Der verwaltungsgerichtliche Organstreit: Eine verwaltungsprozessuale und normtheoretische Studie [1 ed.] 9783428493289, 9783428093281


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Der verwaltungsgerichtliche Organstreit: Eine verwaltungsprozessuale und normtheoretische Studie [1 ed.]
 9783428493289, 9783428093281

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 758

Der verwaltungsgerichtliche Organstreit Eine verwaltungsprozessuale und normtheoretische Studie Von Katja Buchwald

Duncker & Humblot · Berlin

KATJA BUCHWALD

Der verwaltungsgerichtliche Organstreit

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 758

Der verwaltungsgerichtliche Organstreit Eine verwaltungsprozessuale und normtheoretische Studie

Von

Katja Buchwald

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Buchwald, Katja: Der verwaltungsgerichtliche Organstreit : eine verwaltungsprozessuale und normtheoretische Studie / von Katja Buchwald. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 758) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1997 ISBN 3-428-09328-3

Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09328-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Für Julia

Vorwort Für die liebevolle Begleitung und großzügige Förderung meiner Studien und meines ganzen Lebensweges möchte ich meiner Schwester, meinen Eltern und Großeltern an dieser Stelle meinen herzlichsten Dank aussprechen. Wertvolle Betreuung nicht nur bei der Erstellung dieser Dissertation habe ich auch als Promotionsstipendiatin durch die Friedrich-Ebert-Stiftung erfahren. Unter all den Menschen, die mich in den letzten Jahren ermutigt und unterstützt haben, hat jedoch niemand einen vergleichbaren Anteil am Gelingen dieser Arbeit wie mein Mann Delf.

Katja Buchwald

Inhalt

Vorbemerkung: Rechtswissenschaft und prudentia juris A. Einleitung: Von "Behördenkriegen" und Organstreitverfahren

I. Begriff und Arten von Organstreitigkeiten 1. Verfassungsrechtliche Organstreitverfahren 2. Verwaltungsrechtliche Organstreitverfahren II. Abgrenzung gegenüber anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren . . . . 1. Streitigkeiten zwischen Kommune und Aufsichtsbehörde 2. Streitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts . 3. Streitigkeiten zwischen Fiskus und Hoheitsverwaltung 4. Streitigkeiten im Bereich von Dienst-, Beamten- und Disziplinarrecht . 5. Wahlanfechtungsverfahren 6. Normenkontrollverfahren B. Probleme und Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur

I. Die Rechtsprechung 1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs 2. Die statthafte Klageart und die gerichtliche Kassationsbefugnis 3. Das Erfordernis und das Vorliegen einer Klagebefugnis 4. Die Beteiligtenfähigkeit und die Sachlegitimation II. Die Literatur 1. Die Ansätze dogmatischer Grundlegung a) Organstreitigkeiten als objektive Βeanstandungsverfahren (Fuss) .. b) Organstreitverfahren um wehrfähige Positionen des Innenrechts (Erichsen) c) Organstreitverfahren um subjektive öffentliche Rechte aa) Subjektive Rechte der juristischen Person nach innen (Hoppe) bb) Subjektive Rechte der Organe aus Interessengegensätzen

13 16

16 18 21 23 23 24 24 25 25 26 27

27 28 32 36 42 44 45 46 48 50 50 53

Inhalt

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(1) Subjektive Rechte von Kontrastorganen (Kisker) (2) Subjektive Rechte aus der Dialektik körperschaftsinterner Interessen (Tsatsos) (3) Subjektive Rechte aus der Kommunalverfassung (Bleutge) (4) Subjektive Rechte der Organe als Interessenvertreter (Zimmerling) (5) Subjektive Rechte der Organe in Analogie zu subjektiven Rechten der juristischen Person des öffentlichen Rechts (Heinrich) (6) Subjektive Rechte der Organe zum Ausgleich von Partikularinteressen (Bethge) (7) Organisationsgefüge zum Ausgleich der Interessengegensätze der Körperschaftsmitglieder (Ewald) (8) Kritik der Interessentheorien d) Organstreitverfahren als gerichtliche Geltendmachung von Kompetenzen (Lorenz) 2. Prozessuale Probleme a) Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs b) Die Beteiligtenfähigkeit und die Sachlegitimation c) Die statthafte Klageart und die gerichtliche Kassationsbefugnis . . . . d) Die Frage der Klagebefugnis III. Zusammenfassung C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente subjektiver Berechtigungen 1. Zur Entwicklung des Begriffs des subjektiven Rechts a) Das subjektive Privatrecht b) Das subjektive öffentliche Recht 2. Zum Verhältnis von Rechtsmacht und Interesse

54 58 60 62 64 66 67 69 71 74 74 75 76 80 80 82

83 85 85 91 94

II. Die normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse 95 1. Rechte, Kompetenzen und Normsetzung — Die Entwicklung in der rechtstheoretischen Literatur 97 a) Der rechtliche Grundbegriff der power bei Hohfeld 98 b) Die Kategorie des rechtlichen Könnens bei Jellinek 101 c) Die Ermächtigung zur Normsetzung bei Kelsen 105 d) Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis bei Bucher 108

Inhalt e) Die Funktion von privaten und öffentlichen Kompetenzen bei Ross f) Kompetenzen als Rechte bei von Wright g) Zusammenfassung

112 115 118

2. Eigener Ansatz: Subjektive Rechte und Organkompetenzen als Normsetzungsbefugnisse a) Die Befugnisnorm und ihre Struktur b) Das befugte Subjekt c) Die Befugnis zur Normsetzung

119 120 123 125

III. Normsetzung und Interessen 1. Bestimmende und beschränkende Interessen a) Das bestimmende Interesse b) Die beschränkenden Interessen 2. Die Vielgestaltigkeit des Allgemeininteresses 3. Verantwortlichkeit als Abgrenzungskriterium IV. Arten von Normsetzungsbefugnissen V. Zur Justitiabilität von Kompetenzen VI. Das Organ als Träger der Kompetenz VII. Zusammenfassung D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

I. Zur Zulässigkeit von Organstreitverfahren 1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs 2. Die statthafte Klageart a) Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage b) Der abstrakte Normenkontrollantrag c) Die Feststellungsklage d) Die allgemeine Leistungsklage 3. Die Beteiligungsfähigkeit und die Prozeßfähigkeit 4. DerrichtigeKlagegegner 5. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis II. Zur Begründetheit von Organklagen 1. Die gerichtliche Kassationsbefugnis 2. Die Aktiv- und Passivlegitimation

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152 152 154 155 156 157 159 160 162 162 164 165 168

Inhalt

12

III. Der vorläufige Rechtsschutz IV. RegelungsVorschlag an den Gesetzgeber 1. Die kleine Lösung 2. Die große Lösung

170 171 172 172

E. Zusammenfassung

174

Literatur

176

Sachregister

184

Vorbemerkung: Rechtswissenschaft und prudentia juris Die verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten, also die gerichtlichen Auseinandersetzungen von Verwaltungsorganen über ihre Kompetenzen, sind ein prägnantes Beispielrichterlicher Rechtsfortbildung. Einem offenbaren Bedürfnis der Praxis folgend entwickelten die Oberverwaltungsgerichte der jungen Bundesrepublik ein Verfahren, dem es stets an einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage fehlte, auch nachdem am 21.01.1960 die Verwaltungsgerichtsordnung in Kraft getreten war. Diese nimmt zwar für sich Kodifikationscharakter in Anspruch, entbehrt deshalb jedoch nicht einiger Lücken, deren vielleicht prominenteste die Organstreitigkeiten darstellen.1 Die Hochzeit der literarischen Auseinandersetzung mit diesem Thema lag denn auch zwischen dem Inkrafttreten der VwGO und dem Versuch, auf der Grundlage einer Diskussion auf dem Verwaltungsrichtertag 19802 dem Gesetzgeber einen Regelungsvorschlag zu unterbreiten. Nach dem öffentlich eingestandenen Fehlschlag3 ebbte das Interesse der Dogmatik deutlich ab, es folgten im wesentlichen kleinere Abhandlungen4 und Urteilsbesprechungen — die Rechtswissenschaft hatte resigniert und der praktischen Klugheit der Jurisprudenz nichts mehr hinzuzufügen.

1

Vgl. etwa F. O. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, § 1 VwGO.

10

München 1994, Rn 8 zu

2

S. die Dokumentation zum Sechsten Deutschen Verwaltungsrichtertag 1980, München 1981, Arbeitskreis IX, 129-141, mit dem Referat von G. Püttner, 129-139, und dem Diskussionsbericht. 3 Vgl. H. Bethge, Zwischenbilanz zum verwaltungsrechtlichen Organstreit, DVB1 1980, 824-825, sowie den Diskussionsbericht über den Arbeitskreis IX des Sechsten Verwaltungsrichtertages. 4 Eine Ausnahme bilden die beiden jüngsten Monographien von J. Schwarplys, Die allgemeine Gestaltungsklage als Rechtsschutzform gegen verwaltungsinterne Regelungen, Baden-Baden 1996, und M. Jockisch, Die Prozeßvoraussetzungen im Kommunalverfassungsstreitverfahren, Diss. jur. Regensburg 1996.

Vorbemerkung

14

Damit war allerdings keineswegs gesagt, daß auch nur die Hauptprobleme durch die richterliche Praxis bereits einer befriedigenden Lösung zugeführt worden wären. Die Richtigkeit der Formulierung Herbert Bethges, die Organstreitigkeiten wiesen "trotz verschiedentlicher wissenschaftlicher Auf bereitungsversuche nach wie vor eine nicht unerhebliche dogmatische Unterbilanz auf', 5 darf auch heute noch Geltung beanspruchen. Aus der Perspektive der Praxis urteilt Wilderich Fehrmann über die "sekundierende Zuarbeit der Wissenschaft" bezüglich der Grundsatzfrage nach klagebefugenden Organkompetenzen, sie diene "eher der Mystifizierung des Organstreits als seiner praktischen Bewältigung".6 Programmatisch für die vorliegende Studie, die sich die Entmystifizierung der verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten zum Ziel gesetzt hat, können die Worte Hans Kelsens stehen: "Die Rechtsstellung des Staatsorgans ergibt sich aus dessen Rechten und Pflichten. Diese aber beruhen auf Rechtssätzen; und so muß die Lehre vom Rechtssatze den Ausgangspunkt bilden, von dem aus eine Lösung des in der Literatur so viel umstrittenen Problems der Staatsorganschaft zu versuchen ist."7 Dem erneuten Aufgreifen der Thematik der Organstreitigkeiten mit dieser Arbeit liegt die These zugrunde, daß das weitgehende Scheitern der bisherigen dogmatischen Rekonstruktionsversuche in der Enge ihrer Anlage und Sichtweise begründet ist. Fast alle Autoren beschränken sich auf eine rein verwaltungsprozessuale Perspektive, und diese noch überwiegend begrenzt auf das geltende Recht. Ihre Basis ist also letztlich die Verwaltungsgerichtsordnung, die aber nach ganz überwiegender Auffassung gerade hier eine Lücke enthält. Der Standpunkt, der damit eingenommen wird, ist im Grunde der eines blinden Flecks. Im folgenden wird dagegen eine Betrachtungsweise vorgestellt, die gewissermaßen hinter die VwGO zurücktritt, nicht chronologisch, sondern systematisch. Die Einbeziehung normtheoretischer Überlegungen soll zeigen, daß sich von dem in

5

Grundfragen innerorganisationsrechtlichen Rechtsschutzes, DVB1 1980, 309-315,

309. 6

W. Fehrmann, Rechtsfragen des Organstreits — Entwicklungstendenzen in der neueren Rechtsprechung, NWVB1 1989, 303-311, 306. 7

H. Kelsen, Hauptprobleme der Staatsrechtslehre entwickelt aus der Lehre vom Rechtssatze, Tübingen 1911, 450 (Hervorhebung von der Verf.).

Vorbemerkung diesem Sinne übergeordneten Standpunkt eine Perspektive gewinnen läßt, die es ermöglicht, die Organstreitigkeiten in die Systematik der VwGO einzuordnen. Ihre explizite Regelung erweist sich als entbehrlich, bleibt dem Gesetzgeber jedoch selbstverständlich nicht verwehrt.

Zum Gang der Untersuchung In der Einleitung erfolgt die begriffliche Bestimmung der Organstreitigkeiten sowie die Ausgrenzung anderer Verfahren, die bisweilen in einem Atemzug genannt werden. Der Abschnitt B. stellt die Entwicklung in Rechtsprechung und Dogmatik im einzelnen dar. Der Schwerpunkt liegt auf der Darstellung von Uneinheitlichkeiten in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe in bezug auf vier Hauptprobleme und von ganz grundlegenden Inkonsistenzen in der literarischen Debatte. Die normtheoretische Fundierung und schließlich Formulierung der neuen Konzeption der Kompetenzen und subjektiven Rechte als Normsetzungsbefugnisse bilden den Abschnitt C. Zum Abschluß werden diese Erkenntnisse im Abschnitt D. auf die Hauptschwierigkeiten der verwaltungsgerichtlichen Praxis angewendet, und es wird ein Vorschlag für eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Organstreitigkeiten in der VwGO unterbreitet.

Zur Zitierweise Um die Anzahl der reinen Belegfußnoten zu verringern, wird im folgenden bei den im Zusammenhang referierten Publikationen die jeweils in Bezug genommene Seite mit einem hochgestellten, kursiv gedruckten "P" gekennzeichnet. In diesen Fällen ist der zitierte Autor stets in der Überschrift, das Werk in der ersten Fußnote des entsprechenden Unterabschnitts genannt. Diese Zitierweise geht auf einen Vorschlag des Typographen Professor Hans-Dieter Buchwald zurück.

Α. Einleitung: Von "Behördenkriegen" 1 und Organstreitverfahren I. Begriff und Arten von Organstreitigkeiten In der über hundertdreißigjährigen Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit2 in Deutschland ist der Organstreit eine relativ junge Erscheinung. Kompetenzkonflikte und schließlich gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Organen eines wie auch immer gearteten Verbandes sind dagegen bereits früher ausgetragen worden. Definieren läßt sich der Organstreit als gerichtliches Verfahren,

in dem sich als Par-

teien verschiedene Organe oder Organteile desselben Verbandes, in der Regel, nicht notwendigerweise

einer juristischen Person, gegenüberstehen und das die

Kompetenzabgrenzung zwischen diesen Organen zum Gegenstand hat. 3

1 Der Ausdruck stammt von K -Α. Bettermann, Der Schutz der Grundrechte in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, in: Die Grundrechte III/2, hg. von dems. / H. C. Nipperdey / U. Scheuner, Berlin 1959, 779-908, 787, der in diesem Zusammenhang ausführt, Art. 19 Abs. 4 GG eröffne keinen Kampfplatz für Behördenkriege, allerdings in Anm 31 einschränkt: "Er verschließt ihn aber auch nicht!" 2 Als Geburtsurkunde der modernen Verwaltungsgerichtsbarkeit gilt das badische "Gesetz die Organisation der inneren Verwaltung betreffend" vom 05.10.1863, das am 01.10.1864 in Kraft trat, obgleich es bereits lange zuvor eine Rechtsprechung in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten gegeben hat, allerdings nicht umfassend und systematisch (s. dazu E. TrosteU Die Verwaltungsgerichtsbarkeit von der Gründung bis zum Ausgang des Kaiserreichs, VB1BW 1988, 363-371, 363f; W. Rüfner, Verwaltungsrechtsschutz im 19. Jahrhundert vor Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, DÖV 1963, 719-726; C.-F. Menger, Zur Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland, DÖV 1963, 726-729; K-P. Sommermann, Die deutsche Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3Speyer 1994, bes. Abschnitt I, 1-10). 3

Vgl. die Definition von W. Hoppe, Die Regelung der verwaltungsrechtlichen Organstreitigkeiten — eine Aufgabe des Gesetzgebers, NJW 1980, 1017-1022, 1018: verwaltungsgerichtlicher Organstreit als "öffentlichrechtliche Rechtsstreitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen innerorganisatorischen Funktionssubjekten (Organen und Teilorganen) derselben rechtsfähigen Verwaltungseinheit... In jedem Fall

I. Begriff und Arten von Organstreitigkeiten

17

Das klagende Organ behauptet eine Beeinträchtigung der eigenen Kompetenzen durch eine Maßnahme des oder der beklagten Organe, die die Anmaßung einer Kompetenz zu Lasten des klagenden Organs oder aber eine nicht unerhebliche Behinderung bei dessen Kompetenzausübung darstellt. Es kann sich um Organe einer juristischen Person des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts oder einer teiloder nicht rechtsfähigen Funktionseinheit innerhalb einer solchen handeln. Vorliegend werden ausschließlich öffentlich-rechtliche Organstreitigkeiten betrachtet. Die spezifische Problematik von Organstreitverfahren besteht darin, daß überwiegend keine rechtsfähigen Gebilde einander als Parteien gegenüberstehen, sondern eine Auseinandersetzung innerhalb einer juristischen Person ausgetragen wird. Organe werden nicht als Rechtsträger angesehen, sondern haben lediglich Kompetenzen, um die sie aber in diesem Verfahren wie um subjektive Rechte streiten sollen. Das Widerstreben gegen die Eröffnung eines Rechtswegs für Organstreitigkeiten ist besonders dort groß, wo noch das Dogma von der impermeablen Rechtspersönlichkeit des Staates nachwirkt und Streitigkeiten der Organe leicht als "Behördenkriege" oder eine Art staatlicher Persönlichkeitsspaltung angesehen werden. An dieser Stelle ist auch der gern verwendete Begriff des "In-sich-Prozesses"4 zu nennen, der zugleich bezeichnet und brandmarkt, daß es sich hier eigentlich um eine grobe Systemwidrigkeit, ein prozessuales Unding handelt, das nur ganz ausnahmsweise und jedenfalls nicht ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung zulässig sein soll. Dem stand und steht das einem Rechtsstaat geradezu inhärente Bedürfnis der Praxis nach einer institutionalisierten Entscheidung von Kompetenzkonflikten auf allen Ebenen staatlichen Handelns entgegen. Allerdings läßt sich mit guten Gründen vermuten, daß die Debatte um die (dogmatischen und prozessualen) Bedingungen der Möglichkeit von Organstreitigkeiten älter ist als die Verfahren selbst. Denn bereits einige Autoren des 19. Jahrhunderts sehen sich gezwungen, die Zulässigkeit von gerichtlichen Organstreitigkeiten ausdrücklich und kategorisch auszuschließen —

ist die verwaltungsorganisationsrechtliche Rechtmäßigkeit von innerorganisatorischen Rechtshandlungen innerorganisatorischer Funktionssubjekte oder sind Rechtsverhältnisse zwischen innerorganisatorischen Funktionssubjekten im Streit." 4 Zu dessen Problematik und Auswirkungen auf die dogmatische und nicht zuletzt legislative Behandlung der Organstreitigkeiten s. H.-U. Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: FS Menger, hg. von dems. / W. Hoppe / A. v. Mutius, Berlin u.a. 1985, 211233, 212f. 2 Buchwald

18

Α. Von "Behördenkriegen" und Organstreitverfahren

offenbar gibt es doch in ihren sonstigen Ausführungen deutliche Ansatzpunkte für eine gegenteilige Auffassung. 5

1. Verfassungsrechtliche

Organstreitverfahren

Der Organstreit gilt als klassisches Verfahren insbesondere der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit, auch wenn er auf Bundesebene erst mit dem Grundgesetz eingeführt wurde.6 Bereits Art. 19 WRV sah Organstreitigkeiten innerhalb der Länder vor, und der Deutsche Juristentag beschäftigte sich im Jahre 1926 mit der Frage von Organstreitverfahren vor dem Staatsgerichtshof des Reiches. Die Ursprünge eines solchen Verfahrens liegen in "dem ständestaatlichen Verständnis der Verfassung als Vertrag zwischen Monarch und Landständen mit gegenseitigen Rechten und Pflichten, zu deren Sicherung bei Rechtsverletzungen eine richterliche Instanz eingesetzt werden konnte. Im weiteren Verlauf trat an die Stelle dieses Gegensatzes der Kontrast zwischen Regierung und Volksvertretung, der schließlich durch die Auseinandersetzungen zwischen den an der Staatswillensbildung auf Verfassungsebene beteiligten Faktoren ... untereinander abgelöst wurde."7 Trotz dieser langen Tradition ergaben sich dogmatische Probleme aus den Formulierungen in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG und §§ 63 und 64 Abs. 1 BVerfGG, in denen von "Rechten und Pflichten" bzw. "eigenen Rechten" der in diesem Verfahren beteiligten Organe die Rede ist, also anscheinend im Gegensatz zu der überkommenen

5

Ein Beispiel ist die strikte und wiederholte Ablehnung von Organstreitverfahren durch Georg Jellinek, der gleichwohl nicht nur maßgeblich die Themenwahl dieser Arbeit inspiriert hat, sondern auch für den hier vertretenen Ansatz wegbereitend war; s. dazu im einzelnen u. Abschnitt C. 6 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland II, München 1980, 979; W. Löwer, Zuständigkeiten und Verfahren des Bundesverfassungsgerichts, in: Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland II, hg. von J. Isensee / P. Kirchhof, Heidelberg 1987, 744; D. Lorenz y Der Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25-jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts I, hg. von C. Starck, Tübingen 1976, 225259, 226.

7 D. Lorenz, FS BVerfG, 227.

I. Begriff und Arten von Organstreitigkeiten

19

staatsrechtlichen Auffassung 8 Zuständigkeiten als eigene subjektive öffentliche Rechte der Organe angesehen werden. Dennoch soll es sich etwa nach Klaus Stern beim Organ streit um ein Verfahren handeln, das diesen Namen verdient, "denn die Streitparteien müssen an der verfassungsrechtlich geordneten Willensbildung des Staates unmittelbar beteiligt sein, und ihr Streit muß sich um die Auslegung des Verfassungsrechts drehen. Ein solches Streitverfahren wird verständlich, wenn man sich vor Augen führt, daß der Staat zwar eine einheitliche juristische Person des öffentlichen Rechts, aber als Organisation in sich vielfach in Organe mit eigenen Zuständigkeiten gegliedert ist, deren Wirken erst den Willen des Staates hervorbringt. Das Handeln dieser Organe ist an die Verfassung gebunden und Gegenstand eines Verfassungsrechtsverhältnisses. Damit wird es einer gerichtlichen Kontrolle ihrem Wesen nach zugänglich. Ist die objektive Bindung organschaftlichen Handelns ohne weiteres einleuchtend, so fällt die materiell- und prozeßrechtliche Subjektivierung in eigene, dem Organ zur selbständigen Geltendmachung übertragene Rechte schwer, solange man die mangelnde Rechtsfähigkeit der Organe in den Vordergrund rückt und als Zurechnungsendpunkt für subjektive Rechte ausschließlich den Staat sieht. Auch hier hilft die Erkenntnis weiter, daß die Zuständigkeiten (Kompetenzen) als für einen bestimmten Sachbereich zur ausschließlichen Wahrnehmung übertragen gelten können und 'normative Eigenverantwortlichkeit' für diesen Bereich begründen."9 Andere Autoren entledigen sich wie Manfred Goessl der Notwendigkeit einer systematischen Begründung der Zulässigkeit von Organstreitigkeiten, indem sie

8

Für diese hier beispielhaft W. Löwer, Handbuch II, 745f mwN, der die objektive Bewahrung des Verfassungsrechts als Ziel der Organstreitverfahren in den Mittelpunkt rückt: "Die eingehaltene Kompetenzordnung, die ja immer auch an die handelnden Organe das Verbot der Einmischung in fremde Funktionen enthält, trägt ein hohes Maß der Selbstgewährleistung ordentlicher Aufgabenerfüllung in sich. Es ist... ein naheliegender Gedanke, diese Funktionsordnung gegen die excedierende Kompetenzinanspruchnahme eines Verfassungsorgans zu sichern, nicht zum Schutz des 'beeinträchtigten Organs', dem dann ein subjektiver Störungsbeseitigungsanspruch zustände, sondern im Interesse des staatlichen Entscheidungssystems und seiner Destinatare, also der Bürger." Dem widerspreche auch die kontradiktorische Ausgestaltung des Organstreits nicht, die gewissermaßen einen prozessualen Kunstgriff darstelle: Sie erst "ermöglicht es dem Bundesverfassungsgericht, überhaupt funktional als Gericht, nämlich streitentscheidend ... tätig zu werden." 9 K. Stern, Staatsrecht II, 979f, unter Verweis auf Literatur zum verwaltungsgerichtlichen Organstreit in Fn 215.

Α. Von "Behördenkriegen" und Organstreitverfahren

20

unter Bezug auf Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG schlicht konstatieren: "Die Formulierungen enthalten vielmehr die ausdrückliche Anerkennung, daß die Kompetenzen der Verfassungsorgane und ihrer Teile subjektive Rechte und Pflichten und ihre Träger Rechts- und Pflichtsubjekte im Verfassungsrechtskreis sind."10 Für die landesverfassungsrechtlichen Organstreitigkeiten resümiert Herbert Bethge "die Schwierigkeiten einer dogmatischen Grundlegung der Figur": "Nicht von ungefähr wurde die verfassungsgerichtliche Organstreitigkeit ungeachtet der früh eingeleiteten 'Pluralisierung der Staatsperson' (Richard Thoma) und trotz der Einsicht in die Notwendigkeit eines gerichtsförmig ausgestalteten Organstreitverfahrens im Bereich der Staatsorganisation unter dem Einfluß der nachwirkenden Impermeabilitätstheorie noch lange als gesetzgeberischer Kunstgriff zur Erzielung einer zweckmäßigen Staatsorganisation (disqualifiziert. Entsprechendes gilt bezüglich der Auffassung von einer rechtlichen Fiktion nicht bestehender Rechtsverhältnisse zur Ermöglichung einerrichterlichen Selbstkontrolle des Staatsorganismus und von der Warnung vor Trugschlüssen prozeßrechtlichen Denkens. Mittlerweile sind solche dogmatischen Überzeichnungen des Prinzips der Einheit der Staatsgewalt und die begriffsjuristischen Überhöhungen des Staates als rechtlich impermeable juristische Person überwunden. Nach einem beträchtlichen gedanklichen und konstruktiven Aufwand ist es gelungen, den sog. Binnenbereich des Staates für die Rechtsordnung zu erschließen sowie die Kompetenztitel der staatlichen Organe als mögliche Rechtspositionen wiederzuentdecken, die eventuell auch gerichtlich gegeneinander geltend gemacht werden können. Der prinzipielle prozessuale Durchbruch ist der Lehre gelungen. Für den bundesverfassungsrechtlichen Organstreit ist die von Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG im Verein mit § 64 BVerfGG vorausgesetzte Zusammenordnung, Kontrastierung und gegenseitige Balance im differenzierten System des gewaltengliedernden Verfassungsstaates typisch, die zur Annahme einklagbarer subjektiver Rechte im InterorganVerhältnis nötigt."11 Die dieser Nötigung zugrundeliegende Zwangslage besteht allerdings nicht darin, daß aus der Annahme einer "Zusammenordnung, Kontrastierung und gegenseitigen Balance" bereits die Existenz von subjektiven Interorganrechten folgte, sondern gerade im Mangel einer derartigen Konsequenz, obwohl doch die Notwendigkeit der

10 11

Organstreitigkeiten innerhalb des Bundes, Berlin 1961, 55 mwN in Fn 237.

Organstreitigkeiten des Landesverfassungsrechts, in: Landesverfassungsgerichtsbarkeit, hg. von C. Starck und K. Stern, Baden-Baden 1983, 17-41, 23.

I. Begriff und Arten von Organstreitigkeiten

21

Organstreitverfahren bald erkannt war. Die Lehre konzentrierte sich bei der Einordnung nicht nur, aber besonders der verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten fast ausschließlich auf die Frage, wie aus einer Kompetenz ein subjektives Recht zu machen sei, ohne zu untersuchen, ob nicht die Kompetenz als solche bereits alle notwendigen Elemente für ihre gerichtliche Geltendmachung (zumal aufgrund einer positivrechtlichen Regelung) enthielte. Die Ergebnisse dieses Vorgehens für die verwaltungsgerichtlichen Verfahren werden im Abschnitt B. untersucht. Ihre Resultate können auch für die verfassungsrechtliche Debatte gelten, in der allerdings die Ausgangssituation insoweit eine andere ist, als hier nur ein Gericht die jeweiligen Verfahren durchführt und zwar auf der Basis ausdrücklicher gesetzlicher Vorschriften. Auf deren Wortlaut können sich schließlich alle Ansätze anstelle einer fundierten systematischen Begründung zurückziehen — entweder in dem Sinne, daß damit die Frage nach der Möglichkeit subjektiver Organrechte vom Gesetzgeber abschließend entschieden sei, oder mit dem Argument, daß hier ein gesetzgeberischer Kunstgriff vorliege, der im übrigen subjektive Organrechte ausschließe.

2. Verwaltungsrechtliche

Organstreitverfahren

Die durchaus auch in der Verwaltungsgerichtsbarkeit zunächst verbreitete und womöglich sogar überwiegende Ablehnung von Organstreitigkeiten geht ganz grundsätzlich auf die traditionelle Auffassung der Gewährung von "Rechtsschutz zur Sicherung und Durchsetzung der subjektiven Rechte des einzelnen gegenüber rechtswidrigen Maßnahmen der Verwaltung" als der "Kernaufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit"12 zurück. Da die Verwaltungsgerichte gerade nicht eine umfassende und lückenlose Kontrolle jeglichen Verwaltungshandelns, sondern gezielt Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger leisten sollten, erschien die Zulassung von Konflikten zwischen einzelnen Verwaltungsorganen ohne Berührung von subjektiven Individualrechten in der Form eines Verwaltungsrechtsstreits als eine klare und bedenkliche Überschreitung dieser fundamentalen Beschränkung der gerichtlichen Kontrollkompetenz.13 Dennoch erkannte die Praxis das Bedürfnis nach abschließen-

12 13

E. Trostel,

VB1BW 1988, 370.

S. zu diesem Spannungsfeld auch W. Krebs, Subjektiver Rechtsschutz und objektive Rechtskontrolle, in: FS Menger, hg. von H.-U. Erichsen / W. Hoppe / A. v. Mutius, Berlin u.a. 1985, 191-210 mwN.

Α. Von "Behördenkriegen" und Organstreitverfahren

22

der rechtlicher Klärung der auftretenden Kompetenzkonflikte und entwickelte Grundsätze für entsprechende Verfahren, nicht zuletzt, weil anderenfalls im Innern der Verwaltungsorganisation eine Art "rechtsfreier Raum" entstanden wäre, der doch als Dogma der Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft längst überwunden geglaubt war. Daher beschreibt folgendes Zitat von Georg Jellinek die umfassende Aufgabe der Verwaltungsjustiz treffender: "Die Verwaltungsgerichtsbarkeit garantiert zwar in erster Linie den Rechtskreis des einzelnen. Sie garantiert aber ebenfalls das staatliche Interesse an der Verwirklichung des Gesetzes durch die staatlichen Organe und stellt sich unter diesem Gesichtspunkte dar als der Schlußstein in dem Bau jener staatlicher Institutionen, durch welche sich der Staat selbst die Erfüllung seiner Rechtsordnung sicherstellt."14 Zwar konnten und können Verstöße gegen die Kompetenzordnung als objektivrechtlich ausgeformtes Organisationsstatut vielfach auf dem üblichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsweg wegen der Unzuständigkeit der handelnden Behörde oder der sonstigen Rechtswidrigkeit des entsprechenden Verwaltungsakts oder mit den Mitteln des Disziplinarrechts gegen die handelnden Amtswalter verfolgt werden, doch zeigte sich praktisch insbesondere im Bereich der Selbstverwaltungskörperschaften die Unzulänglichkeit dieser Kontrollmechanismen. Denn nicht nur das Postulat der Recht- und Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, sondern auch das der Einheitlichkeit desselben erforderte die Möglichkeit der Klärung von Kompetenzkonflikten vor den Verwaltungsgerichten. Die zunächst ganz grundsätzlich gehaltenen dogmatischen Widerstände wichen bald einer sehr detailorientierten wissenschaftlichen Betrachtung in vielen auf einzelne Kommunal- und Hochschulverfassungen bezogenen Abhandlungen, die jedoch das Ziel einer umfassenden dogmatischen Fundierung des Organstreits verfehlten. 15 Nachdem lediglich über diesen resignativen Befund Einigkeit zu erzielen war, erfolgte ein weitgehender Rückzug der Wissenschaft aus der Materie, die sogar explizit den Gerichten überlassen wurde. 16

14

System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2Tübingen 1905, 358. Vgl. auch K.P. Sommermann, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 5. 15 Vgl. dazu u. Fn 80 des Abschnitts B. 16

S. den bereits eingangs zitierten Beitrag von H. Bethge, DVB1 1980, 825.

II. Abgrenzung gegenüber anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren

23

IL Abgrenzung gegenüber anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren Organstreitigkeiten werden leicht mit anderen Verfahren verwechselt oder doch in einem Atemzug genannt, die es jedoch strikt von ihnen zu unterscheiden gilt. In Vertiefung der zu Beginn der Einleitung eingeführten Definition sollen daher die Unterschiede zu diesen Verfahrensarten im einzelnen erläutert werden.

1. Streitigkeiten zwischen Kommune und Aufsichtsbehörde

Die Verwechslungsgefahr zwischen dem sog. Kommunalverfassungsstreit und den aufsichtsrechtlichen Verfahren auf der Grundlage der Gemeindeordnungen ergibt sich aus der sachlichen Nähe der Streitgegenstände.17 Die Kommunen unterliegen weitgehend der staatlichen Kommunalaufsicht, die deren Handeln und insofern mittelbar die Kompetenzausübung der kommunalen Organe kontrolliert. Die aufsichtsrechtliche Beanstandung, Anordnung oder Ersatzvornahme richtetsich jedoch gegen die Gemeinde als juristische Person und stellt zumindest im Bereich des eigenen Wirkungskreises einen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde dar, gegen den der betroffenen Gemeinde grundsätzlich die üblichen Rechtsbehelfe zustehen. Es ist zwar denkbar, daß gegen ein und dieselbe vermeintlich rechtswidrige Maßnahme einer Gemeindevertretung sowohl von seiten der Aufsichtsbehörde als auch durch den Bürgermeister rechtlich vorgegangen wird, doch stünden sich in einem verwaltungsgerichtlichen Organstreit dann die beiden Organe derselben juristischen Person "Gemeinde" gegenüber, während im Anfechtungsverfahren gegen die aufsichtsrechtliche Beanstandung die Gemeinde als Klägerin und die zuständige Aufsichtsbehörde als Beklagte beteiligt wären.

17

Zum Verhältnis von aufsichtsrechtlicher Beanstandung und Kommunalverfassungsstreit vgl. auch das Urteil des OVG Münster vom 29.03.1967, OVGE 23,124, in dem die Zulässigkeit einer Organklage verneint wird, wenn damit der Pflicht zur Beanstandung ausgewichen wird (126f und LS 1).

Α. Von "Behördenkriegen" und Organstreitverfahren

24

2. Streitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts

Ebenso lassen sich sonstige gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts eindeutig von Organstreitverfahren unterscheiden, selbst wenn es sich in der Sache um Streitigkeiten zwischen den Organen der juristischen Personen bzw. um deren Kompetenzen handeln sollte. Prozessual sind Organe nur dann parteifähig, wenn es sich um Kompetenzkonflikte innerhalb eines rechtlich selbständigen Organisationsgefüges, also innerhalb desselben Rechtsträgers, in der Regel einer juristischen Person, handelt. Bei der Beteiligung zweier verschiedener juristischer Personen ist kein Organstreit gegeben, sondern ein Streit zwischen Personen.

3. Streitigkeiten zwischen Fiskus und Hoheitsverwaltung

Es kann zu Streitigkeiten innerhalb einer juristischen Person kommen, die dennoch keine Organstreitverfahren sind, und zwar dann, wenn beispielsweise das Finanzministerium eines Landes hoheitlich gegen eine andere Landesbehörde in deren Eigenschaft als Fiskus, ζ. B. als Grundeigentümerin, vorgeht oder sich letztere gegen eine hoheitliche Maßnahme der ersteren wehrt.18 Wird der Streit vor den Verwaltungsgerichten ausgetragen, so handelt es sich dennoch nicht um einen Organstreit, weil hier nicht die Kompetenzabgrenzung zwischen den streitenden Organen Gegenstand der Auseinandersetzung ist, sondern die Geltendmachung von Rechten und Pflichten aus einem anderen als dem Organverhältnis, etwa aus dem Eigentumsrecht und daran geknüpften öffentlich-rechtlichen Pflichten. 19

18

Vgl. den Sachverhalt, der einer Entscheidung des BayVGH vom 20.03.1963 zugrundelag: BayVGH n.F. 16, 21, sowie BayVGH (15.09.1965), BayVBl 1966, 137138; BayVGH (21.07.1966), BayVBl 1967, 28-30; OVG Rh-Pf (20.11.1969), AS 11, 245. 19 Intrikates Beispiel für einen "In-sich-Prozeß" im wahrsten Sinne des Wortes ist die Konstellation der Klage einer Gemeinde als Eigentümerin eines als Denkmal zu schützenden Gebäudes gegen sich selbst in der Eigenschaft als untere Denkmalschutzbehörde. S. dazu G. Dabringhausen / E. Strecker, Kommunale Denkmäler — Rechtsschutz durch Insichprozeß?, Der Gemeindehaushalt 1993, 178-182.

II. Abgrenzung gegenüber anderen verwaltungsgerichtlichen Verfahren

25

4. Streitigkeiten im Bereich von Dienst-, Beamten- und Disziplinarrecht

Sämtliche Probleme aus dem Dienst-, Beamten- und Disziplinarrecht sind strikt aus dem Bereich der Organstreitigkeiten herauszuhalten, denn sie spielen auf der Ebene gerade nicht der Organe, sondern der Organwalter. Hier geht es um die Rechtsverhältnisse der natürlichen Personen, die als Organwalter fungieren oder einem Kollegialorgan angehören. Diese Rechtsverhältnisse basieren nicht auf der Kompetenzordnung. Das gilt auch für den Fall, daß eine Behörde als Arbeitgeber mit einer dienstrechtlichen Entscheidung eines anderen Organs derselben juristischen Person nicht einverstanden ist. 20 In einem solchen Fall handelt es sich im Grunde auch um einen Streit zwischen Fiskus und Hoheitsverwaltung, da eine der streitenden Parteien Rechte und Pflichten aus einem im weitesten Sinne arbeitsrechtlichen Verhältnis gegen einen hoheitlichen Eingriff verteidigt.

5. Wahlanfechtungsverfahren

Besonders in den Anfängen der verwaltungsgerichtlichen Praxis kam es zu Grenzverwischungen zwischen Organstreitigkeiten und Wahlanfechtungsverfahren. 2! Abzustellen ist bei der Abgrenzung darauf, ob die Klage eines Organs gegen einen Wahlakt aufgrund eines gesetzlich geregelten Wahlanfechtungsrechts ergeht. Dann handelt es sich um ein objektiv-rechtliches Wahlanfechtungsverfahren, dessen Initiierung bestimmten Organen vorbehalten ist, die insofern mit der Anfechtung eine spezielle Beanstandungskompetenz ausüben und nicht in erster Linie eine Verletzung ihrer Kompetenzen durch einen Wahlakt rügen, sondern dessen generelle

20

Vgl. den Sachverhalt, der der Entscheidung des OVG Berlin vom 06.05.1963 zugrundelag, OVGE Bin 7, 128-133. 21

In den frühen Verfahren ging es relativ häufig um den Bestand von Wahlakten. Dabei sind Wahlen zu und Wahlen innerhalb von Gemeinderäten oder ähnlichen, parlamentarischen Versammlungen zu unterscheiden. Letztere können durchaus Gegenstand von Organstreitverfahren sein, erstere in der Regel nicht. Vgl. dazu beispielsweise die Entscheidungen der OVGe Münster vom 23.11.1949 (DVB1 1950, 403-406) und Lüneburg vom 01.09.1950 (DVB1 1951, 91-94) sowie M. Baring , Die kommunale Selbstverwaltung und die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Der Städtetag 1952, 105-109.

26

Α. Von "Behördenkriegen" und Organstreitverfahren

Rechtmäßigkeit in Frage stellen. Dennoch können Wahlakte auch in Organstreitverfahren angegriffen werden, wenn ein Organ oder (praktisch häufig) ein Organteil auf diesem Wege rügt, daß seine Befugnis zur Mitwirkung bei dieser Wahl verletzt worden sei bzw. die grundsätzliche Kompetenz des beklagten Organs zur Durchführung des Wahlaktes bestritten wird. Während die Klage im Organstreit zur Wahrung von Kompetenzen dient, erfolgt die Wahlanfechtungsklage in Ausübung einer ausdrücklichen Beanstandungskompetenz.

6. Normenkontrollverfahren

Ähnlich wie mit Wahlanfechtungsverfahren, die eine speziell geregelte Verfahrensart und nicht etwa einen Sonderfall des Organstreits darstellen, verhält es sich auch mit gesetzlich vorgesehenen Normenkontrollverfahren, wenn sie auf Antrag eines bestimmten Organs eingeleitet werden können. Beispielsweise haben Behörden ein Antragsrecht aus § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO. Antragsgegner im Normenkontrollverfahren ist nach S. 2 die juristische Person, die die angegriffene Rechtsvorschrift erlassen hat. Schon diese Regelung macht deutlich, daß es sich hier nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Organen handelt.

Β. Probleme und Lösungsansätze in Rechtsprechung und Literatur Im Hinblick auf die Organstreitverfahren sind es vor allem vier Punkte, die in der oberverwaltungsgerichtlichen Praxis uneinheitlich behandelt, von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ungeklärt gelassen und in der Literatur unbefriedigend gelöst worden sind. Der erste Punkt betrifft die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs für diese Verfahren, also die Grundfrage nach dem "Ob" der verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten. Drei weitere Probleme betreffen das "Wie", und zwar jeweils sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit von Klagen. Einmal geht es um die Frage der Beteiligtenfähigkeit und der Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien. Der zweite Punkt ist der der statthaften Klageart und der Reichweite bzw. des Tenors der gerichtlichen Entscheidung. Schließlich besteht die nach wie vor umstrittenste Frage darin, ob eine von der klagenden Partei geltend zu machende Rechtsverletzung, die eine Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO begründen würde, erforderlich ist und wann sie vorliegt. Die folgende Darstellung orientiert sich an diesen vier Hauptproblemen.

L Die Rechtsprechung Die Divergenzen in der oberverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung verdanken sich nicht zuletzt dem Umstand, daß die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Revisionssachen nach §§ 49, 132, 133 VwGO eng begrenzt ist und insbesondere durch die Regelung des § 137 VwGO auf die Prüfung der Verletzung von Bundesrecht oder dem ihm wörtlich entsprechenden Verwaltungsverfahrensrecht der Länder beschränkt ist. Daher kann es auch nicht überraschen, daß es sich bei der Mehrzahl der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zu verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten um (verwerfende) Beschlüsse über Nichtzulassungs-

Β. Probleme und Lösungsansätze

28

beschwerden handelt.1 Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 VwGO für "öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen dem Bund und den Ländern und zwischen verschiedenen Ländern" hat, soweit ersichtlich, in diesem Zusammenhang noch keine Rolle gespielt, auch wegen des im Zweifelsfall verfassungsrechtlichen Charakters solcher Streitigkeiten, die dann nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 und 3 GG iVm den entsprechenden Regelungen des BVerfGG in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts fallen.

1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

Die früheste Entscheidung eines bundesdeutschen Oberverwaltungsgerichts, die den Verwaltungsrechtsweg für Organstreitigkeiten als eröffnet betrachtet hat, erging am 01.09.1950 durch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg2.3 Es befand, daß ein Kreistag, wenn er sich "als die parlamentarische Vertretung des Kreises" einen Vorsitzenden gibt, nicht als Behörde handle, "sondern im Bereich der Selbstgestaltung seiner verfassungsrechtlichen Ordnung." Damit seien seine gerichtlich angegriffenen Beschlüsse keine Verwaltungsakte, sondern "organisatorische Entscheidungen der parlamentarischen Vertretung des Kreises, die in seinem Verfassungsrecht ihre Grundlage finden." Gleichwohl unterliege die Maßnahme gemäß § 22 Abs. 1 MRVO Nr. 165 der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung, nämlich als dort genannte "andere Streitigkeit des öffentlichen Rechts". Innergemeindliche Ver-

1

Vgl. etwa die Beschlüsse BVerwGE 3, 30; NVwZ 1982, 243; NVwZ 1985, 112; NVwZ 1989, 470. 2 OVGE 2, 225 (DVB1 1951, 91-94). 3

Das bereits am 23.11.1949 ergangene Urteil des OVG Münster (DVB1 1950, 403406), in dem die Feststellungsklage der Mitglieder einer Gemeinderatsfraktion gegen den Gemeinderat wegen dessen Beschlusses über die Gültigkeit der Gemeinderatswahl als zulässig erachtet wurde, ist insofern ein Sonderfall, als es sich hier in der Sache um eine Wahlprüfung handelte: Der Gemeinderat hatte lediglich an Stelle eines "vorgesehenen, aber noch nicht errichteten Wahlprüfungsgerichts" die Gültigkeit der Wahlen festgestellt (DVB1 1950, 403). Derselben Auffassung ist offenbar auch das OVG Münster, das in OVGE 17, 261 / 262 (04.04.1962) das Urteil des OVG Lüneburg vom 01.09.1950 als grundlegend bezeichnet.

I. Die Rechtsprechung

29

fassungsstreitigkeiten seien keine Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes im Sinne des § 27 Buchst, d MRVO Nr. 165 und damit kein Fall der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte. Verneine man hier die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs, "würde sich die nicht verständliche Folgerung ergeben, daß die Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes der gerichtlichen Kontrolle unterlägen, daß aber die Verfassungsstreitigkeiten in Gemeinden und Gemeindeverbänden gerichtlich unüberprüfbar wären."4 Diese Entscheidung markiert die Geburtsstunde des Kommunalverfassungsstreits. Den Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten aufgrund der Verfassungen nicht nur kommunaler5 Selbstverwaltungskörperschaften erkannten nach und nach außer den Oberverwaltungsgerichten Lüneburg und Münster6 auch die anderen Oberverwaltungsgerichte an. So entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Urteil aus dem Jahre 19557: "Es ist ... unverkennbar, daß die Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten über die Gültigkeit der Wahlen [des Bürgermeisters und eines Beigeordneten] im öffentlichen Recht wurzeln. Sie gehören also zu den 'anderen Streitigkeiten des öffentlichen Rechts', zu deren Entscheidung die Verwaltungsgerichte gemäß § 22 Abs. 1 VGG ebenfalls berufen sind."8 In enger Anlehnung an die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg sieht das Oberverwaltungsgericht Saarlouis im Kommunalverfassungsstreitverfahren den Angriff einer "organisatorische[n] Entscheidung der parlamentarischen Vertretung der Gebietskörperschaft, die in ihrem Verfassungsrecht ihre Grundlage findet", durch ein

* DVB1 1951, 92. 5

S. beispielsweise die Entscheidungen des OVG Münster über die Wahl des Vorstands einer Jagdgenossenschaft, OVGE 13, 82 (30.10.1957), sowie für hochschulverfassungsrechtliche Streitigkeiten, OVGE 24, 82 (31.05.1968), für Streitigkeiten innerhalb einer Zahnärztekammer, OVGE 28, 208 (18.01.1973), und einer Industrie- und Handelskammer OVGE 41, 229 (01.09.1989). Zur Zulässigkeit des Hochschulverfassungsstreits s. den Beschluß des BVerwG (09.10.1984), in: NVwZ 1985, 112. 6

Z.B. OVGE 13, 82 (30.10.1957) und 13, 351 (10.07.1958); letztere trotz des auf den ersten Blick befremdlichen 3. Leitsatzes: "Insbesondere gibt es kein Gemeindeverfassungsstreitverfahren", der sich allerdings auf die Annahme einer allgemeinen Minderheitsklage gegen Mehrheitsbeschlüsse bezieht (13, 351 / 356). Ausführlicher noch OVGE 17, 261 (4.4.1962) und 27, 258 (2.2.1972). 7 ESVGH 4, 169 (13.5.1955). 8

ESVGH 4, 169/ 172.

Β. Probleme und Lösungsansätze

30

Mitglied der kommunalen Vertretungskörperschaft. Der Verwaltungsrechtsweg für ein solches "Streitverfahren sui generis" ergebe sich aus § 40 Abs. 1 VwGO. 9 Besonders süddeutsche Gerichte sahen sich zum Teil durch ihre Tradition 10, zum Teil durch die Formulierungen ihrer landesrechtlichen VGG zunächst daran gehindert, Klagen zuzulassen, die nicht gegen einen Verwaltungsakt gerichtet waren, was dazu führte, daß etwa der Bayerische11 und der Hessische12 Verwaltungsgerichtshof in entsprechenden Fällen Wahlen durch eine Vertretungskörperschaft lange als Verwaltungsakte qualifizierten und Klagen von deren Mitgliedern als Anfechtungsklagen behandelten.13 Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof änderte 1968 seine

9 AS 10, 82 / 83f (28.7.1966). Vgl. auch OVG Bremen (31.05.1990), NVwZ 1990, 1195; OVG Berlin (23.01.1975), OVGE Bln. 13, 47. 10

"Das 'süddeutsche System' beschränkt die Kompetenz der Verwaltungsgerichte auf den Schutz subjektiver öffentlicher Rechte der Bürger.... Demgegenüber trat nach dem 'preußischen System' der Schutz subjektiver öffentlicher Rechte hinter der Gewährleistung der objektiven Rechtsordnung bei der Anwendung des Verwaltungsrechts durch die Verwaltungsbehörden zurück." (C.-F. Menger, DÖV 1963, 727, s. auch K.-P. Sommermann, Verwaltungsgerichtsbarkeit, 5 mwN in Fn 19). Aus diesen Traditionen heraus taten sich die norddeutschen Verwaltungsgerichte leichter damit, das vermeintlich bloß objektive Recht der innerexekutiven Kompetenzordnung als Gegenstand ihrer Judikatur anzunehmen, während für süddeutsche Gerichte der Umweg über den Begriff des Verwaltungsaktes attraktiv wurde. 11

S. etwa BayVGH n.F. 8, 97 ; 13, 85. Z.B. ESVGH 16, 197 (16.3.1966): "Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats stellt die Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters durch eine Gemeindevertretung einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar ... Dann muß aber gleiches für die Wahl ehrenamtlicher Beigeordneter gelten." (ESVGH 16, 197 / 202). Vgl. aber ESVGH 1, 21 (28.3.1952): Die Wahl eines Landrats durch den Kreistag sei kein Verwaltungsakt und insofern auch nicht im Wege der Anfechtungsklage angreifbar. Der VGH verweist hier auf das Institut der Wahlprüfung (ESVGH 1,21/ 22f). Vgl. aber für den Hess VGH neuerdings z.B. ESVGH 44, 291 (14.6.1994). 12

13

S. dazu das BVerwG, DVB1 1961, 165 (21.10.1960): "Darüber, ob eine von einer Vertretungskörperschaft ... vorgenommene Wahl ... ein VerwAkt ist, bestehen weitgehende Meinungsverschiedenheiten. Streitig ist auch, mit welcher Klage ... derartige Wahlen angefochten werden können. Streitig ist schließlich, unter welchen Voraussetzungen Mitglieder eines gemeindlichen Beschlußorgans gegen eine von dem Beschlußorgan vorgenommene Wahl klagen können. ... [Jedoch ergibt sich,] daß nach bay. Landesrecht von den gemeindlichen Vertretungskörperschaften vorgenommene Wahlen als VerwAkte ('sonstige VerwAkte' im Sinne von § 22 Abs. 1 VGG) zu behandeln sind, gegen die Anfechtungsklage erhoben werden kann."

I. Die Rechtsprechung

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Rechtsprechung, "die dem Bedürfnis nach einer gerichtlichen Untersuchung [der Beschlüsse von kommunalen Vertretungskörperschaften über die Zusammensetzung ihrer Ausschüsse oder von Wahlen] Rechnung tragen wollte und von dem das frühere Verwaltungsgerichtsgesetz beherrschenden Grundsatz geprägt war, daß vor die Verwaltungsgerichte ... nur Anfechtungssachen ... gebracht werden konnten " 1 4 : Ein derartiger Beschluß sei eine "im Gemeindeverfassungsrecht wurzelnde organisationsrechtliche Entscheidung, die nach ihrem Wesen und Zweck eine eigenständige hoheitliche Maßnahme darstellt."15 "Bei dem Streit um die Rechtmäßigkeit der Beschlußfassung handelt es sich... um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, für die nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist" 16 . Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz befand noch im Jahre 1960: "Die durch das Kommunalverfassungsrecht den Organen einer Selbstverwaltungsbehörde gegebenen Befugnisse sind grundsätzlich keine Rechte, für die ein unmittelbarer verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gewährt wird. Sie können auch nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein."17 Ein Organ habe "keine eigenen, dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz unterliegenden Rechte, sondern lediglich im Rahmen der Kommunalverfassung Funktionen innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaft. ... Weder das Gemeinde verfassungsrecht noch das Verwaltungsprozeßrecht des Landes Rheinland-Pfalz geben eine Möglichkeit, Organstreitigkeiten im Bereich der Selbstverwaltung gerichtlich auszutragen. Vielmehr bleiben ... derartige Auseinandersetzungen innere Angelegenheiten der Selbstverwaltungskörperschaft und müssen durch die dort wirkenden politischen Kräfte ... bereinigt werden."18 Später ging jedoch der nunmehr zuständige 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts von dieser Rechtsprechung des 1. Senats ab und erklärte einen Kommunalverfassungsstreit ohne Bedenken für zulässig.19

14

BayVGH n.F. 21, 74 (8.5.1968).

15

BayVGH n.F. 21, 74 / 76.

16

BayVGH n.F. 21, 74 / 75. AS 8, 78 (4.7.1960), LS 2.

17 18 19

AS 8, 78 / 82f. AS 9, 335 (8.3.1965).

Β. Probleme und Lösungsansätze

32

Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits früh den Verwaltungsrechtsweg für Organstreitigkeiten anerkannt, nämlich in einem Beschluß aus dem Jahre 1955 20 : In Nordrhein-Westfalen gehöre "die Entscheidung über Streitigkeiten innerhalb der Organe einer Gemeinde [nicht] zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ... Da der vorliegende Fall... eine andere (verwaltungsgerichtliche) Streitigkeit des öffentlichen Rechts zum Gegenstand hat, ergibt sich aus § 44 MRVO Nr. 165, daß ein Einspruchsverfahren nicht stattzufinden braucht."21 Zwar könne zweifelhaft sein, "inwieweit einzelne Ratsmitglieder berechtigt sind, gegen einen von ihnen für rechtswidrig gehaltenen Beschluß des Rates das Verwaltungsgericht anzurufen. Diese Frage... bedarf jedoch im vorliegenden Fall keiner Klärung, da die klagenden Ratsmitglieder geltend machen können, durch den mit der Klage angegriffenen Beschluß des Rates in ihren Rechten verletzt zu sein (Art. 19 Abs. 4 GG). Jedenfalls schließt die MRVO Nr. 165 solche Klagen unter dem Gesichtspunkt 'der anderen Streitigkeiten des öffentlichen Rechts' (§ 22 Abs. 1 MRVO Nr. 165) nicht aus."22 Als grundsätzliche Anerkennung zumindest des Kommunalverfassungsstreits durch das Bundesverfassungsgericht wird die beiläufige Erwähnung der Möglichkeit eines solchen Verfahrens in einer Entscheidung über eine Bund-LänderStreitigkeit 23 gedeutet.

2. Die statthafte Klageart und die gerichtliche Kassationsbefugnis

Die Frage nach der statthaften Klageart im Organstreitverfahren wird bis heute von der obergerichtlichen Praxis uneinheitlich behandelt. Es läßt sich jedoch die

20

BVerwGE 3, 30 (8.12.1955).

21

BVerwGE 3, 30/33. BVerwGE 3, 30 / 35.

22 23

BVerfGE 8, 122 / 130. Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob das Land Hessen die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten verletzt, indem die Landesregierung es unterläßt, die Beschlüsse hessischer Gemeinden zur Durchführung von Volksbefragungen über Atomwaffen aufzuheben. Das BVerfG stellt dazu fest, der Klage der Bundesregierung stünde nicht entgegen, daß die Gemeindebeschlüsse unter Umständen auch im Wege eines Kommunalverfassungsstreits vor den Verwaltungsgerichten angegriffen werden könnten.

I. Die Rechtsprechung

33

Tendenz beobachten, je nach Sachlage die Form der Feststellungs- oder der Leistungsklage zu wählen. Die Oberverwaltungsgerichte Münster 24, Lüneburg 25 und Saarlouis26 sind zunächst von einem "Verfahren sui generis" ausgegangen, das sich nicht in die Schablone einer der von der VwGO vorgesehenen Klagearten pressen läßt. Das hatte zur Folge, daß sowohl die Zulässigkeitsvoraussetzungen als auch der Urteilstenor einer gewissen dogmatischen Unsicherheit unterlagen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zunächst durchgängig angenommen, eine kommunalverfassungsrechtliche Streitigkeit sei "grundsätzlich in Form der allgemeinen Leistungsklage zu behandeln ... Erledigt sich die Hauptsache, muß der Kläger auf die Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO übergehen".27 Das Oberverwaltungsgericht in Koblenz hat zur Klageart ausgeführt: "Besteht Streit unter Organen und Organteilen über das Bestehen oder den Umfang von Rechten, so ist, weil dieser Streit in der Regel einen konkreten Anlaß hat, die Feststellungsklage das richtige Mittel des Rechtsschutzes.... Handelt es sich andererseits um bestimmte Rechte, aus denen sich ein Anspruch auf ein Handeln oder Unterlassen eines Organs oder Organteils ergibt, so ist die Leistungsklage derrichtigeprozessuale Weg". 28 Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg "sowohl Feststellungswie Leistungsanträge" als zulässig angesehen,29 während der Hessische Verwaltungsgerichtshof sogar befand: "Kommunalrechtsstreitigkeiten zwischen Organteilen und Organen einer Körperschaft des öffentlichen Rechts lassen sich in Anbetracht der auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhenden körperschaftsinternen Organbeziehungen nach der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung nur im Wege der Feststellungsklage austragen."30

24 OVGE 17, 261 / 263. In dieser Entscheidung vertritt der Senat die Auffassung, daß es sich "um ein Streitverfahren sui generis handelt [und daß] die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 Abs. 1 VwGO entscheidend ist und die Klageart nur sekundäre Bedeutung hat, weil der Gesetzgeber der VwGO die Klagearten nicht abschließend festlegen, sondern der Entwicklung durch die Rechtsprechung überlassen wollte". 25 26

DÖV 1961, 548. AS 10, 82 / 84 (28.7.1966).

27

NVwZ 1988, 83 / 84. S. auch BayVGH n.F. 29, 37 / 39 (7.8.1974).

28

AS 9, 335 / 338 (8.3.1965).

29

ESVGH 23, 203 /207 (26.10.1972). 30 NVwZ 1982, 44 / 45. 3 Buchwald

Β. Probleme und Lösungsansätze

34

Die Annahme einer Klage sui generis ist wohl heute aufgegeben, denn auch die Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg behandeln die verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten inzwischen als Feststellungs- oder Leistungsklagen im Sinne der oben referierten Unterscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz.31 Dieser Linie entspricht auch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin, das eine konkrete Klage im Organstreit als Feststellungsklage für unzulässig, als allgemeine Leistungsklage jedoch für zulässig gehalten hat.32 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Frage nach der statthaften Klageart in Organstreitigkeiten in seinen bisherigen Entscheidungen offengelassen, 33 allerdings auch keine Ansicht verworfen. Umstritten ist jedoch nach wie vor die Frage nach der verwaltungsgerichtlichen Kassationsbefugnis, die auch nach der weitgehenden Vereinheitlichung der Lösung des Problems derrichtigenKlageart ungeklärt ist. Abgelehnt wird ein kassatorischer Spruch in Organstreitigkeiten beispielsweise vom Verwaltungsgerichtshof BadenWürttemberg, indem er einen Antrag für unzulässig erklärt, der fordert, "die vom Gemeinderat vorgenommene Wahl 'für ungültig zu erklären',... wenn darin ... ein Antrag auf Aufhebung des Wahlakts, also auf gerichtliche Gestaltung gesehen werden müßte."34 Wegen der Abgeschlossenheit des verwaltungsgerichtlichen Klagensystems und des mangelnden Verwaltungsaktscharakters von Beschlüssen kommunaler Vertretungskörperschaften sei die einzige vorgesehene Gestaltungsklage in Form der Anfechtungsklage hier weder einschlägig noch analogiefähig. "Der Antrag... kann jedoch auch dahin verstanden werden, daß die Ungültigkeit der Wahl festgestellt werden soll." 35 Des weiteren müsse ein Leistungsantrag auf erneute Durchführung der Wahl angenommen werden, der auch prinzipiell zulässig sei.36 Noch anders argumentiert das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz: "Es ist ... nicht richtig, wenn ein Gemeinderatsmitglied wegen Verletzung seiner Mitgliedschaftsrechte ... auf Feststellung der Ungültigkeit von Gemeinderatsbeschlüssen klagt. Das würde ... auf eine ... Normenkontrolle hinauslaufen. Im

3

1 S. OVG Münster (10.9.1982), OVGE 36, 154 / 155, und NVwZ 1986, 851/ 852 (30.8.1985), sowie OVG Lüneburg (28.2.1984), OVGE 37, 473 / 474. 32 OVGE Bln. 17, 12 / 13f (11.5.1983). 33

So in BVerwGE 3, 30 / 33; NVwZ 1985, 112 / 113; NVwZ 1989, 470.

34

ESVGH 23, 203 / 205.

35

ESVGH 23, 203 / 205.

36

ESVGH 23, 203 / 205f. Ähnlich auch OVG Berlin, OVGE Bln. 17, 12 / 14.

I. Die Rechtsprechung

35

Kommunalverfassungsstreitverfahren geht es um die Feststellung von Rechten und Pflichten, nicht aber um die Folgen, die sich aus der Verletzung von Rechten ergeben."37 Demgegenüber befand das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bereits in seiner ersten einschlägigen Entscheidung: "Das Ergebnis der materiellrechtlichen Prüfung hat prozeßrechtlich zur Folge, daß die rechtswidrigen Beschlüsse durch Urteil aufzuheben sind. ... [D]er Zweck der gesetzlichen Regelung des § 75 Abs. 1 Satz 1 [MRVO Nr. 165 trifft] auch für diejenigen Fälle zu, in denen es sich 'um andere Streitigkeiten des öffentlichen Rechts'... handelt. Die Regelung ... will die Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit gegenüber den Verwaltungsbehörden abgrenzen. Die Verwaltungsgerichte sollen grundsätzlich nur kassatorisch in die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden eingreifen können." Auch bei den "anderen Streitigkeiten" bestehe "die Aufgabe der Verwaltungsgerichte darin, Entscheidungen, die rechtswidrig sind, zu beseitigen."38 Daß "auch in kommunalverfassungsrechtlichen Streitverfahren die Kassation durch das Gericht nicht schlechthin ausgeschlossen ist", folgt für den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof "schon aus den sich aus Art. 19 Abs. 4 GG ergebenden Rechtsgedanken. Art. 19 Abs. 4 GG ... garantiert... nicht nur das formale Recht, den Rechtsweg zu beschreiten, sondern darüber hinaus ein substantielles Recht auf effektiven Rechtsschutz."39 Werde das Mitgliedschaftsrecht eines zu Unrecht von der Abstimmung ausgeschlossenen Gemeinderatsmitglieds verletzt, "so führt dies in jedem Falle dazu, daß eine unter Verletzung dieses Rechts zustandegekommene Entscheidung auf die Klage des betroffenen Gemeinderatsmitglieds hin aufgehoben werden muß." Es sei insofern irrelevant, daß die Verletzung das Mitgliedschaftsrecht nur in einem Teilbereich, nämlich dem Recht auf Abstimmung, betroffen habe: "Jede Beeinträchtigung dieses Mitgliedschaftsrechts schließt das betroffene Gemeinderatsmitglied von seiner ihm kraft kommunalverfassungsrechtlichen Auftrags übertragenen Aufgabe und Befugnis aus. Eine Beseitigung dieser Rechtsbeeinträchtigung ist aber nur möglich, wenn das ... Gemeinderatsmitglied auf seine

37 38 39

AS 10, 55 / 57 (18.4.1966). DVB1 1950, 94 (01.09.1950). BayVGH n.F. 29, 37 / 39 (7.8.1974).

Β. Probleme und Lösungsansätze

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Klage hin wieder so gestellt wird, wie wenn die Rechtsbeeinträchtigung nicht erfolgt wäre." 40 Wird also einmal auf das generelle Verhältnis von Verwaltungsgerichtsbarkeit und Verwaltungsbehörden abgestellt, so steht in der zuletzt angeführten Argumentation der Gesichtspunkt der (subjektiven) Rechtsverletzung des Klägers im Vordergrund. Das ist auch der Fall, wenn beispielsweise das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht in einer neueren Entscheidung von einem "körperschaftsinternen Störungsbeseitigungsanspruch, der mit dem Folgenbeseitigungsanspruch des Außenrechtsbereiches verglichen werden kann"41, spricht. Inwieweit dies mit den Eigenheiten des Organstreits und den prozeßrechtlichen Regelungen der Feststellungs- und der allgemeinen Leistungsklage vereinbar ist, bleibt noch zu erörtern. Hier ist festzuhalten, daß das Bundesverwaltungsgericht auch zur verwaltungsgerichtlichen Kassationsbefugnis im Organstreit keine Klärung herbeigeführt hat.

3. Das Erfordernis und das Vorliegen einer Klagebefugnis

Das dogmatisch schwierigste Problem der Organstreitigkeiten wird in der Klagebefugnis gesehen. War nach Inkrafttreten der VwGO anfangs nicht klar, ob eine solche in Analogie zu § 42 Abs. 2 VwGO auch für Klagen im Organstreit erforderlich war 4 2 so herrscht heute in der Rechtsprechung Einigkeit darüber, daß dies der Fall ist, 43 und auch das Bundesverwaltungsgericht hat insofern eindeutig

40 BayVGH n.F. 29, 37/41. 41

OVGE 42, 70 / 71 (12.2.1990).

42

Vgl. etwa OVG Münster (20.6.1951), VerwRspr 4, 389.

43

S. z.B. OVG Lüneburg (11.10.1960), 16, 349 / 350: Eine Klage ist unzulässig, "wenn sie sich nicht auf die Behauptung zu stützen vermag, der Kläger sei durch die [angegriffene] Wahl in seinen Rechten beeinträchtigt. ... Die Popularklage ist dem Verwaltungsstreitverfahren fremd; das gilt auch für das Kommunalverfassungsstreitverfahren ... Daraus ergibt sich für die Klagebefügnis zunächst, daß der Kläger in engerer rechtlicher Beziehung als jedermann zu der Wahl stehen muß. Das Kommunalverfassungsstreitverfahren findet immer nur innerhalb eines dem Kommunalverfassungsrechtskreis zugehörigen Rechtsverhältnisses statt. Verdankt aber der Kläger die Klagebefugnis seiner kommunalverfassungsrechtlichen Rechtsstellung, so kann sie ihm auch nur dann zustehen, wenn er geltend machen kann, er sei in dieser Rechtsstellung

I. Die Rechtsprechung

37

Stellung bezogen.44 Es hat jedoch in seinen Entscheidungen auch den Finger in die dogmatisch nach wie vor klaffende Wunde gelegt, indem es festgestellt hat, daß die Frage, wann denn eine Klagebefugnis beim Kläger vorliegt, von ihm nicht zu beantworten ist in den Fällen (und das ist die überwiegende, wenn nicht erschöpfende Zahl), in denen es sich bei den Regelungen, aus denen sich eine mögliche Klagebefugnis ableiten ließe, um Landesrecht handelt.45 Das bedeutet, daß es an einem einheitlichen Begriff der die Klagebefugnis begründenden Rechtsbeeinträchtigung und insbesondere an den Kriterien für relevante "Rechte" von Organen und Organteilen immer noch fehlt. Hervorzuheben ist, daß es durchaus inzwischen gefestigte Rechtsprechungen der jeweiligen Oberverwaltungsgerichte gibt, die sich auch im Prinzip wenig voneinander unterscheiden. Woran es aber mangelt, ist eine klare dogmatische Klärung der Herkunft, des Charakters und der Trägerschaft der "Rechte", deren behauptete Verletzung eine Klagebefugnis begründet. Die Ausführungen der Gerichte dazu sind eher fragmentarisch und bieten wenig Ansatzpunkte für eine Verallgemeinerung oder Verdichtung zu einer konsistenten Konzeption. Befand etwa das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz noch im Jahre 1960, ein Organ habe "keine eigenen, dem verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz unterliegenden Rechte, sondern lediglich ... Funktionen innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaft" 46, so begründet es später die Klagebefugnis von Funktionsträgern innerhalb einer solchen Körperschaft mit der Aussage: Ihre "Kompetenz ... stellt sich als rechtsschutzfähiges subjektives Recht dar, weil sie sich nicht als bloße Wahrnehmungszuständigkeit

begreift"*

1

. Da es kaum eine Frage des (höchst

zweifelhaften) Selbstbewußtseins einer Kompetenz sein kann, ob sie eine Klagebefugnis im Falle ihrer Beeinträchtigung nach sich zieht, bedarf das Verhältnis von Funktion, Wahrnehmungszuständigkeit oder Kompetenz und Klagebefugnis weiterer Ausführungen. In einer anderen Entscheidung führt das einer Gemeinderatsfraktion zustehende Mitwirkungsrecht bei der Aufstellung der Tagesordnung zu einer entspre-

beeinträchtigt worden". S. auch schon OVG Lüneburg (05.09.1956), OVGE 12, 414 / 415. Außerdem: OVG Berlin (23.1.1975), OVGE Bln. 13, 47 / 49; OVG Saarlouis (28.7.1966), AS 10, 82; OVG Münster (10.07.1958), OVGE 13, 350 / 353. 44 S. die Beschlüsse des BVerwG vom 12.8.1981, NVwZ 1982, 243, und vom 9.10.1984, NVwZ 1985, 112 / 113. 45

Ebenda.

46

AS 8, 78 / 82 (4.7.1960).

47

AS 17, 170 / 171 (15.12.1981) [Hervorhebung von der Verf.].

Β. Probleme und Lösungsansätze

38

chenden Klagebefugnis: 48 "Denn § 34 Abs. 5 S. 2 GemO regelt nicht lediglich im öffentlichen Interesse eine die innere Organisation des Gemeinderates betreffende Kompetenz, deren Mißachtung keine... Verletzung von Individualrechten bedeuten würde. Vielmehr geht diese Vorschrift von möglichen Interessengegensätzen zwischen dem Bürgermeister und der Gemeinderatsminderheit bei der Bestimmung der Tagesordnung aus und verleiht zum Ausgleich dieses Konflikts der Ratsminderheit ein Mitwirkungsrecht... Dieser gesetzliche Schutz einer Minderheit in dem pluralistisch zusammengesetzten Vertretungsorgan ... dient somit einem Individualinteresse und räumt auch der Fraktion eine klagbare Rechtsposition ein".49 Auf den hier tragenden, aber hochproblematischen Begriff des Individualinteresses ist im weiteren Verlauf der Untersuchung noch detailliert einzugehen. Deutlich wird jedoch schon hier, daß keineswegs jede Kompetenz oder Funktion klagbar sein soll, sondern noch etwas hinzukommen muß: "Die Organen zugewiesenen Kompetenzen sind nämlich prinzipiell nur 'Wahrnehmungszuständigkeiten1 ... [Es] stellt sich die in jedem Einzelfall zu beantwortende Frage, ob zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten, die die Aufwertung

der mit jeder Verpflichtung

zur Kompetenzwahrung und Kompetenzausfüllung verbundenen Rechtsmacht zum klagbaren subjektiv-öffentlichen Recht des Organs ausmachen."50 Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz besteht die gemeinsame Struktur der anerkannten Organrechte darin, daß "jeweils gegeneinander auszugleichende Einzeloder Gruppeninteressen in Rede [stehen], die aus Gründen etwa der verfassungsrechtlich gebotenen Gewaltenteilung oder des pluralistischen Strukturprinzips von 'einzelnen' Organen wahrzunehmen sind. Diese Interessenlage kann dazu veranlassen und berechtigen, die Kompetenzen dieser Organe zu 'eigenen' klagbaren Rechten auszuweiten".51 Die Aufwertung von Wahrnehmungszuständigkeiten zu subjektiven öffentlichen Rechten sei aber nicht angezeigtbei einer Aufgabenübertragung auf ein Gremium "lediglich aus allgemein-öffentlichen

Gründen ..., um ... einen im

Sinne der Aufgabenerfüllung einwandfreien Funktionsablauf sicherzustellen."52

48

AS 17, 32 (15.9.1981).

49

AS 17, 32 / 33. AS 16, 336 / 340 (17.2.1981) [Hervorhebung von der Verf].

50 51

AS 16, 336 / 340f.

52

AS 16, 336 / 341 [Hervorhebung von der Verf.].

I. Die Rechtsprechung

39

Abgesehen von der Frage, wer veranlaßt und berechtigt ist, die Kompetenzen zu eigenen Rechten auszuweiten — der Gesetzgeber, dessen entsprechende Absicht allerdings noch im Wege der Interpretation ermittelt werden muß, oder das Gericht, das hier seine eigenen Maßstäbe setzt —, läßt sich die Problematik der Abgrenzung nach einerseits "lediglich allgemein-öffentlichen Gründen" und andererseits "gegeneinander auszugleichenden Einzel- oder Gruppeninteressen" an einer Entscheidung53 des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs verdeutlichen, die zeigt, wie schwierig es ist, die Relevanz der herangezogenen Interessenlagen zu begründen. Das Gericht erklärt subjektive Rechte von Organen zur Ausnahme, die besonderer Rechtfertigung bedarf, 54 und führt weiter aus: "Solche Rechte lassen sich etwa dann anerkennen, wenn Organe oder Organteile kollegial strukturiert und von daher Interessenkonflikte nicht nur möglich, sondern im Gesetz angelegt sind. Dann läßt sich nämlich die These aufstellen, es werde mit der organisationsrechtlichen Zuweisung bestimmter Funktionen eine Förderung des pluralistisch strukturierten Willensbildungsprozesses sowie eine Ausbalancierung unterschiedlicher Positionen angestrebt. Als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses ausbalancierten Systems wird postuliert, das Organ(-teil) müsse mit dem Recht ausgestattet sein, seine Befugnisse anderen gegenüber zu verteidigen"

55

Dann wird auf den konkreten Fall bezogen argumentiert, daß der Landesgesetzgeber mit der Ausgestaltung der Regionalen Planungsversammlung, in die die Gebietskörperschaften der Region Vertreter entsenden, "einen pluralistisch strukturierten Willensbildungsprozeß [anstrebt]. Dies ergibt sich bereits daraus, daß die Interessenlagen der berufenen Mitglieder... sehr unterschiedlich sind, die Aufgabe der Regionalen Planungsversammlung aber gerade in der Ausbalancierung und Artikulation der kleinräumigen (örtlichen) Interessen im Prozeß der Regional-

53

ESVGH 44, 291 (14.6.1994).

54

"Für die Beantwortung der Frage nach der Versubjektivierung von Aufgabenzuweisungsnormen ist zunächst zu beachten, daß sich die Zuweisung von Rechten und Pflichten im staatsorganisatorischen Innenbereich überwiegend in der Förderung eines reibungslosen Funktionsablaufs erschöpft. Sollen die zugewiesenen Kompetenzen dagegen zu einem klagbaren subjektiven Recht aufgewertet werden, so müssen zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten, die eine solche Aufwertung rechtfertigen" (ESVGH 44, 291 / 294). 55

ESVGH 44, 291 / 294 [Hervorhebungen von der Verf].

Β. Probleme und Lösungsansätze

40

planung besteht. Die Rechte der einzelnen Mitglieder... sind daher als wehrfähige organschaftliche (mitgliedschaftliche) Rechte ausgestaltet".56 Interessant ist die Entscheidung deshalb, weil in dieser Argumentation zur Frage der Klagebefugnis auf die vom Gesetz vorgesehene Interessenvertretung der lokalen Gebietskörperschaften und den Ausgleich von deren Interessenkollisionen abgestellt wird, aber aus den Ausführungen zur Begründetheit der Klage hervorgeht, daß es sich tatsächlich bei den kollidierenden Interessen nicht um solche von einzelnen Gemeinden handelt, sondern um die der parteipolitischen Fraktionen und ihrer Mitglieder in der Regionalen Planungsversammlung, die gewissermaßen quer zu denen der vertretenen Gebietskörperschaften liegen.57 Denn in dem zugrundeliegenden Fall hatten sich nicht etwa die großen Gemeinden zu Lasten einiger kleiner verbündet, sondern die großen Fraktionen unter Ausschluß der "Grünen" eine Absprache getroffen und dann in der Planungsversammlung diese "Paketlösung" mehrheitlich verabschiedet.58 Insofern hätte es zur Klagebefugnis lediglich der Feststellung bedurft, daß in einem Kollegialorgan grundsätzlich allen Organteilen gleiche Mitwirkungsbefugnisse zukommen müssen, wenn seine kollegiale Ausgestaltung einen Sinn haben soll, wie dies auch in den allgemeinen Ausführungen des Gerichts im Mittelpunkt steht. Das Abstellen auf die Möglichkeit von irgendwelchen Interessenkonflikten innerhalb eines Organs, die schließlich gar nicht den Anlaß des Rechtsstreits bilden, führt eher in die Irre. Der Verwaltungsgerichtshof in München hat stets ohne weitere Problematisierung angenommen, daß Angehörigen kollegialer Gremien in dieser Eigenschaft sogenannte "Mitgliedschaftsrechte" zustehen, die zu Klagen im Organstreit befugen können.59 Unumstritten sind unter allen Oberverwaltungsgerichten etwa für Gemeinderatsmitglieder das Recht auf Teilnahme an den Sitzungen60 oder das der

56

ESVGH 44, 291 / 295.

57

ESVGH 44, 291 / 295ff, besonders 297.

58

S. ESVGH 44, 291 / 296ff. S. z.B. BayVGH n.F. 24, 129 / 130.

59 60

S. auch OVG Münster (2.2.1972), OVGE 27, 258 / 214 zu Ladungsfehlern: Die "förmlichen Vorschriften des Ladungsverfahrens [dienen] dem Zweck, dem einzelnen Mitglied die Wahrnehmung seines Rechts auf Beteiligung an der körperschaftlichen Willensbildung, das den eigentlichen Kern des Mitgliedschaftsrechts ausmacht, durch entsprechende Vorbereitung in angemessener Weise zu ermöglichen."

I. Die Rechtsprechung

41

Beteiligung an der Beratung und Abstimmung bei den Beschlüssen.61 Uneinigkeit besteht allerdings darüber, ob beispielsweise ein einzelnes Ratsmitglied ein Recht auf Sitzungsöffentlichkeit hat 62 oder inwieweit es einen Anspruch auf einen bestimmten Erfolgswert seiner Stimme geltend machen kann.63 Zu unterscheiden ist von diesen von der Rechtsprechung für prinzipiell klagbar gehaltenen Zuständigkeiten jedenfalls noch die nur mittelbare Betroffenheit, der "Rechtsreflex, der grundsätzlich nicht geeignet ist, eine Klagebefugnis zu begründen".64 Schwierigkeiten herrschen jedoch bei der Qualifizierung dieser "Rechtspositionen"65. So sagt das Oberverwaltungsgericht Münster, es sei sich dessen "bewußt, daß es sich bei den Mitgliedschaftsrechten nicht um ein subjektiv-öffentliches Recht handelt, das dem Schutz eines vom übergeordneten Interesse des Kommunalverbandes verschiedenen Individualinteresses der Organwalter dient." Vielmehr sei es "ein mit der Zuweisung und Verteilung von Kompetenzen kollegialer Kommunalverfassungsorgane verliehenes Recht; es entspricht der mit der Machtverteilung notwendigerweise verbundenen Individualisierung des Interesses des KommunalVerbandes an einem ungestörten, auf planmäßiges Zusammenwirken der Organe und Organteile abgestellten, arbeitsteiligen

Funktionsablauf l" 66

Einen etwas anderen Schwerpunkt setzt das Gericht aber in einer neueren Entscheidung67 zur Hochschulverfassung, wenn es ausführt: "Die Mitglieder des Prüfungsausschusses werden vom Fachbereichsrat aus den einzelnen Gruppen gewählt. Die Zusammensetzung des Ausschusses ist daher nicht allein im Interesse einer sachgerechten Verwaltungsentscheidung geregelt. Sie dient zugleich der 'Repräsentation' der einzelnen Gruppen und der Geltendmachung ihrer Anliegen in dem

61

Ζ. B. OVG Rh-Pf (29.08.1984), AS 19, 65 / 67.

62

Zustimmend OVG Münster (19.12.1978), OVGE 35, 8 / 9: "Zu den (intra-organisatorischen) Mitgliedschaftsrechten der Kläger gehört das Recht auf Öffentlichkeit der Sitzungen des Beklagten"; ebenso OVG Lüneburg (22.10.1986), OVGE 39, 489. 63

Ablehnend OVG Rh-Pf (29.8.1984), AS 19, 65 / 69f.

64

AS 19, 65 / 70.

65

Vgl. dazu auch M Schröder, Die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten im Kommunalverfassungsstreit, NJW 1985, 246-247. 66

OVGE 27, 258 / 263 (2.2.1972) [Hervorhebungen von der Verf.]. Vgl. auch OVGE 28, 208 / 212 (18.1.1973). 67 OVG Münster (30.8.1985), NVwZ 1986, 851.

Β. Probleme und Lösungsansätze

42

von der ADPO bestimmten Rahmen. Angesichts dessen sind die Kompetenzen der einzelnen Mitglieder des Prüfungsausschusses klagbare organschaftliche Rechte.1,68 Der Sachverhalt bestand zwar gerade darin, daß die studentischen Mitglieder als solche von einer Entscheidung des Prüfungsausschusses ausgeschlossen werden sollten. Dennoch unterscheidet sich diese Problematik im Prinzip nicht von den Fällen des wegen Befangenheit von einer Abstimmung ausgeschlossenen Ratsmitglieds, das bei einem ungerechtfertigten Ausschluß in seinem Mitgliedschaftsrecht verletzt wird. Eine Heranziehung des Gesichtspunktes der "angelegten Interessenkonflikte" oder der "Repräsentation von Gruppen- oder Einzelinteressen" erscheint überflüssig und erhöht die Überzeugungskraft der Argumentation wenig, da der Idee gleicher Beteiligung, wie sie einem demokratisch verfaßten Kollegialorgan zugrundeliegt, bereits alles Erforderliche zu entnehmen wäre.

4. Die Beteiligtenfähigkeit und die Sachlegitimation

Eng mit der Frage der Klagebefugnis zusammen hängt ein anderes Problem, das an die wenigstens potentielle Trägerschaft von Rechten und Pflichten anknüpft, nämlich die Beteiligtenfähigkeit der Parteien im Organstreit bzw. deren Aktiv- und Passivlegitimation. Können die in der Klageschrift Bezeichneten überhaupt Beteiligte in einem Prozeß vor einem Verwaltungsgericht sein, ist derrichtigeBeklagte gewählt, besteht das behauptete Recht des Klägers und, wenn ja, besteht es gerade gegenüber der gegnerischen Partei? In Süddeutschland wurde lange Zeit in vielen Fällen als richtige Beklagte im Kommunalverfassungsstreit die Gebietskörperschaft angesehen, deren Organ eine angegriffene Maßnahme ausgeführt hat;69 in Bayern ist dies, soweit ersichtlich, bis

68 69

NVwZ 1986, 852.

Vgl. BayVGH (08.05.1968), 21, 74 / 76; OVG Saarlouis (28.07.1966), AS 10, 82/ 85f; VGH B-W ( 13.05.1955), ESVGH 4,169 / 171, und (26.10.1972), ESVGH 23, 203 / 207, in der der Senat es allerdings offengelassen hat, "ob in einem Kommunalverfassungsstreit ... materiell-rechtliche Ansprüche auch gegen Organe juristischer Personen denkbar sein können ...; da die Geltendmachung solcher Ansprüche prozessual die passive Beteiligtenfähigkeit des Organs, mithin eine Ausnahme von § 61 VwGO voraussetzen würde, neigt der Senat dazu, eine solche Möglichkeit nur dann anzuerkennen, wenn eine Klage gegen die Körperschaft ... ausnahmsweise nicht sinnvoll wäre

I. Die Rechtsprechung

43

heute ständige Rechtsprechung. Diese Auffassung hat jedenfalls den Vorteil, daß der Körperschaft die Kosten des Rechtsstreits, zu deren Erstattung an das unterliegende und kostenpflichtige Organ sie nach einhelliger Ansicht verpflichtet ist, 70 unmittelbar im Urteil auferlegt werden können. Mehr als problematisch ist in dieser Hinsicht eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen 71, das auch von einem "In-sich-Prozeß" der Kommune spricht.72 Im Grunde widerspricht die Beteiligung der Körperschaft aber der Idee der Orgonstreitigkeit, weshalb nach überwiegender Meinung für diese Verfahren das Organ (oder dessen betroffener Organteil) beteiligtenfähig sein soll, das ein Recht behauptet oder demgegenüber ein solches behauptet wird. 73 Wichtig ist festzuhalten, daß Organteile auch nur insoweit klagebefugt bzw. aktivlegitimiert sein sollen, als sie die Verletzung eigener, ihnen als Organteil zustehender Befugnisse rügen. Eine gleichsam in Vertretung geltend gemachte Beein-

(z.B. bei einer Klage des Gemeinderats gegen den Bürgermeister)." In diesem Sinne dann ESVGH 34, 294 / 295 (29.05.1984). Neuerdings auch OVG Saarlouis (09.12.1991), AS 23, 327. 70

S. OVG Münster (12.11.1991), OVGE 42, 214; OVG Saarlouis (05.10.1981), NVwZ 1982,140; VGH B-W (03.11.1981), DÖV 1982, 84. S. dazu jedoch M. JockiscK 188f, der differenziert und die außergerichtlichen Kosten weitgehend aus der Erstattungspflicht herausnimmt. 71 NVwZ 1990, 1195 (31.5.1990). 72

"Zu verdeutlichen ist, daß beide Seiten nicht aus eigenem subjektiven Recht prozessieren, sondern jeweils die ihnen zur selbständigen, auch kontroversen Wahrnehmung übertragenen Organzuständigkeiten der Stadt Bremerhaven wahrnehmen, so daß es sich um einen Ίη-sich-Prozeß' der Stadt Bremerhaven handelt." (NVwZ 1990, 1195 / 1196). 73

S. z.B. HessVGH (14.06.1994), ESVGH 44, 291 / 292: "Im verwaltungsgerichtlichen Organstreit liegt die passive Prozeßführungsbefugnis bei dem körperschaftsinternen Funktionsträger, dem gegenüber das mit der Klage beanspruchte Innenrecht bestehen soll und dem die mit der Klage bekämpfte Verletzung eines solchen Rechts angelastet wird"; OVG Münster (10.09.1982), OVGE 36, 154 / 156: "Beklagter einer allgemeinen Leistungsklage kann der Bürgermeister nur im körperschaftsinternen Organstreit sein, weil sich hier ... die passive Prozeßführungsbefugnis des Beklagten nicht nach dem dafür grundsätzlich maßgebenden Rechtsträgerprinzip, sondern vielmehr nach der innerorganisatorischen Kompetenz- und Pflichtenzuordnung richtet. ... Der Kläger ist für den ... geltend gemachten Anspruch ... insoweit klagebefugt und beteiligtenfähig ..., als er damit ihm als Ratsmitglied durch die Gemeindeordnung zugewiesene mitgliedschaftsrechtliche Wahrnehmungszuständigkeiten verfolgt"; s. auch OVG Berlin (11.05.1983), OVGE Bln. 17, 12 / 15.

Β. Probleme und Lösungsansätze

44

trächtigung des Gesamtorgans74 oder die Inanspruchnahme von Kompetenzen, die gerade nicht dem einzelnen Organteil, sondern nur dem Gesamtorgan zukommen,75 wird, soweit ersichtlich, abgelehnt.

Π. Die Literatur Auch die Literatur nimmt sich der vier oben als Hauptstreitpunkte genannten Probleme an. Neben der naturgemäß skrupulöseren und ausführlicheren Auseinandersetzung mit den dogmatischen Schwierigkeiten besteht ein weiterer Unterschied zum Umgang der Rechtsprechung mit den verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten, nämlich der der Verortung der zentralen Problematik in diesem Zusammenhang, der Frage nach den subjektiven öffentlichen Rechten der Organe und Organteile. Während sich die Gerichte hierzu regelmäßig relativ kurz geäußert haben, steht diese Frage in der literarischen Auseinandersetzung zwar im Mittelpunkt der Debatte, wird jedoch von den einzelnen Autoren höchst unterschiedlich eingeordnet, etwa bereits als weichenstellend zur Frage des Verwaltungsrechtswegs im Rahmen des § 40 Abs. 1 VwGO 7 6 oder als entscheidend für die Beteiligtenfähigkeit der Streitparteien,77 oder drittens unter dem Gesichtspunkt der statthaften Klageart 78 und schließlich im engeren Sinne bei dem Erfordernis einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO (analog)79. Für die systematische Erörterung dieser komplexen dogmatischen Problematik empfiehlt sich daher, die Stellungnahmen und Argumentationen zur Frage nach

74

OVG Münster, OVGE 41, 118 / 121.

75

BayVGH n.F. 42, 177 / 178.

76

So etwa R. Bleutge, Der Kommunalverfassungsstreit, Berlin 1970, 62.

77

In diesem Sinne F. Schock, Der Kommunalverfassungsstreit im System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes — OVG Koblenz, NVwZ 1985, 283 —, JuS 1987, 783-793 (786); H.-U. Erichsen, Innenrechtsstreit, 224f. 78

S. hierzu W. Hoppe y Organstreitigkeiten vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten, Siegburg 1970, 129ff. 79 Vgl. R. Wahl / Schütz, in: Verwaltungsgerichtsordnung Kommentar, Loseblattsammlung, hg. von F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner, München 1996, Rn 95f zu § 42 Abs. 2.

II. Die Literatur

45

"subjektiven öffentlichen Rechten der Organe" gewissermaßen vor die Klammer zu ziehen, um eine Gegenüberstellung der hierzu vertretenen Positionen unabhängig von deren verwaltungsprozessualer Einordnung durch die Autoren zu ermöglichen. Im Abschnitt 2. dieses Literaturüberblicks sind die Konsequenzen für die Fragen des Verwaltungsrechtswegs, der Beteiligten, der Klageart und der Klagebefugnis aufzuzeigen. Da die vorliegende Arbeit das Ziel verfolgt, eine dogmatische Grundlegung der verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten auf einer rechtstheoretischen Basis zu leisten, erfolgte die Auswahl der referierten und in Bezug genommenen Literatur unter dem Gesichtspunkt, inwieweit in den Beiträgen zu den Grundsatzproblemen eine eigenständige Position vertreten wird. Ein großer Teil der Diskussion befaßt sich schwerpunktmäßig lediglich mit einzelnen prozessualen Schwierigkeiten oder der materiellrechtlichen Situation nach jeweiligem Landesrecht. Gerade letztere bot Stoff für eine ganze Reihe von Dissertationen80, die jedoch im folgenden nur berücksichtigt werden, soweit sie die genannte Bedingung erfüllen.

1. Die Ansätze dogmatischer Grundlegung

Es ist nur dann erforderlich, die Frage nach subjektiven öffentlichen Rechten der Organe zu stellen, wenn die verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten dogmatisch ein subjektiv-rechtlich konstruiertes Verfahren sein sollen, wie es das systematische Grundmodell der VwGO darstellt, in dem objektiv-rechtliche Beanstan-

80

Dazu zählen etwa H.-H. Becker-Birck, Der Insichprozeß in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, Diss. jur. Kiel 1965, H. Bonk> Kommunal verfassungsrechtliche Organstreitigkeiten innerhalb der Gemeinden Schleswig-Holsteins, Diss. jur. Kiel 1966; H. G. Deng, Gemeindeverfassungsstreitigkeiten in Bayern, Diss. jur. Würzburg 1966; G. Knöppel, Das Kommunalverfassungsstreitverfahren, Diss. jur. Heidelberg 1969; W. Kiock, Die Kommunalverfassungsstreitigkeiten und ihre Eingliederung in die VwGO, Diss. jur. Köln 1972; M. Heinrich, Verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten im Hochschulinnenbereich, Berlin 1975; Af. Fromm, Kommunalverfassungsstreit, gemeindliche Streitentscheidungsmöglichkeiten und verwaltungsgerichtlicher Austrag in RheinlandPfalz, Diss. jur. Mainz 1980. Ähnliche Ansätze verfolgen auch J. Schwarplys, Die allgemeine Gestaltungsklage als Rechtsschutzform gegen verwaltungsinterne Regelungen, Baden-Baden 1996, und Af. Jockisch, Die Prozeßvoraussetzungen im Kommunalverfassungsstreitverfahren, Diss. jur. Regensburg 1996, die die Grundlagenprobleme aus ihren Betrachtungen ausdrücklich ausklammern (/. Schwarplys, 24 f) oder nur kursorisch abhandeln (Af. Jockisch, 21-30).

Β. Probleme und Lösungsansätze

46

dungsverfahren die Ausnahme sind. Es gibt jedoch Stimmen in der Literatur, die für die Organstreitigkeiten eine derartige objektive Ausgestaltung durch den Gesetzgeber anmahnen, und diese sollen im folgenden auch zuerst dargestellt werden. Sie beschäftigen sich im Grunde mit der Situation de lege ferenda, während die überwiegende Meinung die Organstreitigkeiten als subjektive Verfahren auch de lege lata für zulässig erachtet. Unter letzteren Positionen lassen sich vor allem zwei Ansätze unterscheiden, nämlich zum einen der Versuch, subjektive Rechte der juristischen Person von ihren Organen gerichtlich geltend machen zu lassen, und zum anderen die inzwischen herrschende und auch von der Rechtsprechung aufgenommene Interessentheorie. Allerdings leidet die Debatte unter dem Mangel einer ausführlichen Bezugnahme und Auseinandersetzung der Autoren untereinander. In der Konsequenz werden in den meisten Darstellungen die einzelnen Ansätze unter weitgehendem Verzicht auf eine Analyse aufgezählt und eine eigene Stellungnahme angeschlossen.81 Ein Grund für diesen Zustand der Diskussion mag darin liegen, daß die Wissenschaft der Praxis der Organstreitigkeiten fast immer hinterhergehinkt ist und die Stellungnahmen überwiegend, wenn auch oft nur unterschwellig, von einer grundsätzlichen Ablehnung dieser Verfahren geprägt sind. Das Unbehagen, das immer wieder zum Ausdruck kommt,82 erschwert eine offene Debatte und verstellt den Blick auf sich bietende Problemlösungen.

a) Organstreitigkeiten

als objektive Beanstandungsverfahren

(Fuss)

Ausdrücklich ausgeschlossen wird die Möglichkeit subjektiver Rechte von Organen und Organteilen bzw. Mitgliedern von Kollegialorganen etwa von Ernst-Werner Fuss83 unter Hinweis auf die diesen ausschließlich im öffentlichen Interesse über-

81

Vgl. als jüngstes, aber typisches Beispiel Af. Jockisch, Kommunalverfassungsstreit, 21-30. 82 Nicht zuletzt aus diesem Grund wird für die folgende Darstellung in relativ großem Umfang auf wörtliche Zitate zurückgegriffen, um den Duktus der einzelnen Autoren und den die gesamte Debatte prägenden Tonfall wiederzugeben. 83

Verwaltungsrechtliche Streitigkeiten im Universitäts-Innenbereich, in: WissR 5 (1972), 97-124.

II. Die Literatur

47

tragenen Aufgaben 84, die lediglich Pflichten, aber "keine subjektiven Rechte in bezug auf ihr Amt, ihre Kompetenzen und ihre Funktionen" konstituierten.?777 Dennoch sollte der Verwaltungsrechtsweg Organen und Organteilen offenstehen, "obwohl sie keine subjektiven Rechte haben und daher auch nicht in der Lage sind, die Verletzung bzw. Gefährdung subjektiver Rechte vorzutragen"/7775; dies allerdings um den Preis der These vom Verwaltungsprozeßrecht als Hort subjektiver Rechte.85 Den Regelungen in § 42 Abs. 2 VwGO ("Soweit"-Klausel in Verbindung beispielsweise mit dem in § 35 Abs. 2 WehrpflichtG normierten Klagerecht des Behördenleiters der Wehrbereichsverwaltung) und § 47 S. 2 VwGO (Normenkontrollantrag einer Behörde), die eben nicht von einem ausschließlich auf den Schutz subjektiver Rechte gerichteten Verwaltungsgerichtsprozeß ausgingen, entnimmt Fuss den "allgemeinen Rechtsgedanken", daß es für einen öffentlichen Funktionsträger ausreiche, eine Störung oder Beeinträchtigung der ihm übertragenen Funktionen vorzutragend 775 / Ein subjektives Recht sei in diesem Fall nicht erforderlich, um Beteiligtenfähigkeit und Klagebefugnis zu begründen; darüberhinaus ergebe sich aus der behaupteten Funktionsstörung "auch stets ein Interesse daran, daß das Verwaltungsgericht die Rechtswidrigkeit [derselben] und die daraus für den Beklagten resultierenden Pflichten feststellt."/* 776 Der Autor beansprucht, einen Lösungsweg aufzuzeigen, der nicht von einer positivrechtlichen Regelung durch den Gesetzgeber86 abhängt, sondern auch de lege lata gangbar ist J>109 Dem steht jedoch der methodische Grundsatz "exceptiones non sunt extendae" entgegen, denn Fuss' Hinweis auf vereinzelte positivrechtlich geregelte Ausnahmen bestätigt eher die von der herrschenden Meinung angenommene gegenläufige Regel.87 Darüber hinaus erscheint dieser Ansatz nicht geeignet, gerade in den nicht gesetzlich vorgesehenen Fällen eine nachvollziehbare dogmatische Begründung der Klagemöglichkeit von Organ-(teil)en zu

84

"Alle ... Organe und Organmitglieder haben allein und ausschließlich dieses öffentliche Interesse zu verfolgen. Nur zu diesem Zweck sind ihnen öffentliche Funktionen überantwortet worden." Ebenda, 111. 85

Ganz in diesem Sinne auch die Stellungnahme von H. H Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, Tübingen 1965, 99f. 86

Vgl. ebenda, 109, Fn 36.

87

So auch W. Hoppe, NJW 1980, 1017-1022 (1019).

Β. Probleme und Lösungsansätze

48

leisten. Unterstützung hat dagegen Fuss1 Appell an den Gesetzgeber zur Regelung der Organstreitverfahren als Beanstandungsklagen gefunden. 88

b) Organstreitverfahren

um wehrfähige Positionen des Innenrechts (Erichsen)

Hans-Uwe Erichsen gibt dem Begriff des Innenrechtsstreits gegenüber dem des Organstreits den Vorzug, weil die Beteiligten im Verhältnis zueinander gerade keine Organe seien.89 Es handle sich vielmehr um organisatorische Funktionssubjekte, "denen im Hinblick auf das Außenverhältnis Organqualität zukommt".? 275 / Nachdem sich die Erkenntnis durchgesetzt habe, "daß auch der Innenbereich der (teil-)rechtsfähigen Organisationen der öffentlichen Verwaltung vom Recht durchdrungen ist und dementsprechend die staatliches und unterstaatliches Internum determinierenden Vorschriften die Qualität von Rechtssätzen haben", müsse dem auch im Rahmen der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO Rechnung getragen werden./*2^. 219ff Rechtsstreitigkeiten im Sinne dieser Vorschrift seien dann sowohl solche des Außen- als auch solche des Innenrechts. Beteiligungsfähig seien die Funktionssubjekte, also die Organe und Organteile, "wenn dem klagenden Funktionssubjekt die geltend gemachte Rechtsposition zustehen kann und sie wehrfähig ist und das beklagte Funktionssubjekt Adressat einer korrespondierenden Pflicht sein kann."?225 Das entnimmt Erichsen der Regelung in § 61 Nr. 2 VwGO, die er analog für die Fälle der Innenrechtsstreitigkeiten angewendet sehen will. Im Innenrechtskreis seien die Zuständigkeiten den Funktionssubjekten zur eigenen Wahrnehmung und damit als Zurechnungsendsubjekten zugewiesen, so daß diese regelmäßig als beteiligungsfähig anzusehen seiend276 Das Erfordernis der "Wehrfähigkeit" drücke den Gedanken des § 61 Nr. 2 VwGO aus, der die Beteiligungsfähigkeit daran knüpfe, daß dem Betreffenden "ein Recht zustehen

88

Etwa durch H.-J. Papier, Die verwaltungsgerichtliche Organklage, DÖV 1980, 292299 (293f). 89

Der Innenrechtsstreit, in: FS C.-F. Menger, hg. von dems. / W. Hoppe / A. v. Mutius, Berlin u.a. 1985, 211-233. Um diese Rechtsposition der Organe im Innenrecht zu betonen, schließt sich F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner / D. Ehlers, Rn 130 zu § 40 VwGO, dieser Terminologie an.

II. Die Literatur

49

kann".90 Ein Recht im Sinne einer durchsetzbaren Position sei auch im Innenbereich festzustellen, denn schon dort könne zur Optimierung der Aufgabenerfüllung "ein Prozeß vorgesehen sein, in dem den vorhandenen Funktionssubjekten ein je eigener Anteil an der Entscheidungsbildung zugedacht sein kann, der auch im Verhältnis zu anderen soll durchgesetzt werden können. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn eine dem innerorganisatorischen Funktionssubjekt übertragene Zuständigkeit und die mit ihr verbundene Befugnis oder Verpflichtung ihm nicht zur transitorischen Wahrnehmung, d. h. in Zurechnung zu einer es umfassenden größeren innerorganisatorischen Einheit zugewiesen ist, wenn es also die ihm übertragenen Zuständigkeiten nicht in hierarchischer Einbindung und damit weisungsgebunden und im Konfliktsfall fremdverantwortet wahrnimmt."?225 Bei genauerer Betrachtung erscheint jedoch die wehrfähige mit der Innenrechtsposition identisch. So macht Erichsens Aufzählung einiger Fälle? 229 / deutlich, daß es dort, wo seiner Ansicht nach die Wehrfähigkeit fehlen soll, bereits überhaupt an einer entsprechenden Innenrechtsposition im Sinne einer Zuständigkeit mangelt. Entweder ist das Funktionssubjekt, dem ja schon begrifflich eine Funktion eigen ist, Zurechnungssubjekt eines Innenrechtssatzes, oder es existiert als solches gar nicht. Wenn der Innenrechtssatz, der es zum Funktionssubjekt macht, nicht derjenige ist, auf den sich eine Klage im Innenrechtsstreit gründet, so steht ihm nicht eine nicht wehrfähige, sondern eben insofern gar keine Innenrechtsposition zu. Etwas anderes kann nur gelten, wenn die zugewiesene Aufgabe sich in der bloßen Ausführung von Anweisungen erschöpft. Dann aber ist schonfraglich, ob man überhaupt von einem Funküonssubjekt sprechen kann. Konsequenterweise nimmt Erichsen die Beteiligungsfähigkeit von Funktionssubjekten als Regelfall an und nennt keine Beispiele für Ausnahmen. Die herrschende Meinung konnte sich dieser nüchternen Analyse offenbar nicht anschließen, denn ihre Intention ist es, die möglichen Fälle von Organstreitigkeiten vor den Verwaltungsgerichten jedenfalls dogmatisch in engen Grenzen zu halten und bei weitem nicht von einer regelmäßigen Beteiligungsfähigkeit der Organe auszugehen. Die Untersuchung im Abschnitt C. wird jedoch die Ergebnisse Erichsens im wesentlichen bestätigen.

90

Dies treffe allerdings nur für die Klägerseite zu, Innenrechtsstreit, 224f.

4 Buchwald

Β. Probleme und Lösungsansätze

50

c) Organstreitverfahren

um subjektive öffentliche

Rechte

aa) Subjektive Rechte der juristischen Person nach innen (Hoppe)

Werner Hoppe hat in seiner Schrift "Organstreitigkeiten vor den Verwaltungsund Sozialgerichten"91 aus dem Jahre 1970 den Versuch einer dogmatischen Grundlegung über die Konstruktion der juristischen Person als "Rechtssubjekt nach innen", dem aus der kompetentiellen Pflichtenstellung seiner Organe und Organteile subjektive Rechte erwachsen,P 181 unternommen. Zwar hat sich der Autor später92 angesichts der teils polemischen Ablehnung, die sein Ansatz erfahren hat,93 für eine gesetzliche Regelung im Sinne einer Interessentenklage ausgesprochen; dennoch soll seinefrühere Position hier referiert werden, da sie eine der wenigen konstruktiven Gegenmeinungen zu der herrschend gewordenen Interessentheorie darstellt, die gerade im Bewußtsein von deren Schwierigkeiten versucht, einen anderen Weg einzuschlagen. Hoppe geht aus von seiner "Grundnorm des materiellen Verwaltungsrechts": "Wird der durch eine — das Individualinteresse bewußt begünstigende — Rechtsnorm begründete Status eines Rechtssubjekts widerrechtlich beeinträchtigt, so erhält der Beeinträchtigte gegenüber dem Störer einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung und Unterlassung künftiger Beeinträchtigungen. Dieser Anspruch ist das subjektiv-öffentliche Recht, das Beseitigungs- und Unterlassungsklagen im Außenrechtsbereich zugrundeliegt."P 153 Auf dieser Basis untersucht er die Voraussetzungen für das subjektive Recht im Innenrechtsbereich. Während das Außenrecht der Abgrenzung von Interessensphären diene, woraus sich eine Pluralität von rechtlich geschützten Individualinteressen ergebe, habe das Innenrecht primär die Funktion der Zusammenordnung, der Vereinheitlichung des gemeinsamen Interesses der in einem Ordnungszusammenhang stehenden Kräfte. "Die Unterschiedlichkeit der Interessenlage ist also bereits auf die Verschiedenartigkeit der Funktionen des Rechts zurückzuführen. Ein subjektives Recht des Innenrechtsbereichs

muß deshalb ... auf Elemente verzichten,

91

Siegburg 1970.

92

NJW 1980, 1017-1022. Vgl. ebenda, 1020 mit Nachweisen in Anm 31-37.

93

durch die es im

II. Die Literatur

51

Außenrechtskreis geprägt ist Im Innenrechtsbereich geht es nicht um die Gewährleistung und Unantastbarkeit eines individuellen Rechtsstatus, sondern um die funktionsgerechte Zusammenordnung von Willenskräften." 94 Bei der Begründung des subjektiven öffentlichen Rechts des Innenrechtskreises stellt Hoppe auf die interne Rechtssubjektivität und den internen subjektiven "Status" der juristischen Person ab. Diese sei das Berechtigungssubjekt, dem die Organe als Pflichtsubjekte gegenüberstünden. "Durch die organisationsrechtlichen Rechtssätze werden Funktionen arbeitsteilig auf die Organe als Pflichtsubjekte verteilt. Die dadurch begründeten Pflichten bestehen gegenüber dem 'verteilenden' Subjekt, nämlich der Juristischen Person, so daß diese als Inhaberin eines 'Status' erscheint, weil sich in ihr als Berechtigungssubjekt die Pflichten der Organe bündeln."?757 Daraus folgert Hoppe, "daß alle innerorganisatorischen, pflichtenregelnden Rechtsnormen als statusbegründende Rechtssätze im Sinne unserer Bestimmung des subjektiv-öffentlichen Rechts im Außenbereich fungieren." Es fehle hier jedoch ein "vom Gesetzgeber für schutzwürdig anerkanntes Individualinteresse", das im Außenbereich Gegenstand der statusbegründenden Rechtsnorm sein müsse.?75* Wegen der unterschiedlichen Funktionen des Außen- und des Innenrechts könne es ein solches aber auch gar nicht geben. "Somit kann das einem subjektiven Recht des Innenrechtskreises zugrundehegende Interesse nicht partikular in den Organen angesiedelt werden, als persönliches und organeigenes Interesse, sondern muß seinen Ort in dem einheitlichen Ordnungsinteresse der Juristischen Person am ordnungsgemäßen Funktionsablauf haben."?755 Denn der juristischen Person sei "nichts an einer auflösenden Wirkung durch partikulare und divergierende Interessen im Funktionsablauf gelegen," weshalb das Interesse auch nur bei dem Gesamtorganismus als solchen konzentriert gedacht werden könne, als "aus dem 'Bildungsprinzip' des korporativen Verbandes, dem 'Gemeinzweck' ableitbar". Zur wirksamen Verfolgung dieses Gemeinzwecks "besitzt die Gesamtorganisation ein Interesse an dem 'gemeinschaftlichen Zusammenwirken aller Beteiligten' und einer 'planmäßigen Verteilung der zur Durchführung des Gemeinzwecks regulierten Rechte und Pflichten unter die verschiedenen Organe'."?755 Überprüfungsmaßstab im Organstreit sollen nach Hoppe solche Vorschriften sein, "die auch dem Interesse an einem ordnungsgemäßen Funktionsablauf und der

94

Organstreitigkeiten, 165 [Hervorhebungen von der Verf.].

Β. Probleme und Lösungsansätze

52

Innehaltung innerorganisatorisch relevanter rechtlicher Grenzen zu dienen bestimmt" sind. Nur deren Verletzung sei im Organstreitverfahren zu überprüfend 790 Denn die "Grundnorm" sei wegen der vergleichbaren Interessenlage auf das Innenrecht übertragbar: "Wenn ein Organ oder ein Organteil gegen eine Pflicht verstößt, die ihm durch einen Rechtssatz im Interesse einer ordnungsgemäßen innerorganisatorischen Funktionserfüllung auferlegt ist, und damit auch den korrespondierenden Anspruch der Juristischen Person auf Unterlassung einer solchen Störung verletzt, so erwächst der Juristischen Person ein Anspruch auf Beseitigung der fortwirkenden Störung und Unterlassung drohender künftiger Störungen." Ein Vornahmeanspruch gegen das Organ ergebe sich unmittelbar aus der verpflichtenden Kompetenznorm J77 9 4 In bezug auf die innerorganisatorische Feststellungsklage "müssen die Rechtsverhältnisse als zwischen der Gesamtorganisation und den Organen und Organteilen bestehend angenommen werden, nicht aber als Rechtsverhältnisse zwischen dem die Feststellung begehrenden Organ und einem anderen Organ."P 203 Die Auffassung der juristischen Person als Berechtigungssubjekt, demgegenüber ihre Organe und Organteile im Interesse des Gemeinzwecks zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung ihrer und nur ihrer jeweiligen Zuständigkeiten sowie zur reibungslosen Zusammenarbeit untereinander verpflichtet sind, ist eine klare und in sich schlüssige Konstruktion. Sie kommt insbesondere ohne problematische Zusatzannahmen aus und basiert auf der überkommenen Definition des Organs als bloßem Träger von Zuständigkeiten (die ihm in Form von Pflichten zugewiesen sind), der keine eigenen oder partikularen Interessen verfolgt, sondern stets dem Interesse der Organisation dient. Dennoch ist dieser Ansatz auf fast einhellige Ablehnung gestoßen. Kritisiert wurden die Aufwendigkeit und Kompliziertheit der Konstruktion, der sie allerdings gerade auch ihre bestechende Schlüssigkeit verdankt.95

95

Diese Kritik beschränkt sich allerdings im wesentlichen auf polemische Kommentare und verzichtet weitgehend auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Hoppes Vorschlag, zeigt sich sogar häufig einverstanden mit dessen Ergebnissen. Vgl. beispielhaft die Ausführungen H. Bethges, DVB1 1980, 310: Es sei "bereits zu beachtlichen artistischen, wenn nicht schon artifiziell anmutenden gedanklichen Höhenflügen gekommen. ... Mag sein, daß es sich [bei Hoppes Ansatz] um ein 'kunstvolles Gedankengebäude' und eine 'überaus komplizierte Konstruktion' handelt. Nachvollziehbar ist diese Konzeption schon noch; und daß ihr, vom konstruktionsfreudigen Aufwand abgesehen, hilfreiche Ansatzpunkte für die Kategorisierung der instrumentalen Rechtsnatur der streitigen Rechtspositionen des Innenrechtskreises entnommen werden können, wird noch darzulegen sein. Eher legt schon die neuerliche Definition des Begriffs

II. Die Literatur

53

Problematisch wird sie erst bei ihren prozessualen Konsequenzen. Die subjektiven Rechte der juristischen Person gegenüber ihren Organen und Organteilen sollen nämlich (im Wege der Prozeßstandschaft) von den Organen und Organteilen geltend gemacht werden, die in der Erledigung ihrer Tätigkeit von einer Pflichtverletzung betroffen werden. Es handele sich hierbei um eine mit der primären Kompetenz zur Aufgabenwahrnehmung übertragene sekundäre Wahrnehmungszuständigkeit, die dem Organ wie jene nur transitorisch zustehe^796/Schwierigkeiten bereitet hier vor allem die Vorstellung, daß ein Vertreter einer juristischen Person gegen einen anderen Vertreter derselben Person ein Recht aus diesem letztgenannten Vertretungsverhältnis durchsetzt, insbesondere wenn man annimmt, daß der Kläger in der Praxis häufig gar kein echtes Organ der juristischen Person ist, sondern als Mitglied eines Kollegialorgans dem Beklagten angehört, seine Vertretungsmacht also gewissermaßen doppelt vermittelt ist. Gerade unter diesem Aspekt überzeugt die Auffassung, daß Rechtsverhältnisse nur zwischen juristischer Person und Organ(teil)en, nicht aber zwischen den Organen bestehen sollen, nicht. Unbefriedigend erscheint Hoppes Lösungsansatz auch in den Fällen, in denen etwa Gruppen von Ausschußmitgliedern oder Fraktionen als Beteiligte auftreten, da sie nicht ohne weiteres als Organe der juristischen Person angesehen werden können, die in Vertretung für diese klageweise deren Rechte geltend machen.

bb) Subjektive Rechte der Organe aus Interessengegensätzen

Der Nachweis subjektiver öffentlicher Rechte von Organ(teil)en stellt sich deshalb so schwierig dar, weil dabei stets die Definition des subjektiven öffentlichen Rechts des Außenrechtskreises zugrundegelegt wird.

des Organwalters als 'selbst nicht mehr innendifferenzierte Ausdifferenzierung eines innendifferenzierten Rechtssubjekts' die Annahme nahe, daß hier vorwiegend die 'Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt' des österreichischen Juristen Peter Handke Pate gestanden hat." Ähnlich E.-W. Fuss, WissR 1972, 114. E.-W. Böckenförde, Organ, Organisation, Juristische Person, in: FS Wolff, hg. von C.-F. Menger, München 1973, 269305, 279 Anm 34, kritisiert, daß Hoppe erst das unmittelbare ZurechnungsVerhältnis zwischen juristischer Person und Organ in ein Rechtsverhältnis auseinanderlege, um dann dieses Rechtsverhältnis wieder in ein unmittelbares Zurechnungsverhältnis zurückzuverwandeln, und klagt: "Das verstehe, wer kann." Auch D. Lorenz, FS BVerfG I, 236 Anm 66, befindet, Hoppes Konstruktion sei logisch kaum noch nachvollziehbar.

Β. Probleme und Lösungsansätze

54

Danach ist eine objektiv-rechtliche Grundlage (Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes verpflichtendes oder berechtigendes Rechtsgeschäft) erforderlich, die dazu bestimmt ist, Individualinteressen einer Person gegenüber einer anderen zu schützen, und die dem solcherart Begünstigten die Rechtsmacht verleiht, sich gegenüber dem Verpflichteten auf die günstige Rechtsfolge zu berufen bzw. ein bestimmtes Verhalten von ihm zu fordern. Faßt man subjektive Rechte derart als rechtliche Insitutionalisierung von Partikularinteressen auf, dann setzt auch ein subjektives öffentliches Recht der Organe und Organteile ein solches individuelles Interesse bei diesen voraus. In der Folge dieser Überlegungen widmet sich die große Mehrzahl der Beiträge zum Organstreit der Suche nach partikularen Interessen der Organe und Organteile.

(1) Subjektive Rechte von Kontrastorganen

(Kisker)

Wohl als erster hat Gunter Kisker in seiner Schrift "Insichprozeß und Einheit der Verwaltung" aus dem Jahre 1968 den Versuch unternommen, derartige Individualinteressen im Innenraum einer juristischen Person nachzuweisen.96 Allerdings beschäftigt er sich nicht in erster Linie mit Organstreitigkeiten im hier verwendeten Sinne des Terminus, sondern faßt unter den Begriff des In-sich-Prozesses verschiedene Phänomene zusammen.97 Dazu gehören Streitigkeiten im Bereich der Auftragsverwaltung, zwischen Fiskus und Hoheitsverwaltung, Anfechtungs- und Aufsichtsklagen von Behördenleitern gegen bei ihrer Behörde errichtete Ausschüsse und, wenn auch nur mit Einschränkungen, der Kommunalverfassungsstreit. Durchschlagender als der Hinweis auf das formale Zweiparteienprinzip ist nach Kisker für die — vermeintliche — Unzulässigkeit eines solchen In-sich-Prozesses, in dem sich Organe (in seiner Diktion: Funktionäre) ein und derselben juristischen Person bzw. ein Organ und die juristische Person gegenüberstehen^22 "daß sich die ... Prozeßordnungen den kontradiktorischen Verwaltungsprozeß als einen Streit zwischen einander entgegenstehenden Interessen vorstellen, genauer: als einen Streit zwischen auf die Förderung derartiger Interessen gerichteter Willenszentren (Trägern subjek-

96

Baden-Baden 1968.

97

Ebenda, 12, 15, 16f, 17ff.

II. Die Literatur

55

tiver Rechte)."?2* Der Verwaltungsprozeß sei nicht auf einen Streit zwischen "zwei auf dasselbe Gemeininteresse eingeschworenen" Organen zugeschnitten.?25 Doch entfielen alle Bedenken, wenn positivrechtlich Organe mit subjektiven Rechten ausgestattet würden, wie es in Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG geschehen sei?29f Die Rechtsordnung könne durchaus "einem bislang nicht rechtsfähigen Gebilde ... für die Erfüllung bestimmter Aufgaben eine insoweit begrenzte Rechtsfähigkeit zuweisen."?50 Organe könnten als Träger von Rechten und Pflichten in dem am Interesse orientierten Sinne angesehen werden, wenn die Rechtsordnung sie in eine Rolle einweise, "in der sie ihre Funktion gerade dadurch erfüllen, daß sie den von ihnen zu betreuenden Aspekt des Gesamtinteresses wie ein eigenes partikulares Interesse gegen die Beeinträchtigung durch andere Organe derselben Korporation verteidigen. In derartigen Fällen liegt es nahe, ... auch auf die Zuweisung der Befugnis zu rollengemäßer Durchsetzung des quasi-eigenen Interesses, also auf dessen Bewehrung mit subjektiven Rechten zu schließen."?37 Dem möchte man hinzufügen: Es liegt nahe, ist aber keineswegs zwingend. In den Fällen der von den Verwaltungsgerichten anerkannten Organstreitigkeiten geht es zum einen in der Regel nicht um die mangelnde Berücksichtigung von partikularen Interessen oder Aspekten eines Allgemeininteresses, sondern um die (Nicht-) Beachtung von Verfahrensvorschriften, durch die möglicherweise Kompetenzen, Mitwirkungsbefugnisse von Organen oder ihren Teilen verletzt wurden. Zum anderen ist damit noch kein Kriterium dafür angegeben, unter welchen Bedingungen eine solche Rollenzuweisung stattgefunden hat oder nicht. Kisker hält die Fälle für die "interessantesten, aber auch am schwierigsten überzeugend zu lösenden..., in denen die Rechtsordnung voraussetzt, daß ein Organ sich als Kontrast, als Gegenüber anderer Organe im politischen Kräftespiel, kurz als Kontrastorgan

9

*, begreift."? 35 Dies sei einmal der Fall, wenn vorauszusetzen sei,

"daß sie für die Gemeinwohlkonzeption der von ihnen Repräsentierten wirken." Deutlicher noch sei die Kontrastrolle dort, "wo Organe in ein System von 'checks and balances' hineingestellt werden. In allen diesen Fällen ist der Wille des Organs zur Selbständigkeit, genauer sein Wille zur Verteidigung seines subjektiven Organ-

98

Karriere gemacht hat weniger Kiskers Konzeption als seine Terminologie. Kaum eine Stellungnahme, besonders in der Sekundärliteratur, verzichtet auf die Bezeichnung "Kontrastorgan".

Β. Probleme und Lösungsansätze

56

status, seiner 'Mitgliedschaftsrechte', Voraussetzung für die Sicherung des systemimmanenten Gleichgewichtes."/^ Aus dieser Kontrastrolle folge unmittelbar die Zuerkennung subjektiver R e c h t e . D e m ist zu widersprechen: Aus der Zuweisung der Rolle eines Kontrastorgans in diesem Sinne ergibt sich zunächst nur die Aufgabe des Organs, eine Beschreibung seiner Wahrnehmungszuständigkeiten. Ein entsprechendes Klagerecht ist damit noch nicht zwingend nachgewiesen, wenn es sich auch aus Kiskers Perspektive als zweckmäßige Konsequenz darstellen kann. Das Hauptproblem des Kiskerschen Ansatzes besteht jedoch darin, daß er nichts ausschließt, weil und soweit er an die arbeitsteilige Struktur der gesamten Verwaltung anknüpft und somit jede Kompetenz zum subjektiven Recht erklärt. Will er dagegen, und das scheint der Fall zu sein, nur bestimmte Kompetenzen als klagebewehrte subjektive Rechte auszeichnen, so steht er vor der Aufgabe, bloße politische Meinungsverschiedenheiten der handelnden natürlichen Personen von rechtlich relevanten "quasi-eigenen Interessen" des Organs zu unterscheiden." Worin bestehen die Interessen, die etwa ein Bürgermeister und ein Gemeinderat in dieser ihrer Eigenschaft als Kontrastorgane zu vertreten haben, und wodurch unterscheiden sie sich voneinander?100 Nach Kiskers Auffassung geht die Rechtsordnung "davon aus, daß in Kontrastorganen ein starker Wille auf Durchsetzung gerade ihrer Gemeinwohlkonzeption

drängt, und sie wertet diesen Willen nicht als unerwünsch-

ten Ressortpartikularismus, sondern positiv als notwendigen Faktor für die rechte Ausbalancierung des Gewaltensystems.... Die verselbständigte

Gemeinwohlper-

spektive gibt hier... den Anknüpfungspunkt für eine solche Bewehrung des Organstatus mit subjektiven Mitgliedschaftsrechten." 101 Mit der "verselbständigten Ge-

99 W. Hoppe, Organstreitigkeiten, 108, erscheint bei den Kontrastorganen in Kiskers Sinne "weder die Gemeinwohlkonzeption so substantiell abgehoben von der Gemeinwohlkonzeption des Gesamtorganismus oder der anderer Organe, noch ihre Kontrastrolle so stark, daß damit ihre grundsätzliche Pflichtenstellung, die ihre Organschaft ausmacht und durch die ihre Kompetenz gekennzeichnet ist, ihre Stellung als arbeitsteiliges Funktionssubjekt in eine Stellung eines mit subjektiven Rechten ausgestatteten Rechtssubjekts verwandelt wird." 100

Vgl. auch die Kritik von E.-W. Fuss, WissR 5, 112: "Mit dieser Konstruktion wird jede klare Unterscheidung zwischen Kompetenz und subjektivem Recht, zwischen Wahrnehmung des öffentlichen Interesses und Geltendmachung von Eigeninteressen verwischt." 101 Insichprozeß, 39 [Hervorhebungen von der Verf.].

II. Die Literatur

57

meinwohlperspektive" ist hier ganz offensichtlich die politische Ansicht des Organwalters gemeint. 102 Gerade in solchen Konflikten erscheint die Verwaltungsgerichtsbarkeit keinesfalls als geeignete Schlichtungsstelle. Als Beleg dafür, daß Kisker einen stark politisch gefärbten Bück auf die Problematik hat, der ihrer dogmatischen Bedeutung nicht gerecht wird, mag seine Diskussion der Frage dienen, ob In-sich-Prozesse in seinem Sinne zwischen Ressortministern (darunter faßt er auch Streitigkeiten zwischen dem Fiskus, vertreten durch den Finanzminister, und der Hoheitsverwaltung)?** zulässig sind. Er vertritt die Auffassung, daß die Streitentscheidungsbefugnis der Kabinette103 eine gerichtliche Zuständigkeit hier verdrängen wolle.?*6 "Letztlich kommt es aber wohl auf alle derartigen Überlegungen gar nicht an. Entscheidend gegen die Zulassung von Ressort-Insichprozessen spricht m. E. der eigentümliche Charakter des Kabinetts. Wir müssen doch in Rechnung stellen, daß sich die Verfassung einer parlamentarischen Demokratie die Mitglieder der Kabinette ... als aufeinander angewiesene, kooperationswillige Politiker vorstellt. Die gerichtliche Austragung von Ressortstreitigkeiten paßt nicht zu dieser Konzeption des Kabinetts als Team und dürfte deshalb grundsätzlich ausgeschlossen sein."?*7 Hier stehen plötzlich nicht mehr "verselbständigte Gemeinwohlperspektiven", die man doch gerade bei Ressortministern annehmen sollte, im Vordergrund, sondern der (zufällig mehr oder weniger) "kooperationswillige Politiker". Diese Passage zeigt, daß Kisker verkennt, daß es sich bei den in Frage stehenden Auseinandersetzungen zwischen Organen entweder um Rechtsstreitigkeiten

handelt, die als solche aber auch einer rechtlich begrün-

deten Entscheidung bedürfen und nicht einem parteipolitischen Kompromiß überlassen werden können,104 oder aber um politische Meinungsverschiedenheiten, die

102 Auch M. Heinrich, Hochschulinnenbereich, 58f, kritisiert, daß Kisker zur Feststellung eines Interessenpluralismus nicht auf das Organ, sondern auf die Person des Organwalters und deren "Interessen" zurückgreift. 103 Diese wird von der h.M. für die von Kisker beispielhaft angeführten Auseinandersetzungen um die den Ministem als eigener Geschäftsbereich zugewiesenen Aufgabenfelder gerade abgelehnt; s. etwa die (im Ergebnis zur Frage der Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs divergierenden) Entscheidungen des BayVGH (20.03.1963), BayVGH n.F. 16, 21 / 24, und des OVG Berlin (06.05.1963), OVGE Bln. 7, 128 / 133, mwN. 104 Vgl. etwa die den in der vorigen Fn genannten Entscheidungen zugrundeliegenden und die Rechtmäßigkeit einer Enteignungsmaßnahme des Landes Bayern bzw. die Zulässigkeit der Kündigung eines Schwerbeschädigten Berliner Landesbediensteten betreffenden Sachverhalte.

Β. Probleme und Lösungsansätze

58

gerade nach dem Selbstverständnis der Verwaltungsgerichtsbarkeit dort "nichts zu suchen haben", aber von dem Autor an sie verwiesen werden.

(2) Subjektive Rechte aus der Dialektik körperschaftsinterner

Interessen (Tsatsos)

Auch Dimitris Tsatsos105 geht aus von der Überlegung, daß der Grundsatz der Einheit der Verwaltung allgemein so aufgefaßt wird, daß es im verwaltungsinternen Raum grundsätzlich keine Interessengegensätze gebe, weshalb ein Prozeß zwischen Organen derselben juristischen Person als Anomalie empfunden werde. Sein Ziel besteht darin zu zeigen, daß demgegenüber der Befund eines Interessenmonismus im Innern einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht zu halten istdWDie Interessendifferenzierung entspringe der mitgliedschaftlichen Struktur jeder Körperschaft: "Je substantieller die Mitwirkungsrechte der Mitglieder bei der Willensbildung oder bei der Kreation der Willensbildungsorgane sind, desto mehr Interessendifferenzierungen können... entstehen. Solche Differenzierungen werden sich aus den möglicherweise unterschiedlichen faktischen Interessen der Mitglieder ergeben." Die körperschaftsinterne Willensbildung vollziehe sich " unter dem Einfluß eines Interessenantagonismus" und werde dadurch politische20 Die körperschaftliche Selbstverwaltung sei mit einer besonderen Art der Willensbildung verbunden, deren Kennzeichen die Möglichkeit einer Interessendialektik sei J?26 Diese "ist in der Satzung oder der Verfassung der Körperschaft durch die Regelung des Willensbildungsprozesses und durch die Schaffung bestimmter Organe mit eigener Zuständigkeit institutionalisiert. Daraus ergibt sich für Tsatsos die Qualifizierung eines Prozesses zwischen Selbstverwaltungsorganen einer Körperschaft "als ein tertium zwischen Insichprozeß und normalem Prozeß."P 31 Im Gegensatz zu Kiskers politischer Betrachtungsweise erfaßt Tsatsos den Organstreit unter einem psychologischen Gesichtspunkt: "Mit der Ermöglichung der Erhebung einer Organklage durch den Organträger 1 0 6 erhöht man dessen Verantwortungsbewußtsein. Man macht den mensch-

105

Der verwaltungsrechtliche Organstreit, Bad Homburg v.d.H. 1969.

106

Gemeint ist der Organwalter, nicht die juristische Person als Träger des Organs.

II. Die Literatur

59

liehen Egoismus der ... Person für die körperschaftsinterne Interessendialektik fruchtbar; die Folge ist eine persönliche Identifizierung von Funktionsträgern und Funktion, und somit ein persönliches Engagement" J>55 Die menschliche Eitelkeit wird zum Vehikel eines rechtmäßigen Verwaltungsverfahrens. Die Einräumung eines Klagerechts soll die Motivation der Organwalter fördern. Auf die hierin liegende Gefahr, daß etwa einem klagenden Organmitglied deshalb "das Odium des persönlichen Interesses, zumindest der persönlichen Rechthaberei entgegengehalten werden" könne, weist bereits Fuss 107 hin. Gegen Tsatsos' Vorschlag läßt sich zum einen vorbringen, daß eine Identifizierung von Funktionsträger und Funktion insofern Probleme bereitet, als der Organstreit ausschließlich die Befugnisse des Organs und keinesfalls die Rechte und Positionen der natürlichen Person des Organ waiters zum Gegenstand hat. 108 Diese in der Praxis bisweilen ohnehin schon schwierige Abgrenzung gilt es nicht auch noch begrifflich zu verwischen. Zum anderen ist fraglich, ob es sich bei der nachgewiesenen Interessendialektik tatsächlich um einen Charakterzug der Körperschaft handelt oder ob sie nicht vielmehr ein Strukturmerkmal des Kollegialorgans109 darstellt, somit also ungeeignet wäre, einige Organe und ihre Kompetenzen vor anderen auszuzeichnen. Entgegen Tsatsos' Auffassung 110 gibt es auch im Bereich der

107 WissR 5,113. Ähnlichen Vorwürfen ausgesetzt ist die Auffassung G. Püttners, ge äußert in der Diskussion auf dem Sechsten Verwaltungsrichtertag, die Nähe einer Kompetenz zum subjektiven Recht liege vor bei der Verknüpfung von amtlicher Funktion und politisch-persönlichem Engagement (s. Dokumentation, 140). 108

So auch M. Heinrich, Hochschulinnenbereich, 58f. P. Dagtoglou, Kollegialorgane und Kollegialakte der Verwaltung, Stuttgart 1960, nennt drei Elemente, die neben der Kompetenz zum Begriff des Kollegialorgans gehören, nämlich die Vielheit von mitwirkenden Personen, die Gleichstellung der Mitglieder und die Organisation der Mitglieder zu einer rechtlichen Einheit (32, 33f). Zum Unterschied zwischen Individual- und Kollegialorgan bemerkt er: "Während der Entscheidungsprozeß von Organakten beim Individualorgan rein psychologischer Natur und grundsätzlich ... rechtlich irrelevant ist, ... rollt der Entstehungsprozeß von Organakten in der objektiven Welt ab, weil... das Abwägen der Argumente, die diesbezüglichen Kontroversen usw. ans Licht gebracht (und nicht nur in die Endbegründung wie bei dem Individualorgan) und infolgedessen auch kontrollierbar werden." (46) Aus den drei Elementen und der Offenheit des Entscheidungs- und Willensbildungsprozesses ergeben sich schon ohne weiteres Pluralismen, also auch Interessendialektik innerhalb eines Kollegialorgans. 109

110

Vgl. Organstreit, 30.

Β. Probleme und Lösungsansätze

60

unmittelbaren Staatsverwaltung und in Anstalten des öffentlichen Rechts Willensbildungsprozesse und Organe, die gesellschaftliche Interessenkreise berücksichtigen bzw. vertreten; man denke nur an die Rundfunkräte oder weisungsfreien Bürger-Ausschüsse111 etwa im Bereich der Jugendhilfe oder des Umweltschutzes. Hoppe weist zutreffend daraufhin, daß die Interessengegensätze, die innerhalb des Kreises der Körperschaftsmitglieder bestehen mögen, keineswegs regelmäßig ihr Abbild in der Organstruktur der Körperschaft fänden, sondern ein Interessenausgleich und die Integration der Mitglieder gerade eine Grundaufgabe jeder Körperschaft darstellten. Somit erscheint Tsatsos' Anknüpfungspunkt ungeeignet, Partikularinteressen der Körperschaftsorgane und so deren subjektive Rechte auszuzeichnen.

(3) Subjektive Rechte aus der Kommunalverfassung

(Bleutge)

Rolf Bleutge 112 hält es für den gewaltenteilenden, föderalistischen Staat für "durchaus sinnvoll, die verfassungsrechtlichen Beziehungen, die von Haus aus Kompetenzen darstellen, zur Verhütung einer freiheitsgefährdenden Machtkumulation als subjektive Rechte derjenigen auszugestalten, zu deren Gunsten die Kompetenznorm wirkt und die daher ein rechtlich geschütztes Interesse an der Wahrung der Kompetenzgrenzen besitzen."?98 "Daß die Kompetenzzuweisung darüber hinaus einer rationellen Arbeitsteilung und damit dem Interesse des Gesamtorganismus dient, soll nicht verkannt werden, steht aber der Annahme subjektiver Rechte nicht entgegen, weil die Interessenbefriedigung nicht Endzweck einer Norm zu sein braucht, welche dem Adressaten eine subjektive Berechtigung einräumt. Für den Rechtsbegriff wesentlich und zugleich ausreichend ist daher, daß die Zuständigkeitsverteilung über diese bloße Ordnungsfunktion hinausgehend die Bildung unabhängiger Entscheidungszentren bezweckt, welche sich zum Schutz der Bürgerfreiheit gegenseitig mäßigen und im Streitfall gegenübertreten."?99 Der Autor sieht eine Parallele zwischen Kompetenz und subjektivem Recht insofern, "als in beiden Fällen eine bestimmte Willens- oder Rechtsmacht im

111

S. dazu auch A. Herbert, Die Klagebefugnis von Gremien — Ein Beitrag zur Diskussion des In-sich-Prozesses, DÖV 1994, 108-114. 112

Der Kommunalverfassungsstreit, Berlin 1970.

II. Die Literatur

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Mittelpunkt steht."?95 Auch sei das dem subjektiven Recht eigentümliche Korrespondenzverhältnis von Berechtigung und Verpflichtung genauso bei der Organzuständigkeit möglich, "deren Wesen ja gerade darin Hegt, daß der Träger zu ihrer Ausübung verpflichtet ist und sich jedes Eingriffes in den Kompetenzbereich anderer Funktionseinheiten zu enthalten hat."?90 Kompetenz und subjektives Recht schlössen sich auch ihrem Wesen nach nicht aus.?707 Dennoch seien subjektive Rechte unterhalb der (staatlichen und kommunalen) Verfassungsebene regelmäßig abzulehnen, denn dort sei die Aufgabenzuweisung "auf die Herbeiführung einer arbeitsteiligen Gliederung des bürokratisch organisierten Verwaltungsunterbaus beschränkt", 113 was dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung Rechnung trage.?97 Entscheidend sei, "ob die Zuständigkeitsverteilung auf der Kommunalverfassungsebene über eine bloße Ordnungsfunktion hinausgeht und die Bildung unabhängiger Entscheidungszentren bezweckt" J>102 Der Autor zieht hier die Prinzipien der Gewaltenteilung (mit Einschränkungen) und der repräsentativen Demokratie heran: "Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß der Kommunalverfassungsgeber die Organbeziehungen insofern subjeküviert hat, als sich die gemeindliche Hoheitsgewalt zum Schutze der Gemeindebürger und zur Verwirklichung des demokratischen Prinzips auf bestimmte, voneinander unabhängige Funktionsträger verteilt, in denen dieser Zweck zum Ausdruck gekommen und institutionalisiert worden ist. Deren Kompetenzen sind als subjektive Rechte anzusehen, soweit sie dem begünstigten Organ(teil) Einfluß auf die gemeindliche Willensbildung geben wollen.'"V107 Bleutges Ansatz beschränkt sich auf den Kommunalverfassungsstreit und beansprucht nicht, eine allgemeine Theorie verwaltungsrechtlicher Organstreitigkeiten zu liefern. Er orientiert sich stark am Organstreit zwischen Bundesverfassungsorganen und ist daher mit denselben Abgrenzungsproblemen belastet. Zwar ist seine Argumentation mit den Grundsätzen der Demokratie, der Repräsentation und der Gewaltenteilung für den Bereich der Kommunalverfassung plausibel, auf andere Fälle von Organstreitigkeiten allerdings auch nur mit Einschränkungen übertragbar. 114 Klare Kriterien, wann genau eine Zuständigkeitszuweisung über den Zweck

113

Eine Ausnahme gelte nur dort, wo einem über Zweckmäßigkeitserwägungen hinausgehenden Einzelinteresse gerade dadurch Rechnung getragen werde, daß eine bestimmte Stelle innerhalb der Verwaltung weisungsfrei ausgestaltet werde; ebenda, 91. 114

So auch M. Heinrich, Hochschulinnenbereich, 63.

62

Β. Probleme und Lösungsansätze

der Arbeitsteilung hinausgeht und subjektive Rechte normiert, fehlen. Eine irgendwie geartete Mitwirkung an der Willensbildung des Gesamtorganismus ist auf dessen Verfassungsebene

mit jeder Organzuständigkeit gegeben. Insofern erweist

sich Bleutges Differenzierungsversuch als Tautologie, die nichts ausschließt.

(4) Subjektive Rechte der Organe als Interessenvertreter

(Zimmerling)

Die Arbeit von Wolfgang Zimmerling über 'Organstreitigkeiten innerhalb der Hochschule"115 befaßt sich mit dem "Ob" und "Wie" der Klagbarkeit von Rechtspositionen von Hochschulorganen^ Sein Ziel ist der Nachweis der Klagbarkeit der Organkompetenz, also deren Behandlung wie ein subjektives öffentliches Recht in dieser Hinsicht.?77 "Die Kompetenz stellt wie die Vertretungsmacht eine rechtlich erhebliche, einem Subjekt zustehende Macht zu rechtlich erheblichem Verhalten oder ein rechtliches Können dar. In einer solchen Übertragung ist die Zuweisung objektiver Berechtigung sowie die Verleihung einer Rechtsmacht zu sehen. Für körperschaftliche Organe bedeutet das, daß ihre organisationsrechtliche Wahrnehmungszuständigkeit die durch organisatorische Rechtssätze und sie ergänzende Rechtsakte begründeten Verpflichtungen und Berechtigungen beinhaltet, bestimmte Angelegenheiten einer organisatorischen Einheit in bestimmten Arten und Formen wahrzunehmen." Wichtig sei der monopolartige Charakter jeder Kompetenz. "Denn gerade die Ausschließlichkeit gilt als ein wichtiges Kennzeichen der behördlichen Zuständigkeit... Nur ein bestimmtes Organ ... darf diese Funktion ausüben, darf dieses 'Recht' wahrnehmen. Man könnte demnach zu dem Ergebnis gelangen, daß die Organkompetenz das subjektiv-öffentliche Recht eines [Organs] darstellt. Zimmerling will sich jedoch auf die Frage beschränken, "ob im Hinblick auf ihre Klagbarkeit aus prozessualen Gründen eine Gleichstellung von subjektiv-öffentlichem Recht und Organkompetenz zu erfolgen hat "P 31 Abzulehnen sei eine Begründung der Klagbarkeit letzterer aus Art. 19 Abs. 4 GG, da dieser klagbare "Rechte" bereits voraussetze und nur den lückenlosen Rechtsschutz garantiere. Auch sei zweifelhaft, ob (Hochschul-)Organe "jemand" im Sinne dieser Vorschrift sein könn-

115 — Ein Beitrag zur Lehre vom verwaltungsprozessualen Organstreit, Diss. jur. Saarbrücken 1976.

II. Die Literatur

63

t e n " D i e Frage der Klagbarkeit... kann allein vom Standpunkt des öffentlichen Interesses bzw. der körperschaftsinternen Interessenlage aus entschieden werden. Die Klagbarkeit der Organkompetenzen kommt nicht in Betracht, wenn die die Hochschule betreffenden Organisationsformen ausschließlich im öffentlichen Interesse existieren und ein partikulares Interesse der Organe nicht zulassen. Andererseits ist die Klagbarkeit dieser Kompetenzen geboten, sofern sich der Nachweis fuhren läßt, daß die Hochschulorgane unterschiedliche Interessen vertreten."?*2 Von der Anerkennung eines Interessenpluralismus im Innern der Hochschule sei es nur ein kleiner Schritt zur Anerkennung von Partikularinteressen der Hochschulorgane. Die Tatsache, daß diese mit teilweise unterschiedlichen Paritäten und fachlicher Differenzierung den Interessenpluralismus verkörperten, zeige, daß die Kompetenzverteilung über eine bloße Ordnungsfünküon hinausgehe. Daher "erscheint es nur konsequent, die Kompetenzen der Hochschulorgane als einklagbare Rechtspositionen zu werten. Schließlich obliegt den Hochschulorganen die im Bereich von Forschung und Lehre von der Staatsgewalt unabhängige körperschaftsinterne Willensbildung. Insoweit ist eine Gleichbehandlung mit den subjektiv-öffentlichen Rechten gerechtfertigt."?** Auch die "Befugnisse der Organwalter", wie Zimmerling die Kompetenzen von Organteilen oder Mitgliedern von Kollegialorganen bezeichnet, sollen davon erfaßt sein.?7*2 Die Lösung ist der Bleutges sehr ähnlich und wie diese beschränkt auf eine bestimmte Körperschaft und deren Verfassung. Zimmerling argumentiert dementsprechend mit hochschulspezifischen Phänomenen wie der Forschungs- und Lehrfreiheit und weist auf einen besonderen Interessenpluralismus in der Hochschule hin. Fraglich ist, ob es dessen bedurft hätte, nachdem der Autor zunächst die starken Parallelen zwischen Kompetenzen und subjektiven Rechten betont. Er läßt die These von der Gleichwertigkeit von Organkompetenz und subjektivem Recht jedoch im Raum stehen und zieht sich auf die schwächere These von einer sinnvollen Gleichbehandelbarkeit zurück. Dabei hebt er entscheidend auf den Interessenaspekt ab. Der Nachweis von Partikularinteressen innerhalb der Hochschulorganisation ist aber nur dann erforderlich, wenn eine Kompetenz eben nicht prinzipiell dieselbe Qualität hat wie ein subjektives Recht und es deshalb eines weiteren Elements bedarf, um die Rechtsmacht "Kompetenz" zu der anderen, gewichtigeren Rechtsmacht "subjektives Recht" zu erheben. Die zwingende Verbindung von Interessenvertretung und Klagbarkeit, die doch eher eine rechtspolitische Forderung als eine rechtsdogmatische Erkenntnis ist, hat auch Zimmerling nicht gezeigt. Aus welchem

Β. Probleme und Lösungsansätze

64

Grund es gerade der Befund von Partikular- oder Individualinteressen sein soll, der die Klagbarkeit begründet, bleibt weiter offen. Entweder läßt er sich bei allen Kompetenzen wie bei subjektiven Rechten konstatieren, fügt dann jedoch dem Kompetenzbegriff nichts Neues hinzu, oder er zeichnet einige Kompetenzen vor anderen aus, erforderte dann aber ein genaues Abgrenzungskriterium für diese Fälle. Insofern ist jedoch die zweifellos besondere Situation der Hochschulverfassung nicht ohne weiteres verallgemeinerungsfähig, da sie eine außerordentlich starke und differenzierte Proporz-Struktur ihrer Organe aufweist.

(5) Subjektive Rechte der Organe in Analogie zu subjektiven Rechten der juristischen Person des öffentlichen Rechts (Heinrich)

Auch Manfred Heinrich 116 legt bei der Klärung der Frage, ob die Wahrnehmungszuständigkeiten von Organen auch subjektive Rechte derselben enthalten,?5·* entscheidenden Wert auf den Interessenbegriff: Bei näherem Zusehen zeige sich nämlich, "daß trotz des allumfassenden öffentlichen Interesses auch innerhalb der staatlichen Organisation faktisch Interessenkollisionen hinsichtlich der Art, Weise und Form der Wahrnehmung der öffentlichen Interessen vorhanden sind. Weil nämlich die öffentlichen Interessen von einer Vielzahl von Funktionsträgern wahrgenommen werden, können sich zwischen diesen Funktionsträgern Meinungsverschiedenheiten über den Umfang der jeweils wahrzunehmenden Zuständigkeiten ergeben." "Der bei der Verwendung der Begriffe 'subjektives öffentliches Recht' und 'Individualinteresse' gemeinhin vorausgesetzte Interessenpluralismus — die Interessen des einzelnen Menschen auf der einen und die öffentlichen Interessen auf der anderen Seite — erhält seinen Inhalt durch den Zweck, die menschliche Freiheitssphäre gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt zu schützen. ... Das subjektive öffentliche Recht schafft diesen Interessenpluralismus nicht, sondern setzt ihn bereits voraus."?64 Dies lasse sich auf den staatlichen Organisationsaufbau übertragen. Auch einem intrapersonalen Funktionsträger werde ein gewisser Freiheitsraum zugestanden, wenn er in seiner Aufgabenwahrnehmung weisungsfrei sei. "Diese

116

Verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten im Hochschulinnenbereich, Berlin 1975.

II. Die Literatur

65

Unabhängigkeit von anderen Funktionsträgern kann man durchaus als Freiheit vom Staat begreifen; es liegt nämlich auf der Grundlage des Freiheitsgedankens eine dem aus dem Mensch-Staat-Verhältnis folgenden Interessenantagonismus ähnliche Interessenpluralität vor, die Voraussetzung für die Existenz subjektiver öffentlicher Rechte ist." Die "Individualinteressen" solcherart weisungsunabhängiger Funktionsträger seien darauf gerichtet, "die ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten selbst (und ungestört) wahrzunehmen.'Wf Der rechtliche Schutz der Zuständigkeiten liege in dem Ausschluß aller anderen Funktionsträger von ihiß 66 Für juristische Personen des öffentlichen Rechts lägen rechtlich geschützte Individualinteressen vor, wenn sie ihre Aufgaben in Selbstverwaltung, also eigenverantwortlich wahrnähmen. Dann sei davon auszugehen, daß ihre Individualinteressen auf die Wahrnehmung ihrer Kompetenz bzw. Befugnis gerichtet seien. Entsprechend verhalte es sich auch im intrapersonalen Bereich, in dem die Funktionsträger rechtlich geschützte Individualinteressen besäßen, "wenn und soweit sie nur einer Rechtmäßigkeitskontrolle unterliegen oder wenn zugunsten eines anderen intrapersonalen Funktionsträgers aufgrund enumerativ bezeichneter gesetzlicher Tatbestände Genehmigungs- oder Bestätigungsvorbehalte sowie Ausnahmebewilligungen bestehen."117 Für die prozessuale Durchsetzbarkeit gelte, daß derartige subjektive Rechte von Funktionsträgern nur auf die Wahrnehmung ihrer Kompetenzen gerichtet seien, so daß Organstreitigkeiten nur um Kompetenzen und Befugnisse geführt werden könnten.?55 Die der VwGO zugrundeliegende Gesamtkonzeption des Individualrechtsschutzes stehe dem keineswegs entgegen, auch wenn der Gesetzgeber vorrangig andere Rechtssubjekte im Auge gehabt habe, denn sowohl die Struktur der subjektiven Rechte als auch die Interessenlage bei Auseinandersetzungen zwischen Organen unterschieden sich nicht von Rechtsstruktur und Interessenlage bei Streitigkeiten zwischen Bürger und Staat bzw. zwischen juristischen Personen.?757/Das Interesse eines Funktionsträgers an der Funktionswahrnehmung erscheint jedoch reichlich konstruiert und wegen seiner Leere nicht gleichartig oder auch nur gleichrangig mit den geschützten Individualinteressen einer natürlichen oder juristischen Person, weshalb die an sich plausible Parallele zwischen subjektiven Rechten und

117 Ebenda, 79. "Keine Eigenverantwortlichkeit und damit keine rechtlich geschützten Individualinteressen liegen hingegen vor, wenn und soweit ein Funktionsträger bei der Erledigung von Aufgaben einem gesetzlich beschränkten oder unbeschränkten fachlichen Weisungsrecht unterliegt." 5 Buchwald

Β. Probleme und Lösungsansätze

66

Kompetenzen, wie Heinrich sie zieht, letztlich doch nicht überzeugt, zumal auch nicht klar wird, aus welchem Grund dieses Aufgabenwahrnehmungsinteresse nur bei weisungsfreier Tätigkeit gegeben sein soll.

(6) Subjektive Rechte der Organe zum Ausgleich von Partikularinteressen

(Bethge)

Für Herbert Bethge118 bestehen die Gesichtspunkte, "die die Aufwertung der mit jeder Verpflichtung zur Kompetenzwahrung und Kompetenzausfullung verbundenen Rechtsmacht zum klagbaren subjektiven öffentlichen Recht des Organs rechtfertigen", ebenfalls in "gegeneinander auszubalancierenden und auszutarierenden Partikularinteressen"? 572. "Dieses Strukturprinzip eines Verhältnisses von 'checks and balances' prägt aber keinesfalls durchgängig die öffentliche Verwaltung. Für den weiten Raum der staatsunmittelbaren Verwaltung ... ist im Hinblick auf das interdependente Verhältnis der Organe kein Interessenpluralismus und -partikularismus, sondern ein spezifischer Interessenmonismus symptomatisch."?575 Dagegen erkennt Bethge für unterstaatliche Körperschaften und Anstalten solche Interessenpartikularismen an. So sei der kommunalverfassungsrechtliche Organstreit "dadurch charakterisiert, daß innerhalb des gemeindlichen Gefüges zur Vermeidung von Machtkumulation verschiedene, voneinander unabhängige Funktionsträger agieren, die echte 'Kontrastorgane' darstellen". Ähnliches gelte für die Gruppenuniversität "mit ihren institutionell aufgefächerten und organisatorisch abgesicherten Partikularinteressen" oder "das grundrechtssichernde Strukturprinzip des Pluralismus" in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten P 3 1 3 Dennoch verrät bereits Bethges Wortwahl seine eigene Unsicherheit bezüglich der Tragfähigkeit dieses Begründungsansatzes, denn er spricht fortwährend von der "Umpolung" der Kompetenzen, die zu subjektiven Rechten "mutieren", 119 oder davon, daß der von ihm konstatierte Befund vorhandener Partikularinteressen "zur

118

Grundfragen innerorganisationsrechtlichen Rechtsschutzes, in: DVB1 1980, 309315. Vgl. auch dens., Der Kommunalverfassungsstreit, in: Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis II, hg. von G. Püttner, 2Berlin u.a. 1982, 176-194. 119 S. z.B. DVB1 1980, 311, 312, 314.

II. Die Literatur

67

Annahme einklagbarer subjektiver Rechte im Interorganverhältnis nötigt"/7575. Von einer zwingenden Argumentation kann allerdings keine Rede sein. Der Hinweis auf die Tatsache, daß in verschiedenen Lebens- und Rechts- bzw. Staatsorganisationsbereichen Partikularinteressen existieren, und die lapidare Behauptung, in anderen Bereichen wie dem der staatsunmittelbaren Verwaltung sei dies nicht der Fall, nötigt keineswegs zu dem Schluß, in den erstgenannten Bereichen seien Kompetenzen zu subjektiven Rechten aufgewertet oder aufzuwerten. Überzeugender ist da schon Bethges (allerdings auf staatliche Verfassungsorgane beschränkte) Feststellung, daß die Organe im Innenverhältnis

sehr wohl Zurechnungsendsubjekte

der ihnen zugewie-

senen Kompetenzen seien und insofern die für das Außenrechtsverhältnis zutreffende transitorische Wahrnehmungszuständigkeit irrelevant seid 572 Es ist dann schließlich die Angst vor der innerbehördlichen Popularklage?572, die Bethge veranlaßt, die mehr als schwammigen Interessenpartikularismen als Abgrenzungskriterien zu favorisieren, auch wenn diese sich nicht als trennscharf erweisen lassen.

(7) Organisationsgefiige zum Ausgleich der Interessengegensätze der Körperschaftsmitglieder (Ewald)

Voraussetzung für die Beteiligtenfähigkeit von Organen vor den Verwaltungsgerichten ist nach Klaus Ewald 120 deren materielle Rechtssubjektivität. Ein eigenes Recht habe das Organ aber nicht schon mit jeder Kompetenz, denn eine solche könne sich auch in einem Pflichtverhältnis zur Organisation erschöpfen. "Nur wenn die Verbindlichkeit des Organwillens dadurch gewährleistet ist, daß ein anderes Organ von der Rechtsordnung dazu verpflichtet wird, sich dem fremden Willen gemäß zu verhalten, kann von einem eigenen Recht des Organs gesprochen werden." Daher sei es notwendig, daß zwischen den betroffenen Organen ein unmittelbares Rechtsverhältnis bestehe, wonach das berechtigte Organ von dem verpflichteten ein bestimmtes Verhalten gerade ihm gegenüber fordern könne. Von derartigen Rechtsbeziehungen könne aber nur die Rede sein, wenn dem Organ über die eigentliche Organfunktion hinaus eine weitergehende Rolle zuerkannt werde. Das sei der

120

Die prozessuale Behandlung des inneruniversitären Verfassungsstreits, WissR 3 (1970), 35-49. Vgl. auch dens., Zur Beteiligungsfähigkeit im Kommunalverfassungsstreitverfahren, DVB1 1970, 237-243.

Β. Probleme und Lösungsansätze

68

Fall, wenn die (Hochschul-)Organe "auch zu dem Zweck errichtet und eingerichtet worden sind, ein bestimmtes Organisationsgefüge zu bilden, das gerade in dieser konkreten Gestaltung durch den Ausgleich der Interessengegensätze unter den Mitgliedern das Gesamtinteresse der Körperschaft formen soll."p3^ Dann sei die Änderung der Zuständigkeitsverteilung regelmäßig einem besonderen Verfahren unterworfen, worin die grundsätzliche Gewährleistung der Organkompetenzen zum Ausdruck komme. Aus diesem Grund sei anzunehmen, daß jedes Organ von den anderen verlangen könne, daß diese Handlungen unterlassen, die in seinen Zuständigkeitsbereich fallen. 121 Ewalds Ansatz kann als schwache Interessentheorie bezeichnet werden, da er seine Hauptargumentation nicht primär auf den Begriff des Individual- oder Partikularinteresses stützt und auch nicht davon ausgeht, daß die Organe unmittelbar solche besitzen oder vertreten. Vielmehr soll es das Organisationsgefüge sein, das das Gesamtinteresse durch Ausgleich der Partikularinteressen formt. Diese durchaus richtige, wenn auch nicht auf Körperschaften zu beschränkende Beobachtung und der (rechtliche) Schutz der Kompetenzen durch die Verfahrensregelung für die Änderung von Zuständigkeiten122 sind wertvolle Anknüpfungspunkte für die Auszeichnung von "klagbaren Organkompetenzen". Entscheidend ist aber das von Ewald zuerst angeführte Argument für ein Rechtsverhältnis zwischen Organen: Ein Organ kann von dem anderen etwas fordern, kann (und soll nach der Kompetenzen zuweisenden Rechtsordnung) "seinen Willen", d. h. seine Funktions- oder Aufgabenträgerschaft sowie deren Vollzug, gegenüber dem anderen durchsetzen. Hier hegt die Wurzel von subjektiven Organrechten oder klagbaren Kompetenzen, in dem Etwas-fordernKönnen, das die Rechtsordnung einem Subjekt (im Sinne von Zuordnungspunkt rechüicher Normen oder Regelungen) gegenüber einem anderen zuspricht.

121

So auch im Bereich der Kommunalverfassung, DVB1 1970, 240ff. 122 Vgl. c. Puttfarcken, Prozeßrechtliche Fragen bei Streitigkeiten zwischen Organen öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, FS Ule, Baden-Baden 1988, 63-70 (63): "Die Kompetenzen [der] Anstaltsorgane sind in den entsprechenden Rundfunkgesetzen und Satzungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genau definiert. Sie sind Ausfluß des die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten prägenden grundrechtssichernden Strukturprinzips. Eine sorgfältige Abgrenzung der Zuständigkeiten und Veranwortlichkeiten der einzelnen Organe gegen- und untereinander ist in diesem Zusammenhang organisationsrechtlich wesentlich und erforderlich."

II. Die Literatur

69

(8) Kritik der Interessentheorien Die bislang dargestellten und durchaus sehr unterschiedlichen Varianten 123, die Klagbarkeit von Kompetenzen oder ihre Wertung bzw. Aufwertung als subjektive Rechte anhand von Individual- oder Partikularinteressen zu begründen, bringen einige grundsätzliche Probleme mit sich. Als Dreh- und Angelpunkt hat sich der Interessenbegriff in dieser Debatte deshalb herausgestellt, weil bis heute der Unterschied zwischen subjektivem Recht und Kompetenz vielfach darin gesehen wird, daß jenes dem Schutz von Individualinteressen diene und das auch dem Rechte-Begriff der VwGO zugrundeliege, während diese sich gerade dadurch auszeichne, daß sie nicht irgendwelchen vereinzelten Interessen, sondern eben dem Allgemeinwohl verpflichtet sei. Schon deshalb sei zwischen Organen kein anderer Konflikt als ein solcher über die Auslegung objektiven Rechts möglich. Dennoch stellt sich heraus, daß der Begriff des Interesses, sei es das individuelle, das partikulare oder das allgemeine, äußerst unbestimmt bleibt. Eine Definition liefert keiner der oben referierten Autoren. Alle verwenden den Terminus "Interesse" mit einer solchen Selbstverständlichkeit, daß es nicht verwundert, daß oft nur das "Selbstverständnis" des jeweiligen Autors die Bedeutung des Begriffs erhellt. So bedeutet "Interesse" mal die politische Auffassung, was wohl dem Allgemeininteresse

123

Vgl. jedoch die Zusammenfassung bei F. Schoch, JuS 1987, 786, der einen gemeinsamen Kern herauszuarbeiten versucht: Danach ließen sich "eigene Rechte" der Organe jedenfalls dann anerkennen, "wenn Organisationen bzw. Organ(teil)e kollegial strukturiert und von daher Interessenkonflikte nicht nur möglich, sondern im Gesetz angelegt sind. Dann nämlich läßt sich die These aufstellen, es werde mit der organisationsrechtlichen Zuweisung bestimmter Funktionen eine Förderung des pluralistisch strukturierten Willensbildungsprozesses sowie eine Ausbalancierung unterschiedlicher Positionen angestrebt." Im kommunalen Organisationsrecht agierten verschiedene und voneinander unabhängige Funktionsträger, die bisweilen als "Kontrastorgan" bezeichnet würden und als organisationsrechtliche Einrichtungen eines demokratisch strukturierten Gebildes der Vermeidung freiheitsgefährdender Machtkumulation dienten. "[I]m kommunalorganisatorischen Binnenbereich sind nämlich verschiedenste Rechte zugeordnet und gegenseitige Einflußmöglichkeiten eröffnet, so daß letztlich von der Existenz einer Interorgankontrolle gesprochen werden kann. Als Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses ausbalancierten Systems wird postuliert, das Organ(teil) müsse mit dem Recht ausgestattet sein, seine Befugnisse anderen gegenüber zu verteidigen." Ähnlich J. Martensen, Grundfälle zum Kommunalverfassungsstreit, JuS 1995, 989-992 (990).

Β. Probleme und Lösungsansätze

70

dient oder wie dies zu verstehen sei (Kisker), mal àie faktischen Interessen der Bü gerinnen und Bürger, aus denen sich die Organwalter etwa einer Gebietskörperschaft rekrutieren (Tsatsos), mal die Interessen und Ansprüche der verschiedenen Fachbereiche und Gruppen im Innern einer Universität (Zimmerling). Dann wieder soll ein offenbar ansonsten völlig inhaltsleeres Interesse an der Aufgabenwahrnehmung selbst (Heinrich) ausschlaggebend sein für die Klagbarkeit von Organzuständigkeiten. Und in allen Fällen dient der Hinweis auf Interessen nur dem Ziel, ein Erfordernis des subjektiven (öffentlichen) Rechts zu erfüllen, nämlich ein ihm zugrundeliegendes Individualinteresse aufzufinden. Welche Funktion hat aber dieses Individualinteresse tatsächlich in Rahmen der Dogmatik des subjektiven Rechts? Ist entscheidend, daß der Gegenstand des Rechts für den Berechtigten interessant ist, daß er sich für sein Recht interessiert, daß er ganz spezielle Interessen mit dem Recht verfolgt? Oder geht es nicht vielmehr um die Frage, ob er das interessierte im Sinne von betroffene und deshalb zuständige Subjekt ist, dem eine Regelungsbefugnis zusteht, weil grundsätzlich jeder seine eigenen Angelegenheiten zu regeln befugt ist und nun festgestellt werden muß, wessen Angelegenheit hier in Frage steht.124 Jemand kann doch unter den verschiedensten denkbaren Gesichtspunkte größtes Interesse am Eigentum seines Nachbarn und dessen Schicksal haben — rechtlich geht es ihn nichts an, er ist nicht die interessierte Person. Ihm fehlt die Zuständigkeit für diese Angelegenheit, die eben nicht "seine" ist. Wenn die These stimmt, daß die Funktion des Individualinteresses als Merkmal des subjektiven Rechts lediglich oder doch vorwiegend darin besteht, das berechtigte Subjekt als solches in rechtlich relevanter Weise, also in prozessualer oder materieller Hinsicht, auszuzeichnen, dann entfällt jede Notwendigkeit, ein substantielles Interesse von Organen oder Organteilen, womöglich Organwaltern nachzuweisen, soweit, und das dürfte praktisch in den meisten Fällen unproblematisch sein, das kompetente Subjekt, die kompetente Stelle innerhalb der Verwaltung ohne weiteres identifiziert werden kann. Die begriffsgeschichtliche Entwicklung des subjektiven Rechts und seines Interessenelements sowie die dogmatische Bedeutung von Interessen im Rahmen von Rechten und Kompetenzen werden im Abschnitt C. ausführlicher gewürdigt.

124

Vgl. den Ansatz W. Henkes y Das subjektive öffentliche Recht, Tübingen 1968, 58ff, den Begriff des Interesses durch den der "eigenen Angelegenheiten" zu ersetzen.

II. Die Literatur

71

Insgesamt läßt sich feststellen, daß der Interessenbegriff zu vage ist, als daß er das entscheidende Kriterium bieten könnte, um einige Kompetenzen vor anderen Kompetenzen als klageweise durchsetzbare Rechte des kompetenten Organs auszuzeichnen. Das Vorhandensein von Interessen (des Organs, des Organteils, des Organwalters, der von ihm repräsentierten Individuen usw.) ist entweder belanglos, weil schlechthin immer gegeben, oder aber willkürlich, weil dafür keine nachvollziehbaren und verallgemeinerungsfähigen Kriterien genannt werden, und damit ungeeignet, die Klagbarkeit von Kompetenzen zu begründen, auch wenn einige der Ansätze auf den ersten Blick eine hohe Plausibilität für sich beanspruchen können. Ein Hauptproblem aller bisher referierten Lösungen hegt nach der hier vertretenen und im weiteren zu entwickelnden Ansicht darin, daß sie versuchen, einem offenbar befürchteten Ausufern von Organstreitigkeiten in der Verwaltung dadurch zu begegnen, daß sie ganz gezielt einige Organkompetenzen unter den Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts fassen und so als klagbar auszeichnen wollen. Auf diesem Weg verstricken sie sich jedoch in große Abgrenzungsprobleme, die mehr Schwierigkeiten aufwerfen als lösen. Vorzugswürdig erscheint demgegenüber ein Ansatz, der die grundsätzliche Klagbarkeit jeder Kompetenz aufzeigt und den Ausschluß von bestimmten Konstellationen aus dem Kreis der zulässigen Organstreitigkeiten den allgemeinen Regelungen des Verwaltungsprozeßrechts überläßt.

d) Organstreitverfahren

als gerichtliche Geltendmachung

von Kompetenzen (Lorenz)

In seiner vielbeachteten Abhandlung "Der Organstreit vor dem Bundesverfassungsgericht" verfolgt Dieter Lorenz eine von den bisher dargestellten verwaltungsrechtlichen Ansätzen abweichende Linie, die dem Lösungsvorschlag der vorliegenden Arbeit nahekommt. Deshalb sei seine Auffassung zum verfassungsrechtlichen Verfahren 125 an dieser Stelle referiert. Lorenz' Grundthese läßt sich dahin zusammenfassen, daß die Kompetenzen jedenfalls der Verfassungsorgane hinreichend subjektivierte Rechtspositionen seien, um sie vor dem Bundesverfassungsgericht

125

In: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts I, hg. von C. Starck, Tübingen 1976, 225-259.

Β. Probleme und Lösungsansätze

72

geltend zu machen. Dabei stellt er anders als die oben angeführten Autoren auf die Ähnlichkeit zwischen subjektiven Rechten und den in der Verfassung als Organisationsstatut festgelegten Organkompetenzen und nicht auf den Nachweis von individuellen Organinteressen ab. Vorausgesetzt wird die Annahme rechtlicher Beziehung zwischen streitenden Organen. Diese folgt nach Lorenz schon aus der Eröffnung eines Rechtsweges (vor dem Bundesverfassungsgericht) und der hierdurch bewirkten Verrechtlichung des Interorgan Verhältnisses.?235 Lorenz wendet sich gegen die Ansicht, Organe nähmen ausschließlich transitorisch Rechte (und Interessen) der juristischen Person wahr: "Diese Sicht verengt den Blick auf den Staat als juristische Person und vernachlässigt dessen Natur als in sich gegliederte Organisation. Auch die Frage der Rechtsträgerschaft ist jedoch organisationsbezogen, d. h. unter Anknüpfung nicht an die Rechtsperson als Zuordnungsendsubjekt von Rechtssätzen, sondern an die Organisation als handlungsfähiger (Teil-)Einheit zu stellen. Von diesem Ansatz her kann die Möglichkeit, Organe als Träger von Berechtigungen anzusehen, nicht prinzipiell in Zweifel gezogen werden. Sie sind im Rahmen ihrer normativ begründeten Kompetenzen die für ihren Teilbereich verantwortlichen Entscheidungsträger und können die ihnen damit zugewiesene Stellung je nach den bestehenden Organisationsregelungen zur Bewahrung der Gesamtordnung und zur Sicherung staatlicher Einheit materiell (im Streit) und gegebenenfalls prozessual verteidigen."?236/ Als unabhängig von der expliziten Rechtswegeröffnung, die für die verwaltungsrechtlichen Fälle gerade fehlt, bestehende sachliche Bedingung für die Annahme "subjektiver Rechte im Interorganverhältnis" bezeichnet Lorenz die "normativ begründete Eigenverantwortlichkeit für einen bestimmten Sachbereich und die daraus folgende Ausschließlichkeit der Wahrnehmungskompetenz", die besonders für die Verfassungsorgane zutreffe: 126 "Ihre Zusammenordnung wie gegenseitige Balance im System des gewaltengliedernden Verfassungsstaates verlangt eine effektive Abgrenzung der Sachkompetenzen; diese enthalten deshalb zugleich eine formelle Überwachungskompetenz hinsichtlich der Ungestörtheit der eigenen Aufgabenerfüllung und vermitteln damit genau jene Rechtsmacht zur Verteidigung nen Sachbereichs gegenüber Eingriffen

126

eines eige-

von außen, die das subjektive Recht ken

Ebenda, 237 (Hervorhebung von der Verf.).

II. Die Literatur

73

zeichnet." Diese spezifische Rechtsstellung komme nur dem Organ als eigenes Recht zu, da sie auch nur durch dieses ausgefüllt werden könne. Lorenz äußert an dieser Stelle die Hoffnung, die Terminologie möge kein unüberwindlicher Streitpunkt sein. Die Rechtsmacht zur Durchsetzung der Kompetenzeinhaltung lasse sich konstruktiv und prozeßrechtlich mit dem Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts trotz dessen Belastung mit dem Ballast verwaltungsprozessualer Tradition erfassen. "Daß es sich dabei funktional nicht um 'echte' subjektive Rechte im Sinn der Einräumung und Sicherung personbezogener, individualrechtlicher Positionen handelt, sondern ein mehr rechtstechnischer Einsatz dieses Instituts zur Abgrenzung von Interessen- und Willenssphären erfolgt, sollte freilich nicht zweifelhaft sein "P 238 Schließlich sei die gerichtliche Geltendmachung von Kompetenzen als subjektive Rechte von weiteren prozessualen Kriterien abhängig, "so daß sich die Differenzierung innerhalb des organbezogenen subjektiven Rechts im Hinblick auf seine Klagbarkeit erübrigt."? 239 Ganz im Sinne des letzten Satzes sind grundsätzlich alle Kompetenzen als "subjektive Rechte der Organe" anzusehen. Lorenz' Ausführungen enthalten kein Argument, das ihre folgerichtige Ausdehnung auf schlichtweg alle staatlichen Organkompetenzen ausschließt. Vielmehr weist der Autor lediglich darauf hin, daß die Voraussetzungen für klagbare Organrechte "für die Beziehungen zwischen obersten Staatsorganen in besonderem Maße" zuträfen.? 237 Das sowohl die Kompetenz als auch das subjektive Recht prägende Element der (ausschließlichen) Rechtsmacht sowie die Qualität der eigenen Rechtsstellung des Organs aus der ihm zugewiesenen Kompetenz und ihre grundsätzliche Justitiabilität vorbehaltlich der Grenzen der jeweilig bestehenden prozessualen Regelungen betont — wenn auch in einer etwas anderen Begrifflichkeit — genauso der in dieser Arbeit vertretene Ansatz. Folgt man der Argumentation von Lorenz, so fehlt es anderen als den obersten Verfassungsorganen nicht etwa an einer subjektiven Rechtsposition für einen Organstreit, sondern lediglich an der Parteifähigkeit (und anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen) im Verfahren von dem Bundesverfassungsgericht. Wegen ihrer ganz grundsätzlichen Anlage und Bedeutung läßt sich diese Auffassung für das Verwaltungsrecht fruchtbar machen, und dies soll unten im Abschnitt C. unter Berücksichtigung rechtstheoretischer Erkenntnisse gezeigt werden.

Β. Probleme und Lösungsansätze

74

2. Prozessuale Probleme

Neben dem Hauptproblem der grundsätzlichen Möglichkeit von Organstreitverfahren und ihrer dogmatischen Fundierung werden in der Debatte auch einzelne prozessuale Konsequenzen und Ausgestaltungen diskutiert. Über diese Streitpunkte soll im folgenden ein kurzer Überblick gegeben werden.

a) Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

Die generelle Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs für Organstreitigkeiten wird heute im Schrifttum wie in der Rechtsprechung von der herrschenden Meinung ohne weiteres angenommen.127 Doch gibt es auch kritische Stimmen. Diese lehnen die Zulässigkeit von Organklagen nicht kategorisch ab, fordern jedoch legislative Präzisierungen. So kritisiert Hans-Jürgen Papier die unproblematische Zulassung von Organklagen im Rahmen der Generalklausel des § 40 Abs. 1 VwGO, die seiner Ansicht nach auf die Funktion des Schutzes subjektiver Rechte (und eben nicht von Kompetenzen) begrenzt ist, "vorbehaltlich darüber hinausweisender, gesetzlich eingeräumter Entscheidungszuständigkeiten".128 Konsequent fordert er vom Bundesgesetzgeber entweder eine abschließende Regelung der Organklagen oder eine Rahmenregelung "analog § 47 VwGO in seiner ursprünglichen Fassung. Bei dieser Lösung wäre es dem das jeweilige Organisationsrecht regelnden Sachgesetzgeber... anheimgestellt, klagefähige Organ- oder Organteil-Kompetenzen zu normieren." 129

127

S. beispielsweise K. Ewald, WissR 3, 37; C. Puttfarcken, FS Ule, 67; W. Zimmerling, Organstreitigkeiten, 49ff; M. Heinrich, Hochschulinnenbereich, 162f. 128 DÖV 1980, 294. Allerdings gesteht er zu, "daß die beiden rechtstheoretisch denkbaren Grundtypen öffentlich-rechtlicher Berechtigungen, nämlich das subjektive öffentliche Recht einerseits und die Kompetenz andererseits, jeweils in Richtung auf den Konträrtyp modifizierbar sind", es also nicht ausgeschlossen sei, daß die Interpretation von Kompetenznormen auch subjektive Rechte der Organe ergeben könne. 129

Ebenda, 295.

II. Die Literatur b) Die Beteiligtenfähigkeit

75

und die Sachlegitimation

Die Frage der Beteiligtenfähigkeit beurteilt die herrschende Meinung nach § 61 Nr. 2 VwGO bzw. analog dieser Vorschrift 130. Einige Autoren treten auch für eine kombinierte Lösung je nach Art des Organs (kollegial oder monokratisch strukturiert) 131 ein. Klaus Ewald weist jedoch zu recht darauf hin, daß weder die Beteiligtenfähigkeit von monokratisch besetzten Organen oder einzelnen Mitgliedern von Kollegialorganen aus § 61 Nr. 1 VwGO ("natürliche Personen") zu entnehmen ist noch die Beteiligungsfähigkeit von Kollegialorganen sich direkt aus § 61 Nr. 2 VwGO ("Personenvereinigungen") ergibt: "Zwar sind die als Organwalter handelnden natürlichen Personen beteiligungsfähig, Partei sind hier aber die durch Organisationsnormen gebildeten Subjekte von Zuständigkeiten. ... Desgleichen kann ihre Beteiligungsfähigkeit, auch soweit es sich um Kollegialorgane handelt, nicht aus § 61 Nr. 2 abgeleitet werden, weil sie keine Vereinigungen sind, die von mehreren Organwaltern gebildet werden. Das Kollegialorgan ist ebenso wie das Individualorgan ein einheitliches Organ und unterscheidet sich von 'außen' betrachtet juristisch nicht von diesem."132 Die Beteiligtenfähigkeit bestimme sich vielmehr (in Analogie zu § 61 Nr. 2 VwGO) nach der materiellen Rechtssubjektivität mit der Folge, daß Organe parteifähig seien, soweit ihnen ein Recht zustehen könne, da jeder Rechtsträger sein Recht geltend machen können solle. 133 Allgemein wird angenommen, daß die betreffenden Organe und Organteile selbst die Aktiv- und Passivlegitimation besitzen und nicht die juristische Person etwa auf der Beklagtenseite stehen kann. 134 Ganz überwiegend abgelehnt135 wird das Recht einer (überstimmten) Minderheit von Mitgliedern eines Kollegialorgans, die Verletzung von Rechten oder Befugnissen des Gesamtorgans (entsprechend der Vor-

130

So z.B. E.-W. Fuss, WissR 5, 109; Κ . Ewald, WissR 3, 38f; C. Puttfarcken, Ule, 68; D. Tsatsos, Organstreit, 37. 131 In diesem Sinne z.B. /?. Bleutge, Kommunalverfassungsstreit, 134f, 138ff, 140. 132

WissR 3, 38. Vgl. auch dens., DVB1 1970, 239ff.

133

WissR 3, 38f.

134

Anderer Auffassung wohl A. Gern, Das Kommunalverfassungsstreitverfahren, VB1BW 1989, 449-452 (451). 135

S. beispielsweise K. Ewald, WissR 3, 48; F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner / /?. Wahl / Schütz, Rn 100 zu § 42 Abs. 2 VwGO.

FS

Β. Probleme und Lösungsansätze

76

schrift des § 64 Abs. 1 BVerfGG) geltend zu machen. Dem einzelnen Mitglied fehle es insofern an der Prozeßführungsbefugnis. Entscheidend ist letztlich die Rechtsträgerschaft, also die Frage nach dem berechtigten Subjekt. In diesem Zusammenhang weist etwa Papier darauf hin, daß die meisten der in der Praxis aufgetretenen Fälle von "Organstreitigkeiten" in Wahrheit Organwalterklagen seien.136 Wehre sich nämlich ein Mitglied eines Kollegialorgans gegen die Beeinträchtigung seiner Mitwirkungsrechte, "erstrebt [es] keine auf die Geltendmachung eines institutionalisierten, entindividualisierten und nichtpersonalisierten Zuständigkeitskomplexes bezogene Organklage. Der Gemeinderat ebenso wie die anderen körperschaftsrechüichen Vertretungsorgane sind 'mitgliedschaftliche Organe', d. h. die Mitglieder in diesem Organ sind zugleich Mitglieder der Korporation und damit Träger echter subjektiver Mitgliedschaftsrechte." 137 Dem ist entgegenzuhalten, daß sich die Rechtsstellung des Gemeinderatsmitglieds als Bürger der Gemeinde deutlich von deijenigen unterscheidet, die er gerade und ausschließlich als Mitglied des Gemeinderats innehat, etwa in bezug auf den Grundrechtsschutz, der ihm im wesentlichen nur in ersterer Hinsicht zukommt. 138

c) Die statthafte

Klageart und die gerichtliche Kassationsbefugnis

Weitgehend unbestritten ist die Geeignetheit der Feststellungsklage im Organstreit. 139 Noch nicht abschließend geklärt ist jedoch ihr Verhältnis zur allgemeinen Leistungsklage. Explizit gegen deren Statthaftigkeit in Organstreitverfahren spricht sich etwa Tsatsos aus, und zwar unter Verweis auf den schweren Eingriff in die

136 W. Krebs, Grundfragen des verwaltungsrechtlichen Organstreits, Jura 1981, 569580 (579), weist ebenfalls darauf hin, daß § 61 Nr. 1 VwGO nur herangezogen werden könne, soweit Organwalterrechte im Streit stünden. Dann aber handle es sich gerade nicht um einen Organstreit. Er widerspricht dort (Anm 107) der Auffassungs H.-J. Papiers von Mitwirkungs- als Organwalterrechten. 137 H.-J. Papier, DÖV 1980, 297. 138

S. hierzu beispielsweise M.-E. Geis, Zum Recht des Gemeinderatsmitglieds auf freie Meinungsäußerung in der Gemeinderatssitzung, in: BayVBl 1992, 41-45. 139 S. etwa E.-W. Fuss, WissR 5, 120ff; K. Ewald, WissR 3,40; C. Puttfarcken, Ule, 69.

FS

II. Die Literatur

77

politischen Abläufe innerhalb einer Selbstverwaltungskörperschaft durch ein Leistungsurteil.140 Gegen eine Subsidiarität der Feststellungs- gegenüber Leistungsund Gestaltungsklagen im Organstreit führt Burkhard Preusche141 das rechtliche "Interesse der Kommune [an], daß der mit einem stattgebenden Urteil erfolgende staatliche Eingriff in ihre inneren Angelegenheiten nur so weit geht, wie dies zur Regelung und Lösung des Streits erforderlich ist." 142 Die Anwendbarkeit von Anfechtungs- und Verpflichtungsklage wird dagegen nur von einer Minderheit 143 vertreten, während die überwiegende Meinung diese sowohl unter dem Gesichtspunkt der mangelnden Über- und Unterordnung der Subjekte im Innenrechtskreis als auch mit dem Hinweis auf das Erfordernis eines Verwaltungsakts für Klagen nach § 42 Abs. 1 V w G O 1 4 4 ablehnt. Damit ist aber die weitere Frage aufgeworfen, ob mit dem Ausscheiden der Anfechtungsklage auch schon jede Gestaltungsklage und damit eine gerichtliche Kassation im Organstreit ausgeschlossen ist. 1 4 5 Gegen eine kassatorische Entscheidungsbefugnis der Verwaltungsgerichte in Organstreitigkeiten spricht sich Papier aus mit dem Hinweis, solche Aussprüche seien nur dort notwendig, wo ein (vorläufiger) Bestandsschutz auch für rechtswidrige Akte gesetzlich vorgesehen sei. Rechtswidrige Beschlüsse und Wahlen im Innenbereich seien jedoch ohne weiteres unwirksam, weshalb eine kassatorische

140

Organstreit, 53. Zu den Klagearten für kommunalverfassungsrechtliche Organstreitigkeiten, NVwZ 1987, 854-858. 141

142

Ebenda, 857.

143

So etwa von B. Preusche, NVwZ 1987, 856, der jedoch seinen Ausführungen einen sehr weiten Begriff der Organstreitigkeiten (vgl. 854f) zugrundelegt, der auch Wahlanfechtungen (855) und Auseinandersetzungen um die Rechtsstellung von Bürgern als Amtsinhaber umfaßt (856). Eine Anfechtungsklage durch ein Gremium, dessen Mitwirkungsbefugnis beim Erlaß eines Verwaltungsaktes verletzt wurde, befürwortet offenbar auch A. Herbert, DÖV 1994, 113. 144 145

S. etwa W. Hoppe, Organstreitigkeiten, 127f; C. Puttfarcken,

FS Ule, 68.

Dafür D. Ehlers, Die Klagearten und besonderen Sachentscheidungsvoraussetzungen im Kommunalverfassungsstreitverfahren, NVwZ 1990, 105-112, 106: "Verwaltungsprozessuale Gestaltungsklagen greifen in den verfassungsrechtlich geschützten Funktionsbereich der Exekutive ein und können daher zumindest grundsätzlich nur kraft Gesetzes und nicht kraft richterlicher Rechtsfortbildung als zulässig angesehen werden."

Β. Probleme und Lösungsansätze

78

Entscheidung im Organstreit entbehrlich sei. 146 Demgegenüber wird die Möglichkeit einer Gestaltungsklage im Organstreit etwa von Ewald für die Fälle angenommen, daß ein Organ für eine erlassene innerorganisatorische Maßnahme Verbindlichkeit beanspruche, indem es eine Befugnis für sich behaupte, die es ihm gestattet, durch seine Entscheidung eine Rechtsänderung herbeizuführen. Demnach sei eine Gestaltungsklage "bereits statthaft, wenn der ergangene Beschluß darauf gerichtet ist, einseitig die Rechtsbeziehungen gegenüber dem Kläger zu regeln". 147 In diesen Fällen soll auch ein Vorverfahren nach §§68 ff VwGO analog erforderlich sein. 148 Die Stellungnahmen zu dieser Frage sind regelmäßig eng mit der Auffassung des jeweiligen Autors darüber verbunden, ob das Klagensystem der VwGO abschließend ist und neben der ausdrücklich vorgesehenen Anfechtungsklage gegen Verwaltungsakte weitere Gestaltungsklagen ohne gesetzliche Regelung nicht zulässig sind, oder ob nach Überwindung der Hürde des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 Abs. 1 VwGO sonstige öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auch in noch zu entwickelnden Klagearten durchgeführt werden können.149 Bedenken gegen eine Anwendung der allgemeinen Leistungsklage erhebt Fuss insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckung entsprechender Urteile. Da es bei den erstrebten Leistungen regelmäßig um nicht vertretbare Handlungen gehe, käme nur die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Betracht, die jedoch zumindest bei Kollegialorganen unzweckmäßig sei. 150 Dem ist hinzuzufügen, daß kein Organ über irgendwelche eigenen Mittel verfügt, in die hinein vollstreckt werden könnte, so daß in dieser Hinsicht eine Vollstreckbarkeit von Leistungsurteilen in Organstreitigkeiten schlechthin nicht gegeben wäre, denn der von Fuss erwogene Regreß auf den Organwalter im Falle des von ihm sogenannten "Ein-Mann-Organs" 151

146 DÖV 1980, 299. Ähnlich R. Stahl, Der Interessenwiderstreit im Gemeinderecht — Voraussetzungen, Rechtsfolgen und Fragen des Rechtsweges, DVB1 1972, 764-772, 772. S. auch M. Renck-Laufke, Verwaltungsgerichtliche Kassation kommunal verfassungsrechtlicher Akte?, BayVBl 1982, 75-77. 147

WissR 3, 43.

148

Ebenda, 48f. 149 In diesem Sinne Κ Ewald, WissR 3, 42; vgl. aber W. Krebs, Rechtsprobleme des Kommunalverfassungsstreits, VerwA 68 (1977), 189-196, 195f. Ϊ50 WissR 5, 119f. 151 Vgl. ebenda, Fn 71.

II. Die Literatur

79

überschreitet in unzulässiger Weise die Grenze zwischen Organ- und Organwaltersphäre. Es ist scharf zu trennen zwischen der gerichtlichen Entscheidung im Organstreit und der Frage nach den (möglicherweise verletzten) Pflichten eines Organwalters im Verhältnis zu seinem Dienstherrn oder der juristischen Person. Allerdings wird die Vollstreckbarkeit von Leistungsurteilen nach § 172 VwGO von anderen Autoren als unproblematisch und sogar als Vorteil gegenüber Feststellungsurteilen angesehen,152 während Preusche sich mit dem Argument gegen die Verhängung von Leistungsurteilen in Organstreitigkeiten ausspricht, daß diese stärker in die gemeindliche Selbstverwaltung eingriffen als Feststellungsurteile.153 Für die Berücksichtigung einer Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO spricht sich Dirk Ehlers in den Fällen aus, in denen etwa ein Mitglied einer Vertretungskörperschaft sich zu Unrecht von einer Abstimmung ausgeschlossen fühlt, der beschlossene Ausschluß aber mit der Abstimmung erledigt ist. Eine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO sei hier nicht zulässig, da eine Regelung wie der Ausschluß von der Beschlußfassung kein Rechtsverhältnis darstellen könne, sondern allenfalls die Begründung, Veränderung oder Beendigung eines solchen, und im Wege der Feststellungsklage niemals die Rechtswidrigkeit einer Regelung begehrt werden könne.154 Diese Argumentation setze aber voraus, daß der rechtswidrige Ausschluß nicht automatisch als nichtig anzusehen wäre, wie das die herrschende Meinung jedoch für Innenrechtsakte vertrete. Unter diesen Umständen wäre der Weg für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage frei. Anderenfalls jedoch gebe es tatsächlich einen Anwendungsbereich für eine Fortsetzungsfeststellungsklage im Organstreit. Dem ist nur unter der Voraussetzung zu folgen, daß es die Lücken im Rechtsschutzsystem155, die Ehlers nachzuweisen versucht und die keineswegs innenrechtsspezifisch erscheinen, wirklich gibt. Dagegen spricht bereits, daß die Gegenauf-

152

So z.B. K. Ewald, WissR 3, 41. 153 NVwZ 1987, 858. Aus diesem Grund lehnt er "die Annahme von Rechtsansprüchen in organschaftlichen Beziehungen" ab, was jedoch dem Verhältnis von Zweckmäßigkeitserwägungen im Prozeßrecht und dem materiellen Recht nicht angemessen ist. 154 155

NVwZ 1990, 107.

So etwa auch die angeblich fehlende "Subjektivierung" des Klägers bei der Leistungsklage, weshalb auch hier die Klagebefugnis aus § 42 Abs. 2 VwGO analog zur Anwendung kommen müsse; ebenda, 110.

Β. Probleme und Lösungsansätze

80

fassung mit geringerem konstruktiven Aufwand in der Lage war, die praktisch aufgetretenen Fälle zu handhaben.

d) Die Frage der Klagebefugnis

Kritisiert wird das von der herrschenden Meinung angenommene Erfordernis einer Klagebefugnis 156 für jede Organstreitigkeit, wie sie nicht zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht157 für notwendig erachtet wird, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß zwar eine Anwendung der Anfechtungsklage fast einhellig abgelehnt wird, aber eine ihrer speziellen gesetzlich festgelegten Voraussetzungen ohne Not auf die Organstreitigkeiten übertragen wird. Friedrich Schoch spricht in diesem Zusammenhang davon, daß die Annahme einer "Verfahrensart sui generis" keineswegs überwunden sei. 158 Andere Autoren gehen davon aus, daß mit der Wahl der Feststellungsklage als Verfahren für die Organstreitigkeiten das Problem der Klagebefugnis von Organen und Organteilen weitgehend erledigt sei. 159

ΠΙ. Zusammenfassung Es bleibt festzustellen, daß sich keine Einigkeit über die prozessualen Fragen erzielen lassen wird, solange die Grundfrage nach der dogmatischen Basis ungelöst ist. Die Debatte in der Literatur spiegelt derzeit lediglich die gerichtliche Praxis wider, und zwar im wesentlichen, ohne ihr eine wissenschaftliche Systematisierung hinzuzufügen. Die ganz überwiegend vertretene Interessentheorie, nach der einigen Organen und Organteilen Partikularinteressen zu eigen seien, die ihre Kompetenzen zu klagefähigen subjektiven öffentlichen Rechten machten, hat sich als unfähig erwiesen, klare und allgemeine Abgrenzungskriterien zu formulieren, deren Vor-

156

Ζ. Β. Κ Ewald, WissR 3, 46; R. Bleutge, Kommunalverfassungsstreit, 196. Dazu H.-W. Laubinger, Feststellungsklage und Klagebefugnis (§42 Abs. 2 VwGO), VerwA 1991, 459-495, mit zahlreichen Nachweisen aus der jüngeren Rechtsprechung. 157

158

JuS 1987, 792.

159

Vgl. E.-W. Fuss, WissR 5, 122.

III. Zusammenfassung

81

liegen die Klagefähigkeit einer Kompetenz begründet. Die weiter gefaßten Ansätze von Erichsen und Lorenz haben sich ebensowenig durchsetzen können wie die konsequente, aber umständliche Lösung Hoppes. Auch wenn in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichtshöfe eine Tendenz zur Vereinheitlichung ihrer Rechtsprechungen zu beobachten ist, die bereits zu weitgehender Einigkeit über die für Organstreitigkeiten zu wählenden Klagearten und über einzelne "Mitgliedschaftsrechte" von Angehörigen eines Kollegialorgans geführt haben, so sind doch die Grundsatzfragen nach der kassatorischen Entscheidungsbefugnis und dem Status der klagefähigen Organkompetenzen ungeklärt. Es kann auch nicht Aufgabe der Gerichte sein, anhand ihrer Einzelfallentscheidungen umfassende Konzeptionen zu entwickeln. Der Literatur ist es bislang nicht gelungen, einen für die meisten akzeptablen Vorschlag zu unterbreiten, wie die Klagefähigkeit von Organkompetenzen zu begründen ist, zumal auch Uneinigkeit darüber besteht, an welcher Stelle diese überhaupt prozessual zu prüfen wäre. In der Befürchtung, bei einer allgemeinen Anerkennung jeder Organkompetenz als potentiell klagebefugend ein Schleusentor zu öffnen, verlegt sich die herrschende Meinung darauf, ganz vereinzelt Kompetenzen zu subjektiven Organrechten "aufzuwerten". Dieser Weg über die vermeintlichen Partikularinteressen der Organe erweist sich jedoch als nicht gangbar, denn der sehr vage, vieldeutige und von den einzelnen Autoren ganz unterschiedlich eingeführte Begriff des Interesses ist kaum als Abgrenzungskriterium geeignet. Dadurch verkehrt sich das Bestreben, möglichst wenige Kompetenzen für klagbar zu erklären, geradezu in sein Gegenteil, indem mangels eines klaren Kriteriums keine nachvollziehbare Abgrenzung zu leisten ist. Wegen der grundsätzlichen Unklarheiten kommt es auch zu keiner Einigung über die prozessualen Konsequenzen. Die in den Stellungnahmen immer wieder durchscheinende Ablehnung der Organstreitigkeiten als verwaltungsgerichtliches Verfahren wie andere auch und die Grundannahme ihrer Systemwidrigkeit lassen darauf schließen, daß zwar die Theorie von der rechtlichen Impermeabilität der juristischen Person "Staat", nicht aber alle ihre Konsequenzen überwunden sind.

6 Buchwald

C· Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse Die allseits konstatierten Schwierigkeiten bei der theoretischen Fundierung der verwaltungsrechtlichen Organstreitverfahren beruhen auf der Inkompatibilität der zugrundegelegten Konzeptionen des subjektiven Rechts und der Kompetenz. Hält man Organstreitigkeiten nicht prinzipiell für unzulässig, und rückt man nicht von der These ab, bei der derzeitigen Rechtslage sei das Verwaltungsprozeßrecht ausschließlich oder doch ganz überwiegend auf den Schutz subjektiver Rechte ausgerichtet, so daß ein objektiv-rechtliches Verfahren ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung systemwidrig wäre, ist man mit dem Problem des Verhältnisses von subjektivem Recht und Kompetenz konfrontiert. Ausgangspunkt aller bislang referierten Stellungnahmen ist nämlich zumindest implizit, daß (1) subjektive Rechte wesentlich durch Individualinteressen konstituiert sind und daß (2) die Zuweisung von Kompetenzen an Organe und ihre Ausübung ausschließlich im Allgemeininteresse erfolgen. Betrachtet man mit der herrschenden Meinung1 ein subjektives Individualrecht als Voraussetzung für eine generelle Klagebefugnis im Rahmen der VwGO, ergibt sich folgendes: Entweder sind subjektives Recht und Kompetenz derart inkompatibel, daß sie gar nicht in demselben Subjekt in derselben Sache zusammentreffen können, was Organstreitverfahren auf der verwaltungsrechtlichen Ebene derzeit theoretisch und praktisch ausschließen würde. Oder die Inkompatibilität hat zum Ergebnis, daß für die Klagebefugnis eines Organs immer beide vorliegen müssen, da eines allein nicht ausreichen würde, um eine Klagemöglichkeit zu eröffnen: die Kompetenz als eigentlicher Klagegegenstand und das subjektive Recht auf Verteidigung der Kompetenz

ι S. z.B. F. O. Kopp, Rn 6f vor § 40, Rn 44 zu § 42 VwGO.

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente

83

im gerichtlichen Verfahren. 2 Die im letzteren Falle aber erforderliche Begründung dieses subjektiven Verteidigungsrechts ist bisher nicht erfolgreich erbracht worden, denn sie scheitert an den Widersprüchen der kaum problematisierten Grundprämissen (1) und (2). Der hier vorgestellte Ansatz vertritt demgegenüber eine einheitliche Konzeption von subjektivem Recht und Kompetenz auf der Basis ihrer strukturellen und funktionalen

Komplementarität

Parallelität

auf einer formalen, normtheoretischen Ebene

und bietet Kriterien für eine exakte Zuordnung von Normen zu diesen Begriffen. Es handelt sich in jedem Falle um Normsetzungsbefugnisse,3 die grundsätzlich in gleicher Weise justitiabel sind, was eine Einordnung der verwaltungsrechtlichen Organstreitverfahren in das geltende Verwaltungsprozeßrecht ermöglicht, aber auch eine spezielle Regelung seitens des Gesetzgebers aufgrund der zu konstatierenden Differenzen zuläßt.

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente subjektiver Berechtigungen Ausgangspunkt für diese Überlegungen ist die Tatsache, daß üblicherweise subjektive Rechte des öffentlichen und des Privatrechts definiert werden durch die Elemente der Rechtsmacht und des (Individual-)Interesses. In der Dogmatik der Organstreitigkeiten haben sich die meisten Autoren beim Nachweis der Klagbarkeit von Organkompetenzen schwerpunktmäßig oder sogar ausschließlich dem Interessenelement zugewandt. Der folgende Ansatz konzentriert sich dagegen auf den Begriff der Rechtsmacht. Dieser drückt zum einen aus, daß es sich jeweils um eine vom (positiven) Recht verliehene Macht handelt, eine Macht in den Grenzen des Rechts.

2 3

So F. O. Kopp, ebenda.

Der Gedanke, daß die Ausübung subjektiver Berechtigungen einen Akt der Normsetzung darstellt, findet sich bereits bei C. F. v. Gerher, Ueber öffentliche Rechte, Tübingen 1852, der dort (58) zur königlichen Gesetzgebungskompetenz ausführt: "Wem die Befugnis zusteht, seinen Willen als den allgemeinen Willen geltend zu machen (cujus voluntas lex est), hat damit eine eigenthümliche Art der Herrschaft über den Willen aller dem Staate zugehörenden Personen. Die Thätigkeit der Gesetzgebung ist somit eine innerlich juristische, denn jeder Akt, durch welchen der Personenwille rechtlich geb den wird, ist die Ausübung eines wirklichen Rechts."

84

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Zum anderen bezeichnet er jedoch auch den Gedanken der " Macht über das Recht", der Befugnis zur Rechtssetzung, zur Schaffung und Veränderung rechtlich geltender Normen. In der Tat ist der Begriff der Rechtsmacht nicht nur die hervorstechendste Gemeinsamkeit von subjektiven Rechten und Kompetenzen, sondern auch dasjenige Merkmal, das sie von anderen rechtlichen Instituten und Formen unterscheidet. Zwar weisen nicht wenige Autoren auf diese Tatsache hin, ziehen aber daraus nicht die Konsequenzen für Probleme wie das der Organstreitigkeiten. So führt etwa Wolfgang Zimmerling zutreffend aus: "Die Kompetenz stellt wie die Vertretungsmacht eine rechtlich erhebliche, einem Subjekt zustehende Macht zu rechtlich erheblichem Verhalten oder ein rechtliches Können dar. In einer solchen Übertragung ist die Zuweisung objektiver Berechtigung sowie die Verleihung einer Rechtsmacht zu sehen.... Damit ergibt sich, daß die Organkompetenz eine gewisse Machtbefugnis verleiht. Nur ein bestimmtes Organ... darf diese Funktion ausüben, darf dieses 'Recht' wahrnehmen. Man könnte demnach zu dem Ergebnis gelangen, daß die Organkompetenz das subjektiv-öffentliche Recht eines [Organs] darstellt."4 Diese These verfolgt er dann aber nicht weiter, sondern verlegt sich wie die herrschende Meinung auf die Suche nach Partikularinteressen im Hochschulinnern.5 Dabei liegt es doch nahe, diese Fährte aufzunehmen, wenn das Ziel im "Nachweis der Klagbarkeit der Organkompetenz" besteht, also in deren Behandlung wie ein subjektiv-öffentliches Recht in dieser Hinsicht.6 Nach Auffassung Hans-Uwe Erichsens7 zielt die Zuweisung von im Innenrechtskreis begründeten Rechtspositionen nicht auf die Verwirklichung eines sachbezogenen, an gegensätzlichen inhaltlichen Zielen und deren Ausgleich orientierten Regelungskonzepts, sondern ausschließlich auf Optimierung der Entscheidung durch eine die Entscheidungseinheit auffächernde Verfahrensgestaltung. Die Einräumung von derartigen Innenrechtspositionen diene nur der Funktionsfähigkeit der Gesamtorganisation. Warum aber diese Funktionsfähigkeit durch eine Auffächerung der Entscheidungseinheit gefordert wird, wenn es doch gerade nicht um den Ausgleich gegensätzlicher inhaltlicher Ziele gehen soll, wird nicht deutlich. Auch Erichsen

4

Organstreitigkeiten, 30f. 5 Ebenda, 42ff. 6

So ebenda, 17.

7

Allgemeines Verwaltungsrecht,

10

Berlin / New York 1995, 234.

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente

85

sieht die strukturelle Verwandtschaft von Organkompetenzen und subjektiven Individualrechten, vermag erstere dann "aber nur schwerlich unter den zur Erfassung von Außenrechtsbeziehungen entwickelten und auf die Durchsetzung inhaltlicher Maximen bezogenen Begriff der Wahrnehmung von Interessen" zu subsumieren. Der Grund hegt in dem konzeptionellen Übergewicht des Interessenbegriffes in der Definition oder Analyse subjektiver Berechtigung, der allerdings in der rechtsdogmatischen Entwicklung zunächst eine deutlich geringere Rolle gespielt hat.

1. Zur Entwicklung des Begriffs des subjektiven Rechts a) Das subjektive Prìvatrecht

Die Rechtsgelehrten des 19. Jahrhunderts faßten das subjektive Privatrecht zunächst als die rechtliche Garantie der Willensmacht des Individuums als Rechtssubjekt und damit letztlich als Gewährleistung seiner Freiheit auf, ganz im Sinne der Kantschen Definition des objektiven Rechts als "Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann"8.9 So spricht Friedrich Carl von Savigny 1840 vom subjektiven Recht als der "der einzelnen Person zustehenden Macht: ein Gebiet, worin ihr Wille herrscht."10 Tiefere Grundlage dieser Befugnis sei das Rechtsverhältnis. Savigny betrachtet die Menschen als freie Wesen, die in gegenseitiger Förderung nebeneinander bestehen, was die Anerkennung einer unsichtbaren Grenze voraussetze: "Die Regel, wodurch jene Gränze und durch sie dieser freie Raum bestimmt wird, ist das Recht."11 Das Rechtsverhältnis sei demnach die von einer Rechtsregei bestimmte Beziehung zwischen

8

/. Kant, Metaphysik der Sitten, Akademie-Ausgabe VI, Berlin 1968, Einleitung in die Rechtslehre, § Β a.E. 9 Vgl. die ausführliche Darstellung und kritische Würdigung der Entwicklung bei F. Kasper, Das subjektive Recht — Begriffsbildung und Bedeutungsmehrheit, Karlsruhe 1967, 2. Abschnitt, besonders § 6, 51-80. Zu neueren "Entwicklungstendenzen im subjektivrechtlichen Rechtsdenken" vgl. den gleichnamigen § 7 bei K -Η. Fezer, Teilhabe und Verantwortung, München 1986, 335-361. 10

System des heutigen Römischen Rechts I, Berlin 1840,§ 4, 7.

11

Ebenda, § 52, 331 f.

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

86

Personen. Die Bestimmtheit durch die Rechtsregei bedeute, "daß dem individuellen Willen ein Gebiet angewiesen ist, in welchem er unabhängig von jedem fremden Willen zu herrschen hat."12 In stärkerer Anlehnung an Hegels Rechtsbegriff identifiziert Georg Friedrich Puchta das subjektive Recht mit dem Willen des einzelnen, sofern er dem allgemeinen Willen, also dem objektiven Recht, entspricht.13 Es sei Herrschaft oder Macht bzw. Befugnis einer Person über einen Gegenstand, allerdings nur solche Macht, "deren Ausübung sich durch Zwang durchsetzen läßt".14 Letzterer Auffassung widerspricht Bernhard Windscheid bereits in den frühen Auflagen seines Pandektenlehrbuchs. Zwar sei ein subjektives Recht "ein von der Rechtsordnung verliehenes Wollen-Dürfen, eine von der Rechtsordnung verliehene Macht oder Herrschaft. Daß der Staat dieser Herrschaft nöthigenfalls durch Zwang Geltung verschafft, folgt unmittelbar aus seiner Aufgabe als Wächters der Rechtsordnung, aber gehört nicht nothwendig zum Begriff des Rechtes."15 Allerdings revidiert er, ausdrücklich unter dem Einfluß von August Thon 16 , 17 in späteren Auflagen der "Pandekten" das Verhältnis von subjektiver Berechtigung und ihrer Durchsetzung und unterscheidet zwei Fälle. In dem einen erlasse die Rechtsordnung einen Befehl zu einem bestimmten Verhalten und gebe ihn demjenigen, zu dessen Gunsten er erlassen werde, zurfreien Verfügung, so daß dessen Wüle maßgebend für die Durchsetzung sei. "Die Rechtsordnung hat sich des von ihr erlassenen Befehls entäußert, sie hat ihren Befehl zu seinem Befehl gemacht. Das Recht ist sein Recht geworden."18 In dem anderen Fall, für den Formulierungen stünden wie "das Recht zu veräußern, zu kündigen, eine Forderung abzutreten", werde dem Berechtigten nicht nur die Durchsetzung, sondern "das Sein von Befehlen" anheimgestellt.19 Deutlich wird hier einmal mehr das problematische und bis heute nicht endgültig

12

Ebenda, 333.

13

Institutionen I, 2Leipzig 1845, § 6, 12.

14

Ebenda, § 29, 81. Lehrbuch des Pandektenrechts I, Düsseldorf 1967,§ 37, 86f.

15 16

Rechtsnorm und subjektives Recht, Weimar 1878.

17

S. Lehrbuch des Pandektenrechts I, Frankfurt aM 1906, § 37 Anm. 3, 158ff.

18

Ebenda, 155.

19

Ebenda, 155f.

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente

87

geklärte Verhältnis des subjektiven Rechts zu seiner Durchsetzung oder besser Durchsetzbarkeit. Die Identifikation der formalen Seite des subjektiven Rechts mit der Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu erlangen, vertritt Rudolph von Jhering, der die Willensmachttheorie in seiner Schrift über den "Geist des römischen Rechts" 20 einer harschen Kritik unterzieht.21 Denn seiner Auffassung nach überhöht sie den bloßen Willen, der "physiologisch nichts als eine Naturkraft, ethisch nichts als die reine Willkür" sei, zum "Endzweck, und das [subjektive] Recht würde ihr zufolge zu definieren sein als ein abgegrenztes Stück Willenssubstanz." Eine solche Betrachtungsweise ist Jhering zufolge nicht nur einseitig, sondern falsch. 22 Er möchte demgegenüber zwei Momente unterscheiden, "die den Begriff des Rechts konstituieren, ein substantielles, in dem der praktische Zweck desselben hegt, nämlich der Nutzen, Vorteil, Gewinn, der durch das Recht gewährleistet werden soll, und ein formales,

welches sich zu jenem Zweck bloß als Mittel verhält, nämlich der

Rechtsschutz, die Klage" Daraus ergibt sich seine berühmte Definition der subjektiven Rechte als " rechtlich geschützte Interessen"

23

. Konsequenterweise soll dann

auch die Berechtigung dort enden, wo (angeblich) kein Interesse ist, weshalb ein Vertrag, der dem formal Begünstigten materiell keinen Nutzen bringt, nach Jhering nichtig wäre. 24

20 Geist des römischen Rechts auf den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung III, SLeipzig 1906 (Neudruck Aalen 1967), Zweiter Abschnitt, 311-368. 21

Zu Jherings Begriff des subjektiven Rechts s. G. Wagner, Rudolph von Jherings Theorie des subjektiven Rechts und der berechtigenden Reflexwirkungen, in: AcP 1993, 319-347. 22

Geist, 329f. Seine Argumentation mit dem Willensunfähigen, der in der Konsequenz der Willensmachttheorie rechtlos sein müßte (ebenda, 332f), geht allerdings ins Leere, da seine eigene Konzeption schließlich die Möglichkeit zu klagen voraussetzt. Willensunfähige können jedoch weder wollen noch klagen und müssen in jedem Fall vertreten werden. Vgl. dazu B. Windscheid, Lehrbuch der Pandekten I, 2Düsseldorf 1867,§ 37, 87 Anm 2. 23 Geist, 339. 24 Geist, 337. Vgl. auch 338: "Die Rechte sind nicht dazu da, um die Idee des abstrakten 'Rechtswillens' zu verwirklichen, sondern um den Interessen, Bedürfnissen, Zwecken des Verkehrs zu dienen. In diesem Zweck finden sie, findet der Wille sein Maß und Ziel. ... die Rechte gewähren nichts Unnützes, der Nutzen, nicht der Wille ist die Substanz des Rechts."

88

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse Wenn aber nicht der Wille der Kontrahenten und die korrekte Form ihrer Ver-

einbarung für das Bestehen eines Vertrages ausschlaggebend sein soll, sondern "Nutzen, Gut, Wert, Genuß, Interesse", müssen diese einem objektiven Maßstab unterliegen. Diesen erblickt Jhering nicht ausschließlich in "Geld und Geldes wert"; vielmehr schütze das Recht "noch andere und höhere Güter ethischer Art: die Persönlichkeit, Freiheit, Ehre, die Familienverbindung"25. Die weiteren Überlegungen26 des Autors zu den Begriffen des Nutzens, des Gutes, des Wertes und des Interesses führen nicht zu einem solchen Maßstab. So schließt er mit der kategorischen Feststellung: "Kein Recht ist seiner selbst wegen oder des Willens wegen da, jedes Recht findet seine Zweckbestimmung und seine Rechtfertigung darin, daß es das Dasein oder Wohlsein fördert, kurz in dem Nutzen",27 ohne diesen Nutzen tatsächlich bestimmen zu können. Hier zeigt sich die ganze Problematik der Formel von den "rechtlich geschützten Interessen". Sie besteht darin, daß zum einen kein umfassender und verbindlicher Maßstab für die Interessen besteht, der Begriff des Interesses also konturenlos bleibt, und daß zum anderen seine Funktion, also das Verhältnis des substantiellen zum formalen Moment, unklar ist. Die Ungeeignetheit des Interesses als Wesen oder Zweck 28 des subjektiven Rechts, zumal als dessen Substanz resultiert aus seiner eigenen Formalität. Denn das Interesse vermittelt nur die Beziehung des Interessenten zum Gegenstand seines Interesses, ist Ausdruck dieser Relation und also solche selbst Form und nicht Substanz. Ein Interesse läßt sich definieren als die auf die Realisierung eines Weltzustands gerichtete Intention des Interessenten. Die Intensität des Interesses in bezug auf bestimmte Gegenstände drückt ceteris paribus die Präferenz des Interessenten für diese aus.29 Der Charakter des Interesses als ein

25

Geist, 339f.

26

Geist, 34Iff.

27

Geist, 350. Jhering schwankt gerade am Beginn seiner Darstellung zwischen diesen durchaus verschiedenen Konzepten. 28

29

Vgl. die Explikation des Interessenbegriffs bei H. J. Wolff / Ο. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, 10München 1994, 339: Interesse als "Anteilnahme (positive Bezogenheit) eines Subjekts an einem Gegenstand (an einem anderen Menschen, an einer Sache oder an einem Verhältnis). Es entsteht, indem ein bestimmter (geistiger oder materieller) Gegenstand irgendwie für ein Subjekt bedeutsam wird und von ihm selbst oder einem anderen Beurteiler als wertvoll (nützlich, förderlich, erstrebenswert) für das

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente

89

vermittelnder, eine intentionale Relation ausdrückender Begriff wird auch in seiner Verwendung deutlich: Das Interesse ist auf etwas gerichtet; es besteht an etwas. Insbesondere sind Interessen über Zeit kulturell und individuell äußerst wandelbar und können jederzeit miteinander in Widerstreit und Widerspruch treten. Daraus folgt aber, daß mit der Aufnahme des Interessenbegriffs in die Definition des subjektiven Rechts die Frage nach dessen Substanz keinesfalls beantwortet, sondern bestenfalls auf die nächste Ebene, nämlich die der Gegenstände des Interesses verschoben ist. 30 Darin liegt allerdings der große Vorteil, daß der Interessenbegriff allein noch nichts Substantielles präjudiziert und eine (subjektive, noch zu erfolgende) Zwecksetzung erlaubt.31 Erblickt man im Rahmen der Willensmachttheorie den Zweck der Einräumung subjektiver Rechte in der Gewährung oder Garantie von (größtmöglicher Handlungs-) Freiheit, so entspricht dies letztlich genau dem, was der Begriff des Interesses sinnvollerweise leisten kann. Weitergehende Ansprüche vermag er nicht zu erfüllen. 32 So ist der Auffassung Jherings zu widersprechen, gerade seine Theorie sei im Gegensatz zur Willensmachttheorie in der Lage, beispielsweise eine Klage auf den ersten Walzer 33 als unbegründbar zu erweisen. Aufgrund welcher Kriterien läßt sich der Nutzen des ersten Walzers für den Kläger ausschließen? Und warum soll in diesem wie in den Fällen der Ansprüche aus Spiel und Wette das Interesse des Ver-

Sein des interessierten Subjekts unmittelbar empfunden oder rational vermutet oder erkannt wird." Problematisch ist jedoch, wenn Stober im weiteren (§ 29, 340 ff) von der Existenz und Erkennbarkeit "wahrer" Interessen spricht: "Wahre öffentliche Gemeininteressen sind die irrtumsfrei erkannten Interessen der Gemeinschaft." (341) Diese irrtumsfreie Erkenntnis ist stets in Gefahr, Ausdruck purer Trivialität oder aber Instrument einer — totalitären — Ideologie zu sein. 30 Dasselbe gilt für andere von Jhering verwendete Begriffe wie Nutzen oder Vorteil, die ebenfalls die Bewertung eines Zustandes oder Vorganges durch ein Subjekt darstellen. 31

Desgleichen auch, wenn man statt von Interessen von Vorteilen spricht — der Vorteil als solcher ist inhaltsleer und muß erst nach zu bestimmenden Kriterien ermittelt werden. 32

Diese Auffassung vertritt auch B. Windscheid, Pandekten I, Düsseldorf 1867, § 37 87 Anm 2: "Jhering will ... betonen, daß die Rechte ihren Zweck in der Befriedigung menschlicher Interessen haben. Das ist gewißrichtig;aber gehört nicht in die Definition des Rechts." 33

Vgl. Geist, 343, Fn 452.

90

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

kehrs entscheiden,34 wenn Jhering an anderer Stelle betont, der Mensch sei Destinat i jedes Rechts, sein Vorteil, seine Interessen und Zwecke zu fördern? 35 Dieses Abstellen auf das (woran zu messende?) "Verkehrsinteresse" macht die freiheitsverbürgende Funktion des Interessenbegriffs zunichte und ermöglicht den unmittelbaren (und willkürlichen) Zugriff auf ein vermeintliches Reich der Zwecke. Das sieht auch Jhering, der an anderer Stelle36 dem formalen Element einen klaren Vorrang einräumt. Dann aber vertritt er keineswegs eine "Interessentheorie", sondern eine modifizierte Willenstheorie,37 deren Bezeichnung als "Kombinationstheorie" bereits eine Übertreibung darstellt. Als Begründer der sogenannten Kombinationstheorie des subjektiven Rechts gilt Ferdinand Regelsberger, der in seinem Pandektenlehrbuch ausführt, dem einzelnen werde von der Rechtsordnung unter gewissen Bedingungen eine bestimmte Sphäre freier Bewegung und Macht zur Verwirklichung des Genusses von Lebens- oder Rechtsgütern zuerkannt und gewährleistet. Subjektive Rechte seien also "rechtlich anerkannte und geschützte Interessen- und Machtkreise".38 Jhering habe den Zweck des subjektiven Rechtsrichtigerkannt. "Aber das Wesen des Rechts geht in seinem Zweck nicht auf. Wesen des Rechts ist die Macht oder Mächtigkeit, das Recht ist die Macht zur Befriedigung eines anerkannten Interesses." Ein Interesse stelle sich subjektiv als das Begehren nach einem Vorteil dar, objektiv als der begehrte Vorteü. Sein Schutz erfolge aber keineswegs nur durch subjektive Rechte, sondern auch durch objektiv-rechtliche Regelungen. Folglich sei ein subjektives Recht nicht immer dort gegeben, wo individuelle Interessen rechtlich geschützt würden, sondern nur dort, wo "die Rechtsordnung die Verwirklichung des anerkannten Zwecks dem Beteiligten überläßt und ihm zu diesem Zweck eine rechtliche Macht zuerkennt." Der Begriff der Macht sei hier nicht im Sinne subjektiver Befähigung, sondern als objektive Zuständigkeit zu verstehen.39

34

S. Geist, 338.

35

Vgl. ebenda, 340. Auch F. Wieacker, Privatrechtsgeschichte der Neuzeit, Göttingen 1967, 453, kritisiert Jherings "schillernde Bestimmung des Zwecks", wenn der zwischen "dem 'Nutzen' des Individuums und dem der Gesellschaft" schwanke. 2

36

Vgl. die Zitate mit Nachweisen bei G. Wagner, AcP 1993, 329.

37

Vgl. G. Wagner, AcP 1993, 327ff, 329.

38

Pandekten I, Leipzig 1893,§ 14, 74.

39

Ebenda, § 15, 76-77.

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente b) Das subjektive öffentliche

91

Recht

Die dogmatische Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts verlief in ähnlichen Bahnen.40 Carl Friedrich von Gerber unterscheidet in seiner Schrift "Ueber öffentliche Rechte"41 zunächst nicht zwischen subjektiven öffentlichen Rechten der Bürger und Kompetenzen der staatlichen Organe.42 Er erfaßt beide unter seinem Begriff der öffentlichen Rechte und sieht sie als Äußerungen eines rechtlichen Willens 43 an, allerdings mit dem Unterschied, daß im Bereich der privaten Rechte die Persönlichkeit der "einzige und alleinige Ausgangspunkt" sei, wohingegen im öffentlichen Recht eine starke objektive Basis, nämlich der allgemeine Wille gegeben sei.44 Dennoch erfolge eine Subjektivierung, da öffentliche Rechte der "steten und geregelten Ausübung" bedürften und zu diesem Zweck an bestimmte Personen geknüpft würden, etwa an den Monarchen, die "Vertreter bestimmter Aemter" und ebenso "bei einzelnen Rechten des Volks, ζ. B. dem Wahlrechte". "Alle diese Rechte haben die Natur, daß sie als Inhalt des Rechts einzelner entweder individuell oder massenhaft bestimmter Personen verwirklicht werden. Hier ist in Bezug auf die Form die größte Aehnlichkeit mit privatrechtlichen Befugnissen vorhanden."45 Der Unterschied bestehe darin, daß letztere "auf der Grundlage der unmittelbaren freien Persönlichkeit" beruhten, während erstere "nur innerhalb eines von vorn herein fest bestimmten Rahmens" Handlungsfreiheit gewährten:46 "Nur bei den in meinen Rechtskreis völlig ausgeschiedenen Privatrechten bin ich in Bezug auf die Art ihrer rechtlichen Ausübung gänzlich unabhängig; die öffentlichen Befugnisse muß ich in der Weise ausüben, wie sie nach dem fortdauernden objek-

40 S. dazu Κ Bauer, Geschichtliche Grundlagen des subjektiven öffentlichen Rechts, Berlin 1986, insbesondere den Abschnitt: "Der 'Begriff des subjektiven öffentlichen Rechts", 69-83. 41 Tübingen 1852. 42

Vgl. jedoch die Abschnitte 5-7 über "Das Recht der Monarchen", "Das Recht der Beamten" und "Das Recht der Unterthanen", 5Iff. 43

Ebenda, 35: "Die öffentlichen Rechte sind ebenso wie die privaten Willensäußerungen der Person, aber nicht als Individuums, sondern als Gliedes einer beschränkenden Gemeinschaft, nämlich der Volksverbindung." 44

Ebenda, 32f.

45

Ebenda, 33f.

46

Ebenda, 35.

92

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

tiven Grunde ihres Zustehens, nämlich dem Bedürfnisse der Gesammtheit... ausgeübt sein wollen."

47

Besonderes Gewicht auf das Element der Rechtsmacht im subjektiven öffentlichen Recht legt Otto Mayer 48 in seiner Definition als "rechtliche Macht über die öffentliche Gewalt selbst".49 Allerdings handelte es sich um eine noch recht schwach ausgebildete Macht, da, wie Ottmar Bühler 50 zugesteht, die gerichtliche Einklagbarkeit oder gar Vollstreckbarkeit von subjektiven öffentlichen Rechten des Bürgers gegen den Staat damals noch keineswegs gewährleistet war. Dessenungeachtet schließt sich auch Georg Jellinek grundsätzlich dieser Definition an. Er formuliert jedoch, das subjektive öffentliche Recht "besteht ausschließlich in der Fähigkeit, Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen",51 und erläutert dieses Bild: Eine Vielzahl staatlicher Akte dürfe nur auf Verlangen der interessierten Individuen vorgenommen werden. "Der individuelle Wille ist in grösserem oder geringerem Masse die stetige Voraussetzung eines weiten Kreises staatlicher Tätigkeiten." Er gebe nicht nur den Anstoß, sondern bedinge den gesamten Verlauf der jeweiligen staatlichen Funktion.52 Das subjektive Recht sei die von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte auf ein Gut oder Interesse gerichtete menschliche Willensmacht. Wille und Interesse gehörten im Begriff des Rechtes notwendig zusammen.53 Formell stelle das subjektive öffentliche Recht ein rechtliches Können dar 54, materiell liege ihm ein solches individuelles Interesse zugrunde, das die Rechtsordnung überwiegend im Gemeininteresse

47

Ebenda, 32.

48

Zitiert nach G. Jellinek, System, 52 Fn 1.

49

Vgl. auch die Definition des subjektiven öffentlichen Rechts bei E. Forsthoff\ Lehrbuch des Verwaltungsrechts 1,10München 1973, 186, als das Vermögen, vom Staat oder einem sonstigen Träger öffentlicher Verwaltung ein entsprechendes Verhalten verlangen zu können. 50

Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, Berlin u.a. 1914, llf. 51 System, 51, 79. 52

Ebenda, 79.

53

Ebenda, 44.

54

Im Gegensatz zum subjektiven Privatrecht, bei dem rechtliches Können und rechtliches Dürfen stets zusammenfielen, ebenda, 51.

I. Rechtsmacht und Interesse als traditionelle Elemente

93

anerkannt habe, d. h., es steht dem einzelnen gerade wegen seiner "gliedlichen Stellung im Staate" zu. 55 Die große, wenn nicht übergroße Bedeutung des Interessenbegriffs im Bereich des subjektiven öffentlichen Rechts erklärt sich im wesentlichen durch die Herrschaft der sogenannten Schutznormtheorie, mit deren Hilfe insbesondere die Rechtsprechung nicht klagebewehrter begünstigender Rechtsreflexe von klagebefugenden subjektiven öffentlichen Rechten abgrenzen will. 5 6 Ein subjektives öffentliches Recht bzw. eine entsprechende Klagebefugnis soll dann vorhegen, wenn die Norm, auf die es sich gründet, "zumindest auch dem Schutz von Individualinteressen zu dienen bestimmt" ist. 57 Das "Interesse" ist "bis heute der zentrale Schlüsselbegriff der Schutznormtheorie geblieben. Und mit ihm ist auch der Erklärungsbedarf geblieben. Denn das 'Interesse' war und ist ein vieldeutiger Begriff, der von seinem lateinischen Wortursprung als 'Dabei-sein', 'Dazwischen-sein' und 'Anteil-nehmen' bis hin zum gegenwärtigen Sprachgebrauch als 'Neigung', 'Aufmerksamkeit', 'Nutzen', 'Vorteil1 usw. vieles abdeckt. Die damit nur angedeutete 'Weite' des Begriffsfeldes schafft einen enormen Bedarf an Erklärungs- und Konkretisierungsarbeit, die die Vertreter der Schutznormtheorie [und der Interessentheorie in der Organstreitdebatte, Anm. der Verf.] bislang schuldig gebheben sind. Ohne solche begriffliche Klarstellungen ist das 'Interesse' aber ein blasser, juristisch gehaltloser Blankettbegriff, der aus sich selbst heraus keine Grundlage für nachvollziehbare rechtliche Problemlösungen abgibt und deshalb keine überzeugende Steuerungsleistung für die Ermittlung subjektiver öffentlicher Rechte erbringen kann." 58 Dieses also keineswegs unumstrittene Kriterium hat sich offenbar doch so weit

55

Ebenda, 52f.

56

Dazu H. Bauer, Altes und Neues zur Schutznormtheorie, AöR 113 (1988), 582-

631. 57 58

Ζ. B. F. Ο. Kopp, Rn 48 zu § 42 VwGO mwN.

Η Bauer, AöR 113, 594, der auch kritisiert, daß das "Interesse" eine äußerst "unklare begriffliche Grundlage" ist: "Schon um die Jahrhundertwende wurde nämlich darauf hingewiesen, daß das 'Interesse' ein 'Allerweltnagel' sei, der 'nichts sagt, aber vielerlei andeutet'; es handle sich um einen Ausdruck, unter dem der Schreiber "bald diess, bald das versteht', und der 'viel zu schwach* sei, 'um emsthafte Gedankenarbeit daran zu hängen'." (593 mwN). Vgl. auch W. Henke, Das subjektive Recht im System des öffentlichen Rechts, DÖV 1980, 621-633, 621, und Af. Zuleeg, Hat das subjektive öffentliche Recht noch eine Daseinsberechtigung?, DVB1 1976, 509-532, 511, jeweils mwN.

94

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

verselbständigt, daß die ganz herrschende Meinung zur Frage der Organstreitverfahren sich praktisch völlig auf den Aufweis individueller Interessen im Rahmen von Organkompetenzen konzentrieren zu müssen glaubt, da diese als das Element angesehen werden, das eine Kompetenz zu einem subjektiven Recht oder einem "quasi-eigenen" Recht aufwertet. Dahinter steckt zum einen die nach hier vertretener Ansicht fehlgehende Auffassung von einem Stufenverhältnis, nämlich daß zu einer Kompetenz etwas dazukommen müsse, um ein subjektives Recht zu erhalten, und zum anderen eine Verkennung des Verhältnisses der beiden Elemente subjektiver Berechtigung, nämlich Rechtsmacht und Interesse.

2. Zum Verhältnis von Rechtsmacht und Interesse

Die Relevanz von Zwecküberlegungen im Recht ist unbestreitbar — diese Tatsache ans Licht gehoben zu haben, bleibt Jherings Verdienst. 59 Juristen arbeiten mit teleologischen Argumenten, sie kennen Figuren wie die der mißbräuchlichen Rechtsausübung und des Interessenausgleichs. Das Dogma von der Jurisprudenz als formal-logischer Kalkulation ohne Wertungen und Zwecküberlegungen ist nicht aufrechtzuerhalten. Insofern ist Jherings Attacke auf die Begriffsjurisprudenz, die der Polemik nicht entbehrt, gerechtfertigt. Die Zwecke von Normen und die von ihnen geschützten Interessen lassen sich aber nur im Wege der Interpretation des (objektiven oder subjektiven) Wülens des Normgebers, also etwa des Gesetzgebers oder der Vertragsparteien, ermitteln. Ihre Quelle ist letztlich doch der Wille des Rechtsmächtigen. Die Wesentlichkeit der Unterschiede zwischen Willensmacht-, Interessen· und Kombinationstheorie läßt sich also mit Fug und Recht bezweifeln. Das bedeutet aber, daß die Leistungsfähigkeit und das Gewicht des Interesses als "Kern des subjektiven Rechts" überschätzt werden. Die vorstehende Analyse bestätigt den Befund des Abschnittes B., daß der Nachweis vermeintlicher Partikularinteressen eine Kompetenz nicht zum subjektiven Recht und damit zur klagbaren Position macht. Eine solche Strategie muß deshalb erfolglos bleiben, weil sie den Begriff der Berechtigung und die Funktion des Interesses in ihr verkennt. Dem kor-

59

F. Regelsberger formuliert, Jhering habe "die Rechte aus dem luftigen Bereich des Wollen-dürfens auf den realen Boden gezogen", Pandekten I § 14, 75.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

95

respondiert die Tatsache, daß die oben angeführten Autoren auch durchweg auf eine theoretische Auseinandersetzung mit diesen grundlegenden Konzeptionen und sogar auf die Definition des für sie so zentralen Begriffs des Interesses verzichten. Die freiheitsverbürgende Qualität des Grundsatzes, dem Individuum die Wahrnehmung, d. h. die Bestimmung und Verfolgung seiner Interessen weitgehend zu überlassen, wird zunichte gemacht, wenn die Wahrnehmung der "wohlverstandenen" Interessen, also ein substantieller, inhaltlich zu bestimmender Gesichtspunkt, zum entscheidenden Maßstab rechtlicher Handlungen wird. Deshalb werden in der vorliegenden Arbeit im Rahmen der eigenen Konzeption Begriff und Funktion des Interesses neu bestimmt (unten DL), zunächst jedoch das fundamentalere Element der Rechtsmacht in den Blickpunkt gerückt.

II. Die normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse Grundlage der weiteren Überlegungen ist die fundamentale Dichotomie zwischen Sein und Sollen, die die Einteilung von Sätzen in Seinssätze und Sollenssätze erfordert. 60 Dem hier vertretenen Begriff des objektiven Rechts liegt ein semantischer, d.h. nicht geltungsbezogener Normbegriff zugrunde, der alle Sätze erfaßt, die ein auf menschliches Verhalten gerichtetes Sollen ausdrücken. Solche Normen können verschiedenen Systemen angehören, wie beispielsweise der Sitte, der Moral oder dem Recht. Das Recht unterscheidet sich von anderen Normensystemen dadurch, daß seine Normen verbindlich

das menschliche Miteinander

regeln, d.h., sie

normieren zugleich materiell das sozial relevante äußere Verhalten der Rechtsunterworfenen und formell ihre eigene Setzung, Anwendung, Durchsetzung und Fortbildung.

60 61

61

S. hierzu grundlegend H. Kelsen, Reine Rechtslehre, 2Wien 1960, 4ff.

Diese Selbstreferentialität hat zur Folge, daß alle Definitionen des Rechts sich als in einem gewissen Grade zirkulär erweisen oder aber in einen infiniten Regreß münden, der gegebenenfalls nur willkürlich abgebrochen werden kann. Vgl. zu dieser Problematik D. Buchwald, Der Begriff der rationalen juristischen Begründung, Baden-Baden 1990, 232 ff, mit einem, soweit ersichtlich, erstmaligen Lösungsvorschlag für einen vernünftigen, nicht willkürlichen Begründungsabbruch (239).

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

96

Die korrekte Zurechnung eines Sollenssatzes zu einem Normensystem bezeichnet man als dessen Geltung innerhalb des Systems. Für das objektive Recht heißt das, daß Normen ihm angehören, also rechtlich gelten, wenn und soweit ihre Geltung sich auf eine andere, höherrangige Rechtsnorm zurückführen läßt. Dies ist der Fall, wenn sie materiell eine Konkretisierung oder Aktualisierung einer solchen höherrangigen Norm darstellen oder formell in einem rechtlich geregelten Verfahren zustandegekommen sind. Die höchste Ebene positiver Rechtsnormen, die Verfassung, besteht deshalb aus materiellen Grundsatznormen und formellen Verfahrensvorschriften. Dieser Legitimaüonszusammenhang korrespondiert der komplexen hierarchischen Struktur des Rechts, die sich aus der Hierarchie der Normgeber in Hinsicht auf die vertikale und horizontale Gewaltenteilung und aus dem Aufbau und der Arbeitsweise staatlicher und unterstaatlicher Normsetzungsinstanzen, aber auch aus der Hierarchie der Normarten, also der Gesetze im materiellen Sinne (Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung) und der Einzelakte von Verwaltung und Justiz, ergeben. Doch werden Normen nicht nur im Staat-Bürger-Verhältnis gesetzt, sondern auch innerhalb der staatlichen Organisation, beispielsweise in Form von Geschäftsordnungen oder anderer Verfahrensregelungen sowie Einzelmaßnahmen auf dieser Grundlage. Zu diesen Normen im weitesten Sinne staatlichen Ursprungs treten eine Vielzahl rechtlich beachtlicher, anerkannter und durchsetzbarer Sollenssätze, die auf Erklärungen, Vereinbarungen, Verfügungen, kurz Willensäußerungen natürlicher oder juristischer Person, also Individuen, beruhen. Sie unterscheiden sich in Struktur und Funktion kaum von staatlich gesetzten Normen und basieren auf den prinzipiell gleichen Delegationstatbeständen62. Geltung als Rechtsnormen im oben erläuterten Sinne erlangen sie mit der Integration in das Rechtssystem. Das Verfahren hierzu bietet das Recht selbst, denn es enthält einen besonderen Normtyp, der die Genese neuer Rechtsnormen bzw. die Inkorporation von Normen anderen Ursprungs in das Recht betrifft. Gegenstand

62

Vgl. den Begriff der "Kompetenz" bei R. Alexy, Theorie der Grundrechte, BadenBaden 1985, 21 Iff: "Kompetenzen gibt es im öffentlichen wie im privaten Recht. So sind sowohl der Vertragsschluß und die Eheschließung als auch der Erlaß eines Gesetzes oder eines Verwaltungsaktes die Ausübung einer Kompetenz. Das diesen Fällen Gemeinsame besteht darin, daß durch bestimmte Handlungen des oder der Inhaber der Kompetenz die rechtliche Situation geändert wird" (212).

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

97

solcher Befugnisnormen ist die Setzung anderer Rechtsnormen oder die Verleihung einer Normsetzungsbefugnis an ein bestimmtes Subjekt. Sie schreiben nicht wie Verhaltensnormen im engeren Sinne ein bestimmtes Verhalten vor, sondern spezifizieren ein Subjekt, das allein ein bestimmtes Verhalten in rechtlich relevanter Art und Weise üben kann, statuieren somit ein rechtliches Können. Das befugte Subjekt kann Rechtsnormen bzw. rechtlich beachtliche Normen setzen, da die Befugnisnorm die Zuordnung seiner Willensäußerungen, also der von ihm gesetzten Normen zum Rechtssystem leistet.

1. Rechte, Kompetenzen und Normsetzung — Die Entwicklung in der rechtstheoretischen Literatur

Die Idee, subjektive Berechtigungen und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse zu konzipieren, ist nicht originell. Sie ist vielmehr ein in der rechtstheoretischen Debatte seit langem weitestgehend unstreitiger Befund, der jedoch in der Dogmatik bisher wenig Eingang und Beachtung gefunden hat. Ein Grund dafür mag darin liegen, daß überkommene Terminologien, aber auch vermeintliche disziplinäre Schranken in den Hintergrund rücken, wenn die abstrakten Strukturen eines jeden entwickelten Rechtssystems in den Blick genommen werden. Selbstverständlich weichen auch vielfach die positiven Regelungen einer konkreten Rechtsordnung — in völlig legitimer Weise — von den so aufgefundenen Grundsätzen ab, was offenbar leicht den Blick auf das Regel-Ausnahme-Verhältnis verstellt. Daher seien im folgenden die für das Thema dieser Studie wichtigsten Ansätze in der Rechtstheorie kurz dargestellt und erläutert. Es fällt auf, daß der in der verwaltungsrechtsdogmatischen Debatte, insbesondere der um die Organstreitigkeiten, so strapazierte Begriff des Interesses im Rahmen der rechtstheoretischen Erörterungen von äußerst untergeordneter Bedeutung ist. Die zitierten Autoren haben sich anhand verschiedener Problemlagen und Fragestellungen mit den Formen subjektiver Berechtigung beschäftigt, keiner jedoch, soweit ersichtlich, spezifisch in bezug auf Organstreitigkeiten, zumal verwaltungsgerichtliche. Nicht zuletzt daraus ergeben sich Differenzen zu der anschließend unter 2. im einzelnen dargestellten eigenen Lösung.

7 Buchwald

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

98

a) Der rechtliche Grundbegriff

der power bei Hohfeld

Als eines der herausragenden frühen Werke analytischer Rechtstheorie gilt die zuerst 1919 veröffentlichte Schrift "Fundamental Legal Conceptions as Appüed in Judicial Reasoning" von Wesley Newcomb Hohfeld 63, in der der Autor auf der Basis von acht juristischen Grundbegriffen ein System der rechtlichen Relationen entwickelt. Einer ersten Gruppe gehören die Begriffe right, duty, privilege, einer zweiten power, liability,

immunity, disability.

64

no-right an,

Die Elemente einer Gruppe

stehen jeweils zueinander in den Beziehungen der Opposition und der Korrelation: Opposition herrscht zwischen power und disability disability ; Korrelation verbindet power und liability

sowie zwischen liability 65

ebenso wie disability

und und

immunity ,66 Hohfelds Definition von power lautet: Eine Person ist dann im Besitz von Rechtsmachfi 1, wenn es überwiegend ihrer willentlichen Kontrolle unterliegt, einer

63

Zuerst erschienen im Yale Law Journal, im folgenden zitiert nach der von Walter Wheeler Cook herausgegebenen Ausgabe New Haven London 1946, 1-114. 64

S. ebenda, 36, sowie die näheren Erläuterungen, 36-64.

65

Dieses Verhältnis erläutert Hohfeld detailliert und instruktiv an dem Beispiel eines Vertragsschlusses (55): Wenn Α Β ein Angebot macht, erhält dieser die Rechtsmacht, durch dessen Annahme den Vertrag und die damit verbundenen beiderseitigen Verpflichtungen ins Leben zu rufen. Solange das Angebot besteht, ist A dieser Rechtsmacht des Β unterworfen und kann seinerseits abgesehen von einem Widerruf des Angebots nichts tun, um die rechtliche Relation der beiden in dieser Hinsicht zu beeinflussen. Diese Unterworfenheit unter die Rechtsmacht eines anderen bezeichnet der Begriff der liability. Zugleich wird hier klar, auf welche Weise liability und power korrelieren. Diese rechtliche Relation von Rechtsmacht des Β und korrelierender Unterworfenheit des A wurde durch die Ausübung von Rechtsmacht durch A geschaffen, indem dieser das Angebot unterbreitet hat (vgl. 56). 66

Ebenda, 36, dort sind auch die Relationen innerhalb der ersten Gruppe analog dargestellt. 67

Diese Übersetzung von power wurde hier gewählt, weil sie am ehesten Hohfelds eigener Diktion zu entsprechen scheint. Der Autor spricht im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen juristischen und nicht-juristischen Begriffen und der oftmals metaphorischen Entlehnung von juristischen Begriffen aus anderen Bereichen ausdrücklich von legal power ("As another instance of this essentially metaphorical use of a term borrowed from the physical world, the word 'power' may be mentioned. In legal discourse, as in daily life, it may frequently be used in the sense of physical or mental

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

99

gegebenen rechtlichen Relation eine oder mehrere Tatsachen hinzuzufügen und sie dadurch zu verändern^ 5^ Als "nächstes Synomym" dieser power im technischen Sinne bezeichnet er legal ability , also "rechtliches Können". Die Verwendung des Begriffes right in diesem Zusammenhang hält er für unglücklich und für das Resultat sowohl einer gedanklichen Verwirrung als auch einer zweideutigen Ausdrucksweisei*57 Als Beispiele für Rechtsmacht nennt er die Stellung des Eigentümers einer Sache oder eines Rechts, die er veräußern kann, oder die Vertragsfreiheit. Rechtsmacht werde aber auch ausgeübt, indem eine Person einen Vertreter bestellt, dem damit wiederum Rechtsmacht zuteil w e r d e t / Interessant ist das bereits angesprochene Verhältnis von right und power, subjektivem Recht und Rechtsmacht oder Kompetenz bei Hohfeld. Analog dazu verhalten sich die Begriffe duty und liability.

Sie gehören je zwei verschiedenen

Begriffsgruppen an, so daß sie zueinander weder im Verhältnis der Korrelation noch in Opposition stehen. Dem existierenden Recht steht immer eine bestehende Pflicht gegenüber, so daß die Geltendmachung des Rechts oder Anspruchs, das Einfordern der Pflichterfüllung, keine Veränderung der rechtlichen Relation bedeutet. Die Ausübung von Rechtsmacht bewirkt jedoch immer die Veränderung

der bestehenden

rechtlichen Relationen, sie führt einen erwünschten Zustand unmittelbar herbei und fordert ihn nicht erst ein. Das subjektive Recht stellt einen Anspruch (claim) gegen eine oder mehrere insoweit verpflichtete Personen dar, während die Rechtsmacht willentliche Kontrolle über eine oder mehrere rechtliche Relationen bedeutet.68 Daraus folgt aber, daß Rechte und Kompetenzen nach Hohfelds Auffassung voneinander begrifflich unabhängig sind. In einer Person vereinigen sich vielfach Rechte und Kompetenzen. Es läßt sich in jedem Einzelfall rechtlicher Relationen unterscheiden, wie der Autor das auch an vielerlei Beispielen im gesamten Text durchführt, ob es sich — abweichend von dem Sprachgebrauch der dort zitierten Urteile und Abhandlungen — um die Geltendmachung eines Anspruches aufgrund einer bestehenden rechtlichen Relation oder die (einseitige) Veränderung einer solchen Relation handelt.

capacity to do a thing; but, more usually and aptly, it is used to indicate a 'legal power'"), 31. 68

Vgl. ebenda, 53ff, 60.

100

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Eine wiederholt vorgetragene Kritik an Hohfelds Begriff der power bezieht sich auf die Frage, ob auch eine deliktische Handlung mit der Folge eines Schadensersatzanspruchs des Opfers als Ausübung von Rechtsmacht durch den Täter zu werten ist. Nach einigen Interpretationen 69 soll dies die Auffassung Hohfelds sein, ohne daß dieser selbst in seinen vielen Beispielen etwas Ähnliches ausdrücken würde. Gerade diese Beispiele, in denen es sich bei den Handlungen des die Rechtsmacht Ausübenden stets um "Rechtsakte", also Willenserklärungen oder Verfügungen handelt, legen eine solche Interpretation nicht nahe. Sie bezieht sich dagegen auf die obengenannte Definition der legal power als willentliche Kontrolle über Tatsachen, die zu Veränderungen der rechtlichen Relationen führen. Als eine bloße Tatsache kann man natürlich einen Faustschlag betrachten, den der Täter willentlich ausführt und der eine Verletzung des Opfers und damit ein Schuldverhältnis zwischen Täter und Opfer zur Folge hat. Die Lösung dieses Problems liegt darin, daß hier zwar grundsätzlich die Rechtsmacht besteht, auf diese Weise die rechtliche Relation eines Schuldverhältnisses zu begründen, daß es dem Täter allerdings nicht erlaubt ist, so zu handeln. Tut er es dennoch, so hat dies entsprechende rechtliche Konsequenzen, die er womöglich gerade nicht gewollt hat. Es ist daher folgerichtig, wenn Hohfeld in seine Definition die willentliche Kontrolle lediglich über die eigenen Handlungen, nicht aber über die daraus folgenden Veränderungen der rechtlichen Relationen aufnimmt, denn die rechtlichen Relationen einer Person bestehen zu einem erheblichen Teil aus auch mißliebigen Konsequenzen und Sanktionen, die an rechtlich unerwünschtes oder verbotenes Verhalten geknüpft sind. Hohfeld selbst erwähnt die Frage der deliktischen Haftung nicht, sondern führt in diesem Zuammenhang nur ein Beispiel an, in dem ein Grundeigentümer sich vertraglich verpflichtet hat, sein Land nicht an eine bestimmte Person zu veräußern. Der Autor weist hier ausdrücklich darauf hin, daß in bezug auf die legal powers Vorsicht angebracht sei bei der Unterscheidung zwischen rechtlichem Können, physischem Können und dem Privileg, 69

dieses Können ausüben zu dürfen. 70 Es mag

S. beispielsweise M. Moritz, Über Hohfelds System der juridischen Grundbegriffe, Lund 1960, 99f; sowie R. Alexy, Grundrechte, 214 mit Fn 164 und wN. 70 "(I)t is necessary to distinguish carefully between the legal power, the physical power to do the things necessary for the 'exercise' of the legal power, and,finally, the privilege of doing these things — that is, if such privilege does really exist. It may or may not." Fundamental Legal Conceptions, 58.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

101

unbefriedigend erscheinen, einen Faustschlag als "Rechtsakt" zu betrachten, eine rechtlich relevante Handlung ist er allemal. Aufgeworfen wird dieses Problem in erster Linie, weil Hohfeld seiner Systematisierung keine Normtheorie zugrundelegt. Dadurch erscheint es jedenfalls so, als wolle er von der Änderung der rechtlichen Relationen auf das Vorhegen einer entsprechenden Rechtsmacht schließen, statt von einer rechtsmachtverleihenden Norm zur Möglichkeit der Veränderung rechtlicher Relationen zu gelangen. Erforderlich ist stets die deutliche Unterscheidung von rechtlichem Können und rechtlichem Dürfen. Gerade Hohfeld ist insofern besonders instruktiv, weil er diese beiden Sphären in unabhängigen Begriffssystemen verortet, so daß jede Kombination möglich ist. Allerdings sind ein Verbot oder eine Erlaubnis nur dort sinnvoll, wo eine Handlung überhaupt ausgeführt werden kann. Als die primäre Kategorie, die oftmals nicht hinreichend gewürdigt wird, erweist sich das rechtliche Können.

b) Die Kategorie des rechtlichen Könnens bei Jellinek

Äußerst luzide Ausführungen zu den Kategorien des rechtlichen Könnens und des rechtlichen Dürfens finden sich in einem der Meisterwerke der Staatsrechtslehre, dem "System der subjektiven öffentlichen Rechte" von Georg Jellinek.71 Während die Gesamtheit der rechtlich relevanten von der Rechtsordnung erlaubten Handlungen das rechtliche Dürfen darstelle und alle im Gegensatz dazu verbotenen Handlungen dadurch nicht unmöglich, sondern nur rechtswidrig würden,?** trete mit dem rechtlichen Können eine neue Qualität menschlicher Handlungen hinzu, durch die die natürliche Handlungsfähigkeit um etwas erweitert werde, nämlich um den Anspruch des Individuums, "dass gewisse seiner Handlungen von (der Rechtsordnung) als zu Recht bestehend anerkannt und demgemäss staatlichen Schutzes teilhaftig werden. Es liegt nicht in der natürlichen Freiheit des Individuums, den Staat zu bewegen, eine von ihm vorgenommene Handlung ... für rechtlich relevant zu erklären.... Denn alle Bestimmungen, welche die Gültigkeit von Rechtshandlungen und Rechtsgeschäften betreffen, statuieren ein von der Rechtsordnung ausdrücklich

71 2

Tübingen 1905, 46ff.

102

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

verliehenes rechtliches Können. Dieses Können steht in scharfem Gegensatz zum Dürfen. Es wäre nichtrichtigzu sagen, der Geschäftsunfähige dürfe keinen Vertrag schliessen, er kann es vielmehr nicht, was immer er auch tue, es kommt kein Vertrag zustande ..., er hat eine im Rechtssinne nichtige Handlung begangen.... Die Handlung, welche einem Nichtdürfen widerspricht, ist rechtlich relevant, sie zieht Rechtsfolgen nach sich, die Handlung hingegen, welche einem Nichtkönnen widerspricht, ist im Rechtssinne nicht vorhanden, sie ist rechtlich irrelevant. ... Die rechtüch relevanten von der Rechtsordnung gewährten Fähigkeiten bilden in ihrer Gesamtheit das rechtliche Können.... Das Können ist derart selbständig gegenüber dem Dürfen, dass jenes vorhanden sein und dieses fehlen kann.... Können ist nicht nur ohne Dürfen möglich, sondern vermag sogar mit einem Nichtdürfen zusammen zu bestehen ... Allein niemals ist ein Dürfen ohne ein Können möglich."**7/ Das Dürfen beziehe sich stets auf das Verhältnis zwischen den Rechtssubjekten, wohingegen das Können deren Verhältnis zum Staat, zur gewährenden Rechtsordnung betrifft./* 9 Während beim subjektiven Privatrecht Können und Dürfen nach Jellineks Auffassung stets zusammenfallen, handele es sich beim subjektiven öffentlichen Recht, da es sich auf das Bürger-Staat-Verhältnis beziehe, immer nur um ein Können, nämlich um die Fähigkeit, "Rechtsnormen im individuellen Interesse in Bewegung zu setzen. "/>5; Normen, deren Funktion es ist, rechtliches Können zu statuieren, bezeichnet er als "machtverleihende Rechtssätze"/*52. Die verliehene Macht hege darin, daß die Handlungen eines individuellen Rechtssubjektes von der Rechtsordnung als relevant und gültig anerkannt würden. Sie würden Teil des gesamten Normengefüges der Rechtsordnung. Hier klingt schon deutlich die Idee der Normsetzung durch die privat wie öffentlich subjektiv Berechtigten an, wenn der Autor die Formulierung "Rechtsnormen in Bewegung zu setzen", erläutert:/* 79 Es gebe "sowohl in Verbindung mit dem Privat- als mit dem öffentlichen Rechte ... eine grosse Zahl staatlicher Akte, die nur auf Verlangen der hieran interessierten Individuen und nur soweit, als sie es verlangen, vorgenommen werden dürfen. Der individuelle Wille ist in grösserem oder geringerem Masse die stetige Voraussetzung eines weiten Kreises staatlicher Tätigkeiten." Doch auch der Staat selbst, "eine auf begrenztem Gebiet basierte Zweckeinheit menschlicher Individuen", sei ein Rechtssubjekt, dessen Willensbildung durch seine Organe von der Rechtsordnung geordnet werdet 2 Er habe (Rechts-) Persönlichkeit,

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

103

sei Träger von Rechten und Pflichten auch gegenüber seinen Bürgern. 72 Keinerlei Rechtsbeziehungen erkennt Jellinek allerdings im Innern der Staatspersönlichkeit, zwischen ihren Organen an. 73 Deshalb erscheinen ihm auch Organstreitigkeiten als Auseinandersetzungen um subjektive Rechte undenkbar.74 Den Organen kämen lediglich Kompetenzen zu, Rechte könnte allein der Staat als solcher haben. Kompetenzkonflikte hätten daher objektives (Organisations-) Recht zum Gegenstands 227 Diese Konsequenz ergibt sich aus dem Begriff des Staates und seiner Rechtspersönlichkeit, den Jellinek zugrundelegt, der aber möglicherweise auch seiner Zeit geschuldet ist. In der Herausbildung des modernen Rechtsstaats75 ist es ein wichtiger Schritt, die einheitliche Rechtspersönlichkeit des Staates, die erst in ihrer Verkörperung durch ein Gefüge aus verschiedenen Organen handlungsfähig wird, von den Organträgern bzw. den tatsächlich handelnden natürlichen Personen zu

72

Wenn Jellinek die Staatsbürger in diesem Zusammenhang als "Subjizierte" bezeichnet, erweist sich dies gerade in seinem Doppelsinn als äußerst treffend, nämlich im Sinne von "Unterworfenen", aber auch im Sinne von "Subjektivierten", zum Rechtssubjekt Erklärten. "Der Staat, an sich betrachtet Macht, wird durch Anerkennung der Person der Subjizierten zur rechtlich beschränkten Macht. Dadurch erlangt aber die durch seine Rechtsordnungfixierte und begrenzte Macht den Charakter der Rechtsmacht, seine Interessen den Charakter rechtlicher Interessen." Letztere seien in erster Linie die Aufrechterhaltung und Fortbildung der Rechtsordnung. "Von Natur aus alles könnend, was seiner Macht zugänglich ist, kann der Staat von Rechts wegen nur das, wozu ihn die Rechtsordnung ermächtigt, darf er nur das, was sein gesetzlich gebundener Wille ihm gestattet. Kraft der ihm durch seine Rechtsordnung auferlegten Beschränkungen wird er im Rechtssinne Träger von Rechten und Pflichten gegen den Subjizierten. Nur indem der Staat sich als rechtlich beschränkt auffaßt, wird er zum Rechtssubjekt.... Im Begriff des Rechts ist bereits der der Beschränkung enthalten." (194f). 73

Ebenda, 194. Deutlich unterscheidet der Autor hier aber zwischen den Beziehungen zu und zwischen den Organen und den Rechtsverhältnissen des Staates zu den Organträgern als natürliche Personen. 74

Ebenda, 197: "Der die Kammern nicht in verfassungsmässiger Frist zusammenberufende Monarch, das gesetzliche Ausgaben verweigernde Parlament handeln verfassungs-, also pflichtwidrig. Allein es sind nicht subjektive Rechte einer dem Staate gegenüber selbständigen Person dadurch verletzt, sondern Zuständigkeiten zum Schaden anderer Organe nicht eingehalten oder überschritten worden. Weder Kläger noch Richter sind hier denkbar. So beruht die Staatsordnung selbst auf Pflichten, die niemand berechtigen." 75 S. zu dieser Ζλ Buchwald, Prinzipien des Rechtsstaats, Aachen 1996, 2. Kapitel mwN.

104

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

scheiden und die Rechtsbeziehungen gerade zwischen Staat und Bürgern zu analysieren. Jellineks Ablehnung von Organstreitigkeiten erscheint aber abgesehen davon nicht zwingend, denn die von ihm vorgenommene Charakterisierung der Kompetenzen staatlicher Organe ist nicht unvereinbar mit seiner Definition des subjektiven Rechts als "von der Rechtsordnung anerkannte und geschützte auf ein Gut oder Interesse gerichtete menschliche Willensmacht'W Diese dem Individuum von der Rechtsordnung verliehene Macht stelle zunächst ein rechtliches Können, im Falle des Privatrechts auch ein rechtliches Dürfen dar. Die Kompetenzen staatlicher Organe sind nach Jellinek "nie ein Dürfen, sondern stets ein Können, weil [ihr Inhalt] eben ein rechtlich abgegrenztes Stück staatlicher Macht ist "P 231 Das trifft jedoch grundsätzlich auch auf subjektive öffentliche Rechte zu. Die staatliche Willensäußerung durch ein dafür kompetentes Organ — und nur diese werde dem Staat zugerechnet,76 denn ein nicht kompetentes Organ überschreitet sein rechtliches Können — werde auch im Hinblick auf ein Interesse getan, nämlich auf das Gemeininteresse J* 200 Allerdings beruft sich der Autor selbst gerade auf den Mangel eines Individualinteresses, wenn er die Unanwendbarkeit des Begriffes des subjektiven Rechts auf die Kompetenzen staatlicher Organe betonte 237 An dieser Stelle soll keineswegs versucht werden, Jellineks Werk radikal umzudeuten oder dem Autor einen Widerspruch zu unterstellen. Auch die vorliegende Schrift vertritt keineswegs die Meinung, daß die Kompetenzen staatlicher Organe subjektive öffentliche Rechte seien. Allerdings lassen sich bereits dem "System der subjektiven öffentlichen Rechte" Argumente für die gleichartige Struktur von subjektiven Rechten und Kompetenzen entnehmen, denn in jedem Fall handelt es sich um die rechtlich anerkannte Willensmacht eines Rechtssubjekts, die auf die Verfolgung rechtlich anerkannter Interessen dieses Subjekts gerichtet sind, im Falle des Einzelnen auf Individualinteressen, im Falle des Gemeinwesens auf das Gemeininteresse. Jedoch verortet Jellinek Subjektivität und Interessenverfolgung strikt beim Staat und nicht bei den einzelnen Organen.77 Das spricht jedoch nur gegen die 76

System, 227, 241, im Sinne einer grundsätzlichen Nichtigkeit kompetenzüberschreitender Akte, erforderlich sei aber eine differenzierte Betrachtung je nach positiver Rechtslage. 77 S. die Formulierung über den Unterschied zwischen Vertretung und Organschaft in der "Allgemeinen Staatslehre", 3Darmstadt 1921,560: "Vertretener und Vertretender sind und bleiben zwei, Verband und Organ sind und bleiben eine einzige Person."

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

105

Annahme, Kompetenzen seien subjektive Rechte der Organe, nicht aber gegen die prinzipielle Möglichkeit von Organstreitigkeiten, die Jellinek deshalb mehrfach 78, wenn auch im Ergebnis ablehnend,79 diskutiert. Festzuhalten bleibt jedoch die Einordnung von subjektiven Rechten und staatlichen Kompetenzen als Formen rechtlichen Könnens, als Machtverleihung an einzelne Träger durch die Rechtsordnung, und die klare Trennung von subjektiven Rechten, die dem Organträger oder Organwalter als natürlicher Person zukommen, und Kompetenzen des Organs, das stets für den Staat insgesamt handelt.

c) Die Ermächtigung zur Normsetzung bei Kelsen

Einen wichtigen Meilenstein der hier nachgezeichneten Entwicklung markiert das Werk eines Schülers Georg Jellineks80, Hans Kelsen. Seine Theorie des Rechts basiert auf der Lehre von der Norm als Deutungsschema81. Dabei wird unterschieden zwischen dem in Raum und Zeit sinnlich wahrnehmbaren Akt und seiner rechtlichen Bedeutung, die er erst und nur durch eine Norm erhält, deren Inhalt sich auf ihn bezieht. Demnach ist das Recht eine normative Ordnung menschlichen Verhaltens, d.h. ein System menschliches Verhalten regelnder Normen. "Mit 'Norm' bezeichnet man: daß etwas sein oder geschehen, insbesondere daß sich ein Mensch in bestimmter Weise verhalten soll. Das ist der Sinn, den gewisse menschliche Akte haben, die intentional auf das Verhalten anderer gerichtet sind." Dies ist der Fall, "wenn sie, ihrem Sinne nach, dieses Verhalten gebieten (befehlen), aber auch wenn sie es erlauben und insbesondere, wenn sie es ermächtigen, das heißt, wenn dem anderen eine gewisse Macht verliehen wird, insbesondere die Macht, selbst Normen zu setzen. f>*

78

So etwa System, 197, aber auch detaillierter 227ff und 232 ff, 235, 237ff.

79

Vgl. aber seine Ausführungen in der Staatslehre, 560: "Das Organ stellt den Staat dar, aber nur innerhalb einer gewissen Zuständigkeit. Diese Zuständigkeiten können durch die betreffenden Organe einander gegenübertreten, es kann Streit zwischen ihnen entstehen über ihre Grenzen. Dieser Streit kann in den Formen eines Prozeßverfahrens geführt werden und der Staat formell seinen Organen Parteirolle zuweisen." 80

S. H. Kelsen, Hauptprobleme, Vorrede, xiii.

81

Reine Rechtslehre, 2Wien 1960, 2ff.

106

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

In Gestalt der kelsenschen Ermächtigung rückt hier wiederum die Rechtsmacht oder Gewährung, das rechtliche Können ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Tatsächlich ist die Kategorie des Ermächtigens von konstitutiver Bedeutung für das gesamte Rechtssystem. Denn nicht jeder Sollenssatz ist schon eine Norm in Kelsens Sinne: "'Sollen'82 ist der subjektive Sinn jedes Willensaktes eines Menschen, der intentional auf das Verhalten eines anderen gerichtet ist." Als Norm bezeichnet Kelsen nur solche Akte, die auch objektiv den Sinn eines Sollens haben, wenn also auch Dritte das Gewollte als gesollt ansehen, und zwar sogar dann, wenn das Wollen faktisch nicht mehr existiert, "wenn das Sollen auch nach Aufhören des Wollens 'gilt'." Das Sollen ist als objektives Sollen eine geltende, den Adressaten verpflichtende Norm, "wenn dem Willensakte, dessen subjektiver Sinn ein Sollen ist, dieser objektive Sinn durch eine Norm verliehen ist, wenn dieser Akt durch eine Norm ermächtigt ist, die darum als eine 'höhere' Norm gilt, "p7/Auf diesem Prinzip der Delegation von Normsetzungsbefugnissen 83 basieren der dynamische Charakter 84 und der Stufenbau der Rechtsordnung.85 In seiner Diskussion des Begriffs des subjektiven Rechts identifiziert Kelsen dieses mit der Rechtsmacht eines Subjektes, die Nichterfüllung einer Rechtspflicht (auch gegenüber staatlichen Behörden im Verwaltungsrechtsweg)?742 durch Klage geltend zu machend 7 Alles übrige, was sonst unter den Begriff des subjektiven Rechtes gefaßt würde, insbesondere das der Pflicht korrespondierende "Recht", sei lediglich Reflex der rechtlichen Verpflichtung eines anderen.86 Diese Verengung des

82

Kelsen verwendet den Begriff hier in einem weiteren Sinne, der neben dem Sollen, das dem Gebieten korrespondiert, auch Dürfen und Können als Korrelate von Erlauben und Ermächtigen einschließt, s. Rechtslehre, 4f. 83

Vgl. Kelsens Erläuterung der "Bedeutung des Ermächtigens", Allgemeine Theorie der Normen, hg. von K. Ringhofer / R. Walter, Wien 1979, 82: "Eine Rechtsnorm ermächtigt bestimmte Individuen Rechtsnormen zu erzeugen oder Rechtsnormen anzuwenden. In diesen Fällen sagt man: das Recht verleihe bestimmten Individuen eine Rechtsmacht. Da das Recht seine eigene Erzeugung und Anwendung regelt, spielt die normative Funktion der Ermächtigung im Recht eine besonders wichtige Rolle. Nur Individuen, denen die Rechtsordnung diese Macht verleiht, können Rechtsnormen erzeugen oder anwenden." 84

S. dazu Rechtslehre, 199ff.

85

S. dazu ebenda, Abschnitt 35, 228-282.

86

Ebenda, 130ff, 139ff.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

107

in Wahrheit ermächtigenden Charakters der subjektiven Berechtigung auf die prozessuale Durchsetzung von Ansprüchen87 erscheint unbefriedigend, weil sie den gesamten vor- und außergerichtlichen Bereich ausblendet und der eigentlichen Normsetzungsermikhûgang, wie Kelsen sie exemplarisch eingeführt hat, nicht in vollem Umfang gerecht wird, auch wenn der Autor hier ebenso einen Normerzeugungsakt annimmt wie bei der im engeren Sinne politischen Teilhabe an der staatlichen Willensbildung.88 Allerdings zieht Kelsen eine klare Konsequenz aus seinem Begriff der Ermächtigung, wenn er den subjektiven Rechten die Kompetenzen staatlicher Organe gegenüberstellt: "Es ist leicht einzusehen, daß die Ausübung dieser Rechtsmacht, als Rechtsfunktion, im wesentlichen von der gleichen Art ist wie die Funktion eines von der Rechtsordnung hiezu ermächtigten Gesetzgebungsorgans, generelle Rechtsnormen zu erzeugen, und die Funktion der von der Rechtsordnung hiezu ermächtigten Gerichts- und Verwaltungsorgane, in Anwendung dieser generellen Normen, individuelle Rechtsnormen zu erzeugen." "Geschäftsfähigkeit und subjektives — Privat- oder politisches — Recht eines Individuums sind in demselben Sinne dessen 'Zuständigkeit' oder 'Kompetenz' wie die Fähigkeit bestimmter Individuen, Gesetze zu beschließen,richterliche Entscheidungen zu fällen oder Verwaltungsbescheide zu erlassen. Die traditionelle Terminologie verhüllt die Wesensverwandtschaft, die zwischen allen diesen Rechtsmacht ausübenden Funktionen besteht, statt sie deutlich zum Ausdruck zu bringen. V 5 2 / M a n möchte hinzufügen, daß nicht nur die Terminologie, die sich unbeirrt bis heute hält, sondern auch und nicht zuletzt der Mangel normtheoretischer Fundierung vieler dogmatischer Abhandlungen hier geradezu erkenntnishindernde Wirkung entfaltet.

87

Dennoch soll auch das Rechtsgeschäft ein normerzeugender Tatbestand sein, weshalb letztlich die Ermächtigung zur Normsetzung doch nicht ausschließlich im Wege der Klage ausgeübt werden kann, allerdings mit der Einschränkung, daß es sich etwa bei einem Vertrag um eine nicht selbständige Norm handelt, die der Verbindung mit den Sanktionen statuierenden generellen Rechtsnormen bedarf, also schließlich doch wieder des Gerichtsurteils (vgl. 26lf). 88

Ebenda, 143f: "Sind (die politischen Rechte) dadurch charakterisiert, daß sie dem Berechtigten einen Anteil an der Bildung des staatlichen Willens, das ist an der Erzeugung von Rechtsnormen gewähren, dann ist auch das subjektive Privatrecht ein politisches Recht; denn auch dieses läßt den Berechtigten an der Bildung des Staatswillens teilnehmen. Dieser drückt sich in der individuellen Norm des richterlichen Urteils nicht minder aus als in der generellen Norm des Gesetzes."

108

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse d) Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis

bei Bucher

Ein wichtiges Gegenbeispiel stellt die Schrift Eugen Buchers mit eben diesem Titel 89 dar. Sie steht ausdrücklich in kelsenscher Tradition, auch und gerade "weil sie in der hier behandelten Spezialfrage von Kelsen abweicht". Bucher macht sich die normativistische Rechtsauffassung Kelsens zu eigen und unternimmt es, "die Methode, die das Recht als ein System von Rechtsnormen darstellt, auf eine Figur des Privatrechts anzuwenden, die bisher überwiegend als dieser normativen90 Betrachtungsweise entzogen, ja als mit ihr unvereinbar galt und in diesem Sinne auch von Kelsen selber abgelehnt wird.'W 5 Die Ausgangsfrage lautet: Wie können der für die Darstellung des Privatrechts unverzichtbare Begriff des subjektiven Rechts und die Auffassung des Rechts als System von Normen miteinander vereinbart werden? Buchers Antwort ist die These, daß subjektive Rechte selbst keine Normen im Sinne der von ihm vertretenen Imperativtheorie seien, sondern Befugnisse zur Setzung von Normend 7 Während Kelsen das subjektive Recht weitgehend als bloßen Reflex der entsprechenden Pflicht ansieht, nimmt Bucher eine andere Gegenüberstellung vor. Demnach korrespondiert die Pflicht nicht einem subjektiven Recht, sondern entspringt erst dessen Ausübung. Dem subjektiven Recht selbst entspreche ein Kreis potentieller Pflichten, die durch Rechtsausübung aktualisiert werden. Der dadurch entstandene Anspruch sei ein Imperativ, eine Norm, die erfüllt oder verletzt werden kann. 91 Unproblematisch "fügt sich die vorgeschlagene Betrachtungsweise der Kelsenschen Theorie des Stufenbaus der Rechtsordnung ein; es wird hier vorausgesetzt, daß die Rechtsordnung nicht nur ein statisches Gefüge gegebener Normen, sondern ein normativer 'Erzeugungszusammenhang' sei, wobei das subjektive Recht als die letzte mögliche Stufe der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen erscheint.

89

Das subjektive Recht als Normsetzungsbefugnis, Tübingen 1965.

90

Die vorliegende Arbeit favorisiert hier einen anderen Sprachgebrauch, den der "normativistischen Betrachtungsweise", gegenüber einer Verwendung von "normativ", da letzteres die Art der Betrachtungsweise, ersteres deutlicher die Art des Objekts der Betrachtung, nämlich Normen oder Normensysteme, bezeichnet. Da aber Bucher "normativ" bevorzugt, bleibt in wörtlichen Zitaten seine Formulierung unangetastet. 91

Normsetzungsbefügnis, 8, 60ff.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

109

Dabei geht der Autor von der "teleologischen Notwendigkeit" des subjektiven Rechts aus: "Die Tatsache, daß das Recht letztlich den einzelnen Individuen dient und die rechtliche Ordnung des menschlichen Zusammenlebens nicht um ihrer selbst oder der staatlichen Gemeinschaft willen aufgestellt wird, kann nicht ohne Einfluß auf die Strujctur dieser Ordnung bleiben. V

9

In der Konsequenz müsse jede

Rechtsordnung die im unmittelbaren und ausschließlichen Interesse eines einzelnen aufgestellten Rechtssätze diesem zur Verfügung stellen. Das bedeute, daß der Gesetzgeber nicht seinerseits Verhaltensvorschriften erläßt, sondern auf den Willen desjenigen verweist, in dessen Interesse eine rechtliche Regelung getroffen wird. '"Ein Recht haben' heißt darüber befinden können, ob eine vom objektiven Recht vorgesehene potentielle Norm und die dadurch bedingte potentielle Pflicht aktualisiert und damit tatsächlich normativ verbindlich wird. Der... 'Berechtigte' ist es, der die für das Verhalten des Verpflichteten maßgebende Verhaltensnorm aufstellt. > 2 0 Die Normenhierarchie im öffentlichen Recht (grob gesagt: Verfassung, Gesetz, Verordnung, Einzelakt) macht deutlich, daß die Frage der Geltung einer Norm eine nach dem ihr zugrundeliegenden Delegationszusammenhang ist. Dasselbe gilt Bucher zufolge auch für privatrechtliche Beziehungen. Ein zivilrichterliches Urteil sei daher die Entscheidung über die Zurechnung der im streitigen Anspruch verkörperten Norm zur Rechtsordnung, also über deren Geltung, die wiederum auf einem Delegationszusammenhang, auf der im subjektiven Recht bestehenden Befugnis zur Normsetzung beruhet—Diese Ansicht wird in der vorliegenden Arbeit ausdrücklich übernommen und auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen auch in Organstreitigkeiten erstreckt. Letzteren wohnt die Besonderheit inne, daß der Streit nicht wie sonst mittelbar, sondern primär um die Frage nach der Normsetzungsbefugnis geführt wird. DierechtlicheAuswirkung der subjektiven Berechtigung hegt nach Bucher darin, daß der Wille des Berechtigten "vom Verpflichteten befolgt werden muß, und zwar von Rechts wegen ... Ein rechtlich zwingender Willensinhalt ist'seinerseits nichts anderes als eine Rechtsnorm, d. h. ein der Rechtsordnung zuzurechnender Willensinhalt. ^"P55 Der Wille eines Rechtssubjekts sei normerzeugend, wenn und soweit er maßgeblich für den Inhalt oder die aktuelle Geltung einer Verhaltensnorm ist.92 Die

92

Ebenda, 56f. Ein bloßer Rechtsreflex liege da vor, wo eine objektivrechtliche Norm gewissermaßen ohne dessen Zutun zum Vorteil eines einzelnen ausschlägt.

110

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Äußerung dieses Willens bestehe in der Erhebung eines Anspruchs. Weil und soweit der Willensinhalt sich im Rahmen der Normsetzungsbefugnis hält, werde er zur Rechtsnorm.93 In der Ausübung seiner Willensmacht sei der durch ein subjektives Privatrecht zur Normsetzung Befugte — im Gegensatz zu den Trägern einer staatlichen Organkompetenz, die dem Allgemeininteresse verpflichtet seien — 9 4 frei. Generalklauseln wie etwa §§ 134 oder 138 BGB beschränkten nicht die Ausübung, sondern das subjektive Recht selbst: Überschreite der geäußerte Willensinhalt diese Grenze, finde eine gültige Normsetzung nicht statte77 Die Kritik an Bucher wendet sich hauptsächüch gegen seine im engeren Sinne zivilrechtlichen Ausführungen und dort die Unterscheidung zwischen Recht und Anspruch sowie die Einordnung einzelner Herrschafts- und Gestaltungsrechte.95 Eine Auseinandersetzung damit kann und soll hier nicht geleistet werden. 96 Ausgewählt herangezogen werden soll jedoch ein Beitrag von Klaus Adomeit97, um zu zeigen, daß man Buchers Auffassung nicht mit allen Konsequenzen teilen muß, um der These der vorliegenden Arbeit dennoch zustimmen zu können. Auch Adomeit unterscheidet in erster Linie zwei Normtypen, Verhaltensnormen und Ermächtigungsnormen. Zu ersteren zählt er auch vertragliche Regelungen zwischen Privaten, soweit sie von einer Ermächtigungsnorm gedeckt würden. Deren Rechtsfolge sei eine Befugnis oder Kompetenz zum Erlaß von Verhaltens- oder weiteren Ermächtigungsnormen.98 Die privatrechtlichen Gestaltungsrechte seien derartige Kompetenzen zur Setzung von Verhaltensnormen durch Rechtsgeschäft und füllten den Begriff der Privatautonomie aus, der "besagt, daß im Bereich des

93

Ebenda, 66f. Allerdings sei eine explizite Willensäußerung praktisch oft überflüssig, da eine bis auf weiteres geltende Norm im Sinne einer gesetzlichen Vermutung bestehe. Doch auch in diesen Fällen sei der Normgeber der Berechtigte, denn er habe die Macht, die Vermutung zu widerlegen (68ff). 94

Ebenda, 56 Fn 1.

95

S. beispielsweise K. Larenz, Zur Struktur "subjektiver Rechte", FS Sontis, hg. von dems. / F. Baur / F. Wieacker, München 1977, 129-148, 130ff. 96 97

S. dazu etwa K.-H. Fezer, Teilhabe, 343-347 mwN.

Gestaltungsrechte, Rechtsgeschäfte, Ansprüche — Zur Stellung der Privatautonomie im Rechtssystem, Berlin 1969. 98 Ebenda, 17f. Adomeits Ansatz entspricht im einzelnen weitgehend und unter ausdrücklicher Bezugnahme dem im folgenden unter e) darzustellenden von Alf Ross.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

111

Zivilrechts die Mehrzahl der geltenden Verhaltensnormen nicht durch staatliche, sondern durch private Akte in Kraft gesetzt wird." 99 In einer Anmerkung über das noch nicht hinreichend geklärte Verhältnis des Rechtsgeschäfts zu anderen Rechtsakten fügt Adomeit hinzu: "Sicher scheint mir, daß übergeordnete dogmatische Gemeinsamkeiten verschiedener Normsetzungsakte — wie Vertrag, Vereinsbeschluß, Betriebsvereinbarung, Gesetz — bisher infolge der Ressorteinteilung Privatrecht / Öffentliches Recht von der Rechtswissenschaft vernachlässigt wurden", 100 ein Befund, der seine Gültigkeit nicht verloren hat. Gegen Bucher erhebt Adomeit den Vorwurf, nicht aufzudecken, daß sich die Willensmacht eines berechtigten Subjekts "in höchst verschiedenartiger Weise auswirkt", je nachdem ob es sich um ein Herrschafts- oder ein Gestaltungsrecht handele. "(N)icht das Herrschaftsrecht, wohl aber das Gestaltungsrecht ist eine Normsetzungsbefugnis" 101, denn es bezeichne die Position eines durch eine Ermächtigungsnorm Begünstigten. Dagegen sei das Herrschaftsrecht die Position eines durch eine Verhaltensnorm Begünstigten,102 weil aus einer Verhaltensnorm eine Rechtspflicht anderer entspringe, aus der der Herrschaftsberechtigte einen Anspruch und schließlich eine Klagebefugnis ableiten könne.103 Diesen Anspruch mache er nur geltend, setze aber nicht die entsprechende Verhaltensnorm, sondern berufe sich nur auf deren vorgängige Existenz.104 Selbst wenn man Buchers These so weit abschwächen würde, zivilrechtliche Normsetzungsbefugnisse lediglich in Gestaltungsrechten erblicken zu wollen, bleibt doch die Justitiabilität dieser Befugnisse vor den Zivilgerichten unangefochten. Seien auch nicht alle subjektiven Privatrechte und dann wahrscheinlich auch nicht alle subjektiven öffentlichen Rechte derartige Befugnisse, so nehmen die Gerichte daran jedenfalls keinen Anstoß, indem sie Verfahren über Normsetzungsbefugnisse etwa nicht zulassen oder nahezu unüberwindliche prozessuale Probleme erblicken. Dann

99

Ebenda, 19f.

100

Ebenda, 20 Fn 33.

101

Ebenda, 30f. Bucher dagegen sieht Gestaltungsrechte gerade nicht als subjektive Rechte in seinem Sinne an, vgl. Normsetzungsbefugnis, 89ff. 102 Privatautonomie, 28. 103

Ebenda, 33.

104

Ebenda, 30.

112

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

aber können die Kompetenzen staatlicher Organe nicht schon wegen ihrer Struktur als Normsetzungsbefugnisse von einer gerichtlichen Geltendmachung oder Verteidigung ausgeschlossen sein, vielmehr ist sie in jedem Fall ein wichtiges Argument für ihre Justitiabilität.

e) Die Funktion von privaten und öffentlichen

Kompetenzen bei Ross

Alf Ross unternimmt in seinem Werk "Directives and Norms" 105 eine Weiterentwicklung der Hohfeldschen Grundbegriffe, indem er unter anderem Erkenntnisse der Sprechakttheorie 106 miteinbezieht. Auch er unterscheidet die beiden Typen der Verhaltens- und der Ermächtigungsnorm, denen er jeweils eines der oben eingeführten Begriffsquadrate Hohfelds zuordnet J> 119 Anstelle von power verwendet er allerdings die Bezeichnung competence und erläutert seine Distinktion dahin, daß die Kompetenz ein Spezialfall der Macht sei. Während letztere immer gegeben sei, wenn eine Person durch ihr Handeln erwünschte rechtliche Wirkungen herbeiführen könne, so handle es sich bei einer Kompetenz um die rechtlich verankerte Fähigkeit, Rechtsnormen (oder Rechtsfolgen) durch entsprechende Äußerungen zu schaffen. 107 Bereits in der Definition von power werden Unterschiede zu Hohfeld deutlich, insbesondere in der Einschränkung der Rechtsmacht auf die Herbeiführung "erwünschter Rechtsfolgen". Damit nimmt er die unerlaubten Handlungen aus dem Bereich der Rechtsmachtausübung heraus, denn die daran geknüpften Schadensersatzpflichten dürften kaum in diesem Sinne als erwünscht gelten. Grundsätzlich läßt sich, wie bereits oben gesagt, dieses Problem bei Hohfeld darauf zurückführen, daß es seinem System an einer Normtheorie mangelt, was beispielsweise dazu führt, daß er von einer Veränderung der rechtlichen Relationen auf die Ausübung und damit Existenz von power schließen muß und nicht umgekehrt von der (Ausübung

105 106 107

London 1968. S. dazu mwN die Einführung, 3-7, sowie den Abschnitt III, 34-77.

Ebenda, 130: "Competence is the legally established ability to create legal norms (or legal effects) through and in accordance with enunciations to this effect. Competence is a special case of power. Power exists when a person is able to bring about, through his acts, desired legal effects."

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

113

einer) rechtlich eingeräumten Macht zu einer Veränderung der rechtlichen Relationen kommt. Diese wichtige Lücke schließt die Untersuchung der Kompetenznormen durch Ross. Ihr zufolge statuieren diese die notwendigen Bedingungen für die Kompetenzausübung, indem sie die Person bezeichnen, die in der Lage ist, eine Norm zu setzen (personelle Kompetenz), das Verfahren, das einzuhalten ist (prozedurale Kompetenz), und schließlich die mögliche Reichweite der zu setzenden Norm bezüglich ihres Adressaten und ihres Inhalts (substantielle Kompetenz). Die Kompetenzausübung erfolge durch eine sprachliche Äußerung (enunciation ) und stelle einen Rechtsakt dar, zum Beispiel ein Versprechen, ein Testament, ein Urteil, eine behördliche Genehmigung oder ein Gesetz. Das Besondere an Rechtsakten sei, daß sie wie ein Spielzug beim Schach zwar eine menschliche Handlung seien, aber eine solche, die niemandem bereits kraft seiner natürlichen Fähigkeiten möglich sei, sondern erst aufgrund einer konstitutiven Regel wie eben der Kompetenznorm. 108 So wie erst die Spielregel des Schachs das Verrücken einer Figur auf dem Brett zu einem Zug mache, der als Zug ohne die Regel nicht existiere, ermögliche erst die Kompetenznorm einen Rechtsakt, die Aktualisierung einer bestehenden oder die Setzung einer neuen Norm. Hierin liegt eine Präzisierung des Begriffs des rechtlichen Könnens, die dessen Bedeutung für das Recht und seine Funktionsweise, seine Struktur unterstreicht. Auf dieser formalen Ebene besteht kein Unterschied zwischen der Normsetzung durch das Testament eines Privaten oder durch die behördliche Erteilung einer Baugenehmigung oder durch den Gesetzesbeschluß eines Parlaments. Jede Norm, die dem Rechtssystem zuzurechnen ist, kommt auf diesem Wege zustande.109 Erst die weitere Analyse fordert wichtige Unterscheidungen zutage. Zunächst muß wieder das rechtliche Können, die Kompetenz, von der Frage des rechtlichen Dürfens und des rechtlichen Sollens getrennt werden. Existiere eine Verpflichtung, die Kompetenz in einer bestimmten Art und Weise auszuüben, so ergebe sich diese aus einer entsprechenden Verhaltensnorm,

108

nicht aus der Kompetenznorm selbst. Das sei deshalb

Ebenda, 130f. Zum Begriff der "konstitutiven Regel" s. § 14, 53-57. Das rechtsphilosophische Problem der Ermächtigung des verfassunggebenden Aktes durch etwa eine Grundnorm kann hier schon aus Platzgründen nicht erörtert werden. Unterhalb dieser Ebene und für den Gegenstand dieser Studie ist der Befund jedoch eindeutig. 109

8 Buchwald

114

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

von großer Bedeutung, weil bei einer Überschreitung der Kompetenz als solche insoweit überhaupt keine Norm gesetzt werde, der Akt sei nichtig, rechtlich inexistent. Werde jedoch die Verpflichtung verletzt, führe dies lediglich zur Anfechtbarkeit, zur Rechtswidrigkeit der Normsetzung (instruktiv ist hier das Beispiel des intern gebundenen Vertreters). Allerdings gesteht der Autor zu, daß es in Einzelfällen schwierig sein kann festzustellen, ob eine bestimmte Norm eine Kompetenz begrenze oder ihre Ausübung in bestimmter Weise einschränke./77-?7/ Weiterhin unterscheidet Ross zwei Kategorien von Kompetenznormen, die sowohl in ihrem Inhalt als auch bezüglich ihrer Rolle für das Leben der Gemeinschaft differieren. Die erste erfaßt den Bereich der Privatautonomie. Innerhalb dessen werde es dem Individuum ermöglicht, seine rechtlichen Beziehungen im Rahmen der Vorgaben der Rechtsordnung in seinem eigenen Interesse frei und nach eigenem Ermessen zu gestalten. Entsprechend lasse sich diese Rechtsmacht beschreiben als "unqualifiziert

(jedermann hat sie), autonom (ihr Gebrauch bindet die kompetente

Person selbst), freigestellt

(sie wird nach Gutdünken ausgeübt) und übertragbar (sie

kann auf einen Rechtsnachfolger übergehen)."110 Die zweite Kategorie bilde den Bereich der öffentlichen Macht, der public authority.

Diese Macht binde andere

durch gesetzliche Regelungen, gerichtliche Urteile und Verwaltungsakte und könne nur durch ganz bestimmte Personen ausgeübt werden, die dabei der Verpflichtung unterlägen, sie unparteilich und im Sinne bestimmter gesellschaftlicher Zwecke nutzen. "Diese Verpflichtung ist mehr als eine bloß moralische Pflicht; sie wird gewährleistet durch verschiedene Sanktionen und Kontrollen. Die soziale Funktion der Macht besteht darin, die Interessen der Gemeinschaft zu wahren".111 Zusammenfassend sei diese Form der Rechtsmacht qualifiziert, Interesse und unübertragbarP

heteronom, im öffentlichen

133

Diese Auffassung entspricht der Grundthese dieser Arbeit, daß Normsetzungsbefugnisse in Form von subjektiven Privat- oder öffentlichen Rechten und von Zuständigkeiten staatlicher Organe dieselbe Struktur aufweisen, sich jedoch in ihrem Zweck und ihrer Ausrichtung unterscheiden.

110 111

Directives, 133 (Übersetzung von der Verf.). Ebenda (Übersetzung von der Verf.).

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

115

f) Kompetenzen als Rechte bei von Wright

In seinem 1963 erschienenen Werk "Norm and Action" entwickelt Georg Henrik von Wright erstmals seine Normtheorie im Zusammenhang. Dabei unterscheidet er unter der allgemeinen Kategorie der "Norm" verschiedene Formen, darunter die einen Begriff determinierenden Regeln ("rules"), die Vorschriften ("prescriptions") sowie die technischen Normen ("directives"), die Zweck-Mittel-Relationen ausdrücken.112 Die Vorschriften, denen auch die Rechtsnormen angehören, untergliedern sich in drei Normtypen, nämlich Gebote, Verbote und Erlaubnisse. Die Besonderheit dieser Normen liegt nach von Wright darin, daß sie durch jemanden gesetzt werden, ihre Quelle in dem Willen eines Normgebers haben, den er "norm-authority" nennt. 113 Sie manifestierten den Willen des Normgebers, der Normadressat möge sich in einer bestimmten Weise verhalten. Diese Normsetzung basiert auf einem System von Normen höherer und niederer Ordnung. Als Normen höherer Ordnung gelten v. Wright solche, die den Akt einer Normgebung selbst normieren. Dabei bezieht er seine weiteren Ausführungen vornehmlich auf Normen höherer Ordnung, die selbst positive Vorschriften sind, also nicht der Moral oder einer idealen Welt angehörend790 Normen erster Ordnung sind danach solche, die ein anderes Verhalten als das der Normgebung vorschreiben. Alle Normen zweiter, dritter und weiterer Ordnungen regeln den Erlaß oder die Aufhebung von Normend 797 Dementsprechend handele es sich bei ihren Adressaten jeweils um Normgeber, allerdings um solche niederer Ordnung in bezug auf den Normgeber der Ausgangsnormd792 Normen höherer Ordnung können die Form von Geboten, Verboten und Erlaubnissen haben. Von größtem Interesse erscheinen v. Wright aber die Erlaubnisse höherer Ordnung, aufgrund derer ein Normgeber eine Norm bestimmten Inhalts setzen darf. Diese Erlaubnisse höherer Ordnung bezeichnet er als KompetenznormenJ> 192 Im Wege des Erlasses einer Kompetenznorm delegiere ein Normgeber

112

S. dazu im einzelnen G. H. v. Wright , Norm and Action, London 1963, Kapitel 1, 1-15, und die Zusammenfassung auf 15f. 113

Ebenda, 7. "Authority" verwendet der Autor nicht im Sinne von "Verwaltung" oder "Behörde", sondern im Sinne von "Autorenschaft". Daher werden im folgenden "normauthority" und "authority" mit "Normgeber" übersetzt.

116

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

höherer Ordnung Macht {power) oder Rechtsmacht auf einen Normgeber niederer Ordnung. 114 Von einer Machtdelegation könne aber nur dann gesprochen werden, wenn es sich um eine Normsetzungserlaubnis handele, da im Falle von Normsetzungsge- oder -verboten der Adressat nicht frei sei in seiner Normsetzung, Ρ 193 Allerdings sei eine Normsetzungserlaubnis in der Praxis häufig gekoppelt an das Gebot, den entsprechenden Bereich nicht völlig ungeregelt zu lassen.115 Auch Normsetzungsverbote spielten eine wichtige Rolle, denn sie begrenzten die Kompetenzen von Normgebern niederer Ordnung. Dennoch seien sie prinzipiell unabhängig von den Kompetenznormen und müßten als eigene Normen angesehen werden. 116 Auf der Grundlage dieser Überlegungen entwickelt v. Wright eine Konzeption der "relativen Geltung von Normen". Danach gelte eine Norm dann, wenn eine Kompetenznorm existiert, die den Normgeber ermächtigt hat, diese Norm zu setzen.117 Die Rechtmäßigkeit einer Norm ergibt sich also aus der Rechtmäßigkeit ihrer Setzung. Der Autor betont jedoch, daß es nicht auf die Geltung der Kompetenznorm in eben diesem Sinne ankommt, sondern lediglich auf ihre Existenz, da andernfalls ein infiniter Regress von Kompetenzen immer höherer Ordnung oder ein willkürlicher Abbruch dieser Ermächtigungskette die Folge seii 7796 /Zur Lösung dieses Problems führt v. Wright einerseits den Begriff der "souveränen Norm" ein,

114

"A higher order permission is to the effect that a certain authority may issue norms of a certain content. It is ... a norm concerning the competence of a certain authority of norms. ... In the act of issuing a competence norm, i.e. a permissive norm of higher order, the superior authority of higher order may be said to delegate power to a sub-authority of lower order. 'Power' here means 'competence, by virtue of norms, to act as an authority of norms'." Ebenda, 192. 115 v. Wright nennt als Beispiel die spezifische Verkehrsregelungskompetenz von Stadtverwaltungen, die jedoch nicht frei seien, überhaupt keine entsprechende Regelung zu treffen, sondern lediglich entscheiden könnten, welche Art von Regelung sie erlassen (193). 116

"The limits of delegated power are often set by certain prohibitions. The authority may issue norms of a certain kind, but must not issue norms of certain other kinds. It may be argued that norms, the issuing of which is not expressly permitted ..., are in fact forbidden to him to issue. This, however, cannot be deduced from the nature of prohibition as such. The prohibition, if there is such a prohibition, is a norm of its own right." (193). 117

S. ebenda, 195ff, 197.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

117

einer Norm, die sich nicht anhand einer Norm höherer Ordnung als geltend oder nicht geltend auszeichnen ließe, und andererseits den Begriff des Normensystems. Ein solches Normensystem umfaßt eine oder mehrere Klassen von souveränen Normen ein und desselben Normgebers sowie alle weiteren Normen, die sich auf diese souveränen Normen zurückführen lassend799 Daraus läßt sich ein Begriff der "absoluten Geltung von Normen" gewinnen, die die Bedeutung von "Geltung innerhalb des Normensystems1"P 199 oder Zugehörigkeit zu diesem System hat. Anschließend greift v. Wright die Frage auf, ob denn Kompetenznormen für den dadurch Ermächtigten Rechte ("rights") oder bloße Duldungen ("tolerations") seien. Der Unterschied zwischen diesen beiden Formen von Erlaubnissen bestehe darin, daß mit einer Duldung lediglich gemeint sei, daß der Normgeber dem Normadressaten ein bestimmtes Verhalten erlaubt, indem er erklärt, daß er dieses Verhalten hinnehmen wird. Es handele sich also um ein Versprechen, ein Gebot der Nichteinmischung, das sich der Normgeber selbst auferleged 9^ Demgegenüber enthalte eine Erlaubnis in Form eines Rechts dazu auch ein Verbot der Einmischung an Dritte, in bezug auf die der Normadressat nun ein "Recht" auf das erlaubte Verhalten habe d 8 8 / ν . Wright argumentiert für die Annahme, daß Kompetenznormen Rechte in diesem Sinne statuierten, und zwar wegen der dadurch zu erzielenden höheren Kohärenz und Konsistenz von Rechtssystemen. Wenn nämlich ein Normgeber X einem Normgeber niederer Ordnung Y erlaube, dem Normsubjekt W ein bestimmtes Verhalten zu gebieten, und zugleich dem Normgeber niederer Ordnung Ζ erlaube, demselben Normsubjekt W dasselbe Verhalten zu verbieten, so kann dadurch das Normsubjekt W mit konfligierenden Normen konfrontiert werden, die jedoch beide auf eine existierende Kompetenz zurückzuführen sind. Handelt es sich bei diesen Kompetenzen lediglich um Duldungserklärungen des Normgebers X, daß er Y und Ζ jeweils nicht an der Normgebung hindern werde, so begibt er sich nicht in einen Selbstwiderspruch mit der Verleihung dieser gegenläufigen Kompetenzen. Nimmt man jedoch an, daß es sich bei diesen um Rechte von Y und Ζ handelt, so gerät X insofern in einen Widerspruch, als er jedem von beiden garantiert, Dritten, also auch dem jeweils anderen, zu verbieten, in diese Kompetenz einzugreifen. Wenn er Y erlaubt, W ein Verhalten zu gebieten, und dieser macht davon Gebrauch, dann stünde eine weitere Erlaubnis

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C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

an Z, W dasselbe Verhalten zu verbieten, in Widerspruch mit dem Verbot an Ζ, Y in seiner Kompetenzausübung zu behindern. 118 Die Ausgestaltung von Kompetenzen als Rechte in diesem Sinne 119 erhöht also deutlich die Kohärenz und Konsistenz des Normensystems, indem eine kompetente Stelle sich gegen Eingriffe anderer Normgeber in ihre Kompetenz wehren kann aufgrund ihres Rechtes auf Nichteinmischung. Vom Standpunkt der deonüschen Logik aus handelt es sich um einen Widerspruch zwischen normativen Aussagen des obersten Normgebers, vom Standpunkt des modernen Verwaltungsrechts um einen Kompetenzkonflikt, der auf der Basis der vorgestellten Überlegungen jedoch lösbar ist, beispielsweise im Wege eines Organstreitverfahrens. Die Ermöglichung der gerichtlichen Geltendmachung und Verteidigung ihrer Kompetenzen durch die Organe stellt also nicht, wie vielfach offenbar befürchtet, eine Art Schizophrenie des staatlichen Willens dar, sondern ist vielmehr geeignet, die Widerspruchsfreiheit staatlicher Willensäußerung zu gewährleisten oder doch zu befördern.

g) Zusammenfassung

Als Ergebnis ist festzuhalten, daß bei rechtstheoretischer Betrachtung zwischen subjektivem Recht und Kompetenz keineswegs ein Stufenverhältnis besteht, wie es Voraussetzung für die oben referierten Interessentheorien wäre. Vielmehr handelt es

118

Ebenda, 204f. "The upshot of the discussion is thus as follows: It is logically possible for a sovereign agent to endorse a conflict of will within a systems of norms, if endorsing the conflict means to permit, in the weak sense of tolerate, the issuing of conflicting commands by two sub-authorities. But it is not logically possible for a sovereign to endorse a conflict of commanding wills within a system of norms, if endorsing the conflicts means to permit, in the stronger sense of granting aright, the issuing of conflicting commands. By granting such rights the authority is contradicting his own will. " 205. 119

Ebenfalls im Sinne dieses Rechtebegriffs interpretiert R. Alexy ohne ausdrücklichen Bezug auf v. Wright den Begriff der "organisationsrechtlichen Wahrnehmungszuständigkeit" bei H. J. Wolff (ders. /Ο. Bachof Verwaltungsrecht II, 4München 1976) als "etwas, was wesentlich aus Geboten und Erlaubnissen, Aufgaben wahrzunehmen, sowie aus Verboten an andere organisatorische Einheiten, dieselben Aufgaben wahrzunehmen, besteht." (Grundrechte, 211 Fn 154. Zur Unterscheidung von "Wahrnehmungszuständigkeit" und "Zuständigkeit ieS" bei Wolff s. ebenda).

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

119

sich um zwei Arten von Befugnissen, die sich dem Oberbegriff des rechtlichen Könnens subsumieren lassen. Sie dienen als Geltungskriterium anderer Normen, da sie ein Subjekt ermächtigen, solche zu erlassen. Das wird im folgenden unter den Begriff der Normsetzungsbefugnis gefaßt, ohne daß damit eine enge Anlehnung speziell an Bucher gemeint wäre. Diese Terminologie erweist sich jedoch gerade für die Zwecke dieser Studie als vorzugswürdig, da sie eindeutig und praktikabel ist. Zudem transportiert sie am besten den gesamten normtheoretischen Gehalt der hier referierten Ausführungen. Dazu gehört auch die Feststellung, daß wegen der strukturellen Parallelität beider Befugnisarten und der ohne weiteres anerkannten Justitiabilität von subjektiven Rechten vom normtheoretischen Standpunkt nichts gegen die Klagefähigkeit auch der Kompetenzen spricht, zumal ihre Ausgestaltung als derart eigene rechtliche Position des kompetenten Organs die interne Widerspruchsfreiheit des Rechtssystems und insbesondere die Einheit staatlicher Willensäußerung keineswegs mindert, sondern im Gegenteil erhöht.

2. Eigener Ansatz: Subjektive Rechte und Organkompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Der hier vorgestellte Lösungsvorschlag für die Frage, ob verwaltungsgerichtliche Organstreitigkeiten im Rahmen der derzeitigen Rechtslage möglich sind, basiert darauf, sowohl die unstreitig als klageermöglichend angesehenen subjektiven (öffentlichen) Rechte der Bürgerinnen und Bürger als auch die insofern problematischen Kompetenzen von Verwaltungsorganen in ihrer normtheoretischen Struktur zu untersuchen. Ziel ist es herauszufinden, worin sie sich gleichen und inwiefern sie sich unterscheiden. Ausgangspunkt dafür ist die These, daß es sich jeweils um Normsetzungsbefugnisse handelt, die als solche zunächst dieselbe Grundstruktur aufweisen. Für die Analyse der Normsetzungsbefugnisse bieten sich drei Anknüpfungspunkte, nämlich erstens die Befugnisnorm, zweitens das befugte Subjekt und drittens die erteilte Befugnis.

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C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse a) Die Befugnisnorm und ihre Struktur

Als Befiignisnormen sollen hier die Rechtssätze bezeichnet werden, die einem bestimmten Subjekt von Rechts wegen die Macht verleihen, selbst weitere Normen zu schaffen, die aufgrund dieser Rechtsmacht im Rahmen der Rechtsordnung Geltung erlangen. Die Befiignisnorm schreibt damit nicht in erster Linie ein menschliches Verhalten vor, sondern eröffnet darüber hinaus einen neuen Handlungsspielraum, indem sie einem in ihr beschriebenen Verhalten eine besondere Bedeutung verleiht. Dieses Verhalten besteht regelmäßig in einer sprachlichen Willensäußerung, deren Inhalt eine Norm verkörpert und die anders als sonstige Äußerungen von Sollenssätzen rechtlich beachtlich ist, von der Rechtsordnung anerkannt und geschützt, d. h. mit rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten versehen wird. Es ist ein großer Unterschied, ob der Grundstückseigentümer oder sein Nachbar einem Passanten verbieten, eine Rasenfläche zu betreten. Beide äußern ihren Willen mit dem Satz: "Rasen nicht betreten!", doch im Falle des dazu unbefugten Nachbarn erlangt dieser Satz keine rechtliche Relevanz, sondern bleibt bestenfalls eine bloße Willensäußerung. Erst die rechtliche Befugnis des Eigentümers, andere vom Gebrauch seiner Sache auszuschließen, macht diesen Satz zu einer rechtlich beachtlichen und mit den Mitteln des Rechts von der Unterlassungsklage über die Selbsthilfe bis zur strafrechtlichen Anzeige durchsetzbaren Norm. Selbstverständlich kann der Eigentümer diese Normsetzungsbefugnis ganz oder zum Teü an seinen Nachbarn delegieren, so daß der aufgrund seiner Vertretungsmacht nunmehr befugt ist, die obengenannte Norm zu setzen, oder letzterer kann eine Normsetzungsbefugnis unter Umständen aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag herleiten, wenn er mit der Normsetzung die Interessen des Geschäftsherrn wahrt. Ebenso kann die Aufforderung, eine bestimmte Geldsumme auf ein bestimmtes Konto zu überweisen, ein "nur" moralisch motivierter Spendenaufruf sein oder eine rechtlich beachtliche Norm, nämlich der Steuerbescheid eines Finanzamtes. Als rechtlich beachtliche Norm ist entsprechend auch die Aufforderung eines Bürgermeisters zur Abstimmung im Gemeinderat zu werten, im Gegensatz zu der nicht von einer rechtlichen Befugnisnorm gedeckten Frage nach einem Meinungsbild über "Wein oder Bier?" beim anschließenden Stammtisch.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

121

Diese einfachen Beispiele machen klar, welche Rolle Befugnisnormen in einem Rechtssystem spielen.120 Das Recht besteht aus Normen, die auf diese Weise ständig aktualisiert, konkretisiert und neuen Situationen angepaßt werden können, und zwar nicht zentral von einer Autorität, die eine solche Aufgabe gar nicht bewältigen könnte, sondern von einer großen Vielzahl von Normsetzungsbefugten, die je nach dem im eigenen Interesse oder in dem eines Dritten oder in dem der Gemeinschaft tätig werden. Insbesondere kann über die Befugnisnorm auch das jeweils befugte Subjekt identifiziert werden, so daß unbefugte und damit rechtlich unbeachtliche Normsetzung als solche erkennbar wird. Die Funktion der Befugnisnormen ist damit eine doppelte — einerseits wird Normsetzung delegiert und andererseits ein großer Bereich von Sollenssätzen oder Willensäußerungen aus dem Bereich der rechtlich geltenden Normen ausgeschieden. Die Befugnisnormen sind die Hauptzurechnungskriterien für Normen zur Rechtsordnung, sie bestimmen, was Recht ist und was nicht. Die Normsetzungsbefugnisse grenzen Willenssphären gegeneinander ab, indem sie festlegen, welcher Wille jeweils rechtliche Relevanz und Geltung erlangt. Auf diese Art und Weise strukturieren sie die gesamte Rechtsordnung. Eine Befugnisnorm kann die Form einer Erlaubnis, eines Gebots oder eines Verbots der Normsetzung haben. Letzteres kann im folgenden unberücksichtigt bleiben, da sich eine solche negative Befugnisnorm auch als Grenze einer positiven Befugnisnorm oder als die Befugnis eines anderen Subjekts deuten läßt 121 und insofern gegenüber diesen keine neuen Gesichtspunkte enthält.122 Aus der Unterscheidung von Normsetzungserlaubnissen und -geboten ergeben sich Konsequenzen vor allem für die Verletzungstatbestände und ihre Rechtsfolgen. Im Falle einer Erlaubnis zur Normsetzung ist es dem Befugten freigestellt, eine Norm zu setzen oder

120 Diese unterstreicht auch H. L. Λ. Hart , The Concept of Law, Oxford 1961, 32: "If such rules [for the exercise of private and public legal powers] did not exist we should lack some of the most familiar concepts of social life, since these logically presuppose the existence of such rules. Just as there could be no crimes or offences and so no murders or thefts if there were no criminal laws of the mandatory kind ..., so there could be no buying, selling, gifts, wills, or marriages if there were no power-conferring rules; for these latter things, like the orders of courts and the enactment of law-making just consist in the valid exercise of legal powers ." (Hervorhebungen von der Verf.). 121

Vgl. die Konzeption der Grundrechte als " negative Kompetenzbestimmungen fur die staatlichen Gewalten" bei K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 19Heidelberg 1993, Rn 291. 122

S. dazu auch R. Alexy, Grundrechte, 223f.

122

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

nicht. Das Gebot verpflichtet das befugte Subjekt in der Regel dazu, jedenfalls eine einschlägige Norm zu setzen. Ein Beispiel dafür ist die dem Sozialhilfeanspruch vorgängige Verpflichtung, bestehende Unterhaltsansprüche geltend zu machen.123 Wird ein Normsetzungsgebot nicht befolgt, kann ein anderes Subjekt, wiederum in Form einer Erlaubnis oder eines Gebots, befugt sein, die Normsetzung vorzunehmen. Daneben kann die Rechtsordnung Standardregelungen in Form von mehr oder weniger umfassenden und detaillierten Norm Vorschlägen bereitstellen, die für den konkreten Einzelfall mit dem Normsetzungsakt aktualisiert werden. Das erfolgt beispielsweise mit dem Abschluß eines Kaufvertrages, der durch die kooperative Normsetzung zweier geschäftsfähiger, d. h. grundsätzlich befugter Personen zustandekommt. Die Vertragsparteien brauchen nicht jede Einzelheit durch eigene vertragliche Normsetzung zu regeln, sondern aktualisieren die kaufrechtlichen Regelungen, soweit nicht abdingbar und abbedungen, in ihrem speziellen Fall. Diese gelten aber für die Beziehungen der beiden Parteien nur, wenn und soweit diese einen Kaufvertrag geschlossen haben. Außerdem bestehen vielfach Ausfallregelungen, die dann eingreifen, wenn eine individuelle Normsetzung nicht erfolgt oder fehlgeschlagen ist. So gilt etwa bei einem fehlenden oder fehlerhaften und daher ungültigen Testament die gesetzliche Erbfolge. Die Gültigkeit des Testaments, also die rechtliche Beachtlichkeit einer Willensäußerung für den Todesfall, bestimmt sich wiederum nach den entsprechenden Befugnisnormen der Testierfreiheit, also der §§ 1937 ff BGB. Gemeinsam ist allen Normsetzungsbefugnissen, daß sie die Voraussetzungen dafür festlegen, daß und wie eine neue Norm zustandekommt und in die Rechtsordnung integriert wird, d. h. als Rechtsnorm gilt.

124

Der Satz, daß das Subjekt S eine

Normsetzungsbefugnis hat, bedeutet: S kann rechtlich geltende Normen schaffen. Die Grundstruktur 125 einer Befugnisnorm läßt sich so beschreiben:126

123

Vgl. § 2 Abs. 1 iVm § 11 BSHG. 124 vgl. d e n Begriff der "Kompetenz" (in Abgrenzung zu "Rechten auf etwas" und "Freiheiten") bei R. Alexy, Grundrechte, 212. 125

Es gibt weitergehende Rekonstruktionsversuche, mit Hilfe des Instrumentariums der deontischen Logik eine Formalisierung von Befugnisnormen zu erreichen, so etwa die Arbeit von L. Lindahl, Position and Change. A Study in Law and Logic, Dordrecht / Boston 1977. Sie bedürften jedoch zu ihrer Einführung eines erheblichen Aufwandes an

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

123

Äußert das befugte Subjekt S unter Beachtung aller Voraussetzungen und Grenzen der Befugnis Β (und mit Handlungsbewußtsein und Normsetzungswillen) den Normsatz "N", dann erlangt die durch ihn verkörperte Norm Ν Geltung im Rahmen der Rechtsordnung, der Β angehört.

b) Das befugte Subjekt

Es existieren grundsätzlich zwei verschiedenartige Subjekte, die zur Normsetzung befugt sein können, nämlich das Individuum und die Allgemeinheit. Individuen in diesem Sinne sind zunächst natürliche Personen, aber auch juristische Personen oder andere, nicht rechtsfähige Verbände oder Zweckvermögen. Mit "Allgemeinheit" ist demgegenüber das staatliche Gemeinwesen gemeint, das sich allerdings auf verschiedenen Ebenen präsentiert, als Kommune oder Land, Bundes- oder Zentralstaat. Diesem Dualismus der zur Normsetzung befugten Subjekte entspricht die funktionale Komplementarität

der verschiedenen Normsetzungsbefugnisse, d. h. der subjek-

tiven Rechte und der Kompetenzen. Im Idealfall ist jede rechtliche Normsetzungsbefugnis genau einem Subjekt zugewiesen, und zwar entweder dem Individuum oder der Allgemeinheit.127 logischer, d. h. syntaktischer und semantischer, Formalisierung, der in keinem Verhältnis zu ihrem Erkenntnisgewinn für den Gegenstand dieser Studie steht, zumal die Leistungsfähigkeit der formalen deontischen Logik derzeit ohnehin als relativ gering eingeschätzt werden muß. Aus diesen Gründen wird hier auch um der Lesbarkeit der vorliegenden Studie willen auf eine detaillierte Darstellung von und Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen verzichtet. 126 Vgl. die von D.W.P. Ruiter, Institutional Legal Facts, Dordrecht 1993 (dt.: Institutionelle Rechtstatsachen, Baden-Baden 1995), auf der Basis der Sprechakttheorie entwickelte formale Struktur der Kompetenznormen, 93 et passim; D. N. MacCormick, Das Recht als institutionelle Tatsache, in: ders. / O. Weinberger, Grundlagen des institutionalistisehen Rechtspositivismus, Berlin 1985, 76-107 (95). 127

S. auch//. Schambeck, Die Kompetenzzuteilung als rechtsphilosophisches Problem, Rth 16 (1985), 163-179, 167: "Die Kompetenzzuteilung konstitutiert ein rechtliches Können und Dürfen innerhalb der Staatsorganisationsvorschriften und korrespondiert geradezu zu den Grundrechten des Einzelnen, sei es der physischen oder juristischen Person. Die Freiheit, garantiert durch die Grundrechte, begründet in Verbindung mit den Kompetenzzuteilungen die Möglichkeiten und Pflichten des Staates; in einer Verfassungsordnung müßten die Grundrechte und die Kompetenzzuteilungen geradezu komplementär sein."

124

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Natürliche Personen üben ihre Normsetzungsbefugnisse in der Regel selbst aus, aber auch wie juristische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts durch rechtsgeschäftlich bestellte oder gesetzliche Vertreter. Insbesondere der Staat, aber auch juristische Personen allgemein bedürfen ihrer Organe zur Bildung und Äußerung eines Willens, also zur Normsetzung. Insofern findet zumeist eine Delegation einzelner Normsetzungsbefugnisse auf verschiedene Organe statt; möglich ist aber auch die "Generalbevollmächtigung" eines einzigen Organs. Es ist gerade bei staatlichen Gliederungen jedoch keineswegs so, daß eine solche selbst eine umfassende Normsetzungsbefugnis erhält oder beansprucht, die sie dann auf von ihr zu schaffende Organe oder Organisationseinheiten arbeitsteilig verteilt, so daß lediglich von einer Delegation der Ausübung ihrer Befugnisse, also einer Art Vertreterbestellung, die Rede sein könnte. Vielmehr ist die Organisation von den Organen nicht zu trennen, die eine ohne die anderen juristisch undenkbar. Das bedeutet, daß die wichtigsten Befugnisse bereits mit der Konstitution des Verbandes selbst auf mindestens ein Organ entfallen, das dann weitere Organisationsregelungen treffen kann. Daher ist die gängige Formulierung nicht unproblematisch, die sich im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Organstreitigkeiten als besonders folgenschwer erwiesen hat, nämlich daß die Befugnisse der juristischen Person von ihren Organen lediglich wahrgenommen oder ausgeübt werden. Da eine juristische Person und zumal ein Staat ohne Organe nicht nur handlungsunfähig wäre, sondern praktisch nicht existierte, gibt es kein Subjekt jenseits der Organebene, das Träger einer Normsetzungsbefugnis sein könnte. In diesem Zusammenhang weist zum Beispiel Hoppe auf einen seiner Ansicht nach großen Unterschied zwischen dem sogenannten Außen- und dem Innenrechtskreis mit den ihnen zuzuordnenden Figuren des subjektiven Rechts und der Kompetenz hin: Während die strukturierende Funktion des subjektiven Rechts im Außenrechtskreis überwiegend darin bestünde, Rechtssphären voneinander abzugrenzen, sei der Kompetenzverteilung im Innenbereich vorwiegend die Aufgabe der Zusammenordnung von Willenskräften eigen. 128 Diese vermeintliche Differenz erweist sich jedoch bestenfalls als Schwerpunktverschiebung. Eine Zusammenordnung im Innenbereich wird nur dadurch erforderlich, daß überhaupt eine Ab-

128 NJW 1980,1021. Hoppe wendet sich an dieser Stelle zu Recht und mit Nachdruck gegen die Ansiedlung von Partikular- oder Individualinteressen bei den derart zusammengeordneten Organen.

II. Normtheoretische Rekonstruktion rechtlicher Befugnisse

125

grenzung erfolgt ist — erst dann ist die Koordination der zuvor voneinander geschiedenen Bereiche notwendig und möglich. Richtig ist, daß die Koordinationsfunktion im Innern einer Organisation wichtiger ist als zwischen den individuellen Subjekten im Außenrechtskreis. Dennoch besitzen beide Arten von Normsetzungsbefugnissen, das subjektive Recht und die Kompetenz, sowohl die Funktion der Abgrenzung als auch die der Zusammenordnung, wenngleich in durchaus unterschiedlicher Gewichtung. Ihre parallele Struktur wird dadurch noch unterstrichen.

c) Die Befugnis zur Normsetzung

Schließlich unterscheiden sich die Befugnisse nach Art und Umfang. Letzterer gibt die Menge der potentiell zu setzenden Normen 129 und den Kreis der möglichen Normadressaten an, 1 3 0 vor allem aber die Voraussetzungen der Normsetzungsbefugnis sowie das dabei einzuhaltende Verfahren. Die Art der Befugnis richtetsich nach den für die Normsetzung maßgeblichen Interessen: Prinzipiell kann die Normsetzung im partikularen

Eigeninteresse des Normgebers oder eines Dritten erfolgen

oder aber im Allgemeininteresse

131

.

Somit ist der Begriff der Normsetzungsbefugnis deutlich umfassender als der etwa der verwaltungsrechtlichen Wahrnehmungszuständigkeit. Er erschöpft sich nicht in der Bezeichnung eines befugten Subjekts, sondern enthält sämtliche Elemente der Rechtmäßigkeit einer Normsetzung. Die rechtstheoretische Literatur betont den Umstand, daß die Existenz oder Geltung der Normsetzungsbefugnis das Kriterium der Geltung der gesetzten Norm darstellt. Das bedeutet, daß die Normsetzungsbefugnis notwendige und grundsätzlich hinreichende Bedingung für die rechtliche Geltung der gesetzten Norm ist. Umgekehrt läßt sich sagen, daß jede gerichtliche oder sonstige rechtliche Überprüfimg einer Norm in dem hier verwendeten weiten

129 Vgl. Buchers Begriff der potentiellen Pflichten, die durch die Ausübung des subjektiven Rechts aktualisiert werden können, Normsetzungsbefugnisse, 8. 130 Diese Elemente werden in der rechtstheoretischen Literatur zumeist unter die Stichworte "liability" oder "Subjektion" gefaßt. Es handelt sich um das Korrelat der Befugnis auf Seiten der Normadressaten, nämlich deren Unterworfenheit unter die Rechtsmacht des zur Normsetzung Befugten (vgl. oben Punkt 1 dieses Abschnitts). 131

Dazu näher u. Abschnitt III.

126

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Sinne das Vorliegen oder Fehlen der entsprechenden Normsetzungsbefugnis betrifft. Sei es die Prüfung eines Vertrages durch ein Zivilgericht oder die eines Verwaltungsakts durch ein Verwaltungsgericht, stets wird festgestellt, ob die entsprechenden Erklärungen in der korrekten Form von einer dazu befugten Stelle im Rahmen ihrer Rechtsmacht abgegeben oder publiziert wurden, ob dabei die Grenzen der Befugnis in Form von Beschränkungen etwa der Geschäftsfähigkeit oder der örtlichen Zuständigkeit eingehalten wurden und so weiter. Diese jeweiligen Prüfschemata sind der Verwaltungsrechtsdogmatik vertraut. 132 Ungewohnt und möglicherweise befremdlich wirkt der rechtstheoretisch verankerte Satz, daß sich danach jede gerichtliche oder sonstige rechtliche Überprüfung als Normenkontrolle darstellt, die stets die Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen einer Norm untersucht, und zwar in Form der entsprechenden Normsetzungsbefugnis. Auf der Ebene dieser formalen Betrachtungsweise ergibt sich noch kein wesentlicher Unterschied zwischen der Überprüfung der Kündigung eines Mietvertrages, der Erteilung einer Baugenehmigung oder der Verabschiedung eines Steuergesetzes. Differenzen erscheinen erst auf der Ebene des positiven Rechts, das Regelungen über die verschiedenen Zweige der Gerichtsbarkeiten, Zuständigkeiten und Verfahren trifft. Insbesondere unterscheiden sich auf der formalen Ebene die klageweise Anfechtung eines Verwaltungsakts und die Organklage gegen einen potentiell kompetenzverletzenden Innenrechtsakt eines anderen Organs nicht. Es geht jeweils um die Frage, ob ein normsetzend tätig gewordenes Subjekt zur Setzung dieser Norm befugt war und ob diese Norm deshalb rechtlich gilt. Die rechtstheoretisch kurz als Normsetzungsbefugnis zusammengefaßten Voraussetzungen für die Setzung einer geltenden Norm sind im positiven Recht zumeist durch ein relativ kompliziertes Geflecht von Einzelregelungen ausgedrückt, die jedoch von den bekannten Prüfschemata erfaßt werden und die eben das befugte Subjekt sowie Art und Umfang der Normsetzungsbefugnis festlegen. Das hat zur Folge, daß sich nur sehr selten, wenn überhaupt, eine Normsetzungsbefugnis in der hier verwendeten Terminologie mit genau einer positivrechtlichen Regelung eines Gesetzesparagraphen identifizieren lassen wird.

132

Vgl. etwa H. J. Wolff / Ο. Bachof / R. Stober, Verwaltungsrecht I, über die Geltungsbedingungen geschriebener Rechtsquellen, § 28 I, 304-310.

III. Normsetzung und Interessen

127

Die normtheoretische Aussage, daß der notwendige und hinreichende Grund der rechtlichen Geltung einer Norm in der Befugnis zu deren Setzung besteht, ist von Dogmatik und Praxis bereits implementiert in den dort entwickelten Schemata zur Überprüfung von beinahe allen Rechtsakten. Deshalb vertritt die vorliegende Arbeit die These, daß Organstreitverfahren relativ unproblematisch im Rahmen der VwGO möglich sind, weil sie sich unter diesem Gesichtspunkt nicht wesentlich von anderen gerichtlichen Verfahren unterscheiden. Das Instrumentarium ist vorhanden und wird von der Praxis seit Jahrzehnten in diesem Sinne angewendet. Es lassen sich aber auch Unterschiede aufzeigen, die es erlauben, bei entsprechendem rechtspolitischen Willen die Organstreitigkeiten positivrechtlich entweder ausdrücklich separat zu regeln oder gar auszuschließen. Letzteres wird zwar von der Verfasserin als zweckwidrig abgelehnt, ist aber auf der Basis des analytischen Befundes dieser Arbeit durchaus möglich.

ΙΠ. Normsetzung und Interessen Vielfach von größerer Bedeutung als das befugte Subjekt sind die bei der Normsetzung maßgeblichen Interessen: Handelt es sich dabei um die partikularen Interesse des Normgebers oder eines Dritten oder um das Allgemeininteresse? Es geht hier nicht um die empirische Frage, ob eine gesetzte Norm dem (wohlverstandenen) Interesse des Normgebers dient, sondern um die analytische Frage nach Art und Umfang der Normsetzungsbefugnis bzw. normativ betrachtet darum, welches Interesse die Normsetzung bestimmen oder beschränken soll. Allerdings bedarf der Begriff des Interesses einer Konkretisierung, wenn er sich auch möglicherweise nicht im klassischen Sinne definieren läßt. 133 Wiederum ist auf die bloße Formalität des "Interesses" zu verweisen. Denn eine klare Trennlinie nach inhaltlichen, substantiellen Gesichtspunkten läßt sich zwischen individuellem

133

Einen guten Überblick über Bedeutungen und Ansehen des Interessenbegriffs bietet H. Schneider, Der Interessenbegriff in historischer Perspektive, in: Interesse und Moral. Gegenpole oder Bundesgenossen, hg. von W. Schmitz / R. Weiler, Berlin 1994, 35-60, bes. 37ff mwN. Ebenda (37) findet sich auch (mit Nachweis) folgendes Zitat von Jeremy Bentham: "Interest is one of these words, which not having any superior genus, cannot in the ordinary way be defined".

128

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

oder partikularem Interesse einerseits und Allgemeininteresse andererseits ebensowenig ziehen wie zwischen privatem und öffentlichem Interesse. 134 Welches Interesse, das partikulare oder das allgemeine, eine Normsetzung bestimmt, bedeutet lediglich, wessen Zwecksetzung maßgeblich ist. Dieser hier vorgeschlagene formale Interessenbegriff wurde bereits oben in der begriffsgeschichtlichen Darstellung des subjektiven Rechts (I. 1.) eingeführt. Danach bezeichnet "das Interesse" lediglich das Verhältnis desjenigen, der sich interessiert, zum demjenigen, wofür er sich interessiert. Darin liegen zugleich die Leistungsfähigkeit des Interessenbegriffs und ihre Grenzen in der juristischen Debatte. Der Begriff "Interesse" ermöglicht eine Zwecksetzung durch das interessierte Subjekt, ohne daß diese dadurch bereits inhaltlich determiniert wäre, und die Verortung dieser Zwecksetzung im Prozeß der Rechtsentwicklung bzw. der Normsetzung. Im Falle des subjektiven Rechts und der Normsetzung im Partikularinteresse des Berechtigten liegen Norm- und Zwecksetzung in einer Hand, weshalb ihr Verhältnis oftmals nicht deutlich wird oder jedenfalls aus dem Bückfeld gerät. Bei Kompetenzen fallen beide jedoch auseinander — das ist der Effekt der Gemeinwohlverpflichtung eines Organs der öffentlichen Verwaltung. Daß es im Allgemeininteresse handeln soll, bedeutet, daß ihm die zu verfolgenden Zwecke vorgegeben werden, und zwar von der Allgemeinheit, was letztlich bedeutet: von der Politik. Allerdings wird ihm nicht schlechthin "das Allgemeininteresse" als Richtschnur gegeben, sondern bereits einzelne Aspekte des Allgemeininteresses, nämlich diejenigen, die zunächst (rechts-)politisch und dann rechtlich für seine Aufgabe und Zuständigkeit als relevant angesehen und ausgezeichnet werden. Die beiden nunmehr eingeführten Sphären des Partikularinteresses und des Allgemeininteresses scheinen wieder die traditionelle Dichotomie: subjektive Rechte

134

H. Bauer, AöR 113, 594ff, zeigt die Problematik der Abgrenzung zwischen privaten und öffentlichen Interessen unter Verweis auf deren im Zusammenhang mit der Schutznormtheorie von Anfang an erkannten Schwierigkeiten auf und vertritt die Ansicht, diese hätten sich mittlerweile eher noch verschärft, da bewußt geworden sei, daß zwischen beiden nicht nur kein notwendiger Gegensatz bestehe, sondern sie durchaus konvergieren könnten und teilweise sogar unentwirrbar miteinander verflochten seien. "Hinzu kommt, daß bei einzelnen Interessen im Lauf der Zeit Wanderungsbewegungen zwischen den Zuordnungspolen 'öffentlich' und 'privat' zu beobachten sind, daß also 'Transformationen privater in öffentlichen Interessen Interessen möglich sind und umgekehrt'." (596 mwN).

III. Normsetzung und Interessen

129

im Individualinteresse, Kompetenzen im Allgemeininteresse, zu stützen. In der Tat schlägt der hier vertretene Ansatz eine derartige Terminologie vor, ohne aber in eine starre Trennung zu münden. Vielmehr ist an dieser Stelle, um dem Problem gerecht zu werden, eine stärkere Differenzierung erforderlich, als sie bislang in der verwaltungsprozessualen Debatte um die Organstreitigkeiten vorgenommen wurde, nach der subjektive Rechte primär durch ein Individualinteresse gekennzeichnet sind, das den kompetenten Organen eigentlich fehlt und ihnen oder wenigstens einigen von ihnen nun mehr oder weniger untergeschoben werden muß. Entscheidend für eine Neuorientierung sind vor allem zwei Punkte. Zum einen erweisen sich praktisch alle Normsetzungsbefugnisse, die durch das eine Interesse bestimmt werden, als durch das jeweils andere Interesse beschränkt, so daß im Ergebnis beide Sphären nicht völlig unverbunden nebeneinanderstehen. Zum anderen fördert ein Sprachgebrauch, der nur zu oft von "Partikular Interessen" und "dem Allgemeininteresse" spricht, die irrige Vorstellung, das Allgemeininteresse stelle eine Einheit dar, der alles staatliche Handeln nicht nur grundsätzlich verpflichtet sei, sondern die in ihrer Gesamtheit auch von jedem einzelnen Akt staatlichen Handelns ohne weiteres verfolgt würde.

1. Bestimmende und beschränkende Interessen

Zu unterscheiden sind insofern nicht nur Allgemein- und Partikularinteresse, sondern auch, auf den Normsetzer bezogen, Eigen- und Drittinteressen. Jede dieser drei Interessenarten können sowohl das die Normsetzung bestimmende als auch ein sie beschränkendes Element sein. Das bestimmende Interesse ist ein Charakteristikum der Normsetzungsbefugnis und entscheidendes Kriterium für ihre Einordnung als subjektives Individualrecht oder als Organkompetenz.135 Das oder die beschrän-

135 In diesem Sinne unterscheidet auch U. K. Preuß, Die Internalisierung des Subjekts, Frankfurt/Main 1979, 89, zwischen subjektiven Rechten als der Befugnis, nach Gutdünken über den vom Recht eingeräumten Wirkungskreis zu verfugen, und Kompetenzen als einer Befugnis, die nicht im Interesse des Befugten, sondern eines Dritten, bei staatlichen Organen der Allgemeinheit, auszuüben seien. Allerdings verkennt Preuß die emanzipatorische Kraft bereits der Form subjektiver Berechtigung, die er offenbar für verzichtbar hält, denn "geglückte" Regelungen objektiv-rechtlicher Art schützen sei9 Buchwald

130

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

kenden Interessen betreffen den Umfang der Befugnis und setzen ihr Grenzen, indem sie bestimmte Normen aus der Menge der zulässig setzbaren Normen ausschließen oder andere Voraussetzungen für die Normsetzung statuieren. Dieses Zusammenwirken von bestimmendem und beschränkendem Interesse bei jeder Normsetzung ist für die hier vertretene Konzeption von fundamentaler Bedeutung, weil es die strukturelle Parallelität

und funktionale

Komplementarität

der verschiedenen Norm-

setzungsbefugnisse gewährleistet und damit den scheinbar unüberbrückbaren Widerspruch aufhebt, der den anderen Stellungnahmen, wie sie im Abschnitt B. referiert werden, zugrundeliegt. Denn die Vertreter der Interessentheorien zum Organstreit gehen alle davon aus, daß subjektive Rechte immer und ausschließlich auf einem Individualinteresse beruhen, während Kompetenzen den Organen nur im Hinblick auf das Allgemeininteresse verliehen werden. Die Klagbarkeit von Kompetenzen als solche soll ausgeschlossen sein, es sei denn, man könne einzelnen Organen auch ein Individualinteresse nachweisen. Allerdings ist dieser Nachweis am Mangel klarer Kriterien, wann das der Fall ist und wann nicht, gescheitert. Hier soll dagegen gezeigt werden, daß beide Interessen bei jeder Normsetzungsbefugnis eine Rolle spielen, so daß sich ein spiegelbildliches, komplementäres und kein Stufenverhältnis zwischen beiden Befugnisarten ergibt. Darüber hinaus werden aber auch mit der Kompetenzzuweisung an einzelne Organe nicht nur Willens-, sondern auch Interessensphären abgegrenzt, indem keineswegs jedem Organ "das Allgemeininteresse" als Maßgabe gesetzt wird, sondern gezielt Aspekte des Allgemeininteresses bestimmten Organen besonders anvertraut werden. Das erfolgt aber nicht etwa nur zugunsten einer funktionierenden Arbeitsteilung, sondern entspricht auch der pluralistischen Struktur des Allgemeininteresses.

a) Das bestimmende Interesse

Besonders in bezug auf das die Normsetzung bestimmende Interesse wird einmal mehr der formale Charakter des Interessenbegriffs deutlich. Denn das bestimmende Interesse wird in der Befugnisnorm nicht etwa inhaltlich determiniert, vielmehr wird ner Ansicht nach bereits als solche die Interessen und Bedürfnisse der Individuen und ermöglichen deren Entfaltung im gesellschaftlichen Zusammenhang (135).

III. Normsetzung und Interessen

131

benannt, wer die Definitionsmacht über das Interesse hat, ein Individuum oder das Gemeinwesen. So kann ein Kunstsammler etwa sein Eigentum der Öffentlichkeit zugänglich machen, indem er es einem Museum zur Verfügung stellt. Geschieht dies in Form einer Verfügung, so erfolgt eine Normsetzung durch ihn, und sie kann ausschließlich von einem starken Wunsch, für das "Allgemeinwohl" tätig zu werden, motiviert sein. Die Normsetzungsbefugnis aus § 903 BGB ermöglicht ihm, nach eigener Zwecksetzung, also im Partikularinteresse zu handeln. Das heißt jedoch nicht, daß er sich deshalb eigennützig verhalten müßte, sondern lediglich, daß allein er über seine Motive und Zwecke entscheiden kann. Diese können außerordentlich gemeinnützig sein, müssen es aber nicht. Die Definitionsmacht darüber, was in seinem Interesse ist, liegt bei ihm. Dasselbe gilt für das Allgemeininteresse,

das nicht darum ein solches ist, weil

immer alle gleichmäßig davon profitieren oder darin berücksichtigt werden, sondern weil die Definitionsmacht darüber beim Gemeinwesen liegt. 136 Dieses kann sich bestimmten Grundsätzen verpflichten oder bestimmte Zwecke fördern, die unter Umständen sogar und relativ häufig in dem Schutz von Minderheiten oder der Förderung einzelner bestehen werden. Ließe sich abstrakt auszeichnen, was genau unter dem Allgemeininteresse zu verstehen ist, gäbe es darüber keine Meinungsverschiedenheiten mehr. Tatsächlich aber besteht Politik, die Lehre vom Gemeinwesen, in der ständigen Auseinandersetzung über das Allgemeininteresse, seinen Inhalt und seine Grenzen. 137 Ist das Allgemeininteresse bestimmend bei der Normsetzung, so ist damit noch wenig über die konkreten Zwecke gesagt, viel jedoch darüber, wer (und in welchem Verfahren) diese Zwecke setzen darf. Dieser Gesichtspunkt spielt für die Behandlung von subjektiven Individualrechten und staatlichen Organkompetenzen eine wichtige Rolle, da hierin ihr wesentlicher Unterschied liegt, der unter dem Begriff der Verantwortlichkeit noch zu erläutern ist. Dieser Punkt, daß nämlich das "Interesse" in jedem Fall nur einen Platzhalter für die noch zu erfolgende oder auch vorgegebene Zwecksetzung im Rahmen einer 136

Vgl. P. Häberle, Die Gemeinwohlproblematik in rechtswissenschaftlicher Sicht, Rth 14 (1983), 257-284 (262): "Abgeordnete und Parlament haben gerade die Aufgabe, im Rahmen der Verfassung ... über das Gemeinwohl, über des Ausgleich pluraler öffentlicher und privater Interessen zu befinden: Die pluralistische Demokratie lebt davon, daß auf der Gesetzgebungsebene die Gemeinwohlfrage prinzipiell offen ist." 137 Vgl. auch M. Stolleis, Gemeinwohl und Minimalkonsens. Öffentliche und private Interessen in der Demokratie, Aus Politik und Zeitgeschichte 1978, B3, 37-45 (42ff).

132

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Normsetzungsbefugnis darstellt, ist für die These dieser Arbeit, daß Kompetenzen und subjektive Rechte grundsätzlich klagefähige Befugnisse sind, außerordentlich wichtig. Damit ist der vermeintlich fundamentale Unterschied zwischen den Kompetenzen zur Förderung des Allgemeininteresses und den subjektiven Rechten zur Wahrnehmung der individuellen Interessen relativiert, wenn nicht aufgehoben. Das die Normsetzung bestimmende Interesse, im einen Fall das Allgemeininteresse, im anderen das Partikularinteresse, bezeichnet jeweils nur die zur konkreten Zweckbestimmung zuständige Instanz, nämlich entweder das Gemeinwesen oder den einzelnen. Damit sind weder die effektiven Nutznießer einer (zu treffenden oder getroffenen) Regelung genannt noch wird ein Wertungsverhältnis beschrieben, daß das Allgemeininteresse per se die Partikularinteressen überwiege. Im Interessenbegriff sind die Freiheit und die Gebundenheit des befugten Subjekts enthalten,138 indem es entweder selbst Zwecke setzen darf oder aber der Zwecksetzung durch andere unterworfen und ihnen gegenüber verpflichtet ist.

b) Die beschränkenden Interessen

Die Beschränkungen der Normsetzung kommen in unterschiedlicher Form zur Geltung, etwa als Schutz-, Verfahrens- und Formvorschriften oder als Generalklauseln, aber auch als Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm und, das ist im Hinblick auf die staatlichen Kompetenzen der wichtigste Fall, als Grundrechte der Bürger gegenüber dem Staat. So kennt das Grundgesetz ein Partikularinteresse, das kein noch so schwerwiegendes Allgemeininteresse völlig überwinden könnte, nämlich die Menschenwürde. In der Rechtsordnung der Bundesrepublik ist auch die denkbar umfassendste Kompetenz eines Staatsorgans immer wenigstens durch dieses eine Partikularinteresse 139 beschränkt. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit,

138

Diese Offenheit des Interessenbegriffs und seine gerade dadurch bedingten freiheitlichen Implikationen betont auch H. Schneider, Interessenbegriff, 5 3 ff. 139 Daß es sich um ein Partikularinteresse im hier verwendeten Sinne handelt, ist dem Menschenwürdebegriff des Art. 1 Abs. 1 GG inhärent, denn mit seiner Interpretation gemäß der Mensch-Zweck-Formel wäre es unvereinbar, wenn der Staat oder die Allgemeinheit darüber befinden würde, was die Würde des Menschen und die damit verbundenen Motive der einzelnen Persönlichkeit sind. Die Definition der Menschenwürde ist eine kulturelle und gesellschaftliche Aufgabe aller Individuen.

III. Normsetzung und Interessen

133

dem jede staatliche Maßnahme gerecht werden muß, ist eine Verankerung des Gebots zur Berücksichtigung von partikularen Bürgerinteressen und als solche eine Beschränkung der Kompetenz durch Gesichtspunkte des Partikularinteresses, die im Falle der Nichtbeachtung zur Kompetenzüberschreitung führt. 140 Beschränkung ist jedoch keineswegs typisch nur für staatliche Organkompetenzen. Auch im Zivilrecht, dem Hort der Privatautonomie, sind allen subjektiven Rechten Grenzen gesetzt durch Gesichtspunkte des Schutzes Dritter oder der Allgemeinheit. So ist beispielsweise die Befugnis eines Vermieters aus seinem Eigentumsrecht und der Privatautonomie deutlich eingeschränkt durch Mieterschutzvorschriften, zu denen bau- und feuerpolizeiliche Regelungen und viele mehr hinzutreten. Jede privatrechtliche Normsetzung durch Rechtsgeschäft unterliegt der Einschränkung des § 138 BGB, derzufolge es bei einem Verstoß gegen die guten Sitten nichtig ist. Nichtigkeit ist die typische Rechtsfolge einer Überschreitung des rechtlichen Könnens. Damit wird nicht etwa ein Verbot ausgesprochen, dem das privatautonome Subjekt zuwiderhandeln mag, sondern seiner Normsetzungsbefugnis eine Grenze gesetzt, die es rechtlich nicht überschreiten kann. Eine unbeschränkte rechtliche Normsetzungsbefugnis existiert also innerhalb einer Rechtsordnung nirgends, so daß der Unterschied zwischen den einzelnen Arten der Befugnisse nicht darin besteht, daß einige, nämlich die Kompetenzen der Organe, beschränkt wären und andere, nämlich die subjektiven Rechte der Individuen, nicht.

2. Die Vielgestaltigkeit des Allgemeininteresses Der Vielzahl von Partikularinteressen steht die Vielgestaltigkeit des Allgemeininteresses gegenüber. Der Begriff des Allgemeininteresses141 ist in zweifacher Hin-

140

Dies gilt grundsätzlich auch bei Ermessensentscheidungen, da die Nichtberücksichtigung relevanter Gesichtspunkte die Abwägung fehlerhaft macht. 141 H. Kelsen beispielsweise geht sogar so weit, dessen Existenz zu leugnen: "Es gibt eben überhaupt kein 'Gesamtinteresse', sondern immer nur Gruppeninteressen, die auf irgendeine Weise die staatliche Macht, den Staats willen für sich gewinnen", denn er hält es für "eine Selbstverständlichkeit, daß jeder Mensch subjektiv nur im eigenen Interesse tätig sein kann, wenn auch objektiv seine Tätigkeit anderen zugute kommen mag; ja, als Mittel kann das Interesse des anderen oder der Gesamtheit vom einzelnen immerhin zum Gegenstande seiner Tätigkeit gemacht werden, niemals aber als letzter Endzweck, da dieser nur im eigenen Ich liegt." Hauptprobleme, 479, 478.

134

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

sieht pluralistisch. Die äußere Pluralität ergibt sich aus der Mehrheit von Anknüpfungspunkten für "Allgemeinheit", also der Vielzahl von innerstaatlichen, staatlichen, zwischen- und überstaatlichen Gliederungen in der Horizontale und in der Vertikale, synchron und diachron. Insofern kann von dem Allgemeininteresse immer nur unter Bezugnahme auf ein bestimmtes Subjekt der Allgemeinheit, auf ein bestimmtes Gemeinwesen gesprochen werden. 142 Die innere Pluralität des Allgemeininteresses bezeichnet nicht bloß die Summe der aufgehobenen Partikularinteressen, sondern die vielen normativ oder politisch oder kulturell oder vor allem sozial relevanten Aspekte, die im Rahmen des Allgemeininteresses zu berücksichtigen und miteinander in Einklang und zum Ausgleich zu bringen sind.143 Beispielhaft sollen hier nur einige angeführt werden, etwa das Interesse an natürlichen Lebensgrundlagen, an wissenschaftlichem Fortschritt, an wirtschaftlichem Wachstum, an der Entfaltung der individuellen Fähigkeiten, an moralischer Integrität, an gesellschaftlicher Homogenität, an kultureller Vielfalt, an persönlicher Freiheit, an gleicher Teilhabe, an der Unterstützung Schwacher, an der Förderung von Begabungen, am Erhalt des Gemeinwesens usw. Alle diese durchaus potentiell oder aktuell konfligierenden Aspekte bezeichnen wichtige Teile des Allgemeininteresses und bedürfen der Konkretisierung und Ge-

142

So auch R.W. Trapp, Politisches Handeln im wohlverstandenen Allgemeininteresse, in: ARS Ρ Beiheft 56, Stuttgart 1994, 54-78 (60f). 143

Dieser Befund und seine Bezeichnung sind nicht neu. E. Fraenkel widmete sich bereits 1964 in seinem Festvortrag auf dem 45. Deutschen Juristentag der pluralistischen Theorie des Gemeinwohls (Verhandlungen des 45. DJT II, Β 1-29 (B8)). P. Häberle, "Öffentliches Interesse" als juristisches Problem, Bad Homburg 1970, weist auf den pluralistischen Typus von Gemeinwohlklauseln in der Gesetzgebung hin (54ff mwN) und kritisiert diesen als "Ausdruck einer Hilflosigkeit des Gesetzgebers, selbst normativ hinreichend deutlich die Gesichtspunkte herauszustellen, die solche öffentlichen Interessen sein sollen." Allerdings macht er auch die Gegenrechnung auf: Der Gesetzgeber mache deutlich, "daß er eine Vielzahl von Gesichtspunkten öffentlicher Interessen berücksichtigt sehen will. Er geht nicht mehr selbstverständlich und wie früher allzu selbstverständlich von einer geschlossenen, vorgegebenen, monistischen Gemeinwohlvorstellung aus ... Vielmehr gibt er den öffentlichen Pluralismus, in dem die res publica und er selbst stehen, offen und ehrlich zu kennen." (57) Damit sei der pluralistische Gemeinwohltatbestand ein Ausdruck der heutigen — offenen — Verfassung (60). Vgl. auch dens., Rth 14 (1983), 276, mit einem Plädoyer für die " Überlegenheit des pluralen Modells" des Gemeinwohls und dessen kooperativer Erarbeitung in der Debatte vieler Wissenschaften.

III. Normsetzung und Interessen

135

wichtung.144 Erschwert wird diese Aufgabe noch durch die Unsicherheit und Vorläufigkeit vieler Erkenntnisse im Bereich von Ökonomie, Ökologie, Ethik, Psychologie, Medizin, Soziologie, Politologie und anderen einschlägigen Wissenschaften, letztlich also durch die Begrenztheit menschlicher Erkenntnis- und Handlungsfähigkeit. Die Kompetenzordnungen moderner Verfassungsstaaten tragen sowohl der inneren als auch der äußeren Pluralität des Allgemeininteresses Rechnung, indem sie nicht nur eine hierarchische Staatsorganisation und die Trennung der Staatsgewalten vorsehen, sondern auch Aufgaben und Zuständigkeiten gewissermaßen auf "Generalisten" und "Spezialisten" verteilen, die wiederum in ein System von checks and balances, von Kontrolle und Kooperation eingebunden sind.145 Der generellen Entscheidungsmacht etwa eines Parlaments stehen, und zwar tendentiell zunehmend, Einflußmöglichkeiten von Sachwaltern ganz spezifischer Aspekte gegenüber, Kollegialorgane und monokratische Organe spielen in einem Normsetzungsverfahren verschiedene Rollen (z.B. in dem relativ komplizierten Verfahren für die Bundesgesetzgebung auf Initiative der Bundesregierung). In diesem Wechselspiel ergänzen und begrenzen sich verschiedene Kompetenzen in vielfältiger Weise. Das ist aber kein zufälliges Ergebnis praktischer Erfahrungen, sondern eine zwingende Konsequenz aus der pluralistischen Struktur des Allgemeininteresses in einem demokratischen und gewaltengliedernden Gemeinwesen. Nach Auffassung Bethges trifft dies jedoch nur auf den Bereich der Selbstverwaltung und nicht auf die gesamte staatliche Organisation zu. Das "Strukturprinzip eines Verhältnisses von 'checks and balances' prägt ... keinesfalls durchgängig die öffentliche Verwaltung. Für den weiten Raum der staatsunmittelbaren Verwaltung z.B.... ist im Hinblick auf das interdependente Verhältnis der Organe kein Interessenpluralismus und -partikularismus, sondern ein spezifischer Inter-

144 145

S. R.W. Trapp, ARSP Beiheft 56, 74.

Vgl. dazu C. F. v. Gerber, Öffentliche Rechte, 47: "Alle öffentlichen Rechte haben ihren Grund, ihren Inhalt und ihr Ziel im Staatsorganismus, in welchem der Volkswille in seiner Richtung auf die Vollendung des Gemeinlebens realisirt werden soll. Seine Lebensfähigkeit beruht auf der Möglichkeit der freien Ausübung jener Rechte, deren Innehaben die Eigenschaft eines lebendigen Glieds derselben begründet. Die Lebensäußerung des Staats geschieht durch sehr mannigfaltig gestaltete Glieder, die in verschiedenen Sphären und mit verschiedenen Mitteln für ein gemeinschaftliches Ziel wirken."

136

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

essenmonismus symptomatisch. ... Dieser Raum der staatsunmittelbaren Verwaltung kennt aber in der Regel keine Interessendivergenzen, die es rechtfertigen oder gar erforderten, den bei verschiedenen Organen und Behörden domizilierten Rechtsmachtpositionen zum Rang klagbarer subjektiver öffentlicher Rechte zu verhelfen." 146 Dem läßt sich die zutreffende Beobachtung Albert Bleckmanns entgegenhalten, daß es darauf ankomme, "aufgrund der Kompetenzbestimmungen und der Entscheidung über die Verteilung der Interessen zwischen den verschiedenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts festzustellen, welche Organe des Staates i.w.S. für diese Interessendurchsetzung im konkreten Fall zuständig sind." 147 Zwar trifft die prinzipielle Gemeinwohlverpflichtung jede Form öffentlicher Verwaltung, doch sind einzelnen Organen oder Funktionsträgern in der Regel ganz bestimmte Aspekte zur besonderen Beachtung und Durchsetzung anvertraut, weil es "das Allgemeininteresse" oder selbst "das Staatsinteresse" nicht —jedenfalls nicht in eindeutig erkennbarer Weise — gibt. Das jeweilige Gemeinwesen setzt sich spezifische Zwecke, die zu verfolgen es einzelnen seiner Organe zur Aufgabe macht. Die ohnehin auch von ihren Befürwortern nicht trennscharf zu ziehende Abgrenzung zwischen "allgemein-öffentlichen" und "Partikularinteressen", von denen erstere von staatsunmittelbaren Verwaltungsorganen und letztere von bestimmten Selbstverwaltungsorganen verfolgt würden, 148 ist unergiebig, denn niemand kann abschließend definieren, worin das öffentlich-allgemeine Interesse besteht. Die interne Aufgabenverteilung ist keineswegs nur funktionalen Erwägungen zu verdanken, sondern entspricht der Struktur des Allgemeininteresses. Es handelt sich dabei um einen Sammelbegriff, die Vielfalt dessen, was ein Gemeinwesen sich zum Zweck gesetzt hat. Insofern kann von einem "Interessenmonismus" auch in der staatsunmittelbaren Verwaltung keine Rede sein. 149

146

DVB1 1980, 313.

147

Nochmals: Subjektive öffentliche Rechte des Staates, DVB1 1986, 666-667,

(667). 148 So die Unterscheidung Λ Bleutges, Kommunalverfassungsstreit, 87, der sich H. Bethge ausdrücklich anschließt. 149

In diesem Sinne weist auch E.-W. Böckenförde, Organ,301f, auf den integrativen Effekt hin, "wenn eine bestimmte Behörde innerhalb der Verwaltung für den ihr zugewiesenen Kompetenzbereich nicht nur als zuständiges Handlungssubjekt eingesetzt wird, sondern auch als eigenständiger Sachwalter derart, daß sie das in ihrem Aufgabenbereich verkörperte öffentliche Teilinteresse, damit es sich im Handlungs- und

III. Normsetzung und Interessen

137

Richtig ist dagegen die Beobachtung, daß das staatliche Handeln hierarchisch geordnet ist, wenn es lediglich "um den Vollzug des im Binnenbereich gebildeten Willens geht." 150 Deshalb kommt es nicht auf die Art der Verwaltung an, sondern auf die Teilhabe eines Funktionsträgers an dem Willensbildungsprozeß innerhalb der Verwaltung: "Soweit eine Rechtsposition des Innenrechts den Einfluß eines Funktionsträgers auf die Willensbildung sicherstellt, gewährleistet sie die Einbringung der durch den Funktionsträger repräsentierten Belange" und verleiht ihm "Rechtsdurchsetzungsmacht",151 also eine Normsetzungsbefugnis gegenüber den anderen am Willensbildungsprozeß beteiligten Organen.

3. Verantwortlichkeit als Abgrenzungskriterium

Die Normsetzungsbefugnis wird durch das die Normsetzung bestimmende Interesse charakterisiert. Als Abgrenzungskriterium zwischen der Normsetzung in Verfolgung von Aspekten des Allgemeininteresses oder von Partikularinteressen dient der Begriff der Verantwortlichkeit 152 im Sinne einer Verpflichtung zur Rechenschaft. 153 Dies wird häufig so ausgedrückt, daß Kompetenzen staatlicher Organe nicht eigentlich Berechtigung, sondern Verpflichtung seien oder daß das doch jedenfalls — im Gegensatz zu subjektiven Individualrechten — immer auch ihr Charakter sei. Es lassen sich aber auch Normsetzungsgebote im Bereich des Privatrechts nachweisen, so daß der spezifische Unterschied ein anderer sein muß.

Entscheidungsprozeß der Verwaltung voll artikuliert, gegenüber anderen Handlungssubjekten und Entscheidungsträgem auch als eigene Rechtsposition und damit gerichtlich geltend machen kann." Allerdings spricht er sich entschieden gegen die Bezeichnung von Kompetenzbereichen als subjektive Rechte der Organe aus. 150 F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner / R. Wahl / Schütz, Rn 95 zu § 42 Abs. 2 VwGO. 151 152

Ebenda, Rn 96.

Eine umfassende Analyse der "Verantwortung als Staatsprinzip" in einem sehr viel weiteren begrifflichen Rahmen als dem hier verwendeten enthält die gleichnamige Studie Ρ. Saladins, Bern / Stuttgart 1984. Insbesondere im 2. Teil "Staat und Verantwortung morgen" (97ff) befaßt sich der Autor mit der Verantwortung des modernen westlichen Rechtsstaats für die Erfüllung seiner Aufgaben, deren Katalog (118ff) deutlich an die oben angeführten Aspekte des Allgemeininteresses erinnert. 153 Vgl. g Bucher, Normsetzungsbefugnis, 56 mit Fn 1, 71 mit Fn 14.

138

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Bereits Carl Friedrich von Gerber weist daraufhin, öffentlich Befugnisse seien so auszuüben, wie sie "ausgeübt sein wollen", nämlich im Sinne der Bedürfnisse der Allgemeinheit.154 Dies gelte auch für das Herrschaftsrecht des Monarchen: "Der König handelt nicht als Individuum, sondern ... mit dem Bewußtsein, daß das Volk in ihm Persönlichkeit erhält, also als oberstes Glied des Organismus ... Darin liegt eine Schranke für das Handeln des Königs; es ist damit ausgesprochen, daß es ein Kriterium giebt, zu entscheiden, ob ein Akt der königlichen Gewalt rechtsgültig sei, oder nicht (oder genauer: ob in diesem Falle und in dieser Form der Wille des Königs als der allgemeine Wille gelten kann)."155 Einen demgegenüber formaleren Begriff der Verantwortlichkeit verwendet in diesem Zusammenhang Walther Burckhardt 156 , der damit den Umstand bezeichnet, daß mit der Kompetenz eines staatlichen Organs zugleich die Obliegenheit zu deren Ausübung verbunden ist. Einer vergleichbaren Bindung unterlägen auch die Organe eines privatrechtlichen Verbandes. 157 Subjektive Rechte stellen Befugnisse zur Normsetzung im Individualinteresse dar, Kompetenzen zur Normsetzung im Allgemeininteresse. Während die Wahrnehmung eines subjektiven Rechts insofern unverantwortlich, autonom, frei, ganz der Willkür des Berechtigten anheimgestellt ist und rechtlich nicht unter dem Gesichtspunkt einer Verfehlung des bestimmenden individuellen Eigeninteresses kritisiert werden kann, 158 unterliegt die Ausübung einer Kompetenz durch ein Staatsorgan gerade in dieser Hinsicht nicht nur politischer, sondern eben auch rechtlicher Kontrolle. 159 Das bedeutet, daß eine fehlerhafte oder offensichtlich unvollständige

154

Öffentliche Rechte, 32. Ebenda, 55f. Diese Grenze gilt auch für die Kompetenzausübung durch Beamte, die als Vertreter des Monarchen zu betrachten sind, vgl. ebenda, 70f. 155

156

Methode und System des Rechts, Zürich 1936.

157

Ebenda, 190f.

158

Dem steht nicht entgegen, daß etwa K.-H. Fezer das subjektive Privatrecht als "eine Konkretion verantworteter Teilhabe" bezeichnet (Teilhabe, 365). Er weist an dieser Stelle lediglich darauf hin, daß die Selbstverantwortung ein wichtiges Element des subjektiven Rechts und seiner Ausübung darstellt, wendet sich aber ausdrücklich gegen Ansätze, die eine Art Sozialpflichtigkeit des subjektiven Rechts befürworten (366). 159 Vgl. H. Coing , Zur Geschichte des Begriffs "Subjektives Recht", in: ders., Gesammelte Aufsätze zu Rechtsgeschichte, Rechtsphilosophie und Zivilrecht 1947-1975, Band I, Frankfurt aM 1982, 241-262: "Der Gedanke des subjektiven Rechts bringt zum

IV. Arten von Normsetzungsbefugnissen

139

Berücksichtigung und Durchsetzung des Allgemeininteresses oder seiner Einzelaspekte die Normsetzung insgesamt fehlerhaft oder ungültig machen kann. Gerade die Lehre vom Ermessen und seiner rechtmäßigen Ausübung durch die Verwaltung macht dies deutlich, aber auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit von Gesetzen mit objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten und Staatszielbestimmungen.

IV. Arten von Normsetzungsbefugnissen Zwischen den beiden dogmatischen Grenzpunkten der subjektiven privaten Rechte und der staatlichen Kompetenzen160 gibt es weitere Arten von Normsetzungsbefugnissen,161 die sich strukturell unterscheiden lassen, so die subjektiven öffentlichen Rechte und die Kompetenzen von Organen privatrechtlicher juristischer Personen. Letztere können für die weiteren Überlegungen weitgehend ausgeklammert werden. An dieser Stelle ist nur festzuhalten, daß sie sich zwar nicht durch einen Bezug auf das Allgemeininteresse, aber durch ihre Verantwortlichkeit im dargelegten Sinne von Rechenschaftspflichtigkeit im Hinblick auf das Interesse der jeweiligen juristischen Person auszeichnen und von sonstigen subjektiven Rechten unterscheiden.

Ausdruck, daß dem einzelnen nicht bestimmte Befugnisse zur Erreichung bestimmter sozialer Zwecke (also 'Kompetenzen'), sondern Befugnisse zur Verwendung nach guter oder schlechter Einsicht, ja nach Gutdünken, übertragen worden sind." (258); auch die Verwendung des Kompetenzbegriffs bei E. Bucher, Normsetzungsbefugnis, 104f. 160 Im Sinne dieser Reihung bereits O. Bühler, Verwaltungsrechtsprechung, 145 Fn 239: "Vom Prototyp des subjektiven Rechts, dem Privatrecht, sind diese [staatlichen] Machtbefugnisse ohne Zweifel abermals um ein Stück weiter entfernt als die bisher erwähnten [subjektiven öffentlichen Rechte], aber gemein haben sie mit diesen eben doch, dass sie von der Rechtsordnung abgegrenzte Machtbefugnisse sind; wenn man sich dieses Abstands auch von den übrigen subjektiven öffentlichen Rechten bewusst bleibt ... wird man auch hier gegen die Übertragung des Ausdrucks Recht nichts Stichhaltiges einwenden können." Allerdings spricht sich Bühler entschieden gegen eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung von Kompetenzkonflikten aus. 161

Bereits G. Kisker konstatiert "zwischen der bloß dienenden Kompetenz und dem rein partikularinteressennützigen subjektiven Recht offenbar vielerlei Zwischenstufen, die bislang noch nicht hinreichend rechtssystematisch erfaßt worden sind," (Insichprozeß, 58).

140

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Die Normsetzung in Ausübung von subjektiven Privatrechten und staatlichen Kompetenzen erfolgt unmittelbar, das heißt, mit der Äußerung des Normsatzes im Rahmen der Befugnis wird grundsätzlich die Norm in Geltung gesetzt. Bei der Wahrnehmung eines subjektiven öffentlichen Rechts wird die Normsetzung bezüglich des Außenrechtskreises in der Regel vermittelt. Die subjektiv berechtigte Person stellt beispielsweise einen Antrag auf Erlaß eines Verwaltungsakts, in dem der Inhalt der zu setzenden Norm bereits vorgegeben ist. Der Staat behält sich aber eine Prüfung des Norminhalts bzw. der Normsetzungsvoraussetzungen vor, so daß die Norm schließlich erst durch das zuständige Verwaltungsorgan erlassen wird. Es gibt also zumindest dem dogmatischen Anspruch nach ein geordnetes Zusammenspiel von subjektivem Recht und staatlicher Kompetenz im Rahmen der Verfahren mit Erlaubnisvorbehalt, Genehmigungspflicht usw. Jedoch sind nicht alle subjektiven öffentlichen Rechte derart mittelbare Normsetzungsbefügnisse. Die Grundrechte statuieren als staatsgerichtete Abwehrrechte eine unmittelbare Normsetzungsbefugnis gegenüber der staatlichen Gewalt. Die Mittelbarkeit der Normsetzung ändert jedenfalls nichts an dem grundsätzlichen Charakter der subjektiven öffentlichen Rechte als individueller Normsetzungsbefugnisse, denn es handelt sich hier gerade nicht um eine staatliche Normierungstätigkeit "über die Köpfe der Betroffenen hinweg"; vielmehr wird den Bürgern explizit die Wahrnehmung ihrer partikularen Interessen aufgegeben und überlassen, sie sind die treibenden und bestimmenden Kräfte. Das läßt die Konzeption der subjektiven Rechte als Normsetzungsbefugnisse auch zur Beschreibung der emanzipatorischen 162 Bedeutung und Dimension der subjektiven öffentlichen Rechte 163 , die ihnen eine historische Betrachtung beimessen muß, als adäquat erscheinen. Gleichzeitig wird auch bereits mit einer Antragstellung auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Staat bzw. der angegangenen Behörde eine Norm des Inhalts ausgedrückt, daß diesem Antrag stattgegeben werden solle. Wenn und soweit der antragstellende Bürger ein subjektives Recht, also eine entsprechende Normsetzungsbefugnis hat, setzt er damit eine rechtlich beachtliche Norm und ist die zuständige Behörde rechtlich verpflichtet, sich der Norm gemäß zu verhalten und den

162

Zum freiheitsverbürgenden Charakter des subjektiven Rechts unter besonderer Berücksichtigung des Privatrechts s. Κ.Ή. Fezer, Teilhabe, 337f mwN. 163

Diese Dimension findet ihre exemplarische Würdigung in BVerfGE 1, 159.

V. Zur Justitiabilität von Kompetenzen

141

Antrag, einmal von Ermessensentscheidungen abgesehen, positiv zu bescheiden. Diese Normsetzung aufgrund eines subjektiven Rechts, das Gebot eines bestimmten Verhaltens an den Staat bzw. seine Organe, korrespondiert in hohem Maße denjenigen Normsetzungsakten, die im Intra- oder Interorganverhältnis ergehen und Anlaß zu Organstreitigkeiten geben.

V. Zur Justitiabilität von Kompetenzen Vom hier vertretenen Standpunkt aus stellt sich jeder Rechtsstreit als Auseinandersetzung um Normsetzungsbefugnisse dar. Die von einem Gericht zu treffende Entscheidung muß die Frage beantworten, welche einschlägigen Normen im jeweiligen Fall gelten bzw. verletzt wurden. Das setzt die Klärung weiterer Fragen voraus: Wurde eine Norm gesetzt, bestand eine Normsetzungsbefugnis, wer war befugt, sind die Voraussetzungen erfüllt und die Grenzen eingehalten, wie ist eine gesetzte Norm zu interpretieren usw. Diesem Muster folgen sowohl Zivilprozesse (Besteht ein Anspruch? Ist ein Vertrag zustandegekommen? Konnten die Beteiligten diesen Vertrag wirksam schließen? Welche Rechte und Pflichten ergeben sich daraus?) als auch Verwaltungsgerichtsverfahren (Erfolgt ein Eingriff zu recht? Auf welcher Grundlage? War das handelnde Organ zu diesem Akt ermächtigt? Sind alle Voraussetzungen der Ermächtigung erfüllt? Ist ein Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden?) und verfassungsrechtliche Organstreitverfahren (War ein Organ zum Erlaß einer Rechtsnorm befugt? Hätte ein anderes Organ beteiligt werden müssen? Sind alle zu berücksichtigenden Interessen korrekt in eine Abwägung eingestellt worden? Sind Grenzen der Normsetzungsbefugnis derart überschritten worden, daß die Befugnisse eines anderen Organs verletzt wurden?). Zivilprozesse stellen sich als Konflikte mindestens zweier subjektiver Rechte dar. Im Falle von Verwaltungsrechtsstreitigkeiten handelt es sich um Konflikte eines subjektiven (öffentlichen) Rechts und einer Kompetenz; Organstreitigkeiten betreffen einen Konflikt zweier Kompetenzen. Das bedeutet, daß sich Auseinandersetzungen zwischen Trägern staatlicher Kompetenzen, wie sie in Organstreitigkeiten ausgetragen werden, nicht wesentlich von solchen zwischen anderen Subjekten anderer Normsetzungsbefugnisse unterschei-

142

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

den, in denen sich Bürger oder Staat und Bürger gegenüberstehen.164 Immer geht es um die Frage, wer befugt ist, welche Norm zu setzen, und welche Norm folglich gilt. Die Ausrichtung von Kompetenzen auf das Allgemeininteresse schließt keineswegs aus, daß hier sinnvollerweise Sachwalter verschiedener Aspekte des Allgemeininteresses um den rechtlichrichtigenWeg zu dessen Verwirklichung streiten. 165 Auch bei einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in dem sich ein Bürger und der Staat bzw. die öffentliche Verwaltung als Beteiligte gegenüberstehen, stellt die Rechtsposition der oder des Beklagten eine (durch das Allgemeininteresse bestimmte) Kompetenz dar. Unter prozessualen Gesichtspunkten läßt sich also zusammenfassen, daß sich Kompetenzen von subjektiven Rechten nicht derart unterscheiden, daß sie als Voraussetzungen für eine Klagebefugnis oder ein Feststellungsinteresse bereits ohne weiteres ausscheiden. Im Gegenteil legt ihre strukturelle Gleichartigkeit gerade den umgekehrten Schluß nahe. Damit ist eine prinzipielle Klagebefugnis jedes staatlichen Organs verbunden. Es ist jedoch noch keiner Entscheidung über die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Klage vor den Verwaltungsgerichten im Einzelfall vorgegriffen, insbesondere auch nicht einer Regelung und gegebenenfalls Beschränkung der verwaltungsrechtlichen Organstreitverfahren durch den Gesetzgeber, die möglicherweise unter dem Aspekt der funktionalen Unterschiede zwischen subjektiven Rechten, auf deren Verteidigung die VwGO primär zugeschnitten ist, und den Kompetenzen staatlicher Organe auch zweckmäßig sein können.

164

Der immer wieder zwischen den Zeilen der Diskussionsbeiträge aufscheinende Widerwille gegen den Organstreit als vermeintlichen In-sich-Prozeß erinnert denn auch an jene Stellungnahmen, die noch bis in die Anfänge dieses Jahrhunderts gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen Staat und Bürger wegen der gliedlichen Stellung des Bürgers im Staat für eine begriffliche Unmöglichkeit hielten; vgl. die Zitate bei W. Henke, Subjektives öffentliches Recht, 26ff. 165 Vgl. auch den Ansatz von A. Herbert, DÖV 1994, 111, der in die Reihe der klagefähigen Organe die Gremien miteinbeziehen will, "denen eigens die Aufgabe anvertraut wurde, spezifische Bereiche des öffenüichen Interesses in einer Weise zum Ausdruck zu bringen, der die Vorstellung des Austragens unterschiedlicher Interessen zugrundeliegt. ... Dann ist ihnen durch die Rechtsordnung ein Aspekt des Gesamtinteresses zur Betreuung zugewiesen, welches wie ein eigenes partikulares Interesse gegen Beeinträchtigungen verteidigt werden kann." (Hervorhebungen von der Verf.)

V. Zur Justitiabilität von Kompetenzen

143

Die Frage der Prozeßführungsbefugnis ist allerdings von der Justitiabilität der Rechtsposition zu unterscheiden und grundsätzlich unabhängig. Organen können zwei verschiedene Arten von Kompetenzen zukommen, solche des Innen- und solche des Außenrechts,166 je nach dem Adressatenkreis der zu setzenden Norm. Wenn die Normsetzungsbefugnis als Adressaten der zu setzenden Norm andere Organe oder Organteile innerhalb derselben Organisation oder juristischen Person erfaßt, so handelt es sich um eine Normsetzungsbefugnis des Innenrechts.167 Organstreitigkeiten haben definitionsgemäß ausschließlich die rechtliche Situation zwischen oder innerhalb von Organen derselben juristischen Person zum Gegenstand, so daß nur die Innenrechtsbefugnisse als Maßstab herangezogen werden können. Handelt es sich bei den Normadressaten der zu setzenden Normen um Rechtssubjekte, die außerhalb der jeweiligen Organisation oder juristischen Person stehen (oder auch um diese selbst in fiskalischer Eigenschaft), so ist die Normsetzungsbefugnis auf den Außenrechtskreis bezogen.168 Die (verwaltungs-)gerichtliche Geltendmachung dieser auf den Außenrechtskreis bezogenen Normsetzungsbefugnisse ist positiv im materiellen Verwaltungsrecht geregelt durch die Vorschriften über die Vertretungsmacht der juristischen Person oder Behörde nach außen. Durch diese Vorschriften und die generellen Regeln über die Beteiligtenfähigkeit und Prozeßführungsbefugnis im Rahmen des Verwaltungsprozeßrechts wird abweichend von dem Grundgedanken, daß jeder Inhaber (dazu unten VI.) einer Rechtsposition diese selbst auch gerichtlich vertritt, für die insoweit nicht oder nur teilrechtsfähigen Organe und Organteile eine klare Regelung getroffen. Die Kompetenzen des Innenrechts sind in gleicher Weise justitiabel wie diejenigen des Außenrechts, nur ist die Verfahrensausgestaltung dem Gegenstand der Auseinandersetzung und dem Verhältnis der Beteiligten entsprechend in Einzelfragen

166 Vgl. z u r Abgrenzung von Rechtssätzen des Innenrechtskreises gegenüber solchen des Außenrechtskreises H.-U. Erichsen, Innenrechtsstreit, 215f, sowie H. H. Rupp, Grundfragen, 34. 167

Die zu setzenden Normen lauten dann etwa: "Gewähre mir Akteneinsicht!", "Erwäge bei Deiner Entscheidung (über den Erlaß eines Verwaltungsakts) diesen Gesichtspunkt!", "Nimm an dieser Abstimmung nicht teil!", "Greife nicht in meine Entscheidung ein!" 168

Klassisches Beispiel für die im Rahmen dieser Befugnisse zu setzenden Normen ist der Verwaltungsakt.

144

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

unter Umständen eine andere, was durchaus für eine gesetzliche Regelung des Organstreits spricht.

VI. Das Organ als Träger der Kompetenz Der Haupteinwand der Gegner von Organstreitigkeiten besagt, daß die in einer Kompetenz liegende Rechtsmacht keineswegs dem kompetenten Organ, sondern vielmehr der ihm übergeordneten Organisation, also dem Staat oder seinen Gliederungen oder den jeweiligen Selbstverwaltungskörperschaften, zustehe. Zurechnungsendsubjekt der Rechtsmacht sei immer der Staat, was dazu führe, daß Organe im Kompetenzkonflikt nie "eigene Rechte" geltend machten und der Organstreit letztlich doch als ein (im Zweifelsfalle unzulässiger) "In-sich-Prozeß" zu betrachten sei. Denn bei Kompetenzen handele es sich eben gerade und ausschließlich um den Organen nur transitorisch

zustehende Wahrnehmungszuständigkeiten.169 Am Ende

sei alle Rechtsmacht staatlicher Kompetenzen eben beim Staat. 170

169

Gegen diese Auffassung wendet sich H. Bethge, DVB1 1980, 312: Jedenfalls für das Innenrechtsverhältnis gelte, daß die Organe insoweit Zurechnungsendsubjekte ihrer Kompetenzen seien, so daß sich diese als ihre eigenen subjektiven öffentlichen Rechte darstellten. Allerdings müssen seiner Auffassung nach noch weitere Gesichtspunkte hinzutreten, um auch die Klagbarkeit dieser Innenrechtspositionen zu begründen. 170

Unter dem Gesichtspunkt der Pflicht der Organe zur Kompetenzwahrnehmung und -Währung analysiert H. Kelsen, Hauptprobleme, 53 lf, diese Frage und kommt zu dem Ergebnis, "die Behauptung, es gebe keine Pflichten der Organe ..., man könne nur von den Pflichten des Staates sprechen, führt, ganz durchgedacht, zu schwer haltbaren Konsequenzen. So ist es schlechterdings unmöglich, die Kompetenzabgrenzung der Staatsorgane untereinander auf Grund dieser Konstruktion theoretisch durchzuführen. Die durch Kompetenzbestimmungen näher determinierte Amtspflicht hat notwendig einen doppelten Inhalt. Einerseits wird das Organ zu ganz bestimmter Funktion verbunden, andererseits wird es aber auch verpflichtet, nur diese Handlungen und keine anderen vorzunehmen." So "ist jeder Bezirksrichter verpflichtet, Exekutionen außerhalb seines Kompetenzsprengeis ... zu unterlassen. Vollzieht das inkompetente Gericht eine Exekution, liegt zweifellos eine Pflichtverletzung vor und zwar eine Verletzung der Amtspflicht des inkompetenten Bezirksrichters. Identifiziert man Amtspflicht und Staatspflicht» dann muß man wohl oder übel zugeben, daß der Staat ebendasselbe zu unterlassen verpflichtet ist, was derselbe Staat zu tun verpflichtet ist! ... Die gegenseitige Abgrenzung der Willenssphären der einzelnen Organe untereinander, die Kompetenzabgrenzung, ist bei der Identifizierung von Staats- und Organpflicht

VI. Das Organ als Träger der Kompetenz

145

An dieser Stelle ist es wichtig, noch einmal zu betonen, daß der Begriff der Organkompetenz als spezieller Fall einer Normsetzungsbefugnis umfassender ist als der der verwaltungsrechtlichen Zuständigkeit. Während letztere sich auf die Zuweisung einer Aufgabe und eines Wirkungskreises beschränkt, enthält die Befugnis auch sämtliche anderen Voraussetzungen des rechtmäßigen Verwaltungshandelns, also die Ermächtigung zu bestimmten Eingriffen, deren Beschränkung durch allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts, durch Abwehrrechte der Bürger oder höherrangiges materielles Recht. Die formelle Zuständigkeit einer Behörde ist lediglich ein — wenn auch unverzichtbares — Element der Normsetzungsbefugnis. In der Tat geht es in Organstreitigkeiten regelmäßig auch nicht um Zuständigkeiten im Sinne von Aufgabenzuweisungen. Bei dem in der Praxis relativ häufig auftretenden Fall der Klage wegen des Ausschlusses eines Gemeindevertreters von einer Abstimmung wegen dessen vermeintlicher Befangenheit durch den Sitzungsleiter ist nicht die Zuständigkeit des Sitzungsleiters zur Sitzungsleitung fraglich, sondern ob er seine diesbezüglichen Befugnisse überschritten hat, indem er einen tatsächlich nicht befangenen Gemeindevertreter von der Abstimmung ausgeschlossen hat. Die Normsetzungsbefugnis läßt sich wegen ihrer Komplexität selten abstrakt für einen Träger definieren, indem man etwa aufzählte, genau welche Normen er zu setzen befugt ist. Es kann aber umgekehrt seine Befugnis, eine ganz bestimmte Norm zu setzen, oder deren Mangel festgestellt werden. Aus diesem Grund ist eine konkrete Kompetenz immer mit dem Organ verbunden, das sie ausüben kann. Diese enge wechselseitige Verbindung von Kompetenz und Organ betont auch die Definition von Hans Julius Wolff, nach der das Organ ein "subjektivierter Zuständigkeitskomplex" ist und durch die in ihm konzentrierten Zuständigkeiten konstituiert wird. 171 Entsprechend läßt sich für natürliche und auch juristische Personen sagen, daß ihre Rechtspersönlichkeit in der Gesamtheit ihrer Normsetzungsbefugnisse besteht, also in dem Bereich, in dem sie rechtlich existent und handlungsfähig sind. Zutreffend stellt auch Ernst-Wolfgang Böckenforde fest, daß die normative, die institutionelle und die soziale Seite des "einheitlichen Phänomens der Organisation" zwar erkenntnismäßig voneinander geschieden, nicht aber völlig losgelöst werden könnten.

unbegreiflich." Dasselbe gilt für die ausschließliche Verortung des berechtigenden Moments der Kompetenzen beim Staat. 171

Ders. / O. Bachof \ Verwaltungsrecht II, 4München 1976, 50.

10 Buchwald

146

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

"Zur sozialen Wirklichkeit der Organisation und des Organs gehört indessen das normative Regelgefüge, nach dem sich organisatorische Wirkzusammenhänge und -einheiten herstellen und erhalten, als ein diese Wirklichkeit formendes und (mit) hervorbringendes Moment notwendig hinzu". 172 Zwar handelt ein Organ für die gesamte Organisation, doch könnte diese ohne das Organ gar keine Normen setzen oder überhaupt tätig werden. 173 Die Befugnis steht dem Organ zu, sie ist spezifisch auf dieses zugeschnitten. Es nimmt eine Aufgabe für die Organisation, den Verband wahr, ist aber auch allein in der Lage, dies zu tun. Die Normsetzungsbefugnis kann von der Organisation als solche mangels Handlungsfähigkeit gar nicht ausgeübt werden, und rechtliches Können setzt empirisches Können voraus. Einzig das Organ ist in der Lage, die Kompetenz auszuüben, einzig ein Organ ist in der Lage, sich eine fremde Kompetenz anzumaßen oder durch eine derartige Anmaßung in eigenen Kompetenzen beeinträchtigt zu werden. Folglich kann auch nur das Organ seine Kompetenz gerichtlich verteidigen bzw. wegen Kompetenzüberschreitung belangt werden. 174 Gegenüber einem anderen Organ ist Träger der Kompetenz das Organ. Für den gesamten Bereich des Innenbereiches der Organisation kommen den Organen ihre Zuständigkeiten "nicht zu transitorischer Wahrnehmung für die Juristische Person, sondern als eigene Zuständigkeiten zu; sie sind insofern Zurechnungsendsubjekte".175 Daraus folgt auch ihre relative Rechtsfähigkeit der Organe in bezug auf den Innenrechtskreis. 176 Die Rede von der nur transitorischen Wahrnehmungszuständigkeit der Organe trifft insofern zu, als sie deren Beziehung und Abhängigkeit von der Organisation beschreibt. Die Organe sind keine Individuen, kein Selbstzweck, sondern Glieder einer größeren Einheit, der sie dienen. Problematisch wird die Transitoritätsthese erst, wenn sie als alleinige Beschreibung der Rechtsstellung der Organe angesehen wird. Denn sie trägt dem Umstand nur unzureichend Rechnung, daß die Organi-

172

Organ, 277.

173

Vgl. H.-U. Erichsen, Innenrechtsstreit, 216.

174

Abgesehen von der persönlichen disziplinarrechtlichen Verantwortung des Amtswalters. 175

E.-W. Böckenförde, Organ, 278. Etwas anderes gilt selbstverständlich in Fällen von Amtshilfe, Organleihe und ähnlichen Konstellationen; vgl. auch H.-U. Erichsen, Innenrechtsstreit, 216. 176 Organ, 282.

VI. Das Organ als Träger der Kompetenz

147

sation letztlich nur aus dem Organhandeln be- und entsteht. Die Einheit der Organisation ist nicht ein statischer Zustand, der einmal konstituiert ohne weiteres existiert, sondern ein dynamischer Prozeß, der durch das Wirken und Zusammenwirken der Organe immer wieder neu konstituiert werden muß. So spricht etwa Rupert Stettner 177 davon, daß der "Prozeß der Staatlichkeit" stabilisiert werde durch aufeinander bezogene und wechselseitig korrespondierende Kompetenzen und Verfahren. 178 Der moderne demokratische, gewaltenteilende179 Verfassungsstaat ist mit der Figur einer impermeablen, monolithisch strukturierten juristischen Person nicht mehr dogmatisch adäquat zu begreifen. 180 Doch wirkt diese Vorstellung, wenngleich an sich längst aufgegeben, in vielen Stellungnahmen in der Literatur der Sache nach noch immer fort. 181 Das tut sie sowohl bei denjenigen Auffassungen, die in gerichtlich ausgetragenen Kompetenzkonflikten immer noch eine Art Schizophrenie erblicken, einen Streit zwischen zweien, die eigentlich eins sind, die sich doch definitionsgemäß immer einig sein müßten, als auch bei den Interessentheorien, die als Voraussetzung der Zulässigkeit von Organstreitigkeiten nicht die umstrittenen Kompetenzen genügen lassen, sondern meinen, widerstreitende partikulare Interessen der Organe selbst nachweisen zu müssen, also eine tatsächliche innere Zerrissenheit der Organisation konstatieren.

177

Grundfragen einer Kompetenzlehre, Berlin 1983.

178

Kompetenzlehre, 8.

179

R. Stettner definiert Gewaltenteilung geradezu als "Verhältnis gegenseitiger funktioneller Zuordnung zur Schaffung staatlicher Einheit", Kompetenzlehre, 7. 180

S. dazu auch E.-W. Böckenförde, Organ, 287ff et passim. Vgl. dazu A. Rinken, in: Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz I, 2Neuwied 1989, Rn 18 zu Art. 93 GG, über den verfassungsrechtlichen Organstreit: Die rechtsdogmatischen Bedenken dagegen thematisierten die Schwierigkeit, Organe rechtskonstruktiv als Träger eigener Rechte zu denken, sie könnten als bloß unselbständige Teile der juristischen Person "Staat" lediglich transitorisch deren Rechte wahrnehmen. Mit diesem Einwand werde aber nicht auf eine Schwierigkeit in der Sache, sondern auf die Schwierigkeit einer überholten dogmatischen Konstruktion aufmerksam gemacht, die Wirklichkeit der gegenwärtigen Verfassungsordnung zu erfassen, die nicht in der Vorstellung einer homogenen und impermeablen Staatsperson abgebildet werden könne, sondern als Organisationsprozeß gesehen werden müsse, an dem kraft positiven Verfassungsrechts mit begrenzter Eigenverantwortlichkeit ausgestattete Faktoren des Verfassungslebens beteiligt seien (Rn 18 zu Art. 93). Eine deutliche Kritik an den Nachwirkungen dieses Dogmas in der literarischen Auseinandersetzung über die verwaltungsgerichtlichen Organstreitverfahren äußert auch H. Bethge, DVB1 1980, 31 Of. 181

148

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Angemessener erscheint demgegenüber eine prozedurale Betrachtungsweise, wie sie auch Böckenfördes Betrachtung des Staates als Organisation182 zugrundeliegt. Einheit wird gewonnen in der Auseinandersetzung, im Konflikt und seiner Schlichtung. Das staatliche Organisationsrecht statuiert Kompetenzen vieler verschiedener Organe. Deren Verteilung dient gerade dazu, im Zusammenspiel die Einheit der Organisation, also des Staates, immer wieder neu zu konstituieren. Ein bestimmter "Grad organisatorischer Differenzierung der Entscheidungs- und Willensbildungsprozesse innerhalb (gegliederter) organisatorischer Handlungseinheiten... bewirkt... ein größeres Maß an Selbständigkeit für bestimmte Handlungssubjekte, den Einbau neuer Kontroll- und Balancierungsmechanismen im Verhältnis organisatorischer Handlungssubjekte zueinander, eine Auflockerung bestehender (verwaltungsinterner) Hierarchien." 183 Dann aber muß der Schwerpunkt nicht auf der Transitorität

der

Zuständigkeit eines Organs, sondern auf dessen Kompetenz liegen, denn nicht jene, sondern diese garantiert schließlich die Einheit. Die Rechtsmacht ist im Grunde nur bei metaphorischer Betrachtung bei der Organisation anzusiedeln. Sie findet dort aber keinen dogmatisch handhabbaren Anknüpfungspunkt außer den Organen.

ΥΠ. Zusammenfassung Der Rückblick auf die Dogmatik des subjektiven Rechts im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat gezeigt, daß die Figuren der Organkompetenz und des subjektiven privaten und öffentlichen Rechts nicht immer so disparat nebeneinanderstanden, wie die Debatte um die verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten vermuten läßt. Vielmehr ergibt sich, daß die gemeinsame Struktur als Rechtsmacht, rechtliches Können dogmatisch präsent war. Die Überbetonung des Elementes des Interesses — auf der einen Seite das Individualinteresse, auf der anderen Seite das Gemeinwohl oder Allgemeininteresse — ist in der Begriffsgeschichte ein relativ junges Phänomen. Dem entspricht die Tatsache, daß in der rechtstheoretischen

182 183

Organ, 292ff.

E.-W. Böckenförde fährt ebenda, 301, fort: "Die damit gegebene 'Pluralisierung der Staatsperson' ... ist indessen, prinzipiell gesehen, weder etwas Neues noch etwas Revolutionäres; sie ist ... 'in jedem praktisch möglichen Staatswesen unvermeidlich', zumal in einem gewaltengliedernden Verfassungsstaat."

VII. Zusammenfassung

149

Debatte um die Berechtigung von Subjekten, sei es durch Rechte oder in Form von Kompetenzen, der Interessenbegriff keine Rolle spielt. In diesem Sinne stellt auch die in dieser Arbeit vertretene Auffassung, daß sowohl subjektive Rechte von Personen als auch die Kompetenzen von Organen rechtliche Befugnisse oder rechtliches Können darstellen, in erster Linie auf den Begriff der Rechtsmacht ab. Diese Rechtsmacht wird in Anlehnung an Ergebnisse rechtstheoretischer Studien als Befugnis zur Setzung rechtlich beachtlicher Normen interpretiert. Derartige Ermächtigungs- oder Befugnisnormen sind neben den Verhaltensnormen Grundelement jeder Rechtsordnung und gewährleisten deren Dynamik im Kelsenschen Sinne, die die Anpassungsfähigkeit an ständig neue Sachverhalte und Weltzustände und so die Beständigkeit über Zeit ausmacht. Eine Befugnisnorm verleiht den Sollenssätzen, die das befugte Subjekt als seinen Willen äußert, rechtliche Geltung, indem sie die Zuordnung der Willensäußerung zum Normensystem Recht vornimmt. Der im Rahmen einer Normsetzungsbefugnis geäußerte Wille wird zur rechtlich beachtlichen Norm. Die Befugnis ist umfassende und hinreichende Geltungsbedingung für die gesetzten Normen als Rechtsnormen. Als befugtes Subjekt kommen sowohl das Individuum als auch die Allgemeinheit in Betracht. Der Umfang einer Normsetzungsbefugnis gibt die Menge der potentiell setzbaren Normen und die möglichen Normadressaten an, wohingegen die Art der Befugnis sich nach den maßgeblichen Interessen richtet. Das Interesse wird hier in einem formalen Sinne verstanden als Ausdruck der Beziehung des Interessenten zu dem Gegenstand seines Interesses, zu dem von ihm verfolgten Zwecken. Ob eine Normsetzung durch das Individualinteresse bestimmt ist oder durch das Allgemeininteresse, bezeichnet den Umstand, wer die mit der Normsetzung verfolgten Zwecke setzt, das Individuum oder die Allgemeinheit. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zwischen subjektiven Rechten und (Organ-) Kompetenzen: erstere befugen zur Normsetzung gemäß den Zwecken des normsetzenden Individuums, letztere gemäß den Zwecken des Gemeinwesens. Das normsetzende Organ ist in der Regel nicht selbst auch Zwecksetzer 184 und für die Erreichung der ihm vorgegebenen Zwecke rechtlich verantwortlich. Seine Norm-

184

Eine Ausnahme bildet etwa der parlamentarische Gesetzgeber, der jedoch jedenfalls in Form seiner Mitglieder dem Volk politisch verantwortlich ist. Allerdings ist auch er bei der Zwecksetzung im Rahmen der Gesetzgebung an die Vorgaben der Verfassung rechtlich gebunden.

150

C. Subjektive Rechte und Kompetenzen als Normsetzungsbefugnisse

Setzung ist rechtlich unter dem Gesichtspunkt der Interessenverfehlung zu kritisieren, während dies beim subjektiven Individualrecht nicht der Fall ist. Interessen haben im Rahmen der Normsetzungsbefugnis aber auch eine beschränkende Funktion, indem sie die Menge der möglichen setzbaren Normen begrenzen, um anderen Zwecken als den die Normsetzung bestimmenden zur Geltung zu verhelfen. Diese Beschränkung trifft sowohl subjektive Rechte, die oft durch Aspekte des Gemeinwohls oder die Interessen anderer Individuen limitiert sind, als auch staatliche Kompetenzen, die ihre Grenzen etwa in den Grundrechten finden. Ein besonderes Augenmerk gebührt dem Allgemeininteresse, das nicht ein monolithischer Block ist, sondern in sich eine Vielzahl von Aspekten birgt. Der Pluralität des Allgemeininteresses trägt der Aufbau staatlicher und unterstaatlicher Institutionen Rechnung, indem er einerseits verschiedene Ebenen (Bund, Länder, Gemeinden) und andererseits verschiedene Organe kennt, denen die Verfolgung ganz bestimmter Aspekte des Allgemeininteresses aufgegeben wird. Insofern leistet die Zuordnung von Normsetzungsbefugnissen auch im Innern der öffentlichen Verwaltung die Abgrenzung nicht nur von Willens-, sondern letztlich auch von Interessensphären. Damit haben subjektive Rechte und (Organ-) Kompetenzen dieselbe normtheoretische Struktur und komplementäre Funktionen in der Rechtsordnung. Alle diese Normsetzungsbefugnisse sind grundsätzlich justitiabel, da der Rechtssatzcharakter auch der Befugnisnormen, die eine Organkompetenz begründen, nach Aufgabe der Impermeabilitätstheorie nicht mehr bestritten werden kann. Wie die Gesamtheit seiner Normsetzungsbefugnisse die (Rechts-) Persönlichkeit eines Individuums ausmacht, so konstituieren die Kompetenzen das Organ. Die innenrechtlichen Befugnisse eines Organs regeln dessen Normsetzung gegenüber anderen Organen derselben Organisation, die außenrechtlichen diejenige gegenüber den übrigen Rechtssubjekten. Für letztere ist positivrechtlich geregelt, durch wen konkret ihre gerichtliche Geltendmachung erfolgt. Im Falle von Innenrechtsstreitigkeiten ist jedenfalls das Organ als Träger der Kompetenz selbst zur gerichtlichen Geltendmachung im Organstreit ermächtigt.

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen Abschließend sollen nun die Ergebnisse der bisherigen Untersuchung auf die prozessualen Probleme angewendet werden, die auch die Ausgangsfrage gebildet und strukturiert haben. Es ergeben sich hier wenige Abweichungen zur bislang geübten verwaltungsgerichtlichen Praxis, die in der Debatte durch die Literatur weitgehende Billigung gefunden hat. Allerdings gilt es, in den umstrittenen oder jedenfalls uneinheitlich gehandhabten Fragen auf der Basis der hier vertretenen Auffassung einen Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Dieser Vorschlag basiert auf der Grundthese von der Zulässigkeit der Organstreitigkeiten und der prinzipiellen Klagbarkeit jeder, auch und gerade der innenrechtlichen Organkompetenz, die sich aus der strukturellen Parallelität von Kompetenzen und subjektiven Rechten ergibt und von der funktionalen Komplementarität beider Figuren nicht gehindert wird. Auf dieser Grundlage können sodann die einzelnen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer verwaltungsgerichtlichen Klage zur abschließenden prozessualen Beurteüung konkreter Fälle herangezogen werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin, nicht wie andere Auffassungen 1 schwie-

1

Einen nahezu diametral entgegengesetzten Ansatz verfolgt G. Püttner in seinem Referat vor dem Sechsten Verwaltungsrichtertag, Dokumentation, 132ff. Er geht von der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Organstreitigkeiten aus und will im Wege der Rechtsfortbildung einzelne Fälle der ausnahmsweisen Zulässigkeit entwickeln bzw. anerkennen: "Es muß uns also ... um die Herausarbeitung von Kriterien gehen, mit deren Hilfe sich die besonderen Fälle subjektiv-rechtlich gefärbter Kompetenzen, die Gegenstand eines Organstreits sein dürfen, von dem Normalfall der rein amtsabhängigen Kompetenzen sicher genug abgrenzen lassen. Soweit ich sehe, bietet sich dafür bislang eine allgemeine Abgrenzungsformulierung nicht an; es erscheint mir deshalbrichtig und sinnvoll, die einzelnen Fälle zulässiger Organstreitigkeiten zu betrachten, also den Weg der Enumeration zu beschreiten, der mir überhaupt der Rechtsfortbildung am angemessensten zu sein scheint." Bereits sprachlich wird die einem solchen Vorgehen innewohnende Unsicherheit deutlich, das die Aufgabe der Rechts Wissenschaft verfehlen muß, wenn lediglich die Einzelfallentscheidungen der Gerichte zusammengestellt und ohne weitere Systematisierung als "Enumeration" der zulässigen Fälle bezeichnet werden.

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

152

rige und oft nur im Einzelfall zu entscheidende Abgrenzungsprobleme bereits in die Definition von Organstreitverfahren oder besonderen, ausnahmsweise klagbaren Innenrechtspositionen oder "quasi-subjektiven Rechten" aufnehmen zu müssen. Es zeigt sich, daß auf diese Weise die bisherige Rechtsprechung rekonstruiert werden kann, aber auch Prognosen über die dogmatische Handhabung zukünftiger Fälle möglich sind. Insbesondere läßt sich die weithin befürchtete "uferlose Ausdehnung" von Organstreitigkeiten2 auf diesem Wege besonders effektiv eindämmen.

I. Zur Zulässigkeit von Organstreitverfahren 1. Die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs

Nach der im Abschnitt C. entworfenen Theorie der verschiedenen Arten subjektiver Befugnisse zur Normsetzung, von denen einige subjektive öffentliche Rechte und andere Organkompetenzen darstellen, ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 VwGO für Organstreitigkeiten eröffnet. Aus den festgestellten geringen Unterschieden zwischen den Rechtsbeziehungen im Intra- und Interorganverhältnis und denen zwischen den Individuen sowie dem Staat und den Individuen und der Tatsache, daß diese Rechtsbeziehungen jeweils in gleicher Weise durch die Abgrenzung von Willens- und Interessensphären und die Delegation von entsprechenden Normsetzungsbefugnissen geprägt sind, ergibt sich kein Grund für den Ausschluß von Organklagen aus dem Kompetenzbereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Daß es sich beim Interorganverhältnis um ein Rechtsverhältnis handelt, kann nicht mehr angezweifelt werden. Die Zuweisung von einzelnen Kompetenzen an die Organe und die Regelung ihrer Stellung in der Gesamtorganisation und zu den anderen Organen erfolgt durch Rechtsnormen, so daß ihre Position insoweit eine rechtliche ist. Die mangelnde Rechtsfähigkeit der Organe im Außenrecht vermag an diesem Befund nichts zu ändern. Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlichrechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, die nicht durch

2

Diese Angst prägte nicht nur die Debatte des Arbeitskreises IX auf dem bereits mehrfach erwähnten Verwaltungsrichtertag 1980, sondern ist ein Kennzeichen der gesamten literarischen Auseinandersetzung zu diesem Thema (vgl. Dokumentation, 140).

I. Zulässigkeit von Organstreitverfahren

153

Landes- oder Bundesgesetz einer anderen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind. Bei Kompetenzkonflikten innerhalb von juristischen Personen des öffentlichen Rechts handelt es sich zweifellos regelmäßig nicht um zivilrechtliche Fragen. Genausowenig sind sie verfassungsrechtlicher Art im Sinne dieser Vorschrift, auch wenn sich für einige der Organstreitverfahren Bezeichnungen wie Kommunalverfassungsstreit, Rundfunkverfassungsstreit, Hochschulverfassungsstreit eingebürgert haben. Die streitentscheidenden (Kompetenz-) Normen gehören sämtlich dem Verwaltungsrecht an und fallen damit unter die verwaltungsgerichtliche Kontrollkompetenz.3 Eine ausdrückliche Zuweisung an andere Gerichte ist nicht erfolgt und erscheint auch im Rahmen der derzeitigen Organisation und Gliederung der Gerichtsbarkeiten nicht sinnvoll. Angezweifelt wird vereinzelt die Qualität des Kompetenzkonfliktes als "Streitigkeit" im Sinne der Vorschrift. Eine Streitigkeit setze begrifflich mindestens zwei voneinander verschiedene Streitparteien voraus, an denen es im Organstreit gerade mangele, da nur ein rechtsfähiges Subjekt mit der übergeordneten juristischen Person vorliege. Diese Auffassung ist zurückzuweisen, da nach der vorstehenden Analyse innerhalb der juristischen Person durch die Kompetenzordnung Willensund Interessensphären, also Befugnisse einzelner Subjekte rechtlich voneinander abgegrenzt sind, die sich insofern auch als einzelne Streitparteien gegenüberstehen. Somit handelt es sich bei Organstreitigkeiten auch nicht um "In-sich-Prozesse"4. Der immer wieder vorgebrachte Einwand, die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs in § 40 VwGO diene ausschließlich oder doch primär dem Schutz subjektiver öffentlicher Rechte der Bürgerinnen und Bürger,5 findet im Wortlaut der Regelung keine Grundlage. Entstehungsgeschichtlich steht zwar diese Funktion im Vordergrund, doch handelt es sich bewußt um eine weitreichende Generalklausel, die eine

3 Vgl. etwa K. Redeker / H.-J. von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 1 Stuttgart u.a. 1994, Rn 11 zu § 43 VwGO; E. Eyermann / L. Fröhler / J. Kormann, Verwaltungsgerichtsordnung, ^München 1988, Rn 31 zu § 40 VwGO; W.-R. Schenke, Verwaltungsprozeßrecht, Heidelberg 1997, Rn 124; C. H Ule, Verwaltungsprozeßrecht, 9München 1986, 49. 4

So jedoch nach wie vor bezeichnet von J. Schwabe, Verwaltungsprozeßrecht, Düsseldorf 1996, 120ff. 5

So z.B. R. Bleutge, Kommunalverfassungsstreit, 62.

154

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

abschließende Begrenzung auf ganz bestimmte Streitigkeiten nicht trifft. 6 Die Einrichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit verfolgte traditionell immer auch das Ziel, eine umfassende Kontrolle und dadurch Gewährleistung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns zu institutionalisieren. Es erscheint nicht rationell, bestimmte rechtswidrige Akte von Verwaltungsorganen solange für injustitiabel zu halten, bis konkret Rechte eines Bürgers gefährdet oder verletzt werden und dieser Klage erhebt. Im Sinne gerade eines umfassenden Schutzes der Bürger vor rechtswidrigen Eingriffen der Verwaltung ist es zweckmäßig, entsprechende Akte gerichtlich überprüfen zu lassen, bevor möglicherweise subjektive Rechte einzelner verletzt oder gefährdet werden. Die Verwaltungsgerichte sind nicht nur fachlich kompetent für derartige Verfahren, sondern auch nach § 40 VwGO zuständig für ihre Entscheidung.

2. Die statthafte Klageart

Besonders umstritten sind die Organstreitigkeiten in bezug auf die zu wählende Klageart. Grundsätzlich ist dazu vom Standpunkt der hier vertretenen Ansicht aus zu sagen, daß die Figur einer Klage sui generis in diesem Zusammenhang überflüssig ist, da sie implizit von einer Systemwidrigkeit der Organstreitigkeiten ausgeht, die daher vom Klagenkanon der VwGO nicht angemessen erfaßt werden könnten. Demgegenüber ergab die bisherige Untersuchung, daß sich Organklagen und die ihnen zugrundeliegenden rechtlichen Konfliktsituationen nicht wesentlich von anderen gerichtlichen Verfahren unterscheiden. Deshalb ist die — im Zweifelsfall analoge — Anwendung der vorgesehenen und ausdrücklich geregelten Klagearten vorzugswürdig. Die Notwendigkeit einer Analogie ergibt sich jedoch selbstverständlich erst, wenn die jeweilige Regelung sich ausdrücklich und speziell auf typischerweise nur im Verhältnis Bürger-Staat gegebene dogmatische Voraussetzungen bezieht und daher unmittelbar nicht anwendbar ist. Darüber hinaus setzt eine Analogie generell eine unbeabsichtigte Regelungslücke voraus, so daß eigentlich erst sämtliche Klagearten auf ihre unmittelbare Anwendbarkeit geprüft werden müßten und erst

6

Ganz h. M., vgl. statt vieler F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner / D. Ehlers, Rn 13Iff zu § 40 VwGO mwN.

I. Zulässigkeit von Organstreitverfahren

155

danach ihre entsprechende Anwendung ins Auge gefaßt werden kann. Im folgenden wird jedoch aus Gründen der Darstellung jede Klageart nur einmal behandelt.

a) Die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage

Eine unmittelbare Anwendung der Klagen nach § 42 VwGO in Organstreitverfahren ist nicht möglich, da sie an den Begriff des angefochtenen oder begehrten Verwaltungsaktes gebunden ist, also an eine typische Erscheinung des Außenrechts im Verhältnis Bürger-Staat. Die in einem Streit befindlichen Organe sind im Verhältnis zueinander keine Adressaten von Verwaltungsakten.7 Im Gegenteil ist das Vorliegen eines Verwaltungsaktes als Streitgegenstand ein deutliches Zeichen dafür, daß es sich in diesem Fall nicht um einen Organstreit, sondern um eines der anderen in der Einleitung angeführten Verfahren handelt. Auch eine entsprechende Anwendung ist abzulehnen, da es bei im übrigen zulässigen Organstreitigkeiten an dem für die Regelungen der Anfechtungsklage typischen Über- und Unterordnungsverhältnis der streitenden Organe sowie im Regelfall an einer Außenwirkung der streitgegenständlichen Maßnahme mangelt. Im Bereich einer Weisungsbindung ist für Organstreitigkeiten kein Raum wegen des regelmäßig mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses, und darüber hinaus ist die Situation der streitenden Organe nicht mit derjenigen vergleichbar, die § 42 VwGO zugrundeliegt. Daher scheidet auch eine Fortsetzungsfeststellungsklage für die weiteren Überlegungen aus.8

7

Vgl. K. Redeker / H.-J. von Oertzen, Rn 12 zu § 43 VwGO; anders F. Hufen, Verwaltungsprozeßrecht, München 1994, § 21 Rn 12: Die Qualifizierung innerorganisatorischer Maßnahmen als Verwaltungsakt sei möglich und konsequent nach der Anerkennung der rechtlichen Qualität der Interorganbeziehungen. "Jedes Organ hat also gleichsam einen subjektiven 'Rechtskreis', der von Maßnahmen ... betroffen sein kann." Ähnlich auch W.-R. Schenke, Rn 228; F. Ο. Kopp, Rn 7 vor § 40 VwGO: "Soweit die in Frage stehenden (Organ-) Handlungen als VAe zu qualifizieren sind ..., die in subjektive Rechte ... einschließlich organrechtlicher Rechte und den Betroffenen zur Wahrung ihrer funktionellen Interessen verliehener Befugnisse ... eingreifen, ist die Anfechtungs- bzw Verpflichtungsklage auch hier die gebotene Klageart". 8

Anders aber D. Ehlers, NVwZ 1990, 105-111; s. dagegen zutreffend W.-R. Schenke, Rn 338.

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

156

b) Der abstrakte Normenkontrollantrag

Man könnte an die Anwendung des einzigen ausdrücklich geregelten objektiven Verfahrens der VwGO, nämlich an die Normenkontrolle gemäß § 47 als Form des Organstreits denken. Antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 sind hier nämlich nicht nur natürliche und juristische Personen, sondern auch Behörden. Der Begriff der Behörde ist jedoch mit dem des Organs nicht identisch, sondern bildet einen Unterfall. 9 Nicht jedes Organ, geschweige denn Organteil stellt eine Behörde im Sinne dieser Vorschrift dar. Das Problem mit der Normenkontrolle besteht jedoch nicht darin, ob eine Erweiterung des Behördenbegriffs bzw. der Antragsbefugnis hier möglich und sinnvoll ist. Der Grund für die Ungeeignetheit des § 47 VwGO für die Verortung der Organstreitigkeiten liegt in der spezifischen Beschränkung des Verfahrensgegenstandes in Abs. 1 der Vorschrift. Überprüfbar sind danach nur Rechtsvorschriften im Range unterhalb eines Landesgesetzes sowie baurechtliche Satzungen und Rechtsverordnungen. Der Normenkontrolle unterliegt damit nur ein ganz bestimmter Bereich von abstrakt-genereller Normsetzung auf verwaltungsrechtlicher Grundlage. Insofern wird sowohl in bezug auf die Antragsbefugnis als auch in bezug auf den Antragsgegenstand von § 47 VwGO nur ein kleiner Teil der Problematik erfaßt, die potentiell in einen Organstreit münden kann. Liegen in einem konkreten Fall die Voraussetzungen für einen Normenkontrollantrag vor, so ist dieser einer Klage im Organstreit als der speziellere Rechtsbehelf vorzuziehen.10 Eine Ausweitung dieses Verfahrens in analoger Anwendung des § 47 VwGO auf die Organstreitigkeiten verbietet sich aus dem methodischen Grundsatz, daß Ausnahmen nicht analogiefähig sind. Die abstrakte Normenkontrolle stellt gegenüber den übrigen, kontradiktorischen Verfahren der VwGO einen klar begrenzten Sonderfall dar, der auch in seiner Anlage als formaler Rahmen für den Organstreit nicht besonders geeignet ist. Erstens fehlt es in Kompetenzkonflikten zwischen Organen in der Regel an einem Akt des beklagten Organs, der auch nur annähernd den in § 47 Abs. 1 genannten Antragsgegenständen entspricht, und zweitens ist ein kontradiktorisches Verfahren bes-

9

Vgl. H Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht,

10

10

München 1995, § 21 Rn 30ff.

Anderer Auffassung ist hier F. Hufen, § 21 Rn 15: Normenkontrollantrag "im Rahmen der Organklage".

I. Zulässigkeit von Organstreitverfahren

157

ser geeignet, den Konflikt zweier Organe zu schlichten, als ein Antrag eines Organes auf Nichtigerklärung eines Aktes eines anderen Organs.

c) Die Feststellungsklage

Bereits auf den ersten Blick am geeignetsten für die Durchführung von Organstreitigkeiten erscheint die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, also die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Die Kompetenzordnung beruht auf rechtlichen Normen und regelt die Zusammenordnung und Zuständigkeitsabgrenzung der Organe, schafft also eine rechtliche Relation zwischen den Organen. Selbst wenn man dem Interorganverhältnis den Rang eines Rechtsverhältnisses in einem sehr engen Sinne (als rechtliche Beziehung ausschließlich zwischen Personen) absprechen wollte, so ist doch unbestreitbar, daß die Beziehung des Organs zur Organisation eine rechtliche ist. Nach überwiegender Auffassung muß der Kläger im Feststellungsverfahren aber nicht selbst Partei des umstrittenen Rechtsverhältnisses sein,11 sondern lediglich ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben. Vorliegend wird jedoch entschieden die Auffassung vertreten, daß die Kompetenzordnung Rechtsbeziehungen der Organe untereinander schafft, so daß bereits insofern feststellbare Rechtsverhältnisse existieren. In Wissenschaft und Praxis wird an dieser Stelle häufig eine doppelte Analogie vorgenommen, indem für Organfeststellungsklagen als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung das Vorliegen einer Klagebefugnis verlangt wird. Zunächst wird gerade von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ganz grundsätzlich eine analoge Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO auf bestimmte Feststellungsklagen für notwendig erachtet.12 Dann ergibt sich für Organstreitigkeiten das Problem, daß in dieser Vor11 12

S. F. Ο. Kopp, Rn 16 zu § 43 VwGO mwN.

S. H.-W. Laubinger, Feststellungsklage und Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO), VerwA 1991, 459-495, mit einem Rechtsprechungsüberblick (459-479) und seiner kritischen Stellungnahme insbesondere zum Erfordernis einer analogen Klagebefugnis für Feststellungsklagen in Organstreitigkeiten (480f, 483-489), und zwar gerade auch unter methodologischen Gesichtspunkten (484f). Laubinger weist überzeugend nach, daß es sich bei der gerichtlichen Praxis nicht um eine Analogie, sondern "in Wahrheit [um] gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung" handelt (489).

158

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

schrift von den Rechten des Klägers die Rede ist. Dennoch ist ganz überwiegende Meinung, daß eine Klagebefugnis auch im Rahmen einer Organfeststellungsklage erforderlich ist. 13 Wie bereits oben erläutert, handelt es sich bei der Anfechtungsklage um ein speziell auf die Bürger-Staat-Beziehung zugeschnittenes Verfahren, in dem der Schutz der individuellen subjektiven öffentlichen Rechte des einzelnen gegen rechtswidrige Verwaltungsakte verankert ist. Erforderlich ist demnach für die Klagebefugnis im Anfechtungsverfahren die schlüssige Behauptung einer Rechtsverletzung. Subjektive öffentliche Rechte werden aber gemeinhin den Organen gerade abgesprochen, und auch die vorliegende Arbeit vertritt keineswegs den Standpunkt, daß Organen subjektive öffentliche Rechte zukämen, sondern hält im Gegenteil die Versuche entsprechender Nachweise für gescheitert. Auf Grundlage der hier vorgenommenen Analyse der verschiedenen Arten von Normsetzungsbefugnissen werden diese deutlich voneinander geschieden und lediglich ihre Strukturverwandtschaft betont, die überhaupt erst gerichtliche Auseinandersetzungen von Organen ermöglicht, weil sie die spezifische Organstellung als eigene Rechtsposition systematisch einordnet. Auf dieser Basis könnte nun für die analoge Anwendung des Rechte-Begriffs in § 42 Abs. 2 VwGO auch auf Organkompetenzen argumentiert werden. Dafür besteht allerdings keine Notwendigkeit, denn die Übertragung einer besonderen Voraussetzung der Anfechtungs- auf die Feststellungsklage ist durch nichts begründet. 14 Eine Beschränkung des Kreises potentieller Feststellungskläger auf ganz bestimmte Subjekte, die in einem qualifizierten Bezug zu dem umstrittenen Rechtsverhältnis stehen, also der vielzitierte Ausschluß der Popularklage, wird bereits durch die Voraussetzung eines berechtigten Feststellungsinteresses in § 43 Abs. 1

13

Vgl. E. Eyermann / L Fröhler / J. Kormann, Rn 198 zu § 42 VwGO; F. Hufen, § Rn 17. 14 Beispielhaft kann hier die Formulierung F. O. Kopps in Rn 21 zu § 43 VwGO angefühlt werden: "Erforderlich ist, daß auch die Voraussetzungen gern § 42 Abs. 2 erfüllt sind ...; dies ergibt sich zwingend schon daraus, daß Abs. 1 [des § 43] insoweit mit dem Erfordernis des berechtigten Interesses eine eigene, andersartige ... Sonderregelung trifft". Warum aus dem Vorliegen einer eigenen Regelung zwingend die analoge Anwendbarkeit einer anderen folgen soll, ist nicht ersichtlich. Das Erfordernis eines Feststellungsinteresses wird völlig überflüssig, wenn mit der Behauptung einer Rechtsverletzung ein deutlich strengeres Kriterium zur Voraussetzung gemacht wird. Zudem ergibt sich aus der Gesetzessystematik kein Anhaltspunkt für eine derartige Ausweitung der spezifischen Klagebefugnisvoraussetzungen der Anfechtungsklage.

I. Zulässigkeit von Organstreitverfahren

159

VwGO geleistet. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ist "jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles aufgrund einer gesetzlichen Regelung oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen anzuerkennende schutzwürdige Interesse" und liegt insbesondere dann vor, "wenn die Rechtslage unklar ist, die zuständige Behörde insoweit anderer Auffassung als der Kläger ist und der Kläger sein künftiges Verhalten an der Feststellung orientieren will". 15 Damit ist geradezu beispielhaft die Situation eines Kompetenzkonfliktes zwischen Organen beschrieben. Dasselbe gilt für die Kriterien, die die Rechtsprechung für das Vorliegen eines konkreten Rechtsverhältnisses entwickelt hat: Streitig ist ein konkretes Rechtsverhältnis dann, wenn über es selbst oder einzelne sich daraus ergebende Rechte oder Pflichten zwischen den Prozeßparteien Uneinigkeit besteht, d. h. solche vom Prozeßgegner bestritten werden oder aber dieser sich des Rechtsverhältnisses oder einzelner Rechte, Befugnisse usw. "berühmt", die der Kläger bestreitet oder für sich beansprucht.16 Folglich ergibt sich eine unmittelbare Anwendbarkeit der Feststellungsklage für Organstreitigkeiten, deren Ziel regelmäßig und charakteristischerweise darin besteht, die strittige Abgrenzung der jeweiligen Kompetenzen gerichtlich klären zu lassen, also festzustellen, ob ein Beteiligter sich zu Recht einer Befugnis berühmt oder eine solche bestreitet. Sämtliche Voraussetzungen des § 43 VwGO lassen sich direkt auf Organe und ihre Konfliktsituation beziehen.

d) Die allgemeine Leistungsklage

Nach § 43 Abs. 2 VwGO ist die Feststellungsklage gegenüber einer Leistungsklage subsidiär.17 Wenn sich das Begehren eines klagenden Organs also nicht auf die Feststellung von Rechten und Pflichten richtet,sondern auf die konkrete Vornahme, Duldung oder Unterlassung einer bestimmten Handlung durch ein anderes Organ, also beispielsweise auf die Erweiterung einer bestimmten Tagesordnung oder die Gewährung von Einsicht in bestimmte Akten, so ist die allgemeine Leistungs-

15

F. O. Kopp, Rn 23f zu § 43 VwGO mwN.

16

S. F. O. Kopp, Rn 19 zu § 43 VwGO mwN. Dieses Verhältnis betont in bezug auf Organstreitverfahren J. Schwabe, 123f.

17

160

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

klage einschlägig. Allerdings fehlt für sie eine ausdrückliche Regelung, so daß hier üblicherweise die Voraussetzungen der Verpflichtungsklage auf Erlaß eines Verwaltungsaktes analog geprüft werden, zu denen dann auch die Behauptung einer Rechtsverletzung durch die Unterlassung der Handlung gehört. Da aber ohnehin die gesamte Vorschrift des § 42 VwGO hier nur entsprechend angewendet werden kann, weil es schon nicht um das Begehren eines Verwaltungsakts geht, erscheint es auch gerechtfertigt, hier den Rechte-Begriff weiter zu fassen und das, was bei einem Organ dem subjektiven Recht eines Bürgers entspricht, nämlich seine Kompetenz, ebenfalls für ausschlaggebend zu halten. Dies ist wegen der oben ausführlich erläuterten Ähnlichkeit beider Figuren möglich. Wenn also ein Organ einem anderen dessen Kompetenzausübung erschwert oder ganz verwehrt, indem es konkret erforderliche, d. h. im einzelnen bestimmbare, Handlungen tätigt oder unterläßt, so kann das so behinderte Organ im Wege der allgemeinen Leistungsklage dagegen vorgehen. Wenn das gegnerische Organ jedoch nicht bloß eine konkrete Handlung oder Unterlassung vornimmt, sondern das Bestehen einer entsprechenden Kompetenz des klagenden Organs überhaupt bestreitet, so ist die Feststellungsklage der geeignetere Rechtsbehelf, weshalb an die Subsidiarität der Feststellungsklage im Organstreit nicht allzu strenge Maßstäbe anzulegen sind. Die Organe einer juristischen Person sind zu dauerhafter Kooperation gehalten, weshalb eine einmalige allgemeine Feststellung der unter Umständen wiederkehrenden Leistungsverurteilung vorzuziehen ist, zumal bei den rechtlich verfaßten und gebundenen Organen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts von einem relativ hohen Maß an Rechtstreue auszugehen ist, so daß eine gerichtliche Feststellung regelmäßig die gebührende Beachtung finden wird.

3. Die Beteiligungsfähigkeit und die Prozeßfähigkeit

Das größte Problem im Bereich der verwaltungsprozessualen Einordnung von Organstreitigkeiten stellt die Frage nach der Beteiligtenfähigkeit von Organen dar. Die Regelung in § 61 VwGO sieht die Prozeßbeteiligung von Organen als solche nicht vor und ist damit der einzige wirklich eindeutige Anknüpfungspunkt für diejenigen Auffassungen, die Organstreitverfahren nach der VwGO für ausgeschlossen halten. Hier ist deshalb eine Erweiterung der Regelung auf Organe und Organteile

I. Zulässigkeit von Organstreitverfahren

161

speziell für Organstreitigkeiten durch den Gesetzgeber wünschenswert. Einstweilen bleibt hier jedoch nur eine Analogie zu § 61 Nr. 2 VwGO. 18 Nr. 3 dieser Vorschrift erscheint für die analoge Anwendung ungeeignet, da ihr Regelungszweck gerade darin besteht, die Beteiligtenfähigkeit von Behörden auf bestimmte, positivrechtlich normierte Fälle einzugrenzen. Nr. 1 trifft eine sehr klare Grundsatzregelung, die auf die Eigenschaft als Person, also die volle Rechtsfähigkeit und -trägerschaft abstellt. 19 Die Regelung in Nr. 2 stellt selbst schon eine Erweiterung gegenüber Nr. 1 dar, indem sie auch Vereinigungen, die keine juristische Person sind, für beteiligtenfähig erklärt, wenn und soweit ihnen Rechte zustehen können. Darin besteht aber der beste Ausgangspunkt für eine Analogie, weil hier nicht rechtsfähige Subjekte für den Bereich, in dem sie doch Träger eines Rechts sein können, zur Beteiligung befähigt werden. Genau dies trifft auch auf die Organe zu, die als solche nicht rechtsfähig sind und auch nicht generell als beteiligungsfähig angesehen werden sollen, sondern lediglich insoweit, als sie eine ihnen zustehende (Innenrechts-) Kompetenz verteidigen. Ähnliches gilt für die Frage der Prozeßfähigkeit, für die die Regelung in § 62 Abs. 3 VwGO entsprechend durch den Gesetzgeber und andernfalls im Wege der Auslegung auf Organe erweitert werden muß. Danach handeln für Organe und qualifizierte Teile von Kollegialorganen ihre Organwalter bzw. Vorstände oder besonders beauftragte Vertreter.

18

So auch W. Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, 94; J. Schwabe, S. 123; W.-R. Schenke, Rn 457. 19

13

Stuttgart u.a. 1994, Rn

Dennoch wird vertreten, die Beteiligungsfähigkeit von "Ein-Mann-Organen" sei aus dieser Vorschrift, die von Kollegien dagegen aus Nr. 2 zu entnehmen, etwa von F. Hufen, § 21 Rn 8, der dann konsequent auch die Prozeßfähigkeit jeweils nach § 62 Abs. 1 bwz. 3 VwGO ermittelt (ebenda, Rn 9). Ähnlich H. Büchner / K. Schlotterbeck, Verwaltungsprozeßrecht, Stuttgart u.a. 1993, Rn 114: beteiligtenfähig nach § 61 Nr. 2 VwGO seien nur Kollegialorgane. Diese Auffassungen verkennen, daß im Organstreit beim "Ein-Mann-Organ" eben nicht die natürliche Person des Organwalters, sondern das Organ beteiligt ist, und daß bei einem Kollegialorgan nicht die Personenmehrheit seiner Mitglieder die Beteüigtenfähigkeit nach § 61 Nr. 2 VwGO ausmacht, sondern die relative Rechtsfähigkeit, auf die diese Vorschrift abstellt. 11 Buchwald

162

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen 4. Der richtige Klagegegner

Beklagter im Organstreit können, wie der Name schon sagt, nur ein Organ oder Organteil bzw. mehrere Organe sein. Ihre Beteiligungs- und Prozeßfahigkeit ist bereits erörtert worden. Gegenstand des Organstreits ist die Handlung oder Unterlassung eines Organs, das deshalb auch der richtige Beklagte ist. Die Klage ist gegen den Funktionsträger zurichten,demgegenüber die streitige (Innen-) Rechtsposition bestehen soll. 20 Die Tatsache, daß das Organ im Unterliegensfall regelmäßig nicht selbst die Kosten tragen kann, sondern die Zahlungspflicht die juristische Person trifft, kann daran nichts ändern, zumal dies auch für das klagende Organ im Falle einer Abweisung zutrifft und deshalb auch nicht behauptet wird, die juristische Person müsse die Klage erheben. Allerdings ist hier die Vorschrift in § 78 Abs. 1 VwGO weder direkt noch analog anzuwenden, da es sich bei ihr ausweislich der Abschnittsüberschrift um eine "besondere Vorschrift für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen" handelt. Vielmehr ist die Organklage gegen das Organ zurichten,das die umstrittene Maßnahme getroffen und damit zur Feststellung des Rechtsverhältnisses Anlaß gegeben hat, dem also in der Klage eine Handlung oder eine Unterlassung zu Lasten der Kompetenz oder ihrer Ausübung durch das klagende Organ vorgeworfen wird. Die Leistungsklage hat das Organ zum Gegner, dessen Leistung begehrt wird.

5. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis

Letzte Hürde für die Zulässigkeit jeder verwaltungsgerichtlichen Klage ist das Rechtsschutzbedürfhis. Dieses fehlt grundsätzlich jedem Kläger, dem offensichtlich einfachere und näherliegende Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Rechtsposition zur Verfügung stehen. Es hat in Form des Erfordernisses eines berechtigten Interesses an der Feststellung in § 43 Abs. 1 VwGO zwar eine spezielle Ausformung erfahren, doch soll es an dieser Stelle noch einmal gesondert behandelt werden, weil es von großer Bedeutung im Rahmen der hier vertretenen Auffassung über die prinzipielle Zulässigkeit von Organstreitverfahren ist. Die meisten der oben im Ab-

20

F. Hufen, § 21 Rn 10; W.-R. Schenke, Rn 555a.

I. Zulässigkeit von Organstreitverfahren

163

schnitt B. referierten Ansätze sind dadurch gekennzeichnet, daß sie versuchen, nur bestimmten Organen mit bestimmten Kompetenzen den Zugang zum Verwaltungsgericht zu eröffnen, zumeist indem diesen Organen irgendwelche Partikularinteressen zugeschrieben werden, die dann ihre Kompetenzen "zu subjektiven Rechten aufwerten" sollen. Demgegenüber wird vorliegend versucht zu zeigen, daß sämtliche Organe in bezug auf sämtliche Kompetenzen eine Rechtsposition innehaben, die sich von der eines subjektiv berechtigten Individuums strukturell nicht wesentlich unterscheidet. Auf dieser Grundlage stellen Organstreitigkeiten keine Systemwidrigkeit im Verwaltungsprozeßrecht mehr dar, sondern lediglich eine nicht ausdrücklich geregelte, aber durch eine lange gerichtliche Übung verfestigte Praxis, die sich ohne weiteres mit dem hergebrachten Instrumentarium des Verwaltungsprozeßrechts handhaben läßt. Es ist also nach hiesiger Ansicht weder erforderlich noch möglich, von vornherein besondere Organe auszuzeichnen, die allein in Organstreitverfahren beteiligt sein können, weshalb es nicht verwundert, daß der entsprechende Nachweis bisher auch nicht erfolgreich erbracht worden ist. Dennoch sind Organklagen nur in bestimmten Fällen zulässig, und zwar nach genau denselben Kriterien, denen auch sonstige verwaltungsgerichtliche Klagen genügen müssen. Für das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis bedeutet das, daß die Klage eines Organs an den üblichen Voraussetzungen zu messen ist. Danach wäre eine Klage unzulässig, wenn ihr Ziel leichter und unproblematisch auf anderem, außergerichtlichem Wege verfolgt werden kann. Dies ist grundsätzlich immer dann der Fall, wenn die streitenden Organe eine gemeinsame übergeordnete und möglichst weisungsbefugte Instanz haben, die in der Lage ist, den Konflikt abschließend zu entscheiden.21 Ebenso ist die Rechtslage zwischen den Organen nicht mehr streitig, wenn nur eines in seiner Rechtsauf-

21

Nach anderer Auffassung soll hier nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, sondern das klagewillige Organ kein "Zurechnungsendsubjekt einer Innenrechtsposition" sein, so daß ihm folglich keine eigene Rechtsposition zukommt (so etwa A. Herbert, DÖV 1994,111 mwN). Danach wären weisungsgebundene Organe nur "verlängerter Arm" der weisungsbefugten Stelle und eigentlich überflüssig. Es erscheint nicht angemessen, ihre Position von vornherein derart zu schwächen, da in konkreten Einzelfällen eine andere Entscheidungrichtigsein kann. Aus diesem Grund erweist sich die Überprüfung des konkreten Rechtsschutzbedürfnisses im Einzelfall als die vorzugswürdige Lösung.

164

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

fassung durch eine ihm übergeordnete Stelle dahin korrigiert wird, daß die Rechtsauffassung des anderen Organs als verbindlich anzusehen ist. 22 Es ist also keineswegs zu befürchten, daß bei Zugrundelegung des hier entwickelten Ansatzes die Verwaltungsgerichte von einer Flut von Organklagen heimgesucht werden, mit denen Beamte oder Mandatsträger die lange überfällige gerichtliche Klärung von Streitigkeiten im Kollegenkreis herbeizuführen trachten oder Mitarbeiter gegen Behördenleiter wegen vermeintlicher Ungerechtigkeiten in Dienst- oder Geschäftsverteilungsplänen vorgehen. Derartige Klagen sind nicht zulässig. Alle Klagen auf der Basis von dienstrechtlichen Vorschriften oder Weisungen fallen nicht unter die Organstreitigkeiten, ebensowenig wie die Gerichte zur Entscheidung all der Konflikte aufgerufen sind, die sich verwaltungsintern abschließend klären lassen. Es bleibt jedoch ein wichtiger Bereich insbesondere der Selbstverwaltungskörperschaften, wo eine übergeordnete Stelle fehlt bzw. diese nicht weisungsbefugt ist, so daß die Organe bei Auseinandersetzungen über den Umfang und die Grenzen ihrer Kompetenzen und die Art und Weise der Ausübung auf eine gerichtlich institutionalisierte Konfliktentscheidung angewiesen sind. Diese liegt auch im Interesse der Bürger, denn es widerspricht den rechtsstaatlichen Geboten der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns und der Effektivität des Rechtsschutzes, daß ein Organ dem rechtswidrigen Treiben eines anderen zusehen und abwarten müßte, daß eines Tages ein Bürger in seinen Rechten betroffen ist und dann auch gegen die Beeinträchtigung vorgeht. Ebenso ist es erforderlich, die Rechtslage zwischen Organen, die sich gegenseitig in der Kompetenzausübung behindern oder lähmen, abschließend rechtlich, und das heißt eben gerichtlich, klären zu lassen.

II. Zur Begründetheit von Organklagen Eine Klage im Organstreit ist begründet, wenn das beklagte Organ seine Kompetenzen zu Lasten des klagenden Organs überschritten hat, sich also eine Kompetenz angemaßt hat, die rechtlich dem klagenden Organ zukommt, oder wenn es

22 Eine detaillierte Untersuchung des Verhältnisses gemeindlicher Streitentscheidungsmöglichkeiten zum Rechtsschutzbedürfnis im gerichüichen Organstreit anhand der rheinland-pfälzischen Gemeindeordnung bietet Af. Fromm, Kommunalverfassungsstreitverfahren, 47ff.

II. Begründetheit von Organklagen

165

durch eine Maßnahme das klagende Organ in dessen Kompetenzausübung in rechtswidriger Weise, also im Widerspruch zur Kompetenzordnung, behindert hat. Im Urteil ist daher entweder festzustellen, daß das beklagte Organ zu der von ihm getroffenen Maßnahme nicht kompetent war oder daß es mit seiner Verhaltensweise entgegen der prinzipiellen Pflicht, in anderweitige Kompetenzen nicht einzugreifen, gehandelt hat. Im Rahmen einer erfolgreichen allgemeinen Leistungsklage wird das beklagte Organ zu der begehrten Handlung, Duldung oder Unterlassung verurteilt.

1· Die gerichtliche Kassationsbefugnis

Umstritten ist in diesem Zusammenhang besonders die Frage nach der Befugnis der Gerichte zur Kassation von kompetenzüberschreitenden Maßnahmen eines Organs. Grundsätzlich besteht eine solche Kassationsbefugnis nur bei Gestaltungsklagen.23 Einige Gerichte behaupten auch in Organstreitverfahren ihre Kompetenz zur Aufhebung von Akten, die in Überschreitung der Organkompetenz ergangen sind, während andere davon ausgehen, daß die Feststellung der Kompetenzverletzung die prinzipiell als rechtstreu anzusehenden Organe zur selbständigen Aufhebung animiert. Vom Standpunkt der hier vertretenen Ansicht ist dazu zu sagen, daß eine gerichtliche Kassation im Sinne einer Aufhebung von derart rechtswidrig zustandegekommenen Akten, von Sonderfällen einmal abgesehen, überflüssig ist. Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, daß eine Handlung jenseits der Grenzen des rechtlichen Könnens des Handelnden rechtlich irrelevant, weil inexistent ist, sind Akte eines Organs, die in Überschreitung der eigenen Kompetenzgrenzen ergangen sind, nichtig. Eine Feststellung der Nichtigkeit im Urteil hätte lediglich deklaratorischen Charakter, eine Aufhebung ist nicht notwendig und sogar sinnlos, da sie keinen rechtlich existenten Gegenstand hat.24 Allerdings gibt es von dem allgemei-

23

Für eine allgemeine Gestaltungsklage als geeignetste Rechtsschutzform im Organstreit votieren M. Jockisch, Kommunalverfassungsstreit, 119ff, und insbesondere J. Schwarplys, deren Hauptthese bereits im Titel zum Ausdruck kommt: "Die allgemeine Gestaltungsklage als Rechtsschutzform gegen verwaltungsinterne Regelungen". 24 So auch E. Eyermann / L Fröhler / J. Kormann, Rn 10 zu § 42 VwGO. Dagegen spricht sich C. H Ule, § 32 II 5 mwN, für eine spezielle Aufhebungsklage im Organstreit aus; ähnlich F. Hufen, § 21 Rn 16.

166

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

nen Grundsatz abweichende positivrechtliche Regelungen für bestimmte Akte, insbesondere für Verwaltungsakte. Ein Verwaltungsakt, der rechtswidrig ist, weil er die Grenzen der Normsetzungsbefugnis des handelnden Organs überschreitet, ist nach den entsprechenden Vorschriften nicht nichtig, es sei denn, die Voraussetzungen des § 44 VwVfG lägen vor. Dagegen ist ein Gesetz, das unter Verletzung der verfassungsrechtlichen Befugnisse verabschiedet und in Kraft gesetzt wurde, nichtig.25 Verwaltungsakte sind nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens. Sollte ausnahmsweise indirekt ein Verwaltungsakt im Streit stehen, so ist dessen Wirksamkeit allein nach den Vorschriften des VwVfG zu beurteilen. Die gerichtliche Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der indirekt Gegenstand eines Organstreitverfahrens ist, im Feststellungsurteil ist unzulässig. Die Aufhebung kann nur durch die erlassende Behörde erfolgen oder aber im Anfechtungsverfahren des betroffenen Bürgers. Andernfalls würde der Zweck der Regelungen über den grundsätzlichen Bestand eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes unterlaufen, die Rechtssicherheit für den Bürger und eine entsprechende Bindung der Verwaltung schaffen sollen. Da der Bürger nicht im Organstreitverfahren beteiligt ist, kann das Urteil nicht in seinen Rechtskreis unmittelbar eingreifen. Dieser Standpunkt läßt sich an einem Beispiel verdeutlichen: Eine Anzahl von Mitgliedern eines Gemeinderates, die den Vorschriften über die Beschlußfähigkeit in einer Gemeinderatssitzung genügen würde, trifft sich zufällig in einem Gasthaus und diskutiert dort verschiedene Probleme der lokalen Politik. Kurzerhand erklären die Beteiligten das Treffen zu einer Gemeinderatssitzung und fassen "Beschlüsse", die mit "Beschluß des Gemeinderats" überschrieben sind. Ein Mitglied, das bei dem Treffen nicht anwesend war, geht daraufhin im Wege der Organklage gegen den Gemeinderatsvorsitzenden vor und begehrt die Feststellung, daß hier keine Gemeinderatssitzung stattgefunden hat, da keine ordnungsgemäße Ladung erfolgt war. Für die sogenannten "Beschlüsse" gilt nun folgendes: Das Urteil stellt fest, daß dem Gemeinderatsvorsitzenden (oder Bürgermeister) aufgrund seiner Befugnis zur Einberufung und Leitung von Gemeinderatssitzungen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Ladung sämtlicher Gemeinderatsmitglieder obliegt und daß er diese Pflicht hier gegenüber dem ausgeschlossenen Mitglied verletzt und diesem die Ausübung seiner

25

Vgl. dazu H. Maurer über die Rechtsquellen des Verwaltungsrechts, § 4 Rn 37ff; H. J. Wolff / Ο. Bachof/R. Stober, § 28 II, 310f.

II. Begründetheit von Organklagen

167

Befugnis zur Teilnahme an Sitzungen und Mitwirkungen bei Entscheidungen verwehrt hat, indem er das zufällige Treffen "zur Gemeinderatssitzung erklärte". Aus dem festgestellten Fehlen einer Ladung ergibt sich, daß eine Gemeinderatssitzung nicht stattgefunden hat, die "Beschlüsse" folglich nicht die Akte eines Organs im Rahmen seiner Kompetenz waren. Denn gehandelt hat hier nicht das befugte Subjekt "Gemeinderat", sondern eine Gruppe von Gemeinderatsmitgliedern in ihrer Eigenschaft als Privatleute. Folglich sind ihre Beschlüsse als Gemeinderatsbeschlüsse inexistent und nichtig. Sollte es sich bei einem der Beschlüsse jedoch um einen Verwaltungsakt handeln, so ist dieser nur nach den Vorschriften des VwVfG (und des einschlägigen Landesgesetzes) nichtig oder bloß rechtswidrig. Im vorliegenden krassen Fall, der jedoch dem einem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zugrundeliegenden Tatbestand nachempfunden ist, wird man von einer Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG ausgehen können. Die Nichtigkeit aller übrigen Beschlüsse folgt jedoch bereits zwingend aus der gerichtlich getroffenen Feststellung der Kompetenzüberschreitung des Ratsvorsitzenden zu Lasten des klagenden Ratsmitglieds, der ein zufälliges Treffen von Ratsmitgliedern nicht zu einer Gemeinderatssitzung erklären kann. Einer Aufhebung bedarf es deshalb nicht. Ausdrücklich anderer Auffassung ist Judith Schwarplys26, die aus der Tatsache, daß eine positivrechtliche Regelung nicht existiert und die im Kommunalverfassungsstreit in Frage stehenden Maßnahmen Verwaltungsakten zumindest ähneln, den Schluß zieht: "Im Interesse der Rechtssicherheit und der Effektivität der Verwaltung ist daher eine rechtswidrige interne Regelung, gegen die verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz möglich ist, grundsätzlich als wirksam und der Adressat als daran gebunden anzusehen."27 Auf dieser Grundlage entwickelt die Autorin im einzelnen die dogmatischen Grundlagen einer allgemeinen Gestaltungsklage im Kommunalverfassungsstreit. 28 Mit dem rechtstheoretischen Status kompetenzüberschreitender Rechtsakte ist dieser Ansatz kaum zu vereinbaren, es sei denn, man folgte aus pragmatischen Erwägungen der — methodologisch problematischen — Argumentation, daß die analoge Anwendung der Ausnahmeregelungen über die prinzi-

26

Gestaltungsklage, insbesondere 42ff mwN.

27

Ebenda, 46.

28

Ebenda, 70ff.

168

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

pielle Wirksamkeit von Verwaltungsakten auch auf verwaltungsinterne Maßnahmen angezeigt sei.29 Dennoch scheint diese Ansicht in der Literatur im Vordringen zu sein. 30

2. Die Aktiv- und Passivlegitimation

Die Frage der Sachlegitimation der Beteiligten richtet sich nach den Kompetenzen, die ihnen rechtlich zukommen. Selbstverständlich kann eine Leistungsklage gegen ein Organ nur insoweit begründet sein, als es nach seinem rechtlichen Können in der Lage ist, die begehrte Handlung, Duldung oder Unterlassung zu üben. Dasselbe gilt im Feststellungsverfahren, in dem nur die geltende Rechtslage und keine weiteren Fragen geklärt werden können. Auch die Aktivlegitimation des klagenden Organsfindet Inhalt und Grenze in dessen Kompetenz. Das bedeutet, daß ein Organ oder Organteil im Klagewege niemals mehr oder anderes durchsetzen kann als bei ungestörter und reibungsloser Kompetenzausübung. Wichtig ist dies besonders in bezug auf die Frage, ob auch reine Mitwirkungsbefugnisse gerichtlich verfolgt und durchgesetzt werden können. Relativ häufig hat ein Organ lediglich ein Mitwirkungsrecht beim Erlaß beispielsweise eines Verwaltungsaktes, es muß gehört werden, seinen Empfehlungen muß jedoch der schließlich ergehende Verwaltungsakt nicht entsprechen. Der Ausschluß solcher "weichen" Befugnisse von der gerichtlichen Geltendmachung ist nicht gerechtfertigt. 31 Die Tatsache, daß ein Verwaltungsakt unabhängig von der

29 Kritisch auch F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner / J. Pietzcker, Rn 159 zu § 42 Abs. 1 VwGO. Ebenso wendet sich Af. Renck-Laufke, BayVBl 1982, 75-77, gegen die kassatorische Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und kommt (76f) zu dem Ergebnis: "Es besteht weder die Möglichkeit noch gar die Notwendigkeit einer gerichtlichen Anfechtung von Kommunalverfassungsakten." 30

Vertreten wird sie etwa auch von Af. Karst, Der rechtswidrige Gemeinderatsbeschluß, Baden-Baden 1994, 62ff mwN, der folgerichtig für eine Aufhebungsklage im Kommunalverfassungsstreit plädiert (123ff). 31

S. demgegenüber die sehr detaillierte Differenzierung von A. Herbert, DÖV 1994, 112, der auf die Kontrastorgan-Eigenschaft abstellt und danach einzelne Befugnisse für klagbar oder nicht klagbar hält. Wiederum werden damit komplizierte Einzelfallbetrachtungen als grundsätzliche Abgrenzungsfrage eingeführt, statt den einfacheren

II. Begründetheit von Organklagen

169

Einhaltung des Mitwirkungsverfahrens rechtmäßig sein kann bzw. inhaltlich in jedem Fall von geäußerten Empfehlungen unabhängig ist, ist darauf ohne Einfluß. Der ohnehin schwache Stand der nur zur Abgabe von Empfehlungen befugten Organe wäre jedoch endgültig gefährdet, wenn das hauptsächlich tätige Organ dessen Mitwirkungsrecht schlichtweg ignorieren könnte, ohne daß dies rechtliche Sanktionen nach sich zöge. Das zur Mitwirkung befugte Organ kann im Wege einer Leistungsklage die Beteiligung an einem konkreten Verfahren oder die Gewährung von Akteneinsicht verfolgen oder aber die Feststellung begehren, daß es jedenfalls zu beteiligen ist. 32 Es kann jedoch nicht verlangen, daß seine Empfehlungen sich stets in den schließlich erlassenen Verwaltungsakten niederschlagen. Mit den Grenzen seiner Kompetenz sind auch die Grenzen seiner Aktivlegitimation erreicht. Auch dieser Gesichtspunkt ist wichtig für die dogmatische Richtigkeit und Akzeptabilität der hier vertretenen sehr weiten Auffassung, die zunächst jede Organkompetenz für justitiabel hält und keinerlei Einschränkungen in diesem Bereich vornimmt. Es zeigt sich jedoch, daß sich die Konstellationen, in denen Organstreitigkeiten allgemein nicht erwünscht sind, problemlos mit dem normalen Instrumentarium des Verwaltungsprozeßrechts ausschließen lassen. Mit Behördenkriegen ist also auch nach dieser Konzeption nicht nur nicht zu rechnen, sondern es bietet sich nun auch ein klarer Bück auf die jeweiligen Erfolgsvoraussetzungen einer Klage, an denen im einzelnen problematische Fälle scheitern. Dieser Ansatz ist gegenüber denjenigen, die von vornherein den Blick nur auf ganz spezielle Organe und Kompetenzenrichtenund zu zeigen versuchen, warum gerade diese und nur diese für Organstreitverfahren geeignet sein können, im Vorteil, weil er nicht die schwierigen und nach wie vor ungelösten Abgrenzungsprobleme mit sich bringt, sondern lediglich die Anwendung der allgemeinen prozessualen Bestimmungen und Kriterien auf Organ- wie auf sonstige Klagen erfordert.

Weg zu gehen und eine klare Grundsatzentscheidung zu treffen und im übrigen die ohnehin einschlägigen Zulässigkeits- und Begründetheitsvoraussetzungen im Verwaltungsprozeßrecht anzuwenden. 32

Inkonsequent erscheint insofern die Rechtsprechung des VG Bremen zu Organklagen von Beiräten (Stadtteilvertretungen), wenn es die Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer Klagebefugnis und eines Feststellungsinteresses aus dem Recht auf Information und Beteiligung bejaht, die Begründetheit dagegen verneint, da keine Entscheidungsbefugnis verletzt sei (s. dazu E. Röper> Aktivlegitimation von Stadtteilvertretungen, VerwR 1995, 436-439).

170

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen

Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist allerdings, ob und unter welchen Voraussetzungen Organteile Eingriffe in die Kompetenzen des Kollegialorgans rügen können oder ob sie auf die Rüge der Verletzung ihrer eigenen Mitwirkungsbefugnisse als Organteil beschränkt sind. Auch hier gilt es, die Organklagen nicht als von vornherein höchst problematische Systemwidrigkeiten gleichsam argwöhnisch zu betrachten, sondern die allgemeinen Grundsätze im Verwaltungsprozeßrecht anzuwenden. Eine spezifische Rechtsverletzung oder doch deren Behauptung ist für Organfeststellungsklagen wie auch für sonstige Klagen nach § 43 VwGO nicht erforderlich. 33 Zudem muß der Feststellungskläger nicht selbst direkt Beteiligter des streitigen Rechtsverhältnisses sein. Es ist also beispielsweise möglich, daß ein Mitglied eines Gemeinderates im Klagewege dagegen vorgeht, daß ein Bürgermeister (durchaus mit der politischen Unterstützung der Ratsmehrheit) Befugnisse des Gemeinderats an sich zieht. Hier wird im Zweifelsfall auch die Mitwirkungsbefugnis des einzelnen Ratsmitgliedes berührt, dennoch würde es ausreichen, daß die Klage auf Feststellung des insoweit bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Rat und Bürgermeister gerichtet ist. Damit ist die Aktivlegitimation des klagenden Ratsmitglieds noch nicht überschritten, da die Feststellungsklage lediglich ein berechtigtes Interesse an der Feststellung und nicht die eigene direkte Beteiligung an dem festzustellenden Rechtsverhältnis zur Zulässigkeitsvoraussetzung hat. Erst wenn festzustellen ist, daß eine Kompetenzüberschreitung zu Lasten des Rates nicht stattgefunden hat, fehlt es an der Aktivlegitimation des einzelnen Mitglieds.

III. Der vorläufige Rechtsschutz Eine Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann auch bei Organstreitigkeiten erfolgen. § 80 Abs. 5 VwGO regelt die spezifische Form des vorläufigen Rechtsschutzes gegenüber einem Verwaltungsakt und ist daher bei Kompetenzkonflikten zwischen Organen aus denselben Gründen wie die Anfechtungsklage nicht anwendbar. Einschlägig ist daher die Vorschrift des § 123 VwGO über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung. Da die Sicherungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 1

33

Die insofern abweichende h.M. lehnt im Rahmen der Klagebefugnis in diesen Fällen das Vorliegen "eigener Rechte" ab und hält entsprechende Klagen dann für unzulässig, vgl. F. Hufen, § 21 Rn 22.

IV. Regelungsvorschlag an den Gesetzgeber

171

VwGO ein Individualrecht des Antragstellers, also ein subjektives öffentliches Recht, vorraussetzt, käme sie in Organstreitigkeiten nur analog in Betracht in den Fällen, in denen sich die Klage in der Hauptsache auf eine konkrete Leistung bezieht. Vorrangig werden jedoch Organe Anträge stellen, die auf eine Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO gerichtet sind. Die Voraussetzungen der Regelungsanordnung sind auf Organanträge ohne weiteres anwendbar, da sie sich an denen der Feststellungsklage nach § 43 VwGO orientieren. 34 Darüber hinaus ist erforderlich, daß das antragsteüende Organ glaubhaft macht, für seine Befugnisse aus dem streitigen Rechtsverhältnis drohten wesentliche Nachteile oder Gefahren, wenn die einstweilige Anordnung nicht ergeht. Auch im übrigen gelten die ganz allgemein für die einstweilige Anordnung entwickelten Voraussetzungen.

IV· Regelungsvorschlag an den Gesetzgeber Nach der hier vorgestellten Konzeption ist eine ausdrückliche Regelung der verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten durch den Gesetzgeber entbehrlich. Die von den Gerichten eingeführte und geübte Praxis läßt sich wie vorstehend rekonstruieren und systematisch einordnen, und die Fragen, die in der Literatur noch diskutiert und in der Praxis uneinheitlich gelöst werden, können auf dieser Basis grundsätzlich beantwortet werden. Daß damit noch nicht jeder Einzelfall ohne Zweifelsfragen geklärt sein mag, hegt an den ganz allgemein bestehenden Problemen im Bereich des Verwaltungsprozeßrechts oder des materiellen Rechts und nicht an der spezifischen Problematik von Organstreitverfahren. Dennoch erscheint eine gesetzliche Regelung durchaus wünschenswert, um auch der Rechtsprechung eine solide Basis zu geben. Es kommen dafür eine kleine und eine große Neuregelung in Frage, für die an dieser Stelle ein Vorschlag zur Diskussion gestellt werden soll.

34

Vgl. F. O. Kopp, Rn 8 zu § 123 VwGO.

172

D. Verwaltungsprozessuale Konsequenzen 1. Die kleine Lösung

Äußerst wünschenswert ist die Ergänzung der Regelungen, die auf Organstreitverfahren nur analog angewendet werden können, nämlich derjenigen über die Beteiligungs- und Prozeßfähigkeit im Verwaltungsgerichtsverfahren. 35 Zu denken wäre hier beispielsweise an eine Ergänzung des § 61 VwGO um einen Absatz 2: "Fähig, an Organstreitverfahren beteiligt zu sein, sind Organe und Organteile, soweit ihnen Kompetenzen zustehen können." Eine entsprechende Veränderung wäre in § 62 VwGO vorzunehmen, indem dort der Abs. 3 um einen Satz ergänzt würde: "Für Organe handeln ihre Vertreter bzw. Organwalter oder besonders Beauftragte." Zu erwägen wäre außerdem eine ausdrückliche Regelung der grundsätzlichen Kostentragungspflicht der juristischen Person für Organstreitigkeiten in ihrem Innern.

2. Die große Lösung

Eine ausdrückliche Regelung des Organstreits bezüglich seiner Klagearten ist wegen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Vorschriften über die Leistungs- und die Feststellungsklage nicht zwingend notwendig. Sollte der Gesetzgeber jedoch eine explizite Regelung treffen wollen, so könnte diese etwa aussehen wie folgt: "§ 43 a [Organklage] (1) Durch Klage eines Organs oder Organteils kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses zwischen Organen derselben juristischen Person des öffentlichen Rechts oder innerhalb eines Kollegialorgans begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Organfeststellungsklage).

35

So auch F. Schoch / E. Schmidt-Aßmann / R. Pietzner / D. Ehlers, Rn 136 zu § 40 VwGO.

IV. Regelungsvorschlag an den Gesetzgeber

173

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger zur Wahrung seiner Kompetenzen und deren Ausübung eine Leistungsklage gegen ein Organ derselben juristischen Person erheben kann." Auf dieser Grundlage ließen sich mögliche Einschränkungen der Organstreitverfahren auf bestimmte Organe oder bestimmte Kompetenzen diskutieren, ebenso die Einführung von Klagefristen oder anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Explizite Regelungen in dieser Richtung schließt die hier vertretene Konzeption keineswegs aus. Erwägenswert erscheint eine Begrenzung von Organstreitigkeiten auf Organe von Selbstverwaltungskörperschaften oder Anstalten. Angesichts der bisherigen Praxis der Verwaltungsgerichte, die durch die Erkenntnis dieser Studie gestützt wird, daß die allgemeinen Regelungen und Grundsätze des Verwaltungsprozeßrechts bereits derzeit ausreichend sind, um gegebenenfalls problematische Fälle als unzulässig zu qualifizieren, sollte jedoch eine solche Einschränkung nach Möglichkeit unterbleiben.

E. Zusammenfassung Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die von der richterlichen Praxis entwickelten verwaltungsgerichtlichen Organstreitigkeiten auf eine neue dogmatische Basis zu stellen. Diese ist notwendig. Der großen Mehrzahl aller bisherigen Lösungsversuche liegt eine gemeinsame These zugrunde, nämlich die, daß nur subjektive Rechte im Rahmen der Verwaltungsgerichtsordnung einklagbar und diese durch ein Individualinteresse des Berechtigten gekennzeichnet seien. Zudem ist die gesamte Debatte geprägt durch eine grundsätzliche Ablehnung von Organstreitverfahren oder jedenfalls das Bestreben, nur ganz bestimmte Ausnahmefälle zuzulassen. Folglich zielen diese Ansätze überwiegend darauf ab, ganz bestimmten Organen bezüglich ganz bestimmter Kompetenzen Invididualinteressen zuzuschreiben, um so den gerichtlichen Organstreit nur in engen Grenzen zu ermöglichen. Dabei stoßen sie an unüberwindliche Abgrenzungsprobleme, da weder der Begriff des (Individual-) Interesses hinreichend definiert noch überzeugend begründet worden ist, warum er imstande sein soll, eine Kompetenz zu einem subjektiven Recht "aufzuwerten". Demgegenüber schlägt die vorliegende Arbeit einen anderen Weg ein. Ausgehend von dem genus proximum der Begriffe Kompetenz und subjektives Recht, der Rechtsmacht, die im Anschluß an rechtstheoretische Erkenntnisse als Normsetzungsbefugnis analysiert wird, wird versucht, die parallele Struktur beider Rechtsfiguren aufzuzeigen. Die strukturelle Parallelität ist das Hauptargument für die prinzipielle Klagbarkeit jeder Kompetenz. Hinzu kommt die Einsicht, daß die gerichtliche Klärung von Kompetenzkonflikten nicht zu einer inneren Spaltung der öffentlichen Verwaltung führt, sondern im Gegenteil den Prozeß der Einheitsgewinnung fördert, der sich in einem gewaltengliedernden Rechtsstaat dynamisch gestaltet,. Die differentia specifica, die es ermöglicht, Kompetenzen und subjektive Rechte begrifflich klar voneinander zu unterscheiden, hegt im Element des Interesses. Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich bei dem Begriff des Interesses um einen formalen Begriff in dem Sinne, daß er nicht schon substantielle, inhaltliche Bestimmungen trifft, sondern die Befugnis zur Setzung von Zwecken regelt. Das bedeutet, daß im Rahmen einer Kompetenz die Normsetzung in dem Sinne im All-

E. Zusammenfassung

175

gemeininteresse erfolgt, daß die Allgemeinheit, das Gemeinwesen die Zwecke setzt, an die das kompetente Organ bei seiner Normsetzung gebunden ist. Allerdings entspricht die Kompetenzordnung der pluralistischen Struktur des Allgemeininteresses, so daß dem Organ mit der Kompetenz nicht schlechthin "das Allgemeininteresse", sondern immer bestimmte Aspekte desselben vorgegeben werden. Bei subjektiven Rechten erfolgt die Normsetzung im Partikularinteresse, also gemäß der eigenen, individuellen Zwecksetzung des Berechtigten. Bei beiden Arten von Normsetzungsbefugnissen spielt jedoch das jeweils andere Interesse eine wichtige Rolle als Grenze der Befugnis. Diese funktionale Komplementarität, die Spiegelbildlichkeit der Interessenlage beim subjektiven Recht und bei der Kompetenz, könnte zwar gegen die Klagbarkeit von Organkompetenzen sprechen, doch ist damit letztlich gezeigt, daß sowohl die Verleihung von subjektiven Rechten als auch die Zuweisung von Kompetenzen in gleicher Weise Willens- und Interessensphären abgrenzt, so daß dieselben Gründe, die für die Klagbarkeit von subjektiven Rechten sprechen, auch die gerichtliche Geltendmachung von Organkompetenzen stützen. Das rechtliche Problem der Kompetenzabgrenzung zwischen verschiedenen Organen ist nach rechtlichen Maßstäben abschließend von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden. Dieser recht weite Ansatz führt keineswegs in eine uferlose Flut von Organstreitigkeiten oder gar "Behördenkriegen". Vielmehr vermeidet er die Unklarheiten derjenigen Auffassungen, die bereits mit einem engen Begriff des "subjektiven Organrechts" den Ausschluß der überwiegenden Zahl von Kompetenzen von der Klagbarkeit gewährleisten wollen, ohne diese wirklich eindeutig bestimmen zu können. Es zeigt sich dagegen, daß bei Anwendung der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen für verwaltungsrechtliche Klagen alle problematischen oder als solche empfundenen Fälle ohne weiteres ausgeschlossen werden können, und zwar nach den Kriterien, die auch sonst von den Verwaltungsgerichten angelegt werden und die dogmatisch bereits weitgehend "ausdiskutiert" sind. Damit erweist sich dieser Weg auch praktisch als vorzugswürdig gegenüber den vermeintlich engeren Theorien, die tatsächlich nichts ausschließen, denn er rekonstruiert die in der Literatur weitgehend gebilligte über 40jährige verwaltungsgerichtliche Praxis und liefert zugleich eine dogmatische Grundlage für die Einordnung und Entscheidung zukünftiger Fälle. Ebenso ist nunmehr eine dogmatisch kohärente gesetzliche Regelung der Organstreitverfahren in der VwGO oder einer VPO möglich.

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Sachregister

Aufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit 21

Grundrechte 132, 140 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Begriff des objektiven Rechts 95 Bundesverfassungsgericht 32,71 Bundesverwaltungsgericht 27, 32, 36, 80

Imperativtheorie 108 Impermeabilitätstheorie 20, 81 In-sich-Prozeß 17, 43, 54, 57, 144, 153

Bürger-Staat-Verhältnis Checks and balances Disziplinare Schranken

102 66, 135 97, 111

Effektivität des Rechtsschutzes 164 Einheit der Verwaltung 58, 61 Einheit staatlicher Willensäußerung 119 Ermessen 139 Funktionale Komplementarität 114, 123, 130

83,

Gebot, Verbot, Erlaubnis 115, 121 Gemeinde als juristische Person 23 Gemeinwesen 104, 123, 131, 134135, 149 Gemeinwohlverpflichtung 128, 136, 138 Gerber, Carl Friedrich von 91 Gewaltenteilung 60 Grundnorm des materiellen Verwaltungsrechts 50

132

Individuum 123 Innenrecht 48, 51, 84, 102, 124 Innenrechtsstreit 48 Interesse 88, 127 Interesse als Zuständigkeitskriterium 70 Interesse des Normgebers 127 Interesse, Allgemein- 92,110,127-128, 130-132 Interesse, Dritt129 Interesse, Eigen129 Interesse, Feststellungs158 Interesse, Individual50, 65, 69, 93, 130 Interesse, Partikular54, 63, 66,128, 131-132 Interesse, quasi-eigenes 55 Interessenarten 129 Interessenbegriff 69, 71, 88, 93, 128, 130, 132 Interessendialektik 58 Interessengegensätze 68 Interessenkollisionen 64 Interessenmonismus 135 Interessenpluralismus 63-64,66 Interessentheorie 80, 87, 90, 130

Sachregister Jellinek, Georg 92 Jhering, Rudolf von 87 Justitiabilität 111, 119 Kant, Immanuel 85 Klage sui generis 30, 33-34, 80, 154 Klage, allgemeine Leistungs33, 76, 78 Klage, Anfechtungs34, 77 Klage, Feststellungs33, 76 Klage, Fortsetzungsfeststellungs79 Klage, Gestaltungs- 34, 77, 165, 167 Klage, Interessenten50 Kombinationstheorie 90 Kommunalverfassungsstreit 29 Kompetenzkonflikt 118 Konstitutive Regel 113 Macht 86,90, 102, 105, 112 Mayer, Otto 92 Menschenwürde 132 Norm 108, 120 Norm als Deutungsschema 105 Norm, Befugnis97, 120-121 Norm, Ermächtigungs- 106, 110, 112 Norm, Kompetenz113, 115 Norm, Verhaltens97, 109-110, 1 12113 Normbegriff 95 Normenkontrolle 126 Normensystem 96, 117 Normgeltung 96, 109, 121, 125, 127, 140, 149 Normsetzung 102, 111,114-116, 122, 128-129, 131 Normsetzungsbefugnis 113-114, 119, 125, 137

Normtypen

185 96, 110, 115

Organ, Individual- 75 Organ, Kollegial40, 42, 75, 170 Organ, Kontrast55, 66 Organe als Rechtsträger 72, 124 Organfeststellungsklage 158, 172 Organstreit als Anfechtungsklage 30 Organstreit als Beanstandungsklage 48 Organstreit als subjektiv-rechtlich konstruiertes Verfahren 45 Organstreit, Definition 16 Organwalter 25, 41, 57, 59, 63, 76, 78 Pluralität des Allgemeininteresses 128, 133, 135, 150 Potentielle Pflicht 109 Prozeß der Staatlichkeit 147 Prozeßführungsbefugnis 143 Prozeßkosten 43 Prozeßstandschaft 53 Puchta, Georg Friedrich 86 Recht, Gestaltungs110 Recht, Herrschafts111 Recht, Mitgliedschafts34-35, 40, 56, 76 Recht, Mitwirkungs- 38, 58, 168, 170 Rechtliches Dürfen 100-101, 104 Rechtliches Können 62, 97, 99-101, 113, 133, 146 Rechtsakt 113 Rechtsmacht 54, 60, 62, 66, 72, 83, 92, 95, 99, 106-107, 112, 114, 116, 120, 148-149 Rechtsnorm 109, 122 Rechtspersönlichkeit 145 Rechtssubjekt nach innen 50

Sachregister

186 Rechtssubjektivität 67 Rechtsverhältnis 85 Regelsberger, Ferdinand 90 Regelung des Gesetzgebers 74

Savigny, Friedrich Carl von 85 Schutznormtheorie 93 Sein und Sollen 95 Sprechakttheorie 112 Staatszielbestimmungen 139 Störungsbeseitigungsanspruch 36 Strukturelle Parallelität 83, 104, 107, 111, 114, 119, 125, 130 Stufenbau der Rechtsordnung 96, 106, 108 Thon, August

86

Verfassungsgerichtsbarkeit 18 Verhältnis von subjektivem Recht und Kompetenz 82, 94, 99, 114, 118, 130 Vertretungsmacht 62, 120 Verwaltungsakt 22-23, 28, 30, 34, 78, 126, 140, 155, 166, 168 Vollstreckbarkeit 78 Wahrnehmungszuständigkeit 37-38,62, 64, 67, 125, 144, 146 Wille 85-86, 88, 91-92, 94, 109, 115, 120 Willensmacht 92, 104, 111 Willensmachttheorie 85, 89 Windscheid, Bernhard 86 Zwecksetzung

128, 131