag bestehe trotz des Krieges und mühte bei eintretendem Todesfall auch ausgeführt werden: er sei also berechtigt, die Prämie zu zahlen oder zu hinterlegen. Nachdem die Basler Gerichte die Klage geschützt halten, hat sich auch das Bundesgericht diesem Standpunkt angeschlossen mit folgender Begründung: Das schweizerische Aufsichtsgesetz unterwirft die von den konzessionierten ausländischen Gesellschaften in der Schweiz abgeschlossenen Verträge dem schweizerischen Recht Die Gesellschaften, denen eine Konzession erteilt wird, müssen einen Hauptsitz in der Schweiz angeben und für Streitigkeiten gilt der schweizerische Gerichtsstand Damit aber, datz der Vertrag nach Schweizer Recht zu beurteilen ist, fällt die AnWendung des französischen Kriegsdekrets ohne weiteres dahin. Daran ändert der Umstand nichts, datz der Versicherungsnehmer Deutscher ist und in seinem Heimatstaate wohnt. Die ausländische Kriegsgesetzgebung hat aus die in der Schweiz von ausländischen Gesellschaften abgeschlossenen Versicherungsverträge keinen Einflutz. *) Aus die beiderseitigen Ein- und Ausfuhrverbote kann hier nicht näher eingegangen werden: siehe über diese die Broschüre Dr. Schäfers, C. Heymanns Verlag. Das Ein- und Ausfuhrverbot wurde von England im Laufe des Krieges zu einer Hauptprefsionswaffe gegenüber den Neutralen verwendet. Der Handel der Neutralen unter sich wurde durch solche Verbote unmöglich gemacht, um sie

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Dies alles genügte englischen Rechtspiraten aber noch nicht! In den Londoner „Financial News" wirst ein Einsender die Frage aus, ob er Aufträge annullieren könne, die er einer Gesellschaft englischen Rechts gegeben habe, deren Kapital aber größtenteils in deutschen Händen sei. Die „Financial News" bejahen dies ohne weiteres, selbst auf die Gefahr eines Prozesses hin: „Die Zeitung meint, fein englischer Gerichtshof würde unter solchen Umstanden dem Klager auch nur die leiseste Hilfe angedeihen lassen. Wenn jemand einen Vertrag mit A gemacht im Glauben, daß er eTn B sei, so ist er berechtigt, wenn er seinen Irrtum entdeckt, den Vertrag rückgängig -u machen. Das ist ein altes Prinzip. Aus demselben Grunde könne ein Engländer, der einer englischdeutschen Firma Aufträge gegeben habe, in der Annahme, dab die deutschen Aktionäre zivilisierte Geschäftsleute seien, diese Aufträge rechtmätzigerweise annul­ lieren, wenn er, wie es jetzt der Fall sei, zur Erkenntnis komme, datz er es nicht mit zivilisierten Leuten, sondern mit einem wilden und barbarischen Volke zu tun habe."

Der Leser, der der „Franks. Ztg." diesen Auszug übermittelt, bemerkt mit Recht: Das ist ernstlich in einem seit 31 Jahren bestehen­ den führenden Finanzblatt der Londoner City zu lesen, und das ist jms Volk, dessen Geschäftswelt als die anständigste gegolten hat, die infolge ihres angeblich strengen Festhaltens an Treu und Glauben das Vertrauen der Handelskreise der ganzen Welt besessen hat. Mag der Krieg ausgehen, wie er wolle, dieses Vertrauen wird England sich nie wieder erobern können! Dieser Fanatismus, der sich in dem Londoner Finanzblatt aus­ spricht, hat etwas direkt Pathologisches an sich, das wohl auch in engli­ schen Kreisen Kopfschütteln erregen wird! Aber das ist die Frucht der Ereyschen und Churchillschen Haßpolitik! Daß er auch das Gelächter der anständigen Welt hervorruft, dafür sorgte schon die Pariser Presse, die u. a. verlangte, daß England die märchenhaften Schätze raube, die angeblich der Deutsche Kaiser in Kanada, in Vancouver und in Teilen von Britisch-Indien angelegt hat, um nach seiner Pensionierung und Flucht ins Ausland noch etwas übrig zu haben. Welches Bildungsniveau setzt eine solche Presse bei ihren Lesern voraus')! zu Abkommen zu zwingen, die der Aushungerung der Bevölkerung der Zentral­ mächte dienten. l) 3m Londoner Hauptkriminalgericht wurde im März 1915 eine Anklage wegen Handels mit dem Feinde verhandelt, bei der es sich um angeblich deutsche Lederwaren handelte, die in England als holländische angeboten worben sein sollen, über die Verhandlung liegt dem Fachblatt „Der Schuhmarkt" (Franksuri a. M.) ein Bericht vom 19. März 1915 vor, dem wir folgendes entnehmen: Bor dem Richter Darling begann am Montag das Verhör in dem Verfahren *•

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X. Obwohl der britischen Regierung bekannt war, daß kein britisches oder überhaupt feindliches Unternehmen oder Vermögen in Deutschland liquidiert oder enteignet war, hat sie unterm 27. Ja­ nuar 1916 ein Gesetz erlassen — „Abänderungsgesetz, betreffend den Handel mit dem Feind" —, welches die Auflösung aller llnternehmungen mit überwiegend deutscher Beteiligung oder mit deutscher Leitung und die Enteignung alles sonstigen, den Engländern begeh­ renswert erscheinenden deutschen Besitzes vorsieht. Auf Grund die­ ses Gesetzes ist in der Zeit bis Mitte August 1916 über mehr als 300 deutsche Firmen die Liquidation verhängt worden. Unter Beiseitelasiung aller Gebräuche und Rücksichten eines ordentlichen ge­ schäftlichen Verfahrens wurden wertvolle Unternehmungen — und es handelt sich vielfach um außerordentlich hohe Werte, um moderne Grvtzbetriebe mit allen Einrichtungen — dem ersten Besten, der sich zu diesem unsauberen Geschäft hergeben wollte, zu Schleuderpreisen angeboten. In einem Falle wurde den deutschen Aktionären einer britischen Gesellschaft der „freiwillige" Verkauf ihres Aktienbesitzes zu 50 v. H. des Börsenwertes angesonnen, mit dem Bemerken, datz bei einer Zwangsliquidation ein so „günstiges" Ergebnis nicht zu erwarten sei. In einem andern Fall wurden Pfundaktien, die einen hohen Kurswert besatzen, für 10 Schilling weggegeben. Der will­ kürlichen Bereicherung, insbesondere der Liquidatoren selbst, ist Tür und Tor geöffnet. Zu diesem Raubzug gegen deutsche Unternehmungen in England trat in neuester Zeit auch noch ein Griff in die Effektendepols, die bei deutschen Banken in London liegen. Es galt, sich aus deutschem Privatbesitz diejenigen Mengen von Effekten, insbesondere von antegegen den 27 Jahre alten Kaufmann Johann Metz und den 54 Jahre alten Agenten Rooda, der sein Geschäft in der City von London betreibt. Sie waren angeklagt, miteinander und mit noch anderen Personen ein „Komplott" gemacht zu haben, um mit dem Feinde Handel zu treiben. Der Staatsanwalt Muir führte aus, Rooda betreibe seit einer Reihe von Jahren in England sein Geschäst, während Metz eine Lederhandlung in Amsterdam betreibe und gelegentlich eines Besuche» in London verhaftet worden sei. Die Anklage beziehe sich auf die Einfuhr und den Verkauf von Ledertaschen. Diese seien in beträchtlichen Mengen nach England eingeführt worden. Vor dem Kriege seien viele der Taschen von der Lederwaren­ fabrik Rieth und Kopp in Ossenbach gekommen. — Metz wurde nach der Beweis­ aufnahme für schuldig befunden und zu sechs Monaten Zuchthaus verurteilt. Rooda wurde freigefprochen. Richter Darling: „Ich freue mich, zu wissen, datz in diesem Falle eine gewisse Dergeltungsjustiz (!) geübt wird. Die Deutschen, denen di« Waren gehören, dürsten von den Holländern nie Zahlung erhalten; in England wird für die Ware nichts bezahlt werden, und sie wird diejenigen bereichern, die «ine Tasche brauchen." (Heiterkeit.) (!)

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«konischen Werten, zu verschaffen, deren man zur Unterlage und Finanzierung der in Amerika aufzunehmenden Riesenanleihe bedurste. England hat auch diesen Eingriff ohne Scheu vollzogen und ohne Rücksicht darauf, daß vor aller Welt dargetan wurde, daß die Sicherheit der Bankdepots in London nicht mehr existiert. Erst nachdem die Tatsache einer in großem Umfang vorgenom­ menen rücksichtslosen Liquidation der deuffchen Firmen und des deut­ schen Privateigentums im britischen Reiche zweifelsfrei festgestellt war, hat die deutsche Regierung Vergeltungsmaßnahmen für uner­ läßlich erachtet. Auf Grund der Bundesratsverordnung vom 31. Juli 1916 wird nunmehr in Deutschland und auch in Belgien gegen britische Unternehmungen und britischen Besitz vorgegangen. Diese Verordnung schließt sich im allgemeinen dem britischen Gesetz vom 27. Januar 1916 an. Ein grundlegender Un­ terschied jedoch ist hervorzuheben: während das britische Gesetz die Regierung grundsätzlich verpflichtet, die Liquidierung feind­ licher Unternehmungen anzuordnen, wird in der Bundesratsverord­ nung die Entscheidung darüber, ob ein britisches Unternehmen zu liquidieren ist, dem Reichskanzler anheimgestellt. Der Reichskanzler ist zur Anordnung zwangsweiser Liquidation solcher Unternehmungen ermächtigt, deren Kapital überwiegend bri­ tischen Staatsangehörigen zusteht oder die vom britischen Gebiet aus geleitet oder beaufsichtigt werden. Ebenso wie auf Unternehmungen, kann sich die Liquidation auf Niederlassungen eines Unternehmers, auf Nachlaßmasien und Grundstücke erstrecken. Auch britische Beteiligun­ gen an einem Unternehmen können zwangsweise liquidiert werden. Die Entscheidung des Reichskanzlers, daß die Voraussetzungen für die Anordnung der Liquidation gegeben sind, ist endgültig. Die Liquidation wird durch einen von der Landeszentralbchörde ernannten Liquidator durchgeführt, der rechtlich völlig an die Stelle der Inhaber des Unternehmens oder des britischen Beteiligten tritt. Der Liquidator kann das Unternehmen als Ganzes veräußern, er kann die Beteiligung veräußern oder, wenn es sich um eine Beteiligung an einer Gesellschaft (offenen Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung) handelt, diese ohne Einhaltung einer Frist kündigen. Beteiligungsurkunden — auch Aktien —, die sich in feindlichen Händen befinden, kann der Liqui­ dator für kraftlos erklären und an ihrer Stelle die Ausfertigung neuer verlangen. Dem Liquidator gegenüber können sich die Schuldner des Unter­ nehmens nicht auf das Zahlungsverbvt gegen England (Verordnung

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vom 30. September 1914) berufen. Bei Wechseln, bei denen die Protesterhebung durch die genannte Verordnung hinausgeschoben ist, bleibt sie auch für den Liquidator bis auf weiteres unzulässig, ebenso bei Schecks. Damit der Liquidator möglichst freie Hand erhält, um die Inter­ essen aller an dem Unternehmen direkt oder indirekt beteiligten Deut­ schen und insbesondere auch das öffentliche Interesse zweckentsprechend zu wahren, ist er natürlich von den Verfügungsbeschränkungen, denen das Vermögen feindlicher Ausländer sonst unterliegt (Verordnung vom 7. Oktober 1915), entbunden. Aus dem gleichen Grunde können Zwangsvollstreckungen, Arreste, einstweilige Verfügungen und Kon kursanträge gegen das der Zwangsliquidation unterworfene Ver­ mögen nur mit Genehmigung der Landeszentralbehörde erfolgen. Soweit nach dem Inkrafttreten der Verordnung vom 7. Oktober 1915 Zwangsvollstreckungen, Arreste oder einstweilige Verfügungen bereits erfolgt sind, kann der Liquidator ihre Aufhebung verlangen. Der Erlös der Liquidation, aus dem' zunächst ihre Kosten zu decken sind, ist, soweit er auf britische Staatsangehörige entfällt, zu hinterlegen. An im Inland wohnende britische Beteiligte können aus dem Erlös mit Bewilligung der Landeszentralbehörde die für den Unterhalt erforderlichen Beträge ausgezahlt werden. Die dem Reichskanzler zustehenden Anordnungsrechte können ganz oder teilweise auf einen besonderen Reichskommisiar übertragen werden. B. Wirtfchaftskriegführung in den englischen Kronkolonien.

Ebenso brutal wie im Mutterlande verfuhr England in den Kronkolonien. Im schroffsten Gegensatz zu der den Begriffen des modernen Völkerrechts entsprechenden Haltung Japans nach Einnahme von Kiautfchou stand diese Politik Grvtzbritanniens. Wir heben folgendes hervor:. 1. Sofort nach der englischen Kriegserklärung wurden alle männlichen deutschen und österreichisch-ungarischen Staatsangehörigen zwischen dem 17. und 55. Lebensjahre in den Kronkolonien, mit Aus­ nahme der Selbstverwaltungskolonien Australien, Kanada sowie Neuseeland, in Konzentrationslager abgeführt. 2. Deutschen und österreichisch-ungarischen Firmen wurde »er­ boten, neue Geschäfte zu machen. Mit der Abwicklung ihrer laufenden Geschäfte mutzten sie englische oder neutrale Angestellte beauftragen, wenn sie nicht selbst über 55 Jahre alt waren. Vereinzelt wurde bei

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sehr großen Geschäften den bisherigen Inhabern gestattet, selbst ihre Geschäfte abzuwickeln, unter der Bedingung, daß sie ihr Ehrenwort abgäben, weder direkt noch indirekt mit Deutschland zu verkehren. 3. Im November 1914 kam die unglaubliche Nachricht, zunächst aus Hongkong, dann aber auch aus den anderen Kronkolonien, daß dort kurzerhand alle Deutschen interniert seien, und zwar im chinesischen Gefängnis. Die Geschäfte seien unter Zwangsverwaltung gestellt und sollten unter englischen Liquidatoren, meistens Konkurrenten der Firma, ohne Rücksicht auf die Folgen schleunigst liquidiert werden. Strafen bis zu 12 Monaten und 5000 Dollar Buße. 4. In den von den englischen und französischen Truppen besetzten deutschen Kolonien in West-Afrika wurden die deutschen Männer und Frauen einschließlich der Missionare kurzerhand verhaftet und dem Gespött der Neger ausgesetzt. Die Männer wurden in Konzentrations­ lager verbracht, die Frauen und Kinder unter der Obhut von Negern wie Vieh unter ganz unglaublichen sanitären Verhältnisien, die jeder menschlichen Zivilisation Hohn sprechen, auf Frachtdampfern nach England verladen (siehe Kapital 5 oben)'). 5. Die Plantagen und Niederlagen der Deutschen wurden unter Zwangsliquidation gestellt und zwanosweife zu ein Zehntel bis ein Fünftel ihres Wertes veräußert. („Weserztg." 2. Februar 1915.) Am 7. Dezember wurde in den Straits Settlements und in Hinterindien') der Text eines neuen Gesetzes veröffentlicht: „Alien Enemies (Winding up) Ordinance 1914.“ Dieses Gesetz bestimmt, daß alle feindlichen Firmen sofort zwangsweise zu liquidieren sind. Unter feindlichen Gesellschaften werden auch solche verstanden, die in den Königlich Großbritannischen Besitzungen als Aktiengesellschaften oder sonst eingetragen sind, falls wenigstens ein Drittel des Aktienkapitals oder der Aufsichtsräte deutsch oder österreichisch-ungarisch sind. Der Liquidator hat die Aufgabe, alle Werte zu verkaufen und die Firma oder Aktiengesellschaft aufzulösen. Cr bekommt hierfür 2'A% Kommission. Er hat dann seine Abrechnung einzuliefern und den Überschuß an eine von dem Gouverneur bestimmte Bank einzu­ zahlen. Sobald dieses geschehen ist, sind alle Bücher, Briefe und Belege, Abrechnungen und Dokumente, welche einem derartigen Feinde oder der feindlichen Gesellschaft gehört haben, ebenso wie die Abrechnung des Liquidators selbst zu z e r st ö r e n. („Weserztg." vom 2. Februar 1915.) Diese letztere Bestimmung ist bezeichnend für den •) über englische Brutalitäten in Kamerun siehe „9torbb. AUg, gtfl" Nr. 62, 66, 84/1915; „Tägl. Runbschau" Nr. 279 v. 5. Juni 1915. *) Angeblich ausgedehnt auf alle englischen Kolonien.

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Geist des Ganzen! Der Liquidator mag das ihm anvertraute Gut in schamloser Weise vergeuden, ohne befürchten zu müssen, datz er nach Beendigung des Krieges von den Geschädigten zur Verant­ wortung gezogen werden könnte: Die Beweise seines Raubes werden kraft Gesetzes vernichtet. Eine Bekanntmachung des englischen Staatssekretärs für die Kolonien in der „Aftican Mail" vom 2. April 1915 lautet: „Wie in der Presse vom 17. Februar bekanntgegeben wurde, sind auf Befehl der Regierung die Handelsniederlassungen der deut­ schen und österreichischen Firmen in Nigeria, der Goldküste und Sierra Leone geschlossen und Beamte ernannt worden, die die Liquidation zu kontrollieren haben. Das Datum, bis zu dem Ansprüche gegen diese Firmen geltend gemacht werden können, ist bis zum 30. April inkl. hinausgeschoben worden. Die liquidierten Firmen sind die folgenden. (Folgen 17 Firmen in Nigeria, 22 in der Goldküste, 6 in Sierra Leone.) Personen oder Firmen, die irgendwelche Ansprüche an die oben genannten Firmen haben, können diese Ansprüche bis zum 30. April mit allen Einzelheiten, Beweisen und einer eidesstattlichen Versiche­ rung bei den Liquidatoren geltend machen." über die brutale Knebelung des Gummi- und Wollehandels sowie des Kupferhandels in der ganzen Welt, insbesondere in den Vereinigten Staaten, durch England siebe den interessanten Aufsatz der „München-Augsb. Ztg." 1915 Nr. 101 6. 4 ff. mit dem Brief­ wechsel des Rubber Club of America. über den Kampf der Engländer gegen den deutschen Kaufmann insbesondere in den englischen Kolonien „Kol. Rundschau" 1915 6. 75'). 9 S. für die Kolonien insbesondere die Broschüre „Der Zusammenbruch Englands" aus der Feder des Präsidenten der Bremer Handelskammer A. Lohmann, dort über die gewaltsame Auslösung deutscher Firmen in Australien. Hinterindien und China. Interessant und bezeichnend für die englische Kaperpolitik gegen den deutschen Export innerhalb der Kolonien ist eine Stelle aus dem Bericht des amerikanischen Konsuls in Freetown, Sierra Leone, der vom 15. Februar 1915 datiert ist. und in welchem es wörtlich heiht: „Jede der britisch-westafrikanischen Kolonien hat einen „Comptrvller" bestellt, der innerhalb seines Gebiets dem deutschen und öster­ reichischen Handel Einhalt gebieten soll. Dieser Beamte hat allen Kunden deutscher Firmen mitgeteilt, daß sie ihm alle Ansprüche an deutsche Firmen und alle Ver­ bindlichkeiten bei deutschen Häusern sofort bekanntzugeben und baß sie sich mit ihm zu verrechnen hätten." In dem annektierten Ägypten haben die Engländer sogar amtliche überwachungsstellen für ausländische Waren eingerichtet, um unter allen Umständen der Einfuhr deutscher Waren, die evtl, unter neutralen Mäntel-

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44. Kapitel.

$ergetoalttgting des neutralen Handels. — Vernichtung des druttchen Handels nach dem ßtriege. (6. auch die folgenden Kapitel sowie Kapitel 38, besten Ergänzung hier erfolgt.) England vergewaltigte den Handel sämtlicher neutraler Staa­ ten, um Deutschland auszuhungern fl. 3. Teil dieses Buches sowie des Verfasters Werk „Weltkrieg und Diplomatie", Kap. 60 st.). a)

Holland.

Ziel und Zweck des englischen Vorgehens war von vornherein, jeden Verkehr der neutralen Staaten mit den Mittelmächten abzu­ schneiden und jede Lieferung von Lebensmitteln und Bedarfsartikeln aus Staaten wie Holland, Schweden, Dänemark und Norwegen an die Mittelmächte zu unterbinden. Um diesen Zweck zu erreichen, verfiel man auf immer stärkere Gewaltmittel. Holland ist bereits geknebelt durch die Tätigkeit des unter englischer Kontrolle stehenden Einfuhrtrustes (N. O. T.), der Eng­ land dafür haftet, daß Waren nur an solche Firmen abgegeben werden, die keinerlei Handelsbeziehungen zu Deutschland Unter­ halten. Ähnliches ist mit der Schweiz und Dänemark geschehen (stehe im folgenden). Auch die norwegischen Gewerbetreibenden haben sich mit geringen Ausnahmen der englischen Tyrannei unter­ worfen'). Schweden allein hat sich mannhaft zur Wehr gesetzt und chen nach bort kommen könnten, entgegenzutreten. Daß nebenher durch Verbreitung von Lügenmeldungen schlimmster Sorte und durch Hetzereien in dem Kolonialreich alles Erdenkliche getan worden ist, um in ähnlicher Weise wie in Liverpool und London durch den Pöbel das deutsche Privateigentum zu zerstören, das haben ja noch die bekannten Ausschreitungen in Südafrika gelehrt. Ein besonderer Zweig der gegen Deutschland gerichteten englischen Warenkaverpolitik ist schlietzlich die Gewährung von Subventionen an solche Industriezweige im Mutterlande selbst, die bisher überhaupt völlig vernachlässigt waren bzw. sich gegen die deutsche Konkurrenz nicht halten konnten. Es waren dies in erster Linie wichtige Zweige der chemischen Industrie, wie z. B. die Farbstoff, und Rübenzuckerindustrie. Sogenannte Nationalgesellschaften sollten zu diesem Zwecke unter wirksamster finanzieller Beihilfe der englischen Negierung gegründet werden. *) „Britische Lebensmittelkarten für die Neutralen". Unter dieser lleberschrift sagt „World" lSeptember 1916) in einem Leitartikel: England matzt sich durch seine letzten Verordnungen die Rolle eines Lebensmitteldiktators gegenüber Holland, Schweden, Norwegen und Dänemark an. Es lätzt die Lebensmittel nur nach eigenem Gutdünken durch die von seiner Flotte gezogenen Linien hindurch. Seit

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neuerdings gesetzliche Maßnahmen getroffen, um der sog. Transitogesellschaft, einer englischen Gründung, das unsaubere Handwerk zu Weiter sei erinnert an die englischen Posträubereien, legen. wobei neuerdings soweit gegangen wurde, auch die Sendungen des rein dänischen Verkehrs zwischen Dänemark und Island zu beschlag­ nahmen. Ferner setzte England kürzlich erst eine Bestimmung der Art. 19 der Londoner Seerechtsdeklaration außer Kraft, so daß jedes Schiff, auch wenn es nach Durchbrechung der sog. „Blockade" nach einem neutralen Hafen fuhr, der Aufbringung verfiel. Wie weit dieses völkerrechtswidrige Konirollsystem des „Schutze» der kleinen Staaten" geht, zeigt z. B. das System der „schwarzen L i st e n" für die Neutralen, über das die „Kölnische Zeitung" bereits vom 29. September 1915 folgende anderweitig bestätigte Zuschrift erhielt (s. im übrigen das besondere Kapitel unten): „Wenn ein neutraler Kaufmann bei den Engländern aus der schwarzen Liste steht, so bedeutet das ungefähr: Waren und Rimessen werden angehalten, der englische Zensor unterschlägt Briefe und Telegramme, und oft ist dies der Ruin eines Geschäfts. In allen neutralen Ländern find englische Spione tätig, an den Docks und den Güterbahnhöfen, Zollämtern, in Banken und in den Reedereiund Speditionskontoren. Außer Engländern verwendet man auch Einheimische: denn es gibt überall verkrachte Existenzen und Leute, die sich in beständiger Geld" Verlegenheit befinden und sich einer solchen Tätigkeit nicht schämen. Die Arbeit dieser.Spione beschränkt sich nun nicht allein darauf, die amtlichen Ein- und Ausfuhrlruste zu überwachen, sondern sie beaufsichtigen auch andere Handelsgeschäfte, welche nicht unter die den Neutralen von den Engländern ausgezwungenen Truste fallen. Außer dieser geheimen Spionage und derjenigen durch Öffnung der neu­ tralen Post gibt es noch eine Art Inquisition, die durch die englischen Konsul», gewisie Vertrauenspersonen des Konsulats oder der Regierung oder durch soge­ nannte Accountants ausgeübt wird, die im Aufträge der englischen Regierung bandeln. Hunderte von Firmen und Fabrikanten haben schon Aufsorderunge» erhalten, gelegentlich beim Konsulat vorzusprechen.............. Gedroht wird nicht, jedoch hat jeder das Gefühl, was ihm bevorsteht, wen» er nicht die gewünschten Auskünfte und Erklärungen gibt. Ist die Sache wichtig und glaubt der Konsul, bah der Betreffende vielleicht in anderer Weise zugäng­ licher ist, so benutzt er einheimische Vertrauenspersonen, die eine gewisie Stellung und Einfluß haben................. Eine weitere Sorte von Inquisition wird durch so­ genannte Accountants oder andere Abgesandte der englischen Regierung ausgeübt, die mit einem Einführungsschreiben versehen von England kommen und Kaufleute Kriegsbeginn hat es keine geringschätzigere Mißachtung des Rechtes der Neutraten gegeben, als wie sie in der letzten britischen Maßregel zutage tritt. Eng­ land befindet sich nicht im Krieg mit Holland oder den skandinavischen Ländern, aber es behandelt sie als nur seinen Erlasien unterworfene Provinzen. Mao kann sich keinen größeren Mißbrauch der englischen Seemacht vorstellen als diese offen herausfordernde Einmischung in den gesetzmäßigen Handel zwischen desreundeten Nationen.

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und Fabrikanten in den neutralen Ländern besuchen. Letztere müssen dann ihre Bücher und Briefe vorlegen, und wenn sie sich weigern dies -u tun, lassen die Engländer einfach keine Waren für sie mehr durch. Einige Kaufleute und Fabri­ kanten müssen sich eine solche ständige Überwachung durch englische Beamte gefallen lassen........... "

Am 7. August 1915 erschien in Holland ein königlicher Beschlub, der für die deutsch-niederländischen Handelsbeziehungen von weit­ tragender Bedeutung war. Artikel 1 dieses Beschlusses verlangte nichts Geringeres, als daß von nun an für bestimmte Artikel, welche später vom Finanzminister namhaft gemacht wurden (vor allem öle und Kautschuk), in den für diese Artikel nötigen Aus­ fuhrdokumenten, vorbehaltlich der Gutheißung (naar genoegen) durch die mit der Aufsicht über die Ausfuhr betrauten Beamten, der Name des Einbringers dieser Artikel oder der Rohstoffe, aus welchem sie verfertigt worden sind, gemeldet werden muh. Die Folge war natürlich die, bah nach Deutschland nichts mehr ausgeführt werden durfte, während tagtäglich Schiffsladungen dieser Güter nach England ungehindert gingen. Durch die Willkür der Beamten wurde eine Vorschrift, die scheinbar nichts als die Vorlegung einer Angabe verlangt, tatsächlich ein Ausfuhrverbot. Die holländischen königlichen Zollbeamten sind tatsächlich Beamte des N. O. T., des niederländischen Überseetrustes, der englischen Zwangs­ gründung gegenüber Holland geworden. über diesen niederländischen Überseetrust s. „Deutscher Außen­ handel" Nr. 10/1915 S. 171 und Nr. 12 S. 212 ff. über den Schweizer Einfuhrtrust s. die „Nach­ richten für Handel, Industrie und Landwirtschaft" Nr. 77 vom 2. Oktober 1915. über die englische Diktatur über den amerikanischen Handel, insbes. der Woll-, Baumwoll-, Metall-, Stahl- und Gummibranche s. „Deutscher Ausfuhrhandel" Nr. 10/1915, S. 168 ff. u. Nr. 12, S. 212 ff. (15. Iahrg.). Die englischen Baumwollvereinigungen haben z. B. Präferenzlisten geschaffen, auf die sie alle Firmen setzen, die einwilligen, nur mit den Bürgern solcher Staaten zu han­ deln, die Großbritannien bezeichnet. Wer dies verweigert, wird auf die schwarze Liste gesetzt und von jedem Handel ausgeschlosien. Der Appell an die amerikanische Regierung seitens der völlig unterjochten amerikanischen Rohgummigeschäfte war umsonst. Die fünf größten New Borker Gummifabrikgeschäfte haben je 250000 Dollar als Bürgschaft geleistet. Über die amerikanischen Verhältnisse s. unten die eingehenden Darstellungen des 3. Teils. Hier läßt sich die fee-

rechtliche Behandlung von der allgemeinen wirtschaftlichen nicht trennen. Ebendort über die englische Kontrolle neutraler, schweizerischer und holländischer Banken, die mit englandseindlichen Ländern kein Geschäft mehr abschließen sollen. Die „Köln. Ztg." meldete (20. Dezember 1915): „Bekanntlich nehmen die niederländischen Schiffahrtslinien Waren deutschen Ursprungs zur Verladung nach Niederländisch-Indien nicht ohne weiteres mehr an. Die Sendungen müssen vielmehr an den niederländischen überfeetrust (onsigniert werden. Die Bestimmungen, unter denen der Überseetrust die Konsignation ge­ stattet, sind genau festgelegt und derartig, bah praktisch die Ausfuhr solcher Waren verhindert wird. Es dürfen nämlich im wesentlichen nur solche Waren deutschen Ursprungs zur Verschiffung nach Niederländisch-Indien an­ genommen werden, die nicht oder nicht in den erforderlichen Mengen aus anderen Quellen als aus Deutschland bezogen werden können. Die Entscheidung, ob diese Bedingung zutrifft, liegt aber nicht, wie man annehmen könnte, bei dem Überseetrust, sondern bei der englischen Regierung. Beispielsweise wird, wie uns aus Handelskreisen mitgeteilt wird, neuerdings die Versendung eiserner Fäffer aus Deutschland nach Niederländisch-Indien nicht mehr zugelassen. Bisher hatte der Überseetrust diese Fässer verschickt, da er der Ansicht war, datz sie in genügenden Mengen nur aus Deutschland be­ zogen werden können. Da kam aber die englische Regierung und behauptete, solche Fässer seien auch sonstwo zu erhalten und sie werde die Schiffe anhalten lassen, wenn mit der Versendung der Fässer fortgefahren werde. Wie hieraus hervorgeht, mäht sich die englische Regierung nicht nur eine Entscheidung darüber an, wie weit Waren von einem neutralen Lande zum anderen verschickt werden dürfen, sondern kontrolliert auch den Handel zwischen einem neutralen Lande und dessen eigene« Kolonien. Dies ist ein weiterer Eingriff in die Hoheitsrechte der Niederlande."

Der holländische Überseetrust wurde immer mehr das sllavische Kontrollorgan der englischen Regierung. Als England die Einfuhr von Kakaobohnen aus den niederländischen Kolonien dem Mutterlande verbot (!), zwang der N. O. T. die holländische Regierung, am 15. April 1916 ein allgemeines Ausfuhrverbot für Kakaverzeugnifse zu erlassen. Erst jetzt durfte wieder die Einfuhr von Kakaobohnen für Hollands Eigenverbrauch erfolgen. Die Willkürherrschast hat England noch weiter ausgedehnt in einer Maßnahme, die im Herbst 1916 mit dem Niederländischen Ein­ suhrtrust, dem N. O. T., getroffen worden ist. Hiernach müssen alle Fischerfahrzeuge, die in einer Entfernung von weniger als 50 eng­ lischen Meilen von der Küste Großbritanniens Schiffbrüchige, Wracks oder Gegenstände von Kriegsschiffen von mit Großbritannien im Kriege befindlichen Staaten antreffen, aufnehmen, Hilfe verleihen oder bergen, diese Personen, Fahrzeuge oder Gegenstände in den nächstgelegenen englischen Hafen einbringen oder sie dem ersten ihnen begegnenden englischen Kriegs- oder Handelsschiffe ausliefern. Neu-

*9 träte Schiffe werden also hierdurch entgegen jedem Begriff der Neu­ tralität und unter Mißachtung der grundsätzlichen Bestimmungen des Völkerrechts gezwungen, Kriegsdienste für England zu leisten! Daß dieses System erpresserischer Einschüchterungen für Eng­ land recht angenehmeFrüchte zeitigt, geht aus einem Abkommen hervor, das vor kurzer Zeit zwischen der holländischen „Stoomboot Maatschappij" und dem „Neederländischen Lloyd" mit der englischen Re­ gierung getroffen worden ist; hierdurch haben sich holländische Schisffahrtsgesellschaften verpflichtet, jeden ihrer Frachtdampfer, der Fracht nach England bringt, eine Hin- und Rückreise zwischen England und Frankreich machen zu lassen, worauf erst der betreffende Dampfer nach Amsterdam zurückkehrt. Der englischen Frachtraumnot, die durch die deutsche Seekriegführung entstanden ist, wird durch diese Matzregel in merklicher Weise abgeholfen. Durch dieses Vorgehen Englands ist der von ihm unter Über­ schreitung jeder zulässigen Grenze des Kriegsrechts gegen Deutsch­ land geführte Wirtschaftskrieg in ein anderes Stadium getreten. Der Widerstand der Neutralen, der zunächst zu überwinden war, erscheint zum gröhlen Teile gebrochen, und somit der Krieg, den England gegen die Neutralen geführt hat, in der Hauptsache gewonnen. Nun kann sich England unverhohlen ihrer Hilfe bedienen, um die deutsche Kon­ kurrenz niederzuringen. So reihte sich in der Folge ein A u s f u h r v e r b o t an das andere: Hollands Handel mit allen anderen Staaten als den Ententestaaten, d. h. auch mit den neutralen Staaten, stand wie sein Postverkehr mit den Neutralen völlig unter englischer Kontrolle (s. auch unter lit. b usw.): Die britischen Maximen gegen die einzelnen neu­ tralen Staaten waren immer die gleichen! Alle diese Nachgiebig­ keit vermochte nicht die vollständige Vergewaltigung der holländi­ schen Heringsfischerei (Juli 1916) zu verhindern. In der Zweiten Kammer richtete Spiekman (Sozialist) an den Minister des Äutzern die Frage, was für Schritte die Regierung in Angelegenheit der Anhaltung einer Anzahl Schiffe der niederländi­ schen Heringsfischerflotte durch die englische Regierung unternahm. Der Minister des Äußern antwortete (28. Juli 1916): Die britische Regierung teilte mir unlängst durch ihren hiesigen Gesandten mit, daß sie gegen die Lieferungen der Heringsfischer an Deutschland sich zur Wehr sehen müsse. Wenn sie fortdauerten, würde sie sich für verpflichtet halten, die niederländischen Fischerfahrzeuge vor den Prisenrichter zu bringen. Hörten die Lieferungen auf, so würden die Schiffe, die teils wegen Fischens in der sogenannten gefährlichen Zone, teils wegen sogenannten Führens von Konterbande (Fische) aufgebracht worden seien, wieder freigelasten und in Zukunft unbelästigt bleiben.

30 wenn sie sich nicht wieder in die genannte Zone begeben. Gegen dieses Austreten kündigte die niederländische Regierung ihren Widerstand an. Ich brachte dem britischen Gesandten schriftlich zur Kenntnis, datz die Forderung nach Nichtaussuhr niederländischer Fische nach Deutschland den ausdrücklichen Be stimm ungen derzweiHaagerVerträgevomIahre!907widerspreche, denen zufolge ein neutraler Staat nicht verpflichtet ist, die Ausfuhr von Gütern, welcher Art auch immer, nach kriegführenden Ländern zu verbieten. Was die Aufbringung der Schiffe betrifft, machte ich ernstlich geltend, datz die britische Regierung da­ durch, bah sie einen Teil der Nordsee als gefährlich bezeichnete, keineswegs der Verpflichtung enthoben wird, in dieser Zone das Durchsuchungsrecht nur unter Einhaltung allgemein anerkannter völkerrechtlicher Bestimmungen über diese Punkte auszuüben. Das Recht, Schiffe nach ihren Häfen aufzubringen, h a 1 l i e n i ch 1. w Was die jetzt stattfindenden Aufbringungen wegen des Führens von Konter­ bande betrifft, so erinnerte ich an meine früheren Proteste, datz Artikel, die dedingte Konterbande sind, nämlich Nahrungsmittel, die an Bord neutraler Schiffe nach neutralen Häfen sich befinden, der Beschlagnahme durch Kriegführende nicht unterliegen und datz diese Art Konterbande nur dann weggenommen werden darf, wenn sie für eine kriegführende Regierung oder deren Streitkräfte bestimmt ist. Die niederländischen Fischer bringen ihre Fische ausschlietzlich nach niederländischen Häfen, und die Fischer werden stets sorgfältig vermeiden, einen Teil ihrer Ladung Kriegsschiffen kriegführender Mächte abzugeben. Ich wies ferner darauf hin, datz die niederländische Nordseesischerei nicht dem internationalen Transportbandes gleichzustellen sei, der durch das besondere Bedürfnis eines Kriegführenden entstand, sondern, datz sie eine nationale Industrie sehr alten Datums darstelle, die ihre Entstehung keineswegs dem Kriegszustand verdanke. Eine beabsichtigte Lahmlegung dieser Industrie würde die Vernichtung der Existenz eines wich­ tigen Teiles der niederländischen Bevölkerung darstellen, nicht nur der Reeder und Fischer, sondern auch aller anderen Betriebe, die von der Fischerei abhängen. Wenn die britische Regierung gegen den Verkauf eines größeren Teiles der Fische Beschwerde erhebt, so steht es ihr frei, auf dem offenen Markt hierzulande mitzubieten. (Zwischenrufe: Sehr richtig!) Sodann wies ich den Gesandten aus die Erbitterung im ganzen Lande hin, die durch den Bericht über die Forderungen hervorgerufen wurde, die an die zur Besprechung der Angelegenheit nach London eingeladenen Vertreter der niederländischen Interessenten gestellt worden sein sollen. Wenn diese Forderungen sich verwirklichen würden, würde dies auf eine fast völlige Lähmung unserer Nordseesischerei und der damit verwandten Betriebe hinauslaufen. Ich fügte hinzu, datz die niederländische Negierung noch keine amtliche Bestätigung dieses Berichts empfing, datz sie aber darauf baue, datz die britische Regierung nicht zu einem ungerechten Vorgehen ihre Zuflucht nehmen werde. Schließlich gab ich zu verstehen, datz die niederländische Regierung aus den oben angegebenen Gründen berechtigt sei, zu erwarten, datz die ausgebrachten Schiffe ohne Verzug freigelaflen werden würden. Ich kann der Kammer versichern, daß die Regierung dieser für einen wichtigen Teil unserer Bevölkerung so wesentlichen Angelegenheit dauernd ihre volle Aufmerksamkeit schenken wirb1)*) Das Haager Blatt „Nieuwe Courant" schreibt (Juli 1916): Ohne jeden Schein des Rechts, ja selbst ohne ihre Absicht vorher anzukündigen.

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b) Skandinavien und Dänemark.

„Politiken" meldete aus Malmö (31. Oktober 1915): „Der Grund für den Abbruch der englifch-fchwebifchea Verhandlungen ist darin zu suchen, daß die englischen Unterhändler die unerfüllbare Forderung stellten, die Engländer sollten berechtigt sein, die schwedische Ausfuhr in den verschiedenen Zollämtern zu kontrollieren. Da die schwedischen Unterhändler unter keinen Um­ ständen in diese Forderung einwilligen wollten, erwies sich eine Fortsetzung der Verhandlungen als nutzlos.^

über die brutalen Quälereien Englands gegen die skandinavischen Staaten, insbesondere die schwedische Post, siehe unten Kap. 48. Dort auch über die Postdiebstähle. über den dänisch-englischen Einfuhrtrust, über den amerikanischen Überseetrust usw. s. „Deutscher Außenhandel" XV. Iahrg., Nr. 12, S. 212 ff., dortselbst auch über den schwedischen Durchfuhrtrust Transits und die Einfuhrgesellschaft in der Schweiz S. 214, sowie dortselbst Nr. 1/1916 S. 7. Robert Lecil brachte Dezember 1915 im Unterhaus eine Gesetzesvorlage ein, durch die das Verbot des Handels mit Feinden auf Personen ausgedehnt werden soll, bei denen infolge ihrer feindlichen Nationalität oder ihrer Beziehungen zu den Feinden solche Beschränkungen als wünschenswert erachtet werden, auch wenn sie nicht in einem feindlichen Lande wohnen oder Handel hat die britische Regierung, die als Kämpfer für die Rechte der kleinen Nationen ln den Krieg zog, gegenüber der friedlichen niederländischen Fischerei in der Nordsee eine Matzregel ergriffen, die das Todesurteil dieser Fischerei bedeutet, falls es nicht etwa noch gelingt, der britischen Regierung die Augen über das entsetzliche Unrecht zu öffnen, das sie, auf ihre Seemacht gestützt, im Begriff steht, gegenüber einer neutralen Nation zu begehen. England hat bereits den Vorschlag gemacht — gegen Bezahlung —, unsere Heringsslotte beiseite zu schaffen. Welchen Nieder­ länder treibt das nicht die Schamröte in die Wangen? Nicht genug, daß unser Handel in Bande geschlagen ist, und datz von unserer wirtschaftlichen Unabhängigkeit immer mehr verloren geht, müssen wir uns jetzt auch gefallen lasten, datz man uns den Verzicht auf unser Recht gegen ein Trinkgeld vorschlägt. Das patzt allerdings vollständig in den Rahmen des Kampfes für die Rechte der kleinen Nationen. Das sozialdemokratische Blatt „Het Volk" schreibt im Anschlutz an den Pro­ test der Seemannsvereinigung'. Wir unterstützen diesen Protest mit aller Kraft. Die Matzregel, die England hier gegen die niederländische Regierung anwendet, ist ein Kriegsakt gegen ein Land, mit dem es in Frieden lebt, ein Kriegsakt gegen ein neutrales Land, das während des ganzen Krieges den Beweis geliefert hat, datz es neutral bleiben will; es ist ein Attentat auf unsere Lebensmittelversorgung, das im umgekehrten Falle von England selbst mit den schärfsten Gegenmatzregeln beantwortet werben würde.

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treiben. Die Vorlage ermöglichte also nicht nur ein Verbot des Handels mit Deutschen, die in neutralen Ländern leben und Geschäfte treiben, sondern es handelte sich auch um Neutrale, mit denen der Handel verboten werden sollte, wenn sie Handelsbeziehungen zu Deutschland unterhalten. Ein Leitartikel des „Svenska Dagbladet" vom 1. Juni 1915 bespricht unter der Überschrift „Unsere Seefahrt und die Engländer" die ganz unhaltbaren Verhältnisse, welche durch das englische Kvhlenausfuhrverbot für die schwedische Schiffahrt geschaffen wurden, da es zur gänzlichen Unterbindung der schwedischen Seefahrt führen mutzte. Er ist zugleich ein trefflicher Beleg für die Wahrheit des Satzes, daß Deutschland für die Frei­ heit der Meere kämpft. Das Blatt führt u. a. aus: „... Unsere Schiffe werden Woche für Woche festgehalten, ohne datz man auch nur erfährt, wann sie freikommen werden oder weshalb sie festgehalten werden (z. B. Kaffee für Rußland), und die entstehenden Verluste lasten sich gar nicht mehr übersehen. über Waren aus den Vereinigten Staaten übt England eine Aufsicht aus, die dazu geführt hat, daß Waren vielfach ohne die Erlaubnis des englischen Botschafters gar nicht mehr ausgeführt werden können. Nach „New Dvrk World" haben die englische und französische Regierung schon im letzten November ein Übereinkommen mit der bekannten Pinkertonschen Detektivfirma (!) geschlossen, datz diese die betreffenden Behörden in Kenntnis von allen Verschiffungen verdächtigen Charakters fetzt. So ist es dazu gekommen, datz die Reedereien sich weigern, Waren anzunehmen, sofern die Konnostemente nicht von dem Bürgschein der britischen Botschaft begleitet sind, sobald die Waren an allen britischen Untersuchungsstellen vor­ beigelangen können. So kontrollierte tatsächlich England die ge­ samte Ausfuhr Nordamerikas auch nach den anderen neutralen Staaten. über das in England (vor allem von Lord Milner und Sydenham) viel bekämpfte englisch-dänische Abkommen vom 19. November 1915 s. die Verhandlungen des englischen Oberhauses vom 21. Dezember 1915. Das dänische Komitee der Grossistenfozietät hat (s. „Deutsche Tagesztg." vom 22. Dezember 1915) ein­ gehende Mitteilungen über den Inhalt desselben gemacht. Damit Verschiffungen nach Dänemark ohne Hindernis aus britischen Häfen oder aus anderen Häfen ohne Behinderung durch die englische Blockadelinie in der Nordsee vor sich gehen können, hat das Komitee (für die Industrie der Industrierat) der englischen

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Regierung gegenüber eine Garantie für jede Warensendung ab­ zugeben. Die Garantie geht darauf aus: 1. daß die Ausfuhr der Ware nach Dänemark nach der besten Überzeugung des Komitees zu empfehlen ist, 2. daß der Importeur eine bindende Erklärung dem Komitee gegenüber unterzeichnet hat, 3. daß die Ware nur nach Dänemark eingeführt und nicht nach bestimmten Ländern wieder ausgeführt werden wird. Während nach der bisherigen Regel das Komitee die von dem Importeur selbst verfaßte und unterzeichnete Erklärung mit einem Glaubwürdigkeitsvermerk zu versehen hatte, muß der Importeur sich künftig an das von dem Komitee errichtete Bureau für den dänischen Handel mit dem Auslande (Kontor for banst Udenrigshandel Börsen) wenden und ihm die unter Nr. 2 genannte „bindende Erklärung" abgeben. Das Komitee trifft hernach in jedem einzelnen Falle die Entscheidung, inwiefern es dem Importeur bei Abgabe der Garantie­ erklärung der britischen Regierung gegenüber behilflich sein kann. Im bejahenden Falle wird die vom Komitee ausgefertigte Erklärung dem Importeur zur Weiterleitung an den englischen Verkäufer übergeben, welch letzterer dann die Erklärung als Beilage seinem Gesuch an das „War Trade Department" betr. Ausfuhrerlaub­ nis beifügt. Die Hauptregel der Übereinkunft ist, daß die importierten Waren in Dänemark verbleiben mästen und unter keiner Form wieder ausgeführt werden dürfen, ausgenommen nach Groß­ britannien, den britischen Besitzungen, Ländern, die mit Groß­ britannien verbündet sind, Spanien, Portugal, Holland (durch den niederländischen überseeischen Trust) oder nach neutralen Ländern außerhalb Europas. „Es konnten so," schreibt der „New Statesman", „günstigere Bedingungen erzielt werden, als die neutrale Regierung selbst hätte zugestehen können, ohne zu viel von ihrer Neutralität und Souve­ ränität preiszugeben." England habe durch das Übereinkommen erreicht, daß Dänemark Deutschland keine Butter, Milch, Eier, kein Fleisch, kein Leder, kein Fett, keine Pferde mehr liefere, Artikel, die es selbst produziere und die Deutschland sehr brauchen könnte. „Wir haben," ruft die „Nation" triumphierend aus, „Dänemark be­ wogen, sich aktiv an der Erzwingung unserer Blockade zu beteiligen. Wir haben von ihm erreicht, was zu fordern wir nicht das geringste gesetzliche Recht hatten." (S. auch „Deutscher Außenhandel" 1916 S. 6 ff.) Das entspricht der allgemeinen britischen Taktik gegenüber den neu-

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traten Staaten und ihrem Handel! Und das trotz fortgesetzten PostTaubes und rücksichtslosester englischer Kontrolle des dänischen Handels! II. Schweden und Norwegen wurden, wie schon oben in Kap. 38 (I. Bd.) dargelegt, von England ebenso wie Dänemark mit Ausfuhrverboten usw. aufs Blut gepeinigt. Am 17. August 1916 meldete das Reuterfche Bureau aus London: „Wie wir erfahren, steht die Veröffentlichung einer Königlichen Proklamation bevor, die die Verhinderung der Ausfuhr von allen Gegenständen des täglichen Bedarfs (Commodities) nach Schweden zum Gegenstand hat, deren Ausfuhr gegen­ wärtig noch nicht verboten war. Gleichzeitig wird das Kriegs-Handelsami eine Generallizenz für die Erlaubnis der Ausfuhr von Gegenständen des täglichen Be­ darfs gegen Vorlage einer Garantie der Handelskommiffion in vorgeschriebener Form bei den Zollbehörden bekanntgeben. Die Beweggründe für den Erlast dieser Mastnahmen seien folgende: Unter der Kriegszoll-Akte hat die Zollbehörde die Befugnis, von dem Exporteur die Beibringung der Nachweise zu verlangen, dast er alle denkbaren Mastregeln getroffen hat, wonach die von ihm ausgeführten Waren gemäst den von ihm hei der Verfrachtung abgegebenen Erklärungen verwandt werden. Von dieser Befugnis wird für die Waren, deren Ausfuhr nicht verboten ist, reichlich Gebrauch gemacht, weil deren Behandlung vor der Verfrachtung nicht derselben genauen Prüfung unterworfen ist wie bei den verbotenen Waren. Die schwedischen Be­ stimmungen vom 17. April 1916 lasten es für den schwedischen Importeur nicht zu, einem britischen Exporteur Mitteilung über die Verwendung der Güter zu machen. Der britische Exporteur must unter diesen Umständen bei der Forderung der britischen Zollbehörde nach Bekanntgabe der Verwendung der Güter oft zu­ geben, dast er zur Beibringung der von ihm verlangten Beweismittel nicht im­ stande ist. Der englische Exporteur seht sich dadurch ohne seine Schuld und nur durch die Wirkung des schwedischen Gesetzes schweren Strafen aus. Die englische Regierung kann daher nicht zugeben, dast die ihr gemäst der Zollkriegs-Akte zu­ stehende Befugnis zu einem toten Buchstaben gemacht wird, ohne dast sie durch andere Mastnahmen die Verwendung der Ausfuhrgüter in vorgeschriebener Weise sicherstellt. Es sei daher notwendig gewesen, die gesamte Ausfuhr nach Schweden, von einigen unbedeutenden Ausnahmen abgesehen, von der Vorlegung einer Garantie abhängig zu machen, die von dem Importeur zu unterzeichnen und von der zuständigen Abteilung der schwedischen Vertretung zu bestätigen ist___ "

Die schwedische Regierung stand in der Folge in einem ununter­ brochenen Notenkriege mit England, das Schweden in den Aus­ hungerungskrieg gegen die Mittelmächte mit List und Bosheit, mit Gewalt und allen nur möglichen Mitteln, durch Ausfuhrverbote aller Art, durch Handels- und Postkontrolle, durch Schwarze Listen (f. oben Kap. 38, I. Bd., und die folgenden Kapitel) zu ziehen versuchte. Nach dem Eintritt Rumäniens in den Bund unserer Gegner (Ende August 1916) hat der Druck Englands auf unsere Nachbarn

35 Im Westen und Norden mit verstärkter Nachhaltigkeit eingesetzt. Der Ring um die Mittelmächte sollte wirtschaftlich geschlossen werden. An die holländische, dänische und norwegische Regierung find amtliche Mitteilungen aus London gelangt, wonach die Ausfuhr gewisier Waren aus England nach diesen Staaten in Zukunst keine Erleichterung mehr erfahren soll. Unter diesem Ausdruck verbirgt sich der Sinn eines einfachen Ausfuhrverbots; denn von „Erleichterungen" werden die skandinavischen Länder und Holland bisher schon wenig genug gespürt haben. Unter den gesperrten Waren stehen Lebens­ und Genutzmittel, Gummi und Metalle an erster Stelle. Als letzte der nordischen Regierungen hat auch die schwedische Regierung eine entsprechende Mitteilung aus London erhalten. Dar­ über wird berichtet (Stockholm, 12. September 1916): Der fchwedifchen Regierung wurde offiziell aus London mitgeteilt, datz die eng­ lische Regierung bis auf weiteres für eine grotze Anzahl von Waren keine Erleichterung zur Ausfuhr nach Schweden gewähren könne. Unter diesen Waren sind besonders Kakao, Kaffee, Gummi, Leder, Rohmaterial für Margarine, Futtermittel, Gewürze und Tee zu nennen. Die schwedische Presse erklärt die Mitteilung einstimmig für äutzerst unerfreulich. „Stockholms Tidningen" hebt besonders hervor, datz viele der von den Engländern genannten Waren aus Amerika kämen und somit eine scharfe Kontrolle der gesamten schwedi­ schen Einfuhr zu erwarten fei. Das Blatt befürchtet, dadurch könne die Drohung wahr werden, daß Schweden auf Rationen gesetzt wer­ den solle. Das schwedische Blatt trifft in seiner Bemerkung den Kern der Sache. Das englische Vorgehen gegen die neutralen Länder verfolgt einen doppelten Zweck. Zunächst soll durch die Verkürzung der Ein­ fuhrkontingente den Durchgangsländern nach Deutschland der Brot­ korb so hoch gehängt werden, datz die Not im eigenen Lande die neu­ tralen Regierungen zu Ausfuhrverboten gegen Deutschland zwingt und sie so zu Vorposten der englischen Absperrung macht. Anderseits soll den Neutralen neuerdings klar gemacht werden, wie sie, nach englischer Auffasiung wenigstens, nur von Londons Gnade abhängen, und wie gut sie es haben könnten, wenn sie sich Englands Wünschen ganz und gar willig fügten. Das Beispiel Griechenlands wirkt dabei als unausgesprochene Drohung mit. Die unterwürfige Art, in der die neutralen Staaten seit nunmehr zwei Jahren alle englischen Schi­ kanen hingenommen haben, trägt für die immer nachgiebigen Länder jetzt ihre bitteren Früchte. Zufolge der Einführung der neuen englischen „certificates of

36 interest", die am 1. Oktober 1916 in Kraft traten, lag Schwedens Export mit England still. Die englische Regierung erliest im Juni 1916 das Verbot, daß nach England und Kanada nach dem 1. Oktober von Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland und der SchweiWaren eingeführt werden dürfen, an deren Herstellung irgendwie Untertanen einer feindlichen Macht beteiligt feien. Laut „Dagens Nyheter" fragten die schwedischen Exporteure bei den Behörden an, wie sie sich den englischen „certificates of interest" gegenüber mit Rücksicht auf das schwedische Kriegshandelsgesetz verhalten sollten. Am 7. Oktober 1916 traf die Antwort ein, wonach allen Exporteuren verboten wurde, die neuen Konossements zu unterzeichnen. Infolge­ dessen wurden die englischen Schiffe, die in überwiegender Anzahl befrachtet waren, in Göteborg festgehalten. Am selben Tage wurde die Verladung anderer Schiffe nach dem Beschlust der Göteborger Reedereien abgebrochen. Norwegen wurde von Tag zu Tag abhängiger, je mehr ihm England die gesamte Korn- und Mehlzufuhr absperrte. Der Bruder des Brotkriegs war der sog. „Konservenkrieg". Zum Export der Fischprodukte bedarf die norwegische Konservenindustrie Bleche und 61. Der hierfür in Frage kommende Öllieferant ist das neutrale Spanien, und das neutrale Amerika ist der Blechlieferant. Aber sowohl sämtliche 61- wie Blechlieferungen, die den Wasserweg gehen, also an England vorbei müssen, werden von den englischen Behörden seit langem jedesmal kurzerhand mit Beschlag belegt. Es dürfte interessant sein, das Instrument kennen zu lernen, mit dem England die norwegischen Industrien knebelt. Dieses Instru­ ment ist ein Schriftstück, das der englische Gesandte in Christiania im Auftrag seiner Regierung sämtlichen norwegischen Fischkonservenund Konservenbüchsen-Fabrikanten zur Unterschrift zugestellt hat. Es lautet: „Ich (d. h. der norwegische Fabrikant) verpflichte mich hierdurch, dast meine Firma keine Büchsen Herstellen wird, die voll oder leer bestimmt sind zum Verbrauch in irgend welchem Lande, das sich jetzt mit Großbritannien und Irland oder mit einem der Ver­ bündeten dieses Landes in Krieg befindet — weiter, daß meine Firma nichts nach Holland ohne Vermittlung der Oversee Trust Co. senden wird, und endlich, daß sie überhaupt nichts nach anderen neutralen Ländern in Europa als Spanien und Portugal senden wird. — Falls irgendein Zweifel vorliegen sollte, verpflichtet sich meine Firma, vor Annahme der Aufträge das Gutachten der Britischen Handelskammer oder des britischen Konsuls in........ einzu-

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holen. Meine Firma verpflichtet sich weiter, eine vollständige und korrekte Aufstellung über alle von ihr importierten Mengen Zink-, Weih- und Schwarzbleche sowie über deren Verwendung zu führen, sowie dazu, die Ausgaben für einen von der britischen Regierung er­ nannten britischen Kontrolleur zu tragen und ihm Zugang zu den Büchern der Firma, deren Papieren und Dokumenten zu gestatten, soweit sie die eingeführten Zinkplatten und die aus ihnen hergestellten Artikel berühren. Schließlich verpflichtet sich meine Firma, nicht von dem bei der Herstellung der Büchsen sich ergeben­ den Abfall nach irgendeinem Lande auszuführen, das sich mit Groß­ britannien und Irland oder besten Verbündeten in Krieg befindet, und nach Holland nur, falls dieser Abfall an die Oversee Trust Co. gerichtet wird, und von den übrigen neutralen Ländern nur noch an Spanien und Portugal." Zwei oder drei Dutzend Fabriken haben unterschrieben. Die übrigen, weitaus die Mehrzahl, wurden von England auf die schwarze Liste gesetzt. Aber auch von denen, die unterschrieben, sind manche nachträglich gemaßregelt worden. Denn der britische Gesandte in Christiania ist in Norwegen mächtiger als selbst der norwegische Ministerpräsident. Und so behandelte man einen Staat, der durch Indienststellung seiner ganzen Handelsflotte für Großbritannien und durch völlige Un­ terwerfung in der Frage der Behandlung der deutschen H-Boote in neutralen (b. h. hier norwegischen) Gewästern durch die bekannte Verbotserklärung vom 11. Oktober 1916 sich völlig in britische Sklaverei begeben hat! Der Notenwechsel zwischen Deutschland und Norwegen wegen dieses Verhaltens ist bis Mitte November 1916 noch nicht publiziert. c)

Schweiz.

Ebenso schamlos als in den skandinavischen Staaten, in Holland, in Griechenland, den Vereinigten Staaten von Nordamerika ging man auch in der Schweiz') gegen den deutschen Konkurrenten vor. *) Wir erhielten von Schweizern Formulare, die ihnen von dem britischen Konsul des Bezirkes, der ihn für die Vertretung einer englischen Firma gewinnen wollte, vorgelegt worden waren. 3n diesen Formularen sind in schlechtem Fran­ zösisch u. a. folgende Fragen gestellt, die die schweizerischen Kaufleute beantworten sollen: Name des Konkurrenten, Geburtsort des Konkurrenten, Wohnsitz des Konkurrenten. Hat der Konkurrent deutsche oder österreichische Häuser der Branche bisher vertreten und welche?

3» Die Schweiz genießt feit längerer Zeit die „Vergünstigung" durch Vermittlung der S. S. S., des ihr von der Entente auf­ genötigten Einfuhrtrustes Society Suisse de Surveillance, ihre Lebensmittel und Rohprodukte aus den überseeischen Ländern zu beziehen: s. über diese Einrichtung und vor allem die Statuten der 8. 5. 8. die „Europ. Staats- und Wirtfchaftsztg." Nr. 4 S.

221.

In 8 3 heißt es z. B.:

„Die Waren, welche durch die Vermittlung der 8. 8. 8. importiert werden, müssen ausschließlich innerhalb der Grenzen des Schweizer Gebietes verarbeitet oder verbraucht werden. Keine Firma, die in das Handelsregister eingetragen ist, kann auf Grund der Nationalität des Chefs, Teilhabers, Gesellschafters oder Aktionärs von dem Vorzug ausgeschlossen werden, Waren von der 8. 8. 8. zu erhalten; aus­ genommen sind Firmen, die nach dem 1. 3ult 1914 eingetragen wurden und Firmen, die nicht in das Handelsregister eingetragen find. Ihre Behandlung bleibt in jedem einzelnen Falle der 8.8.8. in Verbindung mit den Vertretern der drei Regierungen, welche an der Gründung der 8. 8. 8. beteiligt waren, vorbehalten." Und § 4 bestimmt: „Die 8. 8.8. wird die nötigen Vorkehrungen treffen, um zu verhindern, daß die Konsumenten, bank der leichter zu bewerkstelligenden Versorgung, ihre Vorräte nicht in einer Weise abgeben, welche den für die Erreichung dieser Erleichterung gestellten Bedingungen zuwiderläuft."

Wie die gegenseitige Verpflichtung zunächst eingehalten wurde, das zeigte die ständige Not, in der sich einige Industrien, wie die Schokoladefabrikation, die Stickerei u. a. mit ihren Rohprodukten be­ fanden. Jeder Schweizer Importeur mutz heute nachfolgende Verpslichtung unterzeichnen: Verpflichtung. Die unterzeichnete Firma bestätigt hiermit, von der Firma ... folgende Waren gekauft zu haben: .... Diese Waren werden nur durch Vermittlung der 8.8.8. (Einfuhrtrust) in die Schweiz eingeführt werden und dürfen nur innerhalb der schweizerischen Landesgrenzen verbraucht oder verarbeitet werden. Auch ist jede Ausfuhr verboten. Zuwiderhandlungen gegen diese Be» stimmung sowie überhaupt gegen die Reglemente, Statuten oder Beschlüsie der 8.8.8. sind mit hohenStrafenundmitWiderrusdererteilten Einfuhrbewilligung bedroht. Für diese Folgen haftet der 8.8.8. gegenüber in erster Linie der Verkäufer . . . ., dieser wird aber seine Abnehmer für allen ihm aus deren Verschulden erwachsenden Schaden verantwortlich machen. Der 8.8. 8. steht jede ihr gutscheinende Kontrolle über die Beachtung des Ausfuhrverbotes zu. Die Kontrollorgane haben freien Zutritt zu allen Fabri» kationsräumen, Magazinen, den Bureaus und das Recht der Einsichtnahme in Geschäftsbücher und Belege. Würden Sie durch ein beim Generalkonsulat hinterlegtes formelles Schrift" stück auf das Recht verzichten, für einige Zeit die deutschen Konkur­ renten des englischen Hauses zu vertreten? usw. Auf solche Weise arbeitet England in der Schweiz, um die deutsche Industrie und den deutschen Handel dort zu unterdrücken. England behandelte auch die Schweiz wie seinen Basallenstaat.

39 Die unterzeichnete Firma anerkennt, von diesen Vorschriften Kenntnis geno«. men zu haben. Sie übernimmt auch jede Garantie und Haftbarkeit dafür, bah die bezeichneten Waren weder durch sie, noch durch Drittpersonen, an welche die Waren abgetreten werden sollten, ihrer Bestimmung, dem Verbrauche oder der Verarbeitung in der Schwei-, entzogen werden.

Bei den hohen Bürgschaften, die jeder Kaufmann stellen must, der mit der 8. 8. 8. in Berührung kommt, ist der Strafvollzug glatt; die Kontrolle ist bis in alle geheimsten Einzelheiten durchgeführt. Daß aber die Gründung des Einfuhrtrustes nicht, wie man erhofft hatte, das Ende, sondern eigentlich den rechten Anfang der Schwierigkeiten in der Schweizer Rohstoffversorgung bedeutete, wurde durch eine Eingabe bewiesen, welche die französische Handelskammer zu Genf am 19. Januar 1916 an den französischen Minister des Auswärtigen richtete, um ihn zu einer Auflösung der 8. 8. 8. zu bewegen. In dieser Eingabe wird der französischen Regierung bewiesen, daß die kleinliche Schikane, mit der der Vierverband den Handels» krieg führt, im Grunde nur seinem deutschen Gegner nutzt, der nicht mit Nadelstichen, sondern mit dem Schwerte kämpft. Die fran­ zösische Handelskammer in Genf gibt eine große Zahl von Beispiele» für die Folgen der Tätigkeit der 8.8.8. In der Folge wurde steilich der Einfluß der 8.8.8. immer stärker und stärker. Die Schweiz wurde zudem von der Entente durch eine listige und sehr zweideutige Abfastung gewisser Bestimmungen des Vertrag» über den Einfuhrtrust geradezu betrogen, um die Schweiz mit dem Deutschen Reiche in Konflikt zu bringen. Alle Scbweizer Blätter, auch die der unentwegt franzofen­ freundlichen Westschweiz, erkannten an, daß Deutschland in der gan­ zen Angelegenheit der Einfuhr- und Ausfuhrregelung sich durchaus loyal und korrekt verhalten, feine Verpflichtungen eingehalten und feine Rechte nicht überschritten hat. Aus ihren Erörterungen spricht sogar eine gewisie sich einstellende Erkenntnis, daß die Schweiz durch die allzu bereitwillige Hinnahme der ihr von der Entente auferlegten Einfuhrkontrolle sich die Rute, unter der sie nunmehr seufzt, selbst ge­ bunden hat und daß es ungerecht wäre, Deutschland für die Folgen, die sich aus dieser mangelnden Voraussicht ergaben, verantwortlich zu machen. Auf der anderen Seite wird auch von deutscher Seite zugegeben, daß der Schweiz durch die englisch-französische Drohung, ihr die Lebensmittelzufuhr über die französischen Häsen zu sperren.

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in gewissem Grade die Hände gebunden sind. Sie ist in die Notlage versetzt, entweder die Gesamtheit ihrer Bevölkerung Not leiden zu lasten oder umfastende Zweige ihrer Industrie lahmgelegt zu sehen und mochte doch beides vermeiden. Gegenstand der Verhandlungen des Sommers 1916 war die Forderung, welche Deutschland in seiner am 9. Juni 1916 überreichten Note, dem sogenannten Ultimatum, an die Bundesregierung in Bern gerichtet hat (f. den teilweisen Wortlaut „M. N. 91." Nr. 486 vom 23. September 1916). Deutschland verlangte darin von der Schweiz die Fortsetzung des ihm von der Entente verwehrten sogenannten Aus­ lauschverkehrs. Dieser Verkehr war vor der Errichtung des Einfuhr­ trusts zwischen den beiden Regierungen vereinbart worden und hatte sich aufs beste bewährt. Wir lieferten der Schweiz Mastenartikel, in welchen für uns keine ängstliche Beschränkung der Menge Bedürfnis war, wie Kohle und Eisen, ohne Gegenleistung. Hingegen war eine solche Kompensation für eine Reihe von Waren ausbedungen, die wir ihr fortgesetzt zuführten, obwohl wir darin keineswegs Überfluß hatten, wie Kupfervitriol, Zucker, Düngesalze und ähnliches. Für diese Lieferungen war Gegenleistung durch Zusendung von schweize­ rischen Fabrikaten und Rohstoffen, die sie zum Teil selbst erzeugt, zum Teil eingeführt hatte, ausbedungen. Der Austauschverkehr ging auch ungestört vor sich, bis nach der Pariser Wirtschaftskonferenz die En­ tente ihr Verhalten änderte. Sie untersagte der Schweiz die Fort­ setzung der Aussauschsendungen nach Deutschland unter der Drohung ihr die Nahrungsmittelzufuhr über die französischen Häfen zu sperren. Dieses Verbot stand im Widerspruch mit einer wesentlichen Bestim­ mung des Vertrags über die Errichtung eines Einfuhrtrusts, welche lautete: „Die durch Vermittlung des Einfuhrtrusts in die Schweiz eingeführten Waren können nicht zum Austausch mit anderen Ländern benutzt werden. Vorauszusehende Abkommen, die über diese Frage abgeschlosten werden, sollen in jedem einzelnen Falle Gegenstand be­ sonderer Unterhandlungen zwischen den Regierungen bilden"'). Da­ durch sind mit voller Klarheit weitere Abmachungen zur Ermöglichung der Fortsetzung des Auslauschverkehrs in Aussicht gestellt. Im Ver*) Die in Betracht kommenden Verhältnisse werden im Berner „Bund", wie solgt, zusammengesatzt: „Die rechtli^e Gr»ndlaae der Verhandlungen bildete Art. 11 des sogenannten Trustvertrags. Diese Bestimmung sieht vor: 1. datz bis zum Abschlutz des Trustvertrages in der Schweiz lagernde, in deutskdem und österreichisch-ungarischem Besitz besindliche Waren, deren Meng« festgesetzt worden ist, im Kvmpensativnsverkehr ausgesührt werden können: 2. datz die Ausfuhr anderer Austauschwaren, die später in deutschen und

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trauen auf diese Bestimmung hat sich die Schweiz auf den Trust ein­ gelassen. In diesem Vertrauen ist sie bitter getäuscht worden. Die Entente legt jenen § 11 heute so aus, daß er sie keineswegs zur wei­ teren Zulassung des Austauschverkehrs verpflichtet. Die Schwei­ fühlt sich mit Recht betrogen, hat aber bei den Pariser Ver­ handlungen nicht die geringste Nachgiebigkeit von seiten Frankreichs und Englands erzielen können. („Frk. St" vom 21. August 1916.) Aus den Pariser Verhandlungen werden in den „Baseler Nach­ richten" folgende Einzelheiten mitgeteilt (10. August 1916): Der erste Punkt betrifft die 803 Wagen mit verschiedenen Waren im Werte von 9 Millionen Franken und die 25000 Ballen Baumwolle, die Deutschland in der Schweiz an sich gezogen hat. Die schweizeri­ schen Vertreter forderten die Einwilligung zur Ausfuhr dieses Vor­ rates gegen deutsche Kompensationen und versprachen in aller Form, die Schweiz werde künftig derartige „Accaparements" zu verhindern wissen. Diese allgemeine Forderung wurde wegen der Baumwolle zurückgewiesen. Die zweite Schweizer Forderung bestand in dem Vorschlag, dah die Schweiz von den Westmächten die Ermächtigung erhalten soll, zu­ gunsten Deutschlands gewisse Rohstosfe zu befördern unter der Be­ dingung, dasi Deutschland ihr die entsprechenden Mengen verarbeite­ ter Artikel derselben Ware liefert. Auch diese Forderung wurde abösterreichisch-ungarischen Besitz gelangen würden, Gegenstand besonderer Unter­ handlungen bilden sollte. In Erwartung der Gegenleistung hat uns nun Deutschland für viel« Millionen Waren ins Land geschickt, gestützt auf den ihm, wie aus der deutschen Presse deutlich hervorgegangen ist, bekannten Art. 11, insbesondere die oben unter 2. erwähnte Bestimmung. Die dort vorgesehenen besonderen Verhandlungen sind nun eben die beiden Pariser Konferenzen. Hier stellte sich di« Entente aus den Standpunkt, bah die Schweiz Einfuhr­ waren, die aus ihren Ländern stammen oder von ihr nur in di« Schweiz durch­ geführt werben, weder in verarbeitetem, noch in unverarbeitetem Zustand an die Mittelmächte weiter liefern dürfe. Die Bestimmung des Vertrages wird also tatsächlich so ausgelegt, datz die darin vorgesehenen besonderen Verhandlungen grundsätzlich negativ ausfallen und eigentlich zwecklos sein mützten. Es ist ohne weiteres klar, datz eine derartige Vertragsauslegung den be­ rechtigten Erwartungen der Schweiz widerspricht. Man kann sich nicht vorstellen, datz die Schweiz sich auf den Truswertrag eingelassen hätte, wenn gerade der­ jenigen Bestimmung jeder materielle Inhalt weginterpretiert werden sollte, die (wenn auch unter sehr einengenden Schranken) die völkerrechtlich gewährleistete wittschaftliche Bewegungsfreiheit des neutralen Staates für die Zukunft einigekmatzen sicherzustellen schien. Die wesentlichen Voraussetzungen, unter denen die Schweiz auf den Trustvettrag eingetreten ist, fallen damit weg.

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gelehnt, weil Deutschland noch einen großen Vorrat verarbeiteter Baumwolle besitze, und weil man der deutschen Industrie nicht Be­ schäftigung zu vermitteln wünsche. Autzerdem würden die Abfälle zur Herstellung von Sprengstoffen verwendet werden. Das einzige Zugeständnis oder vielmehr der einzige Gegenvorschlag, den die Ver­ treter der Westmächte machten, betrifft eine Art von Veredelungs­ verkehr. Es handelt sich dabei um Stücke von Nickel und Kupfer. Die Westmächte würden der Schweiz diese Metalle liefern, die diese alsdann in Deutschland würde verarbeiten lasten. Die Westmächte erklärten, es fei ihnen unmöglich, weiterzugehen, zumal da die Schweizer Delegierten offenbar unter deutschem Druck abgesandt wor­ den seien. Man machte darauf aufmerksam, daß Deutschland die Treuhandstelle in Zürich gegründet habe und daß die Westmächte darauf mit Gründung der 8.8.8. (der schweizerischen überwachungsgesellfchaft) geantwortet hätten. Mehr habe der Vierverband nie von der Schweiz gefordert, während Deutschland im Laufe des Krieges das Kompensationssystem erfunden habe. Diese letzten Bemerkungen, die das Verhalten der Westmächte der Schweiz gegenüber rechtfertigen oder wenigstens beschönigen sollen, stellen die Tatsachen vollständig auf den Kopf. Die Treuhand­ stelle in Zürich ist eine nur von Schweizern verwaltete, rein schweize­ rische Einrichtung, die nur im Intereste der Schweiz selbst tätig ist, während die „8.8.8." gleich der „N. O. T." (Neederlandschen Overzee-Trust) in Holland ganz unter englisch-französischer Kontrolle stehen und die Ein- und Ausfuhr allein vom Standpunkt der West­ mächte aus überwachen. Und was den Kompensationsverkehr betrifft, so ist er „erfunden" worden, um einen Warenaustausch zwischen Deutschland und der Schweiz während des Krieges überhaupt zu er­ möglichen. Ohne dieses Verfahren wäre Deutschland gar nicht in der Lage, die Schweiz mit den Waren versehen zu können, deren sie be­ darf und die sie nur von Deutschland erhalten kann. (Siehe auch „M. N. N." vom 17. August 1916, Nr. 417 und Nr. 419 und vom 23. September 1916, Nr. 486.) Deutschland hat nurt der Schweiz gegenüber in der erwähnten Note vom 9. Juni 1916 mit der Einstellung der Lieferung von Kohly und Eisen gedroht, wenn der Austauschverkehr nicht fortgesetzt und wenn namentlich die Maste der in Deutschland längst eingekauften und bezahlten Kompensationsware für von uns längst gelieferte Wa­ ren nicht freigegeben wird. Diese Drohung war Deutschlands gutes Recht. Die Entente hat auch hier die Schweiz, die auf die Einfuhr von

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Stahl, Eisen und Kohlen von Deutschland angewiesen ist, aufs bru­ talste vergewaltigt und in die gröhle Not gebracht (s. über das Schei­ tern der Pariser Verhandlungen den Drahtbericht der Schweizer Telegr.-Agentur vom 10. August 1916), die nur durch deutsches Ent­ gegenkommen in dem am 29. September 1916 abgeschlossenen Ver­ trage zwischen der Schweiz und dem Deutschen Reiche einigermassen behoben wurde'). (Siehe über dieses die offiziellen Verlautbarungen der Schweizer Telegr.-Agentur und des W. T. B. vom 29. Sep­ tember 1916.) Dagegen trägt die ganze Einrichtung der Treuhandstelle für den deutsch-schweizerischen Handel einen streng schweizerisch-nationalen Charakter, stellt einen die schweizerischen Interessen achtenden und annehmbaren Ausgleich zwischen deutschen und schweizerischen Be­ dürfnissen dar und hat, wie ja die schon vorhin angeführten Beispiele zeigen, den Verkehr zwischen Deutschland und der Schweiz den Verhältnissen entsprechend so sehr erleichtert, daß selbst die vierverbandfreundliche Presse der Schweiz anerkennende Worte über die guten wirtschaftlichen Beziehungen zu dem deutschen Nachbarstaate fand. Das ungeheure Material läht an dieser Stelle nur eine kurze Behandlung zu. d) Die Bunkerkohle der neutralen Schiffe als Bannware insbesondere. Neuerdings sucht man die kleineren neutralen Staaten des letzten Restes ihrer Selbständigkeit zu berauben dadurch, bah deutsche Bunkerkohle von England für Bann­ ware erklärt wurde. Am 18. April 1916 hat das Londoner Auswärtige Amt offiziell alle neutralen Schiffseigner gewarnt und ‘) Wieweit der Übermut der S. S. 8. geht, zeigt folgende Mitteilung vom 22. 9. 16.: „Wie Schweizer Blätter mitteilen, muh feit kurzem jeder schweizerische Kaufmann, der bei französischen Handelskammern in der Schweiz Ursprungszeug­ nisse für Warensendungen nach Frankreich visieren lasten will, in einer detailliert abgefaßten Erklärung nicht nur nachweisen, daß weder er noch seine Frau, noch seine Eltern, noch seine Firma irgendwelche deutschen und österreichischen Beziehun­ gen haben, sondern auch die unerhörte Verpflichtung übernehmen, mit Deutschland oder Österreich-Ungarn oder neutralen Häusern, die mit deutschen oder österreichi­ schen Firmen in geschäftlicher Verbindung stehen, während 10 Jahre weder Ab­ schlüsse zu machen noch Handel zu treiben. Für den Fall der Nichtachtung der von ihm unterzeichneten Bedingungen muh sich der Gesuchsteller verpflichten, eine Buhe von 30 000 Franken zu zahlen." Das „Berner Tagebl." bemerkt zu den neuen französischen Forderungen: „Immer deutlicher wächst der Iochboden empor, unter dem unsere Freiheit und Sicherheit begraben werden soll. Bei der Betrachtung der Erklärungen, die von de» schweizerischen Kaufleuten gefordert werden, treibt es jedem aufrichtigen Patrioten die Schamröte ins Gesicht, baß unsere Neutralität von mancher Seite so gering ge-

44 darauf hingewiesen, bafe alle Kohle deutschen Ursprungs, sei sie Ladung oder Bunkerkohle, die sich auf neutralen Schiffen befindet, der Wegnahme oder Zurückbehaltung ebenso unterliegt wie andere Waren, die unter die englische Bannwarenliste fallen. Die Eigen­ tümer neutraler Schiffe würden daher in Zukunft gut tun, sich zu vergewissern, daß die von ihnen bezogene Bunkerkohle nicht deutschen Ursprungs ist und sich von den englischen Konsularvertretungen Bescheinigungen darüber zu verschaffen. Das ist in der Tat etwas geradezu Ungeheuerliches und in der ganzen Kriegsgeschichte noch nicht Dagewesenes. England mißachtet nun­ mehr auch den Art. 29 der Londoner Seerechtsdeklaration, den es zu Anfang des Krieges selbst anerkannt hatte. Danach dürfen Gegen­ stände und Stosse, die zum Gebrauch des Schiffes selbst bestimmt sind, auf dem sie vorgefunden werden, überhaupt nicht als Bann­ ware erklärt werden. Nach der neuesten englischen Anordnung ist aber auch Kohle für den eigenen Gebrauch der Schiffe Bannware, wenn sie aus Deutschland stammt. Dem deutschen Kohlenmarkt kann das gleichgültig sein. Er liefert an die Neutralen immerhin nur, was wir an Kohle entbehren können, und gegen den deutschen Kohlen­ markt ist das Ganze auch nicht gemünzt. Der Hauptzweck war, die neutrale Schiffahrt völlig in den englischen Bann zu zwingen. Schlietzlich werden gar auch noch die Maschinen für Bannware erklärt, wenn sie aus Deutschland stammen, und der Schiffskörper selbst, wenn eine deutsche Werft ihn gebaut hat. Es bleibt jetzt den neutralen Schiffen nur übrig, sich mit englischer Kohle zu versorgen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, mitsamt der in Deutschland gekauften Bunkerkohle als gute Prise erklärt zu werden. Nun kommt aber etwas ganz besonders Raffinier­ tes noch hinzu. England liefert den neutralen Schiffen nur Kohle unter ganz besonderen Be­ dingungen. Je knapper infolge des erfolgreichen deutschen U-Boot-Krieges der englische Schiffsraum wurde, desto mehr suchte man, den Schiffsraum der neutralen Staaten für Englands Ver­ sorgung sich zu sichern. Man liefert in England den neutralen Schiffen Kohle nur unter der Be­ dingung, datz mindestens 30% des Schiffsraumes nur für englische oder für nach England be­ stimmte Ladungen benutzt werden. Damit lausen die achtet wird. Die Forderungen kennzeichnen sich als eine Vergewaltigung, wie man sie sich nicht schlimmer denken kann. Der ganze Tenor der Erklärung ist ein Schimpf, der allen Schweizern aus der Seele brennen mutz. Wir lehnen solche Zumutungen ab, konstatieren aber auch mit Trauer und Beschämung, wie sehr uns gewisse Kreise schon für eine reife Frucht ihrer systematischen Einkreisung halten."



