Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht: Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge 9783161537097, 9783161535130

Bei Verträgen über Massengüter setzt die Vertragsfreiheit als Funktionsbedingung einen wirksamen Wettbewerb auf der Mark

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German Pages 1006 [1008] Year 2015

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Table of contents :
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Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Aufgabenstellung
Teil 1: Einleitung
A. Die Privatrechtsordnung zwischen dem Schutz der individuellen Selbstbestimmung und der Beförderung von Gemeinwohlinteressen
I. Individuelle Selbstbestimmung als Grundidee der Privatrechtsordnung
1. Das Prinzip der Selbstbestimmung
2. Privatautonomie als Ausprägung des Prinzips der Selbstbestimmung
II. Unterscheidung zwischen Vertragsfreiheit, Vertragsgerechtigkeit und Sozialmodellen
1. Formale und materiale Konzeptionen der Vertragsfreiheit
2. Vertragsgerechtigkeit
3. „Sozialmodelle“ privater Macht und ihre rechtliche Rezeption
a) Zum Begriff des Sozialmodells
b) Gesellschaftswissenschaftliche Grundbegriffe privater Macht
aa) Kausale Machtbegriffe
bb) Modale Machtbegriffe
cc) Bewertende Einordnung
dd) Ambivalenz wirtschaftlicher Macht
4. Zwingendes Privatrecht als Ausdruck des jeweiligen Sozialmodells
a) Zwingende Regelungen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht
b) Unterschiedliche Ausprägungen zwingenden Vertragsrechts
III. Zum Verhältnis von Individualwohl und Gemeinwohl
1. Zur Begrifflichkeit
2. Gemeinwohl
a) Überpositive und normative Bedeutung
b) Überblick über das ökonomische Verständnis von „Gemeinwohl“
aa) Neoklassische Wettbewerbstheorie
bb) Wohlfahrtsökonomie
cc) Freiheitliches Verständnis von Gemeinwohl
dd) Neue Institutionenökonomik
ee) Vorläufiges Ergebnis
3. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
a) Legalausnahme von den Wettbewerbsvorschriften
b) Paradigma: Universaldienstleistungen
4. Leistungen der Daseinsvorsorge zwischen Wettbewerb und Gemeinwohl
a) Begriff
b) Historische Sicht
c) Privatisierung und Liberalisierung
IV. Zwischenergebnis
B. Wichtige Grundbegriffe
I. Individual- und Institutsschutz (Institutionenschutz)
II. Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) und Lauterkeitsrecht
III. Regulierungsrecht
1. Marktregulierung
2. Regulierung der Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen
3. Unterscheidung zwischen Wettbewerbsregulierung und sonstiger gemeinwohlorientierter Regulierung
IV. Wettbewerbsbeschränkung
V. „Public enforcement“ und „private enforcement“
VI. Verbraucher und Marktgegenseite
VII. Wettbewerbsbeschränkende Verträge und Folgeverträge
VIII. Formale und materiale Freiheit
C. Einwände gegen ein freiheitlich-materiales Verständnis des wirtschaftsrelevanten Privatrechts
I. Die wirtschaftswissenschaftliche Sicht („more economic approach“)
II. Juristische Kritik am Schutz materialer Selbstbestimmung
D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite
I. Kontrolle privater wirtschaftlicher Macht
II. Verstöße gegen die Kartell- und Missbrauchsverbote
III. Wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen
IV. Preiskontrolle der (Folge-)Verträge
V. Untersuchung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive
VI. Untersuchung aus unionsrechtlicher und nationaler Perspektive
Teil 2: Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union
A. Wirtschaftsverfassung und Sozialmodell des Privatrechts
B. Ökonomisches und rechtswissenschaftliches Verständnis von Wirtschaftsverfassung
C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union
I. Von der wirtschaftlichen zur sozialen Integration
II. Systementscheidung des früheren EG-Vertrages für eine freie Marktwirtschaft
III. Auswirkungen des Lissabon-Vertrages auf die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union
1. Errichtung einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft
2. Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs
3. Garantie einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb
4. Politische Stärkung sozialer Zwecke durch den Vertrag von Lissabon
D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands
I. Relative wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes
II. Soziale Marktwirtschaft
E. Schutz der Selbstbestimmung im deutschen und im europäischen Verfassungsrecht
I. Das Grundgesetz
II. Das Unionsrecht
F. Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Versorgung mit Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen
I. Grundrechtliche Gewährleistung der Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge
II. Regulierungsverantwortung für die Netzebene
III. Rekommunalisierung
1. Wasserversorgung
2. Energieversorgung
3. Reichweite der Garantie kommunaler Selbstverwaltung
G. Zwischenergebnis – Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs
Teil 3: Vertragstheorien
A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft
I. Koordinierung individueller Freiheiten über den Preismechanismus des Marktes
II. Sicherung der Wettbewerbsprozesse durch privatrechtliche Institute
III. Begrenzung privatrechtlicher Institute durch die Wettbewerbsordnung
IV. Zwischenergebnis und Ausblick
B. Geltungsgründe des Vertrages zwischen formaler Selbstbestimmung und überindividuell-objektiven Zwecken
I. Das liberale Verständnis des Vertrages im Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1900
1. Primat rechtlich-formaler Freiheit und Gleichheit der Bürger
2. Überwiegen dispositiven Vertragsrechts
3. Defizite beim Schutz des wirtschaftlich Schwächeren
4. Zwischenfazit
II. Erste sondergesetzliche Regelungen zur Kompensation vertraglicher Ungleichgewichte
III. Historische Entwicklung der privatrechtlichen Behandlung wirtschaftlicher Macht
1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur „Kartellfrage“
a) Positive Bewertung wirtschaftlicher Macht
b) Die Entscheidung zum „Sächsischen Holzstoffkartell“
c) Verbot des „Monopolmissbrauchs“
d) Ökonomische und rechtspolitische Gründe für die positive Bewertung wirtschaftlicher Macht
2. Die Kartellverordnung des Jahres 1923 und ihre Rezeption in der Rechtsprechung
a) Statuierung einer Ex-post-Missbrauchskontrolle
b) Die „Benrather-Tankstellen-Entscheidung“ des Reichsgerichts
3. Die Kontrolle einseitiger Vertragsgestaltungsmacht über § 315 BGB
4. Die „Krise des Vertragsrechts“ – am Beispiel allgemeiner Geschäftsbedingungen
IV. Der Vertrag als Mittel einer gesellschaftlich richtigen Ordnung?
1. „Sozialautonomie“ statt „Privatautonomie“
2. Das wirtschaftspolitische Konzept der „mixed economy“
3. Schutz vor Diskriminierungen im Privatrechtsverkehr
V. Von der „Krise des Vertragsrechts“ zur „Krise des Sozialschutzes“
VI. Ein Seitenblick auf das Europäische Privatrecht
VII. Zwischenergebnis und Bewertung
C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit
I. Problemstellung: Individual- oder Institutsschutz?
II. Das Konzept objektiver Richtigkeit des Vertrages (Schmidt-Rimpler 1941)
III. Subjektive Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlusses (Schmidt-Rimpler 1974)
IV. Das Sozialstaatsprinzip als Quelle überindividueller Vertragsgerechtigkeit?
1. Die Bürgschafts-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
2. Europäisches Privatrecht
D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit
I. Unterscheidung zwischen monistischen und dualistischen Ansätzen
II. Unzulänglichkeit einer rein instrumental-formal verstandenen Vertragsfreiheit
III. Keine Ausrichtung des Vertrages auf heteronome Gerechtigkeitsvorstellungen
1. Verstoß gegen den Grundsatz der individuellen Selbstbestimmung
2. Fehlen materieller Kriterien für eine Richtigkeitskontrolle im Einzelfall
IV. Funktionaler Zusammenhang zwischen materialer Vertragsfreiheit und prozeduraler Vertragsgerechtigkeit
1. Subjektive Richtigkeitschance des Vertragsmechanismus
2. Der Vertrag als Institut eines selbstbestimmten Interessenausgleichs
V. Wettbewerb als Voraussetzung materialer Vertragsfreiheit und prozeduraler Vertragsgerechtigkeit
E. Schutz der Privatautonomie durch öffentliches Recht oder durch Privatrecht?
F. Zwischenergebnis – Schutz chancengleicher Selbstbestimmung
Teil 4: Wettbewerbstheorien
A. Schutz vor wirtschaftlicher Macht oder Herstellung gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt?
B. Grundbegriffe
I. Wettbewerbsrecht als „praktizierte Wettbewerbspolitik“
1. Wettbewerbspolitik
2. Wettbewerbstheorie
3. „Positive“ und „normative“ Theorie der Regulierung
II. Marktversagen aus ökonomischer und juristischer Sicht
1. Die ökonomische Sicht
2. Die juristische Sicht
III. Die Eigengesetzlichkeit des Rechts gegenüber der Wirtschaft
1. Zielkonflikte zwischen einem rechtlichen und einem ökonomischen Verständnis des Wettbewerbsschutzes
2. Rechtssicherheit, Justiziabilität und Vorhersehbarkeit
3. Interpretation des Rechts mit Hilfe der Ökonomie
IV. Wettbewerbsfunktionen
1. Selbststeuerungseigenschaften wettbewerblich organisierter Märkte (ökonomische Wettbewerbsfunktionen)
2. Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit gegen unangemessene oder unbillige Beeinträchtigungen (gesellschaftliche Wettbewerbsfunktionen)
3. Zielkonflikte zwischen Freiheits- und Wohlfahrtsfunktionen („trade offs“)
V. Aufgabenstellung: Auflösung des Zielkonflikts zwischen Ökonomie und Recht aus zivilistischer Sicht
C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht
I. Inhalt und Art der Darstellung
II. Klassische dynamische Wettbewerbstheorie
1. Historische Einordnung
2. Das System der „natürlichen Freiheit“
3. Die Bedeutung von Märkten für die Preisbildung (Preismechanismus)
4. Vertragsfreiheit als Voraussetzung des wettbewerblichen Preismechanismus
5. Bewertung
III. Neoklassische Gleichgewichtstheorie und Wohlfahrtsökonomie
1. Problem: Stellenwert wirtschaftlicher Freiheit
2. Theoretische Grundstruktur der Neoklassik
a) Knappheit der Ressourcen
b) Präferenzautonomie
c) Methodologischer und normativer Individualismus
d) Verhaltensmodell des „homo oeconomicus“
aa) Grundannahmen
bb) Eigennutzentheorem (Konzept der Nutzenmaximierung)
cc) Individuelle Rationalität
dd) Nutzenfunktion
3. Wohlfahrtsökonomie
a) Problemstellung
b) Utilitaristische Wohlfahrtsökonomie
c) Pareto-Kriterium
aa) Grundaussagen
bb) Rechtfertigung idealer Austauschverträge aus dem Nutzen aller Vertragsparteien
cc) Bewertung
d) Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium
aa) Grundaussagen
bb) Bewertung
e) Wohlfahrtsstandard
aa) Problemstellung
bb) Gesamtwohlfahrtsstandard
cc) Konsumentenwohlfahrtsstandard
dd) Praktische Relevanz
ee) Bewertung
4. Effizienzkonzepte
a) Unterscheidung zwischen positiver und normativer Effizienz
b) Allokative (Pareto-)Effizienz
c) Produktive Effizienz („economies of scale“ und „economies of scope“)
d) Dynamische Effizienz (Innovationen)
aa) Herausragende wettbewerbstheoretische Relevanz
bb) Begrenzte modelltheoretische Erfassbarkeit
cc) Dynamische Effizienz und Marktmacht
e) „Längerfristige“ Betrachtung von Marktprozessen versus „kurzfristiger“ Schutz vor Ausbeutung
5. Anwendung der Effizienzkonzepte auf die Analyse von Märkten (Neoklassische Preistheorie)
a) Pareto-Effizienz und Marktwirtschaft
b) Vollkommene Konkurrenz als Situation ohne Ausbeutungspotenzial
c) Marktmacht als Aufgreiftatbestand zur Kontrolle des Marktverhaltens von Unternehmen
6. Zusammenfassung und Gesamtbewertung
IV. Wirtschaftliche Macht als ambivalentes Phänomen – die Theorien der Workable Competition
1. Die Vorläufermodelle der „monopolistischen“ bzw. „unvollkommenen“ Konkurrenz
2. „Industrial Organization“ (Harvard School)
a) Traditionelle Industrieökonomik
b) Neue Industrieökonomik und Spieltheorie
3. Workable Competition als Second-best-Lösung (Clark)
a) Ablösung des neoklassischen Konzepts vollkommener Konkurrenz
b) Theorie des Zweitbesten
4. Theory der Effective Competition (wirksamer Wettbewerb)
a) Wettbewerb als Prozess der „Bahnbrecher“ und der „Nachahmer“ (Arndt)
b) Wettbewerb als dynamischer Prozess
5. Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität (Kantzenbach)
a) Zielkonflikt zwischen Freiheitsschutz und wohlfahrtsökonomischer Effizienzorientierung
b) Wettbewerbspolitische Relevanz und Kritik
c) Zu den Markttests
6. Bewertung
V. Vernachlässigung der negativen Wirkungen wirtschaftlicher Macht durch freiheitlich-formale Markt-und Wettbewerbstheorien
1. Analyse dynamischer Markt- und Wettbewerbsprozesse
2. Das Wissensproblem (von Hayek)
a) Grundlagen
b) Bewertung
3. Das systemtheoretische Konzept der Wettbewerbsfreiheit (Hoppmann)
a) Von einem materialen zu einem formalen Freiheitsverständnis
b) Bewertung
VI. Die Chicago School zwischen Wohlfahrtsökonomie und Laissez-faire
1. Unterscheidung zwischen positiven und normativen Ansätzen
2. Wettbewerbstheoretische Grundannahmen
3. Wettbewerbspolitische Empfehlungen
4. Zusammenfassung und Bewertung
a) Positive Einschätzung wirtschaftlicher Macht
b) Unvereinbarkeit mit der geltenden Wirtschaftsverfassung
c) Formales Verständnis der Vertragsfreiheit
VII. Trennung kompetitiver und antikompetitiver Macht durch die Post-Chicago-Economics
1. „Post Chicago“ als Sammelbecken verschiedener Denkrichtungen
2. Kritik an der Chicago School
a) Vernachlässigung dynamischer Effizienz
b) Realitätsferner Glaube an die Funktionsfähigkeit der Märkte
c) Grenzen der Rationalitätsannahme
3. Bewertung von „Post Chicago“
D. Schutz individueller Freiheit vor antikompetitiver Macht durch eine staatliche Wettbewerbsordnung – Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik
I. Ordoliberalismus (Freiburger Schule)
1. Wirtschaftliche Macht als Ausgangsproblem
2. Die ordoliberale Theorie der vollständigen Konkurrenz
3. Zum Werk Walter Euckens
a) Begründung der Ordnungsökonomik
b) „Die Grundlagen der Nationalökonomie“
aa) Wirklichkeitsbasierte Modellbildung
bb) Marktformen und wirtschaftliche Macht
cc) Ordnung der Wirtschaft durch eine Wirtschaftsverfassung
c) „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“
aa) Ordnung individueller Freiheiten durch ein Wettbewerbsrecht
bb) Schutz material-chancengleicher Wirtschaftsfreiheit
cc) Begründer der Ordnungsökonomik
dd) Prinzipien der Wettbewerbsordnung
ee) Als-ob-Wettbewerbsprinzip als Kontrollmaßstab
d) Objektives oder subjektives Freiheitskonzept?
4. Zum Werk Franz Böhms
a) Unterscheidung zwischen dem frühen und dem späten Böhm
b) „Wettbewerb und Monopolkampf“
aa) Zielsetzung
bb) Ambivalenz wirtschaftlicher Macht
cc) Wettbewerbsschutz zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht
c) Vorrang einer „Ordnung der Wirtschaft“ (1937) vor individuellen Freiheitsrechten
d) Zwischenergebnis
e) Schriften von 1945 bis 1950: zwischen Individual-und Institutsschutz
f) Das rechtliche Konzept der „Privatrechtsgesellschaft“ als Ausdruck eines material-chancengleichen Freiheitsverständnisses
5. Institutionelles Verständnis des Wettbewerbs und Schutz material-chancengleicher Selbstbestimmung – am Beispiel subjektiver Anspruchsberechtigungen
6. Zur Begrifflichkeit: Paläoliberal – Neoliberal – Ordoliberal
II. Die Neue Institutionenökonomik als privatrechtskonforme Theorie zur Abwägung komplementärer Freiheitsbereiche?
1. Einführung
2. Modifizierung der Modellannahmen der Neoklassik
a) Realitätsnähere Beurteilung menschlichen Verhaltens
b) Begrenzte Informationen und begrenzte Kapazitäten zur Informationsverarbeitung („bounded rationality“)
c) Eigennutzentheorem: Nutzenbefriedigung statt Nutzenmaximierung
3. Insbesondere: Das Problem opportunistischen Verhaltens von Vertragspartnern
4. Konsensbasierte Erklärung des Wettbewerbsrechts
III. Die Verhaltensökonomik als Verfeinerung oder als Widerlegung der Neuen Institutionenökonomik?
1. Grundlagen
2. Verhaltensanomalien
3. Bewertung der verschiedenen Verhaltensmodelle
E. Zwischenergebnis – Vorzugswürdigkeit eines modernen Ordoliberalismus
Teil 5: Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung
A. Problemstellung
B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht
I. Einführung
II. Grundlinien des „more economic approach“
1. Änderung des wettbewerbspolitischen Leitbilds
2. Leitlinien der Kommission
a) Negative Auswirkungen auf den Markt als Beurteilungsmaßstab
b) Verbraucherschaden als Tatbestandsmerkmal?
c) Marktstruktur als Wettbewerbskriterium – zur Relevanz wirtschaftlicher Macht
III. Systematisierung und Kritik
1. Unterscheidung zwischen anwendungsbezogener und normativer Sichtweise
2. Ermittlung einer Wettbewerbsbeschränkung durch Abwägung marktbezogener Freiheiten
a) Offenhaltung der Märkte und Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung
b) Notwendigkeit eines wertenden Ausgleichs gegenläufiger Freiheitsrechte
c) Vorrang rechtlicher Wertungen
d) Ausgleich wirtschaftlicher Freiheitsrechte durch funktionsfähige Märkte
e) Zum Abwägungsmaßstab
C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen
I. Sicherung gegenseitiger Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Marktteilnehmer
1. Vorrang der individuellen Freiheit vor der allgemeinen Wohlfahrt
2. Bestätigung der drittschützenden Intention der Wettbewerbsregeln durch § 33 GWB
II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art. 101 AEUV
1. Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV
a) Zur Begrifflichkeit
b) Unwertgehalt und Ausrichtung auf den Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs
c) Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung
d) Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung
e) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung
2. Rechtfertigung einer Wettbewerbsbeschränkung gem. Art. 101 Abs. 3 AEUV
3. Die „Courage-Rechtsprechung“ als „materiale Folgevertragskonstellation“
a) Indizien für ein materiales Freiheitsverständnis – die Entscheidung „Courage“ (Teil 1)
b) Kein Nachweis eines Verbraucherschadens bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen
4. Rechtsprechung des BGH – die Entscheidung „ORWI“ (Teil 1)
III. Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen
1. Abgrenzung vom Verbot von Behinderungsmissbräuchen
a) Das Verbot von Behinderungsmissbräuchen als abstrakter Gefährdungstatbestand zum Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer
b) Anwendungsbereich
c) Zur Rechtsprechung des EuGH
d) Zwischenergebnis
2. Zweck des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen: Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit der Marktgegenseite
3. Kontrollmaßstab: Hypothetischer Wettbewerbspreis
a) Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs
b) Juristisches Kontrollkonzept zum Schutz vor unangemessener Ausbeutung
c) Inhaltliche Konkretisierung
4. Methodenpluralität
a) Vergleichsmarktmethode („Benchmarking“)
b) Kosten- und Gewinnkontrolle
c) Kumulative Anwendung der Methoden
5. Wertungsgleichklang mit der regulierungsrechtlichen Entgeltkontrolle – zur Entbehrlichkeit eines Erheblichkeitszuschlags
a) Vermeidung einer unzulässigen Preisregulierung?
b) Übertragbarkeit der normativen Wertungen des Regulierungsrechts
c) Vergleich mit dem Kartellverbot
d) Behebung rechtstatsächlicher Unsicherheiten („Unsicherheitsfaktor“)
IV. Wettbewerbstheoretische Einwände gegen eine kompetitive Ausbeutungskontrolle – am Beispiel des § 29 GWB
V. Das Wettbewerbsrecht zwischen Individual- und Institutsschutz
D. Der von den Wettbewerbsregeln geschützte Personenkreis
I. Unterscheidung zwischen „primären“ und „sekundären“ subjektiven Rechten
II. Das subjektive Recht als elementarer Bestandteil einer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung
III. Zusammenhang zwischen objektiver Schutzebene und subjektiver Sanktionsebene
IV. Rückschluss von der Sanktionsebene auf den objektiven Schutzbereich – § 33 GWB als Beispiel
V. Folgerungen
E. Zwischenergebnis – „Personalistischer Schutzzweck“ des Wettbewerbsrechts
Teil 6: Technische, ökonomische und rechtliche Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren
A. Technische Grundlagen der Netzindustrien
I. Energie
II. Telekommunikation
III. Eisenbahnen
B. Ökonomische Regulierungsgründe
I. Problemstellung
II. Wettbewerbstheoretische Begründungsansätze
1. Neoklassische Wohlfahrtsökonomie
2. Workable Competition
3. Systemtheorie
4. Chicago School of Economics
5. Ordoliberalismus und Ordnungsökonomik
6. Neue Institutionenökonomik
III. Insbesondere: Natürliche Monopole
1. Größen- und Verbundvorteile
2. Irreversibilität als Voraussetzung des natürlichen Monopols?
3. Negative Wohlfahrtswirkungen eines natürlichen Monopols
4. Statische versus dynamische Effizienz
IV. Weitere Regulierungsgründe
1. Sonstige qualifizierte Marktzutrittsschranken
2. Vertikale Integration
3. Externe Effekte
4. Netzwerkeffekte
5. Opportunistisches Verhalten und Hold-up-Problematik
6. Asymmetrische Information
C. Normative Regulierungsgründe
I. Sicherung des Gemeinwohls
II. Sicherung der material-chancengleichen Selbstbestimmung
D. Auflösung von Zielkonflikten
E. Zwischenergebnis: Primat der Wettbewerbsförderung
Teil 7: Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung
A. Stand der Marktöffnung
I. Problemstellung
II. Energie
III. Telekommunikation
IV. Eisenbahnen
B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung
I. Domestizierung von Marktmacht durch potenziellen Wettbewerb
1. Theorie der Contestable Markets
2. Bedeutung für die allgemeine Wettbewerbstheorie
3. Bedeutung für die Regulierungstheorie – disaggregierte Regulierung der Netze
II. Domestizierung von Marktmacht durch intermodalen Wettbewerb
III. Formen der Wettbewerbsförderung auf Netz-und Diensteebene
1. Netzwettbewerb
a) Infrastrukturwettbewerb der Netze
b) Ausschreibungswettbewerb
2. Wettbewerb in Netzen
3. Beispiel: Die Ladder-of-Investment-Theorie des Telekommunikationsrechts
C. Grundlagen des Zugangskonzepts
I. Wettbewerbsförderung in wettbewerbsfähigen Marktstufen („Contestable Markets“)
II. Zum Begriff des Zugangs
1. Zugang als Anspruch auf Netznutzung
2. Anspruch auf physischen Netzanschluss
III. Identifizierung und Regulierung unerlässlicher Infrastrukturen/Marktsegmente
1. „Disaggregierter Regulierungsansatz“
2. Ermittlung der zu regulierenden Infrastrukturen/ Marktsegmente
3. Symmetrische oder asymmetrische Regulierung
4. Beseitigung der antikompetitiven Effekte unerlässlicher Infrastrukturen durch Regulierung
IV. Zu regulierende Märkte
1. Energie
2. Telekommunikation
3. Eisenbahnen
V. Netzzugang durch zivilrechtlichen Vertrag
1. Energiewirtschaftsrecht
2. Telekommunikationsrecht
3. Eisenbahnregulierungsrecht
D. Regulierungsinstrumente
I. Regulierung als sektorspezifisches Wettbewerbsrecht
II. Gemeinwohlorientierte Regulierungsinstrumente
III. Wettbewerbsfördernde Regulierungsinstrumente
1. Zugangsregulierung
a) Zweck: Sicherung der material-chancengleichen Vertragsfreiheit
b) Zugangsverpflichtete
c) Schutz der Endkunden durch abstrakte Gefährdungstatbestände
d) Einschränkungen des Zugangsanspruchs
e) Inhalt des Zugangsanspruchs
2. Entgeltregulierung
a) Kontrollmaßstäbe und Kontrollmethoden
b) Effiziente Kosten und angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals
c) Kostenkontrolle und preis- bzw. anreizbasierte Regulierung
aa) Kostenregulierung
bb) Anreizregulierung
cc) Bewertung
d) Zeitpunkt der Entgeltkontrolle
aa) Ex-ante- und Ex-post-Kontrolle
bb) Kein Erheblichkeitszuschlag bei der Ex-post-Kontrolle
cc) Unterschiedliche Ausgestaltung der Regulierungsgesetze
3. Entflechtungsregulierung
IV. Zivilrechtliche Rechtsbehelfe
1. Energiewirtschaftsrecht
2. Telekommunikationsrecht
3. Eisenbahnregulierungsrecht
E. Zwischenergebnis – Multifunktionalität des Regulierungsrechts
Teil 8: Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht
A. Problemstellung
B. Theorien der Abgrenzung
1. Subjektstheorie
2. Modifizierte Subjektstheorie
3. Subjektions-/Subordinationstheorie
4. Interessentheorie
C. Zur Einordnung des Wettbewerbsrechts
I. Schutz materialer Selbstbestimmung versus überindividuelle Gemeinwohlziele
II. Die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand als Beispiel
D. Zur Einordnung des Regulierungsrechts
E. Unterscheidung zwischen materiellen Tatbeständen und Rechtsbehelfen
F. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht als Kollisionsregelung am Beispiel der „Flucht ins Gebührenrecht“
G. Zwischenergebnis – Wettbewerbsrecht und wettbewerbsfördernde Regulierung als Mischgesetze mit privatrechtlichem Kern
Teil 9: Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs-und Regulierungsrechts
A. Problemstellung
B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen
I. „Public enforcement“ und „private enforcement“
II. Entwicklung des „private enforcement“
1. Das Kartellverbot
2. Marktmachtmissbrauch als gesetzliches Verbot
3. Die Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 1/2003
a) System der Legalausnahme vom Kartellverbot
b) Dezentrale Durchsetzung des Wettbewerbsrechts
c) Vorrang des Unionsrechts bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen
4. Regelungsvorschläge der Kommission für eine Verstärkung des „private enforcement“
a) Ashurst-Studie aus dem Jahr 2004
b) Grünbuch der Kommission aus dem Jahr 2005
c) Weißbuch der Kommission aus dem Jahr 2008
d) Richtlinienvorschlag für wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen nebst Mitteilung und Arbeitsunterlage aus dem Jahr 2013
e) Empfehlung der Kommission zu Kollektivklagen aus dem Jahr 2013
5. Angleichung des deutschen an das europäische Wettbewerbsrecht
III. Rechtsprechung des EuGH zum „private enforcement“
1. Die Entscheidung „Courage“ (Teil 2)
a) Problemstellung
b) Berechtigung zur Geltendmachung der Vertragsnichtigkeit
c) Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz
d) „passing-on defense“
e) Individualschutz durch Prävention?
f) Private Durchsetzung des Regulierungsrechts
2. Die Entscheidung „Manfredi“ (Teil 1)
a) Sachverhalt
b) Wettbewerbsrecht als Bestandteil der öffentlichen Ordnung der Union
c) Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz
d) Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender (Folge-)Verträge
e) Zusammenfassende Bewertung
3. Die Entscheidung „T-Mobile-Netherlands“
4. Die Entscheidung „Otis“
IV. Zielkonflikte zwischen „private enforcement“ und „public enforcement“ – am Beispiel der Akteneinsicht in Kronzeugenunterlagen
1. Problemstellung
2. „Public enforcement“ durch Geldbußen
a) Zwecke von Geldbußen
b) Reduzierung/Erlass von Geldbußen bei Kronzeugen
3. Einsicht in Kronzeugenunterlagen der nationalen Kartellbehörden – die Entscheidungen „Pfleiderer“ und „Donau Chemie“
a) Die Entscheidung „Pfleiderer“
b) Folgeentscheidungen
c) Die Entscheidung „Donau Chemie“
4. Einsicht in Unterlagen der Kommission
a) Problemstellung
b) Entscheidung des EuG „CDC Hydrogen Peroxide“
c) Entscheidung des EuG „EnBW“
5. Primat des „private enforcement“
6. Dogmatische Folgerungen
a) Verhängung von „multiple damages“
b) Gesamtschuldnerinnenausgleich
V. Sicherung der materialen Selbstbestimmung durch „public enforcement“
C. Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als deliktsrechtliche Schutzgesetze
I. Ermittlung des Schutzzwecks wettbewerbsrechtlicher Vorschriften als „Problem interdisziplinärer Wissenschaft“
II. Vorschriften des Wettbewerbsrechts
1. Meinungsstand vor der 7. GWB-Novelle
a) Restriktive Interpretation des Schutzgesetzerfordernisses
b) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen
c) Missbrauch von Marktmacht
d) Besondere Missbrauchstatbestände
2. Aktuelle Rechtslage
a) „Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht“ gem. § 33 GWB 2005
b) Die ORWI-Entscheidung des BGH (Teil 2)
aa) Reichweite des „Betroffenheitsmerkmals“
bb) Klagebefugnis mittelbar Kartellbetroffener
cc) Klagebefugnis und „passing-on defense“
dd) Das Betroffenheitskriterium als Konkretisierung des Schutzgesetzerfordernisses
c) § 33 GWB als subjektiv-rechtliche Entsprechung des Tatbestands wettbewerbsschützender Normen
III. Vorschriften des Regulierungsrechts
1. Energiewirtschaftsrecht
2. Telekommunikationsrecht
3. Eisenbahnregulierungsrecht
IV. Folgevertragspartner als deliktsrechtlich „Betroffene“
1. Anspruchsberechtigung
2. Wechselwirkungen zwischen Delikts- und Vertragshaftung
3. Kein allgemeiner Anspruch auf Vertragsauflösung
V. Zwischenergebnis
D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen
I. Die Folgevertragsdiskussion als Ausdruck eines veralteten Vertragsverständnisses
II. Unterschiede zwischen einer vertragsrechtlichen und einer deliktsrechtlichen Anpassungslösung
III. Idealkonkurrenz zwischen deliktischen und vertraglichen Rechtsbehelfen
IV. Rechtslage und Meinungsspektrum zum Wettbewerbsrecht
1. Tatbestände gegen Marktmachtmissbräuche
a) Unionsrechtliches Missbrauchsverbot gem. Art. 102 AEUV
b) Deutsche Missbrauchsverbote gem. den §§ 19, 29 GWB
2. Tatbestände gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen
a) Unionsrechtliches Kartellverbot gem. Art. 101 AEUV
bb) Deutsches Kartellverbot gem. den §§ 1, 2 GWB
V. Inhaltskontrolle von Kartell-Folgeverträgen nach Unionsrecht
1. Problemstellung
2. Erstreckung der Verbotswirkung auf Folgeverträge – die Entscheidung „Manfredi“ (Teil 2)
VI. Inhaltskontrolle von Kartell-Folgeverträgen nach deutschem Recht
1. Unionsrechtskonforme Interpretation
2. Missbilligung von Folgeverträgen gem. § 134 BGB
a) Voraussetzungen eines Verbotsgesetzes
b) Verbot von Folgeverträgen
aa) Reichweite des Tatbestands gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen
bb) Die Courage-Rechtsprechung des EuGH
cc) Nichtigkeit der Folgeverträge als Spiegelbild der deliktischen Anspruchsberechtigung
dd) Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität
c) Bestätigung des Verbots antikompetitiver Folgeverträge durch Straf- und Bußgeldtatbestände
3. Zwischenergebnis
VII. Rechtsfolgen wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge
1. Normzweckvorbehalt
2. Teilnichtigkeit der Folgeverträge als Regelfall
a) Relevante Interessen
b) Interessen der Folgevertragspartner
c) Einwände gegen eine Teilnichtigkeitslösung
aa) Fehlende Praktikabilität?
bb) Unzureichende Abschreckung?
cc) Unzumutbare Beeinträchtigung der Rechtssicherheit?
3. „Absolute“ Teilnichtigkeit und „relative“ Anfechtbarkeit
4. Geltungserhaltende Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung?
VIII. Tatbestände des Regulierungsrechts als Verbotsgesetze
1. Energiewirtschaftsrecht
a) Ex-ante-Regulierung von Netzzugang und Netzentgelten gem. den §§ 17 ff., 20 ff. EnWG
b) Ex-post-Missbrauchsverbot gem. § 30 EnWG
2. Telekommunikationsrecht
a) Ex-ante-Entgeltregulierung gem. den §§ 31 ff. TKG
b) Ex-post-Missbrauchsverbote gem. den §§ 28, 42 TKG
aa) Anwendungsbereich
bb) Allgemeines Missbrauchsverbot des § 42 TKG
cc) Besonderes Missbrauchsverbot des § 28 TKG
3. Eisenbahnregulierungsrecht
IX. Zwischenergebnis
E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe
I. Kumulation vertraglicher und deliktischer Ansprüche
II. Innenausgleich zwischen den Anspruchsberechtigten verschiedener Marktstufen
III. Einwände gegen eine Gesamtgläubigerschaft
Teil 10: Wertungsharmonisierende Interpretation zivilistischer Preiskontrollvorschriften
A. Von der Kapitulation gegenüber wirtschaftlicher Macht zu einem kompetitiven Vertragsrecht
I. Die „Leiden des Privatrechts“
II. Harmonisierende Interpretation des Wettbewerbs-und Regulierungsrechts mit dem Vertragsrecht
B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen
I. Verweis auf Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts
II. Schutz des wirtschaftlichen ordre public als Ausprägung der guten Sitten
III. Tatbestand des Verbots sittenwidriger Rechtsgeschäfte
IV. Rechtsfolgen
C. Kontrolle einseitiger Gestaltungsmacht gem. § 315 Abs. 3 BGB am Beispiel von Energiepreisen
I. Billigkeitskontrolle von Energiepreisen
1. Problemstellung
2. Preiskontrolle direkt/analog § 315 Abs. 3 BGB
3. AGB-Kontrolle von Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen
II. Gleichklang der Kontrollmaßstäbe und -methoden
1. Monopolpreiskontrolle
2. Kontrolle rechtlicher Bestimmungsmacht
3. Keine Unterscheidung zwischen Anfangspreis und Preiserhöhungen
4. Kontrollmethoden
5. Darlegungs- und Beweislast
Teil 11: Wesentliche Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis
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Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbs- und Regulierungsrecht: Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge
 9783161537097, 9783161535130

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JUS PRIVAT UM Beiträge zum Privatrecht Band 196

Jochen Mohr

Sicherung der Vertragsfreiheit durch Wettbewerbsund Regulierungsrecht Domestizierung wirtschaftlicher Macht durch Inhaltskontrolle der Folgeverträge

Mohr Siebeck

Jochen Mohr, geboren 1969; kaufmännische Berufsausbildung; Studium der Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin; Referendariat am Kammergericht Berlin; Promotion im Jahr 2002 an der Freien Universität Berlin; danach Rechtsanwalt in Berlin, Stuttgart und Dresden; von 2008 bis 2013 zudem wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für deutsches und europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht der Freien Universität Berlin; 2014 Habilitation ebenda in den Fächern Bürgerliches Recht, Wettbewerbsrecht, Energierecht, Regulierungsrecht und Arbeitsrecht; seit Februar 2014 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Kartellrecht, Energierecht und Arbeitsrecht an der Technischen Universität Dresden; seit 2015 Direktor des Instituts für Kartell-, Energie- und Telekommunikationsrecht in Dresden.

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT. e-ISBN PDF 978-3-16-153709-7 ISBN 978-3-16-153513-0 ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ biblio­graphie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikro­verfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde-Druck in Tübingen aus der Stempel Garamond gesetzt, auf alte­ rungsbeständiges Werk­druck­papier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Otters­ weier gebunden.

Vorwort Mit der Teilunwirksamkeit von Folgeverträgen, die antikompetitiv überhöhte Preise enthalten, widmet sich die vorliegende Untersuchung einem seit Jahrzehnten kontrovers diskutierten Thema auf der Schnittstelle zwischen dem allgemeinen Privatrecht, dem Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) und dem Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen (Regulierungsrecht). In einem vielbeachteten Text aus dem Jahr 2006 sprach Karsten Schmidt dem Schutz vor privaten Wettbewerbsbeschränkungen die Bedeutung einer „Nagelprobe des Zivilrechts“ zu (AcP 206 [2006], 169 ff.). Das Wettbewerbsrecht und das Regulierungsrecht können das Privatrecht aber nur dann von der anspruchsvollen Aufgabe der zutreffenden Behandlung des ambivalenten Phänomens „private Macht“ entlasten, wenn sie ebenso wie das Privatrecht zuvörderst der chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer und keinem vage konturierten überindividuell-objektiven Institutsschutz verpflichtet sind. Vor diesem Hintergrund setzt sich die Untersuchung zum Ziel, die gemeinsamen rechtlichen und ökonomischen Grundlagen des wirtschaftsbezogenen Privatrechts, des Wettbewerbsrechts und des Regulierungsrechts herauszuarbeiten, um die Bürger effektiv vor privaten Wettbewerbsbeschränkungen zu schützen, indem ihnen nicht nur deliktische, sondern auch vertragliche Rechtsbehelfe an die Hand gegeben werden. Sie will damit zugleich einen Beitrag dazu leisten, die gesellschaftspolitische Aufgabe eines freiheitsschützenden Wettbewerbs wieder mehr in den Blickpunkt zu rücken; denn ohne eine an den Funktionsbedingungen einer wettbewerblichen Marktwirtschaft ausgerichtete Domestizierung privater Machtpositionen steht nicht selten auch die politische Chancengleichheit nur auf dem Papier. Die Untersuchung wurde im Wintersemester 2013/2014 von den Mitgliedern des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Habilitationsschrift angenommen. Zum Zwecke der Veröffentlichung wurde der Text überarbeitet und um Nachweise bis zum Sommer 2014 ergänzt. Nicht mehr berücksichtigt werden konnte deshalb die Richtlinie 2014/104/EU vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach na­ tio­nalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl.EU Nr. L 349/1 vom 5.12.2014). Schon weil die Richtlinie in zentralen Aussagen auf dem

VI

Vorwort

ursprünglichen Kommissionsvorschlag beruht (Pressemitteilung der EU-Kommission v. 10.11.2014, IP/14/1580), sind die Ergebnisse der Untersuchung etwa zum generellen Verhältnis von „public enforcement“ und „private enforcement“ weiterhin aktuell. Die Untersuchung entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Deutsches und Europäisches Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Regulierungsrecht der Freien Universität Berlin. Sie wurde betreut von meinem verehrten akademischen Lehrer Univ.-Prof. em. Dr. iur. Dr. rer. pol. Dres. h. c. Franz Jürgen Säcker, dem ich für seine nachhaltige Unterstützung besonders herzlich danken möchte. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Herrn Univ.-Prof. Dr. Gregor Bachmann für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie Herrn Univ.-Prof. em. Dr. Ingo Schmidt für das wirtschaftswissenschaftliche Sondergutachten. Wesentlich zum Gelingen beigetragen hat das fruchtbare Diskussionsklima am Institut. Pars pro toto benennen möchte ich die instruktiven Gespräche mit Herrn Prof. Dr. Kurt Markert, M.C.J. (NYU), Direktor beim Bundeskartellamt a. D. Zu Dank verpflichtet bin ich auch Frau Dr. Annegret Groebel, Direktorin bei der Bundesnetzagentur, für den erhellenden Austausch über die ökonomischen Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren. Herzlichst danken möchte ich last but not least meinem Doktorvater Univ.-Prof. a. D. Dr. Klaus Adomeit, der meinen wissenschaftlichen Werdegang seit vielen Jahren tatkräftig und mit Wohlwollen begleitet. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Institut für Kartell-, Energieund Telekommunikationsrecht der Technischen Universität Dresden haben mich mit großem Engagement bei den Korrekturarbeiten unterstützt. Ein besonderer Dank gilt Frau Isabel Bürger und Herrn Marvin Kalina für die akribische Vervollständigung des Sachregisters. Danken möchte ich schließlich dem Förderungs- und Beihilfefonds der VG Wort für die finanzielle Unterstützung der Drucklegung dieser Untersuchung. Ich widme die Untersuchung meiner Frau Sondra, meinem Sohn Leonard sowie im Andenken meinen lieben Eltern Elise und Alfred. Dresden und Berlin, im Oktober 2014

Jochen Mohr

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII

Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1:  Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 A. Die Privatrechtsordnung zwischen dem Schutz der individuellen Selbstbestimmung und der Beförderung von Gemeinwohlinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 B. Wichtige Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 C. Einwände gegen ein freiheitlich-materiales Verständnis des wirtschaftsrelevanten Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . 75 D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite . . . . . . . . . . . 80

Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 A. Wirtschaftsverfassung und Sozialmodell des Privatrechts . . . . 87 B. Ökonomisches und rechtswissenschaftliches Verständnis von Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union . . . . . . . 91 D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands . . . . . . . . . . . . . 103 E. Schutz der Selbstbestimmung im deutschen und im europäischen Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 109 F. Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Versorgung mit Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen . . . . . . . 116 G. Zwischenergebnis – Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Teil 3:  Vertragstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

VIII

Inhaltsübersicht

B. Geltungsgründe des Vertrages zwischen formaler Selbstbestimmung und überindividuell-objektiven Zwecken . . 136 C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 E. Schutz der Privatautonomie durch öffentliches Recht oder durch Privatrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 F. Zwischenergebnis – Schutz chancengleicher Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204

Teil 4:  Wettbewerbstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 A. Schutz vor wirtschaftlicher Macht oder Herstellung gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt? . . . . . . . . . . . . . . . . 206 B. Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht . . . . . . . . . . 229 D. Schutz individueller Freiheit vor antikompetitiver Macht durch eine staatliche Wettbewerbsordnung – Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 E. Zwischenergebnis – Vorzugswürdigkeit eines modernen Ordoliberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 D. Der von den Wettbewerbsregeln geschützte Personenkreis . . . 503 E. Zwischenergebnis – „Personalistischer Schutzzweck“ des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514

Teil 6:  Technische, ökonomische und rechtliche Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 A. Technische Grundlagen der Netzindustrien . . . . . . . . . . . . 515 B. Ökonomische Regulierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 C. Normative Regulierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 D. Auflösung von Zielkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543 E. Zwischenergebnis: Primat der Wettbewerbsförderung . . . . . . 545

Inhaltsübersicht

IX

Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 A. Stand der Marktöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung . . . . . . . . . . . . 569 C. Grundlagen des Zugangskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 D. Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 E. Zwischenergebnis – Multifunktionalität des Regulierungsrechts 637

Teil 8:  Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht . . . . . . . . . . . . 638 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638 B. Theorien der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 C. Zur Einordnung des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . 645 D. Zur Einordnung des Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . 650 E. Unterscheidung zwischen materiellen Tatbeständen und Rechtsbehelfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 F. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht als Kollisionsregelung am Beispiel der „Flucht ins Gebührenrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 G. Zwischenergebnis – Wettbewerbsrecht und wettbewerbsfördernde Regulierung als Mischgesetze mit privatrechtlichem Kern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbsund Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 659 C. Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als deliktsrechtliche Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . 728 D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . 754 E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe . 806

Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation zivilistischer Preiskontrollvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . 812 A. Von der Kapitulation gegenüber wirtschaftlicher Macht zu einem kompetitiven Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 812 B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen . 817

X

Inhaltsübersicht

C. Kontrolle einseitiger Gestaltungsmacht gem. §  315 Abs.  3 BGB am Beispiel von Energiepreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824

Teil 11:  Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 833 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 843 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIII

Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1:  Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 A. Die Privatrechtsordnung zwischen dem Schutz der individuellen Selbstbestimmung und der Beförderung von Gemeinwohlinteressen 7 I. Individuelle Selbstbestimmung als Grundidee der Privatrechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Das Prinzip der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Privatautonomie als Ausprägung des Prinzips der Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 II. Unterscheidung zwischen Vertragsfreiheit, Vertragsgerechtigkeit und Sozialmodellen . . . . . . . . . . . . 18 1. Formale und materiale Konzeptionen der Vertragsfreiheit . 18 2. Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3. „Sozialmodelle“ privater Macht und ihre rechtliche Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Zum Begriff des Sozialmodells . . . . . . . . . . . . . . 22 b) Gesellschaftswissenschaftliche Grundbegriffe privater Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 aa) Kausale Machtbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . 23 bb) Modale Machtbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . 25 cc) Bewertende Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . 27 dd) Ambivalenz wirtschaftlicher Macht . . . . . . . . . 28 4. Zwingendes Privatrecht als Ausdruck des jeweiligen Sozialmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Zwingende Regelungen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

XII

Inhaltsverzeichnis

b) Unterschiedliche Ausprägungen zwingenden Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Zum Verhältnis von Individualwohl und Gemeinwohl . . . . 36 1. Zur Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Überpositive und normative Bedeutung . . . . . . . . . 38 b) Überblick über das ökonomische Verständnis von „Gemeinwohl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Neoklassische Wettbewerbstheorie . . . . . . . . . 43 bb) Wohlfahrtsökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 cc) Freiheitliches Verständnis von Gemeinwohl . . . . 47 dd) Neue Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . 48 ee) Vorläufiges Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 a) Legalausnahme von den Wettbewerbsvorschriften . . . 51 b) Paradigma: Universaldienstleistungen . . . . . . . . . . 52 4. Leistungen der Daseinsvorsorge zwischen Wettbewerb und Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 a) Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 b) Historische Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Privatisierung und Liberalisierung . . . . . . . . . . . . 54 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Wichtige Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Individual- und Institutsschutz (Institutionenschutz) . . . . . 56 II. Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) und Lauterkeitsrecht . . . . . 58 III. Regulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Marktregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 2. Regulierung der Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Unterscheidung zwischen Wettbewerbsregulierung und sonstiger gemeinwohlorientierter Regulierung . . . . . 63 IV. Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 V. „Public enforcement“ und „private enforcement“ . . . . . . . 66 VI. Verbraucher und Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . 68 VII. Wettbewerbsbeschränkende Verträge und Folgeverträge . . . 70 VIII. Formale und materiale Freiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Inhaltsverzeichnis

XIII

C. Einwände gegen ein freiheitlich-materiales Verständnis des wirtschaftsrelevanten Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 I. Die wirtschaftswissenschaftliche Sicht („more economic approach“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 II. Juristische Kritik am Schutz materialer Selbstbestimmung . . 77 D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite . . . . . . . . . . . . . 80 I. Kontrolle privater wirtschaftlicher Macht . . . . . . . . . . . . 80 II. Verstöße gegen die Kartell- und Missbrauchsverbote . . . . . 81 III. Wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen . . . . . . . . 82 IV. Preiskontrolle der (Folge-)Verträge . . . . . . . . . . . . . . . 83 V. Untersuchung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive . . . . 85 VI. Untersuchung aus unionsrechtlicher und nationaler Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 A. Wirtschaftsverfassung und Sozialmodell des Privatrechts . . . . . . 87 B. Ökonomisches und rechtswissenschaftliches Verständnis von Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union . . . . . . . . . 91 I. Von der wirtschaftlichen zur sozialen Integration . . . . . . . 92 II. Systementscheidung des früheren EG-Vertrages für eine freie Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 III. Auswirkungen des Lissabon-Vertrages auf die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union . . . . . . . . 96 1. Errichtung einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs . . . 99 3. Garantie einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Politische Stärkung sozialer Zwecke durch den Vertrag von Lissabon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Relative wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes . 104 II. Soziale Marktwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107

XIV

Inhaltsverzeichnis

E. Schutz der Selbstbestimmung im deutschen und im europäischen Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Das Grundgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 II. Das Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 F. Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Versorgung mit Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen . . . . . . . . . 116 I. Grundrechtliche Gewährleistung der Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 II. Regulierungsverantwortung für die Netzebene . . . . . . . . 122 III. Rekommunalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Wasserversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Energieversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Reichweite der Garantie kommunaler Selbstverwaltung . . 127 G. Zwischenergebnis – Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Teil 3:  Vertragstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 I. Koordinierung individueller Freiheiten über den Preismechanismus des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Sicherung der Wettbewerbsprozesse durch privatrechtliche Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Begrenzung privatrechtlicher Institute durch die Wettbewerbsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 IV. Zwischenergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B. Geltungsgründe des Vertrages zwischen formaler Selbstbestimmung und überindividuell-objektiven Zwecken . . . . . . . . . . . . . . . 136 I. Das liberale Verständnis des Vertrages im Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1900 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Primat rechtlich-formaler Freiheit und Gleichheit der Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Überwiegen dispositiven Vertragsrechts . . . . . . . . . . . 141 3. Defizite beim Schutz des wirtschaftlich Schwächeren . . . 143 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Erste sondergesetzliche Regelungen zur Kompensation vertraglicher Ungleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Inhaltsverzeichnis

XV

III. Historische Entwicklung der privatrechtlichen Behandlung wirtschaftlicher Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur „Kartellfrage“ 148 a) Positive Bewertung wirtschaftlicher Macht . . . . . . . 148 b) Die Entscheidung zum „Sächsischen Holzstoffkartell“ 148 c) Verbot des „Monopolmissbrauchs“ . . . . . . . . . . . . 153 d) Ökonomische und rechtspolitische Gründe für die positive Bewertung wirtschaftlicher Macht . . . . . . . 154 2. Die Kartellverordnung des Jahres 1923 und ihre Rezeption in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 a) Statuierung einer Ex-post-Missbrauchskontrolle . . . . 155 b) Die „Benrather-Tankstellen-Entscheidung“ des Reichsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Die Kontrolle einseitiger Vertragsgestaltungsmacht über §  315 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 4. Die „Krise des Vertragsrechts“ – am Beispiel allgemeiner Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 IV. Der Vertrag als Mittel einer gesellschaftlich richtigen Ordnung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. „Sozialautonomie“ statt „Privatautonomie“ . . . . . . . . . 163 2. Das wirtschaftspolitische Konzept der „mixed economy“ . 167 3. Schutz vor Diskriminierungen im Privatrechtsverkehr . . . 168 V. Von der „Krise des Vertragsrechts“ zur „Krise des Sozialschutzes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 VI. Ein Seitenblick auf das Europäische Privatrecht . . . . . . . . 170 VII. Zwischenergebnis und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 173 C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Problemstellung: Individual- oder Institutsschutz? . . . . . . 175 II. Das Konzept objektiver Richtigkeit des Vertrages (Schmidt-Rimpler 1941) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Subjektive Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlusses (Schmidt-Rimpler 1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 IV. Das Sozialstaatsprinzip als Quelle überindividueller Vertragsgerechtigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 1. Die Bürgschafts-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 2. Europäisches Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

XVI

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I.

Unterscheidung zwischen monistischen und dualistischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Unzulänglichkeit einer rein instrumental-formal verstandenen Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Keine Ausrichtung des Vertrages auf heteronome Gerechtigkeitsvorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Verstoß gegen den Grundsatz der individuellen Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Fehlen materieller Kriterien für eine Richtigkeitskontrolle im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 IV. Funktionaler Zusammenhang zwischen materialer Vertragsfreiheit und prozeduraler Vertragsgerechtigkeit . . . . 196 1. Subjektive Richtigkeitschance des Vertragsmechanismus . . 196 2. Der Vertrag als Institut eines selbstbestimmten Interessenausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 V. Wettbewerb als Voraussetzung materialer Vertragsfreiheit und prozeduraler Vertragsgerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . 198 E. Schutz der Privatautonomie durch öffentliches Recht oder durch Privatrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 F. Zwischenergebnis – Schutz chancengleicher Selbstbestimmung . . . 204

Teil 4:  Wettbewerbstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 A. Schutz vor wirtschaftlicher Macht oder Herstellung gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 B. Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Wettbewerbsrecht als „praktizierte Wettbewerbspolitik“ . . . 207 1. Wettbewerbspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 2. Wettbewerbstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. „Positive“ und „normative“ Theorie der Regulierung . . . 211 II. Marktversagen aus ökonomischer und juristischer Sicht . . . . 213 1. Die ökonomische Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Die juristische Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Die Eigengesetzlichkeit des Rechts gegenüber der Wirtschaft . 218 1. Zielkonflikte zwischen einem rechtlichen und einem ökonomischen Verständnis des Wettbewerbsschutzes . . . 218 2. Rechtssicherheit, Justiziabilität und Vorhersehbarkeit . . . 219 3. Interpretation des Rechts mit Hilfe der Ökonomie . . . . . 219

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IV. Wettbewerbsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Selbststeuerungseigenschaften wettbewerblich organisierter Märkte (ökonomische Wettbewerbsfunktionen) . . . . . . 221 2. Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit gegen unangemessene oder unbillige Beeinträchtigungen (gesellschaftliche Wettbewerbsfunktionen) . . . . . . . . . 224 3. Zielkonflikte zwischen Freiheits- und Wohlfahrtsfunktionen („trade offs“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 V. Aufgabenstellung: Auflösung des Zielkonflikts zwischen Ökonomie und Recht aus zivilistischer Sicht . . . . . . . . . . 227 C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht . . . . . . . . . . . . 229 I. Inhalt und Art der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Klassische dynamische Wettbewerbstheorie . . . . . . . . . . 231 1. Historische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Das System der „natürlichen Freiheit“ . . . . . . . . . . . . 233 3. Die Bedeutung von Märkten für die Preisbildung (Preismechanismus) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 4. Vertragsfreiheit als Voraussetzung des wettbewerblichen Preismechanismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 5. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 III. Neoklassische Gleichgewichtstheorie und Wohlfahrtsökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Problem: Stellenwert wirtschaftlicher Freiheit . . . . . . . . 240 2. Theoretische Grundstruktur der Neoklassik . . . . . . . . 242 a) Knappheit der Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 b) Präferenzautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Methodologischer und normativer Individualismus . . 247 d) Verhaltensmodell des „homo oeconomicus“ . . . . . . . 249 aa) Grundannahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 bb) Eigennutzentheorem (Konzept der Nutzenmaximierung) . . . . . . . . 251 cc) Individuelle Rationalität . . . . . . . . . . . . . . . 252 dd) Nutzenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 3. Wohlfahrtsökonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Utilitaristische Wohlfahrtsökonomie . . . . . . . . . . . 256 c) Pareto-Kriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Grundaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Rechtfertigung idealer Austauschverträge aus dem Nutzen aller Vertragsparteien . . . . . . . 257 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

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d) Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium . . . . . . . . . 261 aa) Grundaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 bb) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 e) Wohlfahrtsstandard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 aa) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 bb) Gesamtwohlfahrtsstandard . . . . . . . . . . . . . 267 cc) Konsumentenwohlfahrtsstandard . . . . . . . . . . 268 dd) Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 ee) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 4. Effizienzkonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Unterscheidung zwischen positiver und normativer Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 b) Allokative (Pareto-)Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Produktive Effizienz („economies of scale“ und „economies of scope“) . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 d) Dynamische Effizienz (Innovationen) . . . . . . . . . . 276 aa) Herausragende wettbewerbstheoretische Relevanz 276 bb) Begrenzte modelltheoretische Erfassbarkeit . . . . 277 cc) Dynamische Effizienz und Marktmacht . . . . . . 278 e) „Längerfristige“ Betrachtung von Marktprozessen versus „kurzfristiger“ Schutz vor Ausbeutung . . . . . 279 5. Anwendung der Effizienzkonzepte auf die Analyse von Märkten (Neoklassische Preistheorie) . . . . . . . . . . 280 a) Pareto-Effizienz und Marktwirtschaft . . . . . . . . . . 280 b) Vollkommene Konkurrenz als Situation ohne Ausbeutungspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . 282 c) Marktmacht als Aufgreiftatbestand zur Kontrolle des Marktverhaltens von Unternehmen . . . . . . . . . 284 6. Zusammenfassung und Gesamtbewertung . . . . . . . . . . 284 IV. Wirtschaftliche Macht als ambivalentes Phänomen – die Theorien der Workable Competition . . . . . . . . . . . . 288 1. Die Vorläufermodelle der „monopolistischen“ bzw. „unvollkommenen“ Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . 288 2. „Industrial Organization“ (Harvard School) . . . . . . . . 290 a) Traditionelle Industrieökonomik . . . . . . . . . . . . . 290 b) Neue Industrieökonomik und Spieltheorie . . . . . . . 293 3. Workable Competition als Second-best-Lösung (Clark) . . 294 a) Ablösung des neoklassischen Konzepts vollkommener Konkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Theorie des Zweitbesten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 4. Theory der Effective Competition (wirksamer Wettbewerb) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298

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a) Wettbewerb als Prozess der „Bahnbrecher“ und der „Nachahmer“ (Arndt) . . . . . . . . . . . . . . 299 b) Wettbewerb als dynamischer Prozess . . . . . . . . . . . 301 5. Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität (Kantzenbach) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 a) Zielkonflikt zwischen Freiheitsschutz und wohlfahrtsökonomischer Effizienzorientierung . . . . . . . . . . . 303 b) Wettbewerbspolitische Relevanz und Kritik . . . . . . . 307 c) Zu den Markttests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 6. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 V. Vernachlässigung der negativen Wirkungen wirtschaftlicher Macht durch freiheitlich-formale Marktund Wettbewerbstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 1. Analyse dynamischer Markt- und Wettbewerbsprozesse . . 315 2. Das Wissensproblem (von Hayek) . . . . . . . . . . . . . . 317 a) Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 3. Das systemtheoretische Konzept der Wettbewerbsfreiheit (Hoppmann) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 a) Von einem materialen zu einem formalen Freiheitsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 VI. Die Chicago School zwischen Wohlfahrtsökonomie und Laissez-faire . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 1. Unterscheidung zwischen positiven und normativen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 2. Wettbewerbstheoretische Grundannahmen . . . . . . . . . 332 3. Wettbewerbspolitische Empfehlungen . . . . . . . . . . . . 334 4. Zusammenfassung und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . 336 a) Positive Einschätzung wirtschaftlicher Macht . . . . . . 336 b) Unvereinbarkeit mit der geltenden Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 c) Formales Verständnis der Vertragsfreiheit . . . . . . . . 337 VII. Trennung kompetitiver und antikompetitiver Macht durch die Post-Chicago-Economics . . . . . . . . . . . . . . . 339 1. „Post Chicago“ als Sammelbecken verschiedener Denkrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 2. Kritik an der Chicago School . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 a) Vernachlässigung dynamischer Effizienz . . . . . . . . 342 b) Realitätsferner Glaube an die Funktionsfähigkeit der Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 c) Grenzen der Rationalitätsannahme . . . . . . . . . . . . 344

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3. Bewertung von „Post Chicago“ . . . . . . . . . . . . . . . . 344 D. Schutz individueller Freiheit vor antikompetitiver Macht durch eine staatliche Wettbewerbsordnung – Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Ordoliberalismus (Freiburger Schule) . . . . . . . . . . . . . . 347 1. Wirtschaftliche Macht als Ausgangsproblem . . . . . . . . 348 2. Die ordoliberale Theorie der vollständigen Konkurrenz . . 351 3. Zum Werk Walter Euckens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 a) Begründung der Ordnungsökonomik . . . . . . . . . . 354 b) „Die Grundlagen der Nationalökonomie“ . . . . . . . . 355 aa) Wirklichkeitsbasierte Modellbildung . . . . . . . . 355 bb) Marktformen und wirtschaftliche Macht . . . . . . 356 cc) Ordnung der Wirtschaft durch eine Wirtschaftsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . 357 c) „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ . . . . . . . . . . . 358 aa) Ordnung individueller Freiheiten durch ein Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 bb) Schutz material-chancengleicher Wirtschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 cc) Begründer der Ordnungsökonomik . . . . . . . . . 361 dd) Prinzipien der Wettbewerbsordnung . . . . . . . . 362 ee) Als-ob-Wettbewerbsprinzip als Kontrollmaßstab . 363 d) Objektives oder subjektives Freiheitskonzept? . . . . . 364 4. Zum Werk Franz Böhms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 a) Unterscheidung zwischen dem frühen und dem späten Böhm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 b) „Wettbewerb und Monopolkampf“ . . . . . . . . . . . . 370 aa) Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 bb) Ambivalenz wirtschaftlicher Macht . . . . . . . . . 371 cc) Wettbewerbsschutz zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 c) Vorrang einer „Ordnung der Wirtschaft“ (1937) vor individuellen Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . . . 376 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 e) Schriften von 1945 bis 1950: zwischen Individualund Institutsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 f) Das rechtliche Konzept der „Privatrechtsgesellschaft“ als Ausdruck eines material-chancengleichen Freiheitsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 5. Institutionelles Verständnis des Wettbewerbs und Schutz

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material-chancengleicher Selbstbestimmung – am Beispiel subjektiver Anspruchsberechtigungen . . . . . . . . . . . . 388 6. Zur Begrifflichkeit: Paläoliberal – Neoliberal – Ordoliberal 393 II. Die Neue Institutionenökonomik als privatrechtskonforme Theorie zur Abwägung komplementärer Freiheitsbereiche? . 396 1. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 2. Modifizierung der Modellannahmen der Neoklassik . . . . 400 a) Realitätsnähere Beurteilung menschlichen Verhaltens . 400 b) Begrenzte Informationen und begrenzte Kapazitäten zur Informationsverarbeitung („bounded rationality“) . 401 c) Eigennutzentheorem: Nutzenbefriedigung statt Nutzenmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 3. Insbesondere: Das Problem opportunistischen Verhaltens von Vertragspartnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 4. Konsensbasierte Erklärung des Wettbewerbsrechts . . . . . 406 III. Die Verhaltensökonomik als Verfeinerung oder als Widerlegung der Neuen Institutionenökonomik? . . . . . . . 408 1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 2. Verhaltensanomalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 3. Bewertung der verschiedenen Verhaltensmodelle . . . . . . 412 E. Zwischenergebnis – Vorzugswürdigkeit eines modernen Ordoliberalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 II. Grundlinien des „more economic approach“ . . . . . . . . . . 422 1. Änderung des wettbewerbspolitischen Leitbilds . . . . . . 422 2. Leitlinien der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 a) Negative Auswirkungen auf den Markt als Beurteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 b) Verbraucherschaden als Tatbestandsmerkmal? . . . . . 428 c) Marktstruktur als Wettbewerbskriterium – zur Relevanz wirtschaftlicher Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 III. Systematisierung und Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433

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1. Unterscheidung zwischen anwendungsbezogener und normativer Sichtweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 2. Ermittlung einer Wettbewerbsbeschränkung durch Abwägung marktbezogener Freiheiten . . . . . . . . . . . . 435 a) Offenhaltung der Märkte und Schutz der materialchancengleichen Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . 435 b) Notwendigkeit eines wertenden Ausgleichs gegenläufiger Freiheitsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 438 c) Vorrang rechtlicher Wertungen . . . . . . . . . . . . . . 439 d) Ausgleich wirtschaftlicher Freiheitsrechte durch funktionsfähige Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 e) Zum Abwägungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen . 449 I. Sicherung gegenseitiger Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 1. Vorrang der individuellen Freiheit vor der allgemeinen Wohlfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 450 2. Bestätigung der drittschützenden Intention der Wettbewerbsregeln durch §  33 GWB . . . . . . . . . . . . . 454 II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 1. Wettbewerbsbeschränkung gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV . . 455 a) Zur Begrifflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 456 b) Unwertgehalt und Ausrichtung auf den Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 c) Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . 461 d) Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . 464 e) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . 466 2. Rechtfertigung einer Wettbewerbsbeschränkung gem. Art.  101 Abs.  3 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 3. Die „Courage-Rechtsprechung“ als „materiale Folgevertragskonstellation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 a) Indizien für ein materiales Freiheitsverständnis – die Entscheidung „Courage“ (Teil 1) . . . . . . . . . . . 475 b) Kein Nachweis eines Verbraucherschadens bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen . . . . . . . . 477 4. Rechtsprechung des BGH – die Entscheidung „ORWI“ (Teil 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 III. Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen . . . . . . . . . . . 479 1. Abgrenzung vom Verbot von Behinderungsmissbräuchen . 481 a) Das Verbot von Behinderungsmissbräuchen als

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abstrakter Gefährdungstatbestand zum Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 b) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 c) Zur Rechtsprechung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . 484 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 2. Zweck des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen: Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit der Marktgegenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486 3. Kontrollmaßstab: Hypothetischer Wettbewerbspreis . . . . 487 a) Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs . . . . . . . . . . . 487 b) Juristisches Kontrollkonzept zum Schutz vor unangemessener Ausbeutung . . . . . . . . . . . . . . . 488 c) Inhaltliche Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . 490 4. Methodenpluralität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 a) Vergleichsmarktmethode („Benchmarking“) . . . . . . 492 b) Kosten- und Gewinnkontrolle . . . . . . . . . . . . . . 493 c) Kumulative Anwendung der Methoden . . . . . . . . . 494 5. Wertungsgleichklang mit der regulierungsrechtlichen Entgeltkontrolle – zur Entbehrlichkeit eines Erheblichkeitszuschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 a) Vermeidung einer unzulässigen Preisregulierung? . . . 494 b) Übertragbarkeit der normativen Wertungen des Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 c) Vergleich mit dem Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . 496 d) Behebung rechtstatsächlicher Unsicherheiten („Unsicherheitsfaktor“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 IV. Wettbewerbstheoretische Einwände gegen eine kompetitive Ausbeutungskontrolle – am Beispiel des §  29 GWB . . . . . . 498 V. Das Wettbewerbsrecht zwischen Individual- und Institutsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 D. Der von den Wettbewerbsregeln geschützte Personenkreis . . . . . 502 I. Unterscheidung zwischen „primären“ und „sekundären“ subjektiven Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 II. Das subjektive Recht als elementarer Bestandteil einer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung . . . . . . . . . . 506 III. Zusammenhang zwischen objektiver Schutzebene und subjektiver Sanktionsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 IV. Rückschluss von der Sanktionsebene auf den objektiven Schutzbereich – §  33 GWB als Beispiel . . . . . . . . . . . . . . 512 V. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

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E. Zwischenergebnis – „Personalistischer Schutzzweck“ des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

Teil 6:  Technische, ökonomische und rechtliche Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 A. Technische Grundlagen der Netzindustrien . . . . . . . . . . . . . . 515 I. Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 II. Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 III. Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 B. Ökonomische Regulierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 II. Wettbewerbstheoretische Begründungsansätze . . . . . . . . . 522 1. Neoklassische Wohlfahrtsökonomie . . . . . . . . . . . . . 523 2. Workable Competition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 3. Systemtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 4. Chicago School of Economics . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 5. Ordoliberalismus und Ordnungsökonomik . . . . . . . . . 525 6. Neue Institutionenökonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 III. Insbesondere: Natürliche Monopole . . . . . . . . . . . . . . . 526 1. Größen- und Verbundvorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 2. Irreversibilität als Voraussetzung des natürlichen Monopols? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 3. Negative Wohlfahrtswirkungen eines natürlichen Monopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 4. Statische versus dynamische Effizienz . . . . . . . . . . . . 530 IV. Weitere Regulierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 1. Sonstige qualifizierte Marktzutrittsschranken . . . . . . . . 532 2. Vertikale Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 3. Externe Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 4. Netzwerkeffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 5. Opportunistisches Verhalten und Hold-up-Problematik . . 535 6. Asymmetrische Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 C. Normative Regulierungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 I. Sicherung des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 II. Sicherung der material-chancengleichen Selbstbestimmung . . 540 D. Auflösung von Zielkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 543

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E. Zwischenergebnis: Primat der Wettbewerbsförderung . . . . . . . . 545

Teil 7: Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 A. Stand der Marktöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 II. Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 III. Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 556 IV. Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung . . . . . . . . . . . . . . 569 I. Domestizierung von Marktmacht durch potenziellen Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 1. Theorie der Contestable Markets . . . . . . . . . . . . . . . 570 2. Bedeutung für die allgemeine Wettbewerbstheorie . . . . . 572 3. Bedeutung für die Regulierungstheorie – disaggregierte Regulierung der Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 573 II. Domestizierung von Marktmacht durch intermodalen Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 III. Formen der Wettbewerbsförderung auf Netzund Diensteebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 1. Netzwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 a) Infrastrukturwettbewerb der Netze . . . . . . . . . . . 575 b) Ausschreibungswettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . 576 2. Wettbewerb in Netzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 579 3. Beispiel: Die Ladder-of-Investment-Theorie des Telekommunikationsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 580 C. Grundlagen des Zugangskonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 I. Wettbewerbsförderung in wettbewerbsfähigen Marktstufen („Contestable Markets“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 II. Zum Begriff des Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 1. Zugang als Anspruch auf Netznutzung . . . . . . . . . . . 585 2. Anspruch auf physischen Netzanschluss . . . . . . . . . . . 587 III. Identifizierung und Regulierung unerlässlicher Infrastrukturen/Marktsegmente . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 1. „Disaggregierter Regulierungsansatz“ . . . . . . . . . . . . 587 2. Ermittlung der zu regulierenden Infrastrukturen/ Marktsegmente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 3. Symmetrische oder asymmetrische Regulierung . . . . . . 593

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4. Beseitigung der antikompetitiven Effekte unerlässlicher Infrastrukturen durch Regulierung . . . . . . . . . . . . . . 595 IV. Zu regulierende Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 1. Energie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 596 2. Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 3. Eisenbahnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599 V. Netzzugang durch zivilrechtlichen Vertrag . . . . . . . . . . . 603 1. Energiewirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603 2. Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 605 3. Eisenbahnregulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 606 D. Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 I. Regulierung als sektorspezifisches Wettbewerbsrecht . . . . . 608 II. Gemeinwohlorientierte Regulierungsinstrumente . . . . . . . 608 III. Wettbewerbsfördernde Regulierungsinstrumente . . . . . . . 611 1. Zugangsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 a) Zweck: Sicherung der material-chancengleichen Vertragsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 b) Zugangsverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 c) Schutz der Endkunden durch abstrakte Gefährdungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613 d) Einschränkungen des Zugangsanspruchs . . . . . . . . 614 e) Inhalt des Zugangsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 615 2. Entgeltregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 615 a) Kontrollmaßstäbe und Kontrollmethoden . . . . . . . . 616 b) Effiziente Kosten und angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . 618 c) Kostenkontrolle und preis- bzw. anreizbasierte Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 aa) Kostenregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623 bb) Anreizregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 cc) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 626 d) Zeitpunkt der Entgeltkontrolle . . . . . . . . . . . . . . 627 aa) Ex-ante- und Ex-post-Kontrolle . . . . . . . . . . . 628 bb) Kein Erheblichkeitszuschlag bei der Ex-post-Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 cc) Unterschiedliche Ausgestaltung der Regulierungsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 3. Entflechtungsregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 IV. Zivilrechtliche Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 1. Energiewirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 632 2. Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634

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3. Eisenbahnregulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 E. Zwischenergebnis – Multifunktionalität des Regulierungsrechts . . 636

Teil 8:  Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht . . . . . . . . . . . . 637 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 B. Theorien der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 1. Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 640 2. Modifizierte Subjektstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 3. Subjektions-/Subordinationstheorie . . . . . . . . . . . . . 642 4. Interessentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 C. Zur Einordnung des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 644 I. Schutz materialer Selbstbestimmung versus überindividuelle Gemeinwohlziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 II. Die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand als Beispiel . . 647 D. Zur Einordnung des Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 649 E. Unterscheidung zwischen materiellen Tatbeständen und Rechtsbehelfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 F. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht als Kollisionsregelung am Beispiel der „Flucht ins Gebührenrecht“

653

G. Zwischenergebnis – Wettbewerbsrecht und wettbewerbsfördernde Regulierung als Mischgesetze mit privatrechtlichem Kern . . . . . . 655

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbsund Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 656 B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen 658 I. „Public enforcement“ und „private enforcement“ . . . . . . . 658 II. Entwicklung des „private enforcement“ . . . . . . . . . . . . . 662 1. Das Kartellverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 662

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2. Marktmachtmissbrauch als gesetzliches Verbot . . . . . . . 663 3. Die Durchführungs-Verordnung (EG) Nr.  1/2003 . . . . . 663 a) System der Legalausnahme vom Kartellverbot . . . . . 664 b) Dezentrale Durchsetzung des Wettbewerbsrechts . . . 665 c) Vorrang des Unionsrechts bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . 666 4. Regelungsvorschläge der Kommission für eine Verstärkung des „private enforcement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 a) Ashurst-Studie aus dem Jahr 2004 . . . . . . . . . . . . . 667 b) Grünbuch der Kommission aus dem Jahr 2005 . . . . . 669 c) Weißbuch der Kommission aus dem Jahr 2008 . . . . . 669 d) Richtlinienvorschlag für wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen nebst Mitteilung und Arbeitsunterlage aus dem Jahr 2013 . . . . . . . . . 670 e) Empfehlung der Kommission zu Kollektivklagen aus dem Jahr 2013 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 673 5. Angleichung des deutschen an das europäische Wettbewerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 674 III. Rechtsprechung des EuGH zum „private enforcement“ . . . . 676 1. Die Entscheidung „Courage“ (Teil 2) . . . . . . . . . . . . . 676 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 676 b) Berechtigung zur Geltendmachung der Vertragsnichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 677 c) Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz 679 d) „passing-on defense“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 680 e) Individualschutz durch Prävention? . . . . . . . . . . . 682 f) Private Durchsetzung des Regulierungsrechts . . . . . . 683 2. Die Entscheidung „Manfredi“ (Teil 1) . . . . . . . . . . . . 684 a) Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 684 b) Wettbewerbsrecht als Bestandteil der öffentlichen Ordnung der Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 c) Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz 685 d) Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender (Folge-)Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 687 e) Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . 691 3. Die Entscheidung „T-Mobile-Netherlands“ . . . . . . . . . 692 4. Die Entscheidung „Otis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 693 IV. Zielkonflikte zwischen „private enforcement“ und „public enforcement“ – am Beispiel der Akteneinsicht in Kronzeugenunterlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 696 2. „Public enforcement“ durch Geldbußen . . . . . . . . . . . 697

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V.

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a) Zwecke von Geldbußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 698 b) Reduzierung/Erlass von Geldbußen bei Kronzeugen . . 700 3. Einsicht in Kronzeugenunterlagen der nationalen Kartellbehörden – die Entscheidungen „Pfleiderer“ und „Donau Chemie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 702 a) Die Entscheidung „Pfleiderer“ . . . . . . . . . . . . . . 702 b) Folgeentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 706 c) Die Entscheidung „Donau Chemie“ . . . . . . . . . . . 708 4. Einsicht in Unterlagen der Kommission . . . . . . . . . . . 710 a) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710 b) Entscheidung des EuG „CDC Hydrogen Peroxide“ . . 713 c) Entscheidung des EuG „EnBW“ . . . . . . . . . . . . . 715 5. Primat des „private enforcement“ . . . . . . . . . . . . . . . 718 6. Dogmatische Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 721 a) Verhängung von „multiple damages“ . . . . . . . . . . . 721 b) Gesamtschuldnerinnenausgleich . . . . . . . . . . . . . 723 Sicherung der materialen Selbstbestimmung durch „public enforcement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 725

C. Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als deliktsrechtliche Schutzgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 727 I. Ermittlung des Schutzzwecks wettbewerbsrechtlicher Vorschriften als „Problem interdisziplinärer Wissenschaft“ . . 728 II. Vorschriften des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 730 1. Meinungsstand vor der 7. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . 730 a) Restriktive Interpretation des Schutzgesetzerfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 730 b) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen . . . . . . 733 c) Missbrauch von Marktmacht . . . . . . . . . . . . . . . 735 d) Besondere Missbrauchstatbestände . . . . . . . . . . . . 736 2. Aktuelle Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 a) „Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht“ gem. §  33 GWB 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 737 b) Die ORWI-Entscheidung des BGH (Teil 2) . . . . . . . 737 aa) Reichweite des „Betroffenheitsmerkmals“ . . . . . 737 bb) Klagebefugnis mittelbar Kartellbetroffener . . . . 738 cc) Klagebefugnis und „passing-on defense“ . . . . . . 739 dd) Das Betroffenheitskriterium als Konkretisierung des Schutzgesetzerfordernisses . . . . . . . . . . . 742 c) §  33 GWB als subjektiv-rechtliche Entsprechung des Tatbestands wettbewerbsschützender Normen . . . . . 744 III. Vorschriften des Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . 744

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1. Energiewirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 745 2. Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 3. Eisenbahnregulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 746 IV. Folgevertragspartner als deliktsrechtlich „Betroffene“ . . . . . 748 1. Anspruchsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 748 2. Wechselwirkungen zwischen Delikts- und Vertragshaftung 749 3. Kein allgemeiner Anspruch auf Vertragsauflösung . . . . . 751 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 I. Die Folgevertragsdiskussion als Ausdruck eines veralteten Vertragsverständnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 752 II. Unterschiede zwischen einer vertragsrechtlichen und einer deliktsrechtlichen Anpassungslösung . . . . . . . . . . . . . . 755 III. Idealkonkurrenz zwischen deliktischen und vertraglichen Rechtsbehelfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 756 IV. Rechtslage und Meinungsspektrum zum Wettbewerbsrecht . 760 1. Tatbestände gegen Marktmachtmissbräuche . . . . . . . . . 760 a) Unionsrechtliches Missbrauchsverbot gem. Art.  102 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 760 b) Deutsche Missbrauchsverbote gem. den §§  19, 29 GWB 762 2. Tatbestände gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 a) Unionsrechtliches Kartellverbot gem. Art.  101 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . 763 bb) Deutsches Kartellverbot gem. den §§  1, 2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 765 V. Inhaltskontrolle von Kartell-Folgeverträgen nach Unionsrecht 767 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 767 2. Erstreckung der Verbotswirkung auf Folgeverträge – die Entscheidung „Manfredi“ (Teil 2) . . . . . . . . . . . . . 768 VI. Inhaltskontrolle von Kartell-Folgeverträgen nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 773 1. Unionsrechtskonforme Interpretation . . . . . . . . . . . . 773 2. Missbilligung von Folgeverträgen gem. §  134 BGB . . . . . 773 a) Voraussetzungen eines Verbotsgesetzes . . . . . . . . . 773 b) Verbot von Folgeverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 775 aa) Reichweite des Tatbestands gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen . . . . . . . . . . . 775 bb) Die Courage-Rechtsprechung des EuGH . . . . . . 776 cc) Nichtigkeit der Folgeverträge als Spiegelbild der deliktischen Anspruchsberechtigung . . . . . . 777

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dd) Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 777 c) Bestätigung des Verbots antikompetitiver Folgeverträge durch Straf- und Bußgeldtatbestände . . . . . . . . . . . 779 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 782 VII. Rechtsfolgen wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge . . . 782 1. Normzweckvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 783 2. Teilnichtigkeit der Folgeverträge als Regelfall . . . . . . . . 786 a) Relevante Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 786 b) Interessen der Folgevertragspartner . . . . . . . . . . . . 787 c) Einwände gegen eine Teilnichtigkeitslösung . . . . . . . 788 aa) Fehlende Praktikabilität? . . . . . . . . . . . . . . . 788 bb) Unzureichende Abschreckung? . . . . . . . . . . . 788 cc) Unzumutbare Beeinträchtigung der Rechtssicherheit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 789 3. „Absolute“ Teilnichtigkeit und „relative“ Anfechtbarkeit . 789 4. Geltungserhaltende Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 790 VIII. Tatbestände des Regulierungsrechts als Verbotsgesetze . . . . 793 1. Energiewirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 793 a) Ex-ante-Regulierung von Netzzugang und Netzentgelten gem. den §§  17 ff., 20 ff. EnWG . . . . . . 793 b) Ex-post-Missbrauchsverbot gem. §  30 EnWG . . . . . . 795 2. Telekommunikationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 797 a) Ex-ante-Entgeltregulierung gem. den §§  31 ff. TKG . . . 797 b) Ex-post-Missbrauchsverbote gem. den §§  28, 42 TKG . 799 aa) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 799 bb) Allgemeines Missbrauchsverbot des §  42 TKG . . . 800 cc) Besonderes Missbrauchsverbot des §  28 TKG . . . 801 3. Eisenbahnregulierungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 802 IX. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 803 E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe . . . 804 I. Kumulation vertraglicher und deliktischer Ansprüche . . . . . 804 II. Innenausgleich zwischen den Anspruchsberechtigten verschiedener Marktstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 806 III. Einwände gegen eine Gesamtgläubigerschaft . . . . . . . . . . 808

XXXII

Inhaltsverzeichnis

Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation zivilistischer Preiskontrollvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . 811 A. Von der Kapitulation gegenüber wirtschaftlicher Macht zu einem kompetitiven Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 I. Die „Leiden des Privatrechts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 811 II. Harmonisierende Interpretation des Wettbewerbsund Regulierungsrechts mit dem Vertragsrecht . . . . . . . . . 815 B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen . . . 816 I. Verweis auf Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 816 II. Schutz des wirtschaftlichen ordre public als Ausprägung der guten Sitten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 818 III. Tatbestand des Verbots sittenwidriger Rechtsgeschäfte . . . . 821 IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 822 C. Kontrolle einseitiger Gestaltungsmacht gem. §  315 Abs.  3 BGB am Beispiel von Energiepreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 823 I. Billigkeitskontrolle von Energiepreisen . . . . . . . . . . . . . 824 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 824 2. Preiskontrolle direkt/analog §  315 Abs.  3 BGB . . . . . . . 825 3. AGB-Kontrolle von Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 826 II. Gleichklang der Kontrollmaßstäbe und -methoden . . . . . . 827 1. Monopolpreiskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 827 2. Kontrolle rechtlicher Bestimmungsmacht . . . . . . . . . . 828 3. Keine Unterscheidung zwischen Anfangspreis und Preiserhöhungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 829 4. Kontrollmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830 5. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . 830

Teil 11:  Wesentliche Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 832 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 841 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 929

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABl. Amtsblatt ABl.EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ABl.EU Amtsblatt der Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für civilistische Praxis am Ende a. E. Änd. Änderung Gesetz zur Änderung ÄndG AEG Allgemeines Eisenbahngesetz AER The American Economic Review (Zeitschrift) AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 9.5.2008 (ABl.EU Nr. C 115/47) alte Fassung a. F. AfP Archiv für Presserecht (Zeitschrift) Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift); AG Amtsgericht allgemeine Geschäftsbedingungen (Allgemeine GeschäftsAGB bedingungen) AGG Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz ALJ (Antitrust L. J) Antitrust Law Journal (American Bar Association) Anm. Anmerkung Annu. Rev. Psychol. Annual Review of Psychology (Zeitschrift) AöR Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) AP Arbeitsrechtliche Praxis, Nachschlagewerk des Bundes­ arbeitsgerichts APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte (Zeitschrift) ARegV Verordnung über die Anreizregulierung der Energieversorgungsnetze (Anreizregulierungsverordnung) ARSP Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BAG Bundesarbeitsgericht BB Betriebsberater (Zeitschrift) BBahnG Bundesbahngesetz

XXXIV

Abkürzungsverzeichnis

BBiG Berufsbildungsgesetz Bd.  Band BDI Bundesverband der deutschen Industrie e. V. Rechtsprechungssammlung in Beck Online (RechtspreBeckEuRS chung des EuGH, EuG und EuGöD) BeckOK-BGB Beck’scher Online Kommentar BGB, hrsg. v. Bamberger, Roth, Std. 1.8.2013 BeckOK-VwGO Beck’scher Online-Kommentar VwGO, hrsg. v. Posser, Wolff, Std. 1.1.2013 Rechtsprechungssammlung in Beck-Online (Jahr und BeckRS Nummer) Beck’scher TKG- Beck’scher TKG-Kommentar, Telekommunikationsgesetz   Kommentar hrsg. von Geppert, Schütz, 4. Aufl. 2013 Beih Beiheft Bekl. Beklagter BerG Berufungsgericht BerlKommEnR Berliner Kommentar zum Energierecht, herausgegeben von Säcker Berliner Kommentar zum Telekommunikationsgesetz, BerlKommTKG 2.  Aufl. 2009, herausgegeben von Säcker (in der 3.  Aufl.: Säcker, TKG) Beschl. Beschluss BEVVG Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes BGB Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2.1.2002 (BGBl. I S.  42, berichtigt S.  2909; 2003 I S.  738) BGB-AT Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bundesgesetzblatt Teil 1 und Teil 2 BGBl. I, II BGH Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BGHZ BJ Bell Journal of Economics and Management Science BKartA Bundeskartellamt Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika­ BNetzA tion, Post und Eisenbahnen BR-Drucks. Deutscher Bundesrat Drucksachen BT Besonderer Teil; Bundestag BT-Drucks. Deutscher Bundestag Drucksachen Bundesnetzagentur Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunika­ tion, Post und Eisenbahnen BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE bzw. beziehungsweise B2C Business to Consumer Cal. L. Rev. California Law Review (Zeitschrift) CCZ Corporate Compliance Zeitschrift (Zeitschrift zur Haftungsvermeidung im Unternehmen)

Abkürzungsverzeichnis

XXXV

Chapt. Chapter CJ of Econ. Canadian Journal of Economics CMLR Common Market Law Review (Zeitschrift) Cognitive Psychology (Zeitschrift) Cogn. Psychol. Columbia L. Rev The Columbia Law Review (Zeitschrift) Columb. Bus. L. Rev The Columbia Business Law Review (Zeitschrift) Europäische Kommission (EU-Kommission) COM CPI Competition Policy International DB Der Betrieb (Zeitschrift); Deutsche Bahn Deutsche Bahn AG DB AG DCESL Draft Common European Sales Law DCFR Draft Common Frame of Reference, Outline Edition, 2009 ders. derselbe Dez. Dezember DG Directorate General (Generaldirektion; GD) d. h. das heißt Die Justiz Zeitschrift; Amtsblatt des Justizministeriums BadenWürttemberg dieselben dies. Deutscher Juristentag DJT DNotZ Deutsche Notar-Zeitung (Zeitschrift) DÖV Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) DStR Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) DStR-Beih Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Beiheft DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) DZWiR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Zeitschrift) E Entwurf EAGCP Economic Advisory Group on Competition Policy European Competition Law Review (Zeitschrift) ECLR ECN European Competition Network Econ. J. The Review of Economic Studies; Economic Journal erneuerbare Energien EE EE-Strom Strom aus erneuerbaren Energien EEG Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuer­ bare-Energien-Gesetz) EEG 2012 Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuer­ bare-Energien-Gesetz) i.d.F vom 17.8.2012 EG Europäische Gemeinschaft; Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften (EG-Vertrag) i. d. F. vom 2.10.1997 (Abl.EG Nr. C 340/1) EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl; Vertrag EGKS über die EGKS EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft EIBV Verordnung über den diskriminierungsfreien Zugang zur Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahn­

XXXVI

Abkürzungsverzeichnis

infrastruktur (Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung) Einl. Einleitung Economic Journal EJ ELJ European Law Journal ebd. ebenda endg. endgültig engl. englisch(es) Entsch. Entscheidung Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (EnergieEnWG wirtschaftsgesetz) EnWZ Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft Erg. Ergänzung ERG European Regulators Group Ergl. Ergänzungslieferung Erman/Bearbeiter Erman, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. von H. P. Westermann, Grunewald, Meier-Reimer ERPL European Review of Private Law (Zeitschrift) ET Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift) et cetera (und so weiter) etc. EU Europäische Union EuG Europäisches Gericht Erster Instanz EuGH Gerichtshof der Europäischen Union EuR Europarecht (Zeitschrift) EuR-Bei Europarecht (Zeitschrift) Beiheft EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWeRK Institut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG Vertrag zur Gründung der Europäischen WirtschaftsgeEWGV meinschaft vom 25.3.1957 (BGBl. II S.  766) EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) und die folgende Dokumentenseite f. FA Finanzarchiv ff. und die folgenden Dokumentenseiten FIW Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e. V., Köln FIW-Schriftenreihe Schriftenreihe des Forschungsinstituts für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e. V., Köln FK Jaeger/Pohlmann/Rieger/Schroeder (Hrsg.), Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, Loseblatt, 78. Lieferung Juni 2013 Verordnung (EG) Nr.  139/2004 des Rates vom 20. Januar FKVO 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“) ABl.EU Nr. L 24/1 v. 29.1.2004 FN-EU Frankfurter Newsletter zum Recht der Europäischen Union FS Festschrift

Abkürzungsverzeichnis

XXXVII

FTTH Fibre To The Home G. Gesetz GA Generalanwalt beim Gerichtshof der Europäischen Union Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die GrundGasGVV versorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Gas aus dem Niederdrucknetz (Gasgrundversorgungsverordnung) GasNEV Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Gasversorgungsnetzen (Gasnetzentgeltverordnung) Verordnung über den Zugang zu Gasversorgungsnetzen GasNZV (Gasnetzzugangsverordnung ) GEMA Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte GewArch Das Gewerbearchiv (Zeitschrift) GewO Gewerbeordnung GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbH GMH Gewerkschaftliche Monatshefte (1950 bis 2004) (Zeitschrift) Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes GmS-OGB GRC Charta der Grundrechte der Europäischen Union grds. grundsätzlich GroßKommUWG Großkommentar zum UWG GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Zeitschrift) GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil (Zeitschrift) GRUR-Prax Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht – Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht GS Gedächtnisschrift GVG Gerichtsverfassungsgesetz GVO Gruppenfreistellungsverordnung GVV Verordnung über die Grundversorgung (mit Strom oder Gas) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWB GWB-E Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) h. A. herrschende Ansicht Harv. J. L. & Publ. Pol. Harvard Journal of Law and Public Policy Hb. Halbband HdbVerfR Handbuch des Verfassungsrechts HFR Humboldt Forum Recht (Internet-Zeitschrift) HJB Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschafts­ politik Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben Hs. Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts Hum. Percep. Perf. Human Perception and Performance

XXXVIII i. d. i. d. F. i. E. ifo

Abkürzungsverzeichnis

in der in der Fassung im Erscheinen; im Ergebnis ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. Ind. L. J. Indiana Law Journal insbesondere insb. IR InfrastrukturRecht – Energie, Verkehr, Abfall, Wasser (Zeitschrift) im Sinne i. S. i. S. d. im Sinne des i. V. in Verbindung JBl. Juristische Blätter (österreichische Zeitschrift) JBNSt. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik (Journal of Economics and Statistics) Jahrbuch für Rechtssoziologie und Rechtstheorie JbRSoz J. Econ. Behav. & Org. Journal of Economic Behavior and Organization Journal of Economic Literature J. Econ. Lit J. Econ. Persp. Journal of Economic Perspectives Journal of Experimental Psychology J. Exp. Psychol. JfS Jahrbuch für Sozialwissenschaft JITE Journal of Institutional and Theoretical Economics JJZ Jahrbuch junger Zivilrechtswissenschaftler J. L. Econ. Journal of Law & Economics J. L. Econ. & Org. Journal of Law, Economics, and Organization JMCB Journal of Money, Credit and Banking J. Market. Journal of Marketing Jahrbuch für Neue Politische Ökonomie JNPÖ JPE Journal of Political Economy Yale Journal on Regulation JREG JRP Journal für Rechtspolitik JRSS Journal of Royal Statistical Society Jahrbuch für Sozialwissenschaften JSW Jura (JURA) Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juris Juristische Datenbank Juris JurisPR Juristische Datenbank Juris - Praxisreport JurisPR-HaGesR Juristische Datenbank Juris – Praxisreport Handelsund Gesellschaftsrecht JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) JZ Juristenzeitung (Zeitschrift) Kap. Kapitel KartellVO Verordnung gegen den Missbrauch privater Machtstellungen vom 2.11.1923 KartG Kartellgesetz (Österreich) KeL Kosten effizienter Leistungsbereitstellung KG Kammergericht; Kommanditgesellschaft KJ Kritische Justiz (Zeitschrift) KKOWiG Karlsruher Kommentar zum OWiG

Abkürzungsverzeichnis

Kl. KOM KommJur krit. KritV

XXXIX

Kläger Europäische Kommission (EU-Kommission) Der Kommunaljurist (Zeitschrift) kritisch Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft (Zeitschrift) K&R Kommunikation und Recht (Zeitschrift) lit. litera (Buchstabe) LG Landgericht Lindenmaier-Möhring Kommentierte BGH-Recht­ LM sprechung LMK Lindenmaier-Möhring Kommentierte BGH-Recht­ sprechung (beck Fachdienst Zivilrecht – LMK) LS Leitsatz Law & Society Review (Zeitschrift) LSR Ltd. Limited Company m. E. meines Erachtens Mich. L. Rev. The Michigan Law Review (Zeitschrift) MMR MultiMedia und Recht (Zeitschrift) MünchArbR Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, hrsg. v. Wlotzke, Richardi, Wißmann, Oetker, 3.  Aufl. 2009 MünchKommBGB Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, hrsg. v. Säcker, Rixecker, Oetker, 11. Bände, 6.  Aufl. 2012 und 2013 MünchKommEUWettbR Münchner Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), hrsg. von Hirsch, Montag, Säcker, Band 1, 2007 MünchKommGWB Münchner Kommentar Europäisches und Deutsches Wettbewerbsrecht (Kartellrecht), hrsg. von Hirsch, Montag, Säcker, Band 2, 2008 MünchKommVVG Münchener Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, hrsg. v. Langheid, Wandt, 3 Bände, 2010 Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, hrsg. v. MünchKommZPO Rauscher, Wax, Wenzel, 3 Bände, 4. Aufl. 2012 m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report, Zivilrecht (Zeitschrift) No. Number Nr. Nummer Netzwirtschaften und Recht (Zeitschrift) N&R NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ NVwZ-RR Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht (Zeitschrift) NWVBl Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) NZA Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (seit 1992: Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht) NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht

XL

Abkürzungsverzeichnis

NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht NZS Neue Zeitschrift für Sozialrecht Neue Züricher Zeitung NZZ o. ä. oder ähnlich OK Online-Kommentar OLG Oberlandesgericht ORDO Jahrbuch für die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Orientierungen Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik Orig. Original OVG Oberverwaltungsgericht OWiG Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches Psychological Bulletin (Zeitschrift) Psychol. Bul. Qual Quant Quality & Quantity – International Journal of Methodology Quart. J. Econ The Quarterly Journal of Economics RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RBerG Rechtsberatungsgesetz RdA Recht der Arbeit (Zeitschrift) RdE Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift) RefE Referentenentwurf Rev. Econ. Stud The Review of Economic Studies (Zeitschrift) Rev. Ind. Org. The Review of Industrial Organization (Zeitschrift) RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGRK Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, hrsg. von Mitgliedern des Bundesgerichtshofes, 12.  Aufl. 1974–2000 RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RhPfVerfGH Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) RIW RJE Rand Journal of Economics RL Richtlinie Rn. Randnummer Rom-II VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht S. Seite SchiedsVZ Neue Zeitschrift für Schiedsverfahren Schmollers Jahrbuch Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft Schulze Bürgerliches Gesetzbuch, Handkommentar, 7. Auflage 2012, hrsg. v. Schulze, Dörner, Ebert, Hoeren, Kemper, Saenger, Schreiber, Schulte-Nölke, Staudinger Sec. Section SIEC Significant Impediment to Effective Competition

Abkürzungsverzeichnis

SJZ Slg. SMP sog. Stan. L. Rev. Staudinger

XLI

Süddeutsche Juristenzeitung Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Significant Market Power sogenannt The Stanford Law Review (Zeitschrift) J. von Staudinger – Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen Std. Stand StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StromGVV Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Grundversorgung von Haushaltskunden und die Ersatzversorgung mit Elektrizität aus dem Niederspannungsnetz (Stromgrundversorgungsverordnung) StromNEV Verordnung über die Entgelte für den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzentgeltverordnung) StromNZV Verordnung über den Zugang zu Elektrizitätsversorgungsnetzen (Stromnetzzugangsverordnung) Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik SZVS TAL Teilnehmeranschlussleitung TB Teilband; Tätigkeitsbericht TK Telekommunikation(s) TKG Telekommunikationsgesetz i.d.F vom 3.5.2012 TKMR TeleKommunikations- und MedienRecht (Zeitschrift) TKV Telekommunikations-Kundenschutzverordnung Transparenz-VO Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30. 5. 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission und andere; unter anderem u. a. Uabs. Unterabsatz Univ. of Pennsylvania University of Pennsylvania Law Review (Zeitschrift)   L. Rev. Urt. Urteil US/USA United States of America u. U. unter Umständen UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. vom Vahlens Kompendium Vahlens Kompendium der Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik Var. Variante Verf. Verfasser Vergaberecht (Zeitschrift für das gesamte Vergaberecht) VergabeR Vertikal-GVO Verordnung (EU) Nr.  330/2010 der Kommission vom 20. 4. 2010 über die Anwendung von Artikel 101 Absatz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und abgestimmten Verhaltensweisen, ABl.EG 2010 L 102/1

XLII Vertikal-GVO 1999

Abkürzungsverzeichnis

Verordnung (EG) Nr.  2790/1999 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen VerwArch Das Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) VG Verwaltungsgericht vergleiche vgl. VO (Rechts-)Verordnung VO Nr.  1/2003 Verordnung des Rates zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln vom 16.12.2002 (ABl.EG Nr. L 1/1 v. 4.1.2003), zuletzt geändert durch VO v. 25.9.2006 (ABl.EG Nr. L 269/1) Vor./Vorbem. Vorbemerkungen VuR Verbraucher und Recht (Zeitschrift) VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Weltwirtschaftliches Archiv (Zeitschrift) WA WBl. Wirtschaftsrechtliche Blätter (österreichische Zeitschrift) WD Wirtschaftsdienst (Zeitschrift) WiB Wirtschaftsrechtliche Beratung (Zeitschrift) WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht WiStrG Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) WiVerw Gewerbearchiv Themenheft Wirtschaft und Verwaltung (Zeitschrift) Wertpapiermitteilungen (Zeitschrift) WM wobl wohnrechtliche blätter (österreichische Zeitschrift) WpHG Gesetz über den Wertpapierhandel (Wertpapierhandels­ gesetz) WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WuM Wohnungswirtschaft und Mietrecht (Zeitschrift) WuW Wirtschaft und Wettbewerb (Zeitschrift) WuW BGH WuW Entscheidungssammlung Bundesgerichtshof WuW/E WuW-Entscheidungssammlung zum Kartellrecht WuW/E DE-R WuW Entscheidungssammlung Deutschland Rechtsprechung WuW/E EU-R WuW Entscheidungssammlung Europäische Union Rechtsprechung WuW Entscheidungssammlung Oberlandesgerichte WuW/E OLG WuW/E KRInt WuW Entscheidungssammlung Kartellrecht International Yale Rev. The Yale Review (Zeitschrift) ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZEV Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge ZfA Zeitschrift für Arbeitsrecht

Abkürzungsverzeichnis

ZfBR

XLIII

Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht ZfE Zeitschrift für Energiewirtschaft Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und ZfVSV Verwaltung ZfW Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik zfwu ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZGS Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZHR Ziff. Ziffer ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZNER Zeitschrift für Neues Energierecht ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZS Zivilsenat Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte ZSR-GA (Germanistische Abteilung) zum Teil z. T. ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht ZUM-RD Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht – Rechtsprechungsdienst zust. zustimmend ZVglRWiss. Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft ZVP Zeitschrift für Verbraucherpolitik ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht

Aufgabenstellung Diese Untersuchung behandelt das Zusammenspiel des marktbezogenen Vertragsrechts mit dem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen1 und dem sektorspezifischen Regulierungsrecht 2 am Beispiel der Inhaltskontrolle von Folgeverträgen. Als Folgeverträge wollen wir – zunächst im Sinne einer Arbeitshypothese – solche Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Personen der Marktgegenseite ansehen, deren Inhalt durch einen Verstoß gegen die Vorschriften des Wettbewerbs- oder Regulierungsrechts beeinträchtigt worden ist.3 Das Verhältnis zwischen „Gesetzesverstoß und Vertrag“4 stellt einen zentralen Problemkreis der privaten Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts durch Individualgeschädigte („private enforcement“) dar.5 Im Fokus der Diskussion über die dogmatischen Grundlagen und die konkrete Reichweite einer Klagebefugnis Privater standen bislang deliktsrechtliche Fragestellungen. Kontrovers erörtert wurde etwa die Anspruchsberechtigung mittelbar von einem Wettbewerbsverstoß betroffener Personen, die damit zusammenhängende Zulässigkeit eines Schadensabwälzungseinwands des Wettbewerbsverletzers 1  „Kartellrecht“;

im Folgenden mit dem unionsrechtlichen Sprachgebrauch auch benannt als „Wettbewerbsrecht“. Unter einem „Kartell“ wird gemeinhin eine spezifische Erscheinungsform von Wettbewerbsbeschränkungen verstanden, namentlich wettbewerbsbeschränkende Hardcore-Vereinbarungen im Horizontalverhältnis (Grützner/Jakob, Compliance, Stichwort: Kartell). Das Wettbewerbsrecht („Kartellrecht“) ist wiederum vom Recht der marktbezogenen Lauterkeit („Lauterkeitsrecht“) zu unterscheiden; dazu Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig/Glöckner, Vorbem. Rn.  1 ff. Hardcore-Kartelle werden auch als „klassische“ oder „geheime“ Kartelle benannt; hierzu zählen etwa Preisabsprachen, Quotenabsprachen sowie Kunden- und Gebietsabsprachen; vgl. Engelsing, ZWeR 2006, 179, 184. 2 Genauer: die Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und (Bundes-)Eisenbahnen. 3  Folgeverträge sind somit sowohl von den (Kartell-)Verträgen im engeren Sinne abzugrenzen, die den Wettbewerbsverstoß selbst zum Inhalt haben, als auch von sog. Ausführungsverträgen. Siehe dazu Teil 1 B. VII. 4  Vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  1: §  134 BGB gebe „den vom BGB zugrunde gelegten Prinzipien über das Verhältnis zwischen gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher Regelung Ausdruck.“ Siehe auch den Titel der Arbeit von Paul aus dem Jahr 2010: Gesetzesverstoß und Vertrag. 5  „Private enforcement“ bezeichnet allgemein die private Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher oder privatautonom eingegangener Verpflichtungen; vgl. Bachmann, Private Ordnung, S.  2. Als Schlagwort des Jahrzehnts wurde das „private enforcement“ des Wettbewerbsrechts bezeichnet von K. Schmidt, ZWeR 2007, 394, 397.

2

Aufgabenstellung

(„passing-on defense“), 6 sowie auf dogmatisch vorgelagerter Ebene das allgemeine Verhältnis zwischen der privaten Kartellrechtsdurchsetzung und der Rechtsdurchsetzung durch Behörden („public enforcement“), wie es im Wettbewerbsrecht aktuell für das Akteneinsichtsrecht in sog. Kronzeugenanträge in Rede steht.7 Demgegenüber wurden die Beiträge, die ein wettbewerbliches, d. h. „kompetitives Vertragsrecht“8 zur Effektuierung des „private enforcement“ leisten kann, bis dato nicht ausreichend gewürdigt,9 obwohl die Teilnichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Verträge deutliche Parallelen zur deliktischen Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer aufweist.10 Quasi spiegelbildlich steht die Rechtswissenschaft den wettbewerbsrechtlichen Grundlagen des Privatrechts, insbesondere den daraus abzuleitenden dogmatischen Folgerungen, distanziert gegenüber,11 wohl auch, weil sich die Entwicklung des Wettbewerbsrechts in Deutschland weitgehend außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuchs vollzogen hat, und nicht wie etwa im „Common Law“ durch eine Anpassung von Generalklauseln an die Erfordernisse einer für alle Bürger freien und chancengleichen Wettbewerbswirtschaft im Sinne des §  2 Abs.  2 Nr.  2 Satz 1 TKG.12 Die vorliegende Untersuchung will diese Lücke am Beispiel der Inhaltskontrolle von Verträgen zwischen Wettbewerbsverletzern und Drittbetroffenen der nachfolgenden Markstufe mit antikompetitiv überhöhten Preisen schließen. Die zivilistische Dogmatik tut sich schwer, das Äquivalenzverhältnis formalprivatautonom vereinbarter Hauptleistungspflichten auf seine inhaltliche Angemessenheit hin zu überprüfen, auch wenn ein praktisches Bedürfnis hieran seit Langem anerkannt ist, wie die Inhaltskontrolle von Kreditverträgen nach 6  Die Zulässigkeit einer „passing-on defense“ wird als zentrales Problem eines effektiven „private enforcement“ angesehen; vgl. Bulst, ZWeR 2012, 70, 71; Baudenbacher/Basedow, Entwicklungen im Kartellrecht, 353, 366; siehe auch bereits Flume, WuW 1956, 457, 464. In der rechtsökonomischen Literatur wird als „passing-on“ allgemein ein Verhalten bezeichnet, bei dem eine Person (etwa der Verkäufer) bestimmte Kostenpositionen (etwa die Kosten der Nacherfüllung einer mangelhaften Kaufsache) an eine andere Person weitergibt (indem sie etwa die Kosten einer möglichen Mängelhaftung in den Kaufpreis einkalkuliert); vgl. dazu Craswell, Stan. L. Rev. 43 (1991), 361; Bechtold, Zwingendes Vertragsrecht, S.  45; Fornasier, Freier Markt, S.  140 ff. 7  Vgl. EuGH v. 6.6.2013 – C-536/11, EuZW 2013, 586 – Donau Chemie. 8  Begriff nach MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  32; ders., JJZ 2013, S.  9, 20. Den Begriff verwendet ebenfalls Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT 2012, S. A 58. Siehe auch Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn.  1764. Zur Diskussion im 19. Jahrhundert vgl. Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, S.  13 ff. und öfter. 9  Die Problematik auf den Punkt bringt der Titel eines Beitrages von K. Schmidt in AcP 206 (2006), 169 ff.: „Wirtschaftsrecht: Nagelprobe des Zivilrechts – Das Kartellrecht als Beispiel“. 10 Vgl. zum Wettbewerbsrecht die Monopolkommission, Sondergutachten 41, S.   37 ff.; Fuchs, WRP 2005, 1384, 1394; Leib, Kartellrechtliche Durchsetzungsstrategien, S.  19. 11 Siehe Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  30, 115 ff. 12 Hinweis bei Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 388 m. w. N.; siehe auch Neumann/ Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  93.

Aufgabenstellung

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§  138 Abs.  1 BGB zeigt.13 Der BGH geht grundsätzlich erst dann von einem rechtlich relevanten „auffälligen“ Missverhältnis aus, wenn die eine Leistung nur die Hälfte wert ist als die andere, bzw. die empfangene Leistung den Wert der eigenen Leistung um 100 % übersteigt.14 Das gilt auch dann, wenn eine der Vertragsparteien ein wirtschaftliches Übergewicht hat. Dass das Privatrecht – ebenso wie ein öffentliches Wirtschaftsrecht – nicht ohne die Wertungen des Wettbewerbs- und in besonders vermachteten Sektoren auch des Regulierungsrechts auskommt, zeigt sich jedoch an dem Umstand, dass die vom BGH als Vergleichsbasis herangezogenen Marktpreise nicht nur die Folge eines wirksamen Wettbewerbs sein können, sondern auch das genaue Gegenteil desselben, also das Ergebnis einer Wettbewerbsbeschränkung. Sind sich etwa alle Anbieter eines Gutes infolge einer Kartellvereinbarung einig, einen bestimmten Preis nicht zu unterschreiten, oder hat ein Unternehmen am Markt eine derart starke Stellung, dass es sich de facto unabhängig von seinen Wettbewerbern verhalten und deshalb antikompetitiv überhöhte Preise verlangen kann, kann der tatsächliche Marktpreis nicht zur Bestimmung der Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung herangezogen werden.15 Relevanter Maßstab kann vielmehr nur ein Preis sein, wie er bei hypothetisch wirksamem Wettbewerb verlangt werden könnte. Ein Meilenstein für die Harmonisierung der Wertungen des Vertrags- und des Wettbewerbsrechts16 war die Ausgestaltung des Tatbestands gegen Marktmachtmissbräuche in §  19 GWB durch die 6. GWB-Novelle als gesetzliches Verbot; denn dies geschah in Kenntnis der jahrzehntealten Diskussion über die Zulässigkeit und Grenzen einer materiellen Äquivalenzkontrolle im Privatrecht.17 Im Rahmen der 7. GWB-Novelle des Jahres 2005 hat der Gesetzgeber sodann die bis dato geltende Unterscheidung zwischen einer horizontal und einer vertikal wettbewerbsbeschränkenden Zusammenarbeit aufgehoben.18 13  Diese Rechtsprechung wurde durch Einführung der Regelungen über Verbraucherkredite (Verbraucherkreditgesetz von 1990, seit 2002 die §§  491 ff. BGB) nicht obsolet; vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  118. 14  Vgl. BGH v. 12.3.1981 – III ZR 92/79, NJW 1981, 1206. 15  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 14 ff.; Mankowski/Schreier, AcP 208 (2008), 725, 745. 16 Sowie des Regulierungsrechts als sektorspezifischer Ausprägung des Wettbewerbsrechts; vgl. zu dem hiermit zusammenhängenden Begriff der „Wettbewerbsbeschränkung“ Teil 1 B. IV. 17 BGBl. 1998 S.   2346; vgl. Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §   19 GWB Rn.  101; Teil 9 B. 18 Ausführlich I. Schmidt, WD 2005, 536, 537. Unter einer horizontalen Zusammenarbeit versteht man eine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise zwischen Unternehmen derselben Marktstufe, die tatsächlich oder potenziell in einem Wettbewerbsverhältnis stehen; vgl. Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  1; Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  484. Eine vertikale Zusammenarbeit bezieht sich auf das Verhältnis von Wettbewerbsteilnehmern, die auf verschiedenen Produktions- oder Vertriebsstufen stehen. Derartige Vereinbarungen enthalten häufig Abreden, die über die eigentliche Leistungserbringung hinausgehende Bindungseffekte aufweisen. Aus solchen Bindungen resultierende Wettbe-

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Aufgabenstellung

Wenn jedoch vertikale Vereinbarungen wie Vertriebsbindungen unmittelbar dem Anwendungsbereich des Kartellverbots unterstellt sind, können sie nicht mehr „nur“ als Folgeverträge gelten.19 Darüber hinaus wurde das allgemeine wettbewerbsrechtliche Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen 20 in der „GWB-Novelle 7a“ des Jahres 2007 um §  29 GWB als sektorspezifischen Missbrauchstatbestand für die Energiewirtschaft ergänzt, um der hohen Bedeutung der Versorgung mit Energie für Freiheit und Wohlstand der Verbraucher und die Prosperität der Wirtschaft Rechnung zu tragen.21 Die normativen Änderungen des Wettbewerbsrechts machen es notwendig, die Vorgaben für eine zivilistische Preiskontrolle mit denjenigen des Wettbewerbs- und des Regulierungsrechts zu harmonisieren, um auf diesem Wege zu einem teleologisch stimmigen kompetitiven Vertragsrecht zu gelangen.22 Durch eine derartige Harmonisierung kann nicht nur das „private enforcement“ zum Wettbewerbsrecht effektuiert werden, indem es von praktisch lähmenden Fragen wie der Zulässigkeit und Reichweite einer „passing-on defense“ entlastet wird. Es kann auch der Blickwinkel dafür geschärft werden, dass die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und des Regulierungsrechts als seiner sektorspezifischen Ausprägung nicht allein den staatlichen Behörden obliegt, sondern durch die Marktteilnehmer selbst erfolgen kann. Schließlich kann das Vertragsrecht von der Aufgabe entlastet werden, wirtschaftliche Machtpositionen von Unternehmen auf ihre missbräuchliche Ausübung hin zu überprüfen, da dies die Aufgabe des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts ist. Diese Rechtsbereiche stellen sicher, dass Vertragsverhandlungen in einen von wirksamem Wettbewerb geprägten Entscheidungskontext eingebettet und in diesem Umfang von den Problemen einer einzelfallbezogenen Kompensation wirtschaftlicher Machtpositionen enthoben sind.23 werbsbeschränkungen treten grundsätzlich nicht im Vertikalverhältnis selbst auf, sondern entweder im Horizontalverhältnis zwischen den Herstellern („Interbrand-Wettbewerb“) oder im Horizontalverhältnis zwischen den Händlern desselben Produkts („Intrabrand-Wettbewerb“); vgl. Glöckner, Kartellrecht, Rn.  384 ff.; Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  35 ff. 19  In der Erstreckung des Kartellverbots auf vertikale Vereinbarungen sieht K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 568 ff., insb. S.  578 eine wesentliche Verschärfung des „private enforcement“ durch vertragsrechtliche Rechtsbehelfe, auch wenn dies – insoweit entgegen K. Schmidt – nicht als Argument gegen die Erstreckung des Verbotsbereichs des „Kartellverbots“ auf Folgeverträge dienen kann, vgl. Teil 9 D. 20  Normiert (nach neuer Zählung gemäß der 8. GWB-Novelle) in §  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB. 21  Gesetz zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels, BGBl. I, S.  2966. Die Vorschrift soll dazu beitragen, noch fortbestehende tatsächliche Defizite bei der kompetitiven Öffnung der den Energieversorgungsnetzen vor- und nachgelagerten, nicht regulierten Märkte zu kompensieren; siehe Säcker, N&R 2009, 78, 79; Lohse, in: FS Kreutz, 2010, S.  715; Koleva, Preismissbrauchskontrolle, S.  32 ff. 22  So schon die Forderung von Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235 ff. 23  So bereits überzeugend G. P. Calliess, JJZ 2000, S.  85, 104 f.

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Mit dem Verhältnis von Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht und Regulierungsrecht im Allgemeinen sowie der (teilweisen) Unwirksamkeit von Folgeverträgen im Besonderen bewegt sich unsere Untersuchung in einem komplexen, von der geltenden Wirtschaftsverfassung nur abstrakt vorstrukturierten Spannungsfeld rechtlicher und ökonomischer Theorien von Wettbewerb, Markt und Vertrag.24 Das gilt namentlich für die Diskussion über die Schutzzwecke des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts, die je nach Problemlage scheinbar wahllos zwischen Individual- und Institutionsschutz zu changieren scheint. 25 Aus diesem Grunde ist eine gründliche Erörterung der ökonomischen Grundlagen dieser Rechtsgebiete und ihrer normativen Rezipierung unabdingbar. Die Arbeit folgt insoweit der von Franz Böhm in seinem Werk „Wettbewerb und Monopolkampf“ begründeten Tradition, „das Lehrgebäude der klassischen Wirtschaftsphilosophie [soweit rechtlich möglich] in die Sprache der Rechtswissenschaft zu übersetzen“.26 Um das dogmatische Verständnis des Zusammenspiels zwischen Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht und Regulierungsrecht zu erleichtern, wollen wir uns zunächst einen Überblick über funktionelle Verknüpfungen verschaffen. So hat sich das Wettbewerbsrecht in den letzten Jahrzehnten zu einer ökonomisch fundierten Spezialmaterie mit eigenem Fachvokabular entwickelt, in der sich der „allgemeine Privatrechtler“ nicht mehr so recht zu Hause fühlt. 27 Beim Regulierungsrecht ist eine noch stärkere Entfremdung vom allgemeinen Privatrecht zu beobachten, weil es eine zu vielen Missverständnissen Anlass bietende „bipolare Struktur“ zwischen Wettbewerbsorientierung und sonstiger Gemeinwohlorientierung aufweist.28 Anknüpfend an diese besondere Gemeinwohlorientierung – Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen sind nach klassisch-deutschem Verständnis der Daseinsvorsorge zuzurechnen 29 – wird das Regulierungsrecht häufig insgesamt dem öffentlichen Recht zugeordnet,30 was in Bezeichnungen wie „Recht der Regulierungsverwaltung“ zum Ausdruck kommt.31 Diese Begrifflichkeit ist einleuchtend, wenn damit die beson24  Im Folgenden werden wir neben den Begriffen „Wirtschaftswissenschaften“ und „Ökonomie“ auch denjenigen der „Ökonomik“ (als der Methode zum Gegenstand der Ökonomie) verwenden. 25  Zu den Begriffen „Institut“ und „Institution“ siehe unten Teil 1 B. I. 26  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. IX (Vorwort). 27  Ebenso bereits Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn.  47. 28  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  4 4; BerlKommEnR/Säcker, Bd. 1 Einl. A. Rn.  30. Paradigmatisch für die dogmatische Unsicherheit ist die Untersuchung von Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  191, wonach der Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs im Regulierungsrecht nicht greifen könne, da es sich um einen rein negativen Ansatz zur Bestimmung der Grenzen wettbewerbswidrigen Verhaltens handle, wohingegen das Regulierungsrecht positiv einen bestimmten Entgeltmaßstab vorgeben müsse. 29  Zu diesem Begriff siehe Teil 1 A. IV. 30 Jüngst Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  30, 115 ff. 31 So Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1; ders., Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  39 und

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Aufgabenstellung

deren rechtlichen Bindungen und verfahrensmäßigen Vorgaben adressiert werden sollen, die für die Durchsetzung des Regulierungsrechts durch spezifische Fachbehörden bestehen.32 Dasselbe gilt für den überindividuell-objektiven Zwecken verpflichteten Teil des Gesamtkomplexes „Regulierungsrecht“, wie der Schutz von Umwelt und Klima durch das Recht der erneuerbaren Energien auch „gegen den Markt“.33 Zu diskutieren ist seine Zuordnung zum öffentlichen Recht demgegenüber für Bereiche mit wettbewerbsfördernder Zielsetzung wie die klassische Netzzugangs-, Netzentgelt- und Netzentflechtungsregulierung, die auf besonders von Vermachtung betroffenen Märkten einen Wettbewerbsprozess imitieren und dauerhaft sichern soll, um so die Funktionsbedingungen für eine chancengleiche Selbstbestimmung von Wettbewerbern und Verbrauchern herzustellen.

öfter; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 707; Ruffert, AöR 124 (1999), 237, 244 ff.; Säcker/ Becherer/Mielke, §  37 TKG Rn.  1: es handle sich beim Telekommunikationsrecht um einen „Sondertypus des öffentlichen Rechts“. 32 Ebenso Knauff, VerwArch 98 (2007), 382, 383 f.; v. Danwitz, DÖV 2004, 977, 980. 33  Sehr kritisch die Monopolkommission, Sondergutachten 65.

Teil 1

Einleitung A. Die Privatrechtsordnung zwischen dem Schutz der individuellen Selbstbestimmung und der Beförderung von Gemeinwohlinteressen I. Individuelle Selbstbestimmung als Grundidee der Privatrechtsordnung Auf der Basis der Entscheidung für die rechtliche Freiheit und rechtliche Gleichheit der Bürger sowie für die Möglichkeit zur selbstbestimmten Wahl von Handlungszielen unter Einschluss der zu ihrer Verwirklichung erforderlichen Mittel hat das die Selbstbestimmung der Individuen sichernde Bürgerliche Recht in Deutschland auch eine gesellschaftsprägende Funktion.1 Franz Böhm hat diesen Zusammenhang zwischen Selbstbestimmung und Gemeinwohlorientierung mit dem Begriff der „Privatrechtsgesellschaft“ umschrieben. 2 Hierin kommt beispielhaft der grundlegende Konflikt zwischen „autonomer Selbstgestaltung“ und „heteronomer Bindung“ zum Ausdruck, der das gesamte Privatrecht durchzieht.3 1. Das Prinzip der Selbstbestimmung Wesentliche Prinzipien aller modernen Privatrechtsordnungen sind die rechtlich geschützte persönliche Selbstbestimmung („Privatautonomie“) 4 und korrespondierend die Verantwortung für das eigene Handeln und dessen Folgen

1  Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 874; MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  36. Die – zutreffende – Erkenntnis von der gesellschaftsprägenden Funktion des Privatrechts gab Kritikern eines freiheitlichen Verständnisses von Privat- und Wirtschaftsrecht einen ungewollten „Angriffspunkt“, indem sie durch Uminterpretation der Begrifflichkeiten zu einem diametral entgegengesetzten „aufsichtsrechtlichen“, „gemeinwohlinduzierten“ Verständnis gelangten; vgl. Nörr, in: FS Link, 2003, S.  911, 917. 2  Böhm, ORDO 1966 (17), 75 ff.; siehe dazu auch den von Riesenhuber herausgegebenen Tagungsband zur „Privatrechtsgesellschaft“ aus dem Jahr 2007. Ausführlich Teil 4. D. I. 4. f). 3  Adomeit, in: FS Kelsen, 1971, S.  9 ff. 4  Siehe zur Selbstbestimmung als „zivilistischem Leitbild“ Bachmann, Private Ordnung, 193 ff., 223; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  147.

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Teil 1:  Einleitung

(„Selbstverantwortung“5). 6 Mit dieser Feststellung wird freilich noch keine Aussage darüber getroffen, weshalb das Zivilrecht der individuellen Selbstbestimmung einen derart zentralen Platz zuweist, worin mit anderen Worten die „innere Kraft“ liegt, die der Idee „Selbstbestimmung“ zugrunde liegt.7 Dies ist keineswegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag, werden doch den Begriffen „Selbstbestimmung“ bzw. „Autonomie“8 sehr unterschiedliche Inhalte zugeschrieben, was in jüngerer Zeit durch mehrere Forschungsarbeiten nachgewiesen wurde.9 Für eine Untersuchung des Verhältnisses von Vertragsrecht und Wettbewerbsrecht (inklusive dessen sektorspezifischer Ausprägung der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften) ist besonders interessant, ob diese Rechtsgebiete, soweit sie sich überschneiden, auf denselben Prinzipien und darauf aufbauend auf vergleichbaren Schutzmodellen beruhen. Während der zweitgenannte Aspekt einem späteren Teil der Untersuchung vorbehalten bleibt, wollen wir uns nachfolgend zwei zentrale Geltungsgründe des Selbstbestimmungsprinzips vor Augen führen, da diese sowohl für das zutreffende Verständnis eines freiheitlichen Privatrechts als auch eines Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen relevant sind.10 Dabei ist zwischen ethischen und ökonomischen (utilitaristischen) Ansätzen zu differenzieren, wie sie paradigmatisch in den ideal-perfektionistischen Autonomiebegriffen von Immanuel Kant und John Stuart Mill zum Ausdruck kommen.11 Für Kant gründete die Autonomie des Individuums in eigenen Angelegenheiten in der ethischen Einsicht, dass der Mensch sich auf der Grundlage seines freien Willens ein moralisches Gesetz geben und danach handeln könne.12 Im Mittelpunkt seines Autonomiekonzepts stand somit die Unabhängigkeit des in5  Zum Grundsatz der Selbstverantwortung vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  77 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  178; Schulze, Die Naturalobligation, S.  359 ff.; MünchKommBGB/Roth/Schubert, §  242 BGB Rn.  463; speziell zum Anfechtungsrecht MünchKommBGB/Armbrüster, §  121 BGB Rn.  1. Ausführlich die Beiträge in Riesenhuber (Hrsg.), Selbstverantwortung. 6  Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  24 f. 7  Bachmann, Private Ordnung, S.  174. 8  Der aus dem Griechischen stammende Begriff Autonomie bedeutet Selbstgesetzgebung im Sinne einer Freiheit vor Fremdbestimmung (der Heteronomie), vgl. Brugger, Philosophisches Wörterbuch, Stichwort: Autonomie. 9  Siehe – auch zum Folgenden – Gutmann, Freiwilligkeit als Rechtsbegriff, S.  5 ff.; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  65 ff.; Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  13 ff.; Bachmann, Private Ordnung, S.  174 ff. 10  Im Zuge der versuchten „Rekonstruktion“ des Wirtschafts- und Arbeitsrechts in den 1970er und 1980er Jahren wurde diesen philosophischen Ansätzen die Legitimation zur Erklärung des geltenden Rechts abgesprochen; siehe Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 44. Diese Ansicht basierte freilich auf der primär rechtspolitischen Intention einer „Wende zur gesellschaftlichen Praxis“, weniger auf einer Analyse des Rechtsrahmens und seiner Geltungsgründe. 11 Vgl. zur „Autonomie als Idealkonzept“ Gutmann, Freiwilligkeit als Rechtsbegriff, S.  6 ff. 12  Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.  33 ff.; vgl. dazu Ohly, „Volenti non fit

A. Individuelle Selbstbestimmung und Gemeinwohl

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dividuellen Willens von äußeren Einflüssen.13 Als obersten moralischen Grundsatz für die ethisch-individualistische Selbstgesetzgebung hat Kant den sog. kategorischen Imperativ formuliert: „Handle nur nach derjenigen Maxime, von der du wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“.14 Da die Fähigkeit zur Selbstgesetzgebung für Kant „Grund der Würde der menschlichen und jeder vernünftigen Natur“15 ist, ergibt sich aus dem kategorischen Imperativ zugleich die Forderung, der Mensch sei ein „Zweck an sich selbst“,16 weshalb er auch jeden anderen Menschen als Zweck, nicht als Mittel behandeln müsse.17 Auf juristische Fragestellungen angewandt folgt hieraus die berühmte Defini­ tion des Rechts als „Inbegriff der Bedingungen [. . .], unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des anderen nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann“.18 Aus der Anerkennung der privaten Autonomie des Menschen als vernunftbegabtem Wesen folgt für Kant also – dies ist für unsere Untersuchung zentral – keine grenzenlose Freiheit des Einzelnen, sondern die Einsicht in eine innere Beschränkung individueller Autonomie im Verhältnis zu gleichgeordneten Personen durch deren Autonomie.19 Zu einem ähnlichen Ergebnis wie Kant, wenn auch auf anderem Begründungsweg, kommt John Stuart Mill. Dieser will die individuelle Freiheit ebenfalls vor staatlichem Zwang und gesellschaftlichen Konventionen schützen. Demgemäß dürfe die individuelle Freiheit grundsätzlich nur zum Schutz anderer Individuen beschränkt werden.20 Mill wendet sich damit (für seine Zeit re-

iniuria“, S.  67; Höffe/ders., Immanuel Kant, Kritik der praktischen Vernunft, S.  10 ff.; Kersting, Wohlgeordnete Freiheit, S.  120, 136 f., 142. 13 Ebenso Coing, Zur Geschichte des Privatrechtssystems, S.  61; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  67. 14  Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.  51; siehe zu Schwächen dieser Konzeption Adomeit, Rechts- und Staatsphilosophie II, S.  98 ff. 15  Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.  69. 16  Kant, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, S.  63 f. 17  Kant hat damit ein Denken vorbereitet, das einen staatlichen Schutz der Würde des Menschen ermöglichte; vgl. dazu sowie zur Geltung dieser Konzeption in einer pluralistischen Gesellschaft von Münch/Kunig/Kunig, Art.  1 GG Rn.  19 f. a. E. und 20. 18  Kant, Metaphysik der Sitten, S.  337; dazu schon Raiser, JZ 1958, 1, 2. Das Recht war hiernach von der „Moral“ als Bündelung derjenigen inneren „ethischen“ Pflichten zu unterscheiden, die den menschlichen Handlungen keine Gesetze, sondern nur Maximen vorgeben; vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  352 f.; Adomeit, Rechts- und Staatsphilosophie II, S.  100. 19  Popper, Offene Gesellschaft II, S.   54 f.: Das „Paradoxon der Freiheit [. . .] wurde von Kant gelöst; er forderte die Einschränkung der Freiheit jedes einzelnen, aber nicht in einem höheren Grade, als notwendig ist, um ein gleiches Ausmaß an Freiheit für alle zu sichern.“ Siehe auch Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  4 4 mit Fn.  45; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  72 f. Nach Renner (Zwingendes transnationales Recht, S.  32) ist diese Begründung in der geltenden Wirtschaftsordnung durch (wirtschafts-)verfassungsrechtliche Erwägungen zu ersetzen. 20  Mill, Über die Freiheit, S.  102 ff.

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Teil 1:  Einleitung

volutionär) gegen paternalistische staatliche Schutzkonzepte.21 Anders als Kant begründet er die Selbstbestimmung aber nicht nur freiheitlich, sondern auch utilitaristisch: 22 Die Freiheit des Individuums resultiere zum einen aus der Würde des Menschen, die untrennbar mit dessen Individualität verknüpft sei. Zum anderen führe die Gewährleistung individueller Freiheit zu einer Steigerung der gesellschaftlichen Wohlfahrt. Auch heute noch wird der individuellen Autonomie zuweilen eine eher instrumentelle Bedeutung für das ökonomische Ziel der Herstellung effizienter (Markt-)Ergebnisse zugesprochen, neben anderen Voraussetzungen wie eine stabile Marktordnung.23 Horst Eidenmüller verweist zur Illustration auf die rechtliche Gewährung von Vertragsfreiheit: 24 Individuen schlössen nur dann einen Vertrag, wenn sie sich beide subjektiv einen Vorteil von der Transaktion versprächen, wenn sie also auf der Grundlage ihrer eigenen Präferenzen – die sich von denjenigen anderer Menschen unterscheiden könnten – davon ausgingen, dass sie hinterher besser dastünden als vorher. Würde nun die Vertragsfreiheit mit der Begründung begrenzt, die Individuen hätten die „falschen“ Präferenzen, unterbliebe dadurch eine potenziell pareto-superiore, da für alle Vertragsparteien vorteilhafte Transaktion. Wir werden auf das Pareto-Kriterium noch mehrfach zurückkommen. Die utilitaristische Begründung der individuellen Autonomie war für die Entwicklung der modernen Ökonomie von großer Bedeutung.25 Nach dem Grundsatz der Präferenzautonomie soll jeder selbst über die für ihn vorteilhafte individuelle Ordnung entscheiden.26 Die Präferenzautonomie hat somit – sofern sie nicht nur als Modellannahme verwandt wird, sondern auch als normativer Maßstab dienen soll – eine freiheitssichernde und freiheitsverbürgende Bedeutung,27 wobei die individuelle Freiheit ihre Grenzen in der Wettbewerbsund Vertragsrechtsordnung findet, die der Selbstbestimmung aller Bürger verpflichtet ist.28 Schon aus diesem Grunde kann ein (normativ verstandener) Grundsatz der Präferenzautonomie nicht unbegrenzt gelten, 29 indem die individuelle Freiheit dazu benutzt wird, die Freiheit eines anderen faktisch aufzuheben (sog. Freiheitsparadoxon 30). Eidenmüller spricht erläuternd von „negativen 21 

Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  68. Mill, Über die Freiheit, S.  76 ff. Siehe auch Eidenmüller, Effizienz, S.  329 ff.; insoweit a. A. Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  69 mit Fn.  35, der allein eine utilitaristische Begründung zu erkennen vermag. 23 Siehe Eidenmüller, Effizienz, S.  333. 24 Nochmals Eidenmüller, Effizienz, S.  333. 25  Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  69, der aber nur den normativen Aspekt hervorhebt. 26 Vgl. Bachmann, Private Ordnung, S.  175. 27  Eidenmüller, Effizienz, S.  332. 28  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  4 4 mit Fn.  45. 29  Zum kategorischen Imperativ Kants vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre, S.  420 ff.; Adomeit, Rechts- und Staatsphilosophie II, S.  98 ff.; siehe zur Präferenzautonomie an dieser Stelle nur Eidenmüller, Effizienz, S.  335 ff.; Bachmann, Private Ordnung, S.  175 f. 30  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 7; Fikentscher, Die Freiheit und ihr Paradox, 1997; siehe 22 

A. Individuelle Selbstbestimmung und Gemeinwohl

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externen Präferenzen“, die sich auf die (qua Wertentscheidung) unantastbaren Freiheitsbereiche anderer beziehen.31 Im Schrifttum wird zur Erklärung dieser stark marktliberalen Sicht auch auf die vertragstheoretischen Gesellschaftsmodelle von Thomas Hobbes und John Locke verwiesen,32 wobei diese Modelle aber primär anderen Zwecken dienen sollten und deshalb vorliegend nicht näher beleuchtet werden.33 So einleuchtend die theoretische Erkenntnis von der inneren Beschränkung individueller Freiheitsrechte durch die Freiheitsbereiche anderer Menschen sein mag, so schwierig ist ihre praktische Umsetzung. Sie zwingt nämlich dazu, die Freiheitsbereiche der Individuen bei einer Kollision gegeneinander abzugrenzen. Es ist mit anderen Worten zu entscheiden, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Freiheit ihre immanente Schranke durch die Freiheitsrechte anderer Personen findet.34 Hier kommt man nicht ohne Wertungen aus, die sich aus dem Konzept der Selbstbestimmung nicht ableiten lassen.35 Die Einschränkung der Selbstbestimmung einer Person kann vielmehr je nach zu regelndem Konflikt auf emotional-intuitive Sachverhalte („Werte“), auf utilitaristische Beweggründe oder auch auf (selbst-)paternalistische Gesichtspunkte gestützt werden.36 Im wirtschaftlichen Bereich ist insbesondere die geltende Wirtschaftsverfassung entscheidend. Bereits die vorstehende, skizzenhafte Schilderung zweier wirkungsmächtiger philosophischer Konzepte der Selbstbestimmung hat gezeigt, dass die rechtliche Zuerkennung privater Autonomie nicht die Funktion haben kann, die individuellen Interessen möglichst grenzenlos zur Geltung zu bringen.37 Sie soll vielmehr dazu dienen, die Entfaltung der eigenen Bedürfnisse und Interessen zu legitimieren, ohne die gleichen individuellen Entfaltungsmöglichkeiten anderer Personen substantiell zu behindern.38 Gerade auf die Freiheitsphilosophie Kants auch Baudenbacher, ZHR 144 (1980), 145, 154; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  212; Keßler, WRP 1990, 73, 78; Eppe, WRP 2005, 808, 810; Möslein, Dispositives Recht, S.  170; Fornasier, Freier Markt, S.  16 f. Zum Paradoxon der Freiheit in der Staatstheorie vgl. Popper, Offene Gesellschaft I, S.  147 f.; ders., Offene Gesellschaft II, S.  54 f. 31  Eidenmüller, Effizienz, S.  335 f.; Bachmann, Private Ordnung, S.  104. 32 Vgl. Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  37. 33 Vgl. Adomeit, Rechts- und Staatsphilosophie II, S.   43 ff. (zu Hobbes) und S.  63 ff. (zu Locke). 34  Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, 13 ff.; siehe zum Deliktsrecht auch Mohr, Jura 2013, 567 ff. 35  Adomeit, Rechts- und Staatsphilosophie II, S.   99 f.; zur Nichtberücksichtigung von „bösartigen“ externen Präferenzen qua Werturteil („normativ“) Bachmann, Private Ordnung, S.  175 mit Fn.  9 ; zum Wettbewerbsrecht vgl. von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 954. 36  Bachmann, Private Ordnung, S.  177. 37  Pointiert zum Privatrecht Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  49: subjektive Rechte seien „keine Kriegswaffen“; zur entsprechenden Kritik Otto von Gierkes am BGB des Jahres 1900 siehe unter Teil 3 B. I. 3. 38  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.   50. Im wirtschaftlichen Wettbewerb zwischen

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beriefen sich in Deutschland ab dem 19. Jahrhundert jedoch auch Vertreter eines extremen Individualismus, um eine weitgehend schrankenlose Autarkie der Individuen im wirtschaftlichen Bereich zu begründen. Sie rekurrierten dabei nicht so sehr auf den „kategorischen Imperativ“ als vielmehr auf die Aussage, der Mensch dürfe nicht als Mittel missbraucht werden, er sei ein „Zweck an sich selbst“. Auf dieser Grundlage wurde ein Menschen(leit-)bild entwickelt, das diesen durchweg als selbstständig, vernünftig und eigenverantwortlich beschreibt, weshalb er über das Zur-Verfügung-Stellen eines allgemeinen Rahmens für marktliche Transaktionen hinaus keiner staatlichen Hilfestellung zur chancengleichen Entfaltung seiner wirtschaftlichen Freiheiten benötige.39 Menschen seien nach außen abgeschlossene Einzelwesen, deren Verhältnis zu ihren Mitmenschen auf natürliche Weise in eine harmonische Balance gerate.40 Theoretisch untermauert wurde diese These durch die liberale Wettbewerbstheorie Adam Smiths, wonach wettbewerblich strukturierte Märkte wie von einer „unsichtbaren Hand geleitet“ bestmöglich zum Wohlstand der Gesamtgesellschaft beitragen.41 Der Wettbewerb wurde dabei im Sinne Smiths als staatlich unreglementierter Prozess ohne künstliche Schranken wie Zünfte verstanden. Wir werden hierauf in Zusammenhang mit der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 zurückkommen, in dem die vorbenannte Sichtweise deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Mit Karl-Nikolaus Pfeifer lässt sich festhalten, dass der ethische Individualismus Kants am Ende des absolutistischen Zeitalters und zu Beginn der Industrialisierung eine „den Eigennutz betonende Schlagseite“ erhalten hat, „die insbesondere den Interessen des wirtschaftlich aufstrebenden Bürgertums dienlich war“; denn eine Gleichheit der Chancen führt nicht notwendig auch zu gleich guten Ergebnissen, wenn die Individuen von ungleichen tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen.42 Aus heutiger Sicht ist deshalb offenkundig, dass eine rechtlich gewährleistete Chancengleichheit nicht immer ausreicht, um beim Abschluss von Verträgen die Chance auf einen beiderseitig angemessenen Interessenausgleich zu gewährleisten, wenn einzelne Individuen aufgrund tatsächlicher Umstände über eine signifikant größere (wirtschaftliche) Macht verfügen als andere. In diesen Fällen kann sich die Rechtsordnung nicht darauf zurückziehen, allein für die notwendige Offenheit der Märkte zu sorgen (im Sinne rechtlich-formaler Chancengleichheit), sondern muss das Verhalten der marktmächtigen Rechtssubjekte im Einzelfall einer inhaltlichen Kontrolle anhand der Unternehmen folgt hieraus u. a. das wettbewerbsrechtliche Konzept des Verbots eines Behinderungsmissbrauchs; vgl. dazu in Abgrenzung zum Ausbeutungsmissbrauch Teil 5 C. III. 39  Nachweise bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  482. 40  So die Bewertung Pfeifers, Individualität im Zivilrecht, S.  36 f. 41  Siehe in Teil 4 C. II. 42  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  37; soweit Pfeifer darauf abstellt, dass diese Sichtweise aus utilitaristischen Theorien abgeleitet werden könne, ist dies jedoch zweifelhaft.

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Grundprinzipien der Wirtschaftsordnung unterziehen. Welches diese Grundprinzipien sind, ist Gegenstand der unterschiedlichsten (Wettbewerbs-)Theo­ rien. Folglich werden auch die Ziele und die konkreten Voraussetzungen einer Inhaltskontrolle unterschiedlich begründet. In jüngerer Zeit hat John Rawls43 versucht, die von ihm als solche erkannten Schwächen liberaler Modelle, die jedenfalls nach der geschichtlichen Erfahrung ein individuell egoistisches, auf „negative externe Effekte“44 abzielendes Verhalten begünstigt haben, durch eine Anreicherung mit materialen Gerechtigkeits­ aspekten zu beheben. Sein Konzept der Gerechtigkeit geht von einer fairen gleichen Ausgangssituation der Individuen aus, die von natürlichen oder gesellschaftlichen Zufällen abstrahiert, da die Ausgangslage von den Individuen selbst durch „Gesellschaftsvertrag“ unter einem „Schleier der Unwissenheit“ bestimmt werde.45 Höchster gesellschaftlicher Wert sei deshalb der Grundsatz gleicher Rechte, Freiheiten und Chancen, wobei Ungleichheiten insoweit zugelassen werden, als sie zur Beseitigung von starken Unterprivilegierungen erforderlich seien.46 Über diese Gewährleistungen hinaus gebe die Gesellschaft den Individuen keine Ziele vor, es existiere kein allgemein gültiges Prinzip des „Guten“. Vielmehr ermögliche der Staat seinen Bürgern, ihre eigenen Ziele zu bilden und zu verwirklichen. Durch die Bindung an Gerechtigkeitserwägungen wird der Mensch bei Rawls also nicht nur als individueller Nutzenmaximierer betrachtet, sondern er ist durch seinen freiwilligen Beitritt zur Gesellschaft zu einem „sozialen Wesen“ geworden.47 Die Grundaussagen von Rawls48 sind heute ein zentraler Bestandteil des Konzepts eines „normativen Individualismus“, wie er etwa von der Ordnungsökonomik in Tradition des deutschen Ordoliberalismus vertreten wird.49 Sie finden aber auch in den Grundrechten eine Stütze, soweit diese einerseits verhindern, dass der Einzelne einer vagen Gemeinschaftsethik unterworfen wird, und andererseits seine Einbindung in ein soziales Gefüge bekräftigen (paradigmatisch: Art.  14 Abs.  1 und 2 GG). Leitbild des Grundgesetzes ist mit dem BVerfG nicht das selbstherrliche, sondern das gemeinschaftlich gebundene ei43  Rawls, A Theory of Justice; die Theorie wurde neu formuliert und erweitert in dem Werk Justice as Fairness. 44  In der Ökonomie sind externe Effekte Einwirkungen einer Wirtschaftseinheit auf eine andere, die nicht über den Markt erfolgen. Standardbeispiel ist die Umweltverschmutzung, vgl. Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  16 f.; Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 53. 45  Rawls, A Theory of Justice, S.  136 ff.: „Veil of ignorance“. 46  Rawls, A Theory of Justice, S.  83 ff. und 95 ff. 47  So die überzeugende Bewertung von Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  39. 48  Rawls selbst hat seine Theorien in Auseinandersetzung mit Kritik und neuen Erkenntnissen laufend angepasst und in spezifischen Ausprägungen auch verändert. 49 Vgl. Homann/Kirchner, JNPÖ 1995, 189 mit Fn.   3 und 197; Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  39, 42.

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genständige Individuum.50 Diese Formel bringt zum Ausdruck, dass sich das Individuum in einer freiheitlichen Werteordnung weder einem Kollektiv unterordnen muss, noch in seinem Bestreben geschützt wird, sich als Person über andere zu stellen, indem es seine individuellen Freiheiten unangemessen („unbillig“, „systemwidrig“) zu Lasten der Freiheitsbereiche anderer ausübt.51 Der Mensch ist vielmehr auf Gemeinschaft mit anderen Individuen angewiesen und gelangt oftmals nur durch diese zur vollen Entfaltung seiner Anlagen.52 Dies zeigt sich besonders deutlich in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung, wo sich der Verkehr und Erwerb von Gütern und Dienstleistungen regelmäßig durch Austauschverträge vollzieht.53 Auch innovative Tätigkeiten entfalten sich regelmäßig erst in Zusammenwirken mit anderen Personen, deren Erfahrungen und Einsichten der Einzelne übernehmen und weiterentwickeln kann.54 2. Privatautonomie als Ausprägung des Prinzips der Selbstbestimmung Die Selbstbestimmung ist im Privatrecht somit nicht nur ein willkürlich gesetztes Rechtsprinzip, sondern bildet über den Grundsatz der Privatautonomie einen wesentlichen, in Deutschland im Gegensatz zu anderen Rechtsordnungen auch verfassungsrechtlich gesicherten Bestandteil einer freiheitlichen und so­ zialen Grundordnung; 55 denn Selbstbestimmung und Präferenzautonomie ­hängen untrennbar mit der Würde des Menschen und seiner Personalität zusammen.56 Zugleich unterliegt die Selbstbestimmung faktisch und normativ Res­triktionen, die aus der Einbindung des Individuums in die staatliche Gemeinschaft resultieren. Worin diese Bindungen im Ausgangspunkt begründet sind, in einem überindividuell-entindividualisierten Gemeinwohl oder in einem chancengleichen und fairen Miteinander gleichberechtigter Rechtssubjekte,57 wird uns noch beschäftigen. Die Privatautonomie räumt den Bürgern die Befugnis ein, ihre Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem eigenen Willen zu gestalten.58 Die mit ihr gewährte positive private Gestaltungsmacht wird ergänzt durch einen verhaltens50  BVerfG v. 20.7.1954 – 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, 7, 15 – Investitionshilfe; BVerfG v. 23.5.1980 – 2 BvR 854/79, BVerfGE 54, 143, 146 – Taubenfütterungsverbot. 51  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  4 4. 52  Zippelius, Einführung in das Recht, 3.  Aufl. 2000, S.  1 ff. 53  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 54  Zur Philosophie Thomas von Aquins siehe Zippelius, Geschichte der Staatsideen, S.  66. Zum Markt als Mittel zur Generierung von Wissen, das ansonsten verstreut und damit unentdeckt bliebe, vgl. von Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S.  49 ff. 55  Thüsing, RdA 2005, 257, 258; siehe noch Teil 2 E. 56  Eidenmüller, Effizienz, S.  332; Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  70. 57 Paradigmatisch Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  4 4 (Gemeinwohl) und S.  47 (konkretisiert als „Miteinander gleichberechtigter Subjekte“). 58  Schapp, Methodenlehre des Zivilrechts, S.  18.

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bezogenen Freiraum als Schutz vor Folgenzurechnung und Haftung,59 wie er sich besonders deutlich im klassisch-deliktsrechtlichen Grundsatz einer Haftung nur für rechtswidrige und verschuldete Verletzungen geschützter Rechtsgüter und Rechte Bahn gebrochen hat. 60 Die Privatautonomie konstituiert sich in spezifischen Wirkbereichen wie der Vertragsfreiheit, 61 der Eigentumsfreiheit, der Testierfreiheit und der Vereinigungsfreiheit. 62 In der vorliegenden Untersuchung wollen wir uns vor allem mit dem „vollentgeltlichen schuldrechtlichen Austauschvertrag“ als Kern des „wirtschaftsbezogenen Vertragsrechts“ und damit zusammenhängend mit der „wirtschaftlichen Vertragsfreiheit“ befassen. 63 Diese ist in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung das wichtigste Mittel, um die eigenen Interessen zu verwirklichen. Sie enthält neben der Abänderungsund Aufhebungsfreiheit sowie der Formfreiheit die Freiheiten des Abschlusses oder Nichtabschlusses sowie der Gestaltung von privatrechtlichen Verträgen. 64 Die in §  241 Abs.  1 BGB angelegte Vertragsgestaltungsfreiheit (Inhaltsfreiheit) ist neben der Vertragsbegründungsfreiheit (Abschlussfreiheit) die praktisch wichtigste Ausübungsform der Vertragsfreiheit. 65 So wäre die Vertragsfreiheit allein mit der Gewährleistung der Vertragsbegründungsfreiheit nur unvollständig verbürgt, da es den Vertragsparteien nicht primär auf die Eingehung irgendeiner rechtlichen Bindung ankommt, sondern auf die damit bezweckte Verwirklichung ihrer individuellen Interessen.66 Hierzu ermöglicht es die Rechtsordnung den Bürgern, auch den Inhalt von privaten Verträgen im Rahmen struktureller Normen, welche die Bedingungen des Vertragsschlusses 59 Riesenhuber/Picker,

Privatrechtsgesellschaft, S.  208, 214. die „kleine Generalklausel“ des §  823 Abs.  1 BGB; dazu Mohr, Jura 2013, 567 ff. Hierin liegt zugleich ein normativer Ausgleich zwischen den Prinzipien der Freiheit und der Selbstverantwortung, vgl. Riesenhuber/ders., Selbstverantwortung, S.  1, 3; ausführlich Riesenhuber/Schaub, ebenda, S.  281 ff. Siehe zur konstituierenden Bedeutung der Haftung für die Wettbewerbsordnung schon Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  279. 61  Diese ist gesetzlich nicht besonders normiert, wird aber u. a. von §  311 Abs.  1 BGB vorausgesetzt; vgl. MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  2. 62  Busche, Kontrahierungszwang, S.  46; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1. 63  Böhm, WuW 1956, 173, 178; ders, ORDO 17 (1966), 75, 94 ff.; siehe auch Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  52 ff.; Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 124; Säcker, BB 1967, 681, 684; MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  13. 64  Larenz, Schuldrecht-AT, unter §  4 a; Ehmann/Emmert, SAE 1997, 253, 263; Rittner, JZ 2011, 269, 270; vgl. auch Kaiser, Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, S.  2. Korrespondierend kann sich eine Einschränkung der Vertragsfreiheit durch zwingendes Recht auf die Abschlussfreiheit (Kontrahierungszwänge), die Formfreiheit (Formzwänge) oder auf die Inhaltsfreiheit (Beschränkung der Gestaltungsspielräume der Vertragsparteien im Rahmen der ursprünglichen Festlegung oder der späteren Abänderung des Vertragsinhalts) beziehen. Vgl. Fornasier, Freier Markt, S.  19. 65  Instruktiv MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  24 ff. 66  Zu den Interdependenzen von Abschluss- und Inhaltsfreiheit im Rahmen von Kontrahierungszwängen Kilian, AcP 180 (1980), 47, 77; zum Energiewirtschaftsrecht Busche, Kontrahierungszwang, S.  609 und 612. Wir werden hierauf in Zusammenhang mit dem Regulierungsrecht zurückkommen. 60  Vgl.

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vorgeben, zusammen mit ihren Vertragspartnern grundsätzlich frei zu bestimmen. 67 Vertragslücken können durch Rückgriff auf dispositives Vertragsrecht geschlossen werden, das unter diesem Gesichtspunkt eine auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende „Rechtsverkehrserleichterungsfunktion“ hat. 68 Soweit kein dispositives Recht vorhanden ist, können ungewollte Vertragslücken gem. §  157 BGB durch eine ergänzende Vertragsauslegung geschlossen werden, sofern der jeweilige Umstand zu einer gravierenden Verschiebung der Wertungsgrundlage des Vertrages führt. 69 Die ergänzende Vertragsauslegung ist insbesondere anwendbar, wenn eine Vertragsklausel außerhalb allgemeiner Geschäftsbedingungen70 nicht auf der Unvollständigkeit der Erklärungen der Parteien beruht, sondern auf ihrer Teilunwirksamkeit.71 Wie wir noch sehen werden, erfolgt die normative Interessenabwägung dabei ohne Ansehung eines intellektuellen oder wirtschaftlichen Übergewichts einer Vertragspartei; unangemessene bzw. unbillige (wettbewerbsbeschränkende) Vertragsklauseln werden durch die ergänzende Vertragsauslegung also weder perpetuiert noch verstärkt, sondern jedenfalls im Ergebnis teleologisch reduziert.72 Mit der Gestaltungsfreiheit eng verbunden ist das Regelungsprinzip der Typenfreiheit, wonach die Parteien im Schuldrecht bestehende Vertragstypen abwandeln und neue kreieren können,73 wie etwa den Franchisevertrag.74 Gleichwohl enthebt die Vertragsinhaltsfreiheit nicht von der Aufgabe, eine vertragliche Regelung einem oder mehreren Vertragstypen zuzuordnen, da zu klären ist, ob das Gesetz für Teile der Vereinbarung dispositive Vorschriften vorsieht, sofern diese von den Parteien unterschiedlich interpretiert werden.75 Auch müssen die Kriterien für eine AGB-Inhaltskontrolle ermittelt werden, da sich diese maßgeblich am dispositiven Gesetzesrecht orientieren (§  307 Abs.  2 Nr.  1 BGB).76 67 

Vgl. MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  24. Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2009, S.  507; ökonomische Begründung bei Bachmann, Private Ordnung, S.  52 und 122; die Lückenschließungsfunktion greift nur insoweit, als für eine Regelungsfrage entsprechende Auffangregelungen vorgesehen sind. 69  Säcker, in: FS Westermann, 2008, S.  617, 623 und öfter. Siehe zur umstrittenen dogmatischen Herleitung der ergänzenden Vertragsauslegung Erman/Armbrüster, §  157 BGB Rn.  15 m. w. N. 70  Dazu EuGH v. 15.3.2012 − C-453/10, NJW 2012, 1781 Rn.  30 – Pereničová und Perenič; EuGH v. 14.6.2012 − C-618/10, NJW 2012, 2257 Rn.  62 f.– Banco Español de Crédito. 71 Erman/Armbrüster, §  157 BGB Rn.  18. Insoweit kann weiterhin auf die Rechtsprechung des BGH zu allgemeinen Geschäftsbedingungen zurückgegriffen werden; vgl. BGH v. 1.2.1984 – VIII ZR 54/83, NJW 1984, 1177. 72 So Säcker, in: FS Westermann, 2008, S.  617, 636. 73  Vgl. MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  24; vgl. zur Notwendigkeit eines Vertrages zwischen den Parteien zur Begründung eines Schuldverhältnisses statt anderer Köhler, BGB-AT, §  13 Rn.  2. 74 Dazu C. Möller, AcP 203 (2003), 319 ff. 75  C. Möller, AcP 203 (2003), 319, 327. 76 Vgl. C. Möller, AcP 203 (2003), 319, 328. Zum Verhältnis von §  138 BGB und §  307 BGB siehe MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  5. 68 

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Die AGB-Inhaltskontrolle zeigt, dass dispositive Vorschriften nicht nur als Ersatzordnung fungieren, falls die Vertragsparteien nicht wirksam etwas Abweichendes vereinbart haben, sondern nach dem Willen des Gesetzgebers auch eine Leitbildfunktion („Ordnungsfunktion“) für die inhaltlich richtige Ausgestaltung von Verträgen haben können,77 womit allerdings noch keine Aussage darüber getroffen ist, was die jeweils richtige Regelung ist.78 Weitere Grenzen der Vertragsinhaltsfreiheit folgen aus den §§  134, 138, 315 BGB für Verstöße gegen zwingendes Recht, die guten Sitten oder bei einer unbilligen Ausübung einseitiger Vertragsgestaltungsräume.79 Die Vertragsfreiheit wird ergänzt durch den ungeschriebenen Grundsatz der vertraglichen Bindungswirkung („pacta sunt servanda“) 80 als spezifischem Ausdruck des Selbstveranwortungsgrundsatzes, 81 da Verträge die ihnen zugedachte Aufgabe, eine stabile Ordnung zu gewährleisten, nur erfüllen können, wenn sie auch rechtlich verbindlich sind.82 Die dogmatische Begründung der Einschränkung der Privatautonomie durch die Bindung an rechtsgeschäftliche Erklärungen (das gegebene Wort83) ist streitig: Während einige sie aus den Erfordernissen des Verkehrs- und Vertrauensschutzes, also aus übergeordneten Gemeinwohlerwägungen ableiten wollen, 84 stellen andere auf die Kompetenz zur Ingeltungsetzung von Rechtsfolgen nur in Übereinstimmung mit dem Vertragspartner, also auf eine immanente Begrenzung der Vertragsfreiheit ab. 85 Dieser Streit lässt sich letztlich auf den Umstand zurückführen, dass das Institut des Austauschvertrages mit den Prinzipien der Selbstbestimmung und der vertraglichen Bindung auf einem immanenten Widerspruch basiert; denn der Vertrag dient nicht nur der Verwirklichung der individuellen Selbstbestimmung, sondern trägt auch zu deren Beschränkung im Wege der Selbstbindung bei. 86 77 MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  26. Der Begriff „Leitbild“ geht der Sache nach zurück auf Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  293 f. Ausführlich zur „Leitbildfunktion“ des dispositiven Rechts Cziupka, Dispositives Vertragsrecht, 2009, S.  3, 212 ff. und öfter. 78 So Bachmann, Private Ordnung, S.  122. 79  Vgl. MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  24 f. 80 Vgl. Bachmann, JZ 2008, 11. 81 Riesenhuber/ders., Selbstverantwortung, S.  1, 9; ausführlich Ohly, „Volenti non fit iniuria“, S.  77 ff. 82 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  178. 83  Bachmann, Private Ordnung, S.  57. 84 Vgl. Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen, S.  66 ff.; siehe auch Lorenz, Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  29 f.; Stathopoulos, AcP 194 (1994), 543, 545 zum antiken griechischen Recht. 85 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; Thüsing, RdA 2005, 257, 259; Singer, Selbstbestimmung und Verkehrsschutz im Recht der Willenserklärungen, S.  57: die Selbstbindung durch rechtsgeschäftliche Geltungserklärungen sei ein wesensnotwendiges Element der Selbstbestimmung. 86 Vgl. Rittner, AcP 188 (1988), 101, 127; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  182; MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  12.

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Im vorstehend geschilderten Verhältnis von Selbstbestimmung und Selbstbindung offenbart sich beispielhaft der fundamentale Gegensatz zwischen rechtlich-formaler und faktisch-materialer Freiheit („Privatautonomie“), der die gesamte (Privat-)Rechtsordnung durchzieht. Flume hat diesen Gegensatz mit der Formulierung umschrieben, es sei „das ewige Dilemma der Privatautonomie, dass diese immer wieder durch ungleiche Machtverteilung infrage gestellt“ werde.87 Aus diesem Grunde muss die Rechtsordnung in Konkretisierung ihrer Wirtschaftsverfassung entscheiden, welche Beeinträchtigungen der Entscheidungsfreiheit bei wertender Betrachtung so gravierend sind, dass sie Einfluss auf die Gültigkeit vertraglicher Regelungen haben sollen. 88 Hierauf werden wir in Zusammenhang mit den Theorien des Vertrages zurückkommen.

II. Unterscheidung zwischen Vertragsfreiheit, Vertragsgerechtigkeit und Sozialmodellen Wie wir gesehen haben, rezipiert die Rechtsordnung die Idee individueller Selbstbestimmung durch den Grundsatz der Privatautonomie. In einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung vollzieht sich der Erwerb von Gütern freilich nicht durch eigene Arbeit, sondern durch den Abschluss von Austauschverträgen mit anderen. Dies begründet die Notwendigkeit, mehrere individuelle Freiheiten miteinander auszugleichen. In diesem Zusammenhang gilt es zu unterscheiden zwischen der rechtlich gewährleisteten Vertragsfreiheit, dem ethischen Postulat der Vertragsgerechtigkeit und dem politisch wirksamen Sozialmodell. 1. Formale und materiale Konzeptionen der Vertragsfreiheit Wie wir gesehen haben, bezieht sich die Vertragsfreiheit auf die Möglichkeit, die eigenen Rechtsverhältnisse selbstbestimmt zu gestalten. 89 Damit ist allerdings noch keine Aussage darüber getroffen, welche konkreten Voraussetzungen und Grenzen der Freiheit zum Abschluss und zur inhaltlichen Gestaltung von Verträgen zu setzen sind, um Individuen die Chance zu geben, ihre Präferenzen eigenbestimmt in den Verhandlungsprozess einzubringen und nicht von rechtlich oder faktisch nachteiligen Vertragswirkungen belastet zu werden, die nicht auf ihrer selbstbestimmten Entscheidung beruhen.90 Ebenso wie im Rahmen anderer Rechtsinstitute wie des Verbots unlauteren Wettbewerbs gem. §  3 Abs.  1 UWG91 und des in Art.  101 AEUV bzw. in den §§  1 bis 3 GWB geregelten Kar87 

Flume, in: FS Deutscher Juristentag, 1960, S.  135, 145. Zöllner, AcP 196 (1996), 24 f. und 28. Vgl. zur Verbindung von Wirtschaftsverfassung und Privatrechtsdogmatik Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  546. 89  Bork, BGB-AT, Rn.  660. 90  So generell auch Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  28. 91 Ausführlich Sosnitza, Wettbewerbsbeschränkungen durch die Rechtsprechung, S.  234 88 So

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tellverbots92 zeigt sich vielmehr ein Spannungsverhältnis zwischen formalen und materialen Grundkonzeptionen.93 In einer ersten Annäherung bezieht sich die formale Vertragsfreiheit auf die rechtliche Kompetenz zum eigenbestimmten Vertragsschluss, während die materiale Vertragsfreiheit das Ausmaß der tatsächlich freien, unbeeinflussten Entscheidungsfreiheit betrifft. Beide Freiheitsbegriffe stehen aber nicht beziehungslos nebeneinander; denn selbst wenn man ein formales Verständnis der Freiheit in den Vordergrund rückte, offenbarte sich das Dilemma, dass die Vertragsfreiheit von tatsächlichen Voraussetzungen abhängt, die sie nicht allein schaffen kann.94 Beschränkungen der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit können auf verschiedenen Ursachen beruhen, die deshalb auch einer differenzierten Betrachtung bedürfen: 95 So kann bereits die Freiwilligkeit der Entscheidung beeinträchtigt sein, sei es durch psychologischen Druck oder durch wettbewerbs­ widrige Marktstrukturen und Verhaltensweisen („wirtschaftliche Macht“). Darüber hinaus kann zwischen den Parteien ein Informationsgefälle bestehen, weshalb es der besser informierten Partei gelingt, mit der schlechter informierten Partei einen für diese nachteiligen Vertrag abzuschließen. Schließlich kann ein Vertragsschluss auch auf einer fehlerhaften Einschätzung einer Vertragspartei über die eigenen Präferenzen, ihre eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder die Nützlichkeit von Investitionen beruhen.96 Die Rechtsordnung greift die beschriebenen Hindernisse in dieser Allgemeinheit nicht auf.97 Vielmehr sind die einzelnen Rechtsbereiche von teilweise divergierenden Konzepten einer Kompensation tatsächlicher Ungleichgewichte gekennzeichnet. Diese Konzepte hängen auch mit den jeweils befürworteten gesellschaftstheoretischen und ökonomischen Ordnungsmodellen zusammen. 2. Vertragsgerechtigkeit Die Vertragsgerechtigkeit bezieht sich auf das Problem des normativ angemessenen („richtigen“) vertraglichen Interessenausgleichs.98 Sie bildet damit eine und öfter, wonach private Verbandsempfehlungen im Lauterkeitsrecht auch dem Zweck dienten, den Normgeber im Wege der „Öffentlichkeitsarbeit“ unter Berufung auf vermeintlich wichtige Rechtsgüter zu einer „Außenseiterbekämpfung“ zu bewegen; nachdrücklich Säcker, WRP 2004, 1199, 1222. 92 Dazu Reuter, AcP 189 (1989), 199, 216. 93  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 276 und öfter. 94  So Möslein/Renner, Private Macht, unter II. 95  Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1204; Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  10 f. 96  Siehe zum ökonomischen Prinzip der „begrenzten Rationalität“ van Aaken, in: Paternalismus und Recht, 2006, S.  109, 112 ff. 97  Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  11. 98  Barnert, Formelle Vertragsethik, S.  28 f.

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spezifische Ausprägung der noch zu schildernden Diskussion um gemeinwohlindizierte Schranken privater Freiheiten. Seit Aristoteles wird in der europäischen Rechtsphilosophie zwischen den Grundformen der austeilenden und ausgleichenden Gerechtigkeit als Vorgaben für die staatliche Normsetzung unterschieden.99 Als allgemeingültige Prinzi­ pien sind diese nicht nur für die deutsche, sondern auch für die europäische Rechtsordnung bedeutsam.100 Austeilende und ausgleichende Gerechtigkeit unterscheiden sich vor allem nach der Verschiedenheit des Verhältnisses der Beteiligten und der Handhabung des Gleichheitssatzes.101 Während sich bei der austeilenden Gerechtigkeit eine verteilende Instanz und mehrere Rechtssubjekte in einem Verhältnis der Über- und Unterordnung begegnen, stehen sich im Anwendungsbereich der ausgleichenden Gerechtigkeit mehrere Personen in rechtlicher Gleichordnung gegenüber. Die austeilende Gerechtigkeit bezieht sich also auf die Verteilung von Zuwendungen „in Ansehung der Person“, wohingegen die persönlichen Gegebenheiten der Rechtssubjekte im Rahmen der ausgleichenden Gerechtigkeit nicht zum Tragen kommen. Bei der Anwendung des Gleichheitssatzes als der wohl grundlegendsten aller Verteilungsregeln kann es bei der austeilenden Gerechtigkeit mit anderen Worten auf Besonderheiten in der Person der Beteiligten ankommen, während es bei der ausgleichenden Gerechtigkeit allein um den (formal und/oder material) freiwilligen oder unfreiwilligen Austausch von Gütern oder Leistungen geht. Demgemäß hat die austeilende Gerechtigkeit ihren angestammten Platz eher im öffentlichen Recht, während die ausgleichende Gerechtigkeit nach ihrer Grundstruktur im Privatrecht ansässig ist, da sie sich auf die intersubjektiv richtige Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung bezieht.102 Allerdings wollen „moderne“ Ansätze auch im Privatrecht verstärkt Gesichtspunkte der austeilenden Gerechtigkeit zur Geltung bringen; 103 darauf ist zurückzukommen. Die aristotelischen Gerechtigkeitskriterien sind relative Wertmaßstäbe. Die zu ihrer Ausfüllung notwendigen Kriterien müssen deshalb – über eine rechtsphilosophische Herleitung hinaus – der jeweiligen Staats- und Wirtschaftsform entnommen werden.104 Der für Verteilungen wie für Kompensationen notwendige Maßstab kann also nur auf normativem Wege ermittelt werden.105 Für den (freiwilligen oder unfreiwilligen) Austausch von Gütern ist eine gerechte Ausgleichsregelung zu finden, die insbesondere die Problematik der Gleichwertig99 

Aristoteles, Nikomachische Ethik, 1130 b ff. Adomeit, NJW 1998, 3259; a. A. Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  55 ff., insb. S.  85. 101  Siehe dazu bereits Mohr, Schutz vor Diskriminierungen, S.  37 ff.; Mohr, in: FS Adomeit, 2008, S.  477, 484 f. 102  Radbruch, Rechtsphilosophie, 36 und 152 f.; Zöllner, NJW 1990, 1, 5. 103 Vgl. Wiethölter, Rechtswissenschaft, S.  167 f. und öfter. 104  Canaris, iustitia distributiva, S.  16 ff. und 24. 105  Adomeit, Rechts- und Staatsphilosophie I, S.  84. 100 

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keit (also des Äquivalenzverhältnisses) zu lösen vermag.106 Wert und Gegenwert der Leistung hängen hierbei auch von der autonomen oder heteronomen Verfasstheit der Wirtschaftsordnung ab.107 Die ausgleichende Gerechtigkeit steht einer marktwirtschaftlichen Grundordnung nahe, auch wenn hieraus noch keine Vorgaben für die Ausgestaltung der Ordnung im Einzelnen zu entnehmen sind; denn nur eine Marktwirtschaft gewährleistet, dass sich die Bedingungen des Leistungsaustauschs vornehmlich mit Blick auf den Leistungsgegenstand herausbilden.108 Welchen Preis ein Gut am Markt erzielen kann, hängt zuvörderst von Angebot und Nachfrage ab, sofern keine Liebhaberinteressen oder ähnliche Gesichtspunkte zum Tragen kommen. Dabei kommt dem Wettbewerb die zentrale Aufgabe zu, die gegenseitige Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Vertragspartner zu sichern, damit der sich im Vertrag manifestierende intersubjektive Interessenausgleich nicht durch den Missbrauch von (wirtschaftlicher) Macht verzerrt wird.109 Ist eine Störung zu befürchten, erlangt der Staat somit eine Rechtfertigung zum Eingriff auch in das individuell festgelegte Vertragsgefüge,110 der sich – wie wir noch sehen werden – nicht auf die Vertragskonditionen beschränken muss, sondern sich auch auf das Leistung-Gegenleistungsverhältnis beziehen kann. Die austeilende Gerechtigkeit ist ebenfalls anhand weiterführender (Verteilungs-)Regeln auszuformen, da ihr selbst kein entsprechender Maßstab entnommen werden kann. Im Ausgangspunkt kann man zwischen der Verteilung von Rechten und derjenigen von Sachgütern unterscheiden: 111 Art.  3 Abs.  1 GG enthält den fundamentalen Grundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Die Vorschrift gewährleistet damit die individuelle Entfaltung der Persönlichkeit, da diese nur bei einer rechtlichen Gleichheit der Bürger realisiert werden kann.112 Während im Rahmen der Rechtsgleichheit somit enge Grenzen für eine Differenzierung bestehen, kann sich die Verteilung von Sachgütern an den unterschiedlichsten Regeln orientieren. Hierzu gehören die Leistungs-, die Bedarfs-, die Chancen- und die Verfahrensgerechtigkeit.113 Im Bereich der Auferlegung von Lasten werden diese Prinzipien noch durch die Besitzstandsgerechtigkeit ergänzt (Vertrauensschutz114). Sofern Aussagen dieser Grundsätze 106  Im europäischen Arbeitsrecht ist diese Problematik augenfällig bei der Frage des gleichen Lohnes für gleiche oder gleichwertige Arbeit, sofern besonders geschützte Personengruppen betroffen sind, vgl. Art.  157 Abs.  1 AEUV. 107  Busche, Kontrahierungszwang, S.  30 ff. 108  Canaris, iustitia distributiva, S.  17. 109  Säcker, BB 1967, 681, 683. 110  Private Macht dient der Rechtsordnung somit als eine Art „Auffangtatbestand“, vgl. Möslein/Bachmann, Private Macht, unter V: Aufgreifkriterium. 111  Rüthers, Rechtstheorie, Rn.  354. 112  Busche, Kontrahierungszwang, S.   278 f.; von Münch/Kunig/Boysen, Art.  3 GG Rn. 24 ff. 113  Rüthers, Rechtstheorie, Rn.  352 ff. und 361. 114 Zum Grundsatz des Vertrauensschutzes als Ausprägung der Rechtssicherheit siehe

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kollidieren, sind sie durch den Gesetzgeber in einen sachgerechten Ausgleich zu bringen. Welche Verteilungs- und Beurteilungsgrundsätze einer Regelung rechtspolitisch zugrunde gelegt werden, ist Gegenstand der unterschiedlichsten Gerechtigkeitstheorien.115 Diese sollen uns im Folgenden in dieser Allgemeinheit nicht weiter beschäftigen. Im Zentrum der Betrachtung wird vielmehr der Ausgleich privater Interessenkonflikte stehen, sofern diese durch wirtschaft­ liche Machtpositionen beeinflusst werden. 3. „Sozialmodelle“ privater Macht und ihre rechtliche Rezeption a) Zum Begriff des Sozialmodells Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit sind vom „Sozialmodell“116 bzw. dem „Rechtsparadigma“117 zu unterscheiden, das dem Recht zugrunde liegt. Diese schillernden Begriffe beziehen sich zum einen auf die grundlegenden Vorstellungen des Normgebers von der gesellschaftlichen Wirklichkeit,118 zum anderen auf seine weltanschaulich-politische Haltung, wie sie plakativ in der Gegenüberstellung von „liberalem Marktmodell“ und „Sozialstaatsmodell“ zum Ausdruck kommt. Der Begriff „Sozialmodell“ umfasst in diesem Sinne also gleichzeitig Diagnose und normativen Therapieansatz.119 Er adressiert nach Heinz-Dieter Assmann „die Transformierbarkeit von Sozialverhältnissen in Rechtsverhältnisse und [. . .] die Gestaltbarkeit von Sozialverhältnissen über Recht; genauer: [. . .] die Bedingungen der Möglichkeit beider Vorgänge, über die sich zahlreiche Theorien an unterschiedlichen Ansatzpunkten streiten“.120 Die weltanschaulich-politische Haltung des Normgebers bzw. Norminterpreten kann das Verständnis des Vertrages beeinflussen,121 doch kann man aufgrund der Vielzahl der Gesellschaftstheorien, die sich sowohl in zeitlicher als auch in inhaltlicher Hinsicht überlagern und nicht selten widersprechen, regelmäßig keine eindeutige Korrelation zwischen einem bestimmten Sozialmodell und einem bestimmten Verständnis der inneren Geltungsgründe vertraglicher Maunz/Dürig/Grzeszick, Art.  20 GG Rn.  69 ff.; speziell zum Wettbewerbsrecht Mohr, ZWeR 2011, 383 ff. 115 Vgl. Kersting, Theorien der sozialen Gerechtigkeit. 116  Wieacker, Sozialmodell; krit. Zöllner, Privatrechtsgesellschaft, S.  30; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 289 Fn.  47; Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  743 f. 117  Habermas, Faktizität und Geltung, S.  468 ff.: Der Begriff beziehe sich auf die „impliziten Bilder von der eigenen Gesellschaft, die der Praxis der Rechtssetzung und Rechtsanwendung eine Perspektive [. . .] geben“; dagegen Canaris, AcP 200 (2000), 273, 289 Fn.  47: „erstaunlich unreflektiert“. 118 So Singer, in: 200 Jahre Humboldt-Universität, 2010, S.  981, 983. 119 So Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309, 313; siehe auch die präzisierende Auslegung durch Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  52 ff. mit Fn.  91. 120  Assmann, Mixed economy, S.  5 (im Original z. T. kursiv gedruckt); siehe auch ebenda S.  150. 121  Das betont Lieb, DNotZ 1989, 274.

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Regelungen im Sinne einer strikten Kausalität feststellen.122 Gleichwohl lassen sich der Diskussion verschiedene Idealtypen gesellschaftswissenschaftlicher Paradigmen privater Macht entnehmen (Sozialmodelle), die sich modellhaft auch in der historischen Entwicklung wiederfinden.123 Die Analyse der „So­ zial­modelle“ trägt deshalb durchaus zum besseren Verständnis der Rechtsentwicklung bei. b) Gesellschaftswissenschaftliche Grundbegriffe privater Macht In unserer Untersuchung befassen wir uns mit der Inhaltskontrolle von Verträgen, die antikompetitiv überhöhte Preise enthalten, also mit einer spezifischen Ausprägung des gesellschaftlichen Phänomens „wirtschaftliche Macht“ und den darauf beruhenden Verhaltensweisen. Für dessen Behandlung enthält das Wettbewerbsrecht detaillierte Vorschriften, die an den Abschluss einer Vereinbarung zwischen Unternehmen (Art.  101 AEUV, §§  1, 2 GWB), den Missbrauch einer alleinigen oder gemeinsam marktbeherrschenden Stellung (Art.   102 AEUV, §§  18, 19, 20, 29 GWB), den ökonomischen Umstand eines natürlichen Monopols (§§  20 ff. EnWG, §§  14 ff. AEG) oder eine marktmächtige Stellung auf einem als regulierungsbedürftig anzusehenden Markt (§§  9 ff. TKG) anknüpfen. All diesen Normen liegt ein bestimmtes Verständnis unternehmerischer Marktmacht zugrunde, das man in Anlehnung an die gesellschaftswissenschaftliche Begrifflichkeit als im weiteren Sinne „kausal“ bezeichnen kann.124 Demgegenüber eignen sich die sog. modalen Machtbegriffe aufgrund ihrer Unbestimmtheit nur schwer für eine konkrete juristische Falllösung. Sie haben jedoch den Blick dafür geschärft, dass private Macht in einer pluralistischen Gesellschaft nicht per se nachteilig, sondern ein ambivalentes Phänomen ist. aa) Kausale Machtbegriffe In den Gesellschaftswissenschaften werden – wie Moritz Renner herausgearbeitet hat – unterschiedliche Machtbegriffe vertreten, die zu unterschiedlichen Zeiten auf unterschiedliche Weise in der Jurisprudenz wirksam geworden sind.125 Diese lassen sich überblickshaft in kausal-enge und modal-weite Machtbegriffe unterscheiden. Ein kausaler, auf die Beziehung zwischen zwei Rechtssubjekten bezogener Machtbegriff wurde von Max Weber vertreten, nach dem Macht „die Chance eines Menschen oder einer Mehrzahl solcher“ sein soll, „den eigenen Willen in einem Gemeinschaftshandeln auch gegen den Widerstand anderer dran Beteiligter durchzusetzen“.126 Auch wenn private Machtpositionen 122 

Canaris, AcP 200 (2000), 273, 291. Private Macht, unter III. 124  Ebenso Möslein/Bachmann, Private Macht, unter III. 2. b). 125 Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 2. 126  Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S.   631, und weiter: „,Oekonomisch bedingte‘ 123 Möslein/Renner,

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auf unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden könnten, sei das Phänomen der ökonomischen Macht in einer marktwirtschaftlichen Grundordnung das zentrale Problem.127 Da Weber eine allgemeine Erfassung ökonomischer Macht – wohl auch dem Stand der ökonomischen Forschung seiner Zeit geschuldet – für nicht durchführbar erachtete, konzentrierte er sich auf den Begriff der Herrschaft, worin er die „Machtausübung kraft Autorität“ im Gegensatz zur „Machtausübung kraft Interessenkonstellation“ erblickte, auch wenn beide Arten der Machtausübung fließend ineinander übergehen könnten.128 Webers Fokussierung auf autoritäre Herrschaftsverhältnisse hatte zur Folge, dass für ihn auch der allgemeine Machtbegriff über eine unmittelbare Interak­ tion von Machtausübendem und Machtunterworfenem bestimmt wurde.129 Sowohl im Bereich der autoritären Macht als auch der wirtschaftlichen Macht stand somit die einseitige Durchsetzung von Interessen in konkreten sozialen Beziehungen im Vordergrund. Damit war für Weber „gesellschaftliche Macht“ kausal und interaktionsbezogen.130 In der nationalökonomischen Diskussion stellte sich alsbald heraus, dass ein enger kausal-interaktionsbezogener Machtbegriff die Phänomene der ökonomischen Macht nicht in allen ihren Ausprägungen erfassen kann. Demgemäß fragte Eugen von Böhm-Bawerk als Vertreter der sog. historischen Schule der Nationalökonomie schon 1914 in seinem Aufsatz „Macht oder ökonomisches Gesetz“, ob sich die Preisbildung auf Märkten tatsächlich allein durch individuelle Machtausübung erklären lasse oder auch vom Verhältnis von Angebot und Nachfrage abhinge.131 Die Gegenüberstellung von Macht und ökonomischem Gesetz wurde später von Walter Eucken als irreführend identifiziert, da wirtschaftliche Machtstellungen jeder ökonomischen Ordnung inhärent seien, sofern es sich nicht um die – von ihm bevorzugte – vollständige Konkurrenz handle.132 Auch nach Eucken war die Wirksamkeit von Macht somit auf das kausale Handeln der Marktbeteiligten zurückzuführen. Eucken ging jedoch insoweit über Weber hinaus, als er den Machtbegriff aus der direkten Interaktion zweier

Macht ist natürlich nicht identisch mit ‚Macht‘ überhaupt. Die Entstehung ökonomischer Macht kann vielmehr umgekehrt Folge der aus anderen Gründen vorhandenen Macht sein. Macht wird aber ihrerseits nicht nur zu ökonomischen (Bereicherungs-)Zwecken erstrebt. Sondern Macht, auch ökonomische, kann ‚um ihrer selbst willen‘ gewertet werden und sehr häufig ist das Streben nach ihr mitbedingt durch die ‚soziale Ehre‘, die sie bringt“. 127  Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S.  632: Problem der „Klassenlage“. 128  Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S.  604. 129  So die überzeugende Interpretation von Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 130 Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 2. 131  Von Böhm-Bawerk, ZfVSV, Bd. XXIII, 205 ff. 132  Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, S.  305 ff.; die Fixierung auf vollständige Konkurrenz ist in den Wirtschaftswissenschaften seit Langem überwunden; vgl. Teil 4 C. IV.

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Marktakteure herauslöste und die Marktstruktur als Ganze mit in die Analyse einbezog, also auch überindividuelle Gesichtspunkte berücksichtigte.133 Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Macht wurde für das Privatrecht vor allem von Franz Böhm, ebenfalls ein Vertreter der sog. ordoliberalen Schule, herausgearbeitet.134 Nach überzeugender Ansicht Böhms ist eine wirtschaftliche Machtkonzentration auch deshalb zu vermeiden, weil sie sich häufig zugleich im gesellschaftlich-politischen Bereich auswirkt; dies ist die sog. „Interdependenz der Ordnungen“.135 Böhm wollte hiermit aber keiner gesellschaftstheoretischen Rekonstruktion der marktwirtschaftlichen Ordnung und ihrer Institutionen wie Vertrag und Wettbewerb in Richtung einer Zentral- oder Gruppensteuerung von Wirtschaft und Gesellschaft das Wort reden. Dies zeigen insbesondere die Arbeiten des „späten Böhm“, in denen er nachdrücklich den Eigenwert der individuellen Selbstbestimmung betonte.136 Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass es die ordoliberale These von der „Interdependenz der Ordnungen“, ebenso wie Ausdrücke wie „private Planung“ und „Selbststeuerung“, den Kritikern einer marktwirtschaftlichen Ordnung später leicht machen sollten, diese mit neuen Inhalten zu „rekonstruieren“137 bzw. „emanzipatorisch anzuwenden“.138 bb) Modale Machtbegriffe Ein wesentlicher Begründer eines „modalen“, d. h. von unmittelbar kausalen Handlungsbeziehungen zwischen Machtausübendem und Machtunterworfenem abstrahierenden Machtbegriffs war Niklas Luhmann. Für Luhmann war Macht nicht allein „Kausalität unter ungünstigen Umständen“, sondern ein „symbolisch generiertes Kommunikationsmedium“, das der Reduktion von Unsicherheiten in der Kommunikation diene.139 Macht wird nach diesem Konzept also nicht nur in Kausalbeziehungen ausgeübt, sondern auch dadurch, dass die Selektionsmöglichkeiten eines Marktakteurs von vornherein denjenigen einer anderen Person angeglichen werden, etwa weil Ersterer ebenso wie Letztere handeln will, auch wenn er im Nachhinein erfährt, dass es ohnehin keine andere Möglichkeit gegeben hätte.140 Nach dieser Sichtweise bestimmt das Phänomen Macht, welche Kommunikation zwischen den Beteiligten überhaupt möglich ist, weshalb es sich nicht um einen Sonderfall, sondern um ein „reguläres 133 Möslein/Renner,

Private Macht, unter III. 2. Böhm, ORDO 17 (1966), 75 ff.; ausführlich zu Böhm unter Teil 4 D. I. 4. 135  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  14; Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 121 ff.; dazu Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 136  Siehe Teil 4 D. I. 4. f). 137  So der Befund von Nörr, in: FS Link, 2003, S.  911, 917. 138  Begrifflichkeit nach Renner, KritV 2010, 67, 70. 139  Luhmann, Macht, S.  2 f., 13. 140  Luhmann, Macht, S.  12. 134 

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gesellschaftliches Phänomen“ handelt.141 Indem Macht eine Festlegung von Kommunikationsbeziehungen beschreibe, sei sie modal, da sie auch durch ihre Nicht-Ausübung wirksam werde.142 Der Machtbegriff Luhmanns geht somit über denjenigen von Weber hinaus, da er auf eine strikte Kausalitätsbeziehung verzichtet. Gleichwohl vollzieht sich Macht bei Luhmann immer noch in konkreten Kommunikationsbeziehungen.143 Sein Machtbegriff wird von Renner deshalb als „modal-interaktionsbezogen“ bezeichnet.144 Da Machtbeziehungen in jedem Kommunikationsakt wirksam würden, können sie nach Luhmann in einer pluralistischen Gesellschaft nicht mehr durch traditionelle Wirkungsmechanismen begrenzt werden, sondern bedürfen einer umfassenden „Juridifizierung“ und „Politisierung so­ zialer Beziehungen“ oder einer „Integration von Machtstrukturen“ in „formale Organisationen“.145 Damit lässt sich der Machtbegriff Luhmanns nur schwer in konkreten juristischen Fragestellungen fruchtbar machen. Er zeigt jedoch bereits deutlich die Ambivalenz der Macht, die nicht per se gut oder schlecht ist, sondern situativ unterschiedlich zu bewerten sein kann. Das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht haben dafür eine hochkomplexe Dogmatik zur „Regulierung der Selbstregulierung“ entwickelt,146 auf die wir im Folgenden noch eingehen werden, soweit es die Kontrolle antikompetitiv überhöhter Preise betrifft. Einen noch anspruchsvolleren und weiteren, da „modal-strukturbezogenen“ Machtbegriff vertrat Michel Foucault, wobei dieser nicht primär zur Lösung privatrechtlicher Sachverhalte gedacht war.147 Im Gegensatz zum „juridisch-politischen“ Machtbegriff, den Foucault in frühen Schriften noch selbst vertreten hatte, entwickelte er später ein „strategisch-produktives Verständnis von Macht“.148 Zwar lege die historische Repräsentation von Macht in den Staatsgewalten eine Beschäftigung mit diesen nahe, doch sei in der gesellschaftlichen Realität die Ausübung von Macht – wie sich am Beispiel der Sexualität zeige – außerhalb von Rechtsformen erheblich wirksamer.149 Machtbeziehungen sind nach Foucault gleichzeitig intentional und nicht-subjektiv, da sie sich nicht notwendig auf die Interaktion von individuellen Subjekten zurückführen ließen.150 141 

Luhmann, Macht, S.  13 und 17. Private Macht, unter III. 2. 143  Luhmann, Macht, S.  19: „Handlungsbezug“. 144 Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 2. 145  So – auch zu den Begrifflichkeiten – Luhmann, Macht, S.  98 ff. 146  Bachmann, Private Ordnung, S.  155. 147  Foucault, Sexualität und Wahrheit, S.  101 ff.; siehe auch Defert/Ewald (Hrsg.), Michel Focault, Analytik der Macht, S.  220 ff. und 240 ff.; vgl. dazu Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 2. 148  Vgl. Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 2. 149  Foucault, Sexualität und Wahrheit, S.  113. 150  Foucault, Sexualität und Wahrheit, S.  116. 142 Möslein/Renner,

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Macht werde nicht allein von den (Markt-)Akteuren ausgeübt, sondern es würden diese vielmehr auch selbst von den Machtbeziehungen konstituiert, da sich jedes Denken und Handeln in Machtstrukturen vollziehe.151 Damit zeigte Foucault ebenso wie Luhmann, dass Machtbeziehungen zwar durchaus negative und repressive Wirkungen haben, sie allerdings auch ein Ausdruck des von verschiedenen „Kräften“ bewegten Zusammenspiels ökonomischer und kognitiver Beziehungen in einer pluralistischen Gesellschaft sein können, die sich wechselseitig zu einer „Gesamtdispositive der Macht“152 befruchten.153 cc) Bewertende Einordnung Die vorstehend umrissenen Machtbegriffe lassen sich mit Moritz Renner näherungsweise bestimmten „Strömungen des ideengeschichtlichen Zeitgeistes“ zuordnen, die auch in der Rechtsetzung und Rechtsprechung wirksam geworden sind: 154 So war etwa im Wettbewerbsrecht der Ordoliberalismus über viele Jahre die vorherrschende Sichtweise. In jüngerer Zeit ist jedoch eine gewisse Akzentverschiebung zu institutionenökonomischen Ansätzen erkennbar, die private Macht zuvörderst unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskosten beschreiben.155 Als Beispiel kann die AGB-Kontrolle dienen.156 Andere wollen private Macht allein mit Blick auf die Auswirkungen auf das Marktgeschehen bewerten, weshalb sie sich von kausalen Machtbegriffen weitgehend lösen. Insbesondere seit den 1970er Jahren hat der modal-strukturbezogene Machtbegriff auch Einzug in den privatrechtlichen Diskurs gehalten („strukturelle Gewalt“), ohne dass er grundlegende Änderungen des Verständnisses von rechtlichen Machtbeziehungen etwa im primär auf die Kontrolle wirtschaftlicher Macht ausgerichteten Wettbewerbsrecht bewirkte.157 Während die Begründung einer allgemeinen Inhaltskontrolle von Verträgen mit der „strukturellen Unterlegenheit“ einer Vertragspartei in der Bürgschaftsentscheidung des BVerfG im Nachhinein als eher ungenaue, die Parallelen zur Inhaltskontrolle nach §  138 Abs.  2 BGB verschleiernde Wortwahl angesehen werden kann,158 hat diese Rhetorik neuerdings wieder im Recht des Schutzes vor Diskriminierungen Anhänger gefunden, was prima facie nicht unbedingt für die rechtspolitische Differenziertheit und dogmatische Genauigkeit der propagierten Lösungen spricht.159 151 Möslein/Renner,

Private Macht, unter III. 2. Foucault, Sexualität und Wahrheit, S.  116. 153  So die überzeugende Bewertung von Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 154 Möslein/Renner, Private Macht, unter III. 3. 155 Möslein/Bachmann, Private Macht, unter III. 2 b); Möslein/Renner, a. a. O., III. 3. 156  Vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 BGB Rn.  40 ff. 157  Vgl. näher Adomeit, NJW 1994, 2467 ff. 158  Siehe in zeitlichem Zusammenhang mit der Bürgschaftsentscheidung Adomeit, NJW 1994, 2467, 2468, der die unglückliche sprachliche Parallele zum Begriff der „strukturellen Gewalt“ aufzeigte. 159  Dazu – im Ergebnis zu Recht krit. – Renner, KritV 2010, 53, 55 f. 152 

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dd) Ambivalenz wirtschaftlicher Macht Wie wir im Rahmen der Schilderung gesellschaftswissenschaftlicher Theorien des Phänomens Macht gesehen haben, wird private Macht heute zu Recht als komplexes Phänomen gedeutet, die in ihren vielfältigen Ausübungsformen eine pluralistische Gesellschaft (mit) auszeichnet, im Falle ihres Missbrauchs aber auch gefährden kann. Dieser Befund spiegelt sich in der rechtlichen und ökonomischen Analyse wirtschaftlicher Macht wider, um die es in dieser Untersuchung geht. Auch wirtschaftliche Macht ist hiernach nicht per se gut oder böse, sondern eine komplexe Erscheinung, die einer ebenso differenzierten Regelung bedarf.160 Aus diesem Grunde sollte eine Rechtsordnung wirtschaftliche Macht nicht generell bekämpfen, wie dies noch den unrealistischen Prämissen des neoklassischen Modells „vollkommener Konkurrenz“ sowie in gewissen Anklängen auch dem frühen Ordoliberalismus und dem von ihm bevorzugten Konzept der „vollständigen Konkurrenz“ entsprach.161 Zwar kann wirtschaftliche Macht einerseits zur Ausbeutung von anderen Marktteilnehmern benutzt werden, anderseits aber auch zur Generierung produktiver und dynamischer Effizienzen sowie zur Hervorbringung von Innovationen.162 Ohne temporäre Machtpositionen von Unternehmen entstehen weder freie Wettbewerbsprozesse163 noch wohlfahrtsökonomisch zu bestimmende dynamische Effizienzen. Ein dynamischer Wettbewerb ist vielmehr ein sozialer Prozess der Neubildung und Erosion von Machtvorsprüngen von Unternehmen gegenüber ihren Wettbewerbern, die aus der größeren Fähigkeit zur Beherrschung ihrer Umwelt folgen, etwa durch Einführung oder Verbesserung eines neuen Produktionsverfahrens, wodurch Produkte preiswerter als bislang angeboten werden, um hierdurch letztlich zu mehr Geschäftsabschlüssen mit der Marktgegenseite zu kommen.164 Vor diesem Hintergrund geben die Größe oder der Marktanteil eines Unternehmens (vgl. §  18 Abs.  3 GWB) für sich allein keine Handhabe für das Eingreifen einer (wettbewerbs-)rechtlichen Missbrauchsaufsicht, etwa durch eine missbrauchsunabhängige Entflechtung von Unternehmen.165 Folge160 

Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12; Möslein/Bachmann, Private Macht, unter V. eine Gleichsetzung von Marktbeherrschung und materieller Wettbewerbsbeschränkung auch Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, S.  70. Dagegen Schmidtchen, ORDO 39 (1988), 111, 124: „Biedermeierweltbild von Wettbewerb“, der jedoch zu Recht darauf hinweist, dass das Modell der vollkommenen Konkurrenz dem ökonomischen Kenntnisstand zur Zeit seiner Entwicklung entsprach (S.  126); demgemäß wurde es später durch Vertreter des Ordoliberalismus selbst modifiziert, vgl. Teil 4 D. I. 4. f). 162  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. Siehe zum Schutz vor Ausbeutung als Leitmotiv eines (zivilistisch zu verstehenden) „Gruppenwohls“ Bachmann, Private Ordnung, S.  193 ff.; Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  47. 163  Schmidtchen, ORDO 39 (1988), 111, 124; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn.  54. 164  Hoppmann, Marktmacht und Wettbewerb, S.  10 f. 165  Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn.  5 4; Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. Nicht näher behandelt wird die Diskussion um eine missbrauchsunabhängige Entflechtung von „system161 Für

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richtig knüpfen die wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Missbrauchsverbote nicht bereits an das Innehaben wirtschaftlicher Macht an (auch wenn diese zu einer Marktbeherrschung führt166), sondern erst an deren missbräuchliche Ausübung zu Lasten der Wettbewerber und der Marktgegenseite bzw. an besondere Marktversagenstatbestände, die eine Ex-ante-Regulierung von Unternehmen zum Schutz der materialen Selbstbestimmung anderer Marktteilnehmer notwendig machen. Für diese Ambivalenz wirtschaftlicher Machtpositionen hat Erich Hoppmann – insoweit überzeugend – die begriffliche Unterscheidung zwischen „kompetitiver Macht“ und „restriktiver Macht“ eingeführt.167 Wirtschaftliche Macht ist also bei ökonomisch rationaler und ideologisch unvoreingenommener Betrachtung weder mit einem Makel behaftet noch generell zu eliminieren,168 sondern muss durch die Rechtsordnung an einer missbräuchlichen Ausübung zum Nachteil Dritter gehindert werden.169 In der ökonomischen und rechtlichen Akzeptanz von kompetitiven Machtpositionen liegt deshalb keine besondere Haftungsprivilegierung,170 sondern eine angemessene Reaktion auf die Ambivalenz wirtschaftlicher Macht, die im Rahmen eines „Leistungswettbewerbs“171 positive Effekte für die allgemeine Wohlfahrt der Gesellschaft generieren kann und deshalb (nur) insoweit zu fördern anstatt zu untersagen ist. Höchst problematisch ist allerdings die konkrete Unterscheidung von kompetitiver und antikompetitiver Macht. Dies ist Gegenstand der verschiedensten Wettbewerbs- und Regulierungstheorien, auf die wir noch eingehen werden. Die entsprechenden Ausführungen werden zeigen, dass der bislang eher intuitive als wissenschaftlich fundierte Umgang mit dem komplexen Phänomen wirtschaftlicher Macht in der Privatrechtswissenschaft einer kritischen Revision bedarf, die sich nach hier vertretener Ansicht in einer wertungsharmonisierenden Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln zeigen muss. 4. Zwingendes Privatrecht als Ausdruck des jeweiligen Sozialmodells a) Zwingende Regelungen zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht Dogmatisch äußern sich die unterschiedlichen Sozialmodelle, die der Privatrechtsordnung zugrunde liegen, vor allem in der Reichweite und Ausgestaltung

relevanten Großunternehmen“ im Wettbewerbsrecht; vgl. Zimmer/Rengier, ZWeR 2010, 105, 111 ff.; Meessen, WuW 2010, 6, 13 ff.; Teil 4 C. IV. 1. und 2. 166  Zur Marktbeherrschung durch Kartelle Lukes, Kartellvertrag, S.  135. 167  Hoppmann, Marktmacht und Wettbewerb, S.  10 f. 168 Pointiert Schmidtchen, ORDO 39 (1988), 111, 124 ff. 169 So Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 170  So aber Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, S.  465. 171  Dazu Teil 5 B. III. 2. b).

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des die Privatautonomie beschränkenden zwingenden Privatrechts; 172 denn die volle Dispositivität einer Rechtsnorm bedarf in einer auf der Idee der Selbstbestimmung aufbauenden Rechtsordnung keiner besonderen Rechtfertigung.173 In der Gegenüberstellung von zwingendem Recht und privatautonomer Handlungsfreiheit spiegelt sich zugleich die Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Leitdifferenz der Moderne wider,174 wie sie bereits von Georg Friedrich Wilhelm Hegel mit dem Auseinandertreten des „Systems der politischen Repräsentation“ und des marktgesteuerten „Systems der Bedürfnisse“ beobachtet worden ist.175 Diese fand ihre rechtliche Ausprägung historisch im Gegensatz von öffentlichem Recht und Privatrecht.176 Eine strikte Differenzierung von öffentlichem und privatem Recht – im Sinne eines gegenüber politischen Zwecken abgegrenzten Bereichs bürgerlicher Freiheit – gilt heute allerdings als überwunden, auch wenn dadurch auf den ersten Blick ein Stück (scheinbarer) dogmatischer Klarheit verloren geht.177 So wirkt die Verfassung vielfältig auf das Privatrecht ein, sei es durch Vorgaben an den Gesetzgeber zur Ausgestaltung des Privatrechts oder bei der Interpretation zivilistischer Generalklauseln wie der §§  138, 242, 823, 826 BGB.178 Es ginge jedoch zu weit, das Zivilrecht angesichts dieser unbestrittenen öffentlich-rechtlichen Durchdringung und der auch staatsenlastenden Funktion privater Regelbildung,179 wie sie etwa für die der Daseinsvorsorge zuzuordnenden Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen prägend ist,180 insgesamt im öffentlichen Recht aufgehen zu lassen, wie dies etwa von Wirtschaftsrechts- und Steuerungstheoretikern proklamiert wird.181 Wir werden hierauf noch zurückkommen. 172  Renner, KritV 2010, 67, 70. Dasselbe gilt für das dispositive Privatrecht, soweit diesem eine „Leitbildfunktion“ für einen chancengleichen privaten Interessenausgleich zugesprochen wird. 173  Bachmann, JZ 2008, 3. 174  Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  17. 175  Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts (1821), 3. Neuaufl. 1993, §§  182 ff. und §§  257 ff. 176 Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Stolleis, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S.  41 ff. 177 Vgl. Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.   18; Bachmann, Private Ordnung, S.  413 ff. 178 Vgl. Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.; dabei ist es aus zivilistischer Sicht nur von begrenztem Erkenntnisgewinn, ob man diese als „mittelbare Drittwirkung“ bezeichnet oder mit einer „Schutzpflicht des Staates“ begründet; vgl. MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  54 ff., insb. Rn.  66: es handle sich im Wesentlichen nur noch um ein Formulierungsproblem. 179  Bachmann, Private Ordnung, S.  60. 180 Zur privatrechtlichen Einordnung von Energielieferverträgen trotz staatlicher Abschluss- und Inhaltsschranken siehe Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  154. 181 Aus „wirtschaftstheoretischer“ Sicht vgl. Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.   41, 48; aus „steuerungstheoretischer“ Perspektive Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/HoffmannRiem, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S.   161, 272 ff.; ebenso auf den ersten Blick Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  19, wonach

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Den vorbenannten Theorien ist es – wie wir noch sehen werden – bis heute nicht gelungen, jenseits einer generellen Disponibilität individueller Freiheiten für staatlich-bevormundende Regulierung einen – auch verfassungsrechtlich gebotenen – Freiraum der Individuen vor staatlicher Steuerung bzw. Umverteilung fassbar zu machen.182 Gleichwohl ist auch weiterhin an der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht festzuhalten. Für das Privatrecht gewinnt diese Differenzierung eine besondere Legitimität aus dem Umstand, dass das Ideal des privatrechtlichen Interessenausgleichs auf der bewussten, aufgeklärten und freiwilligen Zustimmung der Individuen aufbaut.183 Demgegenüber bedarf die Geltung von Regelungen, die nicht oder nur unvollkommen von der Zustimmung aller Betroffenen getragen werden, einer zusätzlichen Rechtfertigung, die sich nicht aus den kollidierenden Freiheitsbereichen selbst ableiten lässt. Diese Legitimation wird für privatrechtliche Sachverhalte zu Recht in einem Verbot der Ausbeutung gesehen.184 Nicht jede zwingende Vorschrift, die in diesem Sinne auf Zustandekommen, Inhalt und Wirksamkeit von Rechtsgeschäften Einfluss nimmt, ist jedoch insgesamt dem öffentlichen Recht bzw. insgesamt dem privaten Recht zuzuordnen.185 So ist der staatliche Schutz vor Ausbeutung eine genuin privatrechtliche Aufgabe, soweit es um den Schutz der materialen Freiheit der von dem mächtigen Unternehmen Abhängigen geht. 186 Hierin liegt mit Franz Jürgen Säcker sogar die zentrale Aufgabe des Privatrechts, die deshalb keiner zusätzlich öffentlich-rechtlichen Legitimierung bedarf.187 Auch wenn es kaum möglich sein dürfte, eine abschließende Typologie zwingenden Privatrechts festzulegen,188 wird man deshalb auf den ersten Blick alle Vorschriften, die der Sicherstellung eines material-selbstbestimmten Interessenausgleichs dienen, dem Privatrecht zuordnen können. Demgegenüber sind vertragsrechtliche Regelungen, die aus überindividuell-objektiven Zwecken Zustandekommen, Inhalt und Wirksamkeit privater Absprachen beeinflussen, nach hier vertretener Ansicht dem öffentlichen Recht die Normen des zwingenden Rechts die Bedingungen festlegten, unter denen „privatvertragliche Dispositionen den Vorgaben des Gesetzgebers weichen müssen“ und damit „den Raum des freien marktwirtschaftlichen Austauschs“ umgrenzten und ihn „für politische Interventionen“ öffneten; siehe auch S.  24: zwingende Normen ermöglichten eine „Rekonstruktion politischer Zwecksetzungen in einem Rechtsgebiet, das über den Vertragsmechanismus eng an die Funktionslogik des Wirtschaftssystems gekoppelt“ sei. Auf S.  26 ff. stellt Renner dann jedoch heraus, dass die Festlegung der inneren Grenzen des Vertrages durch zwingende Rechtsnormen auch dem Privatrecht zugeordnet werden könne. 182 Ebenso Bachmann, Private Ordnung, S.  415. 183  Bachmann, Private Ordnung, S.  193 ff. 184 Überzeugend Bachmann, Private Ordnung, S.  415 und öfter. 185 Grundlegend Ehrlich, Das zwingende und nichtzwingende Recht, S.  256 ff.; ihm folgend Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  33. 186 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  62. 187  So überzeugend MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  63. 188  Bachmann, JZ 2008, 11, 13 ff.

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zuzuordnen. Diese Dichotomie setzt freilich ein bestimmtes Verständnis der inneren Geltungsgründe des Vertrages und der Vertragsfreiheit voraus, das es noch näher zu begründen gilt. Festhalten lässt sich an dieser Stelle jedoch schon, dass sich die Unterscheidung zwischen zwingendem und dispositivem Recht nicht in derjenigen zwischen öffentlichem und privatem Recht spiegelt.189 b) Unterschiedliche Ausprägungen zwingenden Vertragsrechts Gemeinhin wird die historische Entwicklung des Verständnisses von „Freiheit und Bindung in der Wirtschaft“190 in ein idealtypisches Mehrphasen-Modell unterteilt, dem wir uns – bei aller mit Pauschalierungen verbundenen Unschärfe – zur besseren Veranschaulichung anschließen wollen: 191 Das Bürgerliche Gesetzbuch folgte zunächst einem vorwiegend formalen Verständnis von Freiheit, trotz der hieran schon vor seinem Inkrafttreten geäußerten Kritik.192 Die Probleme privater Macht wurden – abgesehen von vereinzelten zwingenden Regelungen – vor allem im Rahmen einer richterlichen Billigkeitskontrolle bei der Anwendung der zivilrechtlichen Generalklauseln problematisiert (§§  138, 315 und 242 BGB), wenn auch mit aus heutiger Sicht unzulänglichen Ergebnissen.193 Paradigmatisch war die noch zu schildernde Rechtsprechung des RG zur Kontrolle wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, die sich nicht zu einem prinzipiellen Kartellverbot durchringen konnte, sondern nur offenkundig unzulässige Praktiken und Wirkungen der Kartelle bekämpfte.194 Ein wesentlicher Wendepunkt zur Entwicklung eines modernen Privatrechtsverständnisses lag in der Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie des Ordoliberalismus, der entgegen dem damals vorherrschenden kollektivistischen Zeitgeist, wie er etwa im politischen Programm der Gemeinwirtschaft zum Ausdruck kam,195 auf die Gefahren aufmerksam machte, die von einer Vermachtung von Märkten für die individuelle Vertragsfreiheit und damit für die Gesellschaft im Ganzen ausgehen.196 Aufgrund der Rezeption ordoliberalen Gedankenguts nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bekämpfung eines Missbrauchs privater Machtposi­tio­ nen im wirtschaftlichen Wettbewerb als zentrales Anliegen der deutschen und zunehmend auch der europäischen Wirtschaftspolitik anerkannt. Dieses Anlie189 

Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  27. So der Titel der von Jenkins herausgegebenen Festschrift für Gemper, 2006. 191 Micklitz/G. P. Calliess, Verbraucherrecht, S.  65 ff.; Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309, 313; krit. Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191 ff. 192  Siehe unten Teil 3 B. I. 3. 193 Möslein/Renner, Private Macht, unter II. 194  Berühmt ist die Entscheidung zum sächsischen Holzstoffkartell in RGZ 38, 155; siehe auch Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  8 ff. Dazu ausführlich unter Teil 3 B. III. 1. b). 195  Nörr, Zwischen den Mühlsteinen, S.  4 ff.; ders., Leiden des Privatrechts, S.  28 f. 196  Böhm, Das Problem der privaten Macht, Die Justiz III (1927/1928), 324, 330: Bei der Monopolfrage gehe es „um die Erscheinung der privaten Macht und des privaten Zwangs in großem Stile und um ihre rechtliche Einordnung in das System des geltenden Rechts“. 190 

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gen mündete nach langem rechtspolitischem Ringen in den Erlass des vom damaligen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard erstrittenen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) 197 und der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Ver­trages, ebenfalls aus dem Jahr 1958. Ordoliberales Gedankengut hielt – was heute zuweilen nicht mehr im Blick zu sein scheint – mit der AGB-Kon­ trolle freilich auch Eingang in das Bürgerliche Recht.198 Das besondere Interesse des Ordoliberalismus an allgemeinen Geschäftsbedingungen mag daran gelegen haben, dass sich marktmächtige Unternehmen und Kartelle schon früh dieses Instruments bedient hatten, um ihre Interessen zu Lasten der Vertragspartner durchzusetzen.199 Mit dem Erstarken des Wohlfahrtsstaates machte es sich die Privatrechtswissenschaft seit den 1970er-Jahren verstärkt zur Aufgabe, den Übergang von einem formal-freiheitlichen zu einem material-sozialen Rechtsstaat auch im Privatrecht durch eine inhaltliche Inpflichtnahme der Vertragsfreiheit für soziale Gerechtigkeitsvorstellungen nachzuvollziehen.200 Neben der Lösung der „sozialen Frage“ als einem der drängenden Anliegen des „sozialdemokratischen 20. Jahrhunderts“201 sollte dadurch auch der „sozial gebändigte Kapitalismus“ westdeutscher Prägung als das bessere Gesellschaftsmodell gegenüber der staatlichen gelenkten Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik positioniert werden.202 Vor diesem rechtlichen und soziologischen Hintergrund vertrat Franz Wieacker die Ansicht, dass das Privatrecht nicht nur einem „Sozialmodell“ der formalen Gleichheit, sondern auch einem solchen der „sozialen Gerechtigkeit“ und damit einer material-gerechtigkeitsbezogenen Privatautonomie dienen müsse,203 gleichsam als „Spielbein“ neben dem „Standbein“ der Vertragsfreiheit, 204 um auf diesem Wege „Fehlentwicklungen aus dem Gebrauch der Freiheit“ entgegenwirken zu können.205 Die Ausbildung eines überindi­ viduell gemeinwohlbezogenen „sozialen Privatrechts“ sei das Ergebnis einer 197  Mestmäcker, WuW 2008, 6 ff.; siehe auch Riesenhuber/ders., Selbstverantwortung, S.  1, 3, wonach das Wettbewerbsrecht im Verständnis Erhards ein Ausdruck des Selbstverantwortungsgrundsatzes war. 198 Möslein/Renner, Private Macht, unter II.; siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S.  53. 199  Siehe zu den Schutzzwecken der AGB-Kontrolle Hellwege, Allgemeine Geschäftsbedingungen, einseitig gestellte Vertragsbedingungen und die allgemeine Rechtsgeschäftslehre, S.  540 ff. 200  V. Hippel, Verbraucherschutz, 1974; K. Simitis, Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 1976; Joerges, Verbraucherschutz als Rechtsproblem, 1981. 201  Dahrendorf, Die Chancen der Krise, S.  17 und öfter; nach Reichold (JJZ 1992, S.  63, 65) hatte das Verständnis des 20. Jahrhunderts als „sozialdemokratisch“ u. a. zur Folge, dass jeder gesetzgeberischen Reform des Privatrechts automatisch das Attribut „sozial“ angeheftet worden ist, um dadurch politische Akzeptanz zu gewinnen. 202  G. P. Calliess, JJZ 2000, S.  85, 87. 203  Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  514 ff. 204  Stürner, JZ 1996, 741, 743. 205  Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 990.

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Teil 1:  Einleitung

„fortschreitenden Demokratisierung von Recht und Gesellschaft, einer auch die privatrechtlichen Beziehungen prägenden Orientierung an Menschenrechten und der Wertordnung des Grundgesetzes, das sich in Art.  20 Abs.  1 [GG] ausdrücklich zu seiner sozialstaatlichen Verpflichtung“ bekenne.206 Vor diesem Hintergrund erschien es den Vertretern dieser Ansicht nur folgerichtig, den ausgreifenden „Schutz des Schwächeren“207 im Privatrecht als Erscheinungsform des Sozialstaatsprinzips zu begreifen.208 Dogmatische Folge dieser auch sozialwissenschaftlich begründeten Materialisierung des Privatrechts war die Forderung, das parteidispositive Recht nicht nur durch marktkonstitutiv-dispositives, sondern zunehmend durch marktkompensatorisch-zwingendes (soziales) Vertragsrecht zu ersetzen.209 Demgemäß sollte etwa das Verbraucherschutzrecht nicht mehr nur dem Ausgleich von wirtschaftlichen, situativen oder intellektuellen Ungleichgewichtslagen dienen, sondern auch distributiven Zwecken.210 Allerdings waren und sind die Maßstäbe einer derart sozialstaatlich motivierten Vertragsinhaltskontrolle schon wegen der Unbestimmtheit des Sozialstaatsgrundsatzes weiterhin ungeklärt,211 weshalb sich die Rechtsanwendung mit Hilfskonstruktionen wie einem Abstellen auf den marktüblichen Zinssatz bei der Kontrolle von Gelddarlehen gem. §  138 BGB behilft.212 In jüngerer Zeit gelangten zunehmend prozedurale Maßstäbe in den Fokus der Rechtswissenschaft.213 Dieser erneute Paradigmenwechsel gründete soziologisch auch auf dem spätestens seit den 1980-Jahren erfolgenden Übergang von der klassischen Industriegesellschaft mit ihren Faktoren Arbeit und Kapital zu einer Dienstleistungsgesellschaft, die ihre Schwerpunkte auf Wissen, Information und Kommunikation legt.214 Dogmatisch äußerte sich dieser Vorgang in der zunehmenden Verbreitung eines liberalen Informationsmodells, das sich „als fortgeschrittene Alternative zu dem klassischen Instrumentarium von libe206 

Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 991. Von Hippel, Der Schutz des Schwächeren. 208 So Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, S.  237 ff. 209  Ebenso heute noch in Ansätzen Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT 2012; siehe auch die Bewertung von Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1993. 210 Möslein/Renner, Private Macht, unter II. 211  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  560; Reuter, AcP 189 (1989), 199, 202. 212  BGH v. 2.10.1986 – III ZR 130/85, NJW 1987, 183; dazu MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  119. 213  Canaris, iustitia distributiva, S.  45 ff.; ders., AcP 200 (2000), 273, 283 ff.; G. P. Calliess, JJZ 2000, S.  85, 94 ff.; ders., AcP 203 (2003), 575 ff. Die Materialisierung des Privatrechts zeigt sich nicht nur an der an Maßstäben materialer Gerechtigkeit orientierten Vertragsinhaltskontrolle, sondern auch an der Ergänzung von voluntas und culpa als Obligierungsgründe durch die Vertrauenshaftung als drittes Zurechnungsprinzip, an dem Ausbau der Gefährdungshaftung sowie an der Ersetzung von dispositiven durch zwingende, marktkomplementäre Normen; vgl. Säcker/Mohr/Aukathov, ZVerglRWiss 108 (2009), 332, 334 f. 214  G. P. Calliess, Prozedurales Recht, S.  55 ff. m. w. N. 207 

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ralem Freiheitsdenken und sozialer Fürsorge“ verstand, 215 indem es an die Stelle inhaltlicher Richtnormen zwingende Informationspflichten treten lässt.216 Diese Sichtweise wurde rechtspolitisch auch von einer Strömung getragen, die unter Absage an einen weitgehenden Rechtspaternalismus wieder „mehr Mut zum Markt“ forderte,217 basierend auf der zutreffenden, wenn auch nur einen Aspekt der komplexen Problematik beleuchtenden Erkenntnis, dass eine sachgerechte Unterrichtung der Verbraucher als „Schiedsrichter“218 zu den grundlegenden Funktionsbedingungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung gehört.219 Unter dem Aspekt wirtschaftlicher Macht liegt die besondere Problematik der Statuierung von Informationspflichten darin, dass diese nicht nur dazu dienen können, einen chancengleichen Vertragsschluss zu sichern. Vielmehr kann die Herstellung von Markttransparenz in Abhängigkeit von der Marktform (insbesondere im engen homogenen Oligopol) auch antikompetitive Effekte haben, da sie einer gemeinsamen Marktbeherrschung durch oligopolistische Reaktionsverbundenheit Vorschub leistet.220 Darüber hinaus können die mit Informationspflichten intendierten positiven Auswirkungen auf die Selbstbestimmung der Bürger auch aufgrund eines „information overload“ fehlschlagen.221 An diesem Beispiel zeigt sich erneut die Ambivalenz wirtschaftlicher Macht, die ohne einen Rückgriff auf die Wertungen des Wettbewerbsrechts nicht sachgerecht zu bewältigen ist. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts zeichnet sich mit der Schaffung eines weitreichenden Schutzes vor Diskriminierungen im Privatrecht ein weiterer Paradigmenwechsel ab.222 So wird dem Schutz vor Diskriminierungen nicht allein die Aufgabe einer Kompensation kausaler Machtbeziehungen zwischen Macht­ ausübendem und Machtunterworfenem zugesprochen, um so ein „level playing field“ zu schaffen, sondern er soll in Anlehnung an die Gesellschaftstheorien 215 

Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1993. Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1995 f.; ebenso Möslein/Renner, Private Macht, unter II.: Abkehr von den distributiven Zielsetzungen des Verbraucherschutzes und Rückkehr zu einem marktfunktionalen Verbraucherschutzrecht. 217 Vgl. Weiss, in: 25 Jahre Stiftung Marktwirtschaft und Kronberger Kreis. 218  Zur Schiedsrichterfunktion der Verbraucher Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  91 ff., 128 ff.; Beater, Unlauterer Wettbewerb, §  13 Rn.  22; Scherer, WRP 2008, 708, 711 f.; Lettl, GRUR 2004, 449, 452; Dettmar, Unlauterer Wettbewerb durch Rechtsbruch nach Maßgabe des §  4 Nr.  11 UWG n. F., S.  83. Krit. zur Begrifflichkeit Gloy/Loschelder/Erdmann/ v. Ungern-Sternberg, §  25 Rn.  7, da die Bezeichnung als Schiedsrichter der zentralen Rolle der Verbraucher als Abnehmer von Gütern nicht gerecht werde. 219  BVerfG v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91, BVerfGE 105, 252 Rn.  46 – Glykolwarnung. 220 Zu den Voraussetzungen einer kollektiven Marktbeherrschung EuG v. 6.6.2002 – T-342/99, Slg. 2002, II-2585, 2613 Rn.  62 – Airtours; dazu Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  120 ff. 221 Siehe Koch, BKR 2012, 485 ff. 222  Säcker, ZRP 2002, 286; a. A. Singer, in: FS Adomeit, 2008, S.  703 ff.; ders., in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 106 ff. 216 

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Teil 1:  Einleitung

Foucaults auch auf eine Veränderung der „strukturellen“ Verhältnisse zwischen den Bürgern hinwirken.223 Die Selbststeuerungskräfte der Märkte werden schließlich auch im Zuge der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise in Zweifel gezogen.224 Angeknüpft wird dabei unter anderem an die Diskussion über „rechtsethische Maßstäbe im Unternehmens- und Gesellschaftsrecht“.225 Eine pauschale Liberalismuskritik würde jedoch übersehen, dass ein Marktversagen – wie die Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen zeigt – auch durch eine wettbewerbskonforme und damit freiheitliche Regulierung behoben werden kann, weshalb es im Sinne eines „kritischen Liberalismus“226 geboten erscheint, zunächst nach systemkonformen Lösungen zu suchen. Dieser ausgesprochen komplexe und hier nur schemenhaft umrissene Fragenkreis ist von uns nicht in voller Breite zu vertiefen. Diese Untersuchung beschäftigt sich vielmehr mit einem Teilaspekt der Problematik in Form der Kontrolle von Preisen auch anhand der Maßstäbe des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts.

III. Zum Verhältnis von Individualwohl und Gemeinwohl Beim Abschluss von Austauschverträgen findet die Selbstbestimmung einer Vertragspartei ihre innere Schranke in der chancengleichen Freiheit des Vertragspartners (vgl. §  2 Abs.  2 Nr.  2 Satz 1 TKG), weshalb die Privatrechtsordnung die beiden Freiheitspositionen in einen sachgerechten Austausch bringen muss. Sofern eine Partei ein so starkes Übergewicht hat, dass sie Abschluss, Inhalt oder Beendigung des Vertrages einseitig bestimmen kann, muss das Privatrecht deshalb korrigierend eingreifen. Diese chancensichernde und machtbegrenzende Funktion des Privatrechts kann durch Gemeinwohlerwägungen überlagert werden, die den Interessen einer Vertragspartei aus überindividuell-objektiven Gründen einen Vorrang vor denjenigen der anderen Partei einräumen. Im Privatrecht werden derartige Modifizierungen des individuellen Interessenausgleichs mit Gerechtigkeitserwägungen begründet („Vertragsgerechtigkeit“), denen ausdrücklich oder der Sache nach bestimmte politische „Sozialmodelle“ zugrunde liegen. Im Rahmen wirtschaftlicher Sachverhalte sind Einflussnahmen auf Vertragsrechtsbeziehungen auch dadurch begründet, dass die Leistung einer Vertragspartei „im allgemeinen Interesse“ liegt oder zur „Daseinsvorsorge“ gehört. Daneben werden Aspekte wie der „Institutsschutz“ oder die „Rechtssicherheit“ angeführt. Aus zivilistischer Sicht gilt es dabei zu beachten, dass unter Verweis auf derart überindividuell-objektive Zwecke 223 

Renner, KritV 2010, 53, 55 f.; Möslein/ders., Private Macht, unter III. 3. Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 1003. 225  So der Titel des Beitrages von Wiedemann, ZGR 1980, S.  147 ff. 226  Meyer, ORDO 60 (2009), 326, insb. S.  351; siehe auch Säcker, NJW 2008, 3313 ff. 224 

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(wirtschaftliche) Machtpositionen begründet werden können, die der Idee des Vertrages als Instrument beiderseitiger Selbstbestimmung widersprechen. 1. Zur Begrifflichkeit Den klassischen Gegenbegriff zum Individualwohl bildet derjenige des allgemeinen Wohls („Gemeinwohls“).227 Dieser Begriff kann ebenso wie derjenige der Selbstbestimmung228 auf unterschiedliche Weise interpretiert werden. Zum Zweck einer ersten Systematisierung bietet es sich mit Pfeifer an, auf das jeweils in Rede stehende Rechtsverhältnis zu blicken: 229 Im Staat-Bürger-Verhältnis gilt, dass der Staat jeden hoheitlichen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Bürger rechtfertigen muss.230 Hierfür kann er sich auf die Beförderung des Gemeinwohls berufen. Im Privatrecht geht es demgegenüber grundsätzlich um die Auflösung einer „Pattsituation“; 231 denn die Bürger stehen sich nicht in einem Über-Unterordnungsverhältnis gegenüber, sondern sind einander rechtlich und nach der Grundidee des Privatrechts auch in den tatsächlichen Chancen zur Artikulation des individuellen Willens gleichgeordnet.232 Eine Einschränkung ziviler Handlungsfreiheiten kann danach nicht allein mit dem Ziel einer Beförderung übergeordnet-entindividualisierter Gemeinwohlinteressen begründet werden; 233 denn es geht gerade nicht um die Realisierung von Allgemeinwohlbelangen, sondern um die sachgerechte Abgrenzung der Entfaltungsspielräume individuell-verschiedener Bürger untereinander auf der Grundlage ihrer Präferenzen. Für diese Abgrenzungsaufgabe kommen verallgemeinernd zwei verschiedene Legitimationsprinzipien in Betracht: 234 Basiert ein privater Austauschvertrag auf der material-freien Zustimmung aller von seinen Regelungen rechtlich oder faktisch Betroffenen, ist die in ihm getroffene „private Regelung“ vom Staat grundsätzlich anzuerkennen. Ist demgegenüber eine der Vertragsparteien oder eine dritte Person in ihrer Selbstbestimmung beeinträchtigt, bedarf es eines gesonderten Maßstabs, um 227  Engel, Rechtstheorie 32 (2001), 23; Schuppert/Neidhardt/Uerpmann, Gemeinwohl, S.  179. 228  In diesem Begriff findet das „Individualwohl“ seine spezifisch privatrechtliche Ausprägung. 229  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  45 ff. 230  BVerfG v. 23.5.1980 – 2 BvR 854/79, BVerfGE 54, 143, 146 – Taubenfütterungsverbot; von Münch/Kunig/Kunig, Art.  2 GG Rn.  1, 12 ff. 231  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  45. 232 Dies ist eine wesentliche Prämisse des Ordoliberalismus, die heute durch die Ordnungsökonomik fortgeführt wird; vgl. Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 46 f. sowie Teil 4 D. I. 4. f). 233  Zur Vermeidung von Missverständnissen sei betont, dass der Gesetzgeber den privatautonomen Interessenausgleich im Rahmen der durch die Verfassung gezogenen Schranken „gemeinwohlinduziert“ steuern kann und dies bekanntlich auch in weitem Umfange tut. 234  Bachmann, Private Ordnung, S.  204 ff., insb. S.  206 ff.

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die individuellen Freiheiten in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Im Rahmen dieses Interessenausgleichs sind bei ideal-zivilistischer Sicht nur die Interessen der von der (vertraglichen) Regelung rechtlich und faktisch betroffenen Bürger relevant. Gregor Bachmann hat diesen Maßstab als „Gruppenwohl“ bezeichnet, 235 um einerseits zu verdeutlichen, dass es zum Ausgleich der individuellen Freiheiten eines dritten Maßstabes bedarf, und andererseits klarzustellen, dass dieser Maßstab in einer marktwirtschaftlich-freien Privatrechtsordnung nicht in einem entindividualisierten Gemeinwohl liegen kann. Zur Legitimation der Gültigkeit eines „einfachen“, dritte Interessen nicht wesentlich tangierenden Austauschvertrags reicht folglich die beiderseitig material-freie Zustimmung der Vertragsparteien aus. Demgegenüber wäre zur Legitimation eines Kartellvertrags auch die material-freie Zustimmung der von der Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen anderen Marktteilnehmer vonnöten.236 Da diese regelmäßig nicht vorliegen wird, ist die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung einer Kontrolle anhand des Maßstabes „Schutz vor Ausbeutung“237 zu unterziehen, verstanden als Schutz der materialen Privatautonomie der Drittbetroffenen. 2. Gemeinwohl a) Überpositive und normative Bedeutung Der Begriff des Gemeinwohls gehört seit alters her zum Sprachgebrauch des politischen und juristischen Diskurses.238 Eine allgemeine Definition besagt, dass es sich bei dem Regelungsgegenstand um eine Sache des ganzen Gemeinwesens im Unterschied zu den Partikularinteressen der Individuen oder einzelner Gruppen handeln muss.239 Der konkrete Inhalt des „Gemeinwohls“ ist hoch streitig; dies betrifft bereits die Frage, ob es überhaupt einen subsumtionsfähigen „materialen Begriff des Gemeinwohls“ gibt.240 Die entsprechende, originär öffentlich-rechtliche Diskussion muss in unserer zivilistischen Untersuchung

235 

Bachmann, Private Ordnung, S.  206. Siehe dazu Teil 4 D. II. 4. 237  Begriff nach Bachmann, Private Ordnung, S.  204 ff. 238 Vgl. Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem 1970, S.   37 f.; Brugger/ Kirste/Anderheiden/Ch. Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 176; Brugger/Kirste/Anderheiden/ Koller, Gemeinwohl, S.  41. 239  Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S.   333; Brugger/Kirste/Anderheiden/Ch. Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 176, wonach der Begriffsbestimmung die Unterscheidung von privaten und öffentlichen Interessen immanent sei. 240  Engel, Rechtstheorie 32 (2001), 23; Anderheiden, Gemeinwohl in Republik und Union, S.  5 ff. m. w. N.; Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  91 f. Siehe aber auch Kunig, Rechtsstaats­ prinzip, S.  333, wonach der materielle Gehalt schon daraus folge, dass ein auf das Gemeinwohl verpflichteter Gesetzgeber keine Partikularinteressen befördern dürfe. 236 

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nicht in voller Tiefe nachvollzogen und bewertet werden.241 Es gilt vielmehr, den schillernden Begriff des Gemeinwohls, der zuweilen synonym mit demjenigen des öffentlichen Interesses („ordre public“) verwendet wird,242 in den Kontext unserer Untersuchung der wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen der Vertragsfreiheit einzuordnen. Im Ausgangspunkt muss zwischen einer überpositiven und der normativen Ebene differenziert werden.243 Gemeinwohl kann zum einen als Vorgabe für die Ausgestaltung des positiven Rechts betrachtet werden. Bei einer solchen Herangehensweise umfasst und überragt das Gemeinwohl einzelne konkrete Ausformulierungen im positiven Recht, bedarf jedoch als überpositiver Wertmaßstab der näheren Konkretisierung im Verfassungsrecht und im einfachen Recht. Zum anderen werden der Begriff des Gemeinwohls und spezifische Ausprägungen wie die Daseinsvorsorge auch im positiven Recht benutzt.244 Das Gemeinwohl fungiert insoweit also nicht als Vorgabe für das positive Recht, sondern es ist dessen Gegenstand, weshalb sein Aussagegehalt mit den üblichen Mitteln der juristischen Methodenlehre zu bestimmen ist. Als Beispiel kann Art.  14 Abs.  3 Satz 1 GG benannt werden, wonach Enteignungen „zum Wohl der Allgemeinheit“ zulässig sind. Aus dem Unionsrecht können die Art.  106 Abs.  2 und 14 AEUV angeführt werden, die, wie wir sogleich sehen werden, für „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ eine Legalausnahme von den europäischen Wettbewerbsvorschriften statuieren. Darüber hinaus kann der Bezug einer Rechtsnorm auf das allgemeine Wohl im Wege teleologischer Auslegung hergestellt werden. Beispiele sind die zu diskutierende Ausrichtung des in §  138 BGB normierten Verbots von Verträgen, die gegen die guten Sitten verstoßen, auf den Schutz des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als Ausdruck des wirtschaftlichen ordre public, die kontrovers diskutierte Rechtfertigung von Wettbewerbsbeschränkungen durch außerökonomische Allgemeinwohlbelange245 sowie auf gleichsam übergeordneter Ebene die Ausrichtung des Wettbewerbsrechts auf ein wohlfahrtsökonomisch zu bestimmendes „allgemei-

241  Siehe dazu – jeweils mit umfangreichen weiteren Nachweisen – Brugger/Kirste/Anderheiden (Hrsg.), Gemeinwohl; Münkler/Fischer (Hrsg.), Gemeinwohl und Gemeinsinn; Schuppert/Neidhardt (Hrsg.), Gemeinwohl; Krautscheid (Hrsg.), Daseinsvorsorge. 242  Häberle, Öffentliches Interesse als juristisches Problem, S.  37 f.; Brugger/Kirste/Anderheiden/Ch. Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 176; Brugger/Kirste/Anderheiden/Koller, Gemeinwohl, S.  41. 243 Brugger/Kirste/Anderheiden/Brugger, Gemeinwohl, S.  17, 19. 244  Soweit diese in der Verfassung normiert sind, gehen sie der allgemeinen Gemeinwohlverpflichtung des Gesetzgebers vor, vgl. Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S.  333 f., unter Verweis auf die Vorgaben des Art.  14 Abs.  3 Satz 1 GG, die nicht durch einen Rückgriff auf allgemeine Gemeinwohlerwägungen umgangen werden dürften. 245  Dazu Dauses/Hoffmann, Art.  101 und 102 AEUV im Überblick Rn.  3 sowie Teil 9 C. II. 2.

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nes Wohlergehen“ der Verbraucher („general welfare“) 246 durch den „more economic approach“ der Kommission.247 In seiner überpositiven Bedeutung fungiert das Gemeinwohl als Grund und Grenze staatlichen Handelns; es zu fördern ist somit die wichtigste Aufgabe des Staates.248 Zugleich beinhaltet der Begriff „Gemeinwohl“ die Aussage, dass es Handlungen gibt, die nicht nur Partikularinteressen befriedigen, sondern im Wohl aller Bürger und der staatlichen Gemeinschaft liegen.249 In einem Verfassungsstaat liegt es nahe, diese noch wenig konkrete Aussage durch die Verfassung zu präzisieren.250 Die Konkretisierung des Gemeinwohls erfordert im Einzelfall regelmäßig eine Auflösung von Kollisions- und Spannungslagen, indem die aufeinandertreffenden Belange, Rechtsgüter, Werte und Prinzipien durch eine Wertentscheidung des Regelungsgebers miteinander ausbalanciert werden.251 Neben der Frage, um welchen Regelungsbereich es geht (Über- und Unterordnung oder Gleichordnung), ist von wesentlicher praktischer Bedeutung, wem die entsprechende Abwägungskompetenz zukommt.252 In einer repräsentativen Demokratie obliegt diese zuvörderst dem Gesetzgeber, 253 der bei der Kompetenzausübung aber nicht frei, sondern an die Verfassung gebunden ist, was wiederum durch die Verfassungsgerichtsbarkeit kontrolliert wird.254 Im deutschen Recht können die relevanten Gemeinwohlkriterien auf Bundesebene vor allem den einzelnen Grundrechten, der Staatsstrukturregelung des Art.  20 GG sowie weiteren Staatszielbestimmungen entnommen werden.255 Das zentrale dogmatische Instrument zur Kontrolle des Gesetzgebers durch die Verfassungsgerichtsbarkeit ist das sog. Übermaßverbot als Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.256 Der Gesetzgeber darf in die Freiheit und das Eigentum der Bürger deshalb nur dann eingreifen, wenn die Maßnahme zur Erreichung des im Gemeinwohl stehenden legitimen Regelungsziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.257 Die verfassungsrechtlichen Gemein246 Brugger/Kirste/Anderheiden/Brugger,

Gemeinwohl, S.  17, 19. Siehe dazu Teil 5 B. 248  Eine Ableitung aus dem Grundgesetz findet sich bei Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S.  333; Schuppert/Neidhardt/Uerpmann, Gemeinwohl, S.  179; Schuppert, GewArch 2004, 441. 249  Vgl. Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289. 250  Vgl. Brugger/Kirste/Anderheiden/Ch. Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 176 ff.; Schuppert, GewArch 2004, 441; zum Gemeinwohl als Element der Verfassungsdogmatik Brugger/Kir­ ste/Anderheiden/Engel, Gemeinwohl, S.  103 ff. 251  Schuppert, GewArch 2004, 441, 445 f. 252  Engel, Rechtstheorie 32 (2001), 23, 24. 253  Vgl. Schuppert/Neidhardt/Uerpmann, Gemeinwohl, S.  179, 184. 254  Schuppert, GewArch 2004, 441, 443. 255 Schuppert/Neidhardt/Uerpmann, Gemeinwohl, S.  179, 180 ff. 256  Zur dogmatischen Ableitung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit aus den Grundrechten, da diesen die Aufgabe der Abwehr bzw. der Mäßigung staatlichen Handelns zukomme, siehe Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S.  354 ff. 257 Brugger/Kirste/Anderheiden/Engel, Gemeinwohl, S.  103 f.; BVerfG v. 6.6.1989 – 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 – Beschränkung des Reitens im Walde. 247 

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wohlkriterien wirken somit auf die Gesetzgebung ein, wie sich besonders deutlich mit Blick auf Handlungsaufträge an den Gesetzgeber wie der noch zu erläuternden Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Bereitstellung von infrastrukturbasierten Dienstleistungen zeigt.258 Anerkannte verfassungsrechtliche Gemeinwohlbelange gibt es in großer Zahl und mit unterschiedlichem Gewicht.259 Beispielhaft zu benennen sind der Schutz der Menschenwürde als höchstes Verfassungsgut (Art.  1 GG), der Umweltschutz (Art.  20a GG), aber auch die Sicherung und Förderung eines „chancengleichen Wettbewerbs“ (Art.  3 Abs.  3 Uabs.  1 Satz 2 EUV, Protokoll Nr.  27 zum Vertrag von Lissabon), 260 die Gewährleistung der Chance zur Selbstbestimmung beim Abschluss von privatrechtlichen Verträgen (Art.  2 Abs.  1 GG), der Schutz vor Diskriminierungen (Art.  21, 23 EU-GRCharta, Art.  3 Abs.  3 GG), 261 eine „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht“ (vgl. §  1 EnWG262), die Förderung des „chancengleichen“ Wettbewerbs im Bereich der Telekommunikation 263 und leistungsfähiger Telekommunikations­ infrastrukturen sowie die flächendeckende Gewährleistung angemessener und ausreichender Dienstleistungen (Art.  87f Abs.  1 GG; §  1 TKG), oder die „Gewährleistung eines sicheren Betriebs der Eisenbahn und eines attraktiven Verkehrsangebotes auf der Schiene“ sowie die „Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene bei dem Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen und dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen“ (Art.  87e Abs.  4 GG; §  1 Abs.  1 Satz 1 AEG).264 Im Hinblick auf die Funktion der Europäischen Union, Elemente der staatlichen Gemeinwohlverantwortung durch völkerrechtlichen Vertrag auf eine internationale Organisation eigener Art abzugeben, 265 kann man in den Zielbestimmungen der Unionsverträge eine Umschreibung von spezifischen Aspek-

258 Schuppert/Neidhardt/Uerpmann, Gemeinwohl, S.  179, 190; zur Gewährleistungsverantwortung siehe Teil 2 F. 259 Brugger/Kirste/Anderheiden/Engel, Gemeinwohl, S.  108. 260  Siehe dazu Teil 2 C. Zur Regulierung der TK-Märkte vgl. auch BVerfG v. 8.12.2011 – 1 BvR 1932/08, MMR 2012, 186, LS der Redaktion; Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG Rn.  116. 261  Dazu Adomeit/Mohr/Mohr, §  1 AGG Rn.  11 ff. 262  Zur entsprechenden Schutzpflicht des Staates vgl. Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 683; Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 375; Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 320; Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1, 7; Berndt, Anreizregulierung, S.  38 mit Fn.  66; siehe zur Energierechtsreform 1998 auch BVerwG v. 11.7.2002 – 4 C 9/00, NJW 2003, 230, 231 f. 263  Siehe §  2 Abs.  2 Nr.  2 Satz 1 TKG. 264 Schuppert/Neidhardt/Uerpmann, Gemeinwohl, S.   179, 180 ff.; Schuppert, GewArch 2004, 441, 444. 265 Dauses/Müller-Graff, A. I. Rn.  75.

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ten eines europäischen Gemeinwohls erblicken.266 Die Aufgaben- und Zielumschreibungen überlagern insoweit den „alteuropäischen Gemeinwohlinteressenbegriff“, ohne mit ihm in allen Punkten deckungsgleich zu sein. 267 Sie unterscheiden sich vor allem durch ihren höheren Konkretisierungsgrad vom „allgemeinen Gemeinwohlauftrag“ der EU-Mitgliedstaaten.268 Ein wesentlicher Ausdruck dieser „Hochzonung der staatlichen Verantwortung für das Gemeinwohl auf den europäischen Staaten- und Verfassungsverbund“ (Christian Calliess) 269 ist der durch den Lissabon-Vertrag neu geschaffene Art.  14 AEUV, der den „Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ einen verbesserten normativen Stellenwert einräumt.270 Auf diese Vorschrift werden wir noch zurückkommen. Für unsere Untersuchung wird sich insbesondere die Verpflichtung der Union auf eine soziale Marktwirtschaft gem. Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV als bedeutsam erweisen, da sich in dieser Vorschrift eine auch für die Mitgliedstaaten verbindliche, auf den Schutz individueller wirtschaftlicher Freiheit abzielende Wirtschaftsverfassung manifestiert, weshalb es insoweit nicht mehr überzeugend ist, auf die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes zu verweisen.271 Schon auf den ersten Blick weist Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV mit dem Begriffspaar „Marktwirtschaft“ und „sozial“ auf den grundlegenden Dualismus zwischen marktbezogenen und sonstigen, nicht-wettbewerblichen Gemeinwohlzielen hin, wie er sich auch im Begriffspaar „Selbstbestimmung“ und „Gemeinwohl“ zeigt. Der Dualismus bedarf im Rahmen konkreter Regelungsaufgaben deshalb der Auflösung durch den Gesetzgeber bzw. – bei der inhaltlichen Konkretisierung konfligierender Zielvorgaben (vgl. die §§  1 EnWG, 1 TKG, §  1 Abs.  1 Satz 1 AEG) – durch die Exekutive und die Rechtsprechung. Für das Wettbewerbsrecht bedeutet dies, dass eine normativ getroffene Wert­ entscheidung für ein bestimmtes Schutzkonzept wie den Schutz der materialen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer durch eine (Ausbeutungs-)Missbrauchskontrolle unternehmerischer Marktmacht nicht durch „freies wettbewerbspolitisches Räsonieren“272 in Frage gestellt werden darf, wie dies im Rahmen des im Jahr 2007 geschaffenen §  29 GWB zu beobachten war. Eine Auflösung etwaiger Zielkonflikte muss vielmehr „within the law“ erfolgen, also unter Beachtung der verfassungsgemäßen Wertentscheidungen des Gesetzgebers. 273 Aus diesem Grunde kann die Entscheidung des Gesetzgebers, eine Rechtferti266 Zur dogmatischen Begründung Brugger/Kirste/Anderheiden/Ch. Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 177 ff. und insb. S.  194 ff.; vgl. auch Wolf, Effizienzen, S.  131. 267  Häberle, Öffentliches Interesse, S.  7 77. 268  Schuppert, GewArch 2004, 441 ff. 269 Brugger/Kirste/Anderheiden/Ch. Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 186. 270 Krautscheid/von Danwitz, Daseinsvorsorge, S.  103, 118. 271  Siehe zur Begründung Teil 2 C. und D. 272  Säcker, Zielkonflikte, S.  21. 273  Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S.  21; zust. Kerber, WuW 2008, 424.

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gung von Beschränkungen des freien Wettbewerbsprozesses durch ökonomische Effizienzerwägungen nur in Ausnahmefällen zuzulassen (paradigmatisch ist Art.  101 Abs.  3 AEUV), nicht durch eine allgemeine ökonomische Abwägung der Vor- und Nachteile unternehmerischen Verhaltens für die Wohlfahrt der Verbraucher im Rahmen der Interpretation des Merkmals „Wettbewerbsbeschränkung“ ersetzt werden (Problem der „rule of reason“). Auch ist es nicht zulässig, die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften in Form der Zugangs-, Entgelt- und Entflechtungsregulierung bei einer konkreten Regelungsentscheidung durch überindividuell-gemeinwohlfördernde Zwecke zu überlagern, selbst wenn diese in den allgemeinen Zielbestimmungen der Regulierungsgesetze formal gleichberechtigt neben der Sicherung und Förderung des Wettbewerbs benannt sein mögen (vgl. §  1 EnWG, §§  1 und 2 TKG, §  1 AEG). Auf diese Problempunkte werden wir noch zurückkommen. b) Überblick über das ökonomische Verständnis von „Gemeinwohl“ Die ökonomischen Theorien über die Funktionsweise von Märkten und die darauf aufbauenden Empfehlungen für eine staatliche Regulierung bilden einen zentralen, späteren Erörterungen vorbehaltenen Gegenstand dieser Untersuchung. Aufgrund des Sachzusammenhangs wollen wir jedoch schon an dieser Stelle auf grundlegende Aussagen der Wirtschaftswissenschaften blicken, soweit diese das Legitimationskonzept des Gemeinwohls betreffen (vgl. Art.  101 Abs.  3 AEUV).274 aa) Neoklassische Wettbewerbstheorie In den Wirtschaftswissenschaften begegnet man dem Begriff des „Gemeinwohls“ – sofern damit kollektive oder gesellschaftliche Bedürfnisse gemeint sind – mit Skepsis: Bei einer „Bedürfnisse empfindenden Gemeinschaft“ handle es sich letztlich um eine „wohlklingende Fiktion mit Beschwichtigungsfunktion“, die dazu benutzt werden könne, nahezu jede staatliche Maßnahme zu rechtfertigen.275 Auf der Grundlage dieses grundsätzlich überzeugenden Befunds hat sich die neoklassische Ökonomie stattdessen auf die Untersuchung von Märkten spezialisiert. Sie will unter Ausblendung des institutionellen Umfelds (zu dem auch die Rechtsordnung gehört) und unter Konzentration auf Gleichgewichtsanalysen Aussagen über den möglichst effizienten Einsatz ökonomischer Ressourcen treffen, um auf diese Weise die bestmögliche Verwendung der knappen Produktionsfaktoren („effiziente Allokation der Ressour274  Gewisse Überschneidungen sind der Reduzierung der Komplexität und der besseren Darstellung geschuldet; der ökonomisch vorgebildete Leser wird insoweit um freundliches Verständnis gebeten. 275  Streit, Theorie der Wirtschaftspolitik, S.  211.

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cen“) zu erreichen.276 Es soll ermittelt werden, wie eine gegebene Menge von Ressourcen (der „Input“) so einzusetzen ist, dass das Ergebnis (der „Output“) maximiert wird („ökonomisches Rational-Prinzip“).277 Eine solche Sichtweise wird jede Diskussion über die „gerechtere“ Verteilung von knappen Ressourcen als modellimmanent bedeutungslos ansehen; denn mit dem besseren Einsatz der Ressourcen steigt definitionsgemäß auch der Gesamtnutzen, womit Verteilungsprobleme an praktischer Relevanz zu verlieren scheinen.278 Darüber hinaus scheint es naheliegend, aus einer individuellen Nutzenlehre eine solche des Gesamtnutzens zu entwickeln, auch benannt als „gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt“ oder „soziale Wohlfahrt“, sofern man die Auswirkungen von Markttransaktionen auf Nichtmarktteilnehmer mit in den Blick nimmt („externe Effekte“ im weiteren Sinne).279 Das ist das Kerngebiet der Wohlfahrtsökonomie. bb) Wohlfahrtsökonomie Bei der Wohlfahrtsökonomie handelt es sich um eine normative Theorie.280 Während die positive Ökonomie als Realwissenschaft Kenntnisse über Funktionszusammenhänge von Änderungen rechtlicher Regelungen und den dadurch bewirkten Folgen produzieren kann (Wirkungsanalyse), fragt die normative ökonomische Theorie zusätzlich nach der wünschbaren Gestaltung rechtlicher Regelungen.281 Als wünschenswert angesehen wird regelmäßig eine Steigerung des Nutzens, wobei auf den Durchschnittsnutzen, den Gesamtnutzen oder etwa den Verbrauchernutzen abgestellt werden kann. Demgemäß kann man – stark verallgemeinernd – die positive ökonomische Theorie der juristischen Gemeinwohlsäule „Zweckmäßigkeit des Rechts“ zuordnen, 282 wohingegen die 276 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157 f.; dazu Teil 4 C. III. Unter Allokation versteht man in den Wirtschaftswissenschaften zum einen die Verteilung der Güter auf die Konsumenten, wobei angegeben wird, wieviel jeder Konsument von jedem Gut erhält, und zum anderen eine Verteilung der Rohstoffe und Produktionsfaktoren auf die Unternehmen und die Angabe, welche Outputmengen in welchem Unternehmen hergestellt werden; vgl. Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 45. Allokation bedeutet somit letztlich die Zuweisung von Mitteln zu einer von alternativen Verwendungen, vgl. Streissler/Streissler, VWL für Juristen, S.  13 Rn.  69. 277 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 159. 278 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 160. 279 Vgl. Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.   289; Schuppert/ Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 162, wonach die Wohlfahrtsökonomie eine „Partialkritik“ der neoklassischen Wirtschaftstheorie enthalte, da hier auch das soziale Optimum beachtet werde. 280  Zu dieser Unterscheidung siehe Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  8 f.; Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 134; Eidenmüller, Effizienz, S.  21; Posner, Economic Analysis of Law, S.  24 ff. 281 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 136. Siehe noch Teil 4 C. III. 3. 282 Brugger/Kirste/Anderheiden/Brugger, Gemeinwohl, S.  17, 23, 31.

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Säule der „Legitimität des Rechts“ der normativen ökonomischen Theorie entspricht.283 In der normativen Ökonomie werden neben der Wohlfahrtsökonomie noch andere Möglichkeiten erörtert, die Wohlfahrt näher zu konkretisieren. Da wir hierauf im Rahmen der Theorien von Markt und Wettbewerb zurückkommen, können sich die folgenden Ausführungen auf einen Überblick unter dem spezifischen Blickwinkel des Gemeinwohls beschränken.284 Sofern ein Regelungsgeber den Individuen nicht von „oben“ ein bestimmtes Handlungsergebnis vorschreiben will, muss er über eine Möglichkeit verfügen, die Interessen der von einer Regelung oder Maßnahme Betroffenen zu aggregieren, um zu Aussagen über die „Wünschbarkeit“ gesellschaftlicher Zustände zu kommen. Dabei muss es bei einem Vergleich zweier Zustände zumindest möglich sein, denjenigen Zustand zu ermitteln, der aus gesellschaftlicher Sicht vorzuziehen ist (Bildung einer „Ordnung“). Die klassische utilitaristisch inspirierte Wohlfahrtsökonomie285 geht insoweit davon aus, dass man die Interessen der Individuen anhand eines objektiv gültigen Maßstabes abwägen kann („interpersoneller Nutzenvergleich“).286 In der modernen (Wohlfahrts-)Ökonomie hat sich demgegenüber die schon intuitiv einleuchtende Erkenntnis durchgesetzt, dass sich ein individueller Nutzen nicht interpersonell messen lässt, ohne den Individuen extern gesetzte Wertmaßstäbe zu oktroyieren.287 Folglich stellt die neue („paretianische“288) Wohlfahrtstheorie zur Bewertung der Gemeinwohlverträglichkeit von Handlungen – unter Verzicht auf eine quantitative Zusammenfassung der individuellen Nutzen – (nur) darauf ab, ob durch die Handlungen niemand mehr besser gestellt werden kann, ohne dass ein anderer schlechter gestellt würde.289 Der „Preis“ dieser Vorgehensweise ist, dass man zwar eine Teilmenge der gesellschaftlichen Zustände als „pareto-optimal“ kennzeichnen, jedoch innerhalb der unterschiedlichen Teilmengen keine Bewertung verschiedener Zustände vornehmen kann. Es kann vielmehr viele „pareto-optimale“ Zustände geben. Gesellschaftliche Entscheidungen bestehen jedoch typischerweise darin, aus der Menge der „pareto-optimalen“ Lösungen eine ganz bestimmte Lösung auszuwählen.290 Für diese Auswahlentscheidung ist das Pareto-Prinzip selbst nicht geeignet, da es als Entscheidungskriterium nur die Einstimmigkeit kennt, also 283 Brugger/Kirste/Anderheiden/Brugger,

Gemeinwohl, S.  17, 31 mit Fn.  29. Zum Folgenden Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289 ff. 285  Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation, 1823; Mill/Mill, Liberty and Utilitarianism, 1871, S.  135 ff.; Sidgwick, The Methods of Ethics, 5.  Aufl. 1893; dazu Eidenmüller, Effizienz, S.  22 ff. 286 Schumann/Schumann, Kosmos der Ökonomie, S.  248, 252. 287 Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 45; Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 160. 288  Pareto, Manual d’économie politique, 1906, S.  145 ff. 289  Dazu Teil 4 C. III. 3. c). 290 Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289, 294. 284 

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gleichsam ein Vetorecht für jeden Einzelnen statuiert.291 Das Kriterium eignet sich somit nicht als Konfliktschlichtungsmechanismus, 292 weshalb es – im Ergebnis wohl zu negativ – als normatives Minimalkonzept gekennzeichnet wird; 293 denn das Pareto-Kriterium hat für das marktbezogene Vertragsrecht eine grundlegende Bedeutung, da es die sich auf der Grundlage privater Tauschakte konstituierende Wettbewerbswirtschaft legitimiert. 294 Während sich jedoch im wirtschaftlichen Bereich ein bestimmter Zustand aus einer Vielzahl von regelmäßig nicht bewusst koordinierten, wenn auch in der Realität normativ vorstrukturierten Entscheidungen der Marktteilnehmer, also gleichsam implizit ergibt („invisible hand“), muss im politischen Bereich häufig bewusst eine bestimmte kollektive Entscheidung herbeigeführt werden, indem etwa ein Gesetz erlassen wird.295 Die dafür erforderliche Auswahl unter mehreren paretoeffizienten Zuständen kann – wie das von Arrow aufgestellte Unmöglichkeitstheorem gezeigt hat 296 – nicht ausschließlich unter Rekurs auf das für eine Demokratie prägende Mehrheitsprinzip getroffen werden, da es bei Einhaltung minimaler Anforderungen an eine demokratische und konsistente Entscheidungsfindung nicht möglich ist, eine bestimmte Auswahl unter verschiedenen Zuständen zu treffen.297 Entscheidend ist vielmehr, wer die Abwägung vornimmt, mithin die „Abwägungskompetenz“ innehat.298 Der entsprechende Entscheidungsträger muss bei seiner Abwägung nicht nur die (untechnisch gesprochen) Funktionsfähigkeit von Märkten beachten, sondern auch die Befriedigung sonstiger – nicht ökonomischer – Ziele. Darüber hinaus sind Wohl­ fahrts­einbußen durch externe Effekte zu vermeiden.299 Aufgrund dieser Einschränkungen des Pareto-Kriteriums werden gemeinwohlbezogene Entscheidungen in der Wohlfahrtstheorie ergänzend über das sog. Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium begründet.300 Hiernach ist ein sozialer Zustand A auch dann einem anderen sozialen Zustand B vorzuziehen, wenn zwar einige Individuen schlechter gestellt werden, die Individuen im Zustand A jedoch die Individuen im Zustand B (fiktiv) entschädigen könnten und ihnen gleichwohl noch ein „Residualvorteil“ verbliebe.301 Die Wohlfahrt be291 

Albert, Traktat über rationale Praxis, S.  130; Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 307. Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  192. 293 So Wigger, Finanzwissenschaft, S.  25. 294 Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289, 298 und 317. 295 Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289, 303 f. 296  Arrow, Social Choice and Individual Values. 297  Vgl. dazu Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289, 303 ff. 298  So zur juristischen Diskussion über die Definition des Gemeinwohls Schuppert, GewArch 2004, 441, 447. 299 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 160. 300 Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.   289, 311; Schuppert/ Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 162. 301 Grundlegend Kaldor, Econ. J. 49 (1939), 549 ff.; Hicks, Econ. J. 49 (1939), 696 ff.; vgl. dazu Eidenmüller, Effizienz, S.  51 ff.; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  58; Lab292 

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stimmt sich nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium also auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse,302 weshalb sich das Kriterium anders als das Pareto-Kriterium auch für Situationen bzw. Situationsänderungen nach Umverteilung eignet.303 Mit einer solchen Analyse kann man methodisch sowohl das Problem interpersoneller Nutzenvergleiche als auch dasjenige der kardinalen Nutzenmessung umgehen; 304 denn verglichen wird nicht mehr der subjektive Nutzen, sondern die Zahlungsbereitschaft, also eine monetäre Größe.305 Allerdings geht das Kaldor-Hicks-Kriterium von einer vorgegebenen – und damit ggf. sehr ungleichen – Ausgangslage aus. Der optimale Zustand, den man durch die Zahlung erreichen kann, gilt somit nicht allgemein, sondern nur auf der Grundlage der persönlichen Zahlungsbereitschaft.306 Auch muss die Zahlung in der Realität gerade nicht erfolgen. Es ist somit zweifelhaft, ob man auf dieser Grundlage noch von Gemeinwohl reden kann, auch wenn es in der politischen Wirklichkeit unabdingbar erscheinen mag, Nutzenabwägungen mit negativen Auswirkungen auf bestimmte Bevölkerungsgruppen zu treffen, sofern man sich nicht darauf zurückziehen will, bestimmte Abwägungen gänzlich zu vermeiden.307 cc) Freiheitliches Verständnis von Gemeinwohl Ein ausschließlich oder auch nur überwiegend wohlfahrtsökonomisches Verständnis von Gemeinwohl ist mit Blick auf Markt und Wettbewerb nicht zwingend. Es werden vielmehr auch freiheitliche (Markt-)Theorien vertreten, sei es ausschließlich oder im Rahmen einer beide Zielkomplexe betonenden – und damit vorzugswürdigen – Sichtweise (Paradigma: Konzept der Workable Competition). Dabei geht es im Ausgangspunkt um die Frage, ob der Wettbewerbs­ prozess unmittelbar normativ vorgegebene gute Ergebnisse erzielen oder durch den Schutz der individuellen Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer mittelbar zur Gemeinwohlerfüllung beitragen soll,308 wobei in der praktischen Wettbewerbspolitik die beiden Ansätze gemeinsam verwendet werden (Paradigma: Art.   101 Abs.   1 und Abs.   3 AEUV). Anders als bei einer überindivi­ duellgemeinwohlorientierten bzw. wohlfahrtsökonomisch-effizienzbasierten Sichtrenz, Anfechtungsklage, S.  18. Siehe auch van Aaken, „Rational Choice“, S.  217: Simulation einer „Einstimmigkeit durch Stimmenkauf“. 302  Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  193: Mutter der Kosten-Nutzen-Analyse. 303  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  217. 304 Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289, 294. 305 Schumann/Schumann, Kosmos der Ökonomie, S.  248, 257. 306  Mathies, Effizienz oder Gerechtigkeit?, S.   65; siehe auch Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 315 ff. 307  So Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.  289, 295 und 312. Siehe zur Diskussion, ob die Menschenwürde des Art.  1 GG einer Abwägung zugänglich ist, Maunz/Dürig/Herdegen, Art.  1 GG Rn.  4 4 und 73 f. 308 Vgl. Kersten, VVDStRL 69 (2010), 280, 291.

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weise liegt den freiheitsbezogenen Ansätzen somit ein „gestuftes Gemeinwohlverständnis“ zugrunde.309 Nach diesem schützen die wettbewerbsrechtlichen Normen 310 die Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer in einem ergebnisoffenen Marktprozess, an dessen unverfälschter Gestalt ein allgemeines Interesse besteht (vgl. §  1 Satz 2 UWG).311 Die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs als eines ergebnisoffenen „Entdeckungsverfahrens“312 begründet hiernach die durch Erfahrung bestätigte Erwartung, dass der so entstehende freie Markt mittelfristig besser als eine „diskretionäre Einzelsteuerung“ zu gesellschaftlichem Wohlstand, technischer Innovation und sozialer Dynamik führt.313 Auf dieser Grundlage beschränken sich rein freiheitsbezogene Ansätze auf die Ordnung von Märkten und blenden außerökonomische Gesichtspunkte aus, da diese über den freien Wettbewerb automatisch mit verwirklicht würden (Hoppmann). Die Vertreter des Ordoliberalismus betonten demgegenüber – insoweit in Übereinstimmung mit der Neuen Institutionenökonomik – die Zusammenhänge zwischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. So plädierte Walter Eucken für ein Denken in Ordnungen, um über den vielfältigen wirtschaftlichen Sachverhalten, die beobachtet werden, nicht den Blick für die grundsätzlichen Strukturen des Wirtschaftssystems zu verlieren.314 Die Wirtschaftsordnung dürfe nicht isoliert gesehen werden, sondern nur in Zusammenhang mit der politischen und der kulturellen Ordnung (Interdependenz der Ordnungen).315 dd) Neue Institutionenökonomik Die Neue Institutionenökonomik geht über die vorstehend erläuterte marktbezogene Sichtweise hinaus, da sie sich nicht auf die Allokation von Ressourcen auf Märkten beschränkt, sondern sich allgemein mit der Ordnung der Gesellschaft durch allgemeine Spielregeln beschäftigt, die das Verhalten der Indivi­ duen (die Spielzüge) kanalisieren und steuern.316 Die entsprechenden Rege­ lungen werden gemeinsam mit den Instrumenten ihrer Durchsetzung als „Institutionen“ bezeichnet.317 Dabei kann es sich um abstrakte Institutionen handeln 309 Dazu

Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 291 m. w. N. zählen auch die Vorschriften der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften. 311  Siehe BVerfG v. 9.10.2000 – 1 BvR 1627/95, GRUR 2011, 266, 267. 312  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ; siehe dazu noch Teil 4 C. V. 2. 313  Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 292. 314  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  19 ff.; Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  239; siehe dazu Teil 4 D. I. 3. 315  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  13 ff. 316  Vgl. zum Folgenden Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 163 ff. 317 Vgl. Voigt, Institutionenökonomik, S.  27. 310 Hierzu

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wie Vertrag, Privateigentum und Haftung, aber auch um Organisationen wie Markt und Unternehmen.318 Die Neue Institutionenökonomik will ebenso wie die neoklassische Wirtschaftstheorie Aussagen darüber generieren, wie menschliche Akteure in sozialen Interaktionen unter Knappheitsbedingungen auf Änderungen von Anreizen und Sanktionen reagieren. Zu diesen „Restriktionen“ zählen auch Institutionen wie rechtliche Regelungen.319 Ausgehend vom methodologischen Individualismus will die Neue Institutionenökonomik ermitteln, wie sich Änderungen der Institutionen bei konstanten Präferenzordnungen der Akteure auswirken. Hierfür verwendet sie mehrere Annahmen, insbesondere die Knappheit der Ressourcen, das Eigennutzentheorem sowie die Rationalität der Marktakteure.320 Sie modifiziert diese allerdings dahingehend, dass Informationen nicht kostenlos zur Verfügung stehen, Transaktionen mit Kosten verbunden sind und die Rationalität der Akteure beschränkt ist.321 Demgemäß rückt die Informa­ tionsgewinnung und Informationsverarbeitung in das Zentrum der Untersuchung, da Institutionen als unvollständig angesehen werden, seien es Verträge oder Gesetze.322 Dies wird uns noch in Zusammenhang mit den Möglichkeiten und Grenzen ökonomischer Theorien beschäftigen. Institutionen finden sich auf unterschiedlichen Regelungsebenen, vom zweiseitigen Austauschvertrag bis hin zur Verfassung von Staaten. Dabei bilden die privat gesetzten Regelungen gleichsam die Basis und die Verfassungen die Spitze einer Pyramide, wobei die Regelungen der höheren Ebene die darunter liegenden Ebenen determinieren.323 Bei der Frage, wie die verschiedenen Ebenen auszugestalten sind, kommt der Gemeinwohlbezug der Neuen Institutionenökonomik zum Tragen.324 Diese erweitert den Anwendungsbereich ihres Forschungsgebiets insoweit, als sie das ökonomische Paradigma auf Fragestellungen von anderen Disziplinen anwendet, im Sinne einer allgemeinen Gesellschaftstheorie zur Untersuchung von Interaktionen unter dem Aspekt der Ressourcenknappheit („Rational Choice-Ansatz“).325 Auf der Basis des normativen Individualismus wird als legitimationsstiftendes Element einer rechtlichen Regelung nicht der daraus zu erzielende Vorteil, sondern der (hypothetische) Konsens zwischen den Individuen über den Nutzen steigernde Effekte angesehen, der unter einem „Schleier des Nichtwissens“ 318 

Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 34. Rühl, Statut und Effizienz, S.  94. 320  Siehe Teil 4 C. III. 2. 321  Siehe ausführlich Teil 4 D. II. 2. 322  Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 36. 323 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 166. 324  Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 37. 325 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.   157, 165; ausführlich Van Aaken, „Rational Choice“. 319 

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(Rawls) 326 zu ermitteln sei.327 Das Gemeinwohl wird somit nicht als eine von außen kommende Vorgabe für einen Konsensfindungsprozess angesehen, sondern als das Ergebnis desselben.328 Aufgrund der Annahme unvollständiger Information werden die Gestaltungsempfehlungen als vorläufig in dem Sinne behandelt, dass sie bei einer Falsifizierung mit möglichst geringen Kosten geändert werden können.329 Auch sind diese nicht statisch, sondern entsprechend den Präferenzen der relevanten Personen veränderlich in der Zeit.330 Aus institutionenökonomischer Sicht kann es also nicht die eine Gemeinwohldiskussion geben, sondern es sind verschiedene Gemeinwohldiskussionen denkbar. Das deckt sich insoweit mit einer zivilistischen Herangehensweise, als es dort um den Ausgleich der Interessen freier und chancengleicher Individuen geht. ee) Vorläufiges Ergebnis „Wohlfahrt“ wird in den Wirtschaftswissenschaften auf der Grundlage unterschiedlicher methodischer und normativer Ansätze ermittelt. Dabei kann man verallgemeinernd zwischen ergebnisoffenen Ansätzen und ergebnisbezogenen Ansätzen unterscheiden. Zu ersteren gehören grundsätzlich freiheitsbezogene Theorien, zu letzteren zählt die reine Wohlfahrtstheorie mit ihrer Ausrichtung qua Werturteil auf die Maximierung des Nutzens bestimmter Personengruppen. Auf diese Theorien werden wir noch vertieft zurückkommen. Zunächst wollen wir uns einem spezifischen Aspekt der (wettbewerbs-)rechtlichen Gemeinwohldiskussion zuwenden, den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. 3. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse Eine Einschränkung individueller wirtschaftlicher Handlungsfreiheiten aus überindividuell-objektiven Gründen kann, wie wir zuvor gesehen haben, aus (wohlfahrts-)ökonomischen Gründen indiziert sein. Dies ist das Regelungskonzept des Art.  101 Abs.  3 AEUV, der in seiner „Auslegung“ durch die VO Nr.   1/2003 einen Ex-lege-Freistellungstatbestand für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen enthält. Daneben kann eine Einschränkung individueller Handlungsfreiheiten auf rechtlich-gemeinwohlinduzierte Gründe gestützt werden. Paradigmatisch ist die Regelung des Art.  106 Abs.  2 AEUV, der zentrale Aussagen auch für das dogmatische Verständnis des Regulierungsrechts enthält. 326 

Rawls, A Theory of Justice, sec. 24. Es wird auf den hypothetischen Konsens abgestellt, damit keine Vollkompensation der „Verlierer“ erfolgen muss, vgl. Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 168. 328 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 173. 329 Dazu Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  25 f. 330 Schuppert/Neidhardt/Kirchner, Gemeinwohl, S.  157, 172. 327 

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a) Legalausnahme von den Wettbewerbsvorschriften Der Dualismus zwischen dem Ideal der Selbstbestimmung und sonstigen überindividuell-gemeinwohlbezogenen Interessen 331 kommt im europäischen Wettbewerbsrecht prägnant in Art.  106 Abs.  2 AEUV (Art.  86 Abs.  2 EG) i. V. mit Art.  14 AEUV zum Ausdruck. Das an einen funktionalen Unternehmensbegriff anknüpfende europäische Wettbewerbsrecht kennt keinen generellen Ausnahmebereich für die öffentliche Daseinsvorsorge.332 Vielmehr normiert Art.  106 Abs.  2 Satz 1 AEUV eine beschränkte Legalausnahme, wonach die Wettbewerbsregeln für Unternehmen, die mit „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse“ betraut sind, lediglich insoweit gelten, als ihre Anwendung nicht die Erfüllung der den Unternehmen übertragenen, für die Bürger besonders wichtigen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindert bzw. übermäßig beeinträchtigt. Mit dem Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse bezieht sich Art.  106 Abs.  2 AEUV auf marktbezogene („wirtschaftliche“) Tätigkeiten, die auch im Interesse der Allgemeinheit erbracht und aus diesem Grunde von den Mitgliedstaaten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden.333 Zu diesen Diensten gehören die netzwirtschaftliche Versorgung der Verbraucher mit Energie,334 Telekommunikations-335 und Transportleistungen.336 In den Anfangsjahren der Europäischen Gemeinschaften wurde die Ausnahmevorschrift für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse von den Mitgliedstaaten vor allem dazu herangezogen, die Verleihung ausschließlicher Rechte an Monopolunternehmen zu legitimieren.337 Im Gegenzug wurden diese Unternehmen zwar einer besonderen staatlichen Missbrauchsaufsicht unterzogen. In der Praxis war diese jedoch wenig effektiv. Auf die hierauf zurückgehende sog. Monopolrechtsprechung zu den §§  138, 315 BGB werden wir noch zurückkommen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die entsprechenden Sektoren deshalb in den 1990er-Jahren – ausgehend von Art.  86 Abs.  1 EG 331  Auch die Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbsprozesses liegt in einer marktwirtschaftlichen Grundordnung im Gemeinwohl (Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 291), weshalb die Abgrenzung zwischen „wettbewerbsbezogenen“ und „gemeinwohlbezogenen“ Diensten über die Hinzufügung der Vokabel „sonstige“ erfolgt. 332 Dauses/Hoffmann, Art.  101 und 102 AEUV im Überblick Rn.  57. 333 Krautscheid/von Danwitz, Daseinsvorsorge, S.  103, 113; Immenga/Mestmäcker/Mestmäcker/Schweitzer, Art.  106 AEUV Rn.  78 f. 334  EuGH v. 27.4.1994 – C-393/92, Slg 1994, I-1477 – Almelo; siehe zur Versorgung mit Strom und Gas als „service public“ Lecheler, RdE 1996, 212 ff. 335  EuGH v. 13.12.1991 – Rs C-18/88, EuZW 1992, 250 Rn.  16 – RTT/GB-Inno. 336  Siehe zum Flugverkehr EuGH v. 11.4.1989 – C-66/86, Slg. 1989, 803 Rn.  5 4 ff. – Ahmed Saeed Flugreisen. 337 MünchKommEUWettbR/Gundel, Art.  86 EG Rn.  102; Calliess/Ruffert/Jung, Art.  106 AEUV Rn.  43.

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Teil 1:  Einleitung

(Art.  106 Abs.  1 AEUV), der auch öffentliche Unternehmen den Bedingungen des Marktes unterwirft 338 – stufenweise einer Liberalisierung unterzogen.339 Auf dieser Grundlage obliegt es heute zwar weiterhin den Mitgliedstaaten, die als Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne des Art.  106 Abs.  2 AEUV geltenden Präferenzen zu konkretisieren.340 Sie müssen hierbei jedoch im Interesse einer einheitlichen Rechtsentwicklung in den Mitgliedstaaten bestimmte unionsrechtliche Mindestanforderungen einhalten.341 b) Paradigma: Universaldienstleistungen In der europäischen Wettbewerbspolitik erfolgte der Ausgleich zwischen dem Wettbewerbsprinzip und sonstigen Erwägungen des Gemeinwohls durch die Errichtung wettbewerbsorientierter Märkte einerseits und durch das Statuieren eines normativen Rahmens andererseits, mit dem die Erbringung der als besonders gemeinwohlbezogen definierten Versorgungsleistungen und ihre Finanzierung geregelt wird.342 Aus diesem Grunde wurden die unionsrechtlich vorgegebenen Maßnahmen zur Liberalisierung und Deregulierung der Netzsektoren sekundärrechtlich mit dem Vorbehalt versehen, dass die Öffnung der bisher staatlich kontrollierten und monopolisierten Märkte mit der Sicherung von „universal service“ (Universaldienstleistungen) einhergehen muss.343 Hierunter versteht man allgemein solche Leistungen, die gemessen am bestehenden technischen Status quo für eine angemessene Grundversorgung der Bevölkerung erforderlich sind, weshalb die Bürger einen Anspruch darauf haben, Zugang zu diesen Leistungen zu einem erschwinglichen Preis zu erhalten.344 Das Universaldienstmodell soll zum einen die flächendeckende Versorgung der Verbraucher mit (infrastrukturbasierten) Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sichern, zum anderen den latenten Konflikt mit dem Wettbewerbsziel abmildern, der jedenfalls dann besteht, wenn Leistungen nicht (mehr) über den Markt erbracht werden können.345 Häufig kann die gemeinwohlrelevante Leistung jedoch auch in einem Wettbewerbsmarkt erbracht werden, weshalb es gar keiner gemeinwohlindizierten Sonderrechte bedarf. Es wäre deshalb nicht 338 

Möschel, JZ 2003, 1021, 1022. Dazu MünchKommEUWettbR/Gundel, Art.  86 EG Rn.  121 ff. 340 Krautscheid/von Danwitz, Daseinsvorsorge, S.  103, 119. 341 Immenga/Mestmäcker/Mestmäcker/Schweitzer, Art.  106 AEUV Rn.  7 7. 342 MünchKommEUWettbR/Gundel, Art.  86 EG Rn.  124. 343 Immenga/Mestmäcker/Mestmäcker/Schweitzer, Art.  106 AEUV Rn.  9. Vgl. zur Genese des Begriffs „universal service“ aus einer Werbekampagne von AT&T im Jahr 1908 und dem damit verbundenen Gedanken, Wettbewerb in den Netzen sei schädlich für Netzstabilität und Netzoperabilität, Fetzer, MMR 2011, 707, 708. 344 Arnd/Fetzer/Scherer/Fischer, Vor §  78 ff. TKG Rn.  5 ff.; Fetzer, MMR 2011, 707, 708; ders., Staat und Wettbewerb in dynamischen Märkten, S. 476 ff. 345 Pointiert Krautscheid/von Danwitz, Daseinsvorsorge, S.   103, 115; Pielow, a. a. O., S.  133, 150; Immenga/Mestmäcker/Mestmäcker/Schweitzer, Art.  106 AEUV Rn.  10. 339 

A. Individuelle Selbstbestimmung und Gemeinwohl

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überzeugend, wollte man den Universaldienst/die Grundversorgung in einen strikten Gegensatz zur Erbringung von Leistungen über den Markt setzen.346 4. Leistungen der Daseinsvorsorge zwischen Wettbewerb und Gemeinwohl a) Begriff Eng mit dem Gemeinwohl und den Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse verwandt ist der Begriff der Daseinsvorsorge („service public“347). Dieser aufgrund seiner Unschärfe oft bemängelte Terminus bezieht sich auf die Aufgabe des Staates, die gleichmäßige Versorgung seiner Bürger mit essentiellen Gütern und Leistungen zu gleichen Bedingungen sicherzustellen.348 Er geht in Deutschland auf die grundlegende Erkenntnis Ernst Forsthoffs zurück, dass sich die Verwaltung nicht nur als Eingriffsverwaltung verstehen darf, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch als Leistungsverwaltung fungieren muss.349 Klassische Domäne der Daseinsvorsorge ist die Versorgung der Bürger mit für die Lebenshaltung notwendigen, dem jeweiligen Stand der Zivilisation entsprechenden Leistungen, sofern diese nach Ansicht des jeweiligen Gesetzgebers über den Markt nicht gewährleistet ist.350 b) Historische Sicht Leistungen der Daseinsvorsorge wurden historisch nicht nur vom Gesamtstaat und den Bundesländern erbracht, sondern auch von den Kommunen, d. h. von den Landkreisen, Städten und Gemeinden. Auf Bundesebene wurden zur Daseinsvorsorge neben den Sektoren Post und Rundfunk insbesondere die Telekommunikation 351 und das Eisenbahnwesen 352 gezählt. Auf Kommunalebene gehörte zu den althergebrachten Leistungen der Daseinsvorsorge neben dem öffentlichen Personennahverkehr, dem Unterhalt von Bildungs- und Kultureinrichtungen vor allem die Grundversorgung mit Wasser und Energie (elektrischer Strom und Gas).353 Es handelt sich somit um Leistungen, deren Erbringung – im oben beschriebenen Sinne – im „öffentlichen Gemeinwohl“ steht. Paradigmatisch ist die Rechtsprechung zur Sicherung der Energieversorgung (vgl. §  1 Abs.  1 EnWG), wonach diese nicht nur für die einzelnen Individuen zur Entfaltung einer menschenwürdigen Existenz geboten sei, sondern auch für die 346 

So aber Fetzer, MMR 2011, 707, 710. Schorkopf, JZ 2008, 20, 27. 348 Krautscheid/Waiz, Daseinsvorsorge, S.  41; Klees, Energiewirtschaftsrecht, S.  6 4 f. 349  Forsthoff, Die Verwaltung als Leistungsträger, 1938. 350 Krautscheid/Henneke, Daseinsvorsorge, S.  17, 18; Jarass, Art.  36 EU-GRCharta Rn.  2. 351  Bullinger, in: FS Zacher, 1998, S.  85 ff. 352  Dazu etwa BVerwG v. 15.3.1989 – 7 C 42/87, BVerwGE 81, 312, 314. 353  Vgl. Krautscheid/Pielow, Daseinsvorsorge, S.  133 ff. 347 

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Teil 1:  Einleitung

Wirtschaftstätigkeit insgesamt eine überragende Bedeutung habe.354 Im Zuge der deutschen Energiewende hat die Versorgungssicherheit erneut eine zentrale Bedeutung erlangt; dies ist hier nicht weiter zu vertiefen. c) Privatisierung und Liberalisierung Während Leistungen der Daseinsvorsorge über Jahrzehnte hinweg als klassische Aufgaben des Staates angesehen wurden, sei es, dass sie durch öffentliche Unternehmen erbracht wurden, sei es, dass der Staat privaten Unternehmen eine rechtlich gesicherte Monopolstellung zubilligte, erfolgte seit den 1990er-Jahren ein grundlegender Wechsel im Verständnis staatlicher Aktivität,355 der sich im vorliegenden Zusammenhang durch die Begriffe Privatisierung und Liberalisierung kennzeichnen lässt, also durch die Umwandlung öffentlicher in private Unternehmen und die rechtliche Marktöffnung durch Aufhebung von Monopolrechten.356 Vor diesem Hintergrund war zu klären, welches die Kernaufgaben staatlicher Tätigkeit sind, welche Güter der Staat also seinen Bürgern selbst bereitstellen kann oder sogar muss, und wann eine Versorgung über den Markt sinnvoller ist.357 Auch nach der Liberalisierung und Privatisierung hat sich an der Bewertung der Relevanz von Leistungen der Daseinsvorsorge für die einzelnen Bürger und die staatliche Gemeinschaft durch die Rechtsprechung grundsätzlich nichts geändert. Die Ziele der Daseinsvorsorge sollten nunmehr jedoch nicht mehr durch eine Monopolisierung der jeweiligen Sektoren erreicht werden, sondern soweit möglich durch wettbewerbliche Märkte.358 Insoweit erscheint es zulässig, von einem Konzept der „Daseinsvorsorge durch Wettbewerb“ zu sprechen.359

IV. Zwischenergebnis Die Privatrechtsordnung gründet auf der Idee individueller Selbstbestimmung. Da Menschen als „soziale Wesen“ in Gemeinschaft mit anderen leben, kann mit Selbstbestimmung keine grenzenlose Freiheit gemeint sein. Vielmehr unterliegen sie in ihrem Verhältnis zu den Mitmenschen und zur staatlichen Gemeinschaft immanenten Beschränkungen. Worin diese Bindungen genau liegen – in einem fairen und chancengleichen Miteinander der Bürger und/oder in einem 354  Klees, Energiewirtschaftsrecht, Rn.  118; BVerfG v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66 u. a., NJW 1971, 1255, 1258; BVerfG v. 20.3.1984 – 1 BvL 28/82, BVerfGE 66, 248, 258; zur Wasserversorgung siehe BVerfG v. 7.6.1977 – 1 BvR 108, 424/73 u. a., NJW 1977, 1960, 1962. 355  Hoffmann-Riem, DÖV 1997, 433 benennt als Gründe die Komplexität der Lebensverhältnisse in modernen Industriestaaten und die Prozesse der Europäisierung und Globalisierung sowie eine zunehmende Ökonomisierung. 356  Kurth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, S.  341 und 344. 357  Kurth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, S.  341, 342. 358  BVerfG v. 10.9.2008 – 1 BvR 1914/02, WM 2009, 422. 359  So der Titel der Dissertation von Berschin, Daseinsvorsorge durch Wettbewerb.

B. Wichtige Grundbegriffe

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überindividuell-objektiven Gemeinwohlbezug – ist Gegenstand der Theorien vom Vertrag und vom Wettbewerb als dessen funktionaler Grundlage. Als Gegenbegriff zur Selbstbestimmung (verstanden als Individualwohl) und damit als Rechtfertigungsgrund zur Beschränkung individueller Freiheiten fungiert das Gemeinwohl. Wir haben freilich gesehen, dass es den einen festen Gemeinwohlbegriff nicht gibt und wohl auch nicht geben kann. Das Gemeinwohl konkretisiert sich in rechtlichem Kontext vielmehr je nach Regelungsbereich durch unterschiedliche Wertungen. Dabei gilt es aus zivilistischer Sicht zu beachten, dass gemeinwohlinduzierte Regelungen des Wirtschaftsverkehrs mit einer Einschränkung individueller Freiheiten einhergehen können, die es zu rechtfertigen gilt. So wurde etwa in den Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen aufgrund der spezifischen ökonomischen Gegebenheiten lange Zeit eine Monopolisierung der Leistungserbringung zu Gunsten weniger öffentlicher oder privater Unternehmen als im gemeinen Wohl liegend angesehen, auch wenn damit die individuelle Selbstbestimmung aller anderen Marktteilnehmer negiert wurde. Demgegenüber besteht heute Einigkeit darüber, dass die entsprechenden Güter und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge auch über den Markt angeboten werden können, sofern bestimmte regulatorische Rahmenbedingungen gegeben sind. Die staatliche Regelsetzung erfolgt insoweit also nicht mehr „gegen“ die individuelle Selbstbestimmung, sondern „für“ diese. Dies zeigt, dass das Gemeinwohl nicht notwendig in einem Gegensatz zur Selbstbestimmung steht. Andererseits bedarf nicht jede staatliche Regelung, die der individuellen Selbstbestimmung dient, einer Rechtfertigung über das Gemeinwohl. Wir werden auf diese Fragen zurückkommen. An dieser Stelle können wir als erstes Zwischenfazit festhalten, dass Ausdrücke wie „Selbstbestimmung“, „Gemeinwohl“ und „allgemeiner Nutzen“ für sich genommen einen begrenzten Erkenntniswert haben. Ihre eigentliche Aussagekraft entfalten sie erst bei Offenlegung der zugrunde liegenden theoretischen Konzepte und der sie ausgestaltenden und flankierenden Rechtsnormen. Ein vergleichbares Phänomen wird uns sogleich beim Begriff des Instituts bzw. – in juristischer Diktion – der Institution begegnen. Aus diesem Grunde werden wir diese Termini nachfolgend mit weiteren näher explizieren.

B. Wichtige Grundbegriffe Mit Blick auf das Ziel der Untersuchung, am Beispiel der rechtlichen Behandlung der Folgeverträge die gemeinsamen Grundlagen des Vertragsrechts, des Wettbewerbsrechts und des Regulierungsrechts herauszuarbeiten, sollen im Folgenden zunächst wichtige, das übergreifende Verständnis erleichternde Grundbegriffe erläutert werden, da diese im Schrifttum mit unterschiedlichen Inhalten belegt werden.

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I. Individual- und Institutsschutz (Institutionenschutz) Da Menschen nach historischer Erfahrung auf ein „Leben in Gemeinschaft“ angelegt sind, diese Gemeinschaft jedoch anders als bei bestimmten Tieren nicht instinktiv, d. h. durch angeborene Verhaltensmuster gewährleistet ist, bedarf es der Ergänzung ererbter Verhaltensanlagen durch künstliche Verhaltensmuster.360 Arnold Gehlen hat diese normativen Verhaltensordnungen, die den Menschen im jeweils in Rede stehenden Bereich Orientierungssicherheit geben sollen, als „Institutionen“ gekennzeichnet.361 Hierzu zählen auch rechtliche Regelungen. Diese sind – wie wir oben schon gesehen haben – von einem grundlegenden Dualismus zwischen Individualschutz und Gemeinwohlerwägungen geprägt. Vokabeln für bestimmte Ausprägungen des Individualschutzes sind in unserem Zusammenhang „Privatautonomie“, „Vertragsfreiheit“, „Selbstbestimmung“,362 „Wettbewerbsfreiheit“,363 aber auch „relative Machtlosigkeit“ und „gegenseitige Unabhängigkeit“.364 Zur Charakterisierung der überindi­ viduellen gemeinwohlbezogenen Aufgaben werden ebenfalls unterschiedliche Vokabeln benutzt, wie „Funktionsschutz“,365 „Ordnungsfunktion“,366 „wirtschaftspolitische Funktion“367 und „makrojuristische Funktion“.368 Vor allem im Wettbewerbsrecht,369 im Lauterkeitsrecht 370 und im Regulierungsrecht 371 werden zur Beschreibung der überindividuellen Schutzfunktionen auch die Termini „Institutsschutz“372 bzw. „Institutionenschutz“373 verwandt. Der Institutsschutz ist von einer Beschreibung des realen Wettbewerbsprozesses und der ihn regulierenden rechtlichen und gesellschaftlichen Normen zu unterscheiden, da er regelmäßig zur normativen Einordnung des Schutzguts wettbewerbsrechtlicher Normen verwandt wird.374 Wenn also vom Schutz des 360 So

Zippelius, Einführung in das Recht, 3.  Aufl. 1990, S.  2. Gehlen, Moral und Hypermoral, S.  95; siehe auch Röhl, Rechtssoziologie, S.  393 ff. 362 MünchKommVVG/Armbrüster, Vorb. vor §§  6 , 7: Informations- und Beratungspflichten des Versicherers, Rn.  6 f.; ausführlich Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung. 363  Hoppmann, JBNSt. 179 (1966), 286, 305 ff. 364  Zu beiden Säcker, BB 1967, 681, 683. 365  Möslein, Dispositives Recht, S.  172. 366  Oetker, Dauerschuldverhältnis, S.  248 f.; Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  13 ff.; Fornasier, Freier Markt, S.  16. 367  Engel, JZ 1995, 213. 368  Fleischer, Informationsasymmetrien im Vertragsrecht, S.  178 ff. 369  Glöckner, Kartellrecht, Rn.  50: Schutz des Wettbewerbs als Institution als „Schutz des Allgemeininteresses am funktionsfähigen Wettbewerb“. 370  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  198. 371  Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 262. 372  So der ökonomisch vorzugswürdige Begriff, um den „Institutsschutz“ von der Neuen Institutionenökonomik abzugrenzen; für diesen Hinweis danke ich Ingo Schmidt. 373  So der im juristischen Schrifttum überwiegend verwandte Begriff, vgl. Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 401. 374  Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  389. 361 

B. Wichtige Grundbegriffe

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„Instituts“375 oder der „Institution“376 des Wettbewerbs gesprochen wird, wird anders als in der Soziologie377 und in der Neuen Institutionenökonomik ein Bezug zu normativen Gemeinwohlerwägungen hergestellt.378 Bei Lichte besehen beinhaltet der Begriff des Instituts bzw. der Institution aber nur eine leere Begriffshülse, die mit jedem beliebigen Inhalt gefüllt werden kann, je nachdem, welche ökonomische und rechtliche Theorie man zugrunde legt.379 Aus dogmatischer Sicht ist mit einem Verweis auf den Schutz der Institution „Vertrag“ oder „Wettbewerb “ohne ein Offenlegen der dahinter stehenden Konzeption somit nichts gewonnen. Ein Argumentieren mit dem Institutsschutz trägt oft sogar eher zur Verschleierung der eigentlichen Sachprobleme bei. Das gilt etwa für eine Argumentation, die vordergründig ein freiheitliches Verständnis des Wettbewerbs zugrunde legt, um dann jedoch den Wettbewerbsprozess und mit ihm die individuellen wirtschaftlichen Freiheiten der Marktteilnehmer unter Verweis auf die Notwendigkeit eines Institutsschutzes einzuschränken,380 soweit es nur wettbewerbspolitisch opportun erscheint. Rudolf 375  Zur Herleitung aus dem römischen Recht siehe C. Möller, in: FU Berlin Fachbereichsschrift, S.  12, 13. 376  Siehe zu unterschiedlichen Interpretationsvarianten (Institut = Privatrecht; Institution = öffentliches Recht) Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S.  279. 377  In der Soziologie ist eine Institution eine mit Handlungsrechten, Handlungspflichten oder mit normativer Geltung belegte soziale Wirklichkeit, durch die Individuen, Gruppen oder Gemeinschaften nach innen und nach außen hin verbindlich (geltend) wirken oder handeln; so Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 286 f. Aus zivilistischer Sicht siehe Bachmann, Private Ordnung, S.  13, wonach der rechtssoziologische Begriff der Institution in der Sache auf die „unspektakuläre These“ hinauslaufe, dass „das Recht die Seinsgesetze in gewissem Sinne zu rezipieren“ habe. Dogmatisch sei der soziologische Institutsbegriff angreifbar, sofern er die „soziale Funktion“ von Rechtsinstituten im Sinne ihrer „Gemeinschaftsdienlichkeit“ in den Vordergrund rücke (Bachmann, a. a. O.). 378 So Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, S.  279. 379 Mestmäcker/Biedenkopf/Hoffmann/Hoppmann (Hrsg.), Wettbewerb als Aufgabe, S.  61, 103; Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.  83. Siehe auch – insoweit zutreffend – Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  62 ff., insb. S.  63: „Der Schutz der ‚Institution Wettbewerb‘ erweist sich bei näherer Betrachtung als inhaltsleere Hülle. Spricht man von der ‚Institution Wettbewerb‘, dann geht es in Wahrheit um eine Gesamtheit von Vorgängen und Prozessen, für die das Recht Rahmenbedingungen vorgibt, die innerhalb dieser Rahmenbedingungen nach eigenen Gesetzmäßigkeiten ablaufen und deren Ablauf – aus sehr verschiedenen Gründen, über die keineswegs Einigkeit besteht – als wünschenswert angesehen wird.“ 380 Paradigmatisch K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, der die „Außenwirkung wettbewerbsbeschränkender Verträge“ zu Recht als spät erkanntes Problem der Privatrechtswissenschaft benennt (S.  181), um dann aber – unter nochmaligem Hinweis, die alte „Innensicht des Kartellvertrages“ sei endlich einer Betrachtung der negativen Außenwirkungen gewichen – die Ansicht vertritt, die von dem Kartell beeinträchtigten Marktteilnehmer würden nur dann geschützt, wenn dies auch dem Wettbewerb „als Institution“ diene, und dies sei eigentlich nur selten der Fall (S.  188, unter Verweis auf Busche, Kontrahierungszwang, S.  319 f. und 393). Damit wird die „Außensicht“ nicht etwa auf den Schutz der individuellen Selbstbestimmung bezogen, wie man dies eigentlich erwartet hätte, sondern auf übergeordnete Gemeinwohlinteressen wie dasjenige der (individuellen, wirtschaftlichen oder etwa ethischen) „Effektivität“.

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Teil 1:  Einleitung

Wiethölter hat für ein solch überindividuelles Verständnis den Terminus „Wettbewerb als sozialer Sachwalter“ geprägt.381 Bei einer material-freiheitlichen Sichtweise kann das Institut des Wettbewerbs demgegenüber nicht von den Freiheitsrechten der Marktteilnehmer abgetrennt werden, da erst durch Ausübung dieser Freiheiten der Prozess des Wettbewerbs in Gang kommt und in Gang gehalten wird. In diesem Sinne kommt dem Institut Wettbewerb keine über die Zusammenfassung der individuellen Freiheitsrechte in der Ordnung eines freien und unverfälschten Wettbewerbsprozesses hinausgehende Bedeutung zu. Wer den Institutsbegriff demgegenüber dazu heranzieht, die individuellen Freiheiten zum Zwecke der Effektivität einzuschränken,382 lädt diesen mit überindividuellen Gesichtspunkten auf und trägt hierfür die Begründungslast.

II. Wettbewerbsrecht (Kartellrecht) und Lauterkeitsrecht Nach herkömmlicher Terminologie bezeichnet der Begriff des Wettbewerbsrechts das Lauterkeitsrecht,383 welches in Deutschland im UWG normiert ist.384 Legt man demgegenüber ein die gesamte rechtliche Ordnung des Wettbewerbs einschließendes Verständnis zugrunde, erfasst der Begriff des Wettbewerbsrechts zusätzlich das verkürzt (aber dem gemeinen deutschen Sprachgebrauch entsprechend) als Kartellrecht bezeichnete Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen.385 Das Lauterkeitsrecht und das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen stehen in einem engen Funktionszusammenhang, was sich bereits im einheitlichen Zweck der beiden Rechtsgebiete manifestiert, den Wettbewerb vor Verfälschungen zu schützen und damit die Funktionsbedingungen einer auf Wettbewerb gegründeten Marktwirtschaft zu sichern.386 Entsprechend der unionsrechtlichen Terminologie, die im Zuge der Harmonisierung des Unionsrechts mit den nationalen Wettbewerbsordnungen auf Letztere zurückwirkt, wird in dieser Untersuchung mit Wettbewerbsrecht das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen bezeichnet (Wettbewerbsrecht; competition law/droit de la concurrence). Der Begriff Kartellrecht wird – auch im Rahmen älterer 381  Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 42; diese Sichtweise führt zu einer Interpretation von Regelungen zur Preiskontrolle als „polit-ökonomisches“ Instrument [a. a. O., Fall geändert; Verf.], und nicht als wettbewerbskonformes Mittel zur Beschränkung privater Macht. 382 So für deliktische Ansprüche mittelbar Kartellgeschädigter K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 188; für vertragliche Ansprüche selbst der unmittelbaren Abnehmer ders., in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572. 383  Besser: das Recht der marktbezogenen Lauterkeit. 384 GroßKommUWG/Sosnitza, Bd. 1 Einl. Rn.  24. 385 Vgl. Kirchner, ZHR 173 (2009), 775, 777 Fn.  3. 386 Grundlegend Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, S.  4 ff., 306 ff.; siehe auch Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, §  5 Rn.  20 f; Glöckner, Europäisches Lauterkeitsrecht, 2006, S.  282; Köhler, WRP 2005, 645; Piper/Ohly/Sosnitza/Ohly, Unlauterer Wettbewerb-Gesetz, 5.  Aufl. 2010, A. Rn.  2.

B. Wichtige Grundbegriffe

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Zitate387 – synonym mit demjenigen des Wettbewerbsrechts im engeren Sinne gebraucht.388 Hiervon abzugrenzen ist das Lauterkeitsrecht, das nach seiner konkreten dogmatischen Ausgestaltung einen eigenständigen Regelungsbereich bildet und deshalb von uns nicht näher betrachtet wird (unfair competition law/ droit de la concurrence dèloyale).389 Zwar wird die Problematik der Folgeverträge auch im Lauterkeitsrecht kontrovers diskutiert.390 Sie ist dort jedoch von anderen Schwerpunkten wie der Diskussion um ein allgemeines lauterkeitsrechtliches Vertragslösungsrecht geprägt.391

III. Regulierungsrecht Unsere Untersuchung befasst sich mit den Grenzen, die der Vertragsfreiheit durch das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht gesetzt werden. Der nach seinem Wortsinn weitgehend konturenlose Begriff des Regulierungsrechts392 wird im rechtlichen und ökonomischen Schrifttum unterschiedlich verwendet.393 Aus diesem Grunde ist eine Klärung des vorliegend zugrunde gelegten Begriffsverständnisses vonnöten.

387  Vgl. den Titel der Arbeit von Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung im Lauterkeits- und Kartellrecht, 2010. 388  Anders zum Beispiel Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  26 Fn.  40, die den Begriff des Kartellrechts auf Kartelle i. S. von Art.  101 AEUV, §§  1 bis 3 GWB beschränkt. 389  Siehe den Titel der Arbeit von Leistner, Richtiger Vertrag. 390 Vgl. Köhler, GRUR 2003, 265 ff.; Sack, GRUR 2004, 625 ff.; Alexander, WRP 2012, 515 ff. mit w. N. in Fn.  4 ; umfassend Leistner, Richtiger Vertrag. 391  Siehe dazu – in Zusammenhang mit der Abgrenzung zur kartellrechtlichen Folgevertragsdiskussion – Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  177 f., die den lauterkeitsrechtlichen Vorschriften die Eigenschaft als Verbotsgesetze im Sinne des §  134 BGB absprechen will. Dies konfligiert mit Pauls eigener Argumentation zu kartellrechtlichen Folgeverträgen. Siehe auch Köhler, JZ 2010, S.  767 ff., wonach die lauterkeitsrechtlichen Tatbestände zwar Verbotsgesetze sein könnten, aufgrund der Notwendigkeit differenzierter Sanktionen aber „etwas anders bestimmt sei“. Auch diese Argumentation ist zweifelhaft, da sie faktisch unterstellt, verbotswidrige Verträge seien insgesamt unwirksam (S.  773). 392  Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 402; Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043. 393  Das ist historisch auch auf den Umstand zurückzuführen, dass der Begriff Regulierung in Europa – anders als beispielsweise in den USA (Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  21 ff.) – noch keine lange Tradition besitzt (Ruge, AöR 131 (2006), 1, 22). Eine ernsthafte wissenschaftliche Diskussion setzte hier erst in den 1980er Jahren mit der zunehmend erkannten Notwendigkeit einer Deregulierung und Privatisierung bestimmter Wirtschaftssektoren ein. Siehe Möschel, JZ 1988, 885 ff.; ders., FS Immenga, 2004, S.  277 ff. In die Wettbewerbsrechtsordnung eingeführt wurde der Begriff „Regulierung“ durch das TKG 1996, vgl. Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  10.

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Teil 1:  Einleitung

1. Marktregulierung Regulierung im weiteren Sinne meint alle staatlichen Vorgaben für Wirtschaftssubjekte, die deren Handlungsspielraum einschränken.394 Hiernach wäre letztlich jede staatliche Gesetzgebung und ihre Ausführung durch die Verwaltung als Regulierung einzustufen, was den Begriff konturenlos werden ließe.395 Der weite Regulierungsbegriff im Sinne eines „Ansteuerns von Gemeinwohlzielen durch staatliche Regelungen“396 kann deshalb allenfalls dazu dienen, „als analytische Folie Aussagen über regelungstechnische Konvergenzen und spezifische Regulierungsinstrumente einzelner Rechtsgebiete zu liefern“.397 Zur Konkretisierung unseres Untersuchungsgegenstandes wollen wir Regulierung deshalb in einem ersten Schritt dahingehend einschränken, dass sich der Begriff nur auf die Wirtschaftsregulierung beziehen soll.398 Nicht näher betrachtet werden damit Regelungen, die für jedes Zusammenleben konstitutiv sind, der Gefahrenabwehr dienen oder primär „soziale“ Belange verfolgen, wie dies etwa im Verbraucher- und im Arbeitnehmerschutzrecht der Fall ist. Wir beschäftigen uns vielmehr nur mit staatlichen Maßnahmen zur Lenkung des Marktgeschehens, also mit der „Marktregulierung“.399 Eine moderne (Markt-)Wirtschaftsordnung wird grundsätzlich durch generell-abstrakte Regeln und nicht durch Einzelfallentscheidungen geleitet.400 Demgemäß werden im Idealfall nicht die Marktergebnisse kollektiv (insbesondere durch politischen Entscheid) geplant und umgesetzt, sondern es werden Regeln implementiert, die den Akteuren bestimmte Verhaltensweisen vorschreiben oder verbieten. Die Funktionsfähigkeit der dezentralen Marktordnung ist somit keine gegebene Größe, sondern hängt von den rechtlichen Regeln ab, auf denen Markt und Wettbewerb beruhen; denn erst die Existenz von generell-abstrakten Regeln generiert individuelle Freiheitsbereiche und schafft Er-

394  So mit Blick auf die Steuerung von „Marktprozessen“ im Gegensatz zu „allgemeinen Austauschprozessen“ Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  20; siehe auch die Definition von Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  12; vgl. schließlich Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043: Verhältnis des Staates zu den Märkten. 395  Berndt, Anreizregulierung, S.  31. 396  Schmidt-Preuß, in: FS Reiner Schmidt, 2006, S.  5 47, 549; zum Begriff des Gemeinwohls siehe Teil 1 A. III. 2. 397 So Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 403 f.; siehe auch Röhl, JZ 2006, 831, 833, wonach der weite Regulierungsbegriff als analytisches Konzept tragfähig sei und erkenntnisleitende Kraft entfalte, jedoch als Grundlage für eine gemeinsame Regelungsaufgabe des Gesetzgebers zu heterogen erscheine. 398  Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  20; Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 388. 399 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 283 und 299. 400  Siehe, auch zum Folgenden, Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 287 ff. Dies lässt sich sowohl auf eine die individuelle Selbstbestimmung schützende Wirtschaftsverfassung (Teil 2) als auch auf Gründe ökonomischer Vernunft zurückführen (Teil 4).

B. Wichtige Grundbegriffe

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wartungs­ sicherheit für Investitionen.401 Als ökonomisch „wohlstandsmindernd“ und juristisch „ungerecht“ könnten demgegenüber auf den ersten Blick solche Regeln angesehen werden, die gegen den allgemeinen Charakter des Ordnungsrahmens verstoßen. Handelt es sich um an sich funktionsfähige Märkte, können derartige Eingriffe in den freien Marktmechanismus die Anreize für Unternehmen mindern, sich aktiv am Konkurrenzkampf um die Befriedigung der Kundenbedürfnisse zu beteiligen. Auf der anderen Seite können Eingriffe in den Marktmechanismus aber auch dem Schutz der materialen Freiheit der Bürger dienen und auf diesem Wege zugleich die Funktionsbedingungen einer wettbewerblichen Marktwirtschaft sichern; denn ein wirksamer Wettbewerbsprozess setzt nicht nur voraus, dass die Marktteilnehmer ihre Präferenzen frei bilden können, sondern auch, dass sie die Chance haben, diese wirklich in den Prozess des gegenseitigen Aushandelns des Vertragsinhalts einbringen zu können. Einzelfallbezogene Eingriffe in den Markt können schließlich geboten sein, um in Sektoren, in denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts (Art.  102 AEUV, §  19 GWB) nicht ausreicht, ein Marktversagen zu beheben (§  10 Abs.  2 TKG), einen wirksamen Wettbewerb aktiv zu initiieren und dauerhaft zu erhalten.402 In diesen Fällen ist eine wettbewerbsfördernde Ex-ante-Regulierung nicht systemfremd (im Sinne einer Einschränkung der individuellen wirtschaftlichen Freiheiten), sondern ganz im Gegenteil zwingend geboten, um Wettbewerb zu fördern und zu sichern. 2. Regulierung der Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen Da sich die regulierten Wirtschaftssektoren sowohl in ihren Voraussetzungen als auch in den regulatorischen Abhilfemaßnahmen voneinander unterscheiden, wollen wir den Begriff des Regulierungsrechts für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung auf die Netzindustrien Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen beschränken.403 Diese Branchen eignen sich besonders gut für eine gemeinsame Betrachtung, da ihr Geschäftsmodell wesentlich vom Vorhandensein und Funktionieren von Netzen abhängt.404 Darüber hinaus sind sie trotz der zeitlich unterschiedlichen Liberalisierungsbemühungen ähnlichen Regulierungskonzepten unterworfen.405 401  Dies ist eine wesentliche Erkenntnis des Ordoliberalismus, der sich heute die institutionenökonomisch fundierte Ordnungsökonomik widmet; vgl. Teil 4 D. I. und II. 402  Weiterführend Säcker/Heinen-Hosseini/Woesler, §  10 Rn.  63 ff.; Bosch, Marktregulierungsentscheidungen der Bundesnetzagentur, S.  170 ff. 403  Siehe auch Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S.  10. 404 Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  10. 405  Auch wenn die Marktergebnisse im Einzelnen divergieren, bewirkten diese infolge der Privatisierung und Liberalisierung eine deutliche Wettbewerbsbelebung auf den nachgelagerten Güter- und Dienstleistungsmärkten; vgl. Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  2.

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Teil 1:  Einleitung

Allgemein lassen sich Netze als „raumübergreifende, komplex verzweigte Transport- und Logistiksysteme für Güter, Informationen und Personen“ beschreiben.406 Eine Netzbranche kann unterteilt werden in Infrastrukturen, Suprastrukturen und Netzleistungen.407 Die Infrastruktur bezieht sich auf Stromund Telekommunikationsleitungen, Schienenwege und Serviceeinrichtungen. Zur Suprastruktur gehören im Energiebereich Steuerungen, Sicherungen und Verbindungen, im Telekommunikationsbereich die Auskunftssysteme und im Bereich Eisenbahnen etwa die Signale, Zugleitungs- und Fahrplaninformationssysteme. Auf der Netzinfrastruktur werden wiederum die netzbasierten Leistungen erbracht, welche auch Versorgungsleistungen mit Energie, Telekommunikations- und Transportdiensten umfassen. Zwar weisen die vorbenannten Sektoren tatsächliche und rechtliche Besonderheiten auf, die mit den unterschiedlichen technischen Voraussetzungen und physikalischen Eigenschaften der durch die Netze transportierten Güter zusammenhängen.408 Diese Besonderheiten stehen einer einheitlichen, die spezifischen Anforderungen des jeweiligen Sachgebiets respektierenden Betrachtung jedoch nicht entgegen; 409 denn die Regulierung zielt hier übergreifend auf die Förderung und Sicherung wirksamen Wettbewerbs zwischen den an der Netznutzung interessierten Unternehmen durch die diskriminierungsfreie Öffnung der Netze zu angemessenen Bedingungen und die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung ab.410 Während die Regulierung im Energie- und im Eisenbahnrecht mangels genereller Duplizierbarkeit der Netze eine dauerhafte Aufgabe des Staates ist, ist sie im Bereich der Telekommunikation wegen der dort herrschenden Dynamik partiell transitorisch. Aus diesem Grunde ist der Gesetzgeber dort von einer Sektoren- zu einer Einzelmarktregulierung übergegangen (vgl. die §§  9 ff. TKG).411 Beispielsweise sind im TK-Sektor aufgrund des technischen Fortschritts einzelne Netze mit vertretbarem finanziellem Aufwand replizierbar geworden, so dass sich insoweit ein dauerhafter „Infrastrukturwettbewerb“ herausbilden konnte. Die TK-Regulierung setzt deshalb – anders als diejenige der Energie- und der Schienennetze – eine gesonderte Feststellung von Marktmacht auf regulierungsbedürftigen Märkten voraus (so die §§  9 ff. TKG).412 Dies schließt es nicht aus, einzelne Netze auch im TK-Bereich 406  V. Weizsäcker, ZfE 1994, 197; ders., WuW 1997, 572; zust. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  42; König/Theobald, in: FS Blümel, 1998, S.  277, 279; Heise, WuW 2009, 1024. 407  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  13. 408 Oberender/Säcker, Wettbewerb in der Energiewirtschaft, S.  65, 69. 409 Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  11; a. A. Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 682. 410 Oberender/Säcker, Wettbewerb in der Energiewirtschaft, S.  65, 70. 411 Oberender/Säcker, Wettbewerb in der Energiewirtschaft, S.  65, 70. 412  Knieps, Netzökonomie, S.   155; Holznagel/Theurl/Meyer/Schumacher, OwnershipUnbundling, S.  12; Knieps/Weiß/Brunekreeft/Meyer, Fallstudien zur Netzökonomie, S.  171, 172.

B. Wichtige Grundbegriffe

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als natürliche Monopole einzustufen. Bekanntestes Beispiel ist die sog. Teilnehmeranschlussleitung (TAL), also die Verbindung innerhalb eines Telekommunikationsnetzes zwischen der Ortsvermittlungsstelle des Netzbetreibers und dem Telefonanschluss des Dienstnutzers (vgl. §  21 Abs.  3 Nr.  2 TKG),413 sofern nicht im Einzelfall insbesondere in Großstädten ein glasfaserbasierter Infrastrukturwettbewerb greift. Auf der Eigenschaft als Monopol basiert auch die Regulierung der Mobilfunkterminierung; denn jeder Mobilfunkbetreiber ist für die Zustellung von Telefonaten in seinem Netz marktbeherrschend („ein Netz, ein Markt“).414 Die Bereiche Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen lassen sich von anderen „regulierten“ Sektoren schließlich „institutionell“415 durch die Zuständigkeit der BNetzA als „Mischform zwischen exekutierender und Normen setzender Verwaltung“ unterscheiden.416 Durch diese Kompetenzzuweisung hat der Gesetzgeber inzident anerkannt, dass sich in den der Kontrolle durch die BNetzA unterstehenden Netzwirtschaften vergleichbare Fragestellungen ergeben.417 3. Unterscheidung zwischen Wettbewerbsregulierung und sonstiger gemeinwohlorientierter Regulierung Die sektorspezifische Regulierung wird weiterhin in Wettbewerbsregulierung („marktbezogene Regulierung“418) und sonstige gemeinwohlorientierte Regulierung ausdifferenziert.419 Eine solche Kategorisierung trägt – ebenso wie diejenige zwischen wettbewerbsfördernder privatrechtlicher und öffentlichrecht­lich-gemeinwohlinduzierter Regulierung – dazu bei, über einander widerstrebende Interessen Klarheit zu erlangen; denn beide Zielkomplexe können zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen.420 Instrumente der Wettbewerbsregulierung zielen nach klassischem Verständnis darauf ab, einen freien und material-chancengleichen Wettbewerbsprozess

413 Hoeren/Sieber/Oster, Multimedia-Recht, §  4 Rn.  61; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.   281, 317 f.: Telefonortsnetz; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  28. Bei der Teilnehmeranschlussleitung oder kurz TAL handelt es sich um die „letzte Meile“ zwischen Hauptverteiler bzw. Kabelverzweiger und Hausanschluss, vgl. Picot/ Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 21; detailliert Picot/Gerpott, a. a. O., S.  149, 150 f. 414 Geppert/Schütz/Korehnke/Ufer, §  11 TKG Rn.  65 f. 415  Nicht zu verwechseln mit den unter Teil 1 B. I. erläuterten Begriffen „Institut“ bzw. „Institution“. 416 So Masing, Gutachten D zum 66. DJT, S.  10; siehe auch Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  11 f.; Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043. 417  Berndt, Anreizregulierung, S.  25. 418 So Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 369. 419  Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.   20; ihm folgend Höppner, Netzstruktur, S.  29; Berndt, Anreizregulierung, S.  32. 420  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 24.

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Teil 1:  Einleitung

herzustellen und zu sichern.421 Paradigmatisch ist das nach seinem teleologischen Regelungsansatz – d. h. vorbehaltlich politisch-interessenbestimmter Bereichsausnahmen – grundsätzlich auf alle Wirtschaftssektoren anwendbare allgemeine Wettbewerbsrecht.422 Demgegenüber werden die im Regulierungsrecht normierten, invasiveren Eingriffsbefugnisse der BNetzA durch besondere rechtliche und ökonomische Regulierungsgründe gerechtfertigt.423 Insofern beinhaltet „Regulierung“, auch soweit es sich um eine Wettbewerbsregulierung handelt, kein allgemeingültiges Wirtschaftsrecht, sondern ist von den jeweils angesprochenen Sektoren aus zu betrachten („sektorspezifische Regulierung“).424 Regulierte Wirtschaftsbereiche in diesem Sinne sind die Post, Banken und Versicherungen, das Gesundheitswesen und die Landwirtschaft, aber auch die im Zentrum unserer Untersuchung stehenden Sektoren der netzgebundenen Versorgung mit Energie, Telekommunikation und (Schienen-)Verkehr.425 In den letztgenannten Sektoren will die staatliche Regulierung die durch das Netz begründeten dauerhaften wirtschaftlichen Machtpositionen wirksam begrenzen und so – aus zivilistischer Sicht – die Voraussetzungen für materiale Vertragsfreiheit auf von Vermachtung betroffenen Märkten schaffen und erhalten.426 Während das wettbewerbsrechtliche Missbrauchsverbot dieses Ziel durch eine Ex-post-Kontrolle unternehmerischen Verhaltens zu erreichen sucht, operiert das Recht der Regulierung natürlicher Monopole bzw. marktmächtiger Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten als Folge der besonderen sektorspezifischen Regulierungsbedürftigkeit sowohl mit einer missbrauchsabstellenden Ex-post-Aufsicht als auch mit einer missbrauchsvorbeugenden Ex-anteRegulierung.427 Strikt zu unterscheiden von der damit angesprochenen Art und Weise der „Regulierung“ ist die Frage nach dem anzuwendenden Maßstab. Dieser kann in einer Wettbewerbswirtschaft übergreifend nur auf eine Situation wie bei hypothetisch wirksamem Wettbewerb bezogen sein (Konzept des Als-ob-Wettbewerbs).

421  Nach der gesetzlichen Konzeption soll der Wettbewerb nicht nur auf den nachgelagerten Märkten, sondern auch im Netz (vgl. §§  17, 20 ff. EnWG) und um das Netz erfolgen (§  46 EnWG); a. A. Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  2. 422  Das Wettbewerbsrecht kennt heute nur noch wenige Ausnahmebereiche, vgl. dazu aus historischer Sicht Martinek, NJW 1990, 793 ff.; zum „realen Anwendungsbereich des Rechts der Wettbewerbsbeschränkungen“ im Gegensatz zum Unlauterkeitsrecht Säcker, BB 1967, 681 ff. Aktuelles Beispiel für einen fortbestehenden Ausnahmebereich ist die Wasserwirtschaft gem. den §§  31 ff. GWB i. d. Fassung der 8. GWB-Novelle. Für eine Unterstellung der Vergabe von Wasser(dienstleistungs-)konzessionen unter das allgemeine wettbewerbliche Vergaberecht Säcker/Mohr, ZWeR 2012, 417 ff. 423  Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  19; siehe Teil 6 B. bis D. 424 Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9. 425  Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043. 426 Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  8 . 427  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 188 f.

B. Wichtige Grundbegriffe

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Im Rahmen einer sektorspezifisch-marktwirtschaftlichen Regulierung ist – was wir uns zum besseren Verständnis schon an dieser Stelle vor Augen halten wollen – die Unterscheidung zwischen der Infrastrukturebene und der Dienste­ ebene von entscheidender Bedeutung: 428 Während sich in den Regulierungsgesetzen im Allgemeinen nur wenige Vorgaben für die Bereitstellung der Endnutzerleistungen finden,429 die, soweit sie verbraucherschützenden Charakter haben, normsystematisch dem allgemeinen BGB-Vertragsrecht und nicht dem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen zuzuordnen sind, steht die Netz­ ebene aufgrund spezifischer Regulierungsgründe im besonderen Fokus regulatorischer Bemühungen. Diese setzt sich wiederum aus den Segmenten Errichtung, Bereitstellung und Betrieb des Netzes zusammen. Im Zentrum der Regulierung der Netze steht der Zugang zum Netz als Teil des Netzbetriebs.430 Dieser lässt sich unterscheiden in eine Zugangsregulierung im engeren Sinne durch Bestimmung des Zugangsobjekts, des Zugangsberechtigten, des Zugangsverpflichteten und des Inhalts der Verpflichtung, in eine Regulierung der Entgelte als Gegenleistung für den Zugang, in eine Netzengpassregulierung431 sowie in eine Entflechtungsregulierung zur Trennung von Netz- und Dienste­ ebene.432 Das Recht der Wettbewerbsregulierung ist im Bereich der Netzwirtschaften also ein Systembegriff, der Normen zusammenfasst, die sich primär auf den Zugang Dritter zu fremden Netzen und Infrastruktureinrichtungen zu angemessenen Bedingungen beziehen.433 Da sich die Interessen der Nutzungspetenten nicht allein auf den Zugang, sondern vor allem auf die Bedingungen der Nutzung richten, hat der Gesetzgeber detaillierte Vorgaben für die Leistungserbringung gemacht, wozu insbesondere die Hauptleistungspflichten zählen.434 Anders als das allgemeine Wettbewerbsrecht hat das Regulierungsrecht aber nicht nur die Wettbewerbsorientierung der Aufgabenerfüllung durch Private zu fördern, sondern zugleich die Gemeinwohlorientierung der Dienstleistungen sicherzustellen.435 Unter die sonstige gemeinwohlbezogene Regulierung werden gemeinhin alle Regelungen gefasst, die nicht primär die Rivalität zwischen 428 

Jüngst mit Blick auf die TK-Regulierung Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  319 ff. etwa im Energiewirtschaftsrecht die allgemeine Anschlusspflicht in §  18 Abs.  1 EnWG, die Grundversorgung gem. §  36 Abs.  1 EnWG oder die Ex-ante- und Ex-post-Kontrolle von Konditionen für die Endkundenleistungen gem. §§  18 Abs.  3, 36, 39, 41 EnWG. 430  Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 255; Oberender/Säcker, Wettbewerb in der Energiewirtschaft, S.  65, 70. 431  Dazu ausführlich König, Engpassmanagement, S.  27 ff. 432  Höppner, Netzstruktur, S.  59. Siehe zur Entflechtung Säcker/Mohr, N&R Beilage Heft 2/2012, 1; für eine Komplementarität der Regulierungsinstrumente Koenig/Rasbach, DÖV 2004, 733; davon abweichend wiederum Rasbach, Unbundling-Regulierung, S.  41. 433  Busche, Kontrahierungszwang, S.  605; Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  1. 434  Busche, Kontrahierungszwang, S.  612 ff. 435 BerlKommEnR/Säcker, Bd. 1 Einl. A. Rn.  30. 429 Vgl.

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Teil 1:  Einleitung

Unternehmen regeln,436 aber gleichwohl Einfluss auf die Verhältnisse auf einem bestimmten Markt nehmen.437 Dabei gilt es nochmals zu betonen, dass wettbewerblich organisierte Märkte und Gemeinwohlerwägungen in keinem zwingenden Gegensatz zueinander stehen. Vielmehr stellen auch ein funktionierendes, die individuelle Selbstbestimmung sicherndes Vertragsrecht sowie ein chancengleicher wirksamer Wettbewerb wichtige Gemeinwohlgüter dar.438 Darüber hinaus folgt der Gesetzgeber im Regulierungsrecht – insoweit der Erkenntnis von Adam Smith folgend, dass die „invisible hand“ des Marktes die Individualinteressen der Bürger zum Wohl der Gesamtheit zusammenfasst – jedenfalls im Ausgangspunkt dem Konzept einer Gemeinwohlorientierung durch Wettbewerb.439

IV. Wettbewerbsbeschränkung Unter einer Wettbewerbsbeschränkung („Wettbewerbsverletzung“) wird in unserer Untersuchung nicht nur ein Verstoß gegen das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, sondern auch ein solcher gegen das Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften verstanden; denn die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen konkretisiert lediglich das allgemeine wettbewerbsrechtliche Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV bzw. des §  19 GWB.440

V. „Public enforcement“ und „private enforcement“ Im Wettbewerbs- und Regulierungsrecht sind verschiedene Wege der Rechtsdurchsetzung denkbar,441 die gemeinhin nach den dazu berufenen Personen bzw. Stellen unterschieden werden.442 Wettbewerbsverstöße können zum einen durch Behörden geahndet werden, indem diese verwaltungsrechtliche Verfügungen erlassen oder Bußgelder verhängen. Als weitere Variante der öffentlichen Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts stehen bei be-

436  Da die regulierten Netzsektoren bis zu ihrer Liberalisierung als wettbewerbsrechtliche Ausnahmebereiche angesehen worden sind, wurde die Regulierung bis dato gänzlich unter dem Aspekt der Gemeinwohlorientierung betrachtet, Ruge, AöR 131 (2006), 1, 23; siehe auch Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  342. 437  Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  21; Höppner, Netzstruktur, S.  29; Baldwin/ Cave/Lodge, Understanding Regulation, S.  22. 438  BVerfG v. 8.12.2011 – 1 BvR 1932/08, MMR 2012, 186, LS der Redaktion. 439  Siehe Teil 1 A. III. 4. c). 440 Oberender/Säcker, Wettbewerb in der Energiewirtschaft, S.  65, 70; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  103. 441  Möschel, WuW 2007, 483, 483. 442  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  16.

B. Wichtige Grundbegriffe

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sonders gravierenden Verstößen Straftatbestände zur Verfügung.443 Die vorbenannten Sanktionen werden gemeinhin unter dem Oberbegriff des „public enforcement“ zusammengefasst. Hiervon zu unterscheiden sind die privatrechtlichen Möglichkeiten einer Ahndung von Verstößen gegen das Wettbewerbs- und Regulierungsrecht, auch als „private enforcement“ bezeichnet.444 Die aktuelle Private-enforcement-Bewegung reagiert aus rechtspolitischer Sicht auf Durchsetzungsdefizite des „public enforcement“ infolge der begrenzten Kapazität und Leistungsfähigkeit der Wettbewerbsbehörden445 sowie der Gefahr ihrer politischen Instrumentalisierung.446 Darüber hinaus will sie die Durchsetzung der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen durch materielle Anreize effektuieren.447 Aus (privat-)rechtlichem Blickwinkel steht die Sicherung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung durch die Möglichkeit zu privatem Rechtsschutz im Vordergrund,448 die nicht automatisch im Gegensatz zum öffentlichen Interesse an einem funktionsfähigen Wettbewerbsprozess steht. Das „private enforcement“ unterteilt sich in eine aktive und eine passive Variante449 : Als aktiv oder „offensiv“ werden diejenigen Prozesse bezeichnet, die ihrem Gegenstand nach auf die Durchsetzung kartellrechtlicher Verbote oder Verbotssanktionen zielen.450 Hauptbeispiele der offensiven Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts sind Klagen auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz. Auch die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender (Folge-)Vereinbarungen kann zum Gegenstand offensiver Kartellklagen gemacht werden, sei es in Form einer auf die Verletzung des Kartellverbots (Art.  101 AEUV, §  1 GWB) gestützten Beschluss-Anfechtungsklage nach den §§  243, 246 AktG,451 einer auf Feststellung der Vertragsnichtigkeit nach Art.  101

443  Siehe dazu im Kontext der Diskussion über die Rechtswirksamkeit von Folgeverträgen Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  130 ff.; siehe auch Teil 9 D. VI. 2. c). 444  Darüber hinaus steht das „private enforcement“ derzeit auch im Kapitalmarkt- und im Verbraucherschutzrecht in der Diskussion; vgl. Möslein, Dispositives Recht, S.  192. 445  Enthusiastisch noch Engel, JZ 1995, 213, 215. 446  Kommission, Working Paper, Annex to the Green Paper: Damages actions for breach of the EC antitrust rules, COM(2005) 672 final, Rn.  14; Basedow, ZWeR 2006, 294, 306; Möschel, WuW 2007, 483, 487; Griller/Eilmansberger/Thyri, Europäische Wirtschaftsverfassung, S.  163, 164. 447  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  17. 448  Siehe OGH (Österreich) v. 14.2.2012 – 5 Ob 39/11p, WuW KRInt 394, 398 – Gesamtschuldnerische Haftung; offen gelassen von OGH (Österreich) v. 2.8.2012 – 4 Ob 46/12m, WuW KRInt 421, 427 ff. 449  K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1398; ders., ZEuP 2004, 881 ff.; ders., AcP 206 (2006), 169, 174; ders., ZWeR 2007, 394, 397. 450  K. Schmidt, ZWeR 2007, 394, 397; Bornkamm/Becker, ZWeR 2005, 213, 215. 451  K. Schmidt, in: FS Fischer, 1979, S.  693 ff.; siehe auch Schwab, Das Prozeßrecht gesellschaftsinterner Streitigkeiten, S.  355 f. und öfter.

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Teil 1:  Einleitung

Abs.  2 AEUV bzw. §  1 GWB i. V. mit §  134 BGB gerichteten Klage,452 einer kartellrechtlich begründeten Schiedsspruch-Aufhebungsklage nach §  1059 ZPO453 oder einer Rückforderungsklage aus ungerechtfertigter Bereicherung, soweit sie auf die (Teil)-Nichtigkeit wegen einer Verletzung des Wettbewerbsrechts gestützt wird.454 Defensive Kartellprozesse zeichnen sich dadurch aus, dass der Verstoß einer Vereinbarung oder Maßnahme gegen das Wettbewerbs- und Regulierungsrecht zumeist als Einwendung oder Einrede, also als Vorfrage in den Prozess eingeführt wird.455 Die Nichtigkeit bzw. Unbilligkeit einer Vereinbarung spielt insoweit also regelmäßig eine tragende Rolle, auch wenn die Relevanz wettbewerbsund regulierungsrechtlicher Fragestellungen in der Praxis anders als bei offensiven Kartellklagen nicht immer offen zu Tage liegen mag. Während etwa die wettbewerbsrechtliche Relevanz eines Rechtsstreits auf Einhaltung eines Wettbewerbsverbotes nahe liegt, ist dies bei einer Klage auf Schadensersatz wegen Nichteinhaltung desselben schon nicht mehr so deutlich, auch wenn der Erfolg des Klagebegehrens hier ebenfalls davon abhängt, ob und in welchem Umfang das Wettbewerbsverbot wirksam ist.456 Vergleichbares gilt für einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs gem. §  1060 ZPO, der nicht begründet ist, wenn die zugrunde liegende Vertragsbindung und damit der Schiedsspruch selbst gegen zwingendes Wettbewerbs- oder Regulierungsrecht verstößt (§§  1060 Abs.  2, 1059 Abs.  2 Nr.  2a ZPO).457

VI. Verbraucher und Marktgegenseite Für das „private enforcement“ zum europäischen und deutschen Wettbewerbsund Regulierungsrecht ist die Bestimmung des geschützten Personenkreises besonders bedeutsam.458 Dieser wird gemeinhin mit den Verbrauchern umschrieben. Wer als Verbraucher anzusehen ist, wird im Wettbewerbs- und im Vertragsrecht aber unterschiedlich interpretiert. Gem. §  13 BGB ist Verbraucher als Gegenbegriff zum in §  14 BGB definierten Unternehmer „jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zwecke 452 

OLG München v. 18.1.2001 – U (K) 5630/99, WuW DE-R 968 LS – Riegele. Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 14. 454  BGH v. 13.12.1990 – KZR 2/89, WuW/E BGH 2675 – Nassauische Landeszeitung. 455  K. Schmidt, ZWeR 2007, 394, 397. Eine nicht näher zu behandelnde Zwischenform zwischen public und private enforcement sind Ansprüche eines Geschädigten gegen eine Kartellbehörde auf ein Einschreiten oder Rechte eines Privaten auf Beteiligung an einem öffentlichen Verfahren; siehe dazu Möschel, WuW 2007, 483, 483. 456  K. Schmidt, ZWeR 2007, 394, 398; zu Wettbewerbsverboten siehe Mohr, WuW 2011, 112 ff. 457  Siehe zu §§  1042 und 1041 ZPO a. F. BGH v. 25.10.1966 – KZR 7/65, BGHZ 46, 365, 372 – Schweißbolzen, unter Hinweis auf die Zugehörigkeit des Wettbewerbsrechts zur öffentlichen Ordnung; dazu K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1399. 458  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  15. 453 

B. Wichtige Grundbegriffe

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abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann“.459 Das primäre Unionsrecht enthält keine Definition des Verbrauchers, auch wenn dieser im Rahmen des Art.  101 Abs.  3 AEUV sowie etwa in Art.  169 AEUV erwähnt wird.460 Die unionsrechtlichen Verbraucherschutzrichtlinien definieren den Verbraucher vielmehr situationsbezogen, wobei dieser – grundsätzlich vergleichbar mit §  13 BGB – zumeist als natürliche Person angesehen wird, die ein Rechtsgeschäft zu nicht gewerblichen oder beruflichen Zwecken schließt.461 Demgegenüber ist in der Wettbewerbspolitik umstritten, was unter einem Verbraucher zu verstehen ist. Aus wohlfahrtsökonomischer Sicht können die Vorschriften des (Wettbewerbs-)Rechts einem Gesamtwohlfahrtstandard („total welfare standard“), aber auch einem Konsumentenwohlfahrtstandard („consumer welfare standard“) dienen.462 Ein wesentlicher Unterschied der beiden Sichtweisen liegt in der Frage, ob distributive Effekte von Wettbewerbshandlungen berücksichtigt werden sollen oder nicht.463 Stellt man auf einen Konsumentenwohlfahrtstandard ab, ist allein entscheidend, ob die Konsumentenrente maximiert wird.464 Hierfür ist in einem ersten Schritt zu klären, welche Marktteilnehmer Verbraucher in diesem Sinne sind.465 So kann als Konsument grundsätzlich sowohl der private Endverbraucher als auch die jeweils betroffene Marktgegenseite verstanden werden. Bei einer sehr weiten Betrachtung fallen sogar alle Individuen einer Volkswirtschaft unter den Verbraucherbegriff, da sie alle in der einen oder anderen Situation als Verbraucher auftreten.466 Während einige den wohlfahrtsökonomischen Verbraucherbegriff allgemein mit „wohlfahrtsökonomischer Effizienz“ gleichsetzen,467 stellen andere auf die Wohlfahrt aller Teilnehmer der Marktgegenseite ab, so dass bei zweiseitigen 459 Dazu

Mohr, AcP 204 (2004), 660 ff. zu den Verbraucherschutz-Querschnittsklauseln des Art.  12 AEUV sowie des Art.  38 EU-GRCharta Breuer, EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, S.  75 ff. 461  Siehe Art.  2 Nr.  1 der Richtlinie 2011/83/EU v. 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/ EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. EU Nr. L 304/64 v. 22.11.2011. Hiernach ist „Verbraucher“ jede natürliche Person, die bei von dieser Richtlinie erfassten Verträgen zu Zwecken handelt, die außerhalb ihrer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit liegen. Siehe zu Unterschieden im deutschen Recht Mohr, AcP 204 (2004), 660, 671 m. w. N. 462  Christiansen, „More Economic Approach“, S.  334; Rule, Consumer Welfare, Efficiencies, and Mergers, 2005, S.  2 ff. 463 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1060. 464 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.   1058. Für den Konsumentenwohlfahrtstandard Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35. 465 Ausführlich Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  47 ff. 466 MünchKommEUWettbR/Habermeier, Art.   81 EG Rn.  676; Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  57. 467  So zur Post-Chicago School Baker, Antitrust L. J 73 (2006), 483, 512 f. 460 Siehe

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Teil 1:  Einleitung

Märkten nicht nur etwaige Wohlfahrtsverluste von Abnehmern, sondern auch solche von Zulieferern zu berücksichtigen sind.468 Gemäß den Implikationen der neoklassischen Theorie geht es dabei allerdings nie um das Wohl tatsächlicher Individuen, sondern immer um eine analytische Betrachtung.469 Ein wohlfahrtsökonomisch indizierter Verbraucherschutz ist deshalb nicht gleichbedeutend mit dem Schutz der materialen Selbstbestimmung der Bürger. Im europäischen Wettbewerbsrecht findet sich der Begriff des Verbrauchers im Freistellungstatbestand des Art.  101 Abs.  3 AEUV, wo er als eigenständiges Merkmal neben den Effizienzgewinnen aufgeführt ist („unter angemessener Beteiligung der Verbraucher an dem entstehenden Gewinn“).470 Nach dem Zweck des Art.  101 Abs.  3 AEUV, wettbewerbsbeschränkende Koordinierungen dann zuzulassen, wenn die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen ihre negativen Auswirkungen überwiegen, ist der Begriff nach wohl allgemeiner Ansicht weit zu verstehen. Er erfasst somit alle Personen, die von den Auswirkungen der Wettbewerbsbeschränkung direkt betroffen sind.471 Verbraucher im Sinne des Art.  101 Abs.  3 AEUV sind deshalb nicht nur die Endverbraucher, sondern alle unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer der betroffenen Erzeugnisse auf allen Handelsstufen,472 somit auch die Folgevertragspartner. Der Verbraucherbegriff des Art.  101 Abs.  3 AEUV kann auf Art.  102 AEUV übertragen werden, sofern dort ebenfalls eine Freistellung von der Wettbewerbsbeschränkung aus ökonomischen Effizienzerwägungen in Rede steht.473 Dasselbe gilt für das Recht der Regulierung der Netzwirtschaften, sofern man dieses wie vorliegend als sektorspezifische Konkretisierung des allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots ansieht.

VII. Wettbewerbsbeschränkende Verträge und Folgeverträge Unsere Untersuchung beschäftigt sich mit der Inhaltskontrolle von wettbewerbsbeschränkenden Folgeverträgen. Zu klären ist deshalb, was unter einem Folgevertrag zu verstehen ist. Im Wettbewerbsrecht wird der Begriff „Folgevertrag“ überwiegend in Zusammenhang mit Verstößen gegen das in Art.  101 AEUV474 und den §§  1 ff. 468 Vgl.

Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35. Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  239. 470 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schumacher, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  314. 471 Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.   101 Abs.  3 AEUV Rn.  224; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schumacher, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  314. 472 Calliess/Ruffert/Weiss, Art.  101 AEUV Rn.  162. 473  EuGH v. 15.3.2007 – Rs. C-95/04 P, EuZW 2007, 306 Rn.  69 und 84 ff. – British Airways; siehe auch EuGH v. 17.2.2011 – Rs. C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  76 – TeliaSonera mit Anm. Emmerich, JuS 2012, 177. 474  Der EuGH verwendet den Begriff des Folgevertrags nicht. Entscheidend soll vielmehr sein, ob eine Vertragsklausel den Tatbestand des Art.  101 Abs.  1 AEUV erfüllt oder nicht. 469 

B. Wichtige Grundbegriffe

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GWG normierte Kartellverbot475 gebraucht.476 Dabei kann eine Folgevertragskonstellation de lege lata sowohl in horizontalen als auch in vertikalen Vertragsbeziehungen auftreten.477 Demgegenüber werden Verträge, die infolge eines verbotswidrigen Marktmachtmissbrauchs im Sinne des Art.  102 AEUV bzw. der §§  19 ff. GWB geschlossen werden, von der herrschenden Ansicht nicht als Folgeverträge bezeichnet. Dies mag daran liegen, dass das Missbrauchsverbot bislang weniger in Zusammenhang mit rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen als vielmehr mit tatsächlichen Verhaltensweisen praktisch wurde.478 Eine derartige Einschränkung des Folgevertragsbegriffs ist schon wegen der gestiegenen theoretischen und praktischen Relevanz des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen nicht mehr gerechtfertigt. Vor dem Hintergrund der geschilderten Überlegungen wird zwar die Entscheidung des historischen Vertrags-Gesetzgebers verständlich, in Art.  86 EWG (Art.  82 EG, Art.  102 AEUV) anders als in Art.  85 Abs.  2 EWG (Art.  81 Abs.  2 EG, Art.  101 Abs.  2 AEUV) die Rechtsfolge der Nichtigkeit von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen nicht eigens zu normieren, sondern die entsprechende Beurteilung den nationalen Rechtsordnungen zu überlassen.479 Dass das Missbrauchsverbot auf unionsrechtlicher

Ansonsten bestimmen sich die Rechtsfolgen nach Ansicht des EuGH allein nach nationalem Recht, vgl. EuGH v. 14.12.1983 – Rs. 319/82, Slg. 1983, 4173 Rn.  11 – Société de Vente de Ciments et Bétons/Kerpen & Kerpen. Dies erklärt, weshalb in der deutschen Diskussion die dort verwandte Definition des Folgevertrags auf das Unionsrecht übertragen wurde, vgl. Langen/Bunte/Bunte, Art.  81 EG Generelle Prinzipien Rn.  213; Loewenheim/Meessen/Riesenkampf/Jaeger, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  24; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  34; von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  234. 475  OLG Düsseldorf v. 30.7.1987 – U (Kart) 29/86, WuW/E OLG 4182, 4184 – Delkredere-Übernahme; Immenga/Mestmäcker/Emmerich, §  33 GWB Rn.  115 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  215; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  1 GWB Rn.  255 f. 476  Paul (Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  2 2 mit Fn.  25 und 18) spricht in Abgrenzung zu lauterkeitsrechtlichen Folgeverträgen und zu Verträgen infolge eines Marktmachtmissbrauchs von „kartellrechtlichen Folgeverträgen“. 477  Vor der Schaffung eines einheitlichen Verbotstatbestands durch die 7. GWB-Novelle wurde die Folgevertragsproblematik im deutschen Wettbewerbsrecht für vertikale Wettbewerbsbeschränkungen gem. §§  14 ff. GWB a. F. zumeist unter dem Stichwort „Zweitverträge“ erörtert. Stellungnahmen beschränkten sich auf die Feststellung, die Nichtigkeit einer Vertikalvereinbarung erfasse nicht die Zweitvereinbarung zwischen einem gebundenen Vertrags­ teil und einem Dritten. Vgl. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Wettbewerbsrecht: GWB, 3.  Aufl. 2001, §  14 Rn.  67. K. Schmidt (in: FS Möschel, 2011, S.  559, 578) sieht in der Beseitigung der Privilegierungen für vertikale Preisbindungen der zweiten Hand und Vertriebsbindungen historisch den wichtigsten Schritt zur kompetitiven Domestizierung von „Folgeverträgen“, da diese nunmehr direkt dem Kartellverbot unterstünden. 478  So der generelle Befund von Mestmäcker/Schweitzer, §  2 2 Rn.  23; Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  415. 479  An dieser Stelle genügt ein Hinweis auf EuGH v. 30.1.1974 – C-127/73, Slg. 1974, 51 Rn.  16 – BRT/Sabam; EuGH v. 11.4.1989 – Rs 66/86, NJW 1989, 1982 Rn.  45 – Ahmed Saeed Flugreisen.

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Teil 1:  Einleitung

Ebene keine vertragsrechtlichen Sanktionen normiert, bedeutet aber nicht, dass Folgeverträge insoweit immer wirksam wären. Im Schrifttum wird der Begriff des Folgevertrags weiter ausdifferenziert. Eine Ansicht geht nur dann von einer vertragsrechtlich relevanten Folgevertragskonstellation aus, wenn an dem Vertrag ein Wettbewerbsverletzer beteiligt ist.480 Man kann diese Verträge deshalb als „unmittelbare Folgeverträge“ bezeichnen. Demgegenüber wollen andere den Begriff „Folgevertrag“ zusätzlich auf Sachverhalte anwenden, die ohne unmittelbare Beteiligung eines Kartellmitglieds zwischen Abnehmern und weiteren Dritten geschlossen werden.481 Diesen Verträgen liegen die antikompetitiven Preise nicht mehr direkt zugrunde. Die überhöhten Preise finden allenfalls im Wege einer Weiterwälzung („passing-on“) Eingang in das Rechtsgeschäft. Insofern kann man von „mittelbaren Folgeverträgen“,482 „Folgeverträgen mittelbaren Grades“,483 „einfachen Folgeverträgen“484 oder „schlichten Drittverträgen“485 sprechen. Rechtliche Beziehungen zwischen den mittelbar Betroffenen und dem Wettbewerbsverletzer werden hier also gerade nicht durch einen Vertrag, sondern nur durch die gegenüber „jedermann“ geltenden deliktsrechtlichen Vorschriften begründet.486 Gleichwohl spielen diese deliktischen „Jedermanns-Pflichten“, wie wir noch sehen werden, auch für die rechtliche Behandlung unmittelbarer Folgeverträge eine große Rolle. Innerhalb der unmittelbaren Folgeverträge wird weiter zwischen Ausführungs- und Folgeverträgen unterschieden.487 Als Ausführungsverträge werden Vereinbarungen zwischen den Kartellbeteiligten bzw. zwischen diesen und Dritten bezeichnet, die der Absicherung, Umsetzung oder Ergänzung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung dienen.488 Deren rechtliches 480 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, §  33 GWB Rn.  115 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  215; Wiedemann/Topel, Kartellrecht, §  50 Zivilrechtliche Sanktionen Rn.  40; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §   1 GWB Rn.   255 f.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  24: Zöttl/Schlepper, EuZW 2012, 573, 574. 481  So in Zusammenhang mit der deliktischen Klagebefugnis gem. §  33 Abs.  3 GWB die Monopolkommission, Sondergutachten 41, S.  37 ff.; Al-Deb‘i/Krause, ZGS 2006, 20 ff. 482  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  23. 483  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431. 484  Körner, GRUR 1968, 348, 351. 485  Leib, Kartellrechtliche Durchsetzungsstrategien, S.  18. 486  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  23. 487 Wiedemann/Topel, Kartellrecht, §   50 Zivilrechtliche Sanktionen Rn.  40 f.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  1 GWB Rn.  255 f.; Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431; aus dem zivilistischen Schrifttum siehe MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  65. 488  OLG Düsseldorf v. 30.7.1987 – U (Kart) 29/86, WuW/E OLG 4182 – Delkredere-Übernahme; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  237. Ausführlich OLG Dresden v. 19.3.1998 – 7 U 827/97, juris Rn.  97: „[. . .] Ausführungsverträge stellen etwa Verträge über den Beitritt Dritter zu dem verbotenen Kartell dar. [. . .] Erfaßt werden [. . .] auch

B. Wichtige Grundbegriffe

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Schicksal bestimmt sich unstreitig nach den allgemeinen Regeln gegen Wettbewerbsbeschränkungen, da sie dem Schutzbereich derselben unterfallen.489 In Abgrenzung hierzu werden als Folgeverträge alle anderen Vereinbarungen eingestuft, die von den Beteiligten einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung zu deren Ausführung mit unbeteiligten Dritten abgeschlossen werden. Dies sind häufig Werk-, Kauf- oder Werklieferungsverträge mit der Marktgegenseite, denen antikompetitiv überhöhte Preise zugrunde liegen.490 Diese Verträge sollen nach der über Jahrzehnte herrschenden Ansicht nicht dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen unterfallen, sondern voll wirksam sein.491 An dieser Sichtweise haben auch die Änderungen des normativen Umfelds der letzten Jahre nichts geändert.492 Im Rahmen der Untersuchung unmittelbarer Folgeverträge legt diese Arbeit einen sachlich-weiten Folgevertragsbegriff zugrunde.493 Denn die (Teil-)Unwirksamkeit eines Vertrages kann nicht nur bei einem Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, sondern auch bei einem solchen gegen die wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbote sowie gegen die sektorspezifischen Ex-post- und Ex-ante-(Entgelt-)Kontrollvorschriften begründet sein. Zwar werden auch im Regulierungsrecht die vertragsrechtlichen Folgen wettbewerbswidrigen Verhaltens diskutiert; der Begriff des Folgevertrags hat sich dort jedoch bislang nicht durchgesetzt.494 Wir können somit festhalten, dass wir immer dann von einem Folgevertrag sprechen wollen, wenn ein wettbewerbswidriges Verhalten für den Abschluss oder die inhaltliche Ausgestaltung eines sich anschließenden Vertrages (mit-)ursächlich geworden ist.495 In Abgrenzung zu den Folgeverträgen werden wir die spezifischen Probleme einer Unwirksamkeit der Vereinbarungen zwischen den Kartellanten nach Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. §  134 BGB nur insoweit behandeln, als dies für das Kollegenlieferungen bei Spezialisierungskartellen oder Syndikaten, weiter etwa Lizenzverträge zwischen den Mitgliedern eines Patentpools sowie namentlich Preis-, Vertriebs- oder Ausschließlichkeitsbindungen, über deren parallele Einführung die Konkurrenten sich zuvor verständigt hatten.“ 489  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  1 GWB Rn.  255 m. w. N. 490  BGH v. 4.5.1956 – I ZR 194/54, NJW 1956, 1201 – Spediteurbedingungen; OLG Celle v. 15.2.1963 – 8 U 177/60, NJW 1963, 2126, 2127; OLG Düsseldorf v. 30.7.1987 – U (Kart) 29/86, WuW/E OLG 4182 – Delkredere-Übernahme; OLG Frankfurt v. 30.7.1996 – 11 U (Kart) 63/95, NJWE-WettbR 1996, 259 – Der Grüne Punkt; OLG Dresden v. 19.3.1998 – 7 U 827/97, juris; OLG Hamm v. 3.12.2012 – 2 U 52/12, juris Rn.  95; aus dem Schrifttum siehe MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  65. 491  Siehe Teil 9 D. IV. 492  Jüngst nachdrücklich K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559 ff. 493 Ebenso Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  24; i. E. Leib, Kartellrechtliche Durchsetzungsstrategien, S.  17. 494  Beispielhaft Schmitt/Staebe/Staebe, Eisenbahn-Regulierungsrecht, S.  284, die den Verbotsgesetzcharakter der Entgeltbestimmungen des AEG insgesamt in Abrede stellen. 495  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  24 f.

74

Teil 1:  Einleitung

Verständnis unserer Aufgabenstellung notwendig erscheint. Aus diesem Grunde ist etwa die Unwirksamkeit wettbewerbsbeschränkender Gesellschaftsverträge hier nicht zu thematisieren,496 konkret also die Frage, ob die Unwirksamkeitsfolge aufgrund der zu erwartenden Folgen auf Verträge mit Dritten nur ex nunc oder doch ex tunc eintritt.497

VIII. Formale und materiale Freiheit Die Bezeichnung „formale Freiheit“ bezieht sich im vorliegenden Kontext auf die rechtliche Einräumung einer Handlungsbefugnis.498 Die Reichweite formaler Freiheitsgewährleistungen ist abhängig von der staatlichen Rahmenordnung, in der Europäischen Union somit von der Wirtschaftsverfassung und den diese ausfüllenden Rechtsnormen. Demgegenüber bezieht sich „Materialisierung“ auf eine Aufladung der rechtlich gewährten Freiheitsrechte mit zusätzlichen Anforderungen. Eine Person ist hiernach nicht schon dann frei, wenn sie eine formale Handlungskompetenz hat. Die Freiheit bestimmt sich vielmehr durch einen Blick auf weitere Anforderungen. Welches diese Anforderungen sind und auf welchen rechtlichen Gewährleistungen sie beruhen, wird im Schrifttum unterschiedlich gesehen, ohne dass das jeweilige Vorverständnis immer offen gelegt wird. So kann sich der Begriff „Materialisierung“ im Vertragsrecht auf die tatsächliche Möglichkeit zum eigennützigen Gebrauch der rechtlichen Gewährleistungen beziehen, aber auch auf die Einhaltung übergeordnet-ethischer Anforderungen. Auch im Wettbewerbs- und im Regulierungsrecht ist umstritten, ob sich die wettbewerbsfördernden Rechtsnormen auf die Gewährleistung rechtlicher Freiheit, auf eine wie auch immer zu bestimmende tatsächliche Freiheit oder auf übergeordnete (Gemeinwohl-)Erwägungen beziehen. Da die Unterscheidung zwischen formaler und materialer Freiheit unsere Untersuchung wie ein roter Faden durchzieht, können wir es hier mit dieser verallgemeinernden Unterscheidung bewenden lassen.

C. Einwände gegen ein freiheitlich-materiales Verständnis des wirtschaftsrelevanten Privatrechts Die machtbegrenzende, freiheitssichernde und damit „zivilistische Funktion“ des Wettbewerbs und der ihn ausgestaltenden Schutz- und Verbotsnormen wird 496 Dauses/Hoffmann,

Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  133. Nach Ansicht des BGH gilt bei Verstößen von Gesellschaftsverträgen gegen das Wettbewerbsrecht nicht die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft; vgl. BGH v. 4.3.2008 – KVZ 55/07, WuW/E DE-R 2361 Rn.  16 – Nord-KS/Xella. 498  Siehe zu den im Schrifttum diskutierten Formen „formalen“, „materialen“, „prozeduralen“ und „funktionalen“ Rechts Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38 ff. 497 

C. Einwände gegen ein freiheitliches Privatrecht

75

sowohl von Vertretern der Wirtschaftswissenschaften als auch von juristischer Seite in Zweifel gezogen.499 Damit wird jedoch zugleich die Funktion des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als Instrument der kompetitiven Inhaltskontrolle von Verträgen in Abrede gestellt; denn eine solche kommt vor allem dann in Betracht, wenn man den individualschützenden Zweck dieser Rechtsgebiete anerkennt. Demgegenüber spielen die Interessen der Marktteilnehmer eine untergeordnete Rolle, wenn man die Tatbestände des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts und/oder ihre Durchsetzung der Herstellung überindividuell-objektiver Effizienz unterordnet.

I. Die wirtschaftswissenschaftliche Sicht („more economic approach“) Die aktuell herrschende „Mainstream-Ökonomie“ basiert auf Erkenntnissen der Wohlfahrtsökonomie, der es im Ergebnis – auch wenn sie annahmegemäß von der Präferenzautonomie und dem Rationalverhalten der Marktteilnehmer ausgeht500 – nicht um den Schutz materialer wirtschaftlicher Freiheit geht, sondern um das Erzielen von Effizienzgewinnen als Mittel zur Erreichung allgemeiner Wohlfahrt. Hierzu will sie unternehmerische Verhaltensweisen einer „bilan économique“501 unterziehen, mit der ermittelt werden soll, ob etwaige Wohlstandseinbußen im Einzelfall durch anderweitige Wohlfahrtsgewinne aufgewogen werden.502 Nur von untergeordneter Relevanz sind für diese Beurteilung Werte wie die wirtschaftliche Selbstbestimmung.503 Auch der aktuell von der Kommission verfolgte „stärker wirtschaftliche Ansatz“ zum europäischen Wettbewerbsrecht 504 (im Folgenden dem gängigen Sprachgebrauch folgend als „more economic approach“ bezeichnet) will dieses Rechtsgebiet unmittelbar an wohlfahrtsökonomisch zu bestimmenden Effizienzkriterien ausrichten. Diese Sichtweise stellt zugleich die systematischen Verbindungen des Wettbewerbsrechts zum Privatrecht in Frage.505 Die durch die Reformbestrebungen der Kommission hervorgerufene Rechtsunsicherheit wird befördert durch den Vertrag von Lissabon, der das Schutzziel eines „unverfälschten Wettbewerbs“ von Art.  3 Abs.  1 lit. g EG in das Protokoll Nr.  27 über den Binnen499 

Säcker, Zielkonflikte, S.  19; MünchKommEUWettbR/ders., Einl. Rn.  4 ff. Siehe Teil 4 C. III. 2. 501  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 801. 502  An dieser Stelle genügt ein Hinweis auf EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005. 503  Als ökonomische Entsprechung der Privatautonomie stuft die Präferenzautonomie ein Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 315 ff. Siehe zur Präferenzautonomie als Grundlage zivilistischer Regelsetzung Bachmann, Private Ordnung, S.  174. Ausführlich Eidenmüller, Effizienz, S.  326 ff. 504 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  4. 505  Ebenso wie die systematische Verknüpfung mit dem auf dem Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV, §  19 GWB beruhenden Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften. 500 

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Teil 1:  Einleitung

markt und den Wettbewerb506 verschoben hat. Verschoben wurde auch die Systemgarantie einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“, die nicht mehr in den allgemeinen Vertragszielen (Art.  4 Abs.  1 EG), sondern in einem neuen Art.  119 Abs.  1 AEUV, also auf den ersten Blick „lediglich“ in einem bereichsspezifischen Abschnitt des AEU-Vertrages geregelt ist. Diese Änderungen der normativen Zielvorgaben werfen die Frage auf, ob der Unionsgesetzgeber mit ihnen einer stärkeren Ausrichtung des europäischen Wettbewerbsrechts an wohlfahrtsökonomischen Zielen den Weg weisen wollte.507 Die entsprechenden Fragestellungen waren in den letzten Jahren Gegenstand einer breiten wettbewerbsrechtlichen Spezialdebatte.508 Demgegenüber wurden die Auswirkungen einer wohlfahrtsökonomisch-effizienzbasierten Ausrichtung des Wettbewerbsrechts auf ein freiheitliches Privatrecht bislang nicht vertieft in den Blick genommen, obwohl diese eigentlich auf der Hand liegen: Das Wettbewerbsrecht diente bislang auf konstitutioneller Ebene der Sicherung eines material-selbstbestimmten Vertragsschlusses, indem es im Verkehr mit Massengütern durch Offenhaltung der Märkte einen ausreichenden Wettbewerb auf der Marktgegenseite sicherte sowie die Gestaltungs- und Vertragsfreiheit für marktbeherrschende Unternehmen beschränkte.509 Diese Aufgabe wird in Frage gestellt, wenn die (vertragliche) Selbstbestimmung der Marktteilnehmer keinen prägenden Eigenwert mehr genießt, sondern weitgehend zu Gunsten überindividueller, ökonomisch zu bestimmender Effizienzziele beschränkt werden kann. Die Probleme verschärfen sich, führt man sich die (eigentlich allgemein konsentierte) eingeschränkte Leistungsfähigkeit ökonomischer Modell­ analysen vor Augen, die sich zwar mittlerweile in vielen Bereichen einen festen Platz in der Diskussion um die zutreffende Ausgestaltung von Rechtsnormen erobert haben, jedoch weiterhin mit vielen ungelösten Fragestellungen konfrontiert sind.510 Eine wichtige Funktion der Untersuchung besteht deshalb darin, diese Konfliktfelder offenzulegen; denn gerade im Privatrecht besteht derzeit noch kein zureichendes Problembewusstsein. Paradigmatisch sind die – kenntnisreichen – Beiträge von Karsten Schmidt zum „Wettbewerbsrecht als Nagelprobe des Privatrechts“, die den „more economic approach“ zum EU-Wettbewerbsrecht und seine systemsprengenden Implikationen inhaltlich nicht behandeln.511 Insofern verfolgt diese Untersuchung auch den Zweck, die aktuellen wettbewerbsrechtlichen Erörterungen im Bewusstsein der Privatrechtswissen506 

ABl.EU 2008 Nr. C 115/309. Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  905, 908 ff. und 956 f. m. w. N. 508  Vgl. die Nachweise bei Schumacher, Effizienz und Wettbewerb, 2011; Wolf, Effizienzen, 2009. 509  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 173. 510 Grundlegend I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  1 ff. 511  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169 ff.; siehe auch ders., ZWeR 2010, 15, 27 in Fn.  109, wo der Terminus „more economic approach“ erwähnt wird. 507 Von

C. Einwände gegen ein freiheitliches Privatrecht

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schaft zu verankern und zu einer vertieften Diskussion über die „wettbewerblichen Grundlagen der Privatautonomie“ anzuregen. Noch dringender stellt sich die vorstehend geschilderte Aufgabe im Regulierungsrecht. Eine sektorspezifische Marktregulierung geht per definitionem nicht von funktionsfähigen Märkten aus, die nur ausnahmsweise aufgrund unioder multilateraler Wettbewerbsbeschränkungen gestört sind. Sie statuiert vielmehr eingriffsintensivere Ex-ante-Verhaltenspflichten und Ex-ante-Strukturmaßnahmen, weil das allgemeine Wettbewerbsrecht aufgrund der spezifischen Marktversagensgründe nicht ausreicht, um funktionsfähige Märkte in Gang zu setzen und dauerhaft in Gang zu halten.512 Dogmatisch handelt es sich um sektorspezifisch fortentwickelte Ausprägungen des allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots.513 Unter diesen Voraussetzungen ist jedoch auch für das Regulierungsrecht zu diskutieren, ob ein „more economic approach“ zum EU-Wettbewerbsrecht zugleich zu einer grundlegenden Umorientierung der Regulierungsvorgaben zwingt. Zu den (wettbewerbs-)ökonomisch fundierten Gründen für ein Marktversagen hinzu treten ökonomisch und juristisch motivierte gemeinwohlinduzierte Regulierungsgründe wie ein möglichst umfassender Umwelt- und Klimaschutz, wie er derzeit im Rahmen der Energiewende in Rede steht, oder die politisch gewollte Anbindung der Verbraucher an ein möglichst leistungsfähiges Breitbandkabelnetz. Sofern man die Verbindungsschnur zum Privatrecht also nicht bereits aufgrund einer ökonomisch-effizienzbasierten Uminterpretation der regulierungsrechtlichen Vorschriften zur Sicherung und Förderung des Wettbewerbs kappen will („more economic approach“), ist dieses Ergebnis jedenfalls dadurch erreichbar, dass das Regulierungsrecht aufgrund seiner „bipolaren Struktur“ zwischen Wettbewerbs- und sonstiger Gemeinwohlförderung insgesamt dem öffentlichen Recht zugeordnet wird.514 Wie wir noch sehen werden, wäre ein solches Vorgehen dogmatisch nicht gerechtfertigt, schon weil hierdurch wichtige Wertungen verunklart würden.

II. Juristische Kritik am Schutz materialer Selbstbestimmung Die individualschützende, die gegenseitige Unabhängigkeit („relative Machtlosigkeit“) und materiale („innere“515) Wahlfreiheit der Marktteilnehmer sichernde Funktion von Wettbewerb und Vertrag516 wird auch von juristischer Seite kritisiert. So erachtet eine Ansicht eine Verhaltenskontrolle marktmächtiger Unternehmen an den Gegebenheiten bei wirksamem Wettbewerb trotz der 512 Fehling/Ruffert/Leschke,

Regulierungsrecht, S.  281, 289. Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 162. 514 So Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  30, 115 ff. 515  Bachmann, Private Ordnung, S.  247. 516  Säcker, BB 1967, 681, 683. 513 

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Teil 1:  Einleitung

durch die Anwesenheit des Marktbeherrschers gestörten „Vertragsparität“ – ein marktbeherrschendes Unternehmen wird regelmäßig Preise verlangen, die über dem Niveau bei wirksamem Wettbewerb liegen 517 – nicht als marktkonstitutiv. Es handle sich vielmehr um eine systemfremde Regulierung „gegen den Markt“,518 da jede „Marktergebniskontrolle“ in das „für eine Marktwirtschaft maßgebliche Prinzip der subjektiven Äquivalenz, d. h. der Preisfreiheit“ eingreife.519 Der Sache nach handelt es sich um ein formalistisch-liberales Verständnis des Marktmechanismus, das die „Befugnis der Parteien [. . .], das Verhältnis der gegenseitigen Leistungen privatautonom festzulegen“, auch dann als schützenswert erachtet, wenn der Prozess des Aushandelns aufgrund wirtschaftlicher Machtpositionen im Einzelfall so stark gestört ist, dass aus der Chance zur Selbstbestimmung tatsächlich Fremdbestimmung wird.520 Besonders deutlich wird dieser Befund bei nicht angreifbaren (natürlichen) Monopolen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein funktionsfähiger Wettbewerb aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll ist.521 Selbst für diese werden Verhaltenskontrollen der Monopolisten am Maßstab des hypothetischen Wettbewerbs von der vorstehend geschilderten Sichtweise als „marktkompensatorisch“, mit anderen Worten als nicht marktkonform gekennzeichnet.522 Dass eine solche Ansicht in einer sozialen Marktwirtschaft i. S. des Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV weder ökonomisch noch rechtlich legitimiert ist, wird noch näher aufzuzeigen sein. Ein zivilistisches, die Chance zur gegenseitigen Selbstbestimmung betonendes Verständnis von Privatautonomie und Vertragsfreiheit wird auch von gleichsam entgegengesetzter Seite in Zweifel gezogen. So wurden vor allem in den sechziger und siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts523 Stimmen laut, die den Vertrag nicht mehr als Mittel eines individuellen Interessenausgleiches verstehen wollten, sondern vornehmlich als Werkzeug zur Verwirklichung überin517 

I. Schmidt, WuW 2012, 795. Engel, JZ 1995, 213, 214. 519  Aus vertragstheoretischer Sicht siehe Fornasier, Freier Markt, S.  86; aus wettbewerbstheoretischer Sicht vgl. die Monopolkommission, Sondergutachten 47, S.   4, 12 ff.; dies., Hauptgutachten 18, S.  194 f.; dies., Sondergutachten 63, S.  37 ff.; krit. ebenfalls Kolpatzik/ Berg, WuW 2011, 712, 714 f.; Klaue/Schwintowski, Preisregulierung durch Kartellrecht, EWeRK-Sonderheft, 2008, S.  9 f.; dies., ZfK 4/2012, S.  12. 520  Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  277. 521  Siehe Teil 6 B. III. 522 So Fornasier, Freier Markt, S.  72 und 132, der die wettbewerbsanaloge Regulierung der Netzwirtschaften allein im Sozialstaatsgrundsatz verankert sieht. 523  Siehe auch schon Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  279, nach dem das Individuum nur gelten sollte, „was es an seinem Platz für die Gemeinschaft leistet, im Bereich der Wirtschaft so gut wie in den übrigen Lebensbereichen des Volkes.“ Nach Raiser werden dem Individuum deshalb „Befugnisse und Freiheiten [. . .] zugeteilt im Dienste der Gemeinschaft; jedes Sonderinteresse einzelner Personen oder Gruppen hat sich bedingungslos den Erfordernissen des Gesamtwohls unterzuordnen.“ 518 

C. Einwände gegen ein freiheitliches Privatrecht

79

dividueller objektiv-gemeinwohlorientierter Ziele.524 Diese Ziele wurden ei­ nerseits aus dem Demokratiegebot des Art.  20 Abs.  1 und 2 GG525 und andererseits aus dem Sozialstaatsgebot der Art.  20 Abs.  1, 28 Abs.  1 GG abgeleitet, denen man auf der Grundlage der (eigenen) gesellschaftlich-politischen Grund­ anschauungen einen konkret-subsumtionsfähigen Inhalt zu geben glaubte. Man beschränkte sich also nicht darauf, die Voraussetzungen für einen Vertragsschluss in beiderseitiger Selbstbestimmung herzustellen, sondern wollte die Situation bestimmter Personengruppen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene unabhängig von einer rechtlich erheblichen Beeinträchtigung ihrer tatsächlichen Entscheidungsfreiheit im Einzelfall verbessern. Als Beispiele können der soziale Schutz der Arbeitnehmer, Mieter oder Verbraucher benannt werden, soweit dieser auch ohne eine Beeinträchtigung der individuellen Entscheidungsfreiheit eingreifen soll.526 Ein freiheitlich-materiales, der Sicherung tatsächlicher Entscheidungsfreiheit dienendes Privatrecht gerät neuerdings auch von Seiten des Unionsrechts unter Rechtfertigungszwang.527 So steht ein gemeinsames europäisches Vertragsgesetzbuch („Common Frame of Reference“) als „optionales Instrument“528 in der Diskussion, welches das Vertragsrecht nicht nur auf die Herstellung von Freiheit, sondern normsystematisch gleichrangig auch auf „Gerechtigkeit, Solidarität und soziale Verantwortung“ verpflichten will.529 Die Kommission will ihr „Jahrhundertvorhaben“ unter anderem durch eine Verordnung zum europäischen Kaufrecht vorantreiben.530 Sie reiht sich damit in einen Entwicklungsprozess ein, der von einer negativ-marktöffnenden europäischen Integration, die den „durchschnittlichen Verbraucher“ als verständig und gut informiert betrachtete, zunehmend zu einer positiven Integration übergeht, die den freien Handelsverkehr im Binnenmarkt konsumentenbezogen ausformt.531 Dieses Changieren des Unionsrechts zwischen negativer und positiver Integration hat wohl auch konzeptionelle Gründe, da die Unionsverträge nicht nur auf die Herstellung eines unverfälschten Binnenmarktes (Art.  26 Abs.  2 AEUV), sondern 524 

Siehe Teil 3 C. Vgl. dazu Bachmann, Private Ordnung, S.  187 ff., der dem „demokratischen Gedanken“ im Privatrecht die – insoweit überzeugenden – Aussagen entnimmt, dass eine Mehrheitsherrschaft nicht zu einer Ausbeutung von Minderheiten führen darf und dass (Aus-)Wahlentscheidungen frei und aufgeklärt erfolgen müssen. 526 So Bruns, JZ 2007, 385; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 696. 527  Hierauf kann im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht vertieft eingegangen werden. 528  Busch, EuZW 2011, 655. 529 Siehe zur Ambivalenz dieser Begriffe Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/ Zimmermann, JZ 2008, 530, 534. 530  Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht v. 11.10.2011, KOM(2011) 635 endg. 531  Unberath/Johnston, CMLR 2007, 1237, 1245 ff., 1252 ff.; Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 560 ff.; Oetker, AcP 212 (2012), 202, 205. 525 

80

Teil 1:  Einleitung

auch auf ein „hohes Verbraucherschutzniveau“ abzielen (Art.  38 EU-GRCharta; Art.  114 Abs.  3 AEUV).532 Hierauf ist in Zusammenhang mit der Wirtschaftsverfassung zurückzukommen.

D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite Zum besseren Verständnis und zur Reduzierung der ohnehin hohen Komplexität wollen wir nachfolgend die thematische Reichweite der Untersuchung begrenzen. Weitere singuläre Eingrenzungen erfolgen im konkreten Kontext.

I. Kontrolle privater wirtschaftlicher Macht Unsere Untersuchung will die Verknüpfungen des Vertragsrechts mit dem Wettbewerbsrecht sowie dem Regulierungsrecht aufzeigen. Der Fokus liegt auf dem Marktversagensgrund der wirtschaftlichen Macht, soweit die Machtposi­ tion dazu benutzt wird, die eigenen Interessen unter Außerachtlassung der Chancen des Vertragspartners auf einen angemessenen Interessenausgleich durchzusetzen.533 Demgegenüber werden andere Marktversagensgründe wie die von der Neuen Institutionenökonomik hervorgehobenen Informationsund Rationalitätsdefizite nur insoweit behandelt, als dies zum Verständnis oder aus Gründen einer kohärenten Darstellung geboten erscheint. Eine vertiefte Behandlung bleibt anderen Studien vorbehalten.534 Ebenfalls nicht behandelt werden die Auswirkungen der Grundfreiheiten auf das Privatrecht, weil diese in letzter Zeit Gegenstand grundlegender Untersuchungen waren.535 Das gilt insbesondere für die Bindung der Individuen an die Grundfreiheiten und das Konkurrenzverhältnis derselben zu den Wettbewerbsvorschriften,536 sowie zur dahinter stehenden Frage, ob eine Anwendung der Grundfreiheiten im Privatrecht zu einer unbotmäßigen Schmälerung („Konstitutionalisierung“) der Privatautonomie führt.537

532 

Unberath/Johnston, CMLR 2007, 1237, 1283. Siehe zu den verschiedenen Machtbegriffen im Privatrecht Möslein/Bachmann, Private Macht, unter II. 2. 534  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht; jüngst Fornasier, Freier Markt. 535 Vgl. Bachmann, AcP 210 (2010), 424 ff.; siehe auch Franzen, Privatrechtsangleichung; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages; Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht. 536 Dazu Bachmann, AcP 210 (2010), 465 ff. 537  Bachmann, AcP 210 (2010), 465, 471 ff. 533 

D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite

81

II. Verstöße gegen die Kartell- und Missbrauchsverbote Das Wettbewerbsrecht ist das zentrale Regelungsgebiet zur Behandlung wirtschaftlicher Machtpositionen. Aus diesem Grunde stellt es – gemeinsam mit dem Regulierungsrecht538 – einen wesentlichen Gegenstand unserer Untersuchung dar. Da wir uns mit Aspekten des „private enforcement“ beschäftigen wollen, liegt das Augenmerk auf dem Kartellverbot539 sowie auf den wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Missbrauchsverboten; 540 denn die Vorschriften über die Fusionskontrolle werden nach ihrer normativen Grundstruktur primär hoheitlich durchgesetzt.541 Demgegenüber sind die wettbewerbsrechtlichen Kartell- und Missbrauchsverbote durch eine zunehmende „Privatisierung“ geprägt. Wir werden hierauf zurückkommen. Aufgrund der Angleichung des deutschen Kartellverbots an das Unionskartellrecht durch die 7. GWB-Novelle stimmt die Prüfung des §  1 GWB weitgehend mit derjenigen nach Art.  101 Abs.  1 AEUV überein.542 Aus diesem Grunde kann sich die Untersuchung überwiegend auf die Darstellung des Unionskartellrechts beschränken. Auch beim Verbot eines Missbrauchs von Marktmacht ist grundsätzlich das europäische Wettbewerbsrecht maßgeblich, hier allerdings nur soweit nicht das deutsche Wettbewerbsrecht strengere Vorschriften zur Unterbindung oder Ahndung einseitiger Handlungen von Unternehmen vorhält.543 Insoweit enthält §  29 GWB seit dem Jahr 2007 ein auf die Energiewirtschaft bezogenes Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen, das wichtige Klarstellungen hinsichtlich Maßstab und Methoden einer wettbewerbskonformen Missbrauchskontrolle enthält. Diese Norm wird deshalb im Zentrum der Erwägungen zum Ausbeutungsmissbrauch durch das Fordern antikompetitiv überhöhter Entgelte stehen.

538  Dieses beinhaltet in dogmatischer Hinsicht sektorspezifische Konkretisierungen des allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots; vgl. Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 162. 539  Art.  101 AEUV, §§  1, 2 GWB. 540  Art.  102 AEUV, §§  19, 20, 29 GWB, §§  30, 32 i. V. mit §§  21 ff. EnWG, §§  27 ff., 42 TKG, §  823 Abs.  2 BGB i. V. mit §§  13 ff. AEG. 541  Neef, Kartellrecht, 2008, Rn.  363. Auch dort zeigt sich eine Tendenz, der machtbegrenzenden, individualschützenden Funktion des Wettbewerbsrechts im Rahmen der Rechtsbehelfe zu entsprechen; vgl. dazu Bien, Fusionskontrolle und subjektiver Drittschutz; Säcker, in: FS Hirsch, 2008, S.  323 ff. 542 Art.   3 Abs.  1 VO Nr.  1/2003 und §  22 GWB; vgl. BT-Drucks. 15/3640, S.  23; Fuchs, WRP 2005, 1384 ff. 543  Art.  3 Abs.  2 Satz 2 VO Nr.  1/2003.

82

Teil 1:  Einleitung

III. Wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen Das Regulierungsrecht behandelt spezifische Probleme wirtschaftlicher Macht, die sich aufgrund ihrer besonderen Qualität nicht durch das allgemeine Wettbewerbsrecht lösen lassen. Wir werden unsere Überlegungen insoweit auf die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen beschränken, und hier insbesondere auf Regelungen im EnWG, im TKG und im AEG, da diese Sektoren Gemeinsamkeiten aufweisen, die eine übergreifende Betrachtung rechtfertigen. Dies gilt nicht für die ebenfalls der BNetzA zugeordneten Postdienstleistungen.544 Zwar wird auch dieser Sektor regulierungstheoretisch als Netzindustrie angesehen,545 da er Netzmärkte aufweist, auf denen das etablierte Unternehmen über beträchtliche Marktmacht („signifikant market power“, SMP546) verfügt, weshalb eine Ex-ante-Regulierung geboten ist.547 Das Postnetz ist jedoch anders als die Energie-, Telekommunikations- und Eisenbahnnetze nicht durch eine hohe Kapitalintensität geprägt, sondern zeichnet sich durch eine hohe Personalintensität aus. Aufgrund dieses regulierungstheoretisch bedeutenden Unterschieds bleibt der Postsektor außer Betracht.548 Nicht betrachtet werden auch die Versorgung mit Trinkwasser549 und die Entsorgung von Abwasser sowie die Versorgung mit Fernwärme.550 Zwar handelt es sich bei diesen Bereichen um Netzindustrien, weshalb rechtspolitisch auch hier ein funktionierender Wettbewerb unter Wahrung von Versorgungs­ sicherheit und hoher Qualität initiiert werden könnte.551 Gleichwohl hat der Gesetzgeber den Ordnungsrahmen im Wassersektor noch nicht an die neuen regulierungsrechtlichen Erkenntnisse angepasst. Vielmehr gelten für die Wasserversorgung und in Teilen auch für die Abwasserentsorgung umfassende Be544 Dazu Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.   18 f.; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  2. 545  Dazu Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 38 und öfter. 546  Monopolkommission, Sondergutachten 39, Rn.  209. 547 Vgl. ausführlich Dieke/Junk/Zauner, Netzzugang und Zustellwettbewerb im Briefmarkt, WIK-Diskussionsbeitrag Nr.  336, S.  14 ff. 548 Siehe zu den Regulierungszielen im Postwesen Fehling/Ruffert/Ruffert, Regulierungsrecht, S.  565, 568 ff.: Herstellung und Aufrechterhaltung von Wettbewerb, Gewährleistung einer Grundversorgung mit Postdienstleistungen, Wahrung der öffentlichen Sicherheit; darüber hinaus wirft Ruffert die Frage nach sozialen Belangen als Regulierungsziel auf (S.  572 ff.). 549  Dazu Monopolkommission, Hauptgutachten 18, Rn.  1 ff. Hiernach sei ein „Durchleitungswettbewerb“ wie bei der Versorgung mit Energie und Telekommunikation aufgrund der spezifischen Technologie der Wasserversorgung nicht sinnvoll (a. a. O., Rn.  18); siehe zur kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle auch BGH v. 2.2.2010 – KVR 66/08, NJW 2010, 2573 – Wasserpreise Wetzlar. 550  Zur Anwendung des allgemeinen Kartellrechts vgl. Säcker/Wolf, RdE 2011, 277 ff. 551 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 38.

D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite

83

reichsausnahmen (§§  31 ff. GWB i. d. Fassung der 8. GWB-Novelle).552 Auch potenzieller Wettbewerb ist hier regelmäßig durch die Anordnung eines Anschluss- und Benutzungszwangs nebst eines (beidseitigen) Kontrahierungszwangs ausgeschlossen.553 Der Bereich der Fernwärme wurde vom Gesetzgeber bislang ebenfalls keiner sektorspezifischen Regulierung unterstellt.554 Im Gegensatz zum Wassersektor gibt es für die Fernwärme jedoch keine Bereichsausnahme.555 Diese unterliegt deshalb jedenfalls dem allgemeinen Wettbewerbsrecht.556

IV. Preiskontrolle der (Folge-)Verträge Die Wirkungszusammenhänge zwischen Vertrag und Wettbewerb erfordern – so die bereits angesprochene Hauptthese dieser Arbeit – eine wertungsharmonisierende Interpretation der entsprechenden Rechtsgebiete. Diese Zusammenhänge sollen anhand der (Teil-)Unwirksamkeit von Folgeverträgen erläutert werden. Der Abstimmungsbedarf zwischen Vertragsschutz und Wettbewerbsschutz ist derzeit besonders drängend im Verhältnis zwischen dem Privatrecht und dem Recht der sektorspezifischen Regulierung von Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen, da Letzteres auf der Schnittstelle zwischen privatrechtlicher Förderung wirksamen Wettbewerbs und öffentlich-rechtlicher Daseinsvorsorge angesiedelt ist.557 So verfolgt das Recht der Regulierung natür­ licher Netzmonopole (EnWG, AEG) und marktmächtiger Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten (TKG) nicht nur das Ziel einer Förderung des abgestuften Gemeinwohlziels „wirksamer Wettbewerb“, sondern als „Privatisierungsfolgenrecht“ auch sonstige Gemeinwohlziele wie die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und die Förderung einer umweltverträglichen Energieversorgung. Diese Ziele sind nicht nur voneinander zu unterscheiden,558 sondern auch in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen.559 552 

Markert, N&R 2009, 118, 119 m. w. N.; krit. de lege ferenda Säcker, WuW 2012, 343. Brehme, Privatisierung und Regulierung der öffentlichen Wasserversorgung, 2010, S.  167; Wolf, BB 2011, 648, 649; davon zu trennen ist die Frage, ob die Wasserversorger aufgrund des gesetzlich angeordneten Monopols als „Unternehmen“ i. S. des Wettbewerbsrechts anzusehen sind. 554  Vgl. BR-Drucks. 613/04 v. 13.8.2004, S.  79; Körber, Drittzugang zu Fernwärmenetzen, 2011, S.  20. 555  Zur Historie vgl. Körber, Drittzugang zu Fernwärmenetzen, 2011, S.  21. 556  Siehe dazu Säcker/Wolf, RdE 2011, 277 ff.; Körber, RdE 2012, 372 ff. 557  Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043, 1044. 558  Insoweit zutreffend Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 255. Das gilt auch im Interesse der rechtssicheren Anwendung durch die BNetzA als zuständiger Regulierungsbehörde, die ansonsten mit den komplexen Abwägungen zwischen dem Wettbewerbsziel und diversen öffentlich-rechtlichen Zielen im Einzelfall der Gefahr einer strukturellen Überforderung ausgesetzt wäre (a. a. O., S.  259). 559  Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  91 f. 553 

84

Teil 1:  Einleitung

Unsere Untersuchung nimmt deshalb die Lösung der Folgevertragsproblematik zum Anlass, die Wettbewerbsförderung und die (sonstige) Gemeinwohlorientierung näher zu differenzieren. Dieses Ziel wird durch den bereits thematisierten „more economic approach“ der Kommission zum europäischen Wettbewerbsrecht erschwert: 560 Eine wohlfahrtsökonomische Uminterpretation des Wettbewerbsbegriffs birgt die Gefahr in sich, dass inkongruente privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Zielvorgaben im Rahmen der konkreten Regulierungsentscheidung „zu einem unkenntlichen Gemeinwohlklumpen amalgamiert“ werden.561 Paradigmatisch hierfür ist die im öffentlich-rechtlichen Schrifttum vertretene Ansicht, das Wettbewerbsziel spiele im Regulierungsrecht überhaupt keine tragende Rolle, da der regulierte Wettbewerb insgesamt in einer Form zu konstruieren sei, die unmittelbar den politisch festzulegenden überindividuellen Gemeinwohlzielen diene, seien es solche aus dem Bereich der Sozialpolitik oder der Wohlfahrtsökonomie.562 Als derartiges (mittelbares) Gemeinwohlziel kann zwar auch die Simulation einer Situation wie bei wirksamem Wettbewerb angesehen werden.563 Die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass das Ziel der Wettbewerbsförderung im Rahmen einer einzelfallbezogenen staatlichen Wettbewerbspolitik leicht zu Gunsten anderer politischer Interessen wie zum Beispiel der Konsolidierung der kommunalen Finanzen in den Hintergrund gerät, wie sich dies derzeit im Rahmen der Tendenz zur Rekommunalisierung der Energie- und Wassernetze zeigt.564 Aufgrund der Weite des Untersuchungsgegenstandes beschränkt sich die Untersuchung auf antikompetitiv überhöhte Preise. Es geht mit anderen Worten um das Problem der „Preiskontrolle“ von Folgeverträgen. Dabei betrachten wir allein die Anbieter- und nicht auch die Nachfragerseite.565

560 

Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 255. Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 261 f.; zur Entgeltregulierung anhand des KeL-Grundsatzes auch Kleinlein/Schubert, N&R 2013, 185 ff. 562 Fehling/Ruffert/Lepsius, Regulierungsrecht, S.  1055, 1070; im Ergebnis ebenso Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  30, 115 ff.; Fornasier, Freier Markt, S.  72, der die wettbewerbsanaloge Regulierung natürlicher Monopole insgesamt dem Sozialstaatsgebot (und damit wohl auch dem öffentlichen Recht) zuordnet. 563 Brugger/Kirste/Anderheiden/Kirchgässner, Gemeinwohl, S.   289  ff. Hieran knüpft wohl auch die von Bachmann (Private Ordnung, S.  193 ff., 401 ff.) vertretene These an, bei der Sicherung des Gruppenwohls der von einer privaten Regelung Betroffenen vor Ausbeutung handle es sich um eine öffentlich-rechtliche Aufgabe. 564  Siehe dazu Teil 2 F. III. 565 Ebenso Bornkamm, GRUR 2010, 501 mit Fn.  3 ; zu den Problemen in Zusammenhang mit der Ausübung von Nachfragemacht siehe Säcker/Mohr, WRP 2010, 1 ff.; dies., WRP 2011, 793 ff. 561 

D. Eingrenzungen der thematischen Reichweite

85

V. Untersuchung aus rechtswissenschaftlicher Perspektive Im Zentrum der Untersuchung steht die Analyse des bestehenden Rechtsrahmens, also eine (zivil-)rechtliche Sicht. Dies ist Ausdruck der Erkenntnis, dass sich gerade ein interdisziplinärer Forschungsansatz der Grundlagen und Grenzen des eigenen Forschungsgebiets bewusst sein muss, um sich nicht in den Argumenten und Meinungen der Nachbardisziplinen zu verirren.566 Allerdings ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Grundaussagen der ökonomischen Theorie im Rahmen der aktuellen Tendenz zu einer verstärkten Berücksichtigung ökonomischer Erkenntnisse im Wettbewerbsrecht („more economic approach“) und der damit zusammenhängenden Verlagerung des Blickwinkels von der „gesellschaftlichen“ Funktion des Schutzes individueller Freiheit zur wohlfahrtsökonomischen Maximierung der Effizienz unerlässlich. Ökonomische Überlegungen können im Rahmen eines demokratischen Rechtsstaates aber nur „within the law“ erfolgen.567 Demgemäß ist es primär eine rechtswissenschaftliche Aufgabe, über das Ob und die Höhe eines Schadensersatzes im Falle des Verstoßes gegen drittschützende Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts zu entscheiden. Dasselbe gilt für die (Teil-)Unwirksamkeit von Folgeverträgen. Wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen können in diesem Rahmen zur Untermauerung des Schutzzwecks einer Norm herangezogen werden, sowie die Berechnung des Schadens oder die Verdeutlichung der Kausalzusammenhänge unterstützen.568

VI. Untersuchung aus unionsrechtlicher und nationaler Perspektive Die Untersuchung beschränkt sich schließlich auf das Recht der Europäischen Union sowie auf die Rechtslage in Deutschland. Die private Kartellrechtsdurchsetzung war in jüngerer Zeit Gegenstand rechtsvergleichender Forschungsaktivitäten, auf die vorliegend zurückgegriffen werden kann.569 Auch 566 

Bachmann, Private Ordnung, S.  41 f. Mestmäcker, A Legal Theory without law, S.  21 mit Fn.  62; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  17; siehe zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit auch Renner, KritV 2010, S.  66 f. 568  Dazu aus ökonomischer Sicht Haucap/Stühmeier, WuW 2008, 413 ff. 569  Möllers/Heinemann, The Enforcement of Competition Law in Europe, 2007; Möschel/ Bien, Kartellrechtsdurchsetzung durch private Schadensersatzklagen, 2010. Siehe zum Kartelldeliktsrecht rechtsvergleichend Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  35 ff., 143 ff., 169 ff. zum US-amerikanischen, englischen und französischen Recht; Endter, Schadensersatz nach Kartellverstoß, 2007, S.  233 ff. zum englischen Recht; Hempel, Privater Rechtsschutz im Kartellrecht, 2002, S.  173 ff. zum US-amerikanischen Recht; Linder, Privatklagen und Schadensersatz im Kartellrecht, 1980, S.   69 ff.; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S.  166 ff. zum US-amerikanischen Kartellrecht; Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S.  17 ff. Einen Überblick über die Probleme des vertrags- und deliktsrechtlichen „private enforcement“ gibt Leib, Kartellrechtliche Durchsetzungsstrategien, S.  5 ff. 567 

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Teil 1:  Einleitung

die – in einem vereinten Europa wohl unvermeidliche – Europäisierung des Vertragsrechts wird im Schrifttum bereits vertieft diskutiert.570 Der Gefahr einer Verengung des Blickwinkels soll dadurch begegnet werden, dass, soweit geboten, Erkenntnisse anderer Rechtsordnungen herangezogen werden.571

570  571 

Siehe die Nachweise bei MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  213 ff. Ebenso etwa der Ansatz von Bachmann, Private Ordnung, S.  43 f.

Teil 2

Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union Eine Untersuchung des Verhältnisses von Wettbewerb und Vertrag muss bei der geltenden Wirtschaftsverfassung beginnen, da diese den Rahmen absteckt, innerhalb dessen „Freiheit und Effizienz“1 verwirklicht werden können. Wie wir bereits gesehen haben, wird die privatrechtskonstituierende, freiheitssichernde Funktion des Wettbewerbsrechts – und umso mehr diejenige des Regulierungsrechts – derzeit von einer ökonomisch fundierten Ansicht in Zweifel gezogen. Nach dieser soll sich das (Privat-)Recht a priori überindividuell-objektiven Zwecken wie demjenigen wohlfahrtsökonomischer Effizienz unterordnen.2 Es ist deshalb zu prüfen, ob eine solche Sichtweise mit der unionsrechtlichen und der deutschen Wirtschaftsverfassung kompatibel ist. Als zentrales Anschauungsobjekt dient uns dabei die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union.3 Diese wird maßgeblich durch die Ziele der Union sowie durch die Rechtsnormen bestimmt, welche die Ziele konkret ausformen. Von besonderem Interesse ist die Frage, inwieweit Privatautonomie, Markt und Wettbewerb durch die europäische Wirtschaftsverfassung gewährleistet sind. Das bestimmt sich ausschließlich nach der unionsrechtlichen Methodik, weshalb die deutsche Diskussion über die „wirtschaftsverfassungsrechtliche Neutralität“ des Grundgesetzes nicht juristisch,4 sondern allenfalls als „tatsächliche Erkenntnisquelle“5 fruchtbar gemacht werden kann.

A. Wirtschaftsverfassung und Sozialmodell des Privatrechts Es entspricht heute wohl allgemeiner Ansicht, dass die marktregelnden Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts sowie des Vertragsrechts unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse der Wirtschaftswissen1  Siehe den Titel des kontrovers diskutierten Buches von Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit? 2 Grundlegend Posner, Economic Analysis of Law, S.  23; krit. Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S.  2 ff.; M. Kerber, WuW 2008, 424, 425. 3 Vgl. dazu unter Geltung des Vertrages von Lissabon Frenz/Ehlenz, GewArch 2010, 329 ff. 4  Stumpf, Aufgabe und Befugnis, 1999, S.  130; Wolf, Effizienzen, S.  130. 5  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 973 f.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

schaften über die Funktionsweise von wettbewerblichen Märkten zu gestalten und zu interpretieren sind. 6 Dies verleitet Vertreter der Wirtschafts- und Rechtswissenschaften zuweilen dazu, Rechtsnormen als veränderliche Größen zu behandeln, die durch Interpretation beliebig dem aktuellen gesellschaftlichen und ökonomischen Zeitgeist angepasst werden könnten.7 Hierbei wird übersehen, dass die positive Wirtschaftsverfassung zwingende Vorgaben für das Verständnis marktregelnder Normen bereithält. Sie bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen eine marktwirtschaftliche Ordnung verwirklicht werden kann und inwieweit diese durch überindividuell-objektive Elemente zu ergänzen ist. Sie entscheidet mit anderen Worten darüber, welches „Sozialmodell“ dem wirtschaftsordnenden Recht zugrunde liegt, konkret welche Rechtsnormen als „marktkonstitutives“ („kompetitives“) und welche als „marktkomplementäres“ („soziales“) Recht anzusehen sind. 8 Die Wirtschaftsverfassung ist dabei auf der Schnittstelle zum „Wirtschaftssystem“ sowie zum „politischen System“ angesiedelt; 9 denn sie nimmt – in sozialwissenschaftlicher Diktion – Informationen aus beiden anderen Systemen auf und ordnet diese im Sinne ihrer eigenen Rationalität.10 Die entsprechende Problematik wird in Deutschland klassischerweise unter der Überschrift Wirtschaftsverfassung diskutiert.11 Das Schrifttum spricht neuerdings auch von der „Legitimationsfunktion des Rechts für den Markt“.12

6 

Fornasier, Freier Markt, S.  57. Gesellschaftspolitische Anklänge bei Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 41, wonach unter Wirtschaftsverfassung eine „Einheit von Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialverfassung“ als Ausdruck einer „dauerhaft orientierten pragmatischen Systempolitik“ mit dem Ziel „gesellschaftlicher Verhältnismäßigkeit“ zu verstehen sei [Fall geändert; der Verf.]. Paradigmatisch für den „ökonomischen Imperialismus“ ist die Rechtstheorie der Chicago School; dazu Teil 4 C. VI. 8 Siehe zur Differenzierung zwischen marktkonstitutivem und marktkomplementärem Recht Fornasier, Freier Markt, S.  65 ff.; siehe auch Renner, KritV 2010, 67, 70; Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT, S. A 58; MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  4. 9 Vgl. Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 101: „strukturelle Entsprechung von marktwirtschaftlichem System und Privatrechtsordnung“; Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  39. 10 So Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  39 f. 11  Der Begriff ist dabei nicht notwendig mit ordoliberalem Gedankengut gleichzusetzen, sondern zunächst einmal „wertneutral“ anzuwenden; im Ausgangspunkt ebenso Renner, KritV 2010, 67, 70, der Wirtschaftsverfassung „emanzipatorisch“ verstehen will. 12  Fornasier, Freier Markt, S.  57. 7 

B. Ökonomisches und rechtswissenschaftliches Verständnis von Wirtschaftsverfassung 89

B. Ökonomisches und rechtswissenschaftliches Verständnis von Wirtschaftsverfassung Der Begriff der Wirtschaftsverfassung wurde in Deutschland maßgeblich durch Walter Eucken und Franz Böhm geprägt.13 Da er sich im Schnittfeld von Recht und Ökonomie bewegt und so mittelbar an den unterschiedlichen ökonomischen Auffassungen über die Begriffe Wirtschaft und Wettbewerb teilhat,14 wird die Diskussion über das Bestehen und den Inhalt einer Wirtschaftsverfassung durch interdisziplinäre Verständigungsschwierigkeiten erschwert.15 Im Ausgangspunkt kann zwischen einer ökonomischen und einer normativen Herangehensweise unterschieden werden: 16 In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird oft ein idealtypischer Terminus der Wirtschaftsverfassung verwandt, wie er zum Beispiel in den Begrifflichkeiten „Marktwirtschaft“ und „Zentralverwaltungswirtschaft“ zum Ausdruck kommt.17 Als Gegenstück fungiert ein konkreter Begriff der Wirtschaftsverfassung, der den tatsächlichen Zustand einer bestimmten Volkswirtschaft beschreiben soll.18 Der rechtswissenschaftliche Begriff der Wirtschaftsverfassung lehnt sich an die Erkenntnisse der Verfassungstheorie an.19 Hiernach ist zu unterscheiden zwischen einem formalen, engen Begriff der Wirtschaftsverfassung, wonach ausschließlich die Bestimmungen des Verfassungsrechts bzw. der Unionsverträge betrachtet werden, und einem materiell-weiten Begriff, der auf alle fundamentalen Normen des Verfassungs- und des einfachen Rechts blickt, die das Wirtschaftsrecht entscheidend (mit-)determinieren. Für die Zwecke unserer Untersuchung ist ein materiell-rechtswissenschaftlicher Begriff der Wirtschaftsverfassung vorzugswürdig. 20 Ein rein ökonomischer Begriff der Wirtschaftsverfassung scheidet bereits aufgrund des Primats des Rechts aus; ökonomische Überzeugungen können in einem demokratischen 13  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  55 f.; Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  125 f.; dazu Peukert, Güterzuordnung, S.  355. Gemäß Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S.  21 entstand der Begriff der Wirtschaftsverfassung im Jahr 1919 aufgrund der in der Weimarer Reichsverfassung enthaltenen Artikel zum Wirtschaftsleben. 14  Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  8 01, 803. 15  Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung; siehe auch Mussler, Die Wirtschaftsverfassung der europäischen Gemeinschaft im Wandel, 1998, S.  16 ff.; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  218 f. 16  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §   3 Rn.  17 ff.; der politische Gehalt des Begriffs ist nicht Gegenstand der nachfolgenden Untersuchungen; vgl. dazu Joerges, EUI Working Paper Law No 2004/13. 17  Der ökonomische Begriff der Wirtschaftsverfassung ist insoweit gleichbedeutend mit demjenigen der Wirtschaftsordnung der ordoliberalen Theorie, vgl. dazu Eucken, ORDO 2 (1949), 1 ff. 18  So die historische Schule der Nationalökonomie, vgl. Knies, Die politische Ökonomie vom geschichtlichen Standpunkte. 19  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  3 Rn.  20. 20  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  2 26.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

Rechtsstaat nur aufgrund einer Entscheidung des Rechts unter den Begriff der Wirtschaftsverfassung subsumiert werden.21 Aber auch ein auf die Vorgaben der Verfassung begrenzter Begriff der Wirtschaftsverfassung erscheint für unsere Zwecke nicht zureichend, da die Verfassung lediglich eine allgemeine Rahmenwirtschaftsordnung vorgibt, die durch das einfache Recht zu konkretisieren ist.22 Da die Mittel zur Verwirklichung der Grundwerte ihrerseits wesentliche Grundsätze der Wirtschaftsordnung beinhalten können, ist der Begriff der Wirtschaftsverfassung deshalb um die Ebene des einfachen Rechts zu erweitern.23 In diesem Sinne haben auch das Wettbewerbsrecht und das Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung natürlicher Infrastrukturmonopole einen materiell-wirtschaftsrechtlichen „Verfassungscharakter“.24 Vor diesem Hintergrund wollen wir unter Wirtschaftsverfassung mit Christian Pielow die Gesamtheit der Rechtssätze einer Rechtsordnung verstehen, die „als Eckwerte zusammengesehen das wirtschaftliche Leitbild“ ergeben.25 Der Begriff Wirtschaftsverfassung hat somit vor allem analytisch-empirischen Charakter.26 Er soll dazu beitragen, das Spannungsverhältnis zwischen einer hoheitlich-interventionistischen Marktregelung auf der einen Seite und der Sicherung der Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Marktfreiheit natürlicher und juristischer Personen auf der anderen Seite zu erhellen.27 Eine derart analytische Untersuchung des wirtschaftsverfassungsrechtlichen Normenbestands ist insbesondere für das Recht der Europäischen Union bedeutsam, auch wenn die unionalen Vorschriften nicht Ausdruck eines in sich stimmigen wirtschaftlichen Konzepts, sondern das Ergebnis unterschiedlicher, in den letzten Jahrzehnten immer wieder wechselnder ökonomischer und gesellschaftlicher Zielvorstellungen sind.28 In diesem Rahmen kommt der Ökonomie die wichtige Aufgabe zu, (wettbewerbs-)politische Vorschläge für die Gestaltung der Wirtschaftsverfassung zu unterbreiten und damit die vom jeweiligen Gesetzgeber als vorzugswürdig angesehene Wirtschaftsordnung zu verwirklichen.29 Damit dient die Ökonomie auch der Unterscheidung des (qua Wertentscheidung zu 21  Zacher, in: FS Böhm, 1965, S.  63, 77 f.; Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S.  11 und 21. 22  Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S.  69 f. 23  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  2 25. 24  Vgl. auch Böhm, ORDO 10 (1958), 167, 196, wonach der Wettbewerb eine Verfassungseinrichtung sei. 25  Pielow, Grundstrukturen öffentlicher Versorgung, S.  4 4; der Begriff „Wirtschaftsverfassung“ bezeichnet somit nicht allein Normen mit Verfassungsrang bzw. (im Hinblick auf das europäische Recht) mit quasi Verfassungsrang, sondern kennzeichnet die von der Rechtsordnung gewährleistete Orientierung des Wirtschaftslebens an einheitlichen Ordnungsprinzipien; vgl. Zacher, in: FS Böhm, 1965, S.  63, 101 ff.; Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  109. 26 BerlKommTKG/Nettesheim, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  1. 27  Nowak, EuR 2009 Beiheft 1, 129, 144. 28  Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  8 01, 805. 29  Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, S.  7.

C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union

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bestimmenden) „Wesentlichen“ vom „Unwesentlichen“, um so eine konstante Wirtschaftspolitik zu gewährleisten.30

C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union Die praktische Wirtschaftsverfassung der früheren Europäischen Gemeinschaften wurde lange Zeit von der Agrarpolitik dominiert,31 die ihre zentrale Bedeutung derzeit jedoch an die Bewältigung der finanziellen Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise verloren hat.32 Rechtlich gesehen ist die wirtschaftliche Tätigkeit der Union nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages33 gem. Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV leitbildhaft ausgerichtet „auf die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und von Preisstabilität, eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt, sowie ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität“.34 Durch den Begriff der sozialen Marktwirtschaft hat ein wirtschaftspolitischer Fundamentalbegriff Eingang in das rechtliche Grunddokument der Union gehalten, dessen Aussagegehalt wir im Folgenden bestimmten wollen.35 Dabei fällt auf, dass der Lissabon-Vertrag die bis dato geltende Verbürgung eines „Systems, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarktes vor Verfälschungen schützt“, von den Zielbestimmungen (konkret: Art.  3 Abs.  1 lit. g EG) in das Protokoll Nr.  27 über den Binnenmarkt und den Wettbewerb verschoben hat. Der EU-Vertrag bringt somit die Ziel-Mittel-Relation zwischen Wettbewerb, Binnenmarkt und Förderung des allgemeinen Lebensstandards36 nicht mehr ausdrücklich zum Ausdruck.37 Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Lissabon-Vertrag die Gewichte zwischen Wettbewerbswirtschaft und sozialer Verantwortung oder, mit Blick auf das Thema unserer Untersuchung, zwischen individueller Selbstbestimmung und überindividuell-objektiver Fremdbestimmung der Bürger neu zu Gunsten Letzterer justiert hat.38 Als Folge einer „Schwächung des Wettbewerbsprinzips“ könnten etwa staatliche Beihilfen aus-

30 

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  226. Gaßner, KommJur 2007, 129. 32  Zu den entsprechenden Aufgaben siehe Ch. Calliess/Schoenfleisch, JZ 2012, 477 ff. 33  Vertrag von Lissabon vom 17.12.2007, ABl.EU 2008 Nr. C 306/1; BGBl. II 2008 S.  1038. 34  Zum Leitbildcharakter Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  769, 770. 35  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969. 36  Speziell zu den Grundfreiheiten Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 473: Dem Schutz des Binnenmarktes liege die Idee wohlfahrtsfördernder Tauschprozesse zugrunde. 37  Behrens, EuZW 2008, 193. 38  Vgl. auch Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969. 31 

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geweitet,39 Fusionen vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Industriepolitik beurteilt oder Privatisierungs- bzw. Liberalisierungsprojekte zu Lasten einer sicheren und preisgünstigen Versorgung der Verbraucher geschwächt werden.40 Um die rechtliche Relevanz der neuen Zielvorgaben zu verdeutlichen, wollen wir zunächst überblickshaft die Entwicklung der Wirtschaftsverfassung in der Europäischen Union skizzieren.

I. Von der wirtschaftlichen zur sozialen Integration Die früheren Europäischen Gemeinschaften (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Europäische Atomgemeinschaft und Europäische Wirtschaftsgemeinschaft) wurden gegründet, um die Mitgliedstaaten wirtschaftlich zu integrieren. Demgemäß haben die Parteien der Römischen Verträge von 1957 den Europäischen Gemeinschaften nahezu ausschließlich wirtschaftliche Aufgaben gestellt. Diese waren ausgerichtet auf eine harmonische Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein stetiges Wirtschaftswachstum sowie die Stabilität und Hebung der Lebenshaltung. Diese Ziele sollten primär durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und eine Annäherung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken erreicht werden.41 Untrennbar verknüpft mit der Herstellung eines Gemeinsamen Marktes war eine ergebnisoffene Gestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Gründungsmitglieder der Gemeinschaften vertrauten deshalb auf das Eigeninteresse der Marktbürger, deren Betätigung sie mit den Grundfreiheiten und dem Wettbewerbsrecht Möglichkeiten eröffneten und Grenzen zogen. Im Jahr 1957 konnte somit von einem überindividuell-objektiven Sozialmodell der Gemeinschaften keine Rede sein.42 Die Herstellung und dauerhafte Sicherung eines Gemeinsamen Marktes (nunmehr: Binnenmarktes43) diente allerdings schon damals keinen Selbstzwecken, sondern über die zunehmende wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Verknüpfung der Mitgliedstaaten langfristig einer möglichst weitgehenden politischen Einigung durch sog. Spill-over-Effekte.44 Darüber hinaus verband sich mit dem Ziel der Hebung der Lebenshaltung die Erwartung, dass soziale Probleme mit steigendem Wohlstand abnähmen.45 Im Zuge der fortschreitenden europäischen Integration wurden die vormals liberalen, allein auf eine Marktöffnung abzielenden Regelungsbereiche Schritt 39  Eine entsprechende Problematik stellt sich etwa im Zuge der Ausgleichsregelungen für stromintensive Unternehmen gem. den §§   19 Abs.   2 StromNEV, 40 ff. EEG 2012; siehe Schlacke/Kröger, NVwZ 2013, 313, 315 ff. 40 So Riley, ECLR 2007, 703, 707; Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 539. 41  Basedow, EuZW 2008, 225. 42  Basedow, EuZW 2008, 225. 43  Siehe zur Terminologie Nowak, EuR 2009 Beiheft 1, 129, 132 ff. 44  Huber, Recht der Europäischen Integration, 2002, Rn.  13. 45  Basedow, EuZW 2008, 225.

C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union

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für Schritt durch weiterreichende Zuständigkeiten der Gemeinschaft für die Wirtschafts-, aber auch für die Sozial- und Umweltpolitik flankiert, wie sie in Art.  2 und 3 EG in der Fassung der Verträge von Maastricht46 und Amsterdam47 ihren Ausdruck fanden.48 Nach Art.  2 EG war es Aufgabe der Gemeinschaft, durch die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes und einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie durch die Durchführung der in den Artikeln 3 und 4 genannten gemeinsamen Politiken und Maßnahmen49 in der ganzen Gemeinschaft eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens, ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz, die Gleichstellung von Männern und Frauen, ein beständiges, nichtinflationäres Wachstum, einen hohen Grad von Wettbewerbsfähigkeit und Konvergenz der Wirtschaftsleistungen, ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität, die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern. Diese Aufgabenbestimmung unterschied sich vom allgemeinen Gemeinwohlauftrag der Mitgliedstaaten schon durch ihren höheren Konkretisierungsgrad,50 jedenfalls sofern man nicht in den Grundrechten spezifische Verbürgungen des Gemeinwohls sehen will.51 Im Hinblick auf die Funktion der Gemeinschaft, Elemente der staatlichen Gemeinwohlverantwortung durch völkerrechtliche Verträge auf eine internationale Organisation eigener Art abzugeben,52 kann man in den Zielbestimmungen der Verträge die Umschreibung von spezifischen Aspekten eines europäischen Gemeinwohls erblicken.53 Die Aufgaben- und Zielumschreibungen überlagern insoweit den „alteuropäischen Gemeinwohlinteressenbegriff“, ohne mit diesem deckungsgleich zu sein.54

II. Systementscheidung des früheren EG-Vertrages für eine freie Marktwirtschaft Bis zum Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages war die Europäische Gemeinschaft somit auf ein System freier Marktwirtschaft verpflichtet. Bereits der Begriff „Markt“ implizierte die Präferenz der Gemeinschaftsrechtsordnung für 46 

Vertrag von Maastricht (EUV) vom 7.2.1992, ABl.EG Nr. C 191/1. Vertrag von Amsterdam v. 2.10.1997, ABl.EG Nr. C 340/1. 48  Basedow, EuZW 2008, 225. 49  Wolf, Effizienzen, S.  113. 50  Siehe zur Gemeinwohldefinition im pluralistischen Verfassungsstaat Schuppert, GewArch 2004, 441 ff. 51 Vgl. Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S.  333 f. 52 Dauses/Müller-Graff, A. I. Rn.  75. 53  Wolf, Effizienzen, S.   131; Brugger/Kirste/Anderheiden/Ch.  Calliess, Gemeinwohl, S.  173, 177 ff. 54  Häberle, Öffentliches Interesse, S.  7 77. 47 

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ein dezentrales Wirtschaftssystem, das den Wettbewerb als Koordinator des Marktgeschehens einsetzte und damit zugleich die Wettbewerbsfreiheit der Marktbürger voraussetzte.55 Der Vorrang dezentraler Steuerung ergab sich auch aus den Art.  3 und 4 EG, welche die zur Erreichung der allgemeinen Gemeinschaftsziele zu ergreifenden „Tätigkeiten“ aufzählten. Nach Art.  3 Abs.  1 lit. c und g EG umfasste die Tätigkeit der Gemeinschaft die Errichtung eines Binnenmarktes, der durch die Beseitigung der Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gekennzeichnet war. Errichtet werden sollte auch ein System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt. Art.  4 EG verpflichtete die Mitgliedstaaten auf die Einführung einer europäischen Wirtschaftspolitik, die auf einer engen Koordinierung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten, einem Binnenmarkt und der Festlegung gemeinsamer Ziele beruhte sowie dem Grundsatz einer „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ verpflichtet war. Binnenmarkt und Wettbewerb sollten einerseits zur Erreichung weiterreichender (Integrations-) Ziele wie einem möglichst hohen wirtschaftlichen Wohlstand beitragen.56 Andererseits konkretisierten die in Art.  3 und 4 EG normierten Nahziele die Auslegung der allgemeinen Aufgaben in Art.  2 EG, welche aufgrund ihres hohen Abstraktionsgrades erst dadurch einen materiell greifbaren Aussagegehalt erlangten.57 Vor diesem normtheoretisch komplexen Hintergrund maß der EuGH dem Verhältnis der Normen je nach konkretem Sachverhalt ein unterschiedliches Gewicht bei. Während die in Art.  3 EG enthaltenen Ziele zum Teil diejenigen des Art.  2 EG konkretisieren sollten,58 wurde an anderer Stelle nicht zwischen den Art.  2 und 3 EG unterschieden.59 Aus der Verknüpfung von Nah- und Fernzielen in den Art.  2 ff. EG folgte, dass die Aufgaben der Gemeinschaft vorrangig mit den Mitteln des Wettbewerbs zu erreichen waren. 60 Zwar standen alle in Art.  3 EG normierten Aufgaben und Politiken – also auch die nicht-marktlichen – formal auf derselben Stufe. Auch benannte Art.  2 EG eine Reihe von übergeordneten Aufgaben der Gemeinschaft, darunter die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, also Ziele, die man im Sinne einer wohlfahrtsökonomisch-objektiven Effizienz­ orientierung lesen konnte. Diese formal übergeordneten Ziele hatten aber nur 55  Blank, Europäische Fusionskontrolle im Rahmen der Art.  85, 86 EG, 1971, S.  31; Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S.  130 f. 56  EuGH, Gutachten 1/91, EWR I, Slg. 1991, I-6079 Rn.  50; Wolf, Effizienzen, S.  133. 57  Wolf, Effizienzen, S.  135; siehe mit Blick auf die Gemeinwohlverpflichtung des Staates auch Häberle, Öffentliches Interesse, S.  260 ff. 58  EuGH v. 24.11.1982 – Rs. 249/81, Slg. 1982, 4005 Rn.  28 – Kommission/Irland. 59  EuGH v. 25.2.1988 – Rs. 299/86, Slg. 1986, 1213 Rn.  24 – Drexl. 60  Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S.  129. Im Schrifttum wurde insoweit sogar die Ansicht vertreten, der Schutz des Wettbewerbs sei ein übergeordnetes Vertragsziel, vgl. Birk, Das Prinzip des unverfälschten Wettbewerbs, S.  157.

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einen begrenzten operationalen Gehalt und konnten deshalb die Ziele des Art.  3 EG nicht substantiell beschränken. Ansonsten wäre etwa das Ziel, ein System unverfälschten Wettbewerbs zu schaffen, nicht nur in den Dienst der Hebung der Lebenshaltung gestellt gewesen, sondern auch in den Dienst aller anderen in Art.  2 EG genannten übergeordneten Ziele wie etwa des Umweltschutzes, womit es seine rechtlichen Konturen verloren hätte. 61 Das vorliegend zugrunde gelegte Verständnis basiert ergänzend auf der Überlegung, dass über den Rechtscharakter einer Ordnung auch die Mittel entscheiden, die zur Verwirklichung der abstrakten Regelungsziele zur Verfügung stehen oder ausgeschlossen sind. 62 Für wettbewerbliche Sachverhalte war der Aussagegehalt des Art.  3 Abs.  1 lit. g EG deshalb durch einen Wechselblick auf die Art.  81 ff. EG (Art.  101 ff. AEUV) zu konkretisieren,63 nicht jedoch durch einen solchen etwa auf die Entwicklungszusammenarbeit gem. Art.  3 Abs.  1 lit.  r EG. Das zeigte sich besonders deutlich mit Blick auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  81 EG. Dieses diente nach seinem Absatz 1 der Herstellung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs im Sinne eines freien Wettbewerbsprozesses. 64 Wohlstandsgesichtspunkte kamen nach der Normsystematik erst im Rahmen des Absatzes 3 zum Tragen, sofern hierdurch der freie Wettbewerbsprozess nicht vollständig ausgeschaltet wurde. 65 Zwar konnten nach der Rechtsprechung des EuGH im Rahmen der Rechtfertigung einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung auch außerwettbewerbliche Ziele wie dasjenige des Umweltschutzes relevant werden. 66 In seinen entsprechenden Urteilen ging es jedoch meist um die Beurteilung von Vereinbarungen, die die Existenz bestimmter Vertriebsformen gewährleisten sollten, also um Zielsetzungen wirtschaftlicher Art. 67 Darüber hinaus basierte diese Rechtsprechung auf der unausgesprochenen Prämisse, dass die Kommission und nicht – wie dies heute der Fall ist – die Unternehmen selbst über die Zulässigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen entscheiden. Das Verhält61  Basedow, WuW 2007, 712, 714; siehe auch von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  905, 947: Kein Ausschließlichkeitsanspruch des Effizienzziels. 62  Behrens, EuZW 2008, 193; Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  35. 63  Zur EuGH-Entscheidung „Continental Can“ siehe noch Teil 2 C. III. 2. 64  Das Kartellverbot kennt keine allgemeine „rule of reason“, vgl. EuG v. 18.9.2001 – Rs. T-112/99, WuW/E EU-R 469 Rn.  76 f. – Métropole Télévision; EuG v. 23.10.2003 – Rs. T-65/98, Slg. 2003, II-4643, 4701 Rn.  106 f. – Van den Bergh Foods/Kommission; Kling/Thomas, Kartellrecht, §  4 Rn.  140; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, §  9 Rn.  56 ff.; Dreher/Hoffmann, WuW 2011, 1181, 1194. 65  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 801 f.; siehe ausführlich Teil 5 C. II. 1 und 2. 66  EuGH v. 29.10.1980 – Rs. 209 bis 215 und 218/78, Slg. 1980, 3125 Rn.  176 – van Landewyck/Kommission; EuGH v. 25.10.1977 – Rs. 26/76, Slg. 1977, 1875 Rn.  21 – Metro/Kommission. 67  Vgl. dazu Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.   101 Abs.  3 AEUV Rn.  311 Fn.  554; a. A. Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 555.

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nis von Art.  101 Abs.  1 und Abs.  3 AEUV wird uns noch beschäftigen, da es paradigmatisch für das Verhältnis von individueller Freiheit und überindividueller Wohlstandsmaximierung ist.

III. Auswirkungen des Lissabon-Vertrages auf die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union 1. Errichtung einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft Der Vertrag von Lissabon hat die dreistufige Zielhierarchie des EG-Vertrages durch Aufgaben (Art.  2 EG), Tätigkeiten bzw. Unterziele (Art.  3 EG) und einzelne Handlungsermächtigungen (z. B. Art.  81 ff. EG) zu einer zweistufigen Rangfolge zusammengeschmolzen. 68 Die Ziele der Union sind nunmehr in Art.  3 EUV niedergelegt; daneben gibt es nur noch Regelungen bezüglich einzelner Handlungsfelder im normativ gleichrangigen AEU-Vertrag. 69 Die bislang in Art.  2 EG normierten Ziele finden sich überwiegend in Art.  3 Abs.  3 EUV. Schon ein überschlägiger Vergleich der alten mit den neuen Formulierungen macht dabei deutlich, dass die sozialen und industriepolitischen Befugnisse der Union durch Art.  3 Abs.  3 EUV aufgewertet worden sind.70 Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV gibt als Leitbild der europäischen Wirtschaftsverfassung eine „im hohen Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft“ aus. Die Vorschrift bricht nach ihrem Wortlaut mit der vergleichbaren Bestimmung des gescheiterten Verfassungsvertrags, der noch von einem Binnenmarkt mit freiem und unverfälschtem Wettbewerb gesprochen hatte (Art. I-3 Abs.  2 EVV).71 So kommt das Wettbewerbsziel in Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV nicht mehr ausdrücklich zum Ausdruck, da der Ausdruck „wettbewerbsfähig“ vor allem eine „globalisierungsbezogene Konditionierung“ und keine eigenständige Zielgröße beinhaltet.72 Die Verpflichtung der Union auch auf sozialpolitische Ziele lässt sich einerseits mit dem Bestreben erklären, die Folgen einer „liberalen Politik“ der Marktordnung für einzelne Bürger abzumildern. Andererseits wird vermutet, dass sich die Union durch die verstärkte Betonung sozialer Ziele und die hierdurch ermöglichte „Umverteilung Loyalitäten bei den Bürgern [. . .] verschaffen und so deren ‚europäische Identität‘ [. . .] stärken“ wollte.73 Nach einer Phase der negativen Integration durch Abbau von 68 

Basedow, EuZW 2008, 225. Art.  1 Abs.  3 Satz 2 EUV; Art.  1 Abs.  2 Satz 2 AEUV. 70  Vgl. weiterführend Ruffert, AöR 134 (2009), 197, 201. 71 Vgl. Terhechte, EuR 2008, 143, 175; Hatje/Terhechte/Terhechte, EuR Beiheft 3/2004, S.  107, 108 f. 72  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.   969, 975; siehe auch Müller-Graff, ZHR 173 (2009), 443, 447. 73 BerlKommTKG/Nettesheim, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  4. 69 

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Marktzutrittsschranken gehe es der Union damit um eine positive Integration im Wege der Angleichung oder Vereinheitlichung nationaler Marktverhaltensregelungen durch allgemeine Gesetze, die nicht mehr nur am Schutz des freien Wettbewerbs, sondern auch an überindividuell-objektiven Schutzkonzepten ausgerichtet sei.74 Trotz dieser terminologischen Änderungen ist die Europäische Union weiterhin auf das übergreifende Ziel der Schaffung eines europäischen Binnenmarktes verpflichtet, in dem auf der Grundlage der wirtschaftlichen Grundfreiheiten des Waren-, Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs eine freiheitliche und marktwirtschaftliche Ordnung herrscht, die durch ein „System unverfälschten Wettbewerbs“ gesichert wird.75 Eingriffe in das System des unverfälschten Wettbewerbs – dessen materieller Gehalt durch die noch zu behandelnden Theorien über den Markt und den Wettbewerb konstituiert wird – bedürfen deshalb einer Rechtfertigung durch ausreichend gewichtige Gemeinwohlbelange und müssen verhältnismäßig sein.76 Dieses Verständnis spiegelt sich in Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV wider, da der Begriff der „sozialen“ Marktwirtschaft nach seiner Entwicklungsgeschichte auf eine Verstetigung der Marktwirtschaft abzielt, die er zu diesem Zwecke mit einem „sozialen Ausgleich“ versieht.77 Das im Begriff der sozialen Marktwirtschaft zum Ausdruck kommende „soziale“ Element kann somit das Wettbewerbsziel nicht in einem offenen Abwägungsprozess („praktische Konkordanz“) an den Rand drängen oder sogar überspielen.78 Der primäre Anwendungsbereich des Sozialgedankens liegt im Unionsrecht – wie die sozialen Grundrechte gem. Art.  27 ff. EU-GRCharta verdeutlichen79 – vielmehr im Bereich der Gestaltung des Arbeits- und Sozialsektors. 80 In Übereinstimmung mit dieser Wertentscheidung sind für das Arbeits- und das Sozialrecht ungeschriebene Bereichsausnahmen vom Europäischen Wettbewerbsrecht – wenn auch nicht von den Grundfreiheiten – anerkannt. 81 74 

Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 560 ff.; Unberath/Johnston, CMLR 2007, 1237, 1283 ff. Fuchs, in: FS Möschel, 2011, S.  241, 254; Calliess/Ruffert/Weiß, Art.  101 AEUV Rn.  2 ; BerlKommTKG/Nettesheim, TKG, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  21; Streinz/Ohler/Herrmann, Vertrag von Lissabon, §  7 I. 76  Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  8 01, 849 ff. 77  Fikentscher, GRUR Int 2009, 635, 639 Fn.  18; Rittner, WuW 2009, 715. Zur Berücksichtigung der „Tatsachen der Theoriebildung“ bei der Auslegung des Unionsrechts vgl. SchmidtPreuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 970 f. 78  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 975 f.; Müller-Graff, ZHR 173 (2009), 443, 453 und öfter. 79  Vgl. zu den Rechtswirkungen einerseits Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 571 (Grundsatz im Sinne des Art.  52 Abs.  5 EU-GRCharta) und andererseits Jarass, Art.  27 EU-GRCharta Rn.  3 (echtes Recht, aber unter Betonung eines weiten Spielraums des Gesetzgebers). 80  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 976 f. 81 MünchKommEUWettbR/Säcker/Mohr, 2.   Aufl. 2014, Einl. Teil V bis VI; siehe zur praktischen Konkordanz zwischen Wettbewerbsrecht und kollektivem Arbeitsrecht Mohr/ Wolf, JZ 2011, 1091 ff. 75 

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Gegen das wertungsmäßige Übergewicht der Systemgarantie einer freien Marktwirtschaft im wirtschaftlichen Bereich kann auch nicht vorgebracht werden, dass diese gem. Art.  3 Abs.  3 EUV formal nur ein Ziel unter mehreren sei. 82 Die allgemeinen Vertragsziele sind ihrerseits im Lichte der sie näher ausgestaltenden Vertragsbestimmungen und Funktionsgarantien zu interpretieren. Hier zeigt sich mit den Wettbewerbsvorschriften der Art.  101 ff. AEUV, dem Beihilfenrecht der Art.  107 ff. AEUV und den Grundfreiheiten als Kerngarantien des Binnenmarktes (Art.  26 Abs.  2 AEUV) 83 eine Präponderanz eines auf marktwirtschaftlichen Grundlagen beruhenden offenen Wirtschaftsmodells. So stellen die Grundfreiheiten sicher, dass die grenzüberschreitende Koordinierung von Angebot und Nachfrage am Markt nicht durch unverhältnismäßige staatliche Hindernisse beeinträchtigt wird. Sie zielen damit auf die Einzelsteuerung der Märkte durch die Marktteilnehmer ab und setzen eine Ordnung im Sinne der Marktwirtschaft voraus; 84 denn wenn sich die Grundfreiheiten gegen mitgliedstaatliche Regulierungen durchsetzen, ohne dass dafür eine Ersatzregelung gefunden werden muss, dann ist das nur möglich und verantwortbar, weil der geordnete Wettbewerb für die notwendige Anpassung an die veränderten Verhältnisse sorgt. 85 Auch die nach Art.  6 Abs.  1 Hs.  2 EUV im Rang des Primärrechts stehende EU-GRCharta enthält spezifische Freiheitsgrundrechte, die für eine soziale Marktwirtschaft im vorgenannten Sinne konstituierend sind.86 Zu nennen sind die Berufsfreiheit des Art.  15 EU-GRCharta sowie die Unternehmerfreiheit des Art.  16 EU-GRCharta, 87 welche ebenso wie die Art.  101 ff. AEUV und die Grundfreiheiten die Vertragsfreiheit als Grundinstitut marktwirtschaftlicher Ordnungen umfassen. 88 Geschützt wird als weiteres 17 EUzentrales Wirtschaftsgrundrecht auch die Eigentumsfreiheit (Art.   GRCharta) als materielle Grundlage individueller Freiheit. 89 Zwar belässt Art.  345 AEUV die Eigentumsordnung grundsätzlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Bei deren Ausgestaltung müssen die Mitgliedstaaten jedoch die Grundfreiheiten sowie die Vorschriften des Wettbewerbs- und Beihilfenrechts beachten.90 82  So aber Schwarze, EuR 2009 Beiheft 1, 9, 22; Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 554; Wolf, Effizienzen, S.  150 f. 83  Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 430; Franzen, Privatrechtsangleichung, S.  20 f. m. w. N. 84  Busche, Kontrahierungszwang, S.  35; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 430. 85 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  36. 86 BerlKommEnR/Schmidt-Preuß, Bd. 1 Einl. B Rn.  124. 87  Diese wird in den Charta-Erläuterungen u. a. mit der Verpflichtung der Union auf freien Wettbewerb in Verbindung gebracht, vgl. ABl.EU 2007 Nr.  C 303/23; Jarass, Art.  16 EUGRCharta Rn.  1. 88  Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 431; von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  801, 812 f.; MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  3. 89  Jarass, Art.  16 EU-GRCharta Rn.  2 und Art.  17 EU-GRCharta Rn.  2. 90  EuGH v. 18.2.1992 – Rs. C-235/89, Slg. 1992, 777 Rn.  14 – Kommission/Italien.

C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union

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Allerdings bleibt die Wirtschaftsverfassung der Union auch nach den jüngsten Änderungen durch den Vertrag von Lissabon lückenhaft, da wesentliche Bereiche des Privatrechts in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleiben.91 Aus diesem Grunde stützt sich die Union im Bereich des Privatrechts bis auf Weiteres ergänzend auch auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten und die dort begründeten Vertragsschlusskompetenzen,92 welche Privatautonomie und Vertragsfreiheit bei allen Unterschieden im Detail anerkennen und schützen.93 Die Systementscheidung für eine offene, freie und soziale Marktwirtschaft wird damit zugleich durch die entsprechenden Funktionsgarantien in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten konkretisiert.94 Für das deutsche Recht werden wir uns dies noch vergegenwärtigen. Gleichzeitig setzt das Unionsrecht die Existenz des Privatrechts im Allgemeinen und des Vertragsrechts im Besonderen voraus und erkennt diese an.95 2. Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs Die Systemgarantie für eine freiheitliche Marktwirtschaft ergibt sich auch aus der normativen Verbürgung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs. Zwar ist dieses früher in Art.  3 Abs.  1 lit. g EG normierte Ziel seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages „nur noch“ im Protokoll Nr.  27 zum AEU-Vertrag über den Binnenmarkt und den Wettbewerb normiert.96 Dieses bildet jedoch gem. Art.  51 EUV einen normativ gleichrangigen Bestandteil der Unionsverträge.97 Bereits dadurch wird deutlich, dass der rechtliche Stellenwert des Wettbewerbsschutzes durch den Vertrag von Lissabon nicht gesunken ist.98 Gegen die fortbestehende Gültigkeit der Systemgarantie eines unverfälschten Wettbewerbs kann auch nicht eingewandt werden, dass sie im Protokoll Nr.  27 lediglich in einem Erwägungsgrund enthalten sei. Zum einen zieht der EuGH die Erwä91  Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  8 01, 807; Frenz/Ehlenz, GewArch 2010, 329 ff. 92 BerlKommTKG/Nettesheim, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  14. 93  Bruns, JZ 2007, 385  ff.; von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  801, 843; Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  49, wonach die Wirtschaftsrechte der Mitgliedstaaten in der „prinzipiellen Anerkennung eines weiten Funktionsbereichs für die Pri­ vat­autonomie“ übereinstimmten. 94 BerlKommTKG/Nettesheim, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  2. 95  Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  8 01, 813. Zum sog. Draft Common Frame of Reference siehe Basedow, ZEuP 2008, 673 ff.; Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 529 ff.; Leible, NJW 2008, 2558 ff.; Pfeiffer, ZEuP 2008, 679 ff.; ders., AcP 208 (2008), 227 ff.; Riesenhuber/Karakostas/Riesenhuber, Inhaltskontrolle, 49 ff. 96  Zum Zustandekommen der Neuregelung vgl. von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 09 ff. 97  Basedow, EuZW 2008, 225; Streinz/Ohler/Herrmann, Vertrag von Lissabon, §  7 I. 98  Rabe, NJW 2007, 3153, 3154; Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 975; Wolf, Effizienzen, S.  160.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

gungsgründe einer Norm zur Ermittlung ihres Zwecks heran.99 Zum anderen nimmt der Text des Protokolls Nr.  27 ausdrücklich auf die Erwägungsgründe Bezug, weshalb sie hierdurch gleichsam in den Norminhalt inkorporiert werden.100 Eine solche Sichtweise entspricht auch der Teleologie des Protokolls Nr.  27, das klarstellen soll, dass das Inkrafttreten des Lissabon-Reformvertrags an der Rechtslage zum Schutz des Wettbewerbs nichts geändert hat.101 Inhaltlich ist ein System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt, gleichbedeutend mit einer Zusammenschau der Art.  81 ff. EG, die im Ergebnis unverändert in die Art.  101 ff. AEUV übernommen worden sind.102 Es entspricht der Regelungstechnik des EU-Vertrages und des AEU-Vertrages, die ehemaligen „Aufgaben“ der Gemeinschaft nunmehr direkt bei den Kompetenzbestimmungen zu nennen, wie dies mit der ausschließlichen Kompetenz der Union für die Wettbewerbsregeln gem. Art.  3 Abs.  1 lit. b AEUV erfolgt ist.103 Entgegen den insoweit missverständlichen, in Zusammenhang mit den sozialen Kompetenzen der Mitgliedstaaten gemachten Ausführungen des BVerfG im Lissabon-Urteil104 gehört das Wettbewerbsprinzip somit trotz seiner Auslagerung in das Protokoll Nr.  27 zum AEU-Vertrag weiterhin zu den richtungweisenden Querschnittsmaterien der Union.105 Demgemäß hat der EuGH in einem Urteil vom 17.2.2011 klargestellt, dass dem Protokoll Nr.  27 dieselbe rechtliche Wirkung wie dem früheren Art.  3 lit. g. EG zukommt.106 Er hat damit zugleich die missverständlichen Ausführungen des BVerfG im Lissabon-Urteil konkretisiert. Die große Bedeutung der Garantie eines unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt lässt sich an der grundlegenden Entscheidung „Continental Can“ verdeutlichen, in der der EuGH auch einen Eingriff in die Struktur des Marktes als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne des Art.  86 EGV (Art.  102 AEUV) angesehen hat.107 Zur Begründung führte der Gerichtshof aus, dass es sich bei der Verbürgung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs nicht nur um einen bloßen Programmsatz handle. Die entsprechende Garantie gebe vielmehr ein rechtlich verbindliches Ziel vor, das unerlässlich für die Erfül99 

Buck, Auslegungsmethoden, S.  147 f.; Mohr, Schutz vor Diskriminierungen, S.  95. Wolf, Effizienzen, S.  160; Streinz/Ohler/Herrmann, Vertrag von Lissabon, §  7 I. 101  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 910. 102  Terhechte, EUR 2008, 143, 176. 103  Terhechte, EUR 2008, 143, 176. 104  BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08, 2 BvR 1010, 1022, 1259/08, 182/09, BVerfGE 123, 267 Rn.  396 – Lissabon. 105  Mestmäcker, EuR 2010 Beiheft 1, 36, 43. 106  EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  20 – TeliaSonera; dazu Emmerich, JuS 2012, 177. 107  EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 – Continental Can. Vorliegend interessieren uns nur die wirtschaftsverfassungsrechtlichen Aspekte der Entscheidung; zur Bewertung aus heutiger Sicht – die Union hat mittlerweile eine eigene Fusionskontrolle – siehe Mestmäcker/Schweitzer, §  15 Rn.  29 f. 100 

C. Die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union

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lung der Aufgaben der (früheren) Gemeinschaft sei.108 Aus diesem Grunde beziehe sich die wettbewerbsrechtliche Vorschrift gegen den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auch auf Verhaltensweisen, die den Verbrauchern „durch einen Eingriff in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs, von dem Art.  3 lit. f des Vertrages [Art.  3 Abs.  1 lit. g EG] handelt, Schaden zufügen“.109 Das sei der Fall, „wenn ein Unternehmen in beherrschender Stellung diese dergestalt verstärkt, dass der erreichte Beherrschungsgrad den Wettbewerb wesentlich behindert, dass also nur noch Unternehmen auf dem Markt bleiben, die in ihrem Marktverhalten von dem beherrschenden Unternehmen abhängen“.110 An diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Vorschriften des EU-Wettbewerbsrechts der Verwirklichung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt dienen; denn geschützt werden die Voraussetzungen des Wettbewerbsprozesses und nicht nur gute, ökonomisch-effiziente Ergebnisse. Es sei nochmals betont, dass der Schutz des Wettbewerbs kein Selbstzweck ist. Er dient vielmehr den allgemeinen (Gemeinwohl-)Aufgaben der Union, im wirtschaftlichen Bereich also insbesondere der Mehrung der materiellen Wohlfahrt der Unionsbürger. Der EuGH geht deshalb von der prinzipiellen Gleichrangigkeit aller Zielvorgaben aus, weshalb die Schutzgüter in der konkreten Situation miteinander abzuwägen seien.111 Allerdings finden „Wettbewerbsbeschränkungen, die der Vertrag unter bestimmten Voraussetzungen deshalb zulässt, weil die verschiedenen Vertragsziele miteinander in Einklang gebracht werden müssen, in den Erfordernissen der Artikel 2 und 3 [EG] eine Grenze, bei deren Überschreiten die Gefahr besteht, dass eine Abschwächung des Wettbewerbs den Zielsetzungen des Gemeinsamen Marktes zuwiderläuft“.112 Diese überzeugenden Aussagen – die sich sinngemäß auch in Art.  101 Abs.  3 Hs.  2 lit. b AEUV wiederfinden – können auf Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 AEUV i. V. mit dem Protokoll Nr.  27 zum AEU-Vertrag über den Binnenmarkt und den Wettbewerb übertragen werden. 3. Garantie einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb Neben dem Grundsatz der sozialen Marktwirtschaft ist die Europäische Union auf eine „offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ verpflichtet. Dieser Grundsatz ist seit Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages allerdings nicht mehr 108 

EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 245 Rn.  23 – Continental Can. EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 246 Rn.  26 – Continental Can. 110  EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 246 Rn.  26 – Continental Can. 111 Siehe etwa EuGH v. 17.10.1995 – C 44/94, Slg. 1995, I-3115 Rn.   37; vgl. auch Ipsen, ­Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, S.  559; von der Groeben/Schwarze/Zuleeg, Art.  2 Rn.  12; krit. gegenüber einer „konturenlosen Abwägung“ auch Müller-Graff, ZHR 173 (2009), 443, 453. 112  EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215, 246 Rn.  24 – Continental Can. 109 

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

wie mit Art.  4 Abs.  1 EG in den allgemeinen Vertragszielen, sondern in den Art.  119 Abs.  1 und Abs.  2, 120 und 127 Abs.  1 Satz 3 AEUV normiert. Er stellt jedoch weiterhin einen zentralen Grundsatz des Unionsrechts dar, der ebenso wie derjenige des „unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt“ gem. dem Protokoll Nr.  27 zur Auslegung anderer Bestimmungen des AEU-Vertrages herangezogen werden kann.113 Die Festlegung auf eine offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb be­ inhaltet eine inhaltliche Systementscheidung für die Funktionsbedingungen einer marktwirtschaftlichen Ordnung und somit auch ein strukturelles Verbot des Systemwechsels hin zu gegenläufigen Wirtschaftsordnungen wie einer Zentralverwaltungswirtschaft.114 Der Bedeutungsgehalt dieser Systementscheidung wurde durch die Änderung der systematischen Stellung der Norm nicht vermindert. Insbesondere ist Art.  119 Abs.  1 AEUV nicht lediglich als Auslegungsgrundsatz für die nachfolgenden Regelungen über die Wirtschafts- und Währungsunion anzusehen. Denn die Art.  120 bis 126 AEUV sind primär darauf ausgerichtet, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten aufeinander abzustimmen. Eine derartige Abstimmung setzt jedoch voraus, dass auch die Union die Systemgarantie einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb beachtet.115 Indem Art.  119 Abs.  1 AEUV auf die Funktionsbedingungen einer wettbewerbsgesteuerten Marktwirtschaft verweist, sichert er somit zugleich deren grundlegende Funktionsbedingungen.116 Die Beibehaltung des Grundsatzes einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb kann deshalb dahingehend verstanden werden, dass er die Bedeutung von Wettbewerb und freien Märkten innerhalb des neuen – umfassenden – Leitbildes einer sozialen Marktwirtschaft hervorheben soll, welche diese Elemente als Zielstellung für den ökonomischen Bereich umfasst und deren zentrale Bedeutung betont.117 4. Politische Stärkung sozialer Zwecke durch den Vertrag von Lissabon Die systematischen Änderungen der europäischen Zielbestimmungen durch den Vertrag von Lissabon haben somit keine programmatische Bedeutung. Die Europäische Union beruht vielmehr weiterhin auf einer freiheitlichen Wirtschaftsverfassung, wie sich aus dem Ziel einer sozialen Marktwirtschaft gem. Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV in Verbindung mit der Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt (Protokoll Nr.  27 i. V. mit Art.  51 113 

EuGH v. 3.10.2000 – Rs. C-9/99, Slg. 2000, I-8207 Rn.  25 – Échirolles Distribution. Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  801, 810. 115 Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 917. 116  Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  8 01, 810; a. A. von Bogdandy/Bast/Drexl, a. a. O., S.  9 05, 918, wonach der Terminus des freien Wettbewerbs zu unbestimmt sei, um hieraus konkrete Folgerungen abzuleiten, insbesondere im Hinblick auf die Ökonomisierung des Wettbewerbsrechts. 117 So Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 974. 114 Von

D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands

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AEUV), der Systemgarantie einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Art.  119 AEUV), den der Herstellung eines Binnenmarkts verpflichteten Grundfreiheiten (Art.  28 ff. AEUV), den von Art.  6 Abs.  1 EUV i. V. mit der Grundrechtecharta verbürgten Freiheitsrechten sowie den Regelungen des Wettbewerbs- und Beihilfenrechts (Art.  101 ff. AEUV) ergibt.118 Die Verschiebung der Gewichte durch den Vertrag von Lissabon „hin zum Sozialen“ ist hiernach „vor allem eine rhetorische“, welche jedoch – wie das Scheitern des Vertrages von Nizza zeigt – zunächst „das ihr beigemessene Potenzial, die Wahlbürgerschaft der Mitgliedstaaten für den Europagedanken zu begeistern, weder in Frankreich noch in den Niederlanden (und letztlich auch nicht in Irland) entfalten konnte“.119 Auch im Zuge der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt sich, dass der Sozialstaat nur im Rahmen wirtschaftlich prosperierender Volkswirtschaften seine volle Wirkung entfalten kann. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass durch den Vertrag von Lissabon diejenigen Ziele und damit der Wettbewerbsgedanke „an sich“ an politischem (wenn auch nicht an juristischem) Gewicht verloren haben, die eine selbstständige Regulierung der gesellschaftlichen Prozesse unter Bedingungen von material-chancengleicher Handlungsfreiheit und Wettbewerb ermöglichen wollen.120 Gerade der Schutz des freien und unverfälschten Wettbewerbs ist aber – jenseits der im Primärrecht enthaltenen Regelungen – auf einen entsprechenden politischen Willen angewiesen.121 Die an ökonomischen Effizienzerwägungen ausgerichteten Rechtsakte und Leitlinien der Kommission zum europäischen Wettbewerbsrecht können deshalb als Zeichen einer gewissen Akzentverschiebung gedeutet werden.122

D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands Die Ausrichtung der Europäischen Union auf eine soziale Marktwirtschaft hat auch grundlegende Bedeutung für die Wirtschaftsverfassungen der EU-Mitgliedstaaten, wie wir uns für die deutsche Wirtschaftsverfassung vor Augen führen wollen.

118 BerlKommTKG/Nettesheim, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  37; vgl. auch schon Ehlers, Europäische Grundfreiheiten und Grundrechte, S.  400 ff. 119  Ruffert, AöR 134 (2009), 197, 202; siehe auch Rabe, NJW 2007, 3153; Wolf, Effizienzen, S.  158. 120  So überzeugend Basedow, EuZW 2008, 225; Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 568; Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S.  36; Pernice/Hindelang, EuZW 2010, 407, 411. 121  Peukert, ZHR 173 (2009), 536, 571. 122  Siehe Teil 9 B.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

I. Relative wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes Das Grundgesetz verzichtet anders als die Weimarer Reichsverfassung (Art.  151 ff. WRV) sowie Art.  3 Abs.  3 EUV auf eine programmatische Beschreibung des Wirtschaftslebens.123 Es enthält an deren Stelle vielmehr unmittelbar verbindliche und für den Einzelnen einklagbare Grundrechte, deren Zusammenspiel dem Gesetzgeber die Möglichkeiten und Grenzen einer Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung vorgeben.124 So gewährleistet Art.  12 Abs.  1 GG die Berufs- und Gewerbefreiheit, die auch das Verhalten der Unternehmen als Anbieter und Nachfrager auf Märkten als Form der Berufsausübung erfasst.125 Art.  14 Abs.  1 GG garantiert als materielle Grundlage individueller Freiheiten das Privateigentum inklusive der Möglichkeit seiner ökonomischen Nutzung als individuelles Grundrecht sowie als Institut der rechtlich geformten Sozialordnung.126 Art.  9 Abs.  1 GG spricht allen Deutschen das Recht der Gründung von Handelsgesellschaften sozietärer und korporativer Art zu, ebenso wie das Recht der Betätigung in solchen Vereinigungen.127 Art.  9 Abs.  3 GG enthält das Freiheitsrecht, Koalitionen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben und über die Koalitionen die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in einer Ordnung der sozialen Selbstverwaltung privatautonom festzulegen. Die Pri­ vatautonomie als das auf dem menschlichen Selbstverwirklichungsbedürfnis aufbauende Prinzip der eigenverantwortlichen Gestaltung der privaten Lebensverhältnisse in den Grenzen der Rechtsordnung ist, sofern keine speziellen Freiheitsrechte berührt sind,128 im Hauptfreiheitsrecht der allgemeinen Hand­lungs­ freiheit gem. Art.  2 Abs.  1 GG verbürgt.129 Die Folgerungen, die aus der vorstehenden Gesamtschau der vom Grundgesetz für die wirtschaftliche Betätigung der Bürger gewährten Freiheitsrechte zu ziehen sind, sind seit jeher umstritten.130 In der Frühzeit der Bundesrepublik wurde insbesondere von Hans Carl Nipperdey die Auffassung vertreten, das Grundgesetz enthalte eine institutionelle Garantie der sozialen Marktwirtschaft.131 Demgegenüber ging das BVerfG und mit ihm die herrschende Litera-

123 

Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, 969, 981. Busche, Kontrahierungszwang, S.  53 ff.; Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Schmitt-Glaeser, DÖV 1982, 381, 383; Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093. 125  BVerfG v. 8.2.1972 – 1 BvR 170/71, BVerfGE 32, 311, 317 – Grabsteinwerbung; Maunz/ Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG Rn.  116. 126 Maunz/Dürig/Papier, Art.  14 GG Rn.  30 und 32. 127  Zu Art.  9 GG siehe HdbVerfR/Papier, §  18 Rn.  14. 128  Siehe zu Art.  12 Abs.  1 GG Boemke/Gründel, ZfA 2001, 245, 253. 129  Paulus/Zenker, JuS 2001, 1; Schmitt-Glaeser, DÖV 1982, 381, 383. 130  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1094 ff. 131  Nipperdey, Soziale Marktwirtschaft und Grundgesetz, 3.  Aufl. 1965 (erstmals 1954), S.  24 ff.; vgl. auch Böhm, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, 1950, S.  51; HStR/R. Schmidt, §  83 Rn.  12 ff. 124 

D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands

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tur von der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes aus.132 So hat das BVerfG im Mitbestimmungsurteil davon gesprochen, dass die Grundrechte nicht im Sinne eines „institutionellen Zusammenhangs der Wirtschaftsverfassung“ oder eines entsprechend überhöhenden „Ordnungs- und Schutzzusammenhangs“ verstanden werden dürften.133 Hieraus folgt jedoch nicht, dass sich Regierung und Gesetzgeber in jedem Fall wirtschaftspolitisch neutral verhalten müssten. Auch ist das Grundgesetz gegenüber der Wirtschaftspolitik des Staates nicht gleichgültig. Die Grundrechte bringen vielmehr sowohl aus subjektivals auch aus objektiv-rechtlicher Sicht funktionstypische Wirkungen hervor, in denen sich die jeweiligen Freiheiten aktualisieren und die damit auch den Inhalt der Grundrechte selbst über den einzelnen Grundrechtsträger und seine aktuelle Grundrechtsausübung hinaus objektiv prägen.134 Demgemäß sind die Grundrechte zwar in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, weshalb sie im Verhältnis Privater nicht unmittelbar anzuwenden sind.135 Sie binden jedoch nach Art.  1 Abs.  3 GG Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung.136 Demgemäß obliegt es dem Gesetzgeber, im Privatrecht die grundrechtlich geschützten Positionen der Bürger – unter Beachtung des Primats individueller Selbstbestimmung – in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.137 Zusätzlich strahlen die Grundrechte als Elemente objektiver Ordnung auf das Gemeinwesen und damit auch auf das Privatrecht aus.138 Wenn sich das Grundgesetz auch auf kein bestimmtes Wirtschaftssystem festlegt, so lässt sich aus seinen einzelnen Artikeln und deren Sinnzusammenhang doch eine Grundkonzeption ableiten, wonach das Ordnungsgefüge einer Marktwirtschaft, die durch das wirtschaftliche Handeln von staatsfreien Privatrechtssubjekten konstituiert wird, jedenfalls indirekt zu Gunsten der Marktteilnehmer gesichert ist.139 Die Offenheit der grundgesetzlichen Wirtschaftsordnung ist also gleichsam eine relative.140 In den Grundrechten kommt die Grundentscheidung der Verfassung für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung zum Ausdruck. In ihrer freiheitlichen Ausrichtung organisieren die Grundrechte die autonomen Handlungssysteme der Gesellschaft und der Wirtschaft und begründen damit funktionelle Gewährleistungen für die privatwirtschaft132  BVerfG v. 20.7.1954 – 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, 7, 17 – Investitionshilfe; BVerfG v. 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377, 400 – Apotheken; vgl. aus dem Schrifttum Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, S.  91 ff. 133  BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 336 f. – Mitbestimmung. 134 Maunz/Dürig/Scholz, Art.  12 GG Rn.  85. 135  BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BVR 400/51, BVerfGE 7, 198, 204 ff. – Lüth. 136  Canaris, AcP 184 (1984), 201, 212 ff.; Hager, JZ 1994, 373, 374 f.; Looschelders/W. Roth, JZ 1995, 1034, 1037 f. 137  Canaris, JuS 1989, 161 ff. 138  BVerfG v. 15.1.1958 – 1 BVR 400/51, BVerfGE 7, 198, 204 ff. – Lüth. 139  Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236, 247; Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1096. 140  BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 338 – Mitbestimmung; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  220.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

lichen Initiativen und Prozesse.141 Das Grundgesetz verbietet danach Extremformen von Wirtschaftsordnungen wie eine Zentralverwaltungswirtschaft.142 Zum anderen wird der Gesetzgeber durch die über Art.  2 Abs.  1 GG und spezielle Freiheitsgrundrechte verbürgte Privatautonomie verpflichtet, den Rechtssubjekten ein funktionsfähiges Instrumentarium zur vertraglichen Selbstbestimmung zur Verfügung zu stellen. Eine rein formal verstandene Privatautonomie würde diesem Auftrag nicht gerecht.143 Außerhalb dieser Bereiche geht es regelmäßig um eine Frage von Grad und Rang zwischen dezentraler und zentraler Wirtschaftsplanung, die der Abwägung des einfachen Gesetzgebers obliegt.144 Dabei ist der Gesichtspunkt „Wirtschaftsverfassung“ kein eigenständiger Prüfungspunkt; die rechtliche Diskussion über die zutreffende Wirtschaftsverfassung hat vielmehr im Rahmen der Prüfung der einzelnen Wirtschaftsgrundrechte zu erfolgen.145 Das BVerfG hat mit der These von der wirtschaftspolitischen Neutralität vor allem der besonderen Dynamik, Relativität und Situationsbefangenheit der wirtschaftlichen Prozesse und wirtschaftspolitischen Aufgaben Rechnung getragen.146 Eine solche Sichtweise hat für die Rechtsgestaltung und Rechtsanwendung mehrere Vorteile: 147 So ist der Staat hiernach nicht auf ein bestimmtes Ordnungsmodell bzw. eine bestimmte ökonomische Theorie verpflichtet. Die ordnungspolitische bzw. ökonomische Bewertung von Sachverhalten wird vielmehr auf das einfache Recht verwiesen, wodurch die notwendige Flexibilität bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik erhalten bleibt. Gleichzeitig bleiben die einfachgesetzlichen Normen durch ihre Anbindung an die verfassungsmäßige Grundordnung wertgebunden. Die Ökonomie setzt sich hierdurch nicht ihre eigenen Ziele, sondern hilft lediglich mit, die vorgegebenen Verfassungsziele im Bereich der Wirtschaft zu verwirklichen.148 Wirtschaftsgesetze wie das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aber auch das allgemeine Bürgerliche Recht können der dem parlamentarischen Gesetzgeber jeweils als sachgemäß erscheinenden Wirtschaftspolitik dienen, sofern sie sich in den durch das Grundgesetz vorgegebenen Schranken halten.149 Der Gesetzgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum sowohl bei den Grundsätzen der Wirtschaftspolitik als auch bei der Wahl der Mittel, mit denen in den Ablauf des wirtschaft141 Maunz/Dürig/Scholz,

Art.  12 GG Rn.  85. Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1095. 143 MünchKommBGB/Busche, Vor §   145 BGB Rn.  3 ; Frotscher, Wirtschaftsverfassungsund Wirtschaftsverwaltungsrecht, 1994, Rn.  26; Hensel, ORDO 14 (1963), 43, 52. 144  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1096. 145  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  2 21. 146 Maunz/Dürig/Scholz, Art.  12 GG Rn.  85. 147  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  2 25; Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1095. 148  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  2 25. 149  Säcker, in: FS Adomeit, 2008, S.  661 ff.; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl. Rn.  1.43. 142 

D. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands

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lichen Geschehens eingegriffen wird.150 Die Wirtschaft kann im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken also auch mit nicht marktkonformen Mitteln gesteuert werden.151 Hans-Jürgen Papier hat dies prägnant in die Worte gefasst: „Wirtschaftspolitische Unvernunft ist – allgemein gesprochen – noch kein Verfassungsbruch!“152 Neben das Individualprinzip, welches sich in den Freiheitsrechten des Einzelnen Bahn bricht, tritt auf Verfassungsebene bekanntermaßen ein Sozialprinzip, das die Gemeinschaftsgebundenheit jedes Individualrechts in einem demokratischen und sozialen Bundesstaat zum Ausdruck bringt (vgl. Art 20 Abs.  1, 28 Abs.  1, 79 Abs.  3 GG).153 Anders als die Freiheitsgrundrechte zeichnet sich dieses Sozialprinzip allerdings durch eine relative inhaltliche Unbestimmtheit und Offenheit aus.154 Es ist allgemein gerichtet auf eine gerechte Sozialordnung, auf soziale Sicherheit, auf die Herstellung menschenwürdiger und erträglicher Lebensbedingungen für alle, auf einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und eine gerechte Verteilung der Lasten,155 also auf abstrakte Ziele, deren Verwirklichung in erster Linie Aufgabe des „einfachen“ Gesetzgebers ist, weshalb so­ zialstaatliche Regelungen fortentwickelt, geändert, angepasst oder auch zurückgenommen werden können, ohne dass dies im Gegensatz zur Verfassung stünde.156 Auch enthält das Grundgesetz keine sozialen Wirtschaftsgrundrechte in Form einklagbarer Ansprüche auf staatliche Leistungen.157 Für den Bereich des Wirtschaftsrechts bedeutet das Sozialstaatsprinzip deshalb vor allem, dass sich der Staat nicht nur auf den bloßen Schutz und die Abwehr von Gefahren beschränken kann, sondern darüber hinaus eine gewisse soziale Verantwortung trägt.158 Hierbei kommt ihm ein weiter Spielraum zu.159

II. Soziale Marktwirtschaft Angesichts der Verknüpfungen der deutschen mit der europäischen Wirtschaftsverfassung ist die vom BVerfG in ständiger Rechtsprechung vertretene These von der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes kritisch zu hinterfragen. In der Europäischen Union ist die Wirtschaftspolitik zwar über150  BVerfG v. 20.7.1954 – 1 BvR 459/52, BVerfGE 4, 7, 17 – Investitionshilfe; BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 336 f. – Mitbestimmung. 151  BVerfG v. 27.1.1965 – 1 BvR 213/58, 715/58 u. 66/60, BVerfGE 18, 315 – Milch- und Fettgesetz. 152  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1095. 153  Säcker, in: FS Adomeit, 2008, S.  661, 664 ff. Siehe zur Sozialgebundenheit des Menschen schon Teil 1 A. I. 154  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1096. 155  Papier, Zukunft des Sozialstaats, S.  241; siehe auch HdbVerfR/Benda, §  17 Rn.  84. 156  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1096. 157  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1097. 158  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  4 Rn.  17. 159  Papier, in: FS Säcker, 2011, S.  1093, 1097.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

wiegend Angelegenheit der Mitgliedstaaten. Diese unterliegen bei der Gestaltung der Wirtschaftspolitik jedoch erheblichen unionsrechtlichen Einflüssen.160 So sind die Union und die Mitgliedstaaten nach dem oben behandelten Art.  119 Abs.  1 AEUV auf die Grundsätze einer offenen Marktwirtschaft verpflichtet.161 Nach Art.  120 AEUV richten die Mitgliedstaaten ihre Wirtschaftspolitik so aus, dass sie zur Verwirklichung der Ziele des Art.  3 EUV beitragen, also auch einer sozialen Marktwirtschaft im Sinne des Art.  3 Abs.  3 Uabs.  1 Satz 2 EUV.162 Außerdem prägen die mit einem Anwendungsvorrang ausgestatteten Normen des Unions-Wirtschaftsrechts in weiten Bereichen die Interpretation des nationalen Wirtschaftsrechts. Die Mitgliedstaaten müssen nach Art.  4 Abs.  3 EUV i. V. mit der Effet-utile-Doktrin alles tun, um die praktische Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten. Hierzu ist die Union bei ihren Aufgaben aktiv zu unterstützen. Weiterhin sind alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Ziele der Union gefährden können. In beiderlei Hinsicht wäre es sinnwidrig, wenn eine Fundamentalnorm wie Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV die soziale Marktwirtschaft nur für die Union, nicht jedoch für die Mitgliedstaaten verbindlich machen würde; vielmehr muss das Loyalitätsprinzip des Art.  4 Abs.  3 EUV gerade bei ordnungspolitischen Grundsatzentscheidungen greifen.163 Es liegt deshalb nahe, die Unionswirtschaftsverfassung als einen integralen Bestandteil der deutschen Wirtschaftsverfassung anzusehen.164 Das Leitbild der rechtlichen – nicht der programmatisch-idealtypischen – Wirtschaftsverfassung Deutschlands wurde im Vertrag über die Währungsund Wirtschaftseinheit Deutschlands im Jahr 1990 als „soziale Marktwirtschaft“ charakterisiert.165 Dies entspricht nach Begrifflichkeit und Teleologie der rechtlichen Vertragszielbestimmung des Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV.166 Durch die Verpflichtung der Wirtschaftsordnung auf eine soziale Marktwirtschaft wird der notwendig weite Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers nicht in Frage gestellt. Die Ausrichtung der Wirtschaftsverfassung auf eine soziale Marktwirtschaft verdeutlicht jedoch das Bedürfnis, die Interpretation marktrelevanter Rechtsvorschriften innerhalb der durch die Rechtsordnung gezogenen Grenzen für die Erkenntnisse der Ökonomie zu öffnen.167 Grenzen 160 

Ruffert, AöR 134 (2009), 197, 201. Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  2 Rn.  4 4, m. w. N. 162  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 982. 163  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 982. 164  Basedow, Von der deutschen zur europäischen Wirtschaftsverfassung, S.  53 ff.; Müller-Graff, EuR 1997, 433; Mestmäcker, in: FS Willgerodt, 1994, S.  263; a. A. Jungbluth, EuR 2010, 471, 473 ff., insb. 489. 165  BGBl. II, 537; dazu Schmidt-Preuß, DVBl. 1993, 236; Säcker, in: FS Adomeit, 2008, S.  661, 665; Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  2 Rn.  48. 166  Schmidt-Preuß, in: FS Säcker, 2011, S.  969, 983, der dies als späten Triumph Nipperdeys bezeichnet. 167  Oetker, Dauerschuldverhältnis, S.  28 f. 161 

E. Schutz der Selbstbestimmung im Verfassungsrecht

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der Ökonomisierung ergeben sich u. a. aus der Schutzpflicht des Staates („Garantiefunktion“168 , speziell bei Gütern der Daseinsvorsorge auch „Gewähr­ leistungsverantwortung“ genannt) für die materiale Vertragsfreiheit der Bürger, die einer Zurückdrängung individueller Freiheitspositionen entgegensteht,169 wie sie etwa einem allein an ökonomischen Effizienzerwägungen ausgerichteten Wettbewerbsrecht inhärent wäre. Gleichwohl kann eine kritische Reflexion der Rechtsordnung zu einer „Verfeinerung der Privatrechtstheorie“ durch größere Rationalität bei der Entscheidungsfindung und Offenlegung der zugrunde gelegten Wertungen beitragen.170 In dieser Funktion sind die Erkenntnisse der Ökonomie für die rechtliche Gestaltung einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung unverzichtbar.

E. Schutz der Selbstbestimmung im deutschen und im europäischen Verfassungsrecht I. Das Grundgesetz Die deutsche Privatrechtsordnung beruht auf der Privatautonomie als dem Prinzip der eigenverantwortlichen Gestaltung privater Lebensverhältnisse.171 Die Privatautonomie rezipiert damit das vorrechtliche, dem Wesen des Menschen eigene Bedürfnis zur Selbstverwirklichung,172 das von dem Grundgedanken getragen ist, dass die Parteien in einem rechtsgeschäftlich begründeten Rechtsverhältnis selbst einen angemessenen Ausgleich ihrer Interessen im Sinne der aristotelischen „iustitia commutativa“ erzielen.173 Dieses Bedürfnis ist verfassungsrechtlich durch die Menschenwürdegarantie sowie durch die allgemeine Handlungsfreiheit und die Berufs- und Gewerbefreiheit gewährleistet (sog. normativer Individualismus).174 Daneben greifen für einzelne Wirtschaftsbereiche spezifische Grundrechtsverbürgungen wie etwa das Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art.  12 Abs.  1 GG für das Arbeitsrecht175 oder die Wissenschaftsfreiheit als spezialisierte Freiheit zur Förderung von Innovationen (Art.  5 Abs.  3 GG).176 Art.  12 Abs.  1 GG schützt auch die individuelle wirtschaftliche 168 

Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  14 Rn.  80. Oetker, Dauerschuldverhältnis, S.  29 mit Fn.  21. 170 So Oetker, Dauerschuldverhältnis, S.  29. 171  Leenen, BGB-AT, §  1 Rn.  1; Boecken, BGB-AT, Rn.  30. 172  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, S.  36, 38 – Bürgschaft; Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  26. 173 MünchKommBGB/Roth/Schubert, §  242 BGB Rn.  462. 174  Von der Pfordten, JZ 2005, 1069, 1072 ff.; siehe zum deutschen Recht Sodan/ders., Art.  2 Rn.  3 und Art.  12 Rn.  14; zum Unionsrecht Calliess/Ruffert/Ruffert, Art.  16 EU-GRCharta Rn.  2 ; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  250 ff. 175  Boemke/Gründel, ZfA 2001, 241 ff. 176 Eifert/Hoffmann-Riem/Eifert, S.  11, 12. 169 

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

Betätigungsfreiheit (Wettbewerbsfreiheit).177 Von der Möglichkeit der Selbst­ gestaltung der eigenen Rechtsverhältnisse durch Verträge machen die meisten Menschen Gebrauch, um ihre individuellen Bedürfnisse zu befriedigen und damit im Ergebnis ihren „Wohlstand“ zu mehren. Die Ergebnisse dieser rechtsgeschäftlichen Tätigkeiten fallen wiederum unter den Schutz der Garantie von Eigentum und Erbrecht im Sinne des Art.  14 GG.178 Dabei umfasst die Eigentumsgarantie auch alle schuldrechtlich oder gesellschaftsrechtlich vermittelten Rechte.179 Die Privatautonomie spiegelt somit die verfassungsrechtliche Wertentscheidung für das Recht des Einzelnen auf Selbstbestimmung im geistig-sittlichen und wirtschaftlichen Bereich wider.180 Aus der Abwehrdimension des Art.  2 Abs.  1 GG folgt, dass es dem Staat untersagt ist, unverhältnismäßig in die Privatautonomie einzugreifen.181 Wegen der grundlegenden Bedeutung von Privatautonomie und Vertragsfreiheit bedürfen ethisch, sozialpolitisch oder wohlfahrtsökonomisch motivierte („institutionelle“) Einschränkungen der Privatautonomie, die der parlamentarische Gesetzgeber in Ausübung seines weiten Regelungsspielraums statuiert, vielmehr einer sachbezogenen Begründung.182 Daneben enthält Art.  2 Abs.  1 GG einen Schutzauftrag, wonach der Staat die tatsächlichen Voraussetzungen zu schaffen hat, um den Bürgern die Ausübung ihrer individuellen Freiheit im Sinne einer Gleichheit der Chancen (nicht gleicher Ergebnisse!) zu ermöglichen.183 Das noch vertragstheoretisch zu begründende Konzept einer „Materialisierung“ der Vertragsfreiheit findet in einem derart interpretierten Schutzauftrag eine verfassungsrechtliche Stütze, ohne dass das Privatrecht damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre. Im Schrifttum werden in der Rechtsprechung des BVerfG allerdings Tendenzen beobachtet, die grundgesetzlichen Freiheitsrechte „gewährleistungsstaatlich“ umzuwerten, weg von der klassischen Abwehrfunktion und der damit einhergehenden weiten Tatbestandstheorie hin zu ei-

177  BVerfG v. 8.2.1972 – 1 BvR 170/71, BVerfGE 32, 311 Rn.  12 – Steinmetz-Wettbewerb; BVerfG v. 12.10.1977 – 1 BvR 216/75, BVerfGE 46, 120 Rn.  45 – Fernmeldemonopol; BVerfG v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91, BVerfGE 105, 252 Rn.  42 f. – Glykolwarnung; BVerfG v. 17.12. 2002 – BvL 28/95, BVerfGE 106, 275 Rn.  103 f.; BVerfG v. 11.7.2006 – 1 BvL 4/00, BVerfGE 116, 202 Rn.  78 – Berliner Tariftreuegesetz; dazu Mohr, VergabeR 2009, 543 ff. 178  Leenen, BGB-AT, §  1 Rn.  14. 179 BVerfG v. 8.6.1977 – 2 BvR 499/74, 1042/75, NJW 1977, 2024; Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61, 64 f. 180  Busche, Kontrahierungszwang, S.  2 2 ff. 181  Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 879 f. 182  Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 879 f.; Weller, Die Vertragstreue, S.  176; Schapp, Methodenlehre des Zivilrechts, S.  19; siehe für das Regulierungsrecht auch Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 255 f. Ausführlich Hopt/Tzouganatos/Dauner-Lieb, Europäisierung, S.  279 ff., insb. 286 ff. 183  BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, S.  1469, 1470.

E. Schutz der Selbstbestimmung im Verfassungsrecht

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nem (sozial-)staatsfreundlicheren engen Schutzkonzept.184 In einigen Entscheidungen rekurrierte das Gericht hierzu auch auf das in den Art.  20 Abs.  1, 28 Abs.  1 Satz 1 GG geregelte Sozialstaatsprinzip. Das gilt namentlich für den Handelsvertreter-Beschluss aus dem Jahr 1990,185 die Bürgschaftsentscheidung aus dem Jahr 1993186 sowie die Urteile zur Unwirksamkeit eines Unterhaltsverzichts in Eheverträgen.187 Diese Entscheidungen werden als „Höhepunkte des Materialisierungsprozesses“ eingestuft, da sie den Schutz der Selbstbestimmung vor einseitiger Fremdbestimmung durch den überlegenen Vertragspartner nicht nur mit dem Schutz der Vertragsfreiheit (im Sinne gleicher Chancen, die eigenen Präferenzen in den vertraglichen Aushandlungsprozess einzubringen), sondern auch mit dem Sozialstaatsprinzip und damit mit materialen Gerechtigkeitserwägungen begründeten.188 Demgegenüber hat das BVerfG das Sozialstaatsprinzip beispielsweise in seiner Entscheidung zur AGB-Inhaltskontrolle von Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderkundenverträgen aus dem Jahr 2010 nicht gesondert erwähnt.189 Es ist deshalb nicht eindeutig, ob der Rechtsprechung tatsächlich ein Richtungswechsel zu entnehmen ist. Die Vertragsfreiheit wirkt neben ihrer Ausgestaltung als gegen den Staat gerichtetes Abwehrrecht auch als sog. Institutsgarantie,190 wonach die Vertragsfreiheit weder vollkommen abgeschafft werden kann noch vollkommen schrankenlos gewährleistet wird.191 Welchen Inhalt dieses Institut hat, zeigt sich freilich erst mit Blick auf die theoretischen Konzepte, die der Verfassung zugrunde liegen bzw. ihr entnommen werden. Zwischen den beiden Angelpunkten „Abwehrrecht“ und „Institutsgarantie“ hat der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum, um die Vertragsfreiheit zu konkretisieren und zu aktualisieren.192 Diese Entfaltungsmöglichkeit kommt in Art.  2 Abs.  1 GG durch den Vorbehalt der „verfassungsmäßigen Ordnung“ zum Ausdruck. Auch wenn dem Gesetzgeber zur Ausgestaltung der Ausübung von Privatautonomie ein breiter Handlungsspielraum einzuräumen ist, da die Interessen des Einzelnen an freier Willensverwirklichung mit den Interessen der anderen Verkehrsteilnehmer ebenso wie mit Erfordernissen der Reibungslosigkeit und Sicherheit des rechtsgeschäftlichen Verkehrs abzustimmen sind, bestehen aber Kernbereiche der Ermöglichung von Selbstbestimmung, die nicht angetastet werden dür-

184 

Höfling/Rixen, RdA 2007, 360, 364 und 366; im Erg. zust. Mohr, VergabeR 2009, 543 ff. BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469, 1470 – Handelsvertreter. 186  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 u. a., NJW 1994, S.  36 ff. 187  Beispielhaft BVerfG v. 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89, 102. 188  Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 994. 189  BVerfG v. 7.9.2010 − 1 BvR 2160/09, 1 BvR 851/10, NJW 2011, 1339 Rn.  34. 190  Zum Institutsbegriff siehe Teil 1 B. I. 191  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  219 ff. 192  Lorenz, Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.   19 ff.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten, S.  157. 185 

112

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fen.193 So ist der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Privatautonomie durch die Rechtsordnung an die objektiv-rechtlichen Vorgaben der Grundrechte gebunden. Er muss einerseits der Selbstbestimmung des Einzelnen einen an­ gemessenen Betätigungsspielraum belassen, andererseits jedoch die im Vertragsrecht notwendiger Weise kollidierenden Freiheitsbereiche der Marktbeteiligten im Rahmen praktischer Konkordanz zu einem Ausgleich bringen, so „dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden“.194 Im Privatrecht ist dies mit Gregor Bachmann vor allem als ein Schutz vor Ausbeutung zu verstehen.195 Die grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen beinhalten im Ausgangspunkt auch die Befugnis zur Begründung und Aufrechterhaltung privater Machtpositionen, etwa durch die Schaffung und Nutzung von Innovationen.196 Dies trägt der Erkenntnis Rechnung, dass private wirtschaftliche Macht nicht per se schlecht ist, sondern einer staatlichen Regulierung bedarf, um ihre schädlichen Auswirkungen zu vermeiden und die positiven Effekte – soweit notwendig – zu fördern. Durch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art.  2 Abs.  1 GG, der Berufsfreiheit des 12 Abs.  1 GG und der Eigentumsfreiheit gem. 14 Abs.  1 GG werden mittelbar auch Markt und Wettbewerb geschützt, da diese Freiheitsgewährleistungen in Ermangelung eines Parameters für die Bewertung wirtschaftlicher Güter ohne wettbewerblich organisierte Märkte nicht zu verwirklichen wären.197 In einer Entscheidung aus dem Jahr 2011 hat das BVerfG mittelbar bekräftigt, dass das Grundgesetz als abgestuftes Gemeinwohlziel auch den „chancengleichen Wettbewerb“ schützt.198 Den Staat treffe deshalb eine entsprechende Schutzpflicht (Gewährleistungsverantwortung).199 Der Gesetzgeber muss die konstitutiven Vorbedingungen schaffen, damit den Marktbeteiligten eine Willenseinigung in beidseitiger Selbstbestimmung möglich ist, indem er den Individuen ein funktionsfähiges Instrumentarium zu ihrer vertraglichen Selbstbestimmung zur Verfügung stellt, welches ihnen zwar keine Garantie, aber die Möglichkeit zur Selbstbestimmung gibt.200 Hierzu zählen sowohl die Gewährleistung der Privatautonomie, als auch die Sicherstellung eines funk­tions­fähigen Wettbewerbs und einer funktionsfähige Vertragsrechtsordnung.201 Das Grundgesetz enthält somit nicht nur Freiheitsverbürgungen,

193 

Leenen, BGB-AT, §  1 Rn.  13. BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 u. a., NJW 1994, S.  36, 38. 195  Bachmann, Private Ordnung, S.  206. 196 Eifert/Hoffmann-Riem/Eifert, S.  11, 12 f. 197  Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 877. 198  BVerfG v. 8.12.2011 – 1 BvR 1932/08, MMR 2012, 186, LS der Redaktion. 199 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG Rn.  116. 200 MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  3. 201  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  234. 194 

E. Schutz der Selbstbestimmung im Verfassungsrecht

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sondern erfordert auch einen normativen Rahmen, um diese Freiheitsrechte tatsächlich ausüben zu können.202

II. Das Unionsrecht Mit Blick auf die Ausrichtung der Union auf eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft (Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV) und die Verbürgung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs im Binnenmarkt (Protokoll Nr.  27 zum Lissabonner Vertrag) beruht das europäische Privatrecht ebenfalls auf den Prinzipien der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit als Ausprägungen der Idee individueller Selbstbestimmung.203 Demgegenüber haben die primärrechtlichen Verankerungen des Sozialstaatsgrundsatzes im Vertragsrecht bislang noch keine systemprägenden Auswirkungen gehabt. Das Unionsrecht ist vielmehr (noch) geprägt von einem kompetitiven, an „allokativer Gerechtigkeit“ orientierten Vertragsmodell.204 Daneben treten zunehmend sekundärrechtliche Gewährleistungen eines „sozialen europäischen Vertragsrechts“, auch wenn diese nach jetzigem Stand der Rechtsentwicklung noch keine letztgültige Kontur gewinnen konnten.205 Der Schutz der Vertragsfreiheit der Marktteilnehmer 206 wird im Unionsrecht zum einen über die Grundfreiheiten als subjektive Rechtspositionen gewährleistet.207 Die letztlich aus dem Grundsatz der Rechtsgleichheit folgenden,208 in Art.  26 Abs.  2 AEUV benannten Grundfreiheiten stellen sicher, dass die Koordinierung von Angebot und Nachfrage am Markt nicht durch unverhältnismäßige grenzüberschreitende staatlich veranlasste Hindernisse beeinträchtigt wird. Sie zielen somit durch Gewährung von Marktzutrittsrechten auf eine Offenhaltung der Märkte ab, 209 gemäß dem Konzept der „Herstellung 202 Instruktiv

Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61, 65 ff. Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S.  36; Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 889 f.; Rittner, JZ 1990, 838, 840 f.; MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  4. Zum Grundsatz „pacta sunt servanda“ vgl. EuGH v. 16.6.1998 – Rs. C-162/96, EuZW 1998, 694 Rn.  49 – Racke; EuGH v. 5.10.1999 – C-240/97, Slg. 1999, I-6571 Rn.  99 – Spanien/Kommis­ sion. 204 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  2 23. 205  Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT 2012, S. A 60. 206  Die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Unternehmen wird durch den Schutz der unternehmerischen Handlungsfreiheit gemäß Art.  16 EU-GRCharta i. V. mit Art.  6 Abs.  1 EUV verbürgt. Dieser ist insbesondere dann relevant, wenn Unternehmen Adressaten wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen sind; siehe Hilf/Hörmann, NJW 2003, 1. 207  Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 465 ff.; von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 764 ff. 208  Rittner, JZ 1990, 838, 840. 209  Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 428 ff. Die Grundfreiheiten wirken (nur dann) unmittelbar im Privatrecht, wenn sich der Staat das Handeln Privater zurechnen lassen muss oder die Privaten – wie Sportvereine oder Gewerkschaften – über eine besondere kollektive Macht verfügen; vgl. Bachmann, a. a. O., 465 ff., wonach die Wertungen der Art.  101 ff. AEUV im 203 

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

und Sicherung von Zugangsgerechtigkeit“ (Micklitz).210 Der durch die Grundfreiheiten bewirkte Freiverkehr der Produktionsfaktoren und Produkte gründete ursprünglich vor allem auf der Außenhandelstheorie des sog. komparativen Kostenvorteils.211 Mittlerweile lässt er sich aus drei verschiedenen Konzepten ableiten: 212 Erstens aus der wohlfahrtsökonomischen Wettbewerbstheorie einer effizienzoptimalen Ressourcenallokation in einem definierten Gebiet, zweitens aus der Gesellschaftstheorie legitimierender Privatautonomie in diesem Raum und drittens aus der Integrationstheorie transnational vernetzender Privatinitiative. Eine Einzelsteuerung der Märkte durch die Unionsbürger setzt auch in den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen die Gewährleistung individueller wirtschaftlicher Betätigungsfreiheit sowie die Geltung der Vertragsfreiheit voraus.213 Demgemäß ermöglichen erst die nationalen Privatrechtsordnungen die Ausübung der Grundfreiheiten und wirken so auf das Unionsrecht ein.214 Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die Grundfreiheiten als Schutznormen auch für die Freiheit des grenzüberschreitenden Vertragsschlusses zu interpretieren.215 Zugleich gewähren sie die Rechtsmacht zu privatautonomem Handeln, stellen also ein Mindestmaß an subjektiven öffentlichen und privaten Rechten sicher.216 Für eine Interpretation der Grundfreiheiten als subjektive Rechte spricht auch, dass diese nicht nur als Rechte der unternehmerisch Tätigen, sondern auch als solche der Nachfrager anerkannt sind.217 Trotz ihres markteröffnenden Charakters schützen die Grundfreiheiten aber nicht nur eine formal verstandene Privatautonomie. Dies zeigt sich bereits daran, dass sie zum Schutz der Selbstbestimmung der Verbraucher eingeschränkt (besser: nach ihrem inneren Telos ausgestaltet) werden dürfen.218 Im Ergebnis wird die Systementscheidung des Unionsrechts für eine offene, freie und soziale Marktwirtschaft also durch die entsprechenden Funktionsgarantien in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten konkretisiert.219 Gleichzeitig setzt das Unionsrecht nach bisherigem Stand der Integration die Existenz eines mitgliedstaatlichen Privatrechts

Rahmen der Prüfung einer unmittelbaren Anwendung der Grundfreiheiten zu berücksichtigen sein sollen (S.  470); vgl. auch Neuner/Herresthal, Grundrechte und Privatrecht, S.  177, 190 ff.; Roth, in: FS Medicus, 2009, S.  393, 407, 418 ff. 210  Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT 2012, S. A 59. 211  Müller-Graff, EuR 2009 Beiheft 1, 105, 109. 212  Müller-Graff, EuR 2009 Beiheft 1, 105, 109. 213  Von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 764, 765. 214  Rittner, JZ 1990, 818, 841; Müller-Graff, NJW 1993, 13, 14. 215  Müller-Graff, NJW 1993, 13, 14; Grundmann, JZ 1996, 274, 278; ders., ZHR 163 (1999), 635, 640; Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S.  36 f. 216  Von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 764, 766. 217  Von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 764, 766. 218  Von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 764, 766. 219 BerlKommTKG/Nettesheim, 2.  Aufl. 2009, Einl. III Rn.  2.

E. Schutz der Selbstbestimmung im Verfassungsrecht

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im Allgemeinen und eines – in Verbindung mit den Wettbewerbsvorschriften: kompetitiven – Vertragsrechts im Besonderen voraus und erkennt diese an.220 Privatautonomie und Vertragsfreiheit werden indirekt auch durch das europäische Wettbewerbsrecht geschützt; denn Privatautonomie, Marktwirtschaft und Wettbewerb stehen – wie wir sogleich noch sehen werden – nach klassischer Sicht in einem gegenseitigen Bedingungszusammenhang.221 So hängen Privat­ autonomie und Vertragsfreiheit untrennbar mit der Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung als Wettbewerbswirtschaft zusammen, da sie das Bestehen eines Marktes voraussetzen und ihre Ausübung zu Wettbewerb führt.222 Der Schutz eines unverfälschten Wettbewerbs sichert wiederum die Wahlfreiheit der Konsumenten und damit auf konstitutiver Ebene die tatsächlichen Voraussetzungen der Vertragsfreiheit.223 Folgerichtig hat der EuGH die Wettbewerbsvorschriften der Unionsverträge ausdrücklich als Instrumente der Inhaltskon­ trolle von Verträgen anerkannt.224 Auch die nach Art.  6 Abs.  1 Hs.  2 EUV im Rang des Primärrechts stehende EU-GRCharta enthält spezifische Freiheitsgrundrechte, 225 wie die Berufsfreiheit des Art.  15 EU-GRCharta und die Unternehmerfreiheit des Art.  16 EU-GRCharta, die ebenso wie die Art.  101 ff. AEUV und die Grundfreiheiten die Vertragsfreiheit mit umfassen.226 Art.  17 EU-GRCharta schützt schließlich die Eigentumsfreiheit als materielle Grundlage individueller Freiheit.227 Zusätzlich zu den vorbenannten Freiheitsverbürgungen gewährleistet das Unionsverfassungsrecht soziale Rechte. Beispielhaft benannt seien die Verbürgungen von „Gleichheit“ und „Solidarität“, wie sie in Art.  2 und 3 Abs.  3 Uabs. 2 EUV und in den Art.  20 ff. und 27 ff. der Charta der Grundrechte der Europäischen Union normiert sind. Diese bringen grundlegende Werte zum Ausdruck, die in den allgemeinen Zielvorschriften gleichrangig neben das Binnenmarktund das Wettbewerbsziel treten,228 auch wenn dies nicht automatisch bedeutet, dass sie auch im Rahmen der Auslegung wirtschaftsrechtlicher Normen zum Tragen kommen müssen. Die Bedeutung und Tragweite der europäischen Grundrechte ist wiederum an die Europäische Menschenrechtskonvention ge220 

Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.  801, 813. Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S.  36; Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 890; Rittner, JZ 1990, 838, 839, und 841. 222  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 316; Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S.  36; siehe schon Böhm, Die Justiz III (1928), 324, 331. 223  Mestmäcker, JZ 1964, 441, 443; Canaris, iustitia distributiva, S.  48; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  288 f. 224  Hierauf werden wir näher eingehen in Teil 5 C. II. 3. 225 BerlKommEnR/Schmidt-Preuß, Bd. 1 Einl. B Rn.  124. 226 Von Bogdandy/Bast/Hatje, Europäisches Verfassungsrecht, S.   801, 812 f.; MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  3. 227  Jarass, Art.  16 EU-GRCharta Rn.  2 und Art.  17 Rn.  2. 228  Zum Schutz vor Diskriminierungen siehe Schubert, ZIP 2013, 289 und 292. 221 

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

koppelt (Art.  6 Abs.  3 EUV; Art.  52 Abs.  2 und 53 EU-GRCharta).229 In diesem Sinne bilden Marktverfassung und Sozialverfassung die beiden grundlegenden Säulen des europäischen Primärrechts.230

F. Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Versorgung mit Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen Das Unionsrecht erkennt an, dass der Staat die tatsächlichen Voraussetzungen für die Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen schaffen muss, deren die Bürger für ihre Lebenshaltung zwingend bedürfen (Art.  106 Abs.  2 AEUV).231 Das deutsche Recht konkretisiert diese Pflicht durch sonderverfassungsrecht­ liche Vorgaben für die Daseinsvorsorge, 232 die sich in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz des freien Wettbewerbsprozesses und überindivi­ duell-objektiven Gemeinwohlerwägungen bewegen.

I. Grundrechtliche Gewährleistung der Versorgung mit Gütern der Daseinsvorsorge Zu den anerkannten Kernaufgaben des Leistungsstaates gehört neben der Gewährleistung der inneren und äußeren Sicherheit auch die Grundversorgung (der „Universaldienst“233) mit für die Lebenshaltung der Bürger notwendigen Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. In den Wirtschaftswissenschaften werden diese Güter und Dienstleistungen insofern als „öffentlich“ bezeichnet, als ihre Produktion gesamtgesellschaftlich wünschenswert ist, weil die Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente größer ist als die der Gesellschaft insgesamt anfallenden Kosten, sie aber nicht vom Markt erbracht werden, weil etwa eine kostendeckende Produktion aufgrund der nicht rivalisierenden bzw. nicht-ausschließbaren Nutzung nicht möglich ist. Folglich ist bei öffentlichen Gütern die Grundvoraussetzung für einen funktionierenden Markt auf Nachfrageseite in Form der Offenlegung der Präferenzen über die Zahlungsbereitschaft nicht oder nur eingeschränkt erfüllt.234 Bekannte Beispiele 229 

Schubert, ZfA 2013, 1, 14. Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S.  42 ff.; Riesenhuber, Europäisches Arbeitsrecht, S.  36. 231  Siehe schon Teil 1 A. III. 3. 232  Siehe Teil 1 A. III. 4. 233  Siehe Teil 1 A. III. 3. b). 234  Kurth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, S.  341, 342. Öffentliche Güter sind durch Nichtrivalität im Konsum und Nichtausschließbarkeit gekennzeichnet. Letztere führt zum Problem der sog. „Free Rider“, da ein Gut, das öffentlich angeboten wird, von jeder Person genutzt werden kann, ohne dass sie hiervon ausgeschlossen werden kann; vgl. Klaus, DeRegulierung, S.  231 f. 230 

F. Gewährleistungsverantwortung für netzbasierte Güter/Leistungen

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sind Kultur- und Freizeiteinrichtungen. Neben den nachfrageseitigen gibt es aber auch angebotsseitige Gründe. So wurden früher die Energieversorgung, die Telekommunikation und der Eisenbahnverkehr wegen der noch zu schildernden Besonderheiten bei der Produktion der entsprechenden Güter bzw. Dienstleistungen als nicht geeignet angesehen, im Wettbewerb über den Markt erbracht zu werden, weshalb der Staat sie durch öffentliche Unternehmen selbst erbrachte und/oder bestimmte Unternehmen durch Exklusivrechte aus der allgemeinen Wettbewerbsordnung herausnahm.235 Hierauf ist noch zurückzukommen. Aufgrund der Dynamisierung der wirtschaftlichen und technologischen Gegebenheiten und der damit verbundenen neueren ökonomischen Erkenntnisse sowie der Veränderung der Leitbilder staatlicher Aufgabenerfüllung setzte sich in den 1990er-Jahren – auch unter dem Druck des Europarechts – jedenfalls die Erkenntnis durch, dass elektrischer Strom und Gas, Telekommunikationsleistungen und der Eisenbahnverkehr unter gewissen Voraussetzungen über wettbewerbliche Märkte bereitgestellt werden können; 236 denn diese versorgen die Bürger mit den entsprechenden Gütern bzw. Dienstleistungen nach wirtschaftshistorischer Erfahrung oft effizienter als der Staat.237 Vor diesem Hintergrund hat sich der Staat aus den benannten Sektoren aus einer Erfüllungs- zu Gunsten einer Gewährleistungsverantwortung zurückgezogen.238 Hierdurch wurde das Leitbild des „erfüllenden Wohlfahrts- und Interventionsstaates [. . .] durch den ermöglichenden Gewährleistungsstaat überlagert und teilweise ersetzt“,239 der nur noch eine Schutzpflicht für wichtige Rechte und Güter zur Lebenshaltung der Bürger wahrnimmt.240 Da der „Gewährleistungs235  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.   4, 68. Siehe auch Kurth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, S.  341, 342; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  451. 236 Schuppert/ders., Gewährleistungsstaat, S.  11, 14; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 707; Basedow, ZHR 170 (2006), 178 ff.; Berndt, Anreizregulierung, S.  37. 237 BerlKommEnR/Säcker, Bd. 1 Einl. A. Rn.   27; Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  336 ff.; Kurth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, S.  341, 343; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  81. Siehe auch Ruge, Gewährleistungsverantwortung, S.  29; krit. bereits Emmerich, NJW 1974, 902, 904. 238 Vgl. Fehling, Verwaltung, S.  29. 239 Schröter/Schuppert, Empirische Policy- und Verwaltungsforschung, S.  399; Schuppert/ ders., Gewährleistungsstaat, S.  11 ff.; Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681; krit. Genschel/ Zangl, Die Zerfaserung von Staatlichkeit und die Zentralität des Staates, APuZ 20–21/2007, 1 ff. Siehe auch Schorkopf (JZ 2008, 20, 25), wonach die Regulierung zum Paradox werde, weil sich in dieser Idee sowohl die Skepsis als auch das Vertrauen in den Staat verfestige, der einerseits seine Steuerungsunfähigkeit unter Beweis gestellt habe und andererseits aber für die Zukunft Ordnungsgarant bleiben solle. 240 Schuppert/Hermes, Gewährleistungsstaat, S.  111. Dahinter steht – stark vereinfacht – die These von einem strukturell überforderten Staat, der mit den „klassischen Regulierungsinstrumentarien“ in eine „Steuerungskrise“ geraten sei, weshalb er nach neuen Wegen suchen müsse, die „gesellschaftlichen Prozesse“ effektiv zu beeinflussen, um das Gemeinwohl zu fördern und durchzusetzen (Schorkopf, JZ 2008, 20, 25). Zu diesem Zwecke wurde – begrifflich missverständlich – ein „neues Steuerungskonzept“ der „regulierten Selbstregulierung“ postuliert (siehe zu den möglichen Inhalten dieses Begriffs Ch. Calliess, AfP 2002, 465, 466),

118

Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

staat“ die Erfüllung vormals staatlicher Aufgaben in die Hände von Privatrechtssubjekten legt, wird er auch als „Staat der Zivilgesellschaft“241 bezeichnet, da er sich durch die Nutzung zivilgesellschaftlicher Gemeinwohlkompetenz im Sinne einer „praktizierten Verantwortungsteilung“ auszeichne.242 Diese Gewährleistungsverantwortung des Staates ist für die vorliegend in Rede stehenden Sektoren teilweise explizit im Grundgesetz verankert, für andere Sektoren – namentlich für die Energieversorgung – folgt sie aus einer Zusammenschau der einschlägigen Verfassungsbestimmungen: 243 Nach Art.  87f Abs.  1 GG gewährleistet der Bund im Bereich der Telekommunikation nach Maßgabe eines Bundesgesetzes – dies ist insoweit das TKG244 – eine flächendeckende angemessene und ausreichende Versorgung der Bürger mit den entsprechenden Dienstleistungen.245 Gem. Art.  87f Abs.  2 Satz 1 GG werden die Telekommunikationsdienstleistungen nicht unmittelbar vom Staat bereitgestellt, sondern „als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch die aus dem Sondervermögen Deutsche Bundespost hervorgegangenen Unternehmen und durch andere private Anbieter erbracht“. Hierin liegt ein sonderverfassungsrechtliches Bekenntnis zu einer durch Regulierung herzustellenden, auf Chancengleichheit beruhenden privaten Wettbewerbsordnung, 246 weshalb eine wirtschaftliche Betätigung des Staates im Telekommunikationssektor – anders als in der Energiewirtschaft – auch unter Berufung auf die Sicherstellung von Leistungen der Daseinsvorsorge ausgeschlossen ist.247 Die Pflicht zur Gewährleistung ausreichender und angemessener Dienstleistungen nach Art.  87f Abs.  1 GG schließt die erstmalige Schaffung und dauerhafte Sicherung funktionsfähiger Wettbedas die Eigendynamik gesellschaftlicher Teilbereiche respektieren und nutzen will. Hiernach soll der Staat bei Gütern, die über den Markt erbracht werden können, Raum für private Initiative lassen. Zugleich soll er für bestimmte öffentliche Belange eine Gewährleistungsverantwortung übernehmen, indem der gesellschaftlichen Selbstregelung über die für alle geltenden allgemeinen Normen hinausgehende Rahmen-, Struktur- oder Zielvorgaben gemacht bzw. Sicherheits- und Auffangsysteme geschaffen werden; vgl. Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft, S.  41; Krautscheid/Henneke, Daseinsvorsorge, S.  17, 23. 241  Franzius, Der Staat 42 (2003), 493 ff. 242 Schuppert/Schuppert, Gewährleistungsstaat, S.  11, 20. 243 Vgl. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 187; Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 160; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  465 f., 501 f.; siehe zum Energiewirtschaftsrecht auch Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  15. 244  Neumann, KommJur 2012, 161, 163. 245 Trute/Spoerr/Bosch/Trute, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, §  1 Rn.  24; hierzu gehört insbesondere die Grundversorgung gem. den §§  78 ff. TKG, vgl. Neumann, KommJur 2012, 161, 163. 246  Ludwigs, NVwZ 2008, 954, 958; Gersdorf, N&R Beilage Heft 2/2008, 1, 10. Hierin liegt keine Abweichung von der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes (so aber Neumann, KommJur 2012, 161, 165), da Deutschland mittelbar über Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV auf eine wettbewerblich organisierte soziale Marktwirtschaft verpflichtet ist; siehe oben Teil 2 D sowie BVerfG v. 18.1.2001 – 1 BvR 1700/00, NJW 2001, 2960, 2961. 247  Müller-Terpitz, NWVBl 1999, 292 ff.; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  108 f.; a. A. Cornils, AöR 131 (2006), 378.

F. Gewährleistungsverantwortung für netzbasierte Güter/Leistungen

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werbsmärkte mit ein; denn es ist denklogisch nicht möglich, den Gewährleistungsauftrag des Art.  87f Abs.  1 GG und die Verpflichtung auf das Wettbewerbsprinzip in Art.  87f Abs.  2 GG zu trennen.248 Sofern Maßnahmen der Daseinsvorsorge zulässig sind, begründet Art.  87f Abs.  1 GG somit nicht nur eine ausschließliche Aufgabenzuweisung an den Bund (vgl. auch Art.  87f Abs.  2 Satz 2 GG249), sondern beschränkt auch die Möglichkeit staatlicher Interventionen in den Wettbewerbsprozess unter Aspekten der Daseinsvorsorge, da die ausreichende Versorgung der Bürger zuvörderst über den vom Staat freizusetzenden und aktiv zu gestaltenden Wettbewerb zwischen privaten Unternehmen erreicht werden soll.250 In diesem Sinne ist die Herstellung und Sicherung funktionstüchtiger Wettbewerbsstrukturen der fundamentalste Schritt des neuen Gewährleistungsmodells. Die sonstigen Maßnahmen der staatlichen Sicherstellung einer ausreichenden Grundversorgung (z. B. in Gestalt von Universaldienstpflichten) treten subsidiär hinzu, sofern sie nicht über den Markt erbracht werden können (vgl. §  80 Satz 1 TKG: „durch den Markt“).251 Dabei obliegt es dem parlamentarischen Gesetzgeber, im Rahmen der unionsrechtlichen Vorgaben (insbesondere des Art.  106 Abs.  2 AEUV) die jeweiligen Aufgaben der Daseinsvorsorge zu definieren.252 In Zusammenhang mit den Möglichkeiten und Grenzen einer Grundversorgung über den Markt wird derzeit etwa über die Aufgaben des Staates im Rahmen der Sicherstellung einer ausreichenden Anzahl von Münz- und Kartentelefonen diskutiert. So wird bemängelt, dass die Kommunen seit der Liberalisierung der Sprachtelefonie zum 1.1.1998 über das Instrument der straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnis und über die Erhebung entsprechender Gebühren erheblichen – und nach dem Vorstehenden unzulässigen – Einfluss auf die Wettbewerbsverhältnisse auf dem Markt für das Angebot von öffentlichen Münzund Kartentelefonen genommen hätten.253 Aufgaben der Daseinsvorsorge werden auch im Rahmen des politisch gewünschten Ausbaus von Breitbandkabelnetzen wahrgenommen, sofern sich dieser im ländlichen Raum derzeit (noch) nicht rechnet, weshalb der Staat durch wirtschaftliche Förderungsmaßnahmen (Beihilfen) in den freien Wettbewerbsprozess eingreift.254 Diese – rechtspoli248 Maunz/Dürig/Möstl,

Art.  87f GG Rn.  84. Neumann, KommJur 2012, 163, 165 f. 250  Di Fabio, ZWeR 2007, 266, 273; Neumann, KommJur 2012, 161, 163 f. 251 Maunz/Dürig/Möstl, Art.  87f GG Rn.  84. 252  Dies wird derzeit kontrovers im Hinblick auf die ehrgeizigen Ziele zum Ausbau der Breitbandnetze diskutiert (dazu Fetzer, MMR 2011, 707 ff.). Im Energiewirtschaftsrecht findet eine vergleichbare Diskussion im Hinblick auf die Energiewende statt. Dies sind freilich primär rechtspolitische Fragen, die hier nicht weiter thematisiert werden sollen. 253  Siehe dazu Neumann, KommJur 2012, 161, 163 ff. 254  Zu den entsprechenden beihilfenrechtlichen Fragestellungen siehe die Leitlinien der Gemeinschaft für die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen im Zusammenhang mit dem schnellen Breitbandausbau v. 30.9.2009, ABl.EU Nr. 2009 C 235/7; dazu Holznagel/Deckers/Schramm, NVwZ 2010, 1059 ff. 249 Dazu

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

tisch kontrovers diskutierten – Fragestellungen sind in unserer Untersuchung nicht zu vertiefen. Nach Art.  87e Abs.  4 GG – der zentralen Vorschrift der sog. Bahnreform (zur Privatisierung vgl. Art.  87 Abs.  3 Satz 1 GG) 255 – gewährleistet der Bund für den Eisenbahnsektor, dass „dem Wohl der Allgemeinheit, insbesondere den Verkehrsbedürfnissen, beim Ausbau und Erhalt des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes sowie bei deren Verkehrsangeboten auf diesem Schienennetz, soweit diese nicht den Schienenpersonennahverkehr betreffen, Rechnung getragen wird“. Das Nähere soll durch Bundesgesetz geregelt werden, wozu insbesondere das AEG zählt. Dieser Vorschrift lässt sich bei teleologischer Auslegung ebenfalls eine Grundentscheidung zu Gunsten einer prinzipiell wettbewerblichen Marktöffnung entnehmen.256 So war der Rückzug öffentlicher Unternehmen aus dem Eisenbahnwesen kein isolierter Vorgang, sondern eingebunden in den bereits beschriebenen generellen Prozess der Überführung der von staatlicher und monopolistischer Leistungserbringung geprägten Bereiche der Daseinsvorsorge in das neue Ordnungsmodell eines unter staatlicher Regulierung und Gewährleistungsverantwortung stehenden Wettbewerbs.257 Art.  87e GG fußt somit ebenso wie Art.  87f GG auf der Grundentscheidung für einen privatwirtschaftlichen Wettbewerb unter staatlicher Gewährleistungsverantwortung, auch wenn das Prinzip wettbewerblicher Märkte im Wortlaut des Art.  87f GG deutlicher als in Art.  87e GG verankert ist.258 Eine Leistungserbringung unmittelbar durch den Staat ist somit auch im Eisenbahnsektor subsidiär.259 Schließlich trifft den Staat für die zureichende Versorgung der Bürger mit Energie eine – ungeschriebene – Gewährleistungsverpflichtung.260 Eine explizite Klarstellung im Grundgesetz wurde im Energiesektor für nicht erforderlich gehalten, da der Staat die Leistungen schon vor der Liberalisierung nicht allein durch ein Staatsunternehmen erbracht, sondern durch Regulierung öffentlicher und privater Anbieter gewährleistet hatte, 261 auch wenn die Regulierung damals 255 Maunz/Dürig/Möstl,

Art.  87e GG Rn.  1. Art.  87e GG Rn.  66; siehe auch BVerwG v. 17.5.2006 – 6 C 22/04, NVwZ-RR 2006, 689 Rn.  4 4; den Fortbestand des Daseinsvorsorgeauftrags betont demgegenüber Ronellenfitsch, DVBl. 2008, 201, 204 ff. 257  So Maunz/Dürig/Möstl, Art.  87e GG Rn.  68; Berringer, Regulierung als Erscheinungsform der Wirtschaftsaufsicht, 2004, S.  51 ff., 63 ff. 258 Maunz/Dürig/Möstl, Art.  87e GG Rn.  68; di Fabio, ZWeR 2007, 266, 273. 259 Mit anderem Akzent Maunz/Dürig/Möstl, Art.   87e GG Rn.  96 ff., wonach der Gewährleistungsauftrag auch durch „privatwirtschaftlichkeitseinschränkende Mittel“ verwirklicht werden dürfe, solange das Prinzip der Privatwirtschaftlichkeit nicht insgesamt in Frage gestellt werde. 260  Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 683; Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 375; Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 320; Masing, Die Verwaltung 36 (2003), 1, 7; Berndt, Anreizregulierung, S.  38 mit Fn.  66. 261  Höppner, Netzstruktur, S.  38. 256 Maunz/Dürig/Möstl,

F. Gewährleistungsverantwortung für netzbasierte Güter/Leistungen

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einem grundlegend anderen Regulierungskonzept gefolgt ist („Monopolisierung“ an Stelle von „Wettbewerbsorientierung“). Darüber hinaus folgt die Schutzpflicht des Staates für die privatisierten und deregulierten Sektoren – auch für den Energiesektor – aus den entsprechenden Vorgaben des Unionsrechts; darauf ist zurückzukommen. Mit dem privatisierungsbedingt geänderten Rollenverständnis des Staates war zu entscheiden, auf welchem Wege der Staat private Unternehmen für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben interessieren und zugleich seine fortbestehende Gewährleistungsverantwortung wahrnehmen kann.262 So begründen große Teile der Infrastrukturnetze sog. natürliche Monopole (EnWG, AEG) bzw. dauerhaft marktmächtige Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten (TKG). Auch nach einer rechtlichen Privatisierung und Liberalisierung der betroffenen Sektoren wäre es den Netzbetreibern deshalb möglich, sich im Wettbewerb aufgrund ihrer wirtschaftlichen Machtstellung nicht leistungsgerechte Vorteile zu verschaffen; 263 denn ein wirtschaftliches Eintreten auf den den Netzen vor- und nachgelagerten Märkten setzt einen Zugang zu den Energie-, Telekommunikations- und Schienennetzen als „wesentliche Einrichtungen“ zu angemessenen Bedingungen voraus.264 Aus diesem Grunde ist der Staat bestrebt, die negativen Folgen der wirtschaftlichen Machtpositionen der Netzbetreiber und der mit ihnen verbundenen vertikal integrierten Unternehmen durch eine sektorspezifische Regulierung als „Instrument der präventiven Freiheitssicherung“265 mittels Statuierung wettbewerbsanaloger Verhaltenspflichten und Strukturmaßnahmen zu kompensieren.266 Das Regulierungsrecht wird damit auch als „Privatisierungsfolgenrecht“ bezeichnet, um zu verdeutlichen, dass die Gewährleistungsverantwortung des Staates ihre Ursachen in der Entscheidung für eine Leistungserbringung durch öffentliche oder private Unternehmen und nicht allein durch die öffentliche Hand hat, vorliegend also die Belieferung der Verbraucher mit Energie sowie die Erbringung von TK- und eisenbahnbasierten Dienstleistungen.267

262 

263 

Säcker, RdE 2003, 300, 305. Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 707; Schuppert/Neidhardt/Trute, Gemeinwohl,

S.  329. 264  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 185 und öfter; ders., in: FS Kühne, 2009, S.  297; Schumacher, Vertikale Integration im Erdgasmarkt, S.  89. 265  Paschke, Medienrecht, Rn.  463. 266  Säcker/Mohr, N&R Beilage Heft 2/2012, 1; Rasbach, Unbundling-Regulierung, S.  36. 267  Stober, Besonderes Wirtschaftsverwaltungsrecht, S.   187; Kämmerer, Privatisierung, 2001, S.  423 ff.; krit. zur Begrifflichkeit Höppner, Netzstruktur, S.  38, da die Energieversorgung schon früher durch öffentliche und private Unternehmen durchgeführt worden sei.

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

II. Regulierungsverantwortung für die Netzebene Die Konzepte der Daseinsvorsorge und der Gewährleistungsverantwortung beziehen sich nach ihrer Historie eigentlich auf eine hinreichende Bereitstellung der Endleistungen eines Wirtschaftssektors. Mittlerweile hat sich in den Netzwirtschaften jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass es weder aus ökonomischer noch aus juristischer Sicht geboten ist, die gesamten Wirtschaftssektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen besonders zu regulieren, da es für ihr kompetitives Funktionieren – also unabhängig von politischen Megazielen wie der Energiewende oder dem Breitbandausbau – überwiegend auf die Öffnung der Netzebene für Wettbewerber zu angemessenen Bedingungen ankommt.268 Die Verlagerung der Betrachtung von den Endmärkten auf die Netzebene findet ein gewisses Pendant im staatstheoretischen Konzept der Regulierungsverantwortung.269 Dieses Konzept entwickelt das Modell der Gewährleistungsverantwortung im Bereich der netzgebundenen Industrien fort, indem es diese vornehmlich als Verantwortung für eine zureichende Infrastruktur-Grundausstattung versteht.270 Diese Verantwortung kann dabei weiter als diejenige für die dem Wettbewerb geöffneten vor- und nachgelagerten Ebenen reichen, da diese Märkte grundsätzlich funktionsfähig sind, weshalb dort eine Ex-post-Missbrauchskontrolle ausreicht.271 Für alle Sektoren – also nicht nur für die Netzebene – gilt, dass der Gesetzgeber mit der Leistungserbringung auch sonstige, über die Förderung eines chancengleichen Wettbewerbs hinausgehende Gemeinwohlziele verfolgen kann, wofür es unter Umständen ergänzender gemeinwohlinduzierter Regulierungsinstrumente bedarf, sofern die Leistungen nicht über den Markt erbracht werden können.272 Zu diesen Instrumenten gehören die Netzsicherheitsregulierung, die Umwelt- und Klimaschutzregulierung (prominent: das EEG), die Vergabe knapper Güter wie Rufnummern 273 sowie die Grundversorgungs- bzw. (treffender) Universaldienstregulierung (vgl. §§   36 ff. EnWG, §§   78 ff. TKG, §§  15, 10 AEG).274 Diese sonstige Gemeinwohlregulierung steht nicht zwingend in einem Zielkonflikt zur Erbringung von Leistungen über wettbewerblich organisierte Märkte. Paradigmatisch ist die Universaldienstregulierung, bei der Leistungen auch über den Markt erbracht werden können. Auch im Recht 268 

Siehe zum Konzept der disaggregierten Regulierung Teil 7 C. III. 1. Cornils, AöR 131 (2006), 378 ff.; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  14; Säcker, AöR 130 (2005), 181, 186 ff.; Fehling/Ruffert/Lepsius, Regulierungsrecht, S.  143, 147; Fehling/Ruffert/Ruffert, a. a. O., S.  332, 349. 270  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  342. 271  Höppner, Netzstruktur, S.   40; ausführlich Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  342 ff. und 348. 272 Vgl. Höppner, Netzstruktur, S.  56. 273 Vgl. Berndt, Anreizregulierung, S.  62. 274 Vgl. Ruge, AöR 131 (2006), 1, 24; Fetzer, MMR 2011, 707; Höppner, Netzstruktur, S.  56. 269 Vgl.

F. Gewährleistungsverantwortung für netzbasierte Güter/Leistungen

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der erneuerbaren Energien setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass eine Förderung der Erzeugung von elektrischer Energie aus umweltschonenden Energiequellen im Einklang mit den Prinzipien wettbewerblicher Stromgroßhandelsmärkte möglich ist (Direktvermarktung von EE-Strom, perspektivisch: wettbewerbliche Ausschreibung von Förderberechtigungen und Förderhöhen 275). In diesem Sinne ist es überzeugender, von einer Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge durch wettbewerbliche Märkte zu sprechen.276

III. Rekommunalisierung Wie oben erläutert, werden Leistungen der örtlichen Daseinsvorsorge (des „service public“) in Deutschland aus historischen Gründen auch von den Kommunen wahrgenommen. Aufgrund der Privatisierung und Liberalisierung mussten sich seit den 1990er Jahren aber auch kommunale Unternehmen verstärkt dem Wettbewerbsdruck auf dem Markt stellen. In den letzten Jahren ist jedoch aus verschiedensten Gründen 277 ein der Privatisierung gegenläufiger „Megatrend hin zur Rekommunalisierung“278 zu beobachten, also eine Rückführung von Aufgaben und Vermögenswerten, die zuvor privatisiert worden sind, in Organisationsformen des öffentlichen Rechts bzw. in öffentliches Eigentum.279 Dieser Trend kann je nach betroffenem Wirtschaftssektor unterschiedliche Gründe haben. Im Zentrum der Diskussion stehen aktuell die Wasserwirtschaft und der Energiesektor, deren normativer Rahmen sich freilich grundlegend unterscheidet, da die Wasserwirtschaft einen der letzten wettbewerblichen Ausnahmebereiche bildet, wohingegen der Energiesektor nach erfolgter Marktöffnung einer effizienzbasierten Regulierung unterliegt. Da sowohl die Ursachen der Rekommunalisierung als auch ihre rechtlichen Schranken in der Diskussion nicht selten vermischt werden, wollen wir sie uns kurz vergegenwärtigen, auch wenn sie unsere Untersuchung nicht zentral betreffen. 1. Wasserversorgung Für die – im Folgenden nicht näher zu betrachtende – Wasserversorgung und für die Abwasserentsorgung kommt nach den §§  31 ff. GWB in der Fassung der 8. GWB-Novelle280 anders als für die dem Wettbewerb unterliegenden Sektoren 275  Zur Diskussion über das zutreffende Fördermodell siehe statt anderer Haucap/Klein/ Kühling, Die Marktintegration der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien, S.  13 ff., insb. S.  79 ff. 276  Siehe den Titel der Dissertation von Berschin aus dem Jahr 2000. 277  Oben benannt hatten wir bereits die „Energiewende“ mit der damit einhergehenden Präferenz für eine „dezentrale Energieversorgung“. 278  Bauer, DÖV 2012, 329 und 330. 279  Menges/Müller-Kirchenbauer, ZfE 2012, 51, 53. 280  Achtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26.

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Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen das Kartellverbot nach wie vor nicht zur Anwendung.281 Darüber hinaus sind die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung auch nicht sektorspezifisch reguliert, 282 weshalb keine Unbundling-Vorschriften vergleichbar den §§  6 ff. EnWG gelten.283 Aus diesem Grunde kann durch den Abschluss von Wegenutzungsverträgen („Konzessionsverträgen“) nicht nur der lokale Netzbetreiber, sondern auch das für die Wasserversorgung zuständige Unternehmen bestimmt werden.284 Im Gegenzug für die Herausnahme der Wasserwirtschaft aus dem Kartellverbot sieht der Gesetzgeber in §  31 Abs.  3 und 4 GWB285 eine verschärfte Missbrauchsaufsicht vor, die neben den Verbotstatbestand des §  19 GWB tritt (§  31b Abs.  5 und 6 GWB).286 Einige Kommunen versuchen derzeit drohenden kartellbehördlichen Preismissbrauchsverfügungen durch eine „Flucht in den Eigenbetrieb“ und damit in das öffentlich-rechtliche Gebührenrecht zu entkommen.287 Wird die Gegen­ leistung für die Wasserversorgung und die Abwasserentsorgung durch öffentlich-rechtliche Gebühren festgelegt, sind diese nach der herrschenden rechts­ form­orientierten Sichtweise nur von der Kommunalaufsicht und nicht (zusätzlich) von den Kartellbehörden zu überprüfen.288 Zwar müssten sowohl für eine kartellbehördliche als auch für eine kommunalaufsichtsrechtliche Preiskontrolle eigentlich dieselben Maßstäbe gelten, namentlich der Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs. Die Kontrolldichte der Kommunalaufsicht ist nach historischer Erfahrung jedoch geringer als diejenige der Kartellbehörden, geschweige denn der Regulierungsbehörden. Entscheidet sich die Kommune demgegenüber für eine Versorgung der Verbraucher mit Wasser auf der Grundlage privatrechtlicher Vertragsverhältnisse, können die Entgelte durch die Kartellbe-

Juni 2013, BGBl. I v. 29.6.2013, S.  1738 ff.; siehe auch die Bekanntmachung der Neufassung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 26.6.2013, BGBl. I v. 29.6.2013, BGBl. 2013, S.  1750 ff. Vgl. §  131 Abs.  6 GWB 2005 i. V. mit §§  103, 103a und 105 GWB 1990. 281  Markert, N&R 2009, 118, 119 m. w. N.; krit. de lege ferenda Säcker, WuW 2012, 343. 282  So die Forderung der Monopolkommission, Hauptgutachten 19, S.  53. 283 Dazu Säcker/Mohr, N&R Beilage Heft 2/2012, 1 ff. 284 Kermel/Kermel, Konzessionsverträge, S.  19. 285  §  103 Abs.  5 und 7 GWB 1990. 286  Markert, N&R 2009, 118, 119. 287  Säcker, NJW 2012, 1105, 1110. 288 BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, NZKart 2013, 34 – Wasserpreise Calw; BGH v. 18.10.2011 – KVR 9/11, NJW 2012, 1150 Rn.  10 – Niederbarnimer Wasserverband; BGH v. 2.2.2010 – KVR 66/08, NJW 2010, 2573 – Wasserpreise Wetzlar; OLG Frankfurt a. M. v. 20.9.2011 – 11 W 24/11 (Kart), WuW/E DE-R 3525; Daiber, WuW 1996, 361, 362 f.; Markert, N&R 2009, 118, 119; Breuer, NVwZ 2009, 1249, 1250. Hierfür spricht insbesondere die Vermeidung einer Doppelkontrolle durch mehrere Behörden, wie sie auch den §§  130 Abs.  3 GWB, 111 EnWG zugrunde liegt. Eine vergleichbare Problematik liegt der Kontrolle der Netz­entgelte nach §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG i. V. mit §  32 EnWG (analog) und §  315 BGB zugrunde.

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hörden und die Zivilgerichte kontrolliert werden (Art.  102 AEUV, §§  19, 20, 31 ff. GWB, §§  134, 138, 315 BGB).289 Der BGH brauchte zur Zulässigkeit einer Rekommunalisierung in seiner Entscheidung „Niederbarnimer Wasserverband“ vom 18.10.2011 keine abschließende Stellung nehmen.290 Seinen Ausführungen ist aber eine gewisse Sympathie für eine Kontrolle von Wassergebühren anhand des Wettbewerbsrechts zu entnehmen, „wenn die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung wie im Fall der Wasserversorgung weitgehend austauschbar sind“.291 Bei teleologischer Betrachtung ist für eine Anwendung des Wettbewerbsrechts die funktionale Einordnung der Tätigkeit relevant; 292 nur ein originär hoheitliches Verhalten sollte aus dem Anwendungsbereich des Wettbewerbsrechts ausgenommen werden, so wie es auch auf EU-Ebene erfolgt.293 Eine rechtlich wirksame Rekommunalisierung verlangte hiernach jedenfalls die tatsächliche Übernahme der unternehmerischen Funktionen des Anlagenbetreibers durch die Gemeinde. 294 Im Zuge der 8. GWB-Novelle hat der Gesetzgeber jedoch dafür votiert, Gebühren keiner Kontrolle anhand des (deutschen) Wettbewerbsrechts zu unterziehen (§  130 Abs.  1 Satz 2 GWB). Diese Entscheidung ist für die Praxis vorbehaltlich ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit bindend. 2. Energieversorgung Im Bereich der Energieversorgung beruht der Trend zur Rekommunalisierung weniger auf einer – hier normativ ausgeschlossenen – „Flucht ins Gebührenrecht“, als vielmehr auf anderweitigen Ursachen wie Veränderungen im „politsozialen Großklima“ zum Beispiel durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise, die das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Märkten er­ schüttert hat, 295 einem politisch erkannten Bedarf an einer öffentlichen Leistungserbringung in örtlicher Daseinsvorsorge unter Gesichtspunkten der ­Umwelt- und Klimapolitik 296 oder auf vereinzelten „Misserfolgen“ bei der Pri289  Siehe zur Fusionskontrolle BGH v. 8.11.2011 – KVZ 14/11, NZS 2012, 464 – Zulässigkeit von Krankenhausfusionen; Monopolkommission, Hauptgutachten 19, Rn.  413; Daiber, in: FS Becker, 2006, S.  457, 465; zur parallelen Anwendbarkeit von Kartell- und Privatrecht siehe Säcker, ZWeR 2008, 348 ff.; Mohr, WuW 2011, 112 ff. 290  BGH v. 18.10.2011 – KVR 9/11, NJW 2012, 1150 ff. – Niederbarnimer Wasserverband; a. A. OLG Düsseldorf v. 8.12.2010 – VI 2 Kart 1/10 (V), WuW/E DE-R 3170; siehe auch OLG Frankfurt a. M. v. 20.9.2011 – 11 W 24/11 (Kart), WuW/E DE-R 2325. 291  BGH v. 18.10.2011 – KVR 9/11, NJW 2012, 1150 Rn.  11 – Niederbarnimer Wasserverband. 292 Siehe Wolf, BB 2011, 648 ff. 293  Ebenso Monopolkommission, Hauptgutachten 19, Rn.  414. 294 So Säcker, NJW 2012, 1105, 1109 f. 295  Bauer, DÖV 2012, 329, 335. 296  Sofern in der Diskussion um die Rekommunalisierung der Energieversorgungsnetze

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

vatisierung bzw. Fällen „privatwirtschaftlicher Schlechterfüllung“ in „AfterPrivatization-Szenarien“.297 Eine gewisse Bedeutung für eine Entscheidung zur Rekommunalisierung dürfte für die Kommunen darüber hinaus die Möglichkeit zur Erzielung regulatorisch gesicherter Gewinne haben, 298 wobei in der öffentlichen Diskussion zuweilen nicht ausreichend beachtet wird, dass damit zunächst der Kaufpreis der Netze refinanziert werden muss (die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ im Sinne des §  46 Abs.  2 Satz 2 EnWG). Eine „Rückholung von Staatlichkeit“299 durch Rückführung der Aufgaben auf vermeintlich nicht dem Wettbewerbsrecht unterliegende Eigenbetriebe scheitert im Energiesektor anders als im nicht dem Wettbewerb geöffneten Wassersektor bereits an den Vorgaben des Unionsrechts. Zwar gibt es für den Energiesektor im Grundgesetz keine ausdrückliche Wertentscheidung für die Erbringung der Leistungen über wettbewerbliche Märkte,300 da eine solche hier aufgrund der historischen Gegebenheiten – der Staat hat die Energieversorgung schon vor der Liberalisierung nicht selbst durch ein Staatsunternehmen erbracht, sondern durch Regulierung öffentlicher und privater Anbieter gewährleistet – für entbehrlich angesehen wurde.301 Die Einbindung der Energieversorgung in ein wettbewerbliches System wird jedoch durch das Unionsrecht garantiert.302 Vor diesem Hintergrund ist es zwar – wie §  46 Abs.  4 EnWG in Zusammenhang mit dem Abschluss von Wegenutzungsverträgen zur Verlegung von Energieleitungen klarstellt – zulässig, dass die Kommunen die Energieversorgungsnetze durch Eigengesellschaften und durch Eigenbetriebe betreiben. Sie sind hierbei jedoch an die Vorgaben des Energiewirtschaftsrechts, allen voran an die Zugangs- und Entgeltregulierung gebunden. Lediglich die Entflechtungsregelungen sehen Ausnahmen für Unternehmen mit weniger als 100.000 Anschlüssen vor, die in der Praxis vornehmlich kommunalen Netzbetreibern zugutekommen (vgl. §  7a Abs.  7 EnWG). Vor diesem Hintergrund können im die Ansicht vertreten wird, hierdurch könne man „Beiträge zu einer sichtbaren umwelt- bzw. klimafreundlichen Umgestaltung der Energiewirtschaft“ leisten (Menges/Müller-Kirchenbauer, ZfE 2012, 51, 52), ist dies für Unternehmen, die den Unbundling-Vorgaben der §§  6 ff. EnWG unterliegen, unzutreffend. Die Netze sind hiernach neutral im Hinblick auf Energieerzeugung und Vertrieb. 297  Bauer, DÖV 2012, 329 ff. 298  BNetzA, Entscheidung. v. 31.10.2011 – BK4-11-304 – Festlegung von Eigenkapitalzinssätzen für die zweite Regulierungsperiode; BNetzA, Entscheidung v. 7.7.2008 – BK4-08-68 – Festlegung von Eigenkapitalzinssätzen für die erste Regulierungsperiode. Die Festsetzung der Eigenkapitalzinsen beruht auf §  21 Abs.  2 EnWG, §  7 Abs.  6 Satz 1 StromNEV/GasNEV, §§  4, 6 ARegV. 299  Säcker, NJW 2012, 1105, 1106. 300  Dies konzediert indirekt auch Bauer (DÖV 2012, 329, 336), wenn er ausführt, der „normative Befund“ stimuliere „für die Rechtsdogmatik [. . .] zwar keinen Perspektivwechsel, aber eine deutliche Perspektivenerweiterung“. 301  Höppner, Netzstruktur, S.  38. 302  Siehe zum Konflikt zwischen Gemeinde- und übergeordneten Interessen bereits Salje, NVwZ 1998, 916.

F. Gewährleistungsverantwortung für netzbasierte Güter/Leistungen

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Bereich der Energiewirtschaft Privatisierung und Rekommunalisierung zwar als „wechselseitig ergänzende Gestaltungsoptionen“ aufgefasst werden.303 Durch eine Rekommunalisierung ist es jedoch – anders als de lege lata in der Wasserwirtschaft – nicht möglich, dem Wettbewerbsgrundsatz teilweise zu entkommen. 3. Reichweite der Garantie kommunaler Selbstverwaltung Eine Herausnahme der Energiewirtschaft aus dem Wettbewerbsrecht kann auch nicht über die kommunale Selbstverwaltungsgarantie des Art.  28 Abs.  2 GG begründet werden.304 Zwar gehören die Energieversorgung, die Telekommunikation und die Eisenbahnen ebenso wie etwa die Wasserversorgung zu den Aufgaben der Daseinsvorsorge, die grundsätzlich der gemeindlichen Selbstverwaltung unterliegen können (anders die Telekommunikation).305 Art.  28 Abs.  2 GG regelt jedoch gar nicht das Verhältnis zwischen staatlicher und privater Aufgabenerfüllung, sondern grenzt vor allem die Kompetenzen zwischen Bund und Gemeinden ab.306 Es bedarf hiernach zwar einer sachlichen Rechtfertigung, wenn den Kommunen Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft durch Bundesgesetz entzogen werden, wie dies etwa durch das EnWG des Jahres 1998 der Fall war.307 Andererseits kann die kommunale Selbstverwaltungsgarantie allein keine Eingriffe in die Rechtsstellung Privater begründen.308 In den Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen haben die Gemeinden schließlich nur eine Gewährleistungs- und gerade keine Erfüllungsverantwortung.309 Ersterer kommen sie aber bereits durch den diskriminierungsfreien und transparenten Abschluss von Wegenutzungsverträgen („Konzessionsverträgen“) mit geeigneten Bewerbern nach, wodurch sie indirekt den Netzbetreiber determinieren.310 Da die Gemeinden ihre Aufgaben also auch durch Einschaltung privater Dritter erbringen können, kann aus Art.  28 Abs.  2 GG kein Recht zur Begrenzung der Rechtspositionen Dritter durch eine Rekommunalisierung 303 

So aber Collin, JZ 2011, 274 ff. So schon Säcker/Mohr, ZWeR 2012, 417, 421; siehe auch BerlKommEnR/Pielow, Bd. 1 Einl. Rn.  343; anders Bauer, DÖV 2012, 329, 336. 305  BVerwG v. 20.1.2005 – 3 C 31/03, NVwZ 2005, 958; BVerwG v. 27.5.2009 – 8 C 10/08, NVwZ 2009, 1305; BGH v. 28.6.2005 – KVR 27/04, WuW/E DE-R 1520, 1522 – Arealnetz; RhPfVerfGH v. 28.3.2000 – VGH N 12/98, NVwZ 2000, 801, 803; siehe auch Säcker/Busche, VerwArch 83 (1992), 125 ff.; Schmahl, WiVerw 2011, 96 ff. 306  Lecheler, NVwZ 1995, 8, 10; Säcker/Mohr, ZWeR 2012, 417, 434. 307 Landmann/Rohmer/Hünnekens, Umweltrecht, §  50 WHG Rn.  11; Fischer/Zwetkow, NVwZ 2003, 281, 282. 308  Wie hier LG Kiel v. 3.2.2012 – 14 O Kart. 83/10, EWeRK 2012, 106, 108; dazu Sauer, EWeRK 2012, 109, 110. 309  Heintzen, NVwZ 2000, 743, 746; Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, S.  144. 310  Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  27. 304 

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Teil 2:  Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands und der Europäischen Union

– zumal ohne vorheriges wettbewerbliches Auswahlverfahren – abgeleitet werden.311

G. Zwischenergebnis – Sicherung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs Das Unionsrecht und mit ihm die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gründen auf der Wirtschaftsverfassung der sozialen Marktwirtschaft (Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV). Trotz der politischen Stärkung der sozialen Ziele durch den Vertrag von Lissabon ist das Unionsrecht im wirtschaftlichen Bereich durch die Leitidee einer Schaffung und Sicherung des Binnenmarktes durch die Grundfreiheiten und die Wettbewerbsvorschriften geprägt, wobei Letztere ein System unverfälschten Wettbewerbs verbürgen. Privatautonomie, Vertragsfreiheit und wettbewerbliche Märkte werden sowohl vom Unionsprimärrecht als auch vom Grundgesetz gewährleistet. Dabei folgen beide Rechtsordnungen einem materialen Freiheitskonzept, wenn auch auf konzeptionell unterschiedlichen Begründungswegen. Während die Materialisierung der Freiheit im deutschen Recht lange Zeit auf das Sozialstaatsprinzip gestützt und dadurch mit überindividuellen Gerechtigkeitserwägungen „aufgeladen“ worden ist, steht im Unionsrecht im wirtschaftlichen Bereich der Schutz vor wirtschaftlicher Macht im Vordergrund. Dies korrespondiert, wie wir im Folgenden sehen werden, mit der Konzeption des deutschen Vertragsrechts.

311 

Sauer, EWeRK 2012, 109, 111.

Teil 3

Vertragstheorien Unsere Untersuchung behandelt die wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Grundlagen und Grenzen von Privatautonomie und Vertragsfreiheit am Beispiel der (Preis-)Kontrolle wettbewerbsbeschränkender (Folge-)Verträge. Hierzu wollen wir uns im Folgenden die theoretischen Grundlagen der Vertragsrechtsordnung vor Augen führen, um auf dieser Basis untersuchen zu können, auf welche Weise sich das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht in das System des Vertragsrechts einpassen und dieses von den Problemen einer adäquaten Erfassung und Bändigung „restriktiver wirtschaftlicher Machtpositionen“1 entlasten. Wie einleitend gesehen, muss eine Analyse der Geltungsgründe vertraglicher Bindungen zwischen den Begriffen der „Vertragsfreiheit“, der „Vertragsgerechtigkeit“ und der „weltanschaulich-politischen Grundhaltung“ differenzieren.2 „Vertragsfreiheit“ und „Vertragsgerechtigkeit“ stehen für unterschiedliche „Wert­ideen“ des Rechts, weshalb der eine Begriff nicht zur Erklärung des anderen verwandt werden kann,3 auch wenn zwischen ihnen enge Verbindungen bestehen.4 So ist die staatliche Normsetzung auch ein Resultat der jeweils herrschenden Gesellschaftstheorie, indem sie die Realität anhand sog. „Sozialmodelle“5 organisiert, in denen sich die Prägekräfte ihrer Zeit widerspiegeln.6 Schließlich sind für die Bestimmung der inneren Grenzen der Vertragsfreiheit auch die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften hilfreich, da diese eine vertiefte Reflexion der Wirkungsweisen rechtlicher Regelungen ermöglichen und unter Beachtung des Primats des Rechts Anregungen für normative Korrekturen geben.7 Aufgrund der fortschreitenden europäischen Rechtsvereinheitlichung im Bereich des Verbraucherschutzrechts ist auch ein Seitenblick auf die aktuelle Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene angezeigt, 8 ohne dass wir das schon vielfach diskutierte „Jahrhundertvorhaben“ eines einheitlichen europäischen 1 

Hoppmann, Marktmacht und Wettbewerb, S.  11. Siehe Teil 1 A. II. 3  Busche, Kontrahierungszwang, S.  82. 4  Diese Verknüpfungen behandeln wir in Teil 3 D. IV. 5  Benannt auch als „Ordnungsmodelle“ oder „Rechtsparadigmen“. 6  So Möslein/Renner, Private Macht, unter I. 7  Bachmann, Private Ordnung, S.  181. 8 Vgl. Oetker, AcP 212 (2012), 203, 210. 2 

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Teil 3:  Vertragstheorien

Privatrechts nur annähernd erschöpfend behandeln könnten.9 Auf die Detailfragen der – seit jeher kontrovers diskutierten – inneren Grenzen von Privatautonomie und Vertragsfreiheit kommt es im Folgenden ebenfalls nicht an.10 Vielmehr war die Materialisierung des Vertragsrechts in den letzten Jahrzehnten Gegenstand mehrerer Habilitationsschriften, auf die hier verwiesen werden kann.11 Ebenfalls nicht im Detail relevant sind die aus heutiger Sicht offenkundigen Regelungsdefizite des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900, wie die ungenügende Berücksichtigung von Verkehrs- oder Vertrauensschutzgesichtspunkten und die dadurch begründete Notwendigkeit einer „Materialisierung der individuellen Willensherrschaft“.12 Wir wollen vielmehr Grundtendenzen in der Entwicklung der Privatrechtstheorie aufzeigen, um diesen die entsprechenden Entwicklungen im Wettbewerbsrecht und im Regulierungsrecht vergleichend gegenüberzustellen; denn die funktionale Verknüpfung dieser Rechts­ gebiete wird zunehmend in Frage gestellt.13 Wenn das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht – so die zentrale These der Untersuchung – die Funktionsvoraussetzungen für einen „fairen“, sprich material-chancengleichen privatautonomen Interessenausgleich von Marktbürgern14 sichern, liegt es nahe, dass diesen Rechtsgebieten dasselbe Verständnis von Freiheit, Markt und Wettbewerb zugrunde liegt wie dem Vertragsrecht.

A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft Zunächst wollen wir uns einen Überblick über die wechselseitigen Verknüpfungen der Vertragsrechtsordnung mit der rechtlichen Regelung der Wettbewerbswirtschaft verschaffen.

9 Als Aufgabe von Generationen bezeichnet von Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, S.  33; ebenso Staudinger/Eckpfeiler/Honsell, Einl. zum BGB Rn.  48. Einen Überblick über die Europäisierung des Privatrechts nebst Nachweisen zum kaum noch zu überblickenden Schrifttum gibt MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  213 ff. 10  Nachweise bei MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  5 ff. 11 Beispielhaft Busche, Kontrahierungszwang; Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht; Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit; Meller-Hannich, Verbraucherschutz, jeweils m.w. N. 12  Martens, AcP 177 (1977), 113, 114; MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  23 ff. 13  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 188, der das Wettbewerbsrecht zwar grundsätzlich auf den Schutz freier Marktprozesse ausrichten will (und damit auch auf den Schutz individueller Freiheiten), das praktische Ziel des Wettbewerbsrechts jedoch (jedenfalls im Rahmen der Rechtsdurchsetzung) in der Herstellung von „Effizienz“ unter weitgehendem Ausschluss subjektiver Rechte sieht. Es wird dabei nicht recht deutlich, wie diese beiden eigentlich inkongruenten Ziele miteinander verbunden werden sollen. 14  Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT 2012, S. A 59.

A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft

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I. Koordinierung individueller Freiheiten über den Preismechanismus des Marktes Die staatliche Gewährleistung privater Freiheitsrechte in Form von Privatautonomie und Vertragsfreiheit ist untrennbar mit der Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung als wettbewerblich organisierte Marktwirtschaft verbunden (Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV).15 Im Gegensatz zu zentralverwaltungswirtschaftlichen16 oder korporatistischen Wirtschaftssystemen,17 in denen der Wettbewerbsprozess gleichsam „von oben“ gesteuert wird,18 entfaltet sich eine marktwirtschaftliche Wettbewerbsordnung grundsätzlich als evolutorischer Prozess „von unten herauf“.19 Ein wirtschaftlicher Wettbewerb20 entsteht regelmäßig dadurch, dass Rechtssubjekte im Wirtschaftsverkehr ihre privaten Handlungsfreiheiten gebrauchen und hierdurch wirtschaftliche Prozesse in Gang setzen (die „Wettbewerbsprozesse“).21 Als Instrumente zur Koordinierung der Freiheiten fungieren vor allem die Marktpreise; 22 demgegenüber werden die sonstigen Vertragskonditionen aus „rationaler Ignoranz“ oft vernachlässigt.23 Konsumenten vergleichen bei einer Nachfrageentscheidung vor allem die Summe, die sie für ein Gut ausgeben möchten, mit dem Preis desselben.24 Ist die zur Verfügung stehende Geldsum15  Dies wurde insbesondere von den Vertretern des Ordoliberalismus betont, vgl. Böhm, Die Justiz III (1928), 324, 331, wonach die Lehre von der Vertragsfreiheit eine auf freier Konkurrenz beruhende Wirtschafts- und Marktverfassung voraussetze; ebenso Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S.  128 ff.; ders., in: FS Böhm, 1965, S.  113; Mestmäcker, JZ 1964, 441; ders., AcP 168 (1968), 235; ders., A Legal Theory without Law, S.  32. Siehe auch – ohne Rückbindung an die Freiburger Schule – Raiser, JZ 1958, 1, 6; ders., in: FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT, Bd. 1, 1960, S.  101 ff.; Steindorff, in: FS Raiser, 1974, S.  621. Weitere Nachweise bei Säcker, Zielkonflikte, S.  11 ff.; Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 316. Auch die Vertreter eines „neuen Wirtschaftsrechts“ betonten den Zusammenhang zwischen Vertrag und wettbewerblichen Märkten, siehe Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 39. 16 Dazu Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 8 ff. 17  Keynes, Das Ende des Laissez-Faire, S.  17 ff.; dagegen Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 20 f. 18  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.   78 ff.; ders., Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  61 ff. 19  Hoppmann, ORDO 46 (1995), 41, 53; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  55; siehe zur Wirtschaftsordnung der EU nach dem Vertrag von Lissabon Mestmäcker, EuR 2010 Beiheft 1, 36, 43. 20  Siehe zum Begriff des wirtschaftlichen Wettbewerbs Rittner, in: FS Kraft, 1998, S.  519, 522; zur allgemeinen Bedeutung des Wortes „Wettbewerb“ vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl. Rn.  1.1. 21 So Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §   1 GWB Rn.   114; Mestmäcker/Schweitzer, §  2 Rn.  73; Stumpf, Aufgabe und Befugnis, S.  126. 22  Böhm, WuW 1956, 173, 177  f.; Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  110; Fornasier, Freier Markt, S.  31. 23  Dies ist aus ökonomischer Sicht ein wesentlicher Grund für die AGB-Inhaltskontrolle; vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 BGB Rn.  40; zur Neuen Institutionenökonomik vgl. Teil 4 D. II. 24  Vgl. noch Teil 4 C. II. 3., zur Wettbewerbstheorie Adam Smiths.

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Teil 3:  Vertragstheorien

me höher als der Preis, erwerben sie ein Gut, ansonsten unterbleibt die Transaktion, sofern keine Affektionsinteressen vorliegen.25 Der Marktpreis informiert somit die Nachfrager über die potenziell zu erwerbenden Güter. Zugleich informiert er die Produzenten, wie hoch die Stückkosten maximal sein dürfen, um ein Gut rentabel anbieten zu können.26 Bei (untechnisch gesprochen) wirksamem Wettbewerb gilt für die einzelnen Anbieter also nicht, dass höhere Produktionskosten zu einem höheren Marktpreis führen. Am Markt durchsetzbar ist bei wirksamem Wettbewerb nur der Wettbewerbspreis, bzw. im Rahmen einer im Wettbewerbs- und Regulierungsrecht gebräuchlichen hypothetischen Betrachtung der wettbewerbsanaloge Preis. Ist der Wettbewerb als Kontrollmechanismus nicht ausreichend funktionsfähig, muss die Rechtsordnung korrigierend eingreifen. Hierzu dienen das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht. Zugleich setzen funktionsfähige Wettbewerbsprozesse als Grundbedingung die Gewährung wirtschaftlicher Freiheiten voraus („Paradoxon der Freiheit“). Dies gilt es zu erläutern.

II. Sicherung der Wettbewerbsprozesse durch privatrechtliche Institute Der Markt kann seine Lenkungsaufgaben nur dann erfüllen, wenn er durch privatrechtliche Institute ermöglicht und gesichert wird.27 Neben der Gewährleistung der Berufs- und Gewerbefreiheit 28 sind vor allem die Privatautonomie und das Privateigentum unabdingbar, um Marktprozesse in Gang zu setzen und zu halten.29 Erst durch diese Gewährleistungen wird ein Raum geschaffen, innerhalb dessen sich Menschen „um die Wette bewerben“ können.30 In Deutschland begann der Gesetzgeber erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts mit der Überführung des Standesrechts der Kaufleute in ein staatliches Handelsrecht, die institutionellen Grundlagen für den wirtschaftlichen Aufstieg und einen möglichst großen allgemeinen Wohlstand zu legen. Henry Sumner 25 

Siehe dazu Mohr, Jura 2010, 808, 815. Als Informationsmedium gelten somit nicht die Bedürfnisse der Marktgegenseite, sondern der „am Markt angemeldete Bedarf“. Dieser bildet im Wettbewerbs- und Regulierungsrecht die Grundlage für die sachliche Marktabgrenzung anhand des sog. Bedarfsmarktkonzepts, wonach grundsätzlich alle Produkte zu einem Markt gehören, die sich gegenseitig bei der Preisbildung beeinflussen; vgl. Säcker, ZWeR 2004, 1 ff. 27  Böhm, WuW 1956, 173, 178; Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97 ff. 28 GroßKommUWG/Schünemann, Einl. B Rn.  1. Historisch gesehen hat die Vertragsfreiheit ihre maßgebliche Bedeutung mit Einführung der Gewerbefreiheit erlangt, vgl. Barnert, Formelle Vertragsethik, S.  8. 29  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 21; Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 9; Säcker, Gruppenautonomie, S.  208; Mestmäcker/Schweitzer, §  2 Rn.  73; Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  1 Rn.  47, zu Art.  151 WRV. Nach Canaris (in: FS Lerche, 1993, S.  873, 877 f.) sind weitere Charakteristika der Privatrechtsgesellschaft die privatrechtliche Verfasstheit der Familie und die privatrechtliche Ausgestaltung der Erbfolge. Diese Aspekte bleiben in unserer Untersuchung außer Betracht. 30  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 316. 26 

A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft 133

Main hat entsprechende Entwicklungen im angelsächsischen Rechtskreis auf die oft zitierte Formel „from status to contract“ gebracht.31 Hiernach vollzieht sich in fortschrittlichen Rechtssystemen ein Übergang von der zwingenden Ausgestaltung von Rechtsverhältnissen nach persönlichen Merkmalen (dem „Status“) zu ihrer weitgehend freien Vereinbarkeit im Rahmen der für alle Bürger geltenden Grenzen (durch „Kontrakte“).32 Aufgrund negativer praktischer Erfahrung reifte in Deutschland schrittweise die Erkenntnis, dass ein unreguliertes Mehr an Freiheit nicht gleichbedeutend sein muss mit einer Zunahme der Chancen auf einen Vertragsschluss in beiderseitiger Selbstbestimmung, wie er der Idee nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit zugrunde liegt („level playing field“33). Unter bestimmten Voraussetzungen kann es deshalb geboten sein, die Freiheit eines Marktteilnehmers zu Gunsten der Freiheit eines anderen Marktteilnehmers einzuschränken, um dadurch die Chance auf beiderseitige Selbstbestimmung zu gewähren und zugleich die Funktionsbedingungen des Marktmechanismus zu erhalten.34 Im deutschsprachigen Raum arbeiteten neben Friedrich August von Hayek35 vor allem Franz Böhm36 und Walter Eucken37 die spezifisch marktbezogenen Aufgaben des Privatrechts im Allgemeinen und des Vertragsrechts im Besonderen heraus. Hierzu betrachteten sie das Privatrecht nicht allein aus einer individualistischen Sichtweise, sondern auch in seinen institutionellen Wirkungen auf die ökonomische und soziale Wirklichkeit und damit in seiner „Ordnungsfunktion“.38 Die Arbeiten von Eucken und Böhm hatten historisch nicht nur erheblichen Einfluss auf die Etablierung einer freiheitlichen Wettbewerbsordnung in Deutschland und den Europäischen Gemeinschaften. Sie sind auch heute noch für das Verständnis des Verhältnisses zwischen Vertragsrecht und Wettbewerbsordnung unentbehrlich.39 Aus zivilistischer Sicht kommt Franz 31  Henry Sumner Main, Ancient Law, S.  141; siehe dazu Raiser, JZ 1958, 1, 2; Rehbinder, in: FS Hirsch, 1968, S.  141 ff.; Bruns, JZ 2007, 385 ff.; Remien, Zwingendes Vertragsrecht und Grundfreiheiten des EG-Vertrages, S.  6 ; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 661. 32  Nietsch, AcP 210 (2010), 722, 723. 33  Kurth, Perspektiven der Wirtschaftspolitik 2003, S.  341, 345. 34  So mit Blick auf den Schutz der Marktfunktionen Fornasier, Freier Markt, S.  15. 35  Von Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, 1952, S.  9 ff. 36  Siehe etwa Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  129 f.; ders., ORDO 10 (1958), 167, 173. 37  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  275 ff., insb. 278; ders., Grundlagen der Nationalökonomie, 1.  Aufl. 1940 (9. unveränderte Aufl. 1989), S.  52 ff., 240 ff.; Schmölders/ Eucken, Der Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese, 1942, S.  29, 43 f. 38  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  26 ff.; Böhm, ORDO 3 (1950), LI, wieder abgedruckt in: Mestmäcker (Hrsg.), Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S.  11 ff. Worin genau diese „Ordnungsfunktion“ liegt, in der Sicherung eines chancengleichen material-freien Vertragsschlusses oder in der Herstellung überindividuell-objektiver Gerechtigkeit, wird uns im Folgenden noch beschäftigen. 39  Ebenso Riesenhuber/ders., Selbstverantwortung, S.  1, 3 ff.

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Teil 3:  Vertragstheorien

Böhm das besondere Verdienst zu, den grundlegenden Zusammenhang zwischen Vertragsfreiheit, Wettbewerbsfreiheit und subjektiven Rechten herausgearbeitet zu haben.40 So stellte Böhm ins Zentrum seiner wirkungsmächtigen Konzeption der Privatrechtsgesellschaft41 den „vollentgeltlichen schuldrechtlichen Austauschvertrag“ sowie die von ihm bewirkte dezentrale Steuerung der Marktprozesse.42 Die grundlegende Bedeutung der privatrechtlichen Grundlagen des Wettbewerbs für den Wohlstand der Bürger zeigt sich heute noch deutlich im internationalen Handelsverkehr.43

III. Begrenzung privatrechtlicher Institute durch die Wettbewerbsordnung Allerdings setzen nicht nur Markt und Wettbewerb funktionsfähige privatrechtliche Institute voraus. Die privatrechtlichen Institute wie Vertrag und Eigentum müssen auch selbst durch die Wettbewerbsordnung begrenzt werden; denn die individuellen Freiheitsgewährungen dürfen nicht so weit gehen, dass sie sich langfristig selbst wieder zerstören (Freiheitsparadoxon). Systemkonforme Begrenzungen der individuellen Freiheiten können sowohl aus den Freiheitsrechten anderer Marktteilnehmer als auch aus dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an einer funktionierenden Wirtschaftsordnung als „Verstärkung des Individualschutzes“ abgeleitet werden (kompetitives Vertragsrecht).44 Eine schrankenlose Privatautonomie erlaubte es ansonsten, Wettbewerbsbeschränkungen durch privates Handeln zu legitimieren und gerichtlich durchzusetzen,45 wie dies in den ersten Jahrzehnten des Bürgerlichen Gesetzbuches in Deutschland zu beobachten war. Für das rechtlich-institutionelle Gefüge von Märkten sind neben dem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch Rechtsmaterien wie das Vertragsrecht, das Unternehmens- und das Gesellschaftsrecht relevant.46 Anders als die letztgenannten Materien zielt das Wettbewerbsrecht jedoch (auch) auf eine als wünschenswert anzusehende Verfassung von Märkten ab, weshalb es häufig – zutreffend, aber verkürzt – als Marktordnungsrecht bezeichnet wird.47 Die spezifische Erkenntnis in die privatrechtskonstitutive Bedeutung eines Rechts ge40 

Böhm, ORDO 17 (1966), 75 ff. Siehe dazu ausführlich Teil 4 D. I. 4. f). 42  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 94 ff.; siehe auch Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  52 ff. 43  G. P. Calliess/Mertens, RabelsZ 74 (2010), 463, 465. 44 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  32; ders., in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 401; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn.  1764; zur Diskussion im 19. Jahrhundert Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, S.  13 ff. 45 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  32. Ein berühmtes Beispiel ist die Entscheidung des RG zum Sächsischen Holzstoffkartell, vgl. RG vom 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155; siehe näher Teil 3 B. III. 1. b). 46  Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33. 47  Ehricke, WuW 2011, 3; Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33. 41 

A. Wechselseitiger Bezug von Vertragsrechtsordnung und Wettbewerbswirtschaft 135

gen Wettbewerbsbeschränkungen setzte sich in Deutschland nur zögerlich durch. So enthielt das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 aus heutiger Sicht nicht nur unzureichende Regelungen des Rechts der Organisationen, sondern beachtete auch die „wettbewerblichen Voraussetzungen der Privatautonomie“ nicht ausreichend.48 Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde anerkannt, dass ein freiheitliches Privatrecht kein selbsterhaltendes System ist, sondern der Sicherung durch ein funktionierendes Wettbewerbsrecht und – wo dieses aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen nicht zureichend ist – durch ein Regulierungsrecht als sektorspezifischer Ausprägung bedarf.

IV. Zwischenergebnis und Ausblick Eine Marktwirtschaft setzt die Gewährung individueller wirtschaftlicher Freiheitsrechte voraus, da sich erst aus deren Gebrauch die Wettbewerbsprozesse ergeben. Da unbeschränkte Freiheiten nach historischer Erfahrung zu ihrer Selbstaufhebung tendieren,49 muss das Recht diese systemimmanent begrenzen. Hierzu dienen das Vertrags-, das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht. Diese Rechtsgebiete haben somit eine freiheitsgewährende und zugleich eine freiheitsbeschränkende Funktion: Sie gewährleisten nicht nur die „individu­ elle“ Willensherrschaft, sondern begrenzen diese auch mit Blick auf die gleichen Freiheitsrechte anderer Bürger. Hierin liegen – wie wir noch sehen werden – die inneren Aufgaben des Privatrechts, die nicht voneinander getrennt werden können. Das dogmatische Verständnis wird freilich dadurch erschwert, dass diese Rechtsgebiete zusätzlich von außen kommende, öffentlich-rechtliche Einschränkungen der Selbstbestimmung enthalten. Im Privatrecht sind dies etwa die Regelungen des sozialen Mieter- oder Arbeitnehmerschutzes, im Wettbewerbsrecht können Wettbewerbsbeschränkungen aus gesamtwirtschaftlichen Effizienzerwägungen erlaubt sein (Art.  101 Abs.  3 AEUV), und im Regulierungsrecht gilt dasselbe aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes.50 Die letztgenannten Einschränkungen der Selbstbestimmung dürfen nicht dazu verleiten, den privatautonomen Interessenausgleich insgesamt durch heteronom vorgegebene Zwecke zu steuern. Geboten ist vielmehr eine differenzierte Betrachtungsweise, die das Primat individueller Selbstbestimmung ernst nimmt, ohne diese als Instrument zur Fremdbestimmung auszugestalten.

48 So

K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 171; Nörr, in: FS Böhm, 1995, S.  53, 56. Dazu noch für wirtschaftliche Macht Teil 3 B. III. 50  Siehe die garantierten, über dem Niveau wettbewerblicher Strommärkte liegenden Einspeisevergütungen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen gem. den §§  16 ff. EEG 2012. 49 

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Teil 3:  Vertragstheorien

B. Geltungsgründe des Vertrages zwischen formaler Selbstbestimmung und überindividuell-objektiven Zwecken Die rechtspolitische Grundorientierung des Privatrechtsgesetzgebers bewegt sich seit über 100 Jahren zwischen den beiden Polen eines rechtlich-formalen und eines material-faktischen Modells der Vertragsfreiheit.51 Sie ist immer auch ein Ausdruck des wechselnden politischen und gesellschaftlichen Grundverständnisses über die Notwendigkeit von „Vertragsfreiheit“ und „Vertragsgerechtigkeit“, im Sinne einer von Maß und Ziel getragenen Ausbalancierung „formaler Freiheitsethik“ und „materialer Verantwortungsethik“.52 Bei abstrahierender, notwendig vergröbernder Sichtweise entwickelten sich die Theorien des Vertrages und ihre Verknüpfungen mit dem Schutz des Wettbewerbs in unterschiedlichen zeitlichen Stufen, die im Folgenden grob umrissen werden sollen. Schon in diesem Zusammenhang wird sich zeigen, dass das tragende Grundprinzip des Vertrages in einer wettbewerblich organisierten Marktwirtschaft die Sicherung der chancengleichen Selbstbestimmung der Vertragspar­ teien sein muss. Ein materiales Freiheitsverständnis dient somit nicht als ­Werkzeug zur ungehinderten Verfolgung objektiv-überindividueller Zwecke, sondern als systemkonformes inneres Korrektiv des privatautonomen, auf der Zustimmung aller Betroffenen beruhenden Interessenausgleichs, um eine Übervorteilung der (wirtschaftlich) schwächeren durch die (wirtschaftlich) stärkere Vertragspartei zu verhindern.53 Ein ähnliches Schutzkonzept verfolgen – wie wir noch sehen werden – das Wettbewerbsrecht und das Regulierungsrecht mit dem Konzept des Ausbeutungsschutzes.

I. Das liberale Verständnis des Vertrages im Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1900 Zum Verständnis des Verhältnisses von Vertrag und Wettbewerb ist es unabdingbar, sich das historische Verständnis dieser Institute vor Augen zu führen. Beginnen wollen wir mit dem Vertrag. 1. Primat rechtlich-formaler Freiheit und Gleichheit der Bürger Das Bürgerliche Gesetzbuch des Jahres 1900 diente primär der Rechtseinheit Deutschlands, nicht der Veränderung der damals bestehenden tatsächlichen „Zustände“ durch Schaffung eines neuen Privatrechts.54 Auf der Grundlage der 51 So

Wagner, ZEuP 2007, 180, 190 f. Martinek, Vertragsrechtstheorie, unter II.; Kessal-Wulf/Martinek/Rawert (Hrsg.), Formale Freiheitsethik oder materiale Verantwortungsethik, 2005. 53  So zutreffend Bachmann, Private Ordnung, S.  2 23. 54 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  32. Dem BGB gingen insoweit leidenschaft52 

B. Geltungsgründe des Vertrages

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seit dem Jahr 1869 für den Norddeutschen Bund und seit 1871 für das Deutsche Reich geltenden Gewerbefreiheit 55 sollte es vor allem das Zunft- und Feudalrecht ablösen, das bis dahin den Wirtschaftsverkehr zwischen den einzelnen deutschen Partikularstaaten behindert hatte.56 Ausgehend von den Idealen der französischen Revolution basierte das Bürgerliche Gesetzbuch auf den allgemeinen Grundsätzen der Freiheit und Gleichheit der Bürger, die es möglichst weitgehend in der rechtlichen Realität verankern wollte.57 Es war damit ein Kind der überwiegend liberalen Grundhaltung des 19. Jahrhunderts,58 wonach die Freiheit des Individuums das menschliche Zusammenleben bestimmen sollte,59 auch wenn es wohl zu weit ginge, das Bürgerliche Gesetzbuch von 1900 insgesamt als rechtlichen Ausdruck einer einheitlichen politischen und sozialen Tendenz einzustufen. 60 Im Hinblick auf unseren Untersuchungszweck handelt es sich dabei aber um ein primär semantisches Problem. Die überwiegend liberale Grundhaltung des Bürgerlichen Gesetzbuchs spiegelte sich paradigmatisch im bereits einleitend thematisierten „Leitbild des vernünftigen, selbstverantwortlichen und urteilsfähigen Rechtsgenossen“61 als „Träger autonom erworbener Rechte und Pflichten“ wider, 62 das deutliche Parallelen zur in den Wirtschaftswissenschaften heute noch gebräuchlichen Verhaltensannahme des „homo oeconomicus“63 aufweist. Dieses zivilistische Leitbild basierte auf der Prämisse, dass die Individuen nicht nur hinreichend kompetent sind, um im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten selbst für die Befriedigung ihrer Bedürfnisse zu sorgen. Die Individuen wurden auch für liche Debatten zwischen Traditionalisten und primär politisch motivierten Befürwortern der legislatorischen Autonomie des bürgerlich-freiheitlichen Nationalstaates voran; siehe Wrobel, Die Kontroverse Thibault-Savigny. Wagner (ZEuP 2007, 180 f.) beobachtet derzeit einen vergleichbaren Konflikt bei der Diskussion um Notwendigkeit und Ausgestaltung eines europäischen Privatrechts. Siehe aus sozialpolitischer Perspektive auch Wiethölter, Rechtswissenschaft, S.  165 ff. 55 Dazu Fezer, Lauterkeitsrecht, Bd. 1 Einl. E Rn.  4 f. 56  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1, Tb. 1, 1995, S.  2 ; Kittner, Schuldrecht, Rn.  40; Mohr, AcP 204 (2004), 660 ff., auch zum Folgenden. Hierin zeigt sich eine Parallele zu den Grundfreiheiten des Unionsrechts, die auf Normen des Privatrechts anwendbar sind und ebenfalls auf die Herstellung eines „gemeinsamen Marktes“, hier des „Binnenmarktes“ abzielen; vgl. dazu Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 434. 57  Noch nicht im Vordergrund stand somit der dritte Grundsatz „Solidarität“. 58  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S.  36 ff. 59  Denkinger, Verbraucherbegriff, S.   25; der klassische Liberalismus basierte im gesellschaftlichen Bereich auf dem Widerstand der Aufklärung gegen den Absolutismus und im wirtschaftlichen Bereich auf einem Gegenprogramm zum Merkantilismus, vgl. Siems, ZRP 2002, 170. 60  Das betont Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  479. 61  Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  482; dazu Limbach, Der verständige Rechtsgenosse, 1977; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  52; Rückert, JZ 2003, 749, 750; Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff. 62  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1, Tb. 1, S.  3. 63  Vgl. Teil 4 C. III. 2. b) und Teil 4 D. II. 4.

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Teil 3:  Vertragstheorien

befähigt gehalten, diese Kompetenz tatsächlich zu ihrem Vorteil auszuüben, indem sie z. B. vor einer Erwerbsentscheidung die dafür notwendigen Informationen sammeln, die Preise vergleichen und die sich bietenden Marktchancen aktiv nutzen. 64 Dem Bürgerlichen Recht kam vor diesem Hintergrund vornehmlich eine institutionelle Verfahrensdimension zu, die im Vertragsrecht ihren zentralen Ausdruck in den Prinzipien der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit fand. 65 Der darin zum Ausdruck kommende hohe Stellenwert einer rechtlich-formalen Privatautonomie lässt sich auf seine ideelle Bedeutung als Signum einer bürgerlichen Erwerbsgesellschaft zurückführen, die vom autoritären Staat wenn schon nicht die politische, so doch wenigstens eine weitgehend wirtschaftliche Freiheit zu erlangen suchte. 66 Gesellschaftstheoretisch stand hinter dieser Konzeption – wie wir schon einleitend gesehen haben – die klassische Hypothese, dass sich durch einen ungehinderten vertraglichen Einigungsprozess quasi automatisch („naturwüchsig“) eine soziale Harmonie im Sinne „gerechter Vertragsergebnisse“ herstelle. 67 Vor diesem Hintergrund sollte eine privatautonome Regelung grundsätzlich keiner anderen Rechtfertigung als derjenigen bedürfen, dass eine Vertragspartei sie gewollt habe, 68 dass die Regelung mit anderen Worten auf der formalen Zustimmung der Vertragsparteien beruhte.69 Damit wurden aus heutiger Sicht mehrere Probleme ausgeblendet: Zum Ersten kann ein Vertragsschluss zwar formal auf der Zustimmung einer Vertragspartei beruhen, aber material-faktisch Ausdruck von Unfreiheit sein. Zum Zweiten können von rechtlichen Regelungen nicht nur Wirkungen auf die Vertragsparteien, sondern auch negative Drittwirkungen auf andere Marktteilnehmer ausgehen. Zum Dritten wurden soziale Probleme wie Armut – entgegen einer auch heute noch vertretenen Sichtweise von der „sozialen Dimension des Privatrechts“70 – nicht dem Regelungsbereich des Privatrechts zugesprochen.71 Die theoretische Möglichkeit einer Verfolgung verteilungspolitischer Zwecke im Privatrecht, also der Verwirklichung der aristotelischen „iustitia distributiva“,72 wurde zwar durch-

64 Mit Bezug auf die Knappheitsannahme der Wirtschaftswissenschaften siehe Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  52 f. Angesprochen ist damit der Unterschied zwischen formaler und material-realer („innerer“) Freiheit. 65  E. Schmidt, JZ 1980, 153, 154; Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191. 66 So Reichold, JJZ 1992, S.  63, 68. 67 MünchKommBGB/Kramer, 5.  Aufl. 2006, Vor §  145 BGB Rn.  2 ; Denkinger, AGB, S.  16. 68  Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  33. 69  Bachmann, Private Ordnung, S.  172 ff. 70  Zur Kritik an der liberalen Konzeption aus damaliger Sicht siehe Teil 3 B. I. 3.; aus heutiger Sicht Micklitz, Gutachten A zum 69. DJT 2012, S. A 117 und öfter. 71  Von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, Bd. I, S.  332 f.; ebenso Bydlinski/ Mayer-Maly/Reuter, Ethische Grundlagen, S.  105, 111 f.; ders., DZWiR 1993, 45, 47. 72  Aristoteles, Nikomachische Ethik, Rn.  1130 b ff.; dazu Mohr, Schutz vor Diskriminierungen, S.  39 ff.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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aus gesehen, jedoch auf das öffentliche Recht verwiesen.73 Im Vertrag sollte grundsätzlich nur der private Wille und nicht eine – je nach politischen Machtverhältnissen möglicherweise wechselnde – staatliche (Ideal-)Vorstellung verwirklicht werden.74 Das Vertragsrecht wurde damit zwar vom Erfordernis innerer Gerechtigkeit entlastet,75 da es sich bereits durch seine „prozedurale Rationalität“ legitimierte.76 Nach dem Grundsatz „volenti non fit iniuria“ wurde aber zugleich automatisch eine inhaltliche Richtigkeit des Vertrages in dem Sinne unterstellt, dass er grundsätzlich keiner weiteren Überprüfung bedürfe, auch wenn eine Partei wirtschaftlich mächtiger als die andere gewesen sein mag.77 Die richtige Ausübung der Willensherrschaft im Sinne des Leitbildes, dass gleich mächtige und unabhängige Vertragspartner den Vertragstext im Einzelnen aushandeln, sollte nur eine sittliche Pflicht sein,78 die allenfalls in den damals eng interpretierten Schranken des §  138 BGB rechtlich relevant wurde. Paradigmatisch sind Formulierungen wie „Qui dit contractuel, dit juste“79 und „stat pro ratione voluntas“,80 wonach bereits der formal übereinstimmende Wille der Parteien der entscheidende Grund einer Anerkennung und Durchsetzung des Vereinbarten durch die Rechtsordnung bilde.81 Man kann damit sagen, dass die Vertragsfreiheit nach Ansicht des historischen BGB-Gesetzgebers vornehmlich eine formal gleiche Kompetenz zur Vertragsgestaltung sicherte, ohne auf die tatsächlichen Auswirkungen privater Regelungen zu blicken, obwohl eine solche Sichtweise im Vertrag als Mittel zum Ausgleich privater Interessenkonflikte angelegt ist. 82 Auch ein freiheitliches Privatrecht kann sich nicht vor der Frage verschließen, welches die systemkonformen, dem Ideal der rechtlichen und tatsächlich-chancengleichen Selbstbestimmung83 am besten entsprechenden Regelungen sind.

73  Canaris, iustitia distributiva, S.  91 ff.; Lorenz/Picker, Karlsruher Forum 2004, S.  7, 20; Mohr, in: FS Adomeit, 2008, S.  477, 485; a. A. Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt-Universität, 2010, S.  981, 985. 74  Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  9. 75 Vgl. Luhmann, Rechtssoziologie, Bd. 2, S.  327. 76 MünchKommBGB/Kramer, 5.  Aufl. 2006, Vor §  145 BGB Rn.  2 ; siehe auch Reichold, JJZ 1992, S.  63, 78. 77 So Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  9 mit Fn.  6 . 78  Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  5 ; Singer, JZ 1995, 1133, 1137; Rittner, in: FS Sölter, 1982, S.  27, 29. 79  Fouillé, La science sociale contemporaine, S.  410; siehe auch MünchKommBGB/Kramer, 5.  Aufl. 2006, Vor §  145 BGB Rn.  2. 80  So die klassische Formulierung von Flume, BGB-AT Bd. 2, S.  6 ; wichtige Ausnahmen: §§  104 ff. BGB für geschäftsunfähige und beschränkt geschäftsfähige Menschen. 81  Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  8 . 82 MünchKommBGB/Kramer, 5.  Aufl. 2006, Vor §  145 BGB Rn.  2. 83 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG Rn.  2.

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Teil 3:  Vertragstheorien

Entgegen missverständlicher Stellungnahmen im Schrifttum84 verfolgte der Gesetzgeber mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch des Jahres 1900 aber keine bestimmte ökonomische Konzeption. 85 Sein Menschenbild beruhte vielmehr auf Vorbildern aus dem römischen Recht und der darauf aufbauenden Pandektenwissenschaft, 86 die vom Leitbild freier und selbstverantwortlicher Bürger geprägt waren. 87 Gleichwohl werden aus der Kombination dieses Leitbildes mit der zentralen Stellung des Austauschvertrages deutliche Präferenzen der Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzesbuches für eine marktwirtschaftlich-freie Grundordnung erkennbar. Man ging mit der damals herrschenden liberalen „Mainstream-Ökonomie“88 davon aus, dass schon ein unreglementierter Wettbewerb die Anbieter zu ständiger Verbesserung der Produkte bei gleichzeitigem Bemühen um niedrige Preise zwinge. Vor diesem Hintergrund könne sich der Staat – neben der Gewährleistung einer formalen Rahmenordnung für den Abschluss von Verträgen – auf die Aufgaben des militärischen Schutzes, der inneren Sicherheit und der Bereitstellung öffentlicher Güter zurückziehen („Nachtwächterstaat“).89 Damit wurde nicht ausreichend beachtet, dass sich auf den Märkten im Zuge der Industrialisierung eine zunehmende Tendenz zur wirtschaftlichen Machtbildung offenbart hatte, sei es durch Bildung großer Kapitalgesellschaften oder von Kartellen.90 Den dadurch hervorgerufenen Gefahren für ein auf die Idee der Selbstbestimmung vertrauendes Privatrecht war das Bürgerliche Recht mit seinem „kleinmaßstäblichen Ansatz“,91 der noch weitgehend in vorindustriellem Denken verharrte, nicht gewachsen.92 Auch die – noch ausführlich zu schildernde93 – Rechtsprechung vernachlässigte die mit der Vermachtung der Märkte verbundenen Gefahren für eine freiheitliche Privatrechtsordnung.94 Berühmt ist eine Formulierung des RG in einer Entscheidung aus dem Jahr 1883, also noch vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die auch die nachfolgende Rechtsprechung des Gerichts charakterisiert: 95 84 Vgl. Reymann, Handels- und Verbraucherverträge, S.  261; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  52 f. 85  Wie vorliegend Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217. 86  Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S.  40; Horn, NJW 2000, 40, 41; MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  23 87 So Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  482. Zu den römisch-rechtlichen Wurzeln des „abstrakten Personenbegriffs“ C. Möller, in: FU Berlin Fachbereichsschrift, S.  12, 13 und 20 f. 88  Siehe dazu noch Teil 4 C. III. und VII. 89  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 4.  Buch, Kap.  2 , S.  371: „wie von einer unsichtbaren Hand geleitet“; vgl. auch Raiser, JZ 1958, 1, 2; E. Schmidt, JZ 1980, 153, 154 f.; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  53. 90  Nörr, Eher Hegel als Kant, S.  12 f.; Biedenkopf, in: FS Böhm 1965, S.  113 ff. 91  Nörr, Eher Hegel als Kant, S.  12. 92  Biedenkopf, in: FS Böhm 1965, S.  113, 132. 93  Teil 4 B. III. 94 Vgl. Reichold, JJZ 1992, S.  63, 68. 95  RG v. 16.6.1883 – I 242/261/81, RGZ 11, 110; dazu Säcker, ZWeR 2008, 348.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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„So wenig billig und gerecht nun auch diese Abwälzung einer [. . .] Haftung [. . .] sein mag und so sehr sie das natürliche Verhältnis verschieben mag, so fehlt es doch, mangels einer gesetzlichen Einschränkung der Vertragsfreiheit, in dieser Beziehung an der Möglichkeit, der betreffenden Vereinbarung die Gültigkeit zu versagen“.96

Es lässt sich die Konzeption des Bürgerlichen Rechts von 1900 somit durchaus mit bestimmten ökonomischen Theorien in Verbindung bringen, namentlich mit der individuell-freiheitlich interpretierten Wettbewerbstheorie Adam Smiths. 2. Überwiegen dispositiven Vertragsrechts In Ausfüllung seiner überwiegend liberalistischen Grundhaltung gab das Bürgerliche Gesetzbuch des Jahres 1900 den Bürgern noch überwiegend dispositive Regeln an die Hand,97 flankiert durch einzelne zwingende Vorschriften über die fehlende oder beschränkte Geschäftsfähigkeit nach den §§  104 ff. BGB und die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums gem. den §§  119 ff. BGB.98 Als zentrale äußere Schranke der Vertragsinhaltsfreiheit fungierte neben §  134 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, im vom Normzweck geforderten Umfang nichtig ist,99 das Verbot des §  138 BGB von sittenwidrigen und wucherischen Rechtsgeschäften.100 Diese beispielhaft benannten Vorschriften spiegeln durchaus ein – wenn auch auf sehr wenige Regelungen beschränktes – materiales Vertragsprinzip wider, weshalb es nicht zutreffend wäre, das Vertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches aus dem Jahr 1900 insgesamt mit dem Grundsatz der (formellen) Privatautonomie und einem formellen Äquivalenzprinzip zu charakterisieren.101 Gleichwohl 96  Aus der Formulierung wird deutlich, dass das formelle Konzept der Vertragsfreiheit nach Auffassung des RG zu keiner sachgerechten Lösung führte, es jedoch nach seiner Ansicht an einer juristischen Handhabe zur Behebung des Funktionsdefizits fehlte, vgl. Denkinger, AGB, S.  24 Fn.  28; Säcker, ZWeR 2008, 348: „mehr resignierend als enthusiastisch“; siehe dazu auch schon Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  303. 97  Limbach, JuS 1985, 10 ff.; dies., KritV 1986, 165, 169; Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309, 312. 98  Lorenz, Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  88; siehe auch Raiser, JZ 1958, 1, 2. 99  Wie wir noch sehen werden, ist die Aussage, §  134 BGB beinhalte eine äußere Schranke der Vertragsfreiheit, ungenau. Es kommt entscheidend auf das Telos der Verbotsnorm an. Schränkt diese die Vertragsfreiheit aus überindividuell-objektiven Gründen ein, handelt es sich um eine äußere Schranke. Gestaltet die Verbotsnorm demgegenüber die inneren Schranken der Vertragsfreiheit im Sinne des Ideals material-chancengleicher Vertragsfreiheit aus, ist diese nicht als Außenschranke einzustufen. 100  Raiser, JZ 1958, 1, 2; Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191. Zur Bedeutung der zivilistischen Generalklauseln in der Kodifikation des Bürgerlichen Rechts siehe Staudinger/Eckpfeiler/Honsell, Einl. zum BGB Rn.  18. 101  Nur terminologisch anders MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  32; Busche, Kontrahierungszwang, S.  74: es habe sich um formales Vertragssystem mit singulären materiellen Korrekturen gehandelt.

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Teil 3:  Vertragstheorien

kann man nicht die Augen davor verschließen, dass der historische BGB-Gesetzgeber weitgehend auf die Sicherstellung der Voraussetzungen für eine material-chancengleiche Selbstbestimmung verzichtet hat. Das zeigt sich retrospektiv etwa darin, dass er in §  138 Abs.  1 BGB keine Ordre-public-Klausel aufgenommen hat, mit der man wettbewerbsbeschränkende Verträge in Ermangelung eines Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen hätte als unwirksam einstufen können.102 Ein Missbrauch der Vertragsfreiheit wurde nur in engen Grenzen sanktioniert.103 Paradigmatisch ist das Verbot wucherischer Rechtsgeschäfte gem. §  138 Abs.  2 BGB als spezieller Ausprägung sittenwidriger Rechtsgeschäfte.104 Mit dieser Vorschrift wurde freilich eine jedenfalls in ihrer dogmatischen Grundstruktur auch noch heute gebräuchliche Lösung für eine inhaltliche Korrektur des Leistung-Gegenleistung-Verhältnisses von Verträgen vorgegeben, sofern dieses nicht durch die beiderseitige bewusste, aufgeklärte und freiwillige Zustimmung der Vertragsparteien gedeckt ist. Erste Voraussetzung eines Wuchers ist das Vorliegen eines Austauschgeschäftes; einseitige Rechtsgeschäfte wie eine Bürgschaft oder familienrechtliche Verträge werden somit nicht erfasst. Dieses Rechtsgeschäft ist sittenwidrig, wenn nicht nur ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, sondern zusätzlich noch eine Beeinträchtigung der materialen Entscheidungsfreiheit, indem der Vertrag durch die „Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche“ des Bewucherten zustande gekommen ist.105 Beim Bewucherten muss somit ein „die rationale ökonomische Disposition behindernder Faktor“ gegeben sein.106 In diesen Merkmalen kommt der bewusste Verzicht des historischen Gesetzgebers auf eine isolierte materiale Angemessenheitskontrolle von Verträgen vergleichbar der gemeinrechtlichen „laesio enormis“ zum Ausdruck,107 wonach ein Vertrag allein bei einer angenommenen „objektiven“ Inäquivalenz von Leistung und Gegenleistung aufgelöst werden kann.108 Dies gründete maßgeblich auf der auch heute noch gültigen Erkenntnis, dass es in einer freiheitlichen Privatrechtsordnung nicht den einen objektiv zutreffenden Preis geben kann; es ist 102  Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  481; MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  34. Allerdings sollten wettbewerbsbeschränkende Verträge „zumeist“ nichtig sein, vgl. dazu Mohr, WuW 2011, 112, 116. 103  Siehe die Nachweise bei Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  480 f. 104 Wucher ist ein Sonderfall der Sittenwidrigkeit gem. §   138 Abs.  1 BGB; vgl. Leenen, BGB-AT, §  9 Rn.  227. 105  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 287. 106 MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  143. 107  Der Begriff entstammt nicht dem römischen Recht; vgl. Kaser, Das Römische Privatrecht II, S.  283 und 284. 108  Motive II, S.  321 f.; dazu Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30, 43; Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1192; Heinrich (Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S.  297) weist darauf hin, dass die „laesio enormis“ deshalb auch nicht über §  138 Abs.  1 BGB eingeführt werden dürfe; a. A. Hönn, JZ 1983, 677, 682.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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vielmehr an den Parteien zu bestimmen, was für sie richtig ist. Ein „iustum pretium“ könnte vor diesem Hintergrund nur mit Blick auf die Interessen der Parteien selbst ermittelt werden.109 Wie wir noch sehen werden, folgt die Rechtsprechung dem Muster des §  138 Abs.  2 BGB de facto auch in Fallgestaltungen, die von dieser Norm nicht direkt erfasst werden. Paradigmatisch ist die noch zu schildernde Bürgschaftsrechtsprechung des BVerfG.110 3. Defizite beim Schutz des wirtschaftlich Schwächeren Die in ihrem Wesen liberalistische Konzeption des Bürgerlichen Rechts gab schon im Gesetzgebungsverfahren Anlass zu vereinzelter, wenn auch stimmgewaltiger Kritik.111 Diese gründete auf der im Grundsatz zutreffenden Beobachtung, dass ein formal freies und gleiches (Vertrags-)Recht in hierarchisch geprägten Sozialbeziehungen als Herrschaftsinstrument eingesetzt und damit missbraucht werden kann.112 In der Tat konnten in der damaligen Rechtswirklichkeit nur diejenigen Bevölkerungsschichten umfassend von den „Grundfreiheiten des Privatrechts“, namentlich der Vertrags-, Eigentums- und Vererbungsfreiheit tatsächlich Gebrauch machen, die zu den „beati possidentes“ gehörten.113 Für die meisten Bürger erwies sich die Anerkennung rechtlicher Freiheit und Gleichheit demgegenüber als „Danaergeschenk“.114 So bewirkte etwa die den „Großgrundbesitzern“ und „Fabrikeigentümern“ zugesprochene formale Vertragsfreiheit eine zuweilen existentielle materiale Ungleichheit von Bauern und Arbeitern.115 Es sei insoweit auf die wortgewaltige Kritik Otto von Gierkes verwiesen.116 109 

Säcker, ZWeR 2008, 348, 358. BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 u. a., NJW 1994, S.  36 ff. 111 Vgl. Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  470 f.; ausführlich Kaiser, Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, S.  39 ff.; siehe auch Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 15 ff.; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 661. 112  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 68. Zur Sozialphilosophie Max Webers siehe Teil 1 A. II. 3. b) aa). 113  E. Schmidt, JZ 1980, 153, 155; Reichold, JJZ 1992, S.  63, 68. Nach Biedenkopf (in: FS Coing, Bd. II, 1982, S.  2, 24) gehörten bei Verabschiedung des „Reichsgesetzes der Invaliditäts- und Altersversicherung“ im Jahr 1889 ca. ein Viertel der deutschen Bevölkerung zu den „Proletariern und ihnen gleichzustellenden kleinen Angestellten“, von „deren Bedürftigkeit wir uns schlechterdings keine Vorstellung mehr machen können“. Und „für die Handwerker und Bauern spielte die Privatautonomie nur dann eine Rolle, wenn sie untereinander verkehrten. Im Verhältnis zu den Besitzenden dominierten Abhängigkeiten“. Biedenkopf folgert daraus, dass das BGB des Jahres 1900 zwar nicht rechtliches, aber „politisches Klassenrecht“ gewesen sei (a. a. O.). 114  Krause, JuS 1970, 313, 318. 115  Nörr, Eher Hegel als Kant, S.  13 f.; vgl. auch Preis, Prinzipien des Kündigungsrechts, S.  12 ff.; Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt-Universität Berlin, 2010, S.  981, 986. 116  Von Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S.  23; dazu Kaiser, Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, S.  200 ff.; Adomeit, in: FS Kelsen, 1971, S.  9, 18. Zust. Martinek, Vertragsrechtstheorie, unter III. Die Wirkungsmächtigkeit der Thesen von Gierkes zeigt sich 110 

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Teil 3:  Vertragstheorien

Von Gierke wollte der „sozialen Aufgabe des Privatrechts“ durch staatliche Intervention in das Vertragsrecht zur Geltung verhelfen, wobei zwingende Vorschriften die zentrale Rolle spielen sollten. Zugleich sollte die von ihm gebildete Kategorie des „Sozialrechts“ dazu beitragen, die Dichotomie zwischen öffentlichem und privatem Recht zu überwinden.117 Im Zentrum der rechtspolitischen Diskussion über den „Schutz des Schwächeren im Privatrecht“ stand das – vorliegend nicht näher zu betrachtende – Arbeitsrecht.118 So erhob etwa Otto Sohm die Forderung, die Vertragsfreiheit einzuschränken, da der Staat die Arbeiter schutzlos „den Wechselfällen des freien Arbeitsvertrages preisgegeben habe“ und der Liberalismus „ununterbrochen an der Steigerung der wirtschaftlichen Ungleichheit arbeite“.119 Eugen Dühring wollte die Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht insgesamt durch zwingendes öffentliches Recht ersetzen, da die „Miethe der Arbeitskraft“ letztlich „ein Verhältnis der Halbsklaverei“ sei. Nur auf diesem Wege sei „jede privatökonomische Machtbildung“ auszuschließen.120 Auch im allgemeinen Privatrecht wurden Probleme einer formalen Freiheitsethik lokalisiert. Anton Menger kritisierte, dass das Sachenrecht als das „Recht der Besitzenden“ zwingend ausgestaltet sei,121 während im Schuldrecht, in dem sich die Erhebung „arbeitslosen Einkommens“ durch die besitzenden Klassen gegenüber den Besitzlosen vollziehe, dispositives Recht überwiege, das in der Rechtswirklichkeit regelmäßig zu Lasten Letzterer abbedungen werde.122 Die vorstehende Kritik führte zunächst aber nur zu §  618 BGB mit der unabdingbaren Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, durch Otto von Gierke abschätzig als „Tropfen sozialen [bzw. sozialistischen, der Verf.] Öls“ bezeichnet.123 Das Mietrecht sah – abgesehen vom Grundsatz Kauf bricht nicht Miete in den §§  571, 580 BGB – demgegenüber keinerlei Mieterschutz vor, während dem Vermieter eine durch Pfand- und Selbsthilferechte abgesicherte starke Rechtsposition zugesprochen wurde.124 paradigmatisch daran, dass sich Franz Wieacker auf sie in seinem berühmten Karlsruher Vortrag berufen hat (Wieacker, Sozialmodell, S.  13 f.). Kritisch demgegenüber Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 17: undifferenzierte Äußerung. 117  Repgen, Soziale Aufgabe, S.  491 ff.; Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S.  5 4; Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  27. 118  Vgl. ausführlich C. Möller, Freiheit und Schutz im Arbeitsrecht, S.  129 ff. 119  Sohm, Die sozialen Pflichten der Gebildeten, S.  13 und 17; zitiert nach Kaiser, Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, S.  203. 120  Dühring, Cursus der Philosophie, S.  282. 121  Zur Begründung Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, S.  250 ff. 122  Menger, Das Bürgerliche Gesetzbuch und die besitzlosen Volksklassen, S.  144; dazu Kaiser, Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, S.  205 ff.; Willrodt von Westernhagen, Recht und soziale Frage, S.  1 ff. 123  Von Gierke, Die soziale Aufgabe des Privatrechts, S.  23; vgl. hierzu auch Mertens, JuS 1971, 508, 511. Etwas nachsichtiger die Bewertung von Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  470: „beschränktes Maß sozialer Aufgeschlossenheit, das dem Gesetzgeber nach dem Geist der Zeit möglich war“. 124  Martinek, Vertragsrechtstheorie, unter III.

B. Geltungsgründe des Vertrages

145

4. Zwischenfazit Die wohl wichtigste Leistung des Bürgerlichen Gesetzbuchs des Jahres 1900 lag in der Überwindung der deutschen Rechtszersplitterung, also in der kodifikatorischen Vereinheitlichung verschiedener Rechtskreise.125 Dass eine solche Kodifikation auf relativ knappem Raum und mit relativ wenigen Zugeständnissen an Vertreter von Partikularinteressen gelang, ist wohl nicht nur auf die damals vorherrschende allgemeine Euphorie über die politische Einheit Deutschlands zurückzuführen, sondern auch auf den hohen wissenschaftlichen Standard ihrer Schöpfer.126 Die unbestreitbaren Verdienste bei der Kodifikation des Bürgerlichen Rechts wurden allerdings „erkauft“ durch den Verzicht auf ein ausgebautes Schutzrecht vor „wirtschaftlicher“ und „sozialer“ Macht. Zwar hatte sich die „soziale Frage“ bereits parallel zu den Beratungen der 1. Kommission offenbart. Man wollte die erreichten Ergebnisse jedoch nicht durch die Diskussion weiterer Problembereiche gefährden, ohne damit – wie zuweilen unterstellt wird – die schon im römischen Recht anerkannte Notwendigkeit eines besonderen Schutzes bestimmter Personengruppen127 generell in Abrede zu stellen.128 Dies zeigt ein Blick auf sondergesetzlich statuierte spezifische Schutzrechte.

II. Erste sondergesetzliche Regelungen zur Kompensation vertraglicher Ungleichgewichte Der Privatrechtsgesetzgeber reagierte auf die ungleiche Verteilung der tatsächlichen Grundlagen der Freiheitsausübung entsprechend der „arbeitsteiligen Konzeption“129 des Bürgerlichen Rechts über viele Jahrzehnte hinweg vor allem durch sondergesetzliche Regeln. Schon seit 1869 – also lange vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs – hatte er in der Gewerbeordnung (Norddeutscher Bund) die Vertragsfreiheit durch zwingendes Recht eingeschränkt.130 So schrieb die GewO in ihrem §  1 nicht nur das grundsätzliche Recht eines jeden fest, ein Gewerbe zu betreiben, sondern enthielt auch „im Interesse der Wohlfahrt der arbeitenden Klassen“ Einschränkungen der in §  105 GewO normierten Vertragsfreiheit im Verhältnis selbstständiger Gewerbetreibender zu den gewerblichen Arbeitern. Als erstes, vom formalen Prinzip der Vertragsfreiheit Abstand nehmendes Verbraucherschutzgesetz trat im Jahr 1894 das Abzahlungsgesetz in Kraft, das vor allem dem Schutz von Käufern einer beweglichen Sache unter Eigentums125 Vgl.

Schmoekel, NJW 1996, 1697, 1702. Schmoekel, NJW 1996, 1697, 1702; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.  474. 127  C. Möller, in: FU Berlin Fachbereichsschrift, S.  12, 20 f., zum Schutz von Frauen und Minderjährigen. 128  Wie vorliegend Schulte-Nölke, Reichsjustizamt, S.  353; Wagner, ZEuP 2007, 180, 181 f. 129  Rückert, JZ 2003, 749, 751 und 755. 130  Zum Folgenden bereits Mohr, AcP 204 (2004), 660, 663 f. 126 Vgl.

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Teil 3:  Vertragstheorien

vorbehalt diente,131 insbesondere von Kleingewerbetreibenden, die im Wege des Abzahlungskaufs ihre Produktionsmittel finanzieren wollten.132 Der Schutz wurde deshalb nach §  8 AbzG versagt, „wenn der Empfänger der Ware als Kaufmann in das Handelsregister eingetragen“ war.133 Allerdings fehlte dem AbzG ein einheitliches dogmatisches oder rechtspolitisches Konzept, das seinen „Ausnahmecharakter“ legitimiert und zukünftige Maßnahmen vorhersehbar gemacht hätte.134 Es lässt sich gleichwohl im Sinne einer normativen Anerkennung des Umstandes deuten, dass eine überwiegend formal verstandene Vertragsfreiheit nicht zwangsläufig einen gerechten Ausgleich zwischen den Vertragsparteien herbeiführt und deshalb im Einzelfall durch besonderes Schutzrecht ergänzt werden muss.135 Die Schwierigkeit liegt freilich nicht in dieser Erkenntnis begründet, sondern in der Identifikation der Situationen, in denen ein Schutz geboten ist. Ein ausdifferenzierteres Schutzmodell verfolgte der Gesetzgeber mit dem 1908 erlassenen Versicherungsvertragsgesetz.136 Da beim Versicherungsvertrag der Versicherte im Allgemeinen der schwächere Vertragsteil sei, müssten seine Interessen durch (halb-)zwingende Normen geschützt werden; die „Feinsteuerung des Versicherungsschutzes“ obliege zusätzlich der präventiven Aufsicht der Versicherungsbehörden.137 Insbesondere aufgrund der während des Ersten Weltkriegs entstandenen Notlage auf dem Wohnungsmarkt wurde im Bürgerlichen Gesetzbuch auch der soziale Mieterschutz intensiviert.138 Etwa zeitgleich setzte die Gesetzgebung zum Schutz der Arbeitnehmer ein.139 Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Vertragsfreiheit durch eine Vielzahl weiterer staatlicher Zwangsmaßnahmen zur Bewirtschaftung der wichtigsten Produktions- und Verbrauchsgüter eingeschränkt.140 Auf diese müssen wir vorliegend 131  Tonner, JZ 1996, S.  533, 536. Die zahlenmäßige Zunahme des Kaufes unter Eigentumsvorbehalt war weniger einer Verarmung der Bevölkerung geschuldet als vielmehr der Massenproduktion von Gütern, der Erschließung neuer Käuferschichten durch die verkehrsmäßige Anbindung des Landes an die Städte sowie der Entdeckung neuer Vertriebsformen (Existenz18 f.; gründung ohne Anfangskapital), vgl. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.   Benöhr, ZHR 138 (1974), 492, 494 f. Allerdings schützte das Abzahlungsgesetz nicht nur Verbraucherinteressen: vgl. Drexl, a. a. O., S.  18. Es wurde abgelöst durch das Verbraucherkreditgesetz vom 17.12.1990 (Medicus, JuS 1996, S.  761, 766), das mittlerweile wiederum im BGB aufgegangen ist. 132  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  18; a. A. Eichenhofer, JuS 1996, 859, 860: Zweck des Gesetzes sei der Verbraucherschutz gewesen. 133  Faber, ZEuP 1998, 854, 856, insb. Fn.  5. 134  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  18. 135  Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  35. 136  Roth, JZ 2001, 475, 476; zur Bewertung MünchKommVVG/Lorenz, Einl. Rn.  8 . 137  Roth, JZ 2001, 475, 476 m. w. N. 138  Bruns, JZ 2007, 385, 386; Paschke, Wohnraummiete, S.  19 ff. 139 MünchArbR/Richardi, §  3 Rn.  7 ff.; Kaiser, Vertragsfreiheit und Gesellschaftsordnung, S.  4 ff., 67 ff. 140  Raiser, JZ 1958, 1, 2.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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nicht vertieft eingehen. Bedeutsam ist vielmehr die Erkenntnis, dass der Privatrechtsgesetzgeber durchaus die Notwendigkeit eines sozialen Schutzes bestimmter Bevölkerungsgruppen anerkannte, wohingegen er sich lange Zeit den spezifischen Problemen wirtschaftlicher Macht verschloss.

III. Historische Entwicklung der privatrechtlichen Behandlung wirtschaftlicher Macht Obwohl die ökonomischen Vorzüge wettbewerblicher Marktordnungen schon im 18. Jahrhundert durch Adam Smith hervorgehoben worden waren,141 fanden sich im deutschen Recht erstmals in der KartellVO des Jahres 1923 Regelungen über die rechtliche Behandlung der Wettbewerbsprozesse.142 Bis zu diesem Zeitpunkt musste sich die Rechtsprechung mit den Instrumenten des allgemeinen Privatrechts – nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs vor allem mit den §§  138 Abs.  1, 315 Abs.  3 BGB – behelfen, um private Wettbewerbsbeschränkungen zu domestizieren. Im Vordergrund der gerichtlichen Kontrolle standen zunächst wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen („Kartelle“); erst später wurde der Blickwinkel auf unilaterale Wettbewerbsbeschränkungen durch Missbrauch einzel- oder kollektiv-marktbeherrschender Stellungen von Unternehmen erweitert. Die Rechtsprechung des RG war dabei lange von einem formalen Verständnis der Vertragsfreiheit geprägt. Erst in seinen Entscheidungen zur Sittenwidrigkeitskontrolle von durch Übermacht durchgesetzten Vereinbarungen bei Monopolstellungen ging das Gericht dazu über, der formalen Privatautonomie mit Hilfe des §  138 Abs.  1 BGB Grenzen zu setzen. Es tat dies jedoch nur in Fällen eines besonders schweren Marktmachtmissbrauchs, namentlich bei Gütern der Daseinsvorsorge, die unter den Bedingungen monopolistischer oder oligopolistischer Marktmacht angeboten wurden.143 Diese „Monopolrechtsprechung“ wird heute durch den BGH weitergeführt, der §  315 Abs.  3 BGB analog auf faktische Leistungsbestimmungsrechte anwendet, die eine Vertragspartei aufgrund einer Monopolstellung innehat.144 Sie ist deshalb aus dogmatischer Sicht besonders reizvoll, da sie den Wertungsgleichklang zwischen Wettbewerbsrecht und Privatrecht offenkundig macht.

141 

Siehe dazu Teil 4 C. II.

142 MünchKommGWB/Säcker,

Einl. Rn.  1. schon RG v. 8.1.1906 – I 320/05, RGZ 62, 264; sodann etwa RG v. 1.10.1921 – I 325/21, RGZ 102, 396; vgl. dazu Säcker, ZWeR 2008, 348, 358; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  87. 144  Teil 4 B. III. 3. sowie Teil 10 C. II. 1. 143  So

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Teil 3:  Vertragstheorien

1. Die Rechtsprechung des Reichsgerichts zur „Kartellfrage“ a) Positive Bewertung wirtschaftlicher Macht Wie wir schon in Zusammenhang mit der ursprünglichen Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs gesehen haben, beruhte die Wirtschaftspolitik im 19. Jahrhundert weitgehend auf dem Grundsatz des „laissez faire“. Man war der Ansicht, dass sich eine zweckmäßige, natürliche und richtige Ordnung im Sinne der optimalen Produktion und der gerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen schon von selbst einstellen werde, sofern nur Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit bestehe.145 Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass auch die Rechtsprechung des RG von einer positiven Bewertung wirtschaftlicher Machtzusammenballungen durch Kartelle geprägt war.146 Heute bewerten wir Kartelle mit dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Art.  101 AEUV bzw. den §§  1, 2 GWB i. V. mit §  134 BGB genau entgegengesetzt.147 Bereits in einer – nur knapp begründeten – Entscheidung aus dem Jahr 1890 billigte das RG (Rabatt-)Kartellvereinbarungen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler: 148 Zwar sei ein Verstoß gegen die seit dem Jahr 1869 in §  1 GewO normierte Gewerbefreiheit zu erwägen, wenn es sich um eine Vereinigung von Personen handle, die „wegen eines spekulativen Zweckes dieser Einzelnen die Beherrschung des Marktes für eine Ware und die Unterbindung freier Betätigung wirtschaftlicher Kräfte, welche sich diesen Zwecken entgegenstellen könnten, zum Gegenstand“ habe. Aus dem Prinzip der Gewerbefreiheit folge allerdings „keine Unantastbarkeit des freien Spiels wirtschaftlicher Kräfte in dem Sinn, dass den Gewerbetreibenden der Versuch untersagt wäre, im Wege genossenschaftlicher Selbsthilfe die Betätigung dieser Kräfte zu regeln und von Ausschreitungen, die für schädlich erachtet werden, abzuhalten“. b) Die Entscheidung zum „Sächsischen Holzstoffkartell“ Für die folgenden Jahrzehnte wegweisend war das Urteil des RG zum sächsischen Holzstoffkartell aus dem Jahr 1897. In diesem Verfahren wurde das Gericht erneut mit der privatrechtlichen Reichweite des Prinzips der Gewerbefreiheit konfrontiert.149 In seiner ausführlich begründeten Entscheidung stufte das 145 

Günther, WuW 1964, 111, 114.

146 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg,

Ordnungsökonomik, S.  43, 45. Differenziert zur Einordnung der Entscheidung im Sinne der damals vorherrschenden gesellschaftlichen Anschauungen R. Schröder, Entwicklung des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, S.  115 ff.; Schmoeckel, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, Rn.  410. 147 Zur Dogmatik des Kartellverbots siehe Teil 5 C. II., zum Verbotsgesetzcharakter Teil 9 D. 148  RG v. 25.6.1890 – I 96/90, RGZ 28, 238; vgl. Rittner, ZHR 160 (1996), 180. 149  RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155; Böhm, ORDO 1 (1948), 197, 198; Möschel, 70

B. Geltungsgründe des Vertrages

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RG „bezweckte“ Kartelle nicht als per se unzulässig ein, sondern untersagte lediglich bestimmte überschießende Praktiken und Wirkungen, was in der späteren Gerichtspraxis aber keine tragende Rolle spielen sollte.150 Damit ermöglichte es das Gericht den Kartellanten, mit Hilfe der Gerichte die interne Stabilität des Kartells zu sichern (sog. innerer Kartellzwang),151 wohingegen wir heute durch die sog. Kronzeugenregelungen versuchen, die Instabilität von Kartellen zum Zwecke der Rechtsdurchsetzung zu befördern.152 Aus privatrechtsdogmatischer Sicht ist bedeutsam, dass hiermit die formale Vertragsfreiheit gegenüber der auf der Gewerbefreiheit aufbauenden materialen Wettbewerbsfreiheit als vorrangig angesehen wurde,153 da sich Letztere nur auf „die freie Zulassung zum Gewerbe, nicht auf die Art der Ausübung desselben“ erstrecken sollte.154 Die Entscheidung bildete damit eine wesentliche Ursache für die zunehmende Vermachtung der Märkte,155 was Deutschland letztlich den zweifelhaften Ruf als das „Land der Kartelle“ einbrachte.156 Nach dem Sachverhalt der Entscheidung schlossen sich Sächsische Holz­ stoffindustrielle im Jahr 1893 vertraglich zu einem „Sächsischen HolzstoffFabrikanten-Verband“ zusammen. Der Vertrag wurde für die Dauer von zweieinhalb Jahren geschlossen, eine vorzeitige ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Nach seiner Satzung hatte der Verband den Zweck, einen „verderblichen Wettbewerb“ der Fabrikanten für die Zukunft zu verhindern und einen „angemessenen Preis“ für das Fabrikat zu erzielen; es ging also um ein aus heutiger Sicht besonders verwerfliches Hardcore-Preiskartell (vgl. Art.   101 Abs.  1 lit. a AEUV). Zur Umsetzung errichteten die Mitglieder eine gemeinsame Verkaufsstelle und verpflichteten sich, ihre Verkäufe allein über die Verkaufsstelle abzuwickeln und im Falle eines Verstoßes gegen diese Pflicht eine Vertragsstrafe zu zahlen. In den Jahren 1894 und 1895 tätigte ein Mitglied des Verbandes gleichwohl Direktverkäufe, weshalb es vom Verband auf die Vertragsstrafe in Anspruch genommen wurde. Es wehrte sich dagegen mit dem Argument, der Vertrag sei wegen Gesetzesverstoßes unwirksam.157

Jahre deutsche Kartellpolitik, 1972; R. Schröder, Entwicklung des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, S.  89 ff.; Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397. 150  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  21. 151 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 45. 152  Siehe Teil 9 B. IV. 153  Strauß, in: FS Böhm, 1975, S.  603, 609; Willgerodt, ORDO 57 (2006), 47, 59. 154  Strauß, in: FS Böhm, 1975, S.  603, 610. 155  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 179. 156 Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 30; zur Einstufung Deutschlands als „Land der Kartelle“ siehe Böhm, ORDO 1 (1948), 197, 198 und 212; Meyn, GMH 1958, 280; Strauß, in: FS Böhm, 1975, S.  603, 609; Basedow, WuW 2008, 270; Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 398. 157  Es handelt sich also um einen „defensiven Kartellprozess“, vgl. Teil 1 B. V.

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Teil 3:  Vertragstheorien

Da sich der Fall noch vor Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 ereignete, konnte das RG nicht auf §  138 BGB zurückgreifen.158 Es prüfte den Kartellvertrag deshalb auf seine Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Gewerbefreiheit, die in Preußen seit 1810 galt und seit 1869 in §  1 GewO (Norddeutscher Bund) normiert war.159 Dabei differenzierte es zwischen einem Schutz der Interessen der Gesamtheit und den Interessen der einzelnen Marktteilnehmer; 160 heute sprechen wir vom Zielkonflikt zwischen Individual- und Institutionsschutz. Die Begründung der Entscheidung kann aus heutiger Sicht jedoch nicht überzeugen: 161 Zum Ersten stützte sich das RG auf das damals herrschende nationalökonomische Schrifttum, das Kartellen trotz der von diesen ausgehenden Vermachtung der Märkte zu Lasten der Wettbewerber und der Marktgegenseite und damit zu Lasten der Privatrechtsidee auch dann positive ökonomische Wirkungen zuerkannte, wenn es sich um Hardcore-Beschränkungen wie Preis-, Gebiets- oder Mengenabsprachen handelte. Nicht ausreichend gewürdigt wurden damit die negativen Drittwirkungen der Kartellabsprache auf die wirtschaftliche Selbstbestimmung anderer Marktteilnehmer und auf das Privatrechtssystem im Ganzen.162 Organisationen und damit auch Kartelle galten nach der sog. Stufentheorie der historischen Schule der Nationalökonomie gegenüber einer rein individualistischen Wirtschaftsbetätigung als geschichtlich unausweichliche höhere Organisationsformen.163 Vor diesem Hintergrund wurde es nicht nur als im Interesse des Einzelnen, sondern auch als in demjenigen der Gesamtheit liegend angesehen, wenn in einem Gewerbezweig nicht dauerhaft ein „unangemessen niedriges Preisniveau“ herrsche.164 Bei „sachge158 

Dazu mit Blick auf die damalige Situation kritisch Böhm, ORDO 1 (1948), 197, 201. RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 156; dazu Meyn, GMH 1958, 280 ff. 160  RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 156. 161  Vgl. zum Folgenden auch Nörr, in: FS Gernhuber, 1993, S.  919, 922 f. 162 RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 156 f.; zur Bewertung siehe Schmoeckel, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, S.  271 f. 163  Wichtigster Vertreter der (jüngeren) historischen Schule war Gustav von Schmoller. Krit. zum deutschen nationalökonomischen Historizismus Goldschmidt/Wohlgemuth/ Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 32 ff.; siehe auch Nörr, Zwischen den Mühlsteinen, S.  144; ausführlich – auch zur heutigen Bedeutung – Blümle/Goldschmidt, Schmollers Jahrbuch 126 (2006), 197 ff.; Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  219 ff. Wenn man von einer Zwangsläufigkeit der historischen Entwicklung ausgeht, fühlt man sich ggf. von der Notwendigkeit enthoben, die gebotenen Maßnahmen der Wirtschaftsordnung zu treffen; dies betont Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 331. 164  Diese Überlegung gilt heute als überwunden. Auch das Verbot von Behinderungsmissbräuchen durch „Kampfpreise“ basiert nicht etwa auf der Überlegung, dass diese dauerhaft zu einem „unangemessen niedrigen Preisniveau“ zu Gunsten der Verbraucher führten. Vielmehr beinhaltet das Verbot von Kampfpreisen den (abstrakten) Gefährdungstatbestand, dass sich das marktmächtige Unternehmen nach Verdrängung seiner Mitbewerber durch antikompetitiv überhöhte Preise bei den Verbrauchern „refinanzieren“ wird. Siehe dazu EuGH v. 27.3.2012 – C 209/10, EuZW 2012, 540 – Dänische Post. Im Regulierungsrecht stellt sich die Problematik „zu niedriger Entgelte“ etwa bei den dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten i. S. des §  11 159 

B. Geltungsgründe des Vertrages

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rechter Anwendung“ seien Kartelle und Syndikate „besonders geeignet“, der „ganzen Volkswirtschaft durch Verhütung unwirtschaftlicher, mit Verlusten arbeitender Überproduktion und der an diese sich knüpfenden Katastrophen Nutzen zu schaffen“.165 Auf einen tatsächlichen Nachweis der behaupteten positiven volkswirtschaftlichen Wirkungen des Kartells, wie er heute von Art.  101 Abs.  3 AEUV bzw. §  2 GWB verlangt wird, verzichtete das RG.166 Zum Zweiten rechtfertigte das RG – aus heutiger Sicht unzulässige, da nicht nach Art.  101 Abs.  3 AEUV bzw. §  2 GWB freigestellte – Kartelle unter Verweis auf seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit „ancilliarischer“, d. h. „dienender“ Wettbewerbsverbote, die zu ihrer Wirksamkeit zwar einer räumlichen und zeitlichen Einschränkung bedürften, aber ebenfalls nicht generell unzulässig seien.167 Es stellte zwar – insoweit zutreffend – fest, dass der einzelne Marktteilnehmer seine subjektive Gewerbefreiheit im Rahmen eines Austauschvertrages beschränken könne, da dies für die Durchführung desselben notwendig sei („pacta sunt servanda“). Das RG zog hieraus jedoch den unzutreffenden Schluss, dass für einen Kartellvertrag, der eine Wettbewerbsbeschränkung zum Hauptgegenstand habe, nichts anderes gelten könne. Hierdurch hat es nicht nur das Wesen ancilliarischer Wettbewerbsverbote verkannt, die in einer der Selbstbestimmung der Individuen verpflichteten Privatrechtsordnung nur insoweit zulässig sein können, als sie zur Durchführung eines wettbewerbsrechtlich unbedenklichen Austauschvertrages notwendig sind.168 Es hat auch die von dem Kartell faktisch negativ betroffenen Drittinteressen nicht in seine Überlegungen mit einbezogen, wie es dem Schutzzweck eines Kartellverbots in einer marktwirtschaftlich-freiheitlichen Wirtschaftsordnung entspricht.169 Die Entscheidung markierte damit einen wesentlichen Meilenstein im Rahmen einer Entindividualisierung der Gewerbefreiheit und der Privatautonomie.170 Im Ergebnis sprach das RG der Vertragsfreiheit der Kartellanten einen Vorrang vor der – aus heutiger Sicht nicht als Gegensatz zu verstehenden – Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten und dem Schutz der Verbraucher vor Ausbeutung zu.171 So sollte sich die Wettbewerbsfreiheit nur auf „die freie Zulassung Abs.  2 Nr.  9 ARegV: zwar wirken sich „zu hohe“ Tarifabschlüsse durch Arbeitgeber(verbände) und Gewerkschaften finanziell zu Lasten der Verbraucher aus. Diese werden jedoch qua Wertentscheidung des Gesetzgebers hingenommen. Siehe auch die Problematik des „Vivento-Defizits“ der Deutschen Telekom als „neutrale Aufwendung“ i. S. des §  32 Abs.  2 TKG; dazu Säcker/Groebel, §  32 TKG Rn.  42 mit Fn.  59. 165  RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 157. 166  Sehr krit. deshalb Böhm, ORDO 1 (1948), 197, 206 ff., der dem RG offenen Gesetzesungehorsam vorwarf (S.  211). 167  RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 158 f.; dazu R. Schröder, Entwicklung des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, S.  59 ff. 168  Vgl. dazu bereits Mohr, WuW 2011, 112 ff. 169  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 181; siehe ausführlich Teil 5 C. 170  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  9. 171  Strauß, in: FS Böhm, 1975, S.  603, 609.

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Teil 3:  Vertragstheorien

zum Gewerbe und nicht auf die Art der Ausübung desselben“ erstrecken.172 Franz Böhm hat diese Sichtweise in seinem Werk „Wettbewerb und Monopolkampf“ aus dem Jahr 1933 zu Recht kritisiert.173 Für ihn war die Einführung der Gewerbefreiheit durch die Gewerbeordnung von 1869 „ein Akt wirtschaftsrechtlicher Verfassungsänderung“, wodurch die alte Herrschaftsordnung durch eine „herrschaftsfreie Sozialordnung“ ersetzt worden sei. Die Gewerbeordnung enthielt für Böhm eine „verfassungsrechtliche Gesamtentscheidung“ im Sinne einer offenen Absage der Wirtschaftsgesetzgebung an das Herrschaftsprinzip, eine „allgemeine Proklamation der herrschaftsfreien Wirtschaftsverfassung“. Hätte der Gesetzgeber des Jahres 1869 die spätere Entwicklung der Rechtsprechung vorausgesehen, so würde er nach Böhm „ausgesprochen haben, dass dem Grundsatze der echten Konkurrenzfreiheit der unbestrittene Vorrang gebühre vor dem Grundsatze der Vertragsfreiheit und vor dem Grundsatz der allgemeinen zivilrechtlichen Handlungsfreiheit“.174 Die Entscheidung des RG zum Sächsischen Holzstoffkartell führte in der Folgezeit zu einer stark vermehrten Bildung von Kartellen,175 da auch auf politischer Ebene keine durchgreifenden Gegenkräfte vorhanden waren.176 So zählte man in Deutschland bereits im Jahr 1905 knapp 400 festgefügte Kartelle.177 Der Gesetzgeber ging davon aus, dass es keiner spezifischen rechtlichen Regelung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen bedürfe, da Kartelle bereits durch Gegenkräfte wie die Außenhandelskonkurrenz, die Außenseiterkonkurrenz, Fliehkräfte innerhalb eines Kartells sowie durch die allgemeine Rechtsordnung zureichend in Grenzen gehalten würden.178 Vergleichbar wurde später etwa auf der Grundlage des Konzepts „gegengewichtiger Marktmacht“ argumentiert.179 Im Regulierungsrecht zeigen sich ähnliche Argumentationsansätze heute noch mit Blick auf das – theoretisch bedeutsame – Konzept der „contestable markets“.180 Mit dem Reichskaligesetz von 1910 wurde ein privatautonom begründetes Hardcore-Kartell – konkret ging es um ein Kontigentierungs172 

Strauß, in: FS Böhm, 1975, S.  603, 610. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  127 ff. 174  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  129. 175  Günther, WuW 1964, 111, 114. 176  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  2 2. 177  Möschel, in: FS Pfeiffer, 1988, S.  707, 709. Im Jahr 1925 wurde die Anzahl der Kartelle vom Reichswirtschaftsministerium auf 2.500 geschätzt, vgl. Günther, in: FS Böhm zum 80. Geburtstag, 1975, S.  183 f. 178  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  14 Rn.  12; ausführlich Großfeld, ZHR 141 (1977), 442 ff. 179  Grundlegend für oligopolistisch strukturierte Märkte Galbraith, Countervailing Power; ders., AER 44 (1954) No. 2, Papers and Proceedings, 1 ff. Krit. Günther, WuW 1964, 111, 114 und 118 f., wonach durch die Gruppenbildung sowohl die Antriebsfunktion des Wettbewerbs, als auch die Ordnungsfunktion im Sinne einer optimalen Steuerung der Produktion, als auch der Verbraucherschutz durch niedrige Preise beeinträchtigt würden; krit. aufgrund der dadurch entstehenden Marktverschlusswirkungen auch Biedenkopf, WuW 1968, 3, 6. 180  Siehe Teil 7 B. I. 1. 173 

B. Geltungsgründe des Vertrages

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und Preiskartell für die Kaliindustrie – sogar gesetzlich legitimiert, indem der Staat es unter seine Aufsicht stellte und damit ein „Kernelement eines neuen Wirtschaftstypus, den Typus der organisierten Wirtschaft“ begründete.181 c) Verbot des „Monopolmissbrauchs“ Auch nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Jahr 1900 wurden Kartelle nur dann als sittenwidrig im Sinne des §  138 Abs.  1 BGB angesehen, wenn „besondere Umstände“ vorlagen, die über den Zusammenschluss der Gewerbetreibenden „zu dem in gutem Glauben verfolgten Zwecke“ hinaus­ gingen.182 Derart besondere Umstände waren insbesondere bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen bezüglich Gütern der Daseinsvorsorge anerkannt; 183 denn bei diesen war offenkundig, dass die Kartellanten ihre wirtschaftliche Handlungsfreiheit vor allem deshalb einschränkten, weil sie auf eine „monopolistische Beherrschung des Marktes“ abzielten.184 Demgegenüber lehnte das RG eine Anwendung des §  138 Abs.  1 BGB bei „nicht lebensnotwendigen Gütern“ ab, da der Kunde sich der „Herrschaft des marktmächtigen Unternehmens“ durch ein Ausweichen auf andere Unternehmen oder den Verzicht auf den Erwerb entziehen könne.185 Dies kam de facto einer Legalisierung von „einfachen“ Kartellen und Monopolen gleich,186 auch weil ein Verstoß gegen §  134 BGB i. V. mit §  1 GewO als Verbotsgesetz gar nicht erst in Betracht gezogen wurde. Der Verzicht auf ein Kartellverbot zu Gunsten einer wirkungsschwächeren Ex-post-Missbrauchskontrolle wurde ergänzend damit gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber in §  138 Abs.  1 BGB keine Ordre-public-Klausel aufgenommen hatte.187 Dieses Argument kann aus heutiger Sicht nicht überzeugen, schon weil der Terminus der guten Sitten anders als derjenige der Sittlichkeit nicht auf ethische Grundsätze beschränkt ist, sondern auch auf die grundlegenden Prinzipien der Rechtsordnung bezogen werden kann.188 Zu diesen gehört im Privat181  RGBl. 1910, S.  7 75; dazu Nörr, ZSR-GA 108 (1991), 347 ff., insb. S.  355; Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 181. 182  So bereits RG v. 4.2.1897 – VI 307/96, RGZ 38, 155, 158; siehe zur folgenden Rechtsprechung des RG R. Schröder, Entwicklung des Kartellrechts und des kollektiven Arbeitsrechts, S.  185 ff.; Böhm, Die Justiz III (1928), 324, 329. 183  Siehe zum Monopolmissbrauch RG v. 15.12.1933 – VII 292/33, RGZ 143, 24, 28; dazu Nörr, Zwischen den Mühlsteinen, S.  54; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  87. 184  Liefmann, Kartelle und Trusts, S.  11. Hiervon zu unterscheiden war die Frage, ob die „Monopoltendenz“ zum Tatbestand gegen Kartelle gehört; dazu bereits Hempfing, Die Kartellverordnung, §  1 KartellVO I. a.). Aus heutiger Sicht ist dies eine Frage der Interpretation der Merkmale „bezweckte“ und „bewirkte“ Wettbewerbsbeschränkung. 185  Siehe schon RG v. 11.2.1888 – I 380/87, RGZ 20, 115. 186  Nörr, Republik der Wirtschaft, Teil 2, S.  82 mit Fn.  35. 187 Vgl. Nörr, in: FS Gernhuber, 1993, S.  919 ff. 188 Vgl. die Protokolle, S.   123; dazu Säcker, Gruppenautonomie, S.  212 ff.; aus heutiger Sicht MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  12; Mohr, WuW 2011, 112 ff.

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Teil 3:  Vertragstheorien

recht insbesondere der Schutz der Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer. Folglich wurde die Streichung der Ordre-public-Klausel in §  138 BGB vor allem damit begründet, dass ein die Gewerbefreiheit beeinträchtigender Vertrag wie ein vertragliches Wettbewerbsverbot „zumeist schon nach seinem Inhalt sittenwidrig“ sei.189 In dieser Formulierung kam durchaus der Wille des historischen Gesetzgebers zum Ausdruck, Rechtsgeschäften die Gültigkeit zu versagen, die gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung wie die Gewerbe- bzw. Berufsfreiheit verstoßen.190 Eingriffe in die subjektive Gewerbefreiheit sollten allerdings differenziert anhand der bis dato ergangenen Rechtsprechung des RG zu ancillarischen Konkurrenzklauseln behandelt werden.191 Das Problem lag nun darin, dass diese Rechtsprechung von grundlegenden Missverständnissen über das Verhältnis von Vertrags- und Gewerbe- bzw. Wettbewerbsfreiheit geprägt war, welche die Diskussion lange Zeit geprägt und für dogmatische Verwirrung gesorgt haben.192 Hierauf ist in unserer Untersuchung aber nicht im Detail einzugehen.193 d) Ökonomische und rechtspolitische Gründe für die positive Bewertung wirtschaftlicher Macht Zusammenfassend lassen sich mehrere Ursachen dafür ausmachen, dass das RG einer Kartellierung der Wirtschaft grundsätzlich positiv gegenüberstand und nur offenkundig negative Auswüchse wie einen Missbrauch von Marktmacht bei Gütern der Daseinsvorsorge unterband: 194 Zum Ersten entsprach es einer damals vorherrschenden, nach heutiger Erfahrung unzutreffenden Lehre der Nationalökonomie, dass Kartelle einen historisch zwangsläufigen Übergang zu einer neuen, höheren Stufe der Wirtschaft beförderten.195 Selbst wenn das RG somit die wirtschaftliche Selbstbestimmung der von der Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Marktteilnehmer in seine Erwägungen mit einbezogen haben sollte, hat es die vermeintlich gesamtwirtschaftlich vorteilhaften Effizienz­ wirkungen von Kartellen als vorrangig angesehen. Zum Zweiten herrschte in der Gesellschaft damals eine kollektivistisch geprägte Grundanschauung vor (die sog. „Gemeinwirtschaft“196), die der wirtschaftlichen Tätigkeit von Organisationen einen „höheren Grad von Sittlichkeit“ gegenüber der189 

Protokolle, Bd. 1. S.  124. Siehe den Bericht der Reichstagskommission über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches und Einführungsgesetzes, 1886, S.  41 f.; zitiert nach Säcker, Gruppenautonomie, S.  213 f. 191 Dazu Nörr, in: FS Gernhuber, 1993, S.  919, 920 f. m. w. N. 192  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  17 mit Fn.  30. 193  Vgl. weiterführend Mohr, WuW 2011, 112, 117 ff. 194 Dazu Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  27 ff. 195  Krit. auch Mestmäcker, RabelsZ 60 (1996), 58, 62. 196  Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 200, wonach „gemeinwirtschaftliche Vorstellungen“ ein Kontinuum in der deutschen Geschichte seien. 190 

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jenigen der Individuen attestierte.197 Demgemäß sollte durch eine „rationale Organisation“ die „Anarchie des Marktes“ und damit zugleich die dominierende Rolle des Privatrechts überwunden werden.198 Zum Dritten fielen Kartelle in eine zeitliche Periode staatlicher Machtpolitik, weshalb sie zur Ausweitung der wirtschaftlichen Machtsphäre im Wettstreit der Nationen um die zunehmend in den Blick rückenden Weltmärkte eingesetzt werden sollten.199 Viertens ist in zeitlichem Zusammenhang mit dem Siegeszug der Kartelle ein Rückzug des Rechtsgedankens zu Gunsten einer Betonung des Zweckhaften und des Interessenaspekts zu beobachten, wie er vielleicht auch für den Utilitarismus prägend war.200 Auch vor diesem Hintergrund sprach man dem ökonomischen Nutzen von Kartellen eine größere Bedeutung zu als dem Schutz der individuellen Rechte der von einem Kartell negativ betroffenen Wettbewerber und Verbraucher. Parallelen zur heute geführten Diskussion um die Schutzzwecke des Kartellrechts, in der „das politische und ökonomische Denken mit ihrer Übermacht das Rechtsdenken immer mehr beiseite drängen“ (Rittner),201 sind nicht gänzlich fernliegend. Dasselbe gilt für die Beschränkung subjektiver Rechte der von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen aus Gründen der vermeintlich größeren Effizienz staatlicher Rechtsdurchsetzung.202 2. Die Kartellverordnung des Jahres 1923 und ihre Rezeption in der Rechtsprechung a) Statuierung einer Ex-post-Missbrauchskontrolle Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurden bereits vor der „Kriegswirtschaft“ aufgenommene Überlegungen wiederbelebt, die deutsche Wirtschaft als eine „Gemeinwirtschaft“ zu organisieren, im Sinne eines „dritten Weges zwischen eigentumsrechtlicher Sozialisierung und Kapitalismus“.203 Ein wesentlicher Gesichtspunkt dieser Konzeption war die Ablehnung eines auf wirtschaftlicher Selbstbestimmung beruhenden Wirtschaftssystems.204 Die Idee der Gemeinwirtschaft setzte sich im politischen Diskurs – mit Ausnahme der Kaliwirtschaft – letztlich nicht durch. Die gemeinwirtschaftliche Organisa­tion von

197 Vgl.

Richter, Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914, S.  102 ff. So die Bewertung von Mestmäcker, RabelsZ 60 (1996), 58, 61. 199  Richter, Wirkungsgeschichte des deutschen Kartellrechts vor 1914, S.  107. 200  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  29 f. 201  Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 200. 202 So K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 188. 203  Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 182. 204  Von Moellendorf, Deutsche Gemeinwirtschaft, 1916, S.  4 4 und öfter. 198 

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Teil 3:  Vertragstheorien

Wirtschaftszweigen auch durch Kartelle und Syndikate205 wurde jedoch durch Art.  156 Abs.  2 WRV mittelbar verfassungsrechtlich legitimiert.206 Nachdem der Gesetzgeber im Ersten Weltkrieg Kartelle sogar als Lenkungsinstrumente der staatlichen Kriegsbewirtschaftung benutzt (Rathenau) und ihnen damit eine „integrierende wirtschaftspolitische Funktion“ zugesprochen hatte, 207 änderte sich in der Weimarer Zeit an der grundsätzlich positiven Beurteilung von Kartellen und damit verbunden an der Hinnahme privater wirtschaftlicher Machtpositionen zunächst nichts Wesentliches.208 Allerdings zeigten sich seit der Inflationszeit der Jahre 1922 und 1923 deutlich negative Auswirkungen wirtschaftlicher Machtgebilde auf die deutsche Volkswirtschaft.209 Auf den dadurch hervorgerufenen politischen Druck reagierte der Gesetzgeber mit der Verordnung gegen Missbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen („Kartellverordnung“ bzw. KartellVO) des Jahres 1923.210 Dieser Missbrauch manifestierte sich nach damals vorherrschender Ansicht vor allem in wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen.211 Die KartellVO war damit – trotz ihrer aus heutiger Sicht wohl allgemein konsentierten inhaltlichen Unzulänglichkeiten – das „first European competition law“.212 Der Gesetzgeber erachtete den spezifischen Regelungsbedarf von Kartellen in ihrem „Monopolcharakter“, also im Erlangen einer wirtschaftlichen Machtposition, 213 die es erlaubt, sich gegenüber den Wettbewerbern und der Marktgegenseite in nennenswerter Weise unabhängig zu verhalten. Gleichwohl untersagte er Kartelle nicht ex ante (§  1 KartellVO), sondern verlieh den Kartellgerichten lediglich die Befugnis, Kartellverträge bei Gefährdung des Gemeinwohls oder der Gesamtwirtschaft – also nicht zum Schutz der individuellen wirtschaftlichen Selbstbestimmung – ex post für unwirksam zu erklären (§  4 Abs.  1 Nr.  1 KartellVO).214 Die KartellVO beschränkte sich somit auf eine Missbrauchskontrolle, die zudem die Kartellvereinbarung selbst und nicht deren negative Drittwirkungen auf andere Markt205  Ein Syndikat ist ein Kartell, bei dem die Verpflichtung der Vertragsbeteiligten durch gemeinsame Organisation (z. B. für den Einkauf oder für den Absatz) abgesichert ist; vgl. Gabler, Wirtschaftslexikon, Stichwort: Syndikat. 206  Die Norm ist abgedruckt bei Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  48. 207  Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.   545; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  22. 208  Nörr, in: FS Gernhuber, 1993, S.  919, 928 ff.; ders., Leiden des Privatrechts, S.  31 ff. 209  Günther, in: FS Böhm, 1975, S.  183 f.; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  23; Basedow, WuW 2008, 170, 171. 210 Verordnung gegen den Missbrauch privater Machtstellungen vom 2.11.1923, RGBl. 1923 I, 1067 ff. und 1090. Zur Auslegung kann auch auf die als Pressemitteilung veröffentlichte amtliche Begründung abgestellt werden, abgedruckt in Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  56 f. mit Fn.  83, sowie bei Haußmann/Hollaender, Kartellverordnung, S.  7 f. 211  Lukes, Kartellvertrag, S.  62. 212 So Gerber, in: FS Fikentscher, 1998, S.  654, 655 [im Org. ist competition law in Anführungszeichen gesetzt]. 213  Lukes, Kartellvertrag, S.  67 f. 214  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  23.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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teilnehmer in den Blick nahm. Damit einher ging eine teleologisch nicht gerechtfertigte Verengung des Kartellbegriffs, 215 die in ähnlicher Form in den ersten Jahren des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen unter der Überschrift „Gegenstandstheorie“ eine Renaissance feierte.216 Vergleichbare Eingriffsbefugnisse wie bei Kartellen sah die KartellVO für unilaterale Wettbewerbsbeschränkungen vor (§  10 KartellVO). Auch hier ging es jedoch nicht um den Schutz vor unangemessenen Drittwirkungen, 217 sondern um gesamtgesellschaftlich negative Auswirkungen. Sowohl die Kartell- als auch die Missbrauchskontrolle blieben in der Rechtswirklichkeit aber ohne größere Wirkungen, schon weil zur Rechtsverfolgung ein Antrag des Reichswirtschaftsministers an das Kartellgericht erforderlich war.218 Eine gewisse praktische Bedeutung erlangte immerhin der gegen den „inneren Kartellzwang“ gerichtete §  8 KartellVO, wonach Kartellbeteiligte die Vereinbarung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündigen konnten.219 Aus heutiger Sicht wird diese Problematik bereits durch die Unwirksamkeit von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen behoben. Darüber hinaus ermöglichten die §§  10, 4 Abs.  2 KartellVO eine Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen, sofern diese dazu geeignet waren, „unter Ausnützung einer wirtschaftlichen Machtstellung die Gesamtwirtschaft oder das Gemeinwohl zu gefährden“.220 Da die KartellVO wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nicht per se untersagte, sondern lediglich eine Ex-post-Missbrauchskontrolle statuierte, 221 schützte sie die materiale Vertrags- und die Gewerbefreiheit der Marktbeteiligten aus heutiger Sicht nicht ausreichend.222 Aus wettbewerbspolitischer Sicht brachte sie gleichwohl einen nicht zu unterschätzenden Fortschritt, da sie erstmals eine spezialgesetzliche Ausgestaltung einer wettbewerblichen Marktordnung enthielt. Auch adressierte die KartellVO erstmalig den Organisationszwang von Kartellen und ebnete damit den Weg zur dogmatischen Differenzierung zwischen individueller und kollektiver Vertragsfreiheit.223 215 

Lukes, Kartellvertrag, S.  117. BGH v. 17.12.1970 – KRB 1/70, WuW/E BGH, 1147, 1153; vgl. Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 794. 217  So die heutige Diktion. 218  Die KartellVO gewährte den von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Marktteilnehmern keine eigenen subjektiven Klage- bzw. Antragsrechte; diese hatten nur dann ein subsidiäres Antragsrecht, wenn die zuständigen Behörden untätig blieben (§  4 KartellVO). Vgl. Günther, in: FS Böhm, 1975, S.  185; Basedow, WuW 2008, 170, 171; Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 183. 219  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  23. 220  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  62; siehe bereits Böhm, Die Justiz III (1928), 324, 325. 221  Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im rechtspolitischen Diskurs die Ansicht vertreten, eine Missbrauchsaufsicht über Kartelle vergleichbar der Rechtslage nach der KartellVO sei ausreichend; vgl. Mestmäcker, WuW 2008, 6, 9. 222 Ebenso Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  58 f.; siehe auch S.  6 4. 223  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  65. 216 

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Teil 3:  Vertragstheorien

b) Die „Benrather-Tankstellen-Entscheidung“ des Reichsgerichts Die KartellVO konnte die Anwendung des §  138 Abs.  1 BGB nicht verdrängen, weil sie formen- und nicht handlungsorientiert verfasst war. Es hätte deshalb aus zivilistischer Sicht nahegelegen, wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen über §  138 Abs.  1 BGB für unwirksam zu erklären. Das RG nahm jedoch auch den Erlass der KartellVO nicht zum Anlass, von seiner grundsätzlich positiven Beurteilung von Marktmacht abzurücken.224 Hierfür hätte es sich zum einen auf die Wertungen des Art.  151 Abs.  3 WRV berufen können, der erstmals ein Grundrecht auf Gewerbefreiheit verbürgte.225 Zum anderen hätte es die KartellVO auch als Kritik des Gesetzgebers an der aus dessen Sicht zu nachsichtigen Rechtsprechung verstehen können.226 Erst durch die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 wurde das RG zu einem gewissen Richtungswechsel veranlasst, soweit es um Fälle der Kampfpreisunterbietung („predatory pricing“) ging, in heutiger Terminologie also um die missbräuchliche Behinderung der Wettbewerbschancen von Wettbewerbern („Behinderungsmissbrauch“).227 Richtungsweisend war der „Benrather Tankstellenfall“ des Jahres 1931, 228 in dem sich das RG auf das rechtliche Prinzip des Behinderungswettbewerbs als Gegenbegriff zum Leistungswettbewerb berief, um eine wettbewerbsbeschränkende Abrede von Mineralöllieferanten und gebundenen Tankstellen, eine sog. Benzinkonvention, zu verbieten. Obwohl es sich bei der Benzinkonvention um ein Kartell handelte, wurde dieses nicht vom formalen Kartellbegriff der KartellVO erfasst, da sich die Mitglieder „lediglich“ verabredet hatten, sich von Fall zu Fall abzustimmen.229 Darüber hinaus wurde die Benzinkonvention während des Rechtsstreits aufgelöst; die Mitglieder vereinbarten aber, sich über Preisveränderungen zu informieren.230 Selbst eine Subsumtion unter den Kartellbegriff der KartellVO hätte diesen Informationsaustausch nicht unterbunden, da die Preisunterbietung nach der Rechtsprechung des RG nicht der Präventivkontrolle des §  9 KartellVO unterlag.231 Der Fall war deshalb nur mit den Mitteln des Privatrechts zu lösen. Vorliegend blicken wir auf §  138 Abs.  1 BGB. Das RG erachtete in einem fortgesetzten Preisunterbieten allein noch kein rechtswidriges Mittel, da damit nur erreicht werden solle, dass der betroffene 224 

Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  84 ff. Peukert, Güterzuordnung, S.  257 mit Fn.  87. 226  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  93. 227  Zur Abgrenzung zwischen Ausbeutungs- und Behinderungsmissbrauch siehe Teil 5 C. III. 1. 228  RG v. 18.12.1931 – II 514/30, RGZ 134, 342 ff.; Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 183. 229  Derartig „abgestimmte Verhaltensweisen“ werden heute vom Tatbestand des Art.  101 AEUV bzw. des §  1 GWB erfasst; siehe statt anderer Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  92 ff. 230 Zur Unzulässigkeit identifizierender, gegen das „Selbstständigkeitspostulat“ verstoßender Preis- und Marktinformationssysteme Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 399. 231  Siehe dazu RG v. 9.1.1928 – VI 120/27, RGZ 119, 366, 369. 225 

B. Geltungsgründe des Vertrages

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Außenseiter seine Preise an diejenigen der Konvention angleiche. Hierin liege „keine Absicht zur Existenzvernichtung“. Dass dessen Freiheit zur Preisfestsetzung als selbstständiger Kaufmann aufgehoben werde, sei „in der jetzigen Zeit der Verbände, Tarifverträge und dergleichen“ hinzunehmen. Selbst das Ziel der Schaffung einer Monopolstellung, aus heutiger Sicht also eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im engeren Sinne, erachtete das RG nicht als sittenwidrig. Wenn es die Handlungen der Benzinkonvention gleichwohl für unwirksam erklären wollte, musste es somit auf einen anderen Maßstab zurückgreifen. Es fand diesen in dem von Hans Carl Nipperdey – wenn auch mit anderem Zweck: Nipperdey war im Verfahren als Gutachter für die Konvention tätig – herausgearbeiteten Maßstab des (Nicht-)Leistungswettbewerbs. 232 In diesem Zusammenhang stellte das RG überzeugend auf das nicht hinzunehmende Machtgefälle zwischen dem Verband und dem einzelnen Außenseiter ab, ohne das Spannungsverhältnis zu seinen vorherigen, die individuelle wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen faktisch negierenden Ausführungen aufzulösen.233 Im Ergebnis legte das RG den Begriff der guten Sitten im Sinne eines wirtschaftlichen Ordre-public-Vorbehalts aus, indem es ein Verhalten für unwirksam erklärte, weil es gegen die grundlegenden Prinzipien der Wirtschaftsordnung verstoßen hatte.234 Wie wir noch sehen werden, ist dieser Gedanke auch heute noch fruchtbar, da er für einen Gleichklang der Wertungsmaßstäbe zwischen Wettbewerbsund Regulierungsrecht auf der einen Seite und dem allgemeinen Privatrecht auf der anderen Seite streitet. 3. Die Kontrolle einseitiger Vertragsgestaltungsmacht über §  315 BGB Neben §  138 BGB zeigte sich früh, dass auch §  315 BGB zur Inhaltskontrolle von Preisen verwendet werden kann. Nach allgemeinem Schuldrecht kann nur eine bestimmte oder bestimmbare Leistung Gegenstand einer rechtlichen Verpflichtung sein.235 Eine Leistung ist nach den gesetzlichen Vorgaben aber schon dann ausreichend bestimmbar, wenn einer Partei vertraglich das Recht zur Bestimmung der Leistung (§  315 BGB) oder der Gegenleistung (§  316 BGB) eingeräumt wurde.236 Diese Vorschriften haben somit die wichtige Funktion, die Einhaltung des vertragsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes zu ermöglichen, auch wenn sich die Parteien etwa bei einem langfristigen Liefervertrag über

232 

Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung, S.  16 ff. Nörr, in: FS Gernhuber, 1993, S.  919, 936 f. 234  Teubner, Standards und Direktiven, S.  38. 235  Vgl. MünchKommBGB/H. P. Westermann, §  433 BGB Rn.  19. 236  RG v. 14.11.1911 – 151/11, JW 1912, 73; Staudinger/Mayer-Maly, 12.  Aufl. 1979, §  315 BGB Rn.  2 ; Ehricke, JZ 2005, 599, 600; Jauernig/Berger, §  433 BGB Rn.  16. 233 

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Teil 3:  Vertragstheorien

den genauen Inhalt einer Leistungspflicht noch nicht einigen wollten oder konnten.237 Nach §  315 Abs.  1 BGB ist, sofern eine Leistung durch einen der Vertragschließenden bestimmt werden soll, im Zweifel anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist.238 In diesem Fall ist die Bestimmung für den Vertragspartner gem. §  315 Abs.  3 Satz 1 BGB nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspricht.239 Ansonsten wird die Bestimmung – dies ist die Kernaussage der Norm – nach §  315 Abs.  3 Satz 2 BGB durch richterliches Urteil getroffen. Hat sich also eine Vertragspartei vertraglich einem unilateralen Leistungsbestimmungsrecht durch die andere Vertragspartei unterworfen, sieht §  315 Abs.  3 Satz 2 BGB zur Kompensation der fehlenden Zustimmung des Vertragspartners zum späteren Inhalt der Leistungsbestimmung die Möglichkeit einer gerichtlichen Billigkeitskontrolle vor.240 §  315 Abs.  3 BGB trägt damit nach heutigem Verständnis dem Umstand Rechnung, dass die „Richtigkeits­ chance des vertraglichen Einigungsprozesses“241 gestört ist, wenn eine Partei ein vertraglich eingeräumtes Recht zur Bestimmung des Inhalts von Vertragspflichten hat, da hier der Verhandlungsmechanismus rechtlich aufgehoben ist.242 Unter den unmittelbaren Anwendungsbereich des §  315 BGB fallen alle Arten von – nicht automatisch wirkenden 243 – vertraglich vereinbarten Preisklauseln,244 etwa wenn der Verkäufer den Verkaufspreis so zu bestimmen hat, dass er mit dem jeweiligen Marktpreis und der jeweiligen Wirtschaftslage übereinstimmt.245 Ein spezifisch wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen den Parteien ist für die Kontrolle der Ausübung eines vertraglich eingeräumten Leistungsbestimmungsrechts nach §  315 Abs.  3 Satz 2 BGB also nicht notwendig.246 Anders ist dies für die sogleich zu besprechende analoge Anwendung des §  315 BGB auf marktmächtige Stellungen („Monopole“). Ratio legis des §  315 BGB ist also die Behebung des durch eine einseitige Inhaltsbestimmung ausgelösten rechtlichen Ungleichgewichts, da dieses dem ver237 

BGH v. 2.4.1964 – KZR 10/62, BGHZ 41, 271, 275; Säcker, RdE 2006, 65, 69. Kühne, RdE 2005, 241. 239  Eigentlich wiederholt diese Norm nur den Grundsatz des §  315 Abs.  1 BGB. 240  Säcker, RdE 2006, 65, 68; Staudinger/Rieble, §  315 BGB Rn.  32; Erman/Hager, §  315 BGB Rn.  1; MünchKommBGB/Würdinger, §  315 BGB Rn.  4. 241  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 und 163; ders., in: FS Raiser, 1974, S.  3, 9 f. 242  Säcker, RdE 2006, 65, 68. 243  In diesem Fall liegt zwar eine vertragliche Regelung vor. Sie gewährt jedoch kein einseitiges Preisbestimmungsrecht. Dieses ist vielmehr bereits im Vertrag angelegt; Kühne, RdE 2005, 241, 242. 244  BGH v. 4.3.2008 – KZR 29/06, NJW 2008, 2175 – Stromnetznutzungsentgelt III; Markert, ZNER 2009, 193, 198. 245  Sog. Preis-freibleibend-Klauseln, vgl. BGH v. 4.4.1951 – II ZR 52/50, BGHZ 1, 353, 354; Säcker, RdE 2006, 65, 69; MünchKommBGB/Würdinger, §  315 BGB Rn.  12. 246  Säcker, ZWeR 2008, 348, 358; für eine – nach dem Normzweck nicht begründbare – teleologische Reduktion des §  315 BGB Ehricke, JZ 2005, 599 ff.; Kühne, RdE 2005, 241 ff. 238 Vgl.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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traglichen Konsensprinzip widerspricht. Nach dem Konsensgrundsatz müssen die Vertragsparteien die „essentialia negotii“ wie den Preis gemeinsam festlegen.247 Ausgehend von diesem Zweck haben Rechtsprechung und Literatur §  315 BGB in analoger Anwendung auf Fallgestaltungen erstreckt, bei denen eine Vertragspartei als Folge einer „Monopolstellung“248 zwar keine rechtliche, aber eine faktisch-wirtschaftliche Bestimmungsmacht bei privatrechtlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge innehat; 249 denn in beiden Fallgestaltungen geht es letztlich um die Kontrolle von privaten Machtpositionen, seien sie vertraglich eingeräumt oder faktisch begründet.250 Die analoge Anwendung des §  315 Abs.  3 Satz 2 BGB hat ihren Ursprung in der Rechtsprechung des RG zum Monopolmissbrauch durch unbillige AGB gem. §  138 Abs.  1 BGB251 und hat die Judikatur des BGH noch bis zum Jahr 1956 geprägt.252 4. Die „Krise des Vertragsrechts“ – am Beispiel allgemeiner Geschäftsbedingungen Wie wir zuvor gesehen haben, reichten die §§  138, 242 BGB in ihrer restriktiven Interpretation durch die Rechtsprechung nicht aus, um eine adäquate Inhaltskontrolle wirtschaftlicher Machtpositionen zu begründen. Es hätte deshalb nahegelegen, sich auf die inneren Geltungsgründe des Vertrages zu besinnen, wie sie in einem modernen Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen und dessen spezifischer Ausprägung der wettbewerbsanalogen Regulierung der Netzwirtschaften zum Ausdruck kommen. Demgegenüber nahmen Teile des Schrifttums die offenkundigen Defizite des Privatrechts im Umgang mit wirtschaftlicher Macht zum Anlass, die Grundprämissen eines freiheitlichen Vertragsrechts insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Als Bezeichnung für das gewandelte Verständnis der Vertragsfreiheit etablierte sich der Terminus „Krise des libera247 

Säcker, ZWeR 2008, 348, 358. genügt eine marktmächtige Stellung, ein Monopol ist – insoweit in Übereinstimmung mit den Wertungen des heutigen Wettbewerbs- und Regulierungsrechts – nicht erforderlich; vgl. RG v. 8.11.1926 – I 154/26, RGZ 115, 218, 220; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  87. 249  Vgl. RG v. 29.9.1929 – VI 182/85, RGZ 111, 310, 313; BGH v. 19.12.1978 – VI ZR 43/77, BGHZ 73, 114, 116; BGH v. 10.10.1991 – III ZR 100/90, NJW 1992, 171, 174; BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 36/06, NJW 2007, 2540 Rn.  33 (für den Bereich der Gasversorgung); BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 (Entgelte für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur) mit Anm. Otte, LMK 2012, 327729; siehe auch Büdenbender, Fernwärmepreise, S.  13; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 141: „objektive, (wettbewerbs)systemordnende Funktion der Billigkeitskontrolle“. 250  Vgl. auch BerlKommEnR/Mohr, §  29 GWB Rn.  34. 251  RG v. 8.1.1906 – I 320/05, RGZ 62, 264, 266. 252  Siehe implizit noch BGH v. 8.3.1955 – I ZR 109/53, BGHZ 17, 1, 5; das Monopolkriterium wurde erst aufgegeben durch BGH v. 6.3.1956 – I ZR 154/54, BGHZ 20, 164, 167 f.; vgl. auch Säcker, ZWeR 2008, 348, 358 mit Fn.  77. 248  Es

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Teil 3:  Vertragstheorien

len Vertragsrechts“.253 Diese Bewegung gründete auf der soziologisch zutreffenden Erkenntnis eines industrialisierungsbedingten Funktionswandels des Instituts Vertrag, weg von einem Mittel individueller Tauschbeziehungen hin zum einem standardisierten Massenvertrag.254 Das klassisch liberale BGB-Vertragsrecht war diesen neuen Problemen nicht gewachsen.255 Das Phänomen der AGB offenbarte vielmehr die Schwächen einer allein rechtlich-formal verstandenen Vertragsfreiheit, wie sie noch für das Bürgerliche Gesetzbuch des Jahres 1900 prägend war.256 Dessen klassisch liberale Sichtweise, wonach freie und unabhängige Partner selbstbestimmt den Vertragsinhalt festlegen, konnte die neu auftretenden Fragen standardisierter Massenverträge nicht sachgerecht bewältigen. So überprüfte das RG AGB mangels einer speziellen Rechtsgrundlage zunächst am Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte, bejahte einen Verstoß gegen diese Vorschrift aber erst dann, wenn der Verwender zugleich eine Monopolstellung innehatte und seinem Gegenüber ein unbilliges Opfer auferlegte.257 Aus diesem – selbstverschuldeten – Grunde wich die Rechtsprechung zur Kontrolle des Inhalts von AGB zunächst kumulativ und dann alternativ auf den Grundsatz von Treu und Glauben gem. §  242 BGB aus.258 Da auch diese Regelung als dogmatisch unbefriedigend angesehen wurde,259 schuf der Gesetzgeber 253  Reinhardt, in: FS Schmidt-Rimpler, 1957, S.  115; Kramer, Die „Krise“ des liberalen Vertragsdenkens, 1974. 254  Denkinger, AGB, S.  18; Reichold, JJZ 1992, S.  63, 73. 255 Siehe Singer, JZ 1995, 1133, 1137. 256  Limbach, JuS 1985, 11; Denkinger, AGB, S.  18; MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  35 a. E. 257  Siehe – noch vor Inkrafttreten des BGB – RG v. 11.2.1888 – I 380/87, RGZ 20, 115, 117; vgl. später auch RG v. 8.1.1906 – I 320/05, RGZ 62, 264, 266. Vereinzelt finden sich Urteile des RG, die eine Sittenwidrigkeit von AGB ohne Monopolstellung behandeln, vgl. die Zusammenstellung bei Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  302 ff. (insb. S.  304 Fn.  6); zur Rechtsprechung des BGH auch Biedenkopf, in: FS Böhm 1965, S.  113, 124. 258  RG v. 14.8.1941 – II 49/41, RGZ 168, 321, 329; siehe sodann etwa BGH v. 29.10.1956 – II ZR 79/55, BGHZ 22, 90, 94, 97; weitere Nachweise bei Säcker, Gruppenautonomie, S.  203 in Fn.  5. Das 1958 in Kraft getretene GWB bot keine zureichende Alternative, schon weil die Tatbestände gegen Kartellbildung und gegen den Missbrauch von Marktmacht von der damals herrschenden Ansicht nicht als Verbotsgesetze anerkannt waren; vgl. Säcker, a. a. O., S.  202 f. in Fn.  4 a. E. 259  Im Schrifttum wird dies damit begründet, dass §  242 BGB eine Innenschranke der Vertragsfreiheit und die Monopolkontrolle eine Außenschranke sei (Säcker, Gruppenautonomie, S.  203; ders., ZWeR 2008, 348, 358). Das ist m. E. nur dann überzeugend, wenn man auf die überindividuell-objektiven Zwecke des Wettbewerbsrechts blickt, wie sie heute in Art.  101 Abs.  3 AEUV zum Ausdruck kommen. Demgegenüber bezieht sich die Sicherung der materialen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV auf die Innenschranken der Vertragsfreiheit. Vergleichbares gilt für eine Monopolkontrolle, weshalb es auch hier darauf ankommt, ob die individuellen oder die überindividuellen Gesichtspunkte der Wettbewerbsvorschriften zum Tragen kommen. Siehe auch MünchKommBGB/Roth/ Schubert, §  242 BGB Rn.  470, die darauf hinweisen, dass sich die Inhaltskontrolle des §  307 BGB aus §  242 BGB entwickelt habe, weshalb sich die inhaltlichen Maßstäbe nicht unterschieden.

B. Geltungsgründe des Vertrages

163

im Jahr 1976 ein spezielles AGB-Gesetz. Dieses lenkte die Aufmerksamkeit vom Aushandeln des Vertrages auch auf die Überprüfung seines Ergebnisses im Hinblick auf einen angemessenen Interessenausgleich.260 Bis zum Erlass des AGB-Gesetzes diente das Phänomen der AGB Kritikern eines freiheitlichen Privatrechts dazu, einer grundlegenden Revision der inneren Geltungsgründe des Vertrages das Wort zu reden. So mahnte etwa Ludwig Raiser im Jahr 1935 an, dass der Gedanke des Monopolmissbrauchs – im Ausgangspunkt durchaus überzeugend – durch denjenigen des Missbrauchs der Vertragsfreiheit ersetzt werden müsse.261 Allerdings kann die von Raiser gegebene Begründung aus Sicht eines der Idee der Selbstbestimmung verpflichteten Privatrechts nicht überzeugen: Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Kunde aufgrund einer Monopolstellung des die AGB verwendenden Unternehmens keine Ausweichmöglichkeiten habe, oder ob er sich aus sonstigen Gründen auf die ungünstigen Vertragsinhalte eingelassen habe. Es komme nicht auf die unterschiedliche Schutzwürdigkeit des Kunden an, sondern auf eine „Überschreitung der im Gemeininteresse gezogenen Schranken der Vertragsfreiheit“, also auf „das Wohl der Gesamtheit“.262 Eine solche Sichtweise erkennt im Vertrag letztlich kein Mittel zum individuellen Interessenausgleich, sondern ein solches zur staatlich-objektiven Steuerung privater Tauschbeziehungen.

IV. Der Vertrag als Mittel einer gesellschaftlich richtigen Ordnung? Anknüpfend an die vorstehend geschilderte „Krise des liberalen Vertragsrechts“ kamen gegen Ende der 1960er-Jahre vermehrt Stimmen auf, die einer wettbewerblichen Marktordnung aus grundsätzlichen Erwägungen skeptisch gegenüberstanden. 1. „Sozialautonomie“ statt „Privatautonomie“ Trotz der unbestreitbaren Fortschritte bei der Bekämpfung wirtschaftlicher Machtpositionen, wie sie im GWB des Jahres 1958 und in den Wettbewerbsvor260  Limbach, JuS 1985, S.  11; Denkinger, AGB, S.  20. Nach der Konzeption von M. Wolf (Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S.   125 ff.) ist die unangemessene Vertragsbe­ dingungen bewirkende wirtschaftliche Übermacht nicht erst bei der Inhaltskontrolle des Rechtsgeschäfts, sondern bereits bei der Frage zu berücksichtigen, ob über die jeweiligen Vertragsbestandteile eine verbindliche Regelung vorliege. Aus diesem Grunde sei die effektive Entscheidungsfreiheit über die Prüfung einer „wirtschaftlichen Geschäftsfähigkeit“ in Erweiterung der §§  2, 116 ff. BGB festzustellen. Dagegen Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  40; siehe zur Notwendigkeit formaler Gesichtspunkte beim Vertragsschluss auch Stathopoulos, AcP 194 (1994), S.  543, 553. 261  Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  283; krit. auch Biedenkopf, in: FS Böhm 1965, S.  113, 124. 262  Raiser, Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  284.

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Teil 3:  Vertragstheorien

schriften der Europäischen Verträge263 ihren Ausdruck fanden, wurde dem Bürgerlichen Recht gegen Ende der 1960er Jahre verstärkt vorgehalten, dass es die gesellschaftlichen Realitäten grundlegend verkenne.264 Diese Sichtweise wurde getragen von einer tiefen Skepsis gegenüber einer selbstständigen Wirtschaftsregulierung durch die „unsichtbare Hand des Marktes“ (Smith) und damit gegenüber einer wettbewerblich organisierten Marktwirtschaft überhaupt: In der Rechtswirklichkeit seien weder die ideell vorausgesetzte Gleichheit der Rechtsgenossen, noch eine Selbstregulierung der Konditionen durch vollständige Konkurrenz auf den Gütermärkten, noch eine volle Markttransparenz zu finden.265 Eine ideelle rechtliche Gleichheit insinuiere aber eine annähernd gleiche Mächtigkeit der Marktsubjekte, die wegen der höchst unterschiedlichen Zuordnung privaten Vermögens niemals vorhanden gewesen sei.266 Darüber hinaus sei die ökonomische Idealvorstellung vollständiger Konkurrenz, wie sie noch dem frühen Ordoliberalismus ebenso wie dem GWB von 1958 zugrunde gelegen hat, 267 längst einer tatsächlichen Marktverfassung gewichen, die sich in vielen Bereichen durch oligopolistische, wenn nicht gar durch monopolistische Strukturen auszeichne.268 Selbst ein breit gefächertes Produktangebot auf annähernd vollkommenen Märkten könne jedenfalls die Markttransparenz beeinträchtigen und damit einen besonderen Informationsbedarf der Verbraucher begründen.269 Schließlich sei die Wirtschaft schon lange keine „private Veranstaltung“ mehr, sondern durch vielfältige Beteiligungen des Staates zu einer „mixed economy“ geworden, die sich verfälschend auf den Gütermarkt auswirke.270 Die vorstehenden Beobachtungen der wirtschaftlichen Realitäten sind durchaus nachvollziehbar. Die Schlussfolgerungen können in einem auf dem Primat der Selbstbestimmung gründenden Privatrecht jedoch nicht überzeugen. Ausgehend von den vorstehend geschilderten Beobachtungen forderten Teile des Schrifttums gegen Ende der 1960er-Jahre verstärkt eine paternalistische, die geschützte Partei nicht nur vor dem Kontrahenten, sondern auch vor sich selbst bewahrende Vertragskontrolle.271 Sie stützten sich dafür auf Konzepte materia263  Vgl. zu den Zielen des frühen europäischen Wettbewerbsrechts Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 409; Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 15; ausführlich zur Genese Küsters, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, S.  135 ff. 264 Grundlegend Wiethölter, Rechtswissenschaft, S.  165 ff.; siehe auch Mückenberger, KJ 1971, 248 ff.; dazu Mohr, AcP 204 (2004), 660, 664 ff. m. w. N. 265  Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S.   621; siehe auch Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  38. 266  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1 AT, S.  3 f. 267  Siehe Teil 4 D. I. 2. 268  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1 AT, S.  4. 269  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1 AT, S.  4. 270  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1 AT, S.  5 ; ausführlich Assmann, Mixed economy, insb. S.  229 ff. 271  Zum Folgenden vgl. auch Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1192; monographisch Enderlein, Rechtspaternalismus und Vertragsrecht.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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ler Vertragsethik, die nicht das Verfahren des Vertragsschlusses (etwa durch Statuierung von Informationspflichten), sondern unmittelbar den Inhalt des Vertrages in den Blick nahmen, um auf diesem Wege einen „sozialen Ausgleich“272 bzw. eine „vertragliche Solidarität“273 zu erzielen. An Stelle der Privatautonomie sollte – mit einer bekannten Formulierung von Eike Schmidt aus dem Jahr 1980 – eine „Sozialautonomie“ treten.274 Aus gesellschaftlich-politischer Sicht ist dabei bemerkenswert, dass sich in der Kritik am Bürgerlichen Recht – wie schon bezüglich des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 – Vertreter unterschiedlichster Provenienz vereinten.275 Ihnen allen gemein war die Ablehnung des Grundsatzes „stat pro ratione voluntas“, der durch die Maxime „stat pro voluntate ratio“ ersetzt werden sollte.276 Die Kritik am formal-liberalen Rechtsparadigma wird zuweilen mit dem Ausdruck „the haves come out ahead“ beschrieben: 277 Eine formale Gleichberechtigung reproduziere im Ergebnis lediglich die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, solange nicht auch die faktischen Voraussetzungen für die Ausübung gleichen Rechts garantiert seien.278 Mit dem individualistischen Instrumentarium des ursprünglichen Bürgerlichen Gesetzbuchs seien die Probleme einer modernen Gesellschaft mit ihren ökonomischen, sozialen und technischen Zwängen und Veränderungen nicht zu bewältigen.279 Hieraus folge ein „Kompetenzverlust des Privatrechts“, zu Gunsten einer objektiv-gemeinwohlorientierten Steuerung.280 Die formell verstandene Vertragsfreiheit sei „ein Traumschloss, eine Utopie und keine Realität“,281 weshalb es darum gehen müsse, Kriterien und Verfahren für die Entwicklung von Vertragsgerechtigkeit aufzustellen.282 Die privatautonomieskeptische Denkrichtung der deutschen Zivilrechtslehre stützte sich in zentralen Punkten auf Arbeiten Ludwig Raisers.283 Danach solle 272 Dazu

Brox/Walker, BGB-AT, Rn.  26 und 29. Lurger, Vertragliche Solidarität, S.  128 ff. Hiernach seien Voraussetzungen für die rechtliche Anerkennung eines Vertrages die „vertragliche Gleichheit“, das „vertragliche Gleichgewicht“ und die „vertragliche Solidarität“. 274  E. Schmidt, JZ 1980, 153; dagegen etwa Reuter, AcP 189 (1989), 199, 205 ff.; Zöllner, JuS 1988, 329, 334; ders., AcP 188 (1988), 85 ff.; Reichold, JJZ 1992, S.  63, 65 ff. 275 Siehe Zöllner, JuS 1988, 329, 334, der eine „seltsame Nähe“ neolinker Konzepte zu Franz Wieacker konstatiert. 276  So der Befund von Reichold, JJZ 1992, S.  63, 64. 277  Galanter, LSR 9 (1974), 95 ff. 278  So die Zusammenfassung von Micklitz/G.-P. Calliess, Verbraucherrecht, S.  65, 70. 279  E. Schmidt, JZ 1980, 153, 155. 280  E. Schmidt, JZ 1980, 153, 155; siehe auch Großfeld, Zivilrecht als Gestaltungsaufgabe, S.  9 f.; Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.  21. 281  Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S.  10. 282  Zweigert, in: FS Rheinstein II, 1969, S.   493, 504; siehe auch Weitnauer, Schutz des Schwächeren, S.  10 f. 283  Raiser, JZ 1958, 1, 2; ders., in: FS Deutscher Juristentag, Bd. 1, 1960, S.  101 ff.; ders., Zukunft des Privatrechts. Angedeutet wird diese Konzeption schon in Raiser, ZHR 111(1948), 75, 93. 273 

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Teil 3:  Vertragstheorien

der Staat die Schwachen auch im Privatrecht schützen und hierdurch soziale Gerechtigkeit im Sinne eines sozialen Staatswesens verwirklichen.284 „Vertrag, Vertragsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit“ seien „als funktionell zusammengehörige Rechtsinstitute einer rechtlich verfassten Marktwirtschaft zu verstehen mit der Folge, dass Parteien, die von ihnen einen den Grundprinzipien der Wirtschaftsverfassung zuwiderlaufenden Gebrauch machen, dafür keinen Rechtsschutz erlangen können. Missbrauch der Vertragsfreiheit wird zum Nichtigkeitsgrund“.285 Raiser kommt damit das Verdienst zu, das Augenmerk der Rechtswissenschaft auf die Grenzen einer rein formal verstandenen Privat­ autonomie gelenkt zu haben, 286 auch wenn sein Konzept der Gerechtigkeitsfunktion des Vertrages im Einzelfall – wie noch zu zeigen ist – nicht überzeugen kann.287 So betonte Raiser etwa, dass „das auf der Trennung von Staat und Gesellschaft beruhende Modell einer strengen Zweiteilung der Rechtsordnung in die beiden je für sich geschlossenen Systeme des öffentlichen und des Privatrechts seine Geltung als Maßstab und orientierende Verständnishilfe verloren“ habe.288 Aus diesem Grunde bedürfe die von Franz Böhm entwickelte Konzeption einer „Wirtschaftsgesellschaft als herrschaftsfreier, auf Gleichordnung aller Teilnehmer beruhender Privatrechtsgesellschaft“ einer Korrektur „durch die geschichtliche Wirklichkeit und die Verfassungslage“.289 Wie wir am Beispiel des Wettbewerbs- und des Regulierungsrechts sehen werden, ist die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht für die dogmatische Strukturierung von Rechtsbereichen allerdings auch heute noch bedeutsam; denn im Privatrecht gilt ein Primat der Selbstbestimmung und nicht der überindividuell-objektiven Gemeinwohlförderung, auch wenn angesichts vielfältiger Verflechtungen und Überschneidungen keine strikte Zweiteilung möglich ist.290 Eine Umgestaltung des Privatrechts im vorgenannten Sinne wurde besonders nachdrücklich von Rudolf Wiethölter gefordert: Das „Wirtschaftsrecht“ müsse die künstliche Spaltung zwischen Staat und Gesellschaft im Sinne einer „politischen Inpflichtnahme der Gesamtwirtschaft im Gesamtinteresse“ aufheben.291 Diese Entwicklung habe auch „Reflexwirkungen für das Privatrecht“292 , wo „etwa Arbeitsrecht, Wohnungsrecht, Mietrecht aus dem Privatrechtssystem 284 

Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.  29 ff. Raiser, in: FS Deutscher Juristentag, Bd. 1, 1960, S.  101, 133. 286 Vgl. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  37; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  183. 287  Siehe Teil 3 C. II. 288  Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.  19. 289  Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.  25 f. mit Fn.  26. 290  Bachmann, JZ 2008, 11. 291  Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.  41, 50; ders., in: FS Raiser, 1974, S.  6 45 ff. Eine vergleichbare Theorie wurde für das Internationale Privatrecht entwickelt; siehe Zweigert, RabelsZ 37 (1973), 435, 437. Vor diesem Hintergrund müsse sich das „soziale“ deutsche Arbeitsrecht zwingend gegen ausländische Rechtsordnungen durchsetzen, so Simitis, in: FS Kegel, 1977, S.  153, 354; dagegen Junker, Internationales Arbeitsrecht im Konzern, S.  73 ff. 292  Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.  41, 56. 285 

B. Geltungsgründe des Vertrages

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sachlich herausgetreten“ seien, als Ausdruck „neuer Ideale der modernen Gesellschaft und ihres Menschenbildes, Kooperation, Treuhand, Sekurität, Solidarismus“ an Stelle des „klassisch-privatrechtlichen Individualismus“.293 Ein wirkungsmächtiger Fürsprecher einer staatlichen Fürsorge für die Bürger im Privatrecht war auch Franz Wieacker, der schon 1952 – wohl auch aufgrund der Erfahrungen des nur wenige Jahre zurückliegenden Zweiten Weltkriegs294 – zu beobachten glaubte, dass in der Gesellschaft mittlerweile das „Rechtspathos der Zusammenarbeit“ das „Pathos des Wettbewerbs“ zurückgedrängt habe. 295 Der Staat sei – in Anlehnung an die Thesen Otto von Gierkes 296 – nicht mehr „eine Vielzahl von Subjekten, die sich erst durch individualvertragliche Selbstbeschränkung binden, sondern eine ‚Genossenschaft‘ von Rechtsgenossen, die einander schon durch vorgegebene gemeinsame Aufgaben verbunden“ seien. 297 Die „Sozialstaatlichkeit“ schreibe „auch für den Bereich des Privatrechts ein Modell zwischenmenschlicher Beziehungen vor, in dem die Gewährleistung der Existenz des Rechtsgenossen den gleichen Rang einnimmt wie die Verfolgung der eigenen Interessen“.298 Wieacker wollte damit ebenso wie etwa Siebert 299 ein gemeinwohlbezogenes Privatrecht schaffen, indem die Privatautonomie „höheren Zwecken“ verpflichtet sein sollte.300 Letztlich sollte das Privatrecht ganz in einem öffentlichen (Steuerungs-)Recht aufgehen. 2. Das wirtschaftspolitische Konzept der „mixed economy“ Eine Parallelentwicklung vollzog sich im Bereich des „Wirtschaftsrechts“ mit dem Konzept der „mixed economy“ im Sinne einer „Abstimmung dezentraler hoheitlicher, privater und intermediärer Akteure“,301 wonach das unternehmerische Handeln nicht aus der Freiheit des Wettbewerbsprozesses, sondern auf der Grundlage einer überindividuell-objektiven Wettbewerbspolitik gerechtfertigt sein sollte.302 Das Wirtschaftsrecht wurde somit verstanden als „politi293  Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.  41, 58. Siehe auch Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.  34 f. 294  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 72. 295  Wieacker, Sozialmodell, S.  24 f. Wieacker wollte seine Ausführungen nicht als Stellungnahme für oder gegen die soziale Marktwirtschaft verstanden wissen, vgl. S.  25 mit Fn.  36. Gleichwohl ist seinem Text – was zuweilen nicht ausreichend gewürdigt wird – eine deutliche Sympathie für soziale Privatrechtstheorien zu entnehmen. 296  Wieacker, Sozialmodell, S.  25. 297  Wieacker, Sozialmodell, S.  25. 298  Wieacker, in: FS 100 Jahre deutscher Juristentag, Bd. II, 1960, S, 1, 10. 299 Siehe Siebert in: FS Niedermeyer, 1953, S.  215 ff., wonach die Zukunft des Privatrechts in seiner „Veröffentlichrechtlichung“ („Publizierung“) liege; siehe dazu Möschel, ZHR 145 (1981), 590, 592 f. 300  Zur dogmatischen Konstruktion siehe noch Teil 3 C. I. und II. 301  Assmann, Mixed economy, S.  278; dazu J. Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, S.  76 ff. mit Fn.  229. 302  Gotthold, ZHR 145 (1981), 286, 331.

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Teil 3:  Vertragstheorien

sches Recht“.303 Vor diesem Hintergrund sei auf oligopolistischen Märkten eine Preishöhenkontrolle zulässig, die sich nicht auf eine Prüfung der vom Wettbewerb nicht kontrollierten Handlungsspielräume zu Lasten Dritter beschränken dürfe, sondern ein gesamtwirtschaftlich richtiges Preisverhalten erzwingen müsse.304 Da es Aufgabe des Kartellrechts sei, Marktmacht zu Lasten des Verbrauchers mit rechtlichen Mitteln zu bekämpfen, diene das Missbrauchsverbot also nicht nur mittelbar dem Verbraucher, sondern sei sowohl de lege lata als auch de lege ferenda an einem „unmittelbaren verbraucherpolitischen Schutz­ zweck“ auszurichten.305 In ihrer überindividuell-objektiven Ausrichtung trifft sich diese Ansicht mit einer effizienz-ergebnisbezogenen Betrachtung des Privatrechts. 3. Schutz vor Diskriminierungen im Privatrechtsverkehr In jüngerer Zeit wurden ähnliche Argumente in Zusammenhang mit der Schaffung des deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Jahre 2006 und dem damit verbundenen materialen Gleichheitskonzept vorgebracht.306 So sollen die dort normierten Diskriminierungsverbote nach einer Ansicht nicht nur die Persönlichkeit des Benachteiligten schützen,307 sondern auch „sozial unerwünschte Ungleichbehandlungen“ verhindern und so die „soziale Lage“ von strukturell benachteiligten Personengruppen verbessern.308 Anders als bei einem abwehrenden Schutz vor Diskriminierungen bezwecke das Gesetz also auch eine „positive“ materiale Gleichstellung bestimmter Personengruppen bei der Verteilung wirtschaftlichen Wohlstands sowie damit zusammenhängend eine möglichst ungestörte „wirtschaftliche Selbstverwirklichung“.309 Die bewirkte Umverteilung soll dabei auch den Normadressaten zugutekommen, da ein „integrativer Diskriminierungsschutz“ jedenfalls den „inneren Frieden“ der Gesellschaft sichere.310 Den Diskriminierungsverboten wird hierzu – in stark vereinfachender, die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit einzelner Personengruppen vernachlässigender Argumentation – eine Schutzfunktion für die „materielle Dimension der Menschenwürde“ zugesprochen, als spezifische Ausprä-

303 

Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.  41, 61. Hart/Joerges, in: Wirtschaftsrecht, S.  83, 196 ff.; dagegen Immenga/Mestmäcker/ Möschel, §  19 GWB Rn.  156. 305  Reich, ZVP 1977, 227 f., 234 f. und öfter. 306  Wrase, HFR 5/2005, 46 ff., gegen Säcker, ZRP 2002, 286 ff. 307  BT-Drucks. 16/1780, S.  20; Bader, Arbeitsrechtlicher Diskriminierungsschutz als Privatrecht, S.  125 ff. 308  BT-Drucks. 16/1780, S.  2 2 f.; vgl. auch Neuner JZ 2003, 57, 58. 309  So – krit. – Herrmann, ZfA 1996, 19, 27 und 62. 310  Neuner, JZ 2003, 57, 58. 304 So

B. Geltungsgründe des Vertrages

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gung eines „europäischen Verbraucherschutzes“.311 Hierauf ist vorliegend freilich nicht näher einzugehen.

V. Von der „Krise des Vertragsrechts“ zur „Krise des Sozialschutzes“ Wie wir gesehen haben, basierte die in den 1950er- und 1960er-Jahren geäußerte Kritik an einer Ausrichtung des Vertragsrechts an formalen Freiheitssphären vor allem auf der Beobachtung, dass bestimmte Personengruppen in einer arbeitsteiligen Industriegesellschaft strukturell benachteiligt sind. Allerdings zerfaserten deren typische Sozialstrukturen schon wieder seit den 1970er Jahren.312 So wandelte sich die Industriegesellschaft zunehmend in eine Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft sowie in eine sog. Industriefolgengesellschaft. Von Volker Beck wurde dieses Phänomen mit dem wirkungsmächtigen, wenn auch unscharfen Begriff der „Risikogesellschaft“ bezeichnet.313 Dieser steht im vorliegenden Zusammenhang für die Herauslösung des Einzelnen aus den Sicherheiten der Industriegesellschaft [!] und ihren Standard-Lebensformen.314 Massenwohlstand und die Massenbildung des „sozial imprägnierten Kapitalismus“315 führten zu einer Individualisierung und Pluralisierung der Lebensformen.316 In der „pluraldifferenzierten und sozialstaatlich fundierten Wohlstandsgesellschaft“ gebe es keine „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ mehr, sondern subjektive Gruppierungen, deren Privatverhalten, zunehmend aber auch ihr Geschäfts- und Arbeitsverhalten sich über die „unvorhersehbare Ausschöpfung“ subjektiver Freiheiten und nicht über zentralistisch vorgegebene objektive Zielvorstellungen definiere.317 Diese Beobachtungen haben erhebliche Rückwirkungen auf den Status des Privatrechts in der Gesellschaft im Allgemeinen und – über die Rezeption der gesellschaftlichen Anschauungen durch Gesetzgeber, Rechtsprechung und Wissenschaft – auf die Interpretation privatrechtlicher Normen im Besonderen. So werden in einer individualisierten Gesellschaft die Interventionsstrategien des Sozialstaats durch zwingende und starre Ge- und Verbote zunehmend als antiquiert angesehen.318 Populär sind vielmehr flexible prozedurale Lösungen im Sinne einer Legitimation durch Verfahren zwischen Bürgern, nicht einer Legitimation bürokratischer Eingriffe „von oben“.319 311 So Eisenschmid, WuM 2006, 475; siehe auch Schiek, Differenzierte Gerechtigkeit, 2000, S.  38 f.; Reichold, JZ 2004, 384, 391. 312  Vgl. dazu und zum Folgenden Reichold, JJZ 1992, S.  63, 73 ff. 313  So der Titel des Buches von Beck, Risikogesellschaft. 314  Beck, Risikogesellschaft, S.  121 ff. 315  Biedenkopf, in: FS Coing, Bd. II, 1982, S.  21, 26. 316  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 74. 317  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 74. 318  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 78; siehe auch R. Wolf, Leviathan 15 (1987), 357 ff. 319  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 78.

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Teil 3:  Vertragstheorien

Während also seit den 1950er Jahren verstärkt über eine „Krise des liberalen Vertragsrechts“ diskutiert wurde, geriet später das sozialstaatliche Schutzmodell und mit ihm die hierauf aufbauende Vertragsrechtstheorie selbst in Rechtfertigungsnöte.320 Dies reflektiert auch den Umstand, dass eine Gesellschaftsordnung durch die Nationalstaaten in Zeiten einer fortschreitenden Globalisierung an ihre Grenzen gerät, weshalb der staatlichen Gesellschaftsordnung durch Normsetzung zuweilen sogar eine „Steuerungskrise“ attestiert wird: 321 Eine große Anzahl von „einzelfallbezogenen Maßnahmegesetzen“ und „Zweck­ programmen mit zum Teil unbestimmten Rechtsbegriffen“ habe zur Folge, dass die formale Gleichheit, Rechtssicherheit und Justiziabilität als Mindestvoraussetzungen des Rechts beeinträchtigt seien. Zugleich würden der Justiz und auch der (Regulierungs-)Verwaltung in zunehmendem Umfang eigentlich politische Kontrollaufgaben überantwortet, die eine sachgerechte Aufgabenerfüllung langfristig beeinträchtigen könnten.322 Weiterhin wird eine „Selbst-Delegiti­ mation“ des Sozialstaats befürchtet, da die geschützten Personen bei typisierender Betrachtung trotz der weitreichenden Schutzgesetzgebung nicht in der Lage seien, ihre Rechte faktisch gleichberechtigt auszuüben. Schließlich führe die Bevormundung der geschützten Personen häufig nur zu einer Verlagerung der Machtbeziehungen in den Paternalismus „advokatorischer Gruppenvertreter“ und „staatlicher Fürsorgebürokratien“ und damit zur „Bindung an die in die sozialpolitischen Programme eingelassenen Standards“.323 Vor dem Hintergrund dieser Problemlagen erscheint es umso dringlicher, sich der freiheitsschützenden, machtbegrenzenden Wirkungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts zu versichern.

VI. Ein Seitenblick auf das Europäische Privatrecht Auf europäischer Ebene wird die Diskussion um die richtige Ausgestaltung des Privatrechts derzeit im Rahmen der Debatte um einen „Gemeinsamen Referenzrahmen“ („Common Frame of Reference“) geführt, der zugleich als Aufhänger für die – im Ausgangspunkt überfällige – Debatte über eine Harmonisierung der europäischen Privatrechte verstanden werden kann.324 In den zurückliegenden Jahrzehnten hat die Unionsrechtsprechung nicht nur auf dem 320 Micklitz/G.-P. Calliess, Verbraucherrecht, S.   65, 71  f.; ders., Prozedurales Recht, S.  60 ff. 321  G.-P. Calliess, in: FS Teubner, 2009, S.   465 ff.; pointiert Grimm/Maihofer/Teubner, JbRSoz 13 (1989), S.  45 ff. 322 Micklitz/G.-P. Calliess, Verbraucherrecht, S.  65, 71 f., der darin eine „Krise des Rechtsstaats“ erkennen will. Im Regulierungsrecht wird die entsprechende Problematik unter dem Topos „Regulierungsermessen“ diskutiert; vgl. dazu Säcker/Kühling/Neumann, §  39 TKG Rn.  10; Gärditz, NVwZ 2009, 1005 ff.; Ludwigs, JZ 2009, 290 ff. 323  Vgl. Micklitz/G.-P. Calliess, Verbraucherrecht, S.  65, 72. 324 Vgl. von Bar, ZEuP 2001, 799, 804; Hesselink, ERPL 2004, 397, 404; Wagner, ZEuP

B. Geltungsgründe des Vertrages

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Gebiet des Verbraucherschutzes, sondern auch im Recht gegen Diskriminierungen eine rasante Entwicklung genommen.325 Im Verbraucherschutzrecht regulierte man im Wege der Richtliniensetzung zunächst nur Ausschnitte aus den rechtsgeschäftlichen Aktivitäten der Verbraucher (Haustürwiderruf, Fernabsatz, Pauschalreisen). In jüngerer Zeit greift das Europa- bzw. Unionsrecht aber in immer stärkerem Maße auf zentrale Bereiche des Privatrechts zu. So behandelte die Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (AGB-Richtlinie) 326 wesentliche Bereiche des Schuldrechts. Einen Quantensprung brachte die Richtlinie 1999/44/EG über den Verbrauchsgüterkauf,327 die nicht nur den wichtigsten Schuldvertragstyp des allgemeinen Bürgerlichen Rechts erfasst, sondern auch die Gewährleistungsvorschriften bei einem Kauf beweglicher Sachen zu Gunsten der Verbraucher zwingend ausgestaltet. Der deutsche Gesetzgeber hat die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bekanntlich zum Anlass für eine Überarbeitung des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Sinne einer „großen Lösung“ genommen.328 Im Kaufrecht wurden dabei die durch die RL 1999/44/EG induzierten Neuregelungen auf alle Kaufverträge erstreckt; lediglich die zwingende Wirkung wurde Verträgen des sog. B2C-Bereichs vorbehalten. Auf dem Gebiet des Arbeits- und des allgemeinen Zivilrechts fordern die Richtlinien 2000/43/EG329 und 2004/113/EG330 einen weitgehenden Schutz vor Diskriminierungen, der bekanntlich zum Erlass der in den §§  19 ff. AGG normierten zivilrechtlichen Benachteiligungsverbote führte. Durch das Projekt der europäischen Zivilrechtsvereinheitlichung wird die Klärung der Frage unabweisbar, in welchem Verhältnis Freiheit und Selbstverantwortung der Unionsbürger zu einem in diese Freiheit eingreifenden (Verbraucher- und Diskriminierungs-)Schutzrecht sowie zum Wettbewerbs- und zum Regulierungsrecht als konstitutivem Verbraucherschutzrecht stehen. Ebenso wie das nationale Recht schützt das Unionsrecht die Privatautonomie und die Vertragsfreiheit der Bürger.331 Entscheidend ist deshalb vor allem, wel2007, 180, 183; Hopt/Tzouganatos/Dauner-Lieb, Europäisierung, S.  279, 283; Eidenmüller/ Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 530, 531. 325  Vgl. statt anderer Hopt/Tzouganatos/Dauner-Lieb, Europäisierung, S.  279, 281. 326  RL 1993/13/EWG v. 5.4.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Abl.EG Nr. L 95 v. 21.4.1993, S.  29 327  Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.5.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter, Abl.EG Nr. L 171 v. 7.7.1999. 328 Vgl. Däubler-Gmelin, NJW 2001, 2281. 329  Richtlinie 2000/43/EG des Rates v. 29.6.2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, ABl.EG Nr. L 180. 330  Richtlinie 2004/113/EG des Rates v. 13.12.2004 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, ABl.EU Nr. L 373 v. 21.12.2004. 331  Siehe Teil 2 E. II. sowie etwa Art.  37 lit. l der Energiebinnenmarkt-RL 2009/72/EG, wonach die Kommission „die Vertragsfreiheit in Bezug auf unterbrechbare Lieferverträge

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Teil 3:  Vertragstheorien

che inneren Schranken diese Gewährleistungen künftig aufweisen sollen, mit anderen Worten, welcher Grad an Materialisierung greifen soll. Nach Ansicht der Verfasser des DCFR zielt das Privatrecht auf die Werte „Gerechtigkeit, Freiheit, Schutz von Menschenrechten, ökonomische Wohlfahrt, Solidarität und soziale Verantwortung“ ab, sowie auf die Verwirklichung des Binnenmarktes und die Bewahrung der kulturellen und sprachlichen Vielfalt.332 Hinzukommen sollen formale Ziele für die Rechtsetzung wie Rationalität, Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Effizienz, sowie – situativ – der Vertrauensschutz und die Verantwortlichkeit für sich selbst. Bislang bleibt allerdings offen, welchen konkreten Inhalt diese Ziele und Prinzipien haben sollen. Nicht definiert werden beispielsweise die Begriffe Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und soziale Verantwortung, obwohl diese – wie schon einleitend dargestellt – in höchst unterschiedlichem Maße verstanden werden können.333 Unklar ist auch, wie sich die Begriffe zueinander verhalten, z. B. die Freiheit zur Solidarität, die Effizienz zur Gerechtigkeit oder die Gerechtigkeit zur Rechtssicherheit und zur Vorhersehbarkeit des Rechts.334 Insbesondere für die Auslegung privatrechtlicher Generalklauseln und unbestimmter Rechtsbegriffe wie „good faith“, „fair dealing“ und „reasonable“ ist es jedoch unabdingbar, dass die der Kodifikation zugrunde liegenden Wertideen und ihr Vertragsrechtskonzept jedenfalls in den Grundlagen geklärt sind.335 Die – notwendige und begrüßenswerte – Diskus­ sion steht hier erst am Anfang. Als weitere „Textstufe“ im Prozess einer Vereinheitlichung der europäischen Zivilrechte hat die EU-Kommission am 11.10.2011 den Entwurf einer Verordnung über ein gemeinsames europäisches Kaufrecht (Draft Common European Sales Law) vorgelegt.336 Die Kommission möchte hierdurch den grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt beleben, der durch die Vielzahl unterschiedlicher Vertragsrechte und die dadurch bewirkte Kostenbelastung für die Unternehmen beeinträchtigt wird.337 Dieses Anliegen ist – wie auch die Diskussion über ein einheitliches europäisches Lauterkeitsrecht zeigt 338 – im Ausgangspunkt überzeugend.339 Das neue gemeineuropäische Kaufrecht soll rechtstechnisch nicht als „achtundzwanzigstes Vertragsrechtsregime“ zur Anwendung kommen, sondern als zweites „optionales Instrument“, dessen Gelund langfristige Verträge an[erkennt], sofern diese mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht vereinbar sind und mit der Politik der Gemeinschaft in Einklang stehen“. 332  Von Bar/Clive/Schulte-Nölke, DCFR, Outline Edition, Einl. Rn.  2 2 ff. 333  Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 530, 534. 334  Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 530, 535. 335  Eidenmüller/Faust/Grigoleit/Jansen/Wagner/Zimmermann, JZ 2008, 530, 536. 336  KOM(2011), 635 endg. Der Entwurf wird abgekürzt als DCESL, vgl. Martens, AcP 211 (2011), 845; Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269 mit Fn.  1. 337  KOM(2011), 635 endg., S.  2. 338  Säcker, WRP 2004, 1199 ff. 339  Wagner, CMLR 39 (2002), 995, 1014.

B. Geltungsgründe des Vertrages

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tung von den Parteien ausdrücklich vereinbart werden muss (Opt-in-Modell).340 Da der DCESL inhaltlich einen sehr hohen Verbraucherschutzstandard verwirklicht, werden die Unternehmen diesen wohl nur dann wählen, wenn sie die Anpassungskosten und die laufenden Kosten für die Erfüllung der Standards durch entsprechende Einsparungen an Transaktionskosten wieder erwirtschaften.341 Jedenfalls langfristig ist es durchaus wahrscheinlich, dass die Unternehmen die entsprechenden Standards aber auch bei nationalen Rechtsgeschäften zur Anwendung bringen, soweit dies normativ zulässig ist. Auch der DCESL bringt die Prinzipien Freiheit und Gleichheit bzw. Solidarität jedoch in keinen Ausgleich, sondern beschränkt sich auf eine „Verbraucherschutzmaximierung“, wonach „für jedes einzelne Problem [. . .] nach Möglichkeit die europaweit verbraucherfreundlichste Lösung gesucht“ wird.342 Aus diesem Grunde wird im Schrifttum für eine kritische Revision des bestehenden „Verbraucheracquis“ und damit zusammenhängend für eine Klärung des Verhältnisses von formaler Privatautonomie und materialer Vertragsfreiheit sowie des Verhältnisses zur (prozeduralen oder materialen) Vertragsgerechtigkeit geworben. 343 Mit Letzterer werden wir uns im Folgenden Abschnitt befassen, nach einer Zusammenfassung und Bewertung.

VII. Zwischenergebnis und Bewertung Wir haben gesehen, dass die Kritik an der Privatautonomie in den 1970er-Jahren nicht nur auf die Spitze, sondern gleichsam über diese hinausgetrieben wurde. Anstatt aus den erkannten Funktionsdefiziten des (Massen-)Vertrages systemgerechte, der individuellen Selbstbestimmung aller Marktteilnehmer entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen, sollten die Individuen auf ihre privaten Rechte zu Gunsten eines unbestimmten, politisch instrumentalisierten Korporatismus verzichten. Letzte Konsequenz einer solchen Theorie wäre – worauf Dieter Reuter zu Recht hingewiesen hat –, dass Privatautonomie und subjektives Recht als die beiden „Fixsterne des Privatrechtssystems“344 aufhörten, zu existieren: 345 „Das autonome wird zum heteronomen Handeln, das subjektive Recht wird zum Amt“. Nicht mehr die voluntaristisch-individuelle Legitimation des Vertrages als Manifestation der beidseitig-chancengleichen Selbstbestimmung sollte im Vordergrund stehen. Im Zuge einer „Materialisierung von Vertragsfreiheit und Vertragsrichtigkeit“ wollte man vielmehr die Verbindlich340  Fleischer, RabelsZ 76 (2012), 235, 237 ff.; Fornasier, RabelsZ 76 (2012), 401 ff.; aus normsetzungstheoretischer Sicht Bachmann, JZ 2008, 11 ff. 341  Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 275. 342  Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 276. 343  Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 280. 344  Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 237; Bydlinski/Mayer-Maly/Reuter, Ethische Grundlagen , S.  105, 113; ders., DZWiR 1993, 45, 48. 345  Reuter, AcP 189 (1989), 199, 206.

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keit von Verträgen mit überindividuellen ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten erklären,346 äußerlich gekennzeichnet durch eine verstärkte Verwendung sog. Ordnungsvokabeln.347 Die Vertragsfreiheit sollte zwar weiterhin ein maßgebliches Funktionsprinzip der marktwirtschaftlichen Grundordnung bleiben, jedoch nicht mehr in einem formal-juristischen Sinne zu verstehen sein. Sie sollte also nicht mehr durch den Umstand legitimiert sein, dass sie die rechtliche Selbstbestimmung der Personen um ihrer selbst willen verwirklicht, unabhängig vom Nutzen für die Allgemeinheit und als Gegenpart staatlicher Einmischung, sondern weil der Staat die „optimale“ und „gerechte“ Güterverteilung zur öffentlichen Aufgabe macht: 348 Das privatrechtliche Interesse an einem beiderseits selbstbestimmten Vertrag wurde „rekonstruiert“ zu einem öffentlichen Interesse an einer funktionsfähigen Vertragsrechtsordnung. Auf der Grundlage einer solchen Sichtweise relativiert sich zugleich der Gegensatz zwischen privatem und öffentlichem Recht, da die Funktionen des Vertrages einerseits als Mittel zur Selbstbestimmung und andererseits als Instrument der Ordnung eines funktionsfähigen Privatrechts ineinander übergehen sollen. Eine derartige, die überindividuellen Funktionen des Privatrechts betonende Sichtweise wird auch heute noch vertreten. So sollen etwa die verbrauchervertragsrechtlichen Widerrufsrechte nicht durch strengere Vorschriften des Lauterkeitsrechts unterlaufen werden dürfen, da Erstere einen institutionellen, also überindividuellen Charakter hätten.349 In einer freiheitlichen Grundordnung kann der Vertrag aber kein Instrument zur Durchsetzung abstrakter Gemeinwohlinteressen sein. Vielmehr wird er – wie Gregor Bachmann herausgearbeitet hat – neben der material-freien Zustimmung der Betroffenen durch den Grundgedanken eines Schutzes vor Ausbeutung legitimiert,350 ohne dass der Vertrag damit sogleich dem öffentlichen Recht zuzuordnen wäre. Der Schutz vor wirtschaftlicher oder situativer Macht ist vielmehr ein zentraler Ausdruck eines kompetitiven Vertragsrechts. Demgemäß kann man zwar durchaus von einer Ordnungsfunktion des Vertrages sprechen. Diese bezieht sich jedoch im wirtschaftlichen Bereich allein auf „das Verhältnis der individuellen Vertragsfreiheit zu den gleichen Rechten anderer und damit zur rechtlichen Ordnung des Wettbewerbsprozesses“.351 Der Vertrag ist ein Mittel, das den Vertragsparteien die Chance eröffnet, ihre individuellen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen. Bei einem echten (materialen) Konsens der Parteien beruht die Entscheidung über die Vorteilhaftigkeit 346 

Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  13; Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  39. sowie zur Gleichsetzung des Begriffes „Ordnung“ mit überindividuellen Zwecken Bachmann, Private Ordnung, S.  215 und öfter. 348 Zutreffend Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  14 f. 349  Das vertritt etwa Leistner, Richtiger Vertrag, S.  653 ff. 350  Bachmann, Private Ordnung, S.  193 ff.; Ansätze einer solchen Konzeption finden sich auch bei Adomeit, in: FS Kelsen, 1971, S.  9, 18 f. 351  So zum Wettbewerbsrecht Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.  83. 347  Dazu

C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit

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der rechtsgeschäftlichen Regelung allein auf deren Zustimmung. Aus der Möglichkeit zur realen Selbstbestimmung kann hier typisierend auf eine subjektiv richtige Entscheidung geschlossen werden.352 Fehlt demgegenüber die material-freie Zustimmung einer der Vertragsparteien bzw. eines von der Regelung faktisch negativ Betroffenen, ist die private Regelung zusätzlich auf die Einhaltung des „Gruppenwohls“ zu überprüfen,353 das im Privatrecht mit einem Verbot der Ausbeutung gleichzusetzen ist.354 Das Ausbeutungsverbot fungiert insoweit also nicht als äußere Grenznorm, wie dies einer öffentlich-rechtlichen Einordnung entspräche, sondern als innere Richtnorm für den vertraglichen Interessenausgleich.355 Vielmehr ist die Ordnungsfunk­tion des Vertrages bzw. der Schutz des Vertrages als Institution identisch mit dem Schutz der auf Vertragsfreiheit gegründeten Privatrechtsordnung und grundsätzlich keinen darüber hinaus gehenden überindividuellen Zielen verpflichtet; denn auch das Ausbeutungsverbot dient nur der Sicherung der materialen Selbstbestimmung der Individuen, sei es derjenigen einer Vertragspartei oder einer faktisch negativ betroffenen Person, wie dies bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen der Fall ist.356 Seine Ordnungsfunktion zeigt der Vertrag insoweit also darin, dass er zur Sicherung der Funktionsfähigkeit des Vertragsrechtssystems nicht zur Aufhebung der (material verstandenen) unternehmerischen Selbstständigkeit anderer Marktteilnehmer mittels wettbewerbsbeschränkender (Folge)Verträge benutzt werden darf. Damit sind wir beim Kern unserer Untersuchung angelangt. Bevor wir uns den dogmatischen Folgerungen zuwenden, ist das vorliegende Verständnis gegen weitere Einwände zu verteidigen. Hiernach soll eine Konzeption der inneren Geltungsgründe des Vertrages entwickelt und gegen Einwände der Wirtschaftswissenschaften verteidigt werden.

C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit I. Problemstellung: Individual- oder Institutsschutz? Das liberale Vertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs aus dem Jahr 1900 wurde – wie wir bereits gesehen haben – nicht nur im Hinblick auf die Verleug-

352 

So auch Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  15. Private Regeln dürfen hiernach die Vorteile der durch sie begründeten Ordnung nicht einseitig zu Gunsten einer Vertragspartei verteilen (im AGB-Recht also im Interesse des Verwenders), vgl. Bachmann, Private Ordnung, S.  213. 354  Bachmann, Private Ordnung, S.  204 ff. 355  A. A. insoweit Bachmann, Private Ordnung, S.  2 23. 356  Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.   83; Möschel, Pressekonzentration und Wettbewerbsgesetz, 1978, S.  134; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  63 f. 353 

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nung der faktisch unterschiedlichen Freiheit zur willentlichen Gestaltung der eigenen Angelegenheiten, sondern auch noch auf einer gleichsam tiefer liegenden Stufe kritisiert. Ein Privatrecht könne nicht der Verwirklichung der individuellen Willensherrschaft, sondern nur der Herstellung von Vertragsgerechtigkeit dienen,357 im Sinne einer vermeintlich objektiven Richtigkeit des Vertrages.358 Der BGB-Gesetzgeber des Jahres 1900 hatte den hierdurch thematisierten Konflikt zwischen professioneller Rechtsdogmatik und sozial motivierter Rechtspolitik (Gerhard Wagner) noch überwiegend zu Gunsten Ersterer aufgelöst.359 Demgegenüber ist das Privatrecht heute von vielen Rechtsnormen geprägt, die überindividuellen Zwecken verpflichtet sind, wie bereits ein Blick auf das private Arbeits- und Wohnraummietrecht zeigt.360 Allein der Befund, dass der Privatrechtsgesetzgeber mittlerweile über Instrumente wie zwingendes Recht, Ex-post-Vertragsinhaltskontrolle und Informationspflichten in großem Umfang materiale Zwecke verfolgt, lässt jedoch noch keinen Rückschluss auf das zugrunde liegende Regelungskonzept zu. Es existieren vielmehr verschiedene Vertragskontrollmodelle, die alternativ oder kumulativ angewandt werden. Die entsprechenden Schutzinstrumente können im vorvertraglichen Bereich ansetzen (Information), materielle Vorgaben für abgeschlossene Verträge statuieren (§§  134, 138, 307 ff., 315 BGB) oder nachvertragliche Rechte gewähren.361 Vor diesem Hintergrund wird kontrovers diskutiert, welche über den formal geäußerten individuellen Parteiwillen hinausgehenden „institutionellen Funktionen“ dem Vertrag im Gesamtsystem des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs beigemessen und wie die Bedingungen bestimmt werden sollen, unter denen diese überindividuellen Funktionen am besten zu erfüllen sind.362 So vertritt etwa Gert Brüggemeier 363 für das europäisierte Haftungsrecht die Ansicht, dass es das Privatrecht mittlerweile „weniger mit quantitativen Größen in bipolaren Beziehungen“ zu tun habe, sondern „eher mit Fragen kontextualer Gerechtig357 Bydlinski/Mayer-Maly/Reuter, Ethische Grundlagen , S.  105, 114; ders., DZWiR 1993, 45, 48; Busche, Kontrahierungszwang, S.  76; Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  9 f. 358  Canaris, Vertrauenshaftung, S.  436; Habersack, AcP 189 (1989), 403, 406 ff. 359  Wagner, ZEuP 2007, 180, 182. 360 Pointiert Isensee, in: FS Großfeld, 1999, S.  485, 505: „Das ‚soziale Öl‘ [. . .] ist seither kanisterweise hinzugegossen worden“; a. A. Reichold, JJZ 1992 S.  63, 65. 361  C. Möller, in: FU Berlin Fachbereichsschrift, S.  12, 15 f. 362  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  182; siehe auch Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  62 ff., der zwar einerseits betont, es gebe keinen Schutz der „Institution Wettbewerb“ über die Anerkennung „der im Wettbewerb ablaufenden Koordinationsprozesse zwischen den Marktakteuren sowohl im Einzelnen als auch in der Gesamtheit“ hinaus (S.  63), gleichwohl jedoch das Privatrecht in großem Umfang für die Verwirklichung überindividueller Ziele wie der Rechtsvereinheitlichung im Binnenmarkt öffnen will (S.  6 4); siehe auch S.  65; a. A. Westermann, AcP 208 (2008), 141, 173 ff., der bei §  33 GWB nicht beachtet, dass die Vorschrift das Schutzgesetzerfordernis des §  823 Abs.  2 BGB nicht entfallen lässt, sondern vielmehr ein „Per-se-Schutzgesetz“ statuiert; siehe dazu Teil 9 C. 363  Brüggemeier, Haftungsrecht, 2006, S.  9.

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keit konfrontiert“ sei, „ob und inwieweit es ‚fair, just und reasonable‘ ist, unter den jeweiligen Bedingungen jemanden mit der Haftung zu belegen“. Dabei sei auch „der Einfluss von Politik (Verfassung, staatliche Regulierung), Wirtschaft und Gesellschaft zu berücksichtigen“.364 Allein eine Bezugnahme auf den Vertrag als Institution ist allerdings nicht zielführend; denn die Begriffe Systemschutz und Institutionenschutz sind für sich genommen inhaltsleer.365 Sie gewinnen ihre Aussagekraft erst aus der Verbindung mit bestimmten Vertragsmodellen. Eine vergleichbare Diskussion wird auch in anderen Rechtsgebieten geführt. So wird etwa im Gesellschaftsrecht diskutiert, ob neben dem Schutz der Marktakteure durch Abbau von Wissensasymmetrien ein hiervon zu unterscheidender „Schutz des Marktes, seiner Funktionen und Institutionen“ anzuerkennen sei, also ein über die Kumulation der Einzelinteressen hinausgehendes öffentliches Interesse an der Funktionsfähigkeit der Institution „Markt“.366 Einerseits müsse die individuelle Informationslage der mit einer Unternehmung in Kontakt tretenden Wirtschaftsakteure verbessert werden, um sie so vor wirtschaftlichen Fehldispositionen zu schützen und ihre individuellen Entscheidungen auf eine optimale Informationsbasis zu stellen.367 Das Schutzbedürfnis wird insoweit marktformunabhängig bei informationellen Ungleichgewichtslagen bejaht, die durch marktinterne Gegenstrategien nicht oder nur unzureichend ausgeglichen werden könnten.368 Andererseits müssten über den Schutz des (Binnen-)Marktes und seiner Funktionen hinaus auch gesamtwirtschaftlich notwendige Rechtsformen gewährleistet werden.369 Kern des Institutsschutzes sei somit die Sicherung der Funktionsfähigkeit und Effizienz des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs auf europäischen (Kapital-)Märkten sowie der gesellschaftsrechtlichen Organisationsformen.370 Individualschutz und Institutionsschutz ließen sich dabei nicht trennen, sondern seien gleichsam ein „System kommunizierender Röhren“.371 Das sei jedoch nicht im Sinne einer Harmoniethese zu verstehen, da nicht jede Verbesserung der individuellen Entschei364  Brüggemeier, Haftungsrecht, 2006, S.   9 ; ebenso Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  67. 365  Siehe Teil 1 B. I. 366  Grohmann, Informationsmodell, S.  59. 367  Hopt, ZGR 1980, 225, 234: „Das erste und Hauptziel der Publizität von Gesellschaften ist der Schutz der Gläubiger und der Gesellschafter“ [im Orig. z. T. hervorgeh.]; Merkt, Unternehmenspublizität, S.  296 ff. 368  Grohmann, Informationsmodell, S.  59; siehe zum Kapitalanlegerschutz auch Grundmann, RabelsZ 59 (1990), 283, 285: bei öffentlich angebotenen Effekten hätten alle Anleger ein vergleichbares Schutzbedürfnis; hinzu kämen Aspekte eines „Schutzes der schwächeren Partei“. 369  Grohmann, Informationsmodell, S.  62; Hopt, ZGR 1980, 225, 235; Assmann, Prospekthaftung, S.  293. 370  Ott, Unternehmenspublizität, S.  98; Kübler, AG 1977, 85, 88. 371  Hopt, Kapitalanlegerschutz, S.  52.

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dungsbasis zwingend zu einer Effizienzsteigerung des Marktes führe, wie sich am Beispiel einer generellen Transparenzpflicht zeige, die das Potenzial für Wettbewerb und Innovationen vermindere.372 In der Tat kann ein Zuviel an Transparenz kontraproduktive Effekte haben. So kann eine vollständige Marktransparenz bei oligopolistischer Marktstruktur das Entstehen einer kollektiven Marktbeherrschung begünstigen.373 Darüber hinaus, so wird vorgebracht, seien auch die mit der Informationsaufbereitung und -bereitstellung verbundenen Kosten zu berücksichtigen 374 ; diese könnten die Attraktivität einer Transaktion derart schmälern, dass sie deren Wert weitgehend aufzehrten, weil die Kosten nicht auf eine ausreichend hohe Anzahl von Transaktionen umgelegt werden könnten.375 Gemäß dem unionsrechtlichen Vorrang der Marktintegration sollen danach Maßnahmen des Individualschutzes nur solange zulässig sein, wie sie nicht die „Verwirklichung des Institutionenschutzes stören oder geradezu vereiteln“; der Institutionenschutz stelle mithin „die äußere Grenze des Individualschutzes dar“.376 Dem Wettbewerbsrecht wird trotz des immer mehr in den Vordergrund rückenden „private enforcement“ ebenfalls die Funktion zugesprochen, dem Wettbewerb als Institution zu dienen.377 Dies korrespondiert mit der Frage, ob der Institutionsschutz lediglich „das Verhältnis der individuellen Wettbewerbsfreiheit zu den gleichen Rechten anderer und damit zur rechtlichen Ordnung des Wettbewerbsprozesses“ adressiert, weshalb der Schutz des Wettbewerbs als Institution gleichbedeutend mit dem Schutz einer auf Wettbewerbsfreiheit gegründeten Rechtsordnung ist,378 oder ob damit überindividuelle (Wohlstands-) Ziele im Interesse der Gesamtsozietät in den Vordergrund gestellt werden, und wenn ja, in welchem Verhältnis diese zum Schutz der individuellen Entscheidungsfreiheit stehen.379

372 

Grohmann, Informationsmodell, S.  63. Zur Frage eines marktbeherrschenden Oligopols auf dem Tankstellenmarkt vgl. BGH v. 6.12.2011 − KVR 95/10, WuW DE-R 3591, 3599 Rn.  49 – Total/OMV. 374  Siehe dazu Assmann, AG 1993, 549, 561 f. 375  Grohmann, Informationsmodell, S.  63 und S.  75 ff.; Kübler, AG 1977, 85, 89. 376  Grohmann, Informationsmodell, S.  63 f.; aus diesem Grunde sei eine Pflicht zur Informationsbereitstellung nur insoweit zulässig, als sie nicht zu einer Marktzutrittsbeschränkung führe. 377 Siehe hierzu Benisch, WuW 1961, 764 ff.; Koenigs, NJW 1961, 1041 ff.; Merz, in: FS Böhm, 1965, S.  227 ff.; Tilmann, GRUR 1979, 825 ff.; Würdinger, WuW 1953, 721 ff.; aus jüngerer Zeit Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Rehbinder, §  33 GWB Rn.  1. 378 So Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.  83. Siehe auch Möschel, Pressekonzen­ tration und Wettbewerbsgesetz, 1978, S.  134; Schliesky, Öffentliches Wettbewerbsrecht, 1997, S.  191; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  63 f. 379 Tendenziell Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S.  145, 157. 373 

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II. Das Konzept objektiver Richtigkeit des Vertrages (Schmidt-Rimpler 1941) Vor diesem Hintergrund wollen wir nunmehr auf die klassische Diskussion über die Richtigkeit bzw. Richtigkeitsgewähr des Vertrages eingehen. Dabei wird sich zeigen, dass objektive Gerechtigkeitskonzeptionen im Vertragsrecht an durchgreifenden Begründungsdefiziten leiden. Als Antwort auf Forderungen des nationalsozialistischen Staates nach einer „Erneuerung des Vertragsrechts“ hat Walter Schmidt-Rimpler in einem Gutachten für die Akademie für Deutsches Recht aus dem Jahr 1941 die Theorie von der Richtigkeitsgewähr des Vertrages entwickelt.380 Diese war Gegenstand einer Vielzahl von Interpretationsversuchen, die ihren Ursprung vornehmlich in dem Umstand haben, dass man die Richtigkeit objektiv oder subjektiv verstehen kann. Ursprünglich beruhte Schmidt-Rimplers Theorie auf dem Gedanken, dass dem Vertragsmechanismus – gemeint war der Vertragsschluss381 – in der Regel eine objektive Richtigkeitsgewähr innewohne,382 im Sinne einer ethisch bestimmten Gerechtigkeit, aber auch im Sinne einer von der Gemeinschaft zu beurteilenden Zweckmäßigkeit.383 Richtig sollte ein Vertrag mit anderen Worten nur dann sein, wenn er einer gerechten und zweckmäßigen Gesellschaftsordnung entspreche.384 Der Sinn des Vertrages sei nicht, dem einzelnen Bürger die Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse dahingehend zu überlassen, dass er beliebig über deren Inhalt bestimmen könne, auch nicht mit der Einschränkung, 380  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130 ff.; siehe zur Entstehung dieser Lehre auch ders., in: FS Raiser, 1974, S.  3, 8 f.; sehr krit. Pflug, Kontrakt und Status, S.  132 ff, der Schmidt-Rimpler nicht nur vorhält, er habe sich mit seiner Theorie ganz den neuen Machthabern zur Verfügung gestellt und nicht etwa den Vertrag retten wollen (S.  132), sondern auch, dass er sich der aus der „konventionell juristischen Diktion“ seiner Texte resultierenden formalen Ambivalenz nach dem Krieg bedient habe, um seine Thesen inhaltlich unverändert, aber „gereinigt“ vom Jargon der NS-Zeit zu vertreten (S.  134). Sein Text aus dem Jahr 1941 habe somit keine „Erneuerung des Vertragsrechts“ gebracht, sondern einen „Bruch“ mit diesem (S.  135). Diese Bewertung erscheint aus dogmatischer Sicht nicht überzeugend; demgegenüber ist nicht zu verkennen, dass sich Schmidt-Rimpler mit seinen Thesen des Jahres 1941 de facto in eine problematische Nähe zum NS-Regime begeben hat. Positiv werden die Thesen Schmidt-Rimplers bewertet von Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1.  Aufl. 1968, S.  366 ff., insb. S.  369: „freiheitliche Tendenz“. 381  Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  51. 382  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 149 ff., 156 f. 383  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 132: „Unter Richtigkeit verstehe ich einerseits die ethisch bestimmte Gerechtigkeit im engeren Sinne, andererseits aber auch die von der Gemeinschaft aus gesehene Zweckmäßigkeit, also das, was erforderlich ist, um das Gemeinschaftsdasein und das Gemeinschaftsleben zu verwirklichen und in seiner konkreten Gestalt durchzuführen, einschließlich dessen, was notwendig ist, um bestimmte konkrete Gemeinschaftszwecke zu verwirklichen. Dabei ist das beherrschende Prinzip das der Gerechtigkeit, so dass das Zweckmäßige nur richtig ist, wenn es der Gerechtigkeit nicht widerspricht.“ 384  Siehe zum Begriff der Richtigkeit auch Barnert, Formale Vertragsethik, S.  29 Fn.  175.

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dass er sich dabei nur selbst an die Gemeinschaftsordnung zu binden habe. Der Vertrag bezwecke gar nicht die Willensherrschaft, sei deshalb auch keine Ermächtigung zur Selbstrechtsetzung,385 sondern er sei ein Mechanismus, um ohne hoheitliche Gestaltung in begrenztem Rahmen eine richtige Regelung auch „gegen unrichtigen Willen“ herbeizuführen, weil der durch die Unrichtigkeit Betroffene zustimmen müsse.386 Auch wenn die Richtigkeitsgewähr nur einen begrenzten Umfang habe, sei das Instrument des Vertrages einer hoheitlichen Regelung der Rechtsbeziehungen von Privaten vorzuziehen.387 Eine hoheitliche Regelung sei immer mit erheblichen Fehlerquellen behaftet.388 Darüber hinaus laufe sie Gefahr, persönliche Initiative und „Wirkungskraft“ sowie Verantwortungsfreude zu ersticken.389 Schlussendlich führe eine nachträgliche hoheitliche Kontrolle aufgrund der damit einhergehenden Schwebezustände zu Rechtsunsicherheit und begünstige – in heutiger Diktion 390 – opportunistische Tendenzen der Vertragspartner zur Vertragsuntreue.391 In Fallgestaltungen, in denen der Vertrag nach sorgfältiger Analyse seiner Voraussetzungen keine genügende Richtigkeitsgewähr biete, sei „dann aber ehrlich und bewusst zu hoheitlicher Gestaltung zu schreiten“.392 Der Vertrag stelle insbesondere dann kein geeignetes Ordnungsmittel dar,393 „1. wenn die Freiheit der Entscheidung typisch, insbesondere wegen der Abhängigkeit einer Partei von der anderen oder wegen Unterlegenheit in der Wertungsfähigkeit fehlt“, oder „2. wenn typischerweise eine Wertung oder Abwägung der Rechtsfolge nicht auf beiden Seiten stattfindet, weil hier die Richtigkeitsgewähr entfällt.“ Letzteres sei „insbesondere bei Massenverträgen mit allgemeinen Geschäftsbedingungen“ gegeben, die „natürlich zugleich unter Nr.  1 fallen können“. Demgegenüber seien „gelegentliche Unrichtigkeiten“ hinzunehmen, weil ansonsten der Vorteil der dezentralen Regelung verloren ginge.394 Der Sache nach stellte Schmidt-Rimpler den Vertrag damit angesichts vielfältiger soziologisch nachweisbarer Ungleichgewichtslagen unter den generellen Vorbehalt, dass jedenfalls in der Gesamtschau aller Verträge die objektive Gerechtigkeit nicht verfehlt werde.395

385 

Vgl. zu den Theorien privater Rechtsetzung Bachmann, Private Ordnung, S.  91 ff. Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 156. 387  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 165. 388  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 169. 389  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 170. 390  Vgl. zur Analyse von Verträgen durch die Neue Institutionenökonomik Teil 4 D. II. 3. 391  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 166 f. 392  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157. 393  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 f. Fn.  34. 394  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 166 ff.; siehe dazu auch Barnert, Formale Vertragsethik, S.  32. 395 Vgl. Busche, Kontrahierungszwang, S.  78. 386 

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Die Theorie von der Richtigkeitsgewähr sieht in ihrer ersten Version aus dem Jahr 1941 die Privatautonomie somit nicht als eigenständigen Geltungsgrund privater Vereinbarungen an; 396 denn die rechtliche Anerkennung des Vertrages basiert hier nicht auf dem Willen der Parteien, sondern auf der dem Vertrag innewohnenden Richtigkeitsgewähr im Sinne einer Gewährleistung objektiver Gerechtigkeitsvorstellungen.397 Hierdurch rückte Schmidt-Rimpler den Vertrag „explizit aus seiner zentralen Stellung im System des bürgerlichen Rechts heraus“ und entwertete ihn so als Mittel zur „Aktualisierung beidseitig betätigter Autonomie“.398 Die ursprüngliche Theorie Schmidt-Rimplers war deshalb durchaus dahingehend zu verstehen, dass der Vertrag im Einzelfall heteronom vorgegebenen Richtigkeitsvorstellungen entsprechen müsse; aufgrund der zeitlichen Nähe zum nationalsozialistischen Zwangsregime liegt diese Schluss­ folgerung vielleicht sogar nahe. Die Konzeption erhielt deshalb nicht nur Zustimmung, sondern provozierte auch Kritik.399 So hat ihr etwa Ludwig Raiser400 – selbst ein Verfechter objektiv-inhaltlicher Vertragsergebnissteuerung – entgegengehalten, der Begriff der Richtigkeit des Vertrages sei so komplex, dass er sich nicht für eine Subsumtion eigne.

III. Subjektive Richtigkeitsgewähr des Vertragsschlusses (Schmidt-Rimpler 1974) Wohl auch unter dem Eindruck der vorstehend geschilderten Kritik an seiner Konzeption aus dem Jahr 1941 hat Schmidt-Rimpler seine Theorie in dem Text „Zum Vertragsproblem“ aus dem Jahr 1974 dahingehend abgewandelt, als der Begriff der Richtigkeit auch für subjektive Wertungen der Parteien offen sei.401 „Objektive Gerechtigkeit“ sei „für den Menschen mangels fester Kriterien nicht 396  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 159: „Aus all unseren Erwägungen ergibt sich, dass der Begriff der Privatautonomie unzutreffend ist und Vertrag und Rechtsgeschäft nicht als Rechtsquellen angesehen werden können, was auch rechtspolitisch von grundsätzlicher Bedeutung ist“; siehe auch Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  52; etwas vorsichtiger Busche, Kontrahierungszwang, S.  77: dem Prinzip der Privatautonomie werde kein besonderer Stellenwert zugemessen. 397  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 und 163. 398  Pflug, Kontrakt und Status, S.  132 [im Orig. z. T. hervorgehoben]. 399  Siehe dazu Pflug, Kontrakt und Status, S.  132 ff. 400  Raiser, in: FS Deutscher Juristentag, 1960, S.  101, 118 f.; siehe auch Leistner, Richtiger Vertrag, S.  183 mit Fn.  52. 401  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 15: „Aber da beide Parteien bei ihrem Gerechtigkeitsurteil im allgemeinen natürlich von den in ihrer Gesellschaft und Rechtsgemeinschaft geltenden Wertungen ausgehen werden, wenn sie einer Partei günstig sind, ist die Erwartung begründet, dass das Ergebnis auch der Gemeinschaftsordnung weitgehend entspricht, ohne dass dies aber natürlich Voraussetzung für die Vertragswirkung wäre“; siehe in Ansätzen auch ders., in: FS Nipperdey, 1955, S.  1, 5 ff.; vgl. auch Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5, 8: Durch das Erfordernis beiderseitiger Zustimmung zum Vertragsinhalt werde die Richtigkeit des Vereinbarten im Sinne der „intersubjektiven Ausgleichsgerechtigkeit“ gesichert.

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feststellbar“.402 Der Hinweis auf die Richtigkeitsgewähr des freien Vertrages und seine Berührungspunkte mit dem Prinzip der Gerechtigkeit habe aus rechtspolitischer Sicht nur dazu gedient, das Institut des Vertrages vor dem Zugriff eines totalitären Gesetzgebers zu schützen; 403 dies ist letztlich als ein Eingeständnis der Verfehltheit seiner ursprünglichen Theorie zu bewerten. Die Vertragsfreiheit diene deshalb nicht nur einer Richtigkeitsgewähr, sondern auch der Sicherung individueller Freiheit gegen staatliche Regelung.404 Individuelle Freiheit und objektive Richtigkeit – anders formuliert: Individual- und Institutionsschutz – stünden in keinem Gegensatz zueinander. Der Vertrag sei vielmehr – flankiert durch den zu schützenden Wettbewerb405 – ein Mittel gerechter Ordnung, obwohl bei ihm die Rechtsfolge an den interessenbestimmten Willen der Beteiligten anknüpfe.406 Angesichts der vielfach fehlerfreien und richtigen, da die Interessen der Vertragspartner in einen sachgerechten Ausgleich bringenden Verträge korrespondiere jedenfalls das System der geschlossenen Einzelverträge mit objektiven Gerechtigkeitsvorstellungen im Sinne überindividueller Belange der staatlichen Gemeinschaft,407 habe also mittelbar „eine positive Systemfunktion“.408 Die Theorie von der subjektiven Richtigkeitsgewähr ist hiernach primär als Legitimationsmuster für das Institut des Vertrages zu verstehen, beinhaltet also kein analytisches Konzept zur Beobachtung der gesellschaftlichen Wirklichkeit.409 Bei einem solchen Verständnis stellt die Theorie den bislang wirkungsmächtigsten Ansatz für das Verhältnis von Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit dar: 410 Sofern beide Vertragspartner ihre Interessen im Rahmen der vertrag­lichen Einigung in einen sachgerechten Einklang bringen müssen, jede Vertragspartei also für sie vorteilhafte und nachteilige Regelungen in Kauf nimmt, werden die Rechtsfolgen des Vertrages bei generalisierender Betrachtung für keinen der Vertragspartner subjektiv unbillig sein („volenti non fit iniuria“).411 Blickt man über diese individuelle Vertragsbeziehung hinaus, so spie402  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 11; aus diesem Grunde habe er – Schmidt-Rimpler – in dem Text von 1941 selbst dem Gesetzgeber ihre Erkenntnis abgesprochen. 403  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 9; ebenso Rüthers, Die unbegrenzte Auslegung, 1.  Aufl. 1968, S.  369; Limbach, KritV 1986, 165, 176. 404  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 5 ff.; wie vorliegend Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.   36. 405 Indirekt Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  14 und öfter. 406  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 9. 407  Rittner, AcP 188 (1988), 101, 128; ders., JZ 2011, 269, 272; Busche, Kontrahierungszwang, S.  78; siehe auch Pflug, Kontrakt und Status, S.  137; a. A. M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S.  68. 408 So Leistner, Richtiger Vertrag, S.  183. 409  Limbach, KritV 1986, 165, 176. 410  So auch zum Folgenden Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284; vgl. zur Entwicklung der Zivilrechtswissenschaft im Anschluss an die „Lehre“ Schmidt-Rimplers die Nachweise bei Barnert, Formale Vertragsethik, S.  32 ff. 411  Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  56.

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gelt der Vertrag als Rechtsinstitut nicht nur die subjektive Willkür der Vertragsparteien wider, sondern enthält zugleich ein Element objektiver Ordnung.412 Der Vertragsfreiheit kommt nach dieser Konzeption also als Regelungssystem neben [!] den Grundsätzen der Selbstbestimmung und der Selbstverantwortung noch eine weitere Legitimation als Ordnungsprinzip zu.413 Wenn auch nicht notwendig der jeweilige Einzelvertrag eine angemessene Ordnung konstituiert, so ist doch zu erwarten, dass die geschlossenen Verträge insgesamt zu einer vernünftigen, die beiderseitigen Interessen der Vertragspartner wahrenden Ordnung führen.414 Aus dieser spezifischen Ordnungsfunktion des fehlerfrei zustande gekommenen zivilrechtlichen Vertrages folgt zugleich, dass die Rechtsordnung die von den Parteien getroffene subjektive Äquivalenzbestimmung grundsätzlich nicht auf ihre Vereinbarkeit mit objektiven Gerechtigkeitskriterien überprüfen soll.415 Darüber hinaus bewirkt die dem Vertrag zukommende Ordnungsfunktion, dass eine Gerechtigkeitskontrolle unter dem Gesichtspunkt der „Gemeinschaftsverträglichkeit“ unzulässig ist, so dass den Vertragsparteien im Endergebnis hinsichtlich der Richtigkeit des Vertragsinhalts eine Beurteilungsautonomie zusteht („subjektive Richtigkeit“).416 Hierauf ist zurückzukommen.

IV. Das Sozialstaatsprinzip als Quelle überindividueller Vertragsgerechtigkeit? 1. Die Bürgschafts-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In jüngerer Zeit wird zunehmend versucht, eine Inpflichtnahme des Privatrechts für ethische Zwecke unter Zurückdrängung des Primats material-faktischer Selbstbestimmung aus den Grundrechten herzuleiten.417 Historisch zeigte sich die verfassungsrechtliche Anerkennung eines eigenständigen Ordnungsauftrags des Privatrechts im Sinne eines angemessenen Ausgleichs von Freiheitsrechten darin, dass man die Grundrechte in Rechtsverhältnissen von Privaten nicht unmittelbar, sondern nur als die Auslegung leitende objektive Wertmaßstäbe zur Geltung brachte.418 Die Grundrechte konnten hiernach nicht direkt für eine Vertragsinhaltskontrolle instrumentalisiert werden. Dies änderte sich mit der Lehre von den grundrechtlichen Schutzpflichten, wonach die Normen des Privatrechts als staatliche Akte der unmittelbaren Grund412 

Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  53. Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  56. 414  Coester-Waltjen, AcP 190 (1990), 1, 14. 415  Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5, 8 ff., insb. 10. 416  Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5, 10. 417  Krit. Bydlinski/Mayer-Maly/Reuter, Ethische Grundlagen, S.  105, 114; ders., DZWiR 1993, 45, 48. 418  Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S.  36 f.; Reichold, JJZ 1992, S.  63, 67. 413 

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Teil 3:  Vertragstheorien

rechtskontrolle unterliegen sollen.419 Diese Lehre konnte jedenfalls im Ergebnis zu einer Art unmittelbarer Drittwirkung führen: Wendet man auf einen Sachverhalt die Generalklauseln des Privatrechts an (§§  138, 242 BGB), kommt es in diesem Rahmen zu einer Abwägung der widerstreitenden, grundrechtlich geschützten Interessen.420 Dogmatischer Anknüpfungspunkt marktkompensatorischer Privatrechtstheorien ist insoweit vor allem das Sozialstaatsprinzip des Art.  20 Abs.  1 GG i. V. mit Art.  28 Abs.  1 Satz 1 GG. Die Freiheitsgarantien und das Prinzip der Sozialstaatlichkeit werden dazu in einem dialektischen Verhältnis gesehen, da sie sich nicht isolieren ließen, sondern „einander zugeordnet“ seien „zu einer spannungsreichen, nicht vorgegebenen, sondern uns allen aufgegebenen Einheit“.421 Dieses Spannungsverhältnis sei auf verfassungsrechtlicher Ebene durch „lückenlose Konkordanz“ aufzulösen, und zwar in Form „einer Bändigung ungezügelter Eigennützigkeit zu Gunsten einer die rechtstaatlichen Errungenschaften sowohl respektierenden als zugleich weiterführenden Sozialpflichtigkeit“.422 Das führe zu einer inhaltlichen Neubestimmung der Privatautonomie, die nicht (mehr) als totale Ungebundenheit verstanden werden dürfe, sondern auf den eigentlichen Kern ihrer Verleihung zurückzuführen sei, nämlich zum Zwecke selbstbestimmter Teilhabe am allgemeinen Rechts- und Wirtschaftsverkehr.423 Nach einem solchen Verständnis ist das Privatrecht zuvörderst einem Grundsatz der „vertraglichen Solidarität“ verpflichtet.424 Dieses Ziel sei vor al419  Canaris, AcP 184 (1984), 201 ff.; Ruffert, Vorrang der Verfassung, S.  89 ff., 139 f.; Merten/Papier/Ch. Calliess, Handbuch der Grundrechte, Bd. II, §  44 Rn.  18; Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 438. Siehe auch Isensee, DNotZ 2004, 754, 765, der zwischen der prototypischen Schutzpflicht (Verhinderung von Übergriffen eines Privatrechtssubjekts in die Rechtsgüter eines anderen durch den Staat) und der vorliegend in Rede stehenden „sozialstaatlich motivierten Schutzpflicht als Rechtstitel zur Inhaltskontrolle“ unterscheidet. 420  Bachmann, AcP 210 (2010), 424, 471 f., der freilich darauf hinweist, dass die Schutzpflichtlehre bei richtiger Anwendung praktisch autonomiefreundlichere Ergebnisse zeigt, indem man – neben psychologischen Aspekten – ein Prüfungsschema formuliert, das den Normanwender zum Respekt vor marktkonformem Verhalten anhält. Krit. zur – vorliegend nicht zu vertiefenden – Diskussion über die „Konstitutionalisierung“ des Privatrechts Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 36: Grundrechte seien auf vertragliche Absprachen weder unmittelbar noch mittelbar anzuwenden. Die Intention von Zöllner zeigt sich in folgenden Ausführungen [a. a. O.]: „Denn auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Hürden für Verfassungsbeschwerden hoch anzusetzen versucht hat, ist seine Entscheidung geeignet, vermeintlich fortschrittlichen Rechtsanwendern eine Handhabe für die Aushebelung der Bindung an Verträge zu bieten“; siehe auch Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, S.  13, 58 ff., insb. S.  76; Isensee, in: FS Großfeld, 1999, S.  485, 500 ff.; ders., DNotZ 2004, 754, 765. A. A. Hillgruber, AcP 191 (1991), 69, 75 f., 85; Gaier, ZEV 2006, 2, 3 f. und 7. Monographisch Böckenförde, Lage der Grundrechtsdogmatik, insb. S.  32 ff.; Cornils, Die Ausgestaltung der Grundrechte. 421  Raiser, JZ 1958, 1, 6. 422  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1 AT, S.  7. 423  Esser/Schmidt, Schuldrecht Bd. 1 AT, S.  8 [im Orig. z. T. gesperrt gedruckt]. 424  Lurger, Vertragliche Solidarität, S.  128; siehe dazu Riesenhuber, System und Prinzipien, S.  581 ff.

C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit

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lem durch zwingende Vertragsnormen zu erreichen.425 Da Vertrags- und Inhaltsfreiheit keine inhaltlich „richtigen“ Regelungen hervorbringen könnten, seien sie allenfalls durch ein „organisatorisch-technisch verstandenes Subsidiaritätsprinzip“ zu rechtfertigen, wonach die Individuen solange privatautonom vereinbaren könnten, solange die Regelungsaufgabe „noch nicht von anderen befugten Organisationseinheiten [. . .] wahrgenommen worden“ sei.426 Verstärkt in den Blick zu nehmen seien das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines materiellen Äquivalenzprinzips sowie die gerechte Verteilung der mit einem Vertrag verbundenen Risiken und Lasten.427 Es gehe um „eine Abwägung der Interessen“ der Vertragsparteien, „bei der insbesondere die Zumutbarkeit des Selbstschutzes des Verletzten und die Verkehrserwartungen und die Fairness des Partners beim Zustandekommen und bei der Abwicklung von Verträgen eine Rolle“ spielten.428 Von diesem Ausgangspunkt her ist es nur noch ein kleiner Schritt, um aus der ungleichen Verteilung von Eigentumsrechten auf eine unterschiedliche Verteilung von Selbstbestimmungschancen zu schließen, die zu einem „generellen Marktversagen“ führe.429 Dieses nötige dazu, die Kritik am Privatrecht „bis zu ihrer letzten und entscheidenden Konsequenz voranzutreiben und etwa die ‚Gesellschaft der Individuen‘ für beendet zu erklären“.430 Entscheidender Bezugspunkt für einen gerechten Interessenausgleich sei der Status einer Person, weshalb der Einzelne in der Korporation aufgehe, die allein über hinreichende Gegenmacht verfüge.431 Das BVerfG hat diesem Ansatz im Handelsvertreter-Beschluss aus dem Jahr 1990432 und in der Bürgschaftsentscheidung aus dem Jahre 1993 de facto zum Durchbruch verholfen.433 In diesen Entscheidungen hat es die bis dahin vorherrschende, eher formale Sicht der Privatautonomie des BGH zurückgewiesen.434 Die Urteile werden in Zusammenschau mit der Rechtsprechung zur Un425 

E. Schmidt, JZ 1980, 153, 156. Jürgen Schmidt, Vertragsfreiheit und Schuldrechtsreform, S.  239 und öfter; dagegen Picker, JZ 1988, 339 ff. 427  Larenz/Wolf, BGB-AT, S.  28 f. 428  Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität Berlin, 2010, S.  981, 992. 429  So noch im Jahr 1988 S. Simitis, KJ 1988, 32, 34. 430  S. Simitis, KJ 1988, 32, 40. 431  S. Simitis, KJ 1988, 32, 35. 432  BVerfG v. 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, NJW 1990, 1469 – Handelsvertreter. In dieser Entscheidung überprüfte das BVerfG die Zulässigkeit eines vertraglichen Wettbewerbsverbots am Maßstab der Berufsfreiheit gemäß Art.  12 Abs.  1 GG als gegenüber Art.  2 Abs.  1 GG speziellerer Freiheitsverbürgung. Siehe dazu Hillgruber, AcP 191 (1991), 69 ff.; Medicus, AcP 192 (1992), 35, 61 f. und 64; Reich, JZ 1997, 609; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 5. 433  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 u. a., NJW 1994, S.  36 ff. Die Entscheidung war und ist Gegenstand vielfältiger Stellungnahmen, siehe nur Adomeit, NJW 1994, 2467, 2468; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 296 ff.; Heinrich, Formale Freiheit und materiale Gerechtigkeit, S.  3 Fn.  20 und Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 2 Fn.  7. Vgl. auch BVerfG v. 2.5.1996 – 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 434  BGH v. 19.1.1989 – IX ZR 124/88, BGHZ 106, 269; dem BGH zu stimmten Medicus, 426 

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Teil 3:  Vertragstheorien

wirksamkeit eines Unterhaltsverzichts in Eheverträgen435 – wie wir schon in Zusammenhang mit der Diskussion über die Wirtschaftsverfassung gesehen haben – als „Höhepunkte des Materialisierungsprozesses“ eingestuft,436 da sie den Schutz der Selbstbestimmung vor einseitiger Fremdbestimmung durch den überlegenen Vertragspartner nicht mit dem Grundsatz materialer Vertragsfreiheit, sondern mit primär staatsgerichteten Gemeinwohlaspekten, namentlich dem Sozialstaatsprinzip des Art.  20 Abs.  1, 28 Abs.  1 GG begründeten. Dies zeigt für Reinhard Singer, dass das „Recht sich nicht mehr mit der Gewährleistung formaler Vertragsfreiheit“ begnüge, „die das Phänomen wirtschaftlicher und sozialer Macht förmlich ignoriert, sondern [. . .] materiale Vertragsgerechtigkeit gewährleisten“ solle, „um jene zu schützen, deren Selbstbestimmung durch Fremdbestimmung bedroht ist“.437 In der herausragend wichtigen Bürgschaftsentscheidung ging es um die Wirksamkeit eines Bürgschaftsvertrages in Höhe von umgerechnet ca. 50.000,– EURO zwischen einer Geschäftsbank und einer im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vermögens- und nahezu einkommenslosen jungen Frau ohne qualifizierte Berufsausbildung zu Gunsten ihres zunächst als Immobilienmakler und später als Reeder tätigen Vaters. Die Bank nahm die Frau im Anschluss an die Zahlungsunfähigkeit des Vaters aus der Bürgschaft in Anspruch, obwohl der Filialleiter der Bank bei Unterzeichnung des Vertrages betont hatte, „man benötige die Bürgschaftserklärung nur für die Akten“. Der BGH hatte den Bürgschaftsvertrag als wirksam angesehen, da eine volljährige Person auch ohne besondere Erfahrung im Geschäftsverkehr wissen müsse, dass die Abgabe einer Bürgschaftserklärung ein hochriskantes Rechtsgeschäft sei, und rechtsgeschäftliche Erklärungen regelmäßig nicht nur „für die Akten“ seien.438 Demgegenüber betonte das im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufene BVerfG,439 dass ein offenkundiges Verhandlungsungleichgewicht zwischen Bürgschaftsempfänger und Bürge vorlegen habe, eine „gestörte Vertragsparität“, die durch Anwendung der allgemeinen privatrechtlichen Generalklauseln kompensiert werden müsse, da die grundgesetzlich verbürgte Privatautonomie der Sicherung der Freiheit aller Vertragsbeteiligten diene. Meines Erachtens hat die Bürgschaftsentscheidung den konkreten Sachverhalt nur im Ergebnis überzeugend gelöst. Demgegenüber ist die dogmatische Begründung zweifelhaft, da sie Anklänge an eine material-objektive VertragsZIP 1989, 817; Westermann, JZ 1989, 746, 747; ders., ZHR 153 (1989), 123, 138 f.; Reichold, JJZ 1992, S.  63, 79: „Konsequenzen der Privatrechtsgesellschaft als einer Risikogesellschaft.“ A. A. Mayer-Maly, AcP 194 (1994), 105, 151 ff.; Reinicke/Tiedtke, ZIP 1989, 613 ff.; Reifner, ZIP 1990, 427. 435  BVerfG 6.2.2001 – 1 BvR 12/92, BVerfGE 103, 89, 102 – Unterhaltsverzichtsvertrag. 436  Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 994. 437  Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität, 2010, S.  981, 994. 438  BGH v. 16.3.1989 – IX ZR 171/88, NJW 1989, 1605 ff. 439  BGH v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 u. a., NJW 1994, 36, 38 f.

C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit

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inhaltskontrolle enthält, die den Prinzipien eines auf (beidseitiger) Selbstbestimmung gründenden Privatrechts widerspricht. So ist wenig einleuchtend, dass das BVerfG die Notwendigkeit einer Vertragsinhaltskontrolle bei strukturell ungleicher Verhandlungsmacht aus dem Sozialstaatsprinzip herleitet, obwohl man eine solche auch aus dem Grundsatz der Selbstbestimmung selbst ableiten könnte. Darüber hinaus ist das im Sozialstaatsgrundsatz angelegte Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit vornehmlich im öffentlichen Recht – bei der Verteilung von Gütern und Lasten durch den Staat – angesiedelt. Demgegenüber geht es im Privatrecht um den Ausgleich der Interessen von (chancen-) gleich-freien Personen. Auch die Merkmale „strukturelle Unterlegenheit“ und „Vertragsparität“ sind für sich genommen zu vage, um hierauf eine richterliche Vertragsinhaltskontrolle stützen zu können.440 Würde man jeden Vertrag daraufhin überprüfen, ob er das Ergebnis ungleicher Verhandlungsmacht sei, liefe dies im Ergebnis auf eine allgemeine wirtschaftliche Geschäftsfähigkeit analog §  104 BGB hinaus, wie sie von Manfred Wolf vorgeschlagen und zu Recht allgemein abgelehnt worden ist.441 Sofern es um die rechtliche Beurteilung wirtschaftlicher Machtpositionen geht, sieht der Gesetzgeber schließlich mit dem Wettbewerbs- und dem Regulierungsrecht spezielle Normen vor, welche die damit einhergehenden Wertungsprobleme einer differenzierten Lösung zuführen. Für ein pauschales Argumentieren mit dem Sozialstaatsgrundsatz verbleibt deshalb kein Raum.442 Im Schrifttum werden die missverständlichen Formulierungen der Bürgschaftsentscheidung dahingehend gedeutet, dass das BVerfG allein die ungleiche Verteilung privater Macht als allgemeines Massenphänomen adressieren wollte, wie es auch der AGB-Kontrolle zugrunde liege.443 In der Tat forderte das Gericht zusätzlich zur „strukturell ungleichen Verhandlungsstärke“ und der dadurch bewirkten „gestörten Vertragsparität“ eine „typisierende Fallgestaltung“.444 Hierin kann man womöglich einen Hinweis auf die im Grundsatz „pacta sunt servanda“ zum Ausdruck kommende Ordnungsfunktion des Vertrages sehen, die eine einzelfallbezogene Überprüfung von Verträgen anhand

440  Adomeit, NJW 1994, 2467, 2468; Zöllner, AcP 196 (1996), 28 ff.; Lorenz, Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  251 ff.; Wackerbarth, AcP 200 (2000), 45, 55 f.; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 680; Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1204. 441  M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S.  125 ff. 442 Es sei denn, man versteht diesen seinerseits als Ausdruck material-chancengleicher Selbstbestimmung; so Mohr, WuW 2011, 112, 113 f. 443  So die Interpretation von Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  276. 444  BVerfG v. 23.6.2004 – 1 BvL 9/02 u. a., BVerfGE 111, 115, 137; siehe auch Wernsmann, DStR-Beih. 2011, 72. Die Subsumtion eines Sachverhalts unter das Merkmal der „typischen Fallgestaltung“ ist dogmatisch nicht unproblematisch, da hierzu vorher zu bestimmen ist, welche Sachverhalte als typisch und welche als untypisch gelten. Siehe grundsätzlich Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S.  335; Leenen, Typus und Rechtsfindung, S.  43 ff.

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Teil 3:  Vertragstheorien

des Kriteriums der Selbstbestimmung grundsätzlich ausschließt,445 sofern nicht qualifizierte Voraussetzungen gegeben sind.446 Man kann – und dies ist meine Deutung – in der Bürgschaftsrechtsprechung aber auch eine Fortführung des in §  138 Abs.  2 BGB angelegten Rechtsgedankens sehen. 447 So kam zur emotionalen Drucksituation, welche die tatsächliche Entscheidungsfreiheit beeinflusst hatte, ein inhaltlich unausgewogener Vertrag hinzu („ungewöhnlich starke Belastung“ des Bürgen).448 Beide Umstände waren nach Feststellungen der In­ stanzgerichte der Bank zuzurechnen.449 Auch die – bis heute nicht aufgelösten – unterschiedlichen Deutungsmöglichkeiten zeigen aber letztlich, dass die Bürgschaftsrechtsprechung in ihrer Allgemeinheit mehr Fragen aufgeworfen als gelöst hat. Es macht zuweilen den Anschein, als ob das BVerfG als „ungerecht“ empfundene Sachverhalte durch einen allgemeinen Rekurs auf die Grundrechte gelöst hat, ohne ein tragfähiges dogmatisches Konstrukt zu etablieren. Dies zeigt auch seine Entscheidung zum Erbfolgestreit im Hause Hohenzollern aus dem Jahr 2004, in der das Gericht die Eingriffsvoraussetzung einer „typisierenden Fallgestaltung“ de facto wieder aufgegeben hat, da es den Fall ansonsten wohl nicht hätte entscheiden können.450 Dieser Beschluss betraf aufgrund des spezifischen Streitgegenstands – es ging um die Wirksamkeit einer sog. Ebenbürtigkeitsklausel in einem Erbvertrag – nur eine kleine Gruppe von Familien des Hochadels.451 Aufgrund der konkreten Fallkonstellation – der Erbe hatte insgesamt dreimal durch notariellen Vertrag auf sein Erbe verzichtet [sic!] – war auch eine typische Gefährdung der material-faktischen Selbstbestimmung ausgeschlossen; denn wofür ist eine notarielle Beurkundung sonst noch gut.452 Selbst die notariellen Verzichtserklärungen hielt das BVerfG aber für unbeachtlich, da sie nur eine Gefährdung der Freiwilligkeit indizierten.453 In jüngerer Zeit verwendet das Gericht die missverständlichen Begriffe der 445  Habersack, Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  164; Lorenz, Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  255. 446  Habersack, AcP 189 (1989), 403, 412 f., zur „Richtigkeitsgewähr notariell beurkundeter Verträge“; ebenso Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  44. 447  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 296 ff.; ebenso Singer, FS 200 Jahre Humboldt-Universität Berlin, 2010, S.  983, 994 und 998 ff.: durchweg Fälle, „die sehr nahe am Tatbestand des §  138 Abs.  2 BGB angesiedelt sind“ (S.  999). 448  Dafür ist nicht notwendigerweise ein inhaltlich unausgewogenes Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zu fordern [dieses gibt es bei einer Bürgschaft als einseitig verpflichtendem Rechtsgeschäft nicht!]; es reicht vielmehr ein offensichtlich unausgewogener Interessenausgleich; vgl. Singer, in: FS 200 Jahre Humboldt Universität Berlin, 2010, S.  983, 1000. 449  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 296 ff. 450  BVerfG v. 22.3.2004 – 1 BvR 2248/01, NJW 2004, 2008 – Ebenbürtigkeitsklausel im Erbvertrag. 451  Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, S.  70. 452  Wagner, in: Obligationenrecht im 21. Jahrhundert, S.  70. 453  BVerfG v. 22.3.2004 – 1 BvR 2248/01, NJW 2004, 2008, 2010. Krit. Isensee, DNotZ 2004, 754, 759 ff.; Gutmann, NJW 2004, 2347, 2348.

C. Der Vertrag als Mittel zur Erzielung überindividueller Gerechtigkeit

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„strukturell ungleichen Verhandlungsstärke“ und der „gestörten Parität“ gar nicht mehr. Es stellt vielmehr – meines Erachtens überzeugend – auf das Fehlen der faktischen Selbstbestimmung durch eine erhebliche ungleiche Verhandlungsposition und damit auf die Sicherung der material-faktischen Vertragsfreiheit ab.454 2. Europäisches Privatrecht Das Sozialstaatsprinzip ist – wie wir schon gesehen haben – nicht nur im deutschen Grundgesetz, sondern auch auf der Ebene der EU verankert, die nach Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV einer sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist.455 Trotz der gleichrangigen Verwendung der Vokabeln „Marktwirtschaft“ und „sozial“ steht die Herstellung einer wettbewerblichen Marktordnung im Vordergrund, die durch den Unionsgesetzgeber mit den sozialen Zielen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen ist.456 Im Rahmen der Diskussion über die richtige Ausgestaltung eines künftigen Europäischen Privatrechts steht insbesondere die „Study Group on Social Justice in European Private Law“ für die Betonung der sozialen Verantwortung des Privatrechts. In einem 2004 veröffentlichten „Manifest“ wandten sich die Mitglieder der Gruppe gegen einen rein „technokratischen Ansatz“ bei der Harmonisierung der einzelnen europäischen Privatrechte.457 Insbesondere sei es nicht ausreichend, ein gemeineuropäisches Privatrecht allein unter dem Blickwinkel der Herstellung des Binnenmarktes zu betrachten.458 Zwar handle es sich dabei um ein berechtigtes Anliegen, doch habe ein modernes Vertragsrecht auch den auf Herstellung sozialer Gerechtigkeit entsprechenden Regelungszielen Rechnung zu tragen.459 Aus diesem Grunde müsse der Schutz der Verbraucher erheblich verstärkt werden; denn die bisherige Ausrichtung des europäischen Verbraucherschutzes auf die Sicherung einer rationalen Entscheidung durch Ex-ante-Information sei nicht zureichend.460 Da sich der Wohlfahrtstaat westeuropäischer Prägung auch wegen der prekären öffentlichen Haushalte zunehmend auf seine klassischen Aufgaben zurückziehe, müsse das Privatrecht auf die Verteilungseffekte der jeweiligen Marktregelung Rücksicht 454  BVerfG v. 7.9.2010 – 1 BvR 2160/09, 851/10, WM 2010, 2044; wie vorliegend schon Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  274; Gernhuber, JZ 1995, 1086, 1091; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 27. Missverständlich demgegenüber BGH v. 15.1.2013 – XI ZR 22/12, NJW 2013, 1519 Rn.  27 – Kündigung eines Girovertrages. 455  Vgl. Maunz/Dürig/Scholz, Art.  23 GG Rn.  79. 456  Siehe oben Teil 2 C. 457  Study Group on Social Justice in European Private Law, ELJ 2004, 653, 655; siehe dazu und zum Folgenden auch Wagner, ZEuP 2007, 180, 184 ff. 458  Study Group on Social Justice in European Private Law, ELJ 2004, 653, 656. 459  Study Group on Social Justice in European Private Law, ELJ 2004, 653, 656. 460  Study Group on Social Justice in European Private Law, ELJ 2004, 653, 661.

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Teil 3:  Vertragstheorien

nehmen und sich damit wieder stärker an dem Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit orientieren.461 Im Rahmen einer Konstitutionalisierung des Privatrechts müsse die Vertragsfreiheit deshalb auf „unionsverfassungsrechtlicher Ebene“ mit den menschenrechtlichen Garantien der EU-Grundrechte-Charta harmonisiert werden, zum Beispiel mit den Gewährleistungen der Menschenwürde, der Freiheit, Gleichheit und Solidarität.462

D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit I. Unterscheidung zwischen monistischen und dualistischen Ansätzen Zur Auflösung des spannungsgeladenen Verhältnisses zwischen „formaler Freiheitsethik“ und „materialer Verantwortungsethik“463 lassen sich wie gesehen drei repräsentative Positionen unterscheiden: 464 Für die erste Ansicht besteht das Fundament der Privatautonomie und damit auch der Vertragsfreiheit zuvörderst im Grundsatz „stat pro ratione voluntas“, weshalb die „Gestaltung der Selbstbestimmung [. . .] einem rechtlichen Urteil, ob sie ‚richtig‘ ist, nicht zugänglich“ sei (Flume).465 Nach einer zweiten Sichtweise gibt es Vertragsfreiheit in Wirklichkeit überhaupt nicht, weshalb sie durch die Vertragsgerechtigkeit als „materiales Funktionsprinzip des Vertragsrechts“ zu ersetzen sei (Zweigert/ Kötz).466 Da eine Vertragsinhaltskontrolle auf der Grundlage materialer Gerechtigkeitsprinzipien wegen des Fehlens allgemein konsentierter und praktikabler Bewertungsmaßstäbe zunehmend kritisch gesehen wird, stützt sich eine Spielart dieser Auffassung seit den 1990er-Jahren auf eine vor allem aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes (Art.  20 Abs.  1, 28 Abs.  1 GG) folgende staatliche Schutzpflicht (Derleder).467 Hierdurch wird freilich nur die dogmatische Herleitung ausgewechselt, ohne das materielle Begründungsproblem zu lösen. Eine dritte und, wie im Folgenden zu zeigen ist, in ihrem selbstbestimmungsbezogenen Ausgangspunkt überzeugende Konzeption lehnt sich an SchmidtRimplers Lehre von der subjektiven Richtigkeit des Vertragsmechanismus an,468 461 

Study Group on Social Justice in European Private Law, ELJ 2004, 653, 665. Study Group on Social Justice in European Private Law, ELJ 2004, 653, 667 ff. 463  So der Untertitel des Aufsatzes von Dieter Reuter in AcP 189 (1989), 199 ff.; siehe auch den Titel des Tagungsbandes zum 65. Geburtstag von Reuter „Formale Freiheitsethik oder materiale Verantwortungsethik.“ 464  Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  873, 881 ff.; Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  69 f. 465 Repräsentativ Flume, BGB-AT Bd. II, §  1, 5 und 6a. 466  Repräsentativ ihre Rechtsvergleichung, S.  10. 467  Derleder, KJ 1995, 320 ff. 468  Diese ist von der ebenfalls von Schmidt-Rimpler vertretenen Theorie von der objektiven Richtigkeitsgewähr abzugrenzen; dazu Teil 3 D. IV. 462 

D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit 191

die den funktionalen Zusammenhang zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit herausgearbeitet hat.469 Hiernach stehen individuelle Freiheit und Richtigkeitsgewähr des Vertrages (besser: Richtigkeitschance des Vertrages470) in keinem Gegensatz zueinander. Der Vertrag ist vielmehr gerade deshalb ein Mittel gerechter „privater Ordnung“, weil bei ihm die Rechtsfolge an den interessenbestimmten Willen der Beteiligten anknüpft.471 Richtigkeits- und Selbstbestimmungslehre stehen nach dem Konzept der Richtigkeitschance des Vertrages also nicht in einem Verhältnis der Gegensätzlichkeit, sondern in einem solchen der Komplementarität, da der Vertrag ein Mittel zur Verwirklichung von Selbstbestimmung und zugleich von prozeduraler Gerechtigkeit ist.472 Grundvoraussetzung und rechtspolitische Legitimation einer solch prozeduralen Theorie der Gerechtigkeit ist das Bestehen eines funktionsfähigen Wettbewerbs.473 Aus diesem Grunde muss die Rechtsordnung korrigierend eingreifen, wenn der Wettbewerb auf Märkten aus situationsspezifischen oder strukturellen Gründen gestört ist.474 Sofern es auf der Grundlage der hier favorisierten dritten Lösung typischerweise zu einem (juristisch zu definierenden) „Vertragsversagen“ kommt, weil etwa bestimmte Vertragsklauseln wie Haftungsfreizeichnungen oder Beschränkungen der Mängelhaftung für die rechtsgeschäftliche Entscheidung einer Partei aufgrund ihres „rationalen Desinteresses“475 keine Rolle spielen, sind die entsprechenden Defizite durch zwingendes Schutzrecht zu beheben. Hier stehen sich wiederum verschiedene Konzepte gegenüber: Während einige für einen Vorrang von Informationspflichten plädieren, sehen andere eine Notwendigkeit für zwingende (Gewährleistungs-)Vorschriften oder Widerrufsrechte. Die entsprechenden Rechtsfragen stellen sich derzeit auch im Rahmen der Schaffung eines gemeineuropäischen (Kauf-)Vertragsrechts.476 Demgegenüber ist der Begriff der Richtigkeitschance im wirtschaftlichen Verkehr nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer „Chance auf einen ökonomisch effizienten Vertrag“; 477 denn auf der Grundlage einer prozeduralen Gerechtigkeitstheorie steht ein freiheitliches Verständnis des Wettbewerbsprozesses im Vor

469 

Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 9 f. M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S.  74. 471  Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 9. 472 So Habersack, AcP 189 (1989), 403, 409. 473  Mestmäcker, JZ 1964, 441 ff.; ebenso im Ergebnis Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  14 und öfter. 474  Basedow, AcP 200 (2000), 445, 487. 475 Dauses/Micklitz/Rott, H. V. Verbraucherschutz Rn.  596; zur Neuen Institutionenökonomik siehe Teil 4 D. II. 476  Eidenmüller/Jansen/Kieninger/Wagner/Zimmermann, JZ 2012, 269, 276 ff. 477  Mankowski, Beseitigungsrechte, S.  1139; Basedow, AcP 200 (2000), 445, 487. 470 

192

Teil 3:  Vertragstheorien

dergrund, das einer wohlfahrtsökonomischen Effizienzausrichtung widerspricht. Im Einzelnen:

II. Unzulänglichkeit einer rein instrumental-formal verstandenen Vertragsfreiheit Gegen die erstgenannte, u. a. von Flume vertretene Ansicht spricht, dass eine lediglich instrumental-formal verstandene Vertragsfreiheit, die sich allein über ihre Erscheinungs- und Ausübungsformen definiert, weder mit der geltenden Wirtschaftsverfassung noch mit dem System des Privatrechts konform geht. Bereits das Bürgerliche Gesetzbuch des Jahres 1900 verhielt sich gegenüber dem Ergebnis einer vertraglichen Einigung nicht indifferent, sondern statuierte mit den §§  134, 138, 315 BGB Schutznormen für die Vertragsfreiheit, die aus heutiger Sicht als – wenn auch unzulängliche – Ausformungen eines materialen Vertragsprinzips eingeordnet werden können.478 Angesichts des klassischen Bestands der Vorschriften zum Schutz der Selbstbestimmung, wozu auch der Schutz von Minderjährigen, die Möglichkeit einer Lösung vom Vertrag bei Irrtum, Täuschung und Drohung, der Formzwang für einschneidende und schwer zu überschauende Rechtsgeschäfte oder das Verlangen von „Seriösitätsindizien“ wie der Gegenseitigkeit des vertraglichen Leistungsversprechens gehören, ging der Vorwurf, das Bürgerliche Gesetzbuch des Jahres 1900 sei allein der formalen Vertragsfreiheit verpflichtet gewesen, bei Lichte besehen schon immer ins Leere.479 Allerdings wurde von den Befürwortern des klassisch liberalen BGB-Vertragsrechts zu wenig beachtet, dass die vorbenannten Vorschriften keinen dauerhaften und fest gefügten Kanon zum Schutz privatautonomer Gestaltung enthielten, sondern lediglich eine historisch bedingte – und schon bei ihrer Schaffung unzulängliche – Fixierung nicht abschließender Fallgruppen gestörter faktischer Entscheidungsfreiheit.480 Im Falle einer Änderung der soziologischen Voraussetzungen und Techniken des Vertragsschlusses (Stichwort: Massenvertrag) entsprach es deshalb eigentlich schon immer dem immanenten Regelungsplan des Bürgerlichen Rechts, die hierdurch hervorgerufenen Gefahren für die materiale Selbstbestimmung zu beheben. Dies erfordert nicht nur die Sicherung der konstitutiven Voraussetzungen, unter denen Vertragsfreiheit und Privateigentum für alle Bürger wünschenswerte Resultate zeigen können, durch ein funktionsfähiges Wettbewerbsrecht,481 sondern kann auch die Schaffung von einseitig zwingendem Recht zu Gunsten der unterlegenen Vertragspartei 478  Reuter, AcP 189 (1989), 199, 219; Busche, Kontrahierungszwang, S.  74, der insoweit der Ansicht ist, die §§  134, 138 BGB fußten auf den Wertideen der Gerechtigkeit und Rechtssicherheit (S.  75). 479 So Wagner, ZEuP 2007, 180, 194 f. 480  Wagner, ZEuP 2007, 180, 195. 481 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  34.

D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit 193

oder eine richterliche Billigkeitskontrolle von Verträgen rechtfertigen.482 Paradigmatisch für eine Verwirklichung der Grundwerte Selbstbestimmung und Selbstverantwortung durch jeweils problemadäquate Rechtsstrukturen483 ist die Entwicklung eines privatrechtskonformen, da wettbewerbsfördernden Regulierungsrechts in den Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen, das auf das Versagen des Wettbewerbsprozesses in von natürlichen Monopolen und von sonstigen persistenten marktmächtigen Stellungen geprägten Märkten überzeugend durch eine wettbewerbsanaloge Gestaltung der Märkte reagiert.

III. Keine Ausrichtung des Vertrages auf heteronome Gerechtigkeitsvorstellungen 1. Verstoß gegen den Grundsatz der individuellen Selbstbestimmung Auch die zweitgenannte Ansicht, die den Grundsatz der Selbstbestimmung durch heteronom festgesetzte Gerechtigkeitsanforderungen substituieren will, kann nicht überzeugen. Gegen derartig „soziale“ Vertragstheorien, die mit Hilfe des Vertragsrechts gesellschaftspolitische und ökonomische Ziele zu verwirklichen suchen, spricht bereits, dass sie bei stringenter Anwendung zu einem Bruch mit dem grundlegenden, in der Menschenwürde fußenden Prinzip der Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung des Menschen484 und damit mit der geltenden Privatrechtsordnung führten, da die Bedeutung des Vertrages als Instrument der Rechtsgestaltung allein auf „soziale“ Funktionen verkürzt würde.485 Eine strikte Verpflichtung der Bürger auf obrigkeitsstaatlich festgelegte Wert- und Wertevorstellungen im Privatrecht trägt außerdem die historisch begründete Gefahr des Missbrauchs in sich (siehe Schmidt-Rimplers Theorie aus dem Jahr 1941!), weshalb sich unsere Rechtsordnung für ein freiheitlich-marktwirtschaftliches System entschieden hat,486 das auf der Grundlage einer funktionsfähigen Wettbewerbsordnung Freiheit und Wohlstand aller Bürger sichert.487

482 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  34. Siehe auch Leistner, Richtiger Vertrag, der insoweit die funktionelle Austauschbarkeit von Vertrags- und Lauterkeitsrecht betont. 483  Reichold, JJZ 1992, S.  63, 80. 484 Vgl. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  262 und öfter; speziell mit Blick auf ein privates Recht der Nichtdiskriminierung Lobinger, in: Isensee (Hrsg), Vertragsfreiheit und Diskriminierung, 2007, S.  102 ff. 485  Busche, Kontrahierungszwang, S.  86. 486 So – in Zusammenhang mit der Schaffung eines zivilrechtlichen Antidiskriminierungsrechts Säcker, ZRP 2002, 286 ff.; zust. Schmelz, ZRP 2003, 67. 487 Adomeit/Mohr/Adomeit, AGG, Einl. Rn.  43.

194

Teil 3:  Vertragstheorien

2. Fehlen materieller Kriterien für eine Richtigkeitskontrolle im Einzelfall Eine Kontrolle des einzelnen Vertrages auf seine Richtigkeit ist – wie wir gesehen haben – auch deshalb nicht möglich, weil es hierfür an konkret handhabbaren Kriterien fehlt.488 Verallgemeinerungsfähige Gerechtigkeitsansätze lassen sich in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft praktisch nicht finden.489 So ist es zulässig, einen Gegenstand zu einem Liebhaberpreis zu veräußern, ohne dass die Rechtsordnung dem Vertrag wegen des Verstoßes gegen ein objektives Äquivalenzkriterium die Gültigkeit versagen kann.490 Vor diesem Hintergrund wird verständlich, weshalb Vertreter materialer Gerechtigkeitstheorien zuweilen weniger die Inhalte einer solchen Ethik definieren, als vielmehr allgemeine politische Programme aufstellen. Diese sind jedoch mit ethischen Grundsätzen nur sehr bedingt gleichzusetzen.491 Darüber hinaus können sie nicht die Interpretation von konkreten Rechtsnormen leiten. Eine vergleichbare Kritik provoziert die Theorie Schmidt-Rimplers von der objektiven Richtigkeitsgewähr des Vertrages in ihrer ursprünglichen Variante aus dem Jahr 1941, da diese letztlich auf der Prämisse beruht, die gemeinsame Selbstbestimmung der Vertragsparteien – der Konsens – könne die private Rechtsetzung nicht legitimieren.492 Hiernach gründet die rechtliche Anerkennung des Vertrages nicht auf dem Willen der Parteien, sondern auf dem Vertragsmechanismus und der ihm innewohnenden Richtigkeitsgewähr im Sinne einer Gewährleistung objektiver Gerechtigkeitsvorstellungen im Einzelfall.493 Eine derartige Sichtweise bedeutet im Ergebnis aber keine beidseitige Selbstbestimmung, sondern Fremdbestimmung der Vertragsparteien anhand übergeordneter objektiver Gerechtigkeitsmaßstäbe.494 Auch Schmidt-Rimpler hat in späteren Jahren konzediert, dass sein damaliger Ansatz die darin liegende „Quadratur des Zirkels nicht lösen“ konnte; die „Richtigkeit einer Gegenleistung, insbesondere des Preises“, könne vielmehr „nach so vielen verschiedenen

488  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  184; Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  66; ebenso im Ergebnis – wenn auch aufgrund einer Fundierung des Vertrages in der koordinierten Selbstbestimmung der Parteien – Flume, in: FS Deutscher Juristentag, 1960, S.  135, 142 f.; siehe allgemein zur Unhaltbarkeit heteronomer Vertragszielbestimmungen Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  151. 489  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 286; Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, 309, 313. 490  Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  12. 491  Rittner, AcP 188 (1988), 101, 130. 492  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 159; siehe auch Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  52; etwas vorsichtiger Busche, Kontrahierungszwang, S.  77: dem Prinzip der Privatautonomie werde kein besonderer Stellenwert zugemessen. 493  Schmidt-Rimpler, AcP 147 (1941), 130, 157 und 163; die Thesen Schmidt-Rimplers können zumindest in Richtung einer Einzelfallkontrolle gedeutet werden, vgl. Leistner, Richtiger Vertrag, S.  183 f. mit Fn.  52. 494  M. Wolf, Rechtsgeschäftliche Entscheidungsfreiheit, S.  57.

D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit 195

Kriterien bestimmt werden, die zu verschiedenen Lösungen führen, dass eine einheitliche Lösung nicht zu finden“ sei.495 Selbst wenn man dem dispositiven Gesetzesrecht eine „Leitbildfunktion“496 im Hinblick auf einen gerechten Interessenausgleich zusprechen wollte, da es eine Typisierung des mutmaßlichen Willens redlicher und vernünftiger Vertragsparteien darstelle,497 sind hieraus nur Lösungen für die vertraglichen Nebenpflichten, nicht aber für die Hauptleistungspflichten im engeren Sinne abzuleiten.498 Im Hinblick auf das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zeigt die alte Diskussion um das „iustum pretium“, dass auch materiale Gerechtigkeitskonzeptionen den objektiv gerechten Preis499 nicht positiv bestimmen können.500 Vor diesem Hintergrund haben die Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Normierung eines Prinzips vergleichbar der „laesio enormis“ verzichtet.501 Freilich kann der Gesetzgeber das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung für einzelne Wirtschaftsbereiche – etwa solche der Daseinsvorsorge – normativ konkretisieren. Die Einhaltung objektiver Gerechtigkeitsvorstellungen kann schließlich auch nicht für das „System aller Verträge“ insgesamt gefordert werden.502 Eine solche Sichtweise basiert im Ergebnis ebenfalls nicht auf dem Selbstbestimmungsprinzip, sondern auf objektiven Gerechtigkeitsvorstellungen, da die Vertragsparteien faktisch gehalten sind, den staatlich vorgegebenen Inhalten zu entsprechen, damit ihre Einigungen auf lange Sicht rechtswirksam werden.503 In einer dem Prinzip der Selbstbestimmung verpflichteten Wirtschaftsordnung fehlt es aber an generalisierungsfähigen Kriterien, um einen allgemeinen Maßstab für gerechte vertragliche Regelungen unabhängig vom konkreten Einzelfall festlegen zu können, sei es im Verhältnis der Vertragsparteien oder des in Rede stehenden Marktes. In den Worten von Klaus Adomeit: 504 „Ein Vertrag kann viele Eigenschaften haben, das Prädikat ‚richtig‘ muss man den Rechenkünstlern überlassen. Wie soll es für einen Grundstückskauf, eine Unternehmensübernahme, den 495 

Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 15. 5.  Aufl. 2006, Vor §§  145 BGB Rn.  21. 497  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 285, der überzeugend betont, dass es sich hierbei um ein prozedurales Gerechtigkeitskonzept handelt, da gerechte Regelungen über ein – hypothetisches – Verfahren gefunden werden sollen. Ausführlich Graf, Vertrag und Vernunft, S.  82 ff. 498  Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  66. 499 Vgl. Canaris, AcP 200 (2000), 273, 283: Subjektive oder förmliche Äquivalenz meine die Anerkennung der Parteivereinbarung durch die Rechtsordnung, objektive oder materielle Äquivalenz beziehe sich auf die Festlegung des Inhalts der Vereinbarung unabhängig vom Parteiwillen. Demgemäß sei die objektive Äquivalenz den materiellen Gerechtigkeitstheorien zuzuordnen, wohingegen die subjektive Äquivalenz „einen ausgeprägt prozeduralen Charakter“ habe; siehe auch Larenz, Richtiges Recht, S.  67 ff. 500 Dazu Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30, 39 ff. 501 Rechtshistorisch Bartholomeyczik, AcP 166 (1966), 30, 43. 502 So Fastrich, Richterliche Inhaltskontrolle, S.  53 f. 503  Busche, Kontrahierungszwang, S.  82. 504  Adomeit, NJW 1994, 2467, 2468. 496 MünchKommBGB/Kramer,

196

Teil 3:  Vertragstheorien

Lotto-Spielvertrag, die Ehe (auch ein Vertrag!) eine Richtigkeitsgewähr geben? Beim Einkauf im Supermarkt ärgert man sich als Käufer, daß über die ausgedruckten Preise keinerlei Verhandlung möglich ist, aber dies gleicht sich durch den Wettbewerb aus“. Die Rechtsordnung ist deshalb gehalten, sich mit systemkonformen Hilfskonstruktionen wie dem noch zu thematisierenden Konzept des Als-ob-Wettbewerbs zu behelfen.

IV. Funktionaler Zusammenhang zwischen materialer Vertragsfreiheit und prozeduraler Vertragsgerechtigkeit 1. Subjektive Richtigkeitschance des Vertragsmechanismus Die überzeugendste Theorie zur Auflösung des spannungsgeladenen Verhältnisses zwischen material-chancengleicher Selbstbestimmung und Vertrags­ gerechtigkeit ist damit die Lehre Schmidt-Rimplers von der subjektiven Richtigkeitsgewähr des Vertragsmechanismus, sofern man Letzteres als Richtig­ keitschance liest.505 Wenn – wie zuvor herausgearbeitet – durchgreifende Argumente gegen eine materiale Gerechtigkeitskonzeption sprechen, gleichzeitig aber ein funktionaler Zusammenhang zwischen freiem Vertragsschluss und gerechten Vertragsergebnissen besteht, liegt eine prozedurale Gerechtigkeitskonzeption nahe, in der Gerechtigkeit durch ein faires, gegen Ausbeutung gesichertes Verfahren hergestellt wird.506 Der prozedurale Richtigkeitsbegriff geht davon aus, dass ein Vertrag bei Einhaltung eines bestimmten Verfahrens unabhängig von einer weiteren inhaltlichen Kontrolle subjektiv richtig und damit bindend ist.507 Das Verfahren dient nicht der Sicherung objektiver Gerechtigkeitsvorstellungen, sondern der Eröffnung tatsächlicher Entscheidungsfreiheit.508 Das entspricht im Ergebnis der Gerechtigkeitskonzeption eines liberalen Vertragsmodells, welches durch prozedurale Rationalität und nicht durch eine überindividuell-objektive Richtigkeit gerechtfertigt ist.509 Fehlt die materiale Vertragsfreiheit, weil der Vertragsschluss nicht auf der bewussten, freiwilligen und aufgeklärten Zustimmung der Vertragsparteien beruht, ist auch die prozedurale Richtigkeit des Vertrages nicht mehr automatisch gewährleistet. Die Rechtsordnung muss in diesen Fällen entscheiden, ob das Vertragsungleichgewicht so schwer wiegt, dass es zu kompensieren ist, und welche Mittel sie hierfür einsetzt.510 Als Instrumente kommen die Statuierung von Informati-

505 

Schmidt-Rimpler, in: FS Raiser, 1974, S.  3, 15; siehe bereits Teil 3 C. III. Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  71. 507  Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  11. 508  Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  12. 509  Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1192. 510  Zur Macht als Aufgreiftatbestand siehe Möslein/Bachmann, Private Macht, unter V. 506 

D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit 197

onspflichten, eine Ex-post-Inhaltskontrolle durch die Gerichte oder eine Ex-ante Kontrolle des Vertragsinhalts durch zwingendes Recht in Frage.511 Mit der subjektiven Richtigkeitsgewähr wurde erstmals eine Theorie aufgestellt, die die Vertragsfreiheit vertragstheoretisch und ökonomisch legitimierte sowie mit dem Postulat der Vertragsgerechtigkeit in Einklang brachte.512 Der Vorrang des Verfahrens vor dem Ergebnis gründet auf der Erkenntnis, dass niemand besser als die Vertragsparteien in der Lage ist, im Wege des Aushandelns das für sie Richtige zu ermitteln.513 Im „Bereich gesellschaftlicher Wertungen und Präferenzordnungen“ gibt es mit Franz Jürgen Säcker „keine objektive, absolute Richtigkeit, keine Richtigkeit an sich. Es gibt vielmehr so viele Richtigkeiten, wie es Rechtssubjekte und Instanzen gibt, die über die Richtigkeit bestimmen. In einer auf der Vertragsfreiheit basierenden Ordnung können die Parteien in den Grenzen der guten Sitten und der allgemeinen Gesetze selbst festlegen, was für sie subjektiv richtig ist“.514 Die Lehre Schmidt-Rimplers enthält somit für material-frei ausgehandelte Verträge einen zutreffenden und weiterführenden Kerngehalt, da sie die grundlegende Bedeutung des vertraglichen Interessenausgleichs als elementares Gerechtigkeitskriterium verdeutlicht,515 ohne dass hieraus abgeleitet werden könnte, Verträge müssten in jedem Einzelfall ausgehandelt sein (Problem der Richtigkeit von AGB). Sie lenkt gleichzeitig das Augenmerk auf die Möglichkeit zur rechtlichen und faktischen Selbstbestimmung: Jede Person soll nicht nur in rechtlicher Hinsicht gleich agieren können (§  1 BGB), sondern auch in tatsächlicher Hinsicht vergleichbare Chancen zur Wahrung ihrer Interessen haben.516 2. Der Vertrag als Institut eines selbstbestimmten Interessenausgleichs Auf der Grundlage der vorstehenden Erkenntnisse kann die oben gestellte Frage nach den institutionellen Funktionen des Vertrages beantwortet werden. Der Vertrag als zu schützendes Institut betrachtet allein das Verhältnis der individuellen Vertragsfreiheit zu den gleichen Rechten anderer und damit zur rechtlichen Ordnung des vertraglichen Interessenausgleichs, weshalb er – in Abwand511 

Meller-Hannich, Verbraucherschutz, S.  12. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  36. 513  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284. 514 So Säcker, Gruppenautonomie, S.  207 f.; ebenso Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S.  108 ff.: „funktionelle Begrenzung der Vertragsfreiheit durch die Gleichheit der Kontrahenten“; ders., in: FS Böhm, 1965, S.  113, 134; Paschke, Wohnraummiete, S.  47 ff.: „Vertragsparität als Schlüsselproblem der Verwirklichung inhaltlicher Vertragsgerechtigkeit“; siehe auch Canaris, AP Art.  12 GG Nr.  65 Blatt 459; Dieterich, RdA 1995, 129, 131; Eichenhofer, JuS 1996, 857, 862; Grunewald, AcP 182 (1982), 181, 186; Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  92 ff.; Preis/Rolfs, DB 1994, 261 ff. 515  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 284 f. mit Fn.  29. 516  Denkinger, Verbraucherbegriff, S.  71. 512 

198

Teil 3:  Vertragstheorien

lung einer Formulierung Ernst-Joachim Mestmäckers – identisch ist mit dem Schutz der auf materialer Vertragsfreiheit gegründeten Privatrechtsordnung.517 Das Institut des Vertrages will keine objektiv-überindividuellen (Wohlstands-) Ziele im Interesse der Gesamtsozietät verwirklichen. Die durch die Rechtsordnung konkretisierte Privatautonomie gewährt den Vertragsparteien vielmehr einen Beurteilungsspielraum518 und enthält dafür eine Kompetenzübertragung, die nicht lediglich zum Zwecke der Entlastung des Staates infolge dezentralisierter Entscheidungsfindung,519 sondern auch in Anerkennung ihres Rechts zur Selbstbestimmung erfolgt.520 Hierdurch erhält die rechtsgeschäftliche Ordnung den Charakter einer normativen Ordnung.521 Durch die Anerkennung der Selbstbestimmung des Einzelnen wird zugleich die Rechtsnatur der aufgrund der Kompetenzzuweisung vorgenommenen Akte geändert; es geht nicht um die Konkretisierung gesamtgesellschaftlicher (Wohlfahrts-)Interessen, sondern um den in der Vereinbarung zum Ausdruck kommenden Parteiwillen. Dieser ist auch dann anzuerkennen, wenn die Parteien für ihr Verhältnis die subjektiven Gerechtigkeitsparameter anders justieren, als es im Sinne eines ökonomisch oder ethisch richtigen Interessenausgleichs geboten wäre. Die Geltung des sachlich unrichtigen Rechtsgeschäfts gegenüber einer irrenden oder im Einzelfall unterlegenen Vertragspartei ergibt sich aus dem Grundsatz der Selbstverantwortung als korrespondierendem Grundsatz.522 Das Kriterium der Selbstbestimmung wird somit im Rahmen der Ordnungsfunktion des Vertrages durch dasjenige der Rechtssicherheit ergänzt, ohne dass dies Einfluss auf seine Zuordnung zum Privatrecht hätte.

V. Wettbewerb als Voraussetzung materialer Vertragsfreiheit und prozeduraler Vertragsgerechtigkeit Bei Verträgen über Massengüter ist konstitutive Voraussetzung materialer Vertragsfreiheit – in Vorgriff auf die weiteren Ergebnisse der Untersuchung – die Sicherung des Wettbewerbs auf der Marktgegenseite durch das allgemeine Wettbewerbsrecht und durch die wettbewerbsanaloge Regulierung natürlicher (Netz-)Monopole bzw. marktmächtiger Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten.523 Die durch den Wettbewerb bewirkte Rivalität auf der Marktge517 

Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.  83. Schmidt-Salzer, NJW 1971, 5, 9. 519  Dies betont zutreffend Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 246. 520  Habersack, AcP 189 (1989), 403, 411; ders., Vertragsfreiheit und Drittinteressen, S.  164 f. 521  Mestmäcker, JZ 1964, 441, 442; Habersack, AcP 189 (1989), 403, 412. 522  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 279 einerseits und Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlagen, S.  126 ff. andererseits. 523  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 173; vgl. auch schon Edwards, Maintaining Competition, S.  9. 518 

D. Das zutreffende Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit 199

genseite hat zur Folge, dass die Vertragspartner vermehrt Chancen auf (für sie günstigere) Vertragsalternativen haben.524 So können sie bei funktionierendem Wettbewerb nicht nur in negativer Hinsicht auf den Vertragsschluss verzichten, sondern es steigt auch ihre Chance, in positiver Hinsicht auf dessen Inhalt Einfluss zu nehmen.525 Diese wechselseitige Verknüpfung von Vertrag und Wettbewerb verdeutlicht, dass es sich bei dem missverständlichen Begriff der „Vertragsparität“ – von krassen Fallgestaltungen gegebener Ungleichheit einmal abgesehen – nur um eine Metapher handelt, bei der „Markt und Wettbewerbsverhältnisse stets hinzugedacht werden müssen“.526 Zugleich wird deutlich, dass die Wettbewerbsordnung nicht unverbunden neben der Vertragsrechtsordnung steht, sondern eine vertragstheoretische Bedeutung hat; denn der von der Rechtsordnung anerkannte funktionsfähige Wettbewerb ist ein konstitutives Instrument zum Ausgleich wirtschaftlicher Macht.527 Der Ausgleich gegenseitiger Freiheitssphären ist jedoch die zentrale Aufgabe eines kompetitiven Vertragsrechts. Aus diesem Blickwinkel behandeln das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht also einen Teilaspekt der übergeordneten Regelungsaufgabe des Privatrechts. Allerdings bedarf auch der Wettbewerb – wie der Ordoliberalismus und die Neue Institutionenökonomik betonen 528 – einer Sicherung durch die Rechtsordnung, da es in einem marktwirtschaftlichen System die Marktbeteiligten selbst sind, die „das Bild der Marktwirtschaft auf den Kopf zu stellen suchen“.529 Der Wettbewerb bedarf deshalb in den Worten Franz Böhms der „gärtnerischen Pflege durch den Staat“.530 Der Gesetzgeber hat sich dieser Aufgabe durch das Wettbewerbsrecht und bei netzwirtschaftlichen natürlichen Monopolen bzw. marktmächtigen Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten durch das Regulierungsrecht angenommen, die beide der „Sicherung dezentralisierter wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse“ und damit der „Sicherung der Individualfreiheit durch rechtliche Bindung privater Macht“ dienen.531

524 

Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 302. Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  115. 526  Rittner, AcP 188 (1988), 101, 103; vgl. auch Hönn, in: FS Kraft, 1998, S.  251, 261. 527  Vgl. – auch zum Folgenden – Säcker, Zielkonflikte, S.  43. 528  Siehe Teil 4 D. 529  Krüger, Allgemeine Staatslehre, S.  454, 575 ff. und 605; Fikentscher, in: FS Hallstein, 1966, S.  127, 130. 530  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 87. Damit fügt Böhm dem Gedanken Euckens zur ordnungsabhängigen Bedeutung von Privatautonomie und Privateigentum die normative Erklärung hinzu, weshalb der Staat eine Wettbewerbsordnung gewährleisten muss; vgl. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  115; siehe auch Teil 4 D. I. 4. 531  So die Formulierung von Säcker, Zielkonflikte, S.  16; siehe auch Arndt, Schöpferischer Wettbewerb, S.  106 f.; Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, S.  76 ff.; Günther, ZHR 125 (1963), 38, 49; Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  110; Lukes, Kartellvertrag, S.  121 ff.; Merz, in: Festschrift für Böhm, 1965, S.  227 ff. 525 

200

Teil 3:  Vertragstheorien

Nach dieser Zielsetzung haben die Normen des Wettbewerbsrechts und der wettbewerbsanalogen Regulierung der Netzsektoren einen rechtstatsächlichen und normativen Bezug auf das System des Privatrechts und damit gleichsam dienenden Charakter: 532 Gemeinsamer Bezugspunkt aller Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist der „systemwidrige Gebrauch traditionell rechtmäßiger privatrechtlicher Handlungsfreiheiten“.533 Ebenso wie die wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen unabdingbare Voraussetzung einer Koordination der individuellen Wirtschaftspläne über den Markt ist, schützt der Wettbewerb die Selbstbestimmung der privaten Wirtschaftssubjekte gegen Willkür und Machtmissbrauch.534 Die Sicherung eines funktionierenden Wettbewerbsprozesses hat damit eine unmittelbar verbraucherschützende Funktion. Dieser schafft die Voraussetzungen für ein souveränes Konsumentenverhalten und eine effiziente und breitgefächerte Güter- und Dienstleistungsproduktion.535 Er stellt außerdem schon im Vorfeld eines Vertragsschlusses sicher, dass es möglichst zu keinen Situationen kommt, die im Nachhinein wegen einer Störung der Vertragsparität zu korrigieren sind.536 Bei rückschauender Betrachtung hat sich der Wettbewerb deshalb als das effizienteste Mittel zur Sicherung der materialen Vertragsfreiheit der Marktteilnehmer erwiesen.537 In einer marktwirtschaftlichen Grundordnung steht der Wettbewerb zugleich in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Wahrung von Vertragsgerechtigkeit. Als spezifisch prozedurale Gerechtigkeitskonzeption stellt er sicher, dass der vertraglichen Austauschgerechtigkeit in ausreichendem Maße Rechnung getragen wird.538 So ist der Wettbewerb in Verbindung mit den die Freiwilligkeit des Vertragsschlusses gewährleistenden Normen des Privatrechts und den diese ergänzenden materiellen Sicherungen eine notwendige Bedingung für einen gerechten, d. h. intersubjektiv richtigen Austausch von Waren und Dienstleistungen. Daneben gewährleisten Wettbewerb und Vertragsfreiheit mittelbar die Vereinbarkeit der Vertragsrechtsordnung mit den Geboten der ausgleichenden Gerechtigkeit.539 In einer Vielzahl von Fallgestaltungen, namentlich bei den Geschäften des täglichen Lebens, sichert schon der Wettbewerb den richtigen Vertrag, weshalb ein situativer Verbraucherschutz hier obsolet ist.540 Spezifische Vorschriften zum Schutz der Verbraucher sind deshalb nur

532 

Siehe zu den Schutzzwecken des Wettbewerbsrechts noch Teil 5 C. Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 9 f. 534 MünchKommEuWettbR/Säcker, Einl. Rn.  87; Honsell, ZIP 2008, 621, 627. 535  Dreher, JZ 1997, 167, 177. 536  Kittner, Schuldrecht, Rn.  1096. 537  Canaris, AcP 200 (2000), 273, 293; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 29 f.; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 684 f. 538  Canaris, iustitia distributiva, S.  45 ff. 539  Canaris, iustitia distributiva, S.  63 ff. 540  Dreher, JZ 1997, 167, 177; Wackerbarth, AcP 200 (2000), S.  45, 57. 533 

E. Schutz der Privatautonomie durch öffentliches Recht oder durch Privatrecht?

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dann erforderlich, wenn und soweit dieser konstitutive Schutz aufgrund spezifischer Gegebenheiten des Einzelfalles nicht ausreicht. Im Gegensatz zu dieser Erkenntnis ist derzeit im Unionsrecht eine Tendenz auszumachen, verbraucherschützende Regelungen auch ohne besondere Legitimation durch ein spezifisches Schutzbedürfnis zu erlassen, da die Verbraucher durch marktpolitisch vertrauensstärkende Maßnahmen wie die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu einem grenzüberschreitenden Konsum angehalten werden sollen.541 Vor diesem Hintergrund ist den Erkenntnissen der Neuen Institutionenökonomik vertieft Beachtung zu schenken, die Störungen des vertraglichen Ausgleichsmechanismus mit „Transaktionskosten“, „Informationsdefiziten“ und „eingeschränkter Rationalität“ erklärt.542 Dies ist hier nicht zu vertiefen.

E. Schutz der Privatautonomie durch öffentliches Recht oder durch Privatrecht? Wie wir schon einleitend gesehen haben, lässt sich letztlich jedes staatlich gesetzte Recht auf den Auftrag zur Förderung des Gemeinwohls zurückführen. Das gilt auch für die den privatautonomen Interessenausgleich umhegenden und begrenzenden Regelungen des Vertragsrechts. Doch bedeutet dies automatisch, dass die entsprechenden Normen dem öffentlichen Recht und nicht dem Privatrecht zuzuordnen sind? 543 Wie wir schon gesehen haben, ist klassischer Ausdruck des Grundsatzes der Privatautonomie das Rechtsgeschäft. In ihm verwirklicht sich das Legitima­ tionsideal der bewussten, aufgeklärten und freiwilligen Zustimmung, das in der rechtlichen Figur der Willenserklärung seinen prägendsten Ausdruck erlangt hat.544 Fehlt es an der Freiwilligkeit einer Erklärung, weil diese etwa im Zustand geistiger Verwirrung, auf der Grundlage eines Irrtums oder beeinflusst durch Zwang, Täuschung oder Überrumpelung abgegeben wurde, so ist die Erklärung bzw. die daraus entstehende Vereinbarung entweder nicht wirksam, oder die Bindung kann jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen gelöst werden.545 Umgekehrt gewährt das Privatrecht unter gewissen – vorliegend nicht näher zu diskutierenden – Voraussetzungen die Möglichkeit, eine 541  Heiderhoff, Grundstrukturen, S.   281  ff.; siehe ebenfalls Hopt/Tzouganatos/Dauner-Lieb, Europäisierung, S.  279, 293 f. 542  Siehe Teil 4 D. II. 543  Zur Zuordnung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts zum öffentlichen oder zum Privatrecht siehe Teil 8. 544 Erman/H. F. Müller, Vor §§  104 ff. BGB Rn.  2 ; zum Verhältnis Rechtsgeschäft und Willenserklärung Leenen, in: FS Canaris I, 2007, S.  699 ff.; normtheoretisch Bachmann, Private Ordnung, S.  193 ff. und 415. 545  Bachmann, Private Ordnung, S.  205; ausführlich Lorenz, Schutz vor dem unerwünschten Vertrag; aus rechtsphilosophischer Sicht Gutmann, Freiwilligkeit als Rechtsbegriff.

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Teil 3:  Vertragstheorien

einmal gewährte Zustimmung wieder rückgängig zu machen, etwa durch Kündigung als einseitige Gestaltungserklärung.546 Hierin kommt die gesetzgeberische Intention zum Ausdruck, dass alle von einer Vereinbarung rechtlich oder faktisch Betroffenen ihre Präferenzen chancengleich in den Prozess des Aushandelns einbringen können, oder andernfalls vor einer Ausbeutung zu schützen sind.547 Vor diesem Hintergrund präsentiert das Bürgerliche Recht ein Modell, das einen auf material-freier Zustimmung basierenden Konsens der Parteien als notwendige und hinreichende Bedingung für die Geltung einer Regel fordert.548 Ist eine vertragliche Regelung nicht durch die material-freie Zustimmung beider Vertragsparteien gedeckt, etwa weil einer Partei im Wege der Auslegung nach dem verständigen Empfängerhorizont gem. der §§  133, 157 BGB ein Erklärungsinhalt zugerechnet wird, den sie so gar nicht wollte,549 bedarf es eines zusätzlichen Legitimationsgrunds für die Rechtsgültigkeit der Vereinbarung. Wie wir oben gesehen haben, kann dieser nicht aus den Freiheitsrechten selbst abgeleitet werden, sondern bedarf der Legitimation durch andere Wertungen. Für zivilistische Sachverhalte ist dabei zu beachten, dass es um einen Ausgleich der Freiheitsbereiche von Individuen geht, die auf der Grundlage ihrer selbst gebildeten Präferenzen eine intersubjektiv vorteilhafte private Regelung erstreben. Aus diesem Grunde kann sich der normative Ausgleich ihrer Interessen nicht an überindividuell-objektiven Gemeinwohlinteressen orientieren. Erforderlich ist vielmehr eine Abgrenzung der Entfaltungsspielräume aller von der Regelung betroffenen Individuen, die die Freiheitsbereiche möglichst weitgehend zur Geltung bringt.550 Gregor Bachmann hat hierfür den Begriff des „Gruppenwohls“ geprägt, den er negativ als Verbot der Ausbeutung von der Regel betroffener Individuen und positiv als „Gebot der Berücksichtigung gemeinsamer Belange“ formuliert,551 sofern eine Partei ein so starkes wirtschaftliches Übergewicht hat, dass sie den Inhalt des Vertrages einseitig zu ihren Gunsten beeinflussen kann. Dieser Schutz vollzieht sich im Privatrecht durch die Vorschriften des zwingenden Rechts, aber auch durch das dispositive Recht, soweit diesem eine „Leitbildfunktion“ zugesprochen wird. Der staatliche Schutz vor Ausbeutung durch zwingendes Privatrecht ist aber nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Privatrecht zuzuordnen. Aus zivilistischer Sicht geht es nicht um einen Eingriff in die Freiheit des situativ oder wirtschaftlich Mächtigen, sondern um den Schutz der materialen Freiheit der 546 

Bachmann, Private Ordnung, S.  205. Bachmann, Private Ordnung, S.  193 ff. 548  Bachmann, Private Ordnung, S.  205. 549  Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  84. 550  Pfeifer, Individualität im Zivilrecht, S.  47; siehe auch Wilhelmi, Risikoschutz durch Privatrecht, S.  13 f. 551  Bachmann, Private Ordnung, S.  206 i. V. mit S.  57 inkl. Fn.  41 und S.  58. 547 

E. Schutz der Privatautonomie durch öffentliches Recht oder durch Privatrecht?

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von dem mächtigen Vertragspartner Abhängigen, also um die zuvor herausgearbeitete innere Legitimation des Vertrages.552 Der Schutz der materialen Pri­ vat­autonomie ist mit Franz Jürgen Säcker als zentrale Aufgabe des Privatrechts anzusehen, die keiner zusätzlich öffentlich-rechtlichen Legitimierung bedarf.553 Aus diesem Grunde stellen die zwingend ausgestalteten §§  138, 242, 307, 315 BGB, §§  1, 19, 29 GWB, §§  6 ff. und 17 ff. EnWG, §§  21 ff. TKG, §§  13 ff. AEG sowie die unionsrechtlichen Verbürgungen der Art.  101 ff. AEUV keine öffentlich-rechtlichen Beschränkungen der Vertragsfreiheit dar, sondern sichern im wirtschaftlichen Bereich die Funktionsbedingungen eines kompetitiven Vertragsrechts.554 Allerdings dient das Vertragsrecht nicht allein dem Ausgleich individueller Interessen, sondern auch der Konstituierung einer funktionsfähigen Marktordnung, indem es durch das Institut des Vertrages die Voraussetzungen zur Verfügung stellt, damit wettbewerbliche Marktprozesse entstehen. Der Gesetzgeber muss deshalb – zum langfristigen Wohl aller Marktteilnehmer – im Rahmen des Interessenausgleichs nicht nur die individuellen, sondern auch die überindividuellen Voraussetzungen der Privatautonomie in den Blick nehmen. In diesem Sinne kann man die normative Zurechnung von Erklärungsinhalten aus der Sicht einer „reasonable person“ als marktbezogene Einschränkung des der Selbstverwirklichung dienenden Instruments der Willenserklärung deuten: 555 Will eine Vertragspartei erreichen, dass als Inhalt des Vertrages nur dasjenige gilt, was sie tatsächlich erklären will, so muss sie ihren eigenen Willen so genau formulieren, dass der Erklärungsempfänger dies ihrer Erklärung auch so entnehmen kann und muss; ansonsten riskiert sie, dass die Erklärung mit einem anderen Inhalt wirksam wird. Hierdurch will die Rechtsordnung erreichen, dass die Vertragsparteien das Instrument der Willenserklärung so einsetzen, dass möglichst ein beidseitiger Konsens erzielt wird, der Vertrag also der materialen Selbstbestimmung beider Vertragsparteien und damit sowohl ethischen als auch ökonomischen Postulaten gerecht wird.

552 MünchKommBGB/Säcker,

Bd. 1 Einl. Rn.  62. So überzeugend MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  63. 554  So wiederum MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  63 und Rn.  6 4: „Die Ausbalancierung der Interessen durch staatliche Normen bedarf keiner eingriffsrechtlichen Legitimierung.“ 555  Leenen, in: FS Canaris I, 2007, S.  699, 727; unter Verweis auf den Schutz des Rechtsverkehrs auch Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  84. 553 

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Teil 3:  Vertragstheorien

F. Zwischenergebnis – Schutz chancengleicher Selbstbestimmung Das Privatrecht ist kein Mittel zur Erreichung übergeordneter Gemeinwohlziele wie eines gesamtgesellschaftlich richtigen Investitions-, Produktions-, Preisund Lohnverhaltens,556 sondern dient der Verwirklichung der chancengleichen – und insoweit materialen – Selbstbestimmung der Bürger.557 Aus diesem Grunde zielt eine Vertragsinhaltskontrolle nicht auf die Herstellung einer allgemeinen rechtlichen und faktischen Gleichheit im Privatrecht ab, sondern auf die Sicherung der Möglichkeiten zur Selbstbestimmung im Sinne der freien Verfolgung eigener Interessen ohne eine Verpflichtung auf ein wandelbares material-gesellschaftliches Gerechtigkeitsideal, zumal ein solches in einer pluralis­ tischen Gesellschaft nur schwer zu identifizieren sein kann. Unter den Be­ dingungen einer wettbewerblichen Marktwirtschaft beeinflusst ökonomische Ungleich­heit – außerhalb der vom Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen erfassten Fallgestaltungen – als solche weder den Vertragsinhalt zum Nachteil einer der Vertragsparteien, noch führt sie dadurch zwangsläufig zu ungerechten Ergebnissen.558 Vielmehr kann wirtschaftliche Macht – wie Art.  101 Abs.  3 AEUV verdeutlicht – unabdingbar sein zur Erreichung positiver Gemeinwohlergebnisse. Folgerichtig ist ein Vertrag vorbehaltlich anderer Unwirksamkeitsgründe grundsätzlich auch bei Fehlen eines objektiv gerechten Interessenausgleichs wirksam, sofern er auf der chancengleich-selbstbestimmten Entscheidung beider Parteien beruht.559 Für die Dogmatik der Vertragsinhaltskontrolle folgt hieraus, dass eine Ungleichgewichtslage (die fehlende „Parität“) zwischen den Vertragsparteien kein Tatbestandsmerkmal (der Kontrollgrund) ist, sondern das Ergebnis eines Subsumtionsvorganges (die Folge fehlender materialer Entscheidungsfreiheit).560 Das Vertragsrecht beruht damit auf demselben Geltungsgrund wie nach klassischer Sichtweise das Wettbewerbsrecht und die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften: Es dient der Siche556 

Vgl. das Stabilitätsgesetz vom 8.6.1967, BGBl. I, S.  582. Vgl. FK/Paschke, §  19 GWB Rn.  5 ; siehe zu den privatautonomiekritischen Strömungen der 1970er Jahre auch Nörr, in: FS Link, 2003, S.  911, 916. Grundlegend aus methodischer Sicht Bachmann, Private Ordnung, S.  193 ff., wonach die Schaffung privater Regeln zwar auf die beiden grundlegenden Legitimationstatbestände „Zustimmung“ und „Gemeinwohl“ (verstanden im Sinne eines Ausbeutungsverbots, mit Blick auf die Adressaten der Regelung als „Gruppenwohl“ bezeichnet, S.  206) zurückzuführen sei, jedoch ein Vorrang für eine Legitimation über Zustimmung bestehe: „[. . .] zivilistisches Leitbild ist und bleibt die Vorstellung selbstbestimmter Ordnung unter private Regeln im Rahmen gesetzlich verfasster Gruppen [. . .]“ (S.  223). Als von einer Regel betroffen gelten dabei nicht nur die Adressaten derselben, sondern auch die durch ihre sozialen Wirkungen nur faktisch Begünstigten oder – wie bei Wettbewerbsbeschränkungen – faktisch Belasteten (S.  25). 558  Canaris, in: FS Lerche, 1993, S.  872, 882; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 21 f. 559  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  274. 560  Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 27; Lorenz, NJW 1997, 2576, 2528. 557 

F. Zwischenergebnis – Schutz chancengleicher Selbstbestimmung

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rung der Vertragsfreiheit der Bürger vor erheblichen Beeinträchtigungen ihrer Selbstbestimmung, sei es, dass diese typischerweise auftreten, sei es, dass es sich im Einzelfall um unzumutbare Vertragsbedingungen handelt. Auf die aktuelle Diskussion über die Schutzzwecke des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts werden wir im weiteren Verlauf der Untersuchung zurückkommen.

Teil 4

Wettbewerbstheorien Das Vertragsrecht bezieht seine innere Legitimation aus der Möglichkeit der Individuen zur chancengleichen materialen Selbstbestimmung. Diese wird nach klassischer Sicht durch die Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts gesichert. Doch stimmt diese Ausrichtung des marktbezogenen Rechts mit den Erkenntnissen der Wettbewerbstheorie überein?

A. Schutz vor wirtschaftlicher Macht oder Herstellung gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt? Unsere Untersuchung beschäftigt sich mit der Sicherung eines richtigen vertraglichen Interessenausgleichs durch das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht („kompetitives Vertragsrecht“). Wie wir gesehen haben, basiert die rechtliche Gewährleistung der Vertragsfreiheit auf dem Grundgedanken, dass die Parteien ihre gegenläufigen Interessen grundsätzlich selbst in einen sachgerechten Ausgleich bringen.1 Die Vertragsfreiheit steht somit nach ihrer Idee nicht im Dienst eines objektiven Gemeinwohls, sondern dient der Selbstbestimmung der Bürger im privaten und wirtschaftlichen Bereich. Auch eine beiderseits gewollte private Rechtsgestaltung bietet jedoch nur dann die Möglichkeit (nicht die Garantie) für einen intersubjektiv richtigen Vertragsschluss, wenn zwischen den Parteien kein starkes wirtschaftliches Ungleichgewicht besteht.2 Der Staat muss deshalb die institutionellen Rahmenbedingungen setzen, damit alle Vertragsparteien eine faire Chance auf einen für sie richtigen Vertragsschluss haben („materiale Vertragsfreiheit“). In der Schaffung entsprechender Rechtsnormen liegt – wie wir bereits gesehen haben – kein obrigkeitlicher Eingriff in die Vertragsfreiheit; denn der Vertrag ist nach seiner inneren Grundstruktur darauf angelegt, divergierende Interessen in einen intersubjektiv als vorteilhaft angesehenen Ausgleich zu bringen. Eine schon früh erkannte Ursache für die Störung des beidseitig angemessenen vertraglichen Interessenausgleichs ist die wirtschaftliche Machtposition einer Vertragspartei, sofern diese hierdurch in die Lage versetzt wird, sich die 1 MünchKommBGB/Roth/Schubert, 2 Erman/Armbrüster,

§  242 BGB Rn.  462. Vorb. §§  145 ff. BGB Rn.  36.

B. Grundbegriffe

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Kooperationsrendite einseitig anzueignen, also ihren Vertragspartner „auszubeuten“.3 Allerdings können die Privatrechtssubjekte in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung nicht einfach auf den Abschluss von Austauschverträgen verzichten, da sie ihre wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechte regelmäßig über den Abschluss von Güter- und Dienstleistungsaustauschverträgen realisieren.4 Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber im Wettbewerbs- und Regulierungsrecht Grenznormen geschaffen, welche die Marktteilnehmer vor einem Missbrauch der Vertragsfreiheit durch wirtschaftlich erheblich stärkere Vertragsparteien schützen sollen. Die Individuen sollen durch diese rechtliche Hilfestellung5 in die Lage versetzt werden, ihre individuellen Präferenzen möglichst weitgehend in den vertraglichen Aushandlungsprozess einzubringen. In einer sozialen Marktwirtschaft ist das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen als Kern des marktbezogenen Wirtschaftsrechts freilich immer auch ein Instrument staatlicher Wettbewerbspolitik, weshalb sich die Interpretation seiner Tatbestände an den ökonomischen Theorien zu Markt und Wettbewerb orientiert. 6 Diese gilt es im Folgenden näher zu erläutern, soweit sie sich mit wirtschaftlichen Machtpositionen befassen.

B. Grundbegriffe I. Wettbewerbsrecht als „praktizierte Wettbewerbspolitik“ In einer Marktwirtschaft setzt der Staat die Rahmenbedingungen für wirtschaftliches Handeln, um Wettbewerb zu ermöglichen und die Transaktionskosten der Marktteilnehmer durch allgemein gültige „Spielregeln“ zu senken.7 Das Wettbewerbsrecht und das Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzsektoren sind damit Instrumente staatlicher Wettbewerbspolitik, weshalb sich ihre Interpretation auch an den jeweils zugrunde liegenden ökonomischen Theorien zu orientieren hat. 8 Dasselbe gilt nach zutreffender Ansicht für das marktbezogene Vertragsrecht, da dieses mit dem Institut des „vollentgeltlichen schuldrechtlichen Austauschvertrages“9 nicht nur das maßgebliche Instrument zur Verfügung stellt, um das Preissystem des Marktes zur Geltung zu 3 

Bachmann, Private Ordnung, S.  57. Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 5 MünchKommBGB/Würdinger, §  313 BGB Rn.  9. 6  So zu Recht Kirchner, EuR-Bei 2011, 103. A. A. Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264, 293 ff. 7  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.   10. Speziell zur Neuen Institutionenökonomik auch Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 286. 8  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103. Sehr krit. demgegenüber Bullinger, VVDStRL 22 (1965), 264, 293 ff. 9  Böhm, WuW 1956, 173, 178; ders, ORDO 17 (1966), 75, 94 ff.; siehe auch Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  52 ff.; Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 124; MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  13. 4 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

bringen,10 sondern in seiner jeweiligen Ausgestaltung – etwa durch die kaufrechtlichen Vorschriften zur Sachmängelgewährleistung – auch die konkreten unternehmerischen Entscheidungen beeinflusst.11 Angeregt durch neuere ökonomische Forschungsergebnisse wird die zentrale Aufgabe des Vertragsmechanismus zuweilen sogar darin gesehen, ökonomische Interessen rechtlich zu „rekonstruieren“: 12 Durch den Vertrag erhalte „die strukturelle Kopplung von Wirtschaft und Recht“ – in Anlehnung an Niklas Luhmann – „ihre moderne (um nicht zu sagen: perfekte) Form“.13 Eine solche Aussage ist freilich nur bedingt hilfreich, schon weil zuvor zu klären ist, von welcher ökonomischen Theo­rie man ausgeht. Darüber hinaus verkennt sie das grundlegende Primat des Rechts,14 wie es in der rechtlichen Verfassung der Wirtschaft zum Ausdruck kommt. 1. Wettbewerbspolitik Der Wettbewerb gilt als eine der wesentlichen Voraussetzungen für ein funktionierendes marktwirtschaftliches System.15 Sofern man davon ausgeht, dass sich ein wirksamer Wettbewerb nicht von selbst einstellt, sondern andauernd durch Wettbewerbsbeschränkungen gefährdet ist, ist der Staat dazu aufgerufen, eine aktive Wettbewerbspolitik zu betreiben.16 Da der Wettbewerb nach zutreffender, wenn auch bestrittener Ansicht kein an sich erstrebenswertes Ziel ist, sondern (kurz- oder mittelfristig) bestimmte übergeordnete Zwecke erfüllen soll,17 müssen hierzu in einem ersten Schritt die entsprechenden „Wettbewerbsleitbilder“ formuliert werden.18 Diese sollen die wettbewerblichen Austauschprozesse durch Klärung der Voraussetzungen und Funktionsweisen von Wettbewerb im Sinne der jeweiligen Zielvorgaben modellieren.19 Indem die Wettbewerbsleitbilder die Funktionsweisen wettbewerblicher Koordination darstellen, geben sie dem Gesetzgeber eine Grundlage für die Ausgestaltung 10  Böhm, WuW 1956, 173, 177 f.; zur Steuerung individueller Freiheiten über die Marktpreise siehe schon oben Teil 3 A. I. 11  Engel, JZ 1995, 213; Fornasier, Freier Markt, S.  16 f. Siehe zum „market for lemons“ Teil 4 D. II. 12  Renner, KritV 2010, 67, 71. 13  Luhmann, Das Recht der Gesellschaft, 463 f.: „Mit der Institutionalisierung der Vertragsfreiheit erhält die strukturelle Koppelung von Wirtschaft und Recht ihre moderne (um nicht zu sagen: perfekte) Form.“ 14  Zur Eigengesetzlichkeit des Rechts gegenüber der Wirtschaft siehe noch Teil 4 B. III. 15  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369. 16  Wettbewerbspolitik wird vorliegend in einem engen Sinne verstanden, als rechtliche Regelungen, mit denen Beschränkungen des Wettbewerbs bekämpft werden sollen; vgl. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 374. 17  Siehe dazu Teil 4 B. IV. 18  Säcker, Zielkonflikte, S.  14. 19 So Broemel, Strategisches Verhalten, S.  7.

B. Grundbegriffe

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der Rahmenbedingungen des Wettbewerbsprozesses. Darüber hinaus enthalten sie Aussagen über die gesetzliche Regelbarkeit von Marktprozessen und deren Grenzen.20 Die Aussage, Schutzobjekt des Wettbewerbsrechts sei der Wettbewerb, wird inhaltlich somit erst durch die den Wettbewerbsvorschriften zugrunde liegende wirtschaftspolitische Konzeption (das jeweilige Wettbewerbsleitbild) konkretisiert.21 In diesem Sinne ist auch der noch zu schildernde „more economic approach“ der EU-Kommission als Wettbewerbsleitbild zu qualifizieren.22 Das Wettbewerbsrecht ist damit ein Ausdruck der insbesondere seit den 1970er Jahren geforderten stärkeren Öffnung des Rechts für die Erkenntnisse der außerrechtswissenschaftlichen Bereiche, insbesondere für diejenigen der Wirtschaftswissenschaften.23 Wie bereits einleitend angedeutet, lassen sich die ökonomischen Konzepte vergröbernd in wohlfahrtsökonomische und freiheitsorientierte Ansätze unterteilen: 24 Die wohlfahrtsökonomischen Ansätze basieren im Ausgangspunkt auf dem neoklassischen Wettbewerbsverständnis.25 Vor diesem Hintergrund verstehen sie den Wettbewerb nicht als Wert an sich, sondern als Mittel zur Erreichung bestimmter, normativ vorgegebener Ziele, in Form eines „konsequentialistischen Ansatzes“.26 Hiernach liegt eine Wettbewerbsbeschränkung vor, wenn ein Verhalten bzw. das daraus resultierende Ergebnis nicht mit den vorgegebenen Wettbewerbszielen übereinstimmt. Demgegenüber stellen die freiheitsbezogenen Ansätze den Wettbewerb als ergebnisoffenen Prozess ins Zentrum ihrer Analyse.27 Aufgrund einer – unterstellten – Harmonie zwischen dem Freiheitsziel und den ökonomischen Wettbewerbsfunktionen sei es nicht erforderlich, die Wettbewerbsfunktionen näher zu bestimmen, da diese bei freiem Wettbewerb annahmegemäß als erfüllt gelten. Auf dieser Grundlage wird von einer Wettbewerbsbeschränkung ausgegangen, wenn ein Unternehmen die wirtschaftliche Handlungsfreiheit seiner Konkurrenten übermäßig einengt. Auch ein freiheitsbezogenes Wettbewerbsverständnis schützt den Wettbewerb somit grundsätzlich nicht um seiner selbst willen, sondern um bestimmte übergeordnete wirtschafts- und gesellschaftspolitische Ziele zu erreichen. 20 

Broemel, Strategisches Verhalten, S.  24. Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  8 ; Baur, ZHR 134 (1970), 97; MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  4 ; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  143; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  1; Glöckner, Kartellrecht, Rn.  4. 22  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 104. 23 Paradigmatisch Wiethölter, in: FS Raiser, 1974, S.  6 45, 647. 24 Vgl. Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  23 ff. 25  Siehe Teil 4 C. III. 26 So Fornasier, Freier Markt, S.  35. 27  Siehe Teil 4 C. V. Zur Begrifflichkeit Hoppmann, JbNSt 188 (1975), 256 f.: systemtheoretisch, da er Marktphänomene als komplexe Strukturen auffasse, im Gegensatz zu reduktionstheoretischen Ansätzen, die zur Konstruktion von Ceteris-paribus-Modellen führten und Marktgesetze auf einfache Phänomene reduzierten. 21 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Die Einschätzungen des Gesetzgebers über das zutreffende Leitbild des Wettbewerbs können sich im Zeitverlauf oder aufgrund konkreter Sachverhalte ändern 28 ; man denke nur an die Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre und die in ihrer Folge aufgetretenen restriktiven Tendenzen bei der Interpretation der Kapitalverkehrsfreiheit des Art.  63 Abs.  1 AEUV, um Direktinvestitionen aus Drittstaaten stärker zu regulieren.29 Auch ist es dem Gesetzgeber unbenommen, bei der Ausgestaltung der Wettbewerbsprozesse auf die Empfehlungen mehrerer Leitbilder zurückzugreifen, indem er sich die jeweils plausibel erscheinenden Aussagen herauspickt.30 2. Wettbewerbstheorie Bei der Formulierung eines Wettbewerbsleitbilds stellt sich die Vorfrage, wie ein Wettbewerb tatsächlich aussieht, der seine Funktionen in einer Marktwirtschaft optimal erfüllt.31 Zur Definition eines wettbewerbspolitischen Konzepts ist also eine ökonomische Theorie über die Funktionsweise von wettbewerblichen Märkten im Sinne eines Systems von wissenschaftlich begründeten Aussagen notwendig, die bestimmte Tatsachen, Erscheinungen und Prozesse sowie die ihnen zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten erklären.32 Diese Theorien werden – soweit sie die Funktionsweise des Wettbewerbsprozesses betreffen – auch als Wettbewerbstheorien bezeichnet.33 Auch den noch zu schildernden privatrechtlichen Theorien über Privatautonomie und Vertragsfreiheit liegen – jedenfalls implizit – bestimmte Vorstellungen vom Marktgeschehen zugrunde. Eine fundierte Stellungnahme setzt deshalb voraus, dass die grundlegenden Bezüge zu den ökonomischen Theorien aufgedeckt und Letztere auf ihre Tragfähigkeit hin überprüft werden.34 Soweit ökonomische Forschungsrichtungen wie die Neue Institutionenökonomik nicht nur den Wettbewerbsprozess im Ganzen, sondern auch die spezifischen Beiträge beleuchten, die Verträge für ein marktwirtschaftliches System erbringen,35 können sie als ökonomische Vertragstheorien bezeichnet werden, im Gegensatz zu den bereits behandelten rechtlichen Theorien des Vertrages.

28 Dazu Künzler, ARSP 98 (2012), 1 ff., wonach die herrschende Wohlfahrtsökonomie durch ein realistischeres Konzept zu ergänzen sei. 29 Vgl. Hindelang, JZ 2009, 829 f. 30  Broemel, Strategisches Verhalten, S.  2 31  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  31. 32  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  31. 33  Krit. zur Begrifflichkeit Kaufer, Industrieökonomik, S.  10. 34  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.   89; siehe zum Wettbewerbsrecht auch Kirchner, ZHR 173 (2009), 775, 780. 35  Siehe dazu Teil 4 D. II.

B. Grundbegriffe

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3. „Positive“ und „normative“ Theorie der Regulierung Wie wir gesehen haben, basiert die Wettbewerbspolitik auf verschiedenen Wettbewerbstheorien und den von diesen herausgearbeiteten Marktversagensgründen. Die allgemeine Theorie der Regulierung unterscheidet weiter zwischen „normativen“ und „positiven“ Ansätzen.36 Diese werden im Schrifttum vor allem in Zusammenhang mit sektorspezifischen Regulierungsmaßnahmen diskutiert, kommen jedoch auch bei der „allgemeinen Marktregelung“ durch das Wettbewerbsrecht zum Tragen, da dieses ebenfalls auf spezifische Marktversagensgründe reagiert. Normative Regulierungstheorien sollen begründen, weshalb der freie Wettbewerb die vorgegebenen Zielfunktionen aufgrund eines Marktversagens nicht oder nur zum Teil erfüllen kann.37 Sie legen die Kriterien fest, nach denen be­ urteilt werden soll, welche Märkte einer besonderen „sektorspezifischen“ Regulierung unterzogen werden (Regulierungsbasis), und welche Instrumente hierzu verwendet werden sollen (Regulierungsinstrumente).38 In diesem Zusammenhang ist zu unterscheiden zwischen ökonomischen Ursachen für unerwünschte Wettbewerbsergebnisse (sog. natürliche Ausnahmebereiche) und politisch gesetzten Zielen, die im Wettbewerb nicht erreicht werden (sog. politische Ausnahmebereiche).39 Bei nicht funktionierenden Märkten und einem positiven Kosten-Nutzen-Verhältnis des Eingriffs erlangt der Staat eine Legitimation für einen regulierenden Eingriff in das Wettbewerbsgeschehen. Der Eingriff wird mit Blick auf die nicht erreichbare „First-best-Solution“ der sich von selbst einstellenden wettbewerblichen Marktkoordination als „Secondbest-So­lution“ angesehen.40 In der neoklassischen Wettbewerbstheorie ging man davon aus, dass der Staat allein im öffentlichen Interesse handelt und sich nicht durch Interessengruppen oder die eigenen Interessen der politischen Akteure oder der Verwaltung beeinflussen lässt.41 Demgegenüber untersuchen die – maßgeblich von der Chicago School geprägten42 – „positiven Regulierungstheorien“ ex post etwaige Ursachen für eine Regulierung im Allgemeinen und die Schaffung, Existenz und Beibehaltung von wettbewerbsrechtlichen Ausnahmebereichen im Besonderen, sowie die Folgen staatlicher Eingriffe in den freien Marktprozess.43 Grundle36  Möschel, JZ 1988, 885, 890 f. mit Fn.  26; Bachmann, Private Ordnung, S.  48 ff.; Höppner, Netzstruktur, S.  30. 37  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  4 4. 38  Knieps, Netzökonomie, S.  181. 39  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  4 4 ff. und 51. 40  Klaus, DeRegulierung, S.  134 und 168; zur Second-best-Theorie siehe Teil 4 C. IV. 4. 41  Eickhof, JfS 36 (1985), 63, 66; Ruge, AöR 131 (2006), 1, 24. 42  Bachmann, Private Ordnung, S.  49. 43  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.   44; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  11 und 83 ff.; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 308 ff.;

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

gend ist die Forschungsrichtung der Neuen Politischen Ökonomie als einer speziellen Ausprägung der Neuen Institutionenökonomik,44 die den Blick von der Analyse ökonomischer Marktversagenstatbestände ergänzend auf die institu­ tionellen Zusammenhänge zwischen Ökonomie und Politik lenkt.45 Die Neue Politische Ökonomie will den Bereich des Staatsversagens aufzeigen, in dem eine Regulierung entweder ohne das Vorliegen eines wirtschaftswissenschaftlich anerkannten Marktversagens erfolgt oder ein solches zwar vorliegt, jedoch in sachlich unangemessener Art und Weise reguliert wird.46 Sie geht davon aus, dass Regulierungsmaßnahmen nicht nur mit der Korrektur von Marktversagen erklärt werden können, sondern dass auch Politik, Verwaltung und die Marktakteure selbst Bedingungen für die Regulierung setzen, die bei der Entscheidung über das „Ob“ und das „Wie“ einer Marktregulierung berücksichtigt werden müssen.47 Im Blick stehen mit anderen Worten nicht die ökonomischen oder meta-ökonomischen (gemeinwohlbezogenen oder gesellschaftspolitischen) Gegebenheiten in den jeweiligen Wirtschaftsbereichen, sondern die einzelnen Akteure, die mit Regulierung befasst sind.48 Regulierung wird dabei als hierarchisches System verstanden, in dem die Akteure ihre Interessen mit unterschiedlichen Zielen und Mitteln verfolgen.49 Wirtschaftssubjekte werden als Nachfrager nach oder Gestalter von Regulierung eingeordnet, wohingegen die Regulierenden (Politiker und Staatsbedienstete) als Anbieter der Regulierung gelten.50 Wirtschaftssubjekte als Nachfrager nach Regulierung sind mit den Problemen einer möglichen Interessenvielfalt, der effektiven Geltendmachung ihrer Interessen und der hierfür erforderlichen Kosten konfrontiert.51 Aus diesem Grunde organisieren sie sich regelmäßig in Interessengruppen (Interessengruppentheorie bzw. Capture Theory of Regulation).52 Mit Blick auf die Gestalter der Regulierung wird eine Entscheidungsfindung auch anhand ihrer Eigeninteressen problematisiert.53 siehe auch Knieps, Netzökonomie, S.  181: bei der positiven Regulierungstheorie gehe es um die Frage, wie tatsächlich reguliert wird. 44 Wir werden diese Forschungsrichtung im Rahmen der Auseinandersetzung mit den markttheoretischen Aussagen der Neuen Institutionenökonomik (Teil 4 D. II.) nicht nochmals behandeln. 45  Eickhof, JfS 36 (1985), 63, 67. 46  Klaus, DeRegulierung, S.  134. 47  Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  119; Bonde, Deregulierung und Wettbewerb, S.  85. 48  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  4 4. 49  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  11 f. 50 Grundlegend Stigler, BJ 2 (1971), 3 ff., wonach Regulierung auf die Partikularinteressen bestimmter Bevölkerungsgruppen zurückgegangen sei, leistungsfremde Vorteile durch staatlich angeordnete Wettbewerbsbeschränkungen zu erlangen. 51  Eickhof, JfS 36 (1985), 63, 67; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  12. 52  Owen/Braeutigam, The Regulation Game; Eickhof, JfS 36 (1985), 63, 67 ff. 53  Bonde, Deregulierung und Wettbewerb, S.  86; siehe auch Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  35.

B. Grundbegriffe

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Positive Theorieansätze können ein Bewusstsein dafür schaffen, dass die für eine Regulierung vorgebrachten Gründe nicht nur „apologetischen Charakter“ haben dürfen,54 und so einen Beitrag dazu leisten, die Vereinnahmung und Steuerung der Regulierungsinstanzen durch die zu regulierenden Unternehmen offen zu legen,55 was aktuell auch unter dem Topos „Regulierungsmanagement der Unternehmen“ diskutiert wird.56 Darüber hinaus kann die positive Regulierungstheorie offen legen, wann sich Entscheidungsträger von ihren Eigeninteressen leiten lassen, um etwa den eigenen Machtbereich auszudehnen.57 Die positive Theorie der Regulierung streitet somit letztlich für eine Rationalisierung der Regulierung.58

II. Marktversagen aus ökonomischer und juristischer Sicht Neben Ökonomen beschäftigen sich auch Juristen mit der Frage, was unter Wettbewerb zu verstehen und in welchen Situationen er vor Verfälschungen zu schützen ist: 59 1. Die ökonomische Sicht Vertreter der statisch-komparativen Mainstreamökonomie analysieren die Funktionsbedingungen und Funktionsdefizite von Märkten primär im Hinblick auf die effektive Allokation der Ressourcen (neoklassische Wettbewerbstheorie; statische Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs; statische Konzepte der Chicago- und Post-Chicago-Economics). 60 Die Vokabel „statisch“ meint insoweit „ohne Berücksichtigung des Zeitfaktors“, im Gegensatz zur „dynamischen Analyse“, wo der Zeitfaktor relevant ist. 61 Die oben besprochenen Institute der Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit spielen bei einer 54 So

Möschel, JZ 1988, 855, 890. Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 24. 56  Siehe dazu Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  56; Büdenbender/Rosin, Maßnahmen des Regulierungsmanagements, S.  12 ff. und passim; Setz, Operationelle Entflechtung, S.  56 f.; siehe aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch Picot/Picot, Regulierung von Netz­ industrien, S.  9, 31. Speziell zum Problem des „regulatory capture“ vgl. Haucap/Kruse, WuW 2004, 266, 271. 57  Problematisiert von Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 97. 58  Schorkopf, JZ 2008, 20, 25; siehe auch Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S.  29. 59 Vgl. Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.   13 f.; Wolf, Effizienzen, S.  71 ff.; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939. Berühmt ist die Kontroverse um die ökonomische Analyse des Rechts zwischen Fezer, JZ 1986, 817 ff.; ders., JZ 1988, 233 ff. und Ott/Schäfer, JZ 1988, 213 ff. 60  Zur Neoklassik siehe Teil 4 C. III., zu den statischen Theorien der Workable Competition vgl. Teil 4 C. VI. 3., zur Chicago School siehe Teil 4 C. VI., zu den Post-Chicago-Economics siehe Teil 4. C. VII. 61  Siehe zu den dynamischen Effizienzen Teil 4 C. III. 4. d). 55 Picot/Picot,

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

solchen Herangehensweise allenfalls eine dienende Rolle. Demgegenüber betont die heute wohl vorherrschende Ansicht in den Wirtschaftswissenschaften jedenfalls im Ausgangspunkt den dynamischen Ablauf des Wettbewerbs. Sie interpretiert diesen in Anlehnung an die Untersuchungen Schumpeters62 – bei allen Unterschieden im Detail63 – als Prozess von Vorstößen der Pionierunternehmer und Verfolgungsaktionen der Nachahmer, weshalb sie auch zeitweilige wirtschaftliche Machtpositionen akzeptiert, solange diese nur vorübergehend sind (Theorie des effektiven Wettbewerbs; Konzept der Wettbewerbsfreiheit; jüngere Schule des Ordoliberalismus). 64 Auch die Kommission geht grundsätzlich von einem dynamischen Wett­ bewerbsverständnis aus, wenn sie betont, dass „die Rivalität zwischen Unternehmen eine wesentliche Antriebskraft für die wirtschaftliche Effizienz, einschließlich langfristiger dynamischer Effizienzsteigerungen in Form von Innovationen“ sei,65 wobei sie jedoch in ihrer praktischen Wettbewerbspolitik mangels Alternativen vornehmlich statisch-komparative Analyseinstrumente zur Anwendung bringt. Eine Rivalität der Unternehmen setzt jedoch die Gewährung wirtschaftlicher Handlungsfreiheit voraus, damit diese um Geschäftsabschlüsse mit der Marktgegenseite (den „Verbrauchern“) rivalisieren. Wie der Profit am besten maximiert wird, ist in einer dynamischen Marktwirtschaft auch eine Frage des „trial and error“, also der praktischen Erfahrung. 66 Vor diesem Hintergrund hat von Hayek den Wettbewerb als „Entdeckungsverfahren“ bezeichnet, also als Verfahren „zur Entdeckung von Tatsachen [. . .], die ohne sein Bestehen entweder unbekannt bleiben oder doch zumindest nicht genutzt werden würden“. 67 Einen wesentlichen – wenn auch nicht den einzigen – Bestandteil dynamischer Sichtweisen des Wettbewerbs und der Wettbewerbspolitik bildet deshalb die „Offenhaltung der Märkte“; 68 denn unternehmerisches Verhalten wird nur dann hinreichend vom Wettbewerb kontrolliert, wenn es in aktueller oder potenzieller Konkurrenz mit anderen Unternehmen steht. 69 62  Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung; ders., Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S.  134 ff. 63 Streitig ist insbesondere die Relevanz des Freiheitsziels, vgl. A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 217 ff. 64 Grundlegend Clark, Competition as a dynamic Process. Siehe zur Theorie des effektiven Wettbewerbs Teil 4 C. IV. 4., zum Konzept der Wettbewerbsfreiheit Teil 4. C. V. 3., zum späten Ordoliberalismus Teil 4 D. I. 4. d). 65  Kommission, Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn.  8 : „Ein wirksamer Wettbewerb erbringt den Verbrauchern Vorteile, zum Beispiel in Form niedriger Preise, hochwertiger Produkte, einer großen Auswahl an Waren und Dienstleistungen und Innovation.“ Siehe auch I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 941. 66 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 14. 67  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3. 68  Meessen, JZ 2009, 697, 698, 701; Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  21 und 29; zur Theorie der Contestable Markets siehe noch Teil 7 B. I. 1. 69  Siehe zu einem „structure approach“ zur Aufrechterhaltung kompetitiver Marktstrukturen I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  33.

B. Grundbegriffe

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Eine solche Herangehensweise wählt auch das Unionsrecht, soweit es etwa in Art.  101 Abs.  3 AEUV bestimmt, dass kollusive Wettbewerbsbeschränkungen nicht aufgrund von Effizienzen aus dem Verbotsbereich herausgenommen werden können („Freistellung“), wenn sie selbstständigen Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil des jeweils in Rede stehenden Marktes auszuschließen.70 Sofern man deshalb einen Vergleich zwischen den positiven Wirkungen eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens auf die produktive Effizienz mit den negativen Auswirkungen auf die allokative Effizienz zulassen will, kann dieser nicht allein auf eine statisch-komparative Sichtweise beschränkt werden.71 Nimmt man einen solchen Vergleich jedoch auch unter dynamischen Gesichtspunkten vor, ist die Aufrechterhaltung einer kompetitiven, die material-chancengleiche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer sichernden Marktstruktur besonders wichtig, da nur diese langfristig einen hinreichenden Wettbewerbsdruck sichert, der dazu beiträgt, dass etwaige (produktive) Effizienzvorteile auch an die Verbraucher weitergegeben werden.72 Eine dynamische Sichtweise bedeutet – was zur Vermeidung von Missverständnissen schon an dieser Stelle betont werden soll – nicht, dass ein Wettbewerbsrecht auf den Schutz des „Konkurrenzelements der Marktwirtschaft“ beschränkt wäre.73 Ein modernes Wettbewerbsrecht zielt vielmehr auch auf den Schutz vor „Friktionen im Kooperationselement (‚Kooperationsversagen‘)“ ab,74 soweit diese auf übermäßigen wirtschaftlichen Machtpositionen beruhen. Paradigmatisch sind die Verbote von Ausbeutungsmissbräuchen gem. Art.  102 Satz 2 lit. a AEUV bzw. gem. den §§  19 Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB, sowie die regulierungsrechtliche Entgeltkontrolle der §§  21 ff. EnWG, 27 ff. TKG, soweit sich Letztere am Maßstab des hypothetischen Wettbewerbspreises orientiert. Hie­ rin kann man mit Joachim Jickeli eine gewisse Verschiebung des Blickwinkels von der makro- auf die mikroökonomische Ebene sehen,75 ohne dass darin eine „negative Bewertung“ läge. Es ist vielmehr die Aufgabe eines privatrechtskompatiblen Wettbewerbsrechts, einen Missbrauch von Marktmacht durch Abschluss antikompetitiver (Folge-)Verträge zu unterbinden. Damit sind wir wieder beim Kern unserer Untersuchung.

70 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 15; siehe auch Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 801 f. Art.  101 Abs.  3 AEUV hatte in der praktischen Anwendung bislang nur eine begrenzte Relevanz; vgl. I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  56. 71  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2001, S.  939, 941 f. 72  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2001, S.  939, 945. 73  So freilich Fornasier, Freier Markt, S.  63: „in erster Linie“. 74  Begrifflichkeit nach Fornasier, Freier Markt, S.  63. 75  Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 305.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

In jüngerer Zeit betont die Neue Institutionenökonomik – in Anlehnung an die Forschungen des Ordoliberalismus76 – die marktkonstitutive Bedeutung des rechtlich verfassten Vertrages.77 In der Tat bildet der freiwillig eingegangene, rechtlich bindende Austauschvertrag den Kern eines marktwirtschaftlichen Systems, weshalb er vor Störungen seiner Funktionsbedingungen zu schützen ist.78 Rechtlich und tatsächlich frei entscheidende Individuen werden nur dann einen Austauschvertrag abschließen, wenn sich die Kooperation langfristig zum Vorteil aller Beteiligten auswirkt.79 Da sie ohne eine „gesetzliche Hilfestellung“80 nicht wüssten, ob sich der jeweilige Vertragspartner ebenfalls kooperativ verhalten wird oder als sog. Trittbrettfahrer agiert, also am Nutzen der Kooperation partizipiert, ohne eigene Leistungen erbringen zu wollen, unterblieben Kooperationen im Zweifel auch dann, wenn sie für alle Beteiligten vorteilhaft wären.81 Eine Person, die rechtswidrig einen Vertrag verletzt, enttäuscht nicht nur die Erwartungen ihres Vertragspartners, sondern untergräbt in Zusammenschau mit vergleichbaren Situationen auch das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Funktionsfähigkeit des Vertrages als Institution zur Regelung von Kooperationsbeziehungen.82 Aus diesem Grunde sollen die von der Rechtsordnung an den Vertragsbruch geknüpften Sanktionen nicht nur die von dem Fehlverhalten betroffenen Vertragspartner schützen, sondern zugleich verhindern, dass die Marktakteure künftig mit Blick auf die vermeintlichen Risiken und Unsicherheiten auf den Abschluss von Verträgen verzichten und damit mögliche Wohlstandsgewinne nicht realisieren.83 Die im Privatrecht durch Anfech­tungs-, Nichtigkeits-, Schadensersatz- oder Rücktrittsvorschriften behandelten Vertragsstörungen beruhen nach dieser Sichtweise auf ähnlichen Problemen, wie sie unter dem Blickwinkel von „Transaktionskosten“, „eingeschränkter Rationalität“ oder der Gefahr eines „opportunistischen Verhaltens“ behandelt werden. Auch bei einer auf den ersten Blick individualzentrierten Sichtweise, wie sie der Neuen Institutionenökonomik eigen ist, können somit Problemlagen auftreten, die überindividuelle Relevanz haben. Diese lassen sich jedoch regelmäßig durch einen zureichenden Schutz des Einzelnen beheben. Sofern dieser aus „rationaler Ignoranz“ auf die Geltendmachung von Rechtsschutz verzichtet, kann beispielsweise an die Schaffung von Kollektivklagebefugnissen gedacht werden (vgl. etwa §  33 Abs.  2 GWB i. d. F. der 8. GWB-No76  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  124; siehe auch Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 133. 77  Picot/Dietl, WiSt 19 (1990), 178, 180; ausführlich Teil 4 D. II. 78  Ellger, Bereicherung durch Eingriff, S.  300. 79 Vgl. Bachmann, Private Ordnung, S.  15. 80  Bachmann, Private Ordnung, S.  380. 81  Bachmann, Private Ordnung, S.  15. Zum erklärend verwandten spieltheoretischen Modell des „Gefangenendilemmas“ siehe noch Teil 4 D. III. 82  Fornasier, Freier Markt, S.  18. 83  Fornasier, Freier Markt, S.  18.

B. Grundbegriffe

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velle).84 In diesem Sinne hat der Individualschutz zugleich eine marktkonstitutive institutionelle Bedeutung. Hiervon ist die Problematik zu unterscheiden, ob der Schutz des Marktmechanismus gleichsam umgekehrt eine Einschränkung individueller Handlungsbefugnisse rechtfertigen kann. Dies wird uns in Zusammenhang mit der rechtlichen Behandlung der Folgeverträge noch beschäftigen. 2. Die juristische Sicht Soweit Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkungen aus juristischer Sicht betrachtet werden, stehen die Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit von Verhaltensweisen der Marktteilnehmer im Vordergrund. 85 Wie wir schon gesehen haben, ist ein wirksamer Wettbewerb zwischen Unternehmen aus zivilistischer Sicht eine wesentliche Voraussetzung für material-chancengleiche (innere) Privatautonomie als einem Grundelement einer freien und sozialen Marktwirtschaft. 86 Da jedoch der wirtschaftliche Wettbewerb – wie die historische Erfahrung in Deutschland verdeutlicht hat – kein sich selbst erhaltendes System ist, muss er durch ein Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen geschützt werden.87 Das Wettbewerbsrecht und die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzsektoren begrenzen deshalb die formale Vertragsfreiheit der Unternehmen. Zwar entsteht ein wirtschaftlicher Wettbewerb erst durch den Gebrauch der Vertragsfreiheit. Eine schrankenlose Vertragsfreiheit verleitet jedoch dazu, die Freiheitssphären anderer Marktteilnehmer durch Aufstellung drittbelastender Normen88 und einseitig-antikompetitive Verhaltensweisen zu beeinträchtigen.89 Ein wirksamer Wettbewerbsschutz muss deshalb nicht nur eine Angebotsfreiheit der miteinander im Wettbewerb um die Gunst der Marktgegenseite stehenden Unternehmen gewährleisten, sondern auch die Wahl- und Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, verstanden als Marktgegenseite.90 Dabei bestehen in einer marktwirtschaftlichen und sozialen Rechtsordnung spezifische Anforderungen an eine staatliche Regelsetzung, die es erfordern können, von der als ökonomisch richtig erkannten Lösung abzuweichen. Hierbei ragt aus 84 Siehe dazu Kommission, Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren vom Juni 2013, sowie Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen. Aus dem Schrifttum siehe Säcker, in: FS Reuter, 2010, S.  325 ff.; Bernhard, Kartellrechtlicher Individualschutz durch Sammelklagen. 85 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13. 86  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  17. 87  I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  33; anders im Hinblick auf private Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund einer langfristigen Sichtweise die sog. Chicago School, dazu Teil 4 C. VI. 88 Dazu Bachmann, Private Ordnung, S.  144. 89  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  14 Rn.  6 f. 90  BT-Drucks. 15/1487 v. 22.8.2003, S.  13.

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vertragstheoretischer Sicht das Rechtsstaatsprinzip gem. den Art.  20 Abs.  2 und 3, 23 Abs.  1 Satz  1, 28 Abs.  1 Satz  1, 79 Abs.  3 GG hervor. Dazu im Folgenden:

III. Die Eigengesetzlichkeit des Rechts gegenüber der Wirtschaft 1. Zielkonflikte zwischen einem rechtlichen und einem ökonomischen Verständnis des Wettbewerbsschutzes Zwischen einem ökonomischen und einem juristischen Verständnis von wirksamem Wettbewerb kann es zu Zielkonflikten kommen: So bezweckt etwa die immer noch herrschende (Wohlfahrts-)Ökonomie die Herstellung von effizienten Marktergebnissen in jedem Einzelfall (auswirkungsorientierter Ansatz). Demgegenüber ist eine staatliche Regelsetzung für den Marktmechanismus aus rechtsstaatlicher Sicht an bestimmte Mindestanforderungen gebunden, zu denen nicht nur die Einzelfallgerechtigkeit, sondern auch die Rechtssicherheit gehört.91 Die Marktteilnehmer müssen mit anderen Worten soweit möglich schon im Vorhinein wissen, wie sie sich – etwa als marktmächtige Unternehmen – rechtmäßig verhalten. Die Rechtssicherheit ist dabei gegenüber dem Gebot der Einzelfallgerechtigkeit und der auf dem Demokratiegebot beruhenden Normgebungs- und Normänderungsfreiheit gleichrangig, sodass eine Lösung nicht bereits aus der Normhierarchie abgeleitet werden kann.92 Darüber hinaus können ökonomische Analysen aus rechtlicher Sicht nur unter Beachtung der institutionellen Rahmenbedingungen erfolgen, weshalb (normative) Handlungsempfehlungen nicht ohne Weiteres von einem Rechtssystem auf das andere übertragen werden können.93

91  Streinz, in: liber amicorum Häberle, 2004, S.  745, 747; Sodan/Leisner, Art.  20 GG Rn.  5 4; von Münch/Kunig/Schapp, Art.  20 GG Rn.  40 und zu den Grenzen einer Ableitung von Ergebnissen im Einzelfall Rn.  87. I. Schmidt, WD 2005, 536, 537 betont, dass gerade in Deutschland aufgrund der negativen Erfahrungen in der NS-Zeit viel Wert auf den rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit gelegt werde. Zu dem Zielkonflikt zwischen Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit in Auseinandersetzung mit dem „more economic approach“ der Kommission siehe I. Schmidt, WuW 2005, 877; ders., in: FS Säcker, 2011, S.  939, 947 f.; Immenga/Mestmäcker/Körber, Art.  2 FKVO Rn.  12; Basedow, WuW 2007, 712, 715; Behrens/Braun/ Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13; Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 105; FIW/Möschel, Wende in der Europäischen Wettbewerbspolitik, S.  55 ff.; Monopolkommission/Mestmäcker, Zukunftsperspektiven der Wettbewerbspolitik, S.   19  ff.; Oberender/ Schmidtchen, Effizienz und Wettbewerb, S.  9 ff.; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit? 92  BVerfG v. 4.4.2001 – 2 BvL 7/98, BVerfGE 103, 310 Rn.  6 4; Sodan/Leisner, Art.  20 GG Rn.  54. 93 Drexl/Idot/Monéger/Gerber, Economic Theory and Competition Law, S.  20 f.

B. Grundbegriffe

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2. Rechtssicherheit, Justiziabilität und Vorhersehbarkeit Der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt für jede staatliche Anordnung ein Mindestmaß an Bestimmtheit (Klarheit), insbesondere für gesetzliche Regelungen (Normenklarheit).94 Das Bestimmtheitsgebot verbietet zwar nicht die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe. Der Gesetzgeber muss seine Vorschriften aber so eindeutig formulieren, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich und geboten ist. Erforderlich ist deshalb, dass sich unbestimmte Rechtsbegriffe durch eine Auslegung der betreffenden Normen nach den Regeln der juristischen Methodenlehre hinreichend konkretisieren lassen (Normenklarheit) und verbleibende Ungewissheiten nicht so weit gehen, dass die Vorhersehbarkeit für die Adressaten und die gerichtliche Kontrolle (Justiziabilität) des Handelns der durch die Normen ermächtigten staatlichen Stellen gefährdet sind.95 Die Normadressaten müssen den Inhalt einer Norm erkennen können, um sich nach diesem richten zu können (Vorhersehbarkeit).96 Das gilt insbesondere für wirtschaftsrechtliche (Haftungs-)Normen, denen regelmäßig auch eine Präventionsfunktion zukommt (Wirtschaftslenkung).97 Die Vorhersehbarkeit und Beständigkeit des rechtlichen Rahmens ist für unternehmerische Entscheidungen von entscheidender Bedeutung, wie sich derzeit im Rahmen des Ausbaus der Energie- und Telekommunikationsnetze zeigt.98 Die Wirtschaftlichkeit von Infrastrukturinvestitionen hängt wesentlich davon ab, welchen regulatorischen Verpflichtungen eine neue Infrastruktur unterliegen wird. Das gilt zum einen für die materiell-rechtlichen Regulierungsvorgaben, aber auch für die Investitionssicherheit, die durch den rechtlichen Rahmen geschaffen wird; denn regulatorische Unsicherheit kann die Investi­ tionsbereitschaft selbst dann negativ beeinflussen, wenn die materiell-rechtlichen Regulierungsvorgaben unter Beachtung der berechtigten Belange der anderen Marktteilnehmer grundsätzlich investitionsfreundlich sind.99 3. Interpretation des Rechts mit Hilfe der Ökonomie Aus juristischer Sicht beinhalten die Erkenntnisse der Ökonomie somit verschiedene Instrumente (eine „Toolbox“), um die normativen Wertungen der 94 Sodan/Leisner,

Art.  20 GG Rn.  54. Zum Vorstehenden BVerfG v. 3.3.2004 – 1 BvF 3/92, BVerfGE 110, 33 Rn.  111 – Außenwirtschaftsgesetz; BVerfG v. 24.4.2013 – 1 BvR 1215/07, Juris Rn.  181 – Gemeinsame Antiterrordatei. Siehe auch BVerfG v. 7.7.1971 – 1 BvR 775/66, BVerfGE 31, 255 Rn.  31 – Tonbandvervielfältigung. 96 Sodan/Leisner, Art.  20 GG Rn.  55. 97  Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S.  188; Grundmann/Renner, JZ 2013, 379, 386. 98  Das wird auch von Ökonomen anerkannt, vgl. Averch/Johnson, AER 52 (1962), 1052 ff. 99  Fetzer, MMR 2010, 515. 95 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Wettbewerbsordnung mit ökonomischer Expertise in die Wirklichkeit zu transportieren.100 Zugleich setzen die europäischen und deutschen Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen der Anwendung ökonomischer Theorien de lege lata unübersteigbare Schranken,101 auch thematisiert als „Eigengesetzlichkeit eines Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber den Wirtschaftswissenschaften“.102 Allerdings verwenden die Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit den Vokabeln „Wettbewerb“ und „Wettbewerbsbeschränkung“ unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer (teleologischen103) Interpretation im Sinne unterschiedlicher ökonomischer Theorien zugänglich sind.104 Entscheidend ist somit letztlich, welches die zur Lösung einer konkreten Fragestellung relevanten ökonomischen Erkenntnisse sind und welche rechtlichen Grenzen für ihre Rezeption bestehen.105 Beispielsweise wird sowohl im Rahmen des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.   101 AEUV als auch im Rahmen des Missbrauchsverbots gem. Art.  102 AEUV diskutiert, ob eine Wettbewerbsbeschränkung mit Blick auf die Wohlfahrtswirkungen der Verhaltensweisen von Marktteilnehmern zu ermitteln ist, oder ob einer ökonomischen Einzelfallanalyse de lege lata Grenzen gesetzt sind.106 Gleichsam von entgegengesetzter Seite wird einem – aus zivilistischer Sicht unproblematisch zulässigen – Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen gem. Art.  102 Satz 2 lit. a. AEUV bzw. gem. den §§  19 Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB aus ökonomischer Sicht entgegengehalten, es perpetuiere marktmächtige Stellungen, da es die Anreize für Konkurrenten marktmächtiger Unternehmen mindere, in den Markt einzutreten. Wie wir noch sehen werden, sind bei Lichte besehen beide Einwände nicht überzeugend.

IV. Wettbewerbsfunktionen Oberstes Ziel der staatlichen Wettbewerbspolitik ist der Schutz bzw. die Förderung von Wettbewerb.107 Es gibt freilich die unterschiedlichsten Ansichten darüber, wie ein zu schützender Wettbewerb auszusehen hat; das zeigt sich bereits an den diversen Attributen, die dem Begriff Wettbewerb vorangestellt werden: „klassisch“, „neoklassisch“, „vollständig“ und „unvollständig“, „funktionsfä100 

Säcker, NJW 2010, 1127; Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, S.  355 f. Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13 f. 102 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  1; Bachmann, Private Ordnung, S.  41 f. 103  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 117. 104  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405. 105 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.   13, 14; Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  1. 106  Vgl. zum Missbrauchsverbot Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 104 ff.; ausführlich Teil 5 B. und Teil 5 C. I. 107  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  8 und 31. 101 Behrens/Braun/Nowak/Behrens,

B. Grundbegriffe

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hig“ bzw. „workable“, „effizient“, „effektiv“, „wirksam“ oder etwa „frei“. Gemeinsamer Ansatzpunkt der verschiedenen Sichtweisen ist es, mit dem Begriff „Wettbewerb“ Sachverhalte zu adressieren, denen positive Wirkungen zugeschrieben werden.108 Worin diese positiven Wirkungen liegen, wird jedoch unterschiedlich beurteilt.109 Zu unterscheiden sind „ökonomische“ und „gesellschaftliche“ (aus unserer Sicht: zivilistische) Wettbewerbsfunktionen.110 Zur besseren Übersichtlichkeit werden diese im Folgenden zunächst überblickshaft erläutert; die einzelnen Funktionen kehren sodann im Rahmen der Erörterung der wettbewerbspolitischen Konzepte wieder. 1. Selbststeuerungseigenschaften wettbewerblich organisierter Märkte (ökonomische Wettbewerbsfunktionen) Bereits der klassische Liberalismus hat herausgearbeitet, dass (komplett) freie Märkte als Selbststeuerungsmechanismen agieren, da sie gewährleisten, dass die privatautonom-egoistischen Entscheidungen der Marktteilnehmer zu volkswirtschaftlich guten und gleichzeitig zu sozialen Ergebnissen führen (die „invisible hand“ des Marktes).111 Die Forderung nach Wohlstand erklärt sich aus der Knappheit von Gütern,112 zu deren Überwindung die Menschen wirtschaften müssen, um die Diskrepanz zwischen gewünschten und vorhandenen Gütern zu vermindern.113 Für die Verminderung dieser Knappheit kommen mehrere Ansatzpunkte in Betracht: Eine Erweiterung des Gütervolumens durch stetiges Wirtschaftswachstum, eine Verbesserung der Güterstruktur durch Anpassung der Angebots- an die Nachfragestruktur nebst einer entsprechenden optimalen (Re-)Allokation der Ressourcen sowie eine Verbesserung der Güterverteilung.114 Zur Realisierung dieser Ziele sind mehrere Aufgaben zu lösen: 115 Zum Ersten sind Informationen über das jeweilige Ausmaß der Güterknappheit notwendig. Zum Zweiten benötigt man einen Lenkungsmechanismus, der die Produktionsfaktoren in diejenigen Verwendungen lenkt, bei denen die Knappheit besonders groß ist. Zum Dritten ist ein Ausgleichs- oder Zuteilungsmechanismus erfor108 

Säcker, Zielkonflikte, S.  15 f.; Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  706 f. Wolf, Effizienzen, S.  154 ff.: der Schutz des Wettbewerbs „als solcher“ sei eine Leerformel, eine Norm könne nur ihren Zwecken (Zielsetzungen) entsprechend angewandt werden: „Zwecklosem Recht mangelt es an Legitimation“ (S.  156). 110  Säcker, Zielwandlungen, S.  40 ff. 111  Smith, Der Wohlstand der Nationen, Kap.  7 und 8, S.  48 ff.; Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  13; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369. 112 Vgl. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  8 : „Das zentrale Problem der Wirtschaft ist die Knappheit.“ 113  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  16. 114  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  17. 115  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  17. 109 Nachdrücklich

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

derlich, um die Diskrepanz zwischen Bedürfnissen und Mitteln zu überbrücken, da sich die Güterknappheit nie endgültig überwinden lässt. Diese Herausforderungen lassen sich in einzelnen Haushalten vergleichsweise einfach lösen, während sie die auf eine ganze Volkswirtschaft als „spontane Ordnung“ gerichtete Wirtschaftspolitik vor extrem komplexe Aufgaben stellen.116 Bei rückschauender Betrachtung zeigt sich, dass der Selbststeuerungsmechanismus des Marktes nicht nur größere individuelle Freiheitsspielräume als eine Planwirtschaft ermöglicht, sondern in Form des Preismechanismus auch ein Mittel zur Lösung sowohl des Informationsproblems, als auch des Lenkungsproblems, als auch des Ausgleichsproblems zur Verfügung stellt.117 Steigende oder fallende Preise signalisieren den Anbietern und Nachfragern von Gütern bei freier Preisbildung veränderte Knappheiten und geben damit dazu Anlass, die Ungleichgewichte auf den Märkten durch Anpassung der Produktion nebst der entsprechenden Veränderung der Kapazitäten bzw. des Verbrauchs zu beseitigen.118 Darüber hinaus haben die Individuen durch die von einem freien Preissystem bewirkte dezentrale Entscheidungsstruktur die Möglichkeit, ihr spezifisches Wissen als Anbieter oder Nachfrager in den Marktprozess als Entdeckungsverfahren einzubringen, so dass das nicht zentralisierbare Wissen einer Gesellschaft soweit wie möglich genutzt werden kann.119 Für das Funktionieren der vorstehend geschilderten Selbststeuerungseigenschaften des marktlichen Preissystems ist es nach allgemeiner Ansicht unabdingbar, dass die Märkte wettbewerblich organisiert sind.120 Die Selbststeuerungseigenschaften wettbewerblich organisierter Märkte werden gemeinhin in diverse Wettbewerbsfunktionen ausdifferenziert: 121 Zum einen koordiniert der Wettbewerb Angebot und Nachfrage entsprechend der Struktur der Nachfrage und erzwingt eine entsprechende Reallokation der Produktionsfaktoren, indem die knappen Ressourcen dort eingesetzt werden, wo sie am produktivsten sind und deshalb die höchsten Gewinne erwarten lassen (Lenkungs-, Anpassungsoder Allokationsfunktion). Beschrieben wird hiermit das Konzept der statisch-allokativen Effizienz.122 Zum Zweiten fördert der Wettbewerb den technischen Fortschritt; denn er übt einen dauerhaften Anreiz zur Steigerung der ei116 Vgl. von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  8 ; ders., ORDO 26 (1975), 12, 19. 117  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  18 ff.; von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  10 ff. Zum Preismechanismus siehe schon Teil 3 A. I. 118  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369. 119 Siehe von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff. 120  Vgl. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 370. 121 Die Definitionen können im Einzelnen divergieren, vgl. Günther, WuW 1964, 111, 116 f.; Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  16 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  18 f.; Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  23 ff.; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 372; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  4 ff.; I. Schmidt, Wettbewerbs­ politik und Kartellrecht, S.  15. 122  Dazu noch Teil 4 C. III. 4. b).

B. Grundbegriffe

223

genen Leistungsfähigkeit im Verhältnis zu Wettbewerbern aus, um neue Problemlösungen zu entwickeln (Fortschritts- bzw. Entdeckungsfunktion). Das damit angesprochene Konzept der dynamischen Effizienz123 ist in einer marktwirtschaftlichen Ordnung besonders wichtig, da die Schaffung und Ausbreitung neuen Wissens, d. h. der technische Fortschritt zu Recht als eine wesentliche Ursache für Wohlstandssteigerungen angesehen wird. Unternehmen, die ihre innovativen Leistungen auf dem Markt ausprobieren, bekommen durch die Kaufentscheidungen der Nachfrager Informationen über die relative Qualität derselben (sog. Markttest). Darüber hinaus werden durch die entstehenden Gewinne bzw. Verluste positive und negative Anreize zur innovativen Verbesserung ihrer Leistungen gesetzt.124 Schließlich führt der Wettbewerb auf den Faktormärkten zu einer Einkommensverteilung entsprechend der eigenen Leistungsfähigkeit; er soll mit anderen Worten „funktionslose“, nicht „leistungs­ bezogene“ Einkommen abbauen (Verteilungsfunktion). Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Gewinne nicht aufgrund dauerhafter antikompetitiver Marktmacht oder durch staatliche Subventionen (Problem des „rent seeking“125) entstehen sollen, sondern durch bessere Leistungen für die Konsumten (dies ist das klassisch-rechtliche Konzept des Leistungswettbewerbs).126 Das durch den Wettbewerb bewirkte Verteilungsprinzip entspricht somit nicht der distributiven Gerechtigkeit („iustitia distributiva“), sondern der ausgleichenden Gerechtigkeit („iustitia commutativa“); 127 zugleich setzt es Anreize für Leistungssteigerungen.128 Zusätzlich zur wettbewerblichen Organisation der Märkte sind konstante rechtlich-institutionelle Rahmenbedingungen eine unabdingbare Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des marktlichen Selbststeuerungsmechanismus.129 Da die Entscheidungen in einer Marktwirtschaft dezentral getroffen werden, sind die Freiheitsspielräume der Individuen zu definieren und zu sichern, da diese selbst entscheiden sollen, welche Güter sie anbieten bzw. nachfragen (Tauschfreiheit) und auf welchen Märkten sie mit ihren spezifischen un-

123 

Siehe Teil 4 C. III. 4. d). So insb. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 372. 125  Zu den von der politischen Ökonomie herausgearbeiteten Modellen politischer Einflussnahme siehe Grüner, Wirtschaftspolitik, S.  97 ff. 126  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 372; grundlegend Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  73; Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  254 f.; dazu Goldschmidt/ Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 193. Der Aspekt der Interdependenz der Ordnungen wird heute besonders von der Ordnungsökonomik betont; vgl. Vanberg, Consumer Welfare, Total Welfare and Economic Freedom, S.  14. 127  Aristoteles, Nikomachische Ethik, Rn.  1130 b ff.; dazu Radbruch, Rechtsphilosophie, S.  36 und 152 f.; Canaris, iustitia distributiva, S.  9 ff.; Mohr, in: FS Adomeit, 2008, S.  477, 484 f. 128  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 372. 129  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  107 ff.; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  23 und öfter; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 373. 124 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

ternehmerischen Fähigkeiten tätig sind (Gewerbefreiheit).130 Notwendig ist deshalb eine aktive staatliche Wettbewerbspolitik, die die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs als Selbststeuerungsmechanismus individueller Freiheiten sichert. Die juristischen Pendants hierzu sind Privatautonomie und material-chancengleiche Vertragsfreiheit. Sofern sich auf bestimmten Märkten (Sektoren) grundlegende Defizite der marktlichen Selbststeuerung offenbaren (sog. Marktversagen), sind diese durch aktive Eingriffe in das Marktgeschehen (Regulierung) zu vermindern bzw. zu beseitigen.131 Aus ökonomischer Sicht kann ein Marktversagen jedoch auch durch rechtliche Regelungen in den Bereichen Vertragsrecht, Verbraucherschutzrecht, Gesellschaftsrecht oder Arbeitsrecht begründet werden; 132 hiermit werden wir in unserer Untersuchung am Rande in Berührung kommen. 2. Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit gegen unangemessene oder unbillige Beeinträchtigungen (gesellschaftliche Wettbewerbsfunktionen) Die aus ökonomischer Sicht gesellschaftspolitische Zielsetzung des Wettbewerbs richtet sich auf den Schutz der Handlungsspielräume und Wahlfreiheiten der Marktteilnehmer (Freiheitsfunktion).133 Der Begriff der Freiheit ist – wie wir schon einleitend gesehen haben – allerdings interpretationsoffen. So kann er in einem negativen und in einem positiven Sinne verstanden werden, (nur) als das Fehlen staatlicher Reglementierung (Fehlen von Zwang134) oder zusätzlich als Möglichkeit zum Handeln (Privatautonomie bzw. Wettbewerbsfreiheit).135 Bezüglich der positiven Handlungsfreiheit wird weiter unterschieden zwischen formaler Freiheit im Sinne der rechtlichen Gleichheit der Bürger und der material-faktischen Freiheit als Fähigkeit, die gesteckten Ziele auch tatsächlich zu erreichen. In einer sozialen Marktwirtschaft (Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV) sichert der Wettbewerb dezentrale Entscheidungsprozesse und damit die Individual­ freiheit durch rechtliche Bindung privater Macht.136 Das Freiheitsverständnis ist somit notwendigerweise ein materiales und kein formelles. Hiernach ist Freiheit nicht nur eine Voraussetzung des Wettbewerbssystems; dieses System trägt vielmehr selbst zur Sicherung der individuellen Freiheitspositionen bei, indem die Nachfrager im Austauschprozess zwischen verschiedenen Produkten 130 

Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 373; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  4 f. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 373. 132  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 373. 133  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  12 f. 134 So zum Beispiel der späte Hoppmann, Grundsätze marktwirtschaftlicher Wettbe­ werbs­politik, abgedruckt in: ders., Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 301 ff., 313. 135  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  12. 136 MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  6 . 131 

B. Grundbegriffe

225

auswählen können, während die Anbieter sich auf bestimmte Nachfrager konzentrieren und andere ausschließen können.137 Zugleich ist der Wettbewerb ein Instrument zur Kontrolle politischer Macht; denn Macht auf einem dieser beiden Gebiete impliziert oft auch Macht auf dem anderen.138 Wettbewerb sichert somit nicht nur die individuelle Freiheit, sondern auch die ordnungspolitische Grundentscheidung für eine freiheitliche und soziale Marktwirtschaft.139 Allerdings ist eine totale Handlungsfreiheit für alle Individuen weder denkbar noch wünschenswert; denn die Freiheitsbereiche der Individuen sind häufig nicht komplementär, sondern substitutiv.140 Vor diesem Hintergrund kann ein Schutz der materialen Vertragsfreiheit immer nur ein relativer Schutz vor unangemessenen bzw. unbilligen Beeinträchtigungen sein. Zur Verdeutlichung dieser Abwägungsnotwendigkeit ist im Wettbewerbsrecht das rechtliche Konzept des Leistungswettbewerbs im Gegensatz zum Nichtleistungswettbewerb geschaffen worden.141 Da die wirtschaftlichen Güter nicht unbegrenzt vorhanden sind, liegt es aus ökonomischer Sicht nahe, dass Individuen die eigene Versorgung mit Gütern auf Kosten anderer Individuen vermehren. Dies gelingt umso eher, je größer die eigene Planungskompetenz ist und je geringer die Handlungsspielräume der anderen sind. Vor diesem Hintergrund könnte man – wie etwa der frühe Ordoliberalismus – die Ansicht vertreten, dass ein hoher Grad an dezentraler Planungskompetenz notwendig sei, da er zugleich ein hohes Maß an Handlungs- und Wahlfreiheit impliziere.142 Eine solche Sichtweise gilt heute jedoch zu Recht als überwunden; denn im Rahmen einer dynamischen Sichtweise des Wettbewerbs sind – wie wir noch näher behandeln werden – zeitlich bedingte wirtschaftliche Machtpositionen unabweisbar notwendig, um den Wettbewerbsprozess in Gang zu halten.143 Die Sicherung einer wettbewerblichen Struktur ist somit nicht gleichbedeutend mit einem möglichst atomistischen „vollkommenen Wettbewerb“. Die Rechtsordnung muss jedoch sicherstellen, dass die Marktteilnehmer ihre Machtpositionen nicht dazu benutzen 137 

Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  22. Diesen Zusammenhang arbeitete insbesondere Franz Böhm heraus, vgl. Teil 4. D. I. 4. 139  Vgl. die Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (abgedruckt bei Müller-Henneberg/Schwartz, S.  1057): „Das ‚Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen‘ [. . .] geht von der durch die wirtschaftswissenschaftliche Forschung erhärteten wirtschaftspolitischen Erfahrung aus, daß die Wettbewerbswirtschaft die ökonomischste und zugleich demokratischste Form der Wirtschaftsordnung ist [. . .].“ 140 Oberender/Schmidtchen, Effizienz und Wettbewerb, S.   9, 26 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 143, 153 ff.; von Weizsäcker, WuW 2007, 1078 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  13, unter Verweis auf den Schutz der Freiheit des Innovators durch ein Patent, der zur Einengung der Freiheit der Innovatoren führt. 141  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  73; Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  254 f. 142  Siehe zur frühen ordoliberalen Theorie der vollständigen Konkurrenz unter Teil 4 D. I. 2. 143  Grundlegend war die Theorie des „effective competition“, vgl. Teil 4 C. IV. 4. 138 

226

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

(„missbrauchen“), die rechtlich anerkannten Freiheitspositionen anderer Individuen unangemessen (vgl. auch §  307 Abs.  1 BGB) bzw. unbillig (vgl. auch §  315 Abs.  3 BGB) durch uni- oder multilaterale Wettbewerbsbeschränkungen zu beeinträchtigen.144 Die entsprechende Abwägung ist aus juristischer Sicht an der Grundentscheidung für eine auf der Selbstbestimmung der Marktteilnehmer gründende freie und soziale Marktwirtschaft im Sinne des Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV auszurichten (sog. Interdependenz der Ordnungen).145 3. Zielkonflikte zwischen Freiheits- und Wohlfahrtsfunktionen („trade offs“) Die ökonomischen Funktionen des Wettbewerbs sind heute überwiegend anerkannt. Umstritten ist demgegenüber, ob die Freiheit des Wettbewerbs ein schützenswertes Ziel der Wettbewerbspolitik ist oder ob Letztere vornehmlich andere (überindividuelle) Ziele wie die Herstellung von Wohlfahrt und Gerechtigkeit verfolgen sollte, wie dies von Vertretern der Chicago School und der dadurch beeinflussten „(wohlfahrts-)ökonomischen Analyse des Rechts“ vorgebracht wird.146 Die Bedeutung, die der Freiheitsfunktion im Verhältnis zu den ökonomischen Funktionen des Wettbewerbs zukommt, hängt somit vom jeweiligen wettbewerbstheoretischen Grundverständnis ab.147 Auch wenn man wie vorliegend eine „bipolare Zielsetzung“ des Wettbewerbsrechts anerkennt (einerseits möglichst gute Wohlfahrtsergebnisse, die in Form der Weitergabe von Effizienzvorteilen dem Verbraucher zugutekommen, und andererseits Freiheit vor Vermachtung), enthebt dies nicht von der Aufgabe zu prüfen, ob sich in der Realität beides zugleich optimal verwirklichen lässt; denn Konflikte und Antinomien zwischen beiden Zielsetzungen sind in der Rechtswirklichkeit allgegenwärtig.148 Sie bestehen etwa zwischen der kostenund der wettbewerbsoptimalen Betriebsgröße: 149 Während eine kostengünstige und innovative Produktion von Gütern unter dem Aspekt von Größen- und Verbundvorteilen („economies of scale and scope“) eine kostenoptimierte Fertigung und damit die (jedenfalls temporäre) Zulassung wirtschaftlicher Machtpositionen verlangt (produktive Effizienz), votiert eine wettbewerbsoptimale (d.  h. maximal machtbegrenzende) Sichtweise für möglichst atomistische Marktstrukturen. Die optimale Lösung liegt wie häufig dazwischen. Bei Schaffung des deutschen und später auch des europäischen Wettbewerbsrechts standen solche potenziellen Zielkonflikte noch nicht im Vordergrund.

144 

Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  15. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  13 ff. 146  Siehe Teil 4 C. VI. 147  Wunderle, Verbraucherschutz, S.  13 f. 148 MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  9 ; ausführlich Säcker, Zielkonflikte, S.  14 ff. 149  Säcker, Zielwandlungen, S.  48; ders., JJZ 2013, S.  9, 12. 145 

B. Grundbegriffe

227

Der Glaube an eine „autoharmonisierende Kraft des Marktes“150 verleitete die Gesetzgeber vielmehr zur Annahme, die Freiheit des Wettbewerbs führe zwangsläufig zu den besten ökonomischen Ergebnissen.151 Diese Sichtweise ist jedoch nur unter den (unrealistischen) Bedingungen des statischen Modells der vollkommenen (vor allem der homogenen, bilateral-polypolistischen) Konkurrenz gerechtfertigt, bei der kein Anbieter oder Nachfrager Einfluss auf den Preis hat.152 Erst nachdem die Wirtschaftswissenschaften herausgearbeitet ­hatten, dass die tatsächlichen Märkte mit diesem Modell regelmäßig nicht übereinstimmen, sondern oft oligopolistische Tendenzen aufweisen,153 wurde die Möglichkeit von Konflikten zwischen der gesellschaftspolitischen und der wohlstandspolitischen Zielsetzung der Wettbewerbspolitik näher diskutiert. Letztlich kann der Ruf nach einem „more economic approach“ des Wettbewerbsrechts deshalb auch als Antwort auf die von Seiten liberaler Wissenschaftler vertretene Aussage angesehen werden, Freiheitsschutz und größtmöglicher ökonomischer Wohlstand seien zwei Seiten derselben Medaille, weshalb es zu keinerlei Zielkonflikten kommen könne.154

V. Aufgabenstellung: Auflösung des Zielkonflikts zwischen Ökonomie und Recht aus zivilistischer Sicht Wir werden nachfolgend herausarbeiten, dass in einer freiheitlichen Privatrechtsordnung, in der der Interessenausgleich zwischen den Rechtssubjekten durch frei ausgehandelte Austauschverträge zustande kommt und die Wertrelation zwischen den Gütern durch Angebot und Nachfrage über den Preis bestimmt wird, die gesellschaftspolitische Freiheitsfunktion des Wettbewerbs im Vordergrund stehen muss; 155 denn der Wettbewerb ist das maßgebliche Instrument, die gegenseitige Unabhängigkeit („relative Machtlosigkeit“156) und Wahlfreiheit der Vertragspartner zu verbürgen (Säcker). Es ist das Verdienst des 150 

Säcker, Zielkonflikte, S.  18. So Mestmäcker/Hoppmann, Wettbewerb als Aufgabe, S.  61, 103; ders., in: FS Wessels, S.  145, 148; ders., JbNSt 179 (1966), 286, 289; ders., JbNSt 181 (1967/1968), 251, 258; ders., ORDO 18 (1967), 77, 82; Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, S.  369, 662. Siehe auch Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 461 ff. sowie ausführlich Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 43. 152  Siehe die Begründung zum Regierungsentwurf des GWB (abgedruckt bei Müller-Henneberg/Schwartz, S.  1057); Säcker, Zielkonflikte, S.  18. Zum Unionsrecht siehe MünchKommEuWettbR/Säcker, Einl. Rn.  9. 153 So insbesondere die sog. Workability-Konzepte, vgl. Clark, AER 30 (1940), 241 ff.; ders., Competition as a Dynamic Process; Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs; Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105 ff.; siehe dazu noch Teil 4 C. IV. 154  So MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  10 a. E.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  19 f. 155  Säcker, Zielwandlungen, S.  59. 156  Körber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S.  47. 151 

228

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Ordoliberalismus (weitergeführt durch die sog. Ordnungsökonomik157), den Zusammenhang zwischen dem Schutz eines freien Wettbewerbsprozesses und der Sicherung individueller Machtlosigkeit herausgearbeitet zu haben, auch wenn er keine konkreten Konzepte benannt hat, die konfligierenden Freiheitsbereiche aufzulösen. Dieses Verdienst kommt vor allem den Theorien der Workable Competition zu. Der Ordoliberalismus hatte – wie wir noch sehen werden – in den 1950er und 1960er Jahren in Deutschland und Europa starken Einfluss auf die wettbewerbspolitische Grundausrichtung des neu geschaffenen Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Gleichwohl werden seine grundlegenden Erkenntnisse über die system- und funktionswidrige Vereinnahmung des Austauschvertrages als Instrument der einseitigen Leistungsbestimmung und Machtausübung nicht ausreichend gewürdigt.158 Wenn die Kommission heute deshalb die wohlfahrtsökonomisch zu bestimmende Konsumentenwohlfahrt als vorrangiges Ziel der Wettbewerbspolitik ausruft (sog. Post-ChicagoEconomics),159 übersieht sie den Beitrag, den die Wettbewerbspolitik zur Sicherung der Grundlagen einer freiheitlichen Privatrechtsordnung leistet.160 Die vorliegende Untersuchung will sich der grundlegenden Bedeutung eines auf individueller Selbstbestimmung gründenden Wettbewerbsprozesses für die rechtliche Verfasstheit der Privatrechtsordnung und zugleich für die Sicherung eines demokratischen Rechtsstaates versichern. Dazu ist es unabdingbar, die wesentlichen Strömungen der für unsere Fragestellungen ertragreich erscheinenden ökonomischen Theorien darzustellen und einer Kritik zu unterziehen, wobei die (vertrags-)rechtlichen Implikationen im Vordergrund stehen sollen. Es wird sich zeigen, dass eine wohlfahrtsökonomische Herangehensweise nicht automatisch mit einer auf dem Schutz der materialen Selbstbestimmung basierenden Privatrechtsordnung in Widerspruch steht. Dies verdeutlicht paradigmatisch die historisch wirkungsmächtige Theorie der Workable Competition, die eine kompetitive Marktstruktur und nicht allein vermeintlich gute ökonomische Ergebnisse ins Zentrum ihrer Überlegungen stellte. Wohlfahrtsökonomische Analysen sind jedoch kritisch zu betrachten, sofern sie das Privatrecht 157  Die Ordnungsökonomik beschäftigt sich mit den Auswirkungen, die von unterschiedlichen rechtlich-institutionellen Rahmenbedingungen für die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Handlungsprozesse ausgehen, vgl. Riesenhuber/Vanberg, Selbstverantwortung, S.  45, 46. Zum Begriff der Ordnung im Gegensatz zum neoklassischen Begriff des Gleichgewichts siehe von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  10. 158  So schon die Mahnung von Säcker, Zielwandlungen, S.  59. Dies mag auch daran liegen, dass es sich bei dem Ordoliberalismus, wie er etwa von Böhm vertreten wurde, um keine ökonomische Theorie im engeren Sinne handelte. 159  Als zentrales Ziel der Wettbewerbspolitik wird die Effizienz von der neoklassischen Wettbewerbsökonomie vertreten, vgl. Teil 4 C. III. Einen Vorrang des Wohlfahrtszieles vertreten auch MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1066. Offener Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  29; Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  17 ff.; Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 463. 160 MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  13.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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aus effizienzbezogener Warte normativ modellieren, da dies für die Bürger mit (grund-)rechtlich nicht hinnehmbaren Freiheitseinbußen verbunden sein kann.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht Die nachfolgenden Ausführungen erheben nicht den Anspruch, eine eigene ökonomische Theorie zu entwickeln, noch wollen sie die behandelten Theorien in allen ihren Verästelungen darstellen. Es sollen vielmehr aus Sicht der Rechtswissenschaft und ihrer immanenten Erkenntnisgrenzen die wesentlichen Aussagen der Wirtschaftswissenschaften zum Thema „wirtschaftliche Macht“ aufgezeigt und bewertet werden. Wie wir sehen werden, versucht die Ökonomie das hochkomplexe Phänomen wirtschaftlicher Macht und dessen positive und negative Auswirkungen auf die Individuen und die Gesamtgesellschaft durch verschiedene Denkansätze sachgerecht zu erfassen, die – wollen sie nicht weitgehend auf konkrete Regelungsvorschläge verzichten – in zum Teil erheblichem Maße von der Wirklichkeit abstrahieren. Dass in einem bestimmten ökonomischen Modell ein bestimmtes ökonomisches Ergebnis erzielt wird, bedeutet somit nicht, dass dies auch tatsächlich so sein muss. Sofern die Ökonomie normative Handlungsempfehlungen an den Gesetzgeber und die Rechtsprechung formuliert, sind diese zudem von politischen Werturteilen geprägt,161 weshalb sie sich aus Sicht der geltenden Wirtschaftsverfassung einer kritischen Revision stellen müssen. Im Ergebnis wird sich zeigen, dass die zutreffende Behandlung wirtschaftlicher Macht nicht ohne normative Leitlinien auskommt.

I. Inhalt und Art der Darstellung Im Einzelnen orientiert sich die Darstellung der Wettbewerbstheorien an einem – notwendig vergröbernden – Mehrphasenmodell, das vereinfachend den Hauptstrom der Argumentation der jeweiligen Epoche162 – regelmäßig vertreten durch eine bestimmte „Schule“163 – in den Vordergrund rückt: 164 An die 161  Auch wenn dies zuweilen nicht offengelegt wird. Ein (nicht zutreffender) Hauptvorwurf der Wirtschaftswissenschaften gegenüber der Jurisprudenz lautet vielmehr, dass diese anders als die Ökonomik keine eindeutig messbaren Maßstäbe habe, um die Freiheitsbereiche der (Markt-)Bürger gegeneinander abzugrenzen. Siehe von Weizsäcker, WuW 2007, 1078 ff.; Oberender/Schmidtchen, Effizienz und Wettbewerb, S.  9, 26 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 143, 153 ff., insb. 158; Stoffel/Zäch/Amstutz/Reinert, Kartellgesetzrevision 2003, S.  69, 79. 162 Von Basedow (WuW 2007, 712, 714) als „Denkmoden“ bezeichnet. 163  Sun, ALJ 78 (2012), 37: „Antitrust has a tradition of being categorized by ‚schools‘.“ Siehe auch Crane, ALJ 78 (2012), 43 ff.; Soven, ALJ 78 (2012), 273 ff. 164  Im Anschluss an Herdzina (Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  21 f.) beruht die Phasendarstellung auf Vereinfachungen, die der Meinungsvielfalt unter den Ökonomen nicht gerecht wird, weshalb man allenfalls die jeweilige Hauptströmung in den Vordergrund stellen kann, da hierüber unter den Ökonomen weitgehend Konsens besteht.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

klassische dynamische Wettbewerbstheorie schloss sich die neoklassisch-statische Gleichgewichtstheorie mit der Entwicklung der Marktformen, dem Leitbild der vollkommenen Konkurrenz und Versuchen der Annäherung an die Marktrealitäten an, bis schließlich in den 1960er Jahren die Wettbewerbstheorie der Workable Competition zum Durchbruch kam.165 Diese baut ebenso wie die Theorie der sog. Chicago School of Economics auf der wohlfahrtsökonomischen Konzeption der Neoklassik auf, weshalb sie den Wettbewerb als Mittel zur Erreichung vorab definierter Ziele ansieht.166 Während die Chicago School jedoch allein auf das Marktergebnis blickt, das unter Zuhilfenahme statischer wohlfahrtstheoretischer Instrumente modelliert werden soll, beurteilen die Konzepte der Workable Competition (in Deutschland: funktionsfähiger Wettbewerb) Maßnahmen auch nach ihren Auswirkungen auf die Marktstruktur und das Marktverhalten. Die Konzepte des „funktionsfähigen Wettbewerbs“ wurden fortgeführt durch die Theorien des „wirksamen Wettbewerbs“, die sich zunehmend von der statischen Sichtweise der neoklassischen Ökonomie lösten und stattdessen den dynamischen Charakter des Wettbewerbs betonten. Aus diesem Grunde sahen sie Marktunvollkommenheiten (mit anderen Worten: wirtschaftliche Machtpositionen) nicht nur als Folge, sondern auch als Voraussetzung des Wettbewerbs an. Die vorbenannten Ansätze lassen sich nach ihrer Zielfunktion, der markttheoretischen Fundierung und dem wettbewerbspolitischen Programm bezüglich Diagnose und Therapie des Marktgeschehens mit Klaus Herdzina idealtypisch als „wohlfahrtsökonomisch“ einstufen.167 Als idealtypischer Gegenpol hierzu kommen systemtheoretische Ansätze in Betracht, die den Wettbewerb – ähnlich wie die klassische dynamische Wettbewerbstheorie – als ergebnisoffenen Prozess beschreiben, der sich durch die Ausübung der Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer entwickelt. Im Zentrum der wettbewerbspolitischen Analyse steht hier deshalb ein – wie wir sehen werden – formales Freiheitsziel. Da diese Ansätze von einer Zielharmonie zwischen Freiheitsziel und ökonomischen Wettbewerbsfunktionen ausgehen, ist es für sie nicht notwendig, nach der Bedeutung Letzterer zu fragen, da diese bei freiem Wettbewerb annahmegemäß als erfüllt gelten.168 Auch dies wird kritisch zu hinterfragen sein, da wirtschaftliche Machtpositionen guten ökonomischen Ergebnissen entgegenstehen können. 165 

Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  52. Die Etikettierung, Abgrenzung und Zuordnung von wettbewerbspolitischen Programmen hängt eng mit dem gewählten Abgrenzungsmerkmal zusammen: blickt man z. B. auf die Ziele, so hat die Chicago School wenig Überscheidungen mit der Österreichischen Schule (hier ökonomische Effizienz, dort Freiheit); schaut man dagegen auf die wettbewerbspolitischen Vorschläge zur Umsetzung dieser Zielvorgaben, bestehen erhebliche Ähnlichkeiten. Vgl. Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  23. 167  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  24. 168  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  26. 166 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

231

Aus zivilistischer Sicht bilden – um das Ergebnis der Untersuchung ein Stück vorweg zu nehmen – die Grundaussagen eines (modernen, „späten“) Ordoliberalismus ein Kernstück zum Verständnis des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen, da diese sowohl mit einer auf dem Primat chancengleicher vertraglicher Selbstbestimmung basierenden Rechtsordnung als auch mit der (mittelbar-prozessualen) Wohlfahrtsfunktion des Wettbewerbs übereinstimmen. Wir werden dem Ordoliberalismus deshalb vertiefte Beachtung schenken, auch weil dieser in der Diskussion immer noch verallgemeinernd mit den (veralteten) unrealistischen Forderungen nach einer „vollkommenen Konkurrenz“ gleichgesetzt wird. Da die Thesen des Ordoliberalismus freilich auch in ihrer modernen Variante zuweilen zu abstrakt bleiben, um damit konkrete Wettbewerbsprobleme zu lösen, sind zu ihrer Instrumentalisierung die Erkenntnisse anderer Theorien wie der Workable Competition heranzuziehen, da diese – sofern man sich ihrer immanenten Erkenntnisgrenzen bewusst ist – wertvolle Aussagen über die tatsächlichen Marktprozesse liefern können. Doch zunächst zur klassischen Wettbewerbstheorie Adam Smiths.

II. Klassische dynamische Wettbewerbstheorie Die klassisch-liberale Sichtweise des Wettbewerbs wurde maßgeblich durch den schottischen Moralphilosophen Adam Smith begründet, der durch die von ihm erstellte erste Gesamtdarstellung der marktwirtschaftlich orientierten Ökonomie sowie aufgrund der theoretischen Durchdringung des Marktes als eines Systems dezentraler Koordination wirtschaftlicher Entscheidungen als Begründer des modernen ökonomischen Denkens gilt.169 1. Historische Einordnung Smith entwickelte sein Verständnis des Wettbewerbs in Auseinandersetzung mit dem seinerzeit herrschenden Merkantilismus.170 Grundidee des Merkantilismus war ein absoluter Zustand der Macht des Staates über seine Bürger und 169  Schumpeter, Geschichte der ökonomischen Analyse I, S.  241; Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  9. Weitere wichtige Vertreter des klassischen Liberalismus in Nachfolge von Smith waren David Ricardo, James Mill und Jean Baptiste Say; siehe dazu Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  33 ff. Aus juristischer Sicht siehe die Darstellung bei Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  92 ff. Zum Inhalt der Arbeiten Smiths krit. Söllner (a. a. O., S.  28 f.), wonach Smith nur bereits bekanntes Wissen zusammengetragen habe und dabei „häufig unsystematisch, unklar, ja sogar widersprüchlich“ gewesen sei sowie „befriedigende Begründungen für zentrale Behauptungen vermissen“ lies. Die erste Gesamtdarstellung der Wirtschaftswissenschaften überhaupt wurde von Steuart (An Inquiry into the Principles of Political Oeconomy) ausgearbeitet, die jedoch noch auf den Ideen des Merkantilismus beruhte. Siehe Söllner, a. a. O., S.  29. 170  Der Begriff wurde von Smith selbst geprägt, vgl. Der Wohlstand der Nationen, S.  347: „Merkantilsystem“; siehe auch Leistner, Richtiger Vertrag, S.  16 mit Fn.  29.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

die Wirtschaft. Um diese Macht auf Dauer zu erhalten, bedurfte es erheblicher Finanzmittel, weshalb die Vermehrung des Reichtums des Staates durch Vergrößerung des Gold- und Silberbestandes und durch Erhöhung der Produktivität des Landes im Zentrum der Wirtschaftspolitik stand. Diese Ziele sollten u. a. durch die aktive Gestaltung und Förderung des Arbeitsmarktes, staatlich geplante Ansiedlungen von Unternehmen, den Arbeitseinsatz von Frauen und Kindern und die Verlängerung der Arbeitszeiten erreicht werden. Weitere wirtschaftspolitische Instrumente waren die gezielte Förderung von bestimmten Gewerbezweigen durch Subventionen und Steuervorteile oder die Gründung sowie Gewährung von staatlichen Monopolen, um die Produktion von gewerblichen Gütern zu verstärken. Weiterhin spielte im Merkantilismus die staatliche Förderung und Gestaltung des Außenhandels eine wichtige Rolle.171 Smith setzte sich kritisch mit dem Merkantilismus auseinander und erkannte, dass dieser aufgrund der im 18. Jahrhundert zunehmenden Industrialisierung (und dem beginnenden Zeitalter der Aufklärung) nicht mehr zeitgemäß war.172 Smiths Hauptwerk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“ muss in Zusammenhang mit seiner philosophischen und epistemologischen Position gesehen werden.173 Smith war in erster Linie Philosoph. So befasst sich sein zweites Hauptwerk, „The Theory of Moral Sentiments“ aus dem Jahr 1759, mit der Ethik. Im Ergebnis einer ethisch-philosophischen Analyse machte Smith als wesentlichen Impuls der gesamtstaatlichen Wohlstandssteigerung das Bemühen der Individuen aus, ihre ökonomische Lage und ihren sozialen Status zu verbessern.174 Das Eigeninteresse der Individuen bewirke zugleich ein sozial sinnvolles Verhalten: Indem sie ihren Eigeninteressen folgten, dienten sie in einer Markt- bzw. Tauschwirtschaft zugleich den Interessen anderer Menschen. Das eigennützige Verhalten der Menschen wird nach Smith eingeschränkt durch ein natürliches Gefühl der Sympathie, das Menschen für andere haben; eine Art Mindestsinn für Gerechtigkeit ist für Smith somit die unerlässliche Basis für eine funktionsfähige Gemeinschaftsordnung: 175 Da die natürlichen Sympathiegefühle der Menschen nur schwach ausgeprägt seien, sei nicht nur eine auf Vernunft und Lebenserfahrung gestützte freiwillige Anerkennung von Regeln der Ethik und der Gerechtigkeit, sondern auch ein Rechtsrahmen notwendig, zu dessen Durchsetzung es staatlicher Institutionen benötige. Im wirtschaftlichen Bereich kommt für Smith als Disziplinierungsinstrument der Wettbewerb hinzu.176 Smith erhebt damit nicht – wie die neoklassische Wettbe171 Vgl.

Treu, ZfW 59 (2010), 182, 184. Vgl., auch zum Folgenden, Smith, Der Wohlstand der Nationen, 4. Buch, Kap.  1, S.  347 ff. 173 Vgl. Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  25. 174  Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  9. 175  Siehe dazu Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  9. 176  Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  9. 172 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

233

werbstheorie – den uneingeschränkt egoistisch handelnden homo oeconomicus zum Verhaltensmodell.177 Für ihn war die Ökonomie auch keine isolierte Wissenschaft, sondern eingebettet in die Ethik und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Auf Smith geht somit die grundlegende Erkenntnis zurück, dass politische Freiheit, wirtschaftliche Freiheit und wirtschaftlicher Wohlstand eng miteinander verknüpft sind,178 eine Auffassung, die später im – für das Verständnis des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen und seiner Verknüpfungen zum Privatrecht wesentlichen – Ordoliberalismus mit der „Interdependenz der Ordnungen“ wieder aufgegriffen werden sollte. 2. Das System der „natürlichen Freiheit“ Smith analysiert zunächst den Zusammenhang von gesellschaftlich-wirtschaftlicher Entwicklung und Institutionen. In seiner dynamischen Entwicklungstheorie passen sich die politischen Verhältnisse beim Übergang auf eine neue Entwicklungsstufe den ökonomischen Änderungen an.179 In der Industriegesellschaft als vierter und aktueller Entwicklungsstufe erkennt Smith eine Markt-, Tausch- oder Handelswirtschaft, in der die Individuen für die Zurverfügungstellung von Arbeit, Boden oder Kapital eine Geldzahlung erhalten. Die Anbieter in Handwerk und Landwirtschaft produzierten nunmehr über den Eigenbedarf hinaus, um die Güter auf dem Markt zu veräußern. Die Austauschbeziehungen über Märkte begründeten zwar eine gegenseitige Abhängigkeit. Gleichwohl führe diese mittelfristig zu einer gesteigerten persönlichen Freiheit. Smith glaubte somit jedenfalls im Ausgangspunkt an eine „natürliche Ordnung“ in Form der Tauschwirtschaft, die sich durch eine Harmonie der verschiedenen Einzelinteressen und des staatlichen Gesamtinteresses (der allgemeinen Wohlfahrt) auszeichne.180 Von einer solch formalen Betrachtung individueller Freiheiten – wie sie dem Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 jedenfalls de facto zugrunde gelegen hat – hat sich die aktuelle Wirtschaftstheorie verabschiedet. Das Vertragsrecht hat für uns vielmehr die Aufgabe, einen intersubjektiv richtigen Ausgleich gegenseitiger Freiheitspositionen sicherzustellen. Doch zunächst weiter zu Smith: Das konstituierende Element der Wettbewerbstheorie Smiths ist die Freiheit der Marktteilnehmer, an der Handels- und Tauschwirtschaft teilzunehmen.181 Dieses System der „natürlichen Freiheit und Gleichheit“ beruht auf zwei Prämissen: 182 Der Mensch hat einen naturrechtlich begründeten Anspruch auf freie 177 

Wie vorliegend Leistner, Richtiger Vertrag, S.  18. Dazu Teil 4 C. III. 2. d). Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  118. 179  Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  10. 180 Weiterführend Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  10. 181  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 4. Buch, Kap.  9, S.  582. 182  Raphael, Adam Smith, S.  88; Treu, ZfW 59 (2010), 182, 188. 178 Ebenso

234

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Entfaltung und Gleichheit in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Darüber hinaus führt der ungestörte gesellschaftliche Prozess zu einem optimalen Ergebnis. Auf dieser Grundlage sei der Mensch bestrebt, seine Lebensumstände ständig zu verbessern.183 In dem System der natürlichen Freiheit kann sich der Mensch ohne staatliche Beschränkungen wirtschaftlich entfalten.184 Aus diesem Grunde lehnt Smith staatliche Eingriffe in den freien Wirtschaftsprozess ab. Für ihn ist vielmehr der Markt das zentrale Steuerungsinstrument, mit dem Anbieter und Nachfrager ihre Eigeninteressen verfolgen. Im Ergebnis setzt Smith somit den etatistischen Tendenzen des Merkantilismus die unterstellten Selbstheilungskräfte der Märkte entgegen.185 Dass auf realen Märkten unterschiedliche Machtverhältnisse und damit unterschiedliche Wettbewerbs­ intensitäten gegeben sein können, erkannte er allenfalls in Ansätzen. Ausgangspunkt der positiven Einstellung Smiths zum Markt in seinem „System der natürlichen Freiheit“ ist die gesellschaftliche Arbeitsteilung, ohne die die Produktivität der Arbeit und damit der Wohlstand einer Nation nicht wesentlich gesteigert werden könne und ohne die auch kein Erwerb von Vermögen möglich sei.186 Darüber hinaus wäre ohne die Arbeitsteilung auch ein Markt überflüssig, da dann nur für die eigene Existenz produziert und kein Überschuss erwirtschaftet werde, der im Anschluss getauscht werden könne. Allerdings ergibt sich die Arbeitsteilung für Smith nicht von selbst; sie ist für ihn vielmehr das Produkt einer historischen Entwicklung des Menschen. Die Einzelheiten können wir vorliegend vernachlässigen. 3. Die Bedeutung von Märkten für die Preisbildung (Preismechanismus) Smith stellte sich die Frage, wie sich auf dem Markt ein Preis bildet.187 Er arbeitete heraus, dass der Preis in einer Wettbewerbswirtschaft – in moderner Dik­ tion – über die Knappheit der nachgefragten Güter informiert.188 Auf dieser Grundlage unterschied Smith zwischen dem Marktpreis und dem sog. natürlichen Preis: 189 Der tatsächliche Marktpreis folge aus dem Zusammenspiel von Angebot und wirksamer (d. h. mit Kaufkraft ausgestatteter) Nachfrage auf dem Markt. Demgegenüber spiegle der natürliche Preis den Wert der durchschnittlichen Faktoraufwendungen (also der Angebotsseite) wider, die zur Herstellung 183 

Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  2, S.  16 ff. Treu, ZfW 59 (2010), 182, 188. 185  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  17. 186  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  1, S.  9 ff.; Recktenwald, Würdigung des Werkes, ebenda, S. LI; Raphael, Adam Smith, S.  58 ff.; Treu, ZfW 59 (2010), 182, 189. 187  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  7, S.  48 ff.; Treu, ZfW 59 (2010), 182, 190. 188  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  92; Treu, ZfW 59 (2010), 182, 190. 189 Zum Folgenden siehe Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.   34 ff.; Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  24 f. 184 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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des Gutes notwendig seien und die Reproduktionskosten ganz oder partiell ersetzten. Im Rahmen des natürlichen Preises werde der Wert eines Gutes bestimmt durch die Preise der Produktionsfaktoren (Kostenpreise), deren langfristigen Durchschnitt er als natürlichen Faktorpreis definierte. Dieser natürliche Preis entspreche dem Wert des Gutes und gelte gleichzeitig als „gerechter“ Preis, da jeder, der an der Produktion des Gutes mitwirke, einen „gerechten Anteil“ an seinem Erlös erhalte. Aus heutiger Sicht war dies ein Fehlschluss: kompetitiv sind nur „effiziente“ Entgelte. Die von den natürlichen Preisen abweichenden Tauschpreise (Marktpreise) erklären sich für Smith daraus, dass eine wirksame Nachfrage auf ein tatsächliches Güterangebot treffe. Sei Letzteres kleiner als die Nachfrage, bilde sich zunächst ein über dem natürlichen Preis liegender Marktpreis, da sich die Nachfrager im Wettbewerb befänden und sich deshalb gegenseitig überböten. Allerdings vollziehe sich langfristig ein gegenläufiger Anpassungsprozess, da die Anbieter hierdurch einen über dem natürlichen Preis liegenden Zusatzgewinn erzielten, der Konkurrenten zur Produktion des jeweiligen Produktes und damit zum Markteintritt animiere. Hierdurch steige das Güterangebot und der Marktpreis sinke wieder in Richtung des natürlichen Preises. Der Marktpreis könne durch diesen Prozess jedoch auch unter den natürlichen Preis gedrückt werden, wodurch wiederum ein Anpassungsprozess ausgelöst werde, indem einige Produzenten mangels Kostendeckung aus dem Markt ausschieden.190 Hierdurch sei der natürliche Preis der Zentralpreis, gegen den die Preise aller Waren beständig gravitierten.191 Die durch den Wettbewerb der Anbieter und Nachfrager verursachten Anpassungsprozesse auf den Märkten führten langfristig von selbst zu optimalen einzelund gesamtwirtschaftlichen Marktergebnissen.192 Smith entwickelte somit seine Hauptthese von der „invisible hand“ zu einer allgemeinen Preistheorie weiter,193 die im Grundsatz die neoklassisch inspirierte Wettbewerbstheorie noch heute bestimmt.194 In diesem System erfolgt die Bedarfsbefriedigung dezentral durch die einzelnen Entscheidungen der Marktteilnehmer, die am besten über Angebot und Nachfrage informiert sind.195 Diese Informationen drücken die Marktteilnehmer über den Preis für ein Gut aus, aus dem sich in der Summe der einzelnen Entscheidungen der Marktpreis her-

190  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  36, weist darauf hin, dass bei einem zu niedrigen Marktpreis auch die wirksame Nachfrage steigen könne; hieran habe Smith nicht gedacht, weil er unterstellt habe, dass der natürliche Preis die Kosten der Produktion angemessen decke. 191  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  7, S.  50. 192  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  36. 193  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  7, S.  48 ff. 194  Siehe Teil 4 III. 5. 195  Hierin liegt ein Werturteil, da auch andere (zentrale) Koordinationsmechanismen in Betracht kommen; vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  6.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

auskristallisiert.196 Dieses dezentrale System der Bedürfnisbefriedigung basiert auf dem normativen Werturteil der Konsumentensouveränität, wonach nur diejenigen Ziele anzustreben sind, die dem tatsächlichen Bedarf der einzelnen Wirtschaftssubjekte entsprechen (also nicht etwa ein nationales Programm zum Bau von Rüstungsgütern zur Steigerung des Prestiges).197 Auch insoweit zeigen sich Parallelen zur aktuellen wettbewerbspolitischen Diskussion. Die theoretischen Ausführungen Smiths leiden aus heutiger ökonomischer Sicht an einigen – wohl auch zeitbedingten – Mängeln.198 Diese sollen uns in dieser Untersuchung jedoch nicht weiter beschäftigen. Zentral ist für uns vielmehr das Verständnis Smiths von individueller Selbstbestimmung, wie es aus heutiger Sicht im rechtlichen Grundsatz der – allerdings weitgehend formal verstandenen – Vertragsfreiheit zum Ausdruck kommt. Hierzu im Folgenden: 4. Vertragsfreiheit als Voraussetzung des wettbewerblichen Preismechanismus Wie wir gesehen haben, fungieren wettbewerbliche Märkte nach der klassisch-dynamischen Wettbewerbstheorie als dezentrale Koordinationsmechanismen der individuellen Wirtschaftspläne.199 Zugleich stellen sie sicher, dass Waren zum für die Verbraucher günstigsten Preis angeboten und knappe Ressourcen möglichst schonend eingesetzt werden.200 Zur Erreichung dieser positiven Wirkungen ist die rechtliche Gewährleistung von Vertragsfreiheit unabdingbar, da diese es den Bürgern erst ermöglicht, denjenigen Preis für ein Gut zu vereinbaren, der seiner Knappheit entspricht.201 Wir hatten dies mit Blick auf die funktionalen Zusammenhänge zwischen Wettbewerbs- und Vertragsordnung bereits gesehen.202 Auch im Wettbewerbsverständnis von Smith ist ein funktionierender Wettbewerb eng mit dem Grundsatz der Privatautonomie verknüpft, da sich das erstrebte Preisgleichgewicht für ihn nur auf der Grundlage vollkommener Vertragsfreiheit herstellt.203 Sofern die Interessenkollision am Markt nach der Metapher der „invisible hand“ den Wohlstand der Vertragsparteien vermehrt, erhöht das Gesamtgeschehen aller Marktprozesse zugleich die gesellschaftliche Gesamtwohlfahrt.204 Eigeninteresse und gesellschaftliche In196 

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  92 f. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  6. 198  Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  25. 199  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  92; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  119. 200  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  36: Das optimale Marktergebnis ist hiernach auch verteilungspolitisch gerecht, indem die Nachfrager gerechte Preise zahlen und Anbieter bzw. Eigentümer der Produktionsfaktoren gerecht entlohnt werden. 201  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  2 , S.  17; siehe zum internationalen Handel auch das 4. Buch, Kap.  2, S.  368 ff. 202  Siehe schon Teil 3 B. I. 1. 203  Dies betont auch Leistner, Richtiger Vertrag, S.  21 ff. 204  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  37. 197 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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teressen stimmen – solange keine Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen – damit überein.205 Aus der Summe der einzelnen Egoismen entsteht „als gleichgewichtsautomatisches Resultat des konkurrierenden Selbstinteresses“206 ein Maximum an allgemeiner Wohlfahrt. An diesen Gedanken wird später u. a. die liberale Wettbewerbstheorie Erich Hoppmanns anknüpfen, wonach der Wettbewerb immer Freiheitsschutz und gute ökonomische Ergebnisse zugleich umfasse.207 Wir haben bereits gesehen, dass eine solche Sichtweise in ihrer Absolutheit verfehlt ist, da in der Rechtswirklichkeit regelmäßig unterschiedliche Freiheitsgrade und Wettbewerbsintensitäten gegeben sind. Da die Marktpreise im Sinne eines Informationssystems die Aufgabe haben, Angebot und Nachfrage zu koordinieren, dürfen staatliche Eingriffe in den Marktmechanismus nach Smith keine Fehlinformationen bewirken.208 Demgemäß könnten staatliche Eingriffe in den freien und unverfälschten Wettbewerbs­ prozess den individuellen Interessenausgleich und damit den gesamtgesellschaftlichen Wohlstand verringern, da es hierdurch aufgrund von Wissensdefiziten zu einer Fehlallokation von Ressourcen komme.209 Um die Flexibilität des Preissystems zu sichern, waren für Smith deshalb ein funktionierendes Rechtssystem sowie ein intakter Wettbewerb unabdingbar. 210 Für Smith ist somit nicht nur die Vertragsfreiheit Voraussetzung für den Wettbewerbsprozess. Der Wettbewerb dient für ihn zugleich zur Absicherung (Materialisierung) wirklicher Vertragsfreiheit durch hinreichende Konkurrenz.211 Vor dem tatsächlichen Hintergrund des merkantilistischen Wirtschaftssystems, das durch Zünfte und Handelsmonopole geprägt war, setzte sich Smith vor allem mit Beschränkungen des Wettbewerbs durch Kartelle auseinander.212 In diesem Zusammenhang beschrieb er die nachteiligen Funktionen eines künstlich geschaffenen Angebotsmonopols, das den Verkaufspreis über den na205 MünchKommEUWettbR/Säcker,

Einl. Rn.  11. Nawroth, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, S.  114. 207  Siehe Teil 4 C. V. 3. 208  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  5. 209  Treu, ZfW 59 (2010), 182, 184. 210  Siehe auch Smith, The Theory of Moral Sentiments, Part I, Sec. I Chapt. I; Part II, Sec. II, Chapt. II.; ders., Der Wohlstand der Nationen, 5. Buch, Kap.  1, S.  600 ff. (Rechtsordnung) und 1. Buch, Kap.  9, S.  76 (Wettbewerb). 211  Siehe bereits oben, Teil 3 D. V.; ebenso zu Smith die Bewertung von Leistner, Richtiger Vertrag, S.  22. 212  Siehe die berühmte Formulierung von Smith, Wealth of Nations, Book I Chapter X Part II: „People of the same trade seldom meet together, even for merriment and diversion, but the conversation ends in a conspiracy against the public, or in some contrivance to raise prices. It is impossible indeed to prevent such meetings, by any law which either could be executed, or would be consistent with liberty or justice. But though the law cannot hinder people of the same trade from sometimes assembling together, it ought to do nothing to facilitate such assemblies; much less to render them necessary“ (deutsche Übersetzung von Recktenwald, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  10, S.  112). 206 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

türlichen Preis treibe.213 Smith erkannte also durchaus, dass der Staat einen rechtlichen Ordnungsrahmen bereitstellen muss, um die Funktionsbedingungen des Marktes zu gewährleisten.214 Er deutete auch an, dass der Staat bei einem Marktversagen berechtigt sei, regulierend in den Wettbewerbsprozess einzugreifen.215 Auf der Grundlage dieser für seine Zeit sehr fortschrittlichen Erkenntnisse stehen weder ein Kartellrecht noch ein marktkonform ausgestaltetes Verbraucherschutzrecht in Widerspruch zu den ökonomischen Funktionen des Marktes. Sofern Smith gleichwohl nicht explizit ein Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen forderte, lässt sich dies aus der Gedankenwelt seiner Zeit erklären: 216 Im Zeitalter des Merkantilismus gingen Wettbewerbsbeschränkungen maßgeblich von staatlicher Seite aus. Vor diesem Hintergrund konnte sich Smith kein rechtliches Instrumentarium vorstellen, mit dessen Hilfe privatautonom veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen unterbunden werden könnten. Er beschränkte sich vielmehr auf die eher „weiche“ Forderung, der Staat dürfe kein verwerfliches Verhalten fördern.217 Allerdings hat Smith die Relevanz eines funktionsfähigen Wettbewerbsprozesses als Ordnungsprinzip der Wirtschaft erkannt, da er diesen als Schranke zur Begrenzung eigennützigen Gewinnstrebens herausstellte. Er erkannte dem Wettbewerb also durchaus eine „wirtschaftliche Entmachtungsfunktion“ und damit eine privatrechtskonforme Funktion zu.218 5. Bewertung Die Wettbewerbstheorie Adam Smiths brachte im historischen Kontext grundlegende und auch heute noch gültige Erkenntnisse zum Verhältnis von individueller Selbstbestimmung, freiem Wettbewerb und allgemeinem Wohl: Ein von den Fesseln staatlich-ergebnisorientierter Lenkung befreiter Wettbewerb ermöglicht es den Marktteilnehmern, durch autonome Vertragsschlüsse ihr eigenes Wohl und zugleich dasjenige der gesamten Volkswirtschaft zu befördern. Anders als es gelegentlich vorgebracht wird, erkannte Smith durchaus, dass einem freien Wettbewerb die Tendenz zu seiner Selbstaufhebung innewohnt, weshalb dieser eines effektiven Schutzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bedarf (Paradoxon der Freiheit).219 Er anerkannte damit zugleich die Funktion 213 

Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  8 , S.  54 f. Lehmann, JZ 1990, 61, 65; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  20. 215  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.   93. Zu den spezifisch-ökonomischen Marktversagensgründen des Regulierungsrechts siehe Teil 6 B. 216  Neumann, Wettbewerbstheorie, S.  45 f.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  120 f.; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  20. 217  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 1. Buch, Kap.  10, S.  112. Aus heutiger Sicht spiegelt sich dieses Telos in Art.  106 Abs.  2 AEUV wider; dazu schon oben Teil 1 A. III. 3. 218  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  121. 219  Siehe schon Teil 3 A. I. 214 Vgl.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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des Rechts als Ordnungsrahmen zur Sicherung der Funktionsbedingungen des Marktmechanismus.220 Mit Blick auf das damals herrschende merkantilistische Wirtschaftssystem fiel es Smith jedoch schwer, den grundsätzlich als erforderlich gehaltenen Wettbewerbsschutz in die Hände des Staates zu legen, da dieser selbst maßgeblich zu den bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen beigetragen hatte, die es doch gerade abzubauen galt.221 Freiheitsschutz bedeutete für Smith also vornehmlich ein Schutz individueller Freiheit gegenüber dem Staat, und nur ganz am Rande Schutz vor privater wirtschaftlicher Macht.222 Heute wissen wir, dass ein Schutz vor privater Macht auch durch private Rechtsbehelfe erreicht werden kann. Dies ist ein wesentlicher Legitimationsgrund der aktuellen Private-Enforcement-Bewegung, auf die noch vertieft einzugehen ist. Bewertet man die Erkenntnisse Smiths im Hinblick auf die Diskussion über die zutreffende Ausgestaltung des Wettbewerbs- und (Verbraucher-)Privatrechts, sind vor allem folgende Aspekte beachtenswert: 223 1. Der Markt als selbstregulierendes System ist unter perfekten Bedingungen über seine Koordinations- und Verteilungsfunktion der effizienteste Versorger der Verbraucher. 2. Die Marktteilnehmer haben im Vergleich zu Dritten (insbesondere zum Staat) die besseren Informationen über die Kosten für die Bereitstellung eines Produktes (Anbieter) und ihre eigenen Bedürfnisse und Leistungsmöglichkeiten (Verbraucher). 3. Die Funktionsfähigkeit des Marktes hängt von bestimmten, vom Staat zu gewährleistenden Voraussetzungen wie einem Rechts- und Wettbewerbssystem ab. Wegen des auf die Freiheit der einzelnen Marktteilnehmer abstellenden induktiven Wettbewerbsverständnisses steht die Wettbewerbstheorie Smiths isoliert betrachtet einem systemtheoretischen Verständnis von Wettbewerb nahe.224 Zugleich ging Smith – jedenfalls im Ergebnis – von einem rein formalen Verständnis individueller wirtschaftlicher Freiheit aus; 225 denn auch wenn er erkannte, dass die Privatautonomie zur Einschränkung des freien Wettbewerbs missbraucht werden kann, erarbeitete er aus den genannten Gründen keine verallgemeinerungsfähige normative Theorie der material-echten Freiheit. 226 Vor diesem Hintergrund scheint, dass mit der Wettbewerbstheorie Smiths – wendete man sie unreflektiert auf Probleme der heutigen Zeit an 227 – nur ein markt220  Siehe auch Leistner, Richtiger Vertrag, S.  25, der – nach meiner Ansicht insoweit zu Unrecht – zwischen dem die individuelle Handlungsfreiheit betonenden „Juristen Smith“ und dem den institutionellen Schutz des Marktes betonenden „Ökonomen Smith“ unterscheidet. 221  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  123. 222 Weiterführend Neumann, Wettbewerbstheorie, S.  46. 223  Wie vorliegend Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  94 ff. 224  Herdzina, Wettbewerbstheorie, S.  110. 225 Ebenso Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  95. 226  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  95; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  25. 227 Eben dies müssen sich bereits die Schöpfer des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1900 vorwerfen lassen.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

komplementäres Verbraucherschutzmodell vereinbar wäre. Hiernach nützt schon eine formal als rechtliche Befugnisnorm verstandene Privatautonomie den Verbrauchern, da sie über ihre Entscheidungszuständigkeit die eigenen Interessen selbst zur Geltung bringen können.228 Aus Sicht eines kompetitiven Vertragsrechts ist ein solch formal-instrumentales Freiheitsverständnis – wie wir bereits gesehen haben – zur Gewährleistung der Möglichkeit auf materiale Selbstbestimmung jedoch nicht ausreichend, da Freiheitspositionen von marktmächtigen Unternehmen zur Einschränkung der Freiheiten anderer Marktteilnehmer und damit zur Beschränkung des freien und wohlstandsfördernden Wettbewerbsprozesses eingesetzt werden können. Der Staat hat deshalb durch ein effektives Wettbewerbsrecht und – bei besonderen Marktversagensgründen – durch ein wettbewerbsförderndes Regulierungsrecht dafür Sorge zu tragen, dass die negativen Effekte wirtschaftlicher Macht (ex ante) verhindert bzw. (ex post) beseitigt und zugleich ihre positiven Effekte (Generierung dynamischer Effizienzen durch zeitlich befristete Monopolgewinne) gefördert werden. Denkt man die Wettbewerbstheorie Smiths in die heutige Zeit fort, so liegt ein derart materiales Freiheitsverständnis, wie ich meine, durchaus auf seiner Linie.

III. Neoklassische Gleichgewichtstheorie und Wohlfahrtsökonomie 1. Problem: Stellenwert wirtschaftlicher Freiheit Während freiheitsbezogene ökonomische Schulen wie die vorstehend geschilderte dynamische Wettbewerbstheorie offen zu Tage liegende Verknüpfungen mit einem auf dem Primat der Selbstbestimmung anknüpfenden Privatrecht aufweisen, sind Verständnis und Bewertung der neoklassischen Wettbewerbstheorie und der darauf aufbauenden Spielarten der Wohlfahrtsökonomie (Welfarismus) 229 für Juristen mit Hürden verbunden. Zwar basiert die neoklassische Wettbewerbstheorie annahmegemäß auf den Grundsätzen der Präferenzautonomie und der individuellen Rationalität („rational choice“) und scheint so enge Verbindungen zum zivilistischen Denken aufzuweisen, ja ein auf Selbstbestimmung basierendes Privatrecht geradezu zu legitimieren; denn ohne individuelle Freiheit wäre auch der „homo oeconomicus“ nicht in der Lage, seine Präferenzen in Austauschverträgen zur Geltung zu bringen.230 Allerdings werden in den theoretischen Modellen der Neoklassik die institutionellen Rahmenbedingungen marktlicher Transaktionen – zu denen auch das Privatrecht in seiner jeweiligen Ausgestaltung gehört – ebenso ausgeblendet wie etwaige Informationsund Rationalitätsdefizite der Marktteilnehmer. Vor allem aber spielen im Rahmen der Bewertung der dadurch gewonnenen Aussagen über die Marktprozesse 228 Vgl.

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  95. Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 217; Eidenmüller, Effizienz, S.  41. 230  Siehe zum Grundsatz der Präferenzautonomie Bachmann, Private Ordnung, S.  174 ff. 229 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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durch die Wohlfahrtsökonomie die individuelle Freiheit und die Selbstbestimmung der Marktteilnehmer keine tragende Rolle mehr. Das zentrale, als „ultimate goal“ überzeugende Ziel jeder Wirtschaftspolitik liegt für die Wohlfahrtsökonomie darin, die Wohlfahrt der Gesellschaft, verstanden als Befriedigung der Bedürfnisse aller ihrer Mitglieder, zu maximieren.231 Da die individuellen Nutzen aber weder messbar noch interpersonell vergleichbar sind, stellt sie in der theoretischen Analyse auf verschiedene Analysekriterien ab. Das sog. Pareto-Kriterium begründet die Vorteilhaftigkeit einer wettbewerblichen, auf individueller Souveränität beruhenden Marktordnung und ist so für die markttheoretische Rechtfertigung einer auf dem Primat echter Selbstbestimmung beruhenden Marktordnung von großer Bedeutung. Seine wesentliche Aussage ist, dass eine Rechtsordnung, die es ihren Bürgern ermöglicht, privatautonome Verträge zu schließen und ihre Rechtsverhältnisse selbst zu regeln, bei störungsfreiem Ablauf der Transaktionen 232 zu paretosuperioren, für alle Individuen vorteilhaften Ergebnissen führt.233 Das ParetoKriterium eignet sich aufgrund seiner engen Prämissen jedoch nicht als Konfliktschlichtungsmechanismus, weshalb die Wohlfahrtsökonomie in der konkreten Wettbewerbspolitik überwiegend auf das sog. Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium ausweicht. Dieses sieht einen sozialen Zustand schon dann als gesamtgesellschaftlich vorteilhaft an, wenn zwar einige Individuen – aufgrund des Gebrauchs wirtschaftlicher Macht – schlechter gestellt werden, sie jedoch von den Gewinnern (theoretisch) finanziell entschädigt werden können und für Letztere gleichwohl ein sog. Residualvorteil verbleibt. Damit begünstigt das Kaldor-Hicks-Kriterium tendenziell wirtschaftlich mächtigere und finanzstärkere gegenüber wirtschaftlich schwächeren und damit auch finanzschwächeren Marktteilnehmern. Diese Problempunkte sind Anlass genug, die Wohlfahrtsökonomie auch im Rahmen einer zivilistischen Untersuchung einer vertieften Betrachtung zu unterziehen. Die entsprechende Notwendigkeit steigt noch, führt man sich vor Augen, dass die von der Kommission derzeit präferierte Wettbewerbspolitik in wesentlichen Teilen auf einem wohlfahrtsökonomischen Effizienzdenken basiert und sich damit auf den ersten Blick von der Idee eines freiheitlichen, der chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer verpflichteten Privatrechts entfernt. Dabei liegen die Probleme weniger in der grundsätzlichen Verwendung wohlfahrtsökonomischer Theorien als vielmehr in den konkret zur Anwendung kommenden Konzepten, wie etwa im gewählten Wohlfahrtstandard, der sta-

231 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, 232  An

S.  1053. diesem Punkt wird später die Neue Institutionenökonomik ansetzen; dazu Teil 4

D. II. 233 Es zeigen sich insoweit Verbindungen zur Wettbewerbstheorie Adam Smiths, siehe oben Teil 4 C. II.

242

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

tisch, aber auch dynamisch, bezogen auf den Schutz des Wettbewerbsprozesses und der damit verbundenen Freiheitsrechte ausgestaltet sein kann.234 Nachfolgend wollen wir uns verdeutlichen, dass sich wohlfahrtsökonomische Analysen durchaus in das zivilistische Konzept einer Sicherung realer Chancen zur Selbstbestimmung einreihen, sofern sie dazu beitragen, die negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Macht von ihren positiv-freiheitsfördernden Aspekten zu trennen, da für diese Abwägungsaufgabe die Freiheit selbst kein geeignetes Bewertungskriterium ist und sich ein solches auch nicht aus einem Verweis auf das überindividuell-objektive Gemeinwohl ableiten lässt. 235 Wohlfahrtsökonomische Modellanalysen sind bei einem solchen Verständnis ein, aber nicht das ausschließliche, vielleicht auch nicht einmal das zentrale In­ strument für den Ausgleich individueller Interessen durch Identifizierung antikompetitiver wirtschaftlicher Machtpositionen. 2. Theoretische Grundstruktur der Neoklassik Auf der Grundlage des Wettbewerbskonzepts der Klassik, wonach durch die Freiheit zum Wettbewerb unter Konkurrenten und die Freiheit der Konsumenten zur Auswahl unter den von der Marktgegenseite angebotenen Alternativen wie durch eine „invisible hand“ der Wohlstand der Gesamtsozietät befördert wird, entwickelte sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die neoklassische Wettbewerbstheorie. Diese wollte auch in Auseinandersetzung mit den systemsprengenden Theorien von Karl Marx 236 aufzeigen, wann die behauptete Harmonie von Einzel- und Gesamtinteressen gegeben ist. Im Zentrum stand deshalb eine mathematische Herleitung des Gleichgewichtspunktes, an welchem bei Erreichen des „natürlichen Preises“ (Smith) 237 eine Übereinstimmung von Einzel- und Gesamtinteressen vorliegt. Hierzu entwickelten die Vertreter der Neoklassik das Modell der vollkommenen Konkurrenz. Dieses basiert auf zwei Gruppen von Annahmen: dem stationären Zustand der Wirtschaft und sonstigen Merkmalen einer vollkommenen Konkurrenz.238 Der ideale Wettbewerb wurde somit als Gleichgewichtszustand interpretiert, der bestimmte, als wünschenswert angesehene Funktionen erfüllt.239 234 Ebenso

Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 463. Bachmann, Private Ordnung, S.  213 (Kriterium der Ausbeutung ist kein subsumtionsfähiger Tatbestand) und S.  181 und 223 (Notwendigkeit einer Entscheidung von „hard cases“ durch den Gesetzgeber auch auf der Grundlage ökonomischer und ethischer Erkenntnisse). Hierin kommt zum Ausdruck, dass es sich beim Ausgleich individueller Freiheiten immer um ein normatives Wertungsproblem handeln wird. 236 Dazu Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  39 ff. 237  Teil 4. C. II. 3. 238 Vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  7. 239  Vgl. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 375. Zur Preistheorie siehe noch Teil 4 C. III. 5. 235 Vgl.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

243

Die Neoklassik analysiert die Wirkungen des Wettbewerbs unter Zuhilfenahme komparativer Gleichgewichtsmodelle, mit denen verschiedene Situationen verglichen werden. Ein vollkommenes Marktgleichgewicht liegt vor, wenn wirtschaftliche Güter am effizientesten, d. h. am wirtschaftlich sinnvollsten eingesetzt werden (allokative Effizienz).240 Die allokative Effizienz behandelt also das optimale Verhältnis zwischen Gütermengen und Produktionsfaktoren, die sich in optimalen Güterpreisen niederschlagen.241 Gleichgewichtszustände können für die gesamte Volkswirtschaft (Totalanalyse) oder nur für einen bestimmten Markt ermittelt werden (Partialanalyse).242 Um möglichst exakte Aussagen einer optimalen Ressourcenallokation geben zu können, bedarf es in der Theorie jedoch vieler realitätsferner Einschränkungen („Ceteris-paribusAn­nahme“243).244 So stellt die neoklassische Gleichgewichtsökonomie auf einen stationären Zustand der Wirtschaft ab: Es sei auszugehen von einer gegebenen Technik und damit von einer gegebenen Produktions- und Kostenfunktion, wohingegen von dynamischen Aspekten wie Produkt- und Prozessinnovationen abstrahiert wird. Auszugehen sei weiter von einer gegebenen Bevölkerung und einer gegebenen Ausstattung mit Produktionsfaktoren, einer gegebenen Güterpalette und einer gegebenen Bedürfnisstruktur. Darüber hinaus arbeitet die Neoklassik mit dem Modell der vollkommenen Konkurrenz, das spezifische Merkmale für die Marktstruktur im weiteren Sinne und das Marktverhalten der Marktakteure vorgibt, woraus bestimmte (nicht vorgegebene) Marktergebnisse folgen.245 Die theoretische Grundstruktur der Neoklassik ist durch weitere Hauptelemente gekennzeichnet. Diese werden im Folgenden überblickshaft erläutert, soweit es für die Zwecke der Untersuchung geboten ist. Während sich zum Beispiel die Knappheit der Ressourcen und der methodologische Individualismus als weniger problematisch darstellen, ist das Verhaltensmodell des homo oeconomicus mit seinen Bestandteilen „Rationalität“ und „Eigennutzen“ auch unter Juristen umstritten.

240 

Siehe zur allokativen Effizienz noch unter Teil 4 C. III. 4. b). Statt anderer Rabus, Behandlung von Effizienzvorteilen, S.  26. 242  Unter einer Partialanalyse im engeren Sinne versteht man die Beobachtung eines Ausschnitts der Realität in einem Modell, wobei die wirtschaftlichen Abläufe aus dem weiteren Zusammenhang, in dem sie vor sich gehen, herausgelöst sind, und angenommen wird, dass alles, was nicht berücksichtigt wird, für die Dauer der Analyse unverändert bleibt; vgl. Streissler/Streissler, VWL für Juristen, S.  11 Rn.  58. 243  Verändern nur eines Parameters unter Konstanz aller anderen; vgl. Kortmann, Mikroökonomik, S.  387. 244  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.   7 f.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  16 f. 245  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  8 f. 241 

244

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

a) Knappheit der Ressourcen Ausgangspunkt jeder ökonomischen Analyse, also nicht nur derjenigen der Neoklassik, sondern auch bereits der klassisch-dynamischen Wettbewerbstheorie, ist die Knappheit der Ressourcen als „das zentrale Thema der Wirtschaftswissenschaften“.246 Es wird davon ausgegangen, dass die menschlichen Bedürfnisse prinzipiell grenzenlos sind, wohingegen die Mittel, welche zur Befriedigung derselben eingesetzt werden, zwar alternativ verwendet werden können, aber nur begrenzt vorhanden sind. Hieraus folgt die Annahme, dass die Bedürfnisbefriedigung nie den Sättigungsgrad erreichen kann, Zielvorstellungen und die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung also auseinanderfallen.247 Um Knappheitssituationen (Engpässe248) problemadäquat und zielführend analysieren zu können, werden die Beteiligten – wie noch zu zeigen ist – als rational agierende Akteure angesehen, denen bestimmte Präferenzen (Wünsche, Interessen) und Restriktionen (Knappheitsbedingungen wie knappes Vermögen, knappe Zeit oder knappes Wissen) zugeordnet werden.249 Damit die Individuen ihre Präferenzen möglichst weitgehend erfüllen können, müssen sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln bewusst umgehen.250 Der Begriff „Wirtschaften“ bezeichnet nach diesem Verständnis die Art und Weise des Umgangs mit den knappen Ressourcen.251 Dabei steht das Bestreben im Vordergrund, angesichts der Knappheit eine Verschwendung von Rohstoffen und Produk­ tionsfaktoren zu vermeiden, da so Ressourcen eingespart und zur Herstellung weiterer Güter verwendet werden könnten.252 In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass die Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben, die sie befriedigen wollen. Bedürfnisse sind die subjektiven Vorstellungen der Akteure über zukünftige Situationen, die sich im Zeitablauf verändern kön-

246 Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 283. 247  Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S.  31; Rühl, Statut und Effizienz, S.  82. Das ökonomische Paradigma beinhaltet die Spezifika dieses Forschungsansatzes, vgl. Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  12; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  2 ff. 248 Die Bewirtschaftung der Netzengpässe ist im Zuge der Energiewende ein zentrales Problem der sektorspezifischen Regulierung der Netzwirtschaften; dazu ausführlich König, Engpassmanagement, S.  68 ff. 249 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 283. 250 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 283. 251  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  12; krit. zum Begriff „Wirtschaft“ von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  8 , da er suggeriere, dass man die für Einzelwirtschaften geltenden Zweck-Mittel-Beziehungen auch auf den Markt als Urheber einer „spontanten Ordnung“ übertragen könne; er bevorzugte deshalb den Begriff „Katallaxie“. 252 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 284. Schon hierbei handelt es sich um ein – wenn auch „technisches“ – Effizienzkonzept, vgl. Fleischer/Zimmer Schwalbe, Effizienz, S.  43, 44.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

245

nen.253 Knappheit ist somit ein relativer Begriff, da er abhängig ist vom Ausmaß der Bedürfnisse und der Menge der zu ihrer Befriedigung vorhandenen Güter.254 Bei Knappheit entstehen Opportunitätskosten im Sinne des Nutzens, der durch die Nichtrealisierung einer Alternative entgangen ist.255 Folglich sind Entscheidungen zu treffen, welche Bedürfnisse mittels der knappen Ressourcen auf welchem Wege befriedigt werden sollen. Die Knappheit der Ressourcen steht also am Anfang wirtschaftlicher Entscheidungen.256 Daneben bestehen weitere Restriktionen wie institutionelle Regelungen. Diese werden von der neoklassischen Theorie jedoch vernachlässigt.257 Nach der neueren ökonomischen Forschung soll grundsätzlich jedes menschliche Handeln – also etwa auch dasjenige in zwischenmenschlichen Beziehungen – dem Gesetz der Knappheit unterliegen, weshalb es als potenzieller Anwendungsfall der ökonomischen Theorie gilt.258 Vor diesem Hintergrund wird die Ökonomie als Wissenschaft („Ökonomik“) nicht mehr mit Blick auf ihren Gegenstand definiert (zum Beispiel die Wirtschaft), sondern soll als „Wissenschaft der sozialen Interaktion“ eine allgemeine Methode der Analyse von (Knappheits-)Problemen bezeichnen.259 Die Ökonomik sieht sich insoweit dem Vorwurf eines ökonomischen Imperialismus ausgesetzt, da sie über ihren angestammten Bereich hinausgreife.260 Wir werden uns im Folgenden nur mit dem klassischen Gebiet der (Wettbewerbs-)Ökonomie beschäftigen, so dass uns dieser Streit nicht weiter beschäftigen muss. b) Präferenzautonomie Auch das neoklassische Modelldenken setzt beim Individuum an. In seiner positiven Bedeutung besagt der Grundsatz der Präferenzautonomie, dass Individuen in ihren Handlungen selbst gesetzten Präferenzen folgen, indem sie autonom ein bestimmtes Präferenzsystem entwickeln, von dem sie sich dann leiten 253 

Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  12. Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S.  31. 255  Coyle, ZfW 61 (2012), 103, 111: „Opportunitätskosten bedeuten, dass die für eine Alternative genutzten knappen Ressourcen für eine andere Alternative eben nicht mehr zur Verfügung stehen, egal ob es sich um Steuereinnahmen, Kohle oder Zeit handelt.“ 256  Rühl, Statut und Effizienz, S.  82 f. 257  Demgegenüber stehen institutionelle Beschränkungen des menschlichen Handelns im Zentrum der Neuen Institutionenökonomik, vgl. Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  12. Institutionen in diesem Sinne sind formelle und informelle Regelungen einschließlich der Mechanismen ihrer Durchsetzung, welche das Verhalten von Individuen in Transaktionen beschränken; vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  7, sowie noch unten Teil 4 D. II. 1. 258  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  2 2. 259  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  12; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  22. 260  Zur Diskussion Pies/Leschke, Gary Beckers ökonomischer Imperialismus; Kirchgässner, Homo oeconomicus, S.  148 ff.; Welling, Ökonomik der Marke, S.  97 ff. 254 

246

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

lassen.261 Die Präferenzautonomie dient in der neoklassischen Ökonomie also zunächst einmal nur als Annahme, um bestimmte tatsächliche Geschehensabläufe (ex post) erklären zu können. Auf dieser Grundlage kann etwa die Preisbildung auf Märkten auch dann nachvollzogen werden, wenn sich die Individuen selbst nicht regelhaft verhalten, sondern ihren eigenen Präferenzen folgen. Von der positiven Bedeutung des Grundsatzes der Präferenzautonomie zu unterscheiden ist dessen normative Variante. Diese besagt, dass es gut bzw. richtig ist, wenn die gesellschaftlichen Entscheidungsmechanismen die individuellen Präferenzen der Menschen möglichst vollständig zur Geltung bringen.262 Sie geht von der ethischen Grundannahme der Gleichwertigkeit aller Menschen und der empirisch anerkannten Tatsache aus, dass Menschen unterschiedliche Interessen haben, weshalb jeder selbst über die für ihn vorteilhafte Ordnung seiner Angelegenheiten entscheiden soll.263 Hiernach dienen die Präferenzen der Akteure und nicht Vorstellungen übergeordneter staatlicher Autoritäten als Annahmen, anhand derer soziale Zustände bzw. Allokationen bewertet werden.264 Ein normativ verstandener Grundsatz der Präferenzautonomie stimmt wertungsmäßig mit den privatrechtlichen Gewährleistungen von Privatautonomie und Vertragsfreiheit als Ausprägungen des Prinzips individueller Selbstbestimmung sowie der Würde und Personalität des Menschen überein.265 In einer dem Primat individueller Selbstbestimmung verpflichteten (Privatrechts-)Ordnung ist der Aussagegehalt des normativen Grundsatzes der Präferenzautonomie deshalb nicht formell, sondern material-wertend zu konkretisieren.266 Auf diesem Wege kann den vorliegend nicht näher zu diskutierenden Einwänden gegen die Präferenzautonomie267 Rechnung getragen werden. So sind etwa nur solche Präferenzen anerkennenswert, die diejenigen anderer Marktteilnehmer bzw. deren Ausübung nicht unangemessen beeinflussen (Paradoxon der Freiheit).268 Wir werden hierauf noch in Zusammenhang mit dem sog. Eigennutzentheorem zurückkommen.

261 

Eidenmüller, Effizienz, S.  326. Eidenmüller, Effizienz, S.  326. 263 Weiterführend Bachmann, Private Ordnung, S.  174 f., der den Grundsatz der Präferenz­ autonomie als „wohlfahrtsökonomisch“ bezeichnet. Die (normative) Wohlfahrtsökonomie akzeptiert die Präferenzen der Individuen jedoch nur dann, wenn diese zu einer effizienten Ressourcenallokation führen. 264  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 457 f.; krit. Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  16, da kollektive Präferenzen, die „für die Gemeinschaft als Ganzes bedeutsam sind, aufgrund der ausschließlichen Berücksichtigung individueller Präferenzen vernachlässigt“ würden. 265  Eidenmüller, Effizienz, S.  332. 266  Ebenso im Ergebnis Bachmann, Private Ordnung, S.  175 f. 267 Siehe Eidenmüller, Effizienz, S.  335 ff. 268  Bachmann, Private Ordnung, S.  175. 262 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

247

c) Methodologischer und normativer Individualismus Entscheidungen von Unternehmen werden in der Neoklassik annahmegemäß als das Ergebnis einer Kooperation von Individuen angesehen (methodologischer Individualismus).269 Hiernach sind alle Entscheidungsträger – auch im Bereich kollektiver Entscheidungen – immer Individuen. Überindividuelle Strukturen wie Familien, Organisationen oder Staaten werden als Zusammenschlüsse von Individuen verstanden, weshalb sie keine eigenständigen, die sie bildenden Individuen kompetenziell oder wertungsmäßig übersteigenden Einheiten darstellen.270 Ihr Verhalten kann somit auch nicht mit demjenigen von Einzelpersonen gleichgesetzt werden.271 Indem als handelnde Akteure nur die einzelnen Entscheider begriffen werden, sind neuere Forschungsansätze in der Lage, sog. Principal-agent-Situationen aufzulösen, in denen zum Beispiel innerhalb einer Gruppe eine Delegation von Entscheidungsbefugnissen stattfindet, die mit Informationsasymmetrien verbunden ist.272 In diesem Fall ist für die zu analysierende Kollektiventscheidung das Verhältnis zwischen dem principal (dem Delegierenden) und dem agent (dem Geschäftsführer) relevant.273 Dieses Problemfeld muss hier nicht vertieft behandelt werden. Der methodologische Individualismus ist ein wissenschaftstheoretisches Paradigma, das soziale Tatbestände (die Makroebene, die Gesellschaft) mittels Hypothesen über das menschliche Verhalten und die Interaktion von Individuen erklärt. Er geht von der Unterscheidung zwischen den inneren Bedürfnissen und Präferenzen sowie den äußeren Restriktionen und Anreizen aus. Veränderungen der Restriktionen und Anreize (also des äußeren Handlungsumfelds) führten zu einer Änderung des Entscheidungsverhaltens der Akteure. 274 Es seien dann diese Änderungen, die aggregiert eine Änderung von Makrogrößen wie zum Beispiel der Inflationsrate bewirkten.275 Der methodologische Individualismus hängt insoweit eng mit der Annahme des eigennützigen Rationalver-

269  Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S.   34 ff.; Arrow, AER 84 (1994), 1; Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 135: „individualistische Gesellschaftswissenschaft“. 270  Im Gegensatz dazu steht der methodische Kollektivismus (Holismus), der von der Annahme ausgeht, dass das Ganze (griechisch: holos) mehr als die Summe seiner Einzelteile darstelle, weshalb Institutionen oder soziale Systeme eigene Interessen verfolgen könnten. Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort methodischer Kollektivismus. 271  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  3. 272 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 145 und 156. Zur rechtlichen Behandlung des AG-Aufsichtsrats siehe Bachmann, in: FS Hopt, 2010, S.  338, 352. 273 Ausführlich Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  173 ff. 274 Vgl. Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 458, am Beispiel eines rechtlich angeordneten Kontrahierungszwangs als äußere Restriktion, die die Akteure bei gegebenen Präferenzen bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen haben. 275  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  19.

248

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

haltens zusammen (sog. Verhaltensannahme des „homo oeconomicus“).276 Auf diese wird noch weiter unten eingegangen. Der methodologische Individualismus ist als analytische Annahme vom philosophischen Individualismus zu unterscheiden. Die ökonomische Theorie interessiert sich schon aus Gründen der Praktikabilität regelmäßig nicht für das Verhalten einzelner Individuen, sondern für dasjenige größerer Gruppen von Menschen wie Verbraucher oder Unternehmen (sog. Aggregate). Sie zielt darauf ab, das Verhalten des typischen Individuums zu erklären.277 Für solche Mustererklärungen stellt sie auf das Verhaltensmodell des „homo oeconomicus“ ab.278 Eine Theorie individuellen Verhaltens ist somit nicht gleichbedeutend mit einer Theorie des Verhaltens einzelner Individuen.279 Abzugrenzen ist der methodologische Individualismus als Grundlage ökonomischer Modellbildung auch von einem normativen Individualismus, wie er dem Privatrecht zugrunde liegt.280 Nach diesem sind – anders als in der Wohlfahrtsökonomie – normative Wertentscheidungen nur durch einen Rekurs auf die Wertentscheidungen der individuellen Akteure legitimierbar.281 Hierfür kann grundsätzlich auf ein vertragstheoretisches oder ein konsenstheoretisches Paradigma abgestellt werden. Es geht somit nicht um eine Abwägung zwischen Gewinnen und Verlusten, sondern um die Frage, ob eine bestimmte Lösung auch dann zustande gekommen wäre, wenn Personen möglicherweise zu den Verlierern zählen.282 Politische Wertentscheidungen sind auf der Grundlage eines normativen Individualismus also nur durch Rekurs auf die Wertentscheidungen individueller Akteure legitimierbar. Das betrifft auch die im Zentrum unserer Betrachtungen stehende Regelung von Märkten.283 Indem der normative Individualismus vorschreibt, dass ausschließlich individuelle Wertentscheidungen relevant sind, um institutionelle Arrangements zu bewerten, führt er nicht nur ein Konsensparadigma ein, sondern erhebt dieses gleichzeitig zum entscheidenden Kriterium für Pareto-Superiorität.284

276 

Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 219. Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S.  21. 278  Dazu Teil 4 C. III. 2 d). 279 So Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S.  24. 280  Pies, Normative Institutionenökonomik, S.  130 ff. 281 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 151. Der normative Individualismus ist auf den methodologischen Individualismus bezogen: ersterer bezieht sich auf die normative, letzterer auf die methodische Analyse. Es sind mit anderen Worten die positive Folgenabschätzung und die normative Folgenbewertung aufeinander bezogen, vgl. Pies, Normative Institutionenökonomik, S.  135; grundlegend Buchanan, in: The New Palgrave Dictionary of Economics, S.  585, 586. 282  Siehe hierzu – in Abgrenzung zur Theorie von Rawls – Lenger/Goldschmidt, ORDO 62 (2011), 343, 349. 283  Sester, Institutionelle Reformen in heranreifenden Kapitalmärkten, S.  51. 284  Pies, Normative Institutionenökonomik, S.  136. 277 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

249

Aufgrund seiner Übereinstimmung mit den Grundprinzipien unserer Verfassungs- und Privatrechtsordnung ist der normative Individualismus ein hörenswertes Konzept. Hiernach sind Politik und Recht letztlich nur durch den Bezug auf – bzw. die Vorteilhaftigkeit für – alle jeweils betroffenen Individuen zu rechtfertigen.285 Als wesentlicher Ausdruck des normativen Individualismus ist rechtlich der Grundsatz materialer Privatautonomie anzusehen, da dieser sicherstellt, dass jeder von einer Regelung Betroffene in einer sozialen Interaktion soweit wie möglich seine Interessen rechtlich und tatsächlich wahren kann (Sicherung der materialen Selbstbestimmung).286 d) Verhaltensmodell des „homo oeconomicus“ aa) Grundannahmen Die ökonomische Forschung will Aussagen über Wahlentscheidungen von Menschen in verschiedenen sozialen Kontexten treffen.287 Demgemäß bemühen sich ökonomische Verhaltensmodelle darum, Entscheidungen, die Menschen im Spannungsfeld zwischen subjektiven Präferenzen und objektiven Restriktionen treffen, abstrakt und idealtypisch zu erklären und vorherzusagen. Sie gehen hierzu davon aus, dass das menschliche Verhalten bestimmten Regelmäßigkeiten unterliegt, weshalb eine Veränderung von Restriktionen das Verhalten von Menschen vorhersehbar beeinflussen kann. Verhaltensmodelle dienen insoweit der Komplexitätsreduktion, indem sie die menschlichen Verhaltensmuster und Persönlichkeitsausprägungen vereinfachen und so einer strukturierten Analyse (und Problembehebung mittels rechtlicher Normen) zugänglich machen.288 Auf normativ-rechtlicher Ebene können die Restriktionen als Anreiz- bzw. Sank­ tionssystem verstanden werden.289 Es wird danach gefragt, welche Verhaltens­ änderungen bei Menschen durch eine Änderung der Restriktionen bewirkt werden. Folglich werden in der Wettbewerbstheorie Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen als ökonomische (also nicht als rechtliche) Variable behandelt.290 Die Neoklassik unterscheidet sich von anderen Sozialwissenschaften dadurch, dass sie in zentralen Forschungsbereichen mit der Annahme eigennutz­ orientierten Rationalverhaltens arbeitet („homo oeconomicus“).291 Diese Verhaltensannahme steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Methode der 285 Dazu von der Pfordten, JZ 2005, 1069, der den normativen Individualismus auch im Utilitarismus verankert sieht. 286  Gegen eine Gleichsetzung des normativen Individualismus mit „libertären“ Theorien auch von der Pfordten, JZ 2005, 1069, 1070 f. und 1073 f. 287 So Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  7. 288  Groth, WD 2009, 770, 772 f. 289 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 143. 290 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 144. 291 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 145.

250

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Optimierung unter Nebenbedingungen (Restriktionen); denn rationales Verhalten ist eine notwendige Voraussetzung von modelltheoretischen Optimierungen.292 Das Verhaltensmodell des „homo oeconomicus“ wird deshalb auch als „REMM-Hypothese“293 oder als „Rational-Choice-Modell“294 benannt. Als Objekt der Analyse gilt ein Individuum, das über beschränkte Ressourcen verfügt (Knappheitsannahme), weshalb es nicht alle seine Bedürfnisse befriedigen kann und deshalb unter den verschiedenen Möglichkeiten die Handlungsmöglichkeit auswählt, die den eigenen Nutzen – nach eigenem Dafürhalten – am meisten mehrt,295 im Sinne einer rationalen Auswahl zwischen verschiedenen Alternativen.296 Kennzeichnend sind somit die Annahme des rationalen Verhaltens und der vollständigen Maximierung des eigenen Nutzens.297 Das Rationalitätsprinzip und das Eigennutzentheorem haben sich in der Diskussion als ökonomisches Verhaltensmodell mittlerweile verselbstständigt, weshalb sie im Folgenden näher darzustellen sind.298 Zuvor ist noch eine Präzisierung vorzunehmen: In der Wettbewerbsökonomie gilt das Prinzip der Nutzenmaximierung für die Nachfrageseite. Auf der Angebotsseite greift das Prinzip der Gewinnmaximierung (rationale egoistische Gewinnmaximierer).299 Im unternehmerischen Bereich wird Rationalität also mit Wirtschaftlichkeit gleichgesetzt (ökonomisches Prinzip).300 Es entspricht mittlerweile der herrschenden Ansicht in der Nationalökonomie, dass die Annahme des „homo oeconomicus“ in der Rechtswirklichkeit nicht uneingeschränkt zutrifft. Hieraus haben sich eigene Forschungsrichtungen wie diejenige der Neuen Institutionenökonomik mit ihren diversen Subrichtungen entwickelt.301 In methodischer Hinsicht muss dies jedoch nicht zwangsläufig zur Folge haben, dass das Modell der Neoklassik zur Analyse realer Marktprozesse untauglich ist. Entscheidend ist vielmehr, inwiefern das 292  Streissler/Streissler, VWL für Juristen, S.  5 Rn.  21; Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  43. 293  Resourceful, evaluating, maximizing man, vgl. Brunner/Meckling, JMCB 9 (1977), 70, 71; Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S.  575, 576. 294  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  73 ff. 295  Siehe dazu ausführlich Becker, The Economic Approach to human Behaviour, S.  5 ff.; Homann/Suchanek, Ökonomik, S.  26 ff.; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S.  12 ff.; Engel/ Englerth/Lüdemann/Spieker genannt Döhmann/Englerth, Behavioral Economics, S.  60, 63; Engel/Englerth/Lüdemann/Spieker genannt Döhmann/Lüdemann, Behavioral Economics, S.  7 ff. Siehe auch Cooter/Ulen, Law and Economics, S.  21 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S.  28 ff.; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  13 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, S.  3 f. 296  Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S.  12; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  2 2. 297  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  12 ff. 298  Rühl, Statut und Effizienz, S.  81. 299  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  127; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  100, mit dem Hinweis, dass der Gewinnmaximierungsgrundsatz aufgegeben werde, wenn es etwa um das Verhalten von Personen in Institutionen gehe. 300 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 145. 301  Siehe näher unter Teil 4 D. II.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

251

Modell brauchbare Prognoseentscheidungen über Marktabläufe ermöglicht. Hierzu sind die Modellannahmen kritisch zu würdigen. Darüber hinaus ist aus der Perspektive des Rechts zu verdeutlichen, auf welchen normativen Werturteilen sie beruhen.302 bb) Eigennutzentheorem (Konzept der Nutzenmaximierung) Die ökonomische Theorie unterscheidet zwischen den Präferenzen und den Restriktionen als den beiden Bestimmungsfaktoren für individuelle Entscheidungen.303 Die Präferenzen des Individuums sind seine inneren Motive, die Restriktionen beschreiben die äußeren Anreize. Das ökonomische Verhaltensmodell will Verhaltensänderungen der Individuen als Reaktion auf äußere Anreize, also auf Änderungen der Restriktionen, erklären. Die Präferenzen sind zwar auch relevant für die Erklärung menschlichen Verhaltens, werden allerdings mindestens kurzfristig „konstant gesetzt“.304 Da Wahlentscheidungen von Individuen sowohl von ihren Präferenzen als auch von den äußeren Restriktionen abhängen, können Aussagen über die Auswirkungen von Faktoren aus dem äußeren Handlungsumfeld nicht getroffen werden, wenn zugleich Änderungen der Präferenzen vorliegen. Dies führt dazu, dass jedenfalls für den gewählten Beobachtungszeitraum davon ausgegangen werden muss, dass die Präferenzen konstant bleiben.305 Diese erhebliche Vereinfachung ist bei der Rezeption ökonomischer Theorien durch die Rechtswissenschaft im Blick zu behalten. Das Konzept der vollständigen Maximierung des eigenen Nutzens sagt aus, dass jeder Marktteilnehmer unter Geltung der Knappheitsmaxime von mehreren Entscheidungsalternativen diejenige ergreifen wird, die ihm mit Blick auf die Mehrung seines Nutzens am Vorteilhaftesten erscheint (sog. Eigennutzentheorem).306 Das Konzept der Nutzenmaximierung beschreibt damit das Ziel menschlicher Entscheidungen, während sich dasjenige der vollständigen Rationalität auf den Weg bezieht, wie Individuen auf der Grundlage ihrer Motivationen und Wertvorstellungen aus den (gemäß den objektiven Restriktionen) vorhandenen Handlungsmöglichkeiten die favorisierte Handlungsweise auswählen.307 Das Eigennutzentheorem bezieht sich dabei – wie wir bereits gesehen haben – nicht nur auf einzelne Individuen, sondern auch auf das Verhalten von Gruppen, indem es auf die Analyse von Marktprozessen übertragen wird.308 302 

Leistner, Richtiger Vertrag, S.  27. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  26 ff. 304 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 144. 305  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  8 . 306  Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S.  33; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  13; Kirchgässner, Homo Oeconomicus, S.  13 f.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  23. 307  Rühl, Statut und Effizienz, S.  97. 308 So Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  13, wonach es sich um eine „heuristische Annahme“ handle, die keiner empirischen Verifikation bedürfe. 303 

252

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Ob man das menschliche Eigeninteresse inhaltlich definieren kann und wenn ja, auf welchem Wege, ist in der ökonomischen Theorie umstritten.309 Schwache Konzepte treffen keine Aussagen über die von den Individuen verfolgten Ziele, sondern formalisieren über die Rationalitätsannahme lediglich die Mittel zur Zielverfolgung, weshalb hiernach nicht nur materielle, sondern auch immaterielle Vorteile und sogar altruistisches oder schädigendes Verhalten beachtlich sind. In diesem Sinne kann ein Individuum eine Präferenz für wohltätiges Verhalten haben, weshalb es seinen Nutzen dadurch mehrt, dass es anderen Personen Gutes tut.310 Da auf dieser – der Wirklichkeit wohl am nähesten kommenden – Grundlage belastbare Aussagen über menschliches Verhalten kaum möglich sind, wird „Eigennützigkeit“ regelmäßig enger gefasst als „gegenseitig desinteressierte Vernünftigkeit“, die altruistisches oder boshaftes Verhalten ausschließt (keine „interdependenten Nutzenfunktionen“).311 Nicht nur in der Rechtswissenschaft, sondern auch in der Ökonomie werden somit material-wertende Konzepte individueller Selbstbestimmung vertreten. Vor diesem Hintergrund geht eine ökonomische Kritik am Recht aufgrund dessen vermeintlich „unwissenschaftlicher“ Werturteilsbasiertheit schon im Ausgangspunkt ins Leere. cc) Individuelle Rationalität Der aktuell wohl streitigste Punkt des neoklassischen Paradigmas ist die Annahme des Rationalverhaltens.312 Nach dem Modell des „homo oeconomicus“ verhalten sich Menschen als Optimierer unter Nebenbedingungen (Restriktionen).313 Es beinhaltet die These, dass sich auf seiner Grundlage prognosefähige Aussagen über den Zusammenhang zwischen der Änderung bestimmter Variablen und den daraus resultierenden Verhaltensänderungen machen lassen.314 Menschen handelten vollständig rational, da sie ihre durch objektive Restriktionen vorgegebenen Handlungsmöglichkeiten mit Blick auf ihre subjektiv gegebenen Präferenzen (ihren Eigennutzen) in eine Rangfolge brächten und diejenige Handlungsmöglichkeit auswählten, die sich in der Rangfolge an erster Stelle

309 

Korobkin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051, 1060 ff. Rühl, Statut und Effizienz, S.  97. 311  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  96; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217. Eine interdependente Nutzenfunktion ist eine solche, bei der der Nutzen eines Wirtschaftssubjektes auch vom Nutzen anderer abhängt; vgl. Voigt, Institutionenökonomik, S.  196. 312  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  13; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  4. 313  Tietzel, JSW 32 (1981), 115 ff., 125; Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  43. 314  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  13. 310 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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befindet.315 Eine Entscheidung soll mit anderen Worten dann als rational gelten, wenn sie entsprechend dem Eigennutztheorem gefällt wird.316 Das Konzept der vollständigen Rationalität setzt voraus, dass Individuen in Situationen, in denen sie Entscheidungen fällen, die Vor- und Nachteile der zur Verfügung stehenden Handlungsmöglichkeiten kennen, gegeneinander abwägen und diejenige auswählen, die ihnen den größtmöglichen Nutzen verspricht.317 Im neoklassischen Grundmodell geht man deshalb von vollkommenen Informationen aus, d. h. von „Entscheidungen unter Sicherheit“.318 Weiterhin wird unterstellt, dass der Markt vollkommen transparent ist und keine Entscheidungskosten anfallen.319 Darüber hinaus wird den Wirtschaftssubjekten eine unbeschränkte Informationsverarbeitungskapazität zugeschrieben, sodass sie das Optimum auch tatsächlich realisieren können. Insbesondere wird unterstellt, dass sie den Eintritt unsicherer Ereignisse mit der richtigen Wahrscheinlichkeit belegen und auf dieser Grundlage ihre Präferenzen vergleichen können.320 Demgegenüber betonen Vertreter der Neuen Institutionenökonomik, dass die Entscheidungssubjekte mit der Einführung positiver Transak­ tionskosten in mikroökonomische Modelle nicht mehr als vollständig informiert gelten könnten, schon weil die Informationsbeschaffung zu teuer sein könne.321 Auch seien Individuen nur beschränkt fähig, das Datenmaterial zu verarbeiten und entsprechend rationale Pläne zu formulieren. Hierfür hat sich der Begriff „eingeschränkte Rationalität“ eingebürgert, auf dessen Relevanz für die Analyse von Marktprozessen noch zurückzukommen ist. dd) Nutzenfunktion Die Rationalitätsannahme geht wie gesehen davon aus, dass Marktteilnehmer so handeln, wie es ihren Präferenzen entspricht, wobei unterstellt wird, dass sie über eine vollständige, nicht widersprüchliche (transitive) und stabile Präferenzordnung verfügen.322 Es wird somit unterstellt, dass die individuellen Präferenzen eine gewisse Robustheit und Beständigkeit aufweisen, weshalb menschliche Präferenzen unabhängig von äußeren Einflüssen und zeitlich konsistent

315  Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S.  33 f.; Cooter/Ulen, Law and Economics, S.  21 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  23 ff.; Posner, Economic Analysis of Law, S.  3 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, S.  96. 316 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 145. 317  Rühl, Statut und Effizienz, S.  96. 318  Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217. 319  Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Homo oeconomicus. 320  Cooter/Ulen, Law and Economics, S.  49 ff. 321  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  4 f. 322 Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.   43, 46 f.; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 217; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  97.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

sind.323 Der Maßstab, an dem die Handlungsmöglichkeiten verglichen werden, ist im Untersuchungszeitraum fest vorgegeben.324 Vor diesem Hintergrund bestimmt das Konzept der vollständigen Rationalität, welche Handlungsmöglichkeiten Menschen unter Berücksichtigung aller Konstellationen und Möglichkeiten mit Blick auf ihre „wohldefinierten Präferenzen“ auswählen.325 Auf dieser Grundlage kann die Präferenzordnung in Form einer sog. Nutzenfunktion dargestellt werden, wobei hiermit nur gemeint ist, dass die Präferenzordnung des jeweiligen Individuums dargestellt wird; es geht somit nicht um einen Nutzen oder die Nützlichkeit im utilitaristischen Sinne.326 Unter Zugrundelegung dieser Präferenzordnungen der Wirtschaftssubjekte (ihrer Nutzenfunktionen) kann sodann normativ beurteilt werden, ob eine gegebene Allokation im Hinblick auf den gewählten Maßstab die Eigenschaft „effizient“ aufweist oder nicht.327 Dies ist das Kerngebiet der auf der Neoklassik aufbauenden Wohlfahrtsökonomie. 3. Wohlfahrtsökonomie Die infolge der Modellannahmen der Neoklassik gewonnen Aussagen müssen in einem Folgeschritt bewertet werden. Diese Bewertungsmaßstäbe entnimmt die neoklassische Theorie der Wohlfahrtsökonomie.328 Diese sieht das zentrale Ziel jeder Wirtschaftspolitik darin, die Wohlfahrt der Gesellschaft (verstanden als Befriedigung der Bedürfnisse aller Mitglieder) zu maximieren.329 a) Problemstellung Die neoklassische Wohlfahrtsökonomie hat einen positiven und einen normativen Teil: 330 Sie versucht zum einen zu erklären, wie sich bestimmte wirtschaftspolitische Maßnahmen oder Ordnungssysteme auf die Entwicklung einer Volkswirtschaft auswirken. Zum anderen will sie soziale Zustände bewerten, indem sie ermittelt, welche durch eine Maßnahme ausgelösten Effekte als Wohlfahrtssteigerung oder Wohlfahrtsminderung zu betrachten sind.331 Hierzu wurde die klassische Wohlfahrtsökonomie als positive Theorie formuliert, die 323  Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts, S.  33 f.; van Aaken, „Rational Choice“, S.  76 ff. 324 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 144; Rühl, Statut und Effizienz, S.  96. 325  Braun/Gautschi, Rational-Choice-Theorie, S.  74. 326 Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 47. 327 Fleischer/Zimmer Schwalbe, Effizienz, S.  43, 47. 328  Ott/Schäfer, JZ 1988, 213, 217; Eidenmüller, Effizienz, S.  41, jeweils zur ökonomischen Analyse des Rechts. 329 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, S.  1053. 330  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  47. 331  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  25; Labrenz, Anfechtungsklage, S.  15.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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ihre normativ vorgegebenen Ziele im Sinn der angestrebten „Wertfreiheit“ (Max Weber) 332 als exogen gegeben betrachtet,333 um sich nicht dem Vorwurf mangelnder Wissenschaftlichkeit auszusetzen,334 anstatt den normativen Charakter ihrer Aussagen offen zu legen und sich damit der wissenschaftlichen Diskussion zu öffnen. Dies geschah in der Weise, dass die Wertprämissen (etwa die Herstellung allokativer Effizienz im Rahmen des Pareto- und des Kaldor-Hicks-Kriteriums335) als allgemein anerkannt betrachtet wurden.336 Der normative Charakter des Effizienzprinzips ist heute weitgehend unstreitig337 und wird deshalb aus rechtlicher Sicht als der wohl problematischste Bestandteil der Wohlfahrts­ ökonomie angesehen.338 Aus zivilistischer Sicht regt vor allem der Umstand zur Kritik an, dass in der Wohlfahrtsökonomie der zweite Zielkomplex der klassischen Nationalökonomie keine Rolle spielt, also das aus ökonomischer Sicht gesellschaftspolitische Freiheitsziel.339 Damit löst sich die Wohlfahrtsökonomie vom normativen Freiheitsverständnis Adam Smiths, der induktiv von der Freiheit der Individuen ausging und den Wettbewerb deshalb als Garanten der Freiheit auffasste,340 zu Gunsten eines Verständnisses, in dem die Freiheit des Einzelnen nicht mehr ein individuelles Recht, sondern eine funktionale Freiheit ist.341 Andererseits wäre es übertrieben, der Wohlfahrtsökonomie eine vollständige Ablösung von der Freiheit des Individuums zu unterstellen. So basieren die wohlfahrtstheoretischen Konzepte – allen voran das Pareto-Kriterium – auf dem methodologischen Individualismus, wodurch sie jedenfalls nach ihren Grundannahmen gewisse Verbindungen zum Schutz des freien Wettbewerbsprozesses aufweisen.342 Auch hat der „homo oeconomicus“ jedenfalls in einer logischen Sekunde die Freiheit der Wahl unter verschiedenen Alternativen als Voraussetzung für marktliche Transaktionen und damit für die Ingangsetzung des Marktmechanismus. Aus rechtlicher Sicht geht es somit nicht um ein schlichtes Entscheiden zwischen (gutem) Freiheitsschutz und (schlechter) Effizienzorientierung, son332 Zum Werturteilsstreit vgl. statt anderer Engelkamp/Sell, Volkswirtschaftslehre, S.  338 ff. 333  Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Wohlfahrtsökonomie. Dabei wird nicht immer ausreichend klargestellt, ob positive oder normative Effizienz gemeint ist; vgl. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  55. 334 Vgl. Eidenmüller, Effizienz, S.  47. 335 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 285. 336  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.   48; Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  42. 337  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 459; Sell/Kermer, Aufgaben und Lösungen, S.  2 23. 338  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  27. 339  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  24. 340  Siehe oben Teil 4 C. II. 341  So kritisch Leistner, Richtiger Vertrag, S.  28. 342  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 414 ff.; Eidenmüller, Effizienz, S.  47 f.; Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 460.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

dern um eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Prämissen und Wertungen der Wohlfahrtsökonomie in einer sozialen Marktwirtschaft. b) Utilitaristische Wohlfahrtsökonomie Die Entwicklung der modernen Wohlfahrtsökonomie wurde maßgeblich vom Utilitarismus geprägt, wie er von Jeremy Bentham begründet und von John Stuart Mill und Henry Sidgwick weiterentwickelt worden ist.343 Nach Bentham streben alle Menschen nach individuellem Glück bzw. Nutzen.344 Das Glück bzw. der Nutzen ist im Rahmen einer Kosten-/Nutzen-Betrachtung mathematisch zu ermitteln, und zwar nach Stärke, Wahrscheinlichkeit des Eintritts und Anzahl der beteiligten Personen (Prinzip des größten Glücks der größten Zahl).345 Indem Bentham die Addition individueller Nutzenwerte für möglich hielt, unterstellte er, dass diese kardinal (in absoluten Größen, nicht nur in einer Reihenfolge) bestimmbar sind und interpersonell verglichen werden können. Bentham ging mit anderen Worten davon aus, dass sich nicht nur sagen lässt, um wieviel es Personen besser und schlechter geht, sondern auch, dass es eine objektiv gültige Skala ihrer Befindlichkeiten gibt.346 Hiernach bestand die Gesamtwohlfahrt aus einer Addition der individuellen Nutzenwerte. Dabei verstand Bentham sein Konzept nicht nur als positives Analyseinstrument, sondern auch als kollektive Entscheidungsregel im Rahmen der Gesetzgebungstheorie.347 c) Pareto-Kriterium aa) Grundaussagen In Auseinandersetzung mit der utilitaristischen Wohlfahrtsökonomie Benthams, die von einer kardinalen Messbarkeit individuellen Nutzens und dessen interpersoneller Vergleichbarkeit ausging, entwickelte sich im 20. Jahrhundert die von Pareto begründete neue Wohlfahrtstheorie.348 Diese geht davon aus, dass individueller Nutzen lediglich ordinal (größer, kleiner oder gleich) und nicht kardinal (in absoluten Größen) gemessen werden kann.349 Individuelle Nutzenbewertungen sind hiernach nicht verrechenbar. Als Werkzeug für die 343  Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation; Mill/Mill, Liberty and Utilitarianism, S.  135 ff.; Sidgwick, The Methods of Ethics. Ausführlich Eidenmüller, Effizienz, S.  22 ff. 344  Vgl. Schumann/Schumann, Kosmos der Ökonomie, S.  248, 252; Eidenmüller, Effizienz, S.  28. 345 Schumann/Schumann, Kosmos der Ökonomie, S.  248, 252. 346  Eidenmüller, Effizienz, S.  26 f. 347  Eidenmüller, Effizienz, S.  27. 348  Pareto, Manual d’économie politique, S.  145 ff.; vgl. auch Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 45. 349 Schumann/Schumann, Kosmos der Ökonomie, S.  248, 254; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  48.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Herstellung einer Rangordnung zwischen verschiedenen Zuständen gilt vielmehr das Prinzip der Pareto-Verbesserung. Danach wird ein Zustand A als „pareto-besser“ („pareto-superior“) gegenüber einem Zustand B angesehen, wenn keine Person in A schlechter gestellt ist als in B und mindestens eine Person in A besser gestellt ist als in B.350 Ein Zustand ist „pareto-optimal“ („pareto-effizient“), wenn es keinen anderen Zustand gibt, den mindestens ein Individuum vorzieht und den alle anderen zumindest nicht ablehnen.351 Das Pareto-Kriterium verlangt somit Einstimmigkeit.352 Stuft ein einziges Individuum eine beabsichtigte Maßnahme gegenüber dem bisherigen Zustand als schlechter ein, tritt keine paretianische Wohlstandsverbesserung ein, sondern es bleibt beim status quo. Da in ökonomischen Kontexten ein Zustand durch die Verwendung knapper Ressourcen entsteht, wird statt des Begriffs „Zustand“ auch derjenige der „Allokation“ gebraucht.353 Die Pareto-Effizienz beinhaltet hiernach einen Maßstab für eine gesellschaftlich effiziente Ressourcenallokation.354 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es der auf der Neoklassik aufbauenden Wohlfahrtsökonomie zunächst einmal nur darum geht, wie die zur Verfügung stehenden Ressourcen verwendet werden (Allokation), wohingegen die Frage nicht betrachtet wird, durch wen dies geschehen soll (Distribution).355 Die „zutreffende“ Distribution lässt sich bei Ablehnung kardinaler Nutzenmessung und interpersoneller Nutzenvergleiche nicht mathematisch bestimmen.356 bb) Rechtfertigung idealer Austauschverträge aus dem Nutzen aller Vertragsparteien Das Pareto-Kriterium hat grundlegende Bedeutung in Zusammenhang mit der Erklärung des Marktmechanismus auf idealen Märkten.357 Es trägt damit wesentlich zur normativen Rechtfertigung freiheitlicher, auf dem Grundsatz materialer Selbstbestimmung aufbauender Wirtschaftsordnungen bei.358 Schließen zwei Parteien freiwillig einen Vertrag, der nicht durch Willensmängel oder 350 

Wigger, Finanzwissenschaft, S.  25; Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 46. Eidenmüller, Effizienz, S.  48; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  11; Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  190. 352  Van Aaken, „Rational Choice“, S.   212; Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  190; Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  29. 353  Wigger, Finanzwissenschaft, S.  25. 354  Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  190; Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 46. 355  So – konkret zum Kaldor-Hicks-Kriterium – Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 285. 356  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  135. 357  Eidenmüller, Effizienz, S.  48 f.; Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  191. Siehe zur Preistheorie noch Teil 4 C. III. 5. 358  So zu Recht Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 414; van Aaken, „Rational Choice“, S.  212. 351 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

sonstige Störungen der Vertragsparität beeinflusst ist, ist auf der Grundlage der neoklassischen Verhaltensannahme des „homo oeconomicus“ davon auszugehen, dass beide an den Ergebnissen des Vertragsschlusses profitieren. Indem die Rechtsordnung den Bürgern die Möglichkeit einräumt, privatautonome Verträge zu schließen und so ihre Rechtsverhältnisse selbst zu regeln, ermöglicht sie ihnen also Transaktionen, die zu pareto-superioren Ergebnissen führen können. Ein ideal funktionierender Marktmechanismus führt somit zu einem Gleichgewichtszustand, in welchem sich die Position irgendeines Marktteilnehmers nur noch dadurch verbessern lässt, dass zugleich diejenige anderer Personen verschlechtert wird. Alle Akteure haben hier das Potenzial für freiwillige Transaktionen vollständig ausgeschöpft (erster Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie).359 Es ist mit anderen Worten jede Allokation, die durch ein Marktgleichgewicht erzeugt wird, pareto-optimal, weshalb keine durch ein Marktgleichgewicht erzeugte Allokation allein aufgrund des Pareto-Kriteriums als nicht wünschenswert verworfen werden kann.360 Welches konkrete Gleichgewicht erreicht wird, hängt freilich von der Ausgangsausstattung der Marktteilnehmer ab; wird diese verändert, ändert sich auch das Gleichgewicht, weshalb im Ergebnis jedes beliebige Gleichgewicht erzielt werden kann (zweiter Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie). Um ein bestimmtes Pareto-Optimum zu erreichen, muss nur die anfängliche Verteilung der Ressourcen entsprechend bestimmt werden; der Markt erzeugt sodann das gewünschte Pareto-Optimum. Dem zweiten Hauptsatz zufolge ist also jede nach irgendwelchen Kriterien wünschenswerte Allokation dadurch erreichbar, dass man die Anfangsausstattung an Ressourcen zwischen Individuen umverteilt; ein zusätzlicher staatlicher Eingriff in das Marktgeschehen scheint damit nicht erforderlich. In den beiden Hauptsätzen der Wohlfahrtsökonomie liegt eine starke Rechtfertigung dafür, bei wirtschaftlichen Sachverhalten auf wettbewerblich organisierte Märkte zu vertrauen. Staatliche Eingriffe, die über die Umverteilung der Anfangsausstattung hinausgehen, müssen zwar nicht schädlich sein, sind den beiden Hauptsätzen zufolge aber auch nicht (ökonomisch) nützlich.361 Allerdings gelten die Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomie nur in einer eingeschränkten Modellwelt, was diese Sichtweise auch einräumt.362 Auf realen Märkten gibt es eine Reihe von möglichen Ursachen für die Verfehlung der Pareto-Effizienz.363 Hierzu zählen öffentliche Güter,364 ungewollte oder gewollte externe Effekte, asymmetrisch verteilte Informationen und die im Recht der 359  Siehe hierzu sowie zu den erforderlichen „Pareto-Bedingungen“ van Aaken, „Rational Choice“, S.  212 f. i. V. mit Fn.  990. Zu den Bedingungen des ersten Hauptsatzes der Wohlfahrts­ ökonomie statt anderer Wigger, Finanzwissenschaft, S.  30 und insbesondere S.  32. 360  Vgl. zum Folgenden Grüner, Wirtschaftspolitik, S.  31. 361  Grüner, Wirtschaftspolitik, S.  31. 362  Bester, Industrieökonomik, S.  2. 363  Grüner, Wirtschaftspolitik, S.  31. 364  Hier kommt man auch ohne das Zahlen eines Preises in den Genuss des Gutes. Stan-

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Regulierung der Netzwirtschaften im Zentrum stehenden natürlichen Monopole aufgrund der dort möglichen Skalen- und Verbunderträge.365 Führt der Markt in solchen Situationen nicht zu einer effizienten Allokation, wird in der Wohlfahrtstheorie von einem Marktversagen gesprochen,366 weshalb aus ökonomischer Sicht ein korrigierender staatlicher Eingriff in das Marktgeschehen indiziert ist.367 Erreicht der Staat trotz eines Eingriffs keine Effizienzverbesserung, so liegt ein Staatsversagen vor.368 cc) Bewertung Das Pareto-Kriterium – in der Wirtschaftstheorie häufig zu Unrecht gleichgesetzt mit „Effizienz“369 – gründet auf dem methodologischen Individualismus und der Autonomie des Einzelnen als oberstem Wert, weshalb es trotz seiner Verwurzelung in der Wohlfahrtsökonomie eine enge Verbindung zum „gesellschaftspolitischen“ (zivilistischen) Freiheitsziel aufweist.370 Gleichwohl ist es in der praktischen Wirtschaftspolitik nur bedingt bedeutsam, da Märkte oft von unterschiedlichen Freiheitsgraden und Marktstrukturen geprägt sind. Nach Ansicht von Martin Hellwig könnten bei Anwendung des Pareto-Kriteriums nicht einmal schwerste Verstöße gegen die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer wie Preiskartelle oder monopolistische Preisüberhöhungen untersagt werden, ohne dass den Wettbewerbsverletzern eine Kompensation für die Veränderung des Status quo gewährt werden müsste.371 Das ParetoKriterium gebe den Individuen auf der Grundlage der bestehenden Ressourcenverteilung nämlich eine Art Vetorecht, mit dem sie belastende Maßnahmen verhindern könnten.372 Das Kriterium eigne sich somit nicht als Konfliktschlichtungsmechanismus,373 sondern sei nur ein normatives Minimalkonzept.374 Diedardbeispiele: innere und äußere Sicherheit; vgl. Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  17. 365  Wigger, Finanzwissenschaft, S.  33; Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 53. 366 Grundlegend zur Legitimation von Staatseingriffen unter dem Gesichtspunkt des Marktversagens Bator, Quat. J. Econ. 72 (1958), 351 ff.; siehe auch Vahlens Kompendium/ Kerber, S.  369, 375. 367  Hellwig, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2006, S.  3. 368  Statt anderer Wigger, Finanzwissenschaft, S.  141 ff. 369  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  29. 370  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 414. 371 Vgl. Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  30: „Interpretiere ich freilich die Ineffizienz von Kartellen und Monopolen im Sinne des Pareto-Kriteriums, so muss ich feststellen, dass Wettbewerbsrecht und Wettbewerbspolitik damit nichts zu tun haben. Das Wettbewerbsrecht beschränkt die Handlungsspielräume von Unternehmen, potenziellen Kartellisten und Marktbeherrschern, ohne dass die Unternehmen und ihre Eigentümer dafür kompensiert würden. Solche Eingriffe sind mit dem Pareto-Kriterium nicht zu begründen.“ 372  Albert, Traktat über rationale Praxis, S.  130; Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 307. 373  Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  192. 374 So Wigger, Finanzwissenschaft, S.  25.

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se Sichtweise knüpft an das Tätigkeitwerden der Wettbewerbsbehörden an. Man kann jedoch bereits den Abschluss eines (Preis-)Kartells oder eine monopolistische Preisüberhöhung (und nicht erst die Reaktion der Wettbewerbsbehörden oder Privatbetroffener darauf) am Pareto-Kriterium messen.375 In diesem Fall führt die Analyse aufgrund der negativen tatsächlichen Drittwirkungen zur Pareto-Ineffizienz des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens und damit zur Rechtfertigung eines staatlichen Eingriffs. Eine Anwendung des Pareto-Kriteriums setzt aus rechtswissenschaftlicher Sicht voraus, dass man sich der ihm zugrunde liegenden Werturteile bewusst ist: 376 Zum Ersten ist das Kriterium prozessunabhängig. Es ist mit anderen Worten zur Beurteilung, ob eine Allokation pareto-effizient ist, nicht entscheidend, auf welche Weise die Allokation erreicht wurde, etwa in einer Zentralverwaltungswirtschaft oder einer Marktwirtschaft oder durch einen „wohlmeinenden Planer“.377 Darüber hinaus erlaubt das Pareto-Kriterium eine Zunahme von Ungleichheit, da es allein auf die Maximierung des Nutzens von Individuen abstellt, solange es den anderen nicht schlechter gegenüber ihrer Erstausstattung geht. Ausgehend von einem bestimmten Status der Einkommens- und Vermögensverteilung werden also distributive Aspekte nicht betrachtet.378 Wenn man die Erstausstattung der Individuen mit Ressourcen in die Überlegungen mit einbezieht, gibt es somit nicht nur einen, sondern viele pareto-optimale Zustände. Vielfach wird deshalb die bestehende Erstausstattung als gegeben hingenommen.379 Eine isolierte Anwendung des Pareto-Kriteriums setzt deshalb tendenziell eine konservative Grundhaltung voraus.380 Im Ergebnis würde eine strikte Anwendung des Pareto-Kriteriums – die freilich nur selten vertreten wird381 – zum Einfrieren eines jeden Zustands führen.382 Man kann das Pareto-Kriterium wie geschildert aber auch zur Rechtfertigung eines auf Selbstbestimmung basierenden Marktmechanismus heranziehen, der unter idealen Bedingungen zur bestmöglichen Versorgung der Bürger mit knappen Gütern und Dienstleistungen führt. Sofern die Selbstbestimmung der Marktteilnehmer beeinträchtigt ist, erlangt der Staat auf dieser Grundlage eine Rechtfertigung für einen Eingriff in das freie Marktgeschehen zur Gewährleis375 

Ebenso von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  906, 947. folgende Darstellung orientiert sich an Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 47 f. 377  Albert, Traktat über rationale Praxis, S.  130. 378  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  52. Nach der wohl zu pointierten Sichtweise von Sen (Resources, Values and Development, S.  95) könne eine alleinige Anwendung des Pareto-Kriteriums dazu führen, dass Menschen verhungern müssten. 379  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  52. 380  Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  16; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  53. 381  Eine Ausnahme aus jüngerer Zeit: Fornasier, Freier Markt, S.  27 ff. 382 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 285. 376 Die

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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tung der Möglichkeit für alle Individuen, ihre Präferenzen in den Prozess des Aushandelns einzubringen, und so – ohne dass dies eine Voraussetzung der Gültigkeit von Verträgen wäre383 – zu effizienten Marktergebnissen zu kommen. Zusammenfassend spricht für das Pareto-Konzept, dass es dem Willen der Individuen große Relevanz zuspricht.384 Es kann auf dieser Grundlage zur ökonomischen Rechtfertigung einer freiheitlichen, auf dem Grundsatz der Selbstbestimmung basierenden Privatrechtsordnung herangezogen werden. Diesem „Vorteil“ stehen die vorbenannten praktischen Schwierigkeiten gegenüber, weshalb die Rechts- und Wettbewerbsökonomie in den zurückliegenden Jahren zunehmend zum Kompensationskriterium von Kaldor und Hicks übergegangen ist. Dieses begegnet jedoch aus zivilistischer Sicht – wie wir uns im Folgenden vor Augen führen – grundsätzlichen Bedenken. d) Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium aa) Grundaussagen Das Pareto-Kriterium ist aufgrund seiner strengen Vorgaben zur Bewertung sozialer Zustände nicht ausreichend.385 Es geht wie gesehen vom Modell eines freien, nicht durch staatlichen Zwang gestörten Marktes aus.386 Will man es ­deshalb für eine staatliche Wirtschafts- und Rechtspolitik fruchtbar machen, bedarf es gewisser Modifikationen.387 Diese können aus zivilistischer Sicht aus dem Schutz der Marktteilnehmer vor wirtschaftlicher Macht, also aus ethisch-rechtlichen Gesichtspunkten abgeleitet werden. In der Wohlfahrtsökonomie wird das Pareto-Kriterium durch das sog. Kaldor-Hicks-Kriterium ergänzt, wonach ein sozialer Zustand A auch dann gegenüber einem anderen Zustand B vorzugswürdig sein soll, wenn zwar einige Individuen schlechter gestellt werden, die Individuen im Zustand A jedoch die Individuen im Zustand B (fiktiv) entschädigen könnten und ihnen gleichwohl noch ein Residualvorteil verbliebe.388 Effizienz bestimmt sich nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium also auf der Grundlage einer Kosten-Nutzen-Analyse,389 weshalb sich das Kriterium anders als das Pareto-Kriterium auch für Situationen bzw. Situationsänderungen „nach Umverteilung“ eignet.390 383  Zur Frage, ob der Verbrauchernachteil ein Merkmal der Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist, siehe Teil 5 B. II. 384  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  213. 385  Posner, Economic Analysis of Law, S.  13. 386  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  212. 387  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  56. 388 Grundlegend Kaldor, Econ. J. 49 (1939), 549 ff.; Hicks, Econ. J. 49 (1939), 696 ff.; vgl. dazu statt anderer Eidenmüller, Effizienz, S.  51 ff.; Labrenz, Anfechtungsklage, S.  18. 389  Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  193 bezeichnet das Kaldor-Hicks-Kriterium als „Mutter der Kosten-Nutzen-Analyse“. 390  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  217.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Gemäß dem Kaldor-Hicks-Kriterium ist zur Bestimmung der ökonomischen Vorteilhaftigkeit sozialer Zustände grundsätzlich kein interpersoneller Nutzenvergleich nötig. Entscheidend ist vielmehr, dass die Gewinner die Verlierer so entschädigen könnten, dass alle theoretisch einen Vorteil von einer Maßnahme haben.391 Soll zum Beispiel eine Änderung des status quo dazu führen, dass A ein Haus und eine Weltreise bekommt, während B seinen Arbeitsplatz verliert, so sei diese Situation gleichwohl für beide Parteien nutzenmaximierend, wenn B gegenüber dem status quo ante indifferent sei, sofern A ihm entweder das Haus oder die Reisemöglichkeit überträgt.392 Bejaht B diese Gegebenheiten, erfüllt der neue Zustand das Kaldor-Hicks-Kriterium. Um in der wirtschaftspolitischen Praxis Aussagen über die Möglichkeit einer Entschädigung treffen zu können, müssen die jeweiligen Vor- und Nachteile allerdings regelmäßig in Geld bewertet werden. Auf dieser Grundlage werden die von einer Veränderung negativ Betroffenen nicht (mehr) gefragt, bei welcher Ausgleichszahlung sie sich indifferent fühlen; entscheidend soll vielmehr allein der positive Saldo aus Vor- und Nachteilen sein.393 Nach dem Kaldor-HicksGrundsatz – der von Vertretern der ökonomischen Analyse des Rechts auch als „Reichtumsmehrungsprinzip“ bzw. „Vermögensmehrungsprinzip“ bezeichnet wird394 – ist also eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen: 395 Solange die Kostenersparnis der Gewinner höher ist als die Einbuße der Verlierer, könnten die Verlierer theoretisch entschädigt werden, so dass in der Gesamtsumme eine Wohlfahrtssteigerung vorläge. Würde eine solche Kompensation tatsächlich erfolgen, wäre quasi das Pareto-Kriterium erfüllt; denn bei einer monetären Bewertung von Vor- und Nachteilen würde kein Teilnehmer schlechter gestellt. Die subjektiven Wertvorstellungen der Akteure hinsichtlich der Bewertung ihrer Gewinne und Verluste werden dadurch ausgeblendet, was ein normativ zu rechtfertigendes Werturteil bedeutet.396 Kaldor und Hicks hielten zur Überwindung des Zielkonflikts zwischen den Interessen der Begünstigten und denjenigen der Benachteiligten eine tatsächliche Kompensation für entbehrlich; ausreichend sei vielmehr bereits die Möglichkeit einer Entschädigung.397 Ob eine solche Entschädigung tatsächlich er391 Schumann/Schumann,

Kosmos der Ökonomie, S.  248, 257. Beispiel nach Eidenmüller, Effizienz, S.  51. 393  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 308. 394  Posner, Economic Analysis of Law, S.  13; dazu Eidenmüller, Effizienz, S.  5 4 f.: in der praktischen Anwendung führten beide Kriterien zu vergleichbaren Ergebnissen. Siehe auch van Aaken, „Rational Choice“, S.  217, wonach das Reichtumsmaximierungsprinzip nur konsequent zu Ende führe, was im Kaldor-Hicks-Kriterium bereits angelegt sei, nämlich die Erhöhung der materiellen Wohlfahrt eines Landes. 395  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  136. 396  So im Ergebnis auch Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 312. 397  Kaldor, Econ. J. 49 (1939), 549, 550; Hicks, Econ. J. 49 (1939), 696, 711; vgl. auch Klump, Wirtschaftspolitik, S.  259. 392 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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folge, sei eine verteilungspolitische Entscheidung des Gesetzgebers.398 Diesem stehe es frei, ob er eine Kompensation vornehme oder nicht, da auf längere Sicht praktisch jede Gesellschaftsgruppe von dem Kriterium profitiere. Das Kaldor-Hicks-Kriterium zielt damit auf eine potenzielle, nicht aber auf eine tatsächliche Pareto-Verbesserung.399 bb) Bewertung Das Kaldor-Hicks-Kriterium ist aus zivilistischer Sicht kritisch zu bewerten: 400 So ist die relevante Messgröße zwar im Gegensatz zum klassischen Utilitarismus nicht der gesellschaftliche Nutzen, sondern der individuelle Reichtum, mit anderen Worten die hypothetische Zahlungsbereitschaft für eine zuzuteilende Ressource.401 Zur Feststellung derselben bräuchte man bei Kollektiventscheidungen aber einen allwissenden Ökonomen, der die notwendigen Informationen vollständig zusammentragen und die Wohlfahrtswirkungen exakt berechnen kann, was unmöglich ist.402 Die Neue Institutionenökonomik stellt deshalb zu Recht heraus, dass „in einer Welt voller Transaktionskosten“ nicht nur die Individuen, sondern auch die Normgeber regelmäßig auf der Grundlage von Informationsdefiziten entscheiden. Die Beschränkung auf monetäre Variablen hat außerdem eine kurzfristig-statische Betrachtungsweise zur Folge, weshalb längerfristige dynamische Aspekte kaum berücksichtigt werden können.403 Weiterhin ergeben sich erhebliche Probleme bei der Umrechnung nicht-monetärer Güter in geldwerte Einheiten.404 So gibt es für bestimmte Güter keine Marktpreise, und ihr Wert muss deshalb geschätzt werden. Selbst wenn in­ soweit Marktpreise existieren (im Schadensrecht spricht man von Kommerzialisierung immaterieller Güter), geben diese nicht notwendig den sozialen Nutzwert eines Gutes an (Bäume eines Waldes). In diesem Fall muss der Marktpreis durch sog. Schattenpreise ermittelt werden.405 Auch insoweit sind subjek-

398  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  6 4 f., erklärt den Verzicht auf eine tatsächliche Entschädigungsleistung damit, dass Kaldor und Hicks ihre Konzeption in Zusammenhang mit der Abschaffung protektionistischer Maßnahmen aufgestellt hätten, bei denen es ebenso wie etwa bei der Abschaffung der Sklaverei ungerecht gewesen wäre, die vormals Begünstigten tatsächlich zu entschädigen. Ansonsten sei nämlich nicht zu erklären, warum generell auf die Notwendigkeit einer tatsächlichen Entschädigung verzichtet werde. 399  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 308. 400  Eidenmüller, Effizienz, S.  51 ff.; van Aaken, „Rational Choice“, S.  218 ff.; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  60 ff. 401  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  62 f. 402  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  137; Künzler, Effizienz statt Wettbewerbsfreiheit?, S.  31; die entsprechenden Schwierigkeiten konzedieren auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  41. 403  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 312. 404  Klump, Wirtschaftspolitik, S.  260. 405  Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  2 2.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

tive Wertungen des Entscheidungsgremiums unausweichlich.406 Schließlich wird gegen das Kaldor-Hicks-Kriterium (ebenso wie gegen utilitaristische Kollektiventscheidungsregeln überhaupt) vorgebracht, dass hier zwar Zahlungsbereitschaften und nicht Nutzeneinheiten verglichen würden, der soziale Nutzen von Geldeinheiten nach dem Grundsatz des abnehmenden Grenznutzens jedoch unterschiedlich zwischen armen und reichen Menschen verteilt sein kann.407 Es wird somit implizit doch ein interpersoneller Nutzenvergleich vorgenommen.408 Aus rechtsdogmatischer Sicht ist besonders problematisch, dass die Gewinner die Verlierer nicht tatsächlich, sondern nur theoretisch entschädigen müssen. Damit begünstigt das Kaldor-Hicks-Kriterium tendenziell vermögendere („mächtigere“) Marktteilnehmer und führt auf längere Sicht dazu, dass die Vermögensaufteilung in der Gesellschaft ungleich wird.409 Denn die Zahlungsbereitschaft hängt nicht nur vom individuellen Nutzen ab, sondern auch von der individuellen Zahlungsfähigkeit („ability to pay“). Da Letztere bei armen Menschen geringer ist als bei reichen, wird Erstere bei den Armen regelmäßig auch geringer sein.410 Problematisch ist außerdem, dass nach dem Kaldor-Hicks-Kriterium die tatsächliche Kompensation ausgeblendet und auf die staatliche Verteilungspolitik verwiesen wird; 411 denn eine staatliche Kompensation wird in der Praxis nicht selten unterbleiben.412 Weiterhin sieht sich das Kriterium dem Vorwurf der logischen Inkonsequenz ausgesetzt, da es für eine Bewegung von einem gesellschaftlichen Zustand A zu einem gesellschaftlichen Zustand B erfüllt sein kann, aber auch für die Bewegung in die umgekehrte Richtung. Gefordert wird deshalb, dass nach dem Kaldor-Hicks-Test in beide Richtungen immer dieselbe Situation als überlegen anzusehen ist.413 Vor allem aber konfligiert das Kaldor-Hicks-Kriterium anders als das Pareto-Kriterium mit dem Schutz der wirtschaftlichen Selbstbestimmung und dem Schutz der daraus erwachsenden Wettbewerbsprozesse, da es sich nicht durch einen auf die material-freie Willensentschließung des Einzelnen zurückzufüh406  Das konzedieren auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  2 2: häufig nicht zu vermeiden. 407  Arrow, Social Choice and Individual Values, S.  38; Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 60; Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  194. Siehe zum Utilitarismus auch Eidenmüller, Effizienz, S.  192; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  25. 408 Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 60. 409 Siehe zu den Auswirkungen auf „künftige Generationen“ Eidenmüller, Effizienz, S.  150 ff. 410  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.   65; siehe auch Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 315 ff. 411  Krit. auch Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  26. 412 Deutlich Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  30; zust. von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 946. 413 Vgl. Scitovsky, Rev. Econ. Stud. 9 (1941), 77 ff.; graphische Darstellung bei Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  61.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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renden Konsens begründen lässt.414 So lassen sich in Anwendung des KaldorHicks-Kri­teriums die Rechte der Einzelnen entgegen den Prämissen des (methodologischen und normativen) Individualismus beschneiden, wenn dadurch die volkswirtschaftliche Effizienz gefördert wird.415 Besonders deutlich wird das am Beispiel des „Trade off-Modells“ von Oliver Williamson, wonach eine Wettbewerbsbeschränkung durch die Steigerung der produktiven Effizienz der Unternehmen gerechtfertigt werden könne, auch wenn dadurch signifikante Einbußen an allokativer Effizienz zu Lasten der Verbraucher einträten.416 Zur Entkräftung dieser Bedenken wird von Befürwortern des Kaldor-Hicks-Kriteriums vorgebracht, dass jedenfalls auf lange Sicht alle Individuen von den Effizienzwirkungen profitierten.417 Für eine solche „Generalkompensation“ gebe es empirische Belege, wie der Umstand zeige, dass die meisten Länder der Welt für ein effizienzorientiertes Wirtschaftssystem plädierten, weil sie sich davon die größte Mehrung des gesamtgesellschaftlichen Wohlstands versprächen.418 Freilich kann eine Benachteiligung der chancengleichen Selbstbestimmung im Einzelfall so erheblich sein, dass sie sich mit Blick auf die Freiheitsrechte der Individuen nicht durch eine übergeordnete Gemeinwohlerwägungen folgende „Generalkompensation“ ausgleichen lässt.419 Wernhard Möschel spricht insoweit pointiert von der Gefahr einer „wohlstandsfördernden“ Sklaverei.420 Darüber hinaus ist nicht erwiesen, dass Menschen langfristig tatsächlich in den Genuss der Kompensationsleistungen kommen,421 zumal die Verhaltensökonomie ermittelt hat, dass Individuen einen sicheren Verlust in der Gegenwart höher bewerten als einen unsicheren Gewinn in der Zukunft.422 Vor diesem Hintergrund schränken Schäfer/Ott das Kaldor-Hicks-Kriterium auf Sachverhalte ein, bei denen angenommen werden kann, dass in einem überschaubaren Zeitraum durch die Summe vieler Kollektiventscheidungen eine Generalkompensation eintrete, auch wenn jemand im Einzelfall gravierende Einbußen erleide, oder wenn die Kompensation durch ein leistungsfähiges Sozialsystem erfolge.423 Auch dieser Ansatz beruht jedoch auf nicht beweisbaren Werturteilen: Was ist ein überschaubarer Zeitraum? Wann ist ein Sozialsystem leistungsfä414 

Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 416 f. Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  65. 416  Williamson, AER 58 (1968), 18 f.; dazu (im Ergebnis krit.) I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  123 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  421 ff. 417  Von Weizsäcker, Effizienz und Gerechtigkeit, 1983, S.  2 2 f.; Klump, Wirtschaftspolitik, S.  260. 418  Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  25: „All will be rich, some will be first.“ 419  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  67. 420  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 417: „moralische Monstruosität“, da Produzenten den Verbrauchern eine Art „Konsumsteuer“ auferlegen könnten. 421 Ebenso Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  23. 422  Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  67; dazu noch Teil 4. D. III. 423  Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  42. 415 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

hig? Letztlich sind die vorbenannten Zugeständnisse nur ein Ausdruck der Erkenntnis, dass das Konzept einer wertungsfreien Wohlfahrtsökonomie gescheitert ist. Wenn jedoch Wertungen in die ökonomischen Modelle eingeführt ­werden, müssen sich diese – sollen hieraus praktisch verwertbare Handlungsempfehlungen abgeleitet werden – an der geltenden Wirtschaftsverfassung orientieren. e) Wohlfahrtstandard Innerhalb der sog. Post-Chicago-Economics und des „more economic approach“ der Kommission als deren europäischer Variante ist streitig, ob es für die Beurteilung der Wohlfahrtswirkungen auf einen Gesamtwohlfahrtstandard („total welfare standard“) oder aber auf die Konsumentenwohlfahrt ankommt („consumer welfare standard“), in dessen Rahmen die Gesamtwohlfahrtswirkungen im Wege einer „konsumentenbezogenen Betrachtung“ kontrolliert und ggf. korrigiert werden.424 Aufgrund des Sachzusammenhangs wollen wir dieses Problem bereits an dieser Stelle und nicht erst beim „more economic approach“ erörtern. aa) Problemstellung Bei der Operationalisierung des „wohlfahrtsökonomischen Referenzpunkts“ – sofern man wettbewerbspolitisch also die Herstellung allokativer, produktiver und dynamischer Effizienz als ausschlaggebend erachtet425 – ist zu entscheiden, wessen Wohlfahrt optimiert werden soll; denn die Entscheidung über die Adressaten hat maßgeblichen Einfluss auf die Berechnung und Ermittlung der zu berücksichtigenden ökonomischen Effizienzvorteile.426 Die Effizienz ist mit anderen Worten das Mittel zur Erzielung eines bestimmten Wohlfahrtstandards. Die Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts können idealtypisch einem Gesamtwohlfahrtstandard („total welfare standard“) oder einem Konsumentenwohlfahrtstandard („consumer welfare standard“) dienen.427 Im Kern geht es um das Problem, ob insbesondere auf Marktmacht basierende Verteilungseffekte von Wettbewerbshandlungen berücksichtigt werden sollen oder nicht.428 Wenn sich Unternehmen etwa zu einem Kartell zusammenschließen und die Preise anheben, führt dies aus ökonomischer Sicht neben „Effizienzverlusten“ zu einer Umverteilung volkswirtschaftlicher Rente von den Nachfra424 

Siehe zusammenfassend Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  438 ff. Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  28 f. 426  Wolf, Effizienzen, S.  163. Zur praktischen Relevanz Baker, Antitrust L. J 73 (2006), 483, 515 ff. 427  Christiansen, „More Economic Approach“, S.  334; Rule, Consumer Welfare, Efficiencies, and Mergers, S.  2 ff. 428 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1060. 425 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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gern zu den Produzenten.429 Im Rahmen liberaler Markttheorien und des Ordoliberalismus wurde es deshalb als wichtiges Ziel angesehen, dass die im Wettbewerb erzielten Gewinne von Unternehmen auf Leistungen für die Konsumenten beruhen, weshalb die Aneignung von Kooperationsgewinnen aufgrund von Marktmacht (oder durch staatlich veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen wie Subventionen) verhindert werden sollte.430 Verteilungswirkungen erscheinen hier also von vornherein als ein konstitutives Element der Wettbewerbspolitik.431 In der deutschen Diskussion über die zutreffende Ausgestaltung der Wettbewerbspolitik wurde hierzu der Begriff des „Leistungswettbewerbs“ geprägt, der in der Konstitutionenökonomik auch heute noch eine tragende Rolle spielt.432 Allerdings ergibt sich der normative Maßstab für die Beschränkung von Rechten und Möglichkeiten von Marktteilnehmern im Ordoliberalismus nicht aus einem utilitaristischen Verteilungskalkül, sondern aus der grundlegenden Erkenntnis, dass die Wettbewerbsfreiheit des einen ihre Grenze in der Wettbewerbsfreiheit des anderen findet.433 Dies deckt sich mit den Ergebnissen der modernen Vertragstheorie, die ihre innere Rechtfertigung in der Sicherung einer material-chancengleichen Selbstbestimmung vor übermäßigen Beeinträchtigungen sieht. Gegen die dadurch erforderliche Abwägung von Freiheitspositionen richtet sich aktuell die Kritik der Wirtschaftswissenschaften, da eine solche Vorgehensweise vermeintlich „dem Schutz der Wettbewerber und nicht des Wettbewerbs“ diene.434 Wie wir jedoch schon gesehen haben, kommen die Wettbewerbstheorie und die Wettbewerbspolitik ebenfalls nicht ohne Werturteile aus. bb) Gesamtwohlfahrtstandard Ein Gesamtwohlfahrtstandard („total welfare standard“) beurteilt wettbewerbliche Sachverhalte allein nach den Auswirkungen auf die Gesamtwohlfahrt auf dem jeweiligen Markt. Hiernach haben sich der Staat und seine Organe so zu verhalten, dass die Summe von Produzenten- und Konsumentenrente maximiert wird, und zwar unabhängig davon, wer von der Wohlfahrtsteigerung profitiert.435 Verteilungsfragen und damit auch Fragen wirtschaftlicher Macht werden nicht behandelt. Hierum sollen sich andere Bereiche der Politik kümmern (Steuerpolitik). Wohlfahrtsökonomisch entspricht der Gesamtwohl429 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe,

Einl. Rn.  1057. Einl. Rn.  1057; siehe Teil 4 D. I. 4. b). 431  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  30. 432 Überzeugend Vanberg, Consumer Welfare, Total Welfare and Economic Freedom, S.  14. 433  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  30 f. 434 Hierzu Hellwig, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  30. 435  Hierfür etwa Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, S.  408 ff.; Bester, Industrieökonomik, S.  8 ff.; Motta, Competition Policy, S.  19 ff. 430 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe,

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

fahrtstandard damit vor allem dem Kaldor-Hicks-Kriterium, das aufgrund der theoretischen Möglichkeit zur Kompensation der Wohlfahrtseinbußen bei Konsumenten durch die Produzenten eine Saldierung erlaubt, während der Konsumentenwohlfahrtstandard darauf beharrt, dass wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen sich nie so auswirken dürften, dass die Konsumenten ökonomisch schlechter als vorher gestellt werden.436 Zugespitzt formuliert blendet der Gesamtwohlfahrtstandard bei stringenter Anwendung durch Marktmacht bewirkte Umverteilungen von Konsumenten zu Produzenten systematisch aus,437 weshalb er aus (privat-)rechtsdogmatischer Sicht zu korrigieren ist. Als eine derartig normative Korrektur des Gesamtwohlfahrtstandards ist Art.  101 Abs.  3 AEUV anzusehen, wonach Wettbewerbsbeschränkungen nur dann aufgrund überwiegender Effizienzgewinne freigestellt werden können, wenn die Verbraucher auch tatsächlich in absehbarer Zeit von ihnen profitieren.438 Insoweit folgerichtig ist Art.  101 Abs.  3 AEUV als Aufhänger für einen Konsumentenwohlfahrtstandard zu sehen. Auch ein solcher blickt freilich nicht notwendig auf die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer, sondern korrigiert den Gesamtwohlfahrtstandard durch eine Analyse der Verteilungswirkungen von Regelungen und Maßnahmen. cc) Konsumentenwohlfahrtstandard Bei einem Konsumentenwohlfahrtstandard („consumer welfare standard“) ist entscheidend, ob die Konsumentenrente maximiert wird, was auf der Grundlage ökonomischer Modellannahmen insbesondere dann gegeben sein soll, wenn bei gleichbleibenden Leistungen die Preise sinken.439 Es ist jedoch umstritten, welche Gruppe der Marktteilnehmer als Verbraucher anzusehen sind.440 So kann als Konsument sowohl der private Endverbraucher als auch die jeweils betroffene Marktgegenseite verstanden werden. Bei einer weiten Betrachtung fallen sogar alle Individuen einer Volkswirtschaft unter den Verbraucherbegriff, da sie alle situationsspezifisch als Verbraucher auftreten werden.441 Während einige den Verbraucherbegriff deshalb allgemein mit Effizienz, also mit Gesamtwohlfahrt gleichsetzen,442 stellen andere auf die Wohlfahrt aller Teil436 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe,

Einl. Rn.  1058. So MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1066. 438  Siehe Teil 5 C. II. 2. 439 Siehe MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.   1058. Für einen Konsumentenwohlfahrtstandard Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35. 440 Ausführlich Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  47 ff. 441 MünchKommEUWettbR/Habermeier, Art.   81 EG Rn.  676; Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  57. Siehe zum Verbraucherbegriff schon oben Teil 1 B. VI. 442  Siehe etwa Bork, The Antitrust Paradox, S.  110: „Those who continue to buy after a monopoly is formed pay more for the same output, and that shifts income from them to the monopoly and its owners, who are also consumers. This ist not a deadweight loss due to the restriction in output but merely a shift in income between two classes of consumers.“ Dazu 437 

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nehmer der Marktgegenseite ab, so dass bei zweiseitigen Märkten nicht nur Wohlfahrtsverluste von Abnehmern, sondern auch solche von Zulieferern zu berücksichtigen sind.443 Gemäß den Implikationen der neoklassischen Theorie geht es dabei allerdings nie um das Wohl tatsächlicher Individuen, sondern allein um eine analytische Betrachtung.444 dd) Praktische Relevanz Große praktische Bedeutung hat der Streit über einen Gesamt- oder einen Konsumentenwohlfahrtstandard etwa im Bereich der – nicht vertieft zu behandelnden – wettbewerbsrechtlichen Zusammenschlusskontrolle.445 Der Unterschied lässt sich am besten am „Trade-off-Modell“ von Williamson aufzeigen, das den Zielkonflikt zwischen Wohlfahrtsverlusten bei den Verbrauchern durch eine Monopolisierung und Wohlfahrtsgewinnen durch Effizienzverbesserungen bei den Unternehmen thematisiert.446 Hiernach können Unternehmenszusammenschlüsse einerseits zu Kostensenkungen (produktive Effizienz), andererseits aber auch zur Bildung von Marktmacht und damit zur Heraufsetzung der Preise bzw. zur Einschränkung der produzierten Menge führen (allokative Ineffizienz). Will man diesen Zielkonflikt auflösen, ist zu entscheiden, ob allein auf den Nutzen der Verbraucher (verstanden als Marktgegenseite oder als Endverbraucher) oder auf einen Gesamtwohlfahrtstandard (Summe aus Konsumentenund Produzentenrente) abgestellt wird.447 Stellt man auf einen Gesamtwohlfahrtstandard ab, so wird nur berücksichtigt, ob die allokativen Effizienzverluste, die aufgrund der Marktmacht entstehen, größer oder kleiner sind als die aufgrund der fusionsbedingten Kosteneinsparungen erzielten Gewinne an produktiver Effizienz (sog. Williamson-Trade-Off). Die gleichzeitig stattfindende Umverteilung von den Nachfragern zu den Anbietern aufgrund des höheren Preises aufgrund zusätzlicher Marktmacht wird in diesem Fall nicht beachtet. Beim Konsumentenwohlfahrtstandard würde diese Umverteilung hingegen insoweit berücksichtigt, als es hier im Ergebnis auf die Auswirkungen auf die Konsumentenrente ankommt. Wären die Effizienzvorteile durch die Fusion (theoretisch) so groß, dass es trotz erhöhter Marktmacht zu fallenden Preisen und damit zu einer erhöhten Konsumentenrente käme, würde einer Genehmigung dieser Fusion nichts im Wege stehen; in praktischer Hinsicht scheint dieMöller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  92; siehe zur Post Chicago School auch Baker, Antitrust L. J 73 (2006), 483, 512 f. 443 Vgl. Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35, unter Hinweis auf Zimmer. 444  Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  239. 445  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 944; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 941 f. 446  Williamson, AER 58 (1968), 18 f.; dazu (im Ergebnis krit.) I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  123 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  421 ff. 447  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  438 ff.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

ser Fall jedoch nur bedingt wahrscheinlich.448 Beim Konsumentenwohlfahrtstandard ist folglich keine Saldierung der Wohlfahrtsverluste für die Konsumenten mit den Wohlfahrtsgewinnen für die Produzenten möglich wie beim Gesamtwohlfahrtstandard.449 Aus diesem Grunde steht ein Verbraucherwohlfahrtstandard zivilistischem Denken näher als ein Gesamtwohlfahrtstandard, der nicht normativ durch eine verbraucherbezogene Sicht korrigiert wird. ee) Bewertung Für den Gesamtwohlfahrtstandard450 wird angeführt, dass die Berücksichtigung von Konsumenten- und Produzentenrente mehr wohlfahrtserhöhende Entwicklungen ermögliche als die alleinige Beachtung der Konsumentenrente.451 Weiterhin käme eine Erhöhung der Produzentenrente über die Gewinnausschüttungen von Publikums-Kapitalgesellschaften denjenigen Konsumenten zugute, die als Gesellschafter an den Unternehmen beteiligt seien. Für den Konsumentenwohlfahrtstandard werden vor allem „institutionelle“ Argumente vorgebracht. So sei es den Konsumenten im Gegensatz zu den Unternehmen schwerer möglich, ihre Interessen im politischen Prozess hinreichend durchzusetzen, so dass diese in der Wettbewerbspolitik eine zusätzliche „Absicherung“ benötigten. Darüber hinaus sei die Ausnutzung von Informationsvorteilen von Unternehmen gegenüber Wettbewerbsbehörden (über angebliche Effizienzvorteile) dann nicht mehr so leicht möglich.452 Schließlich spreche für einen Konsumentenwohlfahrtstandard, dass sich die Nutzenwirkungen aus Veränderungen von Marktpreisen und Veränderungen des Verhaltens im Markt relativ leicht ermitteln ließen; 453 denn er umgehe die Schwierigkeit, die Produzentenrente zu quantifizieren und in Relation zur Konsumentenrente zu setzen.454 Die Entscheidung über die Ziele der Wettbewerbspolitik ist keine positive, sondern eine normative Frage.455 Es kann deshalb nicht überraschen, dass in der Diskussion über den zutreffenden Wohlfahrtstandard auch „polit-ökonomische“ Argumente vorgebracht werden.456 Die Unionsverträge enthalten ebenso 448 

Vgl. auch I. Schmidt, WuW 2012, 795.

449 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe,

Einl. Rn.  1058; Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  229, 310. 450  Vgl. statt anderer Motta, Competition Policy, S.  20 f. 451  Dieses Argument erscheint auf den ersten Blick durchaus plausibel, berücksichtigt jedoch nicht das Bestehen antikompetitiver wirtschaftlicher Macht. 452  Zum Vorstehenden siehe Besanko/Spulber, J. L. Econ. & Org. 9 (1993), 1 ff. 453  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35. 454  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  141. 455  Statt anderer vgl. Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 459. 456 Zum Folgenden siehe MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1059 ff.; von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  906, 943 ff.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  140, jeweils m. w. N. Siehe in Zusammenhang mit der aktuellen Wirtschaftskrise auch Coyle, ZfW 61 (2012), 103, 108: „Die Makroökonomik, die zum Analysegegenstand hat, wie sich die millionenfachen individuellen Entscheidungen gesamtwirt-

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wie das deutsche Wettbewerbsrecht keine explizite Aussage zu dieser Problematik. Aus einzelnen Vorschriften kann jedoch – sofern sich das Gesetz für wohlfahrtsökonomische Analysen öffnet – auf die Geltung eines Verbraucherwohlfahrtstandards geschlossen werden.457 So benennt Art.  101 Abs.  3 AEUV als Freistellungsvoraussetzung „die angemessene Beteiligung der Verbraucher am entstehenden Gewinn“.458 Dieses Regelungsmodell wurde von der Kommission mittlerweile auf die Zusammenschlusskontrolle und die Kontrolle von Behinderungsmissbräuchen übertragen.459 Die normative Entscheidung für einen Konsumentenwohlfahrtstandard führt freilich zu Folgefragen, schon weil die Gruppe der Verbraucher nicht homogen zusammengesetzt ist. Dies kann komplizierte Abwägungen nach sich ziehen.460 Darüber hinaus normiert Art.  101 Abs.  3 AEUV keine Verbraucherschutzvorgaben im rechtlichen Sinne, sondern berührt lediglich allgemeine wettbewerbspolitische Anliegen. Der Vorschrift geht es gerade nicht um einen Schutz der Selbstbestimmung einzelner Individuen,461 sondern um die Zulässigkeit einer Beschränkung derselben aus über­ geordneten, langfristig allen oder jedenfalls der überwiegenden Anzahl der Verbrau­ cher zugutekommenden Effizienzsteigerungen.462 Auch ein Konsumentenwohlfahrtstandard ist deshalb nicht notwendig mit den rechtlichen Grundlagen einer Wettbewerbswirtschaft vereinbar. 4. Effizienzkonzepte In der vertrags- und wettbewerbsrechtlichen Diskussion ist zunehmend von Effizienz zu lesen. Mit diesem Begriff kann jedoch Verschiedenes gemeint sein. Er ist für unsere Untersuchung an mehreren Stellen relevant. Zum einen geht es um die grundsätzliche Frage, ob das marktbezogene Recht einem Schutz materialer schaftlich auswirken, ist im Wesentlichen ideologisch. Wie Makroökonomen die Frage nach dem Effekt einer Begrenzung des Haushaltsdefizits auf das Wirtschaftswachstum beantworten, hängt von ihrer politischen Einstellung ab. Das ist kein wissenschaftlicher Bereich der Disziplin.“ Vgl. zu den unterschiedlichen Sichtweisen in Europa und Amerika auch Aiginger/ McCabe/Mueller/Weiss, Rev. Ind. Org. 19 (2001), 383 ff. 457  Wolf, Effizienzen, S.  163. 458  Hierfür reicht es aus, dass sich eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung für die Gesamtheit der Verbraucher günstig auswirkt; es kommt also nicht darauf an, dass jeder einzelne Verbraucher an den positiven Wirkungen partizipiert; vgl. EuGH v. 23.11.2006 – C-238/05, EuZW 2006, 753 Rn.  70 – Asnef-Equifax. Siehe jedoch auch von Bogdandy/Bast/ Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 946, der zu Recht darauf hinweist, dass aus Art.  101 Abs.  3 AEUV nicht automatisch die normative Verbindlichkeit eines bestimmten Konsumentenwohlfahrtstandards folge. 459 Vgl. Art.   29 FKVO sowie Kommission, Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn.  76 ff. Zur Missbrauchskontrolle siehe EuGH v. 15.3.2007 – C-95/04 P, EuZW 2007, 306 – British Airways; Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  28. 460  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35. 461  Das intendiert Art.  101 Abs.  1 AEUV; siehe Teil 5 C. II. 1. 462  Siehe Teil 5 C. II. 2.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Selbstbestimmung oder übergeordneten Gemeinwohlzielen verpflichtet ist, die sich aus wohlfahrtsökonomischer Warte in einer Steigerung der Effizienz bezogen auf den gewählten Wohlfahrtstandard äußern. Zum anderen ist eine auf den Schutz der Selbstbestimmung verpflichtete Rechtsordnung gehalten, unternehmerisches Verhalten nicht als Datum hinzunehmen, sondern auf seine Effizienz zu überprüfen. Diesen scheinbaren Widerspruch gilt es im Folgenden aufzulösen. Grundlegend ist die Differenzierung zwischen positiver und normativer Effizienz. a) Unterscheidung zwischen positiver und normativer Effizienz Der Begriff Effizienz ist für sich genommen aufgrund unterschiedlicher Bedeutungsmöglichkeiten wenig aussagekräftig.463 In den Wirtschaftswissenschaften wird ein Verhalten dann als effizient eingestuft, wenn es ein vorgegebenes Ziel mit möglichst geringem Aufwand erreicht.464 Dabei wird zwischen statischen und dynamischen Effizienzen unterschieden.465 In der Betriebswirtschaftslehre spricht man auch vom „ökonomischen Prinzip“ oder vom „Prinzip der sparsamen Ressourcenverwendung“, das in Form des Minimal- bzw. des Maximalprinzips einen Zusammenhang zwischen Output und Input herstellt.466 Das Optimierungskalkül wird zuweilen auch als „Zweck-Mittel-Paradigma“ bezeichnet.467 Wir haben uns damit bereits im Rahmen des ökonomischen Paradigmas beschäftigt. Soweit im Schrifttum von Effizienz gesprochen wird, ist zwischen einem positiven und einem normativen Begriffsverständnis zu differenzieren: 468 In seiner positiven Form gibt das Prinzip der Effizienz die zu verfolgenden Ziele nicht vor; diese werden vielmehr kraft Wertentscheidung eingeführt, beispielsweise mit dem Als-ob-Wettbewerbsmaßstab.469 Demgegenüber beinhalten Begriffe wie allokative Effizienz ein normatives Element, indem sie zugleich das Ziel bestimmen, das mit dem effizienten Verhalten erreicht werden soll, wie die Steigerung der Gesamtwohlfahrt.470

463 FK/Pohlmann,

Art.  81 Abs.  3 EG Rn.  214; siehe auch Taupitz, AcP 196 (1996), 114, 123. Effizienz, S.  9, 13. 465  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.   939, 942; Oberender/Böge, Effizienz und Wettbewerb, S.  131, 132. 466  Wildmann, Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie und Wettbewerbspolitik, S.  9 f. 467  Streissler/Streissler, VWL für Juristen, S.  5 mit Rn.  21; Kirchner, in: FS Schäfer, 2008, S.  37, 42. Ausführlich Homann, Die Interdependenz von Zielen und Mitteln, S.  1 ff. Das Zweck-Mittel-Para­digma wird auch der Jurisprudenz als Forschungsziel nahegelegt; so etwa Fleischer, ZGR 2007, 500, 502. 468 FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Rn.  214. 469 Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 13. 470  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 414; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 941 ff. Zum Adressatenkreis vgl. Wolf, Effizienzen, S.  163. 464 Fleischer/Zimmer/dies.,

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Rechtliche Vorschriften nehmen zuweilen direkt oder indirekt auf die Effizienz Bezug und machen sie damit zu einem juristischen Fachterminus.471 So ermöglicht Art.  101 Abs.  3 AEUV bei der Beurteilung eines Verhaltens als wettbewerbsbeschränkende Verhaltenskoordination die Berücksichtigung von Effizienzgewinnen, auch wenn von diesen dort nicht explizit die Rede ist.472 Anders ist dies bei Art.  29 FKVO, wonach Effizienzvorteile der Einstufung eines Zusammenschlusses als wettbewerbsbehindernd entgegenstehen können (sog. „efficiency defense“). Die Kommission will neuerdings – mit Billigung des EuGH – auch beim Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art.  102 AEUV eine Effizienzeinrede zulassen.473 §  31 Abs.  1 Satz 2 TKG gibt schließlich, wie wir schon gesehen haben, das für alle regulierten Sektoren dogmatisch grundlegende Konzept der „Kosten effizienter Leistungsbereitstellung“ (KeL-Konzept) wider.474 Da dem Gesetzgeber die Kompetenz zur Festlegung der mit den Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen (einschließlich der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften) verfolgten Ziele obliegt, ist Effizienz in diesem Zusammenhang deshalb in einem positiven Sinne zu verstehen. Hiernach sind die vom Gesetzgeber gebilligten Ziele mit möglichst geringem Aufwand zu erreichen.475 Darauf ist zurückzukommen. b) Allokative (Pareto-)Effizienz Im Zentrum der (wohlfahrts-)ökonomischen Effizienzkonzepte steht die Allokationseffizienz. Auf ihr beruht auch das Gedankengebäude der ökonomischen Analyse des Rechts.476 Unter Allokation wird allgemein die Aufteilung gegebener Ressourcenbestände (Produktionsfaktoren) auf unterschiedliche Verwendungsmöglichkeiten verstanden.477 Eine effiziente Allokation ist dann erreicht, wenn die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Ressourcen (zum Beispiel die Produktionsfaktoren oder die Güter) so eingesetzt werden, dass bei gegebenen Produkten und Produktionsverfahren die wirtschaftlichen Bedürfnisse der In-

471 Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 12 f., mit Beispielen aus dem Kapitalmarktrecht auf S.  18 f. 472  Bekanntmachung der Kommission, Freistellungsleitlinien, Rn.  48 ff.: „3.2 Erste Voraussetzung des Artikels 81 Absatz 3: Effizienzgewinne [. . .] Gemäß der ersten Voraussetzung von Artikel 81 Absatz 3 muss die beschränkende Vereinbarung zur Verbesserung der Wa­ren­ erzeugung oder -verteilung und zur Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts beitragen.“ 473  Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  28. Siehe zur Rechtsprechung noch Teil 5 C. III. 1. c). 474  Dazu Säcker/Busse von Colbe, Vor §§  27 ff. TKG Rn.  2 2 ff., wonach solche Kosten ineffizient sind, die sich bei funktionsfähigem Wettbewerb nicht einstellen würden. 475  Zum Kartellverbot vgl. FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Rn.  215. 476 Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 14. 477  Günter, Betriebswirtschaft, 2004, S.  18.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

dividuen optimal befriedigt werden (Pareto-Effizienz).478 Das ist der Fall, wenn die Wohlfahrt der einzelnen Individuen im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Analyse weder durch einen anderen Einsatz der Produktionsfaktoren bei der Herstellung von Gütern noch durch eine andere Verteilung der produzierten Güter auf die Nachfrager erhöht werden kann, ohne gleichzeitig andere schlechter zu stellen. Eine solche Situation wird als pareto-optimal bezeichnet, da keine andere Güterverteilung möglich ist, durch die mindestens ein Akteur besser gestellt würde, ohne gleichzeitig einen anderen Akteur schlechter zu stellen.479 Dem Konzept der Allokationseffizienz liegt somit grundsätzlich ein Gesamtwohlfahrtstandard zugrunde.480 Von der Allokation der Ressourcen ist deren Distribution zu unterscheiden, also die Frage, wer welche Güter erhält. Das Konzept der Pareto-Effizienz macht bewusst keine Aussage über die Verteilung der Güter, weshalb auch eine extrem ungleiche und als ungerecht empfundene Verteilung pareto-effizient sein kann.481 Aus diesem Grunde werden normative Korrekturen – wie etwa durch den Konsumentenwohlfahrtstandard – diskutiert.482 c) Produktive Effizienz („economies of scale“ und „economies of scope“) Durch das Kriterium der produktiven Effizienz (Produktionseffizienz) werden unternehmens- bzw. industrieinterne Abläufe bewertet.483 Die produktive Effizienz beschreibt das Verhältnis der von den Unternehmen eingesetzten Ressourcen und deren Ausbringung.484 Es handelt sich also um ein engeres Konzept als die allokative Effizienz.485 Ebenso wie die allokative Effizienz stellt auch die produktive Effizienz ein statisches Konzept dar, das sich im Rahmen der Gleichgewichtstheorie der vollkommenen Konkurrenz definieren lässt.486 Aufgrund der Knappheit der Ressourcen ist allgemein anerkannt, dass Effizienzsteigerungen im Bereich der Produktion ein wirtschaftspolitisch wünschenswertes Ziel sind; 487 denn ein technischer Fortschritt – also die Generie478 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe,

Einl. Rn.  1054. Wolf, Effizienzen, S.  31 mit Fn.  60. 480  Der Gesetzgeber kann den Gesamtwohlfahrtstandard durch eine konsumentenbezogene Betrachtung ergänzen („korrigieren“), wie dies etwa in Art.  101 Abs.  3 AEUV der Fall ist. 481 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1054. 482  Siehe oben Teil 4 C. III. 3. e). 483  Wolf, Effizienzen, S.  30: Benchmarking für betriebswirtschaftliche Abläufe. 484 Vgl. Pindyck/Rubinfeld, Mikroökonomie, S.  7 78 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  8. 485  Das betont Oberender/Böge, Effizienz und Wettbewerb, S.  131, 132. 486 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.   13, 15; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 942. 487  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  16 f., wonach drei Ansatzpunkte für die Reduzierung der Güterknappheit in Betracht kommen: Erweiterung des Gütervolumens (Wirtschaftswachstum), Verbesserung der Güterstruktur (optimale Allokation) und Verbesserung der Güterverteilung (Verteilungsgerechtigkeit). 479 

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rung dynamischer Effizienz – setzt für die Mehrzahl der Produkte technisch und betriebswirtschaftlich optimale Betriebsstätten voraus.488 Dieser Erkenntnis tragen auch die wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Verbotsvorschriften Rechnung, indem sie das Innehaben wirtschaftlicher Macht nicht generell untersagen, sondern diese so domestizieren, dass die Unternehmen im eigenen Interesse gehalten sind, ihren Absatz durch gute Qualität und niedrige Preise zu sichern.489 Ein einzelnes Unternehmen produziert dann effizient, wenn bei gegebener Technologie jeder Output mit dem geringstmöglichen Einsatz von Inputfaktoren erzeugt wird, bzw. umgekehrt bei einem gegebenen Einsatz von Inputgütern der größtmögliche Output hergestellt wird.490 Im Falle der einzelwirtschaftlichen Produktionseffizienz ist dies in der Regel durch die Verhaltensannahme der Gewinnmaximierung sichergestellt.491 Die produktive Effizienz wird erhöht, wenn ein Unternehmen Größenkostenersparnisse („economies of scale“) erzielen kann.492 Hiermit sind Kostenersparnisse gemeint, die bei gegebener Produktionsfunktion (Produktionstechnik) infolge konstanter Fixkosten auftreten, wenn die Ausbringungsmenge wächst, da bei wachsender Betriebsgröße die durchschnittlichen totalen Kosten bis zur sog. mindestoptimalen technischen Betriebs- bzw. Unternehmensgröße sinken (der Anteil der fixen Kosten je produzierter Einheit wird immer kleiner).493 Für die produktive Effizienz eines Unternehmens muss auch seine interne Organisationsstruktur berücksichtigt werden. Um effizient zu produzieren, müssen die Entscheidungsträger innerhalb des Unternehmens die richtigen Anreize haben, das Unternehmensziel der Gewinnmaximierung und nicht ihre eigenen, davon abweichenden Interessen zu verfolgen (luxuriöse Büroausstattung oder teuere Dienstwagen).494 Solche und ähnliche Ursachen für Produktionsineffizienzen werden in den Wirtschaftswissenschaften auch mit dem Begriff der „X-Ineffizienz“ bezeichnet.495 Bei kooperierenden Unternehmen kann sich die produktive Effizienz auch auf die Verteilung der Produktion zwischen den Unternehmen beziehen.496 Wenn steigende Skalenerträge vorliegen, kann ein Zusammenlegen der Produktion eines Gutes durch zwei verschiedene Unternehmen die Produktionseffizi-

488 

Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 490 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1055. 491 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1055. 492  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  141. 493  Gabler Wirtschaftslexikon, Stichwort: Economies of Scale. 494 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1055. 495  Leibenstein, AER 56 (1966), 392 ff.; dazu I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  120 ff.; ders., in: FS Säcker, 2011, S.  939, 944. 496 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1055. 489 

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enz erhöhen. 497 Dasselbe gilt, wenn Verbundvorteile („economies of scope“) vorliegen, indem mehrere Güter in einem einzigen Unternehmen wegen des Vorliegens von Synergieeffekten mit weniger Inputs hergestellt werden können als von mehreren Unternehmen. In diesem Fall wäre die gemeinsame Produktion in mehreren Unternehmen ineffizient.498 Gesamtwirtschaftlich sind die Produktionskosten minimal, wenn für die Herstellung eines oder mehrerer Produkte die jeweils beste Technologie eingesetzt wird.499 Die Pareto-Effizienz einer Allokation (die allokative Effizienz) impliziert, dass auch die produktive Effizienz gegeben ist.500 Ansonsten könnte man durch eine Reallokation der Ressourcen im Produktionsbereich Inputs einsparen und trotzdem die gleiche Menge an Outputs herstellen. Die eingesparten Inputs könnten sodann dazu verwendet werden, weitere Güter herzustellen, die hiernach den Konsumten zur Verfügung stünden, weshalb mindestens ein Konsument besser gestellt werden könnte, ohne dass ein anderer schlechter dastünde. Die ursprüngliche Situation wäre hier also ineffizient, da eine bessere Alloka­ tion möglich wäre. Wenn von allokativer Effizienz gesprochen wird, wird also zumeist die produktive Effizienz mit einbezogen. d) Dynamische Effizienz (Innovationen) aa) Herausragende wettbewerbstheoretische Relevanz In der neueren wirtschaftswissenschaftlichen Forschung ist anerkannt, dass der technische Fortschritt in Form neuer Produkte und Produktionstechnologien der wohl wichtigste Faktor für die langfristige Steigerung des Wohlstands ist.501 Bei der allokativen und der produktiven Effizienz handelt es sich jedoch um statische Konzepte, weshalb Veränderungen der Technologien, des Know-hows oder der Industriestrukturen nicht erfasst werden.502 Demgegenüber will das Konzept der „dynamischen Effizienz“503 die Entwicklung der Wirtschaft über bestimmte Zeitspannen hinweg ermitteln, im Sinne von Effizienzvergleichen unterschiedlicher Prozesse.504 Es ist von sog. intertemporalen Modellen zu unterscheiden, die – obwohl sie mehrere oder sogar unendlich viele Perioden um497 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe,

Einl. Rn.  1055. Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  8 ; I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  31 f.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  128 f. 499 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1055. 500  Zum Folgenden siehe Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 49. 501  So MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. 1048. Es existiert deshalb auch ein breiter Konsens, dass die Innovation und Diffusion neuer Produkte und Technologien zu den wesentlichen Funktionen des Wettbewerbs gehört, vgl. a. a. O. Rn.  1025; grundlegend Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, S.  88 ff. 502  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  9. 503 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1030: die dynamische Effizienz bezwecke die Generierung und Verbreitung von Innovationen. 504  Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 41. 498 

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fassen können – ihrer Natur nach statisch sind.505 Statisch bedeutet insoweit, dass alle Akteure zu Beginn einer Periode ihre Entscheidungen für die Zukunft treffen, weshalb es weder notwendig noch sinnvoll noch möglich ist, in einer späteren Periode etwas an den Entscheidungen zu ändern. Eine dynamische Betrachtung zeichnet sich im Gegensatz zu einer statisch-intertemporalen Betrachtung durch ihren Prozesscharakter aus, da auch neue Produkte, Prozesse und Organisationsformen betrachtet werden, die zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung noch nicht – auch nicht wahrscheinlichkeitstheoretisch – vorhersehbar sind.506 Dynamik ist in diesem Sinne also durch ein „Bewegungsgesetz“ sowie durch evolutionäre Entwicklungen gekennzeichnet.507 bb) Begrenzte modelltheoretische Erfassbarkeit Auf den ersten Blick mag es erstaunen, dass die dynamische Effizienz in der Wohlfahrtstheorie nicht dieselbe modelltheoretische und praktische Bedeutung wie die Konzepte der Allokations- und Produktionseffizienz hat.508 Das liegt zum einen daran, dass die Entwicklung der ökonomischen Theorie durch statische Gleichgewichtsmodelle geprägt war, in denen die Entstehung neuer Produkte und Produktionsprozesse ausgeschlossen wird; denn sowohl im Modell des vollkommenen Wettbewerbs als auch in der Theorie des allgemeinen Gleichgewichts mit dem Resultat einer effizienten Allokation der Ressourcen wird von gegebenen Produkten und Technologien ausgegangen, weshalb die Dimension des technischen Fortschritts ausgeblendet wird.509 Zwar könnte man den Wirtschaftsprozess per definitionem als dynamisch effizient ansehen, wenn Veränderungen im Zeitablauf mit der gesellschaftlich optimalen Rate stattfinden, mit anderen Worten, wenn die zusätzlichen Kosten einer weiteren Investition in Forschung und Entwicklung genauso groß sind wie der erwartete zusätzliche Ertrag aus einer solchen Investition.510 Es hat sich jedoch gezeigt, dass es wegen der hohen Ungewissheiten, die mit der Suche nach „neuem Wissen“ und speziell mit Investitionen in Forschung und Entwicklung verbunden sind, schwierig zu ermitteln ist, ob sich der Wirtschaftsprozess in dynamisch effizienter Weise vollzieht.511 So haben sich die viel diskutierten sog. Neo-Schumpeter-Hypothesen im Sinne abstrakt-genereller Bedingungen für ein innovations505  Die Darstellung orientiert sich an Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 66 ff. sowie – zur intertemporalen Effizienz – S.  61 f. 506  Siehe zur Wettbewerbstheorie von Hayeks noch Teil 4 C. V. 2. 507  Vgl. neben den Vorstehenden Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 115: Bei der dynamischen Effizienz gehe es nicht um den Vergleich verschiedener Zustände des Wettbewerbs, sondern um den Wettbewerbsprozess als solchen. 508 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1056 mit Fn.  117; von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 937 f. 509 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1056. 510 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1056. 511 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.   1025; Vahlens Kompendium/

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freundliches Klima (wie die Unternehmensgröße oder die Konzentration eines Marktes) nach empirischen Untersuchungen als nicht hinreichend aussagekräftig erwiesen.512 Die Bevorzugung statischer Effizienzanalysen durch die Ökonomie liegt somit nicht allein in dem Umstand begründet, dass sie dynamische Effizienzen für weniger wichtig erachtet, sondern auch darin, dass diese nach aktuellem Stand der Forschung noch nicht so quantifizierbar sind wie statische Effizienzen,513 auch wenn insoweit in den letzten Jahren gewisse Fortschritte gemacht wurden. Auch die spieltheoretisch fundierten Fusions-Simulationsmodelle können aufgrund der modellhaften Abbildung des Marktes und des Fehlens geeigneter Daten dynamische Aspekte wie die Repositionierung von Produkten durch Konkurrenten, Investitionen oder Marktzutritte bislang nicht adäquat abbilden.514 cc) Dynamische Effizienz und Marktmacht Vor diesem Hintergrund kann es im Rahmen wohlfahrtsökonomischer Ana­ lysen zu einem Widerspruch zwischen der Verfolgung statischer und dyna­ mischer Effizienz kommen; 515 denn es liegt nahe, dass Unternehmen für die dynamische Effizienz jedenfalls über ein gewisses Maß an zeitlich begrenzter Marktmacht verfügen müssen, da kompetitive Monopolgewinne eine wichtige Funktion als Investitions- und Innovationsanreize haben.516 Diese Erkenntnis ist auch für die Privatrechtstheorie von grundlegender Bedeutung, da wirtschaftliche Macht hiernach nicht per se gut oder schlecht ist, sondern ein ambivalentes Phänomen darstellt, das einer rechtlichen Regulierung zu unterwerfen ist, um die positiven Effekte zu fördern und die negativen Effekte zu verhindern.517 Letzteres ist der Fall, wenn sich eine zeitweilig gerechtfertigte wirtschaftliche Machtposition durch ausbleibenden nachstoßenden Wettbewerb, also durch fehlende Imitation oder durch Behinderungspraktiken des marktmächtigen Unternehmens verfestigt und so als antikompetitiv zu bewerten ist.518

Kerber, S.  369, 390 f.; zur Fusionskontrolle Oberender/Schwalbe, Effizienz und Wettbewerb, S.  63, 79 ff.; Oberender/Böge, a. a. O., S.  131 ff. 512 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1031; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  134 ff. 513  Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  13. 514  Böge, WuW 2004, 726, 732; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  265; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 945. Zur Spieltheorie siehe noch unten Teil 4 C. IV. 2. b) und Teil 4 D. III. 1. 515  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 388. 516  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 387; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 942. 517  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 518  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 387 f.

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e) „Längerfristige“ Betrachtung von Marktprozessen versus „kurzfristiger“ Schutz vor Ausbeutung Die praktischen Schwierigkeiten bei der Ermittlung dynamischer Effizienzen entbinden nicht davon, diese im Rahmen – normativer, nicht praktischer – Marktanalysen angemessen zu berücksichtigen.519 In den Wirtschaftswissenschaften ist streitig, wie dies zu geschehen hat. Hingewiesen sei etwa auf die Theorie dynamischer Spiele.520 Aus ordnungsökonomischer Sicht sollte die Wettbewerbspolitik insgesamt nicht an kurzfristigen Effizienzen ausgerichtet werden, da es nicht ihr Ziel sein kann, Effizienzgewinne zu Lasten der langfristigen Verbraucherwohlfahrt zu generieren. Geboten ist vielmehr eine dauerhafte Betrachtungsweise, im Rahmen derer der Schutz des Wettbewerbsprozesses und der diesen konstituierenden individuellen Freiheiten im Vordergrund steht.521 So scheidet bei einer dynamischen Betrachtung die Bewertung eines bestimmten Innovationsergebnisses als gut oder schlecht aus, da der Wettbewerb ein Prozess mit ungewissem Ausgang ist.522 Es ist deshalb bereits der Wettbewerbsprozess an sich schützenswert, und das gerade in längerfristiger Hinsicht.523 Dies ist ein wesentlicher Gesichtspunkt moderner Workable-competition-Theorien, die den Schutz einer kompetitiven Marktstruktur sowie ergänzend eine am Als-ob-Wettbewerbsgrundsatz ausgerichtete Verhaltens­kon­ trolle ins Zentrum ihrer Analysen stellen; denn eine längerfristige Betrachtung darf nicht – wie dies im Rahmen der Diskussionen um die Schaffung einer energiesektorspezifischen Preiskontrollvorschrift in §  29 GWB geschehen ist 524 – als Rechtfertigung dazu dienen, die Verbraucher kurzfristig auszubeuten. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich trotz erheblicher Forschungsanstrengungen bislang noch keine überwiegend anerkannte Innovationstheorie herausbilden konnte.525 Allerdings lassen sich näherungsweise einige Aussagen über die Funktionsfähigkeit eines Innovationsprozesses treffen.526 Im Zentrum steht das Setzen von Investitions- und Innovationsanreizen durch langfristige Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbsdrucks, was nach derzeitigem Stand der Erkenntnis vornehmlich durch die Sicherung einer offenen Marktstruktur erreicht werden kann.527 Das Konzept der dynamischen Ef519 

Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  13. Effizienz, S.  43, 67. 521 So A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 226 f.; siehe auch S.  230. 522  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 942; vgl. auch von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff. 523  Wolf, Effizienzen, S.  266 f. 524  Dazu Teil 5 C. IV. 525  I. Schmidt, ECLR 28 (2007), 408; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 389. 526 Weiterführend Wolf, Effizienzen, S.  304 ff. 527 Oberender/Böge, Effizienz und Wettbewerb, S.  131, 133; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 945. 520 Fleischer/Zimmer/Schwalbe,

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fizienz lässt sich somit bis zu einem gewissen Grade mit dem privatrechtlichen Konzept eines Schutzes realer wirtschaftlicher Selbstbestimmung vor Ausbeutung in Einklang bringen; denn eine derartige Ausbeutung liegt nicht vor, wenn einem Unternehmen durch die Gewährung von zeitweiligen Monopolrenten finanzielle Anreize für eine effiziente Investitions- und Innovationstätigkeit gesetzt werden, die im Erfolgsfall langfristig den Verbrauchern zugute kommen. 5. Anwendung der Effizienzkonzepte auf die Analyse von Märkten (Neoklassische Preistheorie) Aus dem Blickwinkel der neoklassischen Wettbewerbstheorie ist wirtschaftliche Marktmacht die Fähigkeit eines Anbieters, die Preise durch Reduzierung der Angebotsmenge über das Niveau wie bei vollkommener Konkurrenz zu heben und dadurch antikompetitive Gewinne zu erzielen, die bei wirksamem Wettbewerb nicht möglich wären.528 Wie wir noch sehen werden, ist diese allgemeine Definition für die Identifikation eines Missbrauchs wirtschaftlicher Macht durch Ausbeutung des Vertragspartners immer noch bedeutsam. Blicken wir aber zunächst in der gebotenen Konzentration auf die wesentlichen Aussagen der Preistheorie. a) Pareto-Effizienz und Marktwirtschaft Wie wir schon gesehen haben, beschreibt das Konzept der Pareto-Effizienz ein effizientes Verhalten in einem allgemeinen Rahmen, ohne auf die Organisation der Volkswirtschaft abzustellen, etwa als Zentralverwaltungs- oder als Marktwirtschaft.529 Demgegenüber fragt die „Theorie des allgemeinen Gleichgewichts“, unter welchen Voraussetzungen eine Marktwirtschaft, in der Güter auf Märkten gehandelt werden und jedes Gut einen Preis hat, pareto-optimale Ergebnisse erzielt (Preistheorie).530 Sie kann aufzeigen, dass in einer marktwirtschaftlich organisierten Volkswirtschaft unter bestimmten – allerdings sehr restriktiven 531 – Voraussetzungen ein Zustand existiert, in dem alle Haushalte bei den gegebenen Preisen ihren Nutzen maximieren,532 alle Unternehmen ihren Gewinn maximieren und zugleich auf allen Märkten Angebot und Nachfra528 

Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  133. Siehe oben Teil 4 C. III. 3. c). Die nachfolgende Darstellung orientiert sich an Fleischer/ Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 52 ff. 530  Grundlegend sind Arbeiten von Debreu, Arrow und McKenzie, vgl. Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 52 mit Fn.  13. 531 Unter Anwendung von Ceteris-Paribus-Klauseln werden bis auf einen oder wenige Faktoren alle anderen Einflussgrößen konstant gesetzt; vgl. Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 284. 532  Wobei unterstellt wird, dass die Haushalte nicht mehr ausgeben, als sie an verfügbarem Einkommen haben. 529 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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ge übereinstimmen.533 Demgemäß sind hier die Pläne aller Wirtschaftsteilnehmer miteinander vereinbar, weshalb jeder Konsument diejenigen Waren beziehen kann, die seinen Präferenzen und seinem Einkommen entsprechen, und kein Unternehmen seine Waren nicht veräußert bekommt (Wettbewerbsgleichgewicht, allgemeines Gleichgewicht). Sind die restriktiven Voraussetzungen des Modells erfüllt, so liegt ein allgemeines Gleichgewicht vor, das zugleich pareto-effizient ist. Dies wird – wie wir bereits oben gesehen haben – auch als erster Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie bezeichnet.534 Damit wird jedoch noch keine Aussage über eine „faire“ oder „gerechte“ Verteilung der Güter getroffen. Hier greift der zweite Hauptsatz der Wohlfahrtsökonomie ein, wonach jede pareto-effiziente Allokation als Wettbewerbsgleichgewicht erreicht werden kann, sofern die entsprechenden Umverteilungen im Hinblick auf die Startbedingungen der Marktteilnehmer erfolgen. Hierin liegt zugleich die Aussage, dass es nicht geboten ist, die marktwirtschaftliche Organisation aufzugeben, sondern dass ein System von Wettbewerbsmärkten bei entsprechender Reorganisation der Anfangsausstattungen in der Lage ist, jede pareto-effiziente Allokation zu erreichen. Das Pareto-Kriterium selbst ist wie erläutert hinsichtlich der konkret gewünschten Verteilung indifferent. Hierzu stehen verschiedene Kriterien zur Auswahl: neben dem bereits behandelten Kaldor-Hicks-Kompensationskriterium auch sog. soziale Auswahlregelungen535 sowie die bereits behandelten Wohlfahrtsfunktionen.536 Diese beruhen jeweils auf einer Wertentscheidung, welche die Ökonomie nicht selbst herleiten kann.537 Aus zivilistischer Sicht begründen sie folglich keine durchgreifenden Einwände gegen ein Konzept materialer Selbstbestimmung.

533 

Siehe Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 49 f. Das formale Fundament der neuen Wohlfahrtstheorie wurde insbesondere von Arrow gelegt (Arrow, Social Choice and Individual Values, S.  22 ff.). 535  Durch die sog. sozialen Auswahlregeln werden die Präferenzordnungen der Individuen zu einer gesellschaftlichen Präferenzordnung aggregiert. Die gesellschaftlich präferierte Alternative wird als pareto-optimal angesehen. Diskutiert werden verschiedene soziale Auswahlregeln wie die Mehrheitsregel, die diktatorische Auswahlregel oder die „Paretianische Auswahlfunktion“, vgl. Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 56. 536  Die bekanntesten Beispiele sind die utilitaristischen Nutzenfunktionen sowie die Rawls´sche Nutzenfunktion, vgl. Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 56. 537  Arrow (Social Choice and Individual Values, S.  2 2 ff.) hat nachgewiesen, dass es unter der Annahme bestimmter Mindestbedingungen an die Regelfindung nicht möglich ist, eine soziale Auswahlregelung zu formulieren, die zu einer konsistenten (transitiven) gesellschaftlichen Präferenzordnung führt (sog. „Arrow-Unmöglichkeitstheorem“). Das Theorem formuliert somit die Grenzen der Wohlfahrtsfunktionen, sofern man keine kardinale Nutzenmessung und interpersonellen Vergleiche vornimmt. Dazu ausführlich Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  107 ff. Siehe auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  29 ff., wonach die Bedeutung des Arrow-Unmöglichkeitstheorems darin liege, dass es die Wertungsabhängigkeit jeder Kollektiventscheidungsregelung aufzeige, die eine Rangordnung sozialer Zustände herstellen will. 534 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

b) Vollkommene Konkurrenz als Situation ohne Ausbeutungspotenzial Im Mittelpunkt des neoklassisch-statischen Modells der vollkommenen Konkurrenz steht eine graphische Darstellung der Preiskurve, die in ihrer Grundform aus zwei sich schneidenden Kurven von Angebot und Nachfrage besteht.538 Diese basiert auf der Vorstellung, dass eine Volkswirtschaft aus vielen kleinen und mittleren Anbietern und Nachfragern bestehe.539 Auf dieser Grundlage habe der einzelne Marktteilnehmer keinen Einfluss auf den Marktpreis (keine „wirtschaftliche Macht“), weshalb er sich nur als sog. Mengenanpasser betätigen könne. Für das Marktverhalten dieser Mengenanpasser wurde im Rahmen der Marktstruktur des zweiseitigen Polypols (atomistische Markstruktur mit vielen Anbietern und Nachfragern) ein Modell gesucht, wonach diese ihre Entscheidungen ausschließlich am vorgegebenen Marktpreis orientieren. Anderweitige Entscheidungsparameter wie Qualität, Standort, Lieferzeit oder etwa persönliche Präferenzen wurden deshalb ausgeklammert.540 Das auf dieser Grundlage entwickelte Modell der vollkommenen Konkurrenz541 hat grundsätzlich folgende Prämissen: 542 Homogene Güter ohne Qualitätsunterschiede oder Produktdifferenzierungen, alle Marktteilnehmer handeln mit feststehenden Präferenzen, die Märkte sind vollständig transparent,543 es besteht eine unendlich hohe Reaktionsgeschwindigkeit und die Märkte sind offen, da keine Markteintritts- und Marktaustrittsschranken bestehen. Weiterhin wird die Produktion von Unternehmen nur von den selbst eingesetzten Faktormengen bestimmt, ebenso wie der Nutzen der Haushalte nur durch die von ihnen selbst konsumierten Gütermengen.544 Externe Effekte in Produktion und Statuskonsum werden also nicht berücksichtigt.545 Unter Zugrundelegung des neoklassischen Verhaltensmodells des „homo oeconomicus“ verfügt ein Unternehmen in einer solchen Situation annahmegemäß über keine autonomen Preissetzungsspielräume, weshalb es auch keines Schutzes der Verbraucher vor Ausbeutungsmissbräuchen bedarf. Erhöht es sei538 

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  96. Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  45: blauäugige Vorstellung angesichts der gewaltigen Unternehmenskonzentration in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. 540  Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S.  139; Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  45. 541 Grundlegend Knight, JPE 24 (1921), 304 ff.; siehe zum unterschiedlichen Begriffsverständnis Hoppmann, WuW 1966, 97 ff.; vgl. auch Hoppmann, ORDO 17 (1966), 369, 370. 542 Die Bedingungskataloge können je nach Autor differieren, vgl. Cox/Jens/Markert/ Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 12. 543  Siehe zur Markttransparenz in Zusammenhang mit sog. Preismeldestellen Hoppmann, WuW 1966, 95, 96 f. 544 Fleischer/Zimmer Schwalbe, Effizienz, S.  43, 53 f. 545 Schumann/Schumann, Kosmos der Ökonomie, S.   248, 256. Berücksichtigte man jedoch derartige negative externe Effekte (Externalitäten), verstießen viele freiwillige Markttransaktionen gegen das Pareto-Prinzip; ebenso Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  54. 539 Krit.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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ne Preise, muss es mit der Abwanderung seiner perfekt informierten, rational und eigennützig handelnden Abnehmer zur Konkurrenz rechnen. Da die einzelnen Anbieter den Preis nicht beeinflussen können, stellt sich für sie einzig die Frage nach der gewinnmaximierenden Ausbringungsmenge. Im stabilen Gleichgewicht pendelt sich der Marktpreis insoweit im (Durchschnitts-)Kostenminimum ein. Mit Erreichen dieses Gleichgewichtszustands besteht für kein Individuum mehr ein Anlass oder eine Möglichkeit für weitere Anpassungen. Der Prozess der Preisbildung führt somit zu einem statischen Gleichgewichts­ preis, bei dem kein Individuum besser gestellt werden kann, ohne dass ein anderes Individuum schlechter dasteht.546 Beschrieben wird damit das Kriterium der wirtschaftlichen (allokativen) Effizienz: 547 Die Konsumgüter sind zwischen den Konsumenten effizient alloziert, weshalb durch eine Umverteilung keine Verbesserung mehr erreicht werden kann. Die Produktion erfolgt effizient, weshalb durch eine Umverteilung der Ressourcen der Output nicht erhöht werden kann, ohne dass gleichzeitig von einem anderen Output weniger hergestellt würde (produktive Effizienz). Schließlich setzen die Produzenten ihre knappen Ressourcen so ein, wie es der Zahlungsbereitschaft der Konsumenten entspricht; es ist also auch die Verteilung zwischen Konsum- und Produktionsbereich effizient. Das analytische Modell der vollkommenen Konkurrenz zeigt zum einen, dass die allokative und produktive Effizienz das Ergebnis des Verhaltens konkurrierender Marktteilnehmer ist, die sich hinsichtlich ihrer individuellen Angebotspreise an den vom Markt vorgegebenen Wettbewerbspreisen orientieren müssen, weshalb sie keine Macht über den Markt und seine Teilnehmer haben, sondern dessen Anpassungsdruck unterworfen sind.548 Zum anderen ist die allokative Effizienz die Folge der (atomistischen) Marktstruktur, was gleichsam im negativen Sinn auch durch die noch zu schildernde Monopoltheorie nachgewiesen wird.549 Die allokative Effizienz der neoklassischen Theorie wird freilich zuweilen als Aufforderung an den Gesetzgeber verstanden, den Gleichgewichtspunkt durch eine entsprechende Ausgestaltung des Wettbewerbsrechts proaktiv zu erreichen. Die Forderung nach Sicherung des Wettbewerbs und dem Erreichen wirtschaftlich effizienter Zustände hängen nach einer solchen Sichtweise also zusammen.550 Diese „Mathematisierung der Wettbewerbstheo546  Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  12; Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 11 f.; siehe auch Hoppmann, ORDO 17 (1966), 369, 371: „Das Wettbewerbsgleichgewicht zeigt einen Endzustand, der sich unter bestimmten Voraussetzungen als Ergebnis der vollkommenen Konkurrenz als einer Form der Preisbildung einstellt.“ 547 Fleischer/Zimmer/Schwalbe, Effizienz, S.  43, 49 f. 548 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 15. 549 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 15. 550  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  96.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

rie“551 ist mit Ingo Schmidt kritisch zu sehen, da hiermit im Ergebnis die Idee des wirtschaftlichen Wohlstands von der Idee der Freiheit abgetrennt wird, wie sie für eine marktwirtschaftlich-dynamische Ordnung prägend ist.552 c) Marktmacht als Aufgreiftatbestand zur Kontrolle des Marktverhaltens von Unternehmen Den diametralen Gegensatz zur Marktform des Polypols bildet das Monopol als stärkste Form der Marktmacht.553 Der Monopolist kann als einziger Produzent eines Gutes darüber entscheiden, welche Menge er von diesem zu welchem Preis anbietet. Sofern er als rationaler Gewinnmaximierer agiert, wird er denjenigen Preis wählen, bei dem er den maximalen Gewinn erzielt.554 Hierfür hat der Monopolist zu berücksichtigen, dass er zwar die Angebotsmenge frei bestimmen kann, ohne dadurch Marktanteile zu verlieren. Er wird jedoch mit steigenden Preisen diejenigen Nachfrager verlieren, die diese Preise nicht mehr zahlen wollen oder können.555 Der Monopolpreis liegt insoweit an dem Punkt, an dem der Gewinn als positive Differenz zwischen Grenzerlös und Grenzkosten nicht mehr steigt. Das Fehlen von Wettbewerb erlaubt es dem Monopolisten folglich, weniger zu produzieren, als es bei optimaler Nutzung der verfügbaren Ressourcen möglich wäre, und gleichwohl einen höheren Preis als volkswirtschaftlich begründbar zu verlangen, so dass es weder zu einer effizienten Allokation noch zu einer effizienten Produktion kommt.556 Aus diesem Grunde muss eine dem Primat der material-chancengleichen Selbstbestimmung verpflichtete Rechtsordnung das Verhalten von marktmächtigen Unternehmen einer Kontrolle am Maßstab der Situation bei wirksamem Wettbewerb unterziehen. Letztere kann jedoch – wie wir noch sehen werden – nicht mit den unrealistischen Prämissen der Theorie vollkommener Konkurrenz gleichgesetzt werden. 6. Zusammenfassung und Gesamtbewertung Die neoklassische Wettbewerbstheorie ist in der positiven Ökonomie mangels Alternativen weiterhin ein wichtiges und anerkanntes Instrument, um ein Marktversagen zu identifizieren und zu analysieren.557 Allerdings stimmen die 551 Dazu

Neumann, Wettbewerbstheorie, S.  69 f. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  7, unter Verweis auf Hoppmann. 553 Vgl. Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  2 2 ff. Die praktisch höchst bedeutsame Oligopoltheorie kann in dieser Untersuchung nicht näher behandelt werden; es ist insoweit auf die wettbewerbstheoretische Spezialliteratur zu verweisen; Nachweise etwa bei Mestmäcker/Schweitzer, §  25 Rn.  104 ff. 554  Die Argumentation kann auch auf andere Wettbewerbsparameter wie die Menge übertragen werden, vgl. Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  22 mit Fn.  36. 555 Vgl. Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  130. 556  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  131. 557  So schon Hoppmann, ORDO 17 (1966), 369, 371 ff. 552 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Prämissen des Modells der vollkommenen Konkurrenz nur selten mit der Wirklichkeit überein, so dass aus wohlfahrtsökonomischer Sicht praktisch auf sehr vielen Märkten ein Marktversagen festzustellen wäre.558 Von Hayek hat deshalb zu Recht moniert, dass die neoklassische Theorie „für jene Fälle, in denen sie interessant ist, nie empirisch nachgeprüft werden kann“.559 Von Demsetz wurde sie aufgrund ihres fiktiven Ansatzes sogar mit der abwertenden Formulierung „Nirwana-Approach“ belegt.560 Auch in der aktuellen Wirtschaftsund Finanzkrise wurde der Ruf nach einer grundlegenden Überprüfung der Annahmen der neoklassischen Theorie laut (konkret im Hinblick auf die Annahme des Rationalverhaltens).561 Selbst wenn der neoklassischen Theorie somit das Verdienst zukommt, innerhalb des Modells der vollständigen Konkurrenz nachgewiesen zu haben, dass der gesamtgesellschaftliche Wohlstand im Gleichgewichtspunkt sein Maximum erreicht, und sie so den Ausgangspunkt für weitere Verfeinerungen der Wettbewerbstheorie etwa durch die Theorie der Workable Competition bildete, ist ihr Modelldenken in Situationen der Unsicherheit oder bei komplexen Marktgegebenheiten nur begrenzt hilfreich.562 Wie wir gesehen haben, geht die (neo-)klassische Wettbewerbstheorie davon aus, dass sich Unternehmer und Verbraucher im Sinne des Leitbildes eines „homo oeconomicus“ rational im Sinne von Gewinn- bzw. Nutzenmaximierung verhalten. Eine solche Verhaltensannahme ermöglicht es, situative Knappheitssituationen auf einfache Art und Weise zu analysieren. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Menschen oft irrational und emotional entscheiden, mit der Folge, dass Märkte versagen und Krisen entstehen. Vor diesem Hintergrund wird es eine Aufgabe künftiger Forschung sein, mögliche Abweichungen von der Ra­ tionalitätsannahme zu ermitteln, ohne die Möglichkeiten von Ökonomik und Recht, menschliches Verhalten zu steuern, übermäßig oder insgesamt in Frage zu stellen, wie dies zuweilen den Anschein haben mag. Dies ist Gegenstand der noch zu erörternden Verhaltensökonomie.563 Weiterhin ermöglicht die umfangreiche Verwendung von Ceteris-paribusKlau­seln gemeinsam mit pauschalen Effizienzvermutungen nur eine statische Analyse, wohingegen der Wettbewerb in Wirklichkeit als dynamischer Prozess abläuft. Insbesondere kann der Wettbewerb mit neuen Produkten und Techno558 Vahlens Kompendium/Kerber, S.   369, 377; Kyrer/Penker, Volkswirtschaftslehre, S.  71 f.; allenfalls hochliquide Börsen erfüllen die maßgeblichen Voraussetzungen im Hinblick auf die Marktstruktur, I. Schmidt, WuW 1964, 120, 121; Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  50. 559  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  4 [im Original z. T. hervorgehoben]. 560  Demsetz, J. L. Econ. 12 (1969), 1 ff. 561  Coyle, ZfW 61 (2012), 103 ff., S.  106. 562  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  146; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  7 ff. 563  Teil 4 D. III.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

logien (Innovationen) nicht vom Modell der vollkommenen Konkurrenz erfasst werden, da dessen Annahmen implizieren, dass Innovationen sofort imitiert werden.564 Zwar erschien es durch die „Mathematisierung der Wettbewerbstheorie“565 erstmals möglich, exakte Ergebnisse zu gewinnen. Dies gelang jedoch nur, indem man die wettbewerblichen Realitäten weitgehend ausblendete. Anders als in der klassischen Wettbewerbstheorie standen nicht mehr sich verändernde Marktgegebenheiten und die durch diese Störungen ausgelösten Anpassungsprozesse sowie die innovativen Kräfte im Blick, welche die Dynamik des Wettbewerbsprozesses ergeben; denn unter den realitätsfernen und restriktiven Modellbedingungen kann sich kein dynamischer Wettbewerbsprozess entfalten, da die Wettbewerber keinen Anreiz haben, ihre Aktionsparameter zu ändern.566 Der Preiswettbewerb entfällt, da dieser ein Datum ist und sich die Unternehmen nur als „Mengenanpasser“ verhalten können. Qualitätswettbewerb und Produktdifferenzierung scheiden aus, da es sich annahmegemäß um homogene Güter handelt. Werbung ist nicht erfolgversprechend, da eine volle Markttransparenz besteht. Innovative Kostensenkungen sind nicht lohnend, da die Konkurrenten ohne Zeitverzögerung mitziehen. Der Blickwinkel verengt sich somit von einer Analyse des Wettbewerbsprozesses zu einer solchen des Zustands an seinem Ende.567 Die noch von Adam Smith betonte dynamisch-oszillierende Annäherung an den Gleichgewichtspunkt wird ersetzt durch den statischen Zustand einer fiktiven Wirtschaftsordnung, die im Gleichgewichtspunkt ruht und auf diesem Wege dauerhaft das Pareto-Optimum erreicht; 568 denn ein „wirkliches Gleichgewicht setzt voraus, dass die relevanten Tatsachen schon entdeckt sind und der Prozess des Wettbewerbs daher zum Stillstand gekommen ist.“569 Aus diesem Grunde sind die Modelle – wie dies in der neueren Regulierungstheorie geschieht – durch Anreize für Investitions- und Innovationstätigkeiten zu ergänzen. Auch sollte der Gesetzgeber wirtschaftliche Macht 564 

Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378. Neumann, Wettbewerbstheorie, S.  69 f. 566  Zum Folgenden Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  15; Cox/Jens/Markert/ Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 11; siehe auch Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S.  139. 567 Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 11; prägnant von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  8 : Die neoklassische Preistheorie gehe aus von „einem Zustand, den die Theorie merkwürdiger Weise vollkommenen Wettbewerb nennt, in dem aber für die Tätigkeit, die wir Wettbewerb nennen, keine Gelegenheit mehr besteht, und von der vielmehr vorausgesetzt wird, daß sie ihre Funktion bereits erfüllt hat“ [im Orig. z. T. hervorgehoben]. 568  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  35; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  97. 569  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.   10, der deshalb den Begriff „Ordnung“ demjenigen des Gleichgewichts vorzieht: „Während ein Gleichgewicht nie wirklich besteht, ist es doch berechtigt zu behaupten, dass die Art von Ordnung, von der das ‚Gleichgewicht‘ der Theorie eine Art Idealtyp darstellt, in hohem Maße verwirklicht wird“ [a. a. O.]. 565 Dazu

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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nicht per se unterbinden, sondern nur ihre abträglichen Wirkungen auf den Wettbewerbsprozess und die Wohlfahrt der Bürger. Aus Sicht einer auf der Idee der Selbstbestimmung gründenden Privatrechtsordnung begegnet auch die normative Zielsetzung der Neoklassik Bedenken: 570 Diese will den Gleichgewichtspunkt nicht nur analytisch ermitteln, sondern strebt zusätzlich normativ die Deckungsgleichheit von Angebot und Nachfrage im Sinne allokativer und produktiver Effizienz an.571 Hierdurch wendet sie sich von der Wettbewerbstheorie Adam Smiths ab, der den Wettbewerb noch als Prozess beschrieben hatte, der sich induktiv „von unten“ heraus aus der Ausübung wirtschaftlicher Freiheitsrechte ergibt. Während der Wettbewerb von Smith als ein Garant der individuellen Freiheit verstanden wurde, stellt die Neoklassik die Maximierung der gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt ins Zentrum ihrer wettbewerbspolitischen Konzeption, in der die – annahmegemäß bestehende – Präferenzautonomie im Ergebnis lediglich als funktionale Zuweisung fungiert. Auch andere Aspekte wie gesellschaftspolitische Grundüberzeugungen, demokratietheoretische Gesichtspunkte oder Werte wie Bürgersouveränität spielen bei ihr keine Rolle, müssen dies in einem ökonomischen Modell jedoch auch nicht, sofern man sich nur der Notwendigkeit bewusst ist, die Modell­ ergebnisse nicht unreflektiert übernehmen zu können.572 Zur Beurteilung der gesellschaftlichen Wohlfahrt bedient sich die Neoklassik u. a. der Pareto- und der Kaldor-Hicks-Effizienz.573 Das Kaldor-Hicks-Kriterium wandelt das grundsätzlich privatrechtskonforme, die Selbstbestimmung der Individuen betonende Pareto-Kriterium insoweit ab, als es auch einen Vergleich von Zuständen gestattet, die jeweils für einige Individuen nachteilig sind, solange nur die überwiegende Zahl der Personen davon profitiert.574 Rechtliche Institutionen wie Privatautonomie und Vertragsfreiheit werden zwar anerkannt, aber nur als Mittel zum Zweck des Erreichens des wohlfahrtsökonomischen Optimums.575 Dies entspricht im Ergebnis einem formalen Verständnis der Vertragsfreiheit, bei dem schon ein rechtlich frei geschlossener Vertrag ein effizientes Ergebnis bewirkt.576 In den letzten Jahrzehnten ist in den Wirtschaftswissenschaften deshalb zu Recht das theoretische Interesse am Einfluss der institutionellen Struktur auf den Wirtschaftsprozess gestiegen.577 Diese Forschungsrichtungen befassen sich unter dem Oberbegriff der „Neuen Insti-

570 

Leistner, Richtiger Vertrag, S.  27 f.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  146. Clark, AER 45 (1955), 450, 451. 572  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 216. 573  Siehe oben Teil 4 C. III. 3. c) und d). 574  Siehe ebenfalls Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  15 f. 575  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  35. 576  So zur Chicago School Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  106. 577 Vgl. Mantzavinos, Individuen, Institutionen und Märkte, S.  171. 571 Krit.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

tutionenökonomik“ mit verschiedenen Ausprägungen der Problematik, welchen Einfluss Institutionen auf das ökonomische Leben haben.578

IV. Wirtschaftliche Macht als ambivalentes Phänomen – Die Theorien der Workable Competition Immer noch wichtig für das Verständnis der Ambivalenz wirtschaftlicher Macht sind die Konzepte der Workable Competition, auch wenn aus heutiger Sicht eine Reihe ihrer Handlungsempfehlungen nicht mehr als zeitgemäß erscheinen mögen. 1. Die Vorläufermodelle der „monopolistischen“ bzw. „unvollkommenen“ Konkurrenz Wie wir gesehen haben, unterschied die klassische Wettbewerbstheorie zwischen freier Konkurrenz und Monopol, wobei die freie Konkurrenz als wirtschaftspolitisches Idealbild eingestuft wurde.579 In der neoklassischen Wettbewerbstheorie wurden die Bedingungen des Wettbewerbs näher untersucht. Hierbei kam man zur Frage nach der Vollkommenheit des Wettbewerbs, die zur Theorie des vollkommenen Wettbewerbs führte.580 Der vollkommene Wettbewerb wurde als analytisches Modell angesehen, in dem der einzelne Marktteilnehmer keinerlei Einfluss auf das Marktgeschehen hat und deshalb faktisch machtlos ist. Diese Erkenntnis wurde auch auf die Wirtschaftspolitik übertragen, wodurch statt des freien ein vollkommener Wettbewerb – und damit die allgemeine Machtlosigkeit aller Individuen – als Leitbild angesehen wurde.581 Zu Beginn der 1930er Jahre setzte – wohl auch als Reaktion auf die vorangegangene Weltwirtschaftskrise – in verschiedenen Ländern eine gegen die klassische Wettbewerbstheorie mit ihrem Leitbild der vollkommenen Konkurrenz gerichtete Bewegung ein, benannt als „preistheoretische Revolution“.582 Diese befasste sich nicht nur mit den Marktformen des vollkommenen Wettbewerbs und des Monopols, sondern auch mit den Zwischenformen unvollkommenen Wettbewerbs.583 Sie sah jedoch den vollkommenen Wettbewerb weiterhin als 578  Mantzavinos, Individuen, Institutionen und Märkte, S.   171. Benannt seien etwa die Rechtsökonomie, die Ökonomik der Verfügungsrechte, die Transaktionskostenökonomik, die Public-Choice-Theorie und die Konstitutionenökonomik, aber auch die Ordnungstheorie in Nachfolge des Ordoliberalismus. Siehe die Darstellung bei Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik. Zum ökonomischen Begriff der Institution siehe unten Teil 4 D. II. 1. 579  Siehe Teil 4 C. II. 2. und 3. 580  Siehe Teil 4 C. III. 5. b). 581  Vgl. Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 188 f. 582  Hoppmann, ORDO 17 (1966), 369; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  10; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378. 583  Hoppmann, ORDO 17 (1966), 369.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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das maßgebende Modell an, gekennzeichnet durch die Bedingungen des einheitlichen Preises, des homogenen Gutes, der vollkommenen Markttransparenz, der polypolistischen Angebots- und Nachfragestruktur sowie der Übereinstimmung von Stückkosten und Preis. Alle Faktoren, die zu einer Abweichung von diesem Modell führten, wurden als Unvollkommenheitsfaktoren („imperfections“) oder Monopolelemente („monopoly elements“) eingestuft, waren also „unvollkommener“ bzw. „monopolistischer“ Wettbewerb.584 Auf dieser Grundlage war der vollkommene Wettbewerb des statischen Modells praktisch nicht zu erreichen. Als wirtschaftspolitisches Ideal sollte er jedoch weiterhin so gut wie möglich angestrebt werden.585 Wettbewerbspolitisches Ziel war deshalb, die Anzahl der Unvollkommenheiten so gering wie möglich zu halten: je geringer die Heterogenität der Güter, je vollkommener die Markttransparenz, je größer die Zahl von Anbietern oder Nachfragern und je einheitlicher und niedriger die Preise, desto näher sei man dem Ideal.586 Grundlegend für diese Neuorientierung war ein Beitrag von Sraffa aus dem Jahr 1926,587 in dem er erläuterte, dass auf den Gütermärkten – bewirkt u. a. durch die Präferenzen der Kunden – anstelle der unterstellten Homogenität eine Vielzahl von Teilmärkten bestünden, da jeder Wettbewerber aufgrund der Verbraucherpräferenzen eine gewisse monopolistische Stellung innehabe.588 Darüber hinaus zeigte Sraffa auf, dass die Produktionsfunktion durch steigende Skalenerträge gekennzeichnet ist, weshalb zur Wohlstandsmaximierung in gewissem Umfang auch große Unternehmen und Konzerne erforderlich sind. Andererseits sind diese in geringerem Maße als Kleinunternehmen dem Wettbewerb ausgesetzt, so dass die Gefahr besteht, dass die Skalenerträge nicht an die Verbraucher weitergegeben werden,589 es also zu der im Zentrum unserer Untersuchung stehenden Ausbeutung der Verbraucher durch antikompetitiv überhöhte Preise kommt. Die Thesen Sraffas wurden sodann von Chamberlin und Robinson aufgegriffen und zum sog. Modell der monopolistischen („monopolistic“) bzw. unvollkommenen („imperfect“) Konkurrenz weiterentwickelt, das der Heterogenität von Gütern und der dadurch herbeigeführten Monopolisierung Rechnung tragen sollte.590 Gemeinsames Merkmal dieser Theorien war die Unterscheidung 584 Hoppmann/Hoppmann,

Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 189. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  11 f. Während also insbesondere in den USA der 1930er Jahre das Oligopol in den Mittelpunkt der Wettbewerbstheorie rückte, forderte Eucken als Leitbild für die Wirtschaftspolitik als praktikable Abwandlung der „vollkommenen Konkurrenz“ weiterhin eine „vollständige Konkurrenz“. 586 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 190. 587  Sraffa, EJ 1926, 535, 536 ff. 588  Vgl. auch Günther, WuW 1964, 111, 112. 589  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  10. 590  Chamberlin, The Theory of Monopolistic Competition; Robinson, The Economics of Imperfect Competition. Dazu Günther, WuW 1964, 111, 112; Cox/Jens/Markert/Kantzen585 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

zwischen Standarderzeugnissen, die auf spezifischen Märkten gehandelt werden, und spezifischen Erzeugnissen: 591 Letztere würden durch die Anbieter mittels Werbung „heterogenisiert“, wodurch sie einen eigenen kleineren Markt bildeten. Auf der Basis dieser Heterogenisierung könnten die Anbieter anders als im Modell der vollkommenen Konkurrenz einen spürbaren Einfluss auf den Preis ausüben. Dieser sei also – anders als im neoklassischen Modell – nicht mehr ein Datum, sondern eine Variable.592 Adressiert wurden damit die Probleme (wettbewerbsloser) Oligopole und des sog. Nichtpreiswettbewerbs. Auf dieser Grundlage reifte bald die Erkenntnis, dass in bestimmten Situationen nicht der vollkommene Wettbewerb, sondern der unvollkommene Wettbewerb das wünschenswerte wettbewerbspolitische Leitbild sei. Da man dieses Ideal aber (vielleicht auch aus psychologischen Gründen) nicht als unvollkommen bezeichnen konnte oder wollte, gab man ihm den Namen „funktionsfä­ higer Wettbewerb“.593 Grundlegend war die sog. Gegengift-These („remedial imperfection“),594 wonach die Ergebnisse auf einem Markt mit mehreren Unvollkommenheitsfaktoren durch das Hinzutreten weiterer Unvollkommenheitsfaktoren verbessert werden könnten. Damit wurde in Abrede gestellt, dass jede Erhöhung des Vollkommenheitsgrades eines Marktes (und damit zugleich jede Verringerung wirtschaftlicher Machtpositionen) die Ergebnisse des Marktprozesses verbessert.595 Die Workable-Competition-Theorie ist zwar nicht speziell für das Problem oligopolistischer Konkurrenz entwickelt worden, hat jedoch – wie die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen – dort einen wesentlichen praktischen Anwendungsbereich.596 2. „Industrial Organization“ (Harvard School) a) Traditionelle Industrieökonomik Die in der Universität von Harvard entwickelte Forschungsrichtung der „Industrial Organization“ machte es sich zur Aufgabe, einen analytischen Rahmen zur Verfügung zu stellen, der als Grundlage für die Erforschung realer Wirkungszusammenhänge der Prozesse, Strukturen und Organisationen von Inbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, wonach Chamberlin und Robinson dadurch dem infolge der Weltwirtschaftskrise aufgekommenen Wettbewerbspessimismus weiteren Vorschub leisteten. 591  I. Schmidt, WuW 1964, 120, 123. 592  I. Schmidt, WuW 1964, 120, 123. 593  Clark, AER 30 (1940), S.  241; siehe Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 190. 594  Zum Begriff „Gegengiftthese“ vgl. Gerhardt, Rabattwettbewerb und Rabattordnung, S.  25; Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 190. 595  So die instruktive Analyse von Hoppmann, Workable Competition als wettbewerbspolitisches Konzept, in: Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 191. 596 Vgl. Sandrock, Grundbegriffe, S.  340 Rn.  33.

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dustrien (Unternehmen) dienen sollte.597 Dabei stützte sie sich zunächst auf das – im Grundsatz schon aus der Preistheorie bekannte598 – Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma, wonach kausale Beziehungen zwischen diesen Faktoren bestehen sollen, weshalb ausgehend von bestimmten Marktstrukturen bestimmte Verhaltensweisen ermittelt werden könnten, die dann wiederum zu den gewünschten Ergebnissen führten. Die Industrial Organization wird auch als traditionelle Industrieökonomik bezeichnet,599 im Gegensatz zur Neuen Industrieökonomik der Post-Chicago-Zeit. 600 Ebenso wie der Forschungsrichtung der Industrial Organization liegt auch den Konzepten des funktionsfähigen Wettbewerbs ein Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma zugrunde. Vor dem Hintergrund dieser Gemeinsamkeiten werden im Schrifttum beide Forschungsrichtungen zusammenfassend als Harvard School bezeichnet. 601 Industrial Organization beschäftigte sich mit den tatsächlichen Wettbewerbsprozessen von Industrien auf der Grundlage marktspezifischer Partialmodelle. 602 Demgemäß arbeitete die traditionelle „Industrial Organization-Lehre“ insbesondere mit empirisch-statistischen Untersuchungen, die zwar wettbewerbspolitisch relevante Ergebnisse erzielten, aber in ihrer Fragestellung nicht hierauf beschränkt waren. 603 Die Harvard School hatte insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren erheblichen Einfluss auf die US-amerikanische Wettbewerbspolitik. 604 Als wichtigste deutsche Vertreter gelten Erhard Kantzenbach (als Begründer des in den 1970er-Jahren wirkungsmächtigen Workability-Konzepts der optimalen Wettbewerbsintensität) sowie aus heutiger Sicht vor allem Ingo Schmidt,605 weil er auch die freiheitsschützende Funktion des Wettbewerbs betonte. Die traditio­ 597  Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  2 ; Tirole, Industrieökonomik, S.  1 und 4; Bühler/Jaeger, Industrieökonomik, S.  1. Siehe auch die Übersichten bei Grether, AER 60 (1970), 83 ff.; Piraino, Indiana L. J. 82 (2007), 345, 348 ff. Ausführliche Nachweise bei Christiansen, „More Economic Approach“, S.  289 Fn.  977. 598  Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  20. 599  Bühler/Jaeger, Industrieökonomik, S.   1. Grundlegend zum „market-structure-conduct-performance“ Ansatz Mason, AER 29 (1929), 61, 66. Siehe auch Bain, Industrial Organization, S.  406 ff.; Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  4; aus jüngerer Zeit siehe Kirchner, ZHR 173 (2009), 775, 778. 600  Siehe dazu Teil 4 C. VII. 601  Siehe etwa I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  13 und 74. Zur Herkunft des Begriffs Kallfass, WuW 1980, S.  596 mit Fn.  5, der (wohl beispielhaft) den in Har­vard arbeitenden Bain benennt (Industrial Organization). Weitere wichtige Vertreter waren Mason, Scherer und Shepherd, vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  24. Da die Theorie der Workable Competition auf den Erkenntnissen der Industrial Organization beruht, sollen beide im Folgenden zusammen behandelt und vereinfachend als Harvard School bezeichnet werden (ebenso Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378). 602  Kaufer, Industrieökonomik, S.  10; Bühler/Jaeger, Industrieökonomik, S.  1 f. 603  Kaufer, Industrieökonomik, S.  10; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 379. 604  Christiansen, WuW 2005, 285, 289; ders., „More Economic Approach“, S.  289. 605 Ebenso Christiansen, „More Economic Approach“, S.  289 in Fn.  977.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

nelle Industrieökonomik wollte insbesondere die Zusammenhänge zwischen Marktstruktur und Marktergebnissen mittels empirisch-statistischer Untersuchungen analysieren. Eine intensiv untersuchte Hypothese ist der positive Zusammenhang zwischen der Unternehmenskonzentration einer Branche und der Höhe des Gewinns der Unternehmen.606 Die These wurde dahingehend weiterentwickelt, dass die Unternehmenskonzentration vor allem dann einen positiven Einfluss auf den Gewinn habe, wenn hohe Marktzutrittsschranken bestünden. 607 Nach Bain608 sind derartige Marktzutrittsschranken gegeben, wenn die etablierten Unternehmen dauerhaft die Preise über die Durchschnittskosten anheben können (Monopolrenten), ohne dass neue Unternehmen in den Markt drängen. Derartige strukturelle Marktzutrittsschranken könnten in absoluten Kostenvorteilen liegen (zum Beispiel durch Patente), in der Produktdifferenzierung der etablierten Unternehmen und in steigenden Skalenerträgen. Sie spielen für die Frage nach der Regulierungsbedürftigkeit von (Telekommunikations-) Märkten nach dem noch zu behandelnden sog. 3-Kriterien-Test des §  10 Abs.  2 Satz 1 TKG immer noch eine wesentliche Rolle. 609 Vertreter der Harvard School haben neben der beschriebenen theoretischen Forschung auch normative Ansätze entwickelt, wobei sich insbesondere in den 1960er Jahren eine gewisse Vermischung mit den Workability-Lehren feststellen lässt. 610 So setzen etwa Kaysen/Turner in ihrem früher einflussreichen Lehrbuch folgende „Aims of Antitrust Policy“: 611 1. Wünschenswerte ökonomische Resultate („desirable economic results“), 2. Förderung und Erhaltung von Wettbewerb („promoting competitive process“), 3. Förderung von fairem Verhalten („fair conduct“) sowie 4. Begrenzung von Großunternehmen („limiting big business“). Das Ziel der Förderung und Erhaltung von Wettbewerb als Eigenwert („end in itself“612) zielt dabei auf die Begrenzung unternehmerischer Macht durch die „anonyme“ Kontrolle des Marktes; denn wirtschaftliche Macht sei nicht nur unter ökonomischen, sondern auch unter gesellschaftlichen Gesichtspunkten bedenklich. 613 Kaysen/Turner anerkennen damit zu Recht einen Zielkonflikt zwischen der Erhaltung eines freien, auf individueller Selbstbestimmung basierenden Wettbewerbsprozesses und der Herstellung guter ökonomischer Resultate. 614 Als primäres Ziel sehen sie – insoweit in Übereinstimmung mit dem Ordoliberalismus und der zivilistischen Theorie des Vertra606 

Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378. 608  Bain, Barriers to New Competition, 1956; dazu Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  15 f. 609 Scheurle/Mayen/Kirchner/Käseberg, §  10 TKG Rn.  40 ff. 610  Dazu m. w. N. Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  25. 611  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.   11 ff.; dazu Christiansen, „More Economic Ap­ proach“, S.  291 f. 612  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  14. 613  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  14. 614  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  18. 607 

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ges – nicht die Erzielung ökonomischer Effizienz an, sondern die Begrenzung übermäßiger Marktmacht („unreasonable market power“). 615 Ein Unternehmen sei marktmächtig, wenn es „can behave persistently in a manner different from the behavior that a competitive market would enforce on a firm facing similar cost and demand conditions“. 616 Wie das „can“ in dieser Definition zeige, handle es sich primär um ein marktstrukturelles Konzept. 617 Das primäre Ziel sei dabei die Limitierung der Marktmacht, nicht aber ihre völlige Eliminierung, da dies aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Märkte nicht möglich sei (effiziente Produktion durch economies of scale u. a.). 618 Auch könne Marktmacht durch die Einführung und Verbesserung neuer Produkte gerechtfertigt sein.619 Übermäßig sei Marktmacht deshalb erst dann, wenn sie eine gewisse Mindesthöhe überschreite und eine gewisse Dauer aufweise. 620 Diese Erkenntnis ist auch heute noch grundlegend für eine sachgerecht-differenzierte Behandlung wirtschaftlicher Macht. b) Neue Industrieökonomik und Spieltheorie Wie noch zu zeigen ist, haben sich die hochgesteckten Erwartungen an das Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma nicht erfüllt, weil die als einseitig unterstellte Kausalbeziehung zwischen diesen Faktoren in Wirklichkeit nicht immer gegeben ist. 621 Die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen können aber durchaus als Korrelation interpretiert werden. 622 Vor diesem Hintergrund versucht die seit den 1970er Jahren einsetzende zweite Welle industrieökonomischer Forschung, 623 auch benannt als „Neue Industrieökonomik“, die empirische Ausrichtung der traditionellen Industrieökonomik durch eine verstärkte Theoriebildung zu ergänzen. 624 Ein wesentlicher Bereich ist die Ermittlung antikompetitiver Marktmacht auf der Grundlage ökonometrischer Modellansätze, auf deren Basis das Ausmaß der Marktmacht geschätzt werden soll. 625 615  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.   45 und 77. Christiansen, „More Economic Ap­ proach“, S.  292, will hierin eine „einschränkende Bedingung“ erkennen, verdeutlicht jedoch durch das Zitat in Fn.  990 (Comanor/White, Rev. Ind. Org. 7 (1992), 105, 114), dass es um eine langfristige Betrachtung und nicht um eine Abwägung im Einzelfall geht. 616  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  75. 617  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  75. 618  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  7 7. 619  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  78. 620  Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  78 f. 621  Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  26. 622  Tirole, Industrieökonomik, S.  2. 623  Tirole, Industrieökonomik, S.  3. 624  Bühler/Jaeger, Industrieökonomik, S.  2 ; Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 459; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  13. 625  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  133 ff.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Eine alternative Methode zur Aufdeckung von Marktmacht liegt in der Anwendung der sog. Spieltheorie, die sich mit der Ermittlung des Entscheidungsverhaltens von Marktakteuren in Konfliktsituationen befasst, 626 vergleichbar der Analyse eines Schachspiels. Sie ist im Kern eine Methode zur Beschreibung des Verhaltens von Anbietern auf oligopolistischen Märkten.627 Als solche wird ihr zuweilen attestiert, „die Struktur-Verhaltens-Theorie als Paradigma der Industrieökonomie abgelöst, die Chicago School überflüssig gemacht und die empirische Forschung im Bereich der Industrial Economics wiederbelebt“ zu haben. 628 Diese überschwängliche Bewertung scheint schon deshalb zu voreilig, weil die Spieltheorie allein auf den interaktiven Charakter von Wettbewerbshandlungen abstellt,629 der jedoch nur einen begrenzten Ausschnitt aus dem Gesamtkomplex der adäquaten Behandlung wettbewerbsrechtlicher Problemstellungen ausmacht, etwa bei der Analyse kooperativen Verhaltens (Oligopolproblem), 630 des Aufbaus einer aggressiven Reputation durch Kampfpreisstrategien631 oder der Destabilisierung von Kartellen durch die Möglichkeit ­eines sanktionsmindernden Kronzeugenantrags. 632 Demgegenüber ist die Spieltheorie für die Behandlung der vorliegend im Zentrum stehenden Ausbeutung der Marktgegenseite weitgehend ohne Belang. 633 Insoweit kommt der traditionellen Industrieökonomik weiterhin die wichtige Bedeutung zu, die besondere Bedeutung kompetitiver Marktstrukturen für ein material-freiheitliches Privatrecht herausgestellt zu haben. 3. Workable Competition als Second-best-Lösung (Clark) a) Ablösung des neoklassischen Konzepts vollkommener Konkurrenz Als Reaktion auf das als unzureichend erkannte Modell der vollkommenen Konkurrenz wollten die Konzepte des funktionsfähigen Wettbewerbs („Workable Competition“) ein neues normatives Wettbewerbsleitbild aufzeigen, das den in der Realität gegebenen Unvollkommenheiten der Märkte besser Rechnung trägt. 634 Hierzu wurden Funktionen des Wettbewerbs entwickelt, die der

626 

Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  139 ff. Glöckner, Kartellrecht, Rn.  77. 628 So Glöckner, Kartellrecht, Rn.  7 7 [im Orig. z. T. hervorgehoben]. 629  So auch Glöckner, Kartellrecht, Rn.  78 a. E. 630  Immenga, ZWeR 2006, 346, 358 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  100; Ewald, ZWeR 2011, 15, 26. 631 Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  233 mit Fn.  928. 632  Engelsing, ZWeR 2006, 179, 184. 633  So die eher ernüchternde Schlussbewertung von Glöckner, Kartellrecht, Rn.  78 a. E. 634  Ausgangspunkt war somit keine wettbewerbstheoretische, sondern eine wettbewerbspolitische Fragestellung, vgl. Hoppmann, ORDO 17 (1966), 369, 370. Zur Auseinandersetzung um ein wettbewerbspolitisch verwertbares Workability-Konzept siehe die Nachweise 627 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Wettbewerb zu erfüllen habe. 635 „Workable“ bzw. „funktionsfähig“ sollte derjenige Wettbewerb sein, der die erwünschten Resultate bewirkt. 636 Zunächst noch auf der Grundlage des als Idealzustand angesehenen Modells vollkommener Konkurrenz entwickelte Clark637 im Jahr 1940 seine sog. Gegengiftthese, wonach auf Märkten, die durch Unvollkommenheiten gekennzeichnet sind, das Hinzutreten eines weiteren Unvollkommenheitsfaktors den Wettbewerb funktionsfähiger machen könne. 638 Auf dieser Grundlage müsse sich die Wettbewerbspolitik nicht auf das Abstellen der Unvollkommenheiten konzentrieren, sondern es sei auch möglich, durch das Hinzutreten weiterer Unvollkommenheiten eine bessere Annäherung an das Wohlfahrtsmaximum zu erreichen. 639 Eine Marktstruktur oder ein Marktverhalten, die an sich schlechte ökonomische Ergebnisse erzielen und damit die Wohlfahrt verringern, wenn alle Bedingungen für ein Wohlfahrtsmaximum erfüllt sind, können hiernach gleichwohl zulässig sein, wenn eine oder mehrere dieser Bedingungen unabänderlich verletzt sind. 640 Bei der Bewertung von Marktunvollkommenheiten dürfe insbesondere nicht der Zeitfaktor vernachlässigt werden, da eine langfristige Betrachtung „die Schärfe der Wirkungen unvollkommenen Wettbewerbs mildern“ könne. 641 Erkannt wurde damit die kompetitive Ambivalenz wirtschaftlicher Macht. Die verschiedenen, teils hoch komplexen Workability-Konzepte bauten auf der Beobachtung auf, dass jedes Marktgeschehen diverse Eigenschaften bzw. Dimensionen aufweist, weshalb es durch mehrere Merkmale beschrieben wird. 642 Diese Merkmale wurden in Gruppen zusammengefasst, wobei sich eine Unterscheidung nach Marktstruktur, Marktverhalten (auch zusammengefasst unter der Bezeichnung „Marktprozess“643) und Marktergebnis eingebürgert hat: Zur Marktstruktur („market structure“) zählen alle Umstände des Wettbewerbsprozesses, die die Form, den Zustand und die Zusammensetzung des bei Säcker, Zielkonflikte, S.  33 Fn.  56 sowie die Aufsatzsammlung von Poeche, Das Konzept der „Workable Competition“ in der angelsächsischen Literatur. 635  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  15. 636  So zum Beispiel Kantzenbach, JBNSt 181 (1967), 193, 195 f.; dazu Säcker, Zielkonflikte, S.  32. 637  Clark, AER 30 (1940), 241 ff. 638 Siehe zu den Vorschlägen und zu ihrer Bewertung Christiansen, „More Economic Approach“, S.  288 m. w. N. 639  Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  27. 640  Schmidtchen, WuW 2006, 6, 8. 641  Clark, AER 30 (1940), 241, 246 ff.: „Long-Run Considerations“; siehe auch Cox/Jens/ Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 107; das deutsche Zitat entstammt der Übersetzung von Herdzina Wettbewerbstheorie, S.  143, 149. 642  Siehe die insoweit scharfsinnigen Analysen von Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 180 ff., der freilich selbst ein entschiedener Gegner dieser Thesen war, siehe Teil 4 C. V. 3. 643 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 184.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Marktes ausmachen und sich deshalb nur auf längere Sicht ändern. 644 Dies sind nicht nur die Marktformen oder Marktstrukturen im engeren Sinne, sondern auch weitere Merkmale wie die zeitliche Ausdehnung des Marktes, die Formen und der Aufbau von Unternehmen, die Marktorganisation oder die jeweilige Marktphase.645 Auch sonstige Rahmenbedingungen wie die Sicherstellung eines freien EU-Binnenmarktes gehören zur Marktstruktur. 646 Beim Marktverhalten („market conduct“; das „Rivalisieren“647) geht es um die Zielsetzungen und Strategien (zum Beispiel langfristige oder kurzfristige Maximierung des Gewinns) sowie um die darauf beruhenden Geschäftspraktiken der Wettbewerber untereinander sowie gegenüber den Nachfragern. 648 Das Marktergebnis („market performance“; die „Effizienz“649) bezeichnet schließlich die wirtschaftlich relevanten Resultate des Wettbewerbs- und Preisbildungsprozesses, zum Beispiel die Preisentwicklung, das Vorliegen technischer oder organisatorischer Fortschritte oder die Qualität der Produkte. 650 Da Wettbewerb ein „zeitlicher, geschehnishafter, historischer Prozess“ ist, entspricht die vorstehende Gruppierung grundsätzlich der Richtung des Kausalverlaufes651 (sog. Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma): Das Verhalten der Markt­ akteure wird durch die Struktur eines Marktes (der sachlich, räumlich und zeitlich abgegrenzt ist) bestimmt. Das Marktergebnis ist wiederum kausale Folge des Marktverhaltens. 652 Das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma zielt somit darauf ab, Wettbewerbsprozesse in verschiedene empirisch messbare Gruppen zu zerlegen, wobei es in seiner statischen Variante von einer stabilen Kausalbeziehung von der Marktstruktur zum Marktergebnis ausgeht. Den Marktgeschehen-Merkmalen werden in der Workability-Literatur normative Kriterien zugeordnet, die beschreiben, wie das betreffende Merkmal aussehen soll, um einen funktionsfähigen Wettbewerb zu ermöglichen (sog. Normen).653 Der Begriff Workable Competition beinhaltet insoweit eine „allgemeine globale Norm, die aus einer ganzen Kollektion spezifischer Normen 644  Bain, Industrial Organization, S.   7  f.; Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 113. 645 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 180. 646 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 17. 647 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 16. 648  Bain, Industrial Organization, S.  9 f.; Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  4 ff.; Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 181; Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  21 ff. 649 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 16. 650  Bain, Industrial Organization, S.  11; Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  4 ; Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.   105, 113; Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 181. 651 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 182. 652  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378; Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  4 ff. 653 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 182.

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besteht“. 654 Die einzelnen Konzepte der Workable Competition lassen sich danach unterscheiden, für welche und für wie viele der Merkmale eines Marktes sie Normen aufstellen.655 Sie gehen jedoch regelmäßig von einem Bündel von Zielen aus, die durch den Wettbewerb erreicht werden sollen („multiple goal approach“), wie zum Beispiel die effiziente Allokation der Ressourcen, der technische Fortschritt oder die kompetitive Bändigung wirtschaftlicher Macht. 656 Dabei ist zu entscheiden, ob auch die Marktergebnisse oder nur die Marktstruktur und das Marktverhalten relevant sind.657 Innerhalb des einzelnen Definitionstyps (zum Beispiel der Marktstruktur) sind wiederum die Unterkriterien zu wählen, was eine Vielzahl verschiedener Kombinationsmöglichkeiten eröffnet. 658 Dabei werden von vielen Vertretern – wie etwa von Ingo Schmidt – auch gesellschaftliche Funktionen wie die Begrenzung wirtschaftlicher Machtpositionen anerkannt. 659 Ob die realen Märkte mit den vorgegebenen Normen übereinstimmen, soll durch sog. Wettbewerbstests ermittelt werden. 660 Hierbei geht es um die Frage, ob über die allgemeine theoretische Feststellung einer Interdependenz zwischen Marktergebnis (Effizienz), Marktverhalten (Rivalität) und Marktstruktur hinaus systematische Wechselwirkungen zwischen diesen Merkmalgruppen ermittelt werden können. 661 Wenn lediglich einzelne der spezifischen Normen erfüllt sind, bedeutet das noch nicht, dass der Wettbewerb funktionsfähig ist; notwendig ist vielmehr, dass die ganze Kollektion solcher spezifischer Normen erfüllt wird, da erst diese angibt, wann die Verhältnisse auf den einzelnen Märkten trotz der Unvollkommenheiten als wettbewerbspolitisch zufriedenstellend betrachtet werden. 662 Im Rahmen eines Markttests ist in einem ersten Schritt die Abgrenzung des sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Marktes notwendig, wie es dem heute geltenden Wettbewerbsrecht etwa im Rahmen des Missbrauchsverbots entspricht. 663 In einem Folgeschritt ist zu klären, ob sich der

654 Hoppmann/Hoppmann,

Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 182. Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  25. 656  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 380. 657 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.   105, 113; siehe auch Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 378. 658  Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  2 2. Berühmt ist die Formulierung von Mason, Yale Rev. 43 (1953), 35, 48: „[There] are as many definitions of ‚effective‘ or ‚workable‘ competition as there are effective or working economists.“ 659  I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.   16; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  30; siehe auch Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  150. 660 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 113. 661 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 17. 662  So Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 182. 663  I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.   16; Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  24. 655 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Wettbewerbstest auf die Marktstruktur und/oder das Marktverhalten und/oder das Marktergebnis beziehen soll. 664 b) Theorie des Zweitbesten Mit seiner Theorie des funktionsfähigen Wettbewerbs legte Clark den Grundstein für seine Theorie des sog. Zweitbesten (second best), 665 die aktuell immer noch einflussreich ist. 666 Nach der Theorie des Zweitbesten tritt eine Maximierung des Wohlstands nur dann ein, wenn in der Wirklichkeit alle im Modell vorgegebenen Parameter exakt vorliegen. 667 Können diese Parameter nicht erreicht werden, wie dies regelmäßig der Fall sei, müsse eine Politik des Zweit­ besten praktiziert werden, also entschieden werden, von welchen Parametern abgewichen werden kann und muss, um jedenfalls ein zweitbestes Ergebnis zu erzielen. 668 Als Beispiel kann die Problematik der sog. Preismeldestellen auf oligopolistischen Märkten mit homogenen Gütern dienen.669 Auf diesen Märkten kann Markttransparenz als Vollkommenheitsfaktor im Sinne der neoklassischen Theorie die Wettbewerbsintensität vermindern, indem vorstoßende Wettbewerbshandlungen wegen der zu erwartenden Reaktionen der Wettbewerber, insbesondere wegen der Furcht eines offenen Preiskampfes (Cut-throat-Competition670) erschwert werden. Aus diesem Grunde kann es erforderlich sein, die Bedingung der Markttransparenz nicht vollständig herzustellen. 671 4. Theory der Effective Competition (wirksamer Wettbewerb) Während Clark in seinen frühen Arbeiten – wie die meisten Ökonomen seiner Zeit – noch davon ausging, dass sich die praktische Wettbewerbspolitik am Modell des vollkommenen Wettbewerbs als Leitbild ausrichten müsse, auch wenn 664 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass,

Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 113. Lipsey/Lancester, Rev. Econ. Stud. 24 (1956/1957), 11 ff., die hierfür auf Arbeiten von Meade aufbauen; vgl. dazu Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  110. 666  Schmidtchen, WuW 2006, 6 ff. 667  Die dahinter stehende Überlegung lautet, dass die Merkmale der vollkommenen Konkurrenz einen geschlossenen Satz von Bedingungen darstellen, mithin logisch komplementär sind. Hiernach können, wenn eine Bedingung nicht mehr vollkommen ist, auch die anderen Bedingungen ihren Vollkommenheitscharakter verlieren; vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht. S.  12. 668  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  148. Nach Kirchner (EuR-Bei 2011, 103, 115) begründet aus wohlfahrtsökonomischer Sicht auch die Bindung an den Wortlaut des Art.  102 AEUV mit dem Erfordernis der marktbeherrschenden Stellung die Notwendigkeit, nach einer zweitbesten Lösung zu suchen. Aus zivilistischer Sicht ist dies gerade nicht der Fall, da hier der Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung im Vordergrund steht. 669  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  13; ausführlich Clark, Competi­ tion as a Dynamic Process, S.  290; Hoppmann, WuW 1966, 97 ff.; Säcker, BB 1967, 681, 685 ff. 670  Zum ruinösen Wettbewerb statt anderer I. Schmidt, WuW 1966, 699, 706 ff. 671 Dazu Säcker, Zielkonflikte, S.  34 f. 665 Vgl.

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dieser praktisch nicht zu erreichen sei, hat er in seinen späteren Werken das Konzept der statisch-vollkommenen Konkurrenz durch ein dynamisches Wettbewerbsleitbild abgelöst. 672 Um die fortentwickelte Theorie von den früheren Überlegungen abzugrenzen, benutzte Clark den Begriff „effective competi­ tion“ anstatt „workable competition“, 673 auch als Theorie vom „wirksamen Wettbewerb“ bezeichnet. 674 Im Schrifttum werden aber auch die späten Arbeiten Clarks unter den Oberbegriff „Workability-Lehren“ gefasst. 675 a) Wettbewerb als Prozess der „Bahnbrecher“ und der „Nachahmer“ (Arndt) Die Entwicklung des Leitbilds der Workable Competition zu einer dynamischen Wettbewerbstheorie wurde maßgeblich durch die Thesen Schumpeters von der dynamischen Unternehmerpersönlichkeit beeinflusst, 676 wonach der marktwirtschaftliche Prozess (Kapitalismus) einen Entwicklungsprozess der „schöpferischen Zerstörung“ alter Wirtschaftsstrukturen durch neue darstelle,677 auch wenn Schumpeter mit dieser Theorie eigentlich nicht den Wettbewerbsprozess in marktwirtschaftlichen Systemen erklären wollte, sondern den kapitalistischen Wirtschaftsprozess im Ganzen. 678 Hierfür kommt neben den Arbeiten von Clark denjenigen von Helmut Arndt eine wichtige Rolle zu. 679 Arndt680 übertrug diese Erkenntnisse nämlich in die Wettbewerbstheorie, indem er die Hypothese, dass Marktunvollkommenheiten dem Wettbewerb förderlich sein können, mit dem Gedanken des dynamischen Prozesses der schöpferischen Zerstörung verband. 681 Er unterschied hierfür zwischen dem Wettbe672  Clark, Competition as a Dynamic Process; siehe auch schon Clark, AER 45 (1955), 450 ff.; vgl. ebenfalls Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 107; I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 402 f.; aus jüngerer Zeit Christiansen, „More Economic Approach“, S.  294. 673  Clark, Competition as a Dynamic Process, S. ix: „In the present study, I am shifting the emphasis from ‚workable‘ to ‚effective competition‘ [. . .] because ‚workable‘ stresses mere feasibility and is consistent with the verdict that feasible forms of competition, while tolerable, are still inferior substitutes for that ‚pure and perfect‘ competition which has been so widely accepted as a normative ideal. And I have become increasingly impressed that the kind of competition we have, with all its defects – and these are serious – is better than a ‚pure and perfect‘ norm, because it makes for progress. Some departures from ‚pure and perfect‘ competition are not only inseparable from progress, but necessary to it. The theory of effective competition is a dynamic theory.“ 674  I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 402; I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  15, 24 und öfter. 675  Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  28 mit Fn.  23. 676 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 191, mit Blick auf die Arbeiten Clarks; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  13. 677  Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, S.  136 ff. 678  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik. S.  66. 679  Statt anderer Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, S.  87. 680  Arndt, Schöpferischer Wettbewerb; siehe auch Herdzina/Arndt, Wettbewerbstheorie, S.  246 ff. 681  Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, S.  87.

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werb der Bahnbrecher und demjenigen der Nachahmer: 682 Die Unternehmer, denen die Rolle als Bahnbrecher zukomme, könnten durch Spitzenleistungen ihre Konkurrenten überflügeln und Monopolgewinne erzielen. Hierdurch entstünden Unterschiede in den relativen Marktpositionen und Gewinnsituationen, die durch den Wettbewerb der Nachahmer wieder ausgeglichen werden könnten. Nach Arndt bedingen sich der Wettbewerb der Bahnbrecher und derjenige der Nachahmer gegenseitig und ermöglichen auf diesem Wege einen dauerhaften Wettbewerbsprozess. 683 Während Wettbewerb der Bahnbrecher ohne Wettbewerb der Nachahmer zu dauerhaften monopolähnlichen Marktstellungen Ersterer führe, begründe ein Wettbewerb der Nachahmer ohne Wettbewerb der Bahnbrecher einen Status der Gleichheit, wodurch der Wettbewerb erlahme. Für Arndt ist der reine wirtschaftliche Wettbewerb deshalb „ein Prozess, der aus dem Zusammenwirken des Wettbewerbs der Bahnbrecher und des Wettbewerbs der Nachahmer entsteht, und der sich dadurch auszeichnet, daß er die schöpferischen Wirtschafter zu einer Verbesserung der Bedarfsdeckung durch neue Waren, neue Produktionsverfahren u. dgl. anhält und dass er durch die Nachahmer den Preis aller Waren, auch der jeweils neu eingeführten, allmählich auf die Produktionskosten absinken läßt.“684

In der heutigen Diktion kommt der Wettbewerbsprozess somit durch eine kreative Leistung der Anbieter in Gang, die sich eine marktstarke oder sogar marktbeherrschende Stellung schaffen und auf dieser Grundlage Monopolbzw. Marktanteilsgewinne erzielen. Die Wettbewerber können diese Vorsprungsgewinne abbauen, indem sie die Innovation nachahmen (Imitation) oder eine neue Innovation auf den Markt bringen; reagieren sie nicht, besteht die Gefahr einer dauerhaften antikompetitiven Monopolstellung.685 Als zentrales Problem der Wettbewerbstheorie ergibt sich daraus der Umstand, dass die dynamischen Funktionen des Wettbewerbs wie Anpassungsflexibilität und technischer Fortschritt nur unter Bedingungen erfüllt werden können, die einer Erreichung der statischen Funktionen des Wettbewerbs wie optimale Allokation der Ressourcen und leistungsgerechte Verteilung der Einkommen entgegenstehen; denn ein vorstoßendes Verhalten setzt Marktunvollkommenheiten und damit die Möglichkeit voraus, aufgrund temporärer wirtschaftlicher Machtpositionen überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen, die mit den stati682  Arndt, Schöpferischer Wettbewerb, S.  35: „Überall, wo es Wettbewerb gibt, zeigt er sich in zwei polar entgegengesetzten Richtungen. Entweder können Wettbewerber nachahmen, was andere vorgemacht haben, und damit den Vorsprung, den die Spitzenreiter gewonnen haben, wieder aufholen. Oder sie können sich von den anderen durch Spitzenleistungen hervortun und das Feld der Mitbewerber überrunden.“ 683  Arndt, Schöpferischer Wettbewerb, S.   35 f.; Herdzina/Arndt, Wettbewerbstheorie, S.  246, 248. 684  Arndt, Schöpferischer Wettbewerb, S.   48; Herdzina/Arndt, Wettbewerbstheorie, S.  246, 258 [im Orig. z. T. hervorgehoben]. 685  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, 1975, S.  69.

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schen Funktionen des Wettbewerbs unvereinbar sind. 686 Die entscheidende, die Wettbewerbs- und Regulierungstheorie bis heute beschäftigende Frage liegt nun darin, die kompetitiven von den antikompetitiven Machtpositionen zu unterscheiden. b) Wettbewerb als dynamischer Prozess In der Theorie des effektiven Wettbewerbs Clarks wird der Wettbewerb ebenfalls als ein durch Vorstoß und Nachfolge gekennzeichneter dynamischer Prozess beschrieben. Marktunvollkommenheiten sind nach Clark deshalb keine ausnahmsweise hinzunehmende, sondern eine notwendige Bedingung des technischen Fortschritts. 687 Folgerichtig sieht Clark die vollkommene Konkurrenz nicht mehr als das anzustrebende Ziel der Wettbewerbspolitik an. Vielmehr erlaubt er während des Zeitraums zwischen der Initiative eines Unternehmens und den Reaktionen der Wettbewerber zeitlich beschränkte Monopolsituationen als notwendige Voraussetzungen eines dynamischen Wettbewerbs, etwa durch die Gewährung von Patentrechten.688 Mit der Aufgabe des statischen Modells der vollkommenen Konkurrenz gab Clark zugleich seine Gegengift-These auf; denn die Unvollkommenheitsfaktoren werden nicht mehr nur in spezifischen Fällen als zulässig angesehen, in denen die Vollkommenheit des Wettbewerbs nicht realisiert werden kann, sondern als für den wirtschaftlichen Fortschritt unabdingbar. 689 Es sind aber nicht alle Marktunvollkommenheiten erwünscht. 690 Das zentrale Problem war und ist vielmehr, die erwünschten von den unerwünschten Elementen zu trennen, wofür man ohne materielle Wertungen nicht auskommt. 691 Hier sind sich die Vertreter der Theorie uneinig. Überwiegend wird jedoch angenommen, dass eine grundsätzliche Entscheidung, ob Marktschranken wettbewerbspolitisch gefördert oder eliminiert werden sollen, nur auf der Grundlage sog. Musteraussagen möglich sei.692

686 

I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 402. Clark, Competition as a Dynamic Process, S.  178 ff.: Innovation. 688  Clark, Competition as a Dynamic Process, S.  180 f.; ders. AER 45 (1955), 450, 451 ff.; dazu Säcker, Zielkonflikte, S.  37 f. 689  I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 402: „Marktschranken sind in diesem Zusammenhang Marktunvollkommenheiten, die einerseits Monopolgewinne ermöglichen und somit die statische Effizienz verletzen, andererseits aber erst den Anreiz bieten, innovativ tätig zu werden, um sich an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen, da sie den innovativen Unternehmen die Früchte ihrer Anstrengungen garantieren.“ Siehe auch Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 192. 690 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 192. 691 Insoweit zeigen sich deutliche Parallelen zur inneren Rechtfertigung von Verträgen durch die Sicherung einer möglichst großen Chance auf materiale Selbstbestimmung; siehe oben Teil 3 D. 692  I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 402 f. 687 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Clark verfolgte ein funktionales Wettbewerbsverständnis („what [do] we want of competition“). 693 Da eine wesentliche Voraussetzung für das Entstehen dynamischer Wettbewerbsprozesse das Bestehen wirtschaftlicher Handlungsfreiheit sei, erachtete er neben diversen ökonomischen Funktionen auch die Erhaltung der Freiheit der Unternehmen und Konsumenten und insbesondere den Schutz der Konsumten vor einer Ausbeutung durch die vorgelagerte Marktstufe als notwendig: 694 „Those who uphold competition commonly do so because they regard the status of free private enterprise as a desirable thing in itself. What freedom means in this connection is, of course, not the abolition of regulations of health and safety, hours of labor, and a multitude of other things of welfare. What it meant is freedom to decide what, if anything, to produce, by what methods, how to sell it, and at what price or prices. It means that in these strategic matters the private business man has a range of discretion within which he can make decisions and take the consequences. [. . .] This discretion is part of what freedom means; the limits on it are needed to protect the freedom of the rest of us. We do not want it to be within the individual power of private business to choose to give the economy, or to withhold from it the benefits [. . .]“.

Da nach Clark wirtschaftlicher Fortschritt automatisch mit Marktmacht verbunden ist, besteht ein Zielkonflikt zwischen diesem und der Wettbewerbsfreiheit; denn wirtschaftlicher Fortschritt ist hiernach zwangsläufig mit der (zeitweiligen) Bildung von Machtpositionen verbunden. 695 Clark selbst hat diesen Konflikt nicht konkret aufgelöst, sondern sein Konzept eines „effective competition“ nur allgemein beschrieben. 696 Der Konflikt wurde allerdings später im Sinne eines Zielkonflikts zwischen Wettbewerbsfreiheit und guten Marktergebnissen verallgemeinert. 697 Paradigmatisch ist die noch zu schildernde sog. Hoppmann-Kantzenbach-Kontroverse, in der der Wettbewerb zwar übereinstimmend als dynamischer Prozess verstanden, die Rolle von Marktunvollkommenheiten aufgrund des divergierenden Verständnisses der Autoren jedoch völlig unterschiedlich gesehen wurde. 698 Eine soziale Marktwirtschaft kann vor derartigen Streitigkeiten freilich nicht resignierend die Augen verschließen, sondern muss die verschiedenen betroffenen Interessen wertend in einen Ausgleich bringen. Eben dies ist das Ziel des vorliegend vertretenen Konzepts material-chancengleicher Selbstbestimmung. Doch zunächst zum Konzept Kant693 

Clark, Competition as a Dynamic Process, S.  63. Clark, Competition as a Dynamic Process, S.  70 ff., insb. S.  85 f.; siehe auch Machlup, ORDO 18 (1967), 35 ff.; Säcker, Zielwandlungen, S.  4 4 ff.; Christiansen, „More Economic Approach“, S.  294 mit Fn.  998. Zum Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfreiheit und einem durch Kriterien der Marktstruktur definierten funktionsfähigen Wettbewerb siehe Görgens, Wettbewerb und Wirtschaftswachstum, S.  38. 695 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  179, 199; Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  29. 696 Krit. Christiansen, „More Economic Approach“, S.  295. 697 So Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  4 4 mit Fn.  5 4. 698  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  14. 694 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

303

zenbachs von der optimalen Wettbewerbsintensität, das aufgrund seiner technisierend-formalistisch-übertreibenden Konzeption wesentlichen Anteil daran hatte, dass wir heute ein realistisch-nüchternes Bild von der Leistungsfähigkeit der Ökonomie haben. 5. Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität (Kantzenbach) Das Konzept Kantzenbachs von der optimalen Wettbewerbsintensität hatte in den 1970er Jahren großen Einfluss auf die deutsche Wettbewerbspolitik, unter anderem durch Einführung einer schon vom Ordoliberalismus geforderten Fusionskontrolle, die gemeinsam mit anderen wettbewerbspolitischen Maßnahmen der proaktiven Optimierung der von Kantzenbach befürworteten weiten Oligopole im Sinne einer umfassenden staatlichen Wirtschaftslenkung dienen sollte.699 Aus zivilistischer Sicht sind Kantzenbachs Thesen kritisch zu würdigen, weil sie der wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer keinen Eigenwert zuerkannten. Sie trafen sich insoweit mit einer in den 1970er Jahren auch im Privatrecht vertretenen Ansicht, welche die Vertragsfreiheit im Sinne objektiv-überindividueller Zwecke rekonstruieren wollte,700 und die wir oben bereits abgelehnt haben.701 a) Zielkonflikt zwischen Freiheitsschutz und wohlfahrtsökonomischer Effizienzorientierung In den 1960er Jahren wurde in Deutschland zwischen Erhard Kantzenbach und Erich Hoppmann eine Kontroverse ausgetragen, die wesentliche Elemente der aktuellen Diskussion über die Sinnhaftigkeit und rechtliche Zulässigkeit eines „more economic approach“ vorweggenommen hat.702 Es ging um die Frage, ob die Wettbewerbspolitik allein oder jedenfalls vorrangig der Realisierung wohlfahrtsökonomischer Ziele dienen solle.703 Die „Kantzenbach-Hoppmann-Kontroverse“ markiert somit für Deutschland die Trennlinie zwischen einem Verständnis des Wettbewerbs als Instrument zur Erfüllung vorgegebener Wettbewerbsfunktionen und einem „evolutorisch offenen, sich kybernetisch selbst 699  Vgl.

Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35 ff. Teil 3 B. IV. 701  Teil 3 D. III. 702  Die Kontroverse ging von der Habilitationsschrift Kantzenbachs „Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs“, 1966, und dem diesbezüglichen Besprechungsaufsatz von Hoppmann, JBNSt 179 (1966), 286 ff. aus. Hierauf erfolgte eine Replik von Kantzenbach in JBNSt 181 (1967/1968), 193 ff. und eine Duplik von Hoppmann in JBNSt 181 (1967/1968), 251 ff. Siehe zur Bedeutung der Lehren Hoppmanns für die aktuelle Diskussion über die Ausgestaltung des Wettbewerbsrechts die Beiträge in Vanberg, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, zur Hoppmann-Kantzenbach-Kontroverse im Speziellen siehe den Beitrag von Eickhof ebenda, S.  35 ff. 703  Vgl. auch Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299. 700 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

regulierenden System“.704 Allerdings war und ist diese Diskussion nicht auf den deutschsprachigen Raum beschränkt, wie die Auseinandersetzungen zwischen Harvard School, Chicago School und Post Chicago School in den USA verdeutlichen, die sich im „more economic approach“ der Kommission zum Europäischen Wettbewerbsrecht fortsetzen.705 In Anlehnung an das normative Konzept der Workable Competition dient der Wettbewerb nach Kantzenbach dem Zweck der Optimierung des Wohlstands.706 Der Wettbewerb wird somit nicht als Zweck an sich angesehen, sondern als Mittel zur Erreichung guter ökonomischer Ergebnisse.707 Das Konzept Kantzenbachs steht in der Tradition der Harvard School, die auf der Basis des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigmas optimale Ziele erreichen wollte.708 Kantzenbach formulierte – in Konsequenz der Einsicht aus der paretianischen Wohlfahrtsökonomie, wonach eine normative Entscheidung über die zu verfolgenden Wohlfahrtsziele unabdingbar sei – mittels eines ­„bewussten Werturteils“709 verschiedene Marktergebnis-Normen (sog. Wett­ bewerbsfunktionen).710 Insoweit ist es zutreffend, bei den Konzepten des funktions­­fähigen Wettbewerbs von „Performance-Konzepten“ zu sprechen.711 Dabei ist allerdings im Blick zu behalten, dass die Ausrichtung der Wettbe­ werbs­politik an übergeordneten Zielen – wie dies regelmäßig der Fall ist – noch keine Aussage über die konkreten Handlungsempfehlungen enthält. So kann es – wie dies im Ergebnis auch die Empfehlung Kantzenbachs war – aus Gründen der Rechtssicherheit und der Justiziabilität geboten sein, trotz der Orientierung an übergeordneten Performance-Zielen einen Structure- bzw. Conduct-Ansatz 704  Lehmann, JZ 1990, 61, 63; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  46. Der Verfasser lehnt beide Sichtweisen ab, da er einem material-chancengleichen Freiheitsverständnis folgt (Teil 3 D.). Demgegenüber stellte Hoppmann ein rechtlich-formales Freiheitsverständnis ins Zentrum seiner Analysen, wohingegen Kantzenbach den Eigenwert der Freiheit ganz negierte. Beide Theorien beinhalteten somit Extremformen, die in einer marktwirtschaftlichen und sozialen Ordnung, die nach ihrer Grundstruktur auf den Ausgleich widerstrebender Individualinteressen angelegt ist, nicht überzeugen können. 705  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209. 706  Kantzenbach, JBNSt 181 (1967/1968), 193, 197; vgl. auch Säcker, Zielkonflikte, S.   15 m. w. N. 707 Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 5. 708  Zum Begriff Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  15, wonach auf den graduellen Charakter der Probleme hingewiesen werden solle, weil es unterschiedliche Grade der Funktionserfüllung mit einem denkbaren, wenn auch vielleicht nicht präzisierbaren Optimum gebe; siehe auch A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 218. 709  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  24; siehe auch S.  31: Notwendigkeit einer „subjektiven Wertung“. 710 Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.   1, 26. Vgl. auch Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  4 : „[. . .] what society wants from producers of goods and services is good performance“. Dies stimmt mit einer zivilistischen, auf die Menschenwürde und Selbstbestimmung der Bürger blickenden Sicht nicht überein. 711 Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 26.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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zu verfolgen. Dies ist bei der Problematik des adäquaten Markttests noch näher auszuführen.712 Doch zunächst zurück zu den übergeordneten Wettbewerbsfunktionen. Kantzenbach sieht den Wettbewerb in Übernahme der Erkenntnisse von Schumpeter, Arndt und der „effective competition“ Clarks als dynamischen Prozess an.713 Folgerichtig unterscheidet er zwischen statischen und dynamischen Wettbewerbsfunktionen,714 als da sind: eine leistungsgerechte Einkommensverteilung (Verteilungsfunktion), die Zusammensetzung des Angebots an Gütern gemäß den Käuferpräferenzen, eine optimale Faktorallokation, die flexible Anpassung von Produkten an sich verändernde Nachfragestrukturen und Produktionskapazitäten (Lenkungsfunktion) sowie die Beschleunigung des technischen Fortschritts (Antriebsfunktion).715 Während Kantzenbach die ersten drei Faktoren der statischen Gleichgewichtsanalyse zuordnete, sah er die beiden letztgenannten (Unter-)Funktionen nur bei einer dynamischen Analyse als relevant an. Dabei sollte den dynamischen Funktionen ein Vorrang vor den statischen Funktionen zukommen; denn eine hohe dynamische Funktionsfähigkeit garantiere auch eine gewisse Erfüllung der statischen Funktionen, wohingegen bei einer hohen statischen Funktionsfähigkeit die Erfüllung der dynamischen Funktionen nicht gesichert sei.716 Wie wir oben gesehen haben, galt als Beurteilungsmaßstab für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs in der statischen Gleichgewichtstheorie die Vollkommenheit des Wettbewerbs als Maß für die Abhängigkeit des einzelnen Wirtschaftsteilnehmers von der Gesamtheit der übrigen Wirtschaftsteilnehmer.717 Da Kantzenbach den vollkommenen Wettbewerb bei einer dynamischen, an Vorstoß und Nachfolge ausgerichteten Wettbewerbstheorie als untauglich ansah, stellte er als Verhaltensvariable auf die Intensität des Wettbewerbsprozesses ab, welche er in der Geschwindigkeit sah, mit der Vorsprungsgewinne von Wettbewerbern „weggefressen“ werden.718 Da eine optimale Wettbewerbsintensität (Marktverhalten) eine optimale Erfüllung der dynamischen Wettbewerbs­ funktionen – insbesondere einen optimalen technischen Fortschritt – bedinge 712 

Siehe noch im Folgenden Teil 4 C. IV. S.  5. c). Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  128 ff. 714  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.   16 ff.; zust. I. Schmidt, WuW 1966, 699 ff.; ders., WuW 1967, 635 ff.; ders., WuW 1967, 777 ff. 715  Siehe dazu auch schon Teil 4 B. IV. 716  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  132 f.; siehe dazu Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 36. 717 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 108. 718  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.   38; Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 108. Das Konzept wird deshalb auch als „Modell des intensiven Wettbewerbs“ bezeichnet, vgl. Fikentscher, Wirtschaftsrecht Bd. II, S.  191. Hierin lag ein Kompromiss zwischen statischen und dynamischen Wettbewerbsfunktionen und damit ein Werturteil; vgl. Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 27. 713 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

(Markt­ergebnis), stellte sich Kantzenbach auf der Grundlage des Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigmas die Frage nach der für eine optimale Wettbewerbsintensität notwendigen Marktstruktur.719 Die potenzielle Wettbewerbsintensität ist nach Kantzenbach eine Funktion aus Anbieterzahl bzw. Marktform und Marktvollkommenheit.720 Er machte als wesentlichen Faktor der Wettbewerbsintensität, also der wettbewerblichen Anpassungsprozesse, die Verlust- bzw. Existenzgefährdung der passiven Unternehmen aus.721 Diese Risiken seien umso größer, je stärker das aktive Unternehmen den Absatz der passiven Unternehmen beeinträchtigen könne bzw. je ausgeprägter die oligopolistische Interdependenz (Reaktionsverbundenheit auf dem jeweiligen Markt) sei.722 Obwohl er das Freiheitsziel ausdrücklich aus den politisch zu setzenden Wettbewerbszielen ausklammerte, berücksichtigte Kantzenbach bei dieser Prüfung de facto auch etwaige Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit durch wirtschaftliche Machtpositionen,723 weshalb ihm von Franz Jürgen Säcker zu Recht vorgehalten wurde, dass auch sein Konzept nicht ohne wirtschaftliche Macht als Wettbewerbsparameter auskomme.724 Die Wettbewerbsintensität (Rivalität) ist für Kantzenbach im symmetrischen Dyopol725 auf einem vollkommenen Markt am größten; denn hier kann jeder der Wettbewerber durch eine geringe Verbesserung seiner eigenen Leistung die gesamte Nachfrage an sich binden, so dass es für beide Dyopolisten existenznotwendig ist, auf jeden Wettbewerbsvorstoß des anderen umgehend zu antworten, bzw. selbst aktiv zu werden.726 Eine solche Situation könne jedoch bei dynamischer Betrachtung weder wirtschaftspolitisch als erwünscht gelten, noch stabil sein: Ersteres nicht, weil ein ruinöser Oligopolkampf möglich sei, Letzteres nicht, weil in der Praxis eine kollusive Absprache oder ein faktisches Parallelverhalten der Wettbewerber naheliege (als „effektive Wettbewerbsintensität“ bezeichnet). Die optimale Wettbewerbsintensität sei deshalb am Ehesten bei mittlerer parametrischer Interdependenz der Wettbewerber zu erwarten,

719 Vgl.

Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  44. Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 37; Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  32 f. 721 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.   105, 108; siehe im Detail Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 36 ff. 722  Vgl. Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 37. 723  Vgl. nur Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  45: „Mit einer weiteren Verringerung der Anbieterzahl im Bereich enger Oligopole gerät der Wettbewerbsprozess an die monopolistische ‚Konkurrenzschwelle‘, an der in zunehmendem Maße die wirtschaftliche Macht an die Stelle der wirtschaftlichen Leistung tritt.“ 724  Säcker, Zielwandlungen, S.  47. 725  Hierbei handelt es sich um eine Form des Oligopols, bei der auf der Angebotsseite zwei Unternehmen miteinander im Wettbewerb stehen. 726  Siehe zum Folgenden Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 109 f. 720 Vanberg/Eickhof,

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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also im heterogenen weiten Oligopol (Struktur-Verhaltens-These727). Bei maximaler effektiver Wettbewerbsintensität würden auch die dynamischen Wettbewerbsfunktionen am besten verwirklicht (Verhaltens-Ergebnis-These). 728 Für die Verwirklichung der dynamischen Wettbewerbsfunktionen empfiehlt Kantzenbach729 – insoweit folgerichtig – primär marktstrukturelle Maßnahmen. Es sollen zum einen polypolistisch strukturierte Märkte in weite Oligopole mit unvollkommener Produktheterogenität und begrenzter Transparenz transformiert werden, auch durch Wettbewerbsabsprachen und Fusionen, unter Hinnahme einer damit verbundenen Ausbeutung anderer Marktteilnehmer. Zum Zweiten sei die Transformation von weiten in enge Oligopole zu verhindern, etwa durch eine Fusionskontrolle. Zum Dritten seien enge Oligopole in weite Oligopole zu transformieren. Hierfür komme trotz der damit verbundenen erheblichen Grundrechtsbeeinträchtigungen eine missbrauchsunabhängige Entflechtung in Betracht. Sofern eine Entflechtungsregelung aufgrund praktischer Probleme nicht opportun sei, sei als Second-best-Regelung eine Verhaltenskontrolle bei unveränderter Marktform durchzuführen. In Bereichen, in denen „die gegebenen Produktionsstrukturen selbst eine beschränkte Funktionsfähigkeit nicht mehr zulassen und eine Veränderung der Struktur aus Produktivitätsgründen ausgeschlossen ist“, votierte er für eine „Planung“,730 also für eine konkrete Performance-Kontrolle anhand übergeordneter Wettbewerbsfunktionen. Der Staat soll somit nicht zum Schutz der materialen Selbstbestimmung der Bürger in den Marktprozess eingreifen, sondern zur Erzielung gesamtwirtschaftlich richtiger Ergebnisse. b) Wettbewerbspolitische Relevanz und Kritik Das wirtschaftspolitische Leitbild Kantzenbachs erfuhr in der deutschen Wirtschaftspolitik zunächst deutliche Zustimmung,731 um später ebenso deutlich abgelehnt zu werden. Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung der Thesen wurde im Bundeswirtschaftsministerium eine „Arbeitsgruppe Wettbewerbspolitik“ eingerichtet, die ein neues Leitbild entwerfen sollte.732 Diese übernahm sowohl die theoretische Grundausrichtung der Kantzenbachschen Arbeit als auch die Annahme einer optimalen Marktstruktur. Die zweite GWB-Novelle des Jahres 1973 wurde ebenfalls stark durch das neue Leitbild der Wettbewerbs­ 727  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.   129; Vanberg/Eichhof, Evolu­ tion und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 38. 728  So Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 38. 729  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.   133 ff.; siehe auch I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  16. 730  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  160 f. 731 Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 52 ff. 732 Vgl. Kartte, Ein neues Leitbild für die Wettbewerbspolitik, S.  33 ff.; vgl. auch Hönn, Jura 1984, 57 ff.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

politik beeinflusst. Im Zentrum der Novelle stand die Einführung einer Fusionskontrolle. Im Jahr 1974 wurde die Monopolkommission gegründet, der Kantzenbach für zwölf Jahre angehörte, davon sieben Jahre als ihr Vorsitzender. Im Schrifttum wird der praktische Erfolg der Thesen Kantzenbachs vor allem darauf zurückgeführt, dass er eine geschlossene, aus damaliger Sicht moderne Theorie für eine aktive Wettbewerbspolitik geliefert habe, wie sie in den 1960er Jahren unter Einfluss von Keynes auch unter konjunkturellen, strukturellen und distributiven Aspekten bevorzugt wurde.733 Es kann also nicht überraschen, dass mit dem zeitweiligen Unmodernwerden der Thesen von Keynes auch diejenigen von Kantzenbach an Strahlkraft einbüßten. Auch aus wettbewerbstheoretischer Sicht begegnet Kantzenbachs Ansatz aus heutiger Sicht Bedenken. Auf einige der Kritikpunkte sei schon an dieser Stelle hingewiesen. So geht das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma in seiner reinen Form von einer in eine Richtung weisenden Kausalitätsbeziehung zwischen diesen Faktoren aus, die nur bei einer komparativ-statischen, nicht aber bei einer dynamischen Sichtweise des Wettbewerbs gegeben ist. Zwar geht auch Kantzenbach im Ausgangspunkt von einem dynamischen Wettbewerbsverständnis aus, seine konkrete Analyse ist jedoch komparativ-statisch, was sich schon daran zeigt, dass die Marktform, definiert durch Anbieterzahl und Unvollkommenheitsgrad, als Datum gesetzt wird. Sie verrät – wie Hoppmann zu Recht kritisiert hat – deshalb nichts „über die Kräfte, die zu diesem Zustand geführt haben, noch darüber, wie sich der Prozess weiter entwickeln wird“.734 Darüber hinaus ist das Kriterium der Intensität des Wettbewerbs zwar ein kennzeichnendes Merkmal des Wettbewerbs, aber bei weitem nicht das einzige.735 Auf der normativen Ebene ist problematisch, dass Kantzenbach die Wettbewerbsfreiheit zunächst als außerökonomisches und damit keiner wettbewerbstheoretischen Beurteilung zugängliches Ziel angesehen hat.736 Demgemäß lehnte er es anders als etwa Clark ab, die Freiheit des Wettbewerbs in den politisch zu setzenden Zielkatalog aufzunehmen, sondern hielt eine „ausschließlich wirtschaftliche Orientierung der Wettbewerbspolitik für gerechtfertigt“.737 Kantzenbach begründete seine Sichtweise u. a. damit, dass eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Freiheit mit dem ökonomisch optimalen Ergebnis in Widerspruch geraten könne; setzte man es gleichwohl durch, müsse man die dafür notwendigen sozialen Kosten tragen.738 Er vertrat hiermit die sog. Konflikt­ 733 Vanberg/Eickhof,

Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 54. Hoppmann, JBNSt 179 (1966), 286, 310 mit Fn.  34. 735  Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S.  191. Zur Kritik siehe auch Heuss, ORDO 18 (1967), 411 ff.; Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  57, 108 ff.; Säcker, Zielkonflikte, S.  32 ff. 736  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  13. 737  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  13; dazu Säcker, Zielwandlungen, S.  45. 738  Kantzenbach, Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs, S.  14. 734 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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these,739 welche zur bekannten Kontroverse mit Hoppmann über die Ziele der Wettbewerbspolitik führte und wesentlich zur Entwicklung des neoklassischen Konzepts der Wettbewerbsfreiheit beigetragen hat.740 In späteren Texten präzisierte Kantzenbach seine Ansicht insoweit, als er auch die Wettbewerbsfreiheit als ein mögliches Ziel benannte.741 Gleichwohl konnte er die gegen seinen Ansatz gerichtete grundsätzliche Kritik damit nur partiell entkräften.742 Dies betrifft insbesondere das aus zivilistischer Sicht grundlegende Manko der Unterordnung wirtschaftlicher Selbstbestimmung unter gesamtgesellschaftlich-überindividuelle Optimierungsprogramme. c) Zu den Markttests Das Konzept der „Effective Competition“ arbeitet mit dem Struktur-Verhalten-Ergebnis-Ansatz, wobei sich bei einem dynamischen Wettbewerbsverständnis eine Rückkoppelungsproblematik („feedback effects“) zeigt, da die Marktergebnisse wieder auf die Marktstruktur zurückwirken.743 Gleichwohl wird man von einer dominierenden Wirkungskette von der Struktur über das Verhalten zum Ergebnis ausgehen können.744 Im Rahmen eines konkreten Markttests ist in einem ersten Schritt die Abgrenzung des sachlich, räumlich und zeitlich relevanten Marktes notwendig.745 In einem Folgeschritt ist zu klären, ob sich der Wettbewerbstest auf die Marktstruktur und/oder das Marktverhalten und/oder das Marktergebnis beziehen soll.746 Sofern man bei der Markstruktur ansetzt, ist zunächst zu fragen, ob es Verhaltensweisen von Marktteilnehmern gibt, die zwangsläufig aus bestimmten Marktstrukturen resultieren und insoweit zu ineffizienten Ergebnissen führen.747 Solche eindeutigen Kausalbeziehungen sind jedoch nur in den statischen Modellen der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols nachzuweisen.748 739 Dazu

Säcker, Zielkonflikte, S.  18. Siehe unten Teil 4 V. 3. 741 Arndt/Kantzenbach, Die Konzentration in der Wirtschaft, 1971, S.  159, 163 f., 172, wo er seine bisherigen fünf Wettbewerbsfunktionen um eine sechste „Gewähr von Entfaltungsmöglichkeiten individueller Freiheit“ ergänzt und zugleich klarstellt, dass es sich auch bei der Verteilungsfunktion um eine gesellschaftspolitische handle; dazu Christiansen, „More Economic Approach“, S.  296 ff. mit Nachweisen zum neueren Schrifttum in Fn.  1008; siehe auch I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  40. 742  Noch kritischer Leistner, Richtiger Vertrag, S.  45 mit Fn.  175. 743  I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  24. 744  Scherer/Ross, Industrial Market Structure, Einl. S.  6 ; vgl. auch Vahlens Kompendium/ Kerber, S.  369, 378. 745  I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.   16; Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  24. 746 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.   105, 113; siehe schon Teil 4 C. IV. 3. a). 747 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 17. 748  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 380. 740 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Bei einer dynamischen Sichtweise kommt es aufgrund des Prozesses der Rivalität der Marktteilnehmer zwangsläufig zu Machtpositionen durch Innovation, Produktdifferenzierung oder durch Betriebsgrößenvorteile. Vor diesem Hintergrund impliziert weder der vollkommene Wettbewerb die Anwesenheit von Wettbewerb und damit die Abwesenheit antikompetitiver Macht (Problem der „Schlafmützenkonkurrenz“749), noch das Monopol dessen Nichtexistenz und damit die Existenz antikompetitiver wirtschaftlicher Macht. Vielmehr hängt die wettbewerbsrechtliche Bedeutung einer monopolistischen Alleinstellung auch von den Marktzutrittsmöglichkeiten neuer Konkurrenten ab (Bestreitbarkeit der Märkte oder „contestability“).750 Auf der Grundlage dieses dynamischen Wettbewerbsverständnisses, das den Wettbewerb als einen in der Zeit ablaufenden Prozess durch Vorstöße der Pionierunternehmer und Verfolgungsaktionen der Nachahmer versteht, geht es nicht darum, vorübergehende kompetitive Machtpositionen einzelner Unternehmen zu verhindern, sondern einen freien Marktzugang zu sichern und antikompetitive Behinderungs- und Ausbeutungspraktiken zu bekämpfen. Gleichwohl spielen in der praktischen Wettbewerbspolitik marktstrukturelle Erwägungen eine erhebliche Rolle.751 Diese kommen in verschiedensten Marktanteilsschwellen zur Anwendung, etwa der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung im Rahmen des Art.  101 Abs.  1 AEUV,752 den Gruppenfreistellungsverordnungen bei Art.  101 Abs.  3 AEUV, der Ermittlung der Marktbeherrschung im Rahmen des Art.  102 AEUV oder der Fusionskontrolle gem. Art.  2 Abs.  2 und 3 FKVO. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass unternehmerisches Verhalten nur dann in hinreichendem Maße durch den Wettbewerb kontrolliert wird, wenn die Märkte offen sind. Letzteres gilt als unwahrscheinlich, wenn die entsprechenden Schwellenwerte überschritten werden.753 Die Offenhaltung der Märkte ist nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Sicherung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer. Diese sind vielmehr auch vor einer konkreten Ausbeutung durch Unternehmen mit tatsächlichen oder künstlich geschaffenen marktmächtigen Stellungen zu schützen. Im Rahmen eines Markttests kann deshalb neben oder anstelle der Marktstruktur auch das Marktverhalten betrachtet werden. Maßstab ist insoweit, ob eine Verhaltensweise von Marktteilnehmern 749 

Lutz, ORDO 8 (1956), 19, 31 f.; dazu Wolf, Effizienzen, S.  72. Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 18; siehe zur Theorie der Contestable Markets und den dagegen erhobenen Bedenken Teil 7 B. I. 1. 751 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 113; I. Schmidt, in: FS Bechtold, 2006, S.  409, 417; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 218. Siehe auch Kirchner, ZHR 173 (2009), 775, 788. 752  Diese Rechtsprechung bedarf einer Korrektur; vgl. Teil 5 C. II. 1. e). 753 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 19; zur Fusionskontrolle vgl. Barth/Budde, BB 2011, 1859, 1860. 750 Behrens/Braun/Nowak/Behrens,

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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den Prozess des Rivalisierens einschränkt.754 Es ist freilich problematisch, die wettbewerbsbeschränkenden von den nicht-wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen zu unterscheiden, die gerade Ausdruck eines verstärkten Rivalisierens der Marktbeteiligten sind. Im Rahmen des Art.  101 Abs.  1 AEUV wird diese Problematik in Zusammenhang mit den Tatbestandsmerkmalen bezweckte und bewirkte Wettbewerbsbeschränkung diskutiert.755 Aufgrund der vorstehend geschilderten Einschätzungsschwierigkeiten im Rahmen von Marktstruktur- und Marktverhaltenstests könnte es naheliegen, auf diese zu verzichten und sogleich einen Marktergebnistest durchzuführen. Bei Durchführung eines derartigen Marktergebnistests wäre unmittelbar nach den Effizienzwirkungen des jeweiligen Verhaltens zu fragen.756 Ein derartiger Ansatz liegt dem „more economic approach“ der Kommission zugrunde, sofern dort gefragt wird, ob wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen negative Auswirkungen auf die Konsumentenwohlfahrt haben oder durch überwiegende produktive Effizienzen aufgewogen werden.757 Eine solche Vorgehensweise ist wettbewerbstheoretisch problematisch, schon weil die im Effizienzkriterium enthaltenen unterschiedlichen Standards der allokativen, produktiven und dynamischen Effizienz im Einzelfall zu einem Zielkonflikt führen können.758 Ein solcher kann etwa im Rahmen der Fusionskontrolle zwischen allokativer Effizienz, ausgelöst durch einen Zuwachs an Marktmacht, und produktiver Effizienz etwa durch steigende Skalenerträge entstehen.759 Ein Konflikt zwischen allokativer und dynamischer Effizienz wird im Rahmen der Preismissbrauchs­ aufsicht über marktbeherrschende Unternehmen und der Erzwingung des Zugangs zu „essential facilities“ diskutiert,760 weil die erzwungene Herabsetzung der Preise bzw. der erzwungene Zugang zu den wesentlichen Einrichtungen zwar die allokative Effizienz erhöhen, aber langfristig die Anreize für Markteintritte von Konkurrenten bzw. von Investitionen des Marktbeherrschers mindern kann.761 Auch im Rahmen der Fusionskontrolle stellt sich eine derartige Problematik.762 Wie bereits erläutert, lassen sich dynamische Effizienzen nach

754 Behrens/Braun/Nowak/Behrens,

Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 19. Fuchs, ZWeR 2007, 369 ff.; Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 801 ff.; siehe noch Teil 5 C. II. 1. c) und d). 756 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 20. 757  Dazu krit. I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 941 ff. 758 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 21; siehe oben Teil 4 C. III. 4. e). 759 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 21. 760  EuGH v. 6.4.1995 – verb. Rs. C-241/91 P u. C-242/91 P, Slg. 1995, I-743 – RTP-ITP/ Kommission (Magill); EuGH v. 26.11.1998 – Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791 – Bronner. 761 Zur Preismissbrauchsaufsicht im Energiesektor gem. §   29 GWB siehe die Monopolkommission, Sondergutachten 58, Rn.  29 ff.; Klaue/Schwintowski, Preisregulierung durch Kartellrecht, EWeRK-Sonderheft, 2008, S.  9. Ausführlich Teil 5 C. IV. 762  Wolf, Effizienzen, S.  75 und öfter. 755 Dazu

312

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

derzeitigem Stand der wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnis nicht messen. Problematisch ist an einer unmittelbaren Effizienzkontrolle schließlich, dass sich die Effizienzgewinne und Effizienzverluste eines bestimmten Verhaltens ex ante nur schwer kalkulieren lassen, schon weil die entsprechenden Daten nicht oder nur mit hohem Aufwand zur Verfügung stehen; 763 denn der Wettbewerb ist gerade ein Verfahren, in dem die Daten erst gewonnen werden sollen.764 Auch kann die Ökonomie noch keine verlässlichen und konsentierten Modelle für derartige Analysen zur Verfügung stellen.765 Vor diesem Hintergrund ist es trotz der oben beschriebenen Unzulänglichkeiten der dynamischen Workable Competition-Theorien weiterhin vorzugswürdig, auf Marktstruktur- und Marktverhaltenskontrollen abzustellen, statt unmittelbar auf die guten oder schlechten Ergebnisse unternehmerischen Verhaltens zu blicken. Nur eine Marktstruktur- und Marktverhaltenskontrolle kann außerdem mit dem zivilistischen Ideal einer material-chancengleichen Selbstbestimmung der Bürger in Einklang gebracht werden. 6. Bewertung Die Theorien der Workable Competition haben das Analyseinstrumentarium der Wirtschaftswissenschaften erheblich erweitert. Die von ihnen herausgestellten Wettbewerbsparameter sind deshalb zu Recht ein fester Bestandteil deutscher und europäischer Wettbewerbspolitik.766 So haben Ingo Schmidt und André Schmidt das Konzept eines dynamisch-funktionsfähigen Wettbewerbs noch im Jahr 2006 als maßgebliches Leitmotiv des europäischen Wettbewerbsrechts identifiziert.767 Durch die dynamische Theorie des effektiven Wettbewerbs wurde das Bewusstsein dafür geschärft, dass eine zentrale – wenn auch nicht die einzige – Aufgabe des Wettbewerbsrechts die Sicherung kompetitiver Marktstrukturen durch Offenhaltung der Märkte ist.768 Eine auf die Sicherung kompetitiver Marktstrukturen abzielende Sichtweise stimmt auf den ersten Blick auch mit wesentlichen Grundgedanken des Privatrechts überein, da es nach beiden um die Sicherung der materialen Freiheit der Marktteilnehmer geht.769 Dieser Schutz wird ergänzt durch eine Marktverhaltenskontrolle am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs. 763 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 22. Siehe zur Problematik der Informationskosten schon oben in Zusammenhang mit dem neoklassischen Verhaltensmodell Teil 4 C. III. 2. d). 764  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff. 765  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 945. 766  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 222; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  153. 767  I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  18; siehe auch schon Klemmer/I. Schmidt/Binder, Handbuch europäische Wirtschaftspolitik, S.  1229, 1240. 768  Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  21. 769 So Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Gleichwohl begegnen die wohlfahrtsökonomisch ausgerichteten Workability-Konzepte im Detail einer Reihe von Bedenken. Indem sie als rein normative Theorien Leitbilder des Wettbewerbs formulieren, beruhen sie letztlich auf subjektiven Wertvorstellungen und nicht auf empirisch nachprüfbaren Erkenntnissen.770 Allerdings konnten sich ihre Vertreter bis heute nicht auf einen allgemein konsentierten Katalog von Kriterien einigen, wonach erwünschte von nicht erwünschten Wettbewerbsbeschränkungen zu unterscheiden sind. Es wurden vielmehr sehr unterschiedliche Kriterienkataloge entwickelt, die entweder auf die Marktstruktur, das Marktverhalten oder das Marktergebnis oder auf Kombinationen von diesen Kriterien nebst diversen Unterkriterien abstellen.771 Der voluntative Charakter wird durch Quantifizierungs- und Rangprobleme innerhalb der jeweils als maßgeblich angesehenen Kataloge noch weiter verstärkt.772 So hat Wernhard Möschel darauf hingewiesen, dass sich eine Vielzahl verschiedener Kombinationsmöglichkeiten ergeben, selbst wenn man sich auf sieben Marktstrukturelemente beschränkt (Marktanteil, Marktschranken, Markttransparenz, Kostenfunktion, Produktdifferenzierung, Preiselastizität, Einkommenselastizität) und diese mit jeweils drei allgemeinen Untergruppen (klein, mittel, groß) kombiniert.773 Entscheidend für die Frage, an welche Normen die praktische Wettbewerbspolitik anknüpfen sollte, ist der industrieökonomisch nachgewiesene Zusammenhang der verschiedenen Parameter; denn das Konzept setzt voraus, dass nicht nur die jeweiligen Marktkriterien, sondern auch ihre Wirkungen bekannt sind.774 Hierfür bedienen sich die Vertreter der Workable Competition der Industrieökonomik, die mit Hilfe von empirisch-statistischen Untersuchungen kausale Zusammenhänge zwischen Marktstruktur, Marktverhalten und Markt­ ergebnissen aufzeigen will. Eine der zentralen Thesen ist, dass die Unternehmenskonzentration eines Marktes und die Gewinne der Unternehmen positiv korreliert sind, da sich mit steigender Konzentration auch die Marktmacht erhöhe.775 Diese These wurde dahingehend weiterentwickelt, dass die Höhe der Unternehmenskonzentration insbesondere dann schädlich sei, wenn zudem Marktzutrittsschranken wie absolute Kostenvorteile, Produktdifferenzierung oder steigende Skalenerträge vorliegen.776 Das hierzu verwendete StrukturVerhalten-Ergebnis-Paradigma begegnet aufgrund der oben beschriebenen Rückkopplungs­effekte jedoch methodischen Bedenken. Sofern man wie Kant­ zenbach von den eher längerfristig auftretenden Rückkoppelungseffekten zu 770 

Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  30. Sosnick, Quart. J. Econ. 72 (1958), 380 ff. 772  Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, 2008, S.  46. 773  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  66. 774  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  152. 775  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 379. 776  Vgl. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 379 f. 771 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Gunsten einer kurzfristigen Sichtweise abstrahiert, handelt es sich im Ergebnis um einen statischen (Marktstruktur-)Ansatz, wonach ein Wettbewerbsprozess als Funktion der Marktform begriffen wird, obwohl die Wettbewerbsprozesse ihrerseits bei dynamischer Betrachtung marktstrukturändernd wirken.777 Auch in der Praxis konnte sich die Marktstruktur-Marktverhalten-Markt­ ergebnisannahme nicht bewähren. So konnten industrieökonomische Studien der Industrial-Organization-Lehre keine belastbaren Kausalbeziehungen zwischen Marktstruktur und Marktergebnissen aufzeigen.778 Die Marktformen sind vielmehr wettbewerbsneutral bzw. ambivalent, weshalb sich aus ihnen keine eindeutigen Folgerungen über die Intensität des Wettbewerbsprozesses und den Grad der Wettbewerbsfreiheit ziehen lassen.779 Vielmehr können der Vollkommenheitsgrad des Marktes und die Anzahl der Marktteilnehmer je nach Entwicklungsphase des Marktes sowohl das Ergebnis eines freien Wettbewerbs als auch dasjenige von Wettbewerbsbeschränkungen sein. Bedeutsam sind somit vor allem die marktstrategischen Verhaltensweisen, das subjektive Konkurrenzbewusstsein und die daraus resultierenden Wirtschaftspläne, auch wenn diese Faktoren wiederum durch die Marktstruktur determiniert werden. In der praktischen Analyse zeigte sich außerdem, dass Wirtschaftssektoren von strukturellen Besonderheiten gekennzeichnet sein können, die zu unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten führen, ohne deren Beachtung keine belastbaren Aussagen über die Kausalbeziehungen möglich sind.780 Weiterhin besteht bei empirischen Untersuchungen ein weiter Spielraum für Interpretationen, so dass sogar bei übereinstimmenden Ergebnissen abweichende oder gegensätzliche Schlussfolgerungen möglich sind.781 Andererseits konnten jedenfalls Marktstrukturen bestimmt werden, die mit gewisser Wahrscheinlichkeit die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs beeinflussen.782 Vor diesem Hintergrund ist heute praktisch unstreitig, dass die Marktstruktur einen gewissen Einfluss auf die Marktergebnisse hat.783 Das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Konzept wird deshalb zu Recht als „heuristisches Paradigma“ bezeichnet.784 Im Ergebnis herrscht gleichwohl Einigkeit, dass sich die weitgesteckten Erwartungen der Workability-Thesen nicht erfüllt haben, mit Hilfe empirisch gesicherter Zusammenhänge diejenigen Marktstrukturen

777 

I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  17. Scherer/Ross, Industrial Market Structure, S.  411 ff.; Tirole, Industrieökonomik, S.  2 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  45 ff.; zugestanden auch von Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 117 f. 779  Vgl. zum Folgenden MünchKommGWB/Säcker, Einl. Rn.  8 . 780  Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  27. 781  Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  49. 782 Cox/Jens/Markert/Kantzenbach/Kallfass, Handbuch des Wettbewerbs, S.  105, 117. 783  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  154. 784 Behrens/Braun/Nowak/Behrens, Europäisches Wettbewerbsrecht, S.  13, 16. 778 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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zu identifizieren, die besonders wettbewerbsschädlich oder wettbewerbsfördernd sind.785 Insbesondere der Ansatz Kantzenbachs setzt sich dem Vorwurf aus, dass er – anders als andere Workability-Konzepte786 – vornehmlich ökonomisch-instrumental war, indem er die Wettbewerbsfreiheit aus den normativen Funktionen des Wettbewerbs ausklammerte bzw. nicht ausreichend gewichtete.787 Dies bildete den Kern der Kontroverse mit Hoppmann als Vertreter eines systemtheoretisch-freiheitlichen Wettbewerbsverständnisses. Darüber hinaus geriet das Konzept der Workable Competition von Seiten der Chicago School in die ­Kritik, die monierte, dass es den Workability-Lehren an einem konsistenten theoretischen Fundament fehle, weshalb diese eine zu interventionistische Wettbewerbspolitik befürworteten. Demgegenüber trat die Chicago School – allerdings ihrerseits auf der Grundlage angreifbarer Annahmen – für eine Laissez-faire-Politik gegenüber privaten Wettbewerbsbeschränkungen ein, die insbesondere auf der positiven Beurteilung von Größenvorteilen (und damit von unternehmerischer Marktmacht) und der behaupteten Abwesenheit von Marktzutrittsschranken basierte, womit zugleich die Notwendigkeit eines zivilistisches Schutzes vor wirtschaftlicher Macht negiert wurde. Hierauf ist noch einzugehen.

V. Vernachlässigung der negativen Wirkungen wirtschaftlicher Macht durch freiheitlich-formale Markt- und Wettbewerbstheorien 1. Analyse dynamischer Markt- und Wettbewerbsprozesse Wir haben gesehen, dass Kantzenbach in seinem Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität gleichsam von oben herab Zielfunktionen setzte, die in der praktischen Wettbewerbspolitik umfangreiche Eingriffe in die Marktstruktur und das Marktverhalten rechtfertigen sollten. Einem solchen deduktiven Ansatz hielt Hoppmann in der bekannten „Kantzenbach-Hoppmann-Kontroverse“ ein induktives, die Wettbewerbsfreiheit der einzelnen Marktteilnehmer betonendes Leitbild entgegen, das enge Bezüge zur klassischen Wettbewerbstheorie von Adam Smith und zur Austrian School of Economics aufweist.788 Sein Konzept wird deshalb auch als systemtheoretisches789 oder neuklassisches790

785 

Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 380. Siehe die Übersicht bei I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  30. 787  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  17; zur weiteren Kritik an dem Ansatz Kantzenbachs siehe Bartling, Leitbilder der Wettbewerbspolitik, S.  36 ff. 788  Daneben wurde Hoppmann wohl auch von Eucken beeinflusst; vgl. Lehmann, JZ 1990, 61, 63 mit Fn.  35. 789  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  108 und 110. 790 Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 41. 786 

316

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Wettbewerbsverständnis oder „Konzept der Wettbewerbsfreiheit“791 bezeichnet. Hoppmann selbst hat sein Konzept als „system- oder sozialtheoretisch“ bezeichnet.792 In jüngerer Zeit hat sich für derartige Wettbewerbskonzepte, welche vor allem auf die Analyse dynamischer Wettbewerbsprozesse und die zentrale Rolle von Innovations- und Imitationsprozessen abstellen, die Bezeichnung „dynamisch-evolutorisch“ eingebürgert.793 Der Begriff „evolutorisch“ bezieht sich u. a. auf den Umstand, dass sich die Generierung von neuem Wissen nicht nach linearen Regelmäßigkeiten vollzieht, sondern in unterschiedlichen und komplexen Prozessen.794 Vor diesem Hintergrund sind Eingriffe in den Prozess zwar durchaus möglich; sie bleiben jedoch solche in eine kausal nur schwer zu determinierende Eigendynamik, weshalb sich die Auswirkungen der Eingriffe nur begrenzt vorhersehen lassen.795 Vereinfacht lassen sich mehrere Gruppen dynamischer Wettbewerbstheorien unterscheiden: 796 Die erste Gruppe gründet auf Joseph. A. Schumpeter. Dieser stellte heraus, dass der Wettbewerb nicht mit einem statischen Gleichgewichtsmodell erklärt werden könne, da der industrielle Entwicklungsprozess maßgeblich auf Innovationen (neue Konsumgüter, neue Produktionsmethoden etc.) beruhe.797 Als Motor der Entwicklung diente Schumpeter der „dynamische Pio­ nierunternehmer“, der neue Produkte und Produktionsverfahren erstmalig durchsetzt, sowie Imitatoren, die diese Produkte und Verfahren allgemein verbreiten.798 In diesem Prozess schöpferischer Zerstörung schaffe der Wettbewerb ständig eine neue Wirtschaftsstruktur, indem er die alten Produkte vom Markt verdränge. Auf dieser Grundlage lasse sich der Wettbewerb nicht allein als Preiswettbewerb verstehen, da seine entscheidende Funktion die Schaffung und Verbreitung von Innovationen sei.799 Schumpeter sah deshalb eine gewisse Konzentration der Wirtschaft als wünschenswert an, um Skalenerträge zu erzielen und den wirtschaftlichen Fortschritt zu befördern. 800 Seine Theorie kann somit als machtfreundlich bezeichnet werden. 791 

Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 389. Normenzwecke und Systemfunktionen, S.  5, 7. 793 Vahlens Kompendium/Kerber, S.   369, 389; siehe etwa Mantzavinos, JBNSt. 225/2 (2005), 205 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 209 ff.; Vanberg/Mantzavinos, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  23 ff. 794  Vgl. Eifert/Hoffmann-Riem/Bora, S.  23, 29. 795  So Eifert/Hoffmann-Riem/Bora, S.  23, 29. 796  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 387 ff. 797  Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung; ders., Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie, S.  136 ff.; siehe auch Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  39. 798  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 387. 799  Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus, Demokratie, S.  172; siehe auch Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 387. 800  Siehe zu den sog. Neo-Schumpeter-Hypothesen i. S. von Bedingungen für ein inno­ vationsfreundliches Klima MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.   1031; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  134 ff. 792 Hoppmann/Mestmäcker/Hoppmann,

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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In Anlehnung an das Konzept Schumpeters teilte Arndt den Wettbewerb in zwei Phasen ein, namentlich in den Wettbewerb der sog. Bahnbrecher und denjenigen der sog. Nachahmer; wir sind hierauf bereits weiter oben eingegangen.801 Heuss zeigte auf der Grundlage empirischer Untersuchungen, dass die Marktentwicklung in Phasen unterschieden werden kann: 802 in die Experimentierphase, die Expansionsphase, die Ausreifungsphase und die Stagnations- und Rückbildungsphase. Auch wenn dieses Schema nicht den Anspruch naturwissenschaftlicher Gesetzmäßigkeit erheben kann, konnte Heuss damit erklären, dass der Einsatz der Aktionsparameter wie Werbung, Errichtung von Marktschranken, Service, Preis und Produktqualität und der von diesen Parametern ausgehende Wettbewerbsdruck je nach dem Stadium des Wettbewerbsprozesses divergiert.803 Märkte und Marktstrukturen sind also nicht vorgegeben, sondern verändern sich im Laufe der Marktentwicklung.804 Eine weitere Gruppe dynamisch-evolutionärer Wettbewerbskonzepte, die auch als Austrian School bezeichnet wird, geht auf Friedrich August von Hayek und auf Israel M. Kirzner 805 zurück. Hoppmanns Thesen basieren maßgeblich auf dem Verständnis von Hayeks vom Wettbewerb als spontaner Ordnung, wonach dieser ein Such- und Entdeckungsverfahren sei, dessen Ergebnisse man nicht vorhersehen könne, was der rationalen Konstituierung einer gesellschaftlichen Ordnung im Allgemeinen und des Wettbewerbsprozesses im Besonderen entgegenstehe. 806 Aus diesem Grunde sollen im Folgenden zunächst die Überlegungen von Hayeks umschrieben werden. 2. Das Wissensproblem (von Hayek) a) Grundlagen Von Hayek fühlte sich zwar grundsätzlich dem Freiheits- und Ordnungsdenken des Ordoliberalismus zugehörig, entfernte sich jedoch im Rahmen seiner Forschung u. a. wegen seiner Ablehnung geplanter Sozialstaatlichkeit deutlich von ordoliberalem Gedankengut, und erwarb sich den Ruf eines klassischen Liberalen. 807 Während etwa Eucken und auf rechtswissenschaftlicher Seite Böhm die (deutsche) Historie wirtschaftspolitischer Experimente unter dem Gesichtspunkt staatlicher und privater Macht diskutierten, betrachtete von Hayek vor allem die Grenzen sozialistischer Planung und die Vorzüge kapita801 

Arndt, Schöpferischer Wettbewerb, S.  35 Rn.  66; Teil 4 C. IV. 4. a). Heuss, Allgemeine Markttheorie, S.  25 ff.; dazu Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  88 ff. 803 Ausführlich I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  78 ff. 804  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 387. 805  Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum, 1978. 806  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 220. 807 So Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  99. 802 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

listischer Wirtschaftssysteme im Hinblick auf deren Fähigkeit, von dem subjektiven, nicht zentralisierten Wissen und den Fähigkeiten der Individuen zum Wohle der Gemeinschaft Gebrauch zu machen, 808 ganz im Sinne der „invisible hand“ Adam Smiths.809 Von Hayek war trotz eines Rufs an die Universität Chicago nicht dem Denken der sog. Chicago School of Economics verhaftet, da er die Freiheit des Einzelnen und nicht die Generierung wohlfahrtsökonomischer Effizienzsteigerungen in den Mittelpunkt seiner Arbeiten stellte, selbst wenn sich einige seiner Forschungsergebnisse mit zentralen Thesen der Chicago School decken. 810 Grundlegend für das Verständnis der Hayekschen Theorien ist, dass dieser von keiner teleokratischen, sondern von einer nomokratischen Ordnung der Gesellschaft ausging: 811 Es sei nicht möglich, eine gesellschaftliche Ordnung rational (durch Befehl) zu konstituieren; diese bilde sich vielmehr als Ergebnis eines spontanen evolutionären Prozesses infolge der vielen unintendierten Handlungen der einzelnen Individuen heraus. Gesellschaftliche Ordnungen seien selbst-organisierende, endogene Systeme, welche ausschließlich im Dienst der Individuen stünden, also nicht zugleich überindividuellen Zwecken dienten. Vor diesem Hintergrund sieht von Hayek nur wenige Möglichkeiten zur staatlichen Steuerung derartiger Systeme. 812 Man könne allenfalls über Verhaltensregeln und Rechtsnormen (die abstrakten Eigenschaften) Einfluss auf den allgemeinen Charakter der Ordnung nehmen, wohingegen sich Anordnung und Struktur ihrer einzelnen Elemente (die Besonderheiten) einer bewussten Gestaltung entzögen.813 Die Ideen von Hayeks basieren maßgeblich auf der Entdeckung der Wissensteilung als Reaktion auf den für jede komplexe Gesellschaft konstitutionellen Wissensmangel.814 Dieser sei ubiquitär, das gesamte Wissen sei also zerstreut und könne nicht zentralisiert werden. 815 Das elementare ökonomische Problem ist für von Hayek deshalb nicht eine effiziente Nutzung knapper Ressourcen 808 So

Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  7. Das stellt heraus Leistner, Richtiger Vertrag, S.  46. 810  Samuelson/Nordhaus, Economics, 1992, S.   731; siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S.  10: Rückführung der staatlichen Normsetzung auf die „sprichwörtliche Rolle des Nachtwächters“. 811  Von Hayek, Freiburger Studien, S.  161, 163 mit Fn.  3, der die spontane Ordnung des Marktes insoweit von der Ordnung durch Befehl und Gehorsam abgrenzt. Siehe auch A. Schmidt, in: FS Herdzina, 2000, S.  377, 397; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  47; Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  99: „Hayek fügt damit dem Warum der Marktwirtschaft als der wünschenswerten Wirtschaftsordnung die Begründung hinzu, wie diese Wirtschaftsordnung zur Entstehung gelangt“ [im Original z. T. hervorgehoben]. 812  Von Hayek, ORDO 26 (1975), 12, 14. 813  Von Hayek, Recht, Gesetzgebung und Freiheit, Bd. 1, S.  6 4; A. Schmidt, in: FS Herdzina, 2000, S.  377, 397. 814  Vgl. statt anderer die Bewertung von Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  7. 815  A. Schmidt, in: FS Herdzina, 2000, S.  377, 398. 809 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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auf der Grundlage einer gegebenen Menge an Gütern (Herstellung von Allo­ kationseffizienz), sondern die Hervorbringung und Nutzung des individuell verstreuten Wissens. 816 Dies werde bewirkt durch den Wettbewerb, der als Entdeckungsverfahren und als Antriebskraft eines Systems freiwilliger Markttransaktionen (Katallaxie) diene. 817 Der Wettbewerb auf den Märkten sei als Experimentierungsprozess zu verstehen, in dem die Anbieter ihre verschiedenen Problemlösungen auf dem Markt testen und aus diesem Verfahren lernen. 818 In einer solchen Ordnung sei jedes Individuum darin frei, sein eigenes Wissen für eigene Zwecke und auf eigenes Risiko zu nutzen. Die wettbewerblichen Marktprozesse dienten als Anreizsystem, neues Wissen zu erwerben und neue persönliche Fähigkeiten zu entwickeln und einzusetzen. Schließlich gebe das Signalsystem der Preise den anderen Marktteilnehmern wichtige Informationen in kodierter Form.819 Eine spontane Ordnung kann sich für von Hayek als Prozess von Adaption und Lernen nur entwickeln, wenn die individuelle Handlungs- und Entschließungsfreiheit der Bürger gesichert ist. 820 Auf dieser Grundlage sollen sich Wettbewerb und Markt als diejenigen Institutionen herausbilden, die den Wissens­ transfer bewerkstelligen können. 821 Ein wichtiger Bestandteil der individuellen Freiheit ist für von Hayek deshalb die Vertragsfreiheit. 822 Anders als im Ordoliberalismus steht für ihn aber nicht der Schutz der Freiheit des Einzelnen vor einem Missbrauch wirtschaftlicher Macht im Vordergrund, sondern – wie schon bei Adam Smith – der Schutz vor staatlichen Beschränkungen der (innovativen) unternehmerischen Tätigkeit. 823 Die Gültigkeit eines Vertrages dürfe deshalb nur von „jenen allgemeinen, gleichen und bekannten Regeln“ abhängen, „durch die alle anderen gesetzlichen Rechte bestimmt sind, und nicht von der Gutheißung seines besonderen Inhalts durch eine staatliche Behörde“. 824 Die Ergebnisse des Marktes sind für Hayek nämlich nicht bewertbar, da sie aus der unge­ störten und nicht prognostizierbaren evolutionären Entwicklung des Marktes 816 Grundlegend von Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S.  49 ff.; vgl. statt anderer auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  100. 817  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3, 7 ff. Der Begriff „Katallaxie“ dient als Gegenbegriff zur Einzelwirtschaft; er beschreibt die Marktordnung als Ganzes im Sinne einer komplexen Struktur, die sich aus vielen Einzelwirtschaften zusammensetzt (a. a. O., S.  8); vgl. dazu Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  8. 818  So Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 388. 819  Von Hayek, Individualismus und wirtschaftliche Ordnung, S.   114 ff., insb. S.   117; Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  8. Preise dienen bei freier Preisbildung als Indikator für die Knappheit eines Gutes, und stellen so für potenzielle weitere Anbieter dieses Gutes eine wichtige Informationsquelle dar, vgl. Zimmer, WuW 2007, 1198, 1199. 820  Hayek, Verfassung der Freiheit, S.  32 ff.; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 213. 821  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 213. 822  Von Hayek, Verfassung der Freiheit, S.  296. 823  Siehe dazu Streit, ORDO 43 (1992), 1, 24. 824  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 213.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

folgen; dies kommt einer „Richtigkeitsvermutung für das Handeln privater Marktteilnehmer“ nahe. 825 Das Verhalten der Marktteilnehmer sei deshalb nicht durch eine einzelfallbezogene Ergebniskontrolle, sondern durch universale Rechtsregeln (pattern prediction, auch als „Mustervoraussagen“ übersetzt826) in geordnete Bahnen zu lenken. 827 Durch die Unterwerfung unter Regeln könnten die Marktteilnehmer in einer zukunftsoffenen Umwelt vermeiden, dass sie ständig das zum Handeln notwendige Wissen neu verarbeiten müssten. 828 Von Hayek anerkennt damit zwar die grundsätzliche Notwendigkeit einer Offenhaltung der Märkte. Zugleich negiert er jedoch die Aufgabe der Rechtsordnung, einen angemessenen Ausgleich individueller Freiheitspositionen im Einzelfall herzustellen, weil dies wettbewerbstheoretisch nicht möglich sei.829 Die universalen Regeln einer spontanen Handelnsordnung sollen es den Individuen ermöglichen, eigene Ziele unter Verwendung eigenen Wissens zu verfolgen und verlässliche Erwartungen über das Verhalten anderer zu bilden. 830 Derartige Regeln müssten deshalb einen geschützten Raum privatautonomen und selbstverantwortlichen Handelns gewährleisten und interpersonale Konflikte vermeiden. 831 Zugleich hielten die Regeln die Handelnsordnung offen für die Entdeckung und Durchsetzung von Innovationen (Handlungen), an die bis dato niemand hätte denken können. 832 Die „Regeln gerechten Verhaltens“ müssten 1. „allgemein“ sein, d. h. auf eine unbestimmte Anzahl von Personen anwendbar, 2. „offen“, d. h. sich nur auf unerlaubte Handlungen beziehen, und 3. „sicher“, d. h. ein berechtigtes Vertrauen auf die dauerhafte Geltung ihrer Inhalte vermitteln.833 Folgerichtig lehnt von Hayek eine Ausrichtung des Wettbewerbsrechts an zwecksetzenden Funktionen wie der Verwirklichung wohlfahrtsökonomischer Konzepte strikt ab; 834 denn auf der Grundlage unvollständigen Wissens sei es weder möglich, wie in der neoklassischen Preistheorie von gegebenen und homogenen Gütern auszugehen, noch könnten die Ergebnisse von Marktpro825 

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  101 f. Dazu die Anmerkung der Übersetzer in von Hayek, ORDO 26 (1975), 12, 15 Fn.  3. 827  Siehe auch Hoppmann, in: FS Mestmäcker, 1996, S.  177, 185, der aus diesem Grunde ebenfalls die Effizienzausrichtung der Chicago School ablehnt. 828  Von Hayek, ORDO 14 (1963), 1, 18 f. 829  Er übersieht damit den eigentlich naheliegenden Umstand, dass ein Maßstab für den Ausgleich individueller Interessen durch den Gesetzgeber auch qua normativer Wertentscheidung vorgegeben werden kann; denn eine freiheitlich-demokratische und soziale Rechtsordnung ist nicht an die Erkenntnisgrenzen der Ökonomie gebunden. 830  Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  9. 831  Zur „übergeordneten Bedeutung“ der persönlichen Freiheit der Individuen A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 213. 832  Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  9. 833  Von Hayek, Verfassung der Freiheit, S.   183 (zum abstrakten Charakter des Rechts), 270 f. (zur Rechtssicherheit), S.  292 (zur Durchsetzung allgemeiner Regeln); Streit/Wohlgemuth, Walter Eucken und Friedrich A. v. Hayek, S.  9. 834  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff. 826 

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zessen anhand eines statischen Effizienzbegriffes überprüft werden. 835 Eine derartige Einschränkung der persönlichen Handlungsfreiheit aus übergeordneten Zwecken würde den Wettbewerb als Entdeckungsverfahren ausschalten. 836 Auf dieser Grundlage bedarf es für ihn auch keiner ökonomischen Annahme des Rationalverhaltens („homo oeconomicus“). 837 In moderner Diktion verfolgte von Hayek somit ein ordnungsökonomisches Konzept, das sich auf die Ausgestaltung der konstitutionellen Ebene von Gesellschaftssystemen beschränkt, die so ausgerichtet sein sollen, dass sie Wettbewerbsprozesse im Sinne von Entdeckungsprozessen sichern und die individuelle Freiheit als Voraussetzung der Teilnahme am Wettbewerbsprozess umfassend schützen. 838 Unzulässig sind für von Hayek demgegenüber staatliche Preiskontrollen, und zwar unabhängig davon, ob der Staat Preise festsetzt oder Regeln aufstellt, in deren Anwendung die Preise kontrolliert werden: 839 Derartige Kontrollen seien nicht nur willkürlich, 840 sondern auch nicht so durchzuführen, dass der Markt noch richtig funktioniere. So könne sich ein freies System an fast alle Gegebenheiten und allgemeinen Verbote und Regeln anpassen, solange der Anpassungsmechanismus in Form der Preisveränderungen funktioniere. b) Bewertung Die Erkenntnisse von Hayeks sind für die Innovationsforschung immer noch von grundlegender Bedeutung. Demgemäß wird die Innovationsregulierung zu Recht auch als Wissensregulierung bezeichnet. 841 Nach dem Denken von ­Hayeks erfolgt das innovative private Handeln der Marktteilnehmer auch zum Wohle der Konsumenten: 842 Verbraucherschutz ist für ihn gleichbedeutend mit der Sicherung der Handlungsfreiheit der Individuen, die auf dieser Grundlage eine spontane Handelnsordnung bilden. „Konsumentenschutz ist [damit] identisch mit der Hayekschen Ordnungs- und Wettbewerbspolitik“. 843 Dieser Zusammenhang beinhaltet aus privatrechtsdogmatischer Sicht aber inzident eine Wertentscheidung für eine formal verstandene Privatautonomie und damit für 835 

Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  4. A. Schmidt, in: FS Herdzina, 2000, S.  377, 399. 837 So zutreffend Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.   100; Leistner, Richtiger Vertrag, S.  47 f. 838  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 213. 839  Von Hayek, Verfassung der Freiheit, S.  292 ff., insb. S.  293. 840  Von Hayek (Verfassung der Freiheit, S.  294) betont, dass die ökonomische Unzulässigkeit von Preiskontrollen nicht daraus folge, dass die Wirtschaftsinteressen, in die eingegriffen werde, gegenüber anderen Interessen höherrangig seien. 841 Eifert/Hoffmann-Riem/Bora, S.  23, 31. 842  So die grundlegenden Ausführungen von Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  102; siehe auch S.  103. 843  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  102 [Name im Orig. nicht hervorgehoben]. 836 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

eine „Bevorzugung des Starken gegenüber dem Schwachen“; 844 denn auf der Grundlage eines materialen Freiheitsverständnisses wäre zu fragen, ob der Einzelne von seiner Freiheit auch tatsächlich Gebrauch machen kann. Eine solche Sichtweise würde nicht nur zu einer Loslösung von einem formalen Freiheitsgedanken führen, wonach die Freiheit des einen Individuums genau der Freiheit des anderen Individuums entsprechen muss, sondern auch von der Vorgabe allgemeiner Rechtsregeln zu Gunsten auch einzelfallbezogener Vorschriften etwa zur Kontrolle von (Energie-)Preisen. Für von Hayek bedeuten Preiskontrollen demgegenüber eine unzulässige „Anmaßung von Wissen“, das doch über den Marktprozess erst ermittelt werden solle.845 Eine soziale Marktwirtschaft kann jedoch vor einem Missbrauch wirtschaftlicher Machtpositionen nicht die Augen verschließen. Sie ist deshalb gehalten, das konkrete Verhalten marktbeherrschender Unternehmen zu korrigieren, soweit dieses zu wettbewerbsinkonformen Marktergebnissen führt.846 Anders als etwa Eucken denkt von Hayek also nicht in einer „Interdependenz der Ordnungen“, sondern verfolgt ein normatives Konzept entgegen der geltenden Wirtschaftsverfassung. 847 Die Vorschläge von Hayeks haben gleichwohl einen richtigen und wichtigen Kern, weil sie den Wettbewerb als dynamischen Prozess modellieren, der einer Analyse allein auf der Grundlage statischer Modelle nicht zugänglich ist. Darüber hinaus stellt von Hayek zu Recht die Gefahr von staatlichen Wettbewerbsbeschränkungen heraus, der das EU-Recht u. a. durch die Vorschriften über die Bindung öffentlicher Unternehmen an das Wettbewerbsrecht (Art.  106 Abs.  1 AEUV), die Beschränkung der Zuerkennung von Sonderrechten aus öffentlichen Interessen (Art.  106 Abs.  2 AEUV) sowie die Beihilfenkontrolle (Art.  107 AEUV) und das Vergaberecht (allgemeiner Gleichheitssatz und Grundfreiheiten) entgegenwirkt. 3. Das systemtheoretische Konzept der Wettbewerbsfreiheit (Hoppmann) a) Von einem materialen zu einem formalen Freiheitsverständnis Im Gegensatz zur neoklassischen Gleichgewichtsökonomie, auf der auch die Workability-Konzepte beruhen, rückte Hoppmann die Freiheit des Wettbewerbsprozesses in den Mittelpunkt seiner Wettbewerbstheorie. Sein systemtheoretisches „Konzept der Wettbewerbsfreiheit“ basiert auf Grundüberlegungen zur dynamischen Struktur des Wettbewerbs und der liberalen Marktprozess­ theorie der sog. Austrian School. 848 844 

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  102. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  102. 846  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107. 847  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  103. 848  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 388; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 221. 845 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Auf der theoretischen Ebene kritisierte Hoppmann das Marktstrukturverhalten-Marktergebnis-Paradigma. Auf der Grundlage eines dynaMarkt­ misch-evolutionären, die Wettbewerbsfreiheit betonenden Wettbewerbsverständnisses sei die Marktform, die bei Kantzenbach die Intensität des Wett­ bewerbsprozesses bestimmen solle und die durch Anbieterzahl und Vollkommenheitsgrad determiniert werde, nicht von außen vorgegeben, sondern entstehe erst aus dem Wettbewerbsprozess. 849 Demgemäß könne man keine eindeutige Korrelation zwischen Marktstruktur und dem wünschenswerten Ausmaß des Wettbewerbs nachweisen. Die Wettbewerbspolitik könne vielmehr nur der Herstellung und Aufrechterhaltung der individuellen Wettbewerbsfreiheit dienen.850 Diese Freiheit umfasse die Handlungs- und Entschließungsfreiheit im „Parallelprozess“ sowie die Wahlfreiheit der Marktkontrahenten im „Austauschprozess“.851 Ein „wettbewerblicher Marktprozess“ liege vor, wenn einerseits die vorhandenen Konkurrenten im Einsatz ihrer Marktparameter frei seien, und andererseits potenzielle Konkurrenten die Freiheit zum Markteintritt hätten. 852 Darüber hinaus müssten die Marktkontrahenten zwischen verschiedenen Alternativen auswählen können.853 Hoppmann sieht im Bestehen von Marktmacht – insoweit vergleichbar mit der Chicago School – kein gravierendes Problem, da diese bei offenen Märkten zur zeitweilig bestehe. 854 Ebenso wie von Hayek negiert er folglich die Notwendigkeit einer konkret-individuellen Sicherung materialer Selbstbestimmung der Marktteilnehmer etwa durch Preiskontrollen. 855 In der Diskussion wird zuweilen nicht ausreichend beachtet, dass Hopp­ manns Verständnis von Freiheit eine Entwicklung von einer materialen zu einer relativ förmlichen Sicht vollzog: Nach Ansicht des frühen Hoppmann sollte sich der Begriff der Wettbewerbsfreiheit nicht nur auf die rechtliche Handlungskompetenz, sondern auch auf die tatsächlichen Aktionsspielräume der aktuellen und potenziellen Wettbewerber beziehen. 856 Folgerichtig hat Hopp­mann die Wettbewerbsfreiheit der Marktteilnehmer zunächst nicht absolut gesetzt; denn der konkrete Aktionsspielraum des Einen findet bei einer materialen Sichtweise seine Grenze im Aktionsspielraum des Anderen. 857 Er hat also durchaus erkannt, dass die individuelle Selbstbestimmung in einer Privatrechtsordnung, in der der Güteraustausch maßgeblich über gegenseitige Austauschverträge er849 

Hoppmann, JBNSt. 179 (1966), 286, 305 ff., insb. S.  310. Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 41. 851  Siehe zur Begrifflichkeit Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl. 1.9. und 1.10. 852 Schneider/Hoppmann, Grundlagen der Wettbewerbspolitik, S.  9, 15. 853 Schneider/Hoppmann, Grundlagen der Wettbewerbspolitik, S.  9, 40 ff. 854  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 389. 855 Er entkoppelt damit zugleich das Wettbewerbsrecht von einem auf dem Primat der Selbstbestimmung beruhenden Privatrecht. 856  So Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 41. 857 Schneider/Hoppmann, Grundlagen der Wettbewerbspolitik, S.  9, 16. 850 Vanberg/Eickhof,

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

folgt, nicht grenzenlos gewährleistet sein kann, sondern einer inhaltlichen Begrenzung bedarf. Ist der Freiheitsbereich des einen Marktteilnehmers im Vergleich zu demjenigen des anderen Marktteilnehmers unverhältnismäßig groß, spricht Hoppmann von Marktmacht; aus diesem Grunde könnten die Begriffe „Wettbewerbsfreiheit“ und „Marktmacht“ synonym verwendet werden. 858 Der Wettbewerb sei allerdings als dynamischer Prozess durch fortlaufende Entstehung und Erosion von Marktmacht gekennzeichnet. Deshalb sei nicht die statische Frage nach der Existenz von Marktmacht relevant, sondern nur diejenige nach ihrer Entstehung oder Vergrößerung. 859 Ab dem Jahr 1972 formalisierte Hoppmann sein Verständnis von Wettbewerbsfreiheit zunehmend, indem er die Freiheit nur noch als Abwesenheit von Zwang, Betrug und Irreführung durch andere definierte.860 Anders als zuvor, wo er die Wettbewerbsfreiheit noch im Sinne der Sicherung „angemessener Aktionsspielräume“ verstanden hatte, propagierte er nunmehr also einen nahezu absoluten Freiheitsbegriff. 861 Der Staat könne private Freiheiten zwar grundsätzlich einschränken, müsse dabei jedoch die allgemeinen institutionellen Vorgaben beachten, wozu für Hoppmann insbesondere zählte, dass er keine „personalen Interventionen“ vornehmen dürfe. 862 Hoppmann bleibt somit – trotz der klar erkannten Bedeutung eines freien Austauschverkehrs zwischen Anbietern und Nachfragern – ebenso wie von Hayek bei einem weitgehend formellen Freiheitsverständnis stehen, anstatt die auch dem geltenden Wettbewerbsrecht zugrunde liegende tatsächlich-chancengleiche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer ins Zentrum seiner Überlegungen zu stellen.863 Dies lässt sich darauf zurückführen, dass freie Marktprozesse nach Hoppmann zwangsläufig zu guten ökonomischen Ergebnissen führen, sofern weitere Bedingungen wie ein – zu unterstellender – Wettbewerbsgeist („spirit of competition“) der Marktteilnehmer gegeben seien (Folge: Verbot der Kollusion).864 Hoppmann stellt mit seinem weiten Wohlfahrtsbegriff865 ganz im Sinne der „invisible hand“ Adam Smiths die sog. Dilemmathese in Abrede, da zwischen 858 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 242; etwas anderes gelte für die Bereiche, in denen Wettbewerb nicht möglich sei (die sog. Ausnahmebereiche); siehe dazu Teil 6 B. II. 3. 859 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 306. 860 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 301 ff. und 313. 861 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 313 f.; Vanberg/ Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 42. 862 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 316. 863  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  52. 864 Schneider/Hoppmann, Grundlagen der Wettbewerbspolitik, S.  9, 14. 865  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 461 ff.; demgegenüber werde in der Wohlfahrtstheorie, die auch dem „more economic approach“ zugrunde liege, ein vergleichsweise enger Wohlfahrtsbegriff verwandt, der auf den Konzepten der Produzenten- und Konsumentenrente basiere.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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guten ökonomischen Marktergebnissen der einzelnen Marktbeteiligten und der Wettbewerbsfreiheit kein Widerspruch bestehen könne. 866 Freier Wettbewerb sei eine komplexe Ordnung, die das Marktsystem funktionsfähig mache und zugleich gute, wenn auch im Einzelnen unvorhersehbare ökonomische Ergebnisse hervorbringe.867 Zielkonflikte können für Hoppmann erst dann entstehen, wenn der Wettbewerb als Instrument zur Verfolgung überindividueller ökonomischer Ziele instrumentalisiert werde. Hoppmann übernimmt damit eine zentrale These von Hayeks, wonach die unbeschränkte Freiheit des Einzelnen im Rahmen eines sozialtheoretischen Evolutionskonzepts qua Wertentscheidung (nicht im Sinne einer empirischen Überprüfbarkeit) 868 zur gesamtgesellschaftlichen Wohlfahrt führen soll. 869 Für die Marktteilnehmer seien Wettbewerb und ökonomische Vorteilhaftigkeit identisch, da der Maßstab durch den Wettbewerbsprozess erst ermittelt werde. 870 In seinen späten Arbeiten spricht Hoppmann – um die Verwirrung noch zu befördern – nicht mehr von Dilemma- bzw. Harmoniethese und differenziert auch nicht mehr zwischen individuellen und überindividuellen Vorteilen, sondern behandelt allein das Verhältnis zwischen Wettbewerbsfreiheit und ökonomischen Wettbewerbsfunk­ tionen. 871 Die Wettbewerbsfreiheit wird nun als Voraussetzung für die Erfüllung der ökonomischen Wettbewerbsfunktionen angesehen; werde erstere beeinträchtigt, würden auch die letztgenannten leiden.872 Der Sache nach handelte es sich freilich wiederum um eine Modifikation der ursprünglichen Non-Dilemma-These. 873 Die Aufgabe der theoretischen Wettbewerbspolitik liegt für Hoppmann darin, begriffliche Grundlagen und hinreichende Tests zu entwickeln, mit deren Hilfe Beschränkungen der Wettbewerbsfreiheit ermittelt werden können. 874 Zunächst müsse festgestellt werden, ob überhaupt Marktmacht vorliege. Hierzu seien sowohl der Parallelprozess der Unternehmen zu ihren Wettbewerbern als auch die Austauschprozesse zur Marktgegenseite zu betrachten. Diagnostische Hilfsmittel könnten die Beschreibung von Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis sein; diese determinierten das unternehmerische Verhalten jedoch nicht, wie das in den Workability-Konzepten angenommen werde. 875 866  Hoppmann, in: FS Wessels, 1967, S.  145, 147; siehe auch Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 43. 867 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 243 f. 868  Das betont Leistner, Richtiger Vertrag, S.  48. 869  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3, 7 ff. 870 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 246 ff. 871 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 307 ff. 872 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 307: das sei keine Frage von Werturteilen, sondern von der Richtigkeit der jeweiligen Theorie. 873 Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 44. 874 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 273. 875 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 271.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Entscheidend seien vielmehr die objektiven Umstände des Marktes, weshalb es auch unerheblich sei, ob ein bestimmtes Phänomen unter Struktur, Verhalten oder Ergebnis subsumiert werde. Vor diesem Hintergrund lehnt Hoppmann Marktstruktur- und Marktperformance-Tests ausdrücklich ab.876 Zulässig sei allein eine Verhaltenskontrolle. Im Rahmen dieser müsse die Frage beantwortet werden, ob das Ausmaß an Marktmacht (in der früheren Diktion Hoppmanns) unangemessen sei.877 Hierüber ließen sich – mit Ausnahme grober Fälle konsentierter Wettbewerbsbeschränkungen – aber keine genauen Aussagen machen.878 In der praktischen Wettbewerbspolitik plädiert Hoppmann deshalb für eine weitgehende Zurückhaltung des Staates. Künstliche staatliche Wettbewerbsbeschränkungen seien grundsätzlich zu unterlassen, da diese „den größten und wirksamsten Teil aller Wettbewerbsbeschränkungen“ ausmachten. 879 Künstliche private Wettbewerbsbeschränkungen könnten nur auf der Grundlage allgemeiner Spielregeln („per se rules“) untersagt werden. 880 Da der Wettbewerbsprozess ein hochkomplexes Phänomen sei und deshalb ein ubiquitärer Wissensmangel sowohl bei Marktteilnehmern als auch bei den politisch Verantwortlichen bestehe, würde eine auf rationale Gestaltung des Wettbewerbsprozesses abstellende Wettbewerbspolitik die Grenzen der eigenen Erkenntnisfähigkeit weit übersteigen. 881 Insbesondere sei es nicht sinnvoll, die Ergebnisse des Wettbewerbsprozesses beeinflussen zu wollen, da diese immer nur Zwischenergebnisse seien, die den Marktteilnehmern signalisierten, wie sie ihr künftiges Wettbewerbsverhalten auszugestalten hätten. 882 Von den künstlichen sind für Hoppmann die natürlichen Wettbewerbsbeschränkungen zu unterscheiden. 883 So anerkennt Hoppmann, dass es Märkte gibt, in denen ein Wettbewerb aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, weil etwa ein natürliches Monopol vorliegt. Hier sei von einem echten wettbewerblichen Ausnahmebereich auszugehen. 884 Diese These war Gegenstand einer Kontroverse mit Tolksdorf, der Hoppmann insoweit – meines Erachtens zu

876 Hoppmann/Hoppmann,

Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 271. Hiermit hätte er eigentlich den Bogen zum zivilistischen Konzept des Schutzes individueller Selbstbestimmung vor unangemessenen bzw. unbilligen Beeinträchtigungen schlagen können. 878 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 273. 879 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 303. 880 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  296, 299: lediglich verbietend, generell vollziehbar, allgemein und abstrakt. 881  So die Bewertung von A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 220. 882  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 220. 883 Siehe dazu ausführlich Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 45 ff. 884 Hoppmann/Hoppmann, Wirtschaftsordnung und Wettbewerb, S.  235, 248. 877 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Recht – eine tautologische Begründung vorwarf. 885 Wir werden hierauf in Zusammenhang mit der Regulierungstheorie zurückkommen. b) Bewertung Anders als Kantzenbach verstand Hoppmann den Wettbewerb als Verfahren zur Aufdeckung unbekannten Wissens, wonach einfache Theorien und Einzelvoraussagen zu Gunsten eines Wettbewerbsbegriffs abzulehnen seien, der sich auf generelle Mustervoraussagen hinsichtlich der Wettbewerbsfreiheit und der damit zusammenhängenden ökonomischen Vorteilhaftigkeit beschränke. Das Hauptziel der Wettbewerbspolitik Hoppmanns war vor diesem Hintergrund vor allem systemtheoretischer Natur: Statt dezisionistisch bestimmte Wettbewerbsfunktionen vorzugeben, fungierte die Wettbewerbsfreiheit für ihn quasi als Ziel in sich selbst. Allerdings enthielt der systemtheoretische Ansatz Hoppmanns kaum praktisch handhabbare Gestaltungsvorschläge. 886 So stellte er etwa die sog. Dilemma-These in Abrede, da ein freier Wettbewerb automatisch mit individuellen guten ökonomischen Ergebnissen korreliert sei. Diese Sichtweise hat sich zu Recht nicht durchgesetzt, da in der Wirklichkeit regelmäßig verschiedene Freiheitsgrade und Wettbewerbsintensitäten bestehen, die nicht gleichmäßig zu guten ökonomischen Ergebnissen führen. 887 Dies zeigt sich deutlich im Falle eines Marktversagens durch ein natürliches Monopol. 888 In der praktischen Wettbewerbspolitik erkannte Hoppmann – insoweit in gewisser Abgrenzung zu einem Laissez-faire-Ansatz, wie ihn im Ergebnis die Chicago School vertritt889 – durchaus die Gefahren, die dem freien Wettbewerbsprozess durch den Missbrauch wirtschaftlicher Macht890 drohen, ebenso wie die Notwendigkeit einer Bekämpfung dieser Gefahren. 891 Er plädierte bei privaten Wettbewerbsbeschränkungen jedoch vornehmlich für eine Verhaltenskontrolle auf der Grundlage von Per-se-Verboten. Ein solcher Ansatz weist freilich erhebliche Operationalisierungsprobleme auf, 892 ein Vorwurf, den Hoppmann selbst der Theorie Kantzenbachs gemacht hatte. 893 Die Anwendung 885  Tolksdorf, JBNSt 183 (1969), 61  ff.; zur nachfolgenden Kontroverse siehe Möschel, ORDO 32 (1981), 85 ff. 886 Ebenso Christiansen, „More Economic Approach“, S.  320. 887  Görgens, Wettbewerb und Wirtschaftswachstum, S.  39; Säcker, Zielkonflikte, S.  19. 888 Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 46. 889  Siehe Teil 4 C. VI. 890  In seinen Worten: „künstliche Wettbewerbshemmnisse“. 891  Hoppmann, JBNSt 179 (1966), 286, 302 f. 892 Vahlens Kompendium/Kerber, S.   369, 389; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 223; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  168; mit anderer Akzentsetzung Leistner, Richtiger Vertrag, S.  49, der betont, dass gerade dies der durchgreifende Einwand Hoppmanns gegen die Wettbewerbstheorie Kantzenbachs gewesen sei. Die Sichtweise Hoppmanns verteidigt auch Herdzina, Wettbewerbstheorie, S.  113. 893  So erschwere die von Kantzenbach ins Zentrum der Überlegungen gestellte Intensität des Wettbewerbs in Abhängigkeit von bestimmten Marktstrukturen die gebotene Unter-

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

eines freiheitszentrierten Systems setzt nämlich voraus, dass man die freiheitsbeschränkenden Wirkungen eines Verhaltens von den kompetitiven Wirkungen abgrenzen kann. 894 So benötigt man einen materiellen Maßstab, der darüber bestimmt, welche Freiheit im Einzelfall vorrangig ist. 895 Die Auseinandersetzung zwischen ordnungs- und wohlfahrtsökonomischen Wettbewerbskonzepten lässt sich aus Sicht der ersteren somit als eine solche über die zutreffenden Abwägungskriterien zwischen verschiedenen Freiheitsbereichen beschreiben. 896 Trotz der vorstehenden Einschränkungen hatten die Arbeiten Hoppmanns für die Weiterentwicklung der Wettbewerbstheorie eine hohe Relevanz, da dieser die Bedeutung des Schutzes der Wettbewerbsfreiheit in einer freiheitlichen Marktordnung unterstrichen hat. 897 Während Kantzenbach von dynamischen Wettbewerbsfunktionen ausging, die er mit Hilfe marktstruktureller Anpassungs- und Fortschrittsdeterminanten lenken wollte, setzte Hoppmann bei den marktwirtschaftlichen Prozessen an und widmete sich der Analyse der Wissensgewinnung und Wissensverarbeitung. Die Bedeutung der Kritik Hopp­ manns an der dirigistisch-funktionalen Konzeption Kantzenbachs lässt sich schon daran ausmachen, dass danach nur noch wenige Workability-Konzepte geschaffen wurden. 898 Darüber hinaus verdeutlichte Hoppmann die Notwendigkeit eines stabilen Ordnungsrahmens für die Wettbewerbspolitik. Im Ergebnis führte die Argumentation Hoppmanns zur Trennung zwischen Preis- und Wettbewerbstheorie: Während erstere seitdem als modelltheoretisch-statische, gleichgewichtsorientierte und wohlfahrtsökonomische Partialanalyse angesehen wird, steht letztere für einen dynamisch-evolutiven Forschungsansatz, wie er theoretisch wohl allgemein konsentiert wird. 899 Aus zivilistischer Sicht ist jedoch im Blick zu behalten, dass die Sichtweise Hoppmanns einem formalen Verständnis der Privatautonomie entsprach, da er die Zulässigkeit marktstruktureller Eingriffe ebenso in Zweifel zog wie die Kontrolle der Ergebnisse unangemessener Verträge.900

scheidung zwischen erwünschten und unerwünschten Formen des Wettbewerbs (Kampf „gegeneinander“ und Rivalität „miteinander um die Gunst der Marktgegenseite“); vgl. Hopp­ mann, JBNSt 179 (1966), 286, 302 f. 894  Möschel, ORDO 32 (1981), 85, 96; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 223. 895  Von Weizsäcker, WuW 2007, 1078: „Der entscheidende Punkt ist: es gibt nicht die Wettbewerbsfreiheit. Der Gesetzgeber und der Rechtsanwender kommen nicht darum herum, zwischen verschiedenen Varianten von Wettbewerbsfreiheit zu wählen.“ 896 Instruktiv A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 225. 897  Möschel, in: FS Hoppmann, 1994, S.  10. 898 Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 55 mit Fn.  12; Ausnahme: Zohlnhöfer, HJB 36 (1991), 71 ff. 899 Vanberg/Eickhof, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  35, 55. 900  So im Ergebnis auch Leistner, Richtiger Vertrag, S.  50 mit Fn.  201.

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VI. Die Chicago School zwischen Wohlfahrtsökonomie und Laissez-faire Das in den 1970er Jahren entwickelte wettbewerbsrechtliche Konzept der Chicago School of Antitrust Analysis (Chicago School) 901 hatte in den 1980er Jahren erheblichen Einfluss auf die US-amerikanische Wettbewerbspolitik, indem es einer zurückhaltenden Anwendung der Antitrustvorschriften und damit einer großzügigen Hinnahme wirtschaftlicher Macht den Weg bereitete. Darüber hinaus legte die Chicago School der Deregulierung sog. Ausnahmebereiche das Fundament.902 Seit der Jahrtausendwende beeinflusste die Chicago School in Grundannahmen auch den „more economic approach“ der Kommission.903 Demgegenüber geht ihr Einfluss auf die US-amerikanische Rechtsprechung zurück.904 1. Unterscheidung zwischen positiven und normativen Ansätzen Im Rahmen einer Analyse der Chicago School ist es unabdingbar, zwischen der positiven und der normativen Ökonomik zu unterscheiden.905 In positiv-deskriptiver Hinsicht verwendet die Chicago School primär die neoklassische Preistheorie und stützt sich damit auf die Voraussetzungen vollkommener Märkte, auf denen es keinerlei Restriktionen gibt. Eine ihrer Kernthesen lautet, dass die bessere Marktposition eines Unternehmens regelmäßig auf dessen höhere Effizienz zurückzuführen sei. Es liege mit anderen Worten zwar unternehmerische Marktmacht vor; diese sei jedoch kompetitiver, da auf besserer Leistung beruhend, weshalb sie zu schützen und nicht etwa zu domestizieren sei. 901  Die Chicago School bildete sich in Anknüpfung an wettbewerbspolitische Überlegungen Stiglers (The Organization of Industry) heraus; ihr Name gründet auf der Universitätsstadt, in der Stigler seinen Ansatz entwickelt hat [Kallfass, WuW 1980, 596 mit Fn.  6 ; ausführlich zur Historie Reder, J. Econ. Lit 20 (1982), 1 ff.; Garofalo/Fetoni, Qual Quant 2011, 1, 5 ff.]. Weitere wichtige Vertreter der wettbewerbsrechtlichen Variante der Chicago School sind Bork (The Antitrust Paradox); Demsetz (Efficiency, Competition, Policy) und Posner (Univ. of Pennsylvania L. Rev. 127 [1979], 925 ff.). Siehe zur Bewertung I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis; Piraino, Ind.L.J. 82 (2007), 345, 350 ff.; überblickshaft I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283 ff.; Mueller, WuW 1986, 533 ff. 902  Zu den Ausnahmebereichen vgl. Möschel, ORDO 32 (1981), 85. Diese Entwicklung ist positiv zu würdigen, sofern sie mit einer angemessenen Re-Regulierung einhergeht. 903  Zum US-amerikanischen Wettbewerbsrecht vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  23; zum Unionsrecht siehe ders., in: FS Bechtold, 2006, S.  409, 417; vgl. auch Wolf, Effizienzen, S.  56. 904  Vgl. die Entscheidung des Supreme Court im Fall Eastman-Kodak Co v. Image Tech­ nical Service aus dem Jahr 1992, abgedruckt in GRUR-Int 1995, 92 ff.; dazu Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  79 ff. Allerdings greift der Supreme Court in dieser Entscheidung ­weiterhin auf das Analyseinstrument der klassischen Preistheorie zurück. Ausführlich zur Relevanz der Lehren der Chicago und der Harvard School in der US-amerikanischen Rechtsprechung Elhauge, CPI 3 (2007), 59 ff. sowie Piraino, Ind.L.J. 82 (2007), 345 ff. 905  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  30 f.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Normativ einzuschränken seien deshalb lediglich kollusive unternehmerische Praktiken. Dieser Ansatz wird von „Chicago“ allerdings nicht nur als Analysemodell verwendet, sondern auch im Sinne eines normativen Leitbildes verabsolutiert: 906 Wesentliches Ziel einer Rechtsordnung sei die Herstellung ökonomischer Effizienz. Andere Ziele, seien sie ökonomischer oder nicht-ökonomischer Natur, müssten hinter der Effizienzausrichtung zurückstehen.907 Im Ergebnis wird damit Macht mit Effizienz gleichgesetzt.908 Zwar soll das Wirtschaftsrecht letztlich der Maximierung der Konsumentenwohlfahrt dienen. Diese wird jedoch mit gesamtwirtschaftlicher Effizienz im Sinne des Kaldor-Hicks-Krite­ riums gleichgesetzt.909 Im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise zu Beginn des 21. Jahrhunderts rücken führende Vertreter wie Posner von dem Ausschließlichkeitsanspruch der Effizienzförderung ab,910 ohne dass freilich deutlich wird, welcher Maßstab an deren Stelle treten soll. Auch wenn die Chicago School wegen der Betonung des Ziels der Kon­ sumentenwohlfahrt eigentlich den wohlfahrtsökonomischen Ansätzen zuzurechnen ist, steht sie in ihren rechtspolitischen Ansichten dem systemtheoretischen Denken nahe, da ihre zentrale normative Empfehlung lautet, in den Marktprozess möglichst wenig einzugreifen.911 Dieser Ansatz resultiert wohl aus einem tiefen Vertrauen in die positiven Wohlfahrtseffekte großer Unternehmen für die produktive Effizienz (vor allem durch „economies of scale“) sowie aus einer ebenso tiefen Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen in den Preisbildungsprozess (keine Preiskontrolle).912 Den Widerspruch zwischen den strikten modelltheoretischen Annahmen und der wirtschaftlichen Realität wollen die Vertreter der Chicago School durch eine langfristige Betrachtung auflösen. Da – anders als nach der Theorie Bains 913 – annahmegemäß keine Marktzutrittsschranken bestünden, würden Unternehmen, die lediglich von Marktfriktionen wie Informationsasymmetrien profitierten, mittelfristig wieder aus dem Markt verdrängt, weshalb man derartige Effekte nicht näher betrachten müsse.

906 

Leistner, Richtiger Vertrag, S.  29. handelt sich um einen „single-goal approach“ im Gegensatz zum „multiple-goalapproach“ maßgeblicher Workable-Competition-Lehren; siehe Kallfass, WuW 1980, 596, 597. 908 Cox/Jens/Markert/Cox/Hübener, Handbuch des Wettbewerbs, S.  1, 19. 909  Bork, The Antitrust Paradox, S.  110; Posner, Economic Analysis of Law, S.  13. 910  Posner, Economic Analysis of Law, S.  27: „Evidently there is more to justice than economics, and this is a point the reader should keep in mind in evaluating normative statements in this book“; zurückhaltend auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  5. Siehe auch die Bewertung von Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 11. 911  I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  12 mit Fn.  6 ; Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  31; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 218. 912  I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  59. 913  Siehe oben Teil 4 C. IV. 2. a). 907  Es

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Etwas anderes gelte für staatliche Monopole, die durch Deregulierung in den freien, nicht „reregulierten“ Wettbewerb zu überführen seien.914 Diese Argumentationskette ist wenig überzeugend, soll doch die Realitätsferne des Referenzmodells durch eine ebenso realitätsferne Annahme kompensiert werden, nämlich durch das Fehlen privater Marktzutrittsschranken.915 Angesichts der in Einzelfragen erheblich differierenden Auffassungen innerhalb der Chicago School (von „konservative“ bzw. „orthodox“ über „moderate“ bis „revisionist“916), deren Darstellung den vorliegenden Rahmen sprengen würde,917 konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf Kernthesen Posners und Borks.918 So gilt Posner als der richtungsweisende Vertreter der Economic Analysis of Law, die nicht nur auf die US-amerikanische, sondern auch auf die europäische Wettbewerbspolitik einen erheblichen Einfluss hat.919 Das gilt pars pro toto etwa für den von der Kommission920 im Rahmen der Anwendung des Verbots eines Missbrauchs von Marktmacht gem. Art.  102 AEUV bevorzugten „as efficient competitor test“.921 Hiernach soll eine tatbestandsmäßige Behinderung von Wettbewerbern nur dann zu bejahen sein, wenn sich negative Auswirkungen (insbesondere Verdrängungswirkungen) auch bei einem ebenso effizienten Wettbewerber einstellten.922 Dadurch soll ein reflexhafter Schutz ineffizienter Unternehmen vermieden werden. Es gelte, den „Wettbewerb“ zu schützen anstatt „einzelne Wettbewerber“.923 Als ein ebenso effizienter Wettbewerber wird jedoch nur ein Unternehmen angesehen, das dieselbe 914 

I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  65. Leistner, Richtiger Vertrag, S.  29 f. 916  Garofalo/Fetoni, Qual Quant 2011, S.  17 ff., in Zusammenhang mit den in der Zeitung New Yorker im Januar 2010 veröffentlichten Interviews von führenden Vertretern der Chicago School durch John Cassidy (After the blowup. Letter from Chicago about the state of the Chicago School of Economics). 917 Die unterschiedlichen Strömungen betreffen nach Kobayashi/Muris (ALJ 78 (2012), 147 ff.) weniger die positive Methodenwahl als vielmehr die daraus abzuleitenden normativen Schlussfolgerungen: „But Chicago had not focused on the many details for antitrust policy that would be necessary once the old order was overthrown. There was simply no shared, agreed-upon view of regarding the myriad aspects of appropriate doctrine.“ 918  I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  12; siehe auch Kallfass, WuW 1980, 596; zur veränderten Sichtweise Posners nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ders., A Failure of Capitalism. 919 Vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S.  277 ff.; das betonen auch Garofalo/Fetoni, Qual Quant 2011, S.  1, 9. 920  Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  23. 921  Posner, Antitrust Law, S.  217 ff.; ebenso Baumol, J. L. Econ. 39 (1996), 46 ff.; dazu aus heutiger Sicht Kobayashi/Muris, ALJ 78 (2012), 147 ff. bei Fn.  49; instruktiv Fuchs, in: FS Möschel, 2011, S.  241 ff. 922 Fleischer/Zimmer/Fuchs, Effizienz, S.  69, 84 ff. 923 Vgl. Kobayashi/Muris, ALJ 78 (2012), 147 ff. bei Fn.  95: „The Chicago School of Antitrust arose as a reaction to the prevailing orthodoxy. Certainly there was much against which to react. Unlike today, economics was not widely accepted as fundamental to sound antitrust policy, and many sought to protect competitors for their own sake.“ 915 Zutreffend

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Kostenstruktur wie das marktbeherrschende Unternehmen hat.924 Dies begünstigt große, marktmächtige Unternehmen mit einer durch hohe Skalen- und Verbundvorteile gekennzeichneten Kostenstruktur gegenüber kleineren (weniger mächtigen) Unternehmen und Newcomern.925 Eine solche Sichtweise steht paradigmatisch für einen der Haupteinwände gegen die Thesen der Chicago School, von einer dynamischen Sichtweise des Wettbewerbs zu Gunsten einer statischen Analyse auf der Grundlage der neoklassischen Preistheorie zu abstrahieren; denn bei Ersterer wäre auch in den Blick zu nehmen, ob der derzeit nicht so effiziente Wettbewerber vielleicht in Zukunft vergleichbare Effizienz­ werte wie der Marktbeherrscher aufweisen wird.926 Stellte man auf eine Wettbewerbskonzeption ab, die auch die Wettbewerbsfreiheit der Konkurrenten schützt, wäre weiterhin zu begründen, weshalb diese aus dem Markt gedrängt werden dürfen, solange sie nicht ebenso effizient wie der (nach der Chicago-Doctrine vorzugsweise große) Marktbeherrscher sind.927 2. Wettbewerbstheoretische Grundannahmen Die Chicago School verstand ihre Thesen zunächst als Kritik an dem vermeintlich „strukturellen Determinismus“ der klassischen Industrieökonomik (Industrial Organization) und der ebenfalls wohlfahrtsökonomisch ausgerichteten Workability-Konzepte, gemeinsam etwas unscharf als Harvard School928 bezeichnet.929 Sie lehnte insoweit insbesondere das Struktur-Verhalten-Ergebnis-Paradigma ab.930 Später hat die Chicago School ihr wettbewerbstheoretisches Konzept zunehmend verabsolutiert und auch als Maßstab für die praktische Wettbewerbspolitik propagiert.931 Im Vergleich mit der Theorie der Wettbewerbsfreiheit zieht die Chicago School aus der Ablehnung der Struktur-Verhalten-Ergebnis-Annahme andere Schlussfolgerungen: Während Erstere die Sicherung der Rivalität der Unternehmen in den Vordergrund stellt, orientiert sich Letztere allein an einer Vermehrung der allgemeinen Wohlfahrt durch Steigerung der Effektivität der Unternehmen (sog. Efficiency-Doktrin) und damit ihrer wirtschaftlichen Macht.932 924 Dies betont die Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.   25. Krit. zur Justiziabilität Fleischer/Zimmer/Fuchs, Effizienz, S.  69, 85. 925 Vgl. Fuchs, in: FS Möschel, 2011, S.  241 ff. 926  Ebenso Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  24. 927 Fleischer/Zimmer/Fuchs, Effizienz, S.  69, 86. 928  Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  49. 929  Garofalo/Fetoni, Qual Quant 2011, S.  1, 4 f. 930 Die Chicago School zieht aus der Ablehnung des Marktstruktur-Marktverhaltens-Marktergebnis-Paradigmas jedoch diametral andere Folgerungen als die Anhänger des Konzepts der Wettbewerbsfreiheit. 931  Heute rücken Vertreter der Chicago School von diesem Zielmonismus ab, vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S.  26 f. 932  Emmerich, Kartellrecht, §  1 Rn.  32.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

333

Zur Identifizierung von Marktstrukturen und Verhaltensweisen, die einer effizienten Versorgung der Verbraucher entgegenstehen, bedient sich die Chicago School der neoklassischen Preistheorie, da diese den konkurrierenden Wettbewerbstheorien aufgrund ihrer vermeintlich analytischen Klarheit überlegen sei; 933 wir haben bereits gesehen, dass eine solche Sichtweise erheblichen Bedenken begegnet.934 Dabei dienen allein die vollkommene Konkurrenz und das Monopol als Referenzsituationen, um allgemeine Vorhersagen über das Marktgeschehen zu machen.935 Die Verwendung von Oligopolmodellen wird abgelehnt, da Oligopole im Laufe der Zeit regelmäßig in einen vollkommenen Wettbewerb mündeten.936 Die Vertreter der Chicago School gehen bei der theoretischen Analyse somit von einem Idealmarkt als analytischem Referenzgebilde aus: 937 Die Marktteilnehmer handelten als rationale Nutzenmaximierer (keine „bounded rationality“); 938 es existierten weitgehend homogene und transparente Märkte; kein Unternehmen berücksichtige das Marktverhalten anderer Unternehmen (keine oligopolistische Reaktionsverbundenheit, sondern ein Polypol); es gebe keine privaten, sondern nur staatliche Marktzutrittsschranken (insbesondere gelten Werbung, Produktdifferenzierung, Mindestkapitalausstattung und vertikale Integration nicht als private Marktzutrittsschranken, sondern als Ausdruck wettbewerblicher Verhaltensweisen bzw. ökonomischer Effizienz939); die dynamische Effizienz im Sinne von Produkt- oder Prozessinnovationen wird nicht betrachtet; bei einem Marktversagen (zum Beispiel durch „externe Effekte“) vertraut die Chicago School vornehmlich auf Auktionen.940 Vor diesem Hintergrund fällt die Operationalisierung der Theorie (vermeintlich) leichter als diejenige des funktionsfähigen Wettbewerbs.941 Allerdings sind die Empfehlungen aus Sicht eines kompetitiven, sich der ambivalenten Wirkungen wirtschaftlicher Macht bewussten Privatrechts unbefriedigend. Dazu im Folgenden.

933 

Stigler, The Organization of Industry, S.  12; dazu Kallfass, WuW 1980, 596, 597. Siehe oben Teil 4 C. III. 6. 935  I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283, 284. 936  Stigler, The Organization of Industry, S.  39 ff.: „A Theory of Oligopoly“. 937  I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  17 ff.; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  25. 938  Posner, Univ. of Pennsylvania L. Rev. 127 (1979), 925, 930; krit. I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  18, im Hinblick auf die Beeinflussung der Präferenzstruktur durch externe Konsumeffekte (Konsumentscheidungen anderer Haushalte) und Werbung. 939  Posner, Univ. of Pennsylvania L. Rev. 127 (1979), 925, 929 f.; krit. I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283, 289: wegdefiniert. 940  I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283, 285; siehe dazu noch in Zusammenhang mit der Regulierung der Netzsektoren Teil 7. B. III. 1. b). 941 Vgl. Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  43 f. 934 

334

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

3. Wettbewerbspolitische Empfehlungen Obwohl die Chicago School auf den Methoden der neoklassischen Preistheorie aufbaut, zieht sie das Modell der vollkommenen Konkurrenz der Neoklassik nicht als Leitbild heran. Vielmehr präferiert „Chicago“ eine stärker konzen­ trierte Marktstruktur. Hierzu wird der Wettbewerb als dynamischer Prozess verstanden, der zu einem sich ständig verändernden Marktgleichgewicht tendiere.942 Der Widerspruch zwischen diesem dynamischen Wettbewerbsverständnis und dem der Analyse zugrunde liegenden statischen Referenzmodell der Neoklassik soll durch eine langfristige Betrachtung aufgelöst werden.943 Die auf den realen Märkten zu beobachtenden Preise und Mengen seien als Annäherungen an die langfristigen wettbewerblichen Gleichgewichtspreise und -mengen zu verstehen, weshalb die ökonomische Realität trotz ihrer Dynamik theoretisch durch ein statisches Gleichgewichtsmodell abgebildet werden könne (Approximationshypothese).944 Im Rahmen einer solch langfristigen Betrachtungsweise erscheint Marktmacht nur als temporäres und damit als zu vernachlässigendes Problem, da keine (privaten) Marktzutrittsschranken bestünden, weshalb die Möglichkeiten zur Erzielung von Gewinnen Anreize für den Marktzutritt setzten.945 Marktprozesse werden als freies Spiel der Kräfte angesehen, in dem nur die größten und leistungsfähigsten Unternehmen überleben („survival of the fittest“946). Die Wettbewerbstheorie der Chicago School basiert somit auf einem nachhaltigen Vertrauen in die Selbstheilungskräfte der Märkte: allein der sich selbst überlassene Wettbewerb zwinge die Wirtschaft zur laufenden Anpassung an das sich fortwährend ändernde Gleichgewicht.947 Dieses werde in der Realität zwar nie erreicht, aber der unbeeinflusste Wettbewerb solle dahin streben.948 Die Bevorzugung einer konzentrierten Marktstruktur resultiert maßgeblich aus dem von der Chicago School verwendeten Effizienzansatz.949 So sieht die 942  Bork, The Antitrust Paradox, S.   98; Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.   42; I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  15 f.; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  50. 943  Bork, The Antitrust Paradox, S.   98; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, Wettbewerbsrecht, §  4 Rn.  6 ; Kallfass WuW 1980, 596, 597; I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  15 f. sprechen von Bewegungen in Richtung eines „Leitsterns“; siehe auch S.  27 f. 944  Reder, J. Econ. Lit. 20 (1982), 1, 12 f. m. w. N. („Problems of Short-run“); Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  52 f.; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  50. 945  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  25. 946  Stigler, 1 J. L. Econ. 54 (1958), 58 ff.; ders., The Organization of Industry, S.  72, 73: „The survivor technique avoids both the problems of valuation of resources and the hypothetical nature of the technological studies. Its fundamental postulate is that the competition of different sizes of firms sifts out the more efficient enterprises.“ 947  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  75. 948  I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  15. 949 Siehe zu den unterschiedlichen Reaktionsmöglichkeiten der Wettbewerbspolitik auf

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

335

Chicago School in der Maximierung der Konsumentenwohlfahrt („begriffs­ rekonstruierend“ verstanden als Gesamtwohlfahrt) das zentrale Ziel der Wettbewerbspolitik.950 Die Aufrechterhaltung und Sicherung des freien Wettbewerbsprozesses wird somit als eigenständiges Ziel der Wettbewerbspolitik betrachtet. „Chicago“ abstrahiert auch vom gesellschaftspolitischen Ziel der kompetitiven Kontrolle wirtschaftlicher Machtpositionen.951 Die Konsumentenwohlfahrt soll vielmehr allein durch Aufrechterhaltung von Marktmechanismen erreicht werden, die langfristig eine optimale Allokation der Ressourcen gewährleisten.952 Dabei soll die kompetitive Effizienz im Vordergrund stehen; es wird somit der Unternehmenserfolg in Form von „economies of scale“ und „economies of scope“ als Maßstab dafür genommen, ob die Unternehmen die Konsumentenwünsche optimal erfüllen.953 Protagonisten der Chicago School wollen insoweit eine Abwägung zwischen wettbewerbsbeschränkenden Effekten von Marktmacht (allokative Effizienz) und positiven Effizienzvorteilen (produktive Effizienz) zulassen. Für diese Abwägung sollen die oben erläuterten neoklassischen Referenzsituationen der vollkommenen Konkurrenz und des Monopols fruchtbar gemacht werden.954 Da Marktmacht im Rahmen der neoklassischen Analyse als die Fähigkeit eines oder mehrerer Unternehmen definiert wird, die Preise für ein Gut über die Grenzkosten zu setzen,955 beschränkt sich das Vorgehen grundsätzlich auf die Gegenüberstellung von preissenkenden Effizienzen und preissteigernden Marktmachteffekten.956 Wegen ihres Vertrauens in die Selbstheilungskräfte des Wettbewerbs sehen die meisten Vertreter der Chicago School Eingriffe in den freien Wettbewerbsprozess jedoch regelmäßig als ineffizient und damit als kontraproduktiv an. Auf der Grundlage der vorwiegend einzelwirtschaftlichen Betrachtungsweise steht vielmehr die Steigerung der Effizienz der Unternehmen im Vordergrund.957 Unternehmenskonzentrationen I. Schmidt/A. Schmidt, Europäische Wettbewerbspolitik, S.  32 f. 950 Siehe Bork/Bowman, Columbia L. Rev 65 (1965), 363 ff.; Bork, Columbia L. Rev 65 (1965), 401 ff.; Bowman, Columbia L. Rev 65 (1965), 417 ff.; Bork, The Antitrust Paradox, S.   7 f.; vgl. dazu die Analysen von Dreher, Konglomerate Zusammenschlüsse, S.   85; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 219; I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  33. 951  Säcker, Zielkonflikte, S.  29; Kaysen/Turner, Antitrust Policy, S.  45 ff. 952  I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  29; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 219; Mestmäcker/Schweitzer, §  2 Rn.  88. 953  Bork, The Antitrust Paradox, S.  104 ff. 954 Krit. I. Schmidt/Rittaler, Chicago School of Antitrust Analysis, S.  34 f.: Selbst wenn man Konsumentenwohlfahrt als das alleinige Ziel der Wettbewerbstheorie betrachte, folge daraus nicht zwingend die Methode der neoklassischen Analyse; Effizienzen ließen sich vielmehr auch durch andere Merkmale (empirisch!) ermitteln. 955  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.   53; Motta, Competition Policy, S.  40 f. 956  Wolf, Effizienzen, S.  53. 957  I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283, 289.

336

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Dabei werden die stabile Existenz von individueller Marktbeherrschung und die dadurch begründeten Missbrauchspotenziale unter Verweis auf die machtbegrenzenden Wirkungen potenziellen Wettbewerbs bezweifelt.958 Vielmehr seien annahmegemäß eine ausreichende Anzahl von Wettbewerbern vorhanden, deren Druck die einzelwirtschaftlichen Vorteile zu gesamtgesellschaftlichen Effizienzen mache.959 4. Zusammenfassung und Bewertung a) Positive Einschätzung wirtschaftlicher Macht Auch wenn die Chicago School die – wie wir gesehen haben: vermeintlich – wohlfahrtsökonomisch motivierte Instrumentalisierung der Wettbewerbspolitik durch die Harvard School ablehnt, bedeutet dies nicht, dass ihre Aussagen durchweg im Gegensatz zur Wohlfahrtsökonomie stünden. So sieht sie als Ziel der Wettbewerbspolitik die ökonomische Effizienz an, also weder den Wettbewerbsprozess noch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer.960 Hierin liegt ein Widerspruch zu den eigenen Vorgaben, da die Chicago School von einem methodologischen Individualismus ausgeht, ohne den eine optimale Allokation der Ressourcen nicht denkbar wäre.961 Des Weiteren abstrahiert sie weitgehend von dynamischen Aspekten des Wettbewerbsprozesses zu Gunsten einer kurzfristigen Maximierung der Unternehmensgewinne. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus der vorgeschobenen langfristigen Betrachtungsweise des Wettbewerbsprozesses, da diese im Ergebnis nur dazu dient, die Auslese der produktiv-effizientesten Unternehmen zu rechtfertigen. Hierin und nicht in der grundlegenden Ausrichtung an wohlfahrtsökonomischen Gesichtspunkten liegt denn auch der maßgebliche Unterschied zur Harvard School bzw. zum Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs.962 b) Unvereinbarkeit mit der geltenden Wirtschaftsverfassung Die Sichtweise der Chicago School verstößt gegen die in der EU geltende Wirtschaftsverfassung, welche die wirtschaftliche Freiheit der Individuen als eigenständigen Wert betrachtet, die vor unangemessenen machtbedingten Beeinträchtigungen zu schützen ist. Denn nach historischer Erfahrung gerade in Deutschland als dem vormaligen „Land der Kartelle“ tendieren unregulierte Märkte zu einer weitgehenden Vermachtung und nicht zu einem allgemeinen

958 

A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 219. I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283, 289. 960  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 219. 961  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 220. 962  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 219. 959 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

337

Gleichgewicht.963 Das Effizienzdenken dient demnach vor allem zur Rechtfertigung einer Laissez-faire-Politik, die das Handeln des Staates grundsätzlich als negativ und dasjenige der privaten Unternehmen als positiv bewertet. Das gilt selbst dann, wenn die Unternehmen kurzfristig erheblich an Marktmacht zugewinnen, zumal die dadurch entstehenden Effizienzgewinne in Anwendung des Kaldor-Hicks-Kriteriums nicht an die Verbraucher weitergegeben werden müssen.964 Zugespitzt formuliert wird dadurch letztlich „Reichtum gegen Freiheit ausgespielt“.965 Die Chicago School kann nämlich nicht erklären, wie der Eigennutzen einzelner Unternehmen und der Gesamtnutzen der Volkswirtschaft dauerhaft in Einklang gebracht werden sollen. Im Zentrum ihrer Bestrebungen steht vielmehr die einmalige Steigerung der Effizienz einzelner Unternehmen auch mit Hilfe wettbewerbsbeschränkender Strategien. Die dynamische Effizienz lässt sich jedoch nur durch die Aufrechterhaltung und Sicherung des Wettbewerbs sichern.966 Ein „Performance-Ansatz“ ist gegenüber einer solchen Sicherung der kompetitiven Marktstruktur in der Regel nicht erforderlich, da der Wettbewerbsmechanismus dessen Funktionen häufig besser und zuverlässiger erfüllt.967 c) Formales Verständnis der Vertragsfreiheit Dem von der Chicago School für die Ordnung des Wettbewerbs vertretenen Laissez-faire-Ansatz entspricht eine vergleichbare Position bezüglich des Geltungsgehalts der Vertragsfreiheit.968 Die Chicago School betrachtet – ebenso wie die neoklassische Theorie – die Vertragsfreiheit nicht als eigenständigen Wert, sondern nur als Mittel zum Zweck der Herstellung effizienter Vertragsverhältnisse.969 Posner spricht vom Vertragsrecht als einem „handmaiden of exchange“, das den ökonomischen Funktionen des Vertrages dienlich sei.970 Auf dieser Grundlage kann die Chicago School von den Effekten eines Vertragsversagens abstrahieren, die sich aus einem Missbrauch wirtschaftlicher Macht ergeben.971 Eine solche Sichtweise steht in diametralem Gegensatz zu einem kompe963 

Günther, WuW 1964, 111, 116. Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  106. 965  So die Formulierung von Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  43. 966  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  29. 967  I. Schmidt, in: FS Bechtold, 2006, S.  409, 418. 968  Vgl. zum Folgenden Leistner, Richtiger Vertrag, S.  40 ff. 969  Posner (Economic Analysis of Law, S.   26 f.) gesteht zwar zu, dass dem Effizienzziel durch Gerechtigkeitserwägungen Grenzen gesetzt werden; die (zumal material verstandene) Vertragsfreiheit wird dabei jedoch nicht erwähnt. 970  Posner, Economic Analysis of Law, S.  98. 971  Vertreter „Chicagos“ propagieren einen „efficient breach of public law“, wonach Vertragsbrüche von der Rechtsordnung hinzunehmen seien, solange der „Brechende“ trotz des zu leistenden Schadensersatzes noch einen Gewinn mache; vgl. dazu Fleischer, ZIP 2005, 141, 148. Diese Sichtweise ist aus juristischer Perspektive unhaltbar. 964 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

titiven Vertragsrecht, das die Vertragsfreiheit des einen im Interesse der material-chancengleichen Vertragsfreiheit anderer Marktteilnehmer begrenzt.972 So setzen nicht nur der Markt und der Wettbewerb funktionsfähige privatrechtliche Institute voraus. Die Einbettung der Vertragsfreiheit in eine marktwirtschaftliche Grundordnung verdeutlicht auch, dass das Privatrecht dem Einzelnen keine grenzenlose Freiheit gewähren kann.973 Denn die individuelle Freiheit, auch die Freiheit am Markt, ist ständig durch die Aufhebung durch sich selbst bedroht. Die Freiheitsgewährung darf somit nicht so weit gehen, dass sie sich selbst zerstört (Freiheitsparadoxon). Allerdings ist auch den Vertretern der Chicago School nicht verborgen geblieben, dass der Vertrag seine positiven ökonomischen Funktionen nicht erfüllen kann, wenn er flächendeckend als Mittel zur einseitigen Durchsetzung bestimmter Interessen missbraucht wird. Aus diesem Grunde haben Vertreter „Chicagos“ die Vertragsfunktionen im Laufe der Zeit dahingehend ergänzt, dass jedenfalls vermeidbare Fehler in der Vertragsanbahnung vermieden werden sollen.974 Allerdings werden die zu vermeidenden Fehler auch hier nicht aus Sicht der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen, sondern aus gesamtökonomischer Perspektive analysiert, weshalb ihnen aus vertragstheoretischer Sicht vergleichbare Bedenken wie zuvor geschildert entgegenstehen.975 So bedeutet „freiwillig“ in Zusammenhang mit der ökonomischen Analyse des Rechts nicht etwa die Sicherung der tatsächlichen Selbstbestimmung, sondern nur die Freiheit von äußerem Zwang und von Irrtümern.976 Trotz der terminologischen Bezugnahme auf die Konsumentenwohlfahrt propagiert die Chicago School somit eine formal verstandene Privatautonomie im Sinne einer funktionalen Rechtszuweisung zur Verwirklichung effizienter Verträge ohne Eigenwert.977 Mit Wernhard Möschel sind „langfristige ökonomische Effizienzvorstellungen und langfristig wirksame gesamtwirtschaftliche Selbstregulierungsprozesse [. . .] ein geringer Trost für den Schwachen und einzelnen, der am eigenen Leib erfährt, wozu solche private Macht fähig ist“.978

972 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.   32; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn.  1764. 973  Zur Diskussion im 19. Jahrhundert Hofer, Freiheit ohne Grenzen?, S.  13 ff. und öfter. 974  Posner, Economic Analysis of Law, S.  99, wonach die Funktionen des Vertrages sind: „(1) to prevent opportunism, (2) to interpolate efficient terms either on a wholesale or a retail basis (gap-filling versus ad hoc interpretation), (3) to punish avoidable mistakes in the contracting process, (4) to allocate risk to the superior risk bearer, and (5) to reduce the costs of resolving contract disputes.“ 975  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  42. 976 So Leistner, Richtiger Vertrag, S.  42. 977  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  106. 978  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  75.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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VII. Trennung kompetitiver und antikompetitiver Macht durch die Post-Chicago-Economics 1. „Post Chicago“ als Sammelbecken verschiedener Denkrichtungen Der vorstehend überblickshaft geschilderte, rigide wettbewerbstheoretische Ansatz der Chicago School ist seit den 1980er Jahren auch in den Wirtschaftswissenschaften wachsender Kritik ausgesetzt, die sich später unter dem Sammelbegriff „Post-Chicago-Economics“979 bzw. „Neo-Chicago-Antitrust Analysis“980 formiert hat. Dieser Sammelbegriff steht für eine Denkrichtung, die die Auseinandersetzung zwischen den Vertretern der Chicago School und den Theorien des funktionsfähigen Wettbewerbs (Harvard School) auflösen will, indem von der Chicago School als überwiegend berechtigt angesehene Anliegen übernommen, aber auch orthodoxe Übertreibungen vermieden werden.981 „Post Chicago“ steht für verschiedene neue Denkrichtungen wie die Public Choice-Theorie (Neue Politische Ökonomik) 982 sowie die noch zu schildernde Neue Institutionenökonomik oder die Spieltheorie.983 Letztere geht davon aus, dass Personen ihre Entscheidungen unter gewissen Umständen vom Verhalten anderer Menschen abhängig machen, um so ein strategisches Verhalten von Unternehmen besser erfassen zu können.984 Wir werden uns der Spieltheorie noch 979  Die Bezeichnung Post Chicago Economics geht auf ein Symposium zurück, das im Jahr 1994 von der US-amerikanischen Kartellbehörde, der Georgetown University und der American Bar Assoziation durchgeführt wurde; vgl. dazu Royall, Antitrust L. J 63 (1995), 445 ff. Er wurde soweit ersichtlich eingeführt durch den Beitrag von Hovenkamp, Antitrust Policy after Chicago, Mich. L. Rev. 84 (1985), 213 ff. 980  So der Titel eines Symposiums der US-amerikanischen Bar Association; die Beiträge sind abgedruckt im ALJ 78 (2012), Heft 1; beispielhaft die Editors Note von Sun, ALJ 78 (2012), 37: „Antitrust has a tradition of being categorized by ‘schools.‘ In modern times this categorization has often centered on the word Chicago. This Symposium is about what the Chicago School really is, and whether and how adding a prefix ‚Neo‘ to the word ‚Chicago‘ creates a meaningful new school that helps advance our understanding of antitrust law, economics, and policy.“ 981  Post Chicago hat somit, wie schon der Name suggeriert, eine starke Schlagseite in Richtung der Chicago School und weniger Berührungspunkte zur Harvard School. Siehe auch Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 385; Soven, ALJ 78 (2012), 273 ff.; Posner, A failure of capitalism, S.  265: „The ideological divisions over macroeconomic policy – divisions reflected in warring schools of macroeconomic thought, such as the monetarist the Keynesian, the neo-Keynesian, the new classical economic, and the Austrian – preclude consensus and leave politicians and the public to wander in an untracked wilderness. The very existence of warring schools within a field is a clue that the field is weak, however brilliant its practitioners.“ 982  Parisi, JRP 15 (2007), 106 ff. 983  Siehe dazu noch Teil 4 D. III. 1. Die Spieltheorie ist nicht mit der Neuen Institutionenökonomik oder der Verhaltensökonomik gleichzusetzen, da sie auf einer strikten Rationalitätsannahme beruht. 984  Von Neumann/Morgenstern, Theory of Games; siehe auch Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  35 ff.; MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1049, wonach die Spieltheorie die wesentliche methodische Grundlage der Post-Chicago-Economics sei; siehe auch Zimmer, ZHR 154 (1990), 470 ff.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

in Zusammenhang mit der Verhaltensökonomik zuwenden, welche sich kritisch mit deren Aussagen beschäftigt. Auf europäischer Ebene kann der „more economic approach“ zum Wettbewerbsrecht als Ausprägung der Post Chicago Economics angesehen werden.985 Auf diesen ist ebenfalls gesondert einzugehen. Auf normativer Ebene verfolgen die Vertreter von „Post Chicago“ überwiegend das Ziel der Herstellung ökonomischer Effizienz, wobei streitig ist, ob man auf die Gesamtwohlfahrt („total welfare standard“) oder die Konsumentenwohlfahrt („consumer welfare standard“) abstellen soll.986 Sofern man auf eine (echte) Konsumentenwohlfahrt abstellt,987 ist zentrales Beurteilungskriterium, ob sich die Preise – etwa bei einer Fusion – erhöhen und damit die Konsumentenrente vermindert wird.988 Eine solche Herangehensweise steht im Gegensatz zur Harvard School und den darauf aufbauenden Workability-Konzepten, die primär kompetitive Marktstrukturen aufrechterhalten wollen und nur ergänzend Verhaltenskontrollen befürworten.989 Folglich sieht die Harvard School eine Performance-Prognose im Regelfall als überflüssig an, da der Wettbewerbsmechanismus diese Funktion besser und zuverlässiger erfülle.990 Mit Blick auf die primäre Ausrichtung von „Post Chicago“ auf das Ziel der Maximierung ökonomischer Effizienz wäre es somit nicht überzeugend, wenn man von einer ausgewogenen Synthese aus Chicago School und Harvard School ausgehen wollte; denn die zentrale Ausrichtung an den Wohlfahrtswirkungen einer Verhaltensweise gehört zum Kerngedankengut der Chicago School.991 985  Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  1 mit Fn.  1, der dem „mitunter weit verbreiteten Missverständnis entgegen“ tritt, dass der „more economic approach“ lediglich „eine Übernahme des Chicago-Ansatzes darstelle. Dies ist schon deswegen unzutreffend, weil die Post-Chicago Economics in erheblicher Weise von den inhaltlichen Erkenntnissen der Chicago Schule abweichen und auch nicht in gleicher Weise ideologisch verankert sind [. . .]. Vielmehr ist von einem neuen wettbewerbspolitischen Leitbild zu sprechen, das – neben anderen Ansätzen – auch die Minimalwettbewerbspolitik à la Chicago überwinden möchte.“ Ausführlich ders., Monoculture versus Diversity in Competition Economics. 986 Vahlens Kompendium/Kerber, S.   369, 386. Allerdings zeichnet sich „Post Chicago“ durch einen eher heterogenen Forschungsansatz aus, weshalb neben ökonomischen Effizienzkriterien auch anderweitige Ziele wie die Sicherung der individuellen Freiheit vor wirtschaftlichen Machtpositionen betont werden; vgl. Hovenkamp, Mich. L. Rev. 84 (1985), 213, 249 ff. 987  Wie wir gesehen haben, folgt die Chicago School einem Gesamtwohlfahrtstandard, benennt diesen jedoch als Konsumentenwohlfahrtstandard. 988  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 386. 989  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 946. 990  So nochmals I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 946. Auch Posner als führender Vertreter der Chicago School ist mittlerweile von seiner Fokussierung auf die statische Effizienz als alleiniges Ziel abgerückt, vgl. Posner, Antitrust Law, S.  29: „Efficiency is the ultimate goal of antitrust, but competition a mediate goal that will often be close enough to the ultimate goal to allow the judge to look no further“; dazu Körber, ZWeR 2003, 373, 374; Dreher, Konglomerate Zusammenschlüsse, S.  85; siehe zum US-amerikanischen Recht auch Hovenkamp, Mich. L. Rev. 84 (1985), 213, 249 ff. 991  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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Auf theoretischer Ebene verwendet die Post Chicago School – auch insoweit wie die Chicago School – grundsätzlich statische Referenzmodelle.992 Die Vertreter der Post Chicago Economics wollen die Wettbewerbstheorie aber wirklichkeitsnäher ausgestalten und bringen hierfür zum einen komplexere theo­ retische Modelle und zum anderen verstärkt ökonometrische Verfahren zum Einsatz.993 Aus juristischer Sicht hat dies zur Konsequenz, dass man Einzelfall­ abwägungen gegenüber Generalklauseln den Vorzug einräumt.994 Der Preis für ein solches Vorgehen ist der Verlust von Anwendungs-, Prognose- und damit Rechtssicherheit sowie von Justiziabilität.995 Auch für das US-amerikanische Antitrustrecht wird konstatiert, dass die verfeinerten Analysemethoden in der Rechtsprechung aufgrund ihrer Kompliziertheit und Unbestimmtheit nur einen begrenzten Widerhall fänden.996 Stellten sich die „neuen Konzepte“ tatsächlich als zu komplex für die Rechtsanwendung durch die Fachgerichtsbarkeit heraus, wäre dies ein durchschlagendes Argument gegen ihre Geltung. Ein jedenfalls strukturell vergleichbares Problem stellt sich derzeit bei der Kontrolle von Entgeltgenehmigungen der BNetzA im Rahmen privater Klagen gegen hohe Strompreise auch durch die allgemeinen Zivilgerichte.997 2. Kritik an der Chicago School Auch wenn die Basis der Post Chicago School durchaus heterogen ist, lassen sich aus Sicht „Post Chicagos“ folgende Hauptkritikpunkte an der Chicago School – die ihrerseits unterschiedlichste Denkrichtungen vereint998 – festhalten.999 Diese beziehen sich auf Hauptpfeiler der Chicago School wie die Verhaltensannahme des „homo oeconomicus“, die Hypothese effizienter Märkte oder den Geltungsanspruch ökonomischer Theorien des Rechts.1000 992 

Ross, CJ of Econ. 37 (2004), 243, 254. Sullivan, ALJ 63 (1995), 669, 670. 994  Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  83 f. 995  Sullivan, ALJ 63 (1995), 669, 681; Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  82. 996  Kobayashi/Muris, ALJ 78 (2012), 147 ff. bei Fn.  6 und 7; siehe auch Hovenkamp, Columb. Bus. L. Rev 258 (2001), 257, 271: „[T]he sad fact is that judges have not come close to developing antitrust rules that takes [sic] this messier, more complex economics into account.“ Ebenso Soven, ALJ 78 (2012), 273 ff. 997  Im Rahmen der zivilrechtlichen Energiepreiskontrolle über §  315 Abs.  3 BGB stellt sich die Frage, ob die Zivilgerichte schon aus Gründen der Komplexitätsreduktion an die Entscheidungen der Regulierungsbehörden gebunden sind, vergleichbar der Wertung des §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 letzter Hs. EnWG. Dagegen BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 Rn.  24 – Stromnetznutzungsentgelt V; zust. Kling, ZHR 177 (2013), 90, 121. 998 Vgl. Garofalo/Fetoni, Qual Quant 2011, S.  1, 2, über die durch Posner (A Failure of Capitalism) ausgelöste Diskussion innerhalb der Chicago School: „In the course of this debate Chicago has shown that it has various internal positions which interpret the School’s tradition in different ways and that some of these, more than others, prove to be very up-to-date.“ 999 Siehe Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  76 ff. 1000  Garofalo/Fetoni, Qual Quant 2011, S.  1, 2. 993 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

a) Vernachlässigung dynamischer Effizienz Kritisiert wird zum Ersten, dass der wettbewerbstheoretische Ansatz der Chicago School trotz der Betonung dynamischer Wettbewerbsprozesse de facto statisch-ergebnisorientiert sei.1001 So verwendet die Chicago School allein die neoklassische Preistheorie mit den Bedingungen des vollkommenen Marktes, auf dem es annahmegemäß keinerlei Restriktionen gibt. Post Chicago-Vertreter bemängeln insoweit zu Recht, dass sich die Chicago School zu sehr mit unrealistischen theoretischen Modellen beschäftige und sich zu wenig um den Nachweis empirischer Zusammenhänge bemühe.1002 Demgegenüber will die Post Chicago School die realen Zusammenhänge detaillierter ermitteln, um fundierte Aussagen über wettbewerbliche Entscheidungszusammenhänge treffen zu können.1003 Es wird weiterhin beanstandet, dass die Chicago School Marktmacht auf der Grundlage der neoklassischen Preistheorie allein als Möglichkeit verstehe, die Marktpreise zu erhöhen bzw. die Produktion zu senken.1004 So seien auch Unternehmen ohne eine so verstandene Marktmacht unter Umständen in der Lage, durch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen die Kosten der Konkurrenten zu erhöhen (sog. „raising rivals costs“) 1005 oder die Marktgegenseite auf der Grundlage asymmetrischer Information auszubeuten.1006 Selbst Befürworter der Post Chicago Economics wie Wolfgang Kerber 1007 konstatieren, dass „neoklassische Wettbewerbsansätze (wie auch die theoretische Industrieökonomik) derzeit die Innovationsfunktion von Wettbewerbsprozessen nicht ausreichend erfassen können“; demgegenüber seien „die dynamisch-evolutorischen Wettbewerbskonzepte zu sehr auf Innovationen konzentriert und sowohl theoretisch als auch praktisch zu wenig entwickelt.“ Als „Ergebnis der Diskussion“ kann nach Kerber jedenfalls „festgehalten werden, dass keiner dieser Ansätze für sich allein eine befriedigende theoretische Grundlage für die Erklärung von Wettbewerbsprozessen bietet“.1008 Oliver Budzinski1009 weist in Auseinandersetzung mit dem „more economic approach“ darauf hin, dass in der neueren theoretischen Industrieökonomik Preis- und Mengen­ effekte als dominierende Wohlfahrtskomponenten angesehen würden, weil die1001 

Vgl. schon I. Schmidt/Rittaler, WiSt 15 (1986), 283, 289. Schmidtchen, in: FS Hoppmann, 1994, S.  143, 162; in Zusammenhang mit der Finanzund Wirtschaftskrise Krugman, How Did Economists Get It So Wrong?, The New York Times v. 6.9.2009. 1003  Hovenkamp, Federal Antitrust Policy, 1994, S.  70. 1004 Vgl. Posner, Antitrust Law, S.  9. 1005  Nach diesem Konzept werden vertikale Beschränkungen beanstandet, sofern sie ein Mittel zur Beschränkung horizontalen Wettbewerbs sind; dazu Salop/Scheffman, AER 73 (1983), 267 ff.; Markert, ZNER 2009, 193, 204. 1006 Dazu Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  78. 1007  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369 ff. 1008  Ebenso – kritisch – I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  933, 943 f. 1009  Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  13. 1002 

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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se „etablierter, umfangreicher und ausgereifter“ seien als dynamische und längerfristige Effekte, und „die zur Quantifizierung herangezogenen ökonomischen Instrumente derzeit vor allem Aussagen über kurzfristige Preis- und Mengeneffekte liefern“ könnten. Auf dieser Grundlage sei „denkbar, dass andere Wettbewerbsdimensionen in wettbewerbspolitischen Entscheidungen nicht deswegen an Bedeutung verlören, weil sie auf wissenschaftlicher Basis für weniger wichtig erachtet würden, sondern vielmehr einfach deshalb, weil sie nicht oder noch nicht quantifizierbar seien.“ Budzinski fügt – für uns von wesentlicher Bedeutung – hinzu: „Dabei ist selbstverständlich davon auszugehen, dass es für die tatsächliche Konsumentenwohlfahrt unerheblich ist, ob ein Effekt ökonomisch modellierbar bzw. empirisch quantifizierbar ist.“1010 Dies hatte im Jahr 1968 bereits von Hayek nachdrücklich, wenn auch verbunden mit aus zivilistischer Sicht fehlgehenden wettbewerbspolitischen Empfehlungen moniert.1011 Eine „soziale Marktwirtschaft“ kann wirtschaftliche Macht nicht allein deshalb hinnehmen, weil sich die Vertreter der Wirtschaftswissenschaften über ihre Auswirkungen auf den Wettbewerbsprozess und die Wohlfahrt uneinig sind. Sie kann vielmehr ein Verhalten auch dann untersagen, wenn sich dieses nach historisch gesättigter Erfahrung als negativ für die individuelle wirtschaftliche Selbstbestimmung und die daraus resultierenden Wettbewerbsprozesse darstellt. Eben diesem Konzept dient aus zivilistischer Sicht etwa das Verbot bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen in Art.   101 Abs.   1 AEUV bzw. §  1 GWB. Darauf ist zurückzukommen. b) Realitätsferner Glaube an die Funktionsfähigkeit der Märkte Die Post Chicago School kritisiert zum Zweiten, dass Vertreter der Chicago School einen realitätsfremden Glauben an die Funktionsfähigkeit unbeeinflusster Märkte offenbarten,1012 was in Zusammenhang mit der US-amerikanischen Wirtschafts- und Finanzkrise des beginnenden 21. Jahrhunderts sogar von Richard Posner beanstandet wurde.1013 In der damit zusammenhängenden Zuteilung von Aufgaben an die wettbewerbspolitischen Entscheidungsträger, die sich grundsätzlich auf die Selbststeuerungskräfte des Marktes verlassen sollen, unterscheidet sich die Chicago School wie wir oben gesehen haben von der Harvard School.1014 Problematisch ist insbesondere die Ablehnung einer Oligopol1010 

Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  13. Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff. 1012  Cochrane, How did Paul Krugman get it so Wrong?, S.  3 : „The case for free markets never was that markets are perfect. The case for free markets is that government control of markets, especially asset markets, has always been much worse.“ Krit. bereits Mantzavinos, Wettbewerbstheorie, S.  53 f. 1013  Posner, A Failure of Capitalism, S.  240: „The financial crisis is indeed a crisis of capitalism rather than a failure of government.“ 1014  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 219 f. 1011 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

theorie, da keine nicht-staatlichen Marktzutrittsschranken anerkannt werden, was impliziert, dass sich Oligopolisten schon aufgrund des potenziellen Wettbewerbsdrucks wie Unternehmen unter vollständigem Wettbewerb verhalten müssten (contestability).1015 Demgegenüber wollen Vertreter der Post Chicago School eine dynamische Analyse vornehmen, bei der auch Transaktionskosten und Marktzutrittsschranken berücksichtigt werden.1016 c) Grenzen der Rationalitätsannahme Diskutiert wird von „Post Chicago“ zum Dritten das Verhaltensmodell des rational gewinnmaximierenden Menschen: denn Marktteilnehmer agierten aufgrund unvollständiger Information, strategischen Verhaltens oder unbewusster Schwächen nicht immer rational gewinnmaximierend, was zu Ineffizienz und Marktversagen führen könne.1017 Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise haben sich auch führende Vertreter der Chicago School, allen voran Posner, von der Annahme des rational nutzenmaximierenden Individuums gelöst und eine realistischere Sichtweise angemahnt, freilich ohne zu verdeutlichen, wie diese zu bewerkstelligen sei.1018 Demgegenüber beharren andere Vertreter der Chicago School auf den rigorosen Modellannahmen der Neoklassik,1019 so dass die Kritik an der statisch-modellhaften Sichtweise von Vertretern der Chicago School weiterhin aktuell ist. 3. Bewertung von „Post Chicago“ Die Post Chicago Economics führen zu einer begrüßenswerten Annäherung der ökonomischen Modelle an die wirtschaftliche Realität. Zuzustimmen ist auch den Bemühungen, die verhärteten Fronten zwischen der Chicago School und der Harvard School auf eine sachliche Grundlage zu stellen. Auch die Post Chicago School sieht sich freilich wettbewerbspolitischen und wettbewerbs­ theo­retischen Einwänden ausgesetzt, so dass es verfrüht erscheint, dieses Sam1015  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  28; zur damit eng zusammenhängenden Theorie der Contestable Markets siehe noch unten in Zusammenhang mit der Regulierungstheorie Teil 7 B. I. 1. 1016  Hovenkamp, Mich. L. Rev. 84 (1985), 213, 255 ff.; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, §  4 Rn.  5. 1017  Hovenkamp, Mich. L. Rev. 84 (1985), 213, 255 ff.; siehe auch Grisold/Gubitzer/Pirker/ Nutzinger, Das Menschenbild in der Ökonomie, S.  141, 155 f.; Ruckriegel, Orientierungen 120 (2/2009), 49, 51; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, §  4 Rn.  13. A. A. Cochrane, How did Paul Krugman get it so Wrong?, S.  3. 1018  Posner, A Failure of Capitalism; ders., How I Became a Keynesian, The New Republic v. 23.9.2009. 1019  Cochrane, How did Paul Krugman get it so Wrong?, 16.9.2009; Epstein, Krugman’s Scapegoats, National Review Oct. 5/2009, S.  20 ff.; ders., Why I Will Never Be A Keynesian, Harv. J. L. & Publ. Pol. 33(2010), 387 ff.

C. Ökonomische Sicht auf wirtschaftliche Macht

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melbecken für ökonomische Theorien als wettbewerbstheoretisches Allheilmittel anzusehen. Kritisch zu würdigen ist zunächst die Ausrichtung am Ziel einer Maximierung der Effizienz unter Außerachtlassung anderweitiger Ziele wie der wirtschaftlichen Freiheit, obwohl diese eine unabdingbare Voraussetzung für eine effiziente Allokation der Ressourcen ist. Problematisch ist das Festhalten am Effizienzziel auch deshalb, weil es keine allgemein konsentierte und praktikable Theorie der Innovationen gibt (dynamische Effizienz).1020 Diese können nach dem gegenwärtigen Stand der ökonomischen Forschung primär über die Sicherung einer dauerhaft offenen Wettbewerbsstruktur erreicht werden, welche den Unternehmen zugleich ausreichende Anreize lässt, um Produkt- oder Prozess­ innovationen durchzuführen. Vor diesem Hintergrund werden Forderungen der Ordnungsökonomik verständlich, jedenfalls bis zur Entwicklung einer robusten Innovationstheorie allein auf die wirtschaftliche Freiheit als Entscheidungskriterium abzustellen.1021 Eine Abwägung konfligierender Freiheitsbereiche erfordert zwar ein Werturteil, doch kommt auch die Wohlfahrtsökonomie nicht ohne derartige Werturteile aus. Dies beginnt mit dem methodologischen Individualismus, setzt sich fort über die weitreichende Abstraktion von dynamischen Aspekten des Wettbewerbs und endet beim Kriterium der „Verbraucherwohlfahrt“.1022 Maßgeblich sind hierfür allein die Wertentscheidungen der Wirtschaftsverfassung; diese streitet im wirtschaftlichen Bereich jedoch für ein Primat material-chancengleicher Freiheit. Vor diesem Hintergrund sind auch die Forschungen der Neuen Industrieökonomik1023 als der theoretischen Basis der Post Chicago School mit Bedacht zu würdigen. So wird von André Schmidt bezweifelt, ob die spieltheoretischen Modelle zu einer nachhaltigen Verbesserung der Entscheidungsqualität beitragen könnten, da sie weiterhin von restriktiven Modellannahmen ausgingen und sich im Rahmen dynamischer Spiele unter asymmetrischer Information das schon vom Pareto-Prinzip bekannte Problem multipler Gleichgewichte zeige.1024 Weiterhin setze die Anwendung der Modelle voraus, dass geeignete Entscheidungsträger (wohlmeinende Planer) in der Lage seien, die entsprechenden Effekte richtig abzuschätzen, und sich dabei ausschließlich an den Interessen der Individuen ohne eigene Wertvorstellungen ausrichteten.1025 Ein solches Unterfangen scheint in der Tat wenig realistisch. So treffen die relevanten Akteure in der Rechtswirklichkeit zuweilen auch Maßnahmen, von denen sie sich vor1020 

Siehe dazu oben Teil 4 C. III. 4. d). A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 230. 1022  Wie wir gesehen haben: als Gesamtwohlfahrt verstanden. 1023  Nicht zu verwechseln mit der Neuen Institutionenökonomik. 1024  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 215; ausführlich Schmidt/Voigt, ORDO 58 (2007), 33 ff. 1025  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 215. 1021 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

nehmlich eine Maximierung ihres eigenen Nutzens versprechen. Schließlich benötigten die empirischen Analysen eine Vielzahl von Daten, die mit vertretbarem Aufwand kaum zu besorgen seien. Eine Verwendung ökonometrischer Modelle setzt aufgrund ihres hohen Komplexitätsgrades jedenfalls voraus, dass die beteiligten (Wettbewerbs-)Behörden ebenso wie die Gerichte auf ökonomischem Sachverstand zurückgreifen,1026 ohne das Primat des Rechts in Frage zu stellen. Darüber hinaus müssen die Expertisen nicht nur für Ökonomen nachvollziehbar sein – was sich nicht selten bereits als schwierig herausstellt1027 –, sondern auch für die Gerichte, da diese gehalten sind, sich ein eigenes Bild von den tatsächlichen Umständen und ihren Zusammenhängen zu machen; das BKartA fordert deshalb bei ökonomischen Gutachten zu Recht eine „nicht-technische Zusammenfassung“.1028 Eine vergleichbare Problematik – wir hatten dies bereits angesprochen – stellt sich derzeit im Rahmen der zivilrechtlichen Kontrolle von Energiepreisen nach §  315 Abs.  3 BGB. Hier ist es weder aus Gründen ökonomischer noch aus praktischer Vernunft noch vor dem Hintergrund der rechtsstaatlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Justiziabilität plausibel, wenn die allgemeinen Zivilgerichte die regulierungsbehördlichen Netzentgeltgenehmigungen nochmals auf ihre Rechtsgültigkeit überprüfen, selbst wenn nicht ausdrücklich ein Vorrangverhältnis angeordnet ist.1029

D. Schutz individueller Freiheit vor antikompetitiver Macht durch eine staatliche Wettbewerbsordnung – Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik Die negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Macht auf ein funktionsfähiges Privatrecht und die Gesellschaftsordnung wurden in Deutschland zuerst vom Ordoliberalismus herausgestellt. Dessen Aussagen werden freilich häufig missverstanden, weil nicht ausreichend zwischen Aussagen von frühen und späten Vertretern des Ordoliberalismus unterschieden wird: 1030 Während der frühe 1026  Dafür plädiert Christiansen, WuW 2011, 621 f.; siehe zum Unionsrecht die Kommis­ sion, Best Practices for the Submission of Economic Evidence and Data Collection in Cases Concerning the Application of Articles 101 and 102 TFEU and in Merger Cases, 2010; siehe auch BKartA, „Standards für ökonomische Gutachten“; dazu Christiansen/Locher, WuW 2011, 444 ff. 1027  Christiansen/Locher, WuW 2011, 444, 446 f. 1028  Christiansen/Locher, WuW 2011, 444, 448. 1029  A. A. BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 Rn.  24 – Stromnetznutzungsentgelt V. 1030  Vielmehr werden mit Ordoliberalismus vornehmlich die Texte der ersten Stunde verbunden, in denen es darum ging, das Konzept einer material-chancengleichen Wirtschaftsordnung zu erstellen und gegen die Gefahren seiner Zeit zu verteidigen. Diese Gefahren erkannten die Ordoliberalen zunächst weniger in staatlicher Intervention in den Marktmechanismus als vielmehr in der Vermachtung der Märkte durch private wirtschaftliche Macht.

D. Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik

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Ordoliberalismus das aus heutiger Sicht verfehlte Konzept der vollständigen Konkurrenz propagierte und für eine starke behördliche Kontrolle der Wettbewerbsprozesse warb, stellte der späte Ordoliberalismus – vor allem in Person Franz Böhms – die Bedeutung der individuellen Wettbewerbsfreiheit und der daraus entstehenden dynamischen Wettbewerbsprozesse für eine freiheitlich-demokratische Rechts- und Wirtschaftsordnung heraus. Dem Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen sollte hiernach vor allem die Aufgabe zukommen, die gegenseitige Unabhängigkeit der Vertragspartner zu verbürgen, auch benannt als „relative Machtlosigkeit“.1031 Allerdings beschränkten sich die meisten Protagonisten des Ordoliberalismus – wie wir sogleich sehen werden – auf abstrakte Aussagen über die Funktionsfähigkeit einer freiheitlichen Marktordnung, da sie kaum Vorschläge zur Abwägung von Freiheitsbereichen im Einzelfall machten. Diese Lücke versucht in jüngerer Zeit die Neue Institutionenökonomik zu füllen. Sie will hiermit zugleich die Kontroverse zwischen Ordoliberalen und quantitativ arbeitenden Ökonomen auflösen, indem sie einerseits die grundlegende Relevanz rechtlicher Institutionen und damit auch rechtlicher Wertungen betont („institutions matter“), für deren ökonomisch zutreffende Ausgestaltung und Folgenbewertung aber (auch) auf die Erkenntnisse der quantitativ ausgerichteten Wirtschaftsforschung zurückgreifen will, soweit diese hinreichend aussagekräftig sind.1032 Letzteres ist, wie wir zuvor schon gesehen haben, nicht immer der Fall. Aus diesem Blickwinkel handelt es sich bei der Neuen Institutionenökonomik quasi um eine Synthese zwischen beiden Ansätzen.

I. Ordoliberalismus (Freiburger Schule) Anders als die Vertreter der liberalen Wettbewerbstheorie wollen die Protagonisten des Ordoliberalismus nicht darauf vertrauen, dass sich durch die spontane Ordnung des Marktes quasi automatisch eine funktionsfähige Ordnung einstellen wird.1033 Sie plädieren vielmehr für eine staatliche Ordnung, zu deren konstituierenden Prinzipien neben der Eigentums- und der Vertragsfreiheit die Gewährleistung von Wettbewerb auf „offenen“ Märkten zählt.1034 Sofern sich durch wettbewerbliche Märkte die als wünschenswert angesehenen gemeinwohlbezogenen Ziele nicht verwirklichen lassen, ist eine staatliche Regulierung Darüber hinaus verfolgten sie – dem damaligen Stand der Wirtschaftswissenschaften entsprechend – ein Konzept der vollständigen Konkurrenz, das jedenfalls Anleihen beim neoliberalen Konzept der vollkommenen Konkurrenz nahm. Von beiden Vorgaben rückten die Ordoliberalen später ab. Paradigmatisch Rittner, ZWeR 2004, 305 ff. 1031  Säcker, BB 1967, 681, 683. 1032 Instruktiv Schäfer, WD 2009, 431 f.: „zwingende instrumentelle Ergänzung“ zwischen Ordnungsökonomik und quantitativer Ökonomik. 1033  Vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S.  9 f. 1034  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  254 ff.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

indiziert, etwa zur kompetitiven Bändigung „natürlicher Versorgungsmonopole“.1035 Dies nimmt eine Grundproblematik unseres heutigen Regulierungsrechts voraus, das zwischen Wettbewerbsorientierung und (sonstiger) Gemeinwohlorientierung angesiedelt ist.1036 Die nachfolgenden Ausführungen werden zeigen, dass es entgegen eines weit verbreiteten Missverständnisses nicht „die eine“ ordoliberale Theorie gibt. Vielmehr unterscheiden sich die Auffassungen der ordoliberalen Denker im Hinblick auf die zutreffende rechtliche Behandlung wirtschaftlicher Macht erheblich, was wir uns am Beispiel eines Vergleichs des frühen mit dem späten Böhm vor Augen führen wollen. 1. Wirtschaftliche Macht als Ausgangsproblem Nach Ende des Zweiten Weltkrieges erfuhr das Kartellrecht in Deutschland – nunmehr präziser als „Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen“ bezeichnet – durch die verstärkte Berücksichtigung neuerer nationalökonomischer Erkenntnisse eine grundlegende Neuregelung. Wichtige Protagonisten dieser Neuorientierung waren auf Seiten der Nationalökonomen Walter Eucken und auf Seiten der Juristen Franz Böhm sowie Hans Großmann-Doerth, sämtlichst Vertreter der mit dem Text „Unsere Aufgabe“ aus dem Jahr 1936 ins Leben gerufenen sog. Freiburger Schule.1037 Diese Denkschule arbeitete anstelle des im 19. Jahrhundert vorherrschenden Laissez-faire-Liberalismus eine neue Form des Liberalismus heraus (sog. Ordoliberalismus), der in dem Bestreben, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden,1038 die Notwendigkeit einer rechtlichen Verfasstheit des Marktgeschehens betonte und so den Markt – aus heutiger Sicht vielleicht missverständlich formuliert – von einer „Quelle sozialer Unterschiede“ zu einer solchen „sozialer Integration“ umformen wollte.1039 Im Gegensatz zu den Theorien der Chicago School und der Post Chicago Economics, die sich zum Teil auch im „more economic approach“ der Kommission wiederfinden, handelte es sich somit um ein betont juristisches Verständnis des Wettbewerbs.1040 Methodisch wandte sich die Freiburger Schule gegen den bis dato herrschenden „Historismus, Relativismus und Fatalismus“ in den Rechts- und Wirt-

1035 

Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  291 ff. Siehe Teil 6 B. und C. 1037 Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Einführung Unsere Aufgabe, S.  21, wonach der Text „Unsere Aufgabe“ als Gründungsdokument der Freiburger Schule angesehen werde könne. Ausführlich und differenzierend zu den „Vertretern der Freiburger Forschungs- und Lehrgemeinschaft“ sowie „verwandten Denkansätzen“ Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1 f. mit Fn.  4 sowie S.  10 ff. 1038 Goldschmidt/Wohlgemuth/Horn, Ordnungsökonomik, S.  315, 318. 1039 So Gerber, in: FS Fikentscher, 1998, S.  654, 664. 1040  Bachmann, Private Ordnung, S.  9 ff.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  177. 1036 

D. Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik

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schaftswissenschaften,1041 praktisch opponierte sie gegen eine von einzelwirtschaftlichen Interessen gelenkte Wirtschaftspolitik.1042 Leitidee war der Gedanke, das Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte einem Rechtsrahmen und neutralen Schiedsrichtern zu unterwerfen, um so die positiven Kräfte des Wettbewerbs zu nutzen und das Entstehen von wirtschaftlichen Machtpositionen zu verhindern.1043 Als Rechtsrahmen sollte eine Wirtschaftsverfassung als „politische Gesamtentscheidung für die Ordnung des nationalen Wirtschaftslebens“ dienen, wie sie durch die Einführung der Gewerbefreiheit durch §  1 GewO 1869 im Sinne einer marktwirtschaftlichen Grundordnung statuiert worden sei.1044 Als charakteristische Grundzüge des Ordoliberalismus können somit die spezifische Betonung einer Ordnung sowie einer eigenständigen Ordnungspolitik angesehen werden, welche die wirtschaftliche Entwicklung sowie – wie sich insbesondere bei der Darstellung des späten Böhm, aber in Ansätzen auch schon bei Eucken zeigen wird – die individuelle Freiheit der Menschen fördert.1045 Für unsere Untersuchung ist der Ordoliberalismus von wesentlicher Bedeutung, da dieser grundlegende Aussagen zum Verhältnis von Freiheit und gesellschaftlicher sowie ökonomischer Ordnung enthält, deren Verständnis auch für eine Auseinandersetzung mit dem „more economic approach“ der EU-Kommission wesentlich ist, wonach ein wettbewerbsrelevantes Verhalten direkt unter dem Aspekt einer Steigerung von allgemeiner Wohlfahrt zu beurteilen sei.1046 Der Ordoliberalismus hatte auch erheblichen Einfluss auf die Entstehung des deutschen Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (wenn auch nicht mehr in demselben Maße für seine weitere Fortentwicklung).1047 Wesent1041 Dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 28 ff. 1042 Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Einführung Unsere Aufgabe, S.  21. 1043 Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1, 3. Zur Metapher des Spieles siehe Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 135 ff.; ders., ORDO 62 (2011), 469, 470 f.: Vergleich zwischen Gesellschaftsspielen und dem wirtschaftlichen Wettbewerb, um bestimmte strukturelle Gemeinsamkeiten hervorzuheben (Unterscheidung zwischen Spielregeln und Spielzügen), die im Sinne ihrer konstitutionellen Perspektive bedeutsam sind. Hiernach haben die Regel- bzw. Verfassungsentscheidungen einen systematischen Vorrang vor subkonstitutionellen Entscheidungen. Die Regelwahl wird den Teilnehmern des Spiels als „gleich freie und gleichberechtigte“ Akteure nicht von außen vorgegeben, sondern die Legitimation der Regeln gründet jedenfalls als „normatives Referenzkriterium“ in ihrer freien Zustimmung. 1044  Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 35 f. Vgl. auch Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, S.  52 und 178: „Niemand ist für seine eigene Person befugt, seine moralische Autonomie aufzugeben und sich zum bloßen Werkzeug machen zu lassen. Niemand darf aber auch den anderen zwingen, auf seine moralische Autonomie zu verzichten“; vgl. dazu Zimmer, WuW 2007, 1198, 1199. 1045 Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Einführung Unsere Aufgabe, S.  21, 24. 1046  Siehe dazu statt anderer Zäch, WuW 2010, 139. 1047  Immenga, ZWeR 2008, 3, 6.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

liche Forderungen des frühen Ordoliberalismus finden sich ebenfalls in den Wettbewerbsregelungen des EWG-Vertrages,1048 und prägten auch die ersten Jahre ihrer praktischen Anwendung,1049 obwohl seine Aussagen in der englischsprachigen Welt zunächst kaum wahrgenommen wurden.1050 Selbst im aktuellen europäischen Wettbewerbsrecht, das durch den Vorrang des Unionsrechts auch für die nationalen Wettbewerbsrechte geprägt ist,1051 sind noch gewisse Einflüsse ordoliberalen Gedankenguts nachweisbar.1052 Die Lehren der frühen Ordoliberalen wurden später unter dem Einfluss von Hayeks und Hoppmanns fortentwickelt, aber auch in wesentlichen Aussagen abgewandelt.1053 Beide begriffen den Wettbewerb als dynamischen Prozess, dessen Ergebnisse nicht im Einzelnen vorherzusehen seien. Besondere Wirkungskraft kommt insoweit der von Friedrich A. von Hayek geprägten Formulierung vom „Wettbewerb als Entdeckungsverfahren“ zu: 1054 Erst der Wettbewerbsprozess führe dezentrales Wissen zusammen und bewirke so die Entdeckung von Tatsachen, die ohne ihn entweder unbekannt blieben oder doch zumindest nicht genutzt würden. Daneben wurden die frühen ordoliberalen Thesen – was häufig übersehen wird – auch „schulenimmanent“ fortentwickelt. Wir hatten auf die Entwicklung des frühen zum späten Böhm bereits hingewiesen. Der Ordoliberalismus beeinflusste ebenfalls jüngere ökonomische Forschungsrichtungen wie die Neue Institutionenökonomik und ihre Kritik an der neoklassischen Preistheorie, indem er den Fokus auf die Wirkungszusammenhänge zwischen den institutionell-rechtlichen Rahmenbedingungen der Wirtschaft und den Funktionsabläufen der sich darin entwickelnden Prozessabläufe 1048 Dazu Küsters, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, S.   364 ff.; Gerber, Law and Competition in Twentieth Century Europe, S.  343 f.; Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 101 f.; Immenga, ZWeR 2008, 3, 5. 1049  Gerber, Law and Competition in Twentieth Century Europe, S.  263 f.: „The main vehicle for disseminating the ordoliberal version of neo-liberalism outside of Germany has been, however, the process of European unification“; siehe auch S.  342 ff.; ders., in: FS Fikentscher, 1998, S.  654 ff. Zusätzlich sind Anleihen an US-amerikanisches Recht nachweisbar, vgl. Mestmäcker, WuW 2008, 6, 12; Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131. 1050 Vgl. Gerber, Law and Competition in Twentieth Century Europe, S.  232; ders., in: FS Fikentscher, 1998, S.  654, 665, der die geringe Rezeption auch auf die deutsche nationalsozialistische Vergangenheit und das entsprechende Misstrauen in anderen Staaten zurückführt. 1051  Mestmäcker, WuW 2008, 6, 12 f. 1052 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 188 ff. und 196 ff. 1053 Dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1, 8 (zu von Hayek, Hoppmann, Streit und Vanberg) und 9: „Vieles von dem, was heute etwa als Neue Institutionenökonomik (‚New Institutional Economics‘) zunehmend wissenschaftliche Anerkennung erhält, ist in mancherlei Hinsicht wenig anderes als die (unbewusste) Wiederentdeckung eines Forschungsprogramms, das in Freiburg bereits in den 1930er Jahren grundgelegt wurde“; ebenso Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  169. 1054 Grundlegend von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff.; dazu Zimmer, WuW 2007, 1198, 1199.

D. Ordoliberalismus und Neue Institutionenökonomik

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legte.1055 Er zeigte insoweit die „unterschiedlichen Konsequenzen bestimmter Arten von Ordnungen für die Wirtschaft und auch für die Gesellschaft“ auf.1056 Die vorliegende Untersuchung legt ihren Fokus auf die Konzepte von Walter Eucken und Franz Böhm als Hauptpromotoren des Ordoliberalismus.1057 2. Die ordoliberale Theorie der vollständigen Konkurrenz Bevor detailliert auf die Thesen Euckens und Böhms eingegangen wird, soll vorab das wettbewerbstheoretische Referenzmodell der „vollständigen Konkurrenz“ erläutert werden, da dieses nicht nur die Wettbewerbspolitik der frühen Bundesrepublik Deutschland beeinflusst hat,1058 sondern auch einen andauernden Kritikpunkt an den Lehren des Ordoliberalismus bildet.1059 Die entsprechenden Klärungen sind auch für das Verständnis des „more economic approach“ bedeutsam. Das ordoliberale Modell des vollständigen Wettbewerbs bemühte sich um die Herstellung eines Gesamtzusammenhangs zwischen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und staatlicher Ordnung. Walter Eucken als wichtigster ökonomischer Vertreter des Ordoliberalismus vertrat insoweit die (normative) These, dass nur eine dezentral gelenkte Marktwirtschaft das komplizierte Lenkungsproblem des Wirtschaftsprozesses lösen und so ein geordnetes soziales Zusammenleben ermöglichen sowie – in seinen späten Schriften – auch ein höchstmögliches Maß an individueller Freiheit gewährleisten könne.1060 Nach Eucken ist die Marktwirtschaft eine sich selbst steuernde, aber nicht eine sich selbst generierende Ordnung in dem Sinne, dass sich die für ihr „wohltätiges Wirken“ erforderlichen institutionellen Voraussetzungen von selbst einstellen.1061 Vollständige Konkurrenz und Leistungswettbewerb seien vielmehr erst dann zu erwarten, wenn dem Wirtschaftsprozess eine prinzipiengeleitete Wirtschaftsordnung zur Seite gestellt werde.1062

1055  Vanberg, ORDO 39 (1988), 17  ff.; Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 132. 1056  Ausführlich zur Ordnungsökonomik A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 211 ff.; siehe auch unten Teil 4 D. II. 1057 Siehe auch Müller, ORDO 58 (2007), 99, 101 Fn.   5; Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  101 f. Zwischen den Forschern der Freiburger Schule bestanden bei der Einschätzung und Behandlung wirtschaftlicher Macht z. T. erhebliche Diskrepanzen, vgl. dazu Christiansen, ORDO 60 (2009), 539, 543 ff. 1058  Das Konzept der Workable Competition wurde bei uns erst in den 1960er Jahren rezipiert, vgl. Günther, in: Zehn Jahre Bundeskartellamt, S.  11 ff. 1059  Rittner, AcP 188 (1988), 101, 115 f. 1060 Vgl. Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  53. 1061 Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 142. 1062  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  254 f.; vgl. dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 193.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Im ökonomischen Schrifttum ist streitig, ob das Euckensche Wettbewerbsleitbild der vollständigen Konkurrenz, wie es auch in der Begründung zum Regierungsentwurf unseres Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen enthalten war,1063 mit dem statischen Modell der vollkommenen Konkurrenz der neoklassischen Preistheorie gleichzusetzen ist.1064 Das wird von einer Ansicht bejaht, weshalb sie der Wettbewerbstheorie Euckens vorwirft, sie sei eine „lebensfremde Modelltheorie“.1065 Von anderen wird unter Berufung auf die Intention Euckens, eine wirklichkeitsnahe Theoriebildung vorzunehmen, eine Gleichsetzung von vollständiger Konkurrenz und vollkommener Konkurrenz verneint.1066 Eucken sei es nicht darauf angekommen, bestimmte marktwirtschaftsfeindliche wirtschaftspolitische Maßnahmen zu vermeiden oder preistheoretische Modelle zu optimieren; er habe vielmehr positiv eine Wirtschaftsverfassungspolitik gefordert, die den Preismechanismus als Grundprinzip der Marktwirtschaft zur Entfaltung bringe.1067 Hierfür sprächen auch die Ausführungen in Euckens Spätwerk „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ aus dem Jahr 1952,1068 selbst wenn seine Wettbewerbstheorie in wesentlichen Punkten auf der neoklassischen Theorie aufbaute.1069 In diesem Werk erweitert Eucken die formal enge preistheoretische Definition der vollständigen Konkurrenz, wonach der „Marktpreis von den Leitern der Einzelwirtschaften in ihre Wirtschaftspläne als Plandaten eingesetzt wird“, zu einem wettbewerbspolitischen Konzept der Abwesenheit monopolistischer Marktmacht bzw. der Wettbewerbsfreiheit. Das zeigt sich insbesondere an den Prinzipien, die nach Eucken die gebotene Wirtschaftspolitik konstituieren; 1070 denn eine Auswertung derselben ergibt, dass für Eucken die vollständige Konkurrenz gleichbedeutend ist mit der Einhaltung der Spielregeln des Leistungswettbewerbs, als da sind: Geldwertstabilität, offene Märkte, Privateigentum, Vertragsfreiheit, Haftung und Konstanz der Wirtschaftspolitik.1071 1063 

Abgedruckt in Müller-Henneberg/Schwartz, S.  1059. So zum Beispiel Meyer-Dohm, in: HJB 10 (1965), S.  141, 144 ff. 1065  Nawroth, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, S.   24; siehe aus ordoliberaler Sicht auch Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323. 1066  Günther, WuW 1964, 111, 113; Hoppmann, JBNSt 179 (1966), 286, 287 f.; Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  53; Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 32; Goldschmidt/Oswalt, Wirtschaft, Politik und Freiheit, S.  315, 332. 1067  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  53 f. 1068  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  24, wonach die neoklassische Modell­ annahme der Homogenität von Gütern und Anbietern für die Untersuchung der realen Konkurrenz unbrauchbar sei. 1069  Im Schrifttum wird deshalb vermittelnd die Ansicht vertreten, Eucken habe die Neoklassik fortentwickelt, vgl. Heertje/Wenzel, Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, S.  6 4. 1070  Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  5 4. 1071  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  247: „Vollständige Konkurrenz besteht nicht im Kampf Mann gegen Mann, sondern vollzieht sich in paralleler Richtung. Sie ist nicht Behinderungs- oder Schädigungswettbewerb, sondern ‚Leistungswettbewerb‘“; wie vorliegend auch Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 32. 1064 

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Vor diesem Hintergrund ging es Eucken nicht darum, eine bestimmte idealtypische polypolistische Marktstruktur zu erzielen, sondern er wollte vor allem ein polypolistisches Marktverhalten bewirken.1072 Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass Euckens Präferenz für eine Preisbildung bei vollständiger Konkurrenz durch wohlfahrtstheoretische Untersuchungen beeinflusst gewesen sein dürfte, wonach bei vollkommener Konkurrenz besonders günstige wirtschaftliche Ergebnisse zu erwarten seien.1073 Auch die Arbeiten von Hayeks über die Grenzen einer zentralen Wirtschaftsplanung widerlegen die Euckensche These von der preislichen Koordination aber nicht, sondern ergänzen sie nur um eine weitere Perspektive.1074 Euckens Wettbewerbstheorie ist also – trotz des Hinweises auf die machtdisziplinierende Wirkung potenziellen Wettbewerbs – komparativ-statisch und nicht dynamisch, weshalb ihm vorgehalten wird, er fordere tiefere Eingriffe in den Wettbewerbsprozess, als dies zur Aufrechterhaltung von dessen Funktionsfähigkeit notwendig sei.1075 Spätere Vertreter des Ordoliberalismus haben sich deshalb – vor allem unter dem Einfluss von Hayeks – vom Leitbild der vollständigen Konkurrenz ab- und zum Konzept der Wettbewerbsfreiheit hingewandt, das anstelle der statischen die dynamischen Qualitäten des Wettbewerbs betont.1076 Im Ergebnis zielte Euckens Theorie freilich nur auf eine kompetitive, durch eine hinreichende Anzahl von Marktteilnehmern gesicherte Marktstruktur ab, damit niemand die Preisfestsetzung auf den Märkten dominieren kann, und nicht auf die Verwirklichung eines bestimmten idealtypischen Marktmodells.1077 Auf der Grundlage der aktuellen wettbewerbstheoretischen Erkenntnisse ist dabei im Blick zu behalten, dass bestimmte oligopolistische Verhaltensweisen ein Ausdruck wettbewerblicher Interaktion sein können, es also nicht notwendig auf die Gewährleitung eines polypolistischen Marktverhaltens ankommt.1078 Wir haben dies schon 1072  Günther, WuW 1964, 111, 113; Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 32. 1073 Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323. 1074 Goldschmidt/Wohlgemuth/Horn, Ordnungsökonomik, S.  315, 320. 1075 Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 32 f. m. w. N. 1076 Vgl. etwa Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.   323 ff.; siehe auch Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  239. 1077  Hoppmann, JBNSt 179 (1966), 286, 287 f.; Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 329: „Den von Eucken für die Gewinnung der Erkenntnis ordnungstheoretischer Zusammenhänge gewählten Weg halte ich für gangbar, obwohl das Grundprinzip ‚Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz‘ zeigt, dass man sich bei isolierter Abstraktion irren kann, weil die benutzten theoretischen Instrumente sich als brüchig erweisen. Aber die Idee, auf welcher dieses Grundprinzip basiert, ist richtig: Wir brauchen für eine zweckmäßige Koordinierung der Pläne der einzelnen Wirtschaftssubjekte im marktwirtschaftlichen System einen Knappheitsmesser in Gestalt von Preisen, welche die Knappheitsrelationen möglichst zutreffend wiedergeben. Für eine solche Preisbildung können wir den Wettbewerb nicht entbehren“; vgl. dazu auch Goldschmidt/Wohlgemuth/ Horn, Ordnungsökonomik, S.  315, 319. 1078  Günther, WuW 1964, 111, 113.

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einleitend auf die Kurzformel gebracht, dass wirtschaftliche Macht nicht per se gut oder schlecht, sondern ein ambivalentes Phänomen ist. 3. Zum Werk Walter Euckens a) Begründung der Ordnungsökonomik Bereits im Jahr 1932 veröffentlichte Walter Eucken einen Beitrag mit dem Titel „Staatliche Strukturwandlungen und die Krisis des Kapitalismus“, in dem er dafür plädierte, das Verhältnis zwischen Staat und Wirtschaft angesichts einer „Politisierung der Wirtschaft“ neu zu überdenken, da der Staat mehr und mehr zu einem Spielball wirtschaftlicher Interessengruppen geworden sei.1079 Letztere wollten entweder durch staatliche Intervention eine bessere Position am Markt erhalten oder gegen die Auswirkungen des Marktes durch Eingriffe des Staates geschützt bzw. materiell abgesichert werden. Durch den hierdurch begründeten interventionistischen Wirtschaftsstaat werde das liberale Ideal eines freien, allein durch das Preissystem koordinierten Wettbewerbs pervertiert.1080 Vor diesem Hintergrund forderte Eucken eine staatlich gesicherte Ordnung, ohne die der Kapitalismus „weder seine Kräfte entfalten noch überhaupt funktionieren“ könne.1081 Hiermit beschrieb er Grundanliegen einer Ordnungsökonomik, wie sie auch heute noch aktuell sind.1082 Anders als im Rahmen einer Politik des Laissez-faire geht es um die Suche nach einer gefestigten, von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessengruppen möglichst unabhängigen Gesellschaftsstruktur, die Garant für eine möglichst allen Mitgliedern der Gesellschaft dienliche, der Freiheit des Einzelnen und seiner Würde verpflichtete Wirtschaftsordnung ist.1083 Der Wettbewerb sollte insoweit – wie noch zu zeigen ist – kein Selbstzweck sein, sondern ein Instrument, um im Interesse der Bürger eine „funktionsfähige und menschenwürdige“ Ordnung zu errichten.1084 Geboten sei eine Ordnung, die wirtschaftlich so leistungsfähig ist, dass sie die Knappheit der Güter möglichst weitgehend überwindet, um den Bürgern 1079  Eucken, WA 36 (1932), 297 ff., 303; siehe dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1. 1080  Eucken, WA 36 (1932), 297 ff., 309. 1081  Eucken, WA 36 (1932), 297 ff., 314. 1082  Der Begriff Ordnungsökonomik steht für die moderne Weiterführung des Denkansatzes der Freiburger Schule und umfasst insoweit die Teilbereiche Ordnungstheorie und Ordnungspolitik. Die Ordnungstheorie befasst sich mit der Analyse und Erklärung der Funktionsweise alternativer Rechts- und Regelordnungen, während es der Ordnungspolitik darum geht, die Ergebnisse der Ordnungstheorie für praktische Probleme fruchtbar zu machen; dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Wettbewerb und Regelordnung, 2009, S.  49, 50. 1083 Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1 f. 1084  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.   240; ders., Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.   14; vgl. dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 326.

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ein eigenverantwortliches Leben in Freiheit zu ermöglichen.1085 Diese Aufgabe erfordere die Schaffung einer brauchbaren Wirtschaftsverfassung, die zureichende Ordnungsgrundsätze verwirklicht.1086 b) „Die Grundlagen der Nationalökonomie“ aa) Wirklichkeitsbasierte Modellbildung In seiner methodisch ausgerichteten Arbeit „Die Grundlagen der Nationalökonomie“ aus dem Jahr 1940 beschrieb Eucken ein Wissenschaftsprogramm, das einen Ausweg aus der „großen Antinomie“ in der Nationalökonomie, also dem bis dahin bestehenden unvermittelten Nebeneinander zwischen individuellhistorischer und allgemein-theoretischer Erkenntnis bieten soll.1087 Während die Vorgehensweise der historischen Schule an ihrer mangelnden theoretischen Fundierung kranke – das reine Sammeln von Fakten reiche nicht aus, um komplexe Sachzusammenhänge zu verstehen –, liefen die modellorientierten Ökonomen Gefahr, mit ihren realitätsfernen Annahmen ohne Rückbindung an die wissenschaftliche Wirklichkeit zu arbeiten.1088 „Mit Recht sieht der Nationalökonom das wirtschaftliche Alltagsgeschehen als Teil der jeweiligen historisch-individuellen Lage an; das muss er, wenn er nicht wirklichkeitsfremd werden will. Mit Recht sieht er in ihm aber auch ein allgemein-theoretisches Problem, – das muss er ebenfalls, wenn ihm nicht die Wirklichkeit in ihren Zusammenhängen entgleiten soll. Wie aber soll er beides vereinigen?“1089

Eucken wählt hierfür den Weg einer auf der Wirklichkeit basierenden Modellbildung, indem er durch eine „pointierend hervorhebende Abstraktion [. . .] alle diejenigen reinen, idealtypischen Wirtschaftsformen“ finden will, „aus denen sich in Gegenwart und Vergangenheit die konkreten Wirtschaftsordnungen zusammensetzten“.1090 Dabei müssen sich in den im Modell gesetzten Restriktionen die in der Realität vorgefundenen Bedingungen (Daten) widerspiegeln.1091 Das Modell darf mit anderen Worten nur von denjenigen Daten abstrahieren, die für die Erklärung des wirtschaftlichen Geschehens irrelevant sind.1092 Durch die Analyse historischer Ordnungsformen (Morphologie) lassen sich 1085  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  240; vgl. auch Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 2. 1086  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  240. 1087  Dazu Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 6. 1088  Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 32 ff. 1089  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.   21; weiterführend Goldschmidt/ Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191. 1090  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  72. 1091 Siehe zur Bestimmung der relevanten Daten Eucken, Nationalökonomie – wozu?, S.  30 f. 1092 Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 6.

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nach Eucken reine Formen von Wirtschaftssystemen (Idealtypen) herausarbeiten.1093 Ausgehend von der Überlegung, dass jedes wirtschaftliche Handeln auf Plänen basiere,1094 entwickelte Eucken eine Morphologie der Wirtschaftssysteme, indem er diese in verschiedene Formen der Zentralverwaltungswirtschaft und der Verkehrswirtschaft unterteilte.1095 Während die Pläne in der Verkehrswirtschaft dezentral über den Markt gesteuert würden, gebe es in der Zentralverwaltungswirtschaft – wie der Begriff schon suggeriert – einen zentralen Plan­träger. Sobald mehr als zwei Pläne vorlägen, handle es sich um eine Verkehrswirtschaft. Es könnten somit zwar die Idealtypen der Wirtschaftsformen vermischt werden. Demgegenüber gebe es neben Zentralverwaltungswirtschaft und Verkehrswirtschaft keinen dritten Weg.1096 bb) Marktformen und wirtschaftliche Macht Eucken arbeitete sechs gesamtwirtschaftliche Daten heraus, an denen sich die jedem wirtschaftlichen Handeln zugrunde liegenden Pläne orientierten: 1097 Die individuellen Bedürfnisse, die Natur, der Produktionsfaktor Arbeit, die Vorräte an (Konsum-)Gütern, das technische Wissen sowie – in der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft – auch die rechtliche und soziale Organisation. Zum letztgenannten Datum zählten das Geldsystem und die tatsächlich geübte Geldpolitik sowie die Marktformen.1098 Letztere führt Eucken auf Idealtypen zurück, indem er in der Verkehrswirtschaft für Angebot und Nachfrage jeweils fünf Marktformen unterscheidet, namentlich die (vollständige) Konkurrenz, das Teiloligopol, das Oligopol, das Teilmonopol und das Monopol.1099 Ihm geht es 1093  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  123: „Zu einem umfassenden morphologischen Apparat von Wirtschaftssystemen mit ihren zahlreichen Ausprägungen führt somit die – mit Hilfe pointierend hervorhebender Abstraktion in die wirkliche Wirtschaft vorgetriebene – Analyse. Es sind nicht Typen, die konkrete Wirtschaft „abbilden“ wollen, keine Realtypen, wie die Wirtschaftsstile oder Wirtschaftsstufen. Es sind reine Formen, echte Idealtypen, von denen jede einzelne nur eine Seite der Tatsachenbefunde wiedergibt. Das heißt aber nicht: Utopien, wie Max Weber sie verkennend nannte. Utopien werden der konkreten Wirklichkeit entgegengesetzt, ihr vorgehalten. Diese Idealtypen sind aus der konkreten Wirklichkeit gewonnen, und sie dienen der Erkenntnis konkreter Wirklichkeit. Hierfür sind sie sogar unentbehrlich.“ 1094  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  78. 1095  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  78 ff.; siehe dazu die Besprechung von Brinkmann, FA 7 (1940), 353, 365, der vor einem Rigorismus der Freiburger Schule warnte. 1096  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  79; a. A. Ota Sik, Wirtschaftsreform, Plädoyer für ein Mischsystem Dritter Weg in der DDR?, Wirtschaftswoche Nr.  50 vom 08.12.1989, S.  101. 1097  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  128 ff., 143 ff., insb. S.  148; dazu Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 7. 1098 Vgl. Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  9 0 sowie Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 7. 1099  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.   91. Welche Marktform vorliegt, bestimmt sich für Eucken nicht nach der Zahl der Anbieter und Nachfrager, sondern nach der

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dabei nicht um rein begriffliche Abgrenzungen, sondern um die Feststellung von Koordinationsmechanismen und Koordinationsbedingungen der einzelnen Marktformen als Voraussetzungen individuellen Marktverhaltens.1100 Nur in der Marktform der Konkurrenz bildeten sich die Preise als „Regulator des Wirtschaftsprozesses“1101 auf einem „anonymen Markt“.1102 Nur in dieser Marktform trete somit das Phänomen wirtschaftlicher Macht als Ausgangsproblem der Freiburger Schule gänzlich zurück.1103 Auf der Grundlage dieser idealtypischen Grundlagen (methodische Aufgabe) könnten in einem zweiten Schritt (historische Aufgabe) die individuell-konkreten Wirtschaftsordnungen identifiziert werden, in denen der Wirtschaftsprozess ablaufe.1104 Die Wirtschaftsordnung ist für Eucken die „Gesamtheit der Formen, in denen die Lenkung des alltäglichen Wirtschaftsprozesses in concreto – hier und dort, in Gegenwart und Vergangenheit – erfolgte und erfolgt“. Nach Gewinnung der idealtypischen Wirtschaftssysteme (der Ermittlung ihrer Morphologie) im Wege der „pointierend hervorhebenden Abstraktion“ sei somit im Wege „generalisierender Abstraktion“ erneut an die wirtschaftliche Wirklichkeit heranzutreten, um ein Bild der jeweils betrachteten konkreten (aktuellen) Wirtschaftsordnung zu geben.1105 cc) Ordnung der Wirtschaft durch eine Wirtschaftsverfassung In der Konzeption Euckens kommt das Recht an verschiedenen Orten zur Geltung: 1106 Zum Ersten könnten sich die Wirtschaftsordnungen zwar historisch entwickeln, aber auch auf einer Grundentscheidung des Gesetzgebers für eine „Ordnung der Wirtschaft“, also auf einer bewusst gesetzten Wirtschaftsverfassung beruhen.1107 Im letztgenannten Fall kann die Wirklichkeit jedoch von der staatlichen Grundentscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsverfassung abKoordination der Einzelpläne der Marktteilnehmer im Wettbewerbsprozess (a. a. O., S.  102 sowie Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 192). 1100  So Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 192. 1101  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  186; vgl. auch Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 192, der hierin eine Parallele zur Signalfunktion des Preissystems bei v. Hayek sieht. 1102  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  102. 1103  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.   201; Goldschmidt/Wohlgemuth/ Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 193. 1104  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.   167 (siehe zur Definition der Wirtschaftsordnung auch S.  51). 1105  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  168 f.; dazu Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  143. 1106  Siehe zum Folgenden bereits Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  143 f. 1107  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  52. Der Begriff der „Wirtschaftsordnung“ bezieht sich auf den realen Zustand, der Ausdruck „Ordnung der Wirtschaft“ auf die staatliche Grundentscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsordnung und ihre Gestaltung, so Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  239.

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weichen, im Falle einer Wettbewerbswirtschaft etwa durch die Vermachtung der Märkte mittels wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen und Maßnahmen.1108 Ziel der „Ordnung der Wirtschaft“ ist für Eucken insoweit die Herstellung einer „funktionsfähigen und menschenwürdigen Ordnung“ der sozialen Interaktionen, zusammengefasst unter dem Begriff des „Ordo“.1109 Zum Zweiten basiert für ihn jedes wirtschaftliche Handeln auf einem Plan, der wiederum von gesamtwirtschaftlichen Daten beeinflusst wird, zu denen auch die rechtliche und soziale Organisation gehört. Beide Gesichtspunkte berühren sich, sofern die Entscheidung für eine bestimmte Wirtschaftsverfassung eine bestimmte Gestaltung der rechtlichen und sozialen Organisation erfordert.1110 Schließlich sind auch die einzelnen Privatrechtsinstitute wie das Privateigentum und die Vertragsfreiheit aus dem Blickwinkel der Wirtschaftsordnung und ihrer Formen zu betrachten.1111 Dieser Ansatz erlaubt es, zu ermitteln, „wie die Rechtsnormen ihre Bedeutung und ihre Funktion mit den wirtschaftlichen Ordnungsformen verändern“.1112 Der Gedanke der Wirtschaftsordnung bestimmt für den frühen Eucken also den Rechtsbegriff, dieser ist vornehmlich wirtschaftsfunktionaler Natur.1113 Auch heute noch tun sich Vertreter der Ökonomie schwer, das Primat des Rechts mit seinen formalen Erfordernissen Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität und seiner materiellen Ausrichtung am durch die Verfassung konkretisierten Gemeinwohl anzuerkennen. c) „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ Da das Werk „Grundlagen der Nationalökonomie“ allein theoretisch beschrieben hat, wie für Eucken das Ziel einer macht- und privilegienfreien Wirtschaftsordnung beschrieben werden kann, war in einem Folgeschritt zu klären, wie diese Wirtschaftsform praktisch zu verwirklichen ist.1114 Die hierzu erforderlichen ordnungspolitischen Maßnahmen wurden von Eucken in dem posthum im Jahr 1952 erschienenen Werk „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ näher erläutert,1115 von Söllner als wichtigste ökonomische Programmschrift des Ordoliberalismus bezeichnet.1116 Eucken plädierte hier erneut für ein Denken in Ord1108 

Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  52. Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  239 und 240. 1110  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  133, 220 sowie 158. 1111  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  5 4 ff. 1112  Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  242. 1113  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  146. 1114 Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 193. 1115  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Teile des Buches wurden schon vorab veröffentlicht, vgl. Eucken, Das ordnungspolitische Problem, ORDO 1 (1948), 5 ff.; ders., Die Wettbewerbsordnung und ihre Verwirklichung, ORDO 2 (1949), 1 ff.; vgl. Goldschmidt/ Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191 mit Fn.  1. 1116  Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  238. 1109 

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nungen, um über die einzelnen Sachfragen nicht den Blick für die grundsätzlichen Strukturen des Wirtschaftssystems zu verlieren.1117 Die Wirtschaftsordnung sollte dabei nicht isoliert gesehen werden, sondern in Zusammenhang mit der politischen und der kulturellen Ordnung (Interdependenz der Ordnungen).1118 Beide Grundanliegen sind auch aus heutiger Sicht überzeugend. aa) Ordnung individueller Freiheiten durch ein Wettbewerbsrecht Eucken verfolgte eine „Politik der Wettbewerbsordnung“.1119 Wettbewerb als Ordnungsprinzip könne nur dann „von unten herauf“ entstehen, wenn es den Marktteilnehmern möglich sei, ihre wirtschaftlichen Freiheiten auch tatsächlich auszuüben. Die historische Erfahrung habe aber gezeigt, dass die Marktteilnehmer ihre Freiheiten missbrauchen könnten, um den freien Wettbewerb in ihrem Eigeninteresse auszuschalten.1120 Aus diesem Grunde müsse der Staat einen Ordnungsrahmen setzen, der „die freie Betätigung des Einzelnen durch die Freiheitsspähre des anderen begrenzt“ und damit „die menschlichen Freiheitsbereiche ins Gleichgewicht gelangen“ lässt.1121 Der Staat solle durch die Gestaltung einer Rahmenordnung dafür sorgen, dass die Ergebnisse des einzelwirtschaftlichen Handelns der Marktakteure „universalisierbar“ sind.1122 Eucken entwickelt auf dieser Grundlage ein Ordnungsmodell für die Wirtschaft, das auf den wirtschaftlichen Freiheitsrechten der Marktteilnehmer aufbaut, diese Freiheiten jedoch nicht zur Disposition der Individuen stellt, da diese nach historischer Erfahrung dazu neigten, die Interessen der Gesamtrechtsordnung (ebenso wie die berechtigten Interessen anderer Marktteilnehmer) hinter ihre eigenen Interessen zu stellen.1123 Demgemäß seien die individuellen Handlungsfreiheiten nicht nur formal, sondern im Ergebnis auch material zu sichern, da Private ansonsten den Wettbewerb unter Missbrauch ihrer Freiheit beschränken könnten.1124 Paradigmatisch für diesen materialen Freiheitsbezug ist die Aussage, dass niemand für seine eigene Person befugt sei, „seine moralische Autonomie aufzugeben und sich zum bloßen Werkzeug machen zu lassen.“1125 In dieser Sichtweise deutet sich nicht nur der kategorische Imperativ Immanuel Kants,1126 1117  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  19 ff.; vgl. dazu Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  239. 1118  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  13 ff. 1119  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  241. 1120  Ansätze bereits bei Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 5 ff. 1121  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  250. 1122  Müller, ORDO 58 (2007), 99, 101, unter Bezugnahme auf den Kantschen kategorischen Imperativ. 1123  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  169. 1124  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 23; Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, §  4 Rn.  9. 1125  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  178; siehe auch Zimmer, WuW 2007, 1198, 1199. 1126  So für die Aussage „Ist eine Wirtschaftsordnung möglich, in der die Menschen nicht

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sondern auch das vom EuGH vertretene „Selbstständigkeitspostulat“ an,1127 welches das Verständnis des Gerichtshofs von Wettbewerb im Rahmen des Kartellverbots auch heute noch mit prägt.1128 Hiernach ist es den Unternehmen verwehrt, eine „praktische Zusammenarbeit“ an die Stelle des „mit Risiken verbundenen Wettbewerbs“ treten zu lassen; vielmehr habe jeder Unternehmer selbstständig zu bestimmen, welche unternehmerische Politik er verfolge.1129 bb) Schutz material-chancengleicher Wirtschaftsfreiheit Eucken lehnte – ebenso wie andere Vertreter der Freiburger Schule – den Grundsatz des Laissez-faire ab, da dieser nicht dazu geeignet sei, eine vollständige Konkurrenz als erwünschte Marktform herzustellen, sondern ganz im Gegenteil eine Vermachtung der Märkte erlaube.1130 Hierdurch unterschied er sich von der – meines Erachtens nicht überzeugenden – Österreichischen Schule der Wettbewerbspolitik, wie sie im Anschluss an von Hayek etwa von Israel M. Kirzner vertreten wird, wonach aufgrund unternehmerischer Findigkeit eine Tendenz zum Gleichgewicht bestehe, weshalb monopolistisch überhöhte Preise immer nur ein temporäres Phänomen seien.1131 Zwar solle den Menschen nach der Wirtschaftspolitik des Laissez-faire Freiheit gewährt werden, um damit die „allein richtige, natürliche, göttliche Ordnung“ zu verwirklichen.1132 Das „einfache System der natürlichen Freiheit“ habe jedoch keine Wettbewerbs­ ordnung verwirklicht, da die Vertragsfreiheit vielfach dazu benutzt worden sei, die Marktformen zu ändern und wirtschaftliche Machtgebilde zu schaffen.1133 Die rechtsstaatliche Freiheit werde somit durch wirtschaftliche Macht bedroht, weil Wettbewerber regelmäßig versuchten, der Konkurrenz durch Bildung von Monopolen zu entgehen.1134 Eucken hat dadurch ebenso wie zuvor schon Böhm das Freiheitsparadoxon auf den wirtschaftlichen Wettbewerb übertragen und nachgewiesen, dass absolut gewährte wirtschaftliche Freiheit eine Tendenz zu nur Mittel zum Zweck, nicht nur Teilchen des Apparates sind“ (Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  179), die überzeugende Bewertung von Müller, ORDO 58 (2007), 99, 101. 1127  EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  32 – T-Mobile-Netherlands. 1128  Zimmer, WuW 2007, 1198, 1201 f. 1129  EuGH v. 31.3.1993 – Rs.-C 89/85, Slg. 1994, I-1307 Rn.  63 – Ahlström/Kommission. 1130 Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 193. 1131  Kirzner, Wettbewerb und Unternehmertum; dagegen Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323 ff. 1132  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  27. Nach dem Inhalt des Zitates hat Eucken somit nicht naturrechtlich argumentiert; dasselbe gilt nach Pies/Leschke/Pies, Walter Euckens Ordnungspolitik, S.  1, 27 auch für das Zitat auf S.  175: „Die Wirtschaftspolitik aber soll die freie natürliche gottgewollte Ordnung verwirklichen“, da der Text in einem Absatz über „führende Geister“ des 18. und 19. Jahrhunderts stehe und Eucken ein erklärter Gegner des Naturrechtsdenkens gewesen sei. 1133  So schon Eucken, Grundlagen der Nationalökonomie, S.  53. 1134  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 4 f.

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ihrer Aufhebung hat.1135 Hiernach verwirklicht ein Laissez-faire-Liberalismus keine menschenwürdige Ordnung, wie Hans Otto Lenel in Auseinandersetzung mit Euckens Wettbewerbspolitik hervorhebt: 1136 Die Lösung des „Koordinationsproblems“ sei für eine marktwirtschaftliche Ordnung notwendig, aber nicht hinreichend; denn die „Ordnung soll dem einzelnen Menschen [auch] die Entfaltung seiner Kräfte und ihre sinnvolle Einordnung in den Gesamtprozess erlauben. Sie soll seinen Freiheitsbereich nicht mehr als angemessen begrenzen. Sie soll die Lösung der sozialen Frage erleichtern und mit anderen Ordnungen (zum Beispiel der Rechtsordnung) kompatibel sein.“

Hiermit ist zutreffend ein Konzept der material-chancengleichen Selbstbestimmung umschrieben, wie es auch der geltenden Vertragsrechtstheorie zugrunde liegt. Wesentliches Kriterium jeder wirtschaftspolitischen Maßnahme müsse die „Herstellung eines funktionsfähigen Preissystems vollständiger Konkurrenz“ sein.1137 Hierzu gehöre das Verbieten von Kartellen, aber unter Umständen auch eine positive Wirtschaftspolitik zur Ingangsetzung des Preismechanismus.1138 Nur im Modellfall einer vollständigen Konkurrenz stünden sich beide Marktseiten gleich mächtig gegenüber, weshalb der Preis genau den Grenzkosten entspreche. Allerdings müsse die Wettbewerbsordnung nicht nur funktionsfähig, sondern auch „gerecht“ sein: 1139 „Was Gleichgewicht bedeutet, kann einem im Angesicht dieser doppelten Aufgabe klar werden: Die Funktionsfähigkeit ist eine Frage des Gleichgewichts. Nicht weniger aber ist es – was hier nur angedeutet werden soll – die Gerechtigkeit. Dem Gleichgewicht kommt also mehr als eine bloß ökonomisch-technische Bedeutung zu.“1140

cc) Begründer der Ordnungsökonomik Eucken ist hierdurch ein maßgeblicher Begründer der Ordnungsökonomik, die ins Zentrum ihrer Erkenntnisbemühungen die Ordnungsbedingtheit wirtschaftlichen Handelns stellt, also die Frage nach den unterschiedlichen Konsequenzen bestimmter Arten von Ordnungen für Wirtschaft und Gesellschaft.1141 Da die Wirtschaftsordnung in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Verfassungs-, Rechts- und Staatsordnung steht, kann das ökonomische Kriteri-

1135 So

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  110. Ordnungsökonomik, S.  323, 327. 1137  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  254. 1138  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  255; siehe auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  110 f. 1139  Müller, ORDO 58 (2007), 99, 102. 1140  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  166. 1141 Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1 ff.; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 211. 1136 Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel,

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um der Effizienz nicht allein die Form der Wirtschaftsordnung bestimmen.1142 Der Staat hat vielmehr den Ordnungsrahmen, die Spielregeln des Leistungswettbewerbs1143 zur Verfügung zu stellen, innerhalb dessen sich die Wirtschaftsordnung frei entfaltet.1144 Die Wirtschaftsteilnehmer füllen diesen staatlich vorgegebenen Rahmen aus, ohne den Rahmen selbst ändern zu dürfen.1145 An diese überzeugenden Grundüberlegungen knüpft in jüngerer Zeit die – hier nicht vertiefend zu behandelnde – Konstitutionenökonomik an. dd) Prinzipien der Wettbewerbsordnung Die konkrete Ausgestaltung der Wettbewerbsordnung erfordert nach Eucken die Einhaltung konstituierender Prinzipien. Im Zentrum steht wie bereits erläutert ein funktionierendes Preissystem vollständiger Konkurrenz.1146 Diesem sind sechs weitere Prinzipien zugeordnet,1147 wobei drei Prinzipien eher wirtschaftspolitischer Natur (Primat der Währungspolitik; Konstanz der Wirtschaftspolitik; 1148 Prinzip der offenen Märkte) und drei weitere Prinzipien rechtlicher Natur sind (Privateigentum als Gegenpol zu staatlicher Macht, als Voraussetzung für die Ingangsetzung wettbewerblicher Prozesse und als Ausdruck einer privaten Freiheitssphäre; Vertragsfreiheit als notwendige Bedingung wirtschaftlicher Koordination; Haftung zur Sicherung eines sorgfältigen ökonomischen Handelns in freiheitlicher Verantwortung).1149 Alle Prinzipien sind für Eucken Ausdruck einer wirtschaftspolitischen Gesamtentscheidung über die Ordnung des Wirtschaftslebens, weshalb sie nicht unverbunden nebeneinander stehen.1150 Für eine zweckmäßige Koordination der Pläne der einzelnen Wirtschaftssubjekte in einem marktwirtschaftlichen System sei etwa ein Knappheitsmesser in Form der Preise notwendig, der die Knappheitsrelationen möglichst vollständig wiedergebe. Für diesen sei nicht nur ein funktionsfähiger Wettbewerb notwendig, sondern auch eine stabile Währungspolitik, da das Geld ansonsten kein brauchbarer Knappheitsindikator sei.1151 Offene Märkte sollten den Wettbewerb intensivieren, dienten aber auch der Freiheitssicherung, da den Marktteilnehmern hierdurch Alternativen zur Verfügung gestellt würden.1152 1142 

Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  112. Zu diesem Begriff vgl. Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 145. 1144  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 93. 1145  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 22 f. 1146  Siehe oben Teil 4 D. I. 2. 1147  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  255 ff. 1148 Besser: Kontinuität, vgl. Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 329. 1149  So Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 194. 1150  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  291. 1151 Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 329. 1152 Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 329. 1143 

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Wichtige Voraussetzung einer marktwirtschaftlichen Grundordnung ist für Eucken die Gewährung von Vertragsfreiheit.1153 Allerdings ist die Vertragsfreiheit nicht nur Voraussetzung für das Entstehen von Wettbewerb, sondern kann auch dazu benutzt werden, den Wettbewerb durch Monopolisierung auszuschalten. Deshalb dürfe die Vertragsfreiheit „nicht zu dem Zwecke gewährt werden, um Verträge zu schließen, welche die Vertragsfreiheit beschränken oder beseitigen“.1154 Vielmehr müssten Privateigentum und Vertragsfreiheit eine „Kontrolle durch die Konkurrenz“ erfahren,1155 die rechtlich abzusichern sei. Hiermit wird das oben schon entwickelte Konzept der Sicherung chancengleicher materialer Vertragsfreiheit durch ein systemkonformes Wettbewerbsrecht beschrieben. ee) Als-ob-Wettbewerbsprinzip als Kontrollmaßstab Für Eucken begründet erst die vollständige Konkurrenz die Möglichkeit zur freien Wahl des Vertragspartners und zum tatsächlichen Aushandeln der Vertragsbedingungen, in heutiger Diktion eine material-chancengleiche Vertragsfreiheit.1156 Zu deren Sicherung sind jedoch nicht nur konstituierende, sondern auch regulierende Prinzipien notwendig,1157 welche die Aufgabe haben, „die Wettbewerbsordnung funktionsfähig zu erhalten“.1158 So müsse u. a. eine staatliche Monopolkontrolle eingreifen, wo es andernfalls zu privat diktierten Verträgen komme. Eine Marktregulierung muss nach Eucken außerdem dort greifen, wo Marktteilnehmer natürliche Monopole haben. In derartigen Fällen sind die Unternehmen zu einem wettbewerbsanalogen Verhalten (Als-ob-Wettbewerb) zu verpflichten.1159 Durch die Strenge der Monopolaufsicht erledigten sich viele Fälle in der Praxis prophylaktisch von selbst, so dass sich die „eigentliche Monopolkontrolle“ auf „die relativ wenigen wirklichen Monopole“ beschränken könne,1160 also insbesondere auf die natürlichen Netzmonopole.1161 1153 

Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 52 ff.; ders., Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  275. Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  278. 1155  So zum Privateigentum Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  275; zur Vertragsfreiheit siehe ders. (a. a. O.), S.  279: „Vertragsfreiheit sollte [. . .] im Wirtschaftsprozess nur da gewährt werden, wo vollständige Konkurrenz vorhanden ist.“ 1156  Die Unterscheidung zwischen formaler und realer Vertragsfreiheit findet sich auch bei Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  278; siehe auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  113; soweit Drexl (a. a. O.) eine „direkte Linie zur Bürgschaftsentscheidung des BVerfG“ feststellen will, kann dieser Aussage aufgrund des jedenfalls missverständlichen Wortlauts der Entscheidung aber nicht zugestimmt werden. 1157 Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 194. 1158  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  253. 1159  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  295; ders., ORDO 2 (1949), 1, 64 ff. 1160  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  299. 1161  Darauf verweist Mestmäcker, RabelsZ 60 (1996), 59, 66, ohne jedoch dazu Stellung zu nehmen, ob die von Eucken erhoffte „prophylaktische Wirkung“ des Wettbewerbsrechts tatsächlich gegeben ist. 1154 

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d) Objektives oder subjektives Freiheitskonzept? Mit dem von Böhm übernommenen1162 Gedanken der Interdependenz der Ordnungen1163 legte Eucken den Grundstein für die konzeptionelle Einbettung des Wettbewerbsprozesses in die jeweiligen gesellschaftlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.1164 Danach sind die einzelnen Prinzipien nicht nur in ihrer Rolle für den Gesamtplan voneinander abhängig, sondern wandeln ihren Inhalt auch in Abhängigkeit von den Prinzipien der benachbarten Ordnungen.1165 Die Wettbewerbsordnung kann nach diesem Ansatz auf der Grundlage der jeweils geltenden Verfassungs-, Rechts- oder Gesellschaftsordnung eine unterschiedliche Ausgestaltung haben.1166 Vor diesem Hintergrund ist die Wettbewerbsfreiheit für Eucken nicht an sich schützenswert, sondern erhält ihren Inhalt erst im Zusammenspiel mit den benachbarten Ordnungen, auch wenn er in seinem Werk „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“ aus dem Jahr 1952 – wohl unter dem Eindruck der Erfahrungen im Nationalsozialismus – neben der Verhinderung privater Macht die Ermöglichung von Freiheit in den Mittelpunkt der Argumentation rückt (Wettbewerbsordnung als „Programm der Freiheit“1167).1168 Es ist insoweit überzeugend, wenn Lüder Gerken und Andreas Renner festhalten, Eucken sei es nicht nur um ökonomische Effizienz, sondern auch um die Sicherung materialer Freiheit der Bürger gegangen,1169 wobei damit noch keine Aussage darüber getroffen wird, ob Eucken einen objektiven oder einen subjektiven Freiheitsbegriff vertrat (dazu sogleich).1170 In einer ordnungspolitisch (d. h. qua Werturteil) als wünschenswert angesehenen Wettbewerbswirtschaft muss der Staat nach Eucken dafür sorgen, dass privatautonom veranlasste Wettbewerbsbeschränkungen verhindert werden. Die Wettbewerbsordnung sei insbesondere gegen Beschränkungen und Verzerrungen durch Private zu schützen, die durch eine rechtlich-formal verstandene Vertragsfreiheit ermöglicht würden. Hiermit nimmt Eucken auf das schon geschilderte Paradoxon der Freiheit Bezug, das sich in Deutschland in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts in der zunehmenden Ausbildung eines „Lands 1162  Böhm hatte als Erster den Zusammenhang zwischen Privatrechtsordnung und Wirtschaftsordnung herausgearbeitet, vgl. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  124, wonach zu den Bausteinen der Wirtschaftsverfassung die wirtschaftlich erheblichen Institute des Privatrechts zählen. Dazu Mestmäcker, RabelsZ 60 (1996), 59, 67. 1163  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 84 ff.; ders. Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  14. 1164 Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, §  4 Rn.  10. 1165 Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, §  4 Rn.  10. 1166  Eucken, ORDO 2 (1949), 1, 84. 1167  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  370. 1168  Klump/Wörsdörfer, zfwu 2009, 322, 333 f.; Goldschmidt/Wohlgemuth/Goldschmidt, Ordnungsökonomik, S.  191, 193 mit Fn.  14. 1169 Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 2. 1170  Dies hängt mit dem bei Eucken ungeklärten Verhältnis zwischen Individual- und Institutsschutz zusammen.

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der Kartelle“ manifestierte.1171 Indem er eine Verbindung zwischen Wettbewerbsordnung und Vertragsfreiheit herstellte, lud Eucken den Freiheitsbegriff mit ordnungspolitischen Inhalten auf, in heutiger Diktion „materialisierte“ er ihn.1172 Er betrachtete den Wettbewerb dabei nicht allein als ökonomisches Phänomen, sondern auch – zentrale Thesen der Neuen Institutionenökonomik antizipierend – in seinen Verbindungen zum Recht „als Institution“.1173 Damit erkannte Eucken die enge Verknüpfung zwischen Vertragsrecht und Wettbewerbsrecht an: 1174 Vertragsfreiheit und Vertragsrecht sind unentbehrliche Bestandteile des Ordnungsrahmens, innerhalb dessen sich die Wettbewerbsprozesse entfalten können.1175 Wettbewerb entsteht „durch freie und individuelle Verträge, die aus den Wirtschaftsplänen der Haushalte und Betriebe hervorgehen“.1176 Andererseits setzt die ordnungspolitische Entscheidung für eine wettbewerbliche Marktwirtschaft der Privatautonomie, der Vertragsfreiheit und dem Privateigentum immanente Grenzen.1177 So darf die Vertragsfreiheit nicht dazu benutzt werden, den Wettbewerb durch Abschluss wettbewerbsbeschränkender Verträge auszuschließen. Vielmehr ist ein freier Wettbewerbsprozess Voraussetzung für eine material-faktische Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer.1178 Diese Erkenntnisse sind auch heute noch prägend für die dogmatische Einordnung von Vertragsrecht, Wettbewerbsrecht und Regulierungsrecht als funktional aufeinander bezogene und damit eng verknüpfte Rechtsgebiete.1179 Im ökonomischen Schrifttum wird den wirtschaftspolitischen Vorgaben ­Euckens freilich – meines Erachtens zu Unrecht – eine gewisse Beliebigkeit attestiert.1180 So erschienen die konkreten Vorschläge zwar als vernünftig und plausibel, seien jedoch nur mehr oder weniger intuitiv begründet.1181 In der Tat betont Eucken zwar die überragende Bedeutung des Wettbewerbs für eine funktionsfähige marktwirtschaftliche Ordnung. Auch definiert er die ordnungspolitischen Prinzipien, die erfüllt sein müssen, damit eine Wettbewerbs-

1171 

Siehe zu den zivilistischen Ursachen oben Teil 3 B. III. Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.   170; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  149 f., wonach sich die Vertragsfreiheit als Teil der unternehmerischen Freiheit umgekehrt proportional zur Marktmacht verhalte. 1173  Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.   240; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  171. 1174  Siehe schon oben Teil 3 A. 1175 So Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  171. 1176  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  278. 1177  Das ist auch vertragstheoretisch begründbar, siehe Teil 3 D. V. 1178  Ebenso im Ergebnis Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.   278; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  171; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  150. 1179  Diese Verknüpfungen haben wir uns bereits oben überblickshaft vor Augen geführt; siehe Teil 3 A. 1180  Söllner, Geschichte des ökonomischen Denkens, S.  240. 1181 Goldschmidt/Wohlgemuth/Horn, Ordnungsökonomik, S.  315, 321. 1172 

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wirtschaft entsteht. Wie der für ihn wünschenswerte Wettbewerb jedoch konkret aussehen soll, ist aus seinen Werken nur ansatzweise zu entnehmen.1182 Dies kann an der Überzeugungskraft seiner Thesen jedoch nur wenig ändern. Ganz im Gegenteil hat man heute zuweilen den Eindruck, dass im Bemühen um ein ökonomisch richtiges Entscheiden des Einzelfalles die grundlegenden Erfordernisse einer rechtlich verfassten Marktwirtschaft aus dem Blick geraten. Hörenswert ist demgegenüber ein weiterer Einwand gegen die Euckensche Konzeption: Eine an dem unrealistischen wettbewerbstheoretischen Ideal der vollständigen Konkurrenz ausgerichtete Entmachtungsfunktion des Wettbewerbs setze einen „erheblichen Machtaufwand“ auf Seiten des Staates voraus, der den Wettbewerb durch seine Wettbewerbspolitik garantieren müsse.1183 Zwar haben wir oben gesehen, dass die Konzeption der „vollständigen Konkurrenz“ nicht notwendig mit dem neoklassischen Modell des „vollkommenen Wettbewerbs“ gleichzusetzen ist.1184 Auch bei einem realitätsnäheren Verständnis der Vor- und Nachteile privater wirtschaftlicher Machtpositionen liegt es in einer dem Ideal der Selbstbestimmung verpflichteten Privatrechtsordnung aber in der Kompetenz der von einer Wettbewerbsbeschränkung beeinträchtigten Individuen selbst, sich gegen diese zur Wehr zu setzen. Aus diesem Grunde ist die Rechtsordnung gehalten, die Individuen mit systemkonformen und effektiven Rechtsbehelfen gegen Wettbewerbsbeschränkungen auszustatten. Aus privatrechtsdogmatischer Sicht sind die Arbeiten Euckens weiterhin von zentraler Relevanz; denn Eucken stellte in den Mittelpunkt seines Konzepts der Wettbewerbsordnung nicht eine irgend geartete überindividuelle Effizienz, sondern die der Selbstbestimmung dienende wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer. Er versteht diese Befugnis allerdings nicht in einem individualistischen Sinn, sondern begrenzt sie durch die Freiheitsrechte anderer und durch die Funktionsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems. In diesem Zusammenhang betont Eucken, dass das Wesen der menschlichen Freiheit darin bestehe, dem „Gesetz der Dinge“ sein Recht zu belassen. Auch nehme die Marktwirtschaft als Lenkungssystem den Bürgern einen Teil ihrer Aufgaben ab, so dass sie sich „erst wirklich frei“ auf die eigentlichen Möglichkeiten im Wirtschaftssystem besinnen könnten.1185 Trotz der zitierten – an die Freiheitsphilosophie Kants angelehnten – Formulierungen, wonach die Freiheit des Einzelnen ihre Grenze in den Freiheitsrechten der anderen Bürger finde, gründet Eucken seine Sichtweise somit nicht allein auf die individuelle Selbstbestimmung der Bürger, sondern auch auf eine übergeordnete Instanz, die diese Freiheiten in einen Ausgleich bringen soll.1186 Selbst wenn der Staat als Behüter der 1182 

Olten, Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik, S.  56. Meyer-Dohm, HJB 10 (1965), S.  141, 144. 1184  Siehe Teil 4 D. I. 2. 1185  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  369. 1186  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  145. 1183 

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individuellen Freiheiten fungieren sollte, hat Eucken die individuellen Freiheiten aber nicht zu dessen freier Disposition gestellt. Als Maßstab für den Ausgleich der Freiheitsrechte soll nämlich nicht ein objektiv-überindividuelles Gemeinwohl dienen, sondern allein der Schutz der von einer privaten Regelung oder Maßnahme betroffenen Individuen gegen eine übermäßige Beeinträchtigung ihrer individuellen Freiheitsrechte.1187 Indem diese individuellen Freiheiten geschützt werden, wird zugleich die Marktwirtschaft als System geschützt. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass die Gedanken Euckens viel Raum für die unterschiedlichsten Deutungen geben. Das gilt etwa für das noch heute intensiv erörterte Verhältnis von zivilistischem Individualschutz und öffentlichrechtlichem Institutsschutz. Auch ist zu klären, ob der Schutz des Wettbewerbs im öffentlichen Recht oder im Privatrecht zu verorten ist. Unklar bleibt schließlich, ob Eucken die Notwendigkeit eines Ausgleichs individueller Freiheiten aus dem Wirtschaftssystem – und damit quasi: pro domo – oder aus ethischen Erwägungen begründete. Wie wir gesehen haben, hat der späte Eucken diesen Zielkonflikt insoweit aufgelöst, als er nicht nur die ökonomische, sondern auch die ethische Notwendigkeit eines Schutzes der individuellen Freiheitssphären betonte. Dieser Gedanke wurde von dem späten Böhm weiter ausgebaut. Hierzu im Folgenden. 4. Zum Werk Franz Böhms a) Unterscheidung zwischen dem frühen und dem späten Böhm Prominentester juristischer Vertreter des Ordoliberalismus ist Franz Böhm.1188 Ihm kommt das Verdienst zu, in seiner Habilitationsschrift „Wettbewerb und Monopolkampf“ aus dem Jahr 1933 als erster eine in sich geschlossene rechtliche Theorie über die Einschränkung wirtschaftlicher Freiheit durch marktmächtige Unternehmen und Kartelle verfasst zu haben.1189 Böhm hat hierdurch eine Diskussion in Gang gesetzt, die auch heute noch nicht abgeschlossen ist, aufgrund ihres spezifischen Fokus auf den wirtschaftlichen Wettbewerb als 1187  Insoweit zutreffend – wenn auch anders als hier im Ergebnis kritisch – Nawroth, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, S.  76, wonach sich Eucken „voll und ganz zum individualistischen Freiheitsbegriff des 18. und 19. Jahrhunderts und zur Kantischen Freiheits-Philosophie“ bekannt habe. Und weiter: „Für den Individualismus gilt die Freiheit als Höchstwert schlechthin, als letzter Maßstab für die Beziehungen der Menschen untereinander auf geistig-religiösem, politischem und wirtschaftlichem Gebiet; bedeutet Unantastbarkeit und Autonomie, also: Tunkönnen, was der einzelne will, und: Freisein von jeder machtmäßigen Beschränkung“ [Hervorhebung durch den Verf.]. 1188 Neben Franz Böhm war auch der 1944 gefallene Hans Großmann-Doerth als Kernmitglied der Freiburger Schule ein Jurist; vgl. dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/dies. Einführung Unsere Aufgabe, S.  21. 1189  Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 184; Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 178.

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„schillerndem Wirkungsgefüge“1190 vielleicht auch niemals abgeschlossen werden kann.1191 Im Folgenden ist zunächst das Hauptwerk Böhms „Wettbewerb und Monopolkampf“ darzustellen und kritisch zu würdigen, soweit es sich auf das Verhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und Privatrecht und die Ausgestaltung der beiden Rechtsgebiete bezieht. Hiernach ist auf spätere Arbeiten Böhms einzugehen. Dabei wird sich zeigen, dass Böhm – was häufig übersehen wird – seine Sichtweise auf das Verhältnis von subjektiver Freiheit und objektivem Wettbewerbsschutz in den 1960er Jahren grundlegend weiterentwickelt hat, mit entsprechenden Implikationen für die Ausgestaltung eines Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen sowohl im Hinblick auf dessen Ziele als auch deren konkrete Umsetzung.1192 Dieser Meinungswandel zeigte sich nicht nur in einer veränderten Beurteilung privater (wirtschaftlicher) Macht, die zugleich mit ­einer Änderung des wettbewerbstheoretischen Leitbildes einher ging,1193 sondern auch in einer zurückhaltenderen Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Wettbewerbsbehörden, da bei einer umfassenden staatlichen Kontrolle wirtschaftlicher Macht die Gefahr bestehe, dass die Verwaltung mit praktischen Lenkungsaufgaben überfordert werde und sogar eine korruptionsbedingte Verfilzung mit der Wirtschaft eintreten könne.1194 Böhm thematisierte damit spe­ zifische Aspekte eines Staatsversagens. Wer heute aus Gründen vermeintlich höherer Effektivität für ein umfassendes Primat der behördlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts eintritt,1195 kann sich dafür somit nicht auf den fortentwickelten Ordoliberalismus berufen, und noch weniger auf die oben geschilderten freiheitlichen Wettbewerbstheorien von Hayeks und Hoppmanns. Als wettbewerbstheoretische Basis verbliebe vielmehr allein der frühe, heute überwiegend als überholt betrachtete Ordoliberalismus sowie die in ihren Wertungen nicht mit zivilistischem Denken übereinstimmende Wohl­fahrts­ ökonomie. Die Fortentwicklung der Theorien Böhms basierte maßgeblich auf der Fundamentalkritik, welcher die marktwirtschaftliche Ordnung im Zuge der 1968erBewe­g ung ausgesetzt war.1196 Vor diesem Hintergrund betonte der späte Böhm 1190 

Brandt, JBNSt 199 (1984), 97, 114. Vgl. auch Rittner, AcP 188 (1988), 101, 110 ff. 1192  Instruktiv Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175 ff.; siehe auch Nörr, in: FS Böhm, 1995, S.  53, 66 f. 1193  Verabschiedung des missverständlichen Leitbildes „vollständiger Konkurrenz“; dazu oben Teil 4 D. I. 2. 1194 Siehe einerseits Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.   142 ff., 156 f. und andererseits Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 22 f.; wie vorliegend Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 196; Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 178 f. mit Fn.  22 und 193 ff. 1195  Dies sind zum Beispiel K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 188; ders., in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572 f.; Koch, JZ 2013, 390, 397. 1196  Siehe Teil 3 B. IV. und V. 1191 

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die ethische Qualität einer von den Prinzipien der Privilegienfreiheit und Rechtsgleichheit bestimmten Freiheits- und Gerechtigkeitsordnung.1197 Ein maßgeblicher Ausdruck dieser veränderten Sichtweise ist das Konzept der Privatrechtsgesellschaft1198 als einer Gesellschaft, in der der material-frei zustande gekommene Konsens im Gegensatz zum hierarchischen Befehl als Konfliktlösungsansatz dominiert.1199 Für den späten Böhm bedarf die marktwirtschaftliche Ordnung, soll ihre ethische und ökonomische Qualität zum Tragen kommen, der dauernden ordnungspolitischen Pflege durch den Staat gegen Monopolisierungsversuche und Privilegiensuche von Interessengruppen. Hierzu ist die Marktwirtschaft ganz wesentlich auf den bürgerlichen Gemeinsinn angewiesen, zu dem beizutragen die Marktakteure jedoch nicht durch ihr unmittelbares Eigeninteresse angetrieben würden.1200 Wenn also Böhm in seinen späten Texten die ethische Qualität der Marktwirtschaft betonte, geschah dies wohl auch aus der Erkenntnis heraus, dass die ethische Dimension der Marktwirtschaft den bürgerlichen Gemeinsinn begründen könne, der zu einem Einsatz für ihre Erhaltung motiviere.1201 Die vorstehenden Ausführungen erklären, weshalb das Erkenntnisinteresse des frühen Böhms zunächst noch nicht auf die Ausarbeitung der Grundlagen einer Privatrechtsgesellschaft ausgerichtet war, sondern auf das Ziel der Produktivitätssteigerung am Maßstab der vollständigen Konkurrenz mittels eines staatlich veranstalteten Wettbewerbs bzw. einer unmittelbar staatlichen Wirtschaftslenkung, die sämtliche privaten Machtverhältnisse zu eliminieren habe.1202 Allerdings wirkten die Gedankengänge der frühen Arbeiten nicht nur in den wesentlichen Texten zur Schaffung eines Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen nach (Böhm war maßgeblich am sog. Josten-Entwurf beteiligt, dem gemeinhin eine doktrinäre und allzu strenge Grundhaltung attestiert wird1203), sondern finden sich in Grundansätzen auch noch in den späten Werken.1204 Sofern Knut Wolfang Nörr den frühen Arbeiten Böhms in seinem Werk „Die Leiden des Privatrechts“ eine einseitige Ausrichtung auf die gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung unter Vernachlässigung der für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung zentralen persönlichen Freiheit vorhält, 1197  So die Einschätzung von Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Einführung Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S.  97. 1198 Vgl. Böhm, ORDO 17 (1966), 75 ff. 1199  Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61, 62. 1200 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Einführung Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S.  97. 1201 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Einführung Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S.  97. 1202 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 183 f. 1203  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, Rn.   18; siehe auch Günther, in: FS Böhm, 1975, S.  183 ff.; Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  163 ff. mit Fn.  164, wo der Text des Entwurfes in Auszügen abgedruckt ist. 1204 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 179.

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muss dies aber unter dem Vorbehalt der Richtungsänderung des späten Böhm gesehen werden.1205 Dieser hat seine Auffassung ab den 1960er-Jahren – wohl auch unter dem Einfluss seines Schülers Ernst Joachim Mestmäcker 1206 – fortentwickelt. Selbst die kenntnisreichen und oft zitierten Texte Fritz Rittners zur Privat- und Wettbewerbstheorie des Ordoliberalismus sind insoweit ungenau, da sie nicht hinreichend deutlich machen, dass der späte Böhm seine Lehren gerade im Hinblick auf das Verhältnis von Freiheit und gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt wesentlich geändert hat.1207 Dies rechtfertigt es, dass wir uns den wesentlichen Schriften Böhms vertieft zuwenden. b) „Wettbewerb und Monopolkampf“ aa) Zielsetzung Ausgangs- und Schwerpunkt der frühen Werke Böhms ist die Auseinandersetzung mit dem Problem wettbewerbsbeschränkender Verträge (Kartellproblem).1208 Im Anschluss an den ersten programmatischen Versuch „Das Problem der privaten Macht“ aus dem Jahr 19281209 machte es sich Böhm in seinem auch als Kampfschrift1210 bezeichneten Werk „Wettbewerb und Monopolkampf“ aus dem Jahr 1933 zur Aufgabe, „das Lehrgebäude der klassischen Wirtschaftsphilosophie in die Sprache der Rechtswissenschaft zu übersetzen“,1211 um so die grundlegenden Ordnungsprinzipien der Wirtschaft zu erkennen. Die Erkenntnis dieser Prinzipien war für ihn gleichbedeutend mit der Einsicht, dass die Ordnung der Wirtschaft an die Idee der Wirtschaftsverfassung gebunden ist.1212 Hiermit eröffnete Böhm die Diskussion über die auch von Eucken herausge1205  Dies lässt sich aus der zeitlichen Begrenzung des Werkes bis zum Jahr 1957 erklären. In späteren Werken ist Nörr auf die veränderte Sicht Böhms eingegangen. Siehe einerseits Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  139 ff. (vgl. aber auch S.  156 mit Fn.  63 unter Verweis auf Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 18 f.) und andererseits Nörr, in: FS Böhm, 1995, S.  53, 66. 1206 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.   175, 195 mit Fn.   110 unter Verweis auf Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235 ff., wo Mestmäcker die Konzeption des Als-ob-Wettbewerbs für das allgemeine Missbrauchsverbot des §  22 GWB a. F. (meines Erachtens unzutreffend: der Ausgleich material-chancengleicher Freiheiten ist die Kernaufgabe des Privatrechts) zurückweist, da marktbeherrschende Unternehmen über eine Staatsaufsicht nicht an das allgemeine Wohl gebunden werden könnten. Die rechtswissenschaftliche Tradition des Freiburger Ordnungsdenkens wurde auch fortgeführt von Ulrich Immenga und Wernhard Möschel; vgl. Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1, 5 mit Fn.  19. 1207  Siehe etwa Rittner, AcP 180 (1980), 393, 400. 1208 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43. 1209  Böhm, Die Justiz III (1927/1928), 324 ff.; vgl. auch Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 178. 1210  Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 198. 1211  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. IX (Vorwort); a. A. noch Böhm, Die Justiz III (1927/1928), 324 ff.; dazu – krit – Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 197 mit Fn.  74. 1212  So Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 35, sowie die Einschätzung von Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., a. a. O., S.  21, 23.

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stellte „Interdependenz der Ordnungen“, wonach die Rechtsordnung als Wirtschaftsverfassung nur dann zu begreifen und zu formen sei, wenn sich der Jurist auch der Ergebnisse wirtschaftswissenschaftlicher Forschung bediene.1213 Das Forschungsprogramm der ökonomischen Analyse des Rechts nimmt hier einen wesentlichen Anfang. „Wettbewerb und Monopolkampf“ zielte darauf ab, die Schwächen des deutschen Kartellrechts bei der Bekämpfung von Wettbewerