Der Umfang der Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung [1 ed.] 9783428474264, 9783428074266


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Der Umfang der Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung [1 ed.]
 9783428474264, 9783428074266

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RALF MERSCHFORMANN

Der Umfang der Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung

Schriften zum Prozessrecht Band 103

Der Umfang der Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung

Von Ralf Merschformann

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Merschformann, Ralf:

Der Umfang der Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung / von Ralf Merschformann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Prozessrecht ; Bd. 103) Zug!.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07426-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-07426-2

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Abhandlung wurde im Wintersemester 1991/92 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis Dezember 1991 berücksichtigt. Das Thema wurde von meinem verehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Peter Arens angeregt, der die Arbeit bis zu seinem unerwarteten und viel zu frühen Tod betreute. Ihm habe ich für die vielfältige wissenschaftliche wie menschliche Förderung zu danken, die ich während meiner langjährigen Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem von ihm geleiteten Institut für Deutsches und Ausländisches Zivilprozeßrecht erfahren durfte. Danken möchte ich aber auch Herrn Professor Dr. Lorenz Fastrich, der sich nach dem Tode von Professor Arens ohne Zögern bereit erklärt hat, die Erstbegutachtung der nahezu fertiggestellten Arbeit zu übernehmen. Herrn Professor Dr. Dieter Leipold danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Freiburg i. Br., im Januar 1992

Ralf Merschfonnann

Inhalt Einleitung ........................................................................................................ 17 A. Das Prinzip der Maßgeblichkeit des Streitgegenstands rür den Umfang der Verjihrungsunterbrechung ............................................. 20

I.

Die grundsätzliche Bindung der Verjährungsunterbrechung an den prozessualen Streitgegenstandsbegriff ............................. 1. Ausgangsfälle ............................................................................ 2. Die Maßgeblichkeit d~s prozessualen Streitgegenstandsbegriffs ............................................................................ a) Zur Verknüpfung von Verjährungsunterbrechung und Klageerhebung ........................................................... b) Bestimmung des prozessualen Anspruchs ..................... aa) Die Ausrichtung am zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff .................................................... bb) Dispositionsmöglichkeiten des Klägers ................. 3. Verjährungsunterbrechung und Antragserweiterung ......... a) Änderungen in der Bemessungsgrundlage .................... aa) Die nachträgliche Anpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse ..................................... bb) Der Gedanke der Schadenseinheit ......................... ce) Zum Umfang der Verjährung bei der Klage auf Vorschuß für Nachbesserungskosten ..................... b) Verjährungsmäßige Privilegierung unbezifferter Klageanträge ......................................................................

20 20 23 23 27 27 28 30 30 30 33 36 38

11. Ansätze zur Erstreckung der Verjährungsunterbrechung über die Grenzen des prozessualen Streitgegenstandes hinaus ........................................................................................ 42 1. Die gesetzlich geregelten Ausnahmen und ihre erweiterte Anwendung durch die Rechtsprechung ....................... 42 a) Zum Umfang der Verjährungsunterbrechung nach §§ 4n, Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB ....................................... 42

10

Inhalt

aa) Der Regelungscharakter des § 477 Abs. 3 BGB bb) Die Ergänzung durch § 639 Abs. 1 BGB ............... b) Erweiterte Anwendung der §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB auf dem Gebiet des Sach- und Werkmängelgewährleistungsrechts durch die Rechtsprechung ................................................................. 2. Weitere Beispiele für die Erstreckung der Verjährungsunterbrechung trotz prozessualer Anspruchsmehrheit ....... a) Geldrente und Kapitalabfindung .................................... b) Das verjährungsmäßige Verhältnis von Erfüllungsanspruch und Schadensersatz bei Nichterfüllung einer Leistungspflicht ....................................................... aa) Ausgangspunkt .......................................................... bb) Die Lehre von der Identität zwischen Erfüllungs- und Ersatzanspruch und ihre Gegner ce) Über die Notwendigkeit einer Erstreckung der Verjährungsunterbrechung auf den Ersatzanspruch .............................................................. 3. Die Einführung des Begriffs der Wesensgleichheit in der Rechtsprechung zum Pflichtteilsrecht ........................ a) Zum Umfang der Verjährungsunterbrechung bei einer Pflichtteilsergänzungsklage wegen Schenkungen des Erblassers ...................................................... b) Das verjährungsmäßige Verhältnis von Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsanspruch ...................... aa) Die Geltendmachung des Pflichtteils als solchen ........................................................................ bb) Erstreckung der verjährungsunterbrechenden Wirkung als Frage des Bedürfnisses ............... 4. Zusammenfassung und Ergebnis ...........................................

42 46

47 51 51

55 55 57

61 65

65 66 66 71 77

B. Die Einbeziehung des materiellrechtllchen Regelungszwecks bei der Bestimmung des Umfangs der Verjihrungsunterbrechung ...... 81

I.

Verjährungsunterbrechung als materiellrechtliche Wirkung des Prozeßbeginns ........................................................................... 81 1. Ausgangspunkt ......................................................................... 81 2. Verjährungsunterbrechung als materiellrechtliche Nebenwirkung einer Prozeßhandlung ................................... 83

Inhalt

a) Verjährungsunterbrechende Wirkung der Rechtshängigkeit ........................................................................... aa) Begriff der Rechtshängigkeit ................................... bb) Bindung der Verjährungsunterbrechung an den verfahrensrechtlichen Zustand der Schwebe ........ b) Bedeutung der Unterscheidung zwischen "Rechtshängigsein" und "Rechtshängigmachen" für die Verjährungsunterbrechung .............................................. 3. Anknüpfung der Verjährungsunterbrechung an die Klageerhebung als einer Art "qualifIZierter Mahnung" ....... a) Der materiellrechtliche Grundgedanke der Verjährungsunterbrechung ..................................................... b) Manifestation des Rechtsverfolgungswillens ................. c) Bedeutung für den Umfang der Verjährungsunterbrechung ............................................................................. 4. Einbeziehung der Rechtsgewißheit als abschließendes Regelungsziel ..................................................................... 11. Die Bindung der Verjährungsunterbrechung an die richterliche Entscheidungsbefugnis ................................................... 1. Verjährungsunterbrechung als Vorwirkung des angestrebten Urteils ....................................................................... a) Verjährungsunterbrechung in Erwartung der rechtskräftigen Feststellung des Anspruchs ................ b) Die Auswirkungen der Klagerücknahme und Klageabweisung als unzulässig auf die verjährungsunterbrechende Wirkung ............................................... aa) Klageabweisung durch Prozeßurteil ..................... bb) Klagerücknahme ..................................................... c) Zu den sonstigen Rechtsbehelfen des § 209 BGB ...... aa) Die Zustellung eines Mahnbescheids .................. bb) Verjährungsunterbrechung durch Aufrechnung und Streitverkündung im Prozeß ................ 2. Der Streit um die Verjährungsunterbrechung durch ausländische Verfahrensakte ................................................ 3. Rechtshängigkeit ohne Verjährungsunterbrechung die negative Feststellungsklage ............................................ 4. Zusammenfassung und Ergebnis .........................................

11

83 83 87 88 93 93 95 97 99 101 101 101 104 104 106 106 106 108 109 112 116

12

Inhalt

C. Zur Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten im Rahmen der Verjihrungsunterbrechung .......................................... 119 I.

I

Erweiterung der Verjährungsunterbrechung unter Wahrung des Zusammenhangs zwischen dem Umfang der Verjährungsunterbrechung und den Grenzen der Rechtskraft ..... 1. Ausgangspunkt ....................................................................... 2. Die Auswirkungen eines erweiterten Streit- und Entscheidungsgegenstands auf den Umfang der Verjährungsunterbrechung nach römischem und gemeinem Recht ...................................................................................... 3. Erstreckung der materiellen Rechtskraft über den Streitgegenstand hinaus ......................................................... a) Die Grenzen der Verjährungsunterbrechung bei Henckel ............................................................................. b) Zeuners Lehre von den materiellrechtlichen Sinnzusammenhängen ....................................................

11. Erweiterung der Verjährungsunterbrechung unter Auflösung des Zusammenhangs zwischen dem Umfang der Verjährungsunterbrechung und den Grenzen der Rechtskraft ..................................................................................... 1. Ansätze zur Bildung eines "verjährungsspezifischen" Streitgegenstandsbegriffs in der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs ....................... a) Erweiterte Auslegung des klägerischen Antrags ........ b) Zur "bedingten Rechtshängigkeit" bei der unaufgeteilten Teilklage ..................................................... 2. Entwicklung einer Lösung aus dem Grundgedanken der §§ 471 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB ...................................... 3. Überprüfung dieser Lösung anband wichtiger Einzelfälle und Fallgruppen für die Erfassung streitgegenstandsfremder Ansprüche von der verjährungsunterbrechenden Wirkung einer Klage ............................... a) "Antragsberichtigung" zur Aufrechterhaltung des ursprünglich Verlangten .......................................... aa) Anpassung an wirtschaftliche Veränderungen .... bb) Verjährungsmäßige Privilegierung offensichtlicher Fehleinschätzungen .............................

119 119

120 128 128

133

136

136 136 143 148

153 153 153 154

Inhalt

ce) Zur Reichweite der Verjährungsunterbrechung bei "falsch aufgezogenen" Klagen .............. b) Erstreckung der Verjährungsunterbrechung auf wechselseitig abhängige Ansprüche und bestimmte Folgeansprüche ............................................ aa) Alternative Ansprüche in elektiver Konkurrenz bb) Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers .. ce) Alternative Ansprüche im Subsidiaritätsverhältnis .................................................................. c) Zur verjährungsunterbrechenden Wirkung der Wechselklage hinsichtlich der Forderung aus dem Grundgeschäft ................................................................. Exkurs: Zum Verhältnis von Hauptschuld und BÜfgschaftsforderung ..................................................... d) Verjährungsunterbrechung durch klageweise Geltendmachung "vorbereitender" Ansprüche .................. aa) Zum Verhältnis von Auskunfts- und Leistungsanspruch .................................................. bb) Die Bedeutung der Kündigungsschutzklage für den Lohnanspruch ............................................ cc) Verjährungsunterbrechung des Amtshaftungsanspruchs durch Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes Literaturverzeichnis

13

155

157 158 160 162

168 172 174 174 176

184

.................................................................................... 188

Abkürzungsverzeichnis AcP AP ArbGG ArbuR ARS BAG BB BGB BGBI. BGH BGHZ BSG BT-Drucks. CPO DB EWiR FamRZ GKG Gruchot's Beitr. GVG HRR IPRax JR JuS JW JZ KG KO KSchG

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Abkünvngsverzeichnis

LAG LeipZ LG LM LS MDR NJW NJW-RR

NZA

OLG Prot. RabelsZ RAG

RdA RG RGZ

Seuff.Bl. SJZ TVG VersR VOB WG WM ZHR

ZPO ZZP

15

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Einleitung Nach § 209 Abs. 1 BGB wird die Verjährung unterbrochen, "wenn der Berechtigte auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs ... Klage erhebt". Genauso beginnt ein bereits im Jahre 1962 veröffentlichter Aufsatz von Wolfram Henckel1, in dem er eine kurz zuvor erschienene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum Anlaß nimmt, sich mit der Bedeutung dieser Vorschrift über den üblichen Rahmen einer Urteilsanmerkung hinaus auseinanderzusetzen. Wenn mit der vorliegenden Arbeit erneut dieser Versuch unternommen wird, so geschieht dies aufgrund der Fülle größtenteils höchstrichterlicher Entscheidungen, die sich seither mit den Grenzen der Verjährungsunterbrechnung beschäftigt haben. Demgegenüber hat diese Frage in der Literatur nur wenig Beachtung gefunden, sieht man einmal von der Behandlung in den umfangreichen Monographien von Spiro 2 und Peters/Zimmennann 3 ab. Das überrascht, denn für den Rechtssuchenden hängt die Durchsetzbarkeit seiner Ansprüche, wie die zahlreichen Entscheidungen eindrucksvoll beweisen, vielfach davon ab, wie weit die verjährungsunterbrechende Wirkung einer von ihm erhobenen Klage (oder einer ihr gleichgestellten Rechtshandlung, vgl. § 209 Abs. 2 BGB) reicht. Üblicherweise lautet die Antwort: so weit wie der Streitgegenstand4. Daß dies nicht uneingeschränkt gilt, zeigt schon ein Blick auf die wenigen gesetzlich geregelten Ausnahmefälle (vgl. §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB), in Die Grenzen der Verjährungsunterbrechung, JZ 1962, 335ff. Die Begrenzung privater Rechte durch Verjährungs-, Verwirkungs- und Fatalfristen, Bd. 1, 1975. 3 Peters;'ZimrMrmann, Verjährungsfristen, Der Einfluß von Fristen auf Schuldverhältnisse; Möglichkeiten der Vereinheitlichung von Verjährungsfristen, 1981; Teilfragen behandeln etwa auch Artns, Zur Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung, FS Schwab, 1990, S. 17ff.; Graf, Feststellungsklage und Verjährungsunterbrechung, 1989. 4 Palandt/Heinrichs, § 209 Anm. 6&; Emum/Hefermehl, § 209 Rn. 3. 1 Hencke~

2 Spiro,

2 M 82 (1969), 143 (148).

120 Arens, 121 Arens,

123

Dazu o. BIll b) 81).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

147

§ 253 Abs. 2 ZPO unwirksame Klage, die in Wahrheit gar nicht als Klage im Sinne des Gesetzes anzusehen istl24 . Im Gegensatz zu den von § 212 BGB erfaßten unzulässigen Klagen, die zwar mangels bestimmter Sachurteilsvoraussetzungen vorläuftg nicht zu einer Entscheidung in der Sache selbst führen können, jedoch formell ordnungsgemäß erhoben wurden, stellt die (noch) nicht aufgeteilte Teilklage lediglich einen von vornherein wirkungslosen und deshalb für die Verjährungsunterbrechung unerheblichen Versuch dar, eine rechtskräftige Feststellung der geltend gemachten Ansprüche herbeizuführen. Eine zur Verjährungsunterbrechung geeignete Klage gilt erst mit der Heilung dieses Mangels als erhoben, d.h. mit der Klarstellung im Verfahren, sofern diese vor Erlaß einer rechtskräftigen Entscheidung erfolgtl25.

Allerdings hebt Arens besonders hervor, daß der Beklagte bereits mit der zunächst unaufgeteilten Teilklage hinreichend darüber informiert sei, welche Ansprüche der Kläger gegen ihn erhebtl26 . Doch reicht, wie sich im zweiten Teil der vorliegenden Untersuchung gezeigt hat, die bloße Manifestation der Rechtsverfolgungsabsicht allein nach Sinn und Zweck der Verjährung und ihrer Unterbrechung eben nicht aus, die verjährungsunterbrechende Wirkung herbeizuführen l27. Erst wenn die konkrete Aussicht besteht, daß der Rechtsstreit auch durch eine, den vorhandenen Zustand der Rechtsungewißheit beendende gerichtliche Entscheidung abgeschlossen wird, erscheint die Verjährungsunterbrechung gerechtfertigt128. Davon aber kann nicht ausgegangen werden, solange die Klange mangels Aufgliederung auf die geltend gemachten (prozessual selbständigen) Einzelforderungen nicht erkennen läßt, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe der einzelne Anspruch der richterlichen Entscheidung unterstellt werden soll. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß der Versuch der Rechtsprechung, bestimmte materiellrechtliche Zusammenhänge bei der Bestimmung des Umfangs der Verjährungsunterbrechung zu wahren, ohne gleichzeitig 124 Dazu

auch MünchKommjv. Feldmann, § 209 Rn.

12,

der allerdings wie die meisten

Kommentare für die unaufgeteilte Teilklage im Hinblick auf die von der Rechtsprechung angenommene "bedingte Rechtshängigkeit" eine Ausnahme zulassen will, a.a.O. m.N.; vgI. aber BGH, NJW-RR 1989, 508. 125

Ebenso im Ergebnis Rosenberg/Schwab, § 98 11 2c (S. 583).