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neutralen Schiffe in keine geringe Gefahr. England wird sich keineswegs bedenken, auch Bannware auf solche Art zwangsweise von neutralen Schiffen befördern zu lassen. Dann riskieren jene neutralen Schiffe, die sich der englischen Tyrannei fügen, unter Umständen ein Opfer der deutschen U-Boote zu werden. Anderer­ seits leidet die eigene Versorgung der neutralen Länder stark, wenn mindestens 30% des neutralen Schiffsraumes für rein englische Zwecke benutzt werden müssen. Im Oktober 1916 verband man die Kohlenverweigerung und die Ächtung durch die schwarzen Listen im Falle des norwegischen Dampfers „Prundelle". Dieser war bei Bergen auf Grund ge­ stoben. Da der Dampfer jedoch auf der englischen schwarzen Liste stand, wurde von norwegischen (!) Bergungsdampfern der Beistand verweigert, weil die Bergungsgesellschaft im Falle der Hilfeleistung keine Kohlen mehr von England erhalten hätte. Aus Furcht vor dem Seetyrannen England kann also ein neutrales Schiff die von allen seefahrenden Völkern sonst geleistete Hilfe in Seenot nicht erhalten und wird der Gefahr der Vernichtung ausgesetzt! (Siehe unten Kap. 46 über die Schwarzen Listen.) Es ist begreiflich, datz sich sogar in der holländischen, dänischen und schwedischen Presse ein Sturm der Entrüstung über dieses Stück hinterlistiger englischer Gewaltpolitik erhoben hat und Englands Vorgehen aufs schärfste gebrandmarkt wird. Dieser englische Ge­ waltakt bedeutete in der Tat nichts mehr und nichts weniger als die völlige Lahmlegung der neutralen Schiffahrt oder, wenn sie sich den englischen Bedingungen fügte, völlige bedingungslose Kapitulation vor englischer Seetyrannei. Das Ganze ist aber wieder ein Beitrag zu der schon sattsam bekannten Art und Weise, wie England für die Rechte der „kleineren Nationen" eintritt, wie es doch noch immer von englischen Staatsmännern feierlich versichert wird. Nach eng­ lischer Austastung bestehen diese Rechte lediglich darin, daß die kleineren Nationen willenlos sich dem Londoner Kommando fügen und sich zu allem gebrauchen lasten, was dem englischen Intereste dienlich ist. Sie haben das Recht, nach der englischen Pfeife zu tanzen, im übrigen pfeift man in England auf ihre Rechte. III. Nochmals Englands Handelskrieg gegen Neutrale im allgemeinen'). Die deutsche Regierung hat den in Berlin bealaubigten Ver­ tretern der neutralen Staaten unter dem 17. Juni 1916 nachstehende l) über d i e Verhältnisse mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika s. unten in Teil 3 die ganze Darstellung. überhaupt ist der Seekrieg durchaus vom Gesichtspunkte des Wirtschaftskriegs zu betrachten.

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Denkschrift über völkerrechtswidrige Mahnahmen Englands gegen neutrale Firmen, die Handelsbeziehungen zu Deutschland unter­ halten, überreicht. Sie lautet: Durch ein Gesetz vom 23. Dezember 1915 ist die grvtz britannische Regierung ermächtigt worden, Firmen im neutralen Ausland wegen ihrer feindlichen €toots» angehörigteit oder wegen ihrer Beziehungen zu Feinden den feindlichen Ausländern im Sinne der Vorschriften über das Handelsverbot gleichzustellen. Diese Gleich­ stellung bedeutet, wie durch eine Ausführungsverordnung vom 29. Februar 1916 näher festgestellt wurde, nicht nur ein Verbot des ^Abschlusses neuer Handelsgeschäfte mit britischen Firmen, sondern auch einen weitgehenden Eingriff in die wohlerworbenen Privatrechte der betroffenen Unternehmungen: insbesondere sind diese den nachstehenden Bestimmungen unterworfen: Das in England befindliche Vermögen der Unternehmungen ist ge­ sperrt, d. h. sie können ohne Genehmigung der Regierung nicht darüber verfügen, beispielsweise Guthaben bei englischen Banken und Forderungen an englische Firmen weder einziehen noch abtreten (Sektion 6 der Tradirg with the Enemy Amerdment Act, 1914), auch Wertpapiere, die in England ausgestellt sind, nicht übertragen (Sektion 8 ebenda). Der Gegenwert fälliger Zinsscheine oder sonstiger Wertpapiere kann nach Belieben des Schuldners bei Gericht hinterlegt werden (Sektion 7 des bezeichneten Gesetzes). Rach Gutdünken des Handelsamts kann jeder ihnen gehörige Vermögensgegenstand im Vereinigten Königreich, insbesondere jeder Anteil an britischen Aktiengesellschaften und sonstigen Handelsgesellschaften, selbst wenn die Aktie sich nicht im britischen Machtbereich befindet, zwangsweise verkauft und der Erlös hinterlegt werden (Sektion 4 der Trading with the Enemy Amendment Act, 1916). Rach der britischen Rechtsprechung, wie sie sich in diesem Kriege im Gegensatz zu der weniger schroffen Auffassung früherer britischer Urteils­ sprüche ausbildete, hat das Handelsverbot zur Folge, datz Kauf- und Lieferungeverträge der Betroffenen mit britischen Firmen in der Regel als auf­ gelöst gelten: auch können die Betroffenen vor britischen Gerichten nicht als Kläger auftreten. Die britische Regierung hat mittels einer offenbar amtlich veranlatzten Presfeveröffentlichung sowie in einem dem Parlament mitgeteilten Notenwechsel mit der Amerikanischen Botschaft in London (Miscellaneous no. 11, 1916) diese ln der Geschichte der neueren Zeit unerhörtenEingrisse in die Privat­ rechte von Neutralen damit zu rechtfertigen gesucht, datz es sich nur um eine gemilderte Übernahme des von der französischen Negierung auf dem Gebiete des Handelsverbots durchgeführten Nationalitätsprinzips handle, das angeblich von vielen neutralen Staaten als Grundlage ihres Verhallens im Falle eines von ihnen geführten Krieges bezeichnet worden sei: ja sie hat es unternommen, ihr Vorgehen als Dem Geiste der Rücksicht auf die Neutralen eingegeben hinzustellen. Die Haltlosigkeit dieses Rechtfertigungsversuchs liegt auf der Hand. Zwar hat die französische Regierung bald nach Kriegsausbruch unter Verleugnung der von ihr selbst noch kurz vor dem Kriege anerkannten Grundsätze in der Form eines Handelsverbots das in ihrem Machtbereich be-

47 findliche Privatvermögen von Angehörigen des Deutschen Reichs ohne Rücksicht Huf deren Wohnsitz beschlagnahmt. Abgesehen von Ausnahmefallen, die, soviel bekannt, alsbald zu diplomatischen Reklamationen geführt haben, ist sie aber Nicht so weit gegangen, neutrales Eigentum anzutasten. Roch weniger hat irgend ein neutraler Staat zu erkennen gegeben, dah er im Falle eines von ihm geführten Krieges ein solches Verfahren anzuwenden beab­ sichtige. Die britischen Bestimmungen dagegen treffen nicht nur die im neutralen Ausland ansässigen Deutschen, sondern auch neutrale Firmen, wenn daran Nur irgendwie deutsches Kapital beteiligt ist, ja wenn sie nur in irgendwelchen Verbindungen mit deutschen Handelshäusern stehen. Die britische Regierung hat auch nicht gezögert, die Bestimmungen in diesem Sinne anzuwenden, so daß schon jetzt die Liste der von ihr versemten Firmen mit ausschlietzlicher oder über­ wiegender Beteiligung neutralen Kapitals einen erheblichen Umfang angenommen hat und zahlreiche neutrale Länder umsaht. Insbesondere enthält die Liste nicht wenige neutrale Aktiengesellschaften, die sowohl nach einem allgemein anerkannten Sahe des Völkerrechts als Gesellschaften mit selbständiger Rechtspersönlichkeit als Angehörige des Staates, in dem sie rechtmätzig errichtet wurden, anzusehen sind und vollen Anspruch aus den Schutz dieses Staates gegenüber anderen Mächten haben. So ungewöhnlich und bar jeden Scheines von Berechtigung die geschilderten Eingriffe Englands in die Privatrechte der auf die Schwarze Liste gesetzten Neutralen sind, so werden sie an Bedeutung doch noch Übertrossen durch die Wirkungen, welche die britischen Behörden dem Gesetz über seinen eigentlichen Geltungsbereich hinaus tatsächlich zu geben wissen. Durch die Drohung der Aus­ nahme in die Liste üben Grobbritanniens Vertreter in vielen neutralen Ländern fcinen Druö ohne gleichen aus einen groben Teil der dortigen Handels­ welt aus. Wer diesen Vertretern nicht Bücher und Gefchästsgeheimnisse preisgibt, wer sich weigert, auf ihr Verlangen deutsche Angestellte zu entlassen, ölet wer sich nicht in allen Einzelheiten ihren Weisungen über die Führung seiner Geschäfte fügt, wird mit der Ausnahme in die Schwarze Liste be­ droht. Nicht selten dient der Kampf gegen angebliche deutsche Einflüsse nur als durchsichtige Raste einer rücksichtslosen britischen Interessen-

Politik. Die deutsche Regierung mutz es den einzelnen neutralen Regierungen über­ lassen, wie wer sie sich den britischen Übergriffen aus tatsächlichen Gründen fügen wollen, obwoh eine solche Nachgiebigkeit mit dem Geiste wahrer Neutralität schwer veremdcr erscheint. Vom Standpunkt des internationalen Rechtes unterliegt es jedenfalls ko'nem Zweifel, dah das Recht der Neutralen, mit den Angehörigen einer kriegfShrmden Macht friedliche Handels- und Finanzbeziehungen zu unter­ halten, lebiflltd an den Grundsätzen über Seeprisen seine Grenzen findet, nicht aber durch Vtmögenssperre und amtlichen Boykott beeinträchtigt werden darf.

Die „8rff. Ztg." erhält Unterlagen dafür, daß die englische An­ ordnung, dezufolge holländische Besitzer englischer Banknoten über ihre Depots nur verfügen können, wenn sie der englischen Regierung einwandfreic Beweise dafür liefern, datz sie die freigewordenen Gelder und Wertpqüere nicht zu Geschäften mit den Feinden Englands ver­ wenden, »idt nur gegen holländische Bankdepots oder etwa allein

4» gegen Depots von Banken, sondern gegen jegliches Depot, also auch solche von privater Seite, getroffen wurden. Jeder Neutrale, einerlei welcher Neutralität, der in London ein Depot unterhält, soll darüber künftig nur verfügen können, wenn er vorher einen Revers unter­ zeichnet, in dem er sich verpflichtet, dah er die beanspruchten Gelder oder Wertpapiere nicht zu irgendwelchen Geschäften mit den Feinden Englands benutzen wird. Dem Neutralen, der diesen Revers nicht unterzeichnet, wird also in Zukunft in England die Aushändigung seines Eigentums verweigert. Das bedeutet einen unerhörten Eingriff in das freie Verfügungs­ recht neutraler Besitzer englischer Depots, der an Willkürlichkeit und Brutalität kaum übertroffen werden kann.

IV. Vernichtung des deutschen Handels auch nach dem Kriege — das Ziel englischer Politik. Der englische Handelsminister Runciman war der Ansicht, datz Deutschland bereits kommerziell geschlagen sei, wie er wiederholt im Unterhause versicherte. Er wollte aber schon jetzt Vorkehrungen treffen, datz Deutschland sich überhaupt kommerziell nicht wieder erholt. So machte er dem Unterhause am 23. Dezember 1915 Mitteilungen über Handelsprobleme nach dem Kriege, mit denen das Handelsamt sich jetzt beschäftige. Es sei die Pflicht des britischen Volkes zu verhüten, daß Deutschland nach dem Kriege wieder in die Höhe komme. Es werde untersucht, wie weit die Deutschen sich des britischen Handelssystems bedienen, wie weit deutsche Schisse britische Häfen besucht hätten und wieviel Grundbesitz in den Händen von Ausländern sei. Am 10. Januar 1916 wiederholte der englische Handelsminister seine Äußerungen und sagte u. a.: „Wir müsien darüber wachen, daß nach einem siegreichen Ausgange des Krieges Deutschland nicht sein Haupt erhebt, um einen ökonomischen Feldzug zu beginnen." Was für weitgehende Pläne im einzelnen die englische Regierung verfolgt, um dieses Ziel zu erreichen, wisien wir noch nicht genau. Zunächst sind einige vorbereitende Gesetze eingebracht und angenommen worden. Das frühere Gesetz, welches verhindern sollte, datz britische Privatpersonen oder Gesellschaften mit feindlichen Untertanen oder feindlichen Firmen im neutralen Auslande Handel treiben, wurde verschärft und zur Durch­ führung der Verschärfung im Auswärtigen Amt eine neue Abteilung gegründet. Ein zweites vorbereitendes Gesetz hat in den letzten Tagen bereits zwei Lesungen im llnterhause durchlaufen. Es wurde ein-

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stimmig angenommen. Das Handelsamt wird danach ermächtigt, gegen feindliche Unternehmungen oder solche Unternehmungen, an denen feindliche Untertanen beteiligt sind, kräftig vorzugehen. Wenn das Handelsamt sich überzeugt hat, daß ein Betrieb infolge seines feindlichen Charakters oder seiner Beziehungen zum Feinde ganz oder hauptsächlich Untertanen feindlicher Länder zugute kommt, hat es das Recht, diesen Betrieb zu verbieten oder zu liquidieren. Für alles feste oder bewegliche Eigentum des Feindes kann ein Verwalter eingesetzt werden. Wenn feindliche Untertanen Anteile an einer Gesellschaft besitzen, können diese an die Gesellschaft verkauft werden. Auch Patentrechte feindlicher Ausländer kommen hierbei in Betracht. Während die drei früheren Gesetze über den Handel mit dem Feinde in ihrer Wirksamkeit auf die Dauer des Krieges beschränkt waren, soll durch das letzte Gesetz der Regierung ein Faustpfand für den Fall gegeben werden, datz ein Handels­ krieg unmittelbar auf die kriegerischen Feind­ seligkeiten folgen werde. Die dem Handelsverkehr mit feindlichem Gut auferlegten Beschränkungen sollen so lange in Kraft bleiben, bis eine sogenannte „Order in Council“, d. h. ein vom König unterzeichneter Beschluß des Ministerrats die Außerkrastsetzung verfügt. Bei der Beratung des Gesetzes im llnterhause erklärte ein Vertreter des Handelsministers aus­ drücklich, das Gesetz werde gemäß der Absicht angewendet werden, von der es eingegeben sei, damit man die Deutschen aus dem britischen Geschäft los werde. Zu gleicher Zeit ist eine Bewegung eingeleitet worden. Deutsche und Österreicher für immer von der Londoner Börse zu entfernen. Neuerdings berichteten holländische Blätter, daß die von England angedrohte Verschärfung der sogenannten Blockade darin bestehen soll, daß eine K o n t r o l l st eile des gesamten Überseehandels eingerichtet wird, die den Zweck verfolgt, den Überseehandel in die Hände englischer Importfirmen zu bringen. Die neutrale Schiffahrt wird dann den neutralen Ländern die Waren für englische Rechnung zuführen. Damit bieten sich für die Eng­ länder zwei Vorteile. Zunächst wird der Umfang der Waren­ sendungen nach denjenigen neutralen Ländern beschränkt, von denen anzunehmen ist, daß die Waren zum Teil noch die Feinde erreichen. Ferner würden die Geldgewinne, die heute die Neutralen allein einstecken, mit England zu teilen sein. Der Hauptzweck dieser Neue­ rung geht aus einer Anmerkung des Ministers R u n c i m a n hervor, der diesen Plan bearbeitet hat. Danach versucht flRü((er‘‘Vteiningen, Weltkrieg und Völkerrecht. 4. Aufl. II. Bd.

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5° England durch diese Maßnahme seinem Haupt­ ziel, der Eroberung des Welthandels, näherzu­ kommen. Wie weit die Beschlüsse der Pariser Wirtschaftskonferenz vom Sommer 1916 diesem Ziele vorgearbeitet haben, ist aus den ver­ öffentlichten Presseberichten schwer zu erkennen (s. die russische Ein­ schätzung im nächsten Kapitel lit. CII Anmerkung 3 S 55). 45. Kapi 1 el. Tuhland. Frankreich und. Italien folgen der englischen Wirtschaftskriegsichrung.

A. Frankreich. Vertrags- und Völkerrechtsbruch steckt an beim Gegner muh er in Gestalt von erlaubten Repressalien anstecken. Er steckt aber auch den Bundesgenossen des Frevlers an. England kann sich wenigstens darauf beziehen, bah der brutale Wirtschaftskrieg, so mittelalterlich er anmutet, immerhin einer alten englischen Gewohnheit entspricht, die erst die Haager Konferenz ausdrücklich beseitigte, wenn ihr Gegenteil auch sonst bereits als Usance aller Kulturstaaten galt. Was soll man aber dazu sagen, wenn ein Staat wie Frankreich, der bisher ganz abweichende Anschauungen über die wirtschaftlichen Konsequenzen des Krieges pflog, ohne weiteres das englische Vor­ bild nachäsfte und den deutschen Sieger durch solche Mahregeln erst recht zu völliger finanzieller und wirtschaftlicher Vernichtung des besiegten Frankreich zwingt? Das ist eine Vabanquepolitik der Herren PoincarL und Eenosien, die die völlige geistige Abhängigkeit von den englischen „Herren und Gebietern" zeigt. Der unter dem Titel „Boykott LLgal" im „Figaro" veröffent­ lichte Erlah des Präsidenten der Republik lautet nach der vom „Handelsvertragsverein" Berlin zur Verfügung gestellten Übersetzung folgendermahen: „1. 3n Anbetracht des Kriegszustandes und aus Gründen der Landes­ verteidigung wird hiermit jeder Handel mit Angehörigen des Deutschen Reiches und Ssterreich-Ungarns fürderhin untersagt. Desgleichen wird Untertanen dieser Staaten verboten, innerhalb Frankreichs oder der französischen Schutzgebiete irgend­ ein Handelsgeschäft, sei es unmittelbar oder durch Mittelspersonen, zu betreiben. 2. Als Vergehen gegen die öffentliche Ordnung und nichtig erklärt werden alle Verträge ober sonstigen Vereinbarungen, welche irgendeine Person innerhalb Frankreichs (einfchlietzlich Schutzgebiete), ein französischer Untertan bzw. Schutz-

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genösse cm einem beliebigen Ort mit Untertanen des Deutschen Reiches und Ssterreich-llngarns oder mit Personen, die in diesen Staaten wohnen, eingegangen ist. Die Wirksamkeit dieser Wchtigkeitserklärung beginnt Deutschland gegenüber mit dem 4. August, Österreich-Ungarn gegenüber mit dem 13. August d. 3. und bleibt in Kraft während der ganzen Kriegsdauer bis zu einem später behördlich festzusetzenden Endtermin*)'). *) Wie das „33. T." schreibt, entschied am 9. Januar 1915 die 10. Pariser Strafkammer, datz Verträge zwischen Deutschen und Franzosen trotz des Kriegs in gewissen Fällen anzuerkennen find. Zur Verhandlung stand die Klage eines deutschen Staatsangehörigen gegen einen Automobilführer und die Vereinigte Drofchken-Automobil-Gesellschast wegen Körperverletzung. Der Kläger, der bei Beginn des Kriegs nach Deutschland zurückgekehrt ist, war durch einen Anwalt vertreten, die Gegenpartei focht die Berechtigung der Vertretung an. Das Gericht entschied dagegen, der Vertrag -wischen dem Deutschen und dem Anwalt zum Zwecke der Rechtsverteidigung bestehe fort. Die Sache wurde dann bis -um Ende der Feindseligkeiten vertagt. *) Die französischen Anwälte beschlosien, feindliche Ausländer nicht mehr zu vertreten. 3n der Frage, ob Rechtsanwälte die Angehörigen feindlicher Staaten vertreten sollen, nimmt der Vorsitzende des deutschen Anwalts­ vereins, Geheimrat Dr. Haber in einem Aussatz in der „Juristischen Wochenschrift", 15. April 1916, Stellung. Er teilt den Beschluß der Pariser An­ wälte, den sie auf Millerands Antrag gefaßt haben, mit seinen Gründen im Wortlaut mit. Danach darf kein Pariser Anwalt einen feindlichen Ausländer vertreten, wenn er nicht die ausdrückliche Erlaubnis des BLtonnier hat. Der Beschlutz wird mit der besonderen Art der deutschen Kriegführung begründet. Demgegenüber zeigt Haber schlagend, wie Frankreich überall mit völkerrechts­ widrigen Eingriffen in das deutsche Privateigentum vorangegangen und Deutsch­ land nur im Wege der Abwehr zögernd gefolgt ist. Gegenüber den Pariser An­ wälten führt er aus: „Gewiß gibt der Krieg den Angehörigen beider Staaten Veranlassung, im Verkehr miteinander Zurückhaltung und Vorsicht zu üben. So­ weit er aber auch im Kriege unvermeidlich ist, wie etwa zwischen Ärzten und Verwundeten, Soldaten und Gefangenen, oder zwischen dem sein Recht verfolgenden Publikum und den Organen der Rechtspflege, können die, welche nach dem Recht dem anderen Teil -um Beistand verpflichtet sind, sich nicht unter Berufung aus die angemesiene Enthaltung vom Verkehr der Erfüllung ihrer Pflicht entziehen." Die deutsche Rechtsanwaltschaft darf nach ihren Standesgrundsätzen demjenigen, dem das Gesetz den Zugang -um Gericht eröffnet, ihren Beistand nicht versagen. Haber nennt es die Forderung der heutigen Zeit, datz der Anwalt seine Berufs­ treue der Aufregung des Krieges nicht zum Opfer bringe, und der aufgeregten Pariser Verwirrung von Politik und Recht stellt er die Sätze entgegen: „Ge­ rechtigkeit zu üben auch im Kriege, und besonders gegenüber denjenigen, die nur den friedlichen Kampf um ihr Recht führen wollen, ist das nobile officium der Organe der Rechtspflege. . . . Gerechtigkeit erhöhet ein Volk. Wer, berufen an der Ver­ wirklichung des Rechts mitzuarbeiten, das Gebot der Gerechtigkeit verleugnet — wem gegenüber es auch fei —, untergräbt das Vertrauen zu der Rechtspflege und schädigt das Ansehen seines Standes und seines Vaterlandes." Mit diesen Ausführungen stellt sich der Wortführer der deutschen Anwaltschaft auf denselben Boden wie das Reichsgericht in seinem Erkenntnis vorn 26. Oktober 1914.

52 3. Während der gleichen Frist wird verboten und als Vergehen gegen die öffentliche Ordnung erklärt, zugunsten von Angehörigen des Deutschen Reicheoder Österreich-Ungarns oder von Personen, die sich in diesen Ländern aufhalten, irgendwelche geldlichen oder sonstigen Verpflichtungen zu erfüllen auf Grund von Verträgen und Vereinbarungen, welche vor den angegebenen Zeitpunkten von irgendeiner Person innerhalb Frankreichs (einschließlich Schutzgebiet) oder von einem französischen Untertan bzw. Schutzgenosien an einem beliebigen Ort eingegangen worden waren. — Wenn ein Vertrag oder eine Vereinbarung der bezeichneten Art bis zum Inkraftreten dieses Erlöstes noch keine Warenlieferung oder Geldleistung zur Folge gehabt hat, so kann aus Antrag von Angehörigen Frankreichs, der französischen Schutzgebiete sowie der verbündeten oder neutralen Staaten die Nichtigkeitserklärung durch Beschluß des Zivilgerichts-Präsidenten ausgesprochen werden. 4. Die Vorschriften unter 2 und 3 gellen auch für solche Verträge oder Vereinbarungen, welche etwa durch eine Mittelsperson zustande gekommen sind. 5. über Patente und Warenzeichen deutscher und österreichisch-ungarischer Staatsangehörigen sowie über die in diesen beiden Ländern domizilierten Lebens­ und Unfall-Versicherungsgesellschaften wird ein besonderer Erlab erfolgen. 6. Der vorliegende Erlab wird hiermit den beiden Kammern zum Vollzug vorgelegt."

Auch Frankreich frevelt hier gleich England gegen den von ihm ratifizierten Grundsatz des Art. 23 lit. h und zwingt Deutschland zu entsprechenden Maßnahmen, die teilweise unterm 20. Oktober 1914 erlassen worden sind. Freilich hatte Frankreich anscheinend schon vom Anfange des Krieges an die ganze „Haltung" verloren und trotz des ausdrücklich wiederholten Verbots der Landkriegsordnung in der Fassung von 1899 und 1907 an dem Privateigentum der Bürger des gegnerischen Staates nach schlechtem englischen Vorbild in einer Weise gefrevelt'), wie dies noch niemals in einem Kriege des 19. oder 20. Jahrhunderts geschah. *) Nach der „Nordd. Allg. Ztg." vom 10. November 1914 ist in Frank­ reich nur die Zwangsverwaltung sämtlicher deutscher Unternehmungen angeordnet worden (Zirkular vom 13. Oktober 1914). Nach dem „Temps" von Mitte Januar hat der französische Iustizminister in der Liste der bis 5. Januar 1915 in Frankreich vollzogenen Beschlagnahmen 4001 landwirtschaftliche, industrielle und kaufmännische Unternehmungen sowie Güter von 2187 deutschen und öster­ reichischen Staatsangehörigen beschlagnahmt. Dagegen siehe Bundesratsverord­ nung betreffend Überwachung ausländischer Unternehmungen vom 4. September 1914 und 22. Oktober 1914. „Weitere Maßnahmen sind in Vorbereitung". (Siehe auch Zeitschrift des Handelsvertragsvereins Nr. 18 S. 201 über den deutschfranzösischen Handelskrieg, die „Ligue Antiallemande“, eine neue „Nationalmarke" usw.) Der Berner „Bund" teilte Januar 1915 mit, datz durch zivilgerichtliche Verfügung alle Wertpapiere, die in Frankreich bei Banken, Kreditanstalten usw. für Rechnung deutscher und österreichischer Staatsangehörigen aufbewahrt wurden, beschlagnahmt wurden. Ein neuer Völkerrechtsbruch! Deutschland dagegen, besten Bundesratsverordnung vom 26. November 1914

53 Auf derselben Stufe absoluter Mißachtung des völkerrechtlichgarantierten Privateigentums steht die Verfügung, nach der laut Bekanntmachung der Generalzolldirektion vom 13. August 1914 alle Waren deutschen oder österreichischen Ursprungs, auch Durchfuhr­ waren, die entweder noch nicht angemeldet oder für deutsche oder österreichische Empfänger bestimmt sind, zwecks ihrer Einziehung und Veräußerung zugunsten der Staatskasse angehalten werden sollten. Dagegen werden die für Empfänger anderer Nationen bestimmten Waren diesen ohne weiteres zugestellt. Die bereits angemeldeten, ln Zollniederlagen befindlichen Waren der genannten Herkunft sind nach dem Generaltarif, nicht nach dem Mindesttarif zu verzollen. Es handelt sich auch hier um eine Beschlagnahme von feindlichem Privateigentum, die wohl als bisher unerhörte Verletzung allgemein anerkannter Grundsätze des Völkerrechts bezeichnet werden darf. Natürlich haben die englischen Zollbehörden dieselben Maßregeln erlösten. Als Gegenmaßregel ist die Bundesratsverordnung, betr. die Behandlung feindlicher Zollgüter, vom 15. Oktober 1914 ergangen. — Siehe im übrigen die französischen Maßnahmen gegen das deutsche Privateigentum „Franks. Ztg." Nr. 3281914. Dortselbst auch ein Zirkular des Iustizministers Briand über die Aufgabe der französischen Zwangsverwaltung „als eine lediglich beschützende Ein­ kassierung der Guthaben und Begleichung der Schulden"'). Wie der „Lyon RLpublicain" meldet, nahm der französische Senat am 30. Juli 1915 einen Befchlußantrag an, in dem die Regierung aufgefordert wird, die diplomatischen Verhandlungen mit den Verbündeten fortzusetzen, um zu einem internationalen Ab­ kommen zur Durchführung gemeinsamer Maßnahmen bezüglich eines Handelsverbotes gegen Deutschland undS st erreich-Ungarn zu gelangen. Der „Temps" meldet: „In der Kammer wurde ein Gesetzantrag eingebracht, wonach die Einfuhr von Waren deutscher und österreichisch-ungarischer Herkunft, selbst wenn das Ursprungsland angegeben ist, strafrechtlich verfolgt werden soll. Eine Ausnahme darf nur erfolgen, wenn die Einfuhr solcher Waren im Interesse der Landesverteidigung als geboten erscheint, sofern die zwangsweise Verwaltung französischer Unternehmungen zulätzt, führt diese nicht nur peinlich durch, sondern schützt französische Iagdpächter gegen Wilddiebe usw. *) Siehe auch die französischen Dekrete vom 13. März 1915 betr. Matznahmen gegenüber deutschen Waren, Dekret vom 29. September 1914 betr. deutsche Versicherungsgesellschaften in Frankreich, französisches Zirkular vom 13. Oktober 1914 betr. Beschlagnahme deutscher Unternehmungen in Frankreich

54 das Einsuhrverbot durch einen Ministerbeschluß für jeden einzelnen Fall aufgehoben worden ist. Der Zollausfchuß der Kammer hat den Gesetzantrag ange­ nommen *)."

B. Natürlich hat Italien flugs England und Frankreich alles nach­ geahmt. Die italienische Negierung hat am 24. Juni 1915 eine Verordnung erlassen, nach der alle seit dem 24. Mai 1915 von An­ gehörigen der österreichisch-ungarischen Monarchie vorgenommenen Übertragungen von Eigentum an unbeweglichen Gütern und Rechten sowie die Abtretung von Forderungen usw. in Italien und den italie­ nischen Kolonien keine rechtliche Wirkung haben. Gleichzeitig wurde ihnen die aktive Prozeßfähigkeit abgesprochen. Gemäß den Be­ stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Behandlung der Ausländer auf Grundlage der Gegenseitigkeit können nunmehr italie­ nische Staatsangehörige vor den österreichischen Gerichten keinen Rechtsstreit anhängig machen oder fortsetzen und daher die Zahlung ihrer Forderungen gegen österreichische Schuldner im Wege der Klage oder der Zwangsvollstreckung nicht erzwingen. Die österreichische Re­ gierung hat jedoch, wie W. T. B. meldet, davon abgesehen, die Ver­ fügungen der italienischen Regierung, die sich gegen Rechtsgeschäfte österreichischer Staatsangehörigen kehren, mit Vergeltungsmaß­ nahmen zu erwidern, weil die Ungültigkeitserklärung mit italienischen Staatsangehörigen abgeschlossener Verträge unter Umständen für daran beteiligte Inländer unerwünschte Wirkung haben könnte. Im März 1916 wurde bekannt, daß Italien, obwohl es bis 26. August 1916 noch nicht im Kriegszustände mit Deutschland war, 37 deutsche Handelsschiffe völkerrechtswidrig beschlagnahmte und für sich verwendete (s. das Weitere Kap. 44). *) Ein sehr interessantes Schlaglicht auf die Auffassung, die in gewissen französischen Beamtenkreisen herrscht, wirft eine Anfrage des französischen Abge­ ordneten Moutet, die im „Journal ofsiciel" vom 23. Juli 1916 veröffentlicht ist. Es heitzt da: „Ist es dem Herrn Kolonialminister bekannt, 1. daß in der französischen Kolonie Indochina aus Vorschlag des Generalstaatsanwalts angeordnet wurde, baft vom Jahre 1915 ab in Hanoi ein einziger Beamter, statt wie bisher zwei, das Arni eines Maklers für Zwangsversteigerungen bekleiden sollte, ein Arni, dessen Einkünfte sich in dem genannten Jahre durch die Liquidationen des feindlichen Eigentums auf über 200 000 Franken gehoben haben sollen; 2. daß der bis­ herige zweite Makler von Hanoi, ein naher Verwandter des erwähnten hoben Beamten, nach Saigon geschickt worden ist, um sich dort in gleichem Maßstab mit seinen Kollegen in den Gewinn zu teilen; 3. welche Maßnahmen außer der für die Zukunft bereits verfügten Herabsetzung der Gebühren für den Zwangs­ verkauf feindlichen Eigentums gedenkt der Minister zu ergreifen, um dagegen ein­ zuschreiten?" In seiner Antwort stellte der Minister ein Disziplinarverfahren in Aussicht.

55

C. Rußland. I. Rußland kann und darf sich natürlich an Vertragsverletzung nicht durch die Kulturgenosten England und Frankreich übertreffen lasten: die Art. 53, 55 und 56 des Abkommens von 1907 (f. oben Kapitel 25, I. Band) deschränken das Beschlagnahmerecht eines ein Gebiet besetzenden Heeres ausdrücklich auf bares Geld, Wertbestände und For­ derungen des Staates, soweit dieses Eigentum des Staates geeignet ist, den Kriegsunternehmungen zu dienen. Aus den Be­ stimmungen geht ex argumento e contrario ebenfalls klar hervor, wie schmählich die Dreiverbandsstaaten alle bisherigen Völkerrechts­ gebräuche und Satzungen durch ihre wirtschaftlichen Kriegsmaßnah­ men verletzen. Privateigentum kann nur in dem Umfange des Art. 53 Abf. 2 beschlagnahmt werden, d. h. wenn es sich um Kriegsvorräte handelt (siehe oben I.Band, Kapitel 23 ff. u. 25, auch den Wortlaut der Art. 53, 55 und 56 der Landkriegsordnung). Das große russische Kriegsziel ist freilich die Vernichtung des deutschen Elementes in Rußland, in erster Linie des wirtschaftlichen Einflusses deutschen Handels und deutscher In­ dustrie (s. insbesondere bett Brief des Prof. Mitrofanoff in den Preuß. Jahrbüchern 1914, ferner „Nutzlose Slowo" (Juni 1915), f. Silvio Broedrich-Kurmahlen „Das neue Ostland" S. 24 und dort eine kurze Aufzählung all der amtlichen und nichtamtlichen Unterdrückungsakte gegenüber den Deutschen, s. auch die deutsche Denk­ schrift vom 10. Dezember 1915). In einem interessanten Artikel der „Augsb. A.-Z." (Ende Sep­ tember 1914) ist auf den Art. 822 der Allg. Gesetzsammlung, der russischen „Swod Sakonow", in den „Grundgesetzen" hingewiesen, wo es heißt: „Ausländer unterstehen sowohl persönlich als auch ihrem Eigentum nach den russischen Gesetzen und genießen alle Schutz­ bestimmungen dieser Gesetze." Mit Ausbruch der Feindseligkeiten fielen für die in Rußland an­ sässigen deutschen Staatsangehörigen alle auf den Handelsvertrag mit Rußland basierten Privilegien weg. Die russische Regierung brachte nach der Kriegserklärung den Behörden das sog. Ausländergesetz in Erinnerung. Rach Prvklamierung des Kriegszustandsgesetzes in den nord­ westlichen, polnischen und südwestlichen Gouvernements und des Ge­ setzes des „außerordentlichen Schutzes" in allen übrigen europäischen und asiatischen Gouvernements und Gebieten ist das gesamte deutsche Privateigentum demnach vor keiner Beschlagnahme mehr geschützt.

56 Das rigoroseste aller russischen Gesetze ist das des „autzervrdentlichen Schutzes", das eine Verspottung jeglicher Gesetzmäßigkeit ist. Die Generalgouverneure haben danach unumschränkte Gewalt über Leben und Freiheit, bewegliches und unbewegliches Eigentum oller Einwohner. Wenn es in dem Aufruf der „Nowoje Wremja" heißt, die definitive Stellungnahme der zuständigen Instanzen — wie Finanz- und Justizministerium — zu der Kvnfiskationsfroge deutschen Eigentums wäre noch unentschieden, so ist das für die Vollstreckung des Gesetzes irrelevant. Das Gesetz des „außerordentlichen Schutzes" ist ein Grundgesetz des russischen Staatsrechts. Dieses Gesetz gibt den Militärgouver­ neuren unbeschränkte Vollmachten in allen Dingen und entbindet sie auf die Dauer des sogen, „halben Belagerungszustandes" von aller Verantwortlichkeit vor den ordentlichen Gerichten. Würde in einem bestimmten Konsiskationsfalle, sei es Bankdepot oder unbewegliches Eigentum eines Reichsdeutschen oder einer deutschen Firma, der be­ treffende Gouverneur die Beschlagnahme verfügen, so wäre eine eventuelle Intervention des Finanz- oder Justizministeriums ganz wirkungslos und hätte praktisch gar keine Folgen, da der Gouverneur von keinen höheren Zivilinstanzen abhängig ist und die oberste Mili­ tärbehörde nie einen Einspruch des Justizministeriums beachtet. Daß diese Rechtsdarlegung in der „A. A.-Z." richtig ist, geht am besten aus einer geradezu ungeheuerlichen Äußerung der „Nowoje Wremja" hervor, die eine offene Verhöhnung nicht bloß des Abkom­ mens vom Jahre 1907 enthält, sondern überhaupt alle Grundsätze über modernes Kriegsrecht einfach mit einem Federzug wegfegt: Was schert es diese Kultur-Elite, daß außer Art. 23 Abs. 1 lit. h auch Art. 46 des von ihnen ratifizierten Abkommens ausdrücklich sagt: „Das Privateigentum darf nicht eingezogen werden." Der Satz gilt für sie nicht mehr! Das ist, um die Worte beim letzten Lordmayor-Bankett zu gebrauchen, eine „als Dogma auf­ gerichtete und gelehrte Barbarei", die sich die drei Großmächte zu schulden kommen lassen! Die leitende „Nowoje Wremja" sagt in jenem Artikel folgendes: „Wir wollen nicht die Frage der deutschen Depots bei den russischen Banken vom Standpunkte des Handels- und Induftrieintereffes betrachten, denn der Krieg fügt ihnen einen so vernichtenden Schaden zu, bofo das Schicksal dieses oder jenes Bankdepots keine katastrophalen Folgen sür die Allgemeinheit haben kann. Diese Frage kann nur vom Standpunkt des Elaalsinteresies aus betrachtet werden, und das erheischt, datz nicht eine Kopeke, die von Deutschen in Ruhland erworben und deponiert wurde, zum Schaden unserer militärischen Interessen verwendet werden darf.

57 Eine

ungehinderte

Auszahlung

der deutschen

und

österreichischen Depots

wird aber den Abfluß russischer Gelder ins Ausland und die Verwendung dieser Gelder für militärische Zwecke zur Folge haben. Man muß ungewöhnlich naiv sein, um nicht voraussehen zu können, welche schlimmen Folgen dadurch entstehen und wieviel unnütze Zeit, Mittel und Lebenskräfte von unserer Seite verbraucht werden, um den gegenwärtigen schrecklichen Streit zu dem gewünschten Ziele zu führen.

Wir sind keine Teutonen, finden aber, daß unsere Regierung die ihr vom

Gesetz zustehenden Machtbefugnisse ausnutzen kann und muß. Und da man augen­ scheinlich diese Machtbefugnisse der exekutiven Gewalten vergessen hat, so nehmen wir die Arbeit aus uns, die Regierung daran zu erinnern. Unser Gesetz überläßt den Regierungen und M i l i t ä r g e w a l t e n in der Zeit außerordentlicher Ereignisse innerhalb des Staatsbereiches

das

Recht,

das

bewegliche

Privateigentum

und

die daraus fließenden Einnahmen zu konsiszieren und das unbewegliche Vermögen in Z w a n g s v e r w a l t u n g zu nehmen. Absatz 18 Artikel 19 des Kriegszustandsgesetzes räumt dieses

Recht ein:

den Oberstkommandierenden, den kommandierenden Generalen und den obersten Militärbehörden der Gebiete, die im Kriegszustände oder im Zustande des „außer­ ordentlichen Schutzes" erklärt worden sind. Und da gegenwärtig für die Gebiete der militärischen Operationen die Kriegs­ zustandserklärung bereits erfolgte und für die übrigen Teile des Reiches die Ver­ hängung des „außerordentlichen Schuhes" proklamiert worden ist, so ist eine Be­ schlagnahme nicht nur der deutschen Depots, sondern auch des beweglichen und unbeweglichen Vermögens der deutschen resp. österreichischen Staatsangehörigen im ganzen Gebiete des russischen Reiches möglich und durchzuführen. Nicht einen Augenblick zweifeln wir daran, daß unsere Militärkommandanten, die auch in zivilrechtlicher Beziehung die Exekutivgewalt in der einen Reichshälfte besitzen, schon alle Maßregeln ergriffen haben oder ergreifen werden, um das Eigentum der Deutschen in den Grenzen des Reiches zu be­ schlagnahmen. (!) Aber die Anfragen über die Meinung der Banken, die Einberufung von Konferenzen beweisen, daß noch irgendwelche Zweifel bestehen, diese KonfiskationsMaßnahmen auch in den anderen Teilen Rußlands zu ergreifen. Die Schwan­ kungen können dazu führen, daß im Augenblick der Klärung dieser Frage das deutsche^Kapital sich außerhalb des Bereiches der russischen Machtbefugnisie be­ finden wird. Wir möchten die Regierung nur daran erinnern, daß die Zurückhaltung des deutschen und österreichischen Kapitals innerhalb der Reichsgrenzen die Schlag­ kraft unserer Feinde vermindert."

Dies der an jener Stelle mitgeteilte Wortlaut der Aufforderung zum Raube deutschen Eigentums seitens des allmächtigen russisches. Blattes! England wird neidisch sein aus diesen in der Geschichte des letzten Jahrhunderts einzig dastehenden Fall eines gesetzlichen, völker­ rechtswidrigen Masiendiebstahls, den wir mit der „Nowoje Wremja" den Inhabern der betreffenden hohen Amtsstellen, die daraus wohl

selbst ein gutes Geschäft nach russischer Methode machen werden, mit. dem sie andere Löcher zudecken, ohne weiteres zutrauen'). Welche ungeheure Verwilderung in allen Rechts- und Kulturbegriffen schafft dieser Krieg *)? Wird nicht eine Zeit kommen, wo es wenigstens dem besseren Teile des englischen Volkes graut vor solchem Völkerrechtsbruche, zu dem auch wieder England die nächste Ver­ anlassung gegeben hat und dem die andern folgten! Freilich, das Kapital russischer Unternehmungen in Deutschland 1) Aus russischen Zeitungen geht hervor, bafe die deutschen Gesellschaften gehörigen Fabriken, z. B. die Zellulosefabrit in Waldhvs bei Pernau (Livland), aus Beseht des Gouverneurs beschlagnahmt worden sind. („Estnische Zig.") 3m übrigen erscheint es ungemein schwierig, über die in Rußland er­ gangenen Handelskriegs-Aktionen im einzelnen authentische Mitteilungen zu er­ langen. Siehe „Rjetsch" vom 11.124. 3anuar 1915 über die Rechte der Ausländer, sowie „Rjetsch* vom 17./30. März 1915 bctr. russische Verordnung über Bank­ überweisungen ins Ausland: ferner „Rußkoje Slowo" vom 21. März/3. Aprll 1915 bctr. die Liquidierung der Geschäfte der Untertanen feindlicher Staaten: endlich Nr. 90 der russischen Gesetzsammlung vom 20. März 1915. über die Durchführung der Liquidation von Handelsunternehmungen feindlicher Staats­ angehörigen f. auch „Deutscher Außenhandel" 1915 Nr. 10, S. 168 sf. ^ebenfalls ist der Grundbesitz durch das neue russische Enteignungsgesetz im höchsten Grade gefährdet, der (meist deutscher und österreichischer) in Beßarabien, Wolhynien und Estland mehr als 350 000 Hektar beträgt. Nach dem „Rjetsch" ist ein Runderlaß des russischen Ministers des 3nnern er­ gangen wegen der Behandlung des Eigentums in Rußland verstorbener Staats­ angehörigen Deutschlands, der den ersten Schritt zur Konfiskation des Eigentumverstorbener Deutscher bedeutet (s. „Außenhandel" Nr. 1/1915 S. 12 und „Materialien zum Russischen Handelskrieg gegen Deutschland" l Verlag von Liebheit & Thiesen, Berlin 1, dort die einzigen Ukase, insbesondere die Gesetze betreffend die Liquidierung der deutschen Geschäfte vom 11./24. Januar 1915, die drei Ge­ setze über den Grundbesitz der Untertanen der feindlichen Staaten vom 4./17. Februar 1915, sowie den Ufas vom 22. September 1914 über die Aufhebung der Grundbesitzrechte feindlicher Ausländer: siehe den Abdruck dieser russischen Gesetze über den Grundbesitz der Untertanen feindlicher Staaten „Nordd. Allg. Z." vom 18. März 1915 Beiblatt 1. Ausgabe. 2) Wenn man sich in diesen Zeiten noch über etwas wundern könnte, wäre es folgendes: „Deutsche Zitate in russischen wisienschaftlichen Werken werden nach der „Rjetsch" vom 14. Mai 1915 von der St.-Wladimir-Universität in Kiew für un­ zulässig erklärt. Ein gewisier Tscherwojsky sollte eine Dissertation aus dem Ge­ biete der Geologie in der Universität öffentlich verteidigen. Aber am Tage vor dem zur Verteidigung angesetzten Zeitpunkte entdeckte man, daß in der Arbeit reich­ liche Zitate aus deutschen geologischen Werken in Ursprache angeführt waren. Dem jungen Eeologiebeflisienen wurde die Unzulässigkeit der Anführung deutscher Zitate in ihrem Wortlaut vorgehalten und die Pflicht auferlegt, die Disiertation umzuarbeiten. Zugleich wurde von der Universität die Verlegung des Zeitpunttes für die öffentliche Verteidigung angeordnet." Dementia belliculosa?

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ist im Verhältnis -um riesigen deutschen Kapital in Rußland gering, so daß in der Hauptsache nur Privatguthaben in Frage kämen, die bei deutschen Banken wenigstens zeitweise zu konfiszieren wären, um Repressalien gegen jene schändliche Rechtsvergewaltigung zu be­ sitzen *). II. In der Folge wurden noch folgende Maßnahmen der russi­ schen Behörden bekannt: Der dem russischen Handelsministerium un­ terstehende Konseil für Industrie und Handel hat nach den Mitteilun­ gen des Deutschen Handelsvertragsvereins von Ende Oktober 1914 am 11. September folgenden Beschluß gefaßt: 1. Als verantwortliche Vertreter der in Rußland zugelassenen Aktiengesellschaften dürfen keine Untertanen der mit Rußland Krieg führenden Staaten fungieren. 2. Die verantwortlichen Vertreter werden, unter Androhung von krimineller Bestrafung, verpflichtet, ohne jedesmalige Erlaubnis des Handelsministers kein Geld ins Ausland auszuführen. 3. Der Handelsminister ernennt in allen auf Grund der reichsdeutschen und österreichischen Statuten tätigen und in Rußland zu­ gelassenen Unternehmen besondere Auffichtsbeamte. Außerdem sprach sich der Konseil für den Erlaß eines allgemei­ nen Zahlungsverbotes gegen Deutschland und Österreich aus. Durch Mitteilungen eines in Rußland ansässigen Rechtsanwalts erhielt das „B. T." die Nachricht, daß durch einen llkas des Zaren vom 24. Juli 1914 (alten Stils) die Geltung der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Reiche und Rußland aufgehoben worden ist, nach der deutsche Staatsangehörige zur Geltendmachung irgend­ welcher Ansprüche vor den russischen Gerichten rechtlich ebenso gestellt sind, wie russische. Aus der russischen Zeitung „Rußkoje Slowo" geht hervor, daß Klagen deutscher und österreichischer Staatsangehörigen von den russischen Gerichten abgewiesen werden, *) Cs bars hier baran erinnert »erben, baß in Rußlunb über 2 Millionen Deutsche leben, bie nicht bloß in ben Ostseeprovinzen, fonbem auch in Polen, in ben Gouvernements Euratom unb Samara, in Beßarabien, in ber Krim, in Subnißlanb (400 000), am Asowschen Meere, im Kaukasus, in Wolhynien unb Pobolien eine große wirtschaftliche Rolle spielen, bie ebenfalls jetzt schmählich unter­ brückt unb beren Vermögen unter Zwangsverwaltung gestellt unb enteignet wirb, bie selbst nach bem Osten verschleppt unb beren merkantile unb inbuftrielle Unter­ nehmungen mit bem 1. April 1915 geschlossen würben. Auch ihrer muß in bem zu­ künftigen Friebensschlusse gebucht werben. Die Selbstänbigmachung ber Ostseeprovinzen unb Polens würbe auch btefen Deutschen, bie von russischer Dankbarkeit ein Lieb fingen können, bie ersehnte Freiheit unb Entwicklungsmöglich­ keit geben. Anbernfalls wirb bas Deutschtum bortselbst für alle Zeit vernichtet sein.

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ja daß die russischen Gerichte sogar deutschen und österreichischen Staatsangehörigen die Vollstreckung von zu ihren Gunsten schon vor der Kriegserklärung ergangenen Urteilen in Rußland verweigern: Das ist also die völlige Rechtlosigkeit der Deut­ schen und Österreicher in allen Rechtssachen! Man sieht aus alledem, daß die obigen Direktiven der „Rowoje Wremja" auch hier von dem jetzigen russischen Ministerium allmählich restlos befolgt wurden. Es steht nach obigem außer Frage, daß schon im Herbst 1914 die österreichischen und reichsdeutschen Staatsange­ hörigen extra legem gestellt waren. Öffentliches und Zivilrecht, Völkerrecht, geschriebenes und ungeschriebenes, — das erstere vor allem in den oft zitierten Art. 46—56 der Landkriegsordnung ent­ halten (s. den Wortlaut oben Kap. 24 u. 25,1. Band), sind in gleicher Weise gröblich mißachtet. Im Laufe des Jahres 1915 wurde, wie die oben wiederholt an­ geführte amtliche Denkschrift zeigt, das völlige Ausrottungswerk des deutschen Elementes fortgeführt: Vernichtung der polnischen und baltischen Industrie ging Hand in Hand: Sequestration und Ein­ ziehung von Hunderten von deutschen Industrieunternehmungen, Ver­ fügung des Zaren, sogar alles in den Banken deponierte Vermögen der Reichsdeutschen, sogar den Inhalt der Safes, in die Staats­ banken abzuführenl) *) *)'). *) Plan einer Verdrängung des deutschen Handels in Rntzlanb durch den französischen mit Seitenblicken aus Kriegsziele. 3m Iuli-August-Heft 1915 der „Bulletins de la Soctett d'Encouragement pour l'Industrie Nationale" wirb ein Bericht von Pierre Arbel wiedergegeben, aus dem sich folgendes entnehmen läht: Nach dem Kriege muh der wirtschaftliche Kampf gegen den Erbfeind mit allen Mitteln fortgesetzt werden. Es gilt, die Verfahren der Entwicklung auf kommerziellem Gebiet und der Durchdringung fremder Länder bei unseren Feinden zu studieren, um -u prüfen, wie wir uns ihre Methoden aneignen können. Zunächst ist die Aufgabe in Angriff zu nehmen, den deutschen Handel aus Rußland zu verdrängen. 3m Schoße der Soci6t6 d'Encouragement pour l'Industrie Nationale ist ein Programm für dieses Unternehmen aufgestellt. Die Hauptforderungen sind folgende: 1. Beförderung des Studiums der russischen Sprache in Frankreich. Einrichtung des Russischen als obligatorischen Schulfaches, beson­ ders auch in allen höheren technischen Schulen. 2. Stipendien für junge Leute, die sich zu mindestens zweijährigem Aufenthalt in Rußland verpflichten. 3. Austausch von französischen und russischen Kindern „au pair". 4. Einrichtung von Ubersetzungsbureaus. 5. Französische Kulturpropaganda in Rußland: Einrichtung französischer Schulen, Begründung französischer Zeitschriften und Zeitun-

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D. über die Aufhebung der Geltung des Haager Abkommens über den Zivilprozetz während des Krieges s. „D. 3.-3" 1914 S. 1201 und S. 1296. Die Ausnahme des § 110 Abs. 2 Nr. 1 R.-Z.-Pr.-O. hat materielle Gegenseitigkeit zur Voraussetzung. Da sie durch die Nichtanerkennung Rußlands aufgehoben ist, ist das Abkommen tatsächlich weggefallen. gen, zweisprachig, die, für Franzosen in Rutzland und Russen in Frank­ reich bestimmt, wechselseitige Orientierung über die beiden Länder er­ möglichen. 6. Schaffung einer Handelsbank. 7. Schaffung neuer französischer Dampferlinien nach der Ostsee. Ein­ richtung mindestens eines wöchentlichen Dienstes nach russischen Häfen unter staatlicher Subvention. Auch die Häfen des Asowschen Meeres, vor allem Taganrog, müssen von französischen Dampfern angelaufen werden. _ ’) Ueber das Ergebnis der zum 1. Juni 1915 erfolgten Liquidation aller Handelsunternehmungen und Aktiengesellschaften „feindlicher* Untertanen im Gouvernement Petersburg teilt der DeutschRussische Verein e. V. Berlin eine Unterredung eines Mitarbeiters der „Birshewija Wjedomosti" mit dem stellvertretenden Verwalter des Kameralhoses W. O. Pabetschek mit, der folgendes zu entnehmen ist: Unternehmungen, die deutschen Untertanen gehören, gibt es in der Stadt Petersburg 161, österreichischen Untertanen gehören 49 und Türken 39. Wieviele von diesen 249 Unternehmungen tatsächlich eingegangen sind, lätzt sich nicht sagen. Es ist vorgekommen, daß am Tage nach der Schließung eines Unternehmens an der alten Stelle sofort ein gleiches Unternehmen eröffnet wurde, indes unter der Firma russischer Untertanen. Sodann gibt es eine Reihe von Fällen, in denen ausländische Untertanen ihre Unternehmungen auf notariellem Wege an russische Untertanen zedierten. Dn Petersburg gab es etwa 100 feindliche Unter­ tanen, die als Direktoren, Verwaltungsmitglieder, Kontoristen, Buchhalter, Agenten und Kommissionäre verschiedener Unternehmungen persönlich gewerblich tätig waren. Diese sind aus Veranlassung des Kameralhoses sämtlich entlassen worden. Dabei ist es vorgekommen, daß auch solche deutsche Untertanen, die slawischer, fran­ zösischer und italienischer Abstammung sind, entlassen wurden. Diese sind auf Betreiben des Kameralhoses später wieder in den Dienst aufgenommen worden. s) Die Entente-Brüder unter sich. Freilich allmählich merken auch im Westen wie im Osten die Völker, wie schmählich sie von England zu eigensüchtigen Zwecken mißbraucht werden sollen. (Es dämmert wenigstens bei einigen Elementen die Wahrheit über die Zukunft: So wird aus Stockholm (20. April 1916) gemeldet: Dm russischen Reichsrat wurde bei Besprechung der russischen Handelspolitik die englische Unterdrückungspolitik gegen die Verbündeten auf das rückhaltloseste angegriffen. Unter dem Beifall der überwältigenden Mehrheit des Hauses, darunter auch von Regierungsmitgliedern, nannte Ehristownikow die Pariser Konferenz zur Fortsetzung des Handelskrieges eine Schlacht, die England seinen Verbündeten liefere. Rußland hat das leb­ hafteste Dnteresse an der deutsch-englischen Konkurrenz auf dem Weltmarkt. Die

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46. Kapitel.

Die Schwarzen Litten der Ententemächte als Kampfmittel gegen die Keutralen insbesondere. Die „Nordd. Allgem. Ztg." schreibt (20. August 1916) unter dem Titel: „Die Schwarze Liste": „Zur Verteidigung des völkerrechtswidrigen Systems der englisch-französischen Schwarzen Listen wird in der englischen und französischen Presse immer wieder die von dem englischen Blockademinister Lord Robert Cecil in die Welt gesetzte Be­ hauptung wiederholt, Deutschland habe ebensolche Schwarze Listen gegen neutrale Länder, insbesondere gegen die Schweiz, aufgestellt. So bringt die „Morning Post" vom 10. August eine telegraphische Meldung ihres Berner Berichterstatters, der die deutsche Schwarze Liste mit ungefähr 300 schweizerischen Firmen selbst gesehen zu haben erklärt. Tatsächlich weitz jeder, der nur einigermahen mit den Verhältnisien vertraut ist, dah die deutsche Liste, die der Gewährsmann der „Morning Post" allein im Auge haben kann, in keiner Weise mit den englisch-französischen Schwarzen Listen über Neutrale verglichen werden kann. Die deutsche Liste enthält diejenigen Firmen, die Kriegsmaterial Konferenz will aber Englands Verbündete dauernd wirtschaftlich unterjochen. England führt den Krieg unter doppelter Maske: gegen Deutschland und gegen seine Verbündeten. England benützt die Kriegskonjunktur, um die Verbündeten wirtschaftlich in Kolonien umzugestalten. England drängt uns das Dogma auf, daß Rußland ein Ackerbauland fei, und verhindert gewaltsam das Aufkommen einer eigenen russischen Industrie. Die Entrechtung der Deutschen in Rußland wird unter englischem Druck vorgenommen. England wollte durch die Lahmlegung der russi­ schen Industrie verdienen. Es hat unsere Notlage ausgenützt und seine Produkte zu Wucherpreisen berechnet. England verlangt zweierlei: zollfreie Einfuhr englischer Waren nach Rußland und die alleinige Wahrnehmung der ökonomischen Interesien der Verbündeten. Beides bedeutet: England saugt vampyrartig das russische Wirtschaftsleben aus. Rußland muß auf der Friedenskon­ ferenz ökonomisch gerüstet sein und darum England jetzt eine klare Absage geben. 4) Die russische Kommission zur „Bekämpfung der deutschen Gewaltherrschaft" hatte auf Grund des Gesetzes gegen den deutschen Grundbesitz auch die Güter der deutschen Kolonisten im Tobolsker und Tomsker Gouvernement in Sibi­ rien liquidiert. Die Ländereien gehörten jedoch der sibirischen Ansiedlungskommission, die sie den Deutschen nur in Pacht gegeben hatte. Wegen der Über­ stürzung, mit der die Zwangsliquidierung vollzogen war, hatte sie nicht rechtzeitig Protest einzulegen vermocht. Der jetzt beim Ministerium des Innern eingelegte Protest führt aus, die Ansiedlungskommission könne sich mit der Liquidierung nicht zufrieden geben, weil das Gelände durchschnittlich zu Preisen weggegeben wurde, die den fünften Teil (!) des Normalwertes darstellen.

für die Entente Herstellen. Es ist selbstverständlich, daß Deutschland zur Herstellung von Kriegsmaterial dienende deutsche Erzeugnisse, deren Ausfuhr aus Deutschland an sich überhaupt verboten ist und nur ausnahmsweise zugunsten der Schweiz bewilligt wird, nicht solchen Firmen liefern kann, die daraus Munition für Deutschlands Feinde herstellen würden. Die Liste dient also lediglich dem Zweck, die Ausfuhr von Materialien aus Deutschland zu verhindern, die zur Herstellung von Kriegsbedarf für die Gegner Deutschlands Verwendung finden würden. — über diesen Zweck hinaus wird die deutsche Liste von niemand und in keiner Weise ver­ wertet. Nicht nur wird in die Privatrechte der auf der Liste stehen­ den Firmen nicht eingegriffen, so daß sie z. B. an der Einziehung ihrer Forderungen in Deutschland und an der Verfügung über ihre inlän­ dischen Bankguthaben nicht gehindert sind; sondern es steht ihnen so­ gar frei, mit deutschen Firmen Ein- und Ausfuhrgeschäftsverbindun­ gen zu unterhalten, soweit sie unbedenkliche Waren betreffen. Ebenso­ wenig matzt sich die Deutsche Regierung an, anderen schweizerischen Firmen den legitimen Geschäftsverkehr mit den auf der Liste vermerk­ ten Firmen zu verbieten. Dies geschieht dagegen in England. Dort ist alles erreichbare Vermögen der auf der Schwarzen Liste stehenden neutralen Firmen beschlagnahmt und nach Gutdünken des Handelsamts kann es sogar ohne weiteres versteigert werden; Forderungen können nicht einge­ zogen, überhaupt keinerlei Ansprüche gerichtlich geltend gemacht wer­ den. Englische Banken dürfen solchen Firmen Guthaben nicht aus­ zahlen und Kredite nicht gewähren. Englische Firmen dürfen mit ihnen keinerlei Geschäftsverbindungen unterhalten. Ja nicht nur englischen Firmen ist dies verboten, sondern allen neutralen Firmen: d. h. 'eine neutrale Firma, die sich in Geschäftsbeziehungen mit einer Firma der schwarzen Listen einlätzt, wird, wie es in dem kürzlich veröffentlichten Rundschreiben eines englischen Konsuls ausdrücklich heitzt, dadurch „bestraft", datz sie selbst auf die Schwarze Liste kommt. Dabei hat die englische Schwarze Liste mit Kriegslieferungen nichts zu tun, sondern richtet sich gegen den fried­ lichen legitimen Handel innerhalb der neutralen Länder, teilweise so­ gar gegen den Handel der Verbündeten Englands (Portugal, Japan!). Sie bedeutet nichts mehr und nichts weniger als die Anmatzung Englands, den Handel der ganzen Welt unter feine Kontrolle zu bringen, nicht so sehr um Deutschland zu schädigen, als um den einem feindlichen Wettbewerb nicht mehr gewachsenen englischen Handel

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durch rücksichtslose Gewalt zu stützen. Wir können daher nur wieder­ holen, was wir sogleich nach der eingangs erwähnten Ausstreuung Lord Robert Cecils festgestellt haben: In Deutschland ist niemals eine Matznahme getroffen worden, die irgendwie mit den völker­ rechtswidrigen Eingriffen Englands in die Handelsfreiheit der Neu­ tralen verglichen werden könnte." Sir Cecil Spring Rice, der britische Botschafter in Washington, ist eifrig an der Arbeit, um den Amerikanern das für sie noch neuartige Gericht der „Schwarzen Listen" schmackhaft zu machen. Er wird nicht müde zu versichern, daß sich die Schwarzen Listen gar nicht gegen die Neutralen richten, „außer wenn es deutlich ist, daß die betreffenden Neutralen systematisch mit einer Firma der Schwarzen Liste Geschäfte abschlietzen, um auf diese Weise die Verbindung zwischen dieser und englischen Firmen aufrecht zu erhalten". Sir Cecil verrät nicht, auf welche Weise festgestellt werden soll, ob ein Neutraler mit einer „Schwarzen-Liste"-Firma gerade zu d e m Zweck Geschäfte treibt, „die Verbindung mit englischen Firmen zu erhalten". Die Wahrheit ist, daß eben jeder Neutrale, der solche Geschäfte treibt, mit der Schwarzen Liste bedroht wird, d. h. es wird das Han­ delsverbot, das angeblich nur innerhalb Englands und für Engländer gilt, den Neutralen im neutralen Lande aufgezwungen: sie werden wie Feinde behandelt, wenn sie von dem bisher nie bestrittenen Recht, mit den Angehörigen aller kriegführenden Nationen innerhalb des neu­ tralen Landes zu handeln, Gebrauch machen. Daß dies die Absicht ist, wird ausdrücklich festgestellt durch einen unverdächtigen und sach­ verständigen Zeugen, nämlich die italienische Handelskammer in Sao Paulo (Brasilien) in einem auf amtliche Weisung ergangenen Rund­ schreiben, das zwar nicht gerade für Deutschland bestimmt war, aber zufällig seinen Weg zu uns gefunden hat. Das Schreiben lautet in wörtlicher Übersetzung wie folgt: „Camera Italiana di commercio ed arti in Sao Paulo (Brasilie). Nr. 1786.

Inhalt: Vertrauliche Mitteilung. Sao Paulo, den 10. April 1916. Sehr geehrter Herr! Auf Anordnung des Herrn Präsidenten und in Ausführung einer Weisung, die von höherer konsularischer Autorität ausgegangen ist, erfülle ich die Pflicht, Ihnen in der Anlage die amtliche Schwarze Liste der englischen Regierung (Statutory Black List) mitzuteilen, wo­ rauf diejenigen Firmen mit dem Sitz in Brasilien aufgeführt sind, mit denen Handelsbeziehungen zu unterhalten verboten ist.

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In pflichtgemäßer Erfüllung dieses Auftrages erlaube ich mir, die Aufmerksamkeit Euer Hochwohlgeboren auf die Fußnote der Liste hinzulenken, worin gesagt wird, daß jeder, der versuchen sollte, die Anordnungen des erwähnten Königlichen Dekrets zu umgehen, indem er irgendeine der auf der Schwarzen Liste befindlichen Firmen unter­ stützt, d. h. mit ihr Handel treibt, Gefahr läuft, seinerseits auf die Schwarze Liste gesetzt zu werden. Genehmigen Euer Hochwohlgeboren usw. Der Sekretär der Kammer, gez.: A. Bertoletti. Nicht weniger interessant ist ein Rundschreiben, das der englische Konsul in Para an brasilianische Firmen auf Befehl seiner Regierung übersandt hat und worin er diese Firmen in ihrem eigenen Lande mit Strafe bedroht, wenn sie den „Schwarzen-Listen"-Firmen irgendwie Beistand leisten. Dieses Rundschreiben lautet in seinem hier in Be­ tracht kommenden Teile übersetzt wie folgt: „Rundschreiben. Englisches Konsulat. Parä, 10. April 1916. Geehrte Herren! Seit geraumer Zeit ist es der aufrichtige Wunsch der Regierung Seiner Britischen Majestät, die in Brasilien zwischen englischen Fir­ men und Untertanen sowie den Angehörigen der alliierten Länder einerseits und den in ParL ansässigen brasilianischen und neutralen Firmen anderseits glücklicherweise bestehenden guten Handelsbeziehun­ gen aufrechtzuerhalten und zu erweitern. In der Absicht, den gegen­ wärtig zum großen Teil sich in den Händen deutscher, österreichischungarischer, türkischer und bulgarischer Untertanen befindenden Han­ del auf diese Firmen zu übertragen und die Ausdehnung des feind­ lichen Handels einzuschränken, bin ich beauftragt worden, allen Per­ sonen und Firmen in diesem Konsulatsbezirk zur Kenntnis zu bringen, daß jeder Versuch, eine in der Schwarzen Liste stehende Firma oder Person vor den Folgen der Königlichen Verordnung Seiner Briti­ schen Majestät zu schützen, damit bestraft werden wird, daß die be­ treffende Firma selbst auf die Schwarze Liste gesetzt wird. Mit angelegentlicher Empfehlung gez.: G. B. Michell, Englischer Konsul." Natürlich schlosien die anderen Ententestaaten, in erster Linie Frankreich, sich sofort diesem Unfuge der Schwarzen Listen an. Das französische Ministerium des Auswärtigen veröffentlicht an­ fangs August 1916 im Amtsblatt die erste amtliche Liste der Firmen, Müller-Meiningen, Weltkrieg und Völkerrecht. 4. Aufl. II. Bd.

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66 die als feindliche betrachtet oder die, wenn sie in neutralen Ländern ansässig sind, als Zwischenpersonen dem Feind gegenüber angesehen werden. Jeder Handel mit ihnen ist verboten. Die Geschäftshäuser auf dieser schwarzen Liste sind nach Ländern geordnet. Diese sind in Afrika: Marokko, Portugiesisch-Ostasrika, in Süd- und Mittel­ amerika: Argentinien, Uruguay, Bolivia, Brasilien, Chile, Columbia, Kuba, Ecuador, Paraguay und Peru, ferner die Vereinigten Staaten, sowie in Asien: Japan, Niederländisch-Indien, die Philippinen, und in Europa: Dänemark, Spanien, Griechenland, Holland, Norwegen, Portugal und Schweden. Das Kampfmittel der „Schwarzen Listen" war eine solche klare Verleugnung jeglichen Völkerrechts, allen stipulierten und seit Jahr­ hunderten gewohnheitsmäßigen Neutralitätsrechts, daß geharnischte Proteste der ganzen neutralen Welt eigentlich selbstverständlich er­ schienen. Profesior Stowell von der Columbia-Universität, eine Autorität auf dem Gebiete des Völkerrechts, führt aus: Das englische Vor­ gehen ist eine handgreifliche Verletzung der amerikanischen Souverä­ nität, seitdem die Akte für das amerikanische Gebiet wirksam ist. Die Akte setzt der langen Reihenfolge der Verletzungen neutraler Rechte die Krone aus. Es ist erniedrigend für die nationale Unabhängigkeit und Selbstachtung, sich ihr zu unterwerfen. Vergeltungsmaßregeln, nicht Worte, sind das geeignete Mittel, sich Achtung zu verschaffen gegen die fortgesetzte Verletzung souveräner Rechte. So konnte schließlich auch die Regierung nicht länger schweigen. 1. Die amerikanische Protestnote wegen der Schwarzen Listen ist nach der „London Times" vom 31. Juli 1916 am 28. durch den Botschafter Page Lord Grey übergeben worden. Die Note lautet nach der gleichen Quelle in Übersetzung wie folgt: „Die Ankündigung, bafc die Regierung Seiner Britannischen Majestät die Namen gewister Personen, Firmen und Korporationen in den Vereinigten Staaten auf eine schwarze Proskriptionsliste gesetzt und alle Finanz- und Handelsgeschäfte zwischen ihnen und britischen Staatsangehörigen untersagt hat, ist vom Volt und von der Regierung der Vereinigten Staaten mit dem peinlichsten Erstaunen

(most painful surprise) vernommen worden.

Sie scheint der Regierung der Ver­ einigten Staaten eine Politik der willkürlichen Einmischung in den neutralen Handel darzustellen, wogegen in den allerentschiedensten Worten zu protestieren der Regie­ rung der Vereinigten Staaten geboten erscheint. Ziel und Wirkung dieser Politik sind außergewöhnlich. Englische Dampsschisffahrtsgesellschasten weigern sich, Ladung von den geächteten Firmen oder Personen anzunehmen oder deren Waren nach irgend einem Hafen zu befördern; Dampf­ schiffslinien, die neutralen Eigentümern gehören, fasten, falls dies richtig ist, die Sache so auf, datz sie, wenn sie Frachten von solchen Firmen annehmen, damit

67 rechnen müssen, in britischen Häsen keine Kohle zu erhalten und von anderen Vor­ teilen, die sie bisher genosien haben, ausgeschlossen und schließlich noch selbst auf die Schwarze Liste gesetzt zu werden. Neutrale Bankiers verweigern Darlehen an solche, die auf der Liste stehen, und neutrale Kaufleute lehnen es ab, mit ihnen Verträge über Waren abzuschließen, aus Angst, gleichfalls geächtet zu werden. Es ist offenbar, datz die britischen Beamten das Verbot der Schwarzen Liste auf einheimische kommerzielle Transaktionen in fremden Ländern ebenso anwendbar erklären wie in Großbritannien selbst oder seinen Kolonien, denn Amerikanern, die in fremden Ländern Geschäfte haben, ist mitgeteilt worden, daß ihre Geschäftsverbin­ dungen mit Firmen, die auf der Schwarzen Liste stehen, als dem Veto der britischen Regierung unterliegend zu betrachten seien. Bei Anwendung dieses Grundsatzes könnten sogar Amerikaner in den Vereinigten Staaten einer gleichen Strafe unter­ worfen werden, wenn es sich herausstellen sollte, datz sie mit einem ihrer eigenen Landsleute, dessen Name auf der Liste steht, geschäftliche Verbindungen unterhalten. Die harte, ja unheilvolle Wirkung einer solchen Politik aus den Handel der Vereinigten Staaten und auf die Rechte der Neutralen, auf welchen zu bestehen die amerikanische Regierung nicht unterlassen wird, ist offenbar. 'Auf der Liste der so Ge­ ächteten und tatsächlich von dem allgemeinen Welthandel Ausgeschlossenen kann man amerikanische Handelshäuser finden, die in großen geschäftlichen Unternehmun­ gen als Importeure fremder Produkte und Rohmaterialien und als Verteiler ameri­ kanischer Produkte und Fabrikate in fremden Ländern beteiligt sind, die mithin wichtige Kanäle darstellen, durch die der amerikanische Handel die Außenwelt er­ reicht. Ihre fremden Verbindungen sind vielleicht jahrelang gepflegt worden und können — wenn sie erst einmal abgebrochen sind — nicht leicht und schnell wieder­ hergestellt werden. Weitere Handelshäuser können anscheinend jederzeit und ohne vorherige Ankündigung auf die Liste gesetzt werden. Soviel bekannt, können Nach­ träge zur Liste gemacht werden, „wenn immer es Seiner Majestät auf Grund feind­ licher Staatsangehörigkeit oder feindlicher Verbindungen solcher Personen oder Körperschaften zweckmäßig erscheint, so zu verfahren". Die Möglichkeiten unver­ dienter Schädigung amerikanischer Bürger, die aus solch willkürlichen Maßregeln sich ergeben, sowie ernster und unberechenbarer Unterbrechungen des amerikanischen Handels sind ohne Grenzen. Es ist im Auftrag Seiner Majestät Regierung erklärt worden, datz diese Maß­ nahmen nur auf die Feinde Großbritanniens abzielen und nur unter strenger Beach­ tung der Rechte der Neutralen angewendet und in Kraft gesetzt werden würden, wo­ bei der neutrale Handel so wenig als möglich geschädigt werden solle; es ist jedoch offenbar, daß sie ganz unvermeidlich und ihrem Wesen nach mit den Rechten der Staatsangehörigen aller Nationen, die nicht in den Krieg verwickelt sind, unverein­ bar sind. Die Regierung der Vereinigten Staaten darf die Regierung Seiner Britanni­ schen Majestät daran erinnern, daß die Bürger der Vereinigten Staaten vollkommen innerhalb ihrer Rechte handeln, wenn sie bestrebt sind, mit den Völkern oder den Regierungen irgendeiner Nation, die zurzeit in den Krieg verwickelt ist, Handel zu treiben, und daß sie dabei nur den genau bestimmten internationalen Gebräuchen und Abmachungen unterworfen sind, von denen die Regierung der Vereinigten Staaten glaubt, daß sie die Regierung von Großbritannien nur zu oft und zu leicht mißachtet hat. Es gibt wohlbekannte Abwehrmittel und Strafen für Blockade­ bruch, sofern es sich um eine wirkliche und in der Tat effektive Blockade handelt, für Handel mit Bannware, für jede unneutrale Handlung, von welcher Seite auch

68 immer sie ausgehen mag. Die Regierung der Vereinigten Staaten kann jedoch nicht ihre Zustimmung dazu geben, daß diese Abwehrinittel und Strafen zum Nachteil ihrer eigenen Bürger oder in Mißachtung ihrer eigenen Rechte nach Willkür einer Macht oder Mächtegruppe abgeändert oder ausgedehnt werden. An erster Stelle unter den Grundsätzen, die die zivilisierten Völker der Welt zur Aufrechthaltung der Rechte der Neutralen angenommen haben, steht das gerechte und vornehme Prinzip, daß Neutrale weder verurteilt, noch ihre Waren beschlagnahmt werden können, es sei denn auf Grund unparteiischer gerichtlicher Entscheidung und nachdem ihnen Gelegenheit gegeben worden ist, vor einem Prifengerichtshos oder sonstwie gehört zu werden. Diese Garantien schiebt die Schwarze Liste einfach zur Seite. Sie ver­ urteilt ohne Verhör, ohne vorherige Ankündigung und von vornherein. Es ist offen­ sichtlich über jeden Zweifel erhaben, daß sich die Regierung der Vereinigten Staaten mit solchen Methoden und Bestrafungen ihrer Bürger nicht einverstanden erklären kann. Was auch immer im Hinblick auf internationale Verpflichtungen über bie Ge­ setzmäßigkeit der Parlamentsakte, auf die sich die Praxis der Schwarzen Liste in ihrer gegenwärtigen Handhabung durch die Regierung Seiner Majestät gründet, gesagt werden mag, die Regierung der Vereinigten Staaten sieht sich genötigt, ein derartiges Verfahren als unvereinbar mit wahrer Gerechtigkeit, aufrichtiger Freund­ schaft und unparteiischer Ehrlichkeit zu betrachten, die die Beziehungen befreundeter Regierungen zu einander kennzeichnen sollten. Der Geist des wechselseitigen Handels zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien, das seit langem bestehende Privileg für die Staatsangehörigen beider Nationen, mit ihren Schiffen und Ladungen zu kommen und zu gehen, ihre beiderseitigen Schiffsverbindungen zu benutzen und durch die Kaufleute des andern Teils bedient zu werden, ist durch willkürliche und durchgreifende Maßregeln wie die in Rede stehenden auf das ernsteste gefährdet. Die Regierung der Vereinig­ ten Staaten hat keineswegs die Absicht oder die Neigung, amerikanische Bürger oder Handelshäuser in irgendeiner Meise vor den gesetzlichen Folgen unneutraler Hand­ lungen oder unneutralen Geschäftsgebarens in Schutz zu nehmen; sie ist ganz bannt einverstanden, daß sie die entsprechenden Strafen erleiden, die das Völkerrecht und die Tradition der Völker sanktioniert hat. Die Regierung Seiner Britannischen Majestät kann jedoch nicht erwarten, daß die Regierung der Vereinigten Staaten ihre Zustimmung dazu gibt, daß ihre Bürger aus eine einseitig ausgestellte Schwarze Liste gesetzt werben, ohne die Auf­ merksamkeit der Regierung Seiner Majestät in den ernstesten Ausdrücken auf die vielen ernsten Folgen für die neutralen Rechte und die neutralen Beziehungen hin­ zuweisen, die solch ein Verfahren notwendigerweise nach sich ziehen mutz. Die amerikanische Regierung hofft und nimmt an, daß die Regierung Seiner Majestät infolge der erklärlichen ausschließlichen Beschäftigung mit einem einzigen dringen­ den politischen Ziel gehandelt hat, ohne sich vollständig darüber klar zu werden, wie viele unerwünschte und unerfreuliche Wirkungen hieraus erwachsen sönnen."1)2) J) Ein Leitartikel der „New World" von Anfang August 1916 führt aus der amerikanischen Note gegen die Schwarzen Listen den Satz an, der von wohlbekannten Mitteln und Strafen für Blockadebrüche in den Fällen, wo die Blockade wirklich und tatsächlich effektiv ist, spricht, und führt dazu aus: Dieser Sah trifft den Kern der ganzen Schwierigkeit. Wenn die sogenannte Blockade über die Deutschen wirklich und tatsächlich effektiv wäre, was „World" de-

6y 2. Der schwedische Ministerpräsident Hammarskjöld erklärte, im Proteste gegen das System der Schwarzen Listen stimme die schwedi­ sche Politik mit Nordamerika überein: „Man kann unmöglich mit „Schwarzen Listen" einverstanden sein, nicht nur mit der Wirkung, die sie jetzt haben, sondern mehr noch wegen ihrer Wirkung in der Zukunft gegenüber denen, die in die Liste ausgenommen wurden. Wir sind der Ansicht, daß sie den ungesetzlichen Versuch enthalten, gewisse unserer Staatsbürger ihrer Rechte zu berauben. Cs freut uns, daß die Vereinigten Staaten in dieser Hinsicht Maßnahmen treffen. Ich darf vielleicht sagen, daß wir bereits vor der Konferenz von Christiania uns bemühten, in Kontakt mit Nordamerika über ein Auftreten in dieser Hinsicht zu sein. Das Kommunique von Christiania legt Gewicht auf ein umfassenderes und gleichzeitig intensiveres Zusammenarbeiten zwischen den Neutralen. Wir hoffen, daß Amerikas traditionelle Politik es nicht verhindern wird, sich unter den gegenwärtigen exzeptionellen Verhältnissen für ein derartiges Zusammenarbeiten zu interessieren. Amerika ist vom Schauplatz der Konflikte so entfernt, ist so groß und ökonomisch stark, daß es bisher ernstlich bas Ergebnis der streitet, so hätte zwischen den Vereinigten Staaten und England kein Riß zu ent­ stehen brauchen. Gerade weil es keine effektive Blockade Deutschlands gibt, mischt sich die Londoner Regierung in gesetzloser Weife durch „Orders in Council" in den neutralen Handel ein. Eine wirkliche Blockade Deutschlands würde die nicht zu ver­ teidigenden Maßregeln, die England mit Beschlagnahmungen zur See, Auf­ stellung Schwarzer Listen und Beraubung der Post ergriffen hat, um den Handel -wischen den Vereinigten Staaten und Holland, Dänemark, Schweden und Nor­ wegen zu entmutigen, gänzlich unnötig machen. Dieser Punkt sollte mit wachsendem Nachdruck hervorgehoben werden. *) Immer neue britische Listen.

Die englische Regierung veröffentlicht nicht

nur „S ch w a r z e " und „Graue" L i st e n, sondern auch „Weiße" Listen. Diese enthalten die Namen derjenigen Personen und Firmen, an welche von englischer Seite Waren konsigniert werden dürfen. In Anlehnung an die britischen Listen hat auch Australien Weiße Listen für China, Siam und Liberia herausgegeben. Ergänzt werden aber die Schwarzen Listen Englands nicht nur durch die Grauen und Weißen Listen, sondern vor allem durch eine sogenannte G e h e i m l i st e, wie sie ietzt für den Handel in Europa eingeführt wird. Augenscheinlich ist diese Geheim­ liste auf die Schwierigkeiten zurückzuführen, welche sich für England aus dem Pro­ teste der neutralen Länder wegen der Schwarzen Listen ergeben. Die Namen von Firmen oder Personen, welche auf diese Geheimliste kommen, werden nicht veröffent­ licht, sind aber den englischen Kontroll st ationen zur Beaufsichtigung des Schiffahrts- und Exportverkehrs bekannt, damit Waren von solchen Firmen nicht weiter befördert werden. Wenn England Waren und Firmen, die in der Geheim­ liste bezeichnet sind, an den Empfänger nicht durchlasien will, so müsien diese in englischen Häsen gelöscht werden und können, wenn der Absender auf die Zurücknahme verzichtet, von englischen Handelshäusern erworben werden. Ver­ zichtet der Absender nicht oder ist die Einfuhr jener Waren in England unerwünscht, so dürfen jedenfalls diese Waren nicht nach neutralen Ländern versandt werden. Durch eine solche G e h e i m l i st e erhält England die Möglichkeit, den Pro­ testen der Neutralen dem Schein nach entgegenzukommen, während an der Sache selbst nichts geändert wird.

70 Einwirkung des Krieges auf feinen normalen Betrieb nicht kennen zu lernen brauchte, aber die Zeit wird schon kommen, da Amerika etwas davon erfährt. Gegen­ wärtig mögen materielle Vorteile den Äbelftand aufwiegen."

Über die englischen Maßnahmen zur Unterbindung der Einfuhr in die neutralen (Staaten äußerte Hammarskjöld: „Wir können unmöglich auf eine Begrenzung eingehen, die unsere industrielle Entwicklung verhindert. Wie kann diese Entwicklung weitergehen, wenn wir auf eine mehr oder weniger willkürlich begrenzte und in jedem Fall ungenügende Zu­ fuhr von Rohmaterialien beschränkt werden? Wie ich bereits hervorhob, wurde nichts, was wir in dieser Hinsicht unternahmen, von der Rücksicht auf fremde Nationen oder durch Sympathien für den einen oder anderen Kriegführenden diktiert. Was uns bestimmt, ist allein die Sorge um unseres Landes künftige Selbständigkeit und ökonomische Entwicklung."

Folgen der Schwarzen Listen. Der „Nieuwe Rotterd. Courant" erfährt laut „L. - A." (25. August 1916) aus London, daß die erste Verurteilung auf Grund der britischen Schwarzen Liste erfolgt ist. Die Firma Hill & Co. hatte der Rotterdamer Firma de Pvorter schriftlich eine Offerte gemacht. Der Brief wurde von der Zensur zurückgehalten, und Hill & Co. wurden zu 25 Pfund Strafe und 10 Pfund Prozeßkosten verurteilt. Der Richter bemerkte, daß die Unkenntnis der Schwarzen Liste keine Entschuldigung sei und daß noch viel strenger vorgegangen werden solle. Von zuverlässiger Seite wird dem W. T. B. unterm 25. August 1916 aus Amsterdam berichtet: „In Bmuiden sind bis jetzt mehr als 20 holländische Fifcherfahrzeuge auf­ gelegt worden, deren Reeder oder Besatzungen von der englischen Regierung als verdächtig bezeichnet worden sind und die deshalb den Fang nicht mehr ausüben dürfen. Auch der holländische Fifchdampfer „Verano" kann nicht mehr auf Fang in See gehen, da feine Reeder und Besatzung gleichfalls auf die Schwarze Liste ge­ fetzt worden sind und zwar wegen des nachstehenden Vorkommnisses: „Verano" war in der Nacht vom 9. auf 10. August gegen 12A Uhr von Vmuiden in See gegangen, bemerkte innerhalb der holländischen Hoheitsgewäsier zwei englische Unter­ seeboote, worauf er sofort nach Vmuiden zurückkehrte und über den Vorfall berich­ tete. Ein holländisches Torpedoboot ging darauf in See, traf aber die englischen Unterseeboote nicht mehr an."

Im Berner Schweizers:

„Bund"

lesen

wir

folgende

Einsendung

eines

„Eine schweizerische Transport-Versicherungsgesell­ schaft sieht sich gezwungen, ihrer Klientschaft durch Einschreibebrief folgendes mitzuteilen:

7i den 30. August 1916. Vor einiger Zeit ist seitens der Entente eine Liste derjenigen Firmen ver­ öffentlicht worden, mit welchen der Geschäftsverkehr untersagt ist. Das Verbot be­ trifft auch den Gefchäftsverkehr -wischen neutralen Ländern untereinander. Es ergibt sich aus dem Vorstehenden, datz Valoren-Sendungen von oder an Firmen, welche auf der Schwarzen Liste stehen, von dem Handelsverbote ebenfalls betroffen und so behandelt werden, als ob es sich um Sendungen feindlichen Eigen­ tums handelte. Da es nicht Aufgabe der Versicherung ist, Schäden aus Zuwider­ handlungen gegen Handelsverbote zu decken, so sehen wir uns genötigt. Ihnen hier­ durch mitzuteilen, dah in allen denjenigen Fällen, wo wir Ihnen auf Ihren speziellen Auftrag hin den Einschlutz der Konfiskationsgefahr in die Kriegsversicherung zuge­ stehen, die Versicherung zu den Ihnen bekannten Bedingungen unseres Formu­ lares . . . vom . . . gilt, jedoch unter der weiteren Bedingung, datz sich weder der Versicherungsnehmer, noch fein Auftraggeber, noch einer feiner Zwifchenbeauftragten, noch der Adressat auf einer von einem kriegführenden Staate aufgestellten sog. „Schwarzen Liste" befindet. Wenn also ein Schweizer mit einem holländischen, schwedischen oder spanifchen Haufe verkehren will, so muh er sich vorerst überzeugen, bah der neutrale Gefchäftsfreund auf keiner Schwarzen Liste Englands oder seiner Vasallen steht, wenn anders er nicht Gefahr laufen will, selber auf die Schwarze Liste gesetzt zu werben. Krieg ist Krieg; und wenn Krieg die Aufhebung von Recht und Gerechtigkeit bedeutet, mutz man begreifen, datz die kriegführenden Staaten jedes Mittel er­ greifen, um sich gegenseitig zu schädigen und zu vernichten; wenn aber dabei auch die Neutralen aufs schwerste geschädigt werden, so verschone man sie zum mindesten mit der immer wiederkehrenden Behauptung, man kämpfe für Recht und Freiheit der kleinen Staaten."

Von dem praktischen Erfolge der verschiedenen Proteste der neu­ tralen Staaten hörte man nicht viel Zuverlässiges. Das amerikanische Repräsentantenhaus hat die vom Senat vor­ geschlagenen Zusätze zum Schiffahrtsgesetz angenommen. Durch diese wird das Schatzamt ermächtigt, durch die Zollbeamten die Ausklarie­ rung solcher Schiffe zu verweigern, die nicht voll befrachtet sind und sich weigern, amerikanische Fracht nach den auswärtigen oder hei­ mischen Häfen anzunehmen. Diese Zusätze sollen der Benachteiligung von Firmen, die auf der britischen Schwarzen Liste stehen, begegnen. Eine andere Meldung lautete (Ende August 1916): „Der Aus­ schuh beider Häuser des Kongresies hat das Staatshaushaltsgesetz mit allen Zusätzen, die dem Präsidenten Vergeltungsvollmachten gegen Störung des amerikanischen Handels gewähren, angenommen, mit Ausnahme eines Zusatzantrages Phelan, weil man von ihm grvhe Härten gegen Amerikaner in fremden Ländern durch Wiedervergeltungsmahregeln befürchtet. Staatssekretär Lansing hat die vom Se­ nator Thomas im Senate gemachte Mitteilung bestätigt, daß der Zusatzantrag Thomas, wonach die Ausklarierung Schiffen der Krieg­ führenden, die Amerikaner benachteiligen, verweigert werden soll, mit

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Zustimmung des Staatsdepartements eingebracht worden ist. Dieser Zusatzantrag ermächtigt den Präsidenten, die bewaffneten Kräfte der Nation, wenn nötig, zur Ausführung seiner Verordnungen in An­ spruch zu nehmen. Auch die anderen Zusahanträge mit Ausnahme des Antrages Phelan hatten die Zustimmung des Staats­ departements." Auch hier wird fchliehlich alles von der Ausführung abhängen. Bisher ist man sehr geneigt, bei der Anglvmanie der Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika von einer Papier- und Scheinaktivn auch in der Frage der „Schwarzen Listen" zu sprechen'). (S. im übrigen über die Folgen oben S. 69, Anmerkung 2.) In der Reichstagssitzung vom 3. November 1916 stellte der Abg. Müller-Meiningen folgende Anfrage an die Regierung: Die Britische Regierung hat völkerrechtswidrig das System der Schwar­ zen Listen eingeführt, d. h. sie veröffentlicht die Namen neutraler Personen und Firmen, die wegen ihrer Handelsbeziehungen zu den Gegnern Englands feindlichen Personen gleichgestellt werden. Wie weit haben sich die Neutralen gefügt? Welche Stellung nimmt die *) „N e w Bork World" bringt eine lange Besprechung der starken Wirkung der englischen Schwarzen Listen und der Politik der Einschüchterung, der Terrorisierung und Abschnürung des amerikanischen Handels durch die Zensur der Posten und Kabelmeldungen und die Beaufsichtigung der internationalen Geld­ geschäfte und erklärt, in Amerika sei man davon überzeugt, bafj die britischen Schwarzen Listen nicht nur eine Kriegsmaßnahme feien, sondern bestimmt, den Welt­ handel auch nach Friedensschluß zu beaufsichtigen. In jedem Teile des Neuyorker Handelsblattes, so heißt es, wird die weit­ reichende Wirkung der britischen Politik der Schwarzen Listen gespürt, in der Schiff­ fahrt, im Bankwesen, im Handel mit Kurzwaren, in der Einfuhr und in der Aus­ fuhr. Das Blatt berichtet eine Reihe von Einzelheiten, die den verheerenden Ein­ fluß der Politik der Schwarzen Listen auf den heimischen und den auswärtigen Handel der Vereinigten Staaten dartun. Amerikanische Geschäftshäuser sind ge­ nötigt gewesen, ihre Beamten und Direktoren zu entlassen, die den britischen Macht­ habern widerstanden, und in manchen Fällen sind Umbildungen erzwungen worden. Der bemerkenswerteste Fall ist der der Amstnck-Gefellfchaft. Die Weizenverfchiffungen von George McNear aus San Franzisko nach Schweden find beschlagnahmt worden unter dem Verdacht, daß sie letzten Endes für Deutschland bestimmt wären. Sein Handel mit dem neutralen Europa ist zerstört worden, und sein Weizenhandel ist von zwei britischen Interessenten in San Franzisko aufgegriffen worden. Amerikanische Schiffahrtsgesellschaften weigern sich, ihre Schiffe an Firmen, die aus der Schwarzen Liste stehen, zu vermieten wegen der britischen Drohung, daß das Recht zum Einnehmen von Kohlen für Reifen nach und von Europa verweigert werden würde. Die amerikanischen Schiffahrtsgesellschaften haben öffentlich be­ kanntgegeben, daß sie die Annahme von Waren der auf der Schwarzen Liste stehen­ den Häuser ablehnen.

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Reichsleitung ein? Die Antwort des Direktors Dr. Kriege (f. stenogr. Bericht S. 2020) spricht von einem unerhörten Eingriffe in die Privatrechte der Neutralen und einer Verletzung neutraler Hoheits­ rechte und von Versuchen gesetzlicher Abwehr in Nord- und Süd­ amerika. (Siehe dort auch über die Versuche, Ausbesserungsarbeiten an deutschen Schiffen mit der Schwarzen Liste zu bestrafen.) Die Beschwichtigungsnote Englands siehe Reuters Meldung vom 15. November 1916 (z. B. „M. N. N." Nr. 584 vom 15. No­ vember 1916).

47. Kapitel. Andere Äuherungen des lVirtlchaktSkrieges.

I. In dieses Kapitel gehört auch die Aufhebung und Suspen­ dierung von Patenten und Marken, vor allem in Frankreich und England; überhaupt die Frage des literarischen und gewerblichen Rechtsschutzes'). Im allgemeinen ist zu bemerken, datz die inter­ nationalen Konventionen über den gewerblichen und geistigen Rechts­ schutz im Kriege zwischen den kriegführenden Parteien ohne weiteres außer Kraft getreten sind. Zwar werden die Angehörigen der be­ treffenden Länder nicht rechtlos, aber die Schutzbestimmungen, die auf Vertrag beruhen, treten außer Kraft (s. „D. 3.-3." 1914 Nr. 16/18 S. 1074). Auch hier gilt der oben bereits wiederholt ') Siehe Köhlers Aufsatz darüber „8. f. Völkerrecht' Bd. 8 Heft 2 S. 102 ff. und Röthlisberger im „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" vom 11. Sep­ tember 1914. Beide zunächst sehr optimistisch, bis die Tatsachen den Opti­ mismus vernichteten. — Aber die Verwertung der für militärische Zwecke nicht verwendbaren Patente im nichtseindlichen Auslande f. einen Erlast des Auswär­ tigen Amtes: „Deutscher Austenhandel" Nr. 10 S. 174. Eine wertvolle Zusammenstellung „Der gewerbliche Rechtsschutz und der Krieg" von Mintz und Osterrieth s. „Gewerbl. Rechtsschutz u. Urheberrecht" Nr. 11/12 1915 (3. Kriegsnummer) S. 363 ff. Dortselbst auster den gesetzlichen Bestimmungen der Kriegführenden auch die Rechtsprechung während des Krieges S. 268 ff. Dortselbst S. 261 ff. auch „Die United States Trademark Association aus dem Kriegspsade gegen Deutschland" u. S. 249 „Die Schädigung der deutschen Patenttnhaber durch die Kriegsbestimmungen der verschiedenen Länder".

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zitierte Art. 23 lit. h des Haager Abkommens insofern, als bereits begründete Ansprüche bestehen bleiben und nicht annulliert werden können. Er hindert aber natürlich nicht, daß die Vertragsrechte aus Staatsverträgen über Urheberrecht, Muster- und Markenschutz außer Wirksamkeit treten, solange der Kriegszustand währt. Dadurch wird leider, da für den Krieg eine Lücke in der Gesetzgebung besteht, dem Nachdrucke, der widerrechtlichen Nachbildung und dem unlauteren Wettbewerbe Tür und Tor geöffnet'). Der große moralische und wirtschaftliche Schaden ist nicht zu verkennen — vielleicht über die Kriegszeit hinaus. Die unlauteren Elemente, insbesondere in Eng­ land, werden versuchen, die Zeit zum geistigen und gewerblichen Piratentum zu benutzen. Eine Abmachung dagegen, wie sie Dr. Osterrieth a. a. O. vorschlägt, erscheint mir v o r e r st aussichtslos). In E n g l a n d ist durch ein Gesetz das Board of Trade ermäch­ tigt worden, Bestimmungen über die völlige oder teilweise Umstoßung 1) Die Zeitschrift „Handel und Gewerbe" teilt in Nr. 40 vom 26. September 1914 auf S. 872, Spalte 1 unten mit, bah das englische Handelsamt eine „per­ manente Musterausstellung" solcher Erzeugnisse eingerichtet habe, welche bisher von englischen Geschäftsleuten aus Deutschland und Österreich bezogen worden sind. Ferner wird mitgeteilt, daß beschlossen wurde, eine Reihe von sogen. „Aus­ tausch-Versammlungen" abzuhalten, in denen Fabrikanten und Grobhändler die Muster der vorstehend genannten Produkte einsehen und sich gegenseitig über die Herstellung bzw. Absatzmöglichkeiten unterhalten könnten. In dem Rundschreiben der Abteilung für „Commercial Intelligence“ des Handelsamis werden die 3mporthäuser aufgefordert, die in ihrem Besitze befindlichen Muster der deutschen und österreichischen Waren mitzubringen, damit die englischen Fabrikanten sie unter­ suchen können. Eine Organisierung schamlosen gewerblichen Diebstahls! 2) 3m Urteil des 1. Z.-S. vom 28. Oktober 1914 1 83/14 in einer gegen einen Franzosen anhängigen Patentnichtigkeitsklage hat das RG. über die Frage sich geäubert, ob und wieweit völkerrechtlich Verträge (hier die sogenannte Pariser Konvention vom 20. März 1883) den Angehörigen feindlicher Staaten gegenüber in Anwendung gebracht werden könnten. Es hat ausgesprochen, baß zwar die völkerrechtliche Verbindlichkeit solcher Abkommen feindlichen Staaten gegenüber aufhöre, daß aber der Inhalt internationaler Verträge durch Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren ein Bestandteil des deutschen Rechts geworden sei und auch gegen die Angehörigen feindlicher Staaten gelte, soweit dies nicht mit dem Zwecke der Kriegführung unvereinbar sei; der Krieg werde nur gegen den feindlichen Staat geführt. Gleichgültig ist auch (RG. Zivils. 62 S. 165ff.), ob andere Staaten gegen uns den gleichen völkerrechtlichen Grundsatz anwenden. Eine Judikatur, die fast etwas „weltfremd" erscheint! (Siehe „D. I.-Z." 1915 6. 71); dagegen „Zeitschr. f. Rechtspflege in Bayern" 1915 Nr. 10. Dortselbst die Literatur über die ganze Frage, insbes. auch Röthlisberger („Dörsenbl. des Buchh." 1914 Nr. 211); ferner Rotholz, „Der (Einfluß des Kriegs auf Bestand und Wirksamkeit

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oder zeitweilige Aufhebung von Patenten und Marken zu treffen, die für Angehörige einer im Kriege mit England befindlichen Macht ge­ schützt sind. Die demgemäß vom Board of Trade erlassenen Rules, deren Inhalt bisher allerdings nur aus Mitteilungen der englischen Presse bekannt ist, überlasten es den Beteiligten, diejenigen Patente und Marken anzugreifen, welche Angehörigen der mit England Krieg führenden Staaten gehören und englischen Interesten im Wege stehen. Zu diesem Zweck ist ein Antrag bei dem Patentamt erforderlich. Aus Verlangen des Board of Trade, der dazu ermächtigt ist (may), hat der Antragsteller glaubhaft zu machen, daß er die ernste Absicht hat, das Patent auszuführen, oder die Waren, für die das Zeichen geschützt ist, zu vertreiben, sowie ferner, daß dies im öffent­ lichen Interesse liegt. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann das angefochtene Patent oder Zeichen für ungültig erklärt oder bis auf weiteres außer Kraft gesetzt werden**). Über den gewerbveröffentlichter Verträge" 1913; Osterrieth, „Gewerbl. Rechtssch." S. 289, 1914, Nr. 12. Dortselbst wird ausgeführt, bah auf die Abkommen von Paris und Bern, soweit sie Bestandteile unserer bürgerlichen Rechtspflege sind, der Feldzug nicht einwirkt (1. c. 6. 159; bort die widerspruchsvolle Doktrin und Literatur). S. auch Strupp in Niemeyers „Zeitschrift f. intern. Recht" Bd. 25 S. 354. Ferner hat ein Urteil des Strafsenats des Oberl.-Ger. Dresden die Frage des Fortbestehens der Internationalen Union zum Schutze des gewerbl. Eigentums gegenüber England verneint: l „D. Autzenhandel" 1915 S. 174 und „Zeitfchr. f. gewerbl. Rechts­ schutz 1915 S. 258 ff. *) Eine Bekanntmachung im ,.Trade Marks Journal“ vom 11. November 1914 lautet: Es erscheint angebracht, als Richtschnur für die Allgemeinheit die allgemeinen Grundsätze bekanntzugeben, nach denen sich der Board of Trade bei der Prüfung der Anträge auf Aufhebung oder vorübergehende Außerkraftsetzung von Patenten oder Marken auf Grund der Gesetze vom Jahre 1914 richtet. Im allgemeinen kann angenommen werben, bah die nachstehend angegebenen Regeln zur Anwen­ dung gelangen; besondere Fälle werden indessen notwendigerweise besonders zu be­ handeln sein. Patente.

Lizenzen werden, sofern die Antragsteller die im Abschnitt 1 der zeitwilligen Verordnung (vom 21. August 1914) angegebenen Erfordernisse erfüllen, im all­ gemeinen bewilligt: 1. wenn im Inland keine Fabrikation zur Ausnutzung des Patents besteht; 2. wenn die im Inland bestehende Fabrikation von einer Gesellschaft oder von einer Firma für Rechnung feindlicher Ausländer, die im Ausland wohnen, ausgenutzt wird; wenn Veranlassung gegeben ist zu bezweifeln, daß die Fabrikation fortgesetzt wird; oder wenn das Landesinteresse erfordert, daß

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lichen Rechtsschutz in Australien und Neuseeland, die das Mutterland an Fanatismus auch hier übertreffen, f. „Deutscher Autzenhandel" 1915 S. 175. Patentanmeldungen von feindlichen Ausländern wer­ den dort überhaupt nicht angenommen. In Frankreich sind auf Grund gesetzlicher Ermächtigung durch eine Verordnung des Präsidenten der Republik vom 14. August 1914 die gesetzlichen Fristen, innerhalb deren zur Aufrechterhaltung der Patente Iahresgebühren zu zahlen sind, vom 1. August 1914 an bis zu einem beim Aufhören der Feindseligkeiten zu bestimmenden Zeitpunkt nutzer Lauf gesetzt; die gleiche Vergünstigung kommt der bei der Anmeldung eines Patentes zu leistenden Zahlung zu. Die gesetzlichen Fristen, die für die Patentaussührung in Frankreich, für den Ausstellungsschutz und für die Verlängerung des Musterschutzes gelten, sind ebenso verlängert worden. Einen Unterschied zwischen In­ ländern und Ausländern macht die Verordnung nicht. Wie der „Temps" vom 8. Februar 1915 meldet, bestimmt ein Regierungsent­ wurf über die Nutzung französischer Patente, datz den Deutschen, den Österreichern und Ungarn während der Kriegsdauer keine Patente ausgestellt werden und datz ihnen die Nutzung früher ausgestellter Pa­ tente untersagt wird. Die Patente, die von öffentlichem Interesie eine andere Fabrikation zum Nutzen der britischen

Interessen eingerichtet

wird.

Marten. Die zeitweilige Aufhebung wird im allgemeinen nur in folgenden Fällen bewilligt: 1.

wenn die Marke in der Bezeichnung eines patentierten Gegenstandes besteht und eine Ausnutzungslizenz für das ihn schützende Patent bewilligt ist:

2. wenn sie die einzige oder die einzige praktisch brauchbare Bezeichnung eines Gegenstandes bildet, der nach einem erloschenen Patent hergestellt wird: 3. wenn sie die einzige Bezeichnung oder die einzige praktisch brauchbare Be­ zeichnung eines Gegenstandes bildet, der nach einem bekannten Verfahren oder nach einer veröffentlichten oder im Verkehre bekannten Formel her­ gestellt wird. Regelmäßig wird die zeitweilige Aushebung von Marten, die auf figürlichen Elementen beruhen, nicht bewilligt. Deutsche Patente in Kanada. Die kanadische Regierung hat ent­ schieden, daß Patente von Angehörigen feindlicher Staaten in Kanada nicht für ungültig erklärt oder eingezogen werden, solange nicht die deutsche und öster­ reichische Regierung in gleicher Weise gegen kanadische Patente vorgeht. Dagegen werden kanadische Bürger, welche Patente der feindlichen Staatsangehörigen ver­ wenden, die dafür fälligen Abgaben an den kanadischen Staat entrichten, und dieser wird sie am Schluß des Krieges den ausländischen Patentbesitzern überweisen, falls deren Regierung in gleicher Weise verfährt. Die kanadische Regierung behält sich vor, die Preise der hergestellten patentierten Erzeugnisse zu bestimmen!

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oder für die Nationalverteidigung nützlich sind, können nach einer Prüfung durch einen Sachverständigenausschuh durch ein Sonder­ dekret zur Nutzung an Franzosen, Verbündete und Neutrale über­ tragen werden, mit der Maßgabe, dah den ursprünglichen Patent­ inhabern die jeweilig festzusetzende Prämie als Entschädigung aus­ bezahlt oder gutgeschrieben wird (s. auch „Deutscher Außenhandel" 1915 S. 175). Ob es für Deutschland ratsam erscheint, in Anwendung des § 12 Abs. 2 des Patentgesetzes das Vorgehen Englands mit Vergeltungsmahregeln zu beantworten, unterliegt der Prüfung. Nach dieser Be­ stimmung kann unter Zustimmung des Bundesrats durch einfache Anordnung des Reichskanzlers bestimmt werden, daß gegen die An­ gehörigen eines ausländischen Staates ein Vergeltungsrecht in An­ wendung gebracht werde. Über das Warenzeichengesetz s. § 23 Abs. 1 des Warenzeichengesetzes und die Entscheidung des Reichsgerichts vom 11. Juli 1913 II 223/13. Danach würde die eventuelle Aufhebung des Schutzes aller für Engländer in Deutschland eingetragenen Wa­ renzeichen wegen der zweijährigen Sperrfrist eine für uns unbefriedi­ gende Lösung finden. Ts muh daher wohl eine Änderung des § 4 Abs. 2 des Warenzeichengesetzes stattfinden *). II. Am 6. Juli 1915 schreibt die „Nordd. Allg. Ztg." offiziös über die Rechtslage: V\c für deutsche Erfindungen erwirkten Patente gehören zu den privaten Rcchtsgütern, in deren Genub und Bestand in England der Staat eingegriffen x) 3m 3ahre 1903 wurden in Großbritannien 2751 Patente an Deutsche, im 3ahre 1904 in Deutschland nur 574 Patente an Engländer erteilt. Das Ver­ hältnis wird sich nicht wesentlich verschoben haben. Natürlich werden durch den gewissenlosen Diebstahl an geistigem und gewerblichem Eigentum seitens Englands auch die Neutralen ziemlich erheblich geschädigt. Vor allem wird auch die chemische 3ndustrie betroffen werden: 3n der „Deutschen Medizinischen Wochenschrift" wird z. B. darauf hingewiesen, daß ein solcher Raub auch an einem der wichtigsten und wertvollsten pharmazeutischen Handelsgegenstände versucht wird, am Salvarsan. Die auch deutschen Ärzten wohlbekannte Firma Burroughs, Wellcome u. Co. hat den Antrag gestellt, daß ihr eine Lizenz auf das Salvarsan-Patent der Höchster Farbwerke gegeben werde und sie das Recht erhalte, ihre Produkte unter dem Namen Salvarsan und Neosalvarsan zu verkaufen. Dabei handelt es sich nicht etwa nur darum, während der Kriegszeit den Engländern das wohl auch in Groß­ britannien unentbehrliche Mittel zu liefern, sondern die Firma hat ausdrücklich erklärt, sie könne nur dann die Fabrikation aufnehmen, wenn ihr die alleinige Lizenz für England während der ganzen Patentdauer zugesprochen werde. Es scheint wenig Aussicht vorhanden, daß das Handelsami die Proteste der deutschen Firma anerkennt; höchstwahrscheinlich wird die Erlaubnis der Salvarsan-Fabrik erteilt werden. Man wird staunen, welche neue „englische Krankheit" aus diesem geistigen Diebstahle entstehen wird!

78 hat. Die öffentliche Meinung auch außerhalb Deutschlands hat an dem englischen Verfahren herbe Kritik geübt, amtliche Vergeltungsmaßnahmen wurden aber bisher deutscherseits nicht für erforderlich und nicht für nützlich erachtet. Dem englischen Beispiel sind indessen neuerdings Rußland und Frankreich gefolgt. In Rußland sind die Patente der Deutschen teils für Eigentum des Staates erklärt, teils schlechtweg aufgehoben. Ein französisches Gesetz entzieht den Leuten die Aus­ nutzung ihrer Patente und ermöglicht die Benutzung der ihnen geschützten Erfindun­ gen durch den Staat oder durch Privatpersonen. Dieses einheitliche Vorgehen unserer drei stärksten Feinde nötigt das R e i ch, die bisher beobachtete Zurückhaltung aufzugeben und im V e r g e l t u n g swege gesetzliche A u s n a h m e m a ß r e g e l n gegen die Ange­ hörigen der drei genannten Staaten auf dem Gebiete des ge­ werblichen Rechtsschutzes eintreten zu lassen. Die erforderlichen Bestimmungen sind vom Bundesrat durch die Verordnung vom 1. Juli 1915 getroffen; Ausführungsvorschristen dazu hat der Reichskanzler gleichzeitig erlassen. Danach können die feindlichen Staatsangehörigen zustehenden Schutzrechte durch Anordnungen, die im einzelnen Fall auf Antrag eines Beteiligten erlassen werden, zeitweilig oder dauernd eingeschränkt und mit Lizenzen belastet oder auf­ gehoben werden, sofern und soweit dies im öffentlichen Interesse angezeigt erscheint. Der Antrag ist an den Präsidenten des Patentamtes zu richten, der die nötige Auf­ klärung des Sachverhaltes veranlaßt. Die Entscheidung selbst steht einem beson­ deren Reichskommissar zu. Die Erteilung und Eintragung neuer Schutzrechte durch das Patentamt findet für feindliche Ausländer nicht mehr statt und die Bewegungsfreiheit des Patentamts diesen gegenüber ist sachgemäß erweitert. Mit bezug auf russische Staatsangehörige sind noch besondere Vorschriften getroffen, durch welche diesen, rückwirkend von dem Tage an, mit dem die deutschen Patentinhaber in Rußland ihrer Rechte entsetzt worden sind, die Wirkung des deutschen Patentschutzes entzogen und die Erlangung neuer Rechte unmöglich gemacht wird; dabei sind die etwa für Deutsche oder Neutrale bestellten ausschließlichen Lizenzrechte ausdrücklich gewahrt. Solche Berechtigte müsten aber bis spätestens zum 30. September 1915 ihre Rechte beim Patentamte geltend machen, um sich dagegen zu sichern, daß ihre Wir­ kung erlischt. Dasselbe gilt für Gebrauchsmuster (§ 6 Abs. 4). Also bleibt für die An­ gehörigen Rußlands nur bei Warenzeichen das besondere Verfahren vor Patent­ amt und Reichskommissär. Die Benutzung von Patenten und Gebrauchsmustern, die russischen Staatsangehörigen erteilt sind, ist vom 11. März 1915 ab frei. Auch Patentverletzungen nach jenem Tage werden nachträglich zu erlaubten Handlungen.

III. Englischer Raub am Urheberrecht. Der „Köln. Ztg." wird aus Amsterdam gemeldet: Auf Betreiben der englischen Regierung hat das Parlament ein Gesetz erlassen, das „Bestimmungen betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken" ent­ hält, „die zuerst während des gegenwärtigen Krieges in einem feind­ lichen Lande herausgegeben oder verfaßt worden sind". Kraft dieses Gesetzes sind die britischen Verleger ermächtigt, sich deutsche und österreichische Urheberrechte ohne

79 Genehmigung der Berechtigten anzueignen und deren Werke in England herauszugeben, und zwar unter der Bedin­ gung einer Art Schadenersatz, der möglicherweise einige Zeit nach dem Kriege geleistet werden soll. Darüber schreibt an die „Daily Mail" R. B. Marston, der Schriftleiter des „Publisher's Circular": „Dieses Gesetz ist eine offene Verletzung des Sinnes und Inhalts der internationalen Vereinbarung zum Schutz des Urheberrechtes an Büchern, dramatischen Werken so­ wie Leistungen der bildenden Kunst und sonstigen Schöpfungen, zu deren Schutz die als Berner Konvention bekannte Vereinigung ein­ gesetzt ist." Nebst andern gesitteten Völkern, ausgenommen die Ver­ einigten Staaten, sei England diesem Abkommen beigetreten, das als das edelste Mittel zum Schutz der Erzeugnisse menschlicher Begabung erscheine, das man bisher ersonnen habe. Marston wendet sich nach­ drücklich gegen das Vorgehen der britischen Regierung, das einen Bruch jenes Abkommens bilde, und hebt hervor, datz Deutschland und Österreich-Ungarn, die bisher ihrem verpfändeten Worte treu geblie­ ben seien, nunmehr Vergeltung üben könnten. Wie könne man irgendeinem Volke Vorwürfe wegen Verletzung eines Vertrages machen, wenn England selbst die Heiligkeit der Verträge mißachte, indem es genau dasselbe tue, was es Deutschland zum Vorwurf mache und einen Vertrag zerreiße wie einen „Fetzen Papier". Das neue englische Gesetz verleiht nach Marston den deutschen Verlegern ein Recht auf jedes englische Werk, auf dem noch Urheberrecht lastet'). *) Ein englisches Lob der deutschen Intellektuellen. In einer Besprechung der englischen Literatur und ihrer Beachtung im Ausland fühlen die „Daily News" sich zu einem Lob der deutschen Intellektuellen veranlaßt, das in England einiges Aufsehen erregte: „Es ist besonders interessant für die Psychologie der Deutschen," schreibt das Londoner Blatt, „daß sie trotz des Krieges ein dauernd lebhaftes Interesse für die wertvolle englische Literatur an den Tag legen. Wer die deutschen Zeitschriften und die Bücherkisten der deutschen Verleger objektiv betrachtet, mutz zugeben, datz das deutsche Publikum sich in dieser Beziehung als hochdenkend erweist. Auch während des Krieges sind eine ganze Anzahl englischer Werke in guter deutscher Übersetzung erschienen und mit ebensoviel Verständnis wie Unparteilichkeit beurteilt worden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Werke, die anläßlich des Shakespeare-Jubiläums in Deutschland herausgegeben wurden. Auf die Gefahr hin, als unpatriotisch bezeichnet zu werden, müssen wir erklären, datz diese Haltung des geistigen Deutschland einen Sieg der intellek­ tuellen Kultur bei den Deutschen bedeutet, die der Kunst ihres Gegners mit klarem Kopf gegenüberstehen, während der größte Teil des englischen Publikums sich meist in der gehässigsten Weise über die deutschen Bücher ausläßt und eine Auf­ gabe des Krieges darin erblickt, auch die wertvollen unter diesen Werken ins Feuer zu werfen! . . .

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IV. Daß trotz allen Raffinements und aller Rücksichtslosigkeit dieser finanziellen und wirtschaftlichen Kriegsmatzregeln Deutschland keine Angst zu haben braucht, datz es mit Recht der Meinung ist, dah dieses Vorgehen nur plumpe Kurzsichtigkeit bedeutet, die dem englischen Handel und der englischen Industrie selbst tödliche Wunden schlagen wird'), verrät eine sehr charakteristische Äußerung der „Times" be­ reits von Ende September 1914: Die „Times" schreiben dort in einer Besprechung des Buches von William Dawson: „Über die Entwicklung des modernen Deutschlands wird jetzt viel von der Gelegenheit gesprochen, die der Krieg bietet, um sich des deutschen Handels und der deutschen "Absatzgebiete zu bemächtigen. Hiervon ist viel törichtes Geschwätz. Die Handelsbeziehungen, deren wir uns dank unserer Flotte bemächtigen können, werden nicht lange in unseren Händen bleiben, wenn der normale Zustand wieder eintritt. Wie soll dann das dabei festgelegte Kapital wieder herauskommen? Deutschland hat sich seinen Handel ehrlich durch Kenntnisse, Intelligenz, Fleiß und Anpastungsfähigkeit seiner Kaufleute und Ingenieure gesichert. Nur durch die gleichen Eigenschaften können wir die Absatzgebiete uns erobern und dauernd behalten." Die „Times" empfehlen schlietzlich den englischen Industriellen das Studium des Buches und die Nachahmung deutscher Geschäftsmethoden.

Ja, wenn diese Nachahmung gegenüber jahrzehntelangen Unsitten und Unterlastungen des englischen Hochmuts so rasch möglich wäre ’)! Geistlose Kopie! Der Krieg vergeht, die deutsche Intelligenz, Tüch­ tigkeit und Rührigkeit bleibt nicht nur — nein, sie erhält durch *) Beweis u. a.: Die Ausfuhrwerte in der Textilindustrie Englands gingen nach der Veröffentlichung der Handelskammer Manchester über die Ausfuhr vom Oktober in Stückwaren von 8,8 Mill. £ im Jahre 1912 und 8,7 Mill. £ 1913 auf 4,937 Mill. £ im Oktober 1914 herab. In Garnen von 19,95 Mill. auf 8,01; in Weberwaren von 631 Mill. Pards auf 370. In anderen Baumwollwaren von 9,8 auf 5,6 Mill. £. Seitdem sind die Verhältnisse in England durchschnittlich schlechter geworden. Die Kohlenförderung ist im ersten Halbjahre 1915 um 9 Prozent zurückgegangen, weil England alle seine Verbündeten mit Kohlen versorgen mutz. In den neun Monaten vom 1. I. bis 1. X., die am 30. September 1915 abschlössen, ist ein Aussuhrrückgang von 67,6 Mill. £ oder rund 1,35 Milliarden Mark, d. h. von 19,2 Prozent gegenüber der Vorperiode zu verzeichnen. Aus der neuesten Statistik ergibt sich, datz der wichtigste Ausfuhrartikel, die Baumwollwaren (Garne und Fabrikate), allein einen Rückgang von 86,5 Mill. £ auf 65,3 Mill. £ aufweist, also in den zehn Monaten einen Rückgang des Wertes dieser Ausfuhr um ca. 20 Mill. £, d. h. rund 400 Mill. Mark. 2) Kurz nach Ausbruch des Krieges hatte man versucht, eine eigene Farbstoff­ industrie in England ins Leben zu rufen, um von den deutschen Farbstoffen unab­ hängig zu sein. Die beteiligten Kreise, hauptsächlich die Spinnerei- und WebereiIndustrie, hatten jedoch so wenig Vertrauen zu dem von der Regierung eifrig unter­ stützten Unternehmen, dast sie sich weigerten, die nötigen Summen hierfür herzugeben, so datz trotz lebhaftester Bemühungen und einer ausgedehnten Propaganda bis auf den heutigen Tag (Herbst 1915) noch nichts aus dem Plane der Errichtung einer englischen Farbstofsindustrie geworden ist.

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diesen von England angezettelten Krieg den denkbar gröhlen Ansporn! Englischer Übermut ist die Kraft, die das Böse für uns will und das Gute schafft! Die englische Zeitung „The Economist“ schrieb bezeichnend: „Wir haben Deutschland gezwungen, seine Erfinder mobil zu machen, um die Mittel zu schaffen, sich herauszuhelfen, und mit weniger als nichts grobe Resultate zu erzielen. Wir haben dem Deutschen Reich und seinen Bundesgenossen ge­ holfen, ihr Gold in ihren Kassen zu behalten, statt es, wie wir es zu tun gezwungen sind, nach Amerika zu schicken. Wir waren die Lehr­ meister unserer Feinde, wie man ohne Einfuhr leben kann."

Herr Simons, der Vertreter des uns ziemlich feindlichen Amsterdamer „De Telegraaf", hatte ganz recht, wenn er bereits Früh­ jahr 1915 sagte, bah dieser ganze nur mörderischen deutschen Haß erweckende sog. „Aushungerungsfeldzug" kläglich mißlingen und in erster Linie die kleinen neutralen Staaten, vor allem Holland und die Schweiz, dann aber die drei skandinavischen Länder schwer schädigen, Deutschland aber verhältnismäßig außer­ ordentlich wenig schaden roirb1)’)2 3 So wenig wie die unerhörte offiziöse concurrence d£loyale und das amtliche d6nigrement, das systematisch in der Dreiverbandspresse gegen unser Wirtschafts­ leben vertreten wird, uns auf die Dauer schädigt! Denn die selbst von den „Times" gepriesene Intelligenz, der Fleiß und die An­ passungsfähigkeit haben uns neue Mittel und Wege suchen lassen, um dieses riesige organisatorische Wunderräderwerk, genannt deut­ sches Wirtschaftsleben, in Ordnung zu halten: Ein Volk, das mit solcher Begeisterung solche titanenhaften Ansttengungen macht und solche Riesenopfer in diesem Kriege bringt, ist nicht zu besiegen *) *)'). *) Der interessante Artikel Simons' endet mit folgenden Worten: „Hier (in Deutschland) leidet man keinen Hunger, hier gibt's keine Opposition, hier ist hofsnungsvolles Vertrauen auf einen schnellen, ehrlichen Frieden, Vertrauen zur Regie­ rung, Vertrauen zum Heer. Das ist die Psyche dieses Volkes! Behelft euch damit!" 2) Laurent Michaud, der Präsident des Verbandes französischer Kaufleute und Industrieller, klagte im „Temps" (Januar 1915): „Der Augenblick ist schlecht gewählt, tönende Worte über die Verdrängung unserer Feinde vom Weltmärkte zu machen. Wir werden zunächst unsere ganze Zähigkeit, Intelligenz und Opferfreudigkeit gebrauchen, um unsere eigene Stellung auf dem Weltmärkte behaupten zu können. Der französische Fabrikant mutz ohnmächtig zusehen, wie seine bis­ herigen Kunden sich restlos von ihm abwenden und zur englischen Industrie über­ gehen." 3) Ein sehr beachtenswerter Aufsatz von Dr. Julius Wolf über die „Wirt­ schaft nach dem Kriege" appelliert mit Recht an den deutschen Takt und Stolz auch im Wirtschaftsverkehr mit den jetzt feindlichen Staaten (s. „D. 3.-3" 1915 S. 361). Wir wären wirklich tatsächlich in eine schwierige Lage geraten, wenn der militärische Stotz gegen Frankreich nicht so geführt worden wäre, datz die wirtschastMüller-Meintngen, ©cltfricg und Völkerrecht. 4. Aufl. II. Bd.

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licfce Lage Frankreichs lahmgelegt und die industriellen Gebiete gleichzeitig für unser eigenes Land ausgenützt werden können. Was wir von Frankreich besetzt haben, beträgt 68 Prozent der Kohlenproduktion Frankreichs, ferner 78 Prozent der Koksproduktion, 90 Prozent der Eifenerzproduktion, 85 Prozent der Roheifenproduktion, 76 Prozent der Stahl- und Schienenproduktion, 62 Prozent der Blechproduktion, 70 Prozent der Stahlgutzproduktion und 100 Prozent der Röhrenproduktion. Wir beherrschen 68 Prozent der gesamten Textilfabrikation. Dreiviertel der ganzen fran­ zösischen Schwerindustrie, dazu ganz Belgien und die Industriezentren in Polen (Lodz, Czenstochau usw.), 23 Prozent der russischen Kohlenproduktion ist in unserer Hand und damit Kompensationen gegen die völkerrechtlichen Schandtaten auf wirt­ schaftlichem Gebiete. 4) Man machte s i ch im neutralen Auslande, insbeson­ dere den Vereinigten Staaten, einen völlig falschen Begriff von unserer wirtschastlichen und finanziellen Lage. S. 3. Auslage das Nähere nach dem Stande Juli 1915. Mutatis mutandis fält dies auch heute (Dez. 1916). Und England? Am 1. Dezember 1915 trat infolge der Verfügung des britischen Handels­ gerichts eine Mastnahme in Kraft, die von einschneidend beschränkender Wirkung für die gesamte Kauffahrleischisfahrt sein mutz und dem stolzen, in den ersten Monaten des Krieges so oft gehörten Wort „Business as usual" einen weiteren starken Stotz geben dürfte. Die Verfügung lautet: „Wegen der stetig wachsenden Nachfrage nach Kauffahrteischiffstonnage ist es notwendig geworden, besondere Maßnahmen zu ergreifen, um den Bedarf an Handelsschiffstonnage für nationale Dienste sicherzustellen." In Verfolg dieser Verfügung erging das Verbot, datz vom 1. Dezember ab kein britisches Schiff von einem fremden zum anderen fremden Hafen mehr irgendwelche Ladung bringen dürfe. Und weiter wurde angeordnet, datz alle Kauffahrteischiffe jederzeit zum Transport von Lebensmitteln und anderem mehr von der Regierung beschlagnahmt werden dürften. Diese Bekanntmachung legt Beweis dafür ab, welche beängstigende Knappheit an Handelsschiffstonnage in England herrscht. Sie räumt auf mit der freien Selbst­ bestimmung der britischen Handelsschissahrt, und kommt in Wirklichkeit schon einer Enteignung gleich. Die Wirkung wird bestehen in der weiteren Steigerung der Frachtraten, der Lebensmittelpreise u. a. nt. Die Frachtraten stiegen während des Krieges in einem Matze, von dem man sich meist keinen Begriff macht. So betrug zum Beispiel der Transportpreis einer Tonne Kohlen von englischen Häfen nach Port Said während des Friedens 7 Schillinge. Anfang des Jahres war er auf 30 angewachsen und jetzt beläuft er sich auf etwa 45 Schillinge. 6) Englische Seekriegführung als Geschäft (Prisengelder). Für die englische Handelsmarine ist der Krieg nach den Worten Mr. Herold Wyatts, früheren Schriftführers des englischen Flottenvereins, stets eine Zeit der Ernte gewesen; aber auch in der englischen Kriegsmarine hat man immer einen gutentwickelten Sinn für das Geschäft gehabt. Namentlich in den langen Kriegen gegen das napoleonifche Frankreich ist durch die reichlich flietzenden Prisengelber der Grundstock zu manchem schönen Vermögen gelegt worden. Besonders für die in höheren Kommandostellen befindlichen Offiziere bildeten die aus dem Erlös genommener feindlicher Schiffe nebst Ladung fliehenden Prifengelder eine ganz erhebliche Einnahmequelle. Zwar nahm der Staat einen Teil des Erlöses für

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sich in Anspruchs laut und allgemein wurde auch in Flottenkreisen über die hohen Gerichts- und Avwaltsgebühren geklagt, immerhin blieben aber noch ganz anständige Summen zur Verteilung an die Offiziere und Mannschaften. Die Flaggoffiziere er­ hielten ihren Anteil aus allen von Schiffen ihres Geschwaders gemachten Prifengeldern vorweg: aus dem Rest erhielt der Kommandant ein Zehntel, die übrige Besatzung eine je nach dem Dienstrang verschiedene Anzahl von Anteilen, die Offi­ ziere 20 bis 45, die Unteroffiziere 4 bis 12, die Matrosen 2 und die Schiffsjungen je 1. So erhielt zum Beispiel nach der Schlacht von Trafalgar jeder der beteiligten Kommandanten als Prisengeld annähernd 20 000 M>: eine für den damaligen Geld­ wert autzerordentlich hohe Summe. Der Anteil der Matrosen belief sich allerdings nur auf je 40 M. Es ist daher begreiflich, datz der auf der zweiten Haager Konferenz im yahre 1907 von französischer Seite gemachte Vorschlag, das Unwesen der Prisengelder abzuschaffen, in England wenig An­ klang fand. Obgleich sich gegen die vorgebrachte Begründung, nämlich batz den Angestellten eines Staates jeder Gedanke an persönlichen Gewinn fernliegen müsse, und datz sie kein wirtschaftliches Interesse daran haben dürften, inwieweit eine feindliche Handlung stattfinden solle, wohl kaum etwas einwenden lieb, enthielten sich die englischen Vertreter der Abstimmung, so dab eine Einigung nicht erzielt werden konnte. Unmittelbar vor dem Kriege hat dann England, dem Beispiel fast aller übrigen Staaten folgend, die Prisengelder abgeschafft, sie aber kurz nach Kriegsausbruch, wenn auch in etwas veränderter Form, wieder eingeführt. Besonders bekannt und berüchtigt ist der Fall mit dem Hilfskreuzer „Earmania", der am 14. September 1914 den deutschen Hilfskreuzer „Kap Trafalgar" nach einem heftigen Gefecht versenkte. Da das deutsche Schiff nicht er­ beutet, eine Prise also nicht gemacht worden war, wurde die gezahlte Entschädigung nach der Anzahl der gefallenen Gegner, für den Kopf 5 Pfund Sterling, gleich 100 Mark, festgesetzt. Es handelt sich also nicht eigentlich um ein Prisengeld, sondern um ein K o p f g e l d in ausgesprochenster Form! Ähnlich scheint der Fall des Kanonenbootes „Dwarf" zu liegen, dem für die Vernichtung des deutschen Kolonialdampfers „Nachtigall" vor Kamerun 3700 Mark zugebilligt wurden. Von neueren Bezahlungen englischer Mannschaften für ihre Kriegserfolge ist bekannt geworden, daß ein englisches O-Boot für die Versenkung eines deutschen Torpedobootes 8130 M., ein anderes für die Zerstörung eines Fisch­ dampfers 2700 M. und der Kreuzer „Highflyer ", der bekanntlich im August 1914 den an der westafrikanischen Küste vor Anker liegenden deutschen Hilfskreuzer „Kaiser Wilhelm der Grobe" unter grober Verletzung der spanischen Neutralität abschob, 2500 Pfund erhielt. Wie auf vielen anderen Gebieten, ist somit das stolze, für Freiheit und Ge­ sittung kämpfende England zu den Kriegsgebräuchen einer barbari­ schen, für die Bestimmungen des Völkerrechts wenig empfindlichen Zeit zurück­ gekehrt, und man darf nach diesen Vorgängen es für nicht ausgeschlossen halten, datz auch den M ö r d e r n v o m „ B a r a l o n g " (s. unten Teil III) vor dem englischen Prisengericht eine Geldbelohnung zuerkannt worden ist. Vielleicht wird man auch der berüchtigten Besatzung des „King Stephen" eine Belohnung dafür ge­ geben haben, datz sie sich am 3. März 1916 weigerte, die schiffbrüchige Besatzung des deutschen Luftschiffes „L. 19" zu retten, denn was den „Earmania"-Leuten recht ist, mub den „King Stephen"-Leuten billig fein.

84 48. Kapitel.

Verletzungen der Voltrechte der Meutralen durch den Vierverband ?u Land und )vr KeeI). I. England verletzt auch andere Abkommen, die es unter­ zeichnet und ratifiziert hat. Das 11. Abkommen der Haager Kon­ ferenz über gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekriege bestimmt in Art. 1 und 2: „Die auf See auf neutralen oder feindlichen Schiffen vorgefun­ denen Briefpostsendungen der Neutralen oder der Kriegführenden, mögen sie amtlicher oder privater Natur sein, sind unverletzlich. Er­ folgt die Beschlagnahme des Schiffes, so sind sie von dem Beschlag­ nehmenden möglichst unverzüglich weiterzubefördern. Die Bestimmungen des vorstehenden Absatzes finden im Falle des Blockadebruchs keine Anwendung auf die Briefsendungen, die nach dem blockierten Hafen bestimmt sind oder von ihm kommen." Wenn diese Bestimmung eintreffen soll, so mutz nach der Pa­ riser Seerechtsdeklaration von 1856 die Blockade eine wirksame fein! Eine solche wirksame Blockade ist, wie wiederholt betont, auch bisher, d. h. bis Oktober 1916 nicht vorhanden. Es handelt sich stets nur um die „Papierblockade"z). Die Unverletzlichkeit der Briefpostsendungen entzieht die neu­ tralen Postdampfer nicht den Gesetzen und Gebräuchen des Seekriegs, welche die neutralen Kauffahrteischiffe im allgemeinen betreffen. Doch soll ihre Durchsuchung nur im Notfall unter möglichster Schonung und mit möglichster Beschleunigung vorgenommen werden (Art. 2). Obwohl nun die Blockade bis heute de facto noch nicht wirk­ sam ist, übt die englische Kriegführung eine Zensur über die Brief­ postsendungen von Amerika und Asien aus, zu der sie in keiner Weise befugt ist. Sie geht aber noch weiter und hat in einer Reihe von Fällen (s. auch Mitteilungen des Handelsvertragsvereins vom Sep­ tember 1914 und „Kölnische Ztg." vom 27. September 1914) Briefpostsendungen auf neutralen Schiffen durch ihre Kriegsschiffe beschlag­ nahmt, die nach Deutschland bestimmt waren. Ebenso wurde ohne *) Dieses Kapitel ist wegen seiner vorwiegend wirtschaftlichen Bedeutung aus Teil 3 hierher genommen worden, obwohl es auch zugleich zum „Seekriege" gehört, überhaupt sei wiederholt festgestellt, dast Wirtschafts­ und Seekrieg heute fast zusammenflietzen, daher sich auch in unserer Betrachtung schwer scheiden lassen. 2) Italien hat (Sommer 1915) die förmliche Blockade gegenüber der Adriaküste bis Albanien ausgesprochen. Ebenso ist auch Deutsch-Ostafrika und Kamerun

förmlich blockiert.

»5 Dementi mitgeteilt, bofo unter gleichzeitigem Bruch der Suezakte durch die Engländer im Suezkanal die aus Deutschland stammende sowie die an Deutschland gerichtete Post vernichtet wurde. Es sind dort Mitte September 1914 bereits 1100 Pvstsäcke mit deutscher Post auf einem italienischen Schiffe vernichtet worden. Nach italienischen Mit­ teilungen (Genua, 7. April 1915) wurden 2300 deutsche Postsäcke auf italienischen Schiffen von den Franzosen und Engländern be­ schlagnahmt. Weiter sind nach einer Mitteilung der italienischen Postverwaltung, wie das Reichspvstamt am 14. April 1915 meldete, 11 aus Mittelamerika mit dem italienischen Dampfer „Siena" für Deutschland abgesandte Briefposten von einem französischen Kriegs­ schiffe am 1. April 1915 beschlagnahmt worden. Dieselben Klagen kamen aus Athen, von Banken und zahl­ reichen Geschäftshäusern. Vermerke: „Vom Zensor geöffnet." „Un­ bestellbar zurück." Die Öffnung der Postsäcke wurde auf neutralen griechischen Schiffen begangen! Ähnliche Klagen kommen aus Bra­ silien und andern neutralen Staaten: Besonders willkürlich geht heute England mit den skandinavischen Staaten um'). II. Der „Voss. Ztg." wurde im September 1915 geschrieben: Tausende von Postsendungen, die aus allen Teilen der Vereinigten Staaten nach Deutschland und Belgien gerichtet sind, werden nach einer Meldung der „Westlichen Post" aus London allwöchentlich auf Anordnung des englischen Zensurdepartements ein Opfer der Flammen. Ein Teil der Briefe, die Name und Adresie des Absen­ ders enthalten, wird zurückgeschickt. Die Mehrzahl der Sendungen wird jedoch in einem groben Ofen des sogenannten „Briefvernich­ tungsamtes" in Asche verwandelt. Die Briefe stammen in der Hauptsache von aus Kirkwall zur Untersuchung eingebrachten Dampfern, von wo sie auf das Londoner Zensuramt wandern. Auch Sendungen, die sich auf direkt aus den Vereinigten Staaten nach England kommenden Dampfern zur Beförderung nach Deutschland befinden, erfahren das gleiche Schicksal. Bei dieser Gelegenheit gehen auch beträchtliche Werte zugrunde, da viele dieser Briefe Pa­ piergeld enthalten, die von Amerika aus an vermeintlich infolge des Krieges in Not geratene Angehörige oder Bekannte gesandt werden. *) „Svenska Dagbladet" erfährt, Stockholm, 11. Juni 1915 von unterrichteter Seite, dah die englischen Postbehörden die an Postsendungen angebrachten Bleivlomben erbrochen haben, die englische Zensur hat nicht nur gewöhnliche, sondern auch eingeschriebene Sendungen geöffnet. Dazu schreibt das der Regierung nahe­ stehende Blatt: Die vollkommene Rücksichtslosigkeit, mit der England den neu­ tralen Telegrammverkehr behandelt, ist nun auf amtliche, rechtlich unantastbare Versiegelung ausgedehnt worden.

Wie Reuter anfangs Oktober 1915 mitgeteilt hat, erklärte auf Anfragen eines Abgeordneten Sir Edward Grey im englischen Un­ terhaus, die englische Regierung habe die Austastung, datz der Kriegszustand die Anwendung des ersten Paragraphen des Art. 4 Abs. 1 des Weltpostabkommens aufhebt. Die Regierung fühle sich gezwungen, in gewissen Fällen die Post, die durch ihr Gebiet aus einem neutralen Land in ein anderes neutrales Land geht, zu unter­ suchen. Der hier erwähnte erste Absatz des Artikels 4 des Weltpostabkommens lautet: „Im leistet."

gesamten

Vereinsgebiet ist die Transitfreiheit gewähr­

Die neutralen Staaten haben es sich von England, Frankreich und Italien schon längst gefallen lasten mästen, daß diese Staaten den Briefverkehr zwischen den Neutralen zum Gegenstand schärfster Untersuchung gemacht haben, so dah seit Monaten schon von einem Briefgeheimnis, auf das die Neutralen laut dem Weltpostabkommen ein Recht haben, nicht mehr gesprochen werden kann. Der Brief­ verkehr aus der Schweiz beispielsweise nach fremden Ländern geschieht in verschlostenen, mit Plombe und Angabe des Bestimmungs­ ortes versehenen Säcken. Diese Säcke werden in den kriegführenden Ländern, die sie passieren, geöffnet, alles wird durchstöbert und aus eingeschriebenen und uneingeschriebenen Briefen alles entfernt, was irgendwie verdächtig ist. Was noch bleibt, wird wieder verschlossen, mit dem Zensurvermerk versehen, die Säcke werden neu plombiert und endlich weiterbefördert. Die Neutralen empören sich selbstverständlich über diesen Eingriff in ihre Rechte, beim schweizerischen Bundesrat gehen fast täglich Beschwerden ein über diese Kontrolle, die in den meisten Fällen eine starke Verzögerung der Postsendungen zur Folge hat, und wiederholt schon hat der Bundesrat bei den beteiligten Regierungen dagegen Vorstellungen erhoben. Allein weder die Klagen der Öffentlichkeit noch die Vorstellungen der Regie­ rung haben vermocht, eine Änderung herbeizuführen: die Antwort lautet jeweilen, bafe man der staatlichen Postverwaltung nicht zumuten könne, Briefschaften zu befördern, welche geeignet seien, dem eigenen Landesintereste zu schaden. Mit diesem Argument wird das Recht begründet, den gesamten Po st verkehr der Neu­ tralen unter eine peinliche Kontrolle zu stellen. Selbst so mächtige neutrale Staaten, wie die Vereinigten Staaten von Amerika, stehen hier in ihrem Briefverkehr mit anderen neutralen Staaten unter englisch-französisch-italienischer Kontrolle, und es ist eigentlich erstaunlich, wie wenig den sonst so empfindlichen Ameri»

87 füttern bewußt wird, wie unwürdig für ein unab­ hängiges Volk diese Briefschnüffelei ist. Daß nun England dieses Schnüffeltum zu legitimieren sucht, gibt der Sache kein besseres Gesicht, und man mag daraus nur neuerdings ersehen, wie leicht das angeblich für die Freiheit und die Rechte der kleinen Staaten kämpfende England bereit ist, sich über diese Rechte hinweg­ zusetzen, wenn sie seinen eigenen Interessen unbequem liegen. Aus Stockholm wird z. B. dem „Hamburger Fremdenblatt" vom 17. Januar 1916 gemeldet: Die englische Behörde beschlagnahmte die gesamte Pakeipost des ameri­ kanischen Dampfers „Stockholm" für S ch w e d e n. Cs waren 371 Paketpostsäcke.

Selbstverständlich mutzten die Zentralmächte mit ähnlichen Repressivmatzregeln vorgehen. Der Standpunkt der deut­ schen Regierung ist niedergelegt in der Ent­ scheidung über den norwegischen Dampfer „Haakon VII". Dort heißt es u. a. (deutsche Presse vom 4. Ok­ tober 1915): „Von den Briefsendungen wurden vier Postsäcke mit feindlichem Bestimmungsort von dem Kommandanten mitgenommen und an die deutschen Behörden abgeliefert. Die Briefpost wird durch das Haager Abkommen nicht ge­ schützt, da verschiedene Kriegführende, darunter Rutzland, es nicht ratifiziert haben, so daß es nach Artikel 9 in dem jetzigen Kriege keine Anwendung findet. Die Feinde Deutschlands durchsuchen die deutsche Briefpost auf neutralen Schissen mit größter Rücksichtslosigkeit und haben sie sogar teilweise beschlagnahmt, ohne daß, soweit bekannt, ein wirksamer Widerspruch dagegen erhoben worden wäre. Deutschland hat daher Anspruch auf das gleiche Recht, so datz das Vorgehen des Komman­ danten nicht als völkerrechtswidrig angesehen werden kann. Der Einspruch der norwegischen Regierung, heitzt es weiter, kann daher nicht als begründet angesehen werden. Dessenungeachtet hat die Kaiserlich Deutsche Regierung beschlossen, um in möglichst großem Umfang die Interessen der neutralen Länder zu schonen, bis auf weiteres die Briefpo st auf neutralen Schiffen unberührt zu lassen, selbst wenn sie nach einem feindlichen Lande bestimmt sein sollte. In Übereinstimmung hiermit hat sie die von dem Dampfer „Haakon VII." entfernte Briefpost ungeöffnet der deutschen Reichspostverwaltung übergeben, von welcher sie unverzüglich der norwegischen Postverwaltung zugestellt worden ist."

88

Die norwegische Regierung hat nach Empfang dieser Note der deutschen Regierung mitgeteilt, daß sie es nicht für nötig halte, die rechtliche Seite der in Betracht kommenden Fragen von neuem zu erwägen, da sie mit Befriedigung von der prak­ tischen Lösung Kenntnis genommen habe, welche die deutsche Regierung in ihrer Mitteilung an die norwegische Regierung gegeben hat. III. Trotz der Proteste des einen oder anderen neutralen Staates scheuten sich unsere Feinde nicht, tagtäglich das Völkerrecht zu ver­ letzen, indem sie alle in ihre Hände gelangenden Privatbriese er­ brachen und ihren Inhalt durchschnüffelten. Sie begnügten sich, wie erwähnt, längst nicht mehr damit, etwa nur die Briesichaften aus feindlichen Ländern so zu mißhandeln, sie erbrachen auch ungescheut solche Briefe, die a u s neutralen Ländern nach neutralen, am Kriege nicht beteiligten Ländern gingen. „Vor uns liegt", schreibt die „Köln. Ztg." Sommer 1915, „das erbrochene Kuvert eines aus Brasilien nach Genf (Schweiz), eines aus den Vereinigten Staaten nach Zürich, und eines aus Madrid nach Zürich gerichteten Schreibens." In diesen drei Fällen handelte es sich um einen Völkerrechtsbruch, der gegen die neutrale Schweiz gerichtet ist, die Umschläge tragen übereinstimmend den Vermerk: „Ouvert par l'Autorite Militaire“. In der „Deutschen Iuristenzeitung" 1916 Nr. 11/12 findet sich in einem Aufsähe des Reichsgerichtsrats Dr. Neukamp „Der englische Posttaub im Lichte des Völkerrechts" (1. c. S. 570 ff), ein Verzeichnis über die Fälle, in denen feit Dezember 1915 Briefposten im deutsch­ überseeischen Poswerkehr von britischen Behörden beschlagnahmt worden sind. Es sind im ganzen 6099 auf niederländischen Schiffen ausgehend im Verkehr mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika, ankommend über 2800 Briefpvsten, im Verkehr mit Spanien, Portu­ gal und Südamerika zusammen etwa 6400 Briefposten von britischen und französischen Behörden beschlagnahmt worden. Während fast des ganzen Jahres 1915 und 1916 gingen ununter­ brochen die Proteste der neutralen Staaten, insbesondere der schwedi­ schen Regierung gegen die englische Postzensur (s. Nachrichten vom 12., 18. Juni 1915, s. insbesondere die beweglichen Klagen des norwe­ gischen „Morgenbladet" in der „Köln. Ztg." über die Schikanen und bas willkürliche Spionagesystem Englands in Norwegen, ferner „Kolon. Rundschau" 1915 S. 389 ff. über „England und die Neu­ tralen").

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«9

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IV. Schweiz insbesondere. Aus der Schweiz wurde „Köln. Ztg." (30. Oktober 1915) geschrieben:

der

Zu den mannigfachen Bedrückungen der neutralen Staaten gehört auch die Mißachtung des Briefgeheimnisses. Zwar bestimmt der erste Paragraph des Ar­ tikels 4 des Weltpoftabtommens, daß die Transitfreiheit im gesamten Vereins­ gebiet gewährleistet fei, aber um feine Bestimmung haben sich England, Frankreich und Italien feit Kriegsbeginn wenig gekümmert. Der Briefverkehr auch zwischen neutralen Staaten, beispielsweise zwischen Nordamerika und der Schweiz, wird, soweit England, Frankreich und Italien die Macht hierfür besitzen, einer peinlichen Aufsicht unterworfen, Der Briefverkehr aus der Schweiz nach fremden Ländern geschieht in verschlossenen, mit Plombe und Angabe des Bestimmungsortes ver­ sehenen Säcken. Das Weltpostabkommen würde der neutralen Schweiz das Recht geben, zu verlangen, daß diese Sendungen uneröfsnet nach ihrem Bestimmungs­ ort gehen. Seit Kriegsbeginn aber werden eingeschriebene und uneingeschriebene Briefe durchschnüffelt, alles irgendwie Verdächtige daraus entfernt und was noch bleibt wieder verschlossen, mit dem Zensurvermerk versehen, die Säcke werden neu plombiert und endlich weiterbefördert. Selbstverständlich ist man in der Schweiz und wohl auch in anderen neutralen Staaten über dieses Schnüffelwesen empört, es gehen auch beim schweizerischen Bundesrat täglich Beschwerden darüber ein, und wiederholt schon hat der Bundesrat bei den beteiligten Regierungen dagegen Vorstellungen erhoben. Doch Klagen und Beschwerden bleiben erfolglos, man antwortete, daß der staatlichen Postverwaltung nicht wohl zugemutet werden könne, daß sie Briefschaften befördere, die den eigenen Landesinteressen schaden könnten. Diesen Standpunkt hat nun die englische Regierung sozusagen legitimiert, indem Sir Edward ©rep im englischen Unterhaus erklärte, „die englische Re­ gierung betrachte durch den Kriegszustand die Anwendung des ersten Paragraphen des Artikels 4 des Weltpo st abkommens für unterbrochen und die Regierung fühle sich gezwungen, in gewissen Fällen die Po st, die durch ihr Ge­ biet aus einem neutralen Land in bas andere neutrale Land geht, zu untersuchen". Etwas Neues sagte ©rep damit nicht, denn tatsächlich setzt sich die englische Regierung seit langem über diese vertraglich festgelegten Rechte der neutralen Staaten hinweg. Aber es mag immerhin wertvoll sein, gerade von der englischen Regierung zu hören, wie sie über bie Gültigkeit internationaler Verträge denkt, wenn diese Verträge den englischen Interessen unbequem liegen1).

Die „N. Zürcher Ztg." (8. November 1915) schreibt: „Schweizerische Banken haben sich veranlaßt gesehen, an ihre ©eschästsfreunde 9 Auch die Züricher Seidenstoffweberei macht die Erfahrung, daß ©eschäftstelegramme nach den Vereinigten Staaten zurückgehalten oder unterschlagen werden. Die Verluste, die der schweizerischen Ausfuhr von Seidenwaren nach den Ver­ einigten Staaten aus diesem unbegreiflichen Vorgehen erwachsen, sind ganz be­ deutend. Auch in den Kreisen der Seidenstoffweberei ist man zu der Überzeugung gelangt, daß der französische und englische Zensor hier nicht sowohl aus politischen Gründen als vielmehr im Interesse der Industriellen seiner Länder handelt. Un­ begreiflich erscheint, daß die Behörden und die Geschäftswelt der Vereinigten Staaten, die über diese Zustände unterrichtet sind, sich Zumutungen dieser Art gefallen lassen.

in Deutschland das Ansuchen zu stellen, ihnen wegen der erheblich verschärften Zensurmatznahmen der übrigen kriegführenden Länder keinerlei Depeschen und Korrespondenzen, noch 3nkassorimessen oder Coupons zur Weiterleitung resp. zum Einzug aus das Ausland zu überweisen. Es ist ganz selbstverständlich, datz hierin keine Unfreundlichkeit gegenüber deutschen Gxschäftsfirmen enthalten ist; der Be­ weggrund ist der, dast besonders die französische Post den schweizerischen Firmen einfach den Post- und Telegraphenverkehr sperrt. Seit Wochen sind nämlich die meisten Sendungen, die unsere Banken nach Amerika, also nach dem neutralen Ausland, machten, in Frankreich einfach beschlagnahmt worden. Wertschristen, Rimessen, Coupons, Dollarnoten, alles wurde nicht etwa zurückgewiesen, sondern mit Beschlag belegt. Zur Kenntnis der betreffenden Absender gelangte dies erst, als das Ausbleiben einer Empfangsanzeige zu postalischen Nachforschungen veranlastte, die dann zur Feststellung führten, dast die Sendungen in Frankreich beschlagnahmt bleiben. Die Beschlagnahme tritt besonders in den Fällen ein, wo Sendungen an solche NewPorker Danksirmen gerichtet sind, die dem Konzern für Übernahme der anglo-sranzösischen Anleihe ablehnend gegenüberstanden. So sind auch Sendungen, die die Schweizerische Nationalbant nach New Port machte, säsiert worden. Diese Übergriffe, die nur auf Willkür führn, bilden nicht bloss eine rechtswidrige Verletzung der Postgesetze, sie erweisen sich auch als eine Mißachtung unserer Neutralität. 3m 3nteresfe unseres Staates liegt entschieden ein mehr als bloß platonischer Protest, ganz abgesehen davon, datz die von Frank­ reich beliebte Maßregel einer Unterbindung unseres geldlichen Verkehrs mit Amerika und damit einer gewalttätigen Schädigung unseres Handels gleich­ kommt usw."

Diese zwei Presteäutzerungen bestätigen, was seit langer Zeit allüberall in privaten und öffentlichen Kreisen als skandalöser Bruch internationaler Abkommen und Gebräuche bezeichnet worden ist. D i e völlige Mitzachtung des Briefgeheimnisses der Neutralen und insbesondere die geradezu räuberische Po st sperre vor allem seitens Frank­ reichs gegenüber neutralen Staaten. Daß die Schweiz als kleiner Staat sich solche unerhörten Verletzungen und Mißhandlungen gefallen lasten mutzte, ist klar. Datz aber die Regie­ rungen großer Staaten, die so empfindlich Deutschland gegenüber sind, wie die Wilsonsche, sich diese schnöde Vergewaltigung ohne wei­ teres gefallen lasten, ist eine der zahlreichen Unbegreiflichkeiten dieser Zeit. Jede Würde, jedes Gefühl von Unabhängigkeit ist hinter dem anglophilen Fanatismus zurückgetreten. Am 7. März 1916 meldete die Schweizerische Depeschenagentur: „Über die Beschlagnahme schweizerischer Postsendungen durch die Militärbehörden kriegführender Staaten stellt das schweizerische Postdepartement in einem amtlichen Bericht fest, das; auch die Postsendungen von neutralen Staaten an andere neutrale Staaten von den Kriegführenden beschlag­ nahmt werden, trotzdem die Freiheit des Transites eine der wichtigsten Grundlagen des Weltpostvertrages bildet. Den Bemühungen der schweizerischen Postverwaltung und des politischen Departements ist es leider nicht gelungen, be-

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friedigende Zustände herbeizuführen. Ebenso unhaltbar ist die Lage in bezug auf das Postgeheimnis geworden. Von den Militärbehörden Kriegführen­ der werden die plombierten Postsäcke von neutralen Ländern nach anderen neu­ tralen Ländern nach Belieben erbrochen.und die darin enthaltenen Briefe ge­ öffnet. Mit dieser Zensur ist eine schwere Schädigung der schwei­ zerischen Handelsinteressen verbunden. Mit Rücksicht auf die Unsicherheit in der Beförderung der schweizerischen Amerikapost über Frankreich und England werden nunmehr geschlossene Driefsäcke nach Amerika über Deutschland und die Nieder­ lande durch die Vermittelung niederländischer Schiffe abgefertigt. Diese Brief­ posten unterliegen dem Vernehmen nach auf deutschem Gebiete keiner Zensur, dagegen soll nach den neuesten Nachrichten eine Durchsuchung auf hoher See durch englische Schiffe stattfinden.

Am 19. November 1915 schrieb dasselbe Blatt u. a.: ... „Diese Behinderung des postalischen Verkehrs mußte namentlich deshalb in der Schweiz schwer empfunden werden, weil schon früher ihr telegraphischer Verkehr mit dem Ausland praktisch unterbunden worden war. Wer heute nach Spanien, nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika telegraphiert, muh tag­ täglich die Erfahrung machen, daß der Telegraph das Geld wohl annimmt, die Depesche aber nicht befördert wird, und zwar ohne daß der Absender davon in Kenntnis gesetzt und ohne daß ihm das zwecklos ausgegebene Geld zurückerstattet würde. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß wir Neutralen und die krieg­ führenden Staaten mit uns Neutralen unter dem Regime internationaler Ver­ träge leben, so müssen wir sagen, daß dergleichen Zustände, die vor 1914 beim Lande Castros nicht wären geduldet worden, in höchstem Maße unsern P r o t e st herausfordern müssen. Auf dem Wege der Behinderung unseres Verkehrs mit dem Auslande ist man aber noch weiter gegangen. Die Sperre hat sich auf die eingeschrie­ benen Briestachen erstreckt und hat sich zur eigentlichen Beschlagnahme ausgewachsen. Wie allgemein sie geworden ist, mit welch uns rein unverständ­ lichem Umfang diese Maßregel gehandhabt wird, mag folgende Zuschrift -eigen: „Ich habe eine der größten Briesmarkenhandlungen der Welt, aber es ist begreiflich, daß heute mein Geschäft sehr lahmgelegt ist und verhältnismäßig nicht viel zu tun ist. Dennoch gebe ich auch heute während der Kriegszeit einigen Dutzend Angestellten Brot, und zahle viele Taufende für Porti . . . Weil ich fast nur mit dem Ausland arbeite, so können Sie sich vorstellen, wie sehr ich darunter leide, daß die französische Militärbehörde derartig nach Willkür meine Sendungen mit Beschlag belegt. Heute allein hat man mir von der Post aus mit­ geteilt, daß acht Sendungen, die ich nach den Vereinigten Staaten abgehen ließ, mit Beschlag belegt wurden. Diesen Schein brauche ich zu Postreklamationen. Einliegend jedoch sende ich ihnen einen Schein vom 6. November 1915, aus dem Sie sehen, daß zehn Sendungen mit Beschlag belegt wurden, und eine weitere Mitteilung von der Post über 26 sequestrierte Sendungen. Ich habe noch einen großen Stoß derartiger Mitteilungen. Meine Sendungen enthalten nur Brief­ marken, nichts anderes, und zwar keine Marken von Frankreich feindlichen Mächten, die etwa verboten wären. Die Postreklamationen sind bis heute gänzlich ohne irgendwelchen Erfolg gewesen. Man schreibt mir, daß Schritte eingeleitet sind, und dann bekomme ich die Mitteilung, daß die Beschlagnahme bestehen bleibe, daß nichts zu machen sei. Warum die Sendungen mit Beschlag belegt

92 wurden, erfahre ich auch nicht. Es kann doch schließlich für die alliierten Mächte kein Unglück fein, wenn ich eine 40 Jahre alte spanische Marke oder jetzt kur­ sierende Griechenlandmarken an einen Sammler in Chicago oder in Spanien ver­ kaufe. Speziell scharf ist man aus Sendungen, welche von mir nach Spanien gemacht werden." Von der Beschlagnahme einfacher eingeschriebener Briefe war nur noch ein Schritt bis zur Sequestration einer Wertsendung. Wer heute Wert­ sachen, Coupons usw. nach Spanien, nach den Vereinigten Staaten von Nord­ amerika schickt, mutz erfahren, daß die Sendung, ohne Angabe der Gründe, be­ schlagnahmt worden ist und irgendwo — wer weiß, wie lange — aufbewahrt wird. So wird es uns faktisch verunmöglicht, unsere Zahlungen in Frankreich, in Spanien, in Amerika usw. durch Übersendung von Coupons und Titeln zu begleichen, und Millionen Franken an Werten werden einfach immobilisiert in einem Zeitpunkt, wo wir sie am nötigsten hätten."

Diese Schikanen und Quälereien der völligen Kontrolle des schweizerischen Postverkehrs mit der neutralen Welt wuchsen von Monat zu Monat. V. Ebenso wie die Schweiz muhten die skandinavischen Staaten leiden: Ihr gesamter Postverkehr mit anderen neutralen Staaten, insbesondere mit den Vereinigten Staaten von Nord­ amerika, fiel der englischen Kriegführung zum Opfer, so dah endlich im Dezember 1915 Schweden zu scharfen Gegenmahregeln bezüglich der englischen Durchfuhr schreiten muhte. Die Folge dieser Ver­ gewaltigung der schwedischen Privatpost war die Sperrung der Durchfuhr aller von und nach Großbritannien abgesandten Post­ sendungen durch Schweden im Dezember 1915. Hervorgerufen war der Streit aber insbesondere durch die Gründung der famosen „T r an s i t o" - G es el l s ch aft, die den ganzen schwedischen Auhenhandel unter englisch-russische Kontrolle stellen sollte. Vor allem aber sollte dem schwedischen Durchfuhrverbot von Kriegs­ material durch Schweden ein Schnippchen geschlagen werden, wie Lars Krogils in einem finnischen Blatt auseinandersetzte. Als Rache für dieses loyale, neutrale schwedische Vorgehen vergriff sich England an der schwedischen Privatpost unter Nichtachtung der von England mitunterzeichneten Haager Abmachungen. Auf dem dänischen Dampfer „Heilig Olav", den man in einen englischen Hafen zwang, wurden 300 Postsäcke mit Weihnachtspaketen aus Amerika beschlagnahmt, die schwedische Auswanderer an ihre armen Ver­ wandten ins Heimatland geschickt hatten. Unmittelbar danach wurde auch der neue schwedische Überseedampfer „Stockholm", als er seine erste Reise nach New Bork machte, nach Kirkwall eingebracht. Von ihm nahm man die schwedischen Postsendungen nach Amerika fort. Laut „Dagens Nyheter" vom 10. April 1916 veröffentlicht die große argentinische Zeitung „La Nacion" in Buenos Aires eine

93 frühere Note der schwedischen Regierung an Lansing, in der Nordamerika zum gemeinsamen Vor­ gehen gegen Englands Po st beschlagnahmen auf­ gefordert wird. Die Note lautete: „Während des jetzigen Krieges hat die schwedische Regierung Euerer Exzellenz mehrmals ein diplomatisches Zusammenarbeiten vorgeschlagen, um gewisse inter­ nationale Gesetze zu schützen, die von größter Wichtigkeit sind, aber von Eng­ land verletzt werden. Ihrer Verantwortung wohl bewußt, versäumte die schwedische Regierung keine Maßregel, die solchen Übergriffen zuvorkommen kann. Sie sieht sehr wohl ein, daß es für die Zukunft eine Gefahr bedeutet, wenn die Rechtssätze, die von ungeheurem Wert für die Zivilisation sind, andauernd verletzt werden. Der Wunsch, daß sie geachtet werden, ist Grund dafür, daß sich die schwedische Regierung mit Euerer Exzellenz wegen dieser Angelegenheit in Ver­ bindung setzt."

Hierauf folgt eine Schilderung des englischen Vorgehens, das als schwere Kränkung der internationalen Rechte neutraler Staaten bezeichnet wird. Dann schliestt die Note mit den Worten: „Demzufolge stellt die schwedische Regierung der Republik der Bereinigten Staaten ein Zusammenarbeiten anheim, um Mittel zu finden, einer fort­ gesetzten Kränkung des internationalen Rechts vorzubeugen. Die Regierung bittet um möglichst baldige Antwort, um sich eventuell auch mit anderen Staaten in Verbindung zu setzen."

Die „Franks. Ztg." berichtet am 18. April 1916: In Kopen­ hagen wurde die gesamte Brief- und P a k e t p o st des dänisch-isländischen Routendampfers „Bottnia", der am 11. April von Kopenhagen nach den Faröer-Infeln und Island abging, von den englischen Behörden während eines Aufenthaltes des Schiffes in Lerwolk beschlagnahmt und an Land gebracht. Die Zeitung „Politiken" schreibt dazu: „Dänemark sei niemals einer gröberen Verletzung der völker­ rechtlichen Vorschriften ausgesetzt gewesen. Richt nur habe sich England wieder einmal hinweggesetzt über die Vorschrift der Unverletzlichkeil der Briefpost, sondern es habe auch die Postsachen beschlagnahmt, die sich auf dem Schiff befanden, welches zwischen zwei verschiedenen Häfen Dänemarks unterwegs war. Das sei eine verblüffende Kränkung einer der einfachsten Vorschriften des Völkerrechts."

„Berlingske Tidende" meldet vom 21. April 1916: „Der isländische Dampfer „G u l l f o ß", der direkt von Dänemark nach dem dänischen Hafen Lerwick auf Island fährt, wurde von den Engländern aufgebracht. Die Engländer nahmen nicht nur die Brief- und Paketpost des neutralen Schiffes weg, sondern auch das gesamte eingeschriebene Reisegepäck der neutralen Pasiagiere. Die Engländer gingen mithin in den Maßregeln gegen neutrale Dampfer, die innerhalb neutraler Häfen des­ selben Landes fahren, noch einen Schritt weiter, als bei dem Dampfer „Bottnia" der Fall war, der nur die Brief- und Pakeipost abliefern mußte."

Dies nur einige Beispiele der restlosen, bis zum Postraub ge-

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steigerten Kontrolle Englands gegenüber den skandinavischen Staaten, die sich verzehnsachen lassen! Alle Proteste waren umsonst! VI. Nicht besser ging es Holland. Die holländischen Blätter meldeten (28. Dezember 1915), dost von Bord des Dampfers „Nieuwe Amsterdam", der in Rotterdam angekommen ist, im, ganzen 582 Postsäcke mit Briefen von den Engländern beschlagnahmt wurden. Nach dem Haager „Nieuwe Courant" beträgt die Säckezahl mit holländischer Post, die in den letzten Wochen widerrechtlich zurückgehalten wurde, ungefähr 2000. Von der Post des Dampfers „F r i s i a" wurde nur ein Teil zurück­ gegeben. Der Rest befindet sich noch in England. Der „Nieuwe Courant", der das Vorgehen der Engländer einen ungerechtfertigten Eingriff in die Svuveränitätsrechte der Niederlande nennt, erinnert daran, daß nach Artikel 9 des Internationalen Vertrages Nr. 11 dieser nur dann in Anwendung kommen soll, wenn alle Kriegführenden Teilnehmer am Vertrage sind. Dieses sei aber nicht der Fall. Außerdem hätten die Bestimmungen der Postunion zwischen Holland und England durch den Ausbruch des Krieges ihre Gültigkeit nicht verloren. In einem Bericht der Regierung an die Erste Kammer wird gesagt (Haag, 19. Februar 1916): „Als dem Ministerium zur Kenntnis kam, dab die britischen Behörden an Bord niederländischer Schiffe Postsäcke beschlagnahmt hatten, wurde sofort durch den Gesandten in London energisch dagegen protestiert. Die Regierung berief sich auf die Bestimmungen des Haager Vertrags von 1907. Die britische Re­ gierung antwortete, datz die Beschlagnahmen nicht im Widerspruch zu diesen Ver­ trägen ständen, da sie innerhalb der britischen Gewässer geschehen seien. Rach Ansicht der britischen Regierung waren, da der Vertrag für dieses Gebiet nicht gelte, die Schiffe, die es befuhren, der Ausübung der britischen Souveränität unterworfen (!!). Die holländische Regierung antwortete in einer ergänzenden Rote, dab die Beschlagnahmen trotzdem gegen den obigen Vertrag verstirben, da dieser die Tendenz habe, die Unverletzlichkeit der über See verschickten Post ohne Einschränkung zu gewährleisten. Sie betonte dabei, datz in keinem Falle die weggenommenen Briefsäcke bestimmt waren, der britischen Postverwaltung anver­ traut zu werden, um im Transit weiter verschickt zu werden, wie im Artikel 4 des allgemeinen Postvertrages vom 26. Mai 1906 bestimmt wird, dab es sich also in allen Fällen um Versendung über See handelte, auf die sich der Haager Vertrag bezieht. Was die Tatsache betreffe, dab die Beschlagnahme der Post­ sachen immer in territorialen Gewäsiern, meistens in der Reede der Downs ge­ schah, so müsse bemerkt werden, datz Grobbritannien dort über die ganze Breite der offenen See ein Minenfeld gelegt habe, so datz die Schiffe gezwungen waren, durch die territorialen Gewässer zu fahren. Dieser Zwang, in Verbindung mit der Beschlagnahme derPost, komme einem aus offener See ausgeübten Zwange gleich."

95 Das Maximum bedeutete der Dieb stahl von Wertpapieren gegenüber holländischem Be­ sitze durch England. Nach einem Telegramm aus London erfährt (Amsterdam, 15. März 1916) das Reutersche Bureau, dafe die britische Regierung sich bei der B e s ch l a g n a h m e von F o n d s, die von Deutschland über neutrale Häfen zum Verkauf an neutrale Länder für Rechnung Deutschlands verschickt werden, von folgenden Gesichts­ punkten leiten liefe: „Die deutsche Regierung verfolgt einen sorgfältig ausgearbeiteten Plan, um sich in neutralen Ländern durch Verkauf ausländischer Papiere Kredit -u ver­ schaffen. Cs sei das eine anerkannte Methode des Feindes, seine Finanzen zu verstärken, und diese Fonds würden unter der Leitung der deutschen Regierung auf die neutralen Märkte abgefetzt. Gold und Geld überhaupt seien aber Konter­ bande, nicht wegen des Wertes, den sie besitzen, sondern weil damit Kredit ge­ schaffen werden kann. Auch die Anhaltung derartiger Fonds, über die später ein Prisengericht entscheiden könnte, könnte zugleich dem Mittel, sich Kredit zu verschaffen, entgegengetreten werden, und es werde dadurch den Neutralen nur wenig oder kein Schaden zugefügt. Fonds, die sich im bona-ticke-Besitz Neutraler befinden, laufen keine Gefahr, beschlagnahmt oder zurückgehalten zu werden. Nur wenn die bestimmte Vermutung vorliege, datz sie feindlichen Ursprungs sind, würden solche Fonds beschlagnahmt. Man brauche sich also an neutralen Börsen über das Auftreten der britischen Regierung nicht zu beunruhigen."

Das sicherlich nicht deutschfreundliche „H a n d e l s b l a d" be­ nutzt die Veröffentlichung dieses Telegramms, um heftig gegen das Vorgehen der Engländer zu protestieren. Es schreibt: „Es herrscht in Holland eine zunehmende Mißstimmung, ja Erbitterung über die Art, wie die englische Regierung ihre Übermacht zur See mißbraucht und mit der niederländischen Post umspringt. Die englische Regierung hat bisher alle in dieser Angelegenheit erhobenen Proteste mit Stillschweigen beantwortet und ihren ärgerlichen und ungesetzlichen Eingriffen in den holländischen Handelsverkehr ein neues Kapitel zugefügt, indem sie jetzt auch Wechsel, Coupons und Effekten beschlagnahmt. Das Unerhörte geschieht, daß Wertpapiere, die Eigentum von Untertanen eines neutralen Landes sind und sich auf dem .Wege nach einem neutralen Gebiet befin­ den, vor ein Prisengericht gebracht werden sollen, als ob man es mit Konterbande zu tun hätte, die nach einem kriegführenden Lande geht. Die wachsende Entrüstung über dieses Vorgehen hat die britische Regierung endlich veranlaßt, mit einem Beschwichtigungsversuche hervorzutreten, da man offenbar nicht plant, mit der Rechtsverletzung aufzuhören. Es ist schwer, bei einer Motivierung, wie sie in der Depesche des Reuterfchen Bureaus gegeben wird, seine Ruhe zu bewahren;: denn alles, was darin angeführt wird, find flagrante und bewußte Unwahrheiten. Es ist nicht richtig, daß Fonds im bona-ticke-Besitz von Neutralen gar keine Gefahr liefen.

96 beschlagnahmt oder zurückgehalten zu werden. Aus Dnformationen, die bei den gröhten niederländischen Banken eingeholt wurden, geht vielmehr hervor, daß Werte im Werte von vielen Millionen Gulden, die im bonaLL 6 e - Besitz von Niederländern waren, bereits beschlag­ nahmt sind, und datz auch Besitzer, die nichts mit Deutschland oder anderen Verkäufern zu tun hatten, jetzt zusehen müssen, ob es dem englischen Prisengericht belieben wird, ihnen ihr gesetzliches Eigentum zurückzugeben. Es ist auch unwahr, datz nur solche Fonds beschlagnahmt werden, bei denen ein bestimmter Verdacht besteht, datz sie feindlichen Ursprungs sind. Nicht nur Effekten, auch Wechsel und sogar Coupons sind in groben Beträgen beschlagnahmt worden. Was die Effekten angeht, so sind sie, wie wir von berufener Seite erfahren, fast ausschliehlich rein niederländischer Besitz. Was die Angelegenheit noch schlimmer macht, ist, daß England eine so weitgehende Benachteiligung neutraler Interessen wagte ohne vorherige Verständigung und, ohne Wechsel, Esseklen und Coupons als Konter­ bande erklärt zu haben, was doch notwendig gewesen wäre, um diesem Vorgehen einen Schein von Recht zu geben. Solange das nicht geschehen ist, ist die Ver­ sendung von Wertpapieren auch nach englischer Rechtsaufsassung ohne weiteres gestattet, selbst wenn man es mit deutschem Besitz zu tun hat. Unter den an­ gehaltenen Sendungen befinden sich, wie wir erfahren, auher den niederländischen Fonds und Coupons auch solche aus der Schweiz und anderen Ursprungs. Noch unerhörter wird dieses Auftreten Englands, wenn man weih, datz Grobbritannien selbst in weitgehendem Maste getan hat, was es jetzt seinen Gegnern vorwirft und wofür es legitime neutrale Interessen hüben lassen will. Cs wur­ den nämlich seit Ausbruch des Krieges, wie wir mit Bestimmtheit mitteilen können, massenhaft ausländische Fonds, die in englischem Besitz waren, hier zu Lande verkauft. Von welcher Seite immer man die Angelegenheit betrachtet, das Auftreten der britischen Regierung in dieser Frage mub als eine uner­ hörte Rechtsverletzung angesehen werden, durch die ruchlos mit den Sympathien der Neutralen gespielt wird. Dagegen mutz ernstlich protestiert werden."

Das Ministerium des Äußern veröffentlichte April 1916 diplomatische Schriftstücke über die Beschlagnahme von Briefpost auf Überseedampfern durch englische Behörden. Darin sind abgedruckt die an die englische Regierung gerichtete Note vom 18. Dezember 1915, worin Holland gegen die Beschlagnahme von B r i e f s ä ck e n Beschwerde erhebt, und die Note vom 12. Januar 1916, die in Beantwortung der von England eingelaufenen Antwort auf die Note vom 18. Dezember an die englische Regierung gerichtet wurde. Am 1. April 1916 überreichten die Gesandten Englands und Frankreichs im Namen ihrer Regierungen eine Denkschrift, worin auch die Beschlagnahme von Postpaketen zur Sprache gebracht wurde. In Verbindung hiermit bemerkt der Minister des Äußern, daß die holländische Regierung nicht die Ansicht teile, daß die durch den Haager Vertrag bestimmte Unverletzlichkeit der Überseepost auch die Paketpost einschließe. Die holländische Regierung habe nur dann

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Protest eingelegt, wenn die Beschlagnahme der Paketpost in Wider­ spruch zu den Rechten der Kriegsührenden gestanden habe, soweit diese Güter betreffen, die aus neutralen Überseedampfern befördert werden. Die holländische Regierung steht aus dem Standpunkt, daß die Bezeichnung „Correspondence postale“ im Haager Vertrag Sendungen von Effekten, Coupons und anderen Wert­ papieren umfaßt. Die Kriegführenden dürsten derartige Sendungen deshalb unter keinen Umständen antasten, und der Minister des Äußern ersucht denn auch um Zurückgabe der von den englischen Behörden beschlagnahmten Papiere dieser Art. Im Anschluß an das Memorandum der englischen und franzö­ sischen Regierung über die Beschlagnahme der Übersee­ post hat die holländische Regierung am 11. April 1916 an die genannten Regierungen eine ungefähr gleichlautende Note gesandt, worin sie erklärt, daß die holländische Regierung für die Paketpost die Vorrechte beanspruche, die die Konvention von 1907 den Bries­ sendungen zugesprochen hat. Die Möglichkeit, daß in Friedenszeiten Bannware mit der Post versandt werden könnte, habe bereits 1907 bestanden, trotzdem habe die zweite Friedenskonferenz deren Unver­ letzlichkeit anerkannt. Die Note protestiert weiter gegen die Beschlag­ nahme von eingeschriebenen und Wertsendungen, die von holländischen Eigentümern nach Nord- und Südamerika, Spanien, Portugal und Japan versandt wurden. Die holländische Regierung erwartet die Rückgabe dieser Postsäcke und behält sich das Recht vor, Schadlos­ haltung für die Verluste zu beanspruchen, die den Eigentümern dieser Sendungen infolge der ungesetzlichen Maßnahmen der englischen Behörden entstanden sind. VII. Kritik des englischen Vorgehens. In diesem britischen Vorgehen liegt, wie Oberlandesgerichtsrat Nöldecke mit Recht sagt, entschieden ein System, und zwar ein System, das sich nicht allein über die Rechte und Interessen der Neutralen rücksichtslos hinwegsetzt, was bei England, dem „Beschützer der kleinen Staaten", ja gewiß nicht mehr überrascht, sondern vor allem auch ein Verfahren, das sich gegen den ganzen neutralen Verkehr in der schärfsten Weise richtet. Das ergibt sich ohne weiteres aus den durchaus zutreffenden Worten, die der deutsche Vertreter, Wirk!. Geh. Legationsrat Dr. Kriege, in der Sitzung der 4. Kommission der zweiten Haager Friedenskonferenz vom 24. Juli 1907 gesprochen hat. Er führte aus, daß die postalischen Beziehungen in unserer Zeit von solcher Wichtigkeit sind, daß so viele Handels- und andere Interesien aus dem regelmäßigen Briesverkehr beruhen, daß es äußerst Müller-Meiningen, Weltkrieg und Völkerrecht

4 Aust. II. Bd.

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98 wünschenswert fei, ihn vor allen Störungen zu sichern, die durch den Seekrieg entstehen würden. Auf der anderen Seite sei es wenig wahrscheinlich, daß die Kriegführenden, denen für die Übermittlung ihrer Nachrichten die Wege der Telegraphie und der Funkentelegraphie zur Verfügung ständen, zum gewöhnlichen Postverkehr greisen würden, um Nachrichten über die militärischen Operationen zu verbreiten. Der Nutzen, der sür die Kriegführenden aus der Kontrolle des Postverkehrs erwachse, stehe daher in keinem Ver­ hältnis zu den Schädigungen, die die Ausübung der Kontrolle für den rechtmäßigen Handel mit sich bringe. Ein deutscher Antrag, die aus See aus neutralen oder feindlichen Schissen vorgefundenen Briefpostsendungen der Neutralen oder der Kriegführenden, mögen sie amtlicher oder privater Natur sein, für unverletzlich zu erklären, wurde von der Haager Konferenz ange­ nommen, und zwar auch mit Zustimmung Englands. Die Gründe, die gegen ihn geäußert wurden, bezogen sich lediglich auf militärische Gesichtspunkte. Niemand dachte daran, daß eine Wegnahme neutraler Postsendungen lediglich aus geschäftlichen Wettbewerbsabsichten sollte erfolgen können, wie es jetzt seitens Englands geschieht. Wäre dieser Gedanke im Haag auch nur gestreift worden, so würde keine Macht sich gegen ihn schärfer gewandt haben als England, das bei jenen Verhandlungen seine Stellung als neutraler Staat möglichst zu sichern bestrebt war, aber insgeheim sich schon vornahm, daß, wenn es selbst in einen Krieg verwickelt würde, seine Tradition ihm schon gestatten werde, sich über solche schriftlichen Abmachungen kühl hinwegzusetzen. Dieses Verfahren übt denn auch England ungefähr seit dem Beginn des Krieges mit dem Abkommen vom 18. Oktober 1907 über die Befreiung der Briefpostsendungen vom Seebeuterecht. Anfänglich hat es gar nicht einmal für notwendig gehalten, sein rechtswidriges Verhalten irgendwie zu rechtfertigen. Dann aber hat es sich auf den Standpunkt gestellt, daß es die fremden Postsendungen nicht auf dem offenen Meer beschlagnahme, sondern in seinem Hafen Kirkwall, und daß sein Recht gegenüber Postsendungen, die englisches Gebiet berührten, in keiner Weife eingeschränkt sei. England hat die neutralen Schiffe gezwungen, seinen Hafen Kirkwall an­ zulaufen, damit es dort bequemer als auf hoher See und um nicht von den gefürchteten deutschen Il-Booten in seiner Inquisitions­ tätigkeit gestört zu werden, die Durchsuchungen vornehmen kann. Diese Durchsuchungen sind aber unzweifelhaft rechtlich vollkommen denen auf hoher See gleichzustellen. Dadurch, daß ein neutrales Schiff gezwungen wird, zum Zweck der Durchsuchung Kirkwall anzulaufen.

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verliert die an Bord befindliche Ladung in keiner Weise ihren rechtlichen Charakter. Sie bleibt immer Ladung an Bord eines neutralen Seeschiffes. Und als solche ist die Briefpost grundsätzlich unantastbar. Wenn man hieran noch irgendwie zweifeln könnte, so wird das wider­ legt durch die Bestimmung des Haager Abkommens, datz, wenn die Beschlagnahme des Schiffes erfolgt, Briefsendungen von dem Beschlagnehmer möglich st unverzüglich weiter zu befördern sind, was bekanntlich von England nicht nur nicht befolgt, sondern sogar in das Gegenteil verkehrt wird, indem für Deutschland bestimmte oder von dort kommende Briefpostsendungen vielfach direkt vernichtet werden. Als auf deutsche Anregung das genannte Abkommen von 1907 zustande kam und allgemein als durchaus zeitgemäß anerkannt wurde, meinte man, daß nunmehr den Postplackereien auf See, die in früheren Kriegen, z. B. im Burenkriege und im ostasiatischen Kriege, so viel böses Blut gemacht hatten, definitiv ein Ende bereitet wäre. Darin hat man sich gründlich getäuscht. Der Postraub auf See in diesem Kriege hat einen Umfang angenommen, wie man ihn früher auch nicht annähernd für möglich gehalten hätte. Freilich: der Rechtszustand ist, wie Neukamp a. a. O. S. 573 ausführt, für die Anhänger der äußersten Konsequenzen der „Allbeteiligungsklausel", die sich auch in der XI. Konvention (Art. 9) findet, trostlos. Meine abweichende Ansicht ist bereits oben wiederholt festgelegt. Aber auch Neukamp ist bezüglich der Post­ pakete auf Grund der Pariser Seerechtsdeklaration vom 12. Juni 1856 der Meinung, daß die neutrale Flagge das feindliche Gut und selbst unter feindlicher Flagge das neutrale Gut schützt, soweit keine Bannware vorliegt. Entgegenstehende „Orders in Council" entbehren der Rechtsgültigkeit („Köln. Ztg." Nr. 377 vom 12. April 1916), wie dies der englische höchste Gerichtshof im April 1916 entschied. VIII. Die Vereinigten Staaten von Nordame­ rika und das Po st recht insbesondere. Wie bereits oben betont, hatte die große amerikanische Republik genau dieselbe völkerrechtswidrige Brutalität gegenüber ihren Postrechten seitens Englands sich gefallen zu lasten, wie die klei­ neren neutralen Staaten. Papierene Proteste (s. unten die Dar­ stellung der ganzen Entwicklung der Dinge) änderten an dieser niedri­ gen Einschätzung der Vereinigten Staaten von Nordamerika gar nichts. Im Gegenteil, die Sache wurde von Monat zu Monat für die Vereinigten Staaten demütigender. Reden in Kongreßen und Se­ nat, wütende Zeitungsartikel änderten an der Scheinneutralität der

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Herren Wilson, Lansing und Genossen gar nichts. Die Note vom 24. Mai 1916 enthielt eine Antwort auf eine gemeinsame Note Eng­ lands und Frankreichs vom 15. Februar 1916 (s. das Nähere unten bei Darlegung des amerikanischen Konflikts Kap. 52, 53, 55, 59), deren Wiedergabe an dieser Stelle notwendig erscheint. Washington, den 24. Mai 1916. „Euerer Exzellenz beehre ich mich, den Empfang der Note vom 3. April d. I. zu bestätigen, die ein Memorandum vom 15. Februar d. Is. übermittelt, das seinem wesentlichen Inhalt nach dem amerikanischen Botschafter in London am 28. Februar d. 3s. mitgeteilt worden ist und in dem der Stand­ punkt der englischen und französischen Regierung festgestellt wird hinsichtlich des Rechts, Pakete und Briespost, die -wischen den Vereinigten Staaten und Europa zur See unterwegs sind, zurückzuhalten und zu durchsuchen. Nach einer Erörterung über die „Unverletzlichkeit der Post" schliestt das gemeinsame Memorandum vom 15. Februar mit folgenden Feststellungen: 1. Dast vom Rechtsstandpunkt der englischen und französischen Regierungen die Durchsuchung und gegebenenfalls die Festhaltung und Beschlagnahme von Waren, die in Postpaketen versandt werden, nicht anders gehandhabt zu werden braucht und soll als bei Waren, die in irgend einer anderen Weise zur Versendung gelangen. 2. Datz die durch die XI. Haager Konvention geforderte Unverletzlichkeit der postalischen Korrespondenz in keiner Weise das Recht der verbün­ deten Regierungen berührt, in Hüllen oder Briefumschlägen oder in Briefen in Postsäcken verborgene Waren zu durchsuchen und eintretenden­ falls anzuhalten und zu beschlagnahmen. 3. Datz die verbündeten Regierungen ihren Verpflichtungen getreu und in Achtung vor jeder „echten Korrespondenz" vorläufig auch fernerhin davon absehen werden, auf hoher See derartige Korrespondenzen, Briese oder Depeschen anzuhalten und zu beschlagnahmen, und datz sie möglichst schnelle Weiterbeförderung zusichern werden, sobald die Unbedenklichkeit ihres Inhalts festgestellt worden ist. In Antwort hierauf wünscht die Regierung der Vereinigten Staaten festzustellen, datz ihrer Ansicht nach der Weltpostvereinsvertraq von 1906 nicht notwendigerweise aus die Eingriffe der englischen und französischen Regierung bei überseeischen Postsendungen Anwendung findet, worüber die Re­ gierung der Vereinigten Staaten Beschwerde führt. Weiterhin scheinen die ver­ bündeten Mächte das Zugeständnis der Regierung der Vereinigten Staaten über­ sehen zu haben, datz Postpakete als Waren betrachtet werden können, die der Ausübung der Rechte von Kriegführenden nach Mastgabe des Völkerrechts unter­ liegen. Die Regierung der Vereinigten Staaten gibt jedoch nicht zu, dast solche Pakete der „Ausübung des Rechts der Polizeiaufsicht, Durchsuchung und allenfallsigen Beschlagnahme unterliegen, das den Kriegführenden bei allen Ladungen auf hoher See zusteht", wie dies in der gemeinsamen, oben bestätigten Note be­ hauptet wird. Es wird mit Genugtuung festgestellt, dast die englische und französische Re­ gierung nicht beanspruchen — und nach Ansicht dieser Regierungen auch gar nicht beanspruchen können —, dast ihre sogenannten Mastnahmen eine genügende Grundlage bilden, um daraus das Recht eines Eingreifens bei jeder Art von Postsachen im Durchgangsverkehr nach oder von den Zentralmächten herzuleiten.

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Im Gegenteil scheint ihr Standpunkt der zu sein, bah „echte Korrespondenz" un­ verletzlich ist und datz sie „getreu ihren Verpflichtungen" davon absehen werden, solche Korrespondenzen „auf hoher See" anzuhalten und zu beschlagnahmen. Die verbündeten Regierungen fahren jedoch fort, die neutralen Regierungen dieser Zusicherungen zu berauben, indem sie die Post auf den Schiffen statt auf hoher See anhalten und beschlagnahmen. Sie zwingen neutrale Schisse ohne rechtlichen Grund Ln ihre Häfen einzulaufen oder sie veranlassen die Schiffahrtsgesellschaften durch eine Art von Zwang, die Post auf Schiffen über britische Bestimmungshäfen und auf Schiffen, die ausschließlich britische Häfen anlaufen, zu befördern, indem sie so mit Gewalt durch ungerechtfertigte Maßnahmen sich eine rechtswidrige Gerichtshoheit aneignen. Auf Grund diefet aufgezwungenen Gerichtshoheit nehmen die Behörden alle Postsendungen, Briefpost sowohl wie Patetpost weg und beordern sie nach London, wo jedes einzelne Stück, auch wenn der Absender oder der Empfänger ein neutraler ist, geöffnet und eingehend untersucht wird, um „die Unbedenklichkeit des Inhalts" je nach dem Urteil des englischen oder französischen Zensors festzustellen. Was bei dieser Durchsicht dann schließlich übrig bleibt, wird häufig mit einem Zeitverlust, der gar nicht mehr gut zu machen ist, an seinen Bestimmungsort weitergeleitet. Schiffe werden auf dem Wege nach oder von den Vereinigten Staaten und nach oder von anderen neutralen Ländern aufgehalten und die Post wird zurückgehalten und erleidet eine Verzögerung von mehreren Tagen, in einzelnen Fällen sogar von Wochen und Monaten, selbst wenn sie nicht für nordeuropäische Plätze via britische Häfen bestimmt ist. Dieses Verfahren wurde feit der Bekanntmachung vom 15. Februar 1916 befolgt. Teilweise wurde schon vor diesem Zeitpunkte so verfahren, und dies hat damals den Protest dieser Re­ gierung vom 4. Januar 1916 zur Folge gehabt. Aber bas Memorandum, dessen Empfang oben bestätigt wird, nimmt von diesem Protest keine Notiz und geht in keiner Weise auf die Sache ein. Die Regierung der Vereinigten Staaten mutz erneut mit Nachdruck betonen, datz die bri­ tische und französische Regierung keine rechtlich begrün­ dete Gerichtshoheit über Schiffe erlangen können, die sie zwingen oder veranlassen, zur Durchsuchung der Post ihre Häfen anzulaufen und datz ihnen als Kriegführenden diesen Schiffen gegenüber keine weitergehenden Rechte zustehen, als sie auf hoher See ausüben dürfen; denn nach Ansicht der Vereinigten Staaten kann kein rechtlicher Unterschied gemacht werden zwischen einer Postbeschlagnahme auf hoher See, auf welche ja angeblich verzichtet wird, und einer Be­ schlagnahme auf Schiffen, die sich freiwillig oder unfreiwillig in einem Hafen befinden. Das englische und französische Vorgehen läuft darauf hinaus, datz die Neutralen in gesetzwidriger Weise in der Beförderung der Po st auf dem Weltmeere beschränkt werden. Die tatsächlich befolgte Handlungsweise der verbündeten Mächte läht nur den einen Schluß zu, datz die Kundgebung vom 15. Februar dieses Jahres lediglich besagen wollte, datz e i n rechtswidriges Verfahren aufgegeben wurde, um der Entwickelung eines anderen noch mehr rechtswidrigen und schikanösen Ver­ fahrens Platz zu machen. Das jetzige Verfahren verstößt nicht nur gegen den Geist der Kundgebung vom 15. Februar, sondern steht auch im Widerspruch mit dem Haager Abkommen, auf das es zugestandenermaßen gegründet wird. Außerdem ist dadurch das bisherige Gewohnheitsrecht der Völker verletzt, ein Recht, das Großbritannien und feine Verbündeten in der Vergangenheit ein­ zubürgern und aufrechtzuerhalten bestrebt waren, obwohl es in dem Memorandum

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heibt. „datz noch bis -um Sabre 1907 selbst Briese und Depeschen angehalten und beschlagnahmt werden tonnten". Während des Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko erlaubten die Streitkräfte der Vereinigten Staaten den britischen Schiffen, in Vera Cruz ein- und auszulaufen, ohne daß die für das Inland be­ stimmte Post belästigt wurde. Wahrend des amerikanischen Bürger­ krieges bemühte sich Lord Ruffel, die Vereinigten Staaten zum Zugeständnis zu bewegen, dcch „die Post Ihrer Majestät an Bord von privaten Schiffen von Durchsuchung und Zurückhaltung frei sein solle". Eine solche rücksichtsvolle Be­ handlung der Post wurde im Oktober 1862 für die britische Post an Bord der „Adela" mit Nachdruck verlangt. Am 31. Oktober 1862 wurde auherdem bekannt­ gegeben, dast „staatliche Post eines befreundeten oder neutralen Staates, die richtig eingetragen und als solche kenntlich gemacht ist, nicht durchsucht oder geöffnet, sondern so schnell als möglich nach ihrem Bestimmungsorte weitergeschickt werden soll". Im Einklang mit dieser Erklärung lieb die Regierung der Vereinigten Staaten die Post des britischen Dampfers „Peterhoff", der mit feiner Post unter Protest der britischen Regierung beschlagnahmt worden war, ungeöffnet an ihren Bestimmungsort weitergehen. Ebenso handelten nach den vorliegenden Berichten Frankreich während des deutsch-französischen Krieges von 1870, die Vereinigten Staaten im spanisch-amerikanischen Krieg von 1898, Grobbritannien im südafrikanischen Kriege im Falle der deutschen Postdampfer „Bundesrat" und „General", und endlich Japan, und im wesentlichen auch Ruhland im russisch-japanischen Kriege von 1904. Wie das englisch-französische Memorandum besagt, hat Deutschland selbst im jetzigen Kriege davon abgesehen, der neutralen Post Schwierigkeiten zu bereiten, und zwar sogar in den Fällen, in denen sich die Post an Bord von Schiffen der kriegführenden Mächte befand. Ein Beispiel hierfür bildet der Fall des französischen Dampfers „Floride", der durch den Hilfskreuzer „Prinz Eitel Friedrich" gekapert worden war, ein Fall, den die englische und französische Re­ gierung zur Begründung ihrer Darlegungen über die Paketpost benutzt haben. In diesem Falle wurden die 144 Säcke Briespost der „Floride* vom Kommandanten des Hilfskreuzers bei der ersten sich bietenden Gelegenheit an ihren Bestimmungs­ ort weitergeleitet. Es scheint deshalb überzeugend nachgewiesen zu sein, bafo die Belästigungen des Postdienstes, über die sich diese Regierung mit Recht beklagt, in ihrer Begründung und in ihrer Ausführung ein Unrecht darstellen. Die von der englischen und französischen Regierung willkürlich angewandten Methoden haben die schwersten Schädigungen für Bürger der Vereinigten Staaten zur Folge gehabt. Wichtige Schriftstücke, von welchen nur mit grober Mühe eine zweite Ausfertigung hergestellt werden kann, z. B. amerikanische Patente für Erfindungen, seltene Urkunden, gerichtliche Papiere in Nachlatzsachen, Vollmachten, Feuerversicherungs-Ansprüche, statistische Aufstellungen und ähnliche Urkunden sind ausgehalten worden. Verzögerungen im Empfang von Verschiffungs­ dokumenten haben grobe Verluste und Benachteiligungen herbeigeführt, indem sie die rechtzeitige Auslieferung von Waren verhinderten. Im Falle der Macnif Horticultural Co. in New Pork sind grohe Sendungen Pflanzen und Zwiebeln aus Holland nach den hier vorliegenden Mitteilungen erfroren, da infolge Fehlens der auf die Sendung bezüglichen Urkunden, die von den Schiffen „Neu-Amsterdam", „Osterdyk" und „Rotterdam" heruntergenommen worden waren, ihre Aus­ lieferung an den Empfangsberechtigten nicht erfolgen konnte. Gelegenheiten zu Geschäftsabschlüsien gehen verloren, weil keine rasche Übermittelung von Offerten,

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Voranschlägen und Verträgen möglich ist. Die Standard Underground Tadle Co. in Pittsburg hatte z. B. für den geplanten Bau eines deutschen Elektrizitäts­ werkes in Christiania Voranschläge durch die Post eingesandt. Als nach meh­ reren Wochen die Papiere nicht angelangt waren, erhielt die amerikanische Ge­ sellschaft den Bescheid, datz die Offerte nicht mehr länger offen gehalten werden könnte und der Auftrag einem englischen Mitbewerber erteilt worden sei. Schecks, Wechsel, Postanweisungen, Wertpapiere und ähnliche Vermögensstücke gehen verloren oder werden Wochen- und monatelang zurückgehalten. Geschäftskorre­ spondenzen, die sich aus den rechtmäßig und gutgläubig betriebenen Handel zwischen neutralen Ländern beziehen, Privatkorrespondenzen, selbst gewisse amtliche Sendungen, wie Postanweisungsverzeichnisse und andere Dinge, die von Re­ gierungsstellen abgesandt sind, werden zurückgehalten, gehen verloren oder werden möglicherweise vernichtet. So höre ich vom Generalpostmeister, datz gewisse von den Vereinigten Staaten nach Deutschland, Griechenland und anderen Län­ dern sowie von Deutschland nach den Vereinigten Staaten gesandte PostanweisungsVerzeichnisse, die zum zweiten Mal mit dem Dampfer „Frederik VIII." befördert wurden, der New Hork am 19. April d. 3s. verlieh und von dem die gesamte Post im Verfolg der englischen Praxis heruntergeholt wurde, verloren sind. Der Generalpostmeister hat ferner Abschriften von Mitteilungen der englischen Postverwaltung vorgelegt, in denen zugegeben wird, datz am 20. Januar d. 3s. die Post von dem Dampfer „Meban" in den Downs heruntergeholt und erst zu einem „zwischen dem 2. Februar und 2. März liegenden Zeitpunkt" weiterbefördert wurde, sowie, datz 182 zu dieser Sendung gehörende Postsäcke „während des Trans­ ports nach Holland am 26. Februar durch den holländischen Dampfer „Mecklen­ burg" verloren gingen". Die „Medan" ist ohne Unfall einen oder zwei Tage nach Verlassen des Hafens in Rotterdam angelangt. Bei der hiesigen Regierung sind zahlreiche den vorstehenden ähnliche Klagen eingelaufen, deren Einzelheiten zur Verfügung stehen. Allein ich glaube genügend Tatsachen angeführt zu haben, um die unerhörte und schikanöse Beschränkung des Poswerkehrs zu zeigen, wie sie fortgesetzt seitens der britischen und französischen Behörden ausgeübt wird. Nicht allein werden amerikanische geschäftliche 3nteressen in Mitleidenschaft ge­ zogen, sondern auch Eigentumsrechte sowie internationale Rechtsregeln und Ge­ wohnheiten verletzt. 3ch kann nur hinzufügen, bah diese fortgesetzte Verletzung zu solchen Verlusten für amerikanische Bürger führen kann und infolgedessen mög­ licherweise zu einer Verantwortlichkeit der Vereinigten Staaten hierfür, datz die amerikanische Regierung sehr bald gezwungen sein wird, die Aufmerksamkeit der britischen und französischen Regierung auf die Notwendigkeit eines Schadenersatzes zu lenken. Da das Prinzip klar und bestimmt ist und die gegenwärtige Praxis der englischen und französischen Regierung offenkundig mit diesem Prinzip im Wider­ spruch steht, so will ich den Standpunkt der amerikanischen Re­ gierung hinsichtlich der Behandlung gewisser Arten von verschlossenen Post­ sachen etwas eingehender auseinandersetzen, unter genauer Beachtung der Grund­ sätze, über die unsere Regierungen im allgemeinen übereinstimmender Ansicht zu sein scheinen. Die amerikanische Regierung neigt zu der Ansicht, datz die Kategorie von Postsachen, zu der Effekten, Wechsel, Zinsscheine und ähnliche Wertpapiere gehören, ebenso wie Waren oder andere Vermögensstücke zu behandeln ist, und daher der Ausübung der Rechte der Kriegführenden in gleicher Weise unterliegt. Postanweisungen, Schecks, Tratten, Banknoten und andere Geldersatzmittel müssen wohl ebenfalls als Waren angesprochen werden. Dagegen müssen Korrespondenzen,

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einschlieblich Verschisfungsurkunden und Poftanweisungsverzeichniste, selbst wenn ste sich aus „Zufuhr oder Ausfuhr" beziehen, außer wenn sie auf demselben Schiff mit der Ware, auf die sie sich beziehen, befördert werden, nach Ansicht der ameri­ kanischen Regierung als „echte Korrespondenz" angesehen werden und haben ein Anrecht auf freie Durchfuhr. In Anbetracht der unzulässigen Methoden, die die englischen und französischen Behörden anwenden, indem sie Postsendungen, die zwischen den Vereinigten Staaten und anderen neutralen Ländern sowie zwischen den Vereinigten Staaten und den Feinden Englands verkehren, aufhalten, kann die Regie­ rung der Vereinigten Staaten das Unrecht, das Bürger der Vereinigten Staaten durch diese Methoden erlitten haben und weiterhin erleiden, nicht dulden. Wollte man sich einem solchen unzuläsiigen Verfahren fügen, so würde damit wiederholten Verletzungen des Völkerrechts durch die kriegführenden Mächte auf Grund mili­ tärischer Notwendigkeit, über die der Verletzende der alleinige .Richter sein würde, Tür und Tor geöffnet. Es ist klar, datz ein neutraler Staat nicht zulasten kann, datz feine Rechte auf hoher See durch Kriegführende bestimmt werden oder datz die Ausübung dieser Rechte von der Regierung kriegführender Staaten nach Willkür zugelasten oder versagt wird. Die Rechte der Neutralen sind ebenso sicher wie die Rechte der Kriegführenden und müssen streng beobachtet werden. Mit Rücksicht auf das Völkerrecht und die Rechte der Neutralen, deren Berücksichtigung die englische und französische Regierung so oft betont haben, und deren Übertretung sie gegen ihre Feinde in dem gegenwärtigen Kriege so heftig geltend machten, erwartet die Regierung der Vereinigten Staaten, datz das von den englischen und französischen Behörden gegen­ wärtig angewandte Verfahren in der Behandlung der Postsen­ dungen nach und von den Vereinigten Staaten aufhört, und daß die Rechte der Kriegführenden in ihrer Ausübung sich nach den Grundsätzen für die Durchfuhr von Postsachen und nach dem hierbei von allen Völkern anerkannten Verfahren richten. Nur eine radikale Änderung in dem gegenwärtigen Verhalten Englands und Frankreichs und nur die vollständige Wiederherstellung unserer Rechte als neutraler Staat wird die Regierung der Vereinigten Staaten zufriedenstellen*). _________ gez. Robert Lansing. l) In dem wichtigsten Streitpunkt haben scheinbar die Vereinigten Staaten der Londoner Regierung nachgegeben. Die „Times" -lagen: „Die amerikanische Regierung neigt zur Anschauung, daß gewiste Post­ sendungen, wie Effekten, Coupons und ähnliche Wertpapiere als Handelswaren zu betrachten und einer entsprechenden Behandlung durch die Kriegführenden unter­ worfen sind. Auch Postanweisungen, Schecks und andere handelbare Papiere, die als Geldeswert angesehen werden können, werden als Handels­ ware betrachtet (b. h. beschlagnahmt). Briefe, Schiffspapiere, Postanweisungslisten und andere Papiere dieser Art werden, auch wenn sie sich auf Ein- oder Ausfuhr vom Feindesland beziehen, falls sie nicht aus ein und demselben Schiff mit Handelsware, auf die sie sich beziehen, verfrachtet werden, Anspruch haben, als Korrespondenz betrachtet zu werden und unbelästigt durchgelasten zu werden." Was hier über die Behandlung von Wertpapieren aller Art gesagt wird, stellt, wie die „Times" hervorheben, gegenüber dem ursprünglich von Amerika ein­ genommenen Standpunkt ein beträchtliches Entgegenkommen dar. Das

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IX. Auch der Verfasser dieser Zeilen hat am eigenen Leibe diese Erfahrung gemacht, daß in den Vereinigten Staaten registrierte wie nichtregistrierte Privatbriefe mit harmlosem Inhalt geöffnet und teil­ weise vernichtet wurden. Er hat nachgewiesen („M. N. 91.", September 1916), daß sogar Geldanweisungen aus registrierten Briefen amerikanischer Staatsbür­ ger heimlich entfernt wurden. Dieser völkerrechtswidrigen, reinen „See­ räuberei" mutzte, wie erwähnt, auch die Regierung der Vereinigten Staaten entgegentreten. Mit welchem Erfolge, das zeigt die folgende Mitteilung! In einer Mitteilung an die Presse vom 17. Oktober 1916 wird die Antwort der Vierverbandsmächte auf die amerikanische Note vom 24. Mai 1916, betr. die Briefpost, bekanntgegeben. Das Dokument versucht Punkt für Punkt alle von der amerikanischen Regierung vor­ gebrachten Beschwerden zu widerlegen und endet mit den Worten: „Die verbündeten Regierungen versuchen aufrichtig, bei der Aus­ übung ihrer Rechte als Kriegführende jeder Verletzung der gesetz­ mäßigen Rechte des neutralen Handels zuvorzukommen. Sie glauben aber, datz es zu ihrem Recht als Kriegführende gehört, auf hoher See die Kontrolle ausüben zu dürfen, die das Völkerrecht ihnen gestattet, um so jeden Transport zu verhindern, der den Feind in seiner Krieg­ führung unterstützen könnte und zu seinem Widerstande beiträgt. Das Recht der Vereinigten Staaten als neutrale Macht schließt nach der Meinung der Verbündeten nicht den Schutz von Sendungen, Korre­ spondenzen, Mitteilungen usw. in irgendwelcher Form durch die Bundesregierung ein, wenn die Sendungen einen ausgesprochen feindlichen Charakter tragen, eine verborgene direkte oder indirekte feindliche Bestimmung haben und von den amerikanischen Bürgern auf ihr eigenes Risiko und ihre persönliche Gefahr verschickt werden. Dieser Satz ist ausdrücklich vom Präsidenten der Vereinigten Staaten in seiner Neutralitätsprvklamation ausgesprochen worden. Im Falle begangener Mitzbräuche, Fehler oder ernster Irrtümer durch die Be­ hörden der Vierverbandsmächte, die mit der Untersuchung der Post beauftragt sind, sind die Regierungen von Frankreich und Grotzbritannien immer bereit, für die Verantwortlichkeit nach dem Grund­ satz von Recht und Rechtlichkeit, von dem sie sich niemals haben lösen wollen, einzutreten und Regelung zu schaffen." 11. Abkommen der zweiten Haager Konferenz von 1907 hätte der Washingtoner Regierung in seinem Artikel 1 eine gute Handhabe gegeben, die Freiheit aller Driefpostsendungen zu verlangen, zumal da dieses Abkommen von Grob­ britannien und den Vereinigten Staaten ratifiziert ist. Aber Präsident Wilson scheint es mit seiner Neutralität nicht vereinbaren zu können, gegenüber England von seinem positiven Recht strikten Gebrauch zu machen.

u6 Diese ganze Antwort klingt wie eine reine Verhöhnung der Regierung der Vereinigten Staaten. Was sind Sendungen von „ausgesprochen feindlichem Charakter"? Wahr­ scheinlich alle Geldsendungen')? Die Wirkung der amerikanischen Note vom 24. Mai 1916 wird köstlich durch folgende Zusammenstellung illustriert, wobei ich be­ merke, daß die Briestontrolle zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland bis zum heutigen Tage auf das rücksichtsloseste wie vor dem 24. Mai 1916 von England und seinen Alliierten gehandhabt wird. Kopenhagen, 17. August 1916. Die dänische Generalpostdirektion meldet, dab die gesamte Brief- und Paketpost des dänischen Amerikadampsers „Hellig Olav", aus der Reise von Kopenhagen nach New Dort, bei der Untersuchung in Kirkwall beschlagnahmt worden ist. Kopenhagen, 25. August 1916. Die dänische Generalpostdirektion teilt laut „Frkf. Ztg." mit: Brief- und Paketpost des dänischen Amerika-Dampfers „Fre­ derik VIII.", der am 17. August von Kopenhagen nach New Bork abgegangen ist, wurde von den englischen Behörden in Kirkwall beschlagnahmt. Kopenhagen, 20. September 1916. Die dänische Generalpostdirektion meldet, dab vom Amerikadampfer „Frederik VIII." auf der Reise von New Bork nach Kopenhagen bei der Durchsuchung des Dampsers in Kirkwall die gesamte Briefund Paketpost beschlagnahmt wurde. Kopenhagen, 7. Oktober 1916. Die dänische Generalpostdirektion teilt mit, dab die gesamte Brief- und Paketpost des dänischen Amerikadampfers „Frederik VIII." auf der Reife von Kopenhagen nach New Bork während der Durchsuchung des Dampfers in Kirkwall beschlagnahmt worden sei.

usw. So lasten sich souveräne — Großmächte (!) von England behandeln!2) 9 Charakteristisch ist die Behandlung des amerikanischen Generalkonsuls Gaffney auf der Reise nach Hause. Die Engländer nahmen Gaffney alle Papiere weg, die sie bei ihm sanden. Ebenso zogen sie mehreren Passagieren deutsche Zeitungen aus den Taschen und belegten sie mit Beschlag. Ein Offizier erklärte, seine Instruktionen lauteten, es dürfe nichts nach Amerika gelangen, das möglicher­ weise ein ungünstiges Licht aus die Lage der alliierten Mächte werfen könne. Gaffney wurden mehrere Aktien der amerikanischen Edison-Gesellschast abgenommen, die sein Eigentum waren. Der englische Offizier sagte, es wäre möglich, dab diese Papiere einem Deutschen gehörten und daher Bannware wären. Als der Besitzer darauf aufmerksam machte, dab das englische Recht ihn nicht zwinge, sein Eigen­ tumsrecht nachzuweisen, antwortete man, das englische gemeine Recht sei auber Kurs gesetzt und an seine Stelle der „Defence of the Realm Act" getreten. Er solle nur durch die amerikanische Regierung die Beweise einreichen lassen, dab die Papiere sein Eigentum seien, dann werde er sie wohl später einmal wieder­ bekommen. (!) 2) S. Englands Vorgehen durch Spionagezentralen in den neutralen Ländern insbes. unten Kap. 61, S. 341 ff.

III. Seil.

Keekriessrechtliche Fragen >. 49. Kapitel. Allgemeines: England — das KeekriegSrecht und toirl*2) — Die Londoner Deklaration und ihre Preisgabe durch Eng­ land. — Die Aushungerung des EegnerS. I. Auf dem Gebiete des Landkrieges find die Haupt­ normen über die Kriegführung in der sog. Landkriegsvrdnung völker­ rechtlich immerhin ziemlich klar und deutlich niedergelegt. Lückenhaft, wie es bei der Schwierigkeit der ganzen Materie und der Neuheit der Regelung nicht anders fein kann! Aber bei gutem Willen sind sie ein treffliches Mittel zu einer humanen Kriegführung. Anders liegt die Sache im Seekriege. Dort verteidigte bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts England unter dem scheinheiligen Nimbus des Verdienstes um die Freiheit Europas das Seebeuterecht. Alle Kämpfe dagegen, insbesondere auf dem Kongresie zu Chatillvn (1814) scheiterten: „Niemals", rief echt englisch Lord Cathcart, „wird Groß­ britannien auf dem Meere ein anderes Gesetz anerkennen, als die — allgemeinen Regeln des Völkerrechts!" Als eine „allgemeine Regel des Völkerrechts" sah England das Seebeulerecht an! (S. über englisch-amerikanische Krieqsauffassung oben 2. Band, S. 3, 4 ff. und „D. 3.-3." 1915 Nr. 13/14.) Die Gesetzgebung begann mit der Pariser Seerechts-Deklaration vom 16. April 1856 (Preutz. Ges.-S. 1856 S. 585). Diese bestimmte im Hinblick auf die ernsten Schwierigkeiten und schweren Konflikte, *) Ein bedeutender Teil dieser „Seetriegsrechtlichen Fragen" gehört zugleich auch zum „W irtschaftstrieg e". Die strenge Scheidung ist bei dem Zusam­ menfließen von Seekrieg und Wirtschaftskrieg unmöglich: Der erstere ist ja für Grohdritannien nur e i n grobes Mittel zur Durchführung des letzteren. 2) S. den Aufsah von Dr. Damme „D. 3.-8." 1916, Nr. 11/12 S. 563 sf.

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die aus der Ungewißheit des geltenden Rechts drohen, als obersten Grundsatz, daß „die Kaperei abgeschafft ist und bleib t". Zwei andere wichtige Grundsätze bestimmen, daß die neu­ trale Flagge das feindliche Gut deckt, mit Ausnahme der Kriegskonterbände, und daß neutrales Gut unter feindlicher Flagge, ebenfalls mit Ausnahme der Kriegskonterbande, nicht mit Beschlag belegt werden darf. Der vierte Grundsatz setzt fest, daß die Blockade eine wirksame sein muß, wenn sie rechtsverbindlich sein will, d. h. durch eine Streit­ macht aufrecht erhalten werden muß, die hinreicht, um den Zugang zur Küste des Feindes wirklich zu verhindern. In weiterer Ausfüh­ rung dieser edlen Grundsätze, zu denen sich unterschriftlich neben Preußen, Österreich, Frankreich, Rußland, Italien und der Türkei auch England bekannte, wurde zunächst auf der ersten Friedenskonferenz von 1899 das Abkommen über die Anwendung der Genfer Konvention auf den Seekrieg beschlossen, das später im 10. Abkommen der II. Kon­ ferenz nach der Revision des Genfer Abkommens vom 6. Juli 1906 neu redigiert wurde (R.-G.-Bl. 1910 S. 283). Unterm 18. Oktober 1907 gelang es, eine Reihe weiterer Abkom­ men anläßlich der zweiten Haager Friedenskonferenz abzuschließen, die vor allem die Behandlung der feindlichen Kauffahrteischiffe beim Ausbruche der Feindseligkeiten (6), die Umwandlung von Kauffahrteischiffen in Kriegsschiffe (7.) (R.-G.-Bl. 1910 S. 207), die Legung von unterseeischen selbsttätigen Kontaktminen (8.) (R.-G.-Bl. 1907 S. 231), die Beschießung durch Seestreitkräfte in Kriegszeiten (9.) (R.-G.-Bl. 1910 S. 256), gewisse Beschränkungen in der Ausübung des Beuterechts im Seekriege (11. Abkommen) (R.-G.-Bl. 1907 S. 316) und vor allem die Rechte und Pflichten der Neutralen im Falle des Seekrieges (13. Abkommen) betrafen. Alle diese Abkommen sind von den jetzt im Krieg liegenden Staaten (mit ganz geringen Aus­ nahmen, z. B. hat Rußland das 11. Abkommen nicht unterzeichnet), insbesondere von Deutschland, Österreich, Belgien und Frankreich unterzeichnet und ratifiziert worden. Die Vorbehalte sind minimal und interessieren hier nicht weiter. Charakteristisch ist aber, daß Eng­ land, die Hauptmacht zur See, diese Abkommen, die größtenteils nur bestehendes Volker-Gewohnheitsrecht kodifizierten, teilweise nicht ratifiziert hat, so z. B. nicht das 10. und vor allem das 13. Abkommen. England verstand es stets, sich mit großer Gewandtheit bei rechtlichen Situationen, die ihm möglicherweise nachteilig werden konnten, seit­ wärts in die Büsche zu schlagen und die anderen Mächte die Geschäfte der Humanität allein treiben zu lasten. Unterzeichnet hat England sämtliche Abkommen, rati-

log fizierthat es von den oben genannten das 6., 7., das 8. (mit Vor­ behalt, f. unten), das 9. und das 11. Abkommen *). Auch seine völkerrechtliche Stellung ist nur diktiert von dem obersten Dogma seiner Seepolitik: Jede Macht, wie sie auch heiße, ist Englands Todfeind, die seine Weltstellung bedrohen, die seine Sicherheit am Kanal gefährden könnte! Das ist der rote Faden der englischen Politik seit vier Jahrhunderten! Nach Spanien, Holland, Frankreich, jetzt — Deutschland. Und dieser militärisch-nau­ tischen und wirtschaftlichen Generalidee opfert es jede kulturelle, jede rechtliche Pflicht. Von großer Wichtigkeit für das ganze Seekriegswesen sollte die Londoner Erklärung über das Seekriegsrecht vom 26. Fe­ bruar 1909 werden. Sie sollte eine größere Klarheit und Einheit­ lichkeit der allgemeinen Grundsätze des internationalen Seerechts vor allem über die Blockade (Art. 1—21), über die Kriegskonterbande (Art. 22 ff. bis 44), über neutralitätswidrige Unterstützung (Art. 45 bis 47), über die Zerstörung neutraler Prisen (Art. 48), Flaggen­ wechsel (Art. 55, 56), über „die feindliche Eigenschaft" der Waren und Schiffe (Art. 57 ff ), Geleit, Widerstand gegen Durchsuchung und über Schadenersatz geben. Die Grundsätze wurden zwar von sämt­ lichen Konferenzstaaten, zu denen sämtliche jetzigen sechs Großmächte als Kriegsstaaten gehörten, signiert, aber infolge des Widerstandes des englischen Oberhauses leider nicht ratifiziert. So blieb es formal bei den Abkommen von 1907, die an Vollständigkeit und Klarheit teilweise sehr stark zu wünschen übriglasten. Die Bestim­ mungen der Londoner Seerechtsdeklaration sind aber unzweifelhaft materiell wertvollstes Auslegungsmaterial für die dis jetzt geltenden Gebräuche des modernen Seekriegs. Siehe über die Vorgeschichte der scheinbaren Anerkennung der Londoner Deklaration u. a. auch Carl Strupps Aufsatz im „Frk. K." unten sowie in der „Frkf. Ztg." vom 30. Juni 1915, wo nachgewiesen ist, daß Deutschland, Österreich und die Vereinigten Staaten sich ehrlich bemühten, die Londoner Deklaration als maßgebendes Seegesetz zur Anerkennung zu bringen. England trug allein die Schuld, daß Rußland (!) sich ablehnend verhielt, das gegenüber der Türkei im Falle der „Breslau" und „Göben" selbst unter ausdrücklicher Zustimmung der englischen Regierung die Londoner Deklaration als „gültiges internationales Seegesetz" erklärte (russisches *) Das 12., das bisher überhaupt nicht ratifiziert wurde (Abkommen über die Errichtung eines internationalen Prisenhofs), interessiert hier nicht. Die Er­ klärung betreffend das Verbot des Werfens von Geschossen s. oben Kap. 10,1. Band.

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2. Orangebuch Nr. 17 bis 19). DieganzeGeschichtederAnerkennung und späteren völligen Preisgabe der Londoner Deklaration ist ein Muster­ beispiel englischer Doppelzüngigkeit und Skru­ pellosigkeit. Die deutsche Neichsregierung hat die klaren und menschlichen Bestimmungen der Deklaration im wesentlichen in die neue Prisenordnung vom 30. September 1909 (R.-G.-Bl. 1914 S. 275) aufgenommen und sie so für die deutsche Seekriegführung für maß­ gebend erklärt. Auch sonst richten sich fast durchweg die neutralen Staaten nach der Deklaration und bestätigen damit ihre innere Bedeutung. Ob freilich das Deutsche Reich angesichts des Vor­ gehens Englands bei seiner seekriegsrechtlichen Noblesie in der Aus­ legung und Handhabung der Prisenordnung stehen bleiben kann, er­ scheint mehr als fraglich. II. Das Seebeuterecht ist zwar vertragsrechtlich erheblich beschränkt; aber dieses wie überhaupt alle internationalen Rechts­ regeln über den Seekrieg leiden vor allem an der natürlichen Schwierigkeit der Durchführung der Kontrolle. Wo kein Kläger ist, ist kein Richter; wo aber kein Richter ist, da ist auch der Kläger vogelfrei. Wer soll in Kriegszeiten über Geschehnisse zur See, die sich oft bei Nacht und Nebel abspielen, objektiver Zeuge sein? Nur die allerschwersten Verletzungen der internationalen Abkommen gelangen hier in die Öffentlichkeit'). Noch mehr wie beim Landkriege sind der gute Wille, der internationale Anstand und der Edelsinn die ausschlaggebenden Faktoren. Die Anschauung ist nicht von der Hand zu weisen, daß das starre Festhalten Englands am Seebeuterecht mit eine der Hauptursachen dieses Krieges ist. Denn infolge dieses Piratenrechts wurde Deutsch­ land zur Notwehr, d. h. zur Schaffung einer großen Flotte ge­ zwungen, die England seinerseits als Bedrohung seiner vitalen Interessen ansah. England hat gleich vom Beginn der Feindseligkeiten an den altenglischen Grundsatz rückhaltlos verfolgt: „Die Gesetzbücher sind im Kriege geschlosien; da gibt England Recht und Gesetz." Es hat sich über die oben kurz zitierten Abkommen vom Jahre 1907 teilweise schlank hinweggesetzt und seinen Vorteil und sein höchstes Ziel, die *) Zur Literatur siehe insbesondere das umfangreiche Werk über „Seekriegsrecht" von Dr. Hans Wehderg-Düsfeldorf

(auch

dessen Vortrag

über

deutsch-englischen

Handels- und Unterseebootkrieg in der österreichischen „Zeitschr. f. öss. u. private Versicherung" 1915 S. 509 ff.).

III

Vernichtung seines Rivalen zur See, auch zum obersten Grundsatz seiner Kriegführung erklärt ‘). Dabei sind Hatz und A n g st seine Hauptberater! Sie waren stets schlechte *) 1. Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt unterm 19. Januar 1916: Vor kurzem hat einer der höchsten englischen Gerichtshöfe ein Urteil erlassen, das geschichtliche Bedeutung beanspruchen darf, weil es mit allen diplomatischen Beteuerungen über Englands Kriegsgrund und Kriegsziel entschlossen aufräumt und in einer Offenheit, die an Zynismus grenzt, die Vernichtung des deutschen Handels als das wahre Kriegsziel fest stellt. Der Tatbestand ist einfach: Eine deutsche Firma hatte Jahre vor Kriegsaus­ bruch mit einer englischen Aktiengesellschaft einen Vertrag geschlossen, wonach die Gesellschaft ein Abfallprodukt ihrer australischen Dergwerksbetriebe, nämlich Zink­ konzentrate, die durch ein in Deutschland ausgebildetes Verfahren eine hochwertige Ware geworden find, auf Jahre hinaus regelmätzig an die deutsche Firma zu liefern batte. In d?m Vertrage war vorgesehen, datz er, wenn seine Ausführung durch höhere Gewalt oder ähnliche Ursachen verhindert werde, nur suspendiert fein und nach Wegfall des Hindernisses wieder in Kraft treten sollte. Natürlich hat der englische Handelskrieg gegen Deutschland die Ausführung verhindert, so datz die Suspensationsklausel in Kraft trat. Die englische Gesellschaft wollte nun aber den Krieg benutzen, um sich ihrer Lieferungspflicht für immer zu entziehen und die freie Verfügung über ihre Produkte zugunsten der nichtdeutschen Konkurrenten der Käuferin zurückzuerlangen. Sie hat deshalb vor englischen Gerichten beantragt, den Vertrag, entgegen den darin enthaltenen ausdrücklichen und unzweideutigen Be­ stimmungen, wegen des Krieges als aufgelöst zu erklären. Der Appellhof beim Supreme Court of Judicature hat dem Verlangen durch Urteil vom 21. Dezember 1915 stattgegeben und dies mit folgenden denkwürdigen Worten begründet: „Wenn die Klägerin, wie es der Vertrag bezweckt, alle von ihr aufbereiteten Konzentrate für die Beklagten zurückstellte, so würden diese in der Lage sein, bei Friedensschlutz ihren Handel so schnell und in so grotzem Umfang wie möglich wieder aufzunehmen; damit würden aber die Wirkungen des Krieges auf die kommerzielle Blüte des feindlichen Landes abgeschwächt, deren Zerstörung das Ziel unseres Landes während des Krieges ist. Einen solchen Vertrag anzuerkennen und ihm Wirksamkeit zu geben durch die Annahme, datz er für die Vertragsteile rechtsverbindlich geblieben fei, hietze das Ziel dieses Landes, die Lähmung des feindlichen Handels, vereiteln. Es hietze durch britische Gerichte das Werk wieder ungeschehen machen, das für die Nation von ihren Seeund Landstreitkräften vollbracht worden ist." Die Richter, die dieses „Recht" gefunden haben, sind Lord Iustice Swinfen Eady, Lord Iustice Phillimore und Lord Iustice Pickford. 2. In völliger Übereinstimmung mit dieser brutalen Auffasiung steht die Mit­ teilung des Christianiaer „Morgenbladet" unter dem Titel „Die ersten Blutgelder": Das Blatt wendet sich dagegen, datz England die Prisengelder wieder einführt. Diese wurden zum erstenmal wieder von dem englischen Prisenhof den Offizieren und der Mannschaft des bewaffneten Handelsschiffes „Cap Trafalgar" für die Ver-

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Ratgeber! Dieses Vorgehen ist um so mehr zu bedauern, als Eng­ land, wie amtliche norwegische und schwedische Mitteilungen ersehen lasten, am 20. August, also lange nach der Kriegserklärung an Deutschland, die Erklärung abgab, daß es nach der Londoner See­ rechtserklärung von 1909 die wichtigsten Fragen des Seerechts, insbesondere die Fragen der Kriegskonterbande, behandeln wolle. In Vollzug dieser Erklärung hat England auch zunächst Erlaste herausgegeben, in denen es ausdrücklich die Gegenstände, die Ar». 22 und 24 der Londoner Erklärung benannten, als Kriegskonterbande für diesen Krieg erklärte. Es hat aber diese Erklärungen später stark modifiziert und schließlich sie in einer Weise geändert, daß das Ganze als völlige Beseitigung der Vorteile der Londoner Deklaration erscheint. England hat durch seinen Ministerpräsidenten Asquith während der Unterhausdebatte im Jahre 1911 erklären lasten, daß er und seine Kollegen nach sorgfältiger Prüfung gefunden hätten, daß ein großer internationaler Vertrag wie die Londoner Deklaration im hoch st en Interesse des Weltfriedens wie auch der Vorherrschaft Englands zur See liege. Der Premierminister fügte bei, die Regierung würde sich einer groben Pflichtversäumnis schuldig machen, wenn sie nicht alles täte, um die internationale Richtschnur einführen zu helfen. So wurde die Deklaration vom Unterhaus mit großer Mehrheit angenommen. Und heute glaubt England, sich einfach allen rechtlichen und moralischen Forderungen dieses anerkannten Seegewohnheitsrechts einseitig entziehen zu können? Freilich bester konnte England nicht zeigen, dah ihm am „Weltfrieden" nichts liege, als durch die Lossagung fcnfung bet „Carmania" ausbezahlt. Die Gesamtsumme betrug 37 000 Kronen, wobei man den Wert eines getöteten deutschen Matrosen mit 100 Schilling berechnete. Auch in den neutralen Ländern, sagt „Morgenbladet", müsse man das Recht haben, zu fragen, was der Grund zur Rück­ kehr zur Barbarei aus den Tagen des Kaperkrieges sei, wo­ durch die mächtige britische Flotte in eine andere Stellung komme, als die anderen Kriegführenden. Die „Koloniale Rundschau", Zeitschrift für Weltwirtschaft, bringt in ihrem April-Heft u. a. einen Aussah von Professor Dr. Albrecht Mendelssohn-Bartholdy, Würzburg, über „Recht und Wirtschaft in der englischen Kriegsjustiz-. Darin wird gezeigt, wie eng verknüpft in England die Rechtslehre mit den politischen und wirtschaftlichen Interessen ist und wie selbst angesehene Juristen sich ins Schlepptau der englischen Politik nehmen lassen. An Hand umsangreichen Materials wird nachgewiesen, wie sehr sich namentlich der Präsident des Admiralitäts-Gerichtes von dem Gesichtspunkt leiten läht, dah er in erster Linie seinem Daterlande und erst in zweiter Reihe der Gerechtigkeit zu dienen hat.

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von den Regeln der sog. Londoner Erklärung'). Das Oberhaus lehnte am 12. Dezember 1911 die Naval prize bill ab, obwohl die einleitende Bestimmung ausdrücklich sagt: „Die Signalarmächte sind einig in der Feststellung, daß diese Regeln (der Londoner Erklärung) im wesentlichen den allgemein anerkannten Grundsätzen des internationalen Rechts entsprechen"'), über die Vertretung der Londoner Deklaration durch die russische und englische Regierung als „gültiges internationales Seegesetz" s. 2. russisches Orangebuch Nr. 17—19. III. England verfolgt bei all seinen Verletzungen der Gebräuche und Gesetze des Seekriegs mit Raffinement zwei ganz konträre Systeme, die ihm gegenüber Vorwürfen jederzeit den Anschein eines gewissen Rechtes geben. Wir haben erlebt, wie ein Volk, das in seinem privaten und geschäftlichen Leben im Frieden im ganz überwiegenden Durchschnitte auf Anstand und Zuverlässigkeit hält, in der Politik und vor allem bei der Fortsetzung der Politik durch den Krieg die brutalsten, unmenschlichsten Maximen zur Durch­ führung bringt, die für uns übrigen Europäer teilweise in ihrer ganzen Gehässigkeit unbegreiflich und unverständlich sind. Sie scheuen nicht zurück vor Ansllftung zum Meuchelmorde und zum unanständigsten Verrate, wie im Falle des Sir Roger Cafement, gemeinen Ver­ brechen zugleich auch gegen die Fundamentalsätze des Völkerrechts. Der Engländer ist dabei in allen seinen Geschäften außerordentlich formal. Dieser Formalismus hat auf dem Gebiete des Rechtswesens teilweise zopfige, bizarre Formen gezeitigt und zäh festgehalten. Der Engländer liebt es vielfach nicht, in das innere Wesen der Dinge allzusehr einzudringen. Da ist ihm die Form genügend und zur Umgehung des materiellen Rechts oft *) In einer Predigt vom 2. Juni 1851 charakterisiert F. W. Robertson seine Nation: . . Bei anderen Nationen ist der Erwerbsbetrieb unmäßig, ja krankhaft zu nennen, so bei uns Engländern. Dieses Trachten nach Besitz ist die Quelle unserer Größe und unserer Erniedrigung, unseres Ruhmes und unserer Schmach: es ist die Ursache unseres Handels, unserer Seemacht, unseres ungeheuren Reich­ tums, unserer Erfindungen, aber zugleich auch die Quelle unserer Streitigkeiten und Parteiungen, der erschütternden Armut und der mehr als heidnischen Verwilde­ rung und Entartung weiter Schichten unserer Bevölkerung. ... S o i st d e n n die Wurzel all unseres Strebens Geiz und Begehrlichkeit, nicht der Wunsch, mehr zu genfefcen, sondern mehr zu habe n." *) Der Grund war, baß man den Internat. Prisengerichtshof nicht wollte, sowie Art. 34 der Deklaration. Vgl. das Buch Loreburn-Niemeyers sowie den Bericht im „Iahrb. des Völkerrechts" Bd. 1.

sehr geeignet. Ist äußerlich die Sache in Ordnung, so ist sie ihm auch innerlich gefestigt genug, um sie zu vertreten. Dieser Stand­ punkt ist zuzeiten sehr bequem und Hilst über Gewrssensskrupel leicht hintveg. Auch der englische Jurist weiß genau, daß das, was in den verschiedenen Abkommen der zweiten Haager Konferenz von 1907 niedergelegt ist, längst gültiges Seegewohnheitsrecht ist. Es genügt ihm aber nach außen, daß Montenegro, der große Seestaat, oder Serbien diese Abkommen nicht ratifizierte, um sich — so lächer­ lich bei einigem Nachdenken auch für ihn dieser Standpunkt sein mag — zu trösten, daß darum die Abkommen auch für England nicht bindend seien, soweit die bekannte Solidaritätsklausel in den Ab­ kommen enthalten ist. 3m 6„ 8., 10.; 11. und 13. Seerechtsabkvmmen ist sie enthalten. Diese formalistische Behandlungsweise der Dinge zu ihren Gunsten hält die britische Seemacht freilich auf der andern Seite durchaus nicht ab, sich ihrerseits auf dieselben Abkommen, auf deren Ungültigkeit sie ihre brutale Kriegführung ausbaut, da als gültig zu berufen, wo sie ihr augenblickliche Vorteile versprechen, wie wir dies unten in einer Reihe von Fällen nachzuweisen in der Lage sind. So wendet England z. B. jetzt u. a. auch die Bestimmungen des 13. Abkommens über die Rechte und Pflichten der Neutralen im Seekriege von 1907 in den Artikeln über die Kohlenverforgung unfc den Aufenthalt der fremden Schiffe (Art. 12, 14, 20 sowie Art. 5 und 8) m>t größter Energie an, obwohl England das Abkommen gar nicht unterzeichnet hat und es dieselbe Svlidaritätsklausel auf* weist, auf die sich England sonst zum Nachweise der Ungültigkeit de» Abkommens stützt. So berufen sich England und Rußland dstekt auf die Londoner Deklaration im Falle der Verhinderung der Ver­ wendung der „Breslau" und „Gäben" für die Türkei. Alles, weil die betreffenden Bestimmungen für England in concreto günstig erscheinen. Also der Zweck geht ihm in der Politik wie in der Kriegführung, die ja nichts anderes fein kann und darf als die Fortsetzung der Politik, über alles')! Lächerlicher Forma A) Es ist selbst in England wenig bekannt, daß unter einer Verordnung, die am 10. Juni 1915 den „Defence of the Realm Act4* ergänzte, auch englische Bürger ohne jedes gerichtliche Verfahren auf Empfehlung der militärischen Behörden ober des Internierungsausschusses unter polizeiliche Aussicht gestellt oder interniert werden können, wenn sie „feindlicher Abkunft oder feindlichen Verkehrs" verdächtig find! Der „New Statesman" verzeichnet den Fall einer Dame aus alter englischer Familie, die unter dieser Verordnung am 1. September interniert wurde und seitdem interniert gehalten worden ist, ohne

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lismus wie weitherzigste Auslegung müssen ihm beide zugleich zum Beste» bienen! Es braucht nur den Gegner, der ihm, dem Mächtigen, efi* diese behaupteten Rechte gläubig und nachgiebig einräumt. ' Hnb mit dieser mangelnden Rücksichtslosigkeit auf seiten seiner Gegner hat der Engländer in der Vergangenheit leider nur allzu gute politische Geschäfte gemacht und die Welt erobert. Am meisten hat diese Rücksichtslosigkeit ihm als Masse gegen uns Deutsche, die er daher stets als politisch minderwertig angesehen hat, gedient. Dabei fällt es chm leicht, den Spiest umzudrehen und in der ganzen Welt das Märchen vom mad dog of Germany zu verbreiten, der mit Schaum vor dem Maule überall in der Welt blindwütig umher» schnappt, um das friedliche, gerechte, seder Gewalt abholde England zu beißen, das die Volker ihres eigenen Vorteils wegen zu Hörigen macht; alles im Dienste uneigennützigster „Kultur* und „Freiheit"')! Und da es immer Toren fand, die feine „Industrie- und Handels­ kriege", wie den jetzigen, mit ihrem Blute zu führen bereit waren, da es meisterhaft ftanzösifche Eitelkeit und Ruhmsucht und moskvwitifche Machtgier zu gängeln wußte, konnte es solche Praktiken erfolgreich immer wieder verfolgen'). bafe je eine Anklage gegen sie erhaben ,wtride, ohne hab ihr dr> geringste Ver­ teidigung gestattet wird, „rein als Vorsichtsmaßregel", wie das Ministerium des rlnnetn erklärte. England, das für die Freiheit kämpft, hat so glatt das System der „lettre* 4e cachef* neu belebt, das französische Bürger vor der Revolution in die BasMe sandte! Das einzige Verbrechen, das sich die Verwandten der Dame denkey können, ist, daß sie mfct Monate vor ihrer Verhaftung in einem neutralen Land eine Unterredung mit einem Indier hatte, der nachher in den Verdacht geriet, gegen die englische Regierung schlecht goflnnt zu sein. *) Dieses Spiel unerhörter nationaler Eitelkeit — um nicht zu sagen Grobenwahns — wird sogar von der englischen Gelehrtenwelt gegenüber Deutschland unterstützt. Man denke an die fast pathologische Unkenntnis deutscher Geschichte in dem Pamphlet der Orsvrder Professoren oder dasjenige des Professors Föhn Klrkpatrick. wo er in echt englischer Gönnermam'er ruft: „Wir wollen euch aus dem erniedrigenden Joche befreien, damit ihr wieder zu eurer atten Ehrlichkeit, Treue, Schlichtheit, Gemütlichkeit und harmlosen Kleinstaaterei zurückkehrt!" In „Kleinstaaterei", damit England die Welt knechten kann! Wie England sank, dafür zeugt u. a. die Entscheidung des höchsten englischen Gerichts, dah das Reichrverteidlgungsgesetz, die Habeascorpus-Atte, (eit Jahr­ hunderten der Stolz Englands, suspendiert und jeder Engländer heute ohne ein vorausgegangenes gerichtliches Verfahren eingesperrt und gefangen gehalten werden kann. 8) Die „Kreuzzeitung" erinnert in diesen Tagen mit Recht an ein Wort des der Aeadömie gtancnije angehörigen, hauptsächlich durch seine Veröffentlichun­ gen über Napoleon bekanntgewordenen Historikers FrSdäric Maflon, der sich in



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Freilich, jetzt ist zunächst das Staunen des englischen Volkes groß! Wie es dem ganzen elemen­ taren Hasse, dem ein großes Volk wie das deutsche, das man dauernd schmählich in seiner natürlichen Entwicklung geknebelt und beleidigt hat, sich heute hingibt, verständnislos gegenübersteht, wie es die Ethik dieses großen Krieges zunächst nicht begreift (das Verständnis ging ihm auf, als unsere Bomben auf eng­ lisches Land herniederfielen und das Söldnersystem der allgemeinen Wehrpflicht wich!); so steht es staunend der Tatsache gegenüber, daß Deutschland es wagt, diejenigen Mittel anzuwenden, die es bisher als ihm eigentümlich, ja für heilige Sonderrechte angesehen hat. Unsere wackeren kleinen Kreuzer „Emden", „Karlsruhe", „Königsberg", „Nürnberg" usw. führten den Krieg „e n g l i s ch": sie nutzten das Kaperrecht aus, nicht rück­ sichtslos, sondern menschlich, anständig, so daß auch das Staunen des englischen Volkes darüber charakteristisch war! Während man auf Englands Seite friedfertige Bürger von neutralen Schiffen weg in harte Gefangenschaft setzt, lasten unsere Kreuzer die Besatzungen, ausgerüstet und oftmals wohlversehen, ruhig laufen! IV. England und die Pariser bzw. Londoner Deklaration. 1. Viscount Milner, Lord Sydenham und andere einflußreiche Männer wollten auch gegen die neutrale Schiffahrt unter völliger Preisgabe des „völkerrechtlichen Plunders" der Pariser und Lon­ doner Deklaration aufs schärfste vorgehen, um auf jeden Fall zu seinem im Zahre 1912 in 6. Auflage erschienenen Werke „Napoleon ä Sainte Helene“ über b i c englische Politik folgendermaßen äußerte: „Europa ist gut genug, sein Blut zum Besten Englands zu vergießen. Helfershelfer und im Solde von England, das ist Europas Rolle; durch die Bru­ talität feiner Handlungsweise hat England den Europäern immer und immer wieder die Fabel „Bertrand et Raton" vor Augen geführt, sie plappern sie unauf­ hörlich her, aber verstehen werden sie sie niemals." Bertrand und Raton sind die beiden Helden der bekannten La Fontaineschen Fabel „Der Affe und die Katze". Raton zieht die Kastanien aus dem Feuer, während Bertrand sie ruhig verzehrt. Diese beiden Namen werden in Frankreich häufig gebraucht zur bildlichen Bezeichnung des Betrügers (dupeur) und des Be­ trogenen (dup6). Die Franzosen selbst scheinen allerdings die letzten zu sein, welche die La Fontainesche Fabel verstanden haben. über die Zurückweisung der ungeheuerlichen Behauptung Lloyd Georges vom 24. Juni 1915, daß Deutschland England „im Schlafe zu überfallen und zu er­ morden" versuchte, s. „Nordd. Allg. Ztg." vom 20. Juni 1915 und des Verfassers Buch „Der Weltkrieg und die Diplomatie", Kap. 47, 48, 55 usw.



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verhindern, daß irgendwelche Waren auf dem Wege über neutrale Länder nach Deutschland gelangen. Das englische Auswärtige Amt begann einzusehen, dah das alles „zu spät" kam. Lord Milner sagte im englischen Oberhause am 21. Dezember 1915 u. a., die Politik der Regierung schwanke beständig. Das Aus­ wärtige Amt verfolgte die Politik der Londoner Deklaration und suchte die Ausübung der Rechte der Kriegführenden zugunsten des friedlichen Handels zu beschränken. Die Schwäche seiner Stellung beruhte darauf, daß sie sich auf das internationale Abkommen und einen Fehen Papier stützte. Die Flotte vertrat dagegen den Stand­ punkt, die Rechte der Kriegführenden im vollen Umfange anzuwenden. Darauf erklärte Lord Crewe namens der Regierung ganz offen, dah England nicht imstande ist, Deutschland auszuhungern, und warf den genannten beiden Vertretern des Standpunktes der Admiralität so­ gar vor, die von ihnen befürwortete Politik grenze an See­ räuberei. England könne doch die Neutralen nicht wie Krieg­ führende behandeln und trotzdem erwarten, dah sie England wie einen Verbündeten behandelten------ Der Begriff Blockade änderte sich in diesem Kriege infolge der veränderten Verhältnisse des Seekrieges auch. Es sei unmöglich, alle Waren als Banngut zu erklären. Der Vorredner scheine die Begrenzung der Handlungsfreiheit Englands durch das Völkerrecht zu ignorieren. Die Prisengerichte könnten die Ladungen nicht für gute Prise erklären, nur weil es der Regierung angenehm wäre. Asquiths Erklärung über die Wirkungen der könig­ lichen Verordnung besagte nicht, dah alle bisher anerkannten völker­ rechtlichen Grundsätze nun abgeschafft seien. Rur soweit sie es ge­ statteten, wolle man alles versuchen, um den deutschen Handel zu unterbinden. Wir wissen genau, daß, wenn wir Deutsch­ land tatsächlich belagern und wirklich aushun­ gern könnten, wir es sofort tun würden. Schon am 16. Dezember 1915 erklärte Lord Lansdowne namens der Regierung: „Der Vorredner sprach davon, dah wir von der Flotte erwarten, sie solle verhindern, dah unseren Feinden Vorräte zukommen. Unsere Flotte kann nicht verhindern, daß die Waren durch die Hintertüren passieren, durch die unsere Feinde die Waren erhallen, die sie brauchen. Wenn wir mit dem neutralen Land selbst kein solches Abkommen erzielen können, ein Abkommen, das es achten und nach besten Kräften halten wird, dann sind wir außerstande, das Passieren bei­ nahe unbegrenzter Mengen von Vorräten an unsere Feinde zu verhindern. Das bloße Festsetzen eines Betrages, der den normalen Verbrauch gewisser Warenklassen durch die neutrale Macht ausdrückt, hilft uns nicht im geringsten. Was geschieht? Wir halten Echiffe aus, von denen wir argwöhnen, dah ihre Ladung für den Feind bestimmt ist. Wir mögen finden, datz von einer bestimmten Ladung ein Be-

hog burd gtioffcn worden ist, der beit vollen Betrag trarftcllt, M dein bas neutrale Land für feinen eigenen Gebrauch gerechtfertigt ist. Aber mehr Labungen dieser Art treffen ein, und trenn die Papiere der Schiss bic sie tragen, in Ordnung, sind und fein Beweis einer feindlichen Stimmung vorliegt, so find wir völlig macht­ los -und muffen uns einfach dabei beruhigen, daß diese Vorräte -trotz unserer. Borfidttsmaßregcln durchpassieren.^

Das ist also genau der Standpunkt der amerikanischen Protest note vom Herbst 1915 (f. unten). Ein anderer Regierungsvertreter, Lord Emmot, geht noch wei­ ter; er proklamiert "eine neue Taktik im Wirtschaftskrieg gegen Deutschland: Es soll durch die Freilastung der Einfuhr aus neu­ tralen Ländern nach Deutschland der deutsche Wechselkurs möglichst verdorben werden. Folgerichtig durchgeführt, würde dieser Plan das vollständige Gegenteil der bisherigen Aushungerungspolitik be­ deuten, nämlich die Begünstigung der Zufuhr nach Deutschland. So fällt man von einem Extrem in das andere. Es fehlt tatsächlich jede feste Praxis. Soweit die Admiralität den maßgebenden Einfluß sich eroberte, siegte die völlige Brutalität des Fisherschen Stand­ punktes. Zu Balfours Zeiten bemerkte man solche Schwankungen, da man die offene Beseitigung des Völkerrechts im Auswärtigen Amte einigermaßen fürchtete. Aber nicht nur den Feind will England aushungern, sondern auch den „wohlwollenden neutralen Freund"'). ') über die Motive der großen Not Griechenlands gegenüber England gibt ein Brief Aufschluß, den Pros. Dr. Cphyris, Athen, als den eines engsandfreundlichen griechischen Beamten am 4. Januar 1916 in den ,/M.. N. 9V veröffentlichte, in betn es u. a. hieß: „W as ich auch über b i e Unverschämtheit der Entente lagen mag, t ft zu weni g und zu klein. Bis jetzt sind wir schon zwei­ mal in die Gefahr geraten,, ohne Brot zu bleiben. Alle anderen Artikel und Waren werden uns fast vollständig fehlen wegen der Blockade, die gegen uns ange­ wendet wird. Die Negierung gibt sich |ebe Muhe, um der Not entgegenzutreten; leider aber sann sie auch nichts Wesentliches dabei leisten, da es an verfügbarem Kapital fehlt, um zur Verschiffung von großen Vorräten aller Artikel schreiten zu können. . . Diese wenigen Worte in dem vom 14. Dezember datierten Brief machen die Stimmung und das Angstgefühl eines Volkes begreiflich, das die Gefahr einer Aushungerung wie ein schreckliches Gespenst mehr rmd mehr herannahen siebt Ein armes Land, das auf die Einfuhr von Lebensrnitteln und allen unentbehr­ lichen landwirtschaftlichen und industriellen Artikeln fast ausschließlich oder vor­ wiegend angewiesen ist, muß hungern, weil es nicht feine ganze Selbständigkeit ober vielmehr die letzten Spuren feiner Unabhängigkeit zugunsten bet „Beschützer der kleinen Staaten* aufgibt. Mit Recht sogt Dr. Sphyris: „Die überall geschlagenen Kolosse wollen

nt)

2. Außerordentlich.charakteristisch für mgllsche Denttveise ist der Bericht über die englische Oberhaussitzung vom 3. Dezember 1915. Dort befragte Lord Portsmouth die Regierung ausweislich der „Times" vom 2. Dezember 1915 u. a. darüber, ob man der Londoner Deklaration, die doch 1911 vom Oberhaus abgelehnt worden sei (siehe vorstehend sub 3- H), wirklich in verfassungswidriger Weise durch einseitigen Regieruagsakt in Form einer „Order in Council" Rechts­ gültigkeil beigelegt habe. Und doch fei es der Wunsch der Landes, „den ganzen Plunder der Londoner und Haager Abkom­ men loszuwerden, juristische Feinheiten abzustoßen (sweep away juridical niceties) und im Krieg britisches Interesse und die Inter­ essen unserer Verbündeten als erstes und oberstes Gesetz zu prokla­ mieren". Lord Halsbury beglückwünschte Lord Portsmouth, daß er die Erklärung der Regierung herausgelockt habe, daß die Londoner Erklärung tot sei. Lord Lansdvwne antwortete für die Regierung, daß die Lon­ doner Deklaration niemals ein internationales Gesetzbuch mit inter­ nationaler Rechtskraft gewesen sei. Der Kern seiner Ausführungen ist in den folgenden Sätzen enthalten. Als Grund dafür, daß Eng­ land durch „Order in Council" vom 20. August 1914 die Londoner Deklaration (schon damals freilich mit dem Zusatz: „mit den sich als notwendig erweisenden Abänderungen") als Grundlage für fein materielles Seeprisenrecht angenommen hat, gibt der Lord an: „Die Londoner Deklaration lag uns bequem zur Hand .... Sie war tot als Urkunde mit nationaler Verpflichtungskraft, aber wertvoll für den Zweck, zu dem sie gebraucht war. Die Londoner Deklaration, die wir zu Beginn des Krieges-zu unserer eigenen Bequemlichkeit an» nahmen, war sehr verschieden von der Londoner Deklaration, mit der wir £S 1911 zu tun hatten (the Declaration o£ London was ready to Hand and it was decided to adopt it with some important modifications. It was dead as an Instrument of national Obligation, but valuable for the purpcse for whith it was used. The Declaration of London which we adopted for our own convenience at the beginning of the war, was quite .different front the Declaration of London which we had to deal with in 1911)". Griechenland dazu zwingen, jedes Hohcitsrcchl und das Selbstbestimmungsrecht auszugeben. Sie wollen Griechenland als eigene Kolonie im Kondomim'um be­ sitzen." Wohl die stärkste Form der Vergewaltigung eines Staates, burchgcsiihrt von dem Staat, der sich hemblerisch über di« Notaktlon Deutschlands gegen bas Vertragsbrüchige Belgien entrüstete!

12.)

In seiner Broschüre „England und die Londoner Deklaration" hat Pohl die freiwillige Annahme des Abkommens von 1909 (die, als von keinem Staat ratifiziert, in der Tat nicht bindend war) als „eine plumpe Heuchelei und ein durchsichtiges Manöver" bezeichnet, „die öffentliche Meinung in den neutralen Staaten irrezuführen". Diese rein politische Absicht erklärte die britische „Order in Council" vom 20. August 1914. Sie bildete die Antwort auf die Anfrage des amerikanischen Staatsdepartements vom 6. August 1914 (Dergl. Department of State, Diplomatie correspondence with belligerent governments relating to neutral rights and commerce, 1915, p. 5), ob die britische Negierung geneigt sei, in dem gegen­

wärtigen Kriege die Londoner Deklaration als Grundlage des See­ kriegsrechts anzunehmen. Damals hielt es England noch für wich­ tig, das Gesicht zu wahren und sich gegenüber den neutralen Staaten, dem grvsien Amerika wie den von ihm so eifrig beschützten „kleinen", als Hüter internationalen Rechts hinzustellen. Jetzt, da die späteren englischen Verordnungen, vor allem die berüchtigte vom 11. März 1915, die sogar in das Recht der Pariser Deklaration ein­ greift, den Neutralen gezeigt haben, wie englisches Seerecht in Wirk­ lichkeit aussieht, hält man es im Foreign Office nicht mehr für nötig. Komödie zu spielen. Daher die beinahe zynische Erklärung Lord Lansdownes. Sie hat sicher den Fragesteller und alle diejenigen be­ friedigt, die nicht daran gedacht haben oder nicht daran denken woll­ ten, daß man im Jahre 1900 der Londoner Deklaration, weniger in historischer Anlehnung an die Pariser von 1856, als vielmehr des­ halb den Namen „Deklaration" gegeben hat, weil man feststellen (dSclarer) wollte, wie es gerade die britische Regierung vorgeschlagen hatte, und wie auch die „einleitende Vorschrift" der Londoner De­ klaration ausdrücklich erklärt, dah die in ihr aufgestellten Grundsätze „im wesentlichen den allgemein anerkannten Völkerrechtsregeln ent­ sprächen". (Darüber eingehend H. von Ferneck, „Die Reform des Seekriegsrechts durch die Londoner Konferenz 1908'09", 1914, kind of Treaty, obligatory........ to the subscriber-. of it) aewvrden sei. Denn in den Parlamentsverhandlungen vom 1.4. 3uli 1857 (Rie­ ht ever 92, 110. 111, 113, 114) hat zwar > das llnterhausmitqlied Lindsey sich dahin ausgesprochen, die Pariser Deklaration sei unhalt­ bar, aber auf einen Einwürf ausdrücklich erklärt, er wünsche, nicht eine feierliche Deklaration einfach auf die Seite zu werfen (flirpw aside). Und noch deutlicher erklärte Sir Charles Ravier, von einem Bruch der Deklaration dürfe keine Rede fein^ Die Diplomatie, der Enaland den unerwünschten Vertrag verdanke, müsse das Land auch wieder davon (aus diplomatischem Wege, also vertragsmäßig) be­ freien. Cs ist nicht ohne Wert, zu erwähnen, daß einer der hervor­ ragendsten englischen Völkerrechtsaelehrten. Westlake („International Law“ II, 1913, S. 145) ausdrücklich erklärt: „Lange Zeit hindurch bestand in Enaland eine Agitation zu dem Zweck, das Land zur Auf­ gabe der Pariser Deklaration zu bringen — eine Unmöglichkeit —, da diese Urkunde ein wirkliches Abkommen darstellt (an agitation was Iong maintained in England with the view of inducing this country to withdraw from the Declaration of Paris which it was

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not within her power to do, that document being real ly a Con­ vention“ — ähnlich Lawrence, „Principles of International Law“, 4. Ed. 1900, S. 065)')■ Vergl. auch Persels, „Das öffentliche Seerecht

der Gegenwart", 1903, S. 178. Gegenüber Gibfon Bowles ist es auch bedeutsam, daß im gegenwärtigen Kriege in den Fällen „Schle­ sien" und „Miramichi" (ausweislich Huberich, „Das englische Prisenrecht", 1915, S. 10) die Pariser Deklaration ausdrückliche Anerkennung vor englischen Gerichten erfahren hat. Wenn Gibson Bowles einen weiteren Angriff gegen die Pariser Deklaration daraus ableiten will, daß die Vereinigten Staaten ihr nicht beigetreten seien, so beweist das selbstverständlich nichts gegen die Bindung Englands, für das es rechtlich völlig gleichgültig ist, welche Staaten sich nachträglich der Pariser Erklärung angeschlossen haben. Die englische Parlamentsrede vom 1. Dezember 1915 wie die Rechtsausführungen Gibson Bowles' sind von höchstem Interesse. Haben die Ausführungen Lord Lansdownes gezeigt, wie England im gegenwärtigen Kriege nicht geltendes Recht mit Scheingültigkeit ausstattet, so die des englischen Schrift­ stellers, wie englische Autoren positiv geltendes Recht als nur scheinbar gültig hinzustellen suchen — beides in einer und der­ selben Absicht, nämlich in der, englischer Willkür im Seekrieg freie Bahn zu schaffen. (Dies entnehme ich dem interesianten Aufsatz von Dr. Earl Strupp im „Fränk. Kurier" vom 27. Dezember 1915. Nr. 661.) 3. Wie kläglich diese Versuche sind, zeigt ein Blick in das zweite niffO sche Orangebuch. Dort beruft sich Sasanow (Nr. 18) unterm 29. Iuli10. August 1914 auf § 56 der Londoner Seerechtsdeklaration vom Jahre 1909 und erklärt diese Deklaration „als bei allen Mächten in Anwendung und als gültiges internationales Seegesetz", als Grundlage des Protestes gegen den Ankauf der „©oben" und „Breslau", die dann zur Kriegserklärung zwischen Rußland und der Türkei führte! Und das alles geschah „nach Rücksprache mit dem englischen und französi­ schen Botschafter". Ja, der Botschafter Rußlands in London meldet (Nr. 19) an Sasanow, daß der englische Geschäftsträger in Konstan’) (Interessante Mitteilungen über die politische Seite der Angelegenheit, die sich darin äussert, dass die Konservativen für, die Liberalen gegen die Ab­ schaffung der Deklaration waren, in „Revue de droit international et de lägislation comparee“ 1875, S. 276 ff. Wertvoll auch das Werk des französi­ schen Völkerrechtlers de Bock, „De la propriete privee ennemie sous pavillon ennemi“ 1882, S. 540 Note 2, ein Werk, das fast auf jeder Seite Beitrage zu dem Kapitel „Britische Seerechtswillkür" liefert.

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tinopel beauftragt ist, bei der Pforte auf strenge Beobachtung der Grundsätze des Völkerrechts (!) seitens der türkischen Regierung und auf Abrüstung oder Entfernung der „Göben" und der „Breslau" zu bestehen! 4. Auch diese feierliche Anerkennung der Bestimmungen der Lon­ doner Deklaration hindert nicht ihre völlige Überbordwerfung. End­ lich faßte nämlich England auch den Mut, öffentlich und offi­ ziell die Londoner Seedeklaration, d. h. das aner­ kannte Seegewohnheitsrecht der großen Kulturstaaten, über Bord zu werfen. Es geschah mit der „Orderen Council" vom 7. Juli 1916 (s. übernächstes Kapitel den Inhalt dieser Order). Bei der Übersendung der neuen „Order in Council" über die Seekriegführung an die Vertreter der neutralen Staaten in London fügte der Staatssekretär Lord Grey folgende Denkschrift bei, in welcher die Gründe für die neue Order dargelegt werden: Bei Kriegsbeginn glaubten die alliierten Regierungen in ihrem Bemühen, ihr Verhalten nach den Grundsätzen des Völkerrechts einzurichten, daß sie in der Londoner Erklärung eine geeignete Zusammenfassung der Grundsätze und Bestim­ mungen finden würden. Sie einigten sich aus den Beschluh, die Vorschriften der Erklärung anzunehmen, nicht, weil sie an und für sich für sie gesetzliche Kraft be­ sähen, sondern weil sie in ihren Hauptlinien eine Festsetzung der Rechte und Pflichten der Kriegführenden darzustellen schien, die auf die Erfahrungen der See­ kriege gegründet sind. Da der gegenwärtige Kampf einen Umfang und Charakter über alle früheren Begriffe hinaus angenommen hat, wurde es klar, datz der zur Friedenszeit in London gemachte Versuch, nicht nur die Grundsätze des Völker­ rechts, sondern selbst die Formen festzusetzen, unter denen sie angewendet werden sollten, ein nicht völlig befriedigendes Ergebnis hatte. Es ist Tatsache, datz diese Bestimmungen, während sie nicht in jeder Hinsicht eine Besserung der den Neu­ tralen gewährten Sicherheit bedeuten, den Kriegführenden bei der Ausübung der ihnen zugestandenen Rechte nicht die wirksamsten Mittel zubilligen. Im Fortgang der Ereignisse brachten die deutschen Mächte alle ihre geistigen Fähigkeiten in An­ wendung, um den Druck, der sie einschnürte, zu lockern und den Kanal für die Zuführung des Benötigten wieder zu öffnen. Ihre Anschläge kompromittierten den unschuldigen neutralen Handel und brachten ihn in den Verdacht, eine feindliche Agentur zu sein, überdies schufen die mannigfaltigen Entwicklungen der Wissen­ schaft des See- und Militärwesens, die Erfindung neuer Kriegsmaschinen und die von den deutschen Mächten erfolgte Zusammenfassung ihrer Hilfsmittel in ihrer ganzen Ausdehnung zu militärischen Zwecken Verhältnisse, die ganz und gar ver­ schieden waren von denen, die in früheren Seekriegen obwalteten. Die in der Londoner Erklärung niedergelegten Bestimmungen konnten die Belastungsprobe nicht aushalten, die die äutzerst schnell sich ändernden Verhältnisse und Richtungen mit sich brachten, die nicht vorhcrgesehen werden konnten. Die alliierten Regie­ rungen waren gezwungen, der so geschaffenen Lage Rechnung zu tragen und die Bestimmungen der Erklärung von Zeit zu Zeit diesen sich ändernden Verhältnissen anzupassen und mit ihnen in Einklang zu bringen. Diese nach und nach eingetretenen Veränderungen mögen vielleicht die Absicht der Alliierten einer Mihdeutung aus-

126 gtiefet buben. Aus diesem Grund« kamen sie zu dem unterscheidet sich charakteristisch von den bescheidenen „Vorstellungen" an die Britische Majestät. Die Vereinigten Staaten sind gewillt, weiter eine „PapierNeutralität" durchzuführen (s. voriges Kapitel). Geheimrat Dr. Wach-Leipzig hat die amerikanische Note sehr richtig als ein „seltsames Produkt mangelnder Logik und Gerechtig­ keit" bezeichnet. Sie mutet uns zu, die amerikanische Flagge auf unsere Gefahr hin so lange zu respektieren, bis wir uns über den Miß­ brauch dieses Wahrzeichens der Neutralität vergewisiert haben. Aber Herr Wilson vergißt, daß die amerikanische Flagge die Eigenschaft eines solchen Wahrzeichens in dem Augenblick verloren hat, in dem England die Maxime ihres Mißbrauches durch seine Schiffe prokla­ miert hat. Ist es nicht ein Gebot der Logik und Gerechtigkeit, daß der verfasiungsmäßige Wahrer der Neutralität seines Staates in erster Linie dafür zu sorgen hat, daß das Kennzeichen der Zugehörig­ keit eines Schiffes zu seinem Staate nicht mißbraucht und dieser differenzierenden Eigenschaft beraubt wird oder wenn er das nicht kann oder nicht will, zum Schutze der amerikanischen Schiffahrt ander­ weitig Anordnungen trifft, die sie in ihrer Nationalität sicher erkenn­ bar machen? Tut er es nicht, so begibt er sich des Anspruchs aus Achtung der Flagge und macht sich zum Mitschuldigen des betrügerischen Verfahrens Englands. Er tut das um so mehr, wenn er gegen die völkerrechtswidrige englische Erklärung vom 3. November 1914, deren Rechtsfolgen w i r nur abwehren, keinen Einspruch erhoben hat und sich

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damit von Anfang an des Rechtes begibt, gegen die Abwehrhandlungen zu protestieren, es fei denn, daß er feine „Neu­ tralität" als reine Demonstrationsform, als „Papier-Neutralität" be­ trachtet. Hätte die amerikanische Regierung nach dem 3. November und gegen den Flaggenbetrug ihre Schuldigkeit getan, so wäre der ganze Erlab der deutschen Regierung vom 4. Februar 1915 unterblieben. Ja, die deutsche Regierung hat ausdrück­ lich erklärt, bofe sie von seiner Durchführung absieht, wenn England die Londoner Deklaration achtet und den „Flaggenbetrug" redressiert. Dies aber hat England verweigert! II. D i e deutsche Antwort vom 16. Februar 1915 darauf war entschieden und würdig. Trotz ihres Umfanges müssen wir sie als historisches Dokument hier wörtlich anführen: Die Kaiserlich Deutsche Regierung prüfte die Mitteilung der Regierung der Vereinigten Staaten in dem Geiste des gleichen Wohlwollens und der gleichen Freundschaft, von welchem ihre Mitteilung diktiert erscheint. Die Kaiserlich Deutsche Regierung weih sich mit der Regierung der Vereinigten Staaten darin eins, bofo es für beide Teile in hohem Maste erwünscht ist, Mistverständnisse zu ver­ hüten, die sich aus den von der deutschen Admiralität angekündigten Mastnabmen ergeben könnten und dem Eintritt von Ereignissen vorzubeugen, die die zwischen den beiden Regierungen bisher in so glücklicher Weise bestehenden freundschaft­ lichen Beziehungen zu trüben vermöchten. Die deutsche Regierung glaubt für diese Versicherung bei der Regierung der Vereinigten Staaten um so mehr aus volles Verständnis rechnen zu können, als das von der deutschen Admiralität angekündigte Vorgehen, wie in der Rote vom 4. Februar eingehend dargelegt wurde, in keiner Weise gegen den legitimen Handel und die legitime Schiffahrt der Neutralen gerichtet ist, sondern lediglich eine durch Deutschlands Lebensinteressen erzwungene Gegenwehr gegen die völker­ rechtswidrige Seekriegführung Englands darstellt, die bisher durch keinerlei Ein­ spruch der Neutralen auf einen vor dem Kriegsausbruch allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz der Lage sich hat zurückführen lassen. Um in diesem kardinalen Punkte jeden Zweifel auszuschliesten, erlaubt sich die deutsche Regierung nochmals die Sachlage festzustellen: Deutschland hat die bisher geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen auf dem Gebiete des Seekrieges gewissenhaft beobachtet, insbesondere hat es dem gleich zu Beginn des Krieges gemachten Vorschlag der amerikanischen Regierung, nunmehr die Londoner Seekriegsrechts-Erklärung zu ratifizieren, unverzüglich zu­ gestimmt und deren Inhalt auch ohne solche formelle Bindung unverändert in sein Prisenrecht übernommen. Die deutsche Regierung hat sich an diese Be­ stimmungen gehalten, auch wo sie ihren militärischen Interessen zuwiderliefen. So hat sie beispielsweise bis auf den heutigen Tag die Lebensmittelzufuhr von Däne­ mark nach England zugelassen, obwohl sie diese Zufuhr durch ihre Seestreitkräfte

214 sehr wohl hätte unterbinden können. 3m Gegensatz hierzu hat England selbst schwere Verletzungen des Völkerrechts nicht gescheut, wenn es dadurch den fried­ lichen Handel Deutschlands mit dem neutralen Auslande lähmen konnte. Aus Einzelheiten wird die deutsche Regierung hier um so weniger einzugehen brauchen, als solche in der ihr zur Kenntnis mitgeteilten amerikanischen Note an die britische Regierung vom 29. Dezember v. 3s. auf Grund fünfmonatlicher Erfahrungen zutreffend, wenn auch nicht erschöpfend, dargelegt sind. Alle diese Übergriffe sind zugestandenermaßen darauf gerichtet, Deutschland von aller Zufuhr abzuschneiden und dadurch die friedliche Zivilbevölkerung dem Hungertode preiszugeben, ein jedem Kriegsrecht und jeder Menschlichkeit wider­ sprechendes Verfahren. Die Neutralen haben die völkerrechtswidrige Unterbindung ihres Handels mit Deutschland nicht zu verhindern vermocht. Die amerikanische Regierung hat zwar, wie Deutschland gern anerkennt, gegen bas englische Ver­ fahren Protest erhoben. Trotz dieses Protestes und der Proteste der übrigen neu­ tralen Regierungen hat England sich von dem eingeschlagenen Verfahren nicht abbringen lassen. So ist noch vor kurzem das amerikanische Schiff „Wilhelmma" von englischer Seite aufgebracht worden, obwohl seine Ladung lediglich für die deutsche Zivilbevölkerung bestimmt war und nach der ausdrücklichen Erklärung der deutschen Regierung nur für diesen Zweck verwendet werden sollte. Dadurch ist folgender Zustand geschaffen worden: Deutschland ist unter stillschweigender oder protestierender Duldung der Neutralen von der überseeischen Zufuhr so gut wie abgeschnitten, und zwar nicht nur hinsichtlich solcher Waren, die absolute Konterbande sind, sondern auch hinsichtlich solcher, die nach dem vor dem Ausbruch des Krieges allgemein anerkannten Recht nur relative Konterbande oder überhaupt keine Konterbande sind. England dagegen wird unter der Duldung der neu­ tralen Regierungen nicht nur mit solchen Waren versorgt, die keine oder nur relative Konterbande sind, von England aber gegenüber Deutschland als absolute Konterbande behandelt werden, Lebensrnittel, industrielle Rohstoffe usw., sondern sogar mit Waren, die stets unzweifelhaft als absolute Konterbande gelten. D i e deutsche Regierung glaubt insbesondere und mit größtem Nachdruck darauf Hinweisen zu müssen, daß ein auf viele Hunderte von Millionen Mark geschätzter Waffenhandel amerikanischer Lieferanten mit Deutschlands Feinden be­ steht. Die deutsche Regierung gibt sich wohl Rechenschaft darüber, das; die Ausübung von Rechten und die Duldung von Unrecht seitens der Neutralen formell in deren Belieben steht und keinen formellen Neutralitätsbruch in­ volviert. Sie hat infolgedessen den Vorwurf des formellen Neutralitätsbruchs nicht erhoben. Die deutsche Regierung kann aber — gerade im 3ntcresse voller Klarheit in den Beziehungen beider Länder — nicht umhin, her­ vorzuheben, daß sie mit der gesamten öffentlichen Meinung Deutschlands sich dadurch schwer benachteiligt fühlt, daß die Neutralen in der Wahrung ihrer Rechte aus den völker­ rechtlich legitimen Handel mit Deutschland bisher keine oder nur unbedeutende Erfolge erzielten, während sie von ihrem Recht, Konterbandehandel mit England und unseren anderen Feinden zu dulden, uneingeschränkten Gebrauch machen. Wenn es das formale Recht der Neutralen ist, ihren legitimen Handel mit Deutschland nicht zu schützen, ja sogar sich von England zu einer bewussten gewollten Einschränkung des Handels bewegen zu lasten, so ist es auf der anderen Seite nicht minder ihr gutes, aber leider nicht angewendetes Recht, den Konter-

215 bandehandel,

insbesondere

den

Waffenhandel

mit Deutschlands Feinden

abzu­

stellen. Bei dieser Sachlage sieht sich die deutsche Regierung nach 6 Monaten der Geduld und des Abwartens genötigt, die mörderische Art der Seekriegführung Englands mit scharfen Gegenmaßnahmen zu erwidern. Wenn England in seinem Kampf gegen Deutschland den Hunger als seinen Bundesgenossen anruft, in der Absicht, ein Kulturvolk von 70 Millionen vor die Wahl zwischen elendem Ver­ kommen oder Unterwerfung unter seinen politischen und kommerziellen Willen zu stellen, so ist heute die deutsche Regierung entschlossen, den Handschuh aufzu­ nehmen und an den gleichen Bundesgenosien zu appellieren. Sie vertraut darauf, daß die Neutralen, die bisher sich den für sie nachteiligen Folgen des englischen Hungerkrieges stillschweigend oder protestierend unterworfen haben, Deutschland gegenüber kein geringeres Matz von Duldsamkeit zeigen werden, und zwar auch dann, wenn die deutschen Maßnahmen, in gleicher Weise wie bisher die englischen, neue Formen des Seekrieges darstellen. Darüber hinaus ist die deutsche Re­ gierung entschlossen, die Zufuhr von Kriegsmaterial an England und seine Ver­ bündeten mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu unterdrücken, wobei sie es als selbstverständlich annimmt, daß die neutralen Regierungen, die bisher gegen den Waffenhandel mit Deutschlands Feinden nichts unternommen haben, sich der gewaltsamen Unterdrückung dieses Handels durch Deutschland nicht zu wider­ setzen beabsichtigen. Von diesem Gesichtspunkt ausgehend, erklärte die deutsche Admiralität die von ihr näher bezeichnete Zone als Seekriegsgebiet. Sie wird dieses Seekriegsgebiet soweit wie irgend angängig durch Minen sperren und auch die feindlichen Handelsschiffe auf jede andere Weise zu vernichten suchen. So sehr nun auch der deutschen Regierung bei jedem Handeln nach diesen zwingen­ den Gesichtspunkten jede absichtliche Vernichtung neutraler Menschenleben und neutralen Eigentums fernliegt, so will sie doch aus der anderen Seite nicht ver­ kennen, daß durch die gegen England durchzuführenden Aktionen Gefahren ent­ stehen, die unterschiedslos jeden Handel innerhalb des Seekriegsgebietes be­ drohen. Dies gilt ohne weiteres von dem Minenkrieg, der auch bei strengster Innehaltung der völkerrechtlichen Grenzen jedes einem Minengebiet sich nähernde Schiff gefährdet. Zu der Hoffnung, datz die Neutralen sich hiermit ebenso wie mit den ihnen durch die englischen Maßnahmen bisher zugefügten schweren Schädigungen abfinden werden, glaubt die deutsche Regierung um so mehr be­ rechtigt zu sein, als sie gewillt ist, zum Schutz der neutralen Schiffahrt sogar in dem Seekriegsgebiet alles zu tun, was mit der Durchführung ihres Zweckes irgendwie vereinbar ist. Sie lieferte den ersten Beweis für ihren guten Willen, indem sie die von ihr beabsichtigten Maßnahmen mit einer Frist von nicht weniger als 14 Tagen ankündigte, um der neutralen Schiffahrt Gelegenheit zu geben, sich auf die Vermeidung der drohenden Gesahr einzurichten. Letzteres geschieht am sichersten durch das Fernbleiben vom Seekriegsgebiet. Die neutralen Schiffe, die trotz dieser die Erreichung des Kriegszweckes gegenüber England schwer be­ einträchtigenden langfristigen Ankündigung sich in die gesperrten Gewässer be­ geben, tragen selbst die Verantwortung für etwaige unglückliche Zufälle. Die deutsche Regierung lehnt ihrerseits jede Verantwortung für solche Zu­ fälle und deren Folgen ausdrücklich ab. Ferner kündigt die deutsche Regierung lediglich die Vernichtung der feindlichen, innerhalb des Seekriegsgebietes an­ getroffenen Handelsschiffe an, nicht aber die Vernichtung aller Handelsschiffe, wie die amerikanische Regierung irrtümlich verstanden zu haben scheint. Auch diese

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Beschränkung, die die deutsche Regierung sich auferlegt, ist eine Beeinträchtigung des Kriegszweckes, zumal da bei der Auslegung des Begriffs Konterbande, die Englands Regierung gegenüber Deutschland beliebt hat, die demgemäß die deutsche Regierung auch gegen England anwenden wird, auch den neutralen Schissen gegenüber die Präsumption dafür sprechen wird, daß sie Konterbande an Bord haben. Aus das Recht, das Vorhandensein von Konterbande in der Fracht neu­ traler Schiffe festzustellen und gegebenenfalls aus dieser Feststellung die Konse­ quenzen zu ziehen, ist die Kaiserliche Regierung natürlich nicht gewillt, zu ver­ zichten. Die deutsche Regierung ist schließlich bereit, mit der amerikanischen Re­ gierung jede Maßnahme in ernsthafteste Erwägung zu ziehen, die geeignet sein könnte, die legitime Schiffahrt der Neutralen im Kriegsgebiet sicherzustellen. Sie kann jedoch nicht übersehen, daß alle Bemühungen in dieser Richtung durch zwei Umstände erheblich erschwert werden: 1. durch den inzwischen wohl auch für die amerikanische Regierung außer Zweifel gestellten Mißbrauch der neutralen Flagge durch englische Handelsschiffe, 2. durch den bereits erwähnten Konterbandehandel, insbesondere mit Kriegs­ material der neutralen Handelsschiffe. Hinsichtlich des letzteren Punktes gibt sich die deutsche Regierung der Hoffnung hin, daß die amerikanische Regierung bei nochmaliger Erwägung zu einem dem Geiste wahrhafter Neutralität entsprechen­ den Eingreifen veranlaßt wird. Was den ersten Punkt anlangt, so ist der deutscherseits der amerikanischen Negierung bereits mitgeteilte Geheimbefehl der britischen Admiralität, der den englischen Handelsschiffen die Benutzung neutraler Flaggen anempfiehlt, inzwischen durch die Mitteilung des britischen auswärtigen Amtes, das jenes Verfahren unter Berufung auf ein inneres englisches Recht als völlig einwandfrei bezeichnet, bestätigt worden. Die englische Handelsflotte befolgte den ihr erteilten Rat auch sogleich, wie der amerikanischen Regierung aus den Fällen der Dampfer „Lusitania" und „Laertes" bekannt sein dürfte. Weiler versah die britische Regierung die englischen Handelsschiffe mit Waffen und wies sie an, den deutschen Untersee­ booten gewaltsam Widerstand zu leisten. Unter diesen Umständen ist es für die deutschen Unterseeboote sehr schwierig, die neutralen Handelsschiffe als solche zu erkennen, denn auch eine Untersuchung wird in den meisten Fällen nicht erfolgen können, da bei einem maskierten englischen Schiff und dem zu erwartenden Angriff das Unterfuchungskommando das Boot selbst der Gefahr der Vernichtung aus­ setzt. Die britische Regierung wäre hiernach in der Lage, die deutschen Maß­ nahmen illusorisch zu machen, wenn ihre Handelsflotte bei dem Mißbrauch neu­ traler Flaggen verharrt und die neutralen Schiffe nicht anderweitig in zweifelloser Weise gekennzeichnet werden. Deutschland muß aber in dem Notstand, in den es rechtswidrig verfehl worden ist, seine Maßnahmen unter allen Umständen wirk­ sam machen, um dadurch die Gegner zu einer dem Völkerrecht entsprechenden Führung des Seekrieges zu zwingen und so die Freiheit der Meere, für die es von jeher eintrat und für die es auch heute kämpft, wieder herzustellen. Die deutsche Regierung begrüßte es daher, daß die amerikanische Regierung gegen den rechtswidrigen Gebrauch ihrer Flagge bei der britischen Regierung Vor­ stellungen erhob, und gibt der Erwartung Ausdruck, daß dieses Vorgehen England künftig zur Achtung der amerikanischen Flagge veranlaflen werde. 3n dieser Erwartung sind die Befehlshaber der deutschen Unterseeboote, wie bereits in der Note vom 4. Februar -um Ausdruck gebracht worden ist, angewiesen worden, Gewalttätigkeiten gegen amerikanische Handelsschiffe zu unterlassen, soweit sie als

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solche erkennbar sind. Um in sicherster Weise allen Folgen einer Verwechslung — allerdings nicht auch der Minengefahr — zu begegnen, empfiehlt die deutsche Regierung den Vereinigten Staaten, ihre mit friedlicher Ladung befrachteten, den englischen Seekriegsschauplatz berührenden Schiffe durch Konvoyierung (d. i. Be­ gleitung) kenntlich zu machen. Die deutsche Regierung glaubt dabei voraus­ setzen zu dürfen, datz nur solche Schiffe konvoyiert werden, die keine Waren an Bord haben, die nach der von England gegenüber Deutschland angewendeten Auslegung als Konterbande zu betrachten sind. Über die Art der Durchführung einer solchen Konvoyierung ist die deutsche Regierung bereit, mit der amerikanischen Regierung alsbald in Verhandlungen einzutreten. Sie würde es aber mit be­ sonderem Dank anerkennen, wenn die amerikanische Regierung ihren Handels­ schiffen dringend empfehlen wollte, jedenfalls bis zur Regelung der Flaggenfrage den englischen Seekriegsschauplatz zu vermeiden. Die deutsche Regierung gibt sich der zuversichtlichen Hoffnung hin, datz die amerikanische Regierung den schweren Kampf, den Deutschland um sein Dasein führt, in seiner ganzen Bedeutung würdigen und aus den vorstehenden Auf­ klärungen und Zusagen ein volles Verständnis für die Beweggründe und Ziele der von ihr angekündigten Maßnahmen gewinnen wird. Die deutsche Regierung wiederholt, datz sie in der bisher peinlich von ihr geübten Rücksicht auf die Reutraten sich nur unter dem stärksten Zwang der nationalen Selbsterhaltung zu den geplanten Maßnahmen entschlosien hat. Sollte es der amerikanischen Regierung vermöge des Gewichts, das sie in die Wagschale des Geschickes der Völker zu legen imstande ist, in letzter Stunde noch gelingen, die Gründe zu beseitigen, die der deutschen Regierung jenes Vorgehen zur gebieterischen Pflicht machen, sollte die amerikanische Regierung insbesondere einen Weg darin finden, die Beachtung der Londoner Seekriegsrecht-Erklärung auch von feiten der mit Deutschland krieg­ führenden Mächte zu erreichen und Deutschland dadurch die legitime Zufuhr von Lebensrnitteln und industriellen Rohstoffen zu ermöglichen, so würde die deutsche Regierung hierin ein nicht hoch genug anzuschlagendes Verdienst um eine humanere Gestaltung des Krieges anerkennen und aus der also geschaffenen neuen Sachlage gern die Folgerungen ziehen.

Ein objektiver Leser wird einräumen, bah in der Note alles auf­ geboten wird, um den Schaden von den amerikanischen Schiffen abzuwenden. Sie will die von Kriegsschiffen konvoyierten Schiffe unter der Sternenbannerflagge ohne weiteres als legitimiert ansehen, sie will ihre Ladung ohne Untersuchung als Nichtkonterbande durch­ lasten. Sie will sogar ihre ganzen Absichten redressieren, wenn Eng­ land zur Londoner Deklaration zurückkehrt und den Flaggenbetrug auf­ gibt. Alles Entgegenkommen war umsonst! England beharrte auf dem Aushungerungsplan und wies jede Erleichterung in der Lebens­ mittelfrage zurück, ebenso den Verzicht auf den „Flaggenbetrug". Merkwürdig, daß England nur im Mißbrauch und Betrug vor der neutralen Flagge Achtung zeigt, nicht aber im loyalen Gebrauche der Berechtigten sie schätzt und achtet! Sonderbare Rechts- und Moralanschauungen des „Kultur- und Rechtsstaates" England! Das Vorgehen der deutschen Regierung ist sonach nichts als eine

Vergeltungs-, Notstands- und Notwehrmahregel, die logische Folge der englischen Order vom 3. November 1914, auf die sie die Antwort bildet. III. Unterseebootskrieg und Kriegsgebietserklärung.

Der Unterseebootskrieg. Ich habe in einem Artikel in zahlreichen deutschen Zeitungen über letzteren Begriff folgendes ausgeführt: Was die rechtliche Zulässigkeit der Matzregel anlangt, so kann sie keinem Zweifel unterliegen: das geschriebene Völkerrecht kennt den Begriff der „Erklärung eines Gebietes" als „Kriegs­ gebiet" überhaupt nicht. Mit dieser singulären Mahregel folgen wir lediglich England, das das Nordseegebiet als Kriegs­ gebiet erklärte. „Kriegsgebiet", „Kriegsschauplatz" ist zunächst ein tatsächlicher, an sich kein Rechtsbegriff. Im Seekrieg sind „Kriegsgebiet" die Eigentumsgewässer der Krieg­ führenden und das offene Meer bis an die Grenzen der neutralen Gewässer, der neutralisierten Binnenmeere, Meerengen und Fluhmündungen und Kanäle. Dauernd neutralisierte Gebietsteile sind bekanntlich unter anderen die internationalen Ströme wie die Donau, der Kongo, ferner der Suezkanal (!), der Panamakanal, die Alands­ inseln, die Ionischen Inseln mit Einschränkung auf Korfu und Naxos (seit 1864), die Magelhaensstrahe, die montenegrinischen Gewässer usw. Alle diese Gebietsteile sind durch völkerrechtlichen Akt ausdrücklich als neutral bestimmt. . . . Die hier in Frage kommenden Gewäsier um England kommen als neutrale nicht in Betracht. Auch speziell für diesen Krieg bestimmte Neutralisierungs-Vereinbarungen bestehen nicht. Vom völkerrechtlichen Standpunkte aus kann die Konstatierung des deutschen Marine-Admiralitätsstabes, dah die betreffenden Gewäsier Kriegsgebiet sind, also nicht beanstandet werden, um so weniger, als sie nur Notwehrhandlungen gegen englische Mahnahmen bildet. Auch die neutralen Staaten können — angesichts der Tat­ sache, d'ah England die Satzungen der Londoner Deklaration, die nur das geltende Seerecht kodifizierte, offen mißachtete und den Flaggen­ betrug zum System erklärte —, wenn sie gerecht sein wollen, gegen Deutschlands Mahregel keinen Widerspruch erheben: das ganze Vorgehen, das die ausdrückliche Analogie des Art. 49 der Londoner Seerechtsdeklaration für sich hat, ist eine klare Notwehrhandlung, die auf Tod und Leben geht! Ich habe hier mit derselben Absicht das irreführende Wort „Blockade" vermieden, wie die Reichsregierung selbst. Es handelt sich eben nicht um eine „Blockade" im seetechnischen und juristischen Sinne. Die Blockade muh „effektiv" sein. Der

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llnterseebootskrieg kann dies nicht sein; Beginn, Abbruch, Wiederaufnähme der Blockade, die Formen und Regeln dafür passen alle nicht auf den llnterseebootskrieg. Die deutsche Regierung hat hier in einem Übermaß von Ehrlichkeit einfach eine Warnungstafel errichtet mit der Aufschrift: „Wegbleiben, denn hier ist Gefahr für den Unbeteiligten" *) ’). Nehm hat in der „Leipz. Zeitschr. f. d. Recht" 1915 Nr. 3 sich bemüht, die „llnterseebootblockade gegen England" zu analysieren. Er führt u. a. aus: „Grundsätzlich ist nur ein Gefangennehmen, nicht ein Töten des Fahrzeugs (d. h. eine Der*) Diese Rechtsanschauung über den Charakter der modernen (Untersee­ boots- und Minen-) „Blockade" hat der Marine-Mitarbeiter der „Times" im November 1914 völlig geteilt. Cr schrieb: „Da Minen innerhalb des militärischen Gebietes liegen müssen, ist es nicht unsere Sache, ihre genaue Lage denjenigen bekanntzumachen, die es nicht lassen können, dort umherzufahren. (Eine all­ gemeine Warnung ist erlassen worden, und wenn etwaige Blockadedrecher auf die Minen auflaufen, dann ist es eben ihre eigene Schuld. Mir ist ein Vorwurf gemacht worden, weil ich von Blockadebrechern spreche, weil doch England nicht die Blockade über die deutschen Küsten verhängt habe. Genau genommen ist das richtig: aber hier fetzt eine falsche Vorstellung ein. Die Blockade, wie man s i e in früheren Zeiten kannte, ist durch die Mine und den Torpedo (!) abgetan. Wir erklären nicht mehr die Blockade, die jedem Schiff verbietet, ein bestimmtes, durch die Anwesenheit eines Blockade­ geschwaders kenntlich gemachtes Gebiet zu passieren. Wir machen statt dessen bekannt, datz alle ein bestimmtes Seegebiet befahrenden Schiffe das auf eigene Gefahr tun. Die Minen besorgen das übrige. Das sind Ausnahmematzregeln, die den neuen Bedingungen, unter denen dieser Krieg geführt wird, angepaßt sind." Also? Was England recht, ist uns billig! Siehe auch Perels in den „Grenzboten" ganz ähnlich wie hier, siehe hier auch Pohl in der „D. 3.-8." 1915 6. 246 über englische „Seeräuberei". All das gilt aber auch für die „Lusitania"Affäre und ähnliche „Fälle". Siehe auch jetzt die populären Broschüren von Hans Steinuth (Deutsche Verl.-Anstalt): „England und der O-Boot-Krieg" und „Lusitania" sowie Alvensleben „Unterseebootskrieg und Völkerrecht" Polit. Flugschrift, „Der deutsche Krieg", Heft 81/82, 1916. -) „Daily News" sagt in einem Leitartikel August 1915 sehr richtig, es sei falsch, nicht zugeben zu wollen, datz sich England bei der Behandlung der neutralen Schiffahrt formell im Unrecht befinde. Die richtige Verteidigung sei die, daß mit der Schnelligkeit der modernen Seeverbindungen die allgemeinen Methoden des Handels- und Seekrieges sich so geändert hätten, datz alte völkerrechtliche Ansprüche wirksam nur durch neue Methoden ver­ fochten werden könnten. Man könne einen modernen transozeanischen Dampfer nicht auf offener See durchsuchen und müsse ihn in einen Hafen schleppen. Leider feien die Änderungen, die in den normalen Verhältnissen allmählich entstanden wären, plötzlich insgesamt der Handelswelt aufgezwungen worden, die durchaus nicht wußte, was ein Seekrieg unter modernen Bedingungen fei. Die ganze Lage müsse eingestandenermatzen nach dem Kriege revidiert und neues Recht geschaffen werden.



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nichtung) erlaubt. Feindliche Staats- (Kriegs-) Schiffe dürfen sofort zerstört werden, feindliche Kauffahrteischiffe nicht. Ein Versenken derselben ist nur nach dem Aufbringen, also nach der Gefangennahme gestattet, und zwar auch dann nur, wenn ihr Einbringen in einen Hafen des Nehmstaates oder in den einer verbündeten Macht un­ zweckmäßig oder unsicher erscheint. Eine Völkerrechtspflicht, den an Bord befindlichen Personen vorher Zeit zu geben, sich und ihre Habe zu retten, besteht nicht; die deutsche Prisenordnung macht es nur zur Dienstpflicht, das Personal vorher möglichst in Sicherheit zu bringen. Sofortiges In-den-Grund-Bohren ist lediglich erlaubt, wenn das Schiff der Wegnahme sich gewaltsam widersetzt. Dann ist Waffengewalt gestattet, daher, wenn erforderlich, auch sofortiges Vernichten." Wir dürfen hier wohl einschalten, daß die deutschen Unterseeboote bis zum 18. Februar 1915 in allgemein anerkannter bewundernswerter Weife ihre Pflicht der Mannschaftsrettung erfüllt haben. Die französische Regierung mutzte in blamabler Weise ihre Verleum­ dungen gegen U 21 in dieser Beziehung zurücknehmen. Gestattet ist die Schiffs- und Minenblockade, sofern sie nicht neutrales Gebiet sperrt, sowie die Blockade, die man die Verbots-oder Kreuzerblockade nennt (Blockade i. e. S). Das Wesen dieser besteht darin, daß die Kriegspartei das Recht hat, neutralen Schiffen (Kriegs- und Kauffahrteischiffen) die Schiff­ fahrt nach oder von bestimmten Plätzen der eigenen oder der feind­ lichen Küste zu verbieten und das neutrale Kauffahrteischiff, das dieses Verbot überschreitet, wegen völkerrechtswidrigen Verhallens aufzu­ bringen, d. h. das Schiff einzuziehen. Waffengewalt und Zerstörung darf gebraucht werden: 1. wenn sich das Schiff der Wegnahme durch Gewalt wider­ setzt oder der Aufforderung der Il-Boote gemäh Art. 50 der Londoner Deklaration nicht folgt'); *) Der Regelfall ist der, der z. B. im Falle der Versenkung des „Armenian", eines englischen Pafsagierdampfers, im Juni 1915 passierte. „Armenian" wurde von einem deutschen Unterseeboot an der Küste von Cornwall versenkt. Der „Nieuwe Rotterdamsche Courant" stellte in einer Londoner Meldung den Hergang der Versenkung auf Grund von Berichten des Schiffskapitäns wie folgt dar: „Der Dampfer ist von dem Unterseeboot durch zwei vor den Bug gefeuerte Kanonenschüsse zum Stoppen aufgefordert worden, kam aber dieser Aufforderung nicht nach. Das Unterseeboot feuerte dann aus den Dampfer und traf ihn auch. Trotzdem stoppte dieser noch nicht. Das war eine wilde Jagd, aber wir wollten uns nicht ohne Wehr ergeben. 3m ganzen trotzte der Dampfer eine Stunde lang der Beschießung und hielt erst an, nachdem 12—13 Mann der Besatzung tot auf Deck lagen." 3st dieser Bericht des Kapitäns richtig, so genügt es, demgegenüber den

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2. nach der Wegnahme, wenn durch das Wegbringen des auf­ gebrachten Schiffes nach einem eigenen oder einem verbündeten Hafen das Kriegsschiff oder die Besatzung oder der Erfolg der augenblicklichen kriegerischen Unterneh­ mung des Kriegsschiffes gefährdet würde (Art. 49 der Londoner Deklaration). Die Zerstörung darf nur geschehen unter Schadensersatz für die neutrale Ladung. Die Blockade mit Unterseebooten ist m. E. etwas völlig Neues, in der Londoner Deklaration noch nicht Vor­ gesehenes. Das Unterseeboot hat die landläufige Art der Blockade völlig über den Hausen geworfen. Denn sein Wesen ist die Unsichtbarkeit. Die Versuche Rehms a.a.O., sie in das bis­ herige völkerrechtliche Blockadesystem einzureihen, sind daher nicht durchaus ganz glückliche (f. auch die 21 Gutachten deutscher Ge­ lehrten in der „Zeitschrift für Völkerrecht", Bd. 9). Folgendes lätzt sich wohl feststellen, — freilich verhehle ich mir nicht, daß bei dem Mangel klarer, ausdrücklicher Bestimmungen politische, ja reine Machtmomente stark die Entscheidung beeinflusien werden, wie dies in der Folge bei den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten sich ja auch klar ergab: 1. Wenn es die Sicherheit des U-Bootes nur irgendwie ge­ stattet, so ist den Personen an Bord des aufgebrachten Schiffes Zeit zu gewähren, um das Schiff zu verkästen (analoge Anwendung der Art. 49 und 54 ff. der Londoner Deklaration). 2. Eine vorherige Erklärung ist nicht notwendig. Das auf­ zubringende Schiff braucht vorher, wie auch Nehm mit Recht an­ nimmt, nicht verständigt zu werden — im Gegensatz zur MinenBlockade. Generalbericht des Redaktionsausschusses anzuführen:

der Londoner Seekriegsrechtstonferenz

„Ein kriegführender Kreuzer trifft ein Kauffahrteischiff an und fordert es zwecks Vornahme einer Durchsuchung zum Halten auf. Das aufgeforderte Schiff hält nicht an, sondern versucht, sich der Untersuchung durch Flucht zu entziehen. Der Kreuzer kann Gewalt anwenden, um es zum Halten zu bringen, und das Kauffahrteischiff hat, wenn es beschädigt und in Grund gebohrt wird, keinen Anlatz zur Beschwerde, da es der ihm nach dem Völkerrecht obliegenden Ver­ pflichtung zuwiderhandelt." Das Unterseeboot handelte hiernach in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln des Völkerrechtes. Sollten tatsächlich amerikanische Bürger ums Leben gekommen fein, trifft die Schuld hieran allein den englischen Kapitän und die englische Regierung, die ein derartiges dem Völkerrecht widersprechendes Ver­ halten nicht nur gutheiht, sondern belohnt („Laertes").

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3. Das sofortige Torpedieren ist auch gegen feindliche Kauf, sahrteischiffe gestattet, wenn die Voraussetzungen der Rep r e s s a l i e n vorliegen, d. h., das Völkerrecht von der anderen Seite verletzt ist. 4. Wenn die neutralen Staaten ihre rechtlichen Kriegs­ pflichten nach Völkerrecht nicht einhalten, insbesondere den einen Staat durch Begünstigungen und völkerrechtswidrige Lieferungen bevorzugen, so ist auch gegen sie die Represtalie ohne jede Entschädi­ gung m. E. zulässig. Ebenso, wenn sie die Beugung des Völkerrechts durch den einen Kriegführenden zuungunsten des anderen zulasten, vor allem den Mißbrauch der Flagge der Neutralen. 3m anderen Falle wird der Eigentümer des neutralen Gutes ent­ schädigungsberechtigt sein. 5. Ein feindliches Schiff, das neutrales Gut als Bann­ ware trägt, darf ohne weiteres vernichtet werden. 6. Strittig erscheint, ob nicht die ausdrückliche Verkündigung des Gefahrenzustandes auch die neutrale Schiffahrt des Entschädi­ gungsrechts beraubt. (Nehm vertritt die Entschädigung.) Allein es sollte — hier findet sich unzweifelhaft eine Lücke des Seerechts — analog dem Minenrechte m. E. angenommen werden, daß, wenn eine Kriegspartei das Befahren eines bestimmten Seegebietes für gefähr­ lich erklärt und ein neutrales Schiff es doch befährt, von dem ver­ kündenden Staat für neutrales Gut und Schiff kein Ersatz zu leisten ist (so auch Perels in den „Grenzboten"), da die ganze Schuld der Fahrlässigkeit, die an dolus streift, auf seiten der Neutralen vorliegt. 3n völliger Übereinstimmung mit dieser Ansicht sagt Wilhelm v. Siemens: „3hre (b. h. der l^-Boote) Eigenart ist eben nicht die eines Kriegsschiffes. 3m wesentlichen ist das l^-Boot ein Minenträger, der die gleiche Aufgabe zu erfüllen hat wie eine verankerte Mine, näm­ lich auf dem erklärten Kriegsgebiet den Verkehr dadurch zu verhindern, datz man ihn aufs höchste gefährdet. Wer trotzdem das angekündigte Minengebiet aufsucht, tut es auf eigene Gefahr und trägt die Verant­ wortung für das dadurch gefährdete Leben. Die Mine des ll-Bootes bedeutet im Grunde genommen einen großen Fortschritt gegenüber der verankerten Mine, weil diese blind die wehrlosen Opfer trifft, die ihren Standort kreuzen. Der Kommandant des v-Bootes schont dagegen, so viel in seinen Kräften steht, das Leben der Mannschaften und Fahrgäste der Handelsschiffe, die er versenken muh, falls man ihn nicht mit Gewalt und durch Täuschung daran hindert, durch

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Flaggenmißbrauch, durch Bewaffnung und feindseliges Verhalten der Handelsdampfer." (Wilhelm v. Siemens, „Eine kriegstechnische Betrachtung", 1915, in der Monatsschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Heft VII/VIII.) Ein Nachweis des Wissens, daß etwa die Ladung neutral ist, ist bei der Unterseeboot-Kriegführung an sich geradezu unmöglich; schon das Wissen, daß es ein neutrales Schiff ist, ist sehr schwer. Mißbraucht aber systematisch der eine kriegführende Staat die neutrale Flagge, so ist es vollkommen un­ möglich, und von einer Entschädigungspflicht des aufbringenden Staates kann m. E. dann keine Rede sein. Geschieht ein Schaden, so muß sich der Geschädigte an d e n Staat wenden, der durch sein völkerrechtswidriges Benehmen, insbesondere den Mißbrauch der neu­ tralen Flagge, den Schaden eigentlich verschuldet hat. Dies ist in concreto um so richtiger, als nach der englischen Presse mit Sicherheit damit gerechnet werden mußte, daß die eng­ lischen Handelsschiffe (NB. die unter neutraler Flagge segeln!) mit Artillerie armiert wurden, daß sie angewiesen wurden, die Untersee­ boote zu rammen, mit Bomben zu belegen, in Gruppen zu fahren: alles, um die. untersuchenden Unterseeboote zu vernichten, so daß die englischen Handelsschiffe im Prinzip nicht mehr als unverteidigte anzusehen sind (s. die deutsche Spezialwarnung an Holland, übergeben der Rotterdamer Handelskammer am 16. Februar 1915). Die Folgezeit bestätigte diese Annahme. Ein „verteidigtes" Kauffahrteischiff ist aber kein solches mehr, sondern muß als ein Kriegsschiff oder richtiger als ein Seeräuber­ schiff angesehen werden')')') (s. unten über den Unterseebootskrieg und die Stellungnahme der Neutralen dazu die folgenden Kapitel). über den Schadensersatz für Zerstörung von P r i s e n f. den Aufsatz von Dr. Scholz „D. I.-Z." 1915 S. 766 ff. *) Nach einer Meldung der „Central News" setzte die Shipping Gazette eine Belohnung von 500 £ gleich 10 000 M. für die Bemannung desjenigen Handelsschiffes aus, das zuerst ein deutsches Unterseeboot zum Sinken bringt. Die „Times" haben schon am 2. Februar 1915 den Handelsschiffen den Rat gegeben, den Kampf mit den Unterseebooten aufzunehmen, anstatt auf deren Aufforderung zu stoppen. Ähnliche Preisaussehungen ergingen von französischen Gesellschaften. Und nach dieser Seeräubermanier wurde auch gehandelt: U 14 wurde in diesen Tagen (Juni 1915) von einem ober mehreren armierten eng­ lischen Fischdampfern gerammt. 2) Über den Unterseebootkrieg gegen England s. den Aufsah von Kammer­ gerichtsrat Dr. Scholz „D. I.-Z." Nr. 13/14 1915 S. 669 ff., insbesondere über die Zerstörung der Prise und die Schwierigkeiten der Rettung der Besatzung sowie die Frage: Mutz das 11-Boot warten, bis der Gegner es angreift? Die Frage wird mit Recht verneint im Hinblicke auf die Bewaffnung der englischen Handels-

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und die dortige Konstatierung der englischen Auffassung, datz neutrale Ware an Bord eines armierten feindlichen Schiffes ohne weiteres einziehbar ist, weshalb auch im Zerstörungsfalle kein Ersatz geschuldet wird. — Ein Schulbeispiel für die englische Heim­ tücke einerseits und die Schwierigkeit der deut­ schen O-Boote andererseits, dieser Heimtücke mit Erfolg ent­ gegenzutreten, ereignete sich unmittelbar vor der Androhung des Abbruchs der Beziehungen durch die Regierung der Vereinigten Staaten im Falle der Versenkung des bewaffneten englischen Dampfers „Goldmouth" am 31. März 1916. Darüber berichtete die zuständige Stelle: „Die Besatzung des Dampfers wurde zunächst durch Signal zum Verlassen des Schiffes aufgefordert. Da der Dampfer die Aufforderung unbeachtet lieh, wurde ein Warnungsfchutz abgefeuert. Hierauf eröffnete der Dampfer sofort das Feuer auf das U-Boot. Es entspann sich ein halbstündiges Verfolgungsgefecht, in dessen Verlauf der Dampfer 8 Treffer erhielt. Alsdann verlieb bie Besatzung das Schiff, das darauf versenkt wurde. Von der Besatzung, deren schiffe bereits vor dem Kriege. Während des Krieges wurde die offizielle Bewaffnung an sich durchgeführt. 3) Wie englische U«9oote arbeiten. (W. T. B., Berlin, 5. Juli 1915.) Über den Angriff englischer U-Boote aus feindliche Handelsschiffe liegen aus Konstantinopel folgende amtliche Feststellungen vor: 1. Am 12. Mai wurde der türkische, nicht armierte Dampfer „Mtihad", der im Hafen von Panderma Ladung nahm, ohne vorhergehende Warnung mit einem Torpedoschutz angegriffen: die Schüsie gingen fehl und trafen die Kaimauer. 2. Am 18. Mai wurde der türkische nicht armierte Handelsdampfer „Dogan" auf der Fahrt von Panderma nach Konstantinopel ohne Warnung von einem englischen U-Boot mit einem Torpedoschutz angegriffen. An Bord befanden sich 700 Passagiere, darunter viele Frauen und Kinder. Der Schutz ging vorbei. 3. Am 25. Mai wurde der nicht armierte deutsche Dampfer „Stambul" im Bosporus von einem englischen U-Boot mit einem Torpedoschutz angegriffen und getroffen. Alle drei Dampfer stehen zur türkischen Armee- oder Marineverwaltung in keinerlei Beziehung. 4. Am 31. Mat wurde der unbewaffnete Dampfer „Magdelaine Rickmers" in Panderma von einem englischen U-Boot ohne vorhergehende Warnung mit einem Torpedoschutz angegriffen und getroffen. Der Dampfer lud Waren für Konstantinopel. Cs befanden sich weder Truppen noch Kriegsmaterial an Bord. 5. Der nicht armierte Dampfer „Willy Rickmers", der vorschriftsmätzig durch ein grotzes rotes Kreuz auf weitzem Grund als Lazarettschiff kenntlich gemacht war und mehrere hundert Verwundete an Bord hatte, wurde am 1. Juni bei San Stefano ohne vorherige Warnung von einem englischen U-Boot angegriffen. Während die englische Regierung alle Mittel in Bewegung seht, um darzutun, datz die deutschen U-Bovte in dem Gebiete, vor dessen Gefahren eindringlichst gewarnt wurde, durch ihr Vorgehen unmenschlich und verwerflich handeln, schonen englische U-Boote, ohne eine Warnung für nötig zu halten, in ihrem Aktions­ gebiet weder Passagierdampfer noch Lazarettschiffe.

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Leben der Kapitän in Befolgung der Anweisung der englischen Admiralität rücksichtslos aufs Spiel gesetzt hatte, wurde ein Mann schwer verwundet. Die Geschütze des Dampfers wurden durch zwei Matrosen der englischen Kriegs­ marine bedient. Der Kapitän des Dampfers, der unternommen hatte, ein deutsches Kriegsfahr-eug anzugreifen, ist als Gefangener eingebracht." Und Herr Wilson?

IV. Weiterer Notenaustausch über den U-Boot-Krieg. Englischer Grundsatz ist auch in diesem Kriege (s. „Times" vom 12. November 1915): „Alles Völkerrecht hat die Gültigkeit nur, soweit dahinter die Macht steht." Und so handelt England jetzt, wie früher. Die englische Admiralität gab am 23. Februar 1915 folgendes bekannt: Die Befahrung der See zwischen der nordwestlichen Linie von dem 55. Grad 22% Minuten nördlicher Breite und 6. Grad 17 Minuten westlicher Länge bis zu dem 55. Grad 31 Minuten nördlicher Breite und 6. Grad 2 Minuten westlicher Länge und der südöstlichen Linie von dem 55. Grad 10^ Minuten nördlicher Breite und 5. Grad 24% Minuten westlicher Länge dis zu dem 55. Grad 2 Minuten nördlicher Breite und 5. Grad 40% Minuten westlicher Länge, sowie der südwestlichen Linie von a nach d und der nordöstlichen Linie von b nach c ist für Schiffe aller Größen und jeder Nationalität ab 23. Februar vollständig verboten. Der ganze Verkehr, der durch den nördlichen Irischen Kanal zu gehen wünscht, muß sich zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang südlich der Rathlininsel abwickeln. Nachts darf sich kein Schiff innerhalb vier Meilen von der Rathlininsel befinden *)• —

Am 2. März 1915 überreichte der amerika­ nische Botschafter namens seiner Regierung folgende vom 2 2. Februar datierte amtliche Note an die deutsche Reichsregierung: „Deutschland und Großbritannien kommen dahin überein, 1. daß treibende Minen von keiner Seite einzeln in den Küstengewäffern oder auf hoher See ausgelegt werden, daß verankerte Minen von keiner Seite auf hoher See, es sei denn ausschließlich für Verteidigungszwecke innerhalb Kanonenschußweite von einem Hafen, gelegt werden, und daß alle Minen den Stempel der Regierung tragen, die sie ausgelegt, und so konstruiert sind, daß sie unschädlich werden, nachdem sie sich von ihrer Verankerung losgeriffen haben; 2. daß Unterseeboote von keiner der beiden Regierungen zum Angriff aus Handelsschiffe irgendeiner Nationalität Verwendung finden außer zur Durch­ führung des Rechtes der Anhaltung und Untersuchung; *) Dazu schreiben die „Times": Der Zweck dieser Ankündigung ist, den größeren Teil des nördlichen Kanals zu schließen und den Verkehr auf den Tag zu beschränken, um die Untersuchung der Schiffe, die vom Westen in die Irische See einlaufen, zu erleichtern und gleichzeitig es den feindlichen Schiffen zu er­ schweren, in dieser Gegend zu operieren. Dadurch wird wahrscheinlich der größere Teil des Verkehrs auf die Route um Südirland abgeleitet. Man kann annehmen, daß in dem verbotenen Gebiet sich Minen und andere Gefahren befinden, die die Passage der Schiffe zu gefährlich machen. Müller-Meiningcn, Weltkrieg und Völkerrecht. 4. ttufl. II. Bd.

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3. dab die Regierungen beider Länder es zur Bedingung stellen, dab ihre Handelsschiffe neutrale Flaggen als Kriegslist oder zum Zweck der llnkenntlichmachung nicht benutzen. Grobbritannien erklärt sich damit einverstanden, datz Lebens- und Nahrungs­ mittel nicht auf die Liste der absoluten Konterbande gesetzt werden und dab die britischen Behörden Schiffsladungen solcher Waren weder stören noch anhalten, wenn sie an Agenturen in Deutschland adressiert sind, die von den Vereinigten Staaten namhaft gemacht sind, um solche Warenladungen in Empfang zu nehmen und an konzessionierte deutsche Wiederverkäuser zur ausschlietzlichen Weiterverteilung an die Zivilbevölkerung zu verteilen. Deutschland erklärt sich damit einverstanden, dab Lebens- oder Nahrungs­ mittel, die nach Deutschland aus den Vereinigten Staaten — oder je nachdem von irgendeinem anderen neutralen Lande — eingeführt werden, an Agenturen adressiert werden, die von der amerikanischen Regierung namhaft gemacht werden; datz diesen amerikanischen Agenturen die volle Verantwortung und Aufsicht dezüglich des Empfanges und der Verteilung dieser Einfuhr ohne Einmischung der deutschen Regierung obliegen soll; sie sollen sie ausschliehlich an Wiederverkäufer verteilen, denen von der deutschen Regierung eine Konzession erteilt ist, die ihnen die Berechtigung gibt, solche Lebens- und Nahrungsmittel in Empfang zu nehmen und sie ausschliehlich an die Zivilbevölkerung zu liefern; sollten die Wiederverkäuser die Bedingungen ihrer Konzession irgendwie überschreiten, so sollen sie des Rechtes verlustig gehen, Lebens- und Nahrungsmittel für die angegebenen Zwecke zu erhalten, und dab die deutsche Regierung solche Lebens- und Nahrungs­ mittel nicht für Zwecke irgendwelcher Art requierieren oder veranlassen wird, dab sie für die bewaffnete Macht Deutschlands Verwendung finden. Indem die amerikanische Regierung die im vorstehenden skizzierte Grund­ lage für eine Verständigung unterbreitet, möchte sie nicht so verstanden werden, als ob sie irgendein Recht der Kriegführenden oder Neutralen, das durch die Grundsätze des Völkerrechts festgelegt ist, anerkennt oder verleugnet, ste würde vielmehr die Vereinbarung, falls ste den interestierten Mächten annehmbar erscheint, als einen modus vivendi betrachten, der sich mehr auf Zweckmätzigkeit als gesehmätziges Recht gründet, und der auch die Vereinigten Staaten in seiner gegenwärtigen oder in einer abgeänderten Fastung nicht bindet, ehe er von der amerikanischen Regierung angenommen ist. Eine gleichlautende Note ist an die britische Regierung gerichtet worden."

Die Note der amerikanischen Regierung ist unter dem Datum des 2 8. Februar 1915 von der deutschen Regierung folgendermaßen beant­ wortet worden: „Die Kaiserlich Deutsche Regierung hat von der Anregung der amerikanischen Regierung, für die Seekriegführung Deutschlands und Englands gewisse Grund­ sätze zum Schutze der neutralen Schiffahrt zu vereinbaren, mit lebhaftem Interesse Kenntnis genommen. Sie erblickt darin einen neuen Beweis für die von deutscher Seite voll erwiderten freundschaftlichen Gefühle der amerikanischen gegenüber der deutschen Regierung. Auch den deutschen Wünschen entspricht es, dab der Seekrieg nach Regeln geführt wird, die, ohne die eine oder die andere kriegführende Macht in ihren Kriegsmitteln einseitig zu beschränken, ebensowohl den Interessen der Neutralen

227 wie den Geboten der Menschlichkeit Rechnung tragen. Demgemäß ist schon in der deutschen Note vom 16. d. Mts. darauf hingedeutet worden, daß die Beachtung der Londoner Seekriegsrechts-Erklärung durch Deutschlands Gegner eine neue Lage schaffen würde, aus der die Folgerungen zu ziehen die deutsche Regierung gern bereit wäre. Bon dieser Auffassung ausgehend, hat die deutsche Regierung die Anregung der amerikanischen Regierung einer aufmerksamen Prüfung unter­ zogen und glaubt darin in der Tat eine geeignete Grundlage sür die praktische Lösung der entstandenen Fragen zu erkennen. Zu den einzelnen Punkten der amerikanischen Note darf sie nachstehendes bemerken: 1. Was die Legung von Minen betrifft, so würde die deutsche Regierung bereit sein, die angeregte Erklärung über die Nichtanwendung von Treibminen und die Konstruktion der verankerten Minen abzugeben. Ferner ist sie mit der Anbringung von Regierungsstempeln auf den auszulegenden Minen einverstanden. Dagegen erscheint es ihr für die kriegführenden Mächte nicht angängig, auf eine offensive Verwendung verankerter Minen völlig zu verzichten. 2. Die deutsche Regierung würde sich verpflichten, daß ihre Unterseeboote gegen Handelsschiffe irgendwelcher Flagge nur insoweit Gewalt anwenden werden, als dies zur Durchführung des Rechtes der Anhaltung und Untersuchung erforder­ lich ist Ergibt sich die feindliche Nationalität des Schiffes oder bas Vorhanden­ sein von Konterbande, so würden die Unterseeboote nach den allgemein völker­ rechtlichen Regeln verfahren. 3. Wie die amerikanische Note vorsieht, setzt die angegebene Beschränkung in der Verwendung der Unterseeboote voraus, datz sich die feindlichen Handels­ schiffe des Gebrauchs der neutralen Flagge und anderer neutralen Abzeichen ent­ halten. Dabei dürfte es sich von selbst verstehen, daß sie auch von der Bewaffnung sowie von der Leistung jedes tätlichen Widerstandes ein dem Völkerrecht ent­ sprechendes Vorgehen der Unterseeboote unmöglich macht. 4. Die von der amerikanischen Regierung angeregte Regelung der legitimen Lebensmittelzufuhr nach Deutschland erscheint im allgemeinen annehmbar; die Regelung würde sich selbstverständlich auf die Seezufuhr beschränken, anderer­ seits aber auch die indirekte Zufuhr über neutrale Häfen umfassen. Die deutsche Regierung würbe daher bereit sein, Erklärungen der in der amerikanischen Note vorgesehenen Art abzugeben, so daß die ausschließliche Verwendung der ein­ geführten Lebensmittel für die friedliche Zivilbevölkerung gewährleistet sein würde. Daneben muß aber die deutsche Regierung Wert daraus legen, daß ihr auch die Zufuhr anderer der friedlichen Volkswirtschaft dienenden Rohstoffe einschließlich der Futtermittel ermöglicht wird. Zu diesem Zwecke hätten die feindlichen Re­ gierungen die in der Freiliste der Londoner Seekriegsrechts-Ertlärung erwähnten Rohstoffe frei nach Deutschland gelangen zu lassen und die aus der Liste der rela­ tiven Konterbande stehenden Stoffe nach den gleichen Grundsätzen wie die Lebens­ mittel zu behandeln. Die deutsche Regierung gibt sich der Hoffnung hin, daß die von der amerikanischen Regierung angebahnte Verständigung unter Berück­ sichtigung der vorstehenden Bemerkungen zustande kommt, und daß auf diese Meise die friedliche neutrale Schiffahrt und der friedliche neutrale Handel unter den Rückwirkungen des Seekrieges nicht mehr als unbedingt nötig zu leiden haben werden. Solche Rückwirkungen würden sich übrigens noch wesentlich verringern lassen, wenn — worauf bereits in der deutschen Note vom 16. d. Mts. hingewiesen worden ist — Mittel und Wege gefunden werden könnten, um die Zufuhr von Kriegsmaterial aus neutralen nach kriegführenden Staaten auf Schiffen irgenb-

228 welcher Flagge auszuschliefeen. Ihre definitive Stellungnahme mufe sich die deutsche Negierung selbstverständlich bis zu demjenigen Zeitpunkt vorbehalten, in welchem sie auf Grund weiterer Mitteilungen der amerikanischen Regierung in der Lage ist, zu übersehen, welche Verpflichtungen die britische Regierung ihrerseits zu über­ nehmen bereit ist."

Als Antwort Frankreichs und Großbritanniens gegenüber den Vorschlägen der Regierung der Vereinigten Staaten, die, wie wir vorstehend bewiesen, bei Deutschland volles Verständnis und weites Entgegenkommen fanden, das auch in der ganzen neutralen Welt Anerkennung fand, ist folgende offiziöse Kundgebung der beiden Drei­ verbandsstaaten anzusehen. Die holländischen Morgenblätter veröffentlichten unterm 2. März 1915 folgende Mitteilung der französischen Gesandtschaft im Haag: „Die Regierungen Frankreichs und Grvfebritanniens haben den Regierungen der neutralen Staaten folgende Erklärung mitgeteilt: Deutschland hat erklärt, dafe der Kanal und die Nord- und Westküste Frank­ reichs sowie die die britischen Inseln umgebenden Gewässer Kriegsgebiet seien. Es gab amtlich bekannt, dafe „alle feindlichen Schiffe, die in dieser Zone angetroffen würden, vernichtet werden sollen, und dafe neutrale Schiffe sich bort in Gefahr befinden würden". Das bedeutet auf den ersten Blick, dafe ohne Rücksicht auf die Sicherheit der Bemannung und Passagiere jedes Handelsschiff, gleichviel unter welcher Flagge, torpediert werden soll. Da das deutsche Marineamt nicht die Macht hat, in diesen Gewässern ein einziges an der Oberfläche fahrendes Schiff zu unterhalten, fo können diese Angriffe nur durch Unterseeboote ausgefühn werden. Das Völkerrecht und die internationalen Kriegsgebräuche gingen bei An­ griffen auf den Handel stets von der Voraussetzung aus, dafe die erste Pflicht derer, die das Handelsschiff nahmen, fei, das Schiff vor ein Prisengericht zu bringen, vor dem der Fall beurteilt werden und die Rechtmäfeigkeit der Be­ schlagnahme erwogen werden kann, und durch dessen Spruch Neutrale ihre Ladung zurückerhalten können. Das Versenken eines erbeuteten Schiffes ist an und für sich eine bestrittene Sache, zu der man nur unter aufeergewöhnlichen Umständen schreiten darf und erst, nachdem Maferegeln getroffen worden sind, die ganze Mannschaft und die Passagiere in Sicherheit zu bringen. Die Verantwortung, zwischen einem feindlichen und einem neutralen Schiff und feindlicher und neutraler Ladung zu unterscheiden, liegt unstreitig bei dem angreifenden Schiff, dessen Pflicht es ist, die Natur und den Charakter der Schiffe und der Ladung festzustellen und die Schiffspapiere in Sicherheit zu bringen, bevor es das Schiff erbeutet und versenkt. Ebenso ist es Pflicht jedes Kriegführenden, für die Sicherheit der Bemannung sowohl eines neutralen wie eines feindlichen Schiffes Sorge zu tragen. Alle früheren Beratungen über das Recht, das Regeln für den See­ krieg aufstellen sollte, beruhen auf diesem Grundsätze. Das deutsche Untersee­ boot ist aber nicht imstande, einer dieser Verpflichtungen nachzukommen. Es bringt die erbeuteten Schiffe nicht vor ein Prisengericht und hat keine Prisen­ bemannung an Bord, die es an Bord eines erbeuteten Schiffes gehen liefet; es wendet kein ausreichendes Mittel an, um zwischen einem neutralen und einem feindlichen Schiff einen Unterschied zu machen, es nimmt die Mannschaft und

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die Paffagiere eines zu versenkenden Schiffes nicht an Bord, um sie in Sicher­ heit zu bringen. Diese Methoden der Kriegführung fallen demnach völlig autzerhalb des Rahmens aller internationalen Vorschriften, welche die kriegerischen Maßnahmen gegen den Handel in Kriegszeiten enthalten. Die deutsche Regierung setzt die unterschiedslose Vernichtung an die Stelle der den Regeln entsprechenden Auf­ bringung. Deutschland wendet diese Methoden gegen friedliche Kaufleute und nicht am Kampfe teilnehmende Schiffsbesatzungen an, in der Absicht zu ver­ hindern, daß Waren aller Art, darunter Vorräte für die Ernährung der Zivil­ bevölkerung, in die britischen Gewässer und nach Nordfrankreich eingeführt oder aus ihnen ausgeführt werden. Deutschlands Gegner sind daher gezwungen, zu Vergeltungsmaßnahmen ihre Zuflucht zu nehmen, um ihrerseits wiederum zu verhindern, daß Waren irgendwelcher Art nach Deutschland eingehen oder aus Deutschland ausgehen. Indessen sollen diese Maßnahmen von England und Frankreich ohne Gefahr sür Schiff und Leben von Neutralen und Nichtkombattanten in genauer Über­ einstimmung mit den Grundsätzen der Menschlichkeit ausgeführt werden. Dem­ gemäß halten die englische und die französische Regierung sich für berechtigt, Schiffe mit Waren, die mutmaßlich sür den Feind bestimmt sind, ihm gehören oder seindlichen Ursprungs sind, anzuhalten und in ihre Häfen zu bringen. Diese Schiffe und Ladungen sollen nicht für konfisziert erklärt werden, wenn sie nicht auch sonst der Verurteilung als Prise unterliegen. Die Behandlung der Schiffe mit Ladungen, die vor diesem Datum ausführen, soll keine Änderung erfahren."

Ein unwahrhaftigeres Schriftstück als die vorstehend abgedruckte französisch-englische Note hat kaum jemals das Licht der Welt erblickt. Der verschärfte Kampf gegen die englische Handelsschifsahrt ist nicht der Grund, sondern die Folge des allem Völkerrecht und aller Menschlichkeit Hohn sprechenden englischen Aushungerungskrieges gegen das deutsche Volk. Das hat sogar die französische Presse in ihrer Argumentation .von der angeblich „belagerten Festung Deutsch­ land", bei der man zwischen Militär und Zivilbevölkerung nicht unterscheiden könne, selbst zugegeben. Sachlich steht die englisch-französische Note auf sehr schwachen Führn. Feindliche Handelsschiffe können — das ist seerechtlicher Grundsatz — zerstört werden, wenn ihre Beschlagnahme und Heim­ führung wegen der Gefährdung des nehmenden Schiffes nicht möglich ist (s. oben unter Ziff. 2). Die Sorge für die Besatzung obliegt allerdings nach Völkerrecht dem nehmenden Schiffe, aber doch nur so lange, als die Gegenpartei sich auch an die Regeln des Völker­ rechts hält, eine Voraussetzung, die bei England fehlt, übrigens haben, wie bereits ausgeführt, die deutschen Unterseeboote bisher stets, wenn es irgend möglich war, den Besatzungen der versenkten Schiffe Zeit gelassen, sich in Sicherheit zu bringen und dabei wahr­ haft ritterlichen Sinn bewiesen. Datz die englischen Handelsschiffe im Gegensatz zu den Völker-

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rechtlichen Abmachungen mit Kanonen versehen worden sind und sich bisher im Widerspruch mit Art. 63 der Londoner Seerechtserklärung der Durchsuchung durch die Unterseebootskvmmandos zu entziehen suchten, ja in wiederholten Fällen Richtkriegsschisfe auf Unterseeboote schossen, was bewiesen werden kann (s. die Beschießung des -Boots durch die Dampfjacht „Vanduba" ohne Zeigung der Flaggen, März 1915), zwang die deutschen Unterseeboote, wenn sie nicht Harakiri üben wollten, zu einer rücksichtslosen Kriegführung, für die nur England die Schuld trägt. England und Frankreich vernichteten endlich in ihren Bestimmungen über die deutsche Ausfuhr der Güter deutschen Ursprungs noch den letzten Rest der Londoner Deklaration und begannen den reinen Seeräub e r k r i e g, der Deutschland zur Aufhebung jeglicher völker­ rechtlicher Rücksicht in der Kriegführung berechtigte. In der Rote liegt also eine völlige Ablehnung der amerikanischen Vorschläge, die mit Recht in der ganzen neutralen Welt peinlichstes Aufsehen erregte'). Die Quintestenz des Verfahrens Englands, das mit seiner Kriegs­ gebietserklärung alle weiteren Schritte provozierte, ist die, datz es die V o r t e i l e der Blockade verlangt, ohne die maritimen Nachteile und Gefahren einer solchen effektiven Blockade, die es durch die Papierblockade ersetzt, zu tragen. Die Engländer stürzen mit ihrem jetzigen Vorgehen alle Vereinbarungen seit der Pariser Akte völlig um und beseitigen das Völkerrecht. Was sie mit Nichtkriegs­ schiffen ’) treiben, ist direkte Seeräuberei (nach Oppen­ heim-Cambridge: every unauthorised act of violence against ') Laut Meldung der „National Tidende" aus London berichteten die „Central News" aus Washington: Das Repräsentantenhaus nahm ein Gesetz an, das die Macht des Präsidenten erweitert, damit er die Beeinträchtigungen der Neutralität verhindern könne. Danach kann er Zollbeamte anweisen, Schiffen, die in amerikanischen Häfen laden, die Zollscheine vorzuenthalten, wenn er Grund hat, anzunehmen, datz die Schiffe Munition für kriegführende Mächte mitnehmen. Der Präsident kann ferner bei der Ausstellung von Zollscheinen eine Kaution in Höhe des doppelten Wertes der Ladung oder des Schiffes verlangen, und diese einziehen, wenn die Reeder ober Kapitäne irgendeinen Verstvtz gegen die Neutralitätsvorschriften begehen. Die Reeder ober Kapitäne werben in einem solchen Falle außerdem eine strenge Gefängnisstrafe erhalten. Das neue Gesetz gilt für die Vereinigten Staaten und für alle ihnen gehörigen Inseln. — Leider wurde das Gesetz nicht verabschiedet: es blieb Entwurf. ’) Auch das absichtliche gruppenweise Vorgehen zum Rammen der Unter­ seeboote wie dos Aussetzen von Preisen für solche Seeräuberei gehört natürlich hierher. Siehe im übrigen unten Kapitel 55 über den Mißbrauch der Handelsschisse.

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persons or goods committed on the Open Sea either by a private vessel against another vessel or by the mutinous crew or passengers against their own vessel; nach Fr. von Liszt: Seeraub

ist die auf offener See von der Mannschaft eines Privatschiffs gegen ein anderes Schiff . . . begangene rechtswidrige Gewalttat). Ein solcher See-Franktireurkrieg (durch private Schiffe, die aus Veranlassung der britischen Admiralität oder ohne solche zu Verteidigungszwecken mit Geschützen und Munition aus­ gestattet sind) wurde bereits durch den Befehl des Chefs des Admiralstabes der deutschen Marine v. Pohl am 22. Juni 1914, also vor Beginn des Krieges, entsprechend gezeichnet; gegen ihn richtet sich die deutsche Prisenordnung (s. „D. 3.-3 " 1915 Nr. 5/6 S. 247) in folgenden Sätzen: „1. Die Ausübung des Anhalts-, Durchsuchungs- und Weg­ nahmerechts, sowie jeder Angriff seitens eines bewaffneten Handelsschiffes gegenüber einem deutschen oder neutralen Handelsschiffe gilt als Seeraub. Gegen die Besatzung ist gemätz Verordnung über das außerordentliche kriegsrechtliche Verfahren (RGBl. 1914 S. 375) vorzugehen. 2. Leistet ein bewaffnetes feindliches Kauffahrteischiff bewaff­ neten Widerstand gegen prisenrechtliche Maßnahmen, so ist dieser mit allen Mitteln zu brechen. Die Verantwortung für jeden Schaden für Schiff, Ladung und Passagiere trägt die feindliche Regierung. Die Besatzung ist als kriegsgefangen zu behandeln . . .')." *) Die deutsche Regierung handelte auch korrekt nach der Rechtsauffassung der Marineakademie der Bereinigten Staaten.

Die „Nordd. Allg. Ztg." Nr. 63 vom 3. März 1915 schreibt u. a.: „Will die Reichsregierung den Kriegszweck nicht länger durch die Gestattung der Aus­ nahme für die neutralen Schiffe beeinträchtigen lasten, sondern will sie neutralen Schiffen das Befahren des Kriegsgebiets verbieten, so würde sich diese Mastnahme in die Bahn der bisherigen Völkerrechtsentwicklung, die früher mit einer Unterfeekriegführung nicht gerechnet hat, einfügen lasten. Wie weit ein derartiges Verbot den Rechtsanschauungen der Engländer und Amerikaner entsprechen würde, und wie bk jetzige milde Form der Kriegsgebietserklärung mit den Auffastungen ihrer Rechtsgelehrten über Seekriegsrecht übereinstimmt, zeigt eine Zuschrift Dr. A. Pearce Higgins' an die „Times" vom 21. Oktober 1914. Seine Ausführungen waren zur Rechtfertigung der englischen Seekriegsgebietserklärung be­ stimmt und hatten vielleicht nicht damit gerechnet, dast Deutschland sich einen Teil ihrer Argumente aneignen könnte. Sie sind für uns heute um fo inter­ essanter, als sie sich auf die Rechtsaufsastung der Marineakademie (Naval War College) der Vereinigten Staaten gründen. Auch stehen das Naval War College und Dr. Higgins mit ihrer Anschauung nicht allein da. Der Marine­ mitarbeiter der „Times" — die häufig Ansichten der zuständigen englischen Re-

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V. Aus dem weiteren Notenwechsel zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Neutra­ len einerseits und dem Dreiverbände ist hier nur folgendes als besonders wichtig hervorzuheben: Die Agence Havas veröffentlichte am 20. März 1915 den Brief­ wechsel zwischen dem Botschafter der Vereinigten Staaten in Paris und dem Minister des Äußern Delcasie über die Maßnahmen gegen den deutschen Handel. Ein Brief des Botschafters vom 7. März 1915 sagte, datz die Schwierigkeit, die Haltung zu bestimmen, welche die Vereinigten Staaten einnehmen muffen, aus der Art der von den Alliierten vorgeschlagenen Matznahmen entspringe, soweit diese auf den neutralen Handel Bezug hätten. Die Absicht der Alliierten, alle Handels­ schiffe anzuhalten, welche aus Deutschland kommen oder nach Deutschland gehen, stütze sich auf ein Recht, welches nur im Fall einer Blockade bestehe. Anderer­ seits beabsichtigen die Alliierten sich nicht auf die Blockaderegel zu stützen, wonach jedes Schiff, welches einen deutschen Hafen anzulaufen oder zu verlassen versucht, vom Prifengericht verurteilt werden kann. Dadurch werde erklärt, datz das Schiff nebst Ladung so behandelt werden solle, als bestände keine Blockade. Beide Absichten der Alliierten schüfen ein bisher unbekanntes System des inter­ nationalen Rechtes. Cs ergebe sich daraus, datz die Neutralen kein präzises Mittel hätten, um ihre Rechte abzumessen und die Sicherheit ihrer Schiffe und Ladungen zu gewährleisten. Die dadurch geschaffene paradoxe Lage müsse geändert werden. England und Frankreich sollten erklären, ob sie sich auf die Blockade­ regeln stützen wollten oder aus die Regeln, welche Anwendung finden, falls keine Blockade bestehe. Die Erklärung vom 1. März enthalte auch noch andere Un­ klarheiten. Der Botschafter fragt, was mit Waren deutscher Herkunft geschehen solle, wenn es sich um Artikel handle, welche unter den Begriff der Nichtkonter­ bande oder der bedingten Konterbande fallen. Der Botschafter fragt ferner, welche gesetzliche Lösung für Waren deutscher Herkunft Anwendung finden solle, welche von einem neutralen Gebiete aus auf neutralen Schiffen befördert werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten lasse die Möglichkeit zu, datz die mo­ dernen Kriegsmethoden, besonders die Anwendung von Unterseebooten, es materiell unmöglich machten, datz die Blockade mit den früheren Mitteln durchgeführt werden könne. Washington vertrete jedoch die Auffassung, bah der Aktions­ kreis eine gewisse Grenze haben müsse, namentlich wenn die Aktion der Krieg­ führenden als Durchführung einer Blockade betrachtet werden könne. Der Brief betont schließlich, welche ernste Lage beispielsweise eintreten würde, wenn ein amerikanisches Schiff mit einer Ladung Waren deutscher Herkunft den Alliierten gierungsstellen wiedergibt — beruft sich in der Nummer vom 12. November 1914 aus Dr. Higgins' Ausführungen und sagt, das dort erörterte Recht der Krieg­ führenden, neutrale Schiffe, welche ihre militärischen Unternehmungen stören, zu entfernen, sei von England noch nicht zur Durchführung gebracht worden. Aber die Zeit könne kommen, wo es nötig fein würde." S. das Nähere dort über Higgins' Zuschrift an die „Times".

233 in den europäischen Gewässern entschlüpfen, vor New York abgefaßt und nach Halifax gebracht werden würde. In der Antwort DelcassLs vom 15. März 1915 an den amerikanischen Botschafter wird anerkannt, daß die früheren Mittel der Durchführung der Blockade infolge Verwendung der deutschen Unterseeboote und der geographischen Lage Deutsch­ lands nicht vollständig angewandt werden können. Als Entgegnung auf die deutsche Bekanntmachung, daß Deutschland die Gewässer um Großbritannien und die französische Küste längs des Ärmelkanals als Kriegsgebiet betrachte (was sich sowohl gegen die neutralen Staaten als die Alliierten wende), mußten die Alliierten Maßnahmen suchen, um alle Seeverbindungen Deutschlands zu unter­ brechen, wobei, soweit möglich, die berechtigten Interessen der neutralen Staaten und die Gesetze der Menschlichkeit gewahrt bleiben.

Der Gipfel der seeräuberischen Maßnahmen, die im vorstehenden besprochen wurden, wurde Mitte März 1915 von den Dreiverbands st aaten erreicht: Das französische Amtsblatt veröffentlicht unterm 17. März das Dekret über die „Vergeltungsmaßnahmen" der Verbündeten gegen den deutschen Überseehandel. Dem Dekret geht ein Bericht voraus, der von dem französischen Minister des Äußern, dem Finanzminister, dem Kriegs- und dem Marineminister an den Präsidenten der Republik gerichtet ist und der die Begründung für die neuen Maß­ regeln darstellen soll. Das Dekret selbst besagt: „Alle Waren, die Deutschen gehören, aus Deutschland kommen oder nach Deutschland gehen und nach dem 13. März 1915 in See gingen, werden angehalten werden. Von Deutschen besetzte Ge­ biete werden dem deutschen Gebiete gleich geachtet. Als aus Deutschland stammende Waren werden alle Artikel und Waren betrachtet, die deutsche Marke sind, in Deutschland hergestellt oder geerntet sind oder deren Absendungsort deutsches Gebiet ist. Diese Maßnahme findet nicht Anwendung auf Waren, bezüglich deren ein Neutraler nachweisen kann, daß er sie in gutem Glauben vor dem 13. März in ein neutrales Land einführen ließ oder daß er deren Eigentum in gutem Glauben vor dem 13. März erworben hat. Die Waren werden als nach Deutschland gesandt betrachtet, wenn die begleitenden Dokumente nicht die endliche und einwandfreie Be­ stimmung für ein neutrales Land beweisen. Neutrale Schiffe, auf denen die oben angegebenen Waren ge­ funden werden, werden in französische oder alliierte Häfen abgeleitet; die Waren werden ausgeschifft werden, außer bei einem gegenteiligen Beschlusse. Das Schiff wird freigelasten und die Waren, die als deutsches Eigentum erkannt wurden, werden beschlagnahmt oder ver-

234 kauft, aber der Erlös wird dem Eigentümer erst nach Unterzeichnung des Friedens ausgezahlt. Neutralen gehörige, aus Deutschland stammende Waren bleiben zur Verfügung des neutralen Eigentümers, um in den Abgangshafen zurückgeschickt zu werden, und zwar binnen einer festgesetzten Frist, nach deren Ablauf sie für Rechnung des Eigentümers verkauft werden. Ebenso wird bei Waren vor­ gegangen, welche Neutralen gehören und nach Deutschland geschickt sind. Der Marineminister kann ausnahmsweise die Durchfahrt von Waren gestatten, die für ein bestimmtes neutrales Land bestimmt sind oder daraus stammen. Die Bestimmungen betr. Kriegskonterbande bleiben in Kraft. Das Prisengericht wird über die Frage befinden, ob die abgeleiteten Waren den Deutschen gehören, für Deutschland bestimmt sind oder aus Deutschland stammen') *)." *)„Daily Telegraph" meldet aus Washington vom 8. März 1915: Sir Cecil Springrice teilte mit, datz die britische Regierung folgende Verfügungen über nach neutralen Häfen bestimmte Baumwolle getroffen habe: 1. Baumwolle, die vor dem 2. März verkauft und zur Verschiffung bestimmt wurde, wird durchgelasten, oder, wenn sie angehalten wird, zum Verkaufspreis erworben werden, wenn die Schiffe nicht nach dem 31. März abgegangen sind; 2. dasselbe gilt für Baumwolle, die vor dem 3. März versichert wurde, wenn sie nicht nach dem 16. März verladen wurde; 3. alle Baumwollfrachten, die auf obige Behandlung Anspruch erheben, müsien vor der Abreise angezeigt und mit Zertifikaten von Konsularbeamten und anderen von der Regierung hierfür ausgestellten Behörden versehen werden. Schiffsladungen nach feindlichen Häfen werden nicht durchgelasien. Die letzte Bestimmung ist der offene Völkerrechtsbruch und zugleich ein schwerer Eingriff in die Staatshoheit der Union. 2) Am besten ist es, dieser völligen Ignorierung des gesamten Seerechts seitens der Dreiverbandsstaaten das entgegenzusetzen, was konform der Haltung der Vereinigten Staaten ein anderer neutraler Staat dagegen anführte. Der Minister des Äutzern hat der Zweiten Kammer die niederländische Note vom 19. März 1915 an England und Frankreich am 22. März 1915 mitgeteilt. Es heitzt darin: Die niederländische Regierung will kein Urteil über die Rechtmätzigkeit der von den Kriegführenden getroffenen Maßregeln fällen, aber es liegt den Nieder­ landen als neutrale Macht die Pflicht ob, gegen diese Maßregeln die Stimme zu erheben, sofern sie anerkannte Prinzipien über die Rechte der Neutralen verletzen. Schon bei Beginn des Krieges protestierte die niederländische Regierung im Interesie ihrer Rechte als neutrale Macht und im Interesie des Völkerrechts gegen jede Beschränkung der Rechte Neutraler durch die Kriegführenden. Ihre Haltung kann mit Rücksicht aus die jetzt ergriffenen Maßregeln nicht geändert werden, da diese das grofee Prinzip der Pariser Erklärung von 1856 ignorieren, wonach neu­ trales und feindliches Eigentum mit Ausnahme von Konterbande unverletzlich ist, solange es durch die neutrale Flagge gedeckt ist. Mit der Beiseitesetzung dieses Prinzips hat die britische Verordnung bestimmt, daß die britische Flotte Zwangsmaßregeln nicht nur gegen Privateigentum des Feindes, auch wenn es keine

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Die Pariser Ausgabe des „Herold" meldete am 29. März 1915 aus London, dah auf die Vorstellungen Amerikas gegen den englischen Blockadekrieg gegen Deutschland und Österreich-Ungarn den Ge­ sandten der Regierungen in London eine ablehnende Antwort der britischen Regierung am 24. März zugestellt worden ist'). Diese Nachricht war unzweifelhaft richtig. Während also Deutschland alles tat, um eine Verständigung herbeizuführen, übte England seine Seetyrannei.

VI. Am 7. April 1915 erging daher eine neue amerikanische Note an England, deren kurze Wiedergabe nach englischen Nachrichten er­ folgt. Sie führt aus: Konterbande ist, sondern auch gegen neutrales Eigentum ergreifen soll, wenn vermutet wird, dab es feindlichen Ursprungs oder für den Feind bestimmt ist. Die Bestimmungen der britischen Verordnung gewähren die Ausficht auf mildere Anwendung der Mastregeln gegen neutrales Eigentum, aber ohne bestimmte Regeln aufzustellen, die gelten sollen, um die Interessen der Schiffahrt und des Handels zu schonen. Der Artikel 8 labt die Möglichkeit einer Milderung der Be­ stimmungen der Verordnung offen betreffs der Schiffe aus jedem Land, das die Erklärung abgibt, bah unter seiner Flagge kein Transport von Gütern aus oder nach Deutschland oder von Gütern deutschen Eigentums stattfinden wirb. Ich glaube aber den Nachdruck darauf legen zu müssen, dab vorkommenden Falles die niederländische Regierung eine derartige Erklärung nicht abgeben kann. Nach ihrer Auffassung widerspricht die genaue Erfüllung der Pflichten der Neutralität der Übernahme einer derartigen Verbindlichkeit. Eure Exzellenz gab mir bereits vor der Veröffentlichung der britischen Verordnungen zu verstehen, dab den Inter­ essen der Niederlande und ihrer überseeischen Befitzungen in weitem Matze Rech­ nung getragen werden solle, aber wie gemätzigt auch die Anwendung der Ver­ ordnung sein möge, die niederländische Regierung kann nicht stillschweigend einer ernsten Verletzung des Grundprinzips des Völkerrechts zusehen, das seit mehr als einem halben Jahrhundert von allen Mächten garantiert ist. *) Der bekannte Jurist Dr. Louis Israel, juristischer Mitarbeiter des „Telegraaf", schreibt in diesem Blatte über den „Medea"-Fall, den die englische Presse besonders zur Hetze gegen Deutschland (März 1915) mihbrauchen wollte: „Alle völkerrechtlichen Vorschriften der Londoner Deklaration scheinen im Falle „Medea" befolgt zu sein. Die deutschen Unterseeboote haben in den Fällen der „Batavier 5", der „Zaanstroom" und der „Medea" gehandelt, wie auch andere Unterseeboote gehandelt haben würden, und fie haben nicht gemäh den Drohungen der Februar­ erklärung gehandelt......... Die deutschen Unterseeboote beginnen erst jetzt das See­ beuterecht auszuüben, sie müssen dabei erst einige Erfahrung erwerben. Wenn diese praktische Erfahrung nur nicht auf Kosten der niederländischen Bürger geschieht, das hei'bt, wenn den niederländischen Interessen Gelegenheit gegeben wird, ihr gutes Recht zu beweisen und Entschädigungen zu erhalten, so ist bei dem gegenwärtigen Stande des Seekriegsrechtes ein solches Auftreten von Kriegs­ schiffen einer kriegführenden Macht nicht als eine Ungesetzlichkeit anzusehen."

2Z6 „Die britischen Noten vom 13. und 15. März 1915 stellen eine Bedrohung des Rechts der Neutralen dar, mit den Kriegführenden und untereinander Handel zu treiben und zu verkehren. Die englische Kabinettsorder vom 15. März würde, wenn sie tatsächlich durchgeführt werden sollte, faktisch eine Anmaßung unbegrenzter Rechte von seiten der Kriegführenden über den neutralen Handel im ganzen euro­ päischen Gebiete bedeuten und eine beinahe unbedingte Verneinung der souveränen Rechte derjenigen Nationen darstellen, die jetzt im Frieden leben." Die Note desiniert hieraus den völkerrechtlichen Standpunkt und besagt weiter, man erwarte zuversichtlich, daß die britische Regierung nicht verneinen werde, daß, selbst wenn die Blockade besteht und der Konterbandegrundsatz für unblockiertes Gebiet streng durchgeführt wird, harmlose Schiffsladungen durch neutrales Gebiet frei zwischen den Vereinigten Staaten und dem Gebiete der Kriegführenden verfrachtet werden dürfen, ohne daß sie Strafen für den Konterbandehandel und Blockadebruch ausgesetzt sind. Weiter heißt es: Wenn die briti­ sche Regierung von Vergeltungsmaßregeln spricht, die durch das Vorgehen des Feindes nötig wurden, so glauben die Vereinigten Staaten, daß hierdurch nur eine erhöhte Tätigkeit der Seestreitkräfte, nicht aber ein ungesetzliches Vorgehen gerechtfertigt wird. Wenn das Vorgehen der Feinde Großbritanniens sich als illegal und als eine Mißachtung der Prinzipien, nach denen aufgeklärte Nationen Krieg führen, erweisen sollte, so nehme die Regierung der Vereinigten Staaten keinen Augenblick an, daß die britische Regierung wünschen könnte, daß ihre Hand­ lungen derselbe Vorwurf treffe, noch würde die Regierung der Vereinigten Staaten dies als eine Rechtfertigung für ähnliche Akte ansehen, sofern sie Rechte der Neutraten beeinträchtigen. Die Regierung der Vereinigten Staaten hofft zuversichtlich, daß die britische Regierung, die bei der Anhaltung von Ladungen nach und von feindlichen Ge­ bieten eine ungewöhnliche Methode anwandte, ihre Praxis mit den anerkannten Regeln des Völkerrechts in Einklang bringen werde, zumal das blockierte Gebiet so ausgedehnt sei, daß die Schiffe notgedrungen die blockierenden Seestreitkräste passieren müssen, um wichtige neutrale Häfen zu erreichen. Die amerikanische Note weist sodann auf den Umstand hin, datz die skandi­ navischen und dänischen Häfen für den amerikanischen Handel freigegeben sind, obwohl es diesen Häfen tatsächlich freisteht, mit den deutschen Ostseehäfen Handel zu treiben. Der Hauptgrundsatz für eine Blockade sei, datz sie alle Neutralen gleichermaßen treffen müsse. Eine genaue Anwendung der Kabinettsorder würde vielfach den legitimen Handel schädigen und der britischen Regierung eine schwere Verantwortlichkeit auferlegen. Die britische Regierung mühte für alle gegen das Völkerrecht verstoßenden Maßnahmen volle Entschädigung leisten. Die Re­ gierung der Vereinigten Staaten halte daran fest, daß die Rechte und Pflichten ihrer Bürger durch die bestehenden Gesetze des Völkerrechts und die Verträge der Vereinigten Staaten ohne Rücksicht auf die Bestimmungen der Londoner Deklaration umgrenzt- seien, und sie behalte sich vor, in jedem Falle, in dem die so definierten Rechte und Pflichten verletzt würden oder ihre freie Ausübung durch die britische Regierung behindert werde, Protest einzulegen und Schadensersatz zu verlangen.

Der Schluhabsatz der Washingtoner Note erinnert in seiner Fassung an die Vorstellung, die Botschafter Gerard an die deutsche Regierung wegen der Ankündigung des Unterseekrieges gerichtet hat.

Der Unterschied besteht nur darin, daß inzwischen der deutsch-ameri­ kanische Notenwechsel England als den Schuldigen für die Verschärfung des Seekriegs auch für die amerikanischen Beurteiler entlarvt hat. Wenn der Fortgang des deutsch-englischen Handels­ krieges jetzt für die amerikanische Schiffahrt Schädigungen und Be­ lästigungen zur Folge hat, so kann Deutschland mit ruhigem Gewissen zusehen, ob es den Bemühungen der Vereinigten Staaten gelingt, ihrem Recht auch gegenüber Großbritannien Geltung zu verschaffen. Freilich mit papiernen Protesten und der Androhung nachträg­ licher (!) Schadensersatzklagen ist nichts getan! Sie erscheinen weiten Kreisen nicht nur Deutschlands, sondern auch der neutralen Mächte nur eine Bemäntelung und Maskierung der Schwäche eines großen souveränen Reiches, das sich von dem Seetyrannen England die Behandlung eines kleinen Duodezstaates gefallen läßt'). VII. Da die Waffenlieferungen der amerikanischen Fabriken lawinen­ artig zunahmen und es auch dem objektiven Beschauer klar wurde, daß die amerikanischen Lieferanten allein die Schuld für das ver­ längerte Völkermorden tragen — (Rußland wäre, wie wir aus bester Quelle wissen, längst an Munitivnsmangel ohne amerikanische Lieferungen unterlegen und der Krieg hätte dadurch auch im Westen ') Die „Morm'ng Post" vom 18. April 1915 schreibt u. a.: Die amerikanische Regierung nimmt in satirischer Form Bezug aus die Pariser Erklärung von 1856 und auf die Londoner Erklärung von 1909. Amerika sagt, daß die Normen der Pariser Erklärung heute schwerlich von den Signatarmächten bestritten werden. Der Humor dieser Bemerkung liegt in der Tatsache, datz die britische Proklamation vom 15. März 1915 eine cssene Verletzung der Pariser und Londoner Erklärung darstellt, und in der kürzlichen Weigerung Asguiths, sich von jenen diskreditierten Erklärungcn loszusagen. Die britische Regierung stellte sich am 23. Oktober 1914 mit gewissen Einschränkungen aus den Boden der Londoner Erklärung: und wenn zwischen ihr und der Verordnung vom 15. März 1915 kein erkennbarer Zusammenhang besteht, so ist es allein Schuld der britischen Minister. Die Minister fahren fori, die Tätigkeit der Flotte durch die Pariser und Londoner Erklärungen und durch die Haager Konvention binden zu lasten und erlasten schlietzlich eine Verordnung, die sich mit keiner von diesen in Einklang befindet. Wenn sie diese ersetzen soll, so mutz das ausdrücklich erklärt werden. Solange die Erklärungen und die Kon­ vention von der britischen Regierung anerkannt werden, so lange liefern sie, wie die amerikanische Rote zu erkennen gibt, eine Handhabe für Entschädigungs­ ansprüche. Die Stellung der Neutralen England gegenüber ist ziemlich hart, wenn das Publikum zu den übrigen Kosten am Ende des Krieges noch eine lange Rechnung für Entschädigung der Neutralen begleichen soll. Aber das steht jetzt zu befürchten, wenn nicht die britische Proklamation ein toter Buchstabe bleibt.

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ein rasches Ende gefunden) —, machte anfangs April 1915 das Deutsche Reich erneute Vorstellungen gegen diese Waffenlieferungen und ihre direkte Begünstigung und Beschützung durch die Regierung der Vereinigten Staaten. Die große Schuld derselben, die mit aller Dialektik und Berufung auf angebliche völkerrechtliche Normen, die von England niemals an­ erkannt wurden und deshalb auch in diesem Kriege keine Gültigkeit haben können, nicht weggewischt werden, ist, daß sie für das Recht des illegitimen Handels ihrer Waffen, also die absolute Konter­ bande fabrizierenden Staatsbürger eintritt, daß sie aber für die Durchführung ihres legitimen, völkerrechtlichen Handels mit Lebensmitteln und Rohstoffen mit Deutschland nichts anderes tut als Scheinaktionen oder Papierprotestaktionen gegen den Verächter jeglichen Völkerrechts: England, der die Lebensinteresien der Vereinigten Staaten selbst aufs empfindlichste trifft, durchzu­ führen: Aktionen, die England und sein Nachläufer Frankreich nur mit Hohn als „Freundschaftsbeweise" auffaßt, da ihnen jede T a t fehlt. Worte, nichts als Worte! (Siehe als Fortsetzung dieses Kapitels unten Kapitel 56 zum „Fall Lusitania" das Nähere.) VIII. Notenwechsel über die Armeelieferungen zwischen Lsterreich-Ungarn und den Bereinigten Staaten.

Zwischen diesen beiden Reichen fand im Sommer 1915 ein außerordentlich interessanter Notenwechsel über die Kriegsmaterialien­ lieferungen seitens der Vereinigten Staaten statt, den wir trotz feines Umfanges wegen feiner Bedeutung hier abdrucken muffen: 1. Eine österreichisch-ungarische Note an die Vereinigten Staaten gegen die Kriegslieferungen. Der Minister des Äußeren hat am 14. Juli 1915 an den Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika am Wiener Hofe eine Note gerichtet, die den nachstehenden Wortlaut hat: Wien, 29. Juni 1915. Die tiefgreifenden Wirkungen, welche sich aus der Tatsache ergeben, boft sich seit geraumer Zeit zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika einerseits und Grobbritannien und besten Verbündeten anderseits ein Handelsverkehr mit Kriegsbedarf im grösiten Umfange abspielt, während Österreich-Ungarn gleich Deutschland vom amerikanischen Markte völlig abgeschlosten ist, haben von allem Anfang an die ernsteste Aufmerksamkeit der k. u. k. Regierung auf sich gezogen. Wenn nun der Unterzeichnete sich erlaubt, in dieser Frage, mit welcher bas Washingtoner Kabinett bisher blob von der Kaiserlich Deutschen Regierung besaht worden ist, das Wort zu nehmen, so folgt er hierbei dem Gebote der unabweisbaren Pflicht, die ihm anvertrauten Interesten

239 vor weiterer schwerer Schädigung zu bewahren, die aus dieser Situation gleichwie für das Deutsche Reich so auch für Ssterreich-llngarn erwächst. Ist auch die k. u. t. Regierung durchaus davon überzeugt, daß die Haltung, welche die Bundes­ regierung in dieser Angelegenheit annimmt, keiner anderen Absicht entspringt, als der, die strittest* Neutralität zu wahren und sich in dieser Beziehung den in Be­ tracht kommenden Bestimmungen der internationalen Verträge bis auf den Buch­ staben anzupassen, so drängt sich doch die Frage auf, ob die Verhältnisse, wie sie sich im Laufe des Krieges, gewiß unabhängig vom Willen der Bundesregierung, herausgebildet haben, nicht derart beschaffen sind, daß die Intentionen des Washingtoner Kabinetts ihrer Wirkung nach durchkreuzt, ja gerade ins Gegenteil verkehrt werden. Wird aber diese Frage bejaht — und ihre Bejahung kann nach der Meinung der k. u. k. Regierung nicht zweifelhaft sein —, dann knüpft sich hieran von selbst die weitere Frage, ob es nicht möglich, ja sogar geboten er­ scheint, baß Maßnahmen ergriffen werden, die geeignet sind, betn Wunsche der Bundesregierung, beiden Kriegsparteien gegenüber eine streng paritätische Haltung einzunehmen, volle Geltung zu verschaffen. Die k. u. k. Regierung zögert nicht, auch diese Frage unbedingt zu bejahen. Der amerikanischen Regierung, die an dem Haager Werke in so hervorragender Weise mitgewirkt hat, ist es sicherlich nicht entgangen, daß sich Wesen und Inhalt der Neutralität in den fragmentarischen Vorschriften der einschlägigen Verträge nicht annähernd erschöpfen. Faßt man speziell die Entstehungsgeschichte von Art. 7 V beziehungsweise XIII der Konvention ins Auge, auf den sich die Bundesregierung im vorliegenden Falle offenbar stützt, und besten Wortlaut ihr, wie durchaus nicht geleugnet werden soll, eine for­ male Handhabe für die Duldung des von den Vereinigten Staaten gegenwärtig betriebenen Handels mit Kriegsmaterial bietet, so bedarf es, um den wahren Geist und die Tragweite dieser Bestimmung zu ermessen, die übrigens schon durch das Verbot der Lieferung von Kriegsschiffen und durch das Verbot gewisser Liefe­ rungen an Kriegsschiffe der kriegführenden Länder durchbrochen erscheint, nicht erst des Hinweises darauf, daß die neutralen Staaten in den einzelnen ein­ geräumten Befugnissen im Sinne des Pröambule zur letztgenannten Konvention ihre Grenzen finden an den Forderungen der Neutralität, wie sie den allgemein anerkannten Prinzipien des internationalen Rechtes entsprechen. Nach allen Autoritäten des Völkerrechts, die sich mit der hier zunächst in Betracht kommenden Frage des näheren beschäftigen, darf eine neutrale Regierung den Handel mit Kriegskonterbande nicht ungehindert sich vollziehen lassen, wenn der Handel eine solche Gestalt oder solche Dimensionen annimmt, daß dadurch die Neutralität des Landes in Mitleidenschaft gezogen wird. Mag man nun der Beurteilung der Zulässigkeit des Konterbandehandels welches der verschiedenen Kriterien immer zugrunde legen, die in dieser Hinsicht in der Wissenschaft aufgestellt wurden, so gelangt man nach jedem einzelnen derselben zu dem Schlüsse, daß der Export von Kriegsbedarf aus den Vereinigten Staaten, wie er im gegenwärtigen Kriege betrieben wird, mit den Forderungen der Neutralität nicht in Einklang zu bringen ist.

Es handelt sich jetzt nicht etwa um die Frage, ob die amerikanische Industrie,

die sich mit der Erzeugung von Kriegsmaterial beschäftigt, davor bewahrt werden soll, daß der Export, den sie zu Friedenszeiten betrieben hat, eine Einbuße erleide. Vielmehr hat diese Industrie gerade infolge des Krieges eine ungeahnte Steigerung erfahren Um die ungeheuren Mengen von Waffen, Munition und sonstigem Kriegsmaterial aller Art zu fabrizieren, welche Großbritannien und dessen Ver­ bündete im Laufe der vergangenen Monate in den Vereinigten Staaten bestellt

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haben, bedurfte es nicht nur der vollen Ausnützung, sondern sogar der Umwand­ lung und Erweiterung der bestehenden und der Schaffung neuer grober Betriebe, sowie des Zuströmens von Masten von Arbeitern allör Branchen zu diesen Be­ trieben, kurz tiefgreifender, das ganze Land erfastender Änderungen des wirt­ schaftlichen Lebens. Der amerikanischen Regierung kann sonach von keiner Seite das Recht bestritten werden, durch Erlassung eines Ausfuhrverbotes diesen offen zutage liegenden enormen Export von Kriegsbedarf zu inhibieren, von welchem überdies notorisch ist, datz er nur einer der Kriegsparteien zugute kommen kann. Würde die Bundesregierung von dieser ihr zustehenden Befugnis Gebrauch machen, so könnte sie ein Vorwurf auch dann nicht treffen, wenn sie, um mit den An­ forderungen der nationalen Gesetzgebung im Einklang zu bleiben, den Weg des Erlasses eines Gesetzes beschritte. Denn wenn es auch prinzipiell zutrifft, datz ein neutraler Staat die in feinem Bereich gellenden Vorschriften betreffend sein Verhalten zu den Kriegführenden nicht abändern soll, solange der Krieg dauert, so erleidet der Grundsatz doch, wie sich aus dem PrLambule XIII der Haager Konvention klar ergibt, in dem Falle eine Ausnahme „oü Vexptrience en ctemontrerait la n£cessit6 pour la sauvegarde de ses droits'4. Dieser Fall ist übrigens für die amerikanische Regierung schon mit der Tatsache gegeben, daß Österreich.Ungarn ebenso wie Deutschland von jedem Handelsverkehr mit den Ver­ einigten Staaten abgeschnitten ist, ohne datz die rechtliche Voraussetzung hierfür, eine rechtsgültige Blockade, vorläge. Dem etwaigen Einwand gegenüber, bah es bei aller Bereitwilligkeit der amerikanischen Industrie, wie an Grobbritannien und dessen Verbündete so auch an Österreich-Ungarn und Deutschland zu liefern, den Vereinigten Staaten eben nur infolge der Kriegslage nicht möglich sei, mit öfterreich-Ungarn und Deutschland Handel zu treiben, darf wohl darauf hingewiesen werden, bah die Bundesregierung zweifellos in der Lage wäre, dem geschilderten Zustande abzuhelfen. Es würde wohl vollauf genügen, den Gegnern ÖsterreichUngarns und Deutschlands die Sistierung der Zufuhr von Lebensrnitteln und Rohstoffen für den Fall in Aussicht zu stellen, bah der legitime Handel in diesen Artikeln zwischen der Union und den beiden Zentralmächten freigegeben wird. Wenn sich das Washingtoner Kabinett zu einer Aktion in diesem Sinne bereit fände, so würde es nicht nur der in den Vereinigten Staaten stets hoch­ gehaltenen Tradition folgen, für die Freiheit des legitimen Seehandels ein­ zutreten, sondern sich auch das hohe Verdienst erwerben, das frevelhafte Bestreben der Feinde Österreich-Ungarns und Deutschlands, sich des Hungers als Bundes­ genossen zu bedienen, zunichte zu machen. Die k. u. k. Regierung darf sonach im Geiste der ausgezeichneten Beziehungen, die niemals ausgehört haben, zwischen der österreichisch-ungarischen Monarchie und den Vereinigten Staaten zu bestehen, an die Bundesregierung den von aufrichtiger Freundschaft getragenen Appell richten, sie möge unter Bedachtnahme aus die hier entwickelten Darlegungen den von ihr in dieser so hochbedeutsamen Frage bisher eingenommenen Standpunkt einer reiflichen Überprüfung unterziehen. Eine Revision der seitens der Regierung der Union beobachteten Haltung im Sinne der von der k. u. k. Regierung ver­ tretenen Auffassung würde nach deren Überzeugung nicht nur im Rahmen der Rechte und Obliegenheiten einer neutralen Regierung, sondern auch in den Richt-' Ihnen jener von wahrer Menschlichkeit und Friedensliebe beherrschten Grund­ sätze liegen, welche die Vereinigten Staaten von jeher auf ihr Banner ge­ schrieben haben. Indem der Unterzeichnete die Ehre hat, die sehr gefällige Vermittlung Seiner

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Exzellenz des autzerordentlichen bevollmächtigten Botschafters der Vereinigten Staaten von Amerika Herrn Frederic Courtland Penfield mit der Bitte ganz ergebenst in Anspruch zu nehmen, die vorstehenden Ausführungen auf telegra­ phischem Wege zur Kenntnis des Washingtoner Kabinetts bringen zu wollen, benutzt er zugleich auch diesen Anlatz, um Seiner Exzellenz den amerikanischen Botschafter den Ausdruck ftintt ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern. Bunan m. p.

Die Note ist bei aller Freundlichkeit im Ton sachlich scharf ge­ halten und trifft den Nagel auf den Kopf. 2. Der amerikanische Standpunkt über die Munitionslieferun­ gen kommt ganz unverhüllt zum Ausdruck in einer sehr langen Ant­ wortnote auf die österreichisch-ungarische erste Note vom 29. Juni 1915. Sie wurde am 19. August in Wien überreicht. Wir mästen sie wegen ihrer Bedeutung wörtlich wiedergeben. Sie ist datiert vom 16. August 1915. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat die Darlegungen der k. u. f. Regierung betreffend die Ausfuhr von Massen und Munition aus den Vereinigten Staaten in Länder, die sich mit Österreich-Ungarn und Deutschland im Kriegs­ zustand befinden, sorgfältig erwogen. Die Regierung der Vereinigten Staaten nimmt mit Befriedigung davon Kenntnis, datz die k. u. k. Regierung die unzweifel­ hafte Tatsache anerkennt, datz ihre Haltung bezüglich der Ausfuhr von Waffen und Munition aus den Vereinigten Staaten von der Absicht eingegeben ist, „die strengste Neutralität zu wahren und sich bis auf den Buchstaben den Bestimmun­ gen der internationalen Verträge anzupassen", sie ist jedoch überrascht zu ver­ nehmen, datz die k. u. k. Regierung zu verstehen gibt, datz die Beobachtung der strengen Grundsätze des Rechtes unter den Umständen, die sich im gegenwärtigen Kriege entwickelt haben, ungenügend sei und behauptet, datz diese Regierung über die seit langem anerkannten Regeln, die diesen Verkehr seitens Neutraler beherrschen, hinausgehen und Matznahmen ergreifen sollte, „um eine streng pari­ tätische Haltung rücksichtlich beider kriegführenden Parteien zu bewahren". Dieser Behauptung einer Verpflichtung, die Regeln des internationalen Herkommens mit Rücksicht auf spezielle Umstände zu ändern oder zu modifizieren, kann die Regierung der Vereinigten Staaten nicht beipflichten. Die Anerkennung einer derartigen, der internationalen Praxis der Vergangenheit unbekannten Verpflichtung würde jeder neutralen Nation die Pflicht auferlegen, über den Ver­ laus eines Krieges zu Gericht zu sitzen und ihren Handelsverkehr mit einem Kriegsührenden einzuschränken, dessen maritime Erfolge den Neutralen am Handel mit dem Feinde hinderten. Der Standpunkt.der k. u. k. Regierung scheint der zu sein, datz die einem Kriegführenden durch seine Überlegenheit zur See erwachsenden Vorteile von neutralen Mächten durch die Herstellung eines Systems des Nicht­ verkehrs mit dem Sieger ausgeglichen werden sollten. Die k. u. k. Regierung be­ schränkt ihre Bemerkungen auf Waffen und Munition, aber, wenn das Prinzig, für welches sie eintritt, richtig ist, mühte es mit gleicher Kraft für alle Konter­ bandeartikel gelten. Ein Kriegführender, der die hohe See beherrscht, mag einen reichlichen Vorrat an Waffen und Munition besitzen, aber an Nahrungsmitteln und Kleidern Mangel leiden. Nach dem neuen Grundsätze, datz die Gleichmachung eine Neutralitätspslicht sei, würden neutrale Nationen verpflichtet sein, solche Müller-Meiningen, Weltkrieg und Völkerrecht. 4. Aust. II. Bd.

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242 Artikel mit Verbot -u belegen, weil einer der Kriegführenden sie nicht tm Wege des Handelsverkehrs erlangen könnte. Wenn aber dieses von der k. u. k. Regierung so stark betonte Prinzip als wirksam anerkannt werden sollte auf Grund der Überlegenheit eines Kriegführenden zur See, sollte es nicht in gleicher Weife gelten für einen zu Lande überlegenen Kriegführenden? Wenn man diese Theorie der Gleichmachung anwendet, müßte einem Kriegführenden, der der zum erfolgreichen Kampfe zu Land erforderlichen Munition entbehrt, gestattet werden, sie vom Neutralen zu kaufen, während ein Kriegführender, der einen Überfluß an Kriegsmaterial oder die Kraft besitzt, selbes zu erzeugen, von solchem Handel auszuschließen wäre. Es liegt auf der Hand, daß der von der f. u. k. Regierung aufgestellte Be­ griff strenger Neutralität eine neutrale Nation in eine Menge Verwicklungen hineinziehen würde, welche das ganze Gebiet der internationalen Verpflichtungen verdunkeln, wirtschaftliche Verwirrung hervorrufen und allen Handel und alle Industrie der legitimen Gebiete der llnternehmungstätigkeit, die ohnedies schon durch die unvermeidlichen Beschränkungen des Krieges schwer belastet ist, be­ rauben würde. da diesem Zusammenhange ist es angebracht, die Aufmerksamkeit der t. u. f. Regierung auf die Tatsache zu lenken, daß Österreich-Ungarn und Deutschland, besonders letzteres, während der dem gegenwärtigen europäischen Kriege vorher­ gehenden Jahre einen großen Überschuß von Waffen und Munition erzeugt haben, den sie in der ganzen Welt und speziell an Kriegführende verkauften. Während dieses Zeitraums hat keine von den beiden jemals das jetzt von der k. u. k. Re­ gierung vertretene Prinzip angeregt oder angewendet. Während des Burenkrieges zwischen Großbritannien und den süd­ afrikanischen Republiken hinderte das Abpatrouillieren der Küste benachbarter neutraler Kolonien durch britische Kriegsfahrzeuge die Verbringung von Waffen und Munition nach dem Transvaal und dem Oranjefreistaat. Die verbündeten Republiken befanden sich in einer Lage, die in dieser Hinsicht nahezu identisch ist mit jener, in welcher sich Österreich-Ungarn und Deutschland gegenwärtig befinden. Trotzdem verkaufte Deutschland ungeachtet der kommerziellen Isolierung des einen Kriegführenden an Großbritannien, den anderen Kriegführenden, Hunderttaufenbe Kilogramm von Sprengstoffen, Schießpulver, Patronen, Gefchosien und Waffen, und es ist bekannt, daß auch Österreich-Ungarn ähnliche Munition an denselben Käufer, wenn auch in geringeren Mengen, verkaufte; während im Vergleich zu dem gegenwärtigen Kriege die verkauften Mengen gering waren, war das in Frage kommende Prinzip der Neutralität dasselbe. Wenn zu jener Zeit ÖsterreichUngarn und sein gegenwärtiger Bundesgenosie sich geweigert hätten, Waffen und Munition an Großbritannien aus dem Grunde zu verkaufen, weil ein solches Vor­ gehen eine Verletzung des Geistes der strengen Neutralität wäre, dann könnte die k. u. k. Regierung mit größerer Folgerichtigkeit und größerer Kraft auf ihrem gegenwärtigen Standpunkt bestehen. Cs darf weiter darauf hingewiesen werden, daß während des Krimkrieges große Quantitäten von Waffen und Kriegsmaterial an Rußland von preußischen Fabrikanten geliefert wurden, daß während des jüngsten Krieges zwischen der Türkei und Italien, wie diese Regierung erfahren hat, Waffen und Munition an die ottomanische Regierung von Deutschland geliefert wurden und daß während der B a l k a n k r i e g e die Kriegführenden sowohl von Österreich-Ungarn als auch von Deutschland mit Munition versehen wurden. Ob-

243 wohl diese letzteren Fälle der Lage Österreich-Ungarns und Deutschlands im gegen­ wärtigen Kriege nicht analog sind, wie es bei dem südasrikanischen Kriege der Fall ist, zeigen sie doch deutlich die seit langem bestehende Praxis der beiden Reiche in Sachen des Handels mit Kriegsmaterial. Im Hinblick aus die vorangegangenen Ausführungen möchte diese Regierung nicht daran glauben, daß die k. u. f. Regierung den Vereinigten Staaten einen Mangel an unparteilicher Neutralität zuschreiben will, wenn sie ihren legitimen Handel mit allen Arten von Materialien fortsetzt, welche gebraucht werden, um die Streitkräfte eines Kriegführenden wirksam zu machen, wenn auch die Um­ stände des gegenwärtigen Krieges Österreich-Ungarn daran hindern, solche Materialien von den Märkten der Vereinigten Staaten zu beziehen, die, soweit die Aktion und Politik dieser Regierung in Frage kommt, allen Kriegführenden in gleicher Weise offen standen und offen bleiben. Außer der prinzipiellen Frage liegt aber noch ein praktischer und sachlicher Grund vor, weshalb die Regierung der Vereinigten Staaten seit der Gründung der Republik bis auf d (l heutigen Tag den uneingeschränkten Handel mit Waffen und Kriegsmaterial befürwortet und geübt hat. Es war niemals die Politik dieses Landes, in Friedenszeiten eine große militärische Macht oder Vorräte an Waffen und Munition, die zur Zurückweisung des Einfalles eines wohlausgerüsteten und mächtigen Feindes genügen würden, zu halten. Cs hatte den Wunsch, mit allen Nationen in Frieden zu leben und jeden Anschein der Bedrohung dieses Friedens durch die Drohung ihrer Heere und Flotten zu vermeiden. Zufolge dieser hergebrachten Politik würden die Vereinigten Staaten im Falle des Angriffes einer fremden Macht zu Beginn des Krieges ernstlich, wenn nicht gar Verhängnis voll, durch den Mangel an Waffen und Munition und durch den Mangel an Mitteln, solche in einer für die Erfordernisse der nationalen Verteidigung hin­ reichenden Menge zu erzeugen, in Verlegenheit komnxen. Die Vereinigten Staaten haben sich immer auf das Recht und die Möglichkeit, Waffen und Munition von neutralen Mächten im Falle eines fremden Angriffs zu kaufen, verlassen. Dieses Recht, welches sie für sich selbst in Anspruch nehmen, können sie nicht anderen absprechen. Eine Nation, deren Prinzip und Politik es ist, sich hinsichtlich des Schutzes ihrer politischen und territorialen Integrität auf internationale Verpflichtungen und internationale Gerechtigkeit zu verlassen, könnte das Opfer einer aggressiven Nation werden, deren Politik und Praxis es ist, in Friedenszeiten ihre militärische Kraft mit der Absicht auf Eroberung zu stärken, wenn nicht die angegriffene Nation, nachdem der Krieg erklärt ist, sich auf die Weltmärkte begeben und die Mittel zur Verteidigung gegen den Angreifer kaufen kann. Würden die Nationen der Welt allgemein hie Theorie annehmen, daß neu­ trale Mächte den Verkauf von Waffen und Munition an Kriegführende zu unter­ sagen hätten, so würde dies jede Nation zwingen, jederzeit genügendes Kriegs­ material in Bereitschaft zu haben, um jeder sich ergebenden Möglichkeit zu begegnen und Einrichtungen für die Herstellung von Waffen und Munition zu schaffen und zu erhalten, ausreichend, um den Bedarf ihrer Land- und Seestreitkräfte während des ganzen Verlaufs des Krieges zu decken. Es ist klar, daß die An­ wendung dieser Theorie dahin führen würde, daß jedes Land zu einem bewaff­ neten Lager würde, bereit, einem Angriffe zu widerstehen und versucht, bei Be^ hauptung seiner Rechte eher Gewalt anzuwenden, als zur Beilegung internationaler Streitigkeiten Vernunft und Gerechtigkeit anzurufen.

244 In der Erkenntnis, bafo die Annahme des Prinzips, nach welchem es die Pflicht eines neutralen Staates ist, den Verkauf von Waffen und Munition an einen kriegführenden Staat während des Verlaufs des Krieges zu untersagen, unausweichlich jenen Kriegführenden in den Vorteil setzen würde, welcher in Friedenszeiten die Erzeugung von Kriegsmaterial gefördert und in Erwartung des Krieges große Lager von Waffen und Munition angelegt hat, ist die Regierung der Vereinigten Staaten überzeugt, daß die Annahme der Theorie der Welt den Militarismus aufzwingen und jenem Weltfrieden entgegenarbeiten würde, welcher der Wunsch und das Ziel aller Nationen ist, die Gerechtigkeit und Rechtlichkeit in ihren wechselseitigen Beziehungen hochhalten. Bei der vorangegangenen Erörterung des praktischen Grundes, aus dem sie für den Handel mit Munition eingetreten ist und denselben betrieben hat, wünscht die Regierung der Vereinigten Staaten dahin verstanden zu werden, daß sie nicht in der Absicht gesprochen habe, ein Urteil über die Umstände des gegenwärtigen Krieges auszusprechen oder anzudeuten, sondern nur in voller Offenheit den Gedankengang darzulegen, welcher für die Richtung der Pdlitik der Vereinigten Staaten in diesem Belange maßgebend war. Während die durch das Vorgehen Österreich-Ungarns und Deutschlands im Verlauf des südafrikanischen Krieges so gut illustrierte Praxis der Nationen und das offenbare Übel, das aus einer Änderung dieser Praxis sich ergeben würde, die Zustimmung zu den Anregungen der k. u. k. Regierung ausgeschlosien erscheinen lasten, können gewiste in der österreichisch-ungarischen Darstellung zur Begründung ihres Standpunktes aufgestellte Behauptungen nicht ohne Bemerkung übergangen werden. Diese Behauptungen sind wesentlich die folgenden: 1. daß die Aus­ fuhr von Waffen und Munition aus den Vereinigten Staaten an Kriegführende gegen das Pr6ambule der Haager Konvention Nr. 13 vom Jahre 1907 verstoße; 2. daß sie sich nicht mit der Weigerung der Regierung verträgt, die Verprovian­ tierung der Kriegsschiffe auf hoher See zuzulasten: 3. daß nach allen Autoritäten aus dem Gebiete des Völkerrechts, welche sich eingehender mit der Frage besassen, „der Export von Munition verhindert werden sollte, wenn dieser Handel eine solche Gestalt oder solche Dimensionen annimmt, daß hierdurch die Neutralität des Landes in Mitleidenschaft gezogen wird". Was die Behauptung betrifft, daß die Ausfuhr von Waffen und Munition gegen das PrSambule der Haager Konvention Nr. 13 vom Jahre 1907 verstoße, so nimmt diese Regierung an, daß man sich aus den letzten Absah des PrSambule bezieht, welcher lautet wie folgt: „in Anbetracht besten, datz nach diesem Gedankengange diese Regeln im Lause des Krieges von einer neutralen Macht grund­ sätzlich nicht abgeändert werden sollten, ausgenommen den Fall, daß die Erfahrung b:e Notwendigkeit einer solchen Abänderung zum Schutze der Rechte dieser Macht erwiesen hätte". Offenbar ist der einzige Grund, die durch die Konvention niedergelegten Regeln, deren eine, wie ausdrücklich hervorgehoben werden soll, erklärt, daß ein Neutraler nicht verpflichtet ist, die Ausfuhr von Kriegstonterbande zu verhindern, abzuändern, die Notwendigkeit, in der sich eine neutrale Macht sieht, dies zu tun, um ihre eigenen Rechte zu schützen. Das Recht und die Pflicht zu entscheiden, wann diese Notwendigkeit vorliegt, steht dem Neutralen, nicht einem Krieg­ führenden zu und ist diskretionär, ja sogar obligatorisch. Wenn eine neutrale Macht sich dieses Rechtes nicht bedient, so hat eine kriegführende nicht das Vorrecht, sich zu beklagen, denn wenn sie dies täte, so würde dies darauf hinauslaufen, daß sie

245 einer neutralen Macht erklärt, was notwendig ist, dieser Macht eigene Rechte -u schützen. Die k. u. k. Regierung wird nicht umhin können, zu begreifen, datz eine Klage dieser Art eine gerechte Abweisung herausfordern würde. Mit Bezug auf den behaupteten Widerspruch zwischen der von dieser Re­ gierung in Hinsicht auf Ausfuhr von Waffen und Munition angewandten Vorgangsweise und jener, die beobachtet wird, indem nicht gestattet wird, datz Proviant aus deren Häfen auf Kriegsschiffe auf hoher See gebracht werde, ist es nur not­ wendig hervorzuheben, datz das Verbot der Verproviantierung von Kriegsschiffen auf dem Prinzip beruht, daß eine neutrale' Macht nicht gestatten darf, datz ihr Territorium zu einer maritimen Basis eines der Kriegführenden werde. Ein Kriegsschiff darf unter gewissen Einschränkungen in einem neutralen Hafen einmal in drei Monaten Feuerung und Proviant erhallen. Würde Handelsschiffen, welche als Tender fungieren, erlaubt, mehr als einmal in drei Monaten und in einem unbegrenzten Ausmaß Proviant zuzuführen, so würde dies die Absicht der Vor­ schrift zunichte machen und das neutrale Territorium zu einer maritimen Basis gestalten; überdies ist es dieser Regierung unbekannt, datz ein österreichifch-ungarifches Kriegsschiff, sei es direkt oder indirekt, aus einem Hafen der Vereinigten Staaten Proviant zu erhalten gesucht hätte. Die Sache ist indessen bereits mit der Kaiserlich Deutschen Regierung erörtert worden, welcher der Standpunkt dieser Regierung am 24. Dezember 1914 ausführlich dargelegt worden ist. 3m Hinblick auf die positive Behauptung in der Darlegung der k. u. k. Regierung, wonach die Schriftsteller übereinstimmend der Ansicht sind, datz die Ausfuhr von Konter­ bande neutralitätswidrig ist, hat diese Regierung eine sorgfältige Prüfung der Hauptautoritäten auf dem Gebiete des Völkerrechts veranlaßt. Das Ergebnis dieser Untersuchung hat sie zum Schlüsse geführt, datz die k. u. k. Regierung irre­ geleitet worden ist und versehentlich eine irrige Behauptung aufgestellt bat. Weniger als ein Fünftel der zu Rate gezogenen Autoritäten vertreten rückhaltlos das Verbot der Konterbandeausfuhr. Mehrere von den diese Minorität Bildenden geben zu, datz die Praxis der Nationen anders war. Es mag nicht unangebracht erscheinen, die besondere Aufmerksamkeit auf die Erklärung der deutschen Autorität Paul Einicke zu lenken, welcher ausführt, datz zu Beginn eines Krieges die Krieg­ führenden nie gegen die Erlassung von Verboten des Konterbandehandels Ein­ spruch erhoben haben, aber hinzufügt, „datz derlei Verbote als Neutralitäts­ verletzungen oder zumindest als unfreundliche Akte angesehen werden können, wenn sie während des Krieges in der Absicht erlassen werden, die Zufuhrquellen einer Partei, die bisher sich darauf verlassen hatte, unerwarteterweise zu verschließen". Indessen erachtet es die Regierung der Vereinigten Staaten für unnötig, im gegenwärtigen Zeitpunkt die Erörterung über die Darlegungen der österreichischungarischen Regierung weiter auszudehnen. Die Prinzipien des Völkerrechts, die Praxis der Nationen, die nationale Sicherheit der Vereinigten Staaten und anderer Nationen ohne große militärische und maritime Einrichtungen, die Ver­ hinderung der Vergrößerung der Armeen und Flotten, die Anwendung friedlicher Methoden zur Regelung internationaler Zwistigkeiten und endliche die Neutralität selbst stehen dem Verbote der Ausfuhr von Waffen, Munition und anderen Kriegs­ vorräten an die kriegführenden Mächte seitens einer neutralen Nation während der Dauer des Krieges entgegen. , x l cn r (gez.): Frederic C. Penfield m. p.

3. Das Beste, was über die amerikanischen Kriegsmaterialienlieferungen geschrieben wurde, enthält die österreichische Antwortnote

246 auf diese amerikanische Note vom 24. September 1915, worin Öfterreich einleitend betont, bafe die österreichisch-ungarische Regierung auch nach Empfang der amerikanischen Note an ihrem Standpunkt festhalte, wie er in der Note vom 29. Juni 1915 auseinandergesetzt sei. Sodann heißt es weiter: Die Ausführungen der Bundesregierung beruhen zum groben Teil auf der nicht zutreffenden Voraussetzung, als hatte die k. und t. Regierung die in Art. 7 der 5. und der 13. Haager Konvention den Angehörigen neutraler Machte ein­ geräumte Befugnis, den Kriegführenden Konterbande zu liefern, überhaupt in Abrede gestellt, wahrend doch die vorerwähnte Note der f. und f. Regierung ausdrücklich besagt hatte, dab der Wortlaut — aber auch nur dieser — der be­ zogenen Bestimmung der Bundesregierung eine formale Handhabe zur Duldung des von ihren Bürgern gegenwärtig betriebenen Handels mit Kriegsmaterial biete. Der !. und k. Regierung lag selbstverständlich fern, dem Washingtoner Kabinett ein Abgehen von einem geltenden Vertrag anzusinnen, sie wies nur darauf hin, datz nach ihrem Dafürhalten jener Bestimmung nicht eine Auslegung gegeben werden sollte, die mit dem Grundgedanken und den obersten Grund­ sätzen des Neutralitätsrechtes in Widerspruch geriete. Allerdings entsteht aus der fortschreitenden Kodifizierung des Völkerrechts die Gefahr, dab die in schriftlichen Vereinbarungen niedergelegten Rechtssätze qls das Um und Auf des Völker­ rechts angesehen und darüber besten allgemeine Grundgedanken, soweit ste noch nicht in Staatsverträgen ausdrücklich fixiert worden sind, übersehen werden. Dieser Möglichkeit sollte jedoch gerade in bezug auf die Materie des Neutralitatsrechtes vorgebeugt werden, und in diesem Sinne erscheint im PrLambule der 13. Haager Konvention (2. und 3. Absatz) betont, bah die Stipulationen dieses Abkommens lediglich Fragmente darstellen, die nicht allen Umständen, wie sie sich in der Praxis ergeben können, Rechnung tragen, und ihr Korrektiv bzw. Ergänzung finden in den allgemeinen Prinzipien des internationalen Rechts. Die k. und k. Regierung hat denn auch ihre einschlägigen Darlegungen aus das spezielle Problem eingestellt, ob die zitierte Vertragsbestimmung nicht an diesen Prinzipien ihre Schranke finde, und ste hat, als sie sich bei Bejahung der Frage auf bie Stimmen der Wissenschaft berief, eben nur jene Autoritäten im Auge gehabt und im Auge haben können, welche speziell untersuchen, ob die sonst zulässige Ausfuhr von Kriegsbedarf nicht unter Umständen eine Kompromittierung der Neutralität involviert. Eine Behauptung des Inhaltes, die Schriftsteller seien übereinstimmend der Ansicht, daß Ausfuhr von Konterbande neutralitätswidrig sei, findet sich an keiner Stelle der Note vom 29. Juni d. I. Die k. und k. Regierung hat ferner keineswegs einem Prinzip der Gleichmachung („Equalifation") das Wort geredet. In der Tat begründete sie ihre in der Frage der Ausfuhr von Kriegsbedarf vorgebrachte Anregung nicht damit, dab sie selbst nicht in der Lage fei, aus den Vereinigten Staaten von Amerika Kriegsmaterial zu beziehen. Ja, sie ist der Meinung, dab der übermäbige Export von Kriegsbedarf nicht einmal zulästig wäre, wenn ein solcher nach den Ländern beider Kriegsparteien sich vollzöge. Der Gedanke, es obliege einer neutralen Macht, den Nachteil, in dem sich Österreich-Ungarn infolge der Unmöglichkeit befindet, Kriegsmaterial aus deren Gebiet zu beziehen, dadurch wettzumachen, dab diese neutrale Macht ihren Untertanen den normalen Handel mit solchen Gegenständen mit den Feinden der Monarchie verbieten solle.

247

hat der f. u.!. Regierung niemals vorgeschwebt. Nur dagegen wandte sie sich, dab das Wirtschastsleben der Vereinigten Staaten durch" Schaffung neuer und Erweiterung bestehender Be­ triebe dem Zweck der Erzeugung und der Ausfuhr von Kriegsbedarf in weitestem Umfange dienstbar gemacht und auf solche Art sozusagen militarisiert wurde, wenn es gestattet ist, dieses viel mißbrauchte Wort hier zu verwenden. 3 n dieser Konzentration so vieler Kräfte auf das eine Ziel, die Lieferung von Kriegsbedarf, welche, wenn auch nicht der Absicht nach, so doch tatsäch­ lich eine wirksame Unterstützung einer der Kriegspar­ teien zur Folge hat, was um so ausfälliger in d.ie Er­ scheinung tritt, als der anderen Kriegspartei aus den Vereinigten Staaten nicht einmal solche Waren gelie­ fert werden, die nicht Konterbande bilden, ist aber auch ein „ f a i t nouveau" gelegen, durch welches der Hinweis auf vermeintliche Präzedenzfälle in anderen Kriegen entkräftet wird. Die Parallele mit früheren Kriegen versagt, umso mehr, als dies stets nur Kriege -wischen zwei ein­ zelnen Mächten oder doch zwischen Gruppen wenig zahlreicher Mächte dieser Voraussetzung war es möglich, datz, wenn aus waren. Unter einem neutralen Land Kriegsmaterial nur an eine Kriegspartei geliefert wuröe, deren Gegner sich an andere Neutrale wenden konnte. 3m gegen­ wärtigen Krieg aber find die Vereinigten Staaten von Amerika die einzige Macht, welche für solche Lieferungen füglich in Betracht kommen kann. Auch dadurch gewinnt also die Ausfuhr von Kriegsbedarf aus der Union, wie sie jetzt be­ trieben wird, eine ganz andere Bedeutung als der Export von Konterbande jemals vorher haben konnte. Da alle diese unterscheidenden Momente erst im Verlauf des Krieges in voller Deutlichkeit hervorgetreten sind, glaubt die öster­ reichisch-ungarische Regierung sich zu der Ausfüllung berechtigt, datz in ihnen im Sinne des letzten Absatzes des PrLambule zur XIII. Konvention eine hin­ reichende Begründung für die Änderung der Normen gelegen wäre, die in den Vereinigten Staaten bisher in Geltung sind. Zweifellos gehört die volle und strenge Unparteilichkeit, wie sie vom Washingtoner Kabinett angestrebt wird, und damit die Enthaltung von jeder direkten und indirekten Unterstützung und Förde­ rung einer Kriegspartei jedenfalls auch zu den Rechten eines neutralen Staates. Zeigt die Erfahrung, daß ein Embargo irgendwelcher Art zu diesem Zweck im Verlauf eines Krieges nötig wird, dann ist diese Macht berechtigt, ihre bisherige Neutralitätspraxis zu ändern. Auf der anderen Seite stellt sich der gegenwärtige, von allen bisherigen völlig verschiedene Fall als ein Novum dar, welches sich, wie schon angedeutet, der Subsumierung unter den zitierten Art. 7 entzieht und daher nicht anders denn als ein „cas non prLvu" betrachtet werden kann, welcher im Sinne des Präambule der XIII. Konvention (Absatz 3) nach den allgemeinen Grundsätzen des Völkerrechts, wie sie im Vorstehenden entwickelt wurden, zu beurteilen ist. Auch die von der k. u. k. Regierung in Ansehung der Zufuhr von Lebensmitteln und Rohstoffen gemachte Anregung ging nicht von der 3dee aus, als wäre eine neutrale Regierung verpflichtet, die von einer Kriegs­ partei über die andere erlangten Vorteile durch ein Non-Intercourse-6pftcm mit

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jener Partei -u kompensieren. Die erwähnte Anregung galt, wie aus der Note vom 29. Juni d. 9. hervorgeht, lediglich dem Zwecke, dem Washingtoner Kabinett, welches sich darauf berufen hatte, dab es den Vereinigten Staaten von Amerika infolge der Kriegslage unmöglich fei, mit den Zentralmächten Handel zu treiben, darzutun, bah es in der Hand der Bundesregierung liege, eine solche Möglich­ keit zu eröffnen. Tatsächlich sind es ja nicht die maritimen Erfolge Großbritanniens und desien Verbündeter, welche den Handel -wischen Amerika und ÖsterreichUngarn, wenigstens soweit Nichtkonterbandewaren in Betracht kommen, aufhören machten, sondern die von den Ententemächten getroffenen rechts­ widrigen Maßnahmen, welche, wie der k. und k. Negierung nicht un­ bekannt geblieben ist, auch von der Unionsregierung als rechts­ widrig betrachtet werden. Die k. und k. Regierung bestreitet zwar nicht, daß, falls das Washingtoner Kabinett ihren Anschauungen Rechnung trüge, da­ durch die Stellung der Vereinigten Staaten von Amerika zu den beiden Kriegs­ parteien auf dem Gebiete des Handelsverkehrs eine weniger ungleichartige werden würde, als sie es gegenwärtig ist. Daraus scheint aber der k. und k. Regierung um so weniger ein Argument gegen eine von einer neutralen Macht unter dem Gesichtspunkte der Neutralität etwa auch sonst als berechtigt anerkannte An­ regung abgeleitet werden zu können, als es sicherlich auch nach Anschauung des Washingtoner Kabinetts nicht zu den Aufgaben eines neutralen Staates gehört, seine Stellung zu den beiden Kriegsparteien möglichst ungleichartig zu gestalten oder, falls eine solche llngleichartigkeit besteht, unter keinen Umständen daran zu rühren. Gegenüber der Annahme der Unionsregierung, die Ausfuhr von Waffen und Munition verstoße nach der Meinung der k. und k. Regierung gegen den letzten Absatz des PrLambule zur XIII. Konvention, darf betont werden, daß die k. und k. Regierung ihre Stellungnahme gegen die übermäßige Ausfuhr von Kriegsbedarf, wie bereits oben dargetan, auf den 2. und 3. Absatz dieses Pröambule gründete. Die Berufung auf den letzten Absatz war im Zusammenhang mit der Frage der illegitimen Abschließung Österreich-Ungarns von dem amerikanischen Markt gedacht und sollte zeigen, daß die Unions­ regierung schon aus diesem Grunde zur (Erfassung eines Ausfuhrverbotes auf legislativem Wege berechtigt wäre. Wenn die Regierung der Vereinigten Staaten, wie es scheint, zum Aus­ druck bringen will, es fehle der Regierung einer kriegführenden Macht die Legiti­ mation, das Wort zu nehmen, wenn es sich um die Wahrung oder die Aus­ übung eines Rechtes eines neutralen Staates handelt, so erklärt sich dies wohl daraus, daß das Washingtoner Kabinett den bezogenen letzten Absatz vielleicht etwas zu restriktiv dahin auslegt, als beziehe er sich nur auf höchst persönliche Rechte, deren Wahrnehmung auch nach Ansicht der k. und k. Regierung selbst­ verständlich dem eigenen (Ermessen des neutralen Staates überlasten bleiben mutz. Der besagte Absatz hat jedoch, wie aus dem Bericht erhellt, den der französische Delegierte Herr Renault dem Plenum der Haager Konferenz über die XIII. Kon­ vention erstattet hat (deuxi&me conf. intern, de la Paix, actes et doc. tome l. p. 328), den Fall der Wahrung der Neutralität im Auge, und es kann daher einem Kriegführenden die Befugnis nicht abgesprochen werden, unter Berufung aus die erwähnte Stelle an eine neutrale Regierung heranzutreten, wenn die Frage der Wahrung der Rechte des neutralen Staates den Rechtskreis des Kriegführenden tangiert Mit lebhaftem 9ntere(fe ist die k. u. k. Regierung den Ausführungen

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gefolgt, worin die Gesichtspunkte dargelegt sind, welche es dem Washingtoner Kabinett unabweislich erscheinen lassen, im gegenwärtigen Krieg der Ausfuhr von Kriegsmaterial keine Schranken zu setzen. Sie gibt jedoch die Hoffnung nicht auf. der Zustimmung der Bundesregierung zu begegnen, wenn sie bemerkt, datz diesen Gesichtspunkten rein prattischer Natur irgendein Einfluß auf die Beurteilung der Rechtslage nicht zukommt, wobei es unsererseits ununtersucht bleiben mutz, ob die Tatsache, datz die Erzeugung von Kriegsbedarf in den Vereinigten Staaten einen so ungeheuren Umfang annehmen konnte, nicht den Schluß gestatten würde, datz die Vereinigten Staaten, in denen alle Vorbedingungen diese, Produktion, Menschenkrast, Naturschätze und Kapital, in überreichem Matze gegeben sind, im Falle, als sie selbst Krieg zu führen hätten und die eigene Sache die Energien der Bürger noch steigerte, aus den Bezug von Kriegsmaterial aus dem Ausland nicht angewiesen wären. Im einzelnen möchte die k. und k. Regierung noch folgendes beizufügen sich erlauben: Bei Anführung der vom Washingtoner Kabinett angerufenen Prä­ zedenzfälle, welche jedoch, wie schon erwähnt, als solche nicht anerkannt zu werden vermögen, unterstreicht die Bundesregierung das Beispiel aus dem Burenkrieg, in besten Verlauf sich eine analoge kommerzielle Isolierung der einen Kriegspartei ergeben habe, wie im jetzigen Kriege. Eine derartige Analogie kann aber in Wahrheit kaum erblickt werden, weil Großbritannien da­ mals ein Handelsverbot, wie es die jetzigen rechtswidrigen Maßnahmen des Londoner Kabinetts darstellen, nicht erlassen hat und in der Behinderung der Zufuhr von Waffen und Munition, deren die Unionsregierung Erwähnung tut, eine kommerzielle Isolierung gewiß nicht gesehen zu werden vermag, ganz zu geschweigen der Tatsache, daß die Ausfuhr von Kriegsmaterial aus ÖsterreichUngarn im Burenkrieg, gleichwie in anderen Kriegen, wo eine solche Ausfuhr überhaupt stattfand, die Grenze der Zulässigkeit niemals überschritten hat. Was die Berufung auf den vom Washingtoner Kabinett angeführten deutschen Schriftsteller anlangt, so ist ihr ebenso wie den daran geknüpften Konklu­ sionen der Boden wohl dadurch entzogen, daß, wie der Bundesregierung mittler­ weile gewiß bekanntgeworden ist, Herr Einicke selbst öffentlich da­ gegen Verwahrung eingelegt hat, eine Stelle seiner Abhandlung über die Neutralität im Seekrieg zugunsten der Haltung des Washingtoner Kabinetts verwertet zu sehen. Im übrigen hält es auch die k. und k. Regierung für selbst­ verständlich, daß ein neutraler Staat ein Ausfuhrverbot nicht in der Absicht er­ lasten bars, einer der Kriegsparteien zu schaden. Ebenso selbstverständlich kann aber von einem Ausfuhrverbot, welches ein Staat behufs Wahrung seiner Neutralität erlasten würbe, niemals behauptet werden, es sei dies in der Absicht geschehen, eine Kriegspartei zu benachteiligen. Die Erörterungen der Bundesregierung end­ lich, welche von der Verproviantierung von Kriegsschiffen han­ deln, beruhen augenscheinlich aus einem Mißverständnis. Bei dem Hinweis auf das Verbot der Lieferung von Kriegsschiffen und das Verbot gewister Lieferungen an Kriegsschiffe hatte die k. und k. Regierung nicht einen konkreten Fall im Auge, sondern die in den Artikeln 8, 19 und 20 der 13. Haager Konvention ausge­ sprochenen Verbote.

Die Kernfrage, auf die es ankommt, ist nach Wehberg („Deutscher Außenhandel" Nr. 10/1915) ganz richtig: Ist wirklich die Waffen- und Munitionslieferungsfrage noch genau die gleiche wie in

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den bisherigen Kriegen? . . . Man hat bereits früher wiederholt zugegeben, jener Grundsatz der freien Lieferung werde von dem all­ gemeinen Prinzip der Neutralität beherrscht und müsse in dem Augenblicke hinfällig werden, wo die in dieser Weise bewerkstelligte Unterstützung eine sehr erhebliche werde. So erklärte die amerikanische Regierung während des Sezessionskrieges, es sei unerlaubt, wenn eine Kriegspariei ihre gesamten Waffenvorräte ausschließlich von den Untertanen eines einzigen Staates her beziehe, und im Jahre 1898 berichtete der amerikanische Gesandte in Buenos Aires, Mr. Buchanen, in einer Note an Staatssekretär Hay zustimmend über eine Auf­ fassung, die ihm gegenüber der argentinische Minister des Äußern, Irrigoyen, vertreten hatte: „Während allgemein zugegeben wird, daß der Waffenhandel neutraler Privatpersonen ohne Absicht der Kriegs­ hilfe als kommerzielle Transaktion zulässig ist, sind, wenn die Derschiffung durch Agenten der Kriegsparteien in einem solchen Umfange erfolgt, daß sie zu einer wichtigen Kriegshilfe wird, die neutralen Regierungen gehalten, pflichtmäßige Sorgfalt anzuwenden, um einen solchen Handel mit einer der Kriegsparteien zu verhindern, damit nicht das neutrale Gebiet zum Zentrum von Expeditionen werde, die im Widersprüche mit der Neutralität stehen." Bei der riesigen und hundertfach gegen früher verstärkten Be­ deutung der Munition kann niemand leugnen, daß es sich hier um eine sehr wichtige „Kriegshilfe" handelt. (Siehe auch in der „Zeit­ schrift für Völkerrecht", Dd. IX, Heft 3, S. 352 ff. „Unneutrale Lieferung von Kriegsbedarf", wo mit Recht an Wilsons schöne Auf­ forderung zu wahrer Neutralität vom 19. August 1914 erinnert ist: „Wir müsien unparteiisch sein in Gedanken und Taten, müsien unsere Gefühle im Zaume halten, so gut wie jede Handlung, die als die Be­ vorzugung irgendeiner der kämpfenden Parteien ausgelegt werden könnte.") Tönende Worte, nichts als Worte! Dort die Ausfuhrziffern und der Notenwechsel vom 4. April 1915 bis 25. September 19151)2). ') Der Schiedsgerichtsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten und Österreich vom 15. Januar 1909 sagt im Artikel 1: Streitfragen juristischer Natur oder solche, betreffend die Auslegung der zwischen den hohen vertragschließenden Teilen bestehenden Verträge, sofern sie aus diplo­ matischem Wege nicht beigelegt werden konnten, sollen dem auf Grund der Kon­ vention vom 29. Juli 1899 im Haag eingesetzten ständigen Schiedsge­ richtshofe überwiesen werden, vorausgesetzt, datz solche Streitfragen nicht die vitalen Interessen, die Unabhängigkeit oder Ehre der hohen vertragschlietzenden Teile berühren und nicht die Interessen dritter Mächte betreffen. Die „Neue Freie Presse" weist nach, datz die rechtliche Möglichkeit einer

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Anrufung

des Schiedsgerichts in dem vorliegenden Falle gegeben ist,

und bemerkt -um Schluß: „Die Freundschaft, die stets zwischen der amerikanischen Bundesregierung und der Monarchie geherrscht hat, schließt es aus, daß selbst der Hinweis auf die Möglichkeit einer schiedsrichterlichen Austragung der in der Note berührten Fragen die freundschaftlichen Gesinnungen und Beziehungen zwischen beiden Neichen auch nur einen Augenblick trüben könnte. Ein Verfahren im Haag wäre selbstverständlich kein Streit zwischen der Monarchie und den Ver­ einigten Staaten, sondern ein Prozeß beider an der Aufrechterhaltung des Völker­ rechtes gleich interessierter Mächte gegen die englische Gewalttätigkeit, gegen die ja auch Präsident Wilson Proteste gerichtet hat." Die Haager Konvention von 1907 über die Rechte und Pflichten der Neutraten im Falle des Land- und Seekrieges, also die 5. Konvention über Landkrieg und die 13. Konvention über den Seekrieg, können keinen Zweifel über übrig lasten, daß neutrale Staaten nicht bloß zu striktester Neutralität, dern auch zu streng paritätischer Haltung verpflichtet sind. Die

den dar­ son­ Be­

stimmungen der beiden Konventionen besagen allerdings: „Eine neutrale Macht ist nicht verpflichtet, die für Rechnung des einen oder des anderen Kriegführenden erfolgende Ausfuhr ober Durchfuhr von Waffen, Munition sowie überhaupt von allem, was einem Heere oder einer Flotte von Nutzen sein kann, zu verhindern." Gegen den Wortlaut dieser Bestimmung hat sich also — mindestens in formaler Beziehung — die Regierung der Vereinigten Staaten nicht versündigt.

Allein

die Verhältniste brachten es mit sich, daß bei formeller Beobachtung der Vor­ schriften die Haltung der Vereinigten Staaten alles eher als paritätisch gegen die beiden kriegführenden Teile gewesen ist. Die amerikanische Industrie, d. h. in diesem Falle die Waffen- und Munitionsindustrie, hat im Verlaufe dieses Krieges einen ungeheuren Auffchwung genommen, der weit über jenes Maß hin­ ausführte, das sie im Frieden besaß, sie hat riesige Masten von Munition und anderem Kriegsbedarf an England und Frankreich geliefert und nur dadurch die weitere Kriegführung der Feinde ermöglicht.

der

Zentralmächte

Bei aller formellen Berechtigung, den Kriegführenden Waffen

zu liefern, muß doch darauf hingewiesen werden, daß es in der Einleitung zu der erwähnten Konvention heißt: „In der Erwägung, daß es eine anerkannte Pflicht der neutralen Mächte ist, die von ihnen angenommenen Regeln auf die einzelnen Kriegführenden unparteiisch anzuwenden ..."

Es liegt also auch

für die Vereinigten Staaten mindestens die Verpflichtung zu einer paritätischen Behandlung vor. Den wiederholt von England gemachten Einwand, daß eine nachträgliche Er­ lassung des Verbotes der Waffenausfuhr eine Neutralitätsverlehung wäre, pariert die österreichisch-ungarische Note mit dem Hinweis auf die E i n l e i 1 u n g

zur

13. Haager Konvention, in der es heißt: „In der Erwägung, daß von dem Grundgedanken der Unparteilichkeit aus solche Regeln im Laufe des Krieges grundsätzlich nicht geändert werden sollen, es sei denn, daß die gemachten Erfah­ rungen eine Änderung als notwendig Interessen erweisen würden . . ."

zur

Wahrung

der

eigenen

Nun wird niemand leugnen können, daß die „gemachten Erfahrungen" wäh­ rend dieses Krieges deutlich ergeben haben, daß von einer paritätischen Behänd-



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lung der verschiedenen kriegsüdrenden Teile durch die Union keine Rede sein kann. Dies führt die österreich-ungarische Note der amerikanischen Regierung in freund­ schaftlichster Form, aber mit allem Nachdruck, vor Augen. s) S. auch die Denkschrift der American Humanity League an den Präsi­ denten Wilson gegen die Waffenausfuhr aus den Vereinigten Staaten, die u. a. folgende wertvolle Ausführungen historischer Natur enthält: „Wir Unterzeichneten, Bürger der Vereinigten Staaten, einig in dem ernst­ haften Protest gegen die Waffenausfuhr an die jetzt in Europa im Kampfe liegenden Völker, richten hierdurch im Namen der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit, wie im Interesse unseres eigenen Volkes an Cie ergebenst und respektvoll die Bitte, sofort den Kongreß zu einer Sondersitzung einzuberufen zwecks Beratung und Beschlußfassung über eine Resolution, die Ihnen als Präsidenten der Vereinigten Staaten die Machtvollkommenheit gibt, jetzt und für alle Zeilen d i e Ausfuhr von Waffen, Munition und anderen Kriegsmate­ rialien zu verbieten. Wir gründen unsere Bittschrift auf die unumstößliche Tatsache, daß der Krieg ohne Waffenzufuhr bald in sich selbst ersterben muß. Die Geschichte unserer Re­ publik zeigt, daß die Regierung unseres Landes und auch die anderer Völker eifrig darauf bedacht gewesen sind, sich das Recht eines Waffenausfuhrverbotes zu wahren, wenn es die Umstände erforderten." Nun werden Beispiele für die Ausübung dieses Rechtes aus der Geschichte der Vereinigten Staaten angeführt. Die ersten beziehen sich auf solche Verbote der Vereinigten Staaten in den Jahren 1794—1812. Die Denkschrift fährt dann fort: „Am 22. April 1898 ist die Ausfuhr von Kohlen und Waffen durch Kongreßakte verboten worden. Im Jahre 1905 hat Präsident Roosevelt auf Grund der oben erwähnten Akte eine Proklamation ertasten, die die Ausfuhr von Waffen, Munition und Kriegsmaterial nach der Dominikanischen Republik verbot. Am 14. März 1912 hat der Kongreß ein Ausfuhrverbot auf Waffen usw. nach allen amerikanischen Staaten erlasten, wo der Ausbruch einer Revolution zu be­ fürchten war. Am selben Tage hat Präsident Taft ein Ausfuhrverbot nach Mexiko erlasten. Im Jahre 1913 hat Präsident Wilson ein Waffenausfuhwerbot gegen Mexiko erlasten. Im Jahre 1898 hat die deutsche Regierung die Verschif­ fung von Waffen nach Spanien verhindert. Seit Beginn dieses Krie­ ges haben praktisch alle neutralen Staaten Europas Aus­ fuhrverbote für Waffen und Kriegsmunition erlasten. Im Jahre 1853 hat das britische Parlament die Regierung ermächtigt, zu jeder Zeit ein Ausfuhrverbot auf Waffen und Munition zu erlasten. Als im Jahre 1870 die deutsche Regierung um Inkraftsetzung dieser Akte ersuchte, antwortete Ihrer Ma­ jestät erster Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten: „Es ist wahr, daß das Parlament uns ermächtigt hat, ein Ausfuhrverbot für Waffen und Munition zu erlasten. Es ist dies eine rein nationale innere Angelegenheit. Wir können die Akte anwenden oder nicht, je nachdem es die Interesten unseres Landes erfordern. Wir sind aber der Ansicht, daß die Interesten unseres Landes im gegenwärtigen Augenblick es erfordern, dieses durch Herkommen gebilligte Recht bald und wirkungsvoll auszuüben, denn andernfalls würden jene berühmten Worte unserer eigenen Neutralitätserklärung hinfällig werden, die da sagen: Wir müssen neutral sein der Sache und dem Namen nach und jede Handlung unterlassen, die einer der ringenden Parteien einen Vorteil über die andere bringen würde."

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54. Kapitel. Vermiedene andere leerechtliche Fragen. L Die Wegnahme und Beschädigung deutscher Schisse, insbesondere der „Gneisenau" in Antwerpen.

Das ursprüngliche Gerücht, daß England 34 deutsche Handels­ schiffe in die Luft gesprengt habe, erwies sich als unwahr. Nur die „Gneisenau", Eigentum des Bremer Lloyd, wurde versenkt, den andern deutschen Schiffen wurden Maschinenteile entnommen. Nach Art. 2 des 6. Haager Abkommens von 1907, das von den 6 kriegführenden Staaten Europas (autzer Serbien) ratifiziert wurde (über die Behandlung der feindlichen Kauffahrteischiffe beim Aus­ bruch der Feindseligkeiten), dürfen feindliche Kauffahrteischiffe, die in­ folge höherer Gewalt den feindlichen Hafen innerhalb der im Art. 1 1. c. zu stellenden Frist nicht verlassen konnten oder denen das Auslaufen nicht gestattet wurde, nicht konfisziert, sondern nur mit Beschlag belegt und während des Krieges zurückbehalten werden. Enteignung ist nur gegen Entschädigung möglich. Die Zerstörung der „Gneisenau" ist daher ein völkerrechtswidriger Akt (f. auch Dr. Köhler in der „D. I.-Z." 1914 Nr. 21/22 S. 1225, wo Köhler die im Kapitel 1 hier vertretene Ansicht seinerseits teilt). Für ihn wie für die Beschädigungen der Maschinen der andern Schiffe kann voller Schadensersatz verlangt werden. Die Frage der Beschlag­ nahme nichtdeutscher Schiffe durch die deutsche Regierung, die Köhler a. a. O. als Doktorfrage behandelt, kommt hier praktisch nicht weiter in Betracht. Unzweifelhaft durste Deutschland die Schiffe kriegfüh­ render Staaten als feindliche prisenrechtlich beschlagnahmen und kon­ fiszieren.

n.

Der Verkauf der „Gaben" und „Breslau" an die Türkei.

(Siehe Nr. 17 bis 28 des 2. russischen Orangebuches.) England hat rechtswidrig zwei Dreadnoughts, die die Türkei in England gekauft hatte, kurz vor Fertigstellung sich zugeeignet *); ein ähnliches Verfahren scheint es gegenüber der chilenischen, brasiliani­ schen und neuerdings der norwegischen Regierung angewendet zu haben. Die Zurückzahlung gezahlter Raten ändert nichts an dem *) Siehe die Schilderung des Vorganges in der „M.-Augsb. Abendz." (Januar 1015). Die Schiffe waren völlig bezahlt und reisefertig. Am Tage der Abnahme wurde,» sie von England weggenommen.

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einfachen Tatbestände des Diebstahls gegenüber neutralen Staaten. Dieses skrupellose Verhallen verhindert natürlich nach alter englischer Taktik anderseits nicht, über völkerrechtliche Untaten Deutschlands in dieser Richtung zu klagen. Die Abtretung unserer beiden Kampfschiffe „©oben" und „Breslau" an die Türkei hat für England und Frankreich eine unerfreuliche Überraschung gebracht. Gegen diesen Vorgang haben die Mächte des Dreiverbandes, namentlich England und Frankreich, Verwahrung eingelegt unter Berufung auf angeblich unbezweifelbare Sätze des Völkerrechts, die ihrem Auftreten zur Seite stünden; ja, sie sind nach dem Verkauf so weit gegangen, daß sie erklärten, sie würden die bei­ den Schiffe noch als deutsche Schiffe behandeln und ohne weiteres wegnehmen! (Siehe im englischen Weißbuch über die Vorgeschichte des Kriegsausbruchs zwischen der Türkei und England die Äußerun­ gen vom 3. August 1914 über das türkische Kriegsschiff „Osman I." und vom 11. August 1914.) In der Nr. 226 vom 17. August 1914 der in Bologna erscheinenden Zeitung „31 Resto del Carlino — La Patria" untersucht der Völker­ rechtslehrer Enrico Catellani die Stichhaltigkeit des rechtlichen Vor­ bringens unserer Feinde und legt schlagend dar, daß ihre Gründe unhaltbar sind. Der Art. 6 des 13. Abkommens der Haager Konferenz von 1907 lautet: „Die von einer neutralen Macht an eine kriegführende Macht aus irgendwelchem Grunde unmittelbar oder mittelbar bewirkte Ab­ gabe von Kriegsschiffen, Munition oder sonstigem Kriegsmaterial ist untersagt!" Dieser Artikel ist aber hier unanwendbar, weil nicht die Abgabe von Kriegsschiffen durch eine neutrale Macht an eine kriegfüh­ rende, sondern umgekehrt durch eine kriegführende an eine zur Zeit der Abgabe neutrale in Frage kommt. Für diesen umgekehrten Fall gibt es weder eine Vereinbarung noch eine Regel des Völkerrechts. Der Fall ist so klar, daß darüber kein Wort mehr verloren zu werden braucht. Auch die gleichzeitige Verwendung eines Teiles der Besatzung kann an dem Tatbestände nichts ändern. Die Türkei (f. englisches Weißbuch) hat ausdrücklich erklärt, daß sie die Schiffe erwarte'termaßen gegen Griechenland benötige und die für sie neuen Schiffe ohne deutsche Fachleute nicht zu lenken verstehe. (Erklärung des Grvßwesirs vom 16. August 1914.) Wir erwähnen den Fall an dieser Stelle vor allem deshalb, weil er ein neuer schlagender Beweis für die Mannigfaltigkeit englischer

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Völkerrechtsausübung ist. Hier wie im Falle „Dacia" beruft sich England direkt auf die a n a l o g e (!) Anwendung der Art. 55 und 56 (über den Flaggenwechsel) — der Londoner SeerechtsErklärung vom 16. Februar 1909, d. h. der Ausdehnung derjenigen Erklärung, die, soweit sie nicht — wie von Deutschland — in die einzelnen Prisenordnungen als Landesgesetz aufgenommen worden ist, formal unwirksam ist, weil — England bisher die Ratifizierung verweigert hat'). Sobald das englische Oberhaus die Einwilligung gegeben hätte, wäre die Ratifikation von feiten aller Großmächte rasch erfolgt. England berief sich auf jene Norm, ob­ wohl es jetzt ausdrücklich erklärt, daß es sich an die Londoner Dekla­ ration in weiterem Umfange überhaupt nicht mehr gebunden halte. Seine Bindung ist nur eine Scheinaktion, ein Schwindelmanöver! Was gilt nun eigentlich? Wenn es sich aber auf den Standpunkt des nur modifizierten Gewohnheitsrechts stellt, muß es auch die andern Bestimmungen der Deklaration als solches Gewohnheitsrecht an­ erkennen. Das berechtigt aber noch nicht, durch sogenannte „analoge Anwendung" eine für England momentan bequeme, gegensätzliche Rechtsanwendung geltend zu machen, tpic sie hier versucht wird, die völlig singulär ist, da auch der Tatbestand ein ungewöhnlicher, bisher noch nicht registrierter ist. Die Deklaration ist, wie oben festgestellt, nach Wunsch und Einverständnis aller Staaten, ein einheit­ liches Ganzes! England sucht sich dn Bestimmungen heraus. *) Da die Dreiverbanbsmächte zu wiederholten Malen erklärten, datz sie die zwei von der Türkei gekauften Schiffe als feindliche ansehen und damit die türkische Flotte angreifen würden (f. Weißbuch Englands vom 3. September 1914), gab diese Erklärung de jure der Türkei den materiellen Grund, die kriegerischen Unternehmungen zu beginnen, da sie eine offene Kriegsdrohung an die Türkei bedeutete. Die Türkei hat diese Erklärung wie die Minenlegung durch russische Schiffe in ihren Gewässern als den eigentlichen casus belli angesehen. 3m „Daily Telegraph" schreibt Archibald Hurd: „Die an den Seegefechten (Ende Oktober 1914) teilnehmenden drei Monitore „Merfey", „Humber" und „Severn" waren für Brasilien gebaut und wurden nunmehr von der Ad­ miralität gekauft." Der Kauf geschah jedenfalls erst nach der Kriegserklärung vom 4. August. Vorher schon hat man von solchen „Verkäufen" mit andern neutralen Staaten (Spanien usw.) gehört. Hier hat also England wiederholt das getan, was es soeben selbst für völkerrechtswidrig erklärt hatte. 3a, es hat wahrschein­ lich sogar mit einem mehr oder weniger sanften Drucke die neutralen Staaten g e z w u n g e n, die Schisse zu „verkaufen". Eine bessere Form für den Diebstahl an neutralen Schissen! Vnb am 19. April 1915 wurde gemeldet, dast die Londoner Regierung ihre Hand auf zwei für griechische Rechnung in England im Bau befind­ liche Kreuzer und vier Torpedoboote gelegt hat. Und all das duldet ein neutraler Staat!

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was ihm patzt, und legt es „analog" aus! Später setzte England als „Plunder" und als Ketten die ganze Londoner Deklaration autzer Kraft ((. die Verhandlungen des englischen Oberhauses vom 2. De­ zember 1915, vor allem die Rede des Earl of Portsmouth, oben Kap. 48 S. 119). Dabei zeigt das 2. russische Orangebuch (Nr. 18), datz Rußland sich nicht bloß aus § 56 der Londoner Seerechtsdeklaration beruft, sondern ausdrücklich diese, „obgleich nicht ratifiziert", so doch bei allen Mächten zur Zeit des letzten Krieges in Anwendung er­ klärt, die den Charakter eines gültigen internationalen Seegesetzes habe, das analog erst recht für Kriegsschiffe anwendbar sei. Und dieser Protest ist „nach Rücksprache mit dem französischen und eng­ lischen Botschafter" erhoben. Ein Rattenschwanz von internatio­ naler Rechtsbeugung und Verlogenheit in der Anwendung des Völkerrechts! Nach Wickinger- und Flibustierart Seeräuberei treiben — und für sich neues Seekriegsrecht konstruieren, das man den Gegnern vorenthält, ist selbst für englische Methode ungewöhnlich')! Man sagt wahrhaftig nicht zu viel, wenn man von einem S y st e m völkerrechtlicher Taschenspielerei in der britischen Seepolitik spricht: Sie wendet das Recht an, wie es der Macht frommt7)!

HI. Beschlagnahme des Lazarettschiffes „Ophelia". Rach englischen Presienachrichten wurde das deutsche Lazarett­ schiff „Ophelia", das nach dem Untergang der vier deutschen Tor­ pedoschiffe ausgeschickt war, nach Schiffbrüchigen zu suchen, von dem englischen Kreuzer „Parmouth" an der Ausführung seines Auftrages gehindert und (Mitte Oktober 1914) mit Beschlag belegt. Man begrün­ dete die Wegnahme des Lazarettschiffes mit der Behauptung, es habe *) Für die englische Heuchelei, der sich natürlich Frankreich sofort kritiklos anschlob, ist es auch charakteristisch, daß zur selben Zeit, als (s. nächstes Kapitel) der F l a g g e n b e t r u g als englisches System offiziell erklärt wurde, England aus Grund der Art. 55 und 56 der Londoner Deklaration (sic!) gegen den Verkauf deutscher Handelsschiffe an die Vereinigten Staaten von Nordamerika (Fall „Dacia" u. a.) protestierte. Abgesehen davon, dah England sich selbst durch seine Flaggenorder widerlegt und die Londoner Deklaration nicht anerkannt hat, treffen die beregten Bestimmungen der Londoner Deklaration aus diesen Fall überhaupt nicht zu. -) über neue Fragen des deutsch-englischen Seekriegs (Frage der Enlschädigungspflicht bei Zerstörung von Prisen: Fall „Glitra", Frage des Ver­ senkens von einziehbaren Handelsschiffen, feindlichen oder neutralen, über die französische und englische „Gütersperre" vom 13. und 15. März 1915, über den Angriff aus die „Dresden", endlich die Frage, ob Privatschiffe befugt sind, Minen zu beseitigen) s. Nehm, „D. 3.-8." 1915 S. 454 ff.

Minen an Bord. Als die Durchsuchung diesen Vorwand sofort als hinfällig erwies, wurde die an Bord befindliche funtentelegraphische Einrichtung als gefährlich und die Beschlagnahme des Dampfers be­ gründend bezeichnet. Die „Ophelia" wurde in einen englischen Hafen gebracht. Bezeichnend ist, daß die „Times" unterm 20. Oktober 1914 lakonisch folgendes konstatiert: „Der deutsche Dampfer „Ophelia", nach Hamburg gehörig, wurde gestern auf der Reede von Parmouth durch einen englischen Kreuzer aus der Nordsee zur Untersuchung eingebracht. Der Dampfer führte die Rote-Kreuz-Flagge, bei Be­ schlagnahme wurde eine drahtlose telegraphische Einrichtung gefunden, die ab­ getakelt wurde, außerdem war er mit 100 Betten und voller Einrichtung als Hospitalschisf ausgerüstet."

Das 10. Abkommen der II. Haager Konferenz vom 18. Oktober 1907, das hauptsächlich den Schutz der Lazarettschiffe betrifft, be­ stimmt, daß solche Schiffe nicht beschlagnahmt werden dürfen. Der Art. 8 des Abkommens erklärt ausdrücklich: „Der den Lazarettschiffen und den Schiffslazaretten gebührende Schutz hört auf, wenn sie dazu verwendet werden, dem Feinde zu schaden. Als geeignet, um den Verlust des Schutzes zu begründen, soll weder die Tatsache gelten, daß das Personal dieser Schiffe und La­ zarette zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Verteidigung der Verwundeten oder Kranken bewaffnet ist, noch die Tatsache, daß sich eine funkentelegraphische Einrichtung an Bord befindet." Diese Sätze sagen klar und unzweideutig, daß Lazarettschiffe mit funkentelegraphischer Einrichtung nicht der Beschlagnahme unter­ liegen. Das Abkommen, das diese Bestimmung enthält, ist auch von England unterzeichnet. Ratifiziert ist es aber von England nicht, während es von nahezu allen andern unbedenklich ratifiziert, d. h. zur rechtsverbindlichen Norm erhoben wurde. Deutschland, Ssterreich-llngarn, Frankreich, Rußland, Japan, selbst Haiti, die mittel- und südamerikanischen Staaten und Siam haben das Abkom­ men nicht nur unterschrieben, sondern auch ratifiziert; nur Eng­ land hat sich davon dispensiert. Durch die Unterzeichnung des Abkommens hat England zunächst anerkannt, daß es sich um allgemein anerkannte alte Grund­ sätze des Seekriegs handelt, die die Humanität erfordert. Für den moralischen Tiefstand der englischen Nation kann es kein beschämenderes Dokument geben als die Ignorierung eines Ab­ kommens, das die Anwendung der alten und ehrwürdigen Grundsätze Müller-Meiningen, Weltkrieg und Völkerrecht.

4. Sufi.

II. Bd.

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des Genfer Abkommens auf den Seekrieg bringen soll. Augenfälliger kann die brutalste Nützlichkeitspolitik des angeblichen Schützers von „Freiheit, Recht und Menschlichkeit" nicht dargetan werden, als durch die absichtliche Verhinderung der Rettung der tapferen Mann­ schaften der vier Mitte Oktober untergegangenen deutschen Tor­ pedoboote, die zum großen Teile, wie die in Schwimmwesten auf­ gefundenen Leichen zeigen, hätten gerettet werden können, wenn Eng­ land nicht diesen Völkerrechtsbruch begangen hätte. Die Einwendungen des britischen Auswärtigen Amts vom 4. November 1914, dah der Name der „Ophelia" als Hospitalschiff der britischen Regierung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt worden sei und weil es den Pflichten eines solchen entgegengehandelt hätte, wurden in einer amtlichen Mitteilung vom 7. November 1914 als völlig unwahr widerlegt: Der Name wurde am 7. September 1914 durch das Staats­ departement in Washington der britischen Regierung bekanntgegeben (Telegramm vom 26. September). An Bord befand sich nur Kran­ kenpflegepersonal, das überdies völkerrechtswidrig von England inter­ niert wurde (s. Art. 1 ff. des 10. Abkommens vom 18. Oktober 1907). Die Bestimmung der „Ophelia" war ausschließlich, die nach dem Seegefecht überlebenden Verwundeten und Schiffbrüchigen zu bergen." Die behauptete Legung von Minen durch das Lazarettschiff wurde amtlich als Verleumdung scharf zurückgewiesen. Die völkerrechtswidrige Behandlung des Sanitätspersonals kann man nicht charakteristischer schildern als im „Daily Telegraph": „Gefangen, erniedrigt, entehrt und gedemütigt, ein Gegenstand der Verachtung, langte der Zug der Gefangenen an, um nach Chatham instradiert zu werden!" So behandelt England die Genfer Kon­ vention und tapfere Gegner! Diese Völkerrechtsverletzung ist noch von einem andern Stand­ punkt aus für England besonders beschämend. Zunächst die immer wieder betonte merkwürdige Taffache: England beruft sich gegenüber Deutschland auch im Falle „Ophelia" auf das 10. Abkommen der II. Friedenskonferenz betreffend die Anwendung der Grundsätze des Genfer Abkommens auf den Seekrieg, obwohl es, wie erwähnt, diesen eigentlich selbstverständlichen, humanen Vertrag — zusammen mit Montenegro — nicht ratifizierte. Aber England ist nobel genug und verzichtet auf diese Einrede und läßt das Abkommen gelten, obwohl die Solidaritätsklausel (Art. 18 1. c.) nicht zutrifft. Also immer wieder ein neuer Beweis für die Richtigkeit der im Kapitel 1 verfochtenen Geltung aller seerechtlichen Abkommen von

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1907! Trotz Serbiens, Montenegros und — Englands Nichtratifi­ zierung der Abkommen! England handelt hier sogar ausnahmsweise einmal konsequent, da es ihm momentan nützte, so zu handeln. Als es sich nämlich darum handelte, die geretteten Seeleute der von dem wackeren deutschen U 9 in Grund geschosienen drei englischen Panzerkreuzer aus dem hollän­ dischen Neutralitätslager zu befreien, berief sich dasselbe England auf § 15 des Abkommens, das es nicht unterzeichnet hatte, indem es aus­ führte, daß die Schiffbrüchigen, d. h. die englischen Seeleute, nicht durch Kriegsfahrzeuge, die § 15 1. c. im Auge hat, sondern durch Neutrale im neutralen Gewäsier gerettet worden seien. Und es er­ reichte seinen Zweck. Das tut wiederum England, welches das Ab­ kommen über die Neutralitätspflichten zur See nicht ratisiziert hat und allüberall seinerseits (wie im Falle des deutschen Dampfer» „Wilhelm der Große") die Neutralität mißbraucht und verletzt! Ganz köstlich ist, um dies auch an dieser Stelle hervorzuheben, wie die englische Presie sich entrüstet aufbäumte, daß U9 die zwei andern englischen Schiffe torpedierte, als sie die Schiffbrüchigen des ersten retteten. Abgesehen von der ungeheuren Naivität, die darin liegt, zu verlangen, daß ein in die Luft geschosienes Schiff dem Gegner völlig genügen müßte und er dann — natürlich nur aus Re­ spekt vor England — bei selbstverständlichen Rettungsversuchen sei­ tens der andern sofort die Feindseligkeiten einstellen müßte, hat ein Staat, der sogar die Ausdehnung der Genfer Konvention auf den Seekrieg verweigert, von allen am wenigsten Anspruch auf irgend­ welche besondere Schonung! Und hier beruft sich Englands Presie auf einen „Brauch", ein Gewohnheitsrecht, das England am allerwenigsten anerkennt! England kann unbesorgt sein, die deuffche Flotte wird sich von ihr an Edelsinn nicht übertreffen lasien. Das zeigt die ausgezeichnete Haltung der wackeren, leider dahingegangenen „Emden", die alle Gefangenen fteiließ und die Engländer nur mit ihren eigenen Waffen schlug. Die andern deuffchen kleinen Kreuzer machten es nicht anders ‘). *) Wie Deutschland handelt, wenn ein Fehler seitens eines deutschen Schisses gemacht wird, zeigt folgende Mitteilung: Die deutsche Gesandtschaft im Haag (Amsterdam, 10. März 1915) veröffentlicht folgende Erklärung: „Das britische Hospitalschisf „Asturias" ist zum groben Be­ dauern der deutschen Regierung am 1. Februar 1915 5 Uhr 45 Minuten nachmittags von einem deutschen Unterseeboot durch einen Torpedoschub angegriffen worden. Die „Asturias" hatte die für ein Dampfschiff vorgeschriebenen Lichter ausgesetzt und wurde bei Beginn der Dämmerung, als man die Kennzeichen des Hospitali7*

Was Herr v. Marschall am 8. Oktober 1907 bei der Beratung des Abkommens über das Legen der Kontaktminen im Haag aussprach, gilt trotz allen englischen Spottes für unsere ganze Marine: „Die Handlungen der Kriegführung werden nicht nur durch die Bestim­ mungen des Völkerrechts beherrscht. Es gibt noch andere Faktoren: das Gewissen, der gesunde Menschenverstand und das Bewußtsein der Pflichten, die durch die Grundsähe der Menschlichkeit auferlegt werden, sind die sichersten Führer für das Verhalten der Seesoldaten und werden die zuverlässigste Gewähr gegen Mijzdräuche bilden. Die Offiziere der deutschen Kriegsmarine werden zu jeder Zeit und aus das gewisienhafteste die Pflichten erfüllen, die durch das nichtgeschriebene Gesetz der Menschlichkeit und der Zivilisation vorgezeichnet sind."

Wird Englands Flotte Gleiches mit Gleichem vergelten? Wir fürchten vielmehr, daß die von Gibfon Bowles und seinen Anhängern dem Völkerrecht ausgesprochene Kriegserklärung, die in jeder inter­ nationalen Bestimmung über den Seekrieg eine Einschränkung eng­ lischer Suprematie und damit eine unerträgliche Beleidigung des britischen Volkes erblickt, immer rücksichtsloser und offener zum eng­ lischen System wird. Das „Sink, burn and destroy" ist einziger Grundsatz derer, „die wissen, was Krieg ist"1)Erst in diesen Tagen (Dezember 1916) wurde der angeblich torpedierte englische Lazarettdampfer „Britannic" als Truppentransportschiff entlarvt. — Dem bulgarischen Hospitalschiff „Bul­ garin" wurde dagegen aus nichtigen Gründen die Eigenschaft als angemeldetes Lazarettschiff völkerrechtswidrig von Rußland ver­ weigert. (Meldung vom 30. November 1916.) 55. Kapitel. „Flaggenbetrug": foriegdlift? — Mißbrauch von Handels lchitten M kriegerilchen Unternehmungen gegen v-Doote ultv.

I. Schon im ersten Teile haben wir die „Kriegslist" als aus­ drücklich nach den Beschlüsten der beiden Haager Konferenzen (Art. 2 g schiffs nicht unterscheiden konnte, für ein Truppentransportschifs gehalten. Der abgeschossene Torpedo ging glücklicherweise vorbei. Sobald der Charakter der „Asturias" als Hospitalschlsf festgestellt war, wurde selbstverständlich von weiteren Angriffen abgesehen." Ebenso die von der ganzen neutralen Presse anerkannte loyale Erledigung der Fälle „Katwijk" (Holland) und „Belridge" (Norwegen). *) Das österreichische Kriegspresseamt meldet: „Am 18. März 1916, vor­ mittags, wurde unweit Sebenico unser Spitalschiff „Elektra" von einem feindlichen Unterseeboot bei guter Sicht und hellem Sonnenschein ohne jede War­ nung zweimal anlanciert, einmal getroffen und schwer beschädigt. Ein Matrose ist ertrunken. Zwei Krankenschwestern des Roten Kreuzes sind schwer verwundet. Eine krassere Verletzung des Völkerrechts kann man sich zur See kaum denken."

der Landkriegsordnung) erlaubt behandelt. 3m Seekriege ist sie selbstverständlich erst recht erlaubt. Sie wird von allen Seemächten in reichem Maste angewendet. Ein typisches Beispiel ist die Ver­ änderung der äußeren Erscheinung unseres kleinen Kreuzers „Emden" durch Beilegung eines vierten Schlotes usw. Auch die Führung einer feindlichen Flagge durch ein Kriegsschiff bis zum Beginn der Feindseligkeiten ist eine erlaubte Kriegslist, die die „Times" als durchaus „fair" erklärte. Ein Kriegsschiff, das bei seiner Ankunst in gewissen Küstengewässern unerkannt bleiben oder seine Absicht ver­ schleiern will, kann sich nach der fast allgemein gültigen Auffassung zu diesem Zweck der falschen Flagge bedienen. Auch wenn ein Kriegs- oder Handelsschiff sich durch Hissen der falschen Flagge ge­ legentlich einem Angriff oder der Verfolgung durch einen überlegenen Gegner im Einzelfalle entziehen will, so hält man im allgemeinen und insbesondere in englischen Marinekreisen diese Maßregel für fair. Dagegen gilt es als unzulässig, dost ein stärkeres Schiff durch falsche Flagge ein schwächeres aus neutralem Wasser oder aus sicherer Ferne heranlockt, um es dann anzugreifen. Nach allgemein anerkanntem Seebrauche, dem auch die deutschen Schiffe folgten, kann und must jedoch dieser Unklarheit der Nationalität ein kurzes Ende gesetzt werden, wenn es zum Kampfe kommt. Der erste von einem Schiff abgegebene Schuß, gleichviel ob blind oder scharf, schließt nämlich für das feuernde Schiff die zwingende Ver­ pflichtung ein, die richtige Flagge zu zeigen. Dieser Schuß, the affirming gun, le canon affirmatif, vertritt also die ehrenwörtliche Versicherung, daß die jetzt wehende Flagge die richtige ist. Er bedeutet zugleich aber auch die offizielle Aufforderung an das andere Schiff, durch einen Schuß auch seinerseits die Echtheit seiner gehißten Flagge ehrenwörtlich zu bestätigen. Bei Nichterfüllung dieser Forderung — eine weiter fortgesetzte Täuschung ist wohl ausgeschlossen — ist das auffordernde Schiff zu feindlichen Maßnahmen ohne weiteres berechtigt. („Franks. Ztg.") Es handelte sich bei alledem um Einzelerscheinungen des Flaggen­ wechsels, nicht ganz unbedenklich in der Übung. Auf der Londoner Seerechtskonferenz hat England folgenden Leitsatz 35 aufgestellt: „Ein Schiff kann nicht zu dem Zwecke unter neutrale Flagge gestellt werden, um den mit der Eigenschaft eines feindlichen Schiffes verbundenen Folgen zu entgehen." 3n der 4. Sitzung der Konferenz vom 11. Dezember 1908 erklärten die englischen Vertreter, dieser Leitsatz entspreche dem über­ einstimmenden Grundsätze, daß ein handeltreibender Angehöriger



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des kriegführenden Staates den Folgen des Krieges sich nicht dadurch soll entziehen können, daß er sein Schiss unter neutrale Flagge stellt. Dieser Grundsatz kann nicht bloß auf den Flaggenwechsel vor Ausbruch des Krieges angewendet werden, sondern mutz auch nach Ausbruch des Krieges gelten, wurde doch auf der Oxsorder Tagung des Institut de Droit International (1913) der Gebrauch falscher Flaggen allgemein als „moyen perfide et barbare“ unter­ sagt (f. auch die Broschüre von Hans Steinuth, „England und der V-Bvot-Krieg"). Etwas ganz anderes ist selbstverständlich der s y st e m a t i s ch e, von einem Staate geübte Flaggenbetrug, wie ihn England sich jetzt plötzlich zum Prinzip gemacht hat. Er ist völker­ rechtlich, moralisch und politisch verächtlich. Um ihn richtig einzu­ schätzen, ist nicht nur notwendig, an den Stolz des Union Jack zu er­ innern, der sich vermaß, das Meer zu beherrschen, und der sich jetzt jämmerlich und feige hinter den Flaggen kleiner neutraler Staaten verkriecht, sondern man muß sich auch daran erinnern, daß gerade England ohne einen Schatten eines Beweises im August und Sep­ tember 1915 die deutschen Torpedoboote aufs schärfste beschuldigte, in völkerrechtswidriger Weife sich der neutralen Flagge bedient zu haben. Auch daß angeblich deutsche Fischerboote sich fremder neutraler Flagge bedienten, wurde mit großer Entrüstung der ganzen Welt mitgeteilt. Kapitän zur See v. Kühlwetter hat in der Presie („M. N. 91." Nr. 591/1915) die englischen Bestimmungen zusammengestellt. Die Angaben sind wörtlich den Anweisungen entnommen und gelegentlich der Versenkung eines Dampfers im Atlantischen Ozean in unsere Hände gefallen und stammen aus der Zeit vom Februar bis zum August 1915. Ein Telegramm der britischen Admiralität, das an alle Schiffe weitergegeben wurde, lautet: „Die britische Schissahrt soll angewiesen werden, scharsen Ausguck nach Unter­ seebooten zu halten und entweder die Flagge eines neutralen Landes oder gar keine zu zeigen, solange die Schisse in der Rahe der britischen Inseln sind. Die britische Flagge muh gezeigt werden beim Zusammentressen mit britischen oder verbündeten Kriegsschissen. Die Housslagge soll nicht geführt werden und Kenn­ zeichen wie Name und Heimatshasen sollen unkenntlich gemacht werden. Die Flaggen, die noch dem Gesagten gebraucht werden sollen, sind folgende: Die amerikanische, italienische, skandinavische und holländische."

Die amerikanische Flagge marschiert natürlich an erster Stelle. Dann folgt ein Erlaß des Oberkommandierenden in Devonport vom 15. März 1915:

Vertraulich. „Führen neutraler Flaggen, Gebrauch falscher Namen usw." Neutrale Flaggen. „Fahrzeuge auf langen Reisen und regelmäßigen Fahrten um das Vereinigte Königreich werden mit neutralen Flaggen ausgerüstet werden, wenn sie wert­ volle Ladung haben. Die neutrale Flagge soll je nach dem Reiseweg wie folgt geführt werden: Weg: Bristol-Kanal und südlicher Teil des Irischen Kanals: 1. norwegische, griechische oder 2. italienische Flagge; Liverpool, Glasgow und nördlicher Teil des Irischen Kanals: 1. spanische, 2. norwegische Flagge; Ostküste des Königreichs: 1. irgend eine skandinavische Flagge ober — südlich von Hartlepool — 2. holländische oder spanische Flagge. Bei der Fahrt über den Kanal soll keine Flagge gesührt werben."

Weiter ist von Interesse eine vertrauliche „Admiralitäts­ Anweisung für die britischen Kauffahrteischiffe" vom März 1915, die als so geheim bezeichnet wird, daß sie nicht abge° schrieben werden darf und nur an einem sichern Ort so aufbewahrt werden soll, daß sie in kürzester Zeit vernichtet werden kann. Darin heißt es im Absatz 4: „B. Der Gebrauch falscher Flaggen und sonstiger Verkleidung durch Han­ delsschiffe, um der Aufbringung zu entgehen, ist eine fest eingebürgerte Gewohnheit in der Geschichte der Seekriege. Er ist in keiner Weise unehrenhaft. Eigner und Schisser handeln daher durchaus rechtmäßig, wenn sie jedes Mittel anwenden, den Feind irre zu führen und ihn dazu zu bringen, britische Schiffe mit neutralen zu verwechseln .... Auf dem von einem britischen oder verbündeten Kriegsschiff gegebenen Befehl, zu stoppen, oder beim Einlaufen und Verlassen eines neutralen Hafens, muß die rote Flagge (englische Handelsflagge) gesetzt werden."

Wie diese Schiffe, die ausdrücklich angewiesen werden, nur in dem einen vorgenannten Fall ihre wahre Flagge zu zeigen, ange­ wiesen werden, gegen Unterseeboote zu handeln, also auch unter neutraler Flagge, geht aus dem Absatz 2 jmter A der gleichen An­ weisung hervor. Dort heißt es: „Kein britisches Handelsschiff soll sich je zahm einem Unterseeboot ergeben, sondern sein Äußerstes tun, zu entwischen. Ein Fahrzeug, das sich ergibt, wirb sicher versenkt und die Besatzung in den Booten Wind und Wellen überlasten, aber ein Fahrzeug, das einen entschlostenen Versuch zur Flucht macht, hat ausgezeichnete Aussicht auf Erfolg. Selbst wenn bie Flucht nicht glückt und es unglücklicherweise durch ein Torpedo getroffen wird, wird die Mannschaft in den meisten Fällen reich­ lich Zeit haben, in die Boote zu gehen."

Unter C heißt es dann weiter: „Wenn ein Unterseeboot vorn nahebei auftaucht mit offenbar feindlicher Absicht, steuere recht auf es los mit höchster Geschwindigkeit und ändere den Kurs, fo daß das Boot immer rechts voraus bleibt."

Angesichts der in diesen Anweisungen liegenden Nichtachtung der Nationalflagge neutraler Staaten und ihrer Bedeutung mag darauf hingewiesen werden, daß allerdings alle internationalen Ver­ einbarungen es bisher vermieden haben, sich mit Seekriegslisten und den Dingen, die als solche erlaubt sein sollen, im einzelnen zu beschäftigen, weil es selbstverständlich ganz unmöglich wäre, solche Dinge vertraglich erschöpfend zu erfassen. Nur ganz grobe Verstöße wurden im Art. 23 der Haager Bestimmungen gebrandmarkt. So ist praktisch der Zustand der, daß mit der neutralen Flagge von Eng­ land so viel Mißbrauch getrieben wird, als der betreffende Neutrale freundwillig zuläßt oder nicht zu hindern die Macht hat. Denn daß er das Recht hat, gegen den Mißbrauch seiner Flagge einzuschreiten, kann ebensowenig zweifelhaft sein, wie daß das Unterlassen zur neutralitätswidrigen Unter­ stützung werden kann. Im „Baralong"-Fall würde eine solche ganz unzweifelhaft vorliegen, wenn die Vereinigten Staaten es stillschweigend dulden, daß das Kriegsschiff bei einer feindlichen Hand­ lung die amerikanische Flagge noch wehen hatte. Daß aber im übrigen die Vereinigten Staaten, die sich selbst die Vormacht der Neutralen nennen, für alle diese englische Willkür in der langen Note kein Wort finden, muß befremden und legte es nahe, den Umfang dieser Willkür durch englische Dokumente zu belegen. Abgesehen von dem Flaggenbetrug enthält aber eine Admirali­ tätsanweisung vom 4. August 1915 auch noch zwei weitere bemerkenswerte Absätze, die uns die englische Denkweise erschließen. „Wenn möglich, sollte der Schutz neutraler Gewässer benutzt werden — sie erstrecken sich drei Meilen von der neutralen Küste —, aber man muß nicht annehmen, daß ein feindlicher Kreuzer eine Prise nicht aufbringen würde in wenig befahrenem Gewäster eines neutralen Staates." Und weiter: „Es haben sich zwei Fälle ereignet, in denen wertvolle Schiffe freigelassen sind von deutschen Kreuzern durch die Angabe, daß die Ladung Eigentum Neutraler sei. ... Es sollte hierbei daran gedacht werden, daß die deutsche Regierung verpflichtet ist, die Neutralen zu entschädigen, wenn neutrale Ladung, abgesehen von Bannware, auf einem eng­ lischen Schiff versenkt wird. Daraus folgt, daß der Führer eines britischen Schiffes gute Aussicht hat, seine Reise fortsetzen zu dürfen, wenn die Ladung wertvoll ist und er, auf irgendeine Weise, den deutschen Prisenoffizier überzeugen kann, daß die Ladung Neu­ tralen gehört." II. Dieses England, das den Mißbrauch der neutralen Flagge

in schärfster Tonart sechs Kriegsmonate lang vertrat, erlieh nunmehr aus Angst vor den deutschen V-Booten plötzlich folgenden G e heimerlatz: „Wegen des Auftretens deutscher Unterseeboote im englischen und irischen Kanal sollen sofort alle englischen Handelsschiffe neutrale Flaggen hissen und alle Abzeichen, wie Reederei-eichen, Namen usw., verdecken. Hausflaggen sind nicht zu führen. Dieser Befehl ist geheim zu halten."

Das riesige Aufsehen, das dieser Erlaß, der in deutsche Hände kam, machte, zwang die englische Regierung, folgenden offenen Erlaß herauszugeben. Reuter meldete unterm 8. Februar 1915: Das englische Aus­ wärtige Amt veröffentlicht folgende Erklärung: „Die Benutzung einer neutralen Flagge ist als Kriegslist mit gewisien Beschränkungen in der Praxis wohl begründet (well established). Wenn Kausfahrer eine andere als ihre Nationalflagge führen, so ist ihr einziger Zweck, den Feind zu zwingen, datz er der allgemeinen Verpflichtung des Seekrieges nachkomme und sich von der Nationalität des Fahrzeuges und dem Charakter seiner Labung durch eine Untersuchung überzeuge, ehe er es beschlagnahmt und vor ein Prisen­ gericht bringt. Die englische Regierung hat die Benutzung der britischen Flagge beim Feinde stets als berechtigtes Mittel zu dem Zwecke angesehen, der Crbeutung zu entrinnen. Eine solche Praxis verletzt nicht nur in keinem Punkte das Völker­ recht, sondern ist durch das britische Recht speziell anerkannt. Der britische „Merchant Shipping Act 1894", Abschnitt 69 lautet: „Wenn jemand die britische Flagge benutzt und sich den Charakter eines Angehörigen der britischen Nation beimitzt an Bord eines Schiffes, das als Ganzes oder zu Teilen Personen gehört, denen die Eignung fehlt, ein britisches Schiff zu besitzen, und er dadurch den Schein erwecken will, daß dieses Schiff britisch sei, dann soll das Schiff auf Grund dieser Atte beschlagnahmt werben, ausgenommen in dem Falle, daß diese Vortäuschung bewirkt wurde, um der Crbeutung durch einen Feind oder durch ein ausländisches Kriegsschifs zu ent gehen." In den Instruktionen an die britischen Konsuln, die 1914 erlösten wurden, wird gesagt: „Ein Schiff kann beschlagnahmt werden, wenn es sich unrechtmäßig als britisches ausgibt, außer wenn dies geschieht, um der Erbeutung zu entrinnen." Da wir in der Praxis fremden Handelsschissen nicht verwehrt haben, die britische Handelsflagge als Kriegslist zu benutzen, um der Beschlagnahme auf See durch die Kriegführenden zu entgehen, so vertreten wir umgekehrt den Standpunkt, baß britische Handelsschiffe keinen Bruch des Völkerrechts begehen, wenn sie zu ähn­ lichen Zwecken eine neutrale Flagge annehmen, falls sie es für angebracht halten. Nach den Regeln des Völkerrechts, den Kriegsbräuchen und Vorschriften der Menschlichkeit ist es für die Kriegführenden Pflicht, den Charakter des Handels­ schiffes und seine Ladung festzustellen, bevor sie beschlagnahmen. Deutschland hat kein Recht, diese Verpflichtung zu ignorieren. Schiff und Mannschaft von Nichtkombattanten sowie die Labung zu vernichten, wie Deutschland jetzt als Ab­ sicht ankündigt, ist nichts anderes als Seeräuberel auf hoher See."

Die englische Regierung gesteht den Mißbrauch der neutralen Flagge ein, den sie zum Schutze der englischen Handelsschiffahrt vor den deutschen Unterseebooten angeordnet hat. Die Rechtfertigung, die das Londoner Auswärtige Amt für den Geheimbefehl der Admiralität vorbringt, ist ein Schulbeispiel für eine verlegene Ausrede. Die englische Rechtfertigung steht auf sehr schwachen Pützen: Es gibt nur zwei Kodifikationen des internationalen Seekriegs­ rechts, die den Flaggenwechsel während des Krieges behandeln. Die Londoner Seekriegsrechtsdeklaration von 1909 bestimmt in Artikel 56: „Der nach Beginn der Feindseligkeiten herbeigeführte Übergang eines feind­ lichen Schiffes zur neutralen Flagge ist nichtig, falls nicht bewiesen wird, dah dieser Übergang nicht herbeigeführt worden ist, um den mit der Eigenschaft eines feind­ lichen Schiffes verbundenen Folgen zu entgehen. Jedoch spricht eine unwider­ legliche Vermutung für die Nichtigkeit, wenn der Übergang herbeigeführt worden ist, während sich das Schiff auf der Reife oder in einem blockierten Hafen befand."

Dies trifft hier zu. England hat das Londoner Seerechts­ abkommen nicht ratifiziert und läßt es darum abwechselnd, wo es ihm schädlich ist, nicht als Norm für seine Seekriegführung gelten. Die englischen Vertreter auf der Londoner Konferenz haben aber diesen Normen zugestimmt und sie als allgemein übliches und geltendes Recht anerkannt. Die zweite Zusammenstellung des Seekriegsrechts, die den Flaggenwechsel behandelt, ist der Entwurf eines Handbuchs des See­ kriegsrechts, der von dem „Institut für internationales Recht" auf seiner Tagung in Oxford im Jahre 1913 gutgeheißen wurde. Im Artikel 15 dieses Handbuchs ist der Gebrauch falscher Flaggen unter­ lagt und als „moyen perfide et barbare" (niederträchtiges und rechtswidriges Mittel) bezeichnet worden. Der Referent, der in Oxford diese Bestimmung vertrat, war Herr Fauchille aus Paris, und zu den Mitgliedern der Oxforder Konferenz gehörte neben einer Reihe der angesehensten Völkerrechtslehrer aller Länder der ameri­ kanische Senator Elihu Root und — Professor Holland aus Oxford und Sir Thomas Barclay aus London. Die Mitarbeit dieser Herren hat, wie sich nun erweist, nicht verhindern können, daß das „nieder­ trächtige und barbarische Kriegsmittel" jetzt zu einem der wichtigsten Bestandteile der englischen Seekriegführung geworden ist. Die Fälle der englischen Schiffe „Lusitania" (amerikanische Flagge) und des „Laertes" (holländische) zeigen, daß das System des Flaggenbetrugs auch sofort praktisch bestätigt wurde.

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Skandinavische Schiffe berichten, daß nach dem 18. Februar 1915 bis englische Flagge in der Nordsee völlig verschwunden war'). III. In voller Übereinstimmung mit der oben vertretenen Rechts­ ansicht hat sogar die Regierung der Vereinigten Staaten, die von England jeden Schlag mit Höflichkeit entgegennimmt, in ihrer am 14. Februar 1915 veröffentlichten Note folgendes ausgeführt: „Der gelegentliche Gebrauch der Flagge einer neutralen oder feindlichen Macht unter dem Druck der Verfolgung, der nach den Berichten der Presse als ein Präzedenzfall für die Rechtfertigung des Vorgehens der britischen Regierung *) Neutrale Prebstimmen über den Mitzbrauch der neu­ tralen Flagge (s. auch Protest der holländischen Regierung im Holländischen Orangebuch): Das dänische „Extrabladet" schreibt in einem Leitartikel:__ „Man must den Deutschen recht geben: datz, wenn Deutschland die Macht hat, England aus­ zuhungern, dies nicht nur seine Aufgabe ist, sondern datz es eine Schande wäre, wenn Deutschland es nicht täte--- Wenn England jetzt den Flaggenwechsel als eine zulässige Kriegslist bezeichnet, sieht man, datz der Krieg keinerlei Grenzen für das, was zulässig ist, kennt, datz es keine Schlechtigkeit gibt, die in Kriegszeiten nicht eine schöne Erklärung und Verteidigung fände." „Aftonbladet" schreibt: „Durch ein solches Verfahren rauben die Engländer den wirklich neutralen Schiffen den Schuh ihrer eigenen Flagge__ Unter falscher Flagge segeln ist ebenso unehrenhaft, wie wenn jemand einen falschen Patz oder eine gestohlene Visitenkarte vorzeigt, um durch solche Legitimierung drohendem Ungemach zu entgehen." „Dagens Ryheter", das bisher dreiverbandsfreundlich war, schreibt, datz man die englische Handlungsweise streng verurteilen müsse; denn erstens zeuge sie von Feigheit, die man nur mit Schmerz bei der stolzen englischen Ration fest­ stelle, zweitens bringe sie die Rechte der kleinen Völker in Gefahr__ Das Blatt hatte die deutsche Meldung über den englischen Geheimbefehl als amtliche deutsche Falschmeldung und ungewöhnlich gemeinen Trick bezeichnet (!). Im allgemeinen findet die Presse diese neue Kriegslist Englands, wie „Rya Dagligt Allehanda" die englische Bekanntmachung nennt, lumpig. Domenico Gnoli schreibt an das „Giornale d'Italia", daß er beim Lesen der juristischen Darlegungen über die Blockade der englischen Küsten an die Ge­ schichte von dem Mann denken mutzte, dem ein Soldat der Schweizer Garde, als er in den Brunnen des päpstlichen Palastes gefallen war, zurief: „Nur leise ertrinken, der Papst schläft." Für Deutschland handle es sich um Leben und Tod. England will 65 Millionen Deutsche dem Hunger preisgeben. Dagegen wehre sich dieses mit allen Mitteln. ... Es gebe keine Nation, die unter gleichen Verhält­ nissen anders handeln würde. Das angesehene konservative Blatt „Berlingske Tidende" schreibt: „Die letzten Schritte der englischen Marinepolitik beginnen auch dem Gläubigsten i» Dänemark die Augen dafür zu öffnen, wer der eigentlich rücksichtslose selbstische Feind der Neutralen ist. Die eingestandene Tatsache, datz sich das angebliche Welt­ reich hinter der Flagge des kleinen Dänemark zu verstecken für gut befindet, hat das Ansehen Englands bei dem hiesigen Publikum, wie man tagtäglich höre« kann, gewaltig untergraben."

benutzt zu werden scheint, erscheint der Regierung der Bereinigten Staaten von Amerika sehr verschieden von einer ausdrücklichen Sanktionierung durch die stiegführende Regierung, datz Handelsschiffe innerhalb gewisser Zonen der See allge­ mein die Flagge einer neutralen Macht führen, in Zonen, die, wie man annimmt, von feindlichen Kriegsschiffen befahren werden sollen. Die formelle Erklärung einer solchen Politik des allgemeinen Mitzbrauchs der Flagge einer neutralen Macht gefährdet die Schiffe der Neutralen, die die Gewässer besuchen, in besonderem Matze, weil sie den Verdacht wachruft, datz sie Schiffe feindlicher Nationalität sind, was für eine Flagge sie auch führen. Angesichts der deutschen Erklärung würde die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika jeden allgemeinen Gebrauch der Flagge der Vereinigten Staaten durch britische Schiffe mit grotzer Besorgnis betrachten. Eine solche Politik würde, wenn die Erklärung des deutschen Marine­ amtes in Kraft gesetzt wird, den britischen Schiffen keinen Schutz gewähren, wohl aber die Schisse und das Leben amerikanischer Bürger ernstlich und dauernd be­ drohen. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika erwartet deshalb, datz die britische Regierung alles tut, was in ihrer Macht liegt, um die Schiffe britischer Nationalität von dem fälschlichen Gebrauch der Flagge der Vereinigten Staaten in der Zone, von der die deutsche Erklärung spricht, abzuhalten; denn eine solche Praxis würde die Schiffe einer befreundeten Macht beim Befahren der Gewäller sehr gefährden und der britischen Regierung sogar in gewissem Matze die Verantwortung für den Verlust an amerikanischem Leben und Schiffen im Falle eines Angriffs durch feindliche Seestreitkräfte aufbürden."

Und ebenso scharf wie die englische Seerechtswissenschaft und die Vereinigten Staaten wendet sich die holländische Note an England. Der Brief des holländischen Ministers des Äußern an den englischen Gesandten Iohnstone lautet u. a. im maßgebenden Teile: „Die Tatsache der Benutzung der Flagge eines anderen Staates ohne dessen Zustimmung ist stets als ein Mitzbrauch zu betrachten, und in Kriegszeiten nimmt der Mitzbrauch einen Charakter an, dessen Ernst keine Macht ignorieren kann, die die Pariser Erklärung unterzeichnete. Er kompromittiert die neutrale Flagge und verursacht Zweifel betr. neutraler Schiffe, die die eigene Flagge führen, und setzt sie der Möglichkeit aus, selbst als feindliche Schiffe angesehen zu werden und damit gefährliche Folgen davonzutragen. Ew. Exzellenz hatten die Güte, mich an die Bestimmung des Merchant Shipping Act zu erinnern, die den Mitzbrauch der britischen Flagge bestraft, autzer wenn sich ein Handelsschiff einer kriegführenden Macht dieser Flagge bedient, um die Erbeutung durch den Feind zu verhindern. Die niederländische Regierung kann nicht zugeben, datz auf diese Bestimmung die Anerkennung des Rechtes basiert werden könne, datz britische Handelsschiffe ihrerseits zu demselben Zweck die niederländische Flagge benutzten. Auch das nieder­ ländische Gesetz verbietet den Mitzbrauch der niederländischen Flagge, aber be­ handelt nicht eine Ausnahme analog dem Merchant Shipping Act, nämlich den Fall, datz eine Flagge mitzbraucht würde als Mittel, um dem Feinde zu ent­ gehen. Mangels internationaler Vorschriften, die die Dinge regelten, ist jeder Staat für sich befugt, Bedingungen aufzustellen, unter denen seine Flagge benutzt werden darf. Es steht fest, datz die britische Regierung nicht stets imstande fein wird, die Benutzung einer neutralen Flagge durch britische Hanbelsschifte zu ver­ hindern, aber die niederländische Regierung glaubt erwarten zu dürfen, datz die

britische Regierung keinen Mißbrauch sanktioniert, der die niederländische Schissfahrt den Gefahren des Krieges aussetzen würdet.

Im übrigen s. über die Entwicklung der Frage des Flaggen­ betrugs in der Folgezeit die beiden vorhergehenden Kapitel. Jedenfalls kann man sagen, daß es kaum einen größeren seefahrenden Staat der Welt gibt, dessen Neutralität England in diesem Kriege durch Flaggenbetrug usw. nicht verletzt hat'). !) D i e tollste Neutralitätsverletzung und den scham­ losesten Flaggenmißbrauch haben sich wohl die Engländer in folgenden Fällen geleistet (März 1915): Kapitän Rilsson, der einen schwedischen Frachtdampier von Spanien nach Karlskrona führte, wurde bei Dover angehalten. Eine Anzahl englischer Soldaten stieg an Bord, und ihr Befehlshaber erklärte dem Kapitän: „Ich habe Befehl, auf dem neutralen Dampfer eine Strecke weit mitzufahren, damit meine Leute auf etwa sich zeigende deutsche Unterseeboote schieben können." Obwohl der Kapitän förmlichen Protest einlegte und den Engländern in scharfen Worten bas im höchsten Grade Schimpfliche und Ehrlose ihrer Handlungsweise vorwarf, blieb die aus­ gezwungene englische Besatzung an Bord. Ähnlich gingen die Engländer gegen die amerikanische „Brynhilda" des Kapitäns John L. Duffy vor, die sie einfach mit 1 Offizier und 10 Mann besetzten, um ein deutsches U-Boot anzugreifen (!). Man wollte bei der Festsetzung der Rationalität des Schiffes den Kommandanten abschießen, wenn er dem Turm des U-Bootes entsteige (!). Das Schiff wurde trotz Protestes nach Aberdeen gebracht. Und die amerikanische Regierung? Gibt es einen größeren Frevel gegen die Neu­ tralität? Was die deutschen U-Boote von Schissen unter neutraler Flagge unter Umständen zu erwarten haben (s. insbes. Kap. 55 unten), zeigt folgende Aussage neutraler Schiffsoffiziere: Kapitän Hansten und der 1. Offizier Iansfen, beide amerikanische Bürger, von dem amerikanischen Dampfer „Oliver I. Olson", sagten übereinstimmend aus: Wir fuhren von Savannah um Schottland nach Bremen. Bei der Insel Foula im Westen Schottlands kamen von dem englischen Hilfskreuzer „Eeltic" 1 Leutnant, 1 Kadett und 6 Seeleute an Bord, die uns nach Kirkwall brachten. Während dieser Fahrt erklärte der Leutnant, der die Führung des Schiffes übernommen hatte, er würde, wenn ein deutsches U-Boot erschiene, solches mit dem „Oliver I. Olson" in Grund zu bohren versuchen. Und sogar diese Seeräubermanier lasten sich anscheinend selbständige, unab­ hängige neutrale Staaten ohne weiteres gefallen. Gegenüber einer solchen Praxis, die alle Rechtsbegriffe auf den Kopf stellt, ist jeder Akt der Kriegführung seitens der deutschen Marine, auch gegenüber jenen Staaten, die ohne schärfste Gegenmaßregeln eine solche Kriegführung dulden, erlaubt und angezeigt. 9) Holland hat den Mißbrauch der holländischen Flagge für Inländer mit hoher Strafe in seinem StGB. Art. 409 belegt, konnte aber so wenig wie Schweden, Dänemark, Norwegen, die Vereinigten Staaten usw. den systematischen Mißbrauch ihrer Flagge durch England verhindern. Auch Dänemark (§ 68 des Registriergesetzes), Norwegen (§ 423 StGB.), Schweden.

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Es ist in der gegnerischen Presse wiederholt angekündigt worden, dah nunmehr die von Churchill bereits im Jahre 1913 geplante Ein­ richtung der bewaffneten Kauffahrteischiffe nicht nur von England, sondern auch von Frankreich zur Durchführung werde gebracht werden. Die deutsche Prisenordnung von 1909 hat am 22. Juni 1914, also vor Beginn des Krieges, noch einen besonderen Nachtrag erhalten, in der nachdrücklich betont wird, daß jede feindselige Handlung eines bewaffneten Handelsschiffes als Seeraub gilt und dah gegen die Besatzung „gemätz der Verordnung über das außer­ ordentliche kriegsrechtliche Verfahren" vorzugehen ist, d. h. dah sie als Freibeuter und Piraten und nicht als reguläre Truppen behandelt werden sollen'). Mit vollem Recht kritisiert der letzte „Nauticus" die von den Engländern jetzt beliebte Methode mit folgenden Worten: „Vom rein rechtlichen Standpunkte bedeutet die englische Einrichtung des „bewaffneten" Kauffahrteischiffes eine Rückbildung der allgemein den Seehandelsverkehr auch im Kriege regelnden und schützenden Normen — vom kulturellen Gesichtspunkte einen Rückfall in die Gebräuche der Seekriegführung vergangener Jahrhunderte." IV. England, erbost durch die empfindlichen Verluste, die es erlitt, wies nunmehr also die Führer seiner Handelsschiffe an, die Kriegsschiffe, unsere Unterseeboote zu rammen, also sich deren AnSpanten und die Vereinigten Staaten verbieten den Flaggenmißbrauch: siehe auch Art. 13 der Instruktion des französischen Marineministeriums. Aus Madrid wird der „Kölln. Ztg " (am 28. April 1915) gemeldet: Der Kapitän des in Santander eingetroffenen spanischen Dampfers „Ason" hat bei der dortigen Marinekommandantur Beschwerde darüber eingereicht, dah in den nörblieben Meeren zahlreiche englische und französische Schiffe unter spanischer Flagge und mit spanischem Schiffsnamen fahren. *) Trotz zahlreicher Gegenbeweise hat die britische Admiralität immer versucht, abzuleugnen, datz auf ihre Anordnung englische Handelsdampser bewaffnet worden sind. Nun findet sich zu dieser Frage in der Pariser Monatsschrift „La Science et la Vie", und zwar bereits vom April 1914, ein Artikel, der die englischen Be­ hauptungen direkt Lügen straft. Dem Artikel sind zwei Illustrationen nach Photo­ graphien beigegeben, die die Aufstellung der Geschütze aus diesen Schissen wieder­ geben. Nach Angabe des Verfassers sind die Schisse aus Befehl des damaligen ersten Seelords Winston Churchill schon zu Friedenszeilen mit Geschützen aus­ gerüstet worden. Die Illustrationen stellen die auf dem Dampfer „Aragon" der „Royal Mail Steam Packet Co." angebrachten 12-cm-Schnellseuergeschütze dar. Das verhältnismäßig große Kaliber wurde gewählt, um T>iefe Dampfer in die Lage zu setzen, selbst mit Torpedobootszerstörern einen Kampf aufnehmen zu können, die bekanntlich meist nur Geschütze eines leichteren Kalibers führen. Der Artikel erwähnt noch, baß nach der Anordnung Churchills sämtliche Handelsdampfer Englands von einem gewissen Tonnengehalt an aufwärts mit Geschützen ausgerüstet werden sollen.

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Ordnungen zu widersetzen, sie anzugreifen, setzt Prämien dafür aus und rüstet Handelsdampfer mit Geschützen aus zu demselben Zweck. Es ist immer Völkerrecht gewesen, daß ein Schiff dadurch, daß es sich einem Kriegsschiffe widersetzt, der Aufbringung oder Wegnahme ohne weiteres anheimfällt. Mit dem Erlaß einer solchen allgemeinen Anweisung an die englischen Handelsschiffe und mit der Mitgabe von Kanonen ist also jedes englische Schiff ohne weitere Formalitäten verfallen. Wer, ohne der bewaffneten Macht eines Staates anzu­ gehören und ohne als solche kenntlich zu sein, feindselige Handlungen gegen Angehörige einer anderen bewaffneten Macht — l)-Boote — vornimmt, ist ein Freischärler — Franktireur — und gehört von Rechts wegen als Seeräuber an den Galgen. Und wenn englische Schiffe unter fremder Flagge mit solchen feindseligen Absichten fahren, machen sie sich nach Völkerrecht der sogenannten uneigentlichen Piraterie schuldig, müssen also Piratenfahrzeugen gleichgestellt werden, auch wenn dies jetzt amtlich durch die englische Regierung anbe­ fohlen wird. Auch diese ist nicht befugt, Seeräuber mit legaler Gewalt auszustatten. Die Anerkennung solcher Willkür wäre die Anerkennung der englischen Tyrannis zur See')'). Sogar seine ll-Boote versieht England mit falscher Flagge, wie der Fall „Soconia" zeigt. Dort hißte das englische O-Boot zuerst die deutsche Flagge. Die obige Bestimmung der deutschen Prisenordnung gibt ledig­ lich Jahrhunderte altes Seegewohnheitsrecht, das von allen Nationen anerkannt ist, wieder. *) , Shipping Gazette" vom 26. März 1915 schreibt: Am 18. März lies der Dampfer „Thordis" in die Docks ein. Vertreter der Gesellschaft überreichten bei der Ankunft des Schiffes dem Kapitän einen Brief der Admiralität, der folgenden Wort­ laut hat: „Von den Chefs der Admiralität bin ich beauftragt worden, mitzuteilen, bah dieselben dem Kapitän der „Thordis ' 3. M. Bell den Rang eines Leut­ nants d. R. in der K. Marine verliehen haben ... Ferner habe ich mitzuteilen, bah der König geruht, dem Leutnant Bell für feine Dienste... Boot verfolgt und beschosten und'stoppte erst, nachdem er einige Treffer erhalten hatte. Zum Verlasten des Schiffes, auf dem die grötzte Panik herrschte, wurden 45 Minuten gewährt. Danach wurde nur ein Teil der Boote herabgelasten und besetzt, und zwar hauptsächlich von Personen der Schisfsbemannung. die mit den ersten Booten eiligst weitab ruderte. Ein grober Teil der Boote, die wahrscheinlich zur Rettung aller genügt hätten, blieb unbesetzt. Nach etwa 50 Minuten mubte das ll-Boot vor einem sich rasch nähernden Fahrzeug weg­ tauchen und torpedierte den Dampfer, der erst nach weiteren 45 Minuten sank. Wenn dabei viele Pastagiere das Leben verloren, so liegt die Schuld nur an der Besatzung, weil der Dampfer, statt auf den Warnungsschub zu stoppen, floh und dadurch das ri-Boot zum Schieben zwang, und weil dann die Besatzung nur an ihre eigene und nicht an die Rettung der Pastagiere dachte, wozu reichlich Zeit und Mittel vorhanden waren. Dah das D-Boot auf die gefüllten Boote und die im Master Schwimmenden gefchosten hätte, ist eine tendenziöse Erfindung, schon weil für das Il-Boot die Munition viel zu kostbar ist. Nachdem der Dampfer stillstand, wurde natürlich kein Schutz mehr abgefeuert. Flottenkommando.

Der Fall wurde nach ziemlich scharfen Noten der beiden Re­ gierungen (s. Reutermeldung vom 12. Dezember 1915 und öster­ reichische Antwort vom 16. Dezember 1915 sowie die amerikanische Note vom 15./21. Dezember 1915 und Antwort vom 29./30. De­ zember 1915) beigelegt.

Der betreffende österreichische Offizier wurde

wegen Überschreitung seiner Instruktionen gemäß den hierfür gelte.', den Normen bestraft. Die Schadensersatzfrage wurde in entgegen­ kommender Weise trotz des pflichtwidrigen Verhaltens der schaft der „Ancona" zugestanden. Die zweite österreichische Note schließt:

Sötami-

345 Indem die k. u. k. Regierung mit den vorstehenden Ausführungen die Angelegenheit der „A m c o na" wohl als gereinigt ansehen darf, behält sie sich gleichzeitig vor, diie schwierigen völkerrechtlichen Fragen, die mit dem Unterseebootkrieg -usammemhängen, in einem späteren Zeitpunkt zur Erörte­ rung zu bringen. —

Dem „Ancona"-Falle folgte die Torpedierung der „Persi c>" am 1. Januar 1916 bei Kreta durch ein österreichisches II-Bool. über die Torpedierung des italienischen Dampfers „Port S a i b", der ein deutsches II-Boot rammen wollte, und die von dem italienischen Kapitän gezeigte gemeine Gesinnung gegen die eignen Schiffbrüchigen siehe z. B. „B. Z. a. Mittag" vom 11. Januar 1916. Das Rettungswerk des deutschen U-Bootes wurde unter dem Feuer einer herbeigeeilten englischen armierten Pacht und eines kleinen Torpedobootes ausgeführt. Das Unterseeboot hatte ohne Rück­ sicht auf die eigene Gefahr Personen vom Dampfer gerettet, die ohne sein Einschreiten vom Kapitän des Dampfers ihrem Schicksal überlasten worden wären. Das Verhalten des Kapitäns braucht eigentlich keines weiteren Kommentars. Zu­ erst versuchte er zu flreh«n, machte dann unter dem Schutz der weißen Flagge einen heimtückischen Angriffsversuch auf das Unter­ seeboot, ließ dann seine eigenen Leute im Stich und mußte vom Feinde gezwungen werden, die mit den Wellen kämpfenden schmählich Ver­ ratenen und die vom Feinde Verbundenen aufzunehmen. — Der letzte, zu Beginn 1916 noch schwebende Streitfall zwischen Deutschland und Amerika wurde durch beiderseitiges Ent­ gegenkommen endgültig beigelegt. Deutschland wird wegen des Verlusts an amerikanischen Menschenleben, der durch den Unterseebooteangriff auf die „Arabic" v-erurfacht worden ist, an Amerika eine Ent­ schädigung zahlen, ohne jedoch eine rechtliche Verpflichtung hierzu an­ zuerkennen. Amerika ist damit zufrieden, läßt also den Anspruch auf Anerkennung seiner Rechtsauffastung fallen. Die Entschädigung wird von deutscher Seite lediglich aus Billigkeitsgründen gewährt, weil sich der Beweis dafür, datz die „Arabic" versucht habe, das Untersee­ boot zu rammen, nicht hat führen lasten. Lag ein Angriffsversuch von Seite der „Arabic" aber nicht vor, so entsprach die Torpedierung objettiv nicht den den Führern deutscher Unterseeboote von ihren Vor­ gesetzten erteilten Instruktion««. Damit ist jedoch keineswegs gesagt, daß sie nicht trotzdem nach dem Völkerrecht zulässig gewesen wäre. Aus den deuffchen Insttuktivnen kann Amerika einen Rechtsanspruch nicht herleiten. Die Schadenvergütung ist also eine freiwillige. VI. Ein englisches „Weißpapier" faßte im Januar 1916 die Haltung der englischen Marrneverwaltung und Regierung gegenüber

i>er Konterbandefrage und der Sperre gegen Deutschland kurz dabin zusammen: Erstens fei Deutschlands überseeische Ausfuhr fast ganz lahmgelegt. Aus­ nahmen seien in Fällen gemacht worden, wo die Anweisung, die Ausfuhr von Gütern nicht -u gestatten, den Neutralen geschadet hätte, ohne Deutschland Schaden ."zufügen. Zweitens würden alle Güterfrachten nach neutralen Ländern, die an Deutschland grenzen, sorgsam untersucht, um die Güter, die für den Feind bestimmt seien, zu entdecken. Wo Grund für die Annahme vorhanden sei, daß eine einzige solche Bestimmung vorliege, würden die Güter vor das Prisengericht gebracht und in zweifelhaften Fällen zurückgehalten, bis genügende Garantien gegeben wären. Drittens würden auf Grund der bestehenden Abkommen mit kaufmännischen Körperschaften in verschiedenen neutralen Ländern, die an Deutschland grenzen, strenge Garantien von den Importeuren verlangt und, soweit möglich, der Handel mit dem neutralen Lande eingeschränkt. Viertens durch Abkommen mit Schiffahrtslinien und durch die strenge Anwendung des Mittels, Bunkerkohle zu verweigern, sei ein grober Teil der neutralen Handelsflotte, die mit Skandinavien und Holland Handel treibt bewogen worden, Bedingungen zuzustimmen, die verhindern sollen, bafe von diesen Schiffen Güter verfrachtet werden, welche den Feind erreichen. Fünftens werde jeder Versuch gemacht, Kontingente für die Einfuhr nach den neutralen Ländern festzusetzen, wodurch es erreicht werde, dab die Neutralen nur so viel erhalten, als sie normalerweise für ihren Bedarf be­ nötigen. (S. deutsche Presie vom 4. Januar 1916.)

Dieses Weitzpapier bestätigte schon damals die brutale Verge­ waltigung des neutralen Handels durch Vernichtung der Grund­ sätze der Londoner Deklaration, die im Oktober 1914 noch als „gül­ tiges internationales Seerecht" von der russischen und englischen Re­ gierung (s. 2. Orangebuch Nr. 17/19) geltendgemacht worden war') und die (s. oben Kap. 46 ff.) allmählich völlig über Bord geworfen wurden. l) Greys Blockaderede vom Dezember 1915 hat Mr. Bottomley so wenig überzeugt wie Lord Northclisfe. Dieser englische Kleon, der die Ansichten und Gefühle der englischen Raste sehr getreu ausdrückt, veröffentlicht in einer Nummer seines „John Bull", des gelesensten englischen Wochenblattes, unter der Über­ schrift: „Genug mit diesem neutralen Unsinn" (Januar 1916) einen Aufsatz, der ausführt, das englische Volk halte dafür, dab es in diesem Krieg „keine halben Mabregeln geben könne und dab, wer nicht für England sei, gegen England sei". Es sei überzeugt, dab es den Krieg nur deshalb bisher nicht gewonnen habe, weil seine Regierung den Neutralen erlaubt habe, „Deutschland zu füttern und auf den Beinen zu halten". Alles deute aber daraus, dab die Geduld John Bulls erschöpft sei, und dab er seine Regierung demnächst zwingen werbe, „Holland und Schweden und dem Rest der Neutralen", die Deutschland füttern, ohne Umschweife zu sagen: „Hört damit aus, oder wir erklären euch den Krieg!" Es sei ein unerhörter Skandal, dab den Neutralen erlaubt werde, auf Kosten Englands

VII. Endlich schien auch der amerikanische Stolz, wenigstens bei seiner Volksvertretung, etwas zu erwachen! Dies zeigte die Verhandlung des Senats vom 29. Januar 1916. Washington, 29. Januar 1916. (Durch Funkspruch vom Vertreter tos W. T. B.) Eine Petition, die ein amerikanisches Munitionsaussuhrverbot nach Europa verlangt und von Millionen von Männern und Frauen aus allen Staaten der Union unterzeichnet ist, wurde durch den Verein amerikanischer Frauen für entschiedene Neutralität dem Senate überreicht. Sie veranlaßte eine heftige Debatte. Die Petition protestiert aus Menschlichkeitsgründen dagegen, daß aus Amerika Gegenstände ausgeführt werden, die von den Kriegführenden -um Töten benützt werden, und betont, daß Deutschland während des spanisch-amerikanischen Krieges seinen Bürgern nicht erlaubte, Waffen und Munition an Spanien zu verkaufen. Senator K e n y o n (Iowa), der Einbringer eines Antrages für ein Munitions­ ausfuhrverbot, sagte bei der Überreichung der Petition: Die Unterzeichner dieser Petition sind weder englandfreundlich noch deutschfreundlich, sondern Freunde Amerikas, der Menschlichkeit und des Christentums. Die ungeheure Verschiffung von Werkzeugen zur Tötung von Menschen ist nicht von der Menschlichkeit ein­ gegeben, sondern von dem kaltblütigen Entschluß, Geld zu machen. Kenyon sagte, zu dem Gebot „Du sollst nicht töten" müßte man jetzt hinzusetzen: „Du sollst nicht anderen helfen, zu töten". Das Land dürfte die Täuschung nicht dulden, als ob Wohlstand daraus entstehen würde, wenn man Europa helfe, seine Männer zu töten. Der Klang des Dollars könne den Schrei des Leidens von den Schlachtfeldern Europas her nicht übertönen. Nach dem Völkerrecht möge es ganz in der Ordnung fein, mit diesen Sachen zu handeln, aber es sei gegen das Sittengesetz. Am Sonntag für den Frieden zu beten und die Woche dazu zu verwenden. Kriegswaffen herzustellen, sei nichts als, gerade herausgesagt, Heuchelei. Die demokratischen Senatoren Martine und Ahurst und der Republi­ kaner C l a p p sprachen für das Ausfuhrverbot. Der Demokrat Robinson drang darauf, die Senatoren möchten die Regie­ rung nicht so schnell zu einer Politik ermächtigen, die, falls das Land in einen Krieg verwickelt werden sollte, ihm seine Leistungsfähigkeit zur Herstellung großer Waffen­ mengen nehmen würde. Der Republikaner Works verlangte das Ausfuhrverbot im Interesie der Ver­ einigten Staaten und sagte zur Begründung: Die Verwicklungen, die zwischen uns und auswärtigen Mächten entstanden sind, sind das Ergebnis dieses Munitionshandels. Der Demokrat La ne sagte: Ich befürchte, wir werden früher oder später für unseren Waffenhandel Rechenschaft zu geben haben, und ich bedaure es, daß das Volk dieses Landes es vorteilhaft gefunden hat, auf dies Geschäft einzugehen. Der Demokrat H i t ch o k beantragte die Überweisung der Petition an den Handelsausschuß anstatt an den auswärtigen Ausschuß und sagte: Das ist keine auswärtige Angelegenheit, sondern eine rein heimische Frage; sie betrifft die Integrität unb Solidarität unseres Volkes. Es bildet sich ein Haß zwischen den enorm viel Geld zu verdienen, und sie könnten England als Feinde nicht halb so viel schaden, als sie es heute tun; „denn dann können wir ihnen alle Lebensmittelzufuhr abschneiden, und da keiner dieser Staaten sich selbst ernähren kann, wird die ganze Bande schnell Hunger leiben".

grojzcn Bestandteilen unserer Bevölkerung, die im Auslande geboren sind. Für diese Leute entspricht es nicht der menschlichen Natur, wenn sie grotze Industrien unseres Landes damit beschäftigt sehen, tödliche Waffen herzustellen, mit denen ihre Anverwandten drautzen getötet werden sollen, still und gefühllos beiseite zu stehen. Senator Smoot gab der Befürchtung Ausdruck, datz ein Ausfuhrverbot augenblicklich die auswärtigen Beziehungen des Landes trüben könne. Der Demokrat Clarke sprach für das Ausfuhrverbot, erklärte aber, es fei eine Frage der auswärtigen Politik. Der Republikaner L a F o l l e t t e sagte: Diese Crllärung von mehr als einer Million Menschen ist von besorgniserregender Bedeutung, es ist der Schrei der allgemeinen Menschlichkeit im Lande, die keinen Ausdruck in der organisierten Presse finden kann, deren sich Interessenten bemächtigt haben, welche die Ehre des Landes in Geld ausmünzen. Dieser bisher erlaubte Waffenhandel entspricht gültigen Präzedenzfällen des Völkerrechts, aber in den letzten 18 Mv' naten sind die Grundlagen des Völkerrechts erschüttert worden. Die Aufrecht­ erhaltung unseres Rechtes, Waffen zu verkaufen, ist der Lebensatem zur Ver­ längerung des Krieges in Europa gewesen. Senator Wal sh griff in seiner Senatsrede Englands Einmischung in den amerikanischen Handel mit den Neutralen an und sagte: Wenn die Alliierten nicht Vernunft annehmen wollen, so müssen wir aufhören, mit ihnen Handel zu treiben. Er trat für Vergeltungsmatzregeln ein, sprach sich jedoch nicht für ein Ausfuhrverbot von Munition aus. Er betonte erneut, datz England und die Alliierten beabsichtigten, den Eingriff in das Recht Amerikas auf freien Handel noch unerträglicher zu machen. Walsh besprach besonders die Beschlagnahme und das Zensieren der amerikanischen Post und verlas einen Abschnitt aus einer ver­ traulichen Anweisung an die britischen Zensoren. Die Paragraphen, die Walsh vorlas, lauten folgendermaßen: Aus geeigneter Korrespondenz sollen Auszüge über alle direkten Verschiffungen nach Europa gemacht und Listen darüber angelegt werden: also von Verschiffungen von einem neutralen Staate zum anderen, ein­ schließlich der Verschiffungen mit durchgehenden Frachtbriefen, in folgenden Waren: Kakao, Baumwolle, Baumwollgarn, Abfälle, Zwirn, Heiz- und Schmieröl, Fetten. Häuten, Leder, Mais, Metallen und Erzen aller Art. Schlietzlich wurde die Petition dem Ausschuß für auswärtige Angelegen­ heiten überwiesen. Der Vertreter von Boston, G a l l i v a n, sagte in seiner Rede im Repräsen­ tantenhause zur selben Zeit, er glaube, datz die gefährlichste Propaganda im Lande heutzutage nicht die der sogenannten Bindestrich-Amerikaner, sondern die von Leuten sei, die in ihren Ansichten sehr englandsreundlich seien. Gallivan griff den Teil der Presse an, der nach seiner Meinung englandfreundlich ist, und sagte, er sympathisiere nicht mit den Menschen, die von der Idee besessen seien, datz die einzige Mission Amerikas in der Welt darin bestünde, England zu retten.

VIII. Ganz anders die Wilsonsche Regierung. Wie aus heiterem Himmel tauchte plötzlich anfangs Februar 1916 die Forde­ rung derselben auf, datz Deutschland erklärte, datz die Torpedierung der „Lusitania" „ungesetzlich" gewesen sei. Niemand begriff, wie plötzlich die Frage, die praktisch in concreto längst überholt.

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durch die Bereitwilligkeit des Schadenersatzes erledigt erschien, eine neue weit drohendere Gestalt annehmen konnte, da der verlangte Ausspruch der Ungesetzlichkeit der Torpedierung der „Lusitania" für jeden Vernünftigen trotz der größten Friedensliebe auf deutscher Seite fast moralischer und militärischer Selbstmord für die deutsche Kriegführung fein mutzte ‘). Der Anspruch barg das Verlangen des völligen Aufgebens des v-Boot-Krieges in sich ’). 4) Berlin, 11. Februar 1916. Der Vertreter der „New Dort World" in Berlin, Herr v. Wiegand, hatte mit dem Reichskanzler v. Bethmann Hollweg eine Unterredung, über die er den folgenden Bericht gibt: Der Reichskanzler sagte: „Was Ihre Regierung verlangt, ist eine Demüti­ gung, die wir unmöglich hinnehmen können. Ich bin weit gegangen, um die herzlichen und freundschaftlichen Beziehungen mit Amerika, welche -wischen Ihrem Lande und Deutschland seit dem Tage bestanden, da vor 125 Jahren Preußen als eine der ersten Nationen Amerikas Unabhängigkeit in seinem ftrftgt mit England anerkannte, aufrecht zu erhalten. Sie misten, daß ich in der ganzen Frage eine entgegenkommende und versöhnliche Gesinnung Ihrem Lande und dem Volke gegenüber gezeigt habe. Ich war und bin willens, Amerika alles zuzugestehen, was Deutschland innerhalb der Grenzen der Vernunft und Billigkeit, innerhalb der Grundsätze des Rechtes und der Ehre gewähren kann. Ich kann aber eine Erniedrigung Deutschlands und des deutschen Dolkev nicht zugestehen, selbst um den Preis nicht, Amerika zu besänftigen und eine Fort­ dauer der herzlichen Beziehungen mit Ihrem Lande zu sichern, die jeder wahre Deutsche wertschätzt und aufrichtig wünscht, ausgenommen um den Preis der nationalen Demüttgung. Ich sage Ihnen das nicht leichten Herzens, aber indem ich Ihnen das erkläre, bin ich mir der Tatsache dewutzt, daß ich das Empfinden des gesamten deutschen Volkes -um Ausdruck bringe." a) Auch die Politik der kleinen Nadelstiche, -. B. die schnöde Behandlung und Abberufung des in München beliebten amerikanischen Generalkonsuls Gaffney, ohne ihn auch nur gehört zu haben, verstimmte, in Deutschland autzerordentlich.

62. Kapitel. Venklchritt der Aailerlich Deuttchen fUgierung «der die 2ZeHandlung bewaffneter Dtauttahrteitchitte born 8. Februar 1916

(mit 12 Anlagen). I.

1. Schon vor Ausbruch des gegenwärtigen Krieges hatte die britische Regierung englischen Reedereien Gelegenheit gegeben, ihre Kauffahrteischiffe mit Geschützen zu armieren. Am 26. März 1913 gab der damalige Erste Lord der Admiralität, Winston Churchill, im britischen Parlament die Erklärung ab (Anlage 1), daß die Admi­ ralität die Reedereien aufgefordert habe, zum Schutze gegen die in gewissen Fällen von schnellen Hilfskreuzern anderer Mächte drohen­ den Gefahren eine Anzahl erstklassiger Liniendampfer zu bewaffnen, die dadurch aber nicht etwa selbst den Charakter von Hilfskreuzern annehmen sollten. Die Regierung wollte den Reedereien dieser Schiffe die notwendigen Geschütze, die genügende Munition und ge­ eignetes Personal zur Schulung von Bedienungsmannschaften zur Verfügung stellen. 2. Die englischen Reedereien sind der Aufforderung der Admi­ ralität bereitwillig nachgekommen. So konnte der Präsident der Royal Mail Steam Packet Company Sir Owen Philipps den Aftionären seiner Gesellschaft bereits im Mai 1913 mitteilen, daß die größeren Dampfer der Gesellschaft mit Geschützen ausgerüstet seien; ferner veröffentlichte im Januar 1914 die britische Admiralität eine Liste, wonach 29 Dampfer verschiedener englischer Linien Heckgeschütze führten. 3. In der Tat stellten bald nach Ausbruch des Krieges deutsche Kreuzer fest, daß englische Liniendampfer bewaffnet waren. Bei­ spielsweise trug der Dampfer „La Correntina" der Houlder-Linie in Liverpool, der am 7. Oktober 1914 von dem deutschen Hilfskreuzer „Kronprinz Wilhelm" aufgebracht wurde, zwei 4,7 zöllige Heck­ geschütze. Auch wurde am 1. Februar 1915 ein deutsches Untersee­ boot im Kanal durch eine englische Jacht beschosien. II.

1. Was den völkerrechtlichen Charakter bewaffneter Kauf­ fahrteischiffe betrifft, so hat die britische Regierung für die eigenen

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Kauffahrteischiffe den Standpunkt eingenommen, daß solche Schiffe so lange den Charakter von friedlichen Handelsschiffen behalten, als sie die Waffen nur zu Verteidigungszwecken führen. Demgemäß hat der britische Botschafter in Washington der amerikanischen Regierung in einem Schreiben vom 25. August 1914 (Anlage 2) die weitestgehenden Versicherungen abgegeben, daß britische Kauffahrteischiffe niemals zu Angriffszwecken, sondern nur zur Verteidigung bewaffnet werden, daß sie infolgedesien niemals feuern, es sei denn, daß zuerst auf sie ge­ feuert wird. Für bewaffnete Schiffe anderer Flaggen hat dagegen die britische Regierung den Grundsatz aufgestellt, daß sie als Kriegs­ schiffe zu behandeln seien; in den Prize Court Rules, die durch die „Order in Council" vom 5. August 1914 erlassen worden sind, ist unter Nr. 1 der Order I ausdrücklich bestimmt: „ship of war shall include armed ship“.

2. Die deutsche Regierung hat keinen Zweifel, daß ein Kauf­ fahrteischiff durch die Armierung mit Geschützen kriegsmäßigen Cha­ rakter erhält, und zwar ohne Unterschied, ob die Geschütze nur der Verteidigung oder auch dem Angriff dienen sollen. Sie hält jede kriegerische Betätigung eines feindlichen Kauffahrteischiffes für völ­ kerrechtswidrig, wenn sie auch der entgegenstehenden Auffassung da­ durch Rechnung trägt, daß sie die Besatzung eines solchen Schiffes nicht als Piraten, sondern als Kriegführende bchandelt. 3m einzel­ nen ergibt sich ihr Standpunkt aus der im Oktober 1914 der ameri­ kanischen Regierung und inhaltlich auch anderen neutralen Mächten mitgeteilten Aufzeichnung über die Behandlung bewaffneter Kauf­ fahrteischiffe in neutralen Häfen (Anlage 3). 3. Die neutralen Mächte haben sich zum Teil der britischen Auffaffung angeschlosien und demgemäß bewaffneten Kauffahrteischiffen der kriegführenden Mächte den Aufenthalt in ihren Häfen und Reeden ohne die Beschränkungen gestattet, die sie Kriegsschiffen durch ihre Neutralitätsbestimmungen auferlegt hatten. Zum Teil haben sie aber auch den entgegengesetzten Standpunkt eingenommen und be­ waffnete Kauffahrteischiffe Kriegführender den für Kriegsschiffe gel­ tenden Neutralitätsregeln unterworfen. III.

1. 3m Laufe des Krieges wurde die Bewaffnung englischer Kauffahrteischiffe immer allgemeiner durchgeführt. Aus den Berich­ ten der deutschen Seestreitkräfte wurden zahlreiche Fälle bekannt, in denen englische Kauffahrteischiffe nicht nur den deutschen Kriegsschiffen

bewaffneten Widerstand entgegensetzten, sondern ihrerseits ohne wei­ teres zum Angriff auf sie übergingen, wobei sie sich häufig auch noch falscher Flaggen bedienten. Eine Zusammenstellung solcher Fälle findet sich in der Anlage 4, die nach Lage der Sache nur einen Teil der wirklich erfolgten Angriffe umfasien kann. Auch geht aus der Zusammenstellung hervor, datz sich das geschilderte Verhalten nicht auf englische Kauffahrteischiffe beschränkt, vielmehr von den Kauf­ fahrteischiffen der Verbündeten Englands nachgeahmt wird.

2. Die Aufklärung für das geschilderte Vorgehen der bewaff­ neten englischen Kauffahrteischiffe enthalten die in den Anlagen 5 bis 12 photographisch wiedergegebenen geheimen Anweisungen der britischen Admiralität, die von deutschen Seestreitkrästen auf weg­ genommenen Schiffen gefunden worden sind. Diese Anweisungen regeln bis ins einzelne den artillerifsifchen Angriff englischer Kauf­ fahrteischiffe auf deutsche Unterseeboote. Sie enthalten genaue Vor­ schriften über die Aufnahme, Behandlung, Tätigkeit und Kontrolle der an Bord der Kauffahrteischiffe übernommenen britischen Geschützmannschaften, die z. B. in neutralen Häfen keine Uniform tragen sollen, also offenbar der brisischen Kriegsmarine angehören. Vor allem aber ergibt sich daraus, datz diese bewaffneten Schiffe nicht etwa irgendeine feekriegsrechtliche Matznahme der deutschen Unter­ seeboote abwarten, sondern diese ohne weiteres angreifen sollen. In dieser Hinsicht sind folgende Vorschriften besonders lehrreich: a) Die „Regeln für die Benutzung und die sorgfältige Instand­ haltung der Bewaffnung von Kauffahrteischiffen, die zu Verteidigungszwecken bewaffnet sind" (Anlage 5) bestim­ men in dem Abschnitt „Gefecht" unter Nr. 4: „es ist nicht ratsam, das Feuer auf eine größere Entfernung als 800 Aards zu eröffnen, es fei denn, daß der Feind bereits das Feuer vorher eröffnet hat". Grundsätzlich hat hiernach das Kauffahrteischiff die Aufgabe, das Feuer zu eröffnen, ohne Rücksicht auf die Haltung des Unterseeboots. b) Die „Anweisungen, betreffend Unterseeboote, herausgegeben für Schiffe, die zu Verteidigungszwecken bewaffnet sind" (Anlage 9, 10) schreiben unter Nr. 3 vor: „Wenn bei Tage ein Unterseeboot ein Schiff offensichtlich verfolgt, und wenn dem Kapitän augenscheinlich ist, daß es feindliche Absichten hat, dann soll das verfolgte Schiff zu seiner Verteidigung das Feuer eröffnen, auch wenn has Unterseeboot noch keine

353 entschieden feindliche Handlung, wie B. Abfeuern eines Geschützes oder eines Torpedos, begangen hat." Auch hier­ nach genügt also das bloße Erscheinen eines Unterseeboots im Kielwasser des Kauffahrteischiffes als Anlaß für einen bewaffneten Angriff.

In allen diesen Befehlen, die sich nicht etwa nur auf die See­ kriegszone um England beziehen, sondern in ihrem Geltungsbereich unbeschränkt sind (vergl. für das Mittelmeer Anlage 12), wird auf die Geheimhaltung der größte Nachdruck gelegt, und zwar offenbar deshalb, damit das völkerrechtswidrige und mit den britischen Zu­ sicherungen (Anlage 2) in vollem Widerspruch stehende Vorgehen der Kauffahrteischiffe dem Feinde wie den Neuttalen verborgen bleibe. 3. Hiernach ist klargestellt, daß die bewaffneten englischen Kauf­ fahrteischiffe den amtlichen Auftrag haben, die deuffchen Untersee­ boote überall, wo sie in ihre Nähe gelangen, heimtückisch zu über­ fallen, also rücksichtslos gegen sie Krieg zu führen. Da die Seekriegs­ regeln Englands von seinen Verbündeten ohne weiteres übernommen werden, muß der Nachweis auch für die bewaffneten Kauffahrtei­ schiffe der anderen feindlichen Staaten als erbracht gelten. IV.

1. Unter den vorstehend dargelegten Umständen haben feindliche Kauffahrteischiffe, die mit Geschützen bewaffnet sind, kein Recht mehr daraus, als friedliche Handelsschiffe angesehen zu werden. Die deut­ schen Seestreitkräste werden daher nach einer kurzen, den Interessen der Neutralen Rechnung tragenden Frist den Befehl erhalten, solche Schiffe als Kriegführende zu behandeln. 2. Die deutsche Regierung gibt den neutralen Mächten von die­ ser Sachlage Kenntnis, damit sie ihre Angehörigen warnen können, weiterhin ihre Person oder ihr Vermögen bewaffneten Kauffahrtei­ schiffen der mit dem Deutschen Reiche im Kriege befindlichen Mächte anzuvertrauen. Berlin, den 8. Februar 1916. (Svnderbeilage der „Nordd. Allg. Ztg." Nr. 41 vom 11. Februar 1916.)

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Anlage 1 Erklärung des Ersten Lords der Admiralität, Winston Churchill, in der Sitzung des briüschen Unterhauses vom 26. März 1913.

(Parliamentary Debates, Official Report. 3rd Session of the 30th Parliament, House of Commons, 1913, Bd. 1, S. 1776 bis 1777.)

(Übersetzung.)

Ich wende mich nun zu einer Seite des Handelsschutzes, die be­ sondere Beachtung verdient. Auf der zweiten Haager Konferenz und der Londoner Konferenz wurde es klar, datz einige Großmächte sich das Recht vorbehalten haben, Handelsschiffe in Kreuzer umzuwan­ deln, und zwar nicht nur in den eigenen Häfen, sondern auch, wenn nötig, auf hoher See. Man hat jetzt guten Grund, anzunehmen, datz eine beträchtliche Anzahl fremder Handelsdampser durch Be­ waffnung mit Geschützen schnell in bewaffnete Schiffe umgewandelt wird. Der überseeische Welthandel folgt wohlbekannten Seestratzen, auf denen fast überall der Schiffsraum der britischen Handelsmarine bei weitem vorherrscht. Unsere Dampfer in regelmätziger Fahrt mit Nahrungsmitteln und unsere Schiffe mit Rohstoffen, die diesen Seehandelsstratzen folgen, würden in gereiftem Umfange fremden be­ waffneten und in der beschriebenen Weise ausgerüsteten Schiffen be­ gegnen. Wenn die britischen Schiffe keine Bewaffnung hätten, so würden sie auf Gnade oder Ungnade jedem fremden Schiffe mit einem Geschütz und einiger Munition ausgeliefert sein. Es wäre offenbar unsinnig, der Möglichkeit einer beträchtlichen Anzahl frem­ der bewaffneter Hilfskreuzer auf hoher See durch den Bau einer entsprechenden Zahl von Kreuzern zu begegnen. Dadurch würde man, um eine Sondergefahr abzuwenden, unser Land zu einer Aus­ gabe veranlasien, die auher allem Verhältnis zu den Ausgaben stände, die irgendeiner fremden Macht durch die Herbeiführung dieser Ge­ fahr verursacht werden. Feindliche Kreuzer werden, wo immer sie sich finden losten, von britischen Kriegsschiffen gestellt und bekämpft werden, aber das richtige Gegenmittel gegen ein bewaffnetes Han­ delsschiff ist ein anderes Handelsschiff, das zur eigenen Verteidigung bewaffnet ist. Auf diese Sachlage die Aufmerksamkeit der Reeder zu lenken, hat sich die Admiralität genötigt gesehen. Wir haben uns für berech­ tigt gehalten, ihnen die Gefahr für Leben und Eigentum auseinander-

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zusetzen, die entstehen würde, wenn ihre Schiffe vollständig unfähig wären, gegen irgendeinen Angriff Widerstand zu leisten. Die Reeder haben der Aufforderung der Admiralität mit Eifer entsprochen, und wesentliche Fortschritte sind in ihrer Durchsührung gemacht, indem als Verteidigungsmatznahme Vorsorge getroffen ist, eine Anzahl erstflaffiget britischer Liniendampfer mit Abwehrmitteln gegen den An­ griff eines fremden bewaffneten Hilfskreuzers auszurüsten. Obwohl diese Schiffe selbswerständlich einen vollständig anderen Charakter haben als die zu ordnungsmäßigen Hilfskreuzern bestimmten Han­ delsschiffe, wie wir sie durch das Cunardabkommen erlangen, fo glaubt die Admiralität doch, daß der Hauptanteil der für die Aus­ rüstung notwendigen Kosten nicht den Reedern zur Last fallen sollte: wir haben uns deshalb entschlossen, die notwendigen Geschütze leih­ weise herzugeben, die Munition zu liefern und für die Ausbildung von Leuten der Schiffsbesatzungen zu Geschützbedienungsmannschaf­ ten zu sorgen. Die Reeder ihrerseits haben die nicht erheblichen Kosten für den erforderlichen Umbau zu bezahlen. Die britische Han­ delsmarine wird selbswerständlich den Schutz der Königlichen Kriegs­ flotte unter allen Umständen genießen: es ist aber offenbar unmög­ lich, allen einzelnen Schiffen, die auf ihren Reisen über die ganze Welt zerstreut sind, Sicherheit vor einem Angriffe zu gewähren. Keiner wird behaupten, daß er diese Maßnahmen nicht mit Bedauern betrachte und mit der Hoffnung, daß der Zeit des Rückschritts auf der ganzen Welt, die sie nötig machte und die wir jetzt durchleben. Tage größeren Vertrauens und besserer Verständigung zwischen den Völ­ kern folgen werden. Anlage 2. Auszug aus der amtlichen Veröffentlichung des Staatsdepartements der Bereinigten Staaten von Amerika.

„European War No. 2, Diplomatie Correspondence with Belligerent Governments relative to Neutral Rights and Duties“,

S. 41. (Übersetzung.)

Der britische Botschafter an den Staatssekretär. Nr. 289. Britische Botschaft, Washington, den 25. August 1914. Mein Herr: Mit Beziehung auf Herrn Barclays Noten Nr. 252 und Nr. 259 vom 4. und 9. August, die den von Seiner Majestät 23*

356 Regierung in der Frage der bewaffneten Handelsschiffe eingenommenen Standpunkt völlig aufklären, und im Hinblick darauf, bofo eine Anzahl bewaffneter britischer Handelsschiffe demnächst die Häfen der Bereinigten Staaten von Amerika aufsuchen werden, habe ich die Ehre, zu wiederholen, daß die Bewaffnung von britischen Handels­ schiffen lediglich eine Vorsichtsmaßregel darstellt, die zum Zwecke der Verteidigung gegen Angriffe feindlicher Fahrzeuge getroffen wor­ den ist. Ich bin zugleich von Seiner Majestät Erstem Staatssekretär für die auswärtigen Angelegenheiten mit Weisung versehen worden, der Regierung der Vereinigten Staaten die weitestgehenden Versicherun­ gen zu geben, daß britische Handelsschiffe niemals zu Angriffszwecken verwendet werden, daß sie ausschließlich dem friedlichen Handel die­ nen und nur zur Verteidigung bewaffnet sind, daß sie niemals feuern werden, wenn nicht zuvor auf sie gefeuert worden ist, und daß sie unter keinen Umständen jemals ein Schiff angreifen werden.

Ich habe usw. Cecil Spring-Rice.

Anlage 3.

Aufzeichnung der deutschen Regierung betteffend die Behandlung bewaffneter Kauffahrteischiffe in neutralen Häfen, vom 13. Oktober 1914. Nach einer amtlichen Mitteilung der „Westminster-Gazette" vom 21. September 1914 hat das Staatsdepartement in Washington die Entscheidung getroffen, daß Schiffe einer kriegführenden Macht, die mit Bewaffnung und Munition versehen sind, gleichwohl in ame­ rikanischen Häfen als Kauffahrteischiffe behandelt werden sollen, so­ fern die Bewaffnung ausschließlich Verteidigungszwecken dient. Diese Entscheidung trägt den Grundsätzen der Neutralität nicht genügend Rechnung. Zweck der artilleristischen Ausrüstung der britischen Kauffahrtei­ schiffe ist der bewaffnete Widerstand gegen die deutschen Kreuzer. Ein solcher Widerstand ist völkerrechtswidrig, weil sich ein Kauf­ fahrteischiff gegen ein Kriegsschiff nicht militärisch Derlei-

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digen darf; er würde dem Kriegsschiff das Recht geben, das Kauffahrteischiff mit Mannschaft und Passagieren in den Grund zu bohren. (Es kann bezweifelt werden, ob derart be­ waffnete Schiffe überhaupt in die Häfen eines neutralen Staates aufgenommen werden dürfen. Jedenfalls können aber solche Schiffe in neutralen Häfen keine bessere Behandlung genießen wie die zur legitimen Kriegführung bestimmten eigentlichen Kriegsschiffe: sie würden also mindestens den Regeln unterworfen fein, die der neu­ trale Staat zur Beschränkung des Aufenthalts der Kriegsschiffe krieg­ führender Staaten erlaßen hat. Wenn die amerikanische Regierung ihrer Neutralitätspflicht da­ durch zu genügen glgubt, daß sie die Zulassung bewaffneter Kauf­ fahrteischiffe auf die lediglich zur Verteidigung eingerichteten Schiffe beschränkt, so muß darauf hingewiesen werden, daß es für den kriegs­ mäßigen Charakter eines Schiffes auf den Unterschied zwischen An­ griffs- und Verteidigungswaffen nicht ankommt, daß vielmehr die Bestimmung des Schiffes zu kriegerischer Betätigung irgendwelcher Art entscheidend ist. überdies bieten Beschränkungen im Umfang der Bewaffnung keine Gewähr dafür, daß derart bewaffnete Schiffe nicht doch gegebenenfalls zu Angriffszwecken verwendet werden ’). 4) Die Haltung der Neutralen zu der Note war nicht überall klar, obwohl sie in deren eigenstem Intereste lag: Das Kauffahrteischiff braucht nur die Fahne niederzuziehen, damit die Rettung der Pastagiere zur Pflicht werde (§ 17 der im Jahre 1913 im Institut de droit international in Oxford festgesetzten Regeln des Seekrieges). Die holländische Regierung, wie aus dem Orangebuch von 1915 auf Seite 31 zu ersehen sei, betrachtet bewaffneten Widerstand eines feindlichen Handelsdampfers als gefetzmätzig, aber sie stellt, was die Zulassung fraglicher Schiffe in holländischen Gewästern anbetrifft, bewaffnete Handelsschiffe Kriegs­ schiffen gleich. Deshalb würden solche bewaffneten Handelsschiffe in den hollän­ dischen Gewästern nur mit einigen Ausnahmen einlaufen dürfen.

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.FZ- .^£- zu verhüten. Über diesen Schritt Lorl> Grcns liegt folaendcr Dral gbericbt vor' C| ';C iai" [eben Lord Erey richtete in einem Schreibe", o 11 Botschafter in London die Ausme- lsamwit des Botschafters au i üdung von der■ 2 Regierung icm: c nrv '-erseeboolssie-ilc Me Vraris angenommen, habe, KauffaKrtcischifsc ohne Warnung und ohne Rücksicht auf das Leben von Pc.f;'.'.gieren und Besatzung zu ver. senken, der Llapilän eines Handelsschiffs, der Mastregeln ergriff, die die ein m e Aussicht zu bieten schienen, nicht nur sein Schiss, sondern auch das Leben aller Mann an Bord zu retten, wegen dieser d'at mit Überlegung kaltblütig erschossen worden sein könnte. Wenn die deutsche Regierung in der Tat in dem Falle des britischen Untertanen, der sich in ihrer Gefangenschaft befand, ein derartiges Verbrechen be­ gangen haben sollte, so sei es augenscheinlich, dost damit eine äusterst ernste Lage entstanden sei. Er, Grey, sei daher im 9tamcn der bri­ tischen Regierung zu der Bitte genötigt, durch die Berliner Botschaft der Vereinigten Staaten möchte eine dringende Untersuchung dar-

über veranstaltet werden, ob der Bericht in der Presse über die Er­ schießung des Kapitäns Fryatt wahr sei. Als Antwort darauf übersandte der amerikanische Botschafter in London eine Abschrift der Telegramme des amerikanischen Botschaf­ ters in Berlin über die Einzelheiten bezüglich seiner Intervention in dieser Angelegenheit. Lord Greys Beschwerde war grundlos und seine rechtlichen Darlegungen gehen von falschen Voraussetzungen aus. Alan braucht nicht einmal an den Fall „Baralong" und an andere Verbrechen eng­ lischer „Seehelden" zu erinnern, um die Entscheidung des deutschen Feldgerichts, das den Kapitän Fryatt verurteilte, als vollständig dem Recht entsprechend zu erkennen. Es handelt sich hier in der Tat nicht um eine Wiedervergeltung im eigentlichen Sinne, d. h. um die Ver­ geltung eines Unrechts durch ein anderes Unrecht, sondern das deutsche Gericht befand sich ohne Einschränkung auf dem Boden an­ erkannten, geltenden Rechts, als es den Kapitän Fryatt verurteilte. Fryatt war Kapitän eines Handelsdampfers, nicht eines Kriegs­ schiffes. Er war also nicht Angehöriger einer bewaffneten Macht. Wenn er trotzdem, wie einwandfrei festgestellt ist, den Versuch machte, ein deutsches Kriegsschiff, nämlich das Unterseeboot U 33, zu rammen, so hat er damit nach allgemein anerkanntem Kriegsrecht als Franktireur die Todesstrafe verdient. Er hätte auch dann zum Tode ver­ urteilt werden müssen, wenn es keinen „Baralong"-Fall gegeben hätte. Die Behauptung Lord Greys, daß Fryatt gewistermatzen in Not­ wehr gehandelt habe, also zu seiner Tat berechtigt gewesen sei, weil „die deutsche Unterseebvotflotte die Praxis angenommen habe, Kauf­ fahrteischiffe ohne Warnung und ohne Rücksicht auf das Leben von Pastagieren und Besatzung zu versenken", ist schon deshalb falsch, weil der angegebene Grund nicht besteht. Grey argumentiert hier mit einer Unwahrheit. Grey muhte wisten, dah Deutschland in seiner Rote an Amerika vom 5. Mai 1916 ausdrücklich erklärt hat, „dah Weisung an die deutschen Seestreitkräfte ergangen ist, in Beobachtung der allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze über Anhaltung, Durch­ suchung und Zerstörung von Handelsschiffen auch innerhalb des See­ kriegsgebietes Kauffahrteischiffe nicht ohne Warnung und Rettung der Menschenleben zu versenken, es sei denn, dah sie fliehen oder Widerstand leisten". Grey muh auch wisten, dah sich unsere Seestteitträfte seitdem streng an diese Weisung gehalten haben. Es lag also nicht der geringste Grund vor, den Fall Fryatt anders zu beur­ teilen als den irgendeines Franktireurs auf dem Lande.

3*2

In den Äußerungen der englischen Regierung liegt aber auch eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit. Kapitän Fryatt versuchte nicht, einem warnungslosen Ünterwasserangriff eines V-Bootes zu­ vorzukommen. Das O-Boot war über Wasser und hatte ihn nach den völkerrechtlichen Regeln des Kreuzerkrieges über Wasser durch ein Signal zum Stoppen aufgefordert. Deshalb hat er auch nicht versucht, das Leben seiner Besatzung zu retten, denn das war gar nicht in Gefahr. Fryatt ließ vielmehr am 28. März 1915 das H-Boot, das sich seinem Schisse zwecks Untersuchung näherte, nahe herankommen, um es dann in hinterlistiger Weise plötzlich zu rammen und dadurch zu vernichten, um so die von der englischen Regierung ausgesetzte Belohnung zu verdienen. Das war keine Verteidigung, sondern der heimtückische Überfall eines gedungenen Mörders. 2. England bauschte diesen „Fall" zu einer Kapitalsache aus, um die ganze Welt gegen die „Hunnen" in neue Aufregung zu bringen. Siehe die Verteidigung des englischen Standpunkts in der Reuter-Meldung vom 3. August 1916 und die Antwort der deut­ schen Regierung darauf. Wir heben daraus nur folgendes hervor: Festzustellen ist zunächst, daß die englische Regierung verschweigt, daß sie selbst ihre Handelsschiffe auffordert, jedes Unterseeboot, sobald es gesichtet wird, anzugreifen, und zwar ohne eine feindselige Hand­ lung desselben abzuwarten, daß sie für die Vernichtung deutscher Unterseeboote Prämien aussetzt und daß sie dem Kapitän Fryatt für die von ihm behauptete Vernichtung eines deutschen Unterseebootes eine Prämie gegeben hat. Festzustellen ist ferner nochmals, weil Reuter hier zu verdrehen versucht, daß Fryatt nicht deshalb zum Tode verurteilt wurde, weil er sich verteidigte, sondern weil er einen heim­ tückischen Überfall zu dem Zwecke unternommen hat, um sich durch die Vernichtung des Unterseebootes die ausgesetzte Prämie zu verdienen. Wenn demnach für die Bestrafung Fryatts auch die Frage, ob ein feindliches Handelsschiff sich gegen ein anhaltendes Kriegsschiff verteidigen darf, gar nicht zur Anwendung kommt, sei doch kurz auf die Frage eingegangen, weil Reuter sie zur Irreführung der öffent­ lichen Meinung als für die Beurteilung der Sache maßgebend miß­ braucht. Wiederholt wird daher, was schon in der deutschen Denk­ schrift vom 8. Februar 1916 zum Ausdruck kam, daß Deutschland im allgemeinen ein Recht zur Verteidigung nicht anerkennt. Ob Eng­ land auf einem anderen Standpunkt steht, ist gleichgültig: denn Rechtswidriges wird dadurch nicht Recht, daß England, weil seinen Zwecken frommend, es als Recht hinzustellen sucht. Oder will Eng-

land etwa auch behaupten, daß sein schamloser, allem Völkerrecht ins Gesicht schlagender Hungerkrieg gegen die wehrlose deutsche Bevölkerung ein Recht sei, weil es ihn als Recht hinstellt? In dieser Beziehung hat ja bekanntlich die letzte Note der Vereinigten Staaten schon klar genug gemacht, was von solchen englischen Behauptungen über Recht und Unrecht zu halten ist. Die Zeit war einmal, daß Deutschland alles das unbesehen als richtig hingenommen hat, was englische Prisengerichte zur Verteidigung der jeweiligen seeräuberi­ schen Zwecke Englands als „Recht" hinstellten. Der Deutsche hat für Urteile über Moral, Sitten und Recht aus englischem Munde nur ein Achselzucken, zumal wenn sie aus dem Eng­ land der „Baralong"-Mörder, des „King Stephen" und. der irischen Schlächtereien kommen. Besonders eigenartig berührt aber ein solches Urteil angesichts des in diesen Tagen bekannt gewordenen Falles des Heldenmädchens von Loos, das für den feigen und hinterlistigen Mord von fünf deutschen Soldaten einen englischen Orden erhielt'). Die bereits vom Jahre 1909 stammende und 1914 im Reichs­ gesetzblatt veröffentlichte Deutsche Prisenordnung (Art. 99) droht übrigens der Besatzung eines neutralen Schiffes, die der Durchsuchung gewaltsamen Widerstand entgegensetzt, im Einklang mit dem Völker­ recht Bestrafung „nach Kriegsgebrauch" an. In den Prisenordnun­ gen der fremden Länder wird nichts anderes bestimmt sein. Der Fall Fryatt kann für die Neutralen also nur eine Bestätigung dafür sein, daß Deutschland gewillt ist, die anerkannten Regeln des Seekriegs nicht durch englische Willkür und Ungesetzlichkeit außer Achtung kom­ men zu lassen. *) Wie weit die Kriegspsychose selbst die englischen Minister ergriffen hat, zeigt folgende Reuter-Meldung vom 1. August 1916: Asquith erklärte im Unter­ baust: „Zu meinem innigen Bedauern muh ich mitteilen, dah die Ermordung Fryatts durch die Deutschen aus Wahrheit beruht. Die englische Regierung hat mit tiefer Entrüstung von diesem abscheulichen Verbrechen gegen das Völkerrecht und den Kriegsgebrauch Kenntnis genommen. Da gleichzeitig Grausamkeiten gegen die Bevölkerung von Lille und anderen besetzten Landesteilen von Frankreich ge­ schahen, so ergibt sich daraus, datz die deutschen Oberbefehlshaber unter dem Einflutz der militärischen Gesetze ihre Politik der Schreckeinjagung wieder aufgenommen haben. Es ist nicht möglich, vorauszusagen, zu welchen Abscheulichkeiten die Deutschen noch schreiten werden. Die englische Regierung wünscht jedoch nach­ drücklich ihren Beschluß wiederholt auszusprechen, datz, wenn die Zeit gekommen ist, diese Missetaten nicht ungestraft gelassen werden sollen. Wenn die Zeit ge­ kommen ist, wird die Regierung die Missetäter, wer sie auch sein mögen und wie hohe Posten sie auch bekleiden mögen, zur Rechenschaft ziehen. In Fällen, wie dem vorliegenden, ist der Mann, auf besten Befehl dieses System angewendet wurde, das diese Mistetat hervorgebracht hat, der wohl am meisten Schuldige.

64. Kapitel. Die nochmalige Präzisierung der bisherigen Entwicklung der Dinge im l^-DootS-lktriege gegenüber den Vereinigten Staaten seitens der deutschen Legierung vom 10. Mar? 1016.

Der Kaiserliche Botschafter in Washington hat im Austrage der Kaiserlich Deutschen Regierung dem Staatssekretär der Vereinigten Staaten folgende Mitteilung gemacht: Die Kaiserliche Regierung legt Wert darauf, die bisherige (£ntWicklung noch einmal mit aller der Offenheit zu präzisieren, die den freundschaftlichen Beziehungen der beiden großen Völker und dem ehrlichen Wunsch der Kaiserlichen Regierung, diese vor allen Trü­ bungen zu bewahren, entspricht. Bei Beginn des Krieges hat die deutsche Regierung auf Vorschlag der Vereinigten Staaten von Amerika sich sofort bereit erklärt, die Londoner Seekriegsrechts-Erklärung zu ratifizieren. Die deutsche Prisenordnung wurde schon vorher auf Grund der Bestimmungen der Londoner Seekriegsrechts-Erklärung ohne jede Einschränkung er­ lassen. Dadurch wurde anerkannt, daß die geltenden Bestimmungen des Völkerrechts, die dem legalen Handel der Neutralen — auch mit den Kriegführenden — „Freiheit des Meeres" sicherten, deutscherseits in vollem Umfange berücksichtigt werden sollten. England hat es im Gegensatz hierzu abgelehnt, die Londoner Seekriegsrechts-Erklärung zu ratifizieren, und begann nach Ausbruch des Krieges den legalen Handel der neutralen Staaten zu beschränken, um dadurch Deutsch­ land zu treffen. Den systematischen Verschärfungen der Konterbande­ bestimmungen vom 5. August, 20. August, 21. September und 29. Oktober folgte am 3. November 1914 der Erlaß der britischen Admiralität, daß die ganze Nordsee als ein Kriegsgebiet anzusehen sei, in welchem die Handelsschiffahrt jeder Art den schwersten Gefahren durch Minen und Kriegsschiffe ausgesetzt sei. Der Protest der neutralen Staaten hatte keinen Erfolg. Schon von diesem Zeitpunkt an gab es kaum noch Freiheit des neutralen Handels mit DeutschDie Frage, welche sofortigen Gegenmatzregeln getroffen werden können, beschäftigt augenblicklich die Regierung auf das ernsteste. Ich hoffe, binnen kurzem mitteilen zu können, daß wir ein Gesetz annehmen müssen, woraus hervorgeht, datz wir uns weigern, das deutsche Volk in der Gemeinschaft der Nationen zu dulden, bevor solche Missetaten bestraft worden sind (!)." — In diesen Tagen (Dezember 1916) wird ein ganz analoger Fall lCaledonia-Fall) gemeldet, in dem ein deutsches 0-Bool angriffsweise gerammt werden sollte.

3*5

land. 3m Februar 1915 sah Deutschland sich gezwungen, Gegenmatz­ regeln zu treffen, die das völkerrechtswidrige Verhalten der Gegner bekämpfen sollten. Es wählte für feine Gegenmatznahmen neue Kriegsmittel, deren Verwendung im Völkerrecht überhaupt noch nicht geregelt war, brach damit kein geltendes Recht, sondern trug nur der Eigenart der neuen Waffe — des O-Bootes — Rechnung. Der Gebrauch der neuen Waffe muhte die Bewegungsfreiheit der Neu­ tralen einschränken und bildete eine Gefahr, der durch besondere War­ nung begegnet werden sollte, entsprechend der vorausgegangenen eng­ lischen Warnung vor den Gefahren des Kriegsgebietes der Nordsee. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika trat, da beide kriegführenden Parteien, in der deutschen Note vom 17. Februar 1915 und in der englischen Note vom 18. und 20. Februar 1915, den Anspruch erhoben, datz ihr Vorgehen nur Vergeltung der Nechtsbrüche der Gegner sei, an beide kriegführenden Parteien heran, um nochmals zu versuchen, das vor dem Kriege anerkannte Völker­ recht wieder zur Geltung zu bringen. Sie forderte einerseits Deutsch­ land auf, den Gebrauch seiner neuen Waffe den Bestimmungen für die alten Seekriegsmittel anzupassen, andererseits England, Lebens­ rnittel für die nichttämpfende Bevölkerung Deutschlands zur Vertei­ lung unter amerikanischer Kontrolle passieren zu lassen. Deutschland erklärte am 1. März 1915 seine Bereitwilligkeit, während England am 15. März eine Verständigung auf Grund der amerikanischen Vorschläge ablehnte. England beseitigte sogar durch seine Order vom 11. März 1915 den letzten Rest der völkerrechtsmätzigen Freiheit des neutralen Handels mit Deutschland und dessen neutralen Nachbarländern; der Zweck war, Deutschland durch Aus­ hungerung zu bezwingen. Trotzdem entsprach Deutschland im weite­ ren Verlauf des Krieges, nachdem bei verschiedenen Gelegenheiten gegen seinen Wunsch und Willen neutrale Bürger ums Leben ge­ kommen waren, in der prattischen Verwendung seiner 0-Boots-Waffe den Wünschen der Regierung der Vereinigten Staaten in so entgegen­ kommender Weise, datz die Rechte der Neutralen auf legalen Handel tatsächlich deutscherseits überall unbeschränkt waren. Nunmehr machte England dem v-Boot die Ausübung des den Völkerrechtsbestimmungen entsprechenden Handelskriegs dadurch un­ möglich, daß es nahezu sämtliche Handelsschiffe bewaffnete und an­ griffsweisen Gebrauch der Geschütze anordnete. Die Photographien der englischen Befehle sind den neutralen Regierungen mit der Denk­ schrift vom 8. Februar 1916 zugestellt worden. Die Befehle wider­ sprechen den Erklärungen des englischen Botschafters in Washington Müller-Meiningen, Weltkrieg und Völkerrecht. 4. Ruft.

II. Bd.

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386 vom 25. August 1914. Die Kaiserlich Deutsche Regierung hat gehofft, datz dies Tatsachenmaterial die neutralen Regierungen auf Grund der von der Regierung der Vereinigten Staaten am 23. Januar d. 3. ge­ machten Entzvaffnungsvorschläge instand setzen würde, die Entwaff­ nung der Handelsschiffe durchzusetzen. Tatsächlich ist aber die Be­ waffnung mit Geschützen von unseren Gegnern mit großer Energie weiter betrieben worden. Der Grundsatz der amerikanischen Regierung, ihre Bürger von feindlichen Handelsschiffen nicht fernzuhalten, wurde von England und seinen Alliierten dazu benutzt, Handelsschiffe für den Angriff zu bewaffnen. So können nämlich Kauffahrteischiffe die ll-Boote leicht zerstören und sich im Falle des Mitzglückens ihres Angriffs durch die Anwesenheit amerikanischer Bürger an Bord gesichert glauben. Der Befehl des Waffengebrauchs wurde ergänzt durch die Wei­ sung an die Führer der Handelsschiffe, falsche Flaggen zu führen und die Il-Boote zu rammen; die Nachrichten über ausgezahlte Prämien und Verleihung von Ehrenzeichen an erfolgreiche Handelsschiffsführer zeigen die Wirkung dieser Befehle. Diesem englischen Vorgehen haben sich die Verbündeten angeschlossen. Jetzt steht Deutschland vor der Tatsache: a) daß eine völkerrechtswidrige Blockade (vergl. amerikanische Note an England vom 5. November 1915) seit einem Jahr den neutralen Handel den deutschen Häfen fernhält und Deutschlands Ausfuhr unmöglich macht, b) daß völkerrechtswidrige Verschärfungen der KonterbandeBestimmungen (siehe amerikanische Note an England von, 5. November 1915) seit eineinhalb Jahren den für Deutsch­ land in Frage kommenden Seeverkehr der neutralen Nach­ barländer verhindern, c) daß völkerrechtswidrige Eingriffe in die Post (siehe amerika­ nisches Memorandum an England vom 10. Januar 1916) jede Verbindung Deutschlands mit dem Ausland zu verhin­ dern streben, d) daß systematisch gesteigerte Vergewaltigung der Neutralen nach dem Grundsatz „Macht über Recht" den Verkehr mit Deutschland über die Landgrenzen unterbindet, um die Hungerblockade der friedlichen Bevölkerung der Zentral­ mächte zu vervollständigen.

387 e) bafe Deutsche, die von unseren Feinden auf See angetroffen werben, ohne Rücksicht darauf, ob Kämpfer ober Nicht­ kämpfer, der Freiheit beraubt werden, k) bafe unsere Gegner ihre Handelsschiffe für den Angriff be­ waffnet und dadurch die Verwendung des 11-Bootes nach den Grundsätzen der Londoner Deklaration unmöglich gemacht haben (siehe deutsche Denkschrift vom 8. Februar 1916). Das englische Weißbuch vom 5. Januar 1916 über die Unter­ bindung des deutschen Handels rühmt, datz durch diese Maßnahme Deutschlands Ausfuhrhandel fast völlig unterbunden, feine Einfuhr vom Belieben Englanbs abhängig gemacht ist. Die Kaiserliche Regierung darf hoffen, daß gemäß den freundschaftlichen Beziehungen, die in einer hundertjährigen Vergangenheit zwischen den beiden Völkern bestanden haben, der hier dargelegte Standpunkt trotz der durch das Vorgehen unserer Feinde erschwerten Verständigung zwischen beiden Völkern von dem Volk der Vereinig­ ten Staaten gewürdigt werden wird. Am 10. April 1916 erfolgte die Antwort Deutschlands auf die amerikanische Anfrage in Sachen der Dampfer „Sussex", „Manchester Engineer", „Englishman", „Verwind Vale" und „Eagle Point". Auch diese Rote (s. nächstes Kapitel) zeigt das gewissenhafteste Ein­ gehen der deutschen Regierung auf die amerikanischen Beschwerden. Der Schluß lautet: „Sollte der amerikanischen Regierung weiteres Material zur Beur­ teilung des Falles „Sussex" zur Verfügung stehen, so darf die deutsche Re­ gierung um dessen Mitteilung bitten, um auch dieses Material einer Prüfung unterziehen zu können. Für den Fall, bafr sich hierbei Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Regierungen ergeben sollten, erklärt sich die deutsche Regierung schon jeht bereit, den Tatbestand durch eine gemischte llntersuchungskommission gemäß dem dritten Titel des Haager Abkommens zur friedlichen Erledigung inter­ nationaler Streitfälle vom Oktober 1907 feststellen zu lassen')." ') Über „Tubantia" in Allg. Z." vom deutsches, 10 gefahren war.

die außerordentlich merkwürdige Torpedierung der holländischen der Nacht vom 15. auf 16. März 1916 s. die Note der „Nordd 15. Juni 1916, die beweist, daß die „Tubantia" offenbar auf ein Tage vorher abgeschossenes, nicht explodiertes Torpedo auf­

65. Kapitel. Deutschland bor dem kriege mit den Vereinigten Staaten: Ultimatum an Deutlchland (der „Kullex-Fall" insbelondere). Deuttchlands nachgiebige Antwort born Mai 1916. I. Antwort Deutschlands auf eine amerikanische Anfrage in Sachen des v-Boot-Krieges.

Auf die Anfrage der Regierung der Vereinigten Staaten wegen der Angriffe auf den Dampfer „Susiex" und andere Schiffe ist dem Berliner amerikanischen Botschafter am 10. April 1916 nachstehende Antwort erteilt worden: Der Unterzeichnete beehrt sich. Seiner Exzellenz dem Botschafter der Ber­ einigten Staaten von Amerika, Herrn James W. Gerard, auf die Schreiben vom 29. und 30. vorigen Monats sowie vom 3. d. M. (Nr. 8876, 8850 A, 8901, 8902, 8933 und 9010) über die Dampfer „Susiex", „Manchester Engineer", „Englishman", „Verwind Vale" und „Eagle Point" mitzuteilen, datz die erwähnten Fälle gemätz den diesseitigen Noten vom 30. und 31. v. M. und vom 4. und 5. d. M. von dem Admiralstab der Marine einer sorgfältigen Prüfung unterzogen worden sind, die zu nachstehenden Ergebnisien geführt hat 1. Englischer Dampfer „Verwind Vale". Ein Dampfer, der möglicherweise der „Verwind Vale" gewesen ist, wurde am 16. März 1916 abends in Sicht des Leuchtfeuers von Bullrock an der irischen Küste von einem deutschen Unterseeboot angetroffen. Sobald der Dampfer das über Wasier fahrende Unter­ seeboot bemerkte, drehte er ab und lief weg. Er wurde durch einen Warnungsschuß zum Stoppen aufgefordert, beachtete aber die Warnung nicht, sondern löschte sämtliche Lichter und versuchte zu entkommen. Daraufhin wurde er beschossen, bis er stopple und ohne weitere Aufforderung mehrere Boote zu Wasier fierte. Nach­ dem die Besatzung in die Boote gegangen war und genügend Zeit erhalten hatte, um wegzurudern, wurde das Schiff versenkt. Der Name dieses Dampfers ist nicht festgestellt. Auch mit Hilfe der An­ gaben, die von seiten der amerikanischen Botschaft gemacht worden sind, lätzt sich nicht mit Sicherheit sagen, datz der vorstehend geschilderte Vorfall den „Verwind Vale" betrifft. Da aber der versenkte Dampfer ein Tankdampfer war, ebenso wie der „Verwind Vale", dürste die Identität der Schiffe anzunehmen sein; in diesem Falle würde allerdings die dortige Annahme, daß der „Berwinb Vale" ohne Warnung torpediert worden sei, mit den Taffachen in Widerspruch stehen. 2. Englischer Dampfer „Englishman". Dieser Dampfer wurde am 24. März 1916 von einem deutschen Unterseeboot etwa 20 Seemeilen westlich von Islay durch zwei Warnungsschüsie zum Stoppen aufgefordert, lief aber weiter, ohne sich um die Warnung zu kümmern, und wurde daher von dem Unterseeboot durch Artillerieseuer nach längerer Verfolgung gezwungen zu stoppen, worauf er ohne weitere Aufforderung Boote aussetzte. Nachdem der deutsche Kommandant sich davon überzeugt hatte, daß die Besatzung in die Boote ge­ stiegen und vom Schiff weggerudert war, versenkte er den Dampfer. 3. Englischer Dampfer „Manchester Engineer". Durch die bisherige Untersuchung hat sich nicht feststellen lasien, ob der Angriff auf diesen

3«9 Dampfer, der nach der dortigen Darstellung am 27. Mär- in der Höhe von Waterford stattgefunden hat, auf ein deutsches Unterseeboot zurückzuführen ist. Die Angaben über Ort und Zeit geben keinen genügenden Anhalt für die Unter­ suchung. Es wäre daher erwünscht, genauere Angaben über Ort, Zeit und Begleit­ umstände des der amerikanischen Regierung gemeldeten Angriffs zu erhalten, damit daraufhin die Untersuchung -um Abschlutz gebracht werden kann. 4. Englischer Dampfer „Eagle Point". Dieser Dampfer wurde am 28. März, vormittags, etwa 100 — nicht 130 — Seemeilen von der Sübwestküste Irlands entfernt, von einem deutschen Unterseeboot durch Signal und Schutz aufgefordert zu stoppen, lief jedoch weiter. Daraufhin wurde auf ihn geschossen, bis er stoppte und ohne weitere Aufforderung zwei Boote zu Wasser brachte, in die sich die Besatzung begab. Nachdem sich der Kommandant überzeugt batte, datz die Boote, die Segel gesetzt hatten, vom Dampfer freigekommen waren, versentte er den Dampfer. Zur Zeit der Versenkung herrschte Nordnordwestwind von Stärke 2, nicht „stürmischer Wind", und leichte Dünung, nicht „schwere See", wie in der dorttgen Darstellung angegeben ist. Die Boote hatten auch alle Aussicht, sehr bald ausgenommen zu werden, da der Ort der Versenkung auf einem viel benutzten Dampferwege lag. Wenn die Besatzung des Dampfers zu ihrer Rettung nur zwei kleine Boote in Gebrauch nahm, so trifft sie selbst die Schuld, denn auf dem Dampfer befanden sich, wie bas Unterseeboot feststellen konnte, noch mindestens vier grotze Faltboote. 5. Französischer Dampfer „Sussex". Die Feststellung, ob der Kanaldampfer „Sussex" von einem deutschen Unterseeboot beschädigt worden ist oder nicht, ist dadurch autzerordentlich erschwert worden, datz keine genaue Angaben über Ort, Zeit und Begleitumstände der Ver­ senkung bekannt waren, auch ein Bild dieses Schiffes bis zum 6. April nicht erlangt werden tonnte. Infvlgedesien hat die Untersuchung auf alle Unter­ nehmungen ausgespannt werden müsien, die an dem in Frage kommenden Tage, dem 24. März, im Kanal etwa auf dem Wege -wischen Folkestone und Dieppe überhaupt stattgefunden haben. In diesem Gebiet ist am 24. Mär-, ungefähr in der Mitte des Englischen Kanals, von einem deutschen Unterseeboot ein langes schwarzes Fahrzeug ohne Flagge mit grauem Schornstein und kleinem grauen Aufbau sowie mit zwei hohen Masten angetroffen worden. Der deutsche Kom­ mandant gewann die bestimmte Überzeugung, datz er ein Kriegsschiff, und -war einen Minenleger der neugebauten englischen „Arabic"-Klasie, vor sich habe. Er wurde zu dieser Überzeugung geführt: 1. durch bas glatt durchlaufende Deck des Schiffes, 2. durch die kriegsfchiffmätzige, schräg nach hinten und unten ab­ fallende Form des Hecks, 3. durch den kriegsfchiffmätzigen Anstrich, 4. durch die dohe Geschwindigkeit von etwa achtzehn Seemeilen, die das Schiff entwickelte, f>. durch den Umstand, datz das Schiff nicht den Weg nördlich der Leuchttonnen Dungenetz und Beachy Head innehielt, der nach den häufigen, übereinstimmenden Beobachtungen der deutschen Unterseeboote für die Handelsschiffahrt üblich ist, sondern mitten im Kanal, mit dem Kurs ungefähr auf Le Havre, fuhr. Infolgedesien griff er das Schiff um 3 Uhr 55 Minuten nachmittags mitteleuropäischer Zeit

IX Seemeilen südöstlich der Bullrock-Bank unter Wasier an. Der Torpedo traf und rief im Vorschiff eine so schwere Explosion hervor, datz das ganze Vorschiff bis zur Brücke abritz. Die besonders starke Explosion lätzt beit darauf schlietzen, datz an Bord grotze mengen

vorhanden

waren.

mit SicherMunitions

Der deutsche Kommandant hat eine Skizze des von ihm angegriffenen Schiffes angefertigt, von der zwei Abzeichnungen beigefügt werden. Das eben­ falls in zwei Exemplaren angefchloffene Bild des Dampfers „Sussex" ist aus der englischen Zeitung „Daily Graphic" vom 27. v. M. in photographischer Wieder­ gabe entnommen. Die Vergleichung der Skizze und des Bildes zeigt, daß die „Sussex" mit dem angegriffenen Fahrzeug nicht identisch ist, besonders ausfallend ist der Unterschied in der Stellung des Schornsteins und der Form des Hecks. Ein weiterer Angriff hat in der für den „Sussex" in Frage kommenden Zeit auf dem Wege zwischen Folkestone und Dieppe seitens deutscher Unterseeboote überhaupt nicht stattgefunden. Hiernach must die deutsche Regierung annehmen, daß die Beschädigung der „Sussex" auf eine andere Ursache als auf den Angriff eines deutschen Unterseeboots zu­ rückzuführen ist. Zur Aufklärung des Sachverhalts ist vielleicht die Tat­ sache dienlich, datz allein am 1. und 2. April im Kanal nicht weniger als 26 englische Minen von deutschen Seestreitt rosten abgeschossen worden sind; überhaupt ist die ganze dortige Meeresgegend durch treibende Minen und nicht gesunkene Torpedos gefährdet. Vor der englischen Küste wird sie ferner auch durch deutsche Minen, die gegen die feindlichen Seestreitkräfte ausgelegt werden, in zunehmendem Matze gefährdet.

II.

Die amerikanische 11-Boot-Note.

Die Antwortnote der amerikanischen Regierung auf die Er klärung der deutschen Regierung bezüglich der „Sussex"-Angelegenheir und einiger anderer Fälle ist am 20. April 1916 durch den amerikani­ schen Botschafter in Berlin, Gerard, dem Auswärtigen Amte in Berlin persönlich überreicht worden. Auf die deutsche versöhnliche und entgegenkommende Rote bot die amerikanische Regierung die nachstehende Antwort erteilt: Euer Exzellenz! 3d) habe nicht verfehlt, unverzüglich meiner Regierung telegraphisch die Rote Euerer Exzellenz vom 10. d. M. zu übermitteln, betreffend gewisse Angriffe deutscher Unterseeboote und insbesondere betreffend die unheilvolle Explosion, die den französischen Dampfer „Sussex" am 24. März im englischen Kanal zerstörte. Den Weisungen meiner Regierung entsprechend, habe ich jetzt die Ehre, Euerer Exzellenz die folgende Antwort zu übermitteln: Durch die jetzt im Besitz der Regierung der Vereinigten Staaten befindlichen Nachrichten wird der T a t b e st a n d im Fall der „Sussex" vollkommen festgestellt, und für die Folgerungen, die meine Regierung aus diesen Nach­ richten gezogen hat, findet sie eine Bestätigung in Umständen, die in Euerer Exzellenz Note vom 10. d. M. dargelegt sind. Am 24. März 1916, ungefähr um 2 Uhr 50 Minuten nachmittags wurde der unbewaffnete Dampfer „Sussex" mit dreihundertfünfundzwanzig oder mehr Passagieren an Bord, unter denen eine An­ zahl amerikanischer Bürger war, aus der überfahrt von Folkestone nach Dieppe torpediert. Die „Sussex" war niemals bewaffnet: sie war ein Schiff, das, wie be-

391 tonnt, regelmäßig nur zur Beförderung von Paffagieren über den englischen Kanal benutzt wurde; sie folgte nicht der von Truppentransport- oder Provianffchiffen be­ fahrenen Route. Ungefähr 80 Paffagiere, Nichtkombattanten jeglichen Alters und Geschlechts, darunter Bürger der Vereinigten Staaten, wurden getötet oder ver­ wundet. Eine forgfältige, eingehende und gewiffenhast unparteiische Untersuchung durch Offiziere der Flotte und der Armee der Vereinigten Staaten hat schlüssig die Tatsache ergeben, daß die „Suffex" ohne Warnung oder Aufforderung zur Übergabe torpediert wurde, und daß der Torpedo, durch den sie getroffen wurde, deutscher Herstellung war. Nach Ansicht der Regierung der Vereinigten Staaten machten diese Tatsachen von Anfang an den Schluß unvermeidlich, daß der Torpedo von einem deutschen Unterseeboot abgefeuert war. Sie findet jetzt diese Schlußfolgerung durch die Ausführungen in der Note Eurer Exzellenz bekräftigt. Eine vollständige Darlegung des Tatbestandes, auf den die Regierung der Ver­ einigten Staaten ihre Schlußfolgerung gegründet hat, ist beigefügt. Nach sorgfältiger Prüfung der Note der Kaiserlichen Regierung vom 10. April bedauert die Regierung der Vereinigten Staaten sagen -u müssen, daß sie aus den Darlegungen und Vorschlägen dieser Note den Eindruck erhalten hat, daß die Kaiserliche Regierung verfehlte, den Ernst der Situation zu würdigen, die sich nicht nur durch den Angriff auf die „Suffex" ergeben hat, sondern durch die g a n - e Methode und den Charakter des Unterseebootkrieges, wie sie zutage getreten sind infolge der während eines Zeitraums von mehr als 12 Monaten von den Be­ fehlshabern der deutschen 0-Boote uneingeschränkt gehandhabten Übung unterschiedsloser Zerstörung von Handelsschiffe n aller Art, Nationalität und Bestimmung. Wenn die Ver­ senkung der „Suffex" ein vereinzelter Fall gewesen wäre, so würde das der Regie­ rung der Vereinigten Staaten die Hoffnung ermöglichen, daß der für die Tat ver­ antwortliche Offizier seine Befehle eigenmächtig übertreten oder in strafbarer Fahr­ lässigkeit die vorgeschriebenen Vorsichtsmaßregeln außer acht gelaffen habe, und daß der Gerechtigkeit durch seine entsprechende Bestrafung in Verbindung mit einer förmlichen Mißbilligung seiner Handlung und Bezahlung einer angemessenen Ent­ schädigung durch die Kaiserliche Regierung Genüge geschehen könnte. Aber ob­ wohl der Angriff auf die „Suffex" offenkundig nicht zu verteidigen war und einen so tragischen Verlust an Menschenleben verursachte, daß er als eines der schreck­ lichsten Beispiele der Unmenschlichkeit des Unterseebootkrieges, wie 4fon die Kom­ mandanten der deutschen Schiffe führen, erscheint, so steht er unglücklicherweise nicht allein. 3m Gegenteil, die Regierung der Vereinigten Staaten ist durch Ereignisse der neuesten Zeit zu dem Schluß genötigt, daß es nur ein Fall, wenn auch einer der schwersten und betrübendsten ist für die vorbedachte Methode und den Geist womit unterschiedslos Handelsschiffe aller Art, Nationalität und Bestimmung zer­ stört werden, und die um so unverkennbarer geworden sind, je mehr die Tätig­ keit der deutschen Unterseeboote in den letzten Monaten an 3ntensi1ä1 und Aus­ dehnung zunahm. Die Kaiserliche Regierung wird sich erinnern, daß, als sie im Februar 1915 ihre Absicht ankündigte, die Gewässer um Großbritannien und 3rland als Kriegs­ gebiet zu behandeln, alle Handelsschiffe in feindlichem Eigentum, die innerhalb dieser Gefahrzone angetroffen werden sollten, zu vernichten, und als sie an alle



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Schisse, sowohl der Neutralen wie der Kriegführenden die Warnung ergehen liefe, die so verfehmten Gewässer zu meiden oder sich aus eigene Gefahr dorthin zu begeben, die Regierung der Vereinigten Staaten ernstlich protestiert hat. Eie nahm den Standpunkt ein, dafe eine solche Politik nicht verfolgt werden tonnte ohne beständige, schwere und offenkundige Verletzungen des anerkannten Völker­ rechts, besonders wenn Unterseeboote als ihre Werkzeuge Verwendung finden sollten, insofern als die Regeln des Völkerrechts, Regeln, beruhend auf den Grundsätzen der Menschlichkeit und zum Schuh des Lebens der Richtkombattanten auf See, aufgestellt werden sonnten1). Sie gründete ihren Protest darauf, dafe Personen neu­ traler Nationalität und Schiffe neutraler Eigentümer äufeersten und unerträglichen Gesahren ausgesetzt sein würden, und dafe unter den damals obwaltenden Um­ ständen die Kaiserliche Regierung keinen rechtmäfeigen Anspruch dafür geltend machen konnte, einen Teil der hohen See zu schliefeen. Das hier in Betracht kommende Völkerrecht, auf das die Regierung der Vereinigten Staaten ihren Pro­ test stützte, ist nicht neuen Ursprungs oder gegründet auf rein willkürliche, durch Vereinbarung aufgestellte Grundsätze. Es beruht im Gegenteil auf offenkundigen Grundsätzen der Menschlichkeit und ist seit langem in Geltung mit Billigung und durch ausdrückliche Zustimmung aller zivilisierten Nationen. Die Kaiserliche Regierung bestand darauf, die angekündigte Politik durchzu­ führen, indem sie die Hoffnung ausdrückte, daß die bestehenden Gefahren, jeden­ falls für neutrale Schiffe, durch die Instruktionen auf ein Mindestmaß beschränkt würden, die sie den Kommandanten ihrer Unterseeboote gegeben hatte, und ver­ sicherte die Regierung der Vereinigten Staaten, daß sie jede mögliche Vorsichts­ maßregel anwenden würde, um die Rechte der Neutralen zu achten und die Leben der Nichtkombattanten zu schützen. In Verfolg dieser Politik des Unterseebootkrieges gegen den Handel feiner Feinde, die so angekündigt und trotz des feierlichen Protestes der Regierung der Vereinigten Staaten begonnen wurde, haben die Unterfeebootskommand a nten der Kaiserlichen Regierung ein Verfahren solcher rücksichts­ losen Zerstörung geübt, die mehr und mehr während der letzten Monate deutlich werden liefe, dafe die Kaiserliche Regierung keinen Weg gesunden hat, ihnen solche Beschränkungen aufzuerlegen, wie sie gehofft und versprochen hatte. Immer wieder hat die Kaiserliche Regierung der Regierung der Vereinigten Staaten feierlich versichert, dafe zum mindesten Passagierschiffe nicht in dieser Weise behandelt werden würden, und gleichwohl hat sie wiederholt zugelasien, dafe ihre Unterseebootskomman­ danten diese Versicherung ohne jede Ahndung mißachteten. Noch im Februar dieses Jahres machte sie davon Mitteilung, daß sie alle bewaffneten Handelsschiffe in feindlichem Eigentum als Teil der bewaffneten Seestreitkräfte ihrer Gegner be­ trachten und als Kriegsschiffe behandeln werde, indem sie sich fo, wenigstens impli­ cite, verpflichtete, nicht bewaffnete Schiffe zu warnen und das Leben ihrer Paffagiere und Besatzungen zu gewährleisten; aber sogar diese Beschränkung haben ihre llnterseebootskommandanten unbekümmert außer acht gelassen. *) Schade, dafe die Regierung der Vereinigten Staaten nicht die betreffenden Bestimmungen der Haager seekriegsrechtlichen Abkommen oder sonstigen Bestimmungen des Völkerrechts genannt hat, sondern sich in einem Wust allgemeiner oberfläch­ licher Redensarten von „Menschlichkeit" usw. bewegt, der im Munde des syste­ matischen Lieferanten von Kriegsmaterial sich wie böse Heuchelei ausnimmt.

Neutrale Schiffe, sogar neutrale Schiffe auf der Fahrt von neutralem nach neutralem Hafen, sind ebenso wie feindliche Schiffe in ständig wachsender Zahl zerstört worden. Manchmal sind die angegriffenen Handelsschiffe gewarnt und zur Übergabe aufgefordert worden, bevor ste beschosien ober torpediert wurden: manchmal ist ihren Passagieren und Besatzungen die dürftige Sicherheit zugebilligt worden, daß man ihnen erlaubte, in die Boote zu gehen, bevor das Schiff ver­ senkt wurde. Ader wieder und wieder wurde feine Warnung gegeben, nicht ein­ mal den Personen an Bord eine Rettung in die Boote gestattet. Große Ozean­ dampfer, wie die „Lusitania" und „Aradic", und reine Passagierschiffe, wie die „Sussex", sind ohne jede Warnung angegriffen worden, oft bevor sie gewahr wurden, daß sie sich einem bewaffneten feindlichen Schiff gegenüber befanden, und das Leben der Nichtkomdattanten, Passagiere und Mannschaften, wurde unterschiedslos und in einer Weise vernichtet, die die Regierung der Vereinigten Staaten nur als leichtfertig und jeder Berechtigung entbehrend erachten konnte. Keinerlei Grenze wurde in der Tat der weiteren unterschiedslosen Zerstörung von Handelsschiffen jeder Art und Nationalität autzerhald der Gewässer gesetzt, welche die Kaiserliche Regierung als in der Kriegszone gelegen zu bezeichnen beliebt hat. Die Liste der Amerikaner, die auf so angegriffenen und zerstörten Schiffen ihr Leben verloren haben, ist von Monat zu Monat gewachsen, dis die verhängnisvolle Zahl der Opfer in die Hunderte gestiegen ist. Die Regierung der Vereinigten Staaten hat eine sehr geduldige Haltung eingenommen. Auf jeder Stufe dieser schmerzlichen Erfahrung von Tragödie über Tragödie war sie bestrebt, durch wohlüberlegte Berücksichtigung der außergewöhnlichen Umstände eines Krieges ohne Beispiel sich lenken und durch Gefühle echtester Freundschaft für Volk und Regierung Deutschlands leiten zu lasten. Sie hat die aufeinander folgenden Erklärungen und Versicherungen der Kaiserlichen Regierung als selbstverständlich in voller Aufrichtigkeit und gutem Glauben abgegeben ange­ nommen und hat die Hoffnung nicht aufgeben wollen, daß es der Kaiserlichen Re­ gierung möglich sein werde, die Handlungen der Befehlshaber ihrer Seestreitkraste in einer Weise zu regeln und zu überwachen, die ihr Verfahren mit den anerkannten im Völkerrecht verkörperten Grundsätzen der Menschlichkeit in Einklang bringen werde. Sie hat den neuen Verhältnissen, für die es keine Präzedenzfalle gibt, jedes Zugeständnis gemacht und war willens, zu warten, dis die Tatsachen unmiß­ verständlich und nur einer Auslegung fähig wurden. Sie ist nun einer gerechten Würdigung ihrer eigenen Rechte schuldig, der Kaiserlichen Regierung zu erklären, daß dieser Zeitpunkt ge kommen ist. Es ist ihr zu ihrem Schmerze klar geworden, daß der Standpunkt, den sie von Anfang an einnahm, unvermeidlich richtig ist, nämlich, datz der Ge­ brauch von Unterseebooten zur Zerstörung des feindlichen Handels notwendiger­ weise, gerade wegen des Charakters der verwendeten Schifte unter Angriftsmethoden, die ihre Verwendung naturgemäß mit sich bringt, gänzlich unvereinbar ist mit den Grundsätzen der Menschlichkeit, den seit langem bestehenden und unbestrittenen Rechten der Neutralen und den heiligen Vorrechten der Nichtkomdattanten'). l) Datz die englische Kriegsführung die „heiligen Vorrechte der Nicht­ komdattanten" vom ersten Tage an mit Füßen getreten, daß der ganze Ausdungerungsplan der Entente den „heiligsten Vorrechten der Nichtkorndattanten" zuwiderläuft, ist dieser „neutralen Regierung" nicht einen Moment deigekommen.

394 Wenn es noch die Absicht der Kaiserlichen Regierung ist, unbarmherzig und unterschiedslos weiter gegen Haubelsfchiste mit Unterseebooten Krieg zu führen, ohne Rückficht aus das, was die Regierung der Bereinigten Staaten als die heiligen und unbestreitbaren Gesetze des internationale« Rechts und die allgemein anerkannten Gebote der Menschlichkeit ansehen «atz, so wird die Regierung der Bereinigten Staaten schließlich zu der Folgern»- gezwungen, baß es nur einen Weg gibt, den sie gehen kann. Sofern die Kaiserliche Regierung nicht setzt unverzüglich ein Ausgeben ihrer gegenwärtigen Methoden des Unterseebootkrieges gegen Passagierund Frachtschiffe erllären und bewirken sollte, kann die Regierung der Ber­ einigten Staaten keine andere Wahl haben, als die diplomatischen Beziehungen zur deutschen Regierung ganz zu lösen. Einen solchen Schritt fasst die Regierung der Vereinigten Staaten mit dem größten Widerstreben ins Auge, sie fühlt sich aber verpflichtet, ihn im Ramen der Menschlichkeit und der Rechte neutraler Nationen zu unternehmen.

gezogen), 346. Lansdowne, Lord II117, 119. Loti, Pierre 1413. Löwen, Aufstand in 1172ff., 456f., Lanf ing, Rob., omerit Staats­ sekretär II104, 195 Anm. 463 ff. Lars en, dänischer Professor 1445. Lucas, Lord 1224 Anm. 1. Latapie 1359 Anm. Luftschiffe, Abwerfen von Ge­ Law, Bonar 165. schossen aus denselben 18 Anm., Lawrence, englischer Dölkerrechts122. lehrer 143. —, Befchietzung von unverteidigten Lazarettschiffe, Schutz der — Städten durch dieselben 115 II 257. Anm. 1, 473 ff.; II279. Lea, Homer 138 Anm. —, überfliegen eines Gebietes 1498 ff. Leage to enforce Peace, — als Konterbande II144. Lügenfeldzug 12, 173, 210, 244, amerikanische II453 Anm. 345, 359 Anm., 388 ff., 394, Lebensmittel-Ausfuhr aus Amerika und anderen neutralen 398 ff., 402 ff. Staaten II152 ff., 186 ff., 189 f. „Lufitania" - Fall, der II266, Lebensversicherung im Kriege 298 ff., 348 f. II18 Anm. 1. Luxemburg 133, 52, 54, 412, 480. Lecky, Historiker II129 Anm. Luzzatti, italienischer Minister Leghait, belgischer Gesandter 166. 1542. Leopold II., König der Belgier 126. L y a u t e y, marokkanischer Resident Lichnowsky, Fürst I 46. 1195. Liebesgaben, Führung des Roten-Kreuz-Zeichens bei Trans­ 2U. porten von — 1159 ff. Macchiavelli I 525 Anm. Lille, Verpflanzung der BevölkeMacdonald, Ramfay 173 Anm. rung von — aufs Land 1342 ff. Maeterlinck, Maurice 1269 Anm. Lindenberg, Paul, Kriegsbericht­ „Manchester Engineer", engli­ erstatter 1252 f., 297. scher Dampfer II388 f. Lindf ey, englisches Unterhausmit­ Mann, amerikanischer Politiker II188 glied II123. Anm. Liquidation deutscher Firmen in Marken f. Patente. England II20. Marokko 191, 95, 129f., 195, 486. — — — in den englischen Kron­ Mars chall v. Bieberstein, kolonien II23 f. Frhr. II136, 260. — — — in Rußland II61 Anm. 2. Marst 0 n, R. B., Schriftleiter des — englischer Firmen in Deutschland „Publifher's Circular" II79. II21 f. Martensfche Klausel 1186. Liszt, v., Jurist 120 Anm., 104 Martos, russischer General 1295. Anm.; II450 Anm. 1.

467 Maschinengewehre, englische 1116. Masson, FrödSric, Historiker II115 Anm. 2. Masterman, englischer Minister II134 Anm. 1. Matin, französische Zeitung 1404. Maupassant, Guy de 1403 Anm. „M auretania", englischer Cunardlinie-Dampfer II299. Maurras, Charles II134 Anm. 2. Maxwell, englischer General 199, 179. Messimy, französischer Kriegs­ minister 1197. Metallhandel II27. Metz, Skulpturen in — 1467 Anm. Meyer, Konr. Ferd. 1520. Militärpersonen als Angeklagte im feindlichen Auslande 1362 Anm. Militär-llntersuchungsftelle für Verletzungen des Kriegsrechts 1451. Millerand 167. Milne, Henry Lanner, englischer Jurist 1106 Anm. Milner, Viscount II116, 117. Miroir, französische Zeitschrift 1430 Anm. Mitzdrauch der deutschen Uniform 1395. Mitzhandlung wehrloser Zivilisten vor und nach der Kriegserklärung 1196 sf. — — — in Kamerun und Togo II445. Missionswerk, Schädigung durch England 181. Mobilisierung und Völkermoral 168 ff. M 0 h l, Robert v., Jurist 187. Moll, Dr. Albert 1424. M 0 ltke I 26 Anm. 1, 183. Mona Lisa 1437 Anm. Monroe-Doktrin II203fs. Montenegro 19 ff., 15, 153 Anm.; II135. Morgan, amerikanisches Bankhaus II340 Anm. 2.

Morning Post, englische Zeitung 1441 Anm. 2; II6, 128. Morus, Thomas 1526 Anm. „Möwe", Segelschiff II130. Müller, schweizerischer Militärbevollmächtigter 1355. Müller-Meiningen, Abgeord­ neter II72, 105. Murray, Mayor Steward II128 Anm. Mushroom-KugelnI124 Anm.; II191.

Nachdruck II74. N a p i e r, Sir Charles II123. Napoleon I. 194, 178 Anm.; II1, 133, 134 Anm. 2. Nationalgesellschaften, eng­ lische 1125 Anm. Naturrecht 132 Anm.

Naval Detention Barracks II281 Anm.

Necderland sehe Trust II42.

Overzee-

Nettoyeurs I 249. Neuseeland 1112; 1122, 76. Neutrale Staaten 121,75,210, 426; 1118 Anm. 2, 86, 88, 98, 133, 138, 139, 142, 148 f., 151, 152 ff., 157 ff., 164, 168, 170 ff., 175, 176, 209, 264, 357 Anm., 411, 415 f., 416 s. Neutraler Handel vergewaltigt durch England II25 ff., 346. — — — durch Frankreich II50 fs. — — — durch Italien II54. — — — durch Rußland II55 ff. Neutralität II246, 250, 419. — Ägyptens I 94 ff. — Amerikas II177 ff. — Belgiens 123 ff. — Chinas 1105 ff. — der Türkei I 91 ff. Neutralitätsverletzungen 1494 ff., 505 ff.; II428 ff. — durch England usw. zur See II141 ff.

468 Newbold, englischer führer I 66 Anm.

Sozialisten- j |

P.

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Nichtkombattanten siehe Zivilisten. Niederöst, Johann, Schweizer Journalist II399 Anm. Nietzsche 1471. Nigerien 1124. Nikolaus II., Zar von Rußland I 70 f., 296. Nöldeke, Jurist 110 Anm. Norddeutsche Allgemeine Zeitung: Enthüllungen vom 12./10. 1914 I 53 ff. — — — Enthüllungen vom 24./11. 1914 I 58 ff. Nordsrankreich, Abschub der Bevölkerung I 341 ss. Nordsee als Kriegsgebiet erklärt II170 ff. (seitens Englands), 207 ff. (seitens Deutschlands). Northcliffe, Lord II346 Anm. Norwegen 1401; 11 16, 25, 36f., 87 f., 149, 164, 166, 418 ff. Notstand und Notwehr im Völkerrechte 131 f. Nürnberger Spielwaren II164.

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o. Okuma, Graf 1110. „Opheli a", Lazarettschiff, beschlag­ nahmt II 256 ff. Oppenheimer, Dr. II133. Orangebuch, russisches II124, 256. Order in Council (20./8. 1914) II119 f., 144 f. ------------- (11./3. 1915) II122. ------------- (7./7. 1916) II125. Orlando, italienischer Iustizminister 1539. Ostende, Beschießung von — I 472 f. Lsterreich-llngarn 119, 449, 492, 520 ff., 544 f„ 549; II238 ff., 274 f., 344 f„ 430, 442. Ostpreußen 1267, 268f., 284ff.; II455.

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Pal azzo di Venezia in Nom 1135. Palmer st on, Lord 194 Anm.; II121. Pandectee beiges 134, 40, 44 Anm. Papst, der I 359 Anm. Paris I 474. Pariser Seerechts-Deklaration II107 f., 120 ff. — Wirtschaftskonferenz 1140 f. Parlamentäre, Verletzung der — I 273 f. Patente und Marken, ihre Auf­ hebung und Suspendierung II73 ff. Patentverletzungen, angeb­ liche, der „Deutschland" II 415 Anm. Payr, Prof. 1113 Anm. Persien 113, 91, 131. Peters, Earl I 225. Petit Parisien, Zeitschrift 1177. Petroleum II164. Phillimore, Robert, englischer Völkerrechtsgelehrter II123. Pitt, englischer Staatsmann (1878) I 87 Anm. 2, 94 Anm. Plünderung und Zerstörung deut­ schen Eigentums I 263 ff. — — — — — in Kamerun und Togo II446. — — — in Ostpreußen durch die Russen 1298 ff.; II455; besonders in Memel 303 ff. Plünderungen von feiten französi­ scher Soldaten I 368 ss., 373. — von seiten russischer Soldaten 1379 ff. Pogrome (Juni 1915) 1516 ff. PoincarS 167, 116, 123. Polen 1307ff., 339ff. — zum selbständigen Königreich pro­ klamiert II426 ff. Politische Flüchtlinge, eng­ lisches Asylrecht für I 492. Politischer Mord in der briti­ schen Geschichte 1276 Anm. Polnische Legionen 119.

469

Popolo d'Italia, italienische Zeitung 1545 Anm. „Vort Said", italienischer Dampfer II345. Portsmouth, Lord II119. Portugal 115; II16, 18. Portugiesische Seeräuderei II421 ff. P 0 strechte, Verletzung der — II84 ff. Po st sperre in der Schweiz 1496. Potentielles Kriegsschiff II413. Prämien für Mord 1275. — für Verrat und Spionage 1387. — für Versenkung eines deutschen Unterseeboot# II223 Anm. 1. Prinetti, italienischer Minister 1521. Prisengelder, englische II82f. Prisengerichte, englische II130 f. Prisenordnung, deutsche II231, 270, 383. Privateigentum im Kriege 1346 ff.; II2. — in Kamerun und Togo von den Engländern nicht geachtet II446. — in Rußland II56f.

A.

! Repressalien, Begriff 117, | 192 ff.; II222, 409 Anm. 2, 410 Anm. —, Androhung 1273 Anm. —, Mittel 1242. —, deutsche, wegen Gefangenendehand­ lung 1241, 245; II284, 297. —, —, auf sanitärem Gebiet 1195 f. Requisitionen 1333 Anm., 335 Anm. 2. 1 Rivetta, Silvio Pietro I 38 Anm. ! Rivier, Brüsseler Professor 134. R 0 d e r t s 0 n, F. W. II113 Anm. L 129 Anm. : Roda-Roda, Schriftsteller 1312. i Rolland, Romain, Dichter 1406. Roosevelt, Teddy 143 Anm. R 0 fe, 9. Holland, Prof. II129 Anm. Rotduch, österreichisches 1449 f., 520 Anm., 522 f. — —, neues (Ende Oktober 1916) II442. Rotes Kreuz, internationales 1194. Rotes Kreuz, Verletzung seitens der Dreiverdandstaaten 1135 ff. Rote-Kreuz-Flagge, Miß­ brauch derselben 1251 ff. Rotes-Kreuz-Zeichen, Füh­ rung bei Transporten 1159 f. —, Mißbrauch durch die Engländer 1160 ff. Rumänien 1 15, 385 f., 426; II443. —, fein Verrat und Völkerrechtsdruch 1544 ff. Rumänische Greuel 1547 ff.; II443. — Legion 119 Anm. Runciman, englischer Handels­ minister II5, 48 f. Russengreuel in Ostpreußen 1284 ff.; II455. — in Polen, Galizien, der Bukowina, dem Kaukasus 1307 ff. — in Galizien und der Ukraine II442. Rußland 13, 10, 19 Anm., 35, 49, | 65, 67, 69 s., 73, 74, 75 s., 93, | 108, 111, 112, 113, 118, 125 ff-,

Recht, deutsche, 1360ff. —, englisches 1349, 364, 418; II113 f., 130 f., 285 Anm. 2, 452 Anm. Rechtskomödien, französische 1360 ff., 413. Rechtsorganisation, internatio­ nale II451 Anm. Rechtsvertretung von Feinden II51 Anm. 2. Reichmann, P. Matthias, 8. J. 132 Anm. Reichskanzler f. Bethmann Holl­ weg. Reims, Beschießung der Kathedrale 1 19, 459 ff. Reife, fortgesetzte ober einheitliche, von Handelsschiffen II147, 151, 168 f. Rennenkampf, russischer General 170, 253, 287, 295 f. !

131 f., 146, 154 Anm., 171, 191 f..

470 219, 220, 221 ff., 233 ff., 244 f., 251, 252 f., 258 f., 270, 277 ff., 283, 302, 317 f., 324 ff., 340 f., 349 f., 377 ff., 388, 389 f., 394, 395, 396, 407 f., 426 ff., 432 f., 450, 492 ff., 503, 504, 516 ff., 521, 549; II2, 13 Sinnt., 18, 55 ff., 78, 109, 124, 135, 139, 237, 256, 277, 411, 426 f. Ruthenen II442.

S. 6 a l a n b r o, italienischer Minister­ präsident I 514, 522, 533 Sinnt. 2. Salisbury, Lord II187. Salvarf an 1177 Sinnt. Samuel, englischer Minister 1493. San Martina, Graf bi I 47. Saf onow, russischer General 1297 Sinnt.; II124. Schadensersatz für Verletzung der Kriegsordnung 117. Scharemeljew 1316. Scherr, Johannes 1434. Schiedsspruch bei völkerrechtlichen Streitigkeiten II452 Anm., 453 Sinnt. 6*1 er stabt, v., Leutnant 1361. Schröder, v., Admiral 1473. Schutz der Person und des Eigen­ tums des Auslanders 1197 f. —, „außerordentlicher", in Rutzland 1156. Schützengrab enklatfch 1246. Schuwaiew, russischer Kriegsminister 1191. Schwarzbrot 1243. Schwarze Liste, deutsche II62 f. — Listen für die Neutralen, engli­ sche 1126, 63 ff. Schwarzhoff, v.. Oberst 1183. Schweden 1399 Anm. 2, 426, 503, 504; 1116, 31, 32, 34 ff., 69 f., 85, 87, 88, 92 f., 140 Anm., 149, 157 Sinnt., 164, 171, 342, 411, 420 Sinnt. Schweigegebote, russische 1327 Sinnt. 4.

Schweiz 151, 53, 56 Anm. 1, 475, 487 f., 489, 494 ff., 503; 1127, 37 ff., 63, 70 f., 86, 88, 89 ff., 178 Anm. 2, 439 Anm. Scott, Sir William, Admiralitäts­ richter II4. Secolo, italienische Zeitung 1353. Seebeuterecht II110ff., 132f. Seekriegsrecht 18, 11 f.; II107 ff., 412 Sinnt. Seeley, Sir 3., Historiker II129 Sinnt. Seeminen, Legung von — II135 ff. Seeraub II270. Seeräuberei, Portugiesische II421 ff. Seidenhandel, Schweizer 1189 Anm. Selborne, Lord 1416; II141. Selbstverstümmelung bei den französischen Soldaten 1372. Serbien 19 ff., 15,113,191 Sinnt. 2, 237, 527, 530; II3. Serbische Unmen^chlichkeit 1163 ff.; II442. Shakespeare 1393 Sinnt.; II79 Anm. Shaw, Vernarb 156, 65, 68, 472 Sinnt., 489. Sheeby-Skeffington, irischer Journalist 1179. Sibirien, deutsche Kolonisten in — II62 Anm. 4. Siebenbürgen 1549. Siebenjähriger Krieg 12. Siebrecht, K. 1551. Siemens, W. v. II411 Sinnt. Sierra Leone 1124. Sievers, v., rüst. General 1377. Simon, Sir 3., Attorney-General II16. Simpson, C. H., Rear-Admiral. II274 Sinnt. 2.

S oc i 616 Suisse de Surveillance 1497; 1138. Sols, Staatsfekr.. 178, 87 Anm. 1. Solidarität der Dreiverband­ staaten 122.

47i Solidaritatsklausel 18, 9; II135. Sonnino, Italien. Minister. 1522, 543. Sozialistischer Internatio­ nalismus 1284. Spanien 178, 88 Anm., 195, 504; 1192, 176. Spion, Begn'ff 1484. —, Bestrafung desselben 1299. Spionage, englische HandelsII157 Anm., 342. —, englisches Lehrbuch der — 1491. —, Zwang zur — 1267. — und „Verschwörung" 1484 ff. Spionensurcht in Italien 1537. S p i t t e 1 e r, Carl 1399. Spring Rice, Sir Cecil, engl. Botschafter in Washington 1164, 340 Anm. 1. Stahlhandel II27. Stellingwerff, belg. General­ staatsanwalt. II439. Stengel, Karl v., Prof. 187. S t o n e, amerikan. Senator II183, 185, 378. Stowell, amerikan. Prof. II66. Strachwitz, Graf, Leutnant 1361. Sträflinge, ihre Verwendung im Kriege 1283. S t r u p p, Karl 116 Anm. 2, 65. Subventionen an engl. In­ dustrielle II25 Anm. Suchomlinow, rüst. Kriegs­ minister 169 Anm. 2. Südafrika 185 Anm., 513ff. Südamerika 1415 Anm. Euezkanal 1100 ff.; 1185. „Suffex", französ. Dampfer II389, 390 f., 394 ff., 403, 409 Anm. 1. Sydenham, Lord II116.

L. Telegrammspionage in Grie­ chenland 1491s. Telegraphischer Verkehr, seine Reform 1434. Temps, französ. Zeitung 156 Anm. 1, 440.

Tennant, engl. Unterstaatsfekr. 1180, 483 Anm. 2. The Candid, engl. Zeitschrift II134 Amm. 1. The Nation, amerikan. Wochen­ schrift 1477. The Nation’s Business, Organ derr amerikan. Zentralhandelskammerr II14. Thompson,, Robert I. 1354 f. Times, enffll. Zeitung 157, 66 Anm., 259), 435 Anm. 1; II80. Tisza, Grast 1533. Togo 185; HI444ff. Transits-Gesellschaft II92, 342. Trentino ftSüdtirol) 1528. Treuhandsftelle in Zürich II42. Tribune, New Horker Zeitung, II400. „Tubanti a"holländischer Dampfer II159 f. Tu rati, Italien. Abgeordneter 1525. Türkei IIS, 18, 75f., 91 ff., 95, 131, 132, 314, 504; II253, 254, 255 Anm. Türke st an 1415 Anm. Turkos 1 877 f., 151.

u. überseeische Geschäfte im Kriege II 13 Anm. Ukraine II 442. Ulanen 139)5 Anm. Uniform, Mißbrauch der deut­ schen — H 395. Unmoral! taten der Kriegfüh­ rung des Dreiverbandes 1274 ff. „Unsere Feinde — wie sie ein­ ander lieben" von Werner Klette 1403 Annn. Untersee-Woote, englische II224 Amm. —, —, in Amerika hergestellt II193. —, Handels- HI 412 ff., 419, 420 Anm. llnterfeebivotskrieg 1193 Anm. 2, II153, 218 ff., 225 ff., 298 ff., 327, 333, 384 ff., 397 f., 402, 403 fff., 407, 409 Anm. 2,

472 410 Sinnt, 411, 415 f., 416 ff., : Verrat, Nötigung zum — 1270 ff. 418 ff., 420 f. — Italiens 1520 ff. Unterseebootsmannschaften, — Rumäniens I 544 ff. deutsche, nicht als Kriegsgefangene Versicherungsverträge im von England dehandelt II280 ff. Kriege I110, 16 ff. —, —, durch englische Marinemann­ Verwaltung, deutsche, in Belgien schaften gemordet II286 ff. und Polen I 328 ff. Unterstützungsempfänger Verwundete, schlechte Behand­ II440 f. lung derselben durch die Franzosen Unverletzlichkeit 123 Anm. 2. 1150 f. Unverteidigte Orte, Befchie—, Behandlung derselben durch eine tzung derselben 115 Anm. 1, französische Krankenschwester 1218. 474 ff.; II 277, 278. —, Meuchlerische Tötung oder Ver­ Urheberrecht, englischer Raub wundung derselben 1246 ff. am — II78 f. —, Verhalten der Deutschen gegen Uruguay II 206. verwundete Feinde 1165 ff. llfcher, Washingtoner GefchichtsVierord 1, Heinrich, Dichter 1434. prof. II183 Anm. Viktor Emanuel III., König von Italien 1525, 532. B. Viollet le Duc, Kunsthistoriker Dandervelde, belg. Politiker 1366, 463. I 27 Anm. 2, 52 Anm. j VölkergewohnheitskriegsVenezuela II205. recht 117. Denizelos II430. Völkermoral 171. Denosta, Visconti 1524. Völkerrecht, totes und lebendes Vereinigte Staaten von > II 450 Anm. 1. Nordamerika 1112, 195, 1 —, feine Unvollkommenheit 12. 354, 400, 402, 421, 436 Anm., ! —, feine Umgestaltung durch den 504; 1124, 27, 32, 64, 66 ff., Weltkrieg II 453 Anm. 71 f., 82, 85, 86, 92 f., 99 ff., ; —, fein Wert oder Unwert 120 ff. 105 f., 120, 121, 131, 152, 156 —, fein Wiedererstehen II 452. Anm., 163, 164 f., 177 ff., 211 ff., Völkerrechtsbruch 121. 225 ff., 230 Anm. 1, 231 Anm., — Rumäniens I 544 ff. 232, 235 f., 238 ff., 256 Anm. 1, Völkerrechtswidrige Be­ 264, 267 f., 305, 334 ff., 384 ff., ! handlung diplomatischer Ver­ 400, 401 f., 411, 412 u. Anm., ; treter durch die Dreiverbands414, 417 f., 437; — f. a. Amerika- j staaten 1125 ff. nifche usw. | Vergiftete Munition aus ; Völkerrechtswidriges Be­ nehmen diplomatischer Ver­ Amerika II192 Anm. treter des Dreiverbandes 1132 ff. Verharren, Emile, belg. Dichter : Völkerrechtswidrige, u n 1414, 420. | menschliche Kriegführung Verleumdung deutscher Arzte : durch die feindlichen Armeen und usw. 1157 f. Regierungen des Dreiverbands und — deutscher Roten - Kreuz - Damen : Belgiens 1211 ff. 1158. ! 1221 Verpflanzung der Liller Bevöl- j Vorkriegsgefangene Anm. kerung aufs Land 1342 ff. | — der belgischen Arbeitslosen, Hetze ; Vorwärts, sozialdemokratische Zei­ tung 1294. wegen der — II 432 ff.

473

3. Zabern I 428 Anm. Zahlungsverbot gegen England ufw. II12 Anm. Zensur, englische 1391 f. —, französische 1430. Zerstörungen von seiten franzö­ sischer Soldaten 1371 f. — von seiten rumänischer Soldaten I 386. — von seiten russischer Soldaten I 381. Zimmermann, Staatssekr. des Auswärtigen Amtes II429. Zinszahlung im Kriege nach engl. Recht II10. Zitelmann, Ernst 113, 20, 22 Anm., 198 Anm. Zivilgefangene, ihre An­ werbung für die französische Frem­ denlegion I 279 ff. Zivilisten, Gefangennahme von — I 220 ff. —, — in Kamerun und Togo II 445. —, Misthandlung vor und nach der Kriegserklärung 1196 ff. —, Vorschicken und Verwendung als Kugelfang 1277 ff. —, Wegführung durch französische bzw. italienische Soldaten I 261 ff. Zukunftshossnungen II449 ff. Z u r l i n d e n, französischer Kriegs­ minister 125. Zwangsverwaltung deutscher Unternehmungen in Frankreich II 52 Anm. Zypern I 93 f.

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W. affen, unzulässige 1276f. arenzeichengesest II77. asserflugzeuge 1500. ehberg, Hans, Jurist II132 f. eistbuch, deutsches 168 ff., 284 Anm., 455 f.; II7. — über den „Baralong" - Fall II 289 ff. englisches I 46, 49, 52 Anm., 65; I I 254. eiste Flagge, Mistbrauch derselben I 247, 251 ff. Listen, englische II 69 Anm. ellington I 39 Anm. 1. ells, engl. Publizist 1185 Anm. elthandelsd uell II14. eltmeinung II 450. ernte, Prof, in Bafel 1441 f., 445. estlake, engl. Völkerrechtsgelehr­ ter II123. Übe Züge in Belgien 1276. ilhelm I., Kaiser I 346. H., Kaiser 1 66, 70 f., 114, 172, 300, 414. —, deutscher Kronprinz I 394 Anm. „Wilhelmin a", Handelsschiff II 152, 409 Anm. 2. „W illiam P. F r y e", amerikan. Segelschiff, Notenwechsel über besten Versenkung II195 ff. Wilson, amerikan. Präsident II 199 f., 340 Anm. 2, 378, 402. Wirtschaftskrieg II1 ff. — im Mittelalter II1 Anm. — in den englischen Kronkolonien II 22 ff. Woeste; belg. Minister 168. Wollhandel II24, 27.

Druck von H. S. Hermann in Berlin.