126 Diesen

Aspekt betont auch Blomeyer, ZPR, § 44 III (S. wendbar hält. 127 Dazu o. B I 4. 121 Dazu o. B 14, 11 1 a). 100

258),

der §

212

BGB für an-

148

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

auf die Maßgeblichkeit des prozessualen Anspruchsbegriffs verzichten zu müssen, zu einem Streitgegenstandsverständnis führt, das mit dem Bedürfnis nach einer klaren prozessualen Rechtslage nicht mehr zu vereinbaren ist. Denn in Wahrheit wird zwar der Streitgegenstand als "Gegenstand des Rechtsstreits" speziell für die Frage der Verjährungsunterbrechung erweitert, nicht aber als "Gegenstand der diesen Rechtsstreit abschließenden Entscheidung". Dieser, weiterhin streng an Antrag und Lebenssachverhalt ausgerichtet, ist wieder nur ein Teil des unter Berücksichtigung materiellrechtlicher Zusammenhänge bestimmten "Gegenstands des Rechtsstreits". Die Absicht der Rechtsprechung, in jedem Fall an der Gleichsetzung des Umfangs der Verjährungsunterbrechung mit dem Streitgegenstand festzuhalten, indem sie den Streitgegenstand unter Zuhilfenahme materiellrechtlicher Erwägungen in dem gewünschten Maße erweitert, ist ein untauglicher Versuch, dem eindeutigen Bekenntnis zum Ausnahmecharakter vieler Fallgestaltungen aus dem Wege zu gehen. Was als Einbeziehung in die Regel erscheint, ist im Grunde die Durchbrechung der prinzipiellen Bindung der Verjährungsunterbrechung an den Umfang der zu erwartenden, den Zustand der Rechtsungewißheit beendenden, rechtskräftigen Entscheidung, kurz an den prozessualen Streitgegenstand, der für alle materiellen und prozessualen Fragen gleich definiert sein sollte.

2. Entwicklung einer Lösung aus dem Grundgedanken der §§ 477 Abs. 3,639 Abs.l BGB Ein eindeutiges Bekenntnis zur teilweisen Durchbrechung des Prinzips der Maßgeblichkeit des Streitgegenstands für den Umfang der Verjährungsunterbrechung dürfte um so leichter fallen, als das Gesetz selbst mit der Regelung der §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB einen konkreten Ansatzpunkt für mögliche Ausnahmen bietet. Diese Tatbestände lassen sich keineswegs allein mit der Überlegung rechtfertigen, daß der Schuldner hier wegen des engen materiellrechtlichen Zusammenhangs mit einer späteren Streitgegenstandsänderung rechnen konnte und mußte. Zwar erscheint ausgehend von dem Grundgedanken der Verjährungsregelung, die primär den Schuldner vor einer Verschlechterung seiner Beweissituation bewahren will, die vorsorgliche gerichtliche Geltendmachung dieser Ansprüche zum Zwecke der Verjährungsunterbre-

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

149

chung als bloßer Formalismus. Weiß der Schuldner, welche Ansprüche möglicherweise noch auf ihn zukommen oder muß er zumindest mit weiteren Ansprüchen rechnen, besteht kein Grund mehr, ihn in seinem Vertrauen darauf, daß nach einiger Zeit die Inanspruchnahme durch den Gläubiger ausgeschlossen ist, zu schützenl29. Doch hat sich auch gezeigtl30, daß die Verjährung über diesen Gesichtspunkt hinaus dazu dient, im Interesse des allgemeinen Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit diejenigen Anspruche, die über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht worden sind, dauerhaft einem zukünftigen Streit zwischen den Parteien zu entziehen. Sie wird daher nur funktionslos, soweit die Parteien innerhalb der jeweiligen Frist selbst für die KlarsteIlung der zwischen ihnen bestehenden Rechte sorgen. Zudem erscheint sie dort nicht gerechtfertigt, wo diese Bemühungen über den Ablauf der Verjährungsfrist andauern, sofern die Absicht eine endgültige und abschließende Feststellung der umstrittenen Ansprüche herbeizuführen hinreichend deutlich dargetan und der Umfang der erwarteten, Rechtsgewißheit schaffenden Feststellung nicht mehr zweifelhaft ist. Verläßliche Auskunft aber gibt hier regelmäßig allein der mit dem späteren Entscheidungsgegenstand identische Streitgegenstand, weshalb der Umfang der Verjährungsunterbrechung grundsätzlich mit Inhalt und Reichweite des Streitgegenstands gleichgesetzt wird, während materiellrechtliche Sinnzusammenhänge gerade nicht entscheiden sollen. Sowohl die gesetzliche Ausnahmeregelung der §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB als auch ihre Ausweitungen und Weiterentwicklungen widersprechen diesem Grundsatz. Denn ihr Anliegen ist es, die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klage und der ihr gleichstehenden prozessualen Handlungen so weit zu fassen, daß dem Berechtigten eine spätere Änderung des Streitund Entscheidungsgegenstands noch möglich ist. Inhalt und Umfang der abschließenden Entscheidung bleiben also gerade noch offen. Die Frage ist nur, worin der Grund dafür liegt, daß hier ausnahmsweise der Erhalt materiellrechtlicher Sinnzusammenhänge wichtiger erscheint, als ein striktes Festhalten an der prinzipiellen Maßgeblichkeit des Streitgegenstands für den Umfang der Verjährungsunterbrechung. Bereits im Zusammenhang mit der Darstellung der gesetzlichen Ausnahmevorschriften der §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB ist darauf hingewiesen worden, daß der Gesetzgeber einen Widerspruch zu lösen suchte, in den er bei der Ausgestal-tung des Sach- und Werkmängelgewährleistungsrechts ge129 Dazu o. 130

B I 3 a). Dazu o. B 14, 11 1 a).

150

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

raten war, weil er zwei nur schwer miteinander zu vereinbarende Ziele verfolgte 131: Einerseits wollte er an der Wahlmöglichkeit des Käufers zwischen Wandelung und Minderung festhalten, wie er sie im damals geltenden gemeinen Recht vorgefunden hatte und wie sie bereits dem römischen Recht bekannt war132• Auch sollte dem Besteller, falls sich der primär zu verfolgende Mängelbeseitigungsanspruch als nicht ausreichend erweist, ein späterer Übergang zu den Mängelgewährleistungsrechten ermöglicht werden (vgl. §§ 634, 635 BGB). Andererseits sah der Gesetzgeber ein Bedürfnis, diese Rechte einer kurzen Verjährungsfrist zu unterwerfen, "weil die Ermittelung und Feststellung von Qualitätsmängeln nach Verlauf längerer Zeit kaum ausführbar und für den Verkehr die Zulassung des Zurückgreifens auf solche Mängel nach längerer Zeit im höchsten Grade lästig und hemmend" sei133• Die Folge davon wäre, daß ein späterer Übergang vielfach an der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung desjenigen Anspruchs scheitern würde, der im Zeitpunkt des Ablaufs der kurzen Verjährungsfrist nicht Gegenstand einer Klage war. Die §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB enthalten die Regelung, die es ermöglicht, an der kurzen Verjährung für alle genannten Ansprüche festzuhalten und gleichzeitig dem Berechtigten die Möglichkeit eines späteren Wechsels bis zur abschließenden Entscheidung zu erhalten, indem sie die verjährungsunterbrechende Wirkung auf all die Rechte erstreckt, die nach dem Willen des Gesetzgebers an die Stelle des zunächst geltend gemachten Anspruchs treten können sollen. Daß damit jene Rechte, die nicht nur um des Schutzes des Schuldners willen, sondern darüber hinaus im Interesse der Sicherheit und Leichtigkeit des Rechtsverkehrs der kurzen Verjährung unterworfen sind, dieser wieder entzogen werden können, obwohl sie möglicherweise niemals zum Gegenstand einer Rechtsgewißheit schaffenden Entscheidung werden, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen. Als Begründung kann sein Hinweis auf die erhöhte Schutzbedürftigkeit des Käufers im Bereich des Sachmängelgewährleistungsrechts dienen. So hielt der Gesetzgeber die Zulassung einer Änderung der Entscheidung, Wandelung oder Minderung zu verlangen, bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich der Verkäufer einverstanden erklärt oder seine Einwilligung durch rechtskräftiges Urteil ersetzt wird, "zum Schutze des Käufers namentlich für die Fälle erforderlich, in denen nach der dem Verkäufer gegenüber abgegeDazu o. A 11 1 a) aa), bb). ausdrücklich Motm, S. 227, bei Mugdan 11, S. 125. 133 Motm, S. 238, bei Mugdan 11, S. 131. 131

132 So

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

151

benen Erklärung des Käufers sich die Umstände geändert haben"I34. Beispielsweise kann der Verkäufer, nachdem der Käufer erklärt hat, wandeln zu wollen, in Konkurs geraten13S oder die Kaufsache untergegangen sein. Der Gedanke erscheint auch auf die werkvertragliche Regelung übertragbar. Sie geht gerade von einer nachträglichen Veränderung der äußeren Umstände aus, soweit sie bestimmt, daß die Gewährleistungsrechte erst entstehen und geltend gemacht werden können, wenn der Mängelbeseitigungsanspruch seine Erledigung gefunden hat. Immerhin ist auch dem Prozeßrecht eine derartige Anpassung an veränderte Umstände nicht fremd, selbst wenn mit ihr eine Änderung des Streitgegenstands verbunden ist. So soll nach § 264 Nr. 3 ZPO keine Klageänderung vorliegen, wenn der Kläger aufgrund einer nach Klageerhebung eingetretenen oder ihm bekanntgewordenen Veränderung den ursprünglichen Gegenstand nicht mehr fordern kann und stattdessen einen anderen Gegenstand oder das Interesse verlangtl36. Der Grund für diese Zulassung liegt darin, daß der neue Anspruch nach materiellem Recht in der Regel ein (schuldrechtliches) Surrogat des ursprünglichen Anspruchs ist, so daß der Prozeß materiellrechtlich betrachtet als dessen Weiterverfolgung erscheint, während demgegenüber aus prozessualer Sicht kein Anlaß besteht, den Kläger zu zwingen, wegen tatsächlicher Veränderungen, auf die er keinen Einfluß nehmen konnte, einen zweiten Rechtsstreit einleiten zu müssen l37• Die bisherige Prozeßführung des Beklagten wird damit keinesfalls vergeblichl38, so daß ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Beklagten dieser prozeßökonomisch sinnvollen Lösung nicht entgegensteht. Um so dringlicher erscheint es, diesen Rückgriff auf Ansprüche, in denen das ursprünglich geltend gemachte Recht unmittelbar fortwirkt, nicht nunmehr an der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen. Maßgeblich für eine derartige Erstreckung ist indessen nicht allein der Umstand, daß das materielle Recht ein schuldrechtliches Surrogat bereitstellt, um dem Berechtigten auch bei nachträglichen Veränderungen die sachgerechte Weiterverfolgung seiner Ansprüche zu sichern. Denn auf die materiellrechtlichen Sinnzusammenhänge allein kommt es für die Frage der Verjährungsunterbrechung gerade nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß S. 61, bei Mugdan 11, S. 1245. a.a.O., Denkschrift, S. 61, bei Mugdan 11, S. 1245. 136 BaumbachjLaulerbachjHartnumn, § 264 Anm. 2 D. 137 Blomeyer, ZPR, § 48 I 2c (S. 270); Schneider, MDR 1987, 811 (812). 138 Blomeyer, ZPR, § 48 I 2 (S. 269). 134 Denkschrift, 13S Beispiel

152

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

hier eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung auf Ansprüche erfolgen soll, die zwar zunächst nicht Gegenstand der erhobenen Klage sind, von dieser aber dennoch insoweit beeinflußt werden, als eine gleichzeitige und gleichrangige Geltendmachung nicht möglich ist. Wenn die auf baldige Herstellung rechtlich gesicherter Verhältnisse gerichtete Verjährung nach der gesetzlichen Regelung des § 209 BGB dort zunächst nicht eingreifen soll, wo sich der Berechtigte selbst um eine abschließende gerichtliche Klärung seiner Ansprüche kümmert, so liegt es zumindest nahe, auch all jene Ansprüche einzubeziehen, deren endgültige Klärung durch den bereits geltend gemachten Anspruch vorübergehend ausgeschlossen ist. Zwar werden sie möglicherweise niemals Gegenstand einer rechtskräftigen Entscheidung sein. Doch läßt sich eine zwischenzeitliche Verjährung dieser Ansprüche kaum damit begründen, daß der Berechtigte sich nicht in ausreichendem Maße um ihre gerichtliche Überprüfung bemüht habe. Denn verlangt wird von ihm eine Tätigkeit, die die endgültige Beseitigung eines im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs unerwünschten Zustands der Rechtsungewißheit erwarten läßt. Wo dies nicht möglich ist, weil die Geltendmachung des einen Anspruchs eine gleichzeitige und gleichrangige Entscheidung über einen anderen Anspruch ausschließt, sollte der Berechtigte keinesfalls gezwungen sein, allein zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung eine zweite Klage zu erheben. Denn diese würde ihn einstweilen nur mit Kosten belasten, sich später vielfach als überflüssig erweisen und darüber hinaus den anerkannten Grundsätzen der Prozeßökonomie widersprechen. Das gilt auch dort, wo der Berechtigte andere prozessuale Lösungen wählt, also etwa einen Hilfsantrag stellt oder eine vorbeugende Feststellungsklage erhebt. Denn der Zwang zur vorsorglichen Geltendmachung wird nicht selten zu einer unsinnigen Überfrachtung der Klage mit einer Vielzahl von Hilfsanträgen und vorbeugenden Feststellungsklagen führen. Zudem wird der vielfach nicht einmal anwaltlich beratene Kläger nicht immer daran denken, zugleich mit dem eingeklagten Anspruch auch all jene Ansprüche der Verjährung zu entziehen, die möglicherweise an dessen Stelle treten können. Dem beabsichtigten Schutz des Berechtigten gegenüber erscheinen die Schwierigkeiten, im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs zu einer sachgerechten und vorhersehbaren Eingrenzung derjenigen Ansprüche zu gelangen, die sich trotz ihrer prozessualen Selbständigkeit wechselseitig hinsichtlich der Verjäh-rung beeinflussen sollen, vergleichsweise gering139• 139 Schwierigkeiten, zu einer sachgerechten Eingrenzung zu kommen, befürchten etwa Peters/Zimmermann in ihrem Gutachten, S. 323.

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

153

Wichtig ist, daß man die Ausnahme konsequent auf jene Fälle beschränkt, in denen materiellrechtlich betrachtet mit dem einen Anspruch nur geltend gemacht werden kann, was zuvor bereits mit dem anderen Anspruch geltend gemacht worden ist. Nur so ist gesichert, daß der Schuldner nicht über Gebühr belastet wird. Es geht also im wesentlichen darum, eine spätere Streitgegenstandsänderung dort nicht an der zwischenzeitlichen Verjährung scheitern zu lassen, wo der spätere Anspruch den früheren im Rahmen des bisherigen Klageziels lediglich ersetzen soll. Die Gründe für eine derartige Notwendigkeit mögen durchaus unterschiedlich sein. Die mehrfach erwähnte Anpassung des Antrags an eine zwischenzeitliche Änderung der tatsächlichen Umstände, die den Erfolg des ursprünglichen Klageziels in Frage stellt, wird einer der häufigsten sein. Als Ergebnis läßt sich daher festhalten, daß die verjährungsunterbrechende Wirkung einer Klage über den Streitgegenstand hinaus auch all jene materiellrechtlichen Ansprüche oder Anspruchsteile erfassen soll, deren gleichzeitige und gleichrangige Geltendmachung neben dem bereits erhobenen Anspruch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist, die jedoch, weil sie regelmäßig beim Kläger das gleiche Interesse verwirklichen, geeignet sind, unter Aufrechterhaltung des bisherigen Klageziels auch später noch an die Stelle des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs zu treten. Es wird also stets um Fälle gehen, in denen der Kläger seinen Antrag ändern muß, damit er am Ende doch noch bekommt, was er von Anfang an verlangt hat.

Im Anschluß soll dieser Standpunkt anhand einiger Beispiele erläutert und auf seine Brauchbarkeit hin überprüft werden.

3. Überprüfung dieser Lösung anhand wichtiger Einzelfälle und Fallgruppen für die Erfassung streitgegenstandsfremder Ansprüche von der verjährungsunterbrechenden Wirkung einer Klage

a)

'~ntragsberichtigung" zur Aufrechterhaltung des

ursprünglich Verlangten

aa) Anpassung an wirtschaftliche Veränderungen Ein geradezu klassisches Beispiel dafür, daß trotz Antragsänderung und der damit verbundenen Streitgegenstandsänderung materiellrechtlich nur geltend gemacht wird, was bereits vorher geltend gemacht worden ist, sind

154

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

die eingangs dargestellten Fälle nachträglicher Anpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnissel40• Nicht nur die weit zurückliegenden Zeiten der Hochinflation, sondern auch vielfach kaum vorhersehbare nachhaltige Änderungen des allgemeinen Lohn- und Preisgefüges oder Baukostensteigerungen in ungewohntem Umfang können das mit dem ursprünglichen Klageantrag formulierte Ziel des Berechtigten in Frage stellen. Der als Reaktion hierauf nachträglich geforderte Mehrbetrag dient deshalb einzig und allein der Aufrechterhaltung des bisherigen Klageziels unter Berücksichtigung der nachträglich eingetretenen wesentlichen Veränderungen in der Bemessungsgrundlage. Eine derartige Anpassung nicht an der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung scheitern zu lassen, erscheint im Interesse des Klägers gerechtfertigt, zumal die später eintretenden Veränderungen für alle Beteiligten gleichermaßen überraschend sind.

bb) Verjährungsmäßige Privilegierung offensichtlicher Fehleinschätzungen Aber auch dort, wo das Erfordernis einer späteren Antragserweiterung auf einer erkennbaren Fehleinschätzung der Berechnungsgrundlagen durch den Gläubiger beruht, ist im Interesse des Berechtigten von einer weit gefaßten Verjährungsunterbrechung auszugehen: So etwa, wenn der Berechtigte den für die Schadensbehebung erforderlichen Betrag ursprünglich zu niedrig angegeben hatte, weil der eingeschaltete Sachverständige diesen für ausreichend hielt 141 oder weil der Gläubiger offensichtlich von einem falschen Zeitraum ausgegangen war142, während aus der Klage das eigentliche Ziel ohne weiteres erkennbar war und daher mit einer nachträglichen Berichtigung des Antrags gerechnet werden mußte. Eine gleichzeitige und gleichrangige Geltendmachung des später in die Klage einbezogenen Mehrbetrags zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung war hier zweifellos nicht möglich. Auch ersetzt der erweiterte Antrag den ursprünglich gestell.ten nur im Rahmen des bisherigen Klageziels. Von einem qualitativen Mehr kann hier nicht die Rede sein. Ebenfalls hierher gehören die Fälle, in denen sich der eingeklagte Vorschuß auf die Mängelbeseitigungskosten später als nicht genügend er140 141

Dazu o. A 13 a) aa). RGZ 102, 143 (l44f.).

142 BGH,

WM 1978, 461 (464f.); dazu bereits o. A 13 a) aa).

11. Auflösung des Zusammenhanp mit den Grenzen der Rechtskraft

ISS

weist l43. Denn die Möglichkeit einer nachträglichen Erhöhung ist bereits in der Eigenart des Anspruchs auf Zahlung eines Kostenvorschusses begründet l44 •

ce) Zur Reichweite der Verjährungsunterbrechung bei "falsch aufgezogenen" Klagen Ebenfalls um eine bloße "Berichtigung" des ursprünglichen Klageantrags ging es letztlich auch in den beiden kurz nacheinander ergangenen Entscheidungen des BGH zu der Frage, ob durch die Zustellung eines auf DM lautenden Mahnbescheids bzw. durch die Erhebung einer Klage auf Zahlung in DM die Verjährung einer Geldschuld in ausländischer Währung unterbrochen werden kannl4S . Im ersten Fall hatte der Berechtigte seine Forderung in inländische Währung umgerechnet, um sich den Weg einer Geltendmachung im Mahnverfahren zu ermöglichen (vgl. § 688 Abs. 1 ZPO), im zweiten Fall war die Umrechnung erfolgt, um eine Streitwertberechnung zu ermöglichen, und dabei versäumt worden, den Zahlungsbetrag wieder auf die vertraglich geschuldete Währung umzustellen. Da der Gläubiger in beiden Fällen in Inlandswährung zu fordern nicht berechtigt war, waren die Klagen unbegründet. Die späteren Bemühungen des Gläubigers, den anfänglichen Mißgriff durch Umstellung des Klageantrags auf die ausländische Währung zu korrigieren und so dem Anspruch doch noch zum Erfolg zu verhelfen, stellen trotz der damit verbundenen Streitgegenstandsänderungl46 lediglich eine sachgerechte Weiterverfolgung des ursprünglichen Klageziels dar. Denn letztlich handelt es sich eben doch nicht "um zwei völlig unterschiedliche Geldforderungen, sondern um ein und dieselbe Geldschuld i.S. des § 244 BGB, die in ausländischer Währung ausgedrückt (also als sogenannte einfa143

Dazu o. A I 3 a) ce).

144

Vgl. BGHZ 66, 138 (141); BGHZ 47,272 (274).

1045 BGH,

NJW 1988, 1964 und BGH, NJW-RR 1990,183; s.o. Ausganpfall3, A I 1 und spä-

ter mehrfach im Text. 1-46 Die Auffassung Schmidts, wonach die einfache Fremdwährunpforderung bereits durch die Heimwährunpklage rechtshängig werden soll, ist im Hinblick auf die Antrapänderung abzulehnen, vgI. Schmidl, NJW 1989, 6S (68); dazu Hanisch, IPRax 1989, 276 (277f.); v. Feldmann, EWiR § 209 BGB 1/88, 96S (966).

156

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

ehe Fremdwährungs- oder Valutaschuld) im Inland zu zahlen war"147. Eine sachliche Vermehrung der Ansprüche des Gläubigers ist deshalb trotz einer Erstreckung der Verjährungsunterbrechung auf die zunächst nicht rechtshängig gemachte Fremdwährungsforderung keinesfalls zu befürchten, weil eine gleichzeitige und gleichrangige Geltendmachung des einen Anspruchs in beiden Währungen materiellrechtlich ausgeschlossen ist. Geschützt wird allein der Gläubiger, der sich bei der Verfolgung seines Anspruchs im Weg vergriffen hat und dem nun aus formellen Gründen die Abweisung droht. Seine bisherigen Bemühungen sollen nicht umsonst gewesen sein. Denn auch nach der Umstellung seines Antrags auf die geschuldete Währung macht er nur geltend, was dem Grunde nach bereits zuvor geltend gemacht worden ist. Daß nicht jede nachträgliche Berichtigung einer zunächst "falsch aufgezogenen"I48, d.h. zur Durchsetzung des in Aussicht genommenen Anspruchs ungeeigneten Klage eine derartige verjährungsmäßige Privilegierung erfährt, zeigt eine Entscheidung des BGH aus dem Bereich des Ehegattenerbrechts l49. Dort hatte die Klägerin und ihr Ehemann im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Nach dem Tod ihres Mannes wurde dessen Sohn aus erster Ehe Alleinerbe, für die Klägerin war ein Vermächtnis ausgesetzt, das sie jedoch ausschlug. Stattdessen erhob sie Klage auf Zahlung des "großen" Pflichtteils (§ 2303 Abs. 2 i.V. mit § 1371 Abs. 1 BGB) in Höhe von einem Viertel des Nachlaßwertes. Später änderte sie ihren Antrag dahingehend, daß sie nunmehr statt des "großen" Pflichtteils den ihr gem. § 1371 Abs. 2 BGB zustehenden "kleinen" Pflichtteil sowie den Anspruch auf Zugewinnausgleich geltend mache. Die kurze Verjährungsfrist für die Zugewinnausgleichsforderungl50 war jedoch zwischenzeitlich abgelaufen. Für das Gericht stellte sich daher die Frage, ob nicht vielleicht die Klage auf Zahlung des "großen" Pflichtteils geeignet war, die Verjährung des Zugewinnausgleichsanspruchs zu unterbrechen. Ausgehend vom Gedanken der "Antragsberichtigung" hätte eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung durchaus nahegelegen. Denn auch hier hatte die Klägerin mit der späteren Umstellung ihres Begehrens lediglich auf die zwischenzeitlich erNJW 1988, 1964 (1965); BGH, NJW-RR 1990, 183 (184); zustimmend Hanisch, 1989, 276 (278); Schmidt, NJW 1989, 65 (68); daß dies namentlich für die Geldsorten-

147 BGH,

IPRax

schuld nicht gilt, darauf weist ausdrücklich Hanisch, a.a.O., hin. 148 Ausdruck bei Peters, JZ 1988, 762 (763). 149

= FamRZ 1983, 27. 1378 Abs. 4 S. 1, 3 i.V.m. 2332 Abs. 1 BGB: drei Jahre ab Kenntnis der maßgeblichen

BGH, NJW 1983, 388

ISO §§

Umstände.

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

157

kannte Unmöglichkeit reagiert, ihr eigentliches Ziel, nämlich den Ausgleich des Zugewinns zu erhalten, auf dem eingeschlagenen Wege zu erreichen. Zwar handelt es sich nach der gesetzlichen Regelung bei dem mit dem "kleinen" pflichtteil verbundenen güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch einerseits und dem erbrechtlichen Anspruch auf den "großen" Pflichtteil andererseits nur um unterschiedliche Wege für den Ausgleich des Zugewinns bei Auflösung der Zugewinngemeinschaft durch Tod eines Ehegatten I51 . Schlägt der überlebende Ehegatte aber wie hier die Erbschaft oder das Vermächtnis aus, ist der Weg über die "erbrechtliche Lösung" nicht mehr möglich. Nach herrschender Auffassung kann nicht an Stelle des Zugewinnausgleichsanspruchs der "große" Pflichtteil verlangt werden I52, so daß eine Umstellung der Klage auch im vorliegenden Fall unerläßlich war. Doch lag darin mehr als eine bloße sachgerechte Weiterverfolgung des bisherigen Klageziels. Denn sowohl die Zugehörigkeit zu so unterschiedlichen Rechtsbereichen wie das eheliche Güterrecht und das Erbrecht, als auch die nicht unerheblich voneinander abweichende Ausgestaltung hinsichtlich der Voraussetzungen153 und des Rechtswegs 154 der Ansprüche spricht gegen die Annahme, es handele sich lediglich um verschiedene Ausformungen ein und desselben Anspruchs. Auch der BGH lehnte es aus diesen Gründen ab, die Ansprüche als "wesensgleich" zu betrachten155 und verneinte daher eine Entstehung der Verjährungsunterbrechung. Der Übergang von dem Anspruch auf den "großen" Pflichtteil zum Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns ist eben mehr als die fortgesetzte Geltendmachung dessen, was dem Grunde nach bereits zuvor geltend gemacht worden ist.

b) Erstreckung der Verjährungsunterbrechung auf wechselseitig abhängige Ansprüche und bestimmte Folgeansprüche Daß ein Bedürfnis danach besteht, die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klageerhebung auf bestimmte wechselseitig abhängige Ansprüche Darauf weist ausdrücklich hin: BGH, NJW 1983, 388 (389). (12.), § 1371 Rn. 12 u. 3S m.w.N. in Fn. 31 zur Rechtsprechung. 1S3 Gerade im Hinblick auf den allein bei der güterrechtlichen Lösung bedeutsamen tatsächlichen Zugewinn; vgl. BGH, NJW 1983, 388 (390) auch zu den Beweisproblemen. 154 Über den Zugewinnausgleich entscheiden die Familiengerichte, § 23 b Abs. 1 Nr. 9 GVG. 1SS BGH, NJW 1983, 388 (389). 1S1

152 SoergeljLange

158

C. Behandlung pt'OZClSualer Anspruchsmehrheiten

und Folgeansprüche ZU erstrecken, hat sowohl die Untersuchung des Regelungszwecks der §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB gezeigt, als auch ein Blick auf die vielen Ausweitungen und Weiterentwicldungen, die dieser in Rechtsprechung und Literatur immer wieder erfahren hat. Die systematische Zuordnung dieser Fälle erscheint nicht immer ganz einfach, zumal die nachstehend verwendeten Oberbegriffe oft nicht einheitlich gebraucht werden.

aa) Alternative Ansprüche in elektiver Konkurrenz Ausgehend von § 477 Abs. 3 BGB sind dabei zunächst die Fälle zu nennen, in denen dem Gläubiger aus einem (verletzten) Schuldverhältnis nebeneinander mehrere Ansprüche zustehen, die sich gegenseitig ausschließen und unter denen er wählen kann (sog. elektive Konkurrenz). Dazu zählen außer den oben genannten Ansprüchen des Sachmängelgewährleistungsrechts l56 etwa auch der wahlweise Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung und Rücktritt in den §§ 325, 326 BGBI57, Herausgabe des Ersatzes und Abtretung des Ersatzanspruchs bei Unmöglichkeit nach § 281 BGB158 sowie zwischen Erfüllungs- und Schadensersatzanspruch im Fall des § 179 Abs. 1 BGBI59. Ihnen allen gemeinsam ist, daß sie dem Berechtigten die Möglichkeit eröffnen, im konkreten Fall denjenigen Anspruch zu wählen, der ihm zur abschließenden Verwirklichung seines Zieles, nämlich wegen der Verletzung des Schuldverhältnisses Befriedigung zu erlangen, am geeignetsten erscheint. Steht ihm nun darüberhinaus auch noch das Recht zu, seine einmal getroffene Wahl wieder zu ändern (sog. ius variandi), so liegen die hier geforderten Voraussetzungen für eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung über den zunächst geltend gemachten Anspruch hinaus auf die konkurrierenden Ansprüche vor. Denn damit soll dem Gläubiger die Möglichkeit gegeben werden, auf spätere Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse noch reagieren zu können, indem er an die Stelle des zunächst gelS6

Dazu o. A 11 1 a) aa).

BGH, JZ 1979, 230; RGZ 109, 184 (186); RGZ 102, 262 (264f.); MÜllChKommjKe1ler, § 262 Rn. 13; RGRK/Alff, § 262 Rn. 4. 158 MünchKommjKe1ler, § 262 Rn. 13; PalandtjHeinrichs, § 262 Anm. 3 b), str. MÜllChKommjKe1ler, § 262 Rn. 13; PalandtjHeinrichs, § 262 Anm. 3 b); aA RGZ 154, 58 (62). 157

1'"'

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

159

wählten Anspruchs einen anderen setzt, wenn ihm dieser nunmehr erfolgversprechender erscheint. Auch hier ist der Wechsel letztlich nur die sachgerechte Weiterverfolgung des ursprünglichen Ziels, weil trotz Inhaltsänderung weiterhin nur gefordert wird, was dem Grund nach bereits geltend gemacht worden ist. Eine derartige gesetzliche oder vertraglich vorgesehene Besserstellung des Gläubigers soll nicht an der zwischenzeitlichen Verjährung scheitern. Ob im Einzelfall ein solches "ius variandi" besteht, ist jeweils durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zu ermitteln bzw. dem Regelungszusammenhang derjenigen Norm zu entnehmen, auf die sich die konkurrierenden Gläubigerrechte grÜDdenl60. Für die Sachmängelgewährleistungsrechte ergibt sich die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung, wie bereits gezeigt161, mittelbar aus dem Regelungsgehalt des § 465BGB. In den übrigen der hier genannten Beispiele elektiver Anspruchskonkurrenz ist zu differenzieren: Soweit es um die Wahl zwischen Rücktritt und Schadensersatz wegen Nichterfüllung in den §§ 325, 326 BGB geht, soll der Gläubiger zwar noch zum Rücktritt übergehen können, sofern er zunächst Schadensersatz verlangt hat162. Auch soll er zwischen dem Schadensersatzanspruch und den Rechten aus § 323 BGB variieren können163. Wegen des rechtsgestaltenden Charakters der Rücktrittserklärung hält eine überwiegend vertretene Auffassung einen späteren Übergang zum Schadensersatzanspruch für ausgeschlossen l64 • Auch eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung unterbleibt in diesem Fall, in dem kein "ius variandi" besteht. Dagegen soll dem Gläubiger im Fall des § 281 BGB ein uneingeschränktes "ius variandi" zustehenl65, bei § 179 Abs. 1 BGB ist dies dagegen streitigl66•

160 161

So ausdrücklich PalandtjHeinrichs, § 262 Anm.

Dazu o. A 11 1 a) aal.

162 PalandtjHeinrichs,

l09,l84ff.

§

3 b).

326 Anm. 8 b), § 325 Anm. 3 c) m.w.N.; BGHZ 16,388 (393); RGZ

§ 325 Anm. 7; RGZ 109, 184 (187). BGH, NJW 1982, 1279 (1280): sobald der Rücktritt wirksam geworden ist, weil damit das Schuldverhältnis aufgelöst ist; aA. Lindacher, JZ 1980, 48 (51). 165 PalandtjHeinrichs, § 281 Anm. 3b). 166 Die h.M. nimmt allerdings ohnehin ein Wahlschuldverhältnis an; zum Ganzen vgI. Hüger, NJW 1986, 2237f. 163 PalandtjHeinrichs,

164

160

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

bb) Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers Sehr viel Ähnlichkeit mit der zuvor genannten Fallgruppe hat die gesetzlich nicht geregelte Rechtsfigur der Schuld mit einer Ersetzungsbefugnis des Gläubigers (sog. facultas alternativa). Bei ihr konkurrieren nicht von vornherein mehrere Rechte des Gläubigers; geschuldet wird vielmehr zunächst nur eine bestimmte Leistung, wobei der Gläubiger jedoch berechtigt ist, statt ihrer eine andere Leistung zu fordern l67. Als gesetzliche Beispiele werden regelmäßig die §§ 249 S. 2, 843 Abs. 3 und 1585 Abs. 2 BGB genanntl68, aber auch die §§ 257 S. 1 oder 340 Abs. 2 S. 1 BGB dürften hierher gehörenl69 . Daneben kann die "facultas alternativa" ebenfalls vertraglich begründet werden l70 . Auch sie ermöglicht es dem Gläubiger, auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse den ihm zur Durchsetzung seines Interesses geeigneteren Anspruch zu "wählen". Der dazu erforderlichen Erklärung kommt rechtsgestaltende Bedeutung zu, weil durch sie an die Stelle der ursprünglich geschuldeten Leistung eine andere tritt, so daß vieles dafür spricht, daß die einmal getroffene Wahl bindet, dem Gläubiger also kein "ius variandi" zusteht. Gerade dieses aber wäre Voraussetzung für eine mögliche Anpassung an nachträglich eintretende Veränderungen in den tatsächlichen Verhältnissen durch Ersetzung des einen Anspruchs durch einen anderen und damit für die Frage einer Erstreckung der Verjährungsunterbrechung. Auch hier kann nur die Auslegung der vertraglichen oder gesetzlichen Regelung entscheiden, die eine Ersetzungsbefugnis des Gläubigers begründetl71 • So entspricht es heute herrschender Auffassung, daß der Ersatzberechtigte in den von § 843 Abs. 3 BGB erfaßten Fällenl72, bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Wahl haben soll, ob er Ersatz in Kapital- oder Rentenform fordern will173, und dies gerade auch im Hinblick darauf, daß sich ein wichtiger Grund, wie ihn die Vorschrift verlangt, erst nachträglich ergibtl74• Etwa MünchKommjKeller, § 262 Rn. 9. 1681auernig/Vollkommer, § 262 Anm. 2 c) aa); SoergeljWolf (12.), § 262 Rn. 21; BOHZ 5,

167

105 (109) bzgl. § 249 S. 2 BOB. 1(19 Für § 340 Abs. 2 S. 1 BOB MünchKommjKeller, § 262 Rn. 10. 170 Z B. in BOHZ 81, 135 (137). 171 PalandtfHeinrichs, § 262 Anm. 3 c) aa). 172 Vgl. auch durch entsprechenden Verweis die Fälle der §§ 844 Abs. 2, 845 BOB, dazu RORK/Alff, § 262 Rn. 5. 173 Dazu o. A I 2 a) m.w.N. 174 BOH, NJW 1982, 757 (758).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

161

Gleiches muß für die Ersetzungsbefugnis in § 1585 Abs. 2 BGB wegen der vergleichbaren Ausgestaltung der Vorschrift gelten. Dagegen erscheint die Frage, ob dem Berechtigten ein "ius variandi" zustehen soll oder nicht, bei § 249 S. 2 BGB nicht abschließend geklärt: Die meisten Kommentierungen beschränken sich auf den Hinweis darauf, daß der Geschädigte jedenfalls dann, wenn er den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag fordert, an seine Wahl gebunden sei175 • Nur teilweise wird daneben ein späterer Übergang zumindest vom Anspruch auf Naturalrestitution zum Geldersatzanspruch befürwortetl76• Doch erscheint diese Differenzierung wenig überzeugend: Nach dem Regelungszweck des § 249 S. 2 BGB soll der Geschädigte in die Lage versetzt werden, die Wiederherstellung selbst in die Hand zu nehmen und die dafür notwendigen Kosten zu verlangen, wenn ihm eine schnelle und ordentliche Durchführung seitens des Schädigers nicht gesichert erscheint oder er aus sonstigen Gründen das verletzte Rechtsgut dem Schädiger nicht anvertrauen möchte l77• Dieser Zweck aber kann es durchaus erforderlich machen, daß dem Geschädigten, auch nachdem er sich für einen der Ansprüche entschieden hat, der Rückgriff auf den jeweils anderen Anspruch möglich bleibt. So etwa, wenn sich erst viel später zeigt, daß der Schuldner nicht in der Lage oder nicht willens ist, die Naturalrestitution in zumutbarer Zeit durchzuführenl78 oder wenn der Wiederherstellungsanspruch später doch erfolgversprechender erscheint, weil der Schädiger zwar nicht zur Geldleistung, aufgrund seiner besonderen Fä-higkeiten, aber zur Behebung des Schadens selbst in der Lage ist l79• Aus diesem Grund ist für den gesamten Regelungsbereich des § 249 S. 2 BGB grundsätzlich ein "ius variandi" des Geschädigten zu bejahen. Die Folge ist, daß in allen zuletzt genannten Fällen die Geltendmachung des einen Anspruchs auch die Verjährung für den ersatzweise geltend zu machenden Anspruch unterbricht, damit ein späterer Übergang nicht an dessen zwischenzeitlicher Verjährung scheitertl80•

17.5 Etwa Palandl/Heinrichs, § 249 Anm. 2 a) aa) m.w.N.; ET1tUJn/Sirp, § 249 Rn. 66 unter Hinweis auf RG, JW 1937, 1145 (Nr. 2). 176 RGRK/A1ff, § 249 Rn. 13; mit Einschränkungen StaudingerjMedicus, § 249 Rn. 216. 177 Etwa Jauemig/Teichmann, § 249 Anm. 1 b); MimchKomm/Gnmsky, § 249 Rn. 13; Larmz, SchuldR, § 28 I (S. 468). 178 SoLange, § 5 IV 4 (S. 227). 179 Beispiel bei MimchKomm/Gnmsky, § 249 Rn. 13. 180 Dies entspricht im Ergebnis der h.M. 11 MencbformODll

162

C. Behandlung prozessualer AnspNchsmehrheiten

ce) Alternative Ansprüche im. Subsidiaritätsverhältnis Daneben gibt es eine Reihe gesetzlicher Vorschriften, die es dem Berechtigten erlauben, statt der ursprünglich geforderten Leistung eine andere Leistung zu fordern, falls sich der zunächst verfolgte Anspruch nicht realisieren läßt. Anders als in den Fällen der Schuld mit Ersetzungsbefugnis des Gläubigers geben sie dem Berechtigten niemals die Möglichkeiten, zwischen den Ansprüchen zu wählen. Vielmehr erhält er lediglich das Recht, auf eine von Anfang an subsidiäre Leistung zurückzugreifen, zu deren Voraussetzungen die Nichtdurchsetzbarkeit des ursprünglichen Anspruchs gehört. Folglich kann auch von einem "ius variandi" niemals die Rede sein. Hierher gehören das bereits eingehend dargestellte Verhältnis von Mängelbeseitigungsanspruch und Gewährleistungsrechten im. Werkvertragsrecht nach den §§ 633ff. BGB181 und das Verhältnis der PflichtteilsergänzungsansplÜche nach § 2325 und § 2329 BGB gegen dieselbe Personl82. Denn die Gewährleistungsrechte entstehen erst, wenn der Mängelbeseitigungsanspruch seine Erledigung gefunden hat und der Anspruch aus § 2329 BGB steht dem Ptlichtteilsberechtigten nur zu, soweit er vom Erben etwa wegen Dürftigkeit des Nachlasses eine Befriedigung über § 2325 BGB nicht erlangen kann. Erklärtes Ziel der Regelungen ist auch hier die Möglichkeit einer sachgerechten Weiterverfolgung des ursprünglich Verlangten durch Anpassung des Leistungsinhalts an die veränderten Umstände, indem nämlich der eine Anspruch durch einen subsidiären Anspruch ersetzt wird. Sie sollte nicht an der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung des subsidiären Anspruchs scheitern, zumal die Wahrscheinlichkeit dafür überaus hoch ist, wenn, wie in den zuvor genannten Beispielen, auch für den subsidiären Anspruch eine kurze Verjährungsfrist (§§ 638 Abs. 1, 2332 Abs. 2 BGB) zu laufen beginnt, obwohl eine Geltendmachung jedenfalls zunächst ausgeschlossen ist183. Eine Erstreckung der verjährungsunterbrechenden Wirkung bei klageweiser Geltendmachung des einen Anspruchs auf den subsidiären anderen erscheint daher gerechtfertigt. Das gilt zugleich für die oben genannten Ausweitungen des Regelungsbereichs von § 639 Abs. 1 BGB im. Werkvertragsrecht, insbesondere auch für die dort erwähnten

181

Dazu o. A 11 1 a) bb).

182

Dazu o. A 11 3 b) bb).

Für die §§ 634, 635 BGB weisen besonders darauf hin: BGHZ 39, 287 (293f.); BGHZ 58, 30 (36f.); vgI. auch o. A 11 3 b) bb). 183

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

163

Fälle, in denen regelmäßig praktische Schwierigkeiten ein begrifflich mögliches Nebeneinander von Ansprüchen verhindern184. Die sich hieran anschließende Frage ist, ob nicht gleiches auch im Verhältnis von Erfüllungs- und Schadensersatzanspruch oder Erfüllungs- und Bereicherungsanspruch gelten soll18S. Immerhin stehen auch sie in einem Subsidiaritätsverhältnis, indem der Berechtigte, falls sich der ursprüngliche Anspruch wegen später eingetretener oder bekanntgewordener tatsächlicher Umstände nicht realisieren läßt, an seiner Stelle wenigstens das Interesse oder die beim Schuldner vorhandene Bereicherung verlangen können soll186. Auch wird der Schuldner regelmäßig damit rechnen müssen, daß der Gläubiger, wenn er schon nicht die eigentliche Leistung erhält, zumindest Ersatz oder Bereicherungsausgleich verlangen wird, so daß er hinreichend gewarnt ist, welche Ansprüche möglicherweise noch auf ihn zukommen dürften187. Nun hat sich gezeigt, daß die ausreichende Warnung des Schuldners allein nicht genügen kann, eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung über den zunächst geltend gemachten Anspruch hinaus zu rechtfertigen. Etwas anderes könnte jedoch gelten, wenn überwiegende Interessen des Gläubigers dies gebieten. Eine solche überwiegende Schutzbedürftigkeit des Gläubigers will Peters 188 dem Umstand entnehmen, daß für Schadensersatzansprüche, die an die Stelle von Erfüllungsansprüchen treten, nicht nur die für den jeweiligen Erfüllungsanspruch geltende, vielfach kurze Verjährungsfrist, sondern auch deren Beginn maßgeblich sein soll. Das hätte zur Folge, daß ein späterer Übergang auf den Ersatzanspruch bei einer Ablehnung wechselseitiger Unterbrechungswirkung nicht selten an der Verjährung scheitern würde. Indessen ist der Ausgangspunkt von Peters dem Gesetz nicht zu entnehmen. Zwar entspricht es gängiger Auffassung, daß für solche Ersatzansprüche dieselbe Frist gelten soll wie für den Erfüllungsanspruch189. Peters meint aber darüber hinaus, "man bliebe auf halbem Weg stehen, wenn man nur die Frist der Verjährung, nicht auch ihren Beginn nach dem Vorbild des Dazu o. A 111 b). Offensichtlich dafür: Zimmermann, JuS 1984, 409 (419f.); Peters/Zimmermann, Gutachten, S. 261 und S. 317/323 (im Entwurf eines neuen § 209 BGB berüCksichtigt). 186 Zum Verhältnis Erfüllungsanspruch/Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung bereits o. A 112 b) aa). 187 Darauf stützen Peters/Zimmermann im wesentlichen ihre Auffassung, Gutachten, S. 26Of. 188 Peters, JZ 1989, 749 (750). 1811 BGHZ 49, 77 (83); BGHZ 57, 191 (195) m.w.N. 184

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164

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

Erfüllungsanspruchs behandeln würde" und verweist auf den Zweck der zumeist kurzen Verjährung, nach Ablauf angemessener Fristen klare Verhältnisse zu schaffenl90. Er nimmt damit in Kauf, daß die Verjährung für den Ersatzanspruch möglicherweise beginnt, obwohl seine Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind. Doch kann er insoweit etwa auf die §§ 477 Abs. 1, 638 BGB verweisen, die dort, wo die schnelle Klärung der Verhältnisse erwünscht ist, ausdrücklich einen von der Grundregel des § 198 BGB abweichenden Verjährungsbeginn vor der Möglichkeit der Leistungsklage vorsehenl91 . Indessen hat der BGH es in der von Peters besprochenen Entscheidung ausdrücklich abgelehnt, die Verjährung des Ersatzanspruchs schon mit dem Erfüllungsanspruch beginnen zu lassenl92. Der Beginn der Verjährung der Schadensersatzforderung stehe "in keiner Abhängigkeit von dem für den Erfüllungsanspruch maßgebenden Zeitpunkt"I93. Entscheidend sei die Entstehung des Ersatzanspruchs, wie es in § 198 BGB vorgesehen sei. Immerhin besteht auch bei Zugrundelegen dieser Auffassung die nicht ganz entfernte Möglichkeit, daß ein wegen des ursprünglichen Erfüllungsanspruchs laufendes Verfahren den Ablauf einer infolge zwischenzeitlich eingetretener, vom Schuldner zu vertretender Unmöglichkeit in Gang gesetzten Verjährungsfrist des Ersatzanspruchs überdauert, ohne daß der Gläubiger davon Kenntnis erlangtl94. Darüber hinaus ist an Fälle zu denken, in denen ein einheitlicher Fristbeginn für alle aus dem Vertrag erwachsenden Ansprüche vertraglich festgelegt worden ist. Ein solcher Fall lag etwa der mehrfach angesprochenen Entscheidung des RG in RGZ 109, 234ff. 195 zugrunde. Dem Gläubiger hier über eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung auf den Schadensersatzanspruch bei rechtzeitiger klageweiser Geltendmachung des Erfüllungsanspruchs zu helfen, hätte zweifellos den Vorzug einer einfach erscheinenden und klar verständlichen Regelung. Die Voraussetzungen für eine Erstreckung lägen jedenfalls vor: Denn zweifellos wird man sagen können, 190 Peters,

JZ 1989, 749 (750).

191

Peters, JZ 1989, 749 (750).

194

Dazu o. A 11 2 b) aa).

195

Dazu o. All 2 b) bb).

192 BGH, JZ 1989, 747 (749) = NJW 1989,1854 (1855) = BGHZ 107,179 (184f.); s. auch RGZ 128, 76 (79); BGH, NJW-RR 1988, 902 (904) für das Verhältnis Erfüllungsanspruch/Anspruch aus § 281 BGB. 193 BGH, JZ 1989, 747 (749).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

165

daß der Gläubiger, wenn er statt Erfüllung nunmehr Schadensersatz wegen Nichterfüllung verlangt, lediglich auf einen Anspruch zurückgreift, in dem das ursprünglich geltend gemachte Recht unmittelbar fortwirkt. Zwar tritt der Ersatzanspruch nicht unmittelbar an die Stelle der ausgebliebenen Leistung, sondern ersetzt das vorhandene "Gefüge von Leistungs- und Gegenleistungspflicht" zugunsten einer nunmehr einseitigen Geldforderung. Das ursprünglich in Gestalt der geschuldeten Leistung geforderte Interesse an der Erfüllung der Verbindlichkeit aber setzt sich in dem später geltendgemachten "Ersatzwert des ursprünglich Bedungenen"l96 ohne weiteres fort.

Gleiches gilt für Ansprüche aus §§ 683, 670 BGB oder § 812 BGB, soweit sie wegen Unwirksamkeit eines Vertrags den ursprünglich geltend gemachten vertraglichen Entgeltanspruch ersetzen. Zwar ist die Geschäftsführung ohne Auftrag an sich unentgeltlich, d.h. eine Vergütung der Dienste des Geschäftsführers findet grundsätzlich nicht statt, vielmehr kann dieser nur Aufwendungsersatz wie ein Beauftragter verlangen l97. Nach überwiegender Auffassung aber soll ausnahmsweise etwas anderes gelten, wenn die als Geschäftsführung vorgenommene Tätigkeit zum Beruf oder Gewerbe des Geschäftsführers gehärtl98, andere wollen es genügen lassen, daß die Übernahme der Geschäftsführung nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten warl99. Das Problem besteht nun darin, wie man sich konstruktiv eine "Unterbrechung" der Verjährung eines Anspruchs vorstellen soll, dessen Voraussetzungen noch nicht vorliegen und für den, folgt man der Auffassung des BGH, eine Verjährungsfrist überhaupt noch nicht zu laufen begonnen hat. Denn immer noch ist das Verständnis von der Unterbrechung nicht als einem Zustand, sondern als Abbruch der ursprünglichen Verjährung verbunden mit der Hemmung ihres Neubeginns200 maßgeblich, wie es auch allen bisherigen Betrachtungen zugrunde lag. Will man daran auch weiterhin festhalten, so muß man auf eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung dort verzichten, wo der subsidiäre, zur Fortsetzung des ursprünglich geltend gemachten Erfüllungsbegehrens geeignete Anspruch im 196 Ausdruck in BGHZ 73,266 (269); ebs. in BGH, NJW 1984, 793 (794) und BGH, NJWRR 1988, 902 (904), alle in Verbindung mit der Dauer der VeIjährung. 197 Dazu MünchKomm/Seüer, § 683 Rn. 24. 198paIondljThomas, § 683 Anm. 4 a); StaudingerjWutmann, § 683 Rn. 3; BGHZ 65,384 (390); BGHZ 69, 34. 199 MünchKomm/Seüer, § 683 Rn. 25 unter Hinweis auf die Motive in Pn. 95. 200 Dazu o. B I 2 a) bb).

166

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht entstanden ist und seine Verjährung noch nicht begonnen hat. Das ist bei Zugrundelegen der vom BGH vertretenen Auffassung die Regel, die aber, wie das Beispiel der zuvor genannten Reichsgerichtsentscheidung zeigt, durch vertragliche Ausgestaltungen im Einzelfall Ausnahmen erleiden kann. In solchen Fällen - und wenn man der Auffassung von Peters folgt, auch in allen anderen Fällen - steht allerdings einer Erstreckung der Verjährungsunterbrechung nichts entgegen, denn hier hat die Verjährung ausnahmsweise bereits zu laufen begonnen, obwohl der Anspruch noch nicht fällig ist. Auch ist der Lauf einer solchen Frist, worauf Peters zu Recht hinweist, dem Gesetz bekannt (gem. § 638 BGB mit Abnahme oder gem. § 852 BGB mit Kenntnis) und kann bei der Ausgestaltung von Verträgen regelmäßig Berücksichtigung fmden. Aber auch sonst bleibt der Gläubiger keineswegs schutzlos. Denn wie bereits dargestellt hat er immer noch die Möglichkeit nach § 283 BGB vorzugehen201 • Mit der hier vertretenen Auffassung, eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung dort abzulehnen, wo die Voraussetzungen für den Folgeanspruch noch nicht vorliegen und seine Verjährung noch nicht zu laufen begonnen hat, verträgt sich dann auch eine weitere, in der Literatur vielfach kritisierte Entscheidung des BGH202. Dort hatte der Kläger etliche Räume seines Hauses an den Beklagten zum Betrieb einer Gaststätte vermietet, wobei sich letzterer vertraglich verpflichtet hatte, nach Beendigung des Mietverhältnisses den früheren Zustand der Mietsache wiederherzustellen. Nach fristloser Kündigung wegen Zahlungsverzugs nahm der Kläger die Räume in Besitz und forderte den Beklagten vergeblich auf, bestimmte Mängel zu beseitigen. Noch innerhalb eines halben Jahres nach Rückerhalt der Mietsache erwirkte er daraufhin einen Mahnbescheid über die zur Instandsetzung voraussichtlich erforderlichen Kosten, der in das streitige Verfahren übergeleitet wurde. Erst nach Ablauf weiterer zehn Monate hatte der Kläger dem Beklagten in einem Schriftsatz dann eine neue Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt und erstmals die Ablehnung der Annahme der Leistung angedroht. Der BGH qualifIzierte, wie die Vorinstanz auch, die Wiederherstellungsverpflichtung des Beklagten wegen der damit verbundenen erheblichen Kosten als Hauptleistungspflicht203, so daß als vertragli201

Dazu o. A 11 2 b) ce).

202

BOH, NJW 1988, 1778

203

BOH, JZ 1988, 759 (760) unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung und die lite-

ratur.

= BOHZ 104, 6 =JZ 1988, 759 m. krit. Anm. Peters.

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

167

che Haftungsgrundlage für den vom Kläger aus der Nichterfüllung dieser Pflicht abgeleiteten Schadensersatzanspruch einzig § 326 BGB in Betracht kam. Dessen Voraussetzungen waren jedoch zunächst nicht erfüllt, d.h. bis zur erstmaligen Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung konnte der Kläger lediglich die Instandsetzung als solche verlangen, die er jedoch nicht zum Gegenstand seiner Klage gemacht hatte. Im Zeitpunkt der späteren Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung aber war die kurze Verjährungsfrist für den Instandsetzungsanspruch204 (§ 558 Abs. 1 BGB) verstrichen, so daß sich der Beklagte nicht mehr in Verzug befand. Denn nach allgemeiner Auffassung kommt nicht in Verzug, wer sich auf eine Einrede stützen kann, die ihm, wie die Einrede der Verjährung gem. § 222 BGB etwa, ein dauerndes oder wenigstens vorübergehendes Leistungsverweigerungsrecht gewährt205 • Entsprechend soll ein bereits eingetretener Verzug mit der Entstehung einer solchen Einrede enden, zumindest soweit sich der Schuldner darauf beruft206, was vorliegend der Fall war. Der Erfolg der Klage hing also weitgehend davon ab, ob die Verjährung des Instandsetzungsanspruchs nicht vielleicht schon durch die Zustellung des Mahnbescheids unterbrochen worden war, mit dem der Kläger den aus der Nichterfüllung dieses Anspruchs resultierenden Schadensersatz in Form der Instandsetzungskosten geltend gemacht hatte. Der BGH hat dies verneint, nicht nur weil verschiedene prozessuale Ansprüche vorliegen, sondern weil ihm auch der in den §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke nicht übertragbar schien. Denn grundlegende Voraussetzung für seine Anwendbarkeit sei stets, daß "Gegenstand der zur Verjährungsunterbrechung geeigneten Maßnahme ein Anspruch ist, der tatsächlich besteht"207. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch aber bestand eben im vorliegenden Fall zunächst noch nicht. Letzteres wäre möglicherweise unschädlich gewesen, wenn man, wie Pe-

ters es fordert, den Ersatzanspruch bereits mit dem Erfüllungsanspruch

verjähren läßt, auch wenn seine Voraussetzungen noch nicht vorliegen. Denn daß der Anspruch, dessen Verjährung unterbrochen werden soll, nicht immer schon bestehen muß, hat sich ebenso gezeigt208 wie die Tatsache, daß mit Erfüllungs- und Ersatzanspruch letztlich das gleiche Interesse beWegen seiner Anknüpfung an die Veränderung der Mietsache BGH, JZ 1988, 759 (760). BGH, JZ 1988, 759 (760); BGH, WM 1984, 1095 (1097) und BGHZ 48, 249 (250). 206 BGH, JZ 1988, 759 (760); BGHZ 34, 191 (197). '1I1T BGH, JZ 1988, 759 (76Of.). 3)8 Vgl. §§ 638, 2332 BGB.

204

20S

168

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

gehrt wird. Zwar ging es in diesen Fällen stets um die Erstreckung der Verjährungsunterbrechung über den geltend gemachten, bestehenden Anspruch hinaus auf bestimmte Folgeansprüche oder wechselseitig abhängige Ansprüche, deren Voraussetzungen noch nicht vorlagen, deren Verjährung aber bereits lief. Denkbar aber ist auch der umgekehrte Fall, zumal wenn, wie im vorliegenden Beispiel, der Erhalt des zunächst nicht geltend gemachten Anspruchs im wesentlichen dazu dient, eine nachträgliche Herbeiführung der Voraussetzungen für den erhobenen Anspruch und damit eine Korrektur der "falsch aufgezogenen" Klage zu ermöglichen209 . Entscheidend ist, daß der Gläubiger seine bisherigen Bemühungen fortsetzt, ohne etwas zu fordern, was nicht dem Grunde nach bereits geltend gemacht worden ist.

c) Zur verjährungsunterbrechenden Wirkung der WechselkJage hinsichtlich der Forderung aus dem Grundgeschäft In den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen darüber, ob ausnahmsweise auch streitgegenstandsfremde Ansprüche von der verjährungsunterbrechenden Wirkung einer Klage erfaßt werden sollen, ist neuerdings wieder das Verhältnis der Ansprüche aus Wechsel- und Grundforderung getreten210 . Dabei geht es um Fälle, in denen ein Gläubiger, der gegen seinen Schuldner eine Forderung aus Kauf, Darlehen oder einem anderen Vertragsverhältnis hat, einen Wechsel ausstellt, den der Schuldner akzeptiert und erfüllungshalber hingibt (§ 364 Abs. 2 BGB)211. Die Folge ist, daß die Grundforderung zunächst nicht erfüllt wird. Dies vermag erst die endgültige Befriedigung des Gläubigers aus der Wechselverbindlichkeit zu bewirken. Bis dahin tritt die Wechselforderung als rechtlich selbständiger Anspruch neben die Grundforderung212. Nun wird in einer derartigen Wechselhingabe regelmäßig eine Stundung der ursprünglichen Leistung liegen, so daß deren Verjährung zunächst einmal bis zur Fälligkeit des Wechsels gern. § 202 Abs. 1 BGB gehemmt wird213. Auch wird vielfach die Auffassung vertreten, wonach in 11»

vgl. Peters, JZ 1988,762 (763). JZ 1962, 335 (338); Jauemig/Jauemig, §f

208-217 Anm. 3a); Baumbach/Hefermehl, WO, Art. 70 WO Rn. 1. 211 Im Zweifel nur Leistung erfüllungshalber, vgI. Baumbach/Hefermehl, WO, Ein!. WO Rn. 39; SUludingerfKaduk, § 364 Rn. 35ff. m.w.N.; h.M. 212 Zur "Abstraktheit" der Wechselforderung etwa die Dissertationen von Prand, Die Abstraktheit des Wechsels (1989), und Lang, Wechselrecht und Abstraktionsdogma (1990). 213 Baumbach/Hefermehl, WO, Ein!. WO Rn. 41; Henckel, JZ 1962, 335 (338). 210 Henckel,

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Orenzen der Rechtskraft

169

der Wechselhingabe ein die Verjährung der Grundforderung gem. § 208 BGB unterbrechendes Schuldanerkenntnis liege214 • Doch handelt es sich dabei lediglich um eine sog. Augenblicksunterbrechung, d.h. der Ablauf der Verjährung setzt unmittelbar mit dem Unterbrechungsakt wieder ein215 • Fällt daher der Abschluß des Grundgeschäfts mit der Wechselhingabe zeitlich zusammen oder erfolgt die Begebung unmittelbar nach Vertragsabschluß, so wird die Verjährung der Grundforderung nicht wesentlich hinausgeschoben. Wird nunmehr vor deren Ablauf die Wechselforderung fällig und erfüllt der Schuldner auch diese nicht, stellt sich für den Gläubiger nicht selten die Frage, ob eine daraufhin erhobene Wechselklage geeignet ist, auch die Verjährung der Grundforderung zu unterbrechen, oder ob er gezwungen ist, für den Fall eines ihn negativen Ausgangs des Wechselprozesses "vorsorglich" bereits die Grundforderung rechtshängig zu machen. Daß sich trotz Identität des Antrags die Annahme nur eines einzigen Streitgegenstandes verbietet, ergibt sich bei Zugrundelegen des herrschenden zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs aus der Verschiedenheit des Klagegrundes. Denn selbst bei großer zeitlicher Nähe beruhen Grund- und Wechselforderung doch auf zwei verschiedenen Lebensvorgängen, welche die Verkehrsanschauung sehr wohl zu trennen weiß2 16• Dennoch hält beispielsweise Schaajf17 in einem viel beachteten Aufsatz eine Ausdehnung der verjährungsunterbrechenden Wirkung auch im Verhältnis zwischen Wechsel- und Grundforderung für gerechtfertigt. Zur Begründung verweist sie auf den zwischen beiden Ansprüchen bestehenden inneren sachlichen Zusammenhang, wie er etwa darin zum Ausdruck kommt, daß der Gläubiger verpflichtet ist, Befriedigung zunächst nur aus dem Wechsel zu suchen, und der Anspruch aus dem Grundgeschäft erlischt, wenn er Befriedigung aus dem Wechsel erlangt hat218• In der Tat besteht eine gewisse Ähnlichkeit zu den zuvor genannten Fallgruppen materiell konkurrierender Ansprüche. Denn wie etwa der Anspruch auf Minderung neben dem auf Wandelung oder dem Anspruch auf 214 MünchKDmmjv.

Feldmann, § 208 Rn. 12; MiUer, S. 95 m.w.N. in Fn. 93.

215 Soergel/Walter (12.), § 208 Rn. 1. 216 BOH,

NJW-RR 1987, 58; Henckel, JZ 1962, 33S (338). NJW 1986, 1029 (1030); zustimmend Baumbach/Hefermehl, WO, Art. 70 WO

217 Scl/QQff,

Rn.l. 218 Scl/QQff, NJW 1986, 1029 (1030); zustimmend, jedenfalls soweit es um die Beziehungen der ursprünglichen Parteien zueinander geht, Baumbach/Hefermehl, WO, Art. 70 WO Rn. 1 sowie Eint. WO Rn. 38 und 51ff. wegen der Auflösung dieses Zusammenhangs.

170

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

Geldrente neben dem auf Kapitalabfindung verfolgt auch der Anspruch aus einem erfüllungshalber begebenen Wechsel neben der Forderung aus dem Grundgeschäft kein eigenes Ziel. Er dient vielmehr der Erfüllung der Grundforderung, indem er dem Gläubiger erlaubt, sein eigentliches Ziel auch auf einem anderen Wege zu verfolgen und ihm so zum Erfolg zu verhelfen. Das zeigt sich besonders deutlich darin, daß die originäre Schuld bestehen bleibt, so daß der Schuldner diese nach wie vor erfüllen und damit der Wechselforderung die Grundlage entziehen kann, daß aber auch umgekehrt die Erfüllung der Wechselforderung die Grundforderung erlöschen läßt. Grundlage für eine derartige "Verkettung"219 der an sich rechtlich selbständigen Ansprüche ist grundsätzlich eine zwischen den Parteien getroffene Zweckvereinbarung220. Sie entscheidet insbesondere darüber, ob die Wechselbegebung nur zur größeren Sicherheit des Kausalgläubigers geschieht, so daß dieser nach seinem Belieben von Anfang an zwischen der Geltendmachung von Wechsel- und Grundforderung wählen kann (Begebung "sicherungshalber"), oder ob die Geltendmachung der Grundforderung davon abhängig sein soll, daß der Gläubiger zuvor vergeblich versucht hat, sich bei Fälligkeit zunächst aus dem Wechsel zu befriedigen (Begebung "erfüllungshalber")221. Letzteres liegt wegen des damit regelmäßig verbundenen Aufschubs ganz wesentlich im Interesse des Schuldners. Doch ist der Gläubiger nicht auch verpflichtet, zunächst die Wechselklage zu erheben222• Es genügt, daß er den Wechsel nach Verfall ohne Erfolg zur Zahlung vorgelegt hat223, d.h. ab diesem Zeitpunkt hat er wiederum die Wahl, ob er aus Wechsel- oder Grundforderung vorgehen will. Die Frage kann daher nur lauten, ob es gerechtfertigt erscheint, dem Gläubiger die darin liegende und erkennbar beabsichtigte Verbesserung seiner Rechtsposition auch über den eigentlichen Verjährungszeitraum hinaus zu erhalten, indem die Geltendmachung des einen Anspruchs auch für die Verjährung des jeweils anderen Anspruchs unterbrechend wirkt. Dazu aber genügt nicht allein der Hinweis auf den zwischen beiden Ansprüchen zweifellos bestehenden inneren sachlichen Zusammenhang. Entscheidend WG, Einl. WG Rn. 40. WG, Einl. WG Rn. 40. 221 Müler, S. 94, betreffend die Hingabe "nur zur Sicherung" a.a.O. in Pn. 86; ausführlich dazuAd1er, ZHR 64,127 (l86ff.). 222 SChaaff, NJW 1986, 1029 (1030); &umbachjHefermehl, WG, Einl. WG Rn. 41. 223 BGH, NJW 1986, 424 (426). 219 Ausdruck bei BaumbachjHefermehl,

22D BaumbachjHefermehl,

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

171

für die Erstreckung der Verjährungsunterbrechung ist vielmehr auch und vor allem die Feststellung, daß ausnahmsweise die Schutzbedürftigkeit des Gläubigers höher einzustufen ist, als das Interesse des Rechtsverkehrs an einer schnellen Wiederherstellung klarer Verhältnisse, dem die Verjährung dient. Daran aber bestehen vorliegend erhebliche Zweifel. Denn anders als in den bislang behandelten Fällen dienen hier die verschiedenen Wege nicht allein der sachgerechten Anpassung des ursprünglichen Antrags an zwischenzeitlich veränderte Umstände im Wege der Ersetzung des einen Anspruchs durch einen anderen, die der Rechtsverkehr im Interesse des Gläubigers an einer sinnvollen und zügigen Weiterverfolgung seiner bisherigen Ansprüche auch nach Eintritt der Verjährung hinzunehmen hat. Vielmehr eröffnen Grundgeschäft und Wechselhingabe dem Berechtigten die weitergehende Möglichkeit, sein Ziel gleichzeitig auf verschiedenen Wegen mit durchaus unterschiedlicher Erfolgsaussicht zu verfolgen, zumal die Wechselforderung die Möglichkeit einer Geltendmachung im Wechselprozeß und damit einer erleichterten Verfolgung eröffnet. Der Anspruch aus dem Wechsel tritt niemals an die Stelle der Grundforderung, d.h. er ersetzt sie nicht. Vielmehr tritt er bis zur endgültigen Erfüllung ergänzend neben sie. Damit rückt das Verhältnis dieser Ansprüche zueinander in die Nähe der ebenfalls bereits dargestellten Gesamtschuldnerschaft224 • Auch dort beschränkt sich die Mehrheit der dem Berechtigten zur Verfügung stehenden Wege keinesfalls darauf, die Weiterverfolgung des ursprünglichen Klagebegehrens auch im Falle nachträglich eintretender Veränderungen sicherzustellen. Vielmehr soll es dem Gläubiger von Anfang an freistehen, "nach seinem Belieben" den einen oder anderen Weg zu beschreiten, zu wechseln oder aber auch in der Erwartung größerer Sicherheit aus mehreren Ansprüchen zugleich vorzugehen (§ 421 BGB). Wie bei der Gesamtschuld, so ist auch im Verhältnis zwischen Grund- und Wechselforderung eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung über den geltend gemachten Anspruch hinaus abzulehnen. Denn die Erhaltung einer über den eigentlichen Anspruch hinausgehenden, eigenständigen Sicherheit sowie die leichtere und bequemere Rechtsverfolgung sind nicht geeignet, eine Ausdehnung der Verjährungsunterbrechung zu rechtfertigen. Vielmehr erscheint es angebracht, den Gläubiger selbst dafür Sorge tragen zu lassen, daß seine erhöhten Chancen, sicher zu seinem Geld zu kommen, nicht an der zwischenzeitlichen Verjährung scheitern.

224

Dazu o. unter C I 2.

172

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

Exkurs: Zum Verhältnis von Hauptschuld und Bürgschaftsforderung

Anzumerken bleibt, daß aus dem gleichen Grund auch eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung im Verhältnis von Hauptschuld und Bürgschaftsforderung ausscheidet, sofern man angesichts der fehlenden Personenidentität der Anspruchsverpflichteten überhaupt bereit ist, darin einen möglichen Fall für eine entsprechende Anwendung des § 209 BGB zu sehen. Immerhin ist sie unter Hinweis auf die strenge Abhängigkeit der Bürgschaftsschuld von der Hauptverbindlichkeit (§ 767f. BGB) zum Teil in der älteren Literatur noch gefordert worden225 , und auch in den meisten Kommentierungen zu den §§ 765ff. BGB ist die Frage noch ausdrücklich angesprochen226• Wenn die Verjährung der Hauptschuld dem Bürgen zugute komme, so wurde argumentiert, dann müsse der Bürge sich auch deren Unterbrechung entgegenhalten lassen227• Hinzu kommt, daß einer unmittelbaren Geltendmachung der Bürgschaftsforderung vielfach die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) entgegenstehen wird, so daß sich der Gläubiger zunächst einmal an den Hauptschuldner halten muß. Während dieser Zeit wird die Verjährung der Bürgschaftsforderung abweichend von der Regel des § 202 Abs. 1 BGB gem. Abs. 2 dieser Vorschrift ausnahmsweise nicht gehemmt, d.h. die Verjährungsfrist läuft weiter, obwohl eine Inanspruchnahme ausgeschlossen ist228• Nun wird ein Bedürfnis für eine Unterbrechung der Bürgschaftsforderung durch Geltendmachung der Hauptschuld angesichts der vielfach kurzen Verjährungsfristen der gesicherten Ansprüche einerseits und der ausgedehnten, regelmäßig 30jährigen Frist für die Bürgschaftsforderung andererseits229 in der Praxis eher selten sein. Der umgekehrte Fall hingegen hat die Gerichte mehrfach beschäftigt, so etwa den BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 19s0230• Dort hatte sich ein Bürge für eine der kurzen, zweijährigen Verjährungsfrist unterliegende 22S Hefelmann,

S. 12 ff.; Lippnumn, AcP 111 (1914), 135 (238). Etwa Münch/(omm/pecher, § 768 Rn. 3; Sougel/Mühl, § 768 Rn. 6. m Hefelmann, S. 13, auch zu Art. 136 Abs. 2 des schweizerischen Obligationenrechts (OR), der eine Erstreckung ausdrücklich vorsieht, a.a.O., S. 67. 228 Dazu ErmanfHefermehl, § 202 Rn. 11; Sougel/Walter (12.), § 202 Rn. 16: keine vetjährungshemmende Wirkung von Einreden, die der Gläubiger selbst beseitigen kann; unter Hinweis auf die Pflicht dazu vgI. Motive S. 314, bei Mugdan I, S. 525. 226

n9 Soergel/Mühl, § 765 Rn. 14; OLG Düs&eldorf, MDR 1969, 66S (Nr. 68) in LS 2; selbst wenn die Hauptschuld einer kürzeren Vetjährungsfrist unterliegt, ausdrücklich OLG Düs&eldorf, MDR 1975, 1019 m.N.; Soergel/Mühl, § 768 Rn. 6; Rehbein, JR 1980, 506. 230 BGHZ 76, 222 = WM 1980, S45.

11. Aufillsung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

173

Hauptforderung verbürgt. Kurz vor Ablauf dieser Frist erhob der Gläubiger gegen Hauptschuldner und Bürgen Klage wegen einer Restforderung. Später stellte sich heraus, daß die Klage gegen den Hauptschuldner infolge eines formellen Verstoßes unwirksam und die Verjährung mittlerweile eingetreten war. Daher hingen die Hauptforderung und wegen der Möglichkeit des Bürgen, sich auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verjährung der Hauptforderung einredeweise berufen zu können, auch die Bürgschaftsforderung im wesentlichen von der Frage ab, ob nicht ausnahmsweise auch die klageweise Geltendmachung der Bürgschaftsforderung geeignet ist, die Verjährung der Hauptschuld zu unterbrechen. Der BGH verneinte dies mit dem Hinweis darauf, daß der Gläubiger damit lediglich den Bürgschaftsanspruch verfolge, der zwar in seinem Bestand von dem der Hauptforderung abhängig sei, im übrigen aber als selbständiger Anspruch bestehe und einer anderen Verjährung unterliege als die Hauptforderung231. Hinzuzufügen ist nur, daß auch hier, wie in den Fällen der Gesamtschuld und im Verhältnis von Grundforderung und Wechselverbindlichkeit, der Gläubiger für die Annahme einer Erstreckung der Verjährungsunterbrechung nicht in ausreichendem Maße schutzwürdig erscheint. Zwar verfolgt auch die auf gesondertem Vertrag beruhende Bürgschaftsschuld neben der Hauptforderung kein eigenständiges Zie~ sondern dient lediglich deren Erfüllung, indem sie es dem Gläubiger erlaubt, sein eigentliches Ziel nunmehr auch auf einem anderen Wege durchzusetzen. Doch handelt es sich auch bei ihr um eine zusätzliche, neben die Hauptforderung tretende Verbindlichkeit232, die nicht der bloßen Bewahrung des ursprünglich geltend gemachten Anspruchs, sondern seiner sichereren und bequemeren Durchsetzung dient. Auch hier muß der Berechtigte deshalb selbst darauf bedacht sein, seine erheblich verbesserte Rechtsposition durch rechtzeitige Geltendmachung der Ansprüche zu bewahren. Die Möglichkeit dazu besteht, selbst wenn der Bürge sich auf die Einrede der Vorausklage beruft. Zwar soll die materiellrechtliche Wirkung der Einrede einer gleichzeitigen Verurteilung von Hauptschuldner und Bürgen entgegenstehen233• Doch kann der Gläubiger in diesen Fällen die Leistungsklage gegen den Hauptschuldner unter den Voraussetzungen des § 256 ZPO mit einer Feststellungsklage gegen den Bürgen verbinden, sofern beantragt 231 BGHZ 76, 222 (225) m.w.N.j bereits Motive, S. 663, bei Mugdan 11, S. 370.

OLG Kiel, JW 1933, 2343 m.N. zur älteren Literatur und Rechtsprechung; Rehbein, JR 1980,506. 233 MiinchKDmm/peclrer, § Tll Rn. 2j SUJudinger/Hom, Vorbem. zu §§ 76S-T18 Rn. 58. 231

174

C. Behandlung prozessualer AnspNChsmehrheiten

wird, daß der Bürge nur zu zahlen habe, wenn der Gläubiger vom Hauptschuldner keine Befriedigung erlange234, oder gem. § 259 ZPO auf künftige Leistung klagen, falls der Bürge über die Einrede aus § 771 BGB hinaus schon jetzt seine Verpflichtung ernstlich nach Grund oder Höhe bestreitet235 •

d) Verjährungsunterbrechung durch klageweise Geltendmachung ''vorbereitender'' Ansprüche

aa) Zum Verhältnis von Auskunfts- und Leistungsanspruch Fraglich ist schließlich auch, ob durch die klageweise Geltendmachung vorbereitender Ansprüche, mit denen Auskunft begehrt wird, also etwa auf Erteilung von Auskünften, Vorlage von Buchauszügen oder Rechnungslegung, bereits die Verjährung hinsichtlich der sich daraus ergebenden Leistungsansprüche unterbrochen wird236• Immerhin bekundet der Gläubiger mit ihrer Erhebung die Absicht, keinesfalls grundsätzlich auf seine Rechte verzichten zu wollen, so daß sich der Schuldner auf eine möglicherweise notwendig werdende Abwehr oder Erfüllung gegen ihn gerichteter Leistungsansprüche einrichten kann 237• Denn die auf Auskunft oder Rechnungslegung gerichteten Ansprüche sind nicht Selbstzweck, sondern dienen dem Gläubiger regelmäßig zur Vorbereitung und Durchsetzung seines eigentlichen Klageziels, des Zahlungs- oder Herausgabeanspruchs238• Darin aber erschöpft sich zugleich auch ihre Bedeutung für den Hauptanspruch, insbesondere wird der Leistungsanspruch selbst noch nicht geltend gemacht. Denn die vorbereitenden Klagen auf Auskunftserteilung oder Rechnungslegung lassen gerade noch nicht erkennen, ob und in welchem Umfang künftig ein Leistungsanspruch erhoben werden wird239• Das bedeutet zunächst, daß mit der klageweisen Geltendmachung der vorbereitenden Ansprüche ein sich daraus ergebender Leistungsanspruch nicht ohne weiteres rechtshängig 234 RGRK,IMonnann, § 771 Rn. 3; Soergel/MühI, § 771 Rn.3. m StaudingerjHom, Vorbem. zu §§ 76S-T78 Rn. 58; MünchKomm/pecher, § 771 Rn. 2; zu

den Vora\IS5Ctzungen des § 259 ZPO auch RGZ 90,178 (18Of.); 8GHZ 5,342 (344). 236 Dazu

insbes. ATens, PS Schwab, S. 17ff.

237

Vgl. dazu Spiro, S.41Of.

218

Etwa OLG Köln, FamRZ 1984, 1029.

239

RG, JW 1937, 2101; EnneccerusjNipperdey, § 235 (5. 1425) in Fn. 12.

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Orenzen der Rechtskraft

175

wird, so daß eine direkte Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB ausscheidet. Es bedeutet aber auch, daß eine ausnahmsweise Erstreckung der Verjährungsunterbrechung nach den oben dargelegten Grundsätzen unterbleiben muß, weil der Gläubiger bei einem späteren Übergang etwa vom Auskunfts- zum Zahlungsanspruch keineswegs nur den einen durch den anderen Anspruch im Rahmen des von Anfang an feststehenden Ziels der Klage ersetzt. Vielmehr erweitert er sein zunächst allein auf Auskunftserteilung gerichtetes Begehren, indem er nunmehr unmittelbar einen Anspruch verfolgt, den er bis dahin nur vorbereitet hat, ohne sich jedoch bereits auf eine abschließende Geltendmachung festlegen zu lassen. Es geht also nicht um eine ununterbrochene Weiterverfolgung des ursprünglichen Klageziels, sondern um die unmittelbare Geltendmachung von Interessen, die bislang allenfalls mittelbar verfolgt worden sind240 • Der ursprünglich geltend gemachte Anspruch allein war zu keiner Zeit geeignet, das jetzt angestrebte Ziel zu verwirklichen und konnte deshalb auch niemals die Verjährung des späteren Leistungsanspruchs unterbrechen. Dennoch ist der Gläubiger keineswegs gezwungen, allein zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung bereits mit dem Auskunftsantrag einen vorläufig bezifferten oder sonst näher bezeichneten Leistungsantrag zu stellen und so dem Risiko ausgesetzt zu sein, im Fall der Zuvielforderung den Kostennachteil oder, wenn sich aus der Auskunftsklage ein höherer Anspruch ergibt, die Folgen zwischenzeitlicher Verjährung tragen zu müssen. Denn nach § 254 ZPO besteht die Möglichkeit, Auskunfts- und Leistungsantrag im Rahmen der Stufenklage zu verbinden. Sie erlaubt dem Gläubiger in Abweichung von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zusammen mit dem Auskunftsantrag einen zunächst noch unbestimmten Leistungsantrag zu stellen und versetzt ihn so in die Lage, das Ergebnis des Auskunftsbegehrens abwarten zu können und dennoch das zur Verjährungsunterbrechung erforderliche getan zu haben241 • Denn der Leistungsantrag wird bereits mit Erhebung der Stufenklage rechtshängig242 und soll nach herrschender Meinung für den Eintritt der Unterbrechungswirkung nach § 209 Abs 1 BGB genügen243• Doch nicht überall, wo es im Interesse des Berechtigten sinnvoll erscheint, die Geltendmachung eines Anspruchs von der vorherigen Klärung eines an-

BOH, NJW 1979, 925 (926). DaraufweistArens, PS Schwab, S. 30 hin; ROZ 115, 27 (29). 242 ThomasjPutzo, § 254 Anm. 1 c); OLO Stuttgart, NJW-RR 1990, 766. 243 BOH, NJW 1975, 1409 (1410); BAO, NJW 1986, 2527. 240 241

176

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

deren Anspruchs abhängig zu machen, besteht auch die Möglichkeit einer Stufenklage.

bb) Die Bedeutung der Kündigungsschutzklage für den Lohnanspruch Am deutlichsten wird dies vielleicht in einer aus dem Arbeitsrecht stammenden Fallkonstellation, die genau genommen gar nicht hierher gehört, weil es nicht um die Geltendmachung vorbereitender Ansprüche, sondern um die spätere Leistungsansprüche vorbereitende Feststellung eines Rechtsverhältnisses geht. Gemeint ist das Verhältnis einer Kündigungsschutzklage zu den Lohn- und Gehaltsansprüchen, wie sie dem Arbeitnehmer aus § 615 BGB zustehen, wenn sich eine fristlose Kündigung als ungerechtfertigt erweist und die übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind244• Denn der Arbeitnehmer wird regelmäßig zunächst das Ergebnis des Kündigungsschutzprozesses abwarten wollen, bevor er eine Lohnklage erhebt. Damit aber läuft er Gefahr, daß möglicherweise bestehende Lohn- oder Gehaltsansprüche zwischenzeitlich verjähren, vorausgesetzt man folgt der herrschenden Meinung, wonach Streitgegenstand einer Kündigungsschutzklage allein die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung und somit das Bestehen oder Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses ist245 • Um die Verjährungsunterbrechung zu erreichen, müßte der Arbeitnehmer daher eine zweite Klage erheben246, deren Erfolg jedoch ungewiß ist, weil er vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses

244 BAG, NJW 1960, 838

Schwab, s. 2Off. 24S BAG, DB 1959, 768

= AP § 209 BGB Nr.

1 m. Anm. Hueck; dazu auch Arms, PS

= AP § 3 KSchG 1951 Nr. 17; BAG, DB 1959, 711 = AP § 3 KSchG

1951 Nr. 18 und später, etwa BAGE 57, 231 (238) = AP § 4 KSchG 1969 Nr. 19, st. Rspr.; Hueck, KSchG, § 4 Rn. 9 und 48; KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 225; HerscheljLöwisch, § 4 KSchG Rn. 51 jeweils m.w.N.; s. auch E. J. Habscheid, RdA 1989, 88 (89f.). 246 Die Geltendmachung (von Kündigunpschutzldage und Fortzahlungsanspruch) ist nach allgemeinen Grundsätzen auch im Wege kumulativer Klagenhäufung möglich, HerscheljLöwisch, § 4 KSchG Rn. 13; zur sog. uneigentliehen Eventualhäufung vgl. Ahlenstiel,

VersR 1988, 222ff. und Vossen, RdA 1989, 96 m.N. in Fn. 4) sowie zur Frage einer Aussetzung in entspr. Anwendung von § 148 ZPO in diesen Fällen vgl. LAG Nümberg, NZA 1987, 211 m. krit. Anm. 1Jeiersnuum, NZA 1987, 196f.; eine Aussetzung durch das Gericht fiele nicht unter § 211 Abs. 2 BGB, vgl. BAG, NJW 1990, 2578 m.w.N., st. Rspr.

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

177

abhängt247 und die einstweilen nur Kosten verursacht248• Eine Stufenklage scheidet indessen aus, weil der Arbeitnehmer durchaus in der Lage ist, seinen Zahlllngsanspruch zu beziffern249. Selbst die ebenfalls in Betracht zu ziehende Möglichkeit, von vornherein auf die begehrte Leistung zu klagen und in diesem Zusammenhang das Bestehen des Arbeitsverhältnises durch Inzidentfeststellungsantrag (§ 281 ZPO) feststellen zu lassen, scheitert an den Besonderheiten der Kündigungsschutzklage. Denn das Kündigungsschutzgesetz (KScha2S~ zwingt den Arbeitnehmer, der geltend machen will, daß eine ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung sozial ungerechtfertigt ist (vgl. § 1 KSchG) innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Klage i.S. des § 4 KSchG zu erheben. Hat der Arbeitnehmer diese Frist versäumt, wird nach § 7 KSchG die Kündigung fiktiv wirksam, was allerdings nicht ausschließt, auch später noch eine auf andere Mängel als die fehlende Sozialrechtfertigung gestützte Klage zu erheben251 • Die Besonderheit der Kündigungsschutzklage liegt also in dem Umstand, daß es sich bei ihr nicht um eine bloße Feststellungsklage handelt, sondern ihr vielmehr gewisse gestaltende Momente anhaften, da mit ihr die Heilung einer sozialwidrigen Kündigung verhindert werden kann252 • Sinn und Zweck dieser Regelung ist ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit, das einerseits dadurch erreicht wird, daß die Wirksamkeit der Kündigung regelmäßig nicht für längere Zeit in der Schwebe bleibt, und daß sich andererseits der Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer von Anfang an auf die Wirksamkeit der Kündigung konzentriert, so daß Streitverfahren über Ansprüche, die von der Kündigung abhängen, vielfach vermieden werden können253• Eine Klage, mit der Vergütungsfortzahlung über den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus verlangt wird, soll jedenfalls zur

247 Lüke,

NJW 1960, 1333.

248 Etwa

Anwaltskosten, Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 12a Rn. 5; Rewolle, DB 1980,

1696 (1697). 249 Lüke, NJW 1960,1333 in Fn. 7;ArerlS, PS Schwab, S. 30. 2SO

Kündigungsschutzgesetz i.d. Fassung vom 25. August 1969 (BGB\. 1969 I, S. 1317 m.

zahlr. Änderungen). 251 Schaub, § 136 I 6 (S. 937); HerscheljLöwisch, § 4 KSchG Rn. 3; BAG, AP § 6 KSchG a. F. Nr. 1. 252 Schaub, § 136 I 2 (S. 934); HerscheljLöwisch, § 4 KSchG Rn. 2; KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 17f.; lAG Niedersachsen, DB 1986, 1126; krit. Colneric, ArbuR 1984, l05ff.; Bötticher, BB 1981, 1954 (1957f.). 153 HerscheljUJwisch, § 4 KSchG Rn. 1; KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 10; Leisten, ArbuR 1985, 181 (183). 12 MenchformOllll

178

c. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

Wahrung der Frist aus § 4 KSchG nicht ausreichen. Zwar muß auch hier die Rechtswirksamkeit der Kündigung inzidenter geprüft werden, doch wird der genannte Zweck, im Interesse der Rechtssicherheit eine unmittelbar durch die Ablehnung der Kündigung veranlaßte gerichtliche Entscheidung über deren Wirksamkeit herbeizuführen, nicht erreicht2S4. In der Absicht, den Arbeitnehmer besser zu schützen, sind von der Literatur zwischenzeitlich eine Reihe möglicher Lösungen angeboten worden2SS , unter denen sich auch der Vorschlag findet, der Kündigungsschutzklage in entsprechender Anwendung des § 209 BGB verjährungsunterbrechende Wirkung hinsichtlich des Lohnanspruchs beizulegen. So sieht Rewolle2S6 in der Kündigungsschutzklage zugleich eine, die Verjährung möglicher Vergütungsansprüche unterbrechende "unbezifferte Feststellungsklage" , sofern der Arbeitnehmer nur hinreichend deutlich mache, daß er mit der Kündigungsschutzklage zugleich alle in dem Arbeitsverhältnis wurzelnden Ansprüche, insbesondere seine Lohnansprüche, geltend machen wolle und darüber hinaus das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 615 BGB vortrage2S7• Das nötige Feststellungsinteresse bestehe schon wegen der drohenden Verjährung und der Zweifelhaftigkeit der Ansprüche2S8 • Zur Unterstützung seiner Auffassung beruft sich Rewolle auf die Rechtsprechung des BAG hinsichtlich tariflicher Ausschlußfristen2S9• Ist tarifvertraglich vorgesehen, daß Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis binnen einer bestimmten Frist nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen sind, soll nämlich nach Meinung des Gerichts die Erhebung der Kündigungsschutzklage zur Wahrung dieser Frist genügen, wenn es sich um Ansprüche des Arbeitnehmers handelt, die vom Ausgang des Kündigungsschutzprozesses abhängen260• Zur Begründung verweist das BAG darauf, daß das "Gesamtziel des Kündi2S4 HerscheljLöwisch, § 4 KSchG Rn. 12; KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 20; Hueck, KSchG, §4 Rn. 5 b). 2SS Vgl. den Überblick über die wichtigsten der bisher vertretenen Auffassungen bei BeckerjBader, BB 1981, 1709 (1713f.). 2S6 Rewolle, OB 1980, 1696 (1697f.). '1S1 Rewolle, OB 1980, 1696 (1697); vgI. im übrigen auch BAG, NJW 1960, 838 dazu, daß ein Feststellungsstreit nur geeignet ist, die Verjährung gem. § 209 BGB zu unterbrechen, wenn er gerade darum geht, ob ein bestimmter Anspruch besteht oder nicht oder zumindest die Möglichkeit besteht abzugrenzen, welche Ansprüche festgestellt werden sollen. 2S8 Rewolle, OB 1980, 1696 (1698). 239 Rewolle, OB 1980, 1696 (1697f.). 260 BAG, OB 1977, 1468, unter Aufgabe seiner früheren Rspr.; dazu auch BAG, OB 1976, 2261 (2262).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

179

gungsschutzbegehrens" letztlich auf die Sicherung aller Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet sei. Eine Übertragung dieses Gedankens auf die Verjährungsunterbrechung liegt durchaus nahe. Immerhin dienen auch die tarifvertraglichen Verfallklauseln, ebenso wie die Verjährung, der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden, indem sie den Gläubiger zwingen, innerhalb der oft kurzen Verfallfrist die BegrÜDdetheit und Erfolgsaussichten seiner in Betracht kommenden Ansprüche zu prüfen und den Schuldner nach Ablauf der Frist vor einem möglichen Beweisnotstand zu schützen261 • Sie treten damit an die Stelle einer ebenfalls möglichen Verkürzung der Verjährungsfristen (§ 225 Abs. 2 BGB) und zwar regelmäßig dort, wo angesichts des schnellen Arbeitsrhythmus und der vielfach starken Fluktuation in der heutigen industriellen Massengesellschaft die vom Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts vorgesehenen gesetzlichen Verjährungsfristen als unerträglich lang empfunden werden262• Ähnlich wie die Verjährung hindern auch sie nach Ablauf der Frist die Geltendmachung der Ansprüche durch den Gläubiger263• Dementsprechend treten etwa Rohlfing/RewollejBade,264 und Beckerj Bade,265 für eine Gleichbehandlung der Verjährungsunterbrechung und der Wahrung von Verfallklauseln durch eine KÜDdigungsschutzklage ein. Entscheidend sei in beiden Fällen, daß für den Arbeitgeber hinsichtlich aller Ansprüche, die im Hinblick auf Bestand und Höhe vom Ausgang des KÜDdigungsschutzrechtsstreits abhängig sind, der das Eingreifen einer Ausschlußfrist oder Anspruchsver-jährung rechtfertigende Vertrauenstatbestand regelmäßig beseitigt sein wird266 •

261 Wledemann/Stumpf, § 4 Rn. 367; HagemeierjKempenjZachertjZiJius, § 4 Rn. 214 mit Bedenken, ob wegen der zunehmenden Komplizierung der Entgelts- und Zulagestruktur eine rasche Kontrolle durch den AIbeitnehmer überhaupt noch möglich ist. 262 Wledemann/Stumpf, § 4 Rn. 363 und 368. 2tS3 BAG, AP § 4 lVG Ausschlußfristen Nr. 6 und 27; bereits RAG, ARS 28 (1937), 261 (264); str., nach a. A. soll es sich um eine rechtsvemichtende Inhaltsbestimmung handeln, die als Unterfall der Befristung das betroffene Recht zum Erlöschen bringt, vgl. HagemeierjKempenjZachertjZiJius, § 4 Rn. 221 und Wledemann/Stumpf, § 4 Rn. 36S m.w.N.; zum Verhältnis von Ausschluß- und Verjährungsfristen allgemein vgl. MünchKommjv. Feldmann, § 194 Rn. 7. 264 RohlfingjRewoUejBader, § 4 Rn. 4. 26S BeckerjBader, BB 1981, 1709ff. (im Ergebnis). 2156 BeckerjBader, BB 1981, 1709 (1712) für die tariflichen Ausschlußfristen und (1714) für die Verjährungsfristen.

12"

180

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

Das BAG hat indessen seine Rechtsprechung, wonach die Erhebung einer KÜDdigungsschutzklage zur Wahrung tarifvertraglicher Ausschlußfristen genügen soll, ausdrücklich auf die Fälle beschränkt, in denen die einschlägige Verfallklausel lediglich eine formlose oder schriftliche Geltendmachung verlangt267. Hier sei es zulässig, über den prozessualen Inhalt der Klage hinaus auf das Gesamtziel des KÜDdigungsschutzbegehrens zu achten268• Wo dagegen nach einer erfolglosen mÜDdlichen oder schriftlichen Geltendmachung binnen Frist eine gerichtliche Geltendmachung vorgesehen ist (sog. zweistufige Ausschlußfristen), soll die Erhebung der KÜDdigungsschutzklage zur Wahrung dieser Frist ebensowenig genügen, wie zur Unterbrechung der Verjährung nachfolgender Vergütungsansprüche. Für eine gerichtliche Geltendmachung sei eben erforderlich, daß der von einer tarifvertraglichen Ausschlußfrist oder Verjährungsfrist in seiner Durchsetzbarkeit bedrohte Anspruch zum Gegenstand der erhobenen Klage geworden ist. Bei der Wahrung einer Verfallklausel, die sich mit milderen Formen der Geltendmachung begnüge, komme es dagegen auf den Streitgegenstand nicht an.269 Die oben genannten Autoren übersehen dies keineswegs, kritisieren jedoch die vom BAG vorgenommene Differenzierung270. Ihrer Auffassung nach soll für eine rein prozessuale Betrachtungsweise kein Raum sein, wo die vom KÜDdigungsschutzprozeß ausgehende Warnfunktion bei dem Arbeitgeber von vornherein keinen Vertrauenstatbestand bezüglich der Nichtgeltendmachung von akzessorischen Vergütungsansprüchen entstehen lasse271 • Zwar setze insbesondere § 209 Abs. 1 BGB eine Klage voraus, die entweder auf Befriedigung oder auf Feststellung des Anspruchs gerichtet se~ dessen Verjährung unterbrochen werden solle, so daß eine direkte Anwendung dieser Vorschrift ausscheide272 . Die KÜDdigungsschutzklage, aber auch jede andere, auf das Fortbestehen eines bestimmten Arbeitsverhältnisses gerichtete allgemeine Feststellungsklage, erfülle ebensogut wie die vom Gesetzgeber ausdrücklich vorgesehenen Klagen die für eine Unterbrechung

'JfS7

Sog. einstufige Ausschlu8frist; BAG, OB 1976, 2261; BAG, OB 1977, 1468; BAG, NJW

1978, 1942 und BAG, OB 1989, 182; dazu KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 38 m.w.N. 268

BAG, OB 1976, 2261 (2262).

21!9

BAG, OB 1976, 2261 (2262).

%70 BeckerjBader,

BB 1981, 1709 (1711f.); allg. zur Kritik KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 46

m.w.N. 271 BeckerjBader,

BB 1981, 1709 (1712 u. 1716); dagegen KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 42-

m BeckerjBader, BB 1981, 1709 (1716).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

181

der Verjährung maßgebliche "beweissicherungsrechtliche Warnfunktion"273, so daß eine entsprechende Anwendung gerechtfertigt erscheine274. Das einseitige Abstellen auf die von der KÜDdigungsschutzklage zweifelsohne ausgehende Warnung des Arbeitgebers widerspricht jedoch der in der vorliegenden Untersuchung gewonnenen Erkenntnis, wonach die in der Klage zum Ausdruck kommende Manifestation des Rechtsverfolgungswillens allein eine Unterbrechung der Verjährung keineswegs zu rechtfertigen vermag. Hinzutreten muß stets, daß die erhobene Klage eine abschließende, den Zustand der Rechtsungewißheit beendende gerichtliche Entscheidung über die geltend gemachten Anspruche erwarten läßt27s . Die KÜDdigungsschutzklage aber führt nur zur Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines bestimmten Arbeitsverhältnisses, d.h. sie beschränkt sich auf die Feststellung eines "Rechtsverhältnisses ohne Anspruchsinhalt"276. Etwaige daraus entstehende Zahlungsansprüche werden gerade nicht der richterlichen Entscheidung unterbreitet. Die Frage ihrer Geltendmachung bleibt also zunächst noch offen, selbst wenn "naturgemäß regelmäßig und nach aller Erfahrung sogar häufl8 und meistens"277 mit der KÜDdigungsschutzklage eine spätere Geltendmachung dieser Ansprüche vorbereitet werden soll. Eine entsprechende Anwendung des § 209 Abs. 1 BGB, wie sie die genannten Autoren vorschlagen, scheidet deshalb aus. Aber auch eine ausnahmsweise Erstreckung der Verjährungsunterbrechung über den Rahmen der KÜDdigungsschutzklage hinaus auf die vom Ausgang dieses Verfahrens abhängigen Lohn- oder Gehaltsansprüche nach den hier vorgeschlagenen Kriterien kommt nicht in Betracht. Denn zum einen wird die Geltendmachung dieser Ansprüche nicht notwendigerweise durch die Erhebung der KÜDdigungsschutzklage ausgeschlossen. Es handelt sich keineswegs um alternative Anspruche in dem Sinn, daß im Ergebnis nur einer zu verwirklichen ist. Zum anderen kann der später geltend gemachte Lohn- oder Gehaltsanspruch niemals den KÜDdigungsschutzanspruch im Rahmen ein und desselben Klageziels ersetzen. Vielmehr handelt es sich bei der nachträglichen Lohn- oder Gehaltsforderung um ein weitergehendes Begehren in Fortsetzung der vorausgegangenen KÜDdigungsschutzklage, bei der es zunächst einmal primär um die Frage der Wirksamkeit oder Unwirkm BeckerjBoder, BB 1981, 1709 (1714).

BB 1981,1709 (1716). Dazu o. B 11 4 und C 11 2276 BAG, NJW 1960, 838; BAG, NJW 1961, 1787 (1788). m BAG, NJW 1960, 838 (839).

274 BeckerjBoder,

27S

182

C. Behandlung prozessualer Anspruc:hsmehrheiten

samkeit der Kündigung geht, auch wenn das Fernziel des Kündigungsschutzrechtsstreits letztlich die Realisierung möglicher Zahlungsansprüche ist. Zu klären bleibt, ob der Arbeitnehmer möglicherweise schutzbedürftiger erscheint, als der Gläubiger in anderen Fällen, in denen ebenfalls eine Erstreckung der Verjährungsunterbrechung nach den zuvor genannten Kriterien ausscheidet, mit der Folge, daß unter Umständen eine gesondert zu begründende Ausnahme von der prinzipiellen Maßgeblichkeit des Streitgegenstands für den Umfang der Verjährungsunterbrechung in Erwägung zu ziehen wäre. Anhaltspunkt ist hierfür zunächst die von Lüke278 , später aber auch von Becker und Bader279 getroffene Feststellung, daß die gleichzeitige Erhebung einer Kündigungsschutzklage und einer Leistungsklage im Hinblick auf die Prozeßverdoppelung nicht nur allgemeinen Grundsätzen der Prozeßwirtschaftlichkeit widerspreche, sondern ganz konkret den Arbeitnehmer in unbilliger Weise mit einem erhöhten Kostenrisiko belaste. Unbillig ist es nach Lükes Auffassung schon deshalb, weil die im KSchG vorgesehene Regelung den Arbeitnehmer regelmäßig zu einem derartigen Vorgehen zwinge, wo dies bei Anwendung der herkömmlichen zivilprozessualen Grundsätze wegen der bereits genannten Möglichkeit eines Inzidentfeststellungsantrags im Rahmen einer Gehaltszahlungsklage vermeidbar wäre280. Dem ist entgegenzuhalten, daß eine gleichzeitige Geltendmachung von Kündigungsschutzbegehren und Lohn- oder Gehaltsansprüchen gerade im Vergleich zu der Verbindung der Gehaltszahlungsklage mit einem Inzidentfeststellungsantrag kaum zu spürbaren Nachteilen für den Kläger führen wird. Denn zum einen wird das Gericht regelmäßig von der Möglichkeit Gebrauch machen, das Verfahren hinsichtlich der Leistungsansprüche gem. § 148 ZPO auszusetzen, bis die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens des "vorgreiflichen" Arbeitsverhältnisses geklärt ist, so daß auch hier die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen gering ist. Zum anderen trägt der Arbeitnehmer ein gegenüber der herkömmlichen Klagenhäufung erheblich gemindertes Kostenrisiko. Der Grund dafür liegt einmal in der Sonderregelung des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG. Danach dürfen Bestandsstreitigkeiten vor den Arbeitsgerichten höchstens mit dem Betrag des Vierteljahreseinkommens bewertet werden281 • Zweck der Regelung ist es, solche 278 Lüke,

NJW 1960, 1333.

'I19 BedcerjBader,

BB 1981,1709 (1716).

Lüke, NJW 1960, 1333f.; dazu auchArens, PS Schwab, S. 30. 281 BAG, AP § 12 ArbGG 1979 Nr. 9 = NJW 1985, 2494 "Obergrenze"; PhilippsenjDömer,

2S)

NZA 1987, 113 (114 m.w.N.).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

183

Streitigkeiten, bei denen es regelmäßig um die wirtschaftliche Lebensgrundlage des Arbeitnehmers geht, kostenmäßig besonders günstig zu gestalten282• Erfaßt werden davon in erster Linie die KÜDdigungsschutzklagen283• Erhebt der Arbeitnehmer daneben Klage auf Leistungen aus dem Arbeitsverhältnis, wie etwa die Zahlung von Arbeitsentgelt, soll darüber hinaus nach herrschender Auffassung eine Addition der Streitwerte, wie sie § 5 ZPO i.V. mit § 12 Abs. 1 GKG vorsieht, unterbleiben und stattdessen nur der jeweils höhere gelten284• Denn trotz der prozessualen Selbständigkeit liege eine wirtschaftliche Identität vor, weil das Feststellungsbegehren die Rechtsgrundlage für die Gehaltsforderung bilde und in Wirklichkeit nur eine Leistung in Frage stehe28S • Den dagegen vorgebrachten Bedenken, diese Auffassung führe aus gebührenrechtlichen Erwägungen zur getrennten Geltendmachung und damit zu einer Prozeßverdoppelung286, ist entgegenzuhalten, daß die Gerichte regelmäßig von der Möglichkeit der Prozeßverbindung gern. § 147 ZPO Gebrauch machen werden287• Auch spricht der Umstand, daß die KÜDdigungsschutzklage gegenüber den kÜDdigungsbedingten Entgeltansprüchen umfassender ist, weil sie der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit dient und außer der Lohnzahlung auch eine Vielzahl anderer Ansprüche berührt288, nicht zwangsläufig gegen die Annahme eines Additionsverbots. Denn wirtschaftlich betrachtet ist der Leistungsantrag bereits im Feststellungsantrag mitberücksichtigt, so daß sich eine Addition beider Streitwerte von daher verbietet289 . Darüber hinaus 2&2 283

So TschischgalejSatzky, S. 34; BAG, NJW 1965, 1830. Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 12 Rn. 4 b).

284 Grunsky, Arbeitsgerichtsgesetz, § 12 Rn. 5 a); BAG, AP § 12 ArbGG 1953 Nr. 17; Stein/lonasjSchumann, § 2 Rn. 125f.; KR/Woif, Grunds. Rn. 621; KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 279b; gleiches muß gelten, wenn der Vergütungsanspruch bloß hilfsweise für den Fall des

Obsiegens mit dem FeststeIlungsantrag rechtshängig gemacht wird (sog. uneigentliche Eventualhäufung), da auch hier mit Bedingungseintritt praktisch der Effekt einer kumulativen Klagehäufung eintritt und damit §§ 12 Abs. 1 GKG,5 ZPO anzuwenden sind (nach aA. soll § 19 Abs.4 GKG Anwendung finden, dazu AhJenstiel, VersR 1988, 222ff. m.w.N.). 28S TschischgalejSatzky, S. 36; BAG, AP § 12 ArbGG 1953 Nr. 17; PhilippsenjDömer, NZA 1987, 113 (116 m.w.N.). 286 Vgl. KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 280 m.N. zur Rechtsprechung der lAG; lAG Frankfurt, NJW 1970, 2134; lAG Hamburg, NJW 1977, 2327. 2Ir1 Frank, S. 171; KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 281; zum Vorrang der Prozeßveroindung nach § 147 ZPO vor einer Aussetzung nach § 148 ZPO im Hinblick auf die sog. Innenbindung des Gerichts gem. § 318 ZPO vgl. VO.ßen, RdA 1989, 96 (99). 288 Wenzel, BB 1984, 1494 (1498). 2119 Frank, S. 170.

184

C. Behandlung prozessualer AnspNChimehrheiten

wäre zu überlegen, ob sich ein Additionsverbot nicht schon aus dem oben genannten sozialen Schutzzweck ergibt290• Gegenüber der "herkömmlichen" zivilprozessualen Möglichkeit, von vornherein auf Leistung zu klagen und ein "vorgreifliches· Rechtsverhältnis im Wege der Zwischenfeststellungsklage zu klären, ergibt sich aus der erzwungenen prozessualen "Zweispurigkeit"291 jedenfalls keine unbillige Benachteiligung. Denn auch dort unterbleibt in der Regel eine Addition mit der Folge, daß der jeweils höhere Streitwert allein maßgeblich ist292 • Der Umstand, daß der Arbeitnehmer vielfach gar nicht mit einer zwischenzeitlichen Verjährung von Lohnansprüchen rechnet, die er mit der Kündigungsschutzldage bereits zu verfolgen g1aubt293, reicht hingegen zur Begründung einer verjährungsunterbrechenden Wirkung der Kündigungsschutzldage hinsichtlich der von ihrem Ausgang abhängigen Leistungsansprüche nicht aus.

cc) Verjährungsunterbrechung des Amtshaftungsanspruchs durch Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes Ausdrückliche Anerkennung, insbesondere in der neueren Rechtsprechung des BGH, hat demgegenüber die Möglichkeit gefunden, bereits durch Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage gegen einen amtspflichtwidrig erlassenen Verwaltungsakt die Verjährung eines späteren Amtshaftungsanspruchs zu unterbrechen294 . Zur Begründung wird darauf verwiesen, daß 290 PhilippsenjDömer, NZA 1987, 113 (116 m.w.N.); KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 281; nach Auffassung von Grunsky, Arbeitsgerichtsgcsctz, § 12 Rn. 5 a), soll es der Schutzzweck sogar gebieten, die Streitwcrtbegrenzung auf drei Monatsvcrdienste eingreifen zu lassen, wenn neben der Feststellungsklage auch eine Lcistungsklage aus dem Arbeitsverhältnis erhoben wird; krit. dazu Frank, S. 207 m.w.N. 291 Lüke, NJW 1960,1333 (1334). 292 ThomasjPutzo, § 5 Anm. 3 c) aa). 293 Etwa KR/Friedrich, § 4 KSchG Rn. 33. 2')4 8GHZ 95, 238 = NJW 1985, 2324 m. Anm. Peters, NJW 1986, 1087ff.; 8GHZ 97, 97 (109ff.) = NJW 1986, 2309 (2312) zur Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbcscheid; 8GHZ 103,242 = NJW 1988, In6 zur Verjährungsunterbrcchung durch Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor den Sozialgerichten bzgl. Amtshaftungsanspruch; vgI. auch 8GH, NJW 1990, 176 (179); Lüke, NJW 1990, 2665 (2668); lauernig/lauemig, Anm. zu §§ 208-217 Anm. 3 a); Soergel/Walter (12.), § 209 Rn. 9a; ManchKiJmmjPapin-, § 839 Rn. 306; OLG Hamm, NJW-RR 1989, 1507 (1~).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

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der Geschädigte zumeist schon im Hinblick auf § 839 Abs. 3 BGB gehalten sei, zunächst einmal vor den Verwaltungsgerichten "primären" Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Da dieses Verfahren nun häufig die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB überschreite, werde der Geschädigte vielfach gezwungen, noch vor der Entscheidung im Verwaltungsrechtsstreit Amtshaftungsklage im ordentlichen Rechtsweg zu erheben, um so seine Ansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG vor dem zwischenzeitliehen Verlust infolge Verjährung zu bewahren29S • Diese Lösung aber sei schon deshalb unbefriedigend, weil sie den Geschädigten für den Fall, daß er vor den Verwaltungsgerichten unterliege, und sich der Verwaltungsakt als rechtmäßig erweise, einem "objektiv vermeidbaren Kostenrisiko" aussetze und im übrigen wegen der Parallelität der Verfahren prozeßunwirtschaftlich sei296• In der Tat verfolgt § 839 Abs. 3 BGB den Zweck, eine Subsidiarität der "sekundären" Ersatzpflicht im Verhältnis zu den "primären" Rechtsschutzmitteln zu begründen und damit den Schadensersatzanspruch bei rechtswidrigem hoheitlichem Handeln der Klage vor den Verwaltungsgerichten nachzuordnen297• Dem Verletzten soll auf diese Weise die Möglichkeit genommen werden, statt den rechtswidrigen hoheitlichen Eingriff abzuwehren, diesen zu dulden und dafür zu liquidieren298 • Gleichwohl zwingt ihn die drohende Verjährung des Amtshaftuogsanspruchs "zweispurig" zu verfahren299, und das, obwohl das Zivilgericht wegen der für es bindenden Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes regelmäßig gem. § 148 ZPO aussetzen wird300 • Andere prozessuale Möglichkeiten, wie insbesondere die Stufenklage, scheiden ohnehin aus. Auch fehlt es hier an einer dem KÜDdigungsschutzverfahren vergleichbaren Besserstellung des Betroffenen in kostenrechtlicher Hinsicht.

In der Absicht, den Geschädigten hier besser zu schützen, will der BGH deshalb § 209 Abs. 1 BGB "entsprechend" auf die verwaltungsgerichtliche Klage anwenden301 und ihr hinsichtlich der streitgegenstandsfremden SchadensersatzanspTÜche aus § 839 BGB, Art. 34 GG verjährungsunterbreNJW 1985, 2324. NJW 1985, 2324f. u. später; zustimmend Soergel/Walter (12.), § 209 Anm. 9a. 2!17 MünchKommjPapier, § 839 Rn. 285. 198 MünchKommjPapier, § 839 Rn. 285. 299 Peters, NJW 1~ 1087 (1088). 300 Peters, NJW 1986, 1087 (1088); zur BindungswirkungMünchKommjPapier, § 839 Rn. 252 29S BOH,

296 BOH,

m.w.N.

301 BOH, NJW 1985, 2324 (2325); BGH,

NJW 1988,1776 (1777); BOH, NJW 1990, 176 (179).

186

C. Behandlung prozessualer Anspruchsmehrheiten

chende Wirkung beilegen. Dabei beruft sich das Gericht, ähnlich wie etwa Rewolle oder Bec1cer und Bader für das Verhältnis von Kündigungsschutzklage und Lohnansprüchen, zur Rechtfer-tigung einer analogen Anwendung dieser Vorschrift auf die vom verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgehende Warnung im Hinblick auf die spätere Geltendmachung möglicher Amtshaftungsansprüche. Die öffentliche Hand müsse "damit rechnen", daß der Kläger nach Abschluß des Verwaltungsgerichtsprozesses noch Amtshaftungsansprüche geltend machen wird302• Daß jedoch die Verdeutlichung der Rechtsverfolgungsabsicht niemals für die Begründung der Verjährungsunterbrechung ausreichen kann, ist mehrfach dargelegt worden. Vielmehr reicht die verjährungsunterbrechende Wirkung einer Klage grundsätzlich nur soweit, als sie eine abschließende Klärung bereits erwarten läßt. Etwaige Schadensersatzansprüche aber werden der richterlichen Entscheidung hier ebensowenig unterbreitet, wie mögliche Lohnansprüche im Fall der Kündigungsschutzklage. Auch scheidet die Annahme verjährungsunterbrechender Wirkung in Anwendung der hier entwickelten Kriterien für eine ausnahmsweise Erstrekkung der Verjährungsunterbrechung auf streitgegenstandsfremde Ansprüche aus. Denn obwohl die Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes wegen der bindenden Wirkung einer dort ergehenden Entscheidung für ein nachfolgendes zivilgerichtliches Verfahren zumindest auch dazu dient, spätere Amtshaftungsansprüche "vorzubereiten", würde mit der Schadensersatzklage doch nicht lediglich nur geltend gemacht, was zuvor bereits mit der Klage gegen den amtspflichtwidrig erlassenen Verwaltungsakt geltend gemacht worden ist. Der Amtshaftungsanspruch ersetzt keineswegs den früheren Anspruch, sondern ist trotz seiner engen rechtlichen Verknüpfung mit der Frage nach der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts etwas anderes. Dennoch erscheint es unbefriedigend, den Geschädigten auf diese Weise zu zwingen, gleichzeitig neben der verwaltungsgerichtlichen Klage eine zivilgerichtliche Klage zu erheben, mit dem vorläufig einzigen Ziel, die Verjährung möglicher Ersatzansprüche zu unterbrechen und dafür das volle Kostenrisiko zu tragen. Eine Lösung dieses Konflikts ergibt sich möglicherweise aus dem der Verjährungsunterbrechung durch Aufrecbnung und Streitverkündung gem. 302

BGH, NJW 1985, 2324 (2325); BGH, NJW 1986, 2309 (2312); BGH, NJW 1988, 1776

(1778).

11. Auflösung des Zusammenhangs mit den Grenzen der Rechtskraft

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§ 209 Abs. 2 Nr. 3,4 BGB zugrundeliegenden Regelungsgedanken. Wie an früherer Stelle bereits dargelegt303, wird weder über die Forderung, wegen der der Streit verkündet worden ist, noch über eine aufrechnungsweise geltend gemachte Forderung in dem laufenden Verfahren abschließend entschieden. Dennoch hat der Gesetzgeber in diesen Fällen eine Unterbrechung angenommen, weil er es als unbefriedigend empfand, den Beklagten des Ausgangsverfahrens in die Zwangslage zu versetzen, allein zum Zwecke der Verjährungsunterbrechung Klage oder Widerklage zu erheben, obwohl sich diese möglicherweise nach Abschluß des bereits anhängigen Prozesses als überflüssig erweist. Verfahrensrechtliche Möglichkeiten, die klageweise Geltendmachung in einem zweiten Verfahren zu vermeiden, bestehen hier ebensowenig wie in dem zuvor erörterten Verhältnis von verwaltungsgerichtlichem Rechtsschutz und Amtshaftungsansprüchen aus § 839 BGB, Art. 34 GG. Wegen der Vergleichbarkeit der Situation und nicht zuletzt, weil der Gesetzgeber es offensichtlich versäumt hat, die Forderung nach einer primären Inanspruchnahme verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in Einklang mit den herkömmlichen Möglichkeiten der Verjährungsunterbrechung zu bringen, ist eine entsprechende Anwendung des § 209 Abs. 2 Nr. 3, 4 BGB gerechtfertigt. Ebenso wie bei der Aufrechnung oder Streitverkündung steht eine solche Verjährungsunterbrechung hinsichtlich der vom Ausgang des Verwaltungsrechtsstreits abhängigen Schadensersatzansprüche aus § 839 BGB, Art. 34 GG bereits durch die verwaltungsgerichtliche Klage jedoch unter dem Vorbehalt, daß die Ansprüche nach Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens binnen einer Frist von sechs Monaten der abschließenden Klärung zugeführt werden. Denn insoweit kann eine Übertragung des § 209 Abs. 2 Nr. 3, 4 BGB nicht unter Außerachtiassung des vom Gesetzgeber selbst vorgesehenen Regelungszusammenhangs erfolgen.

303

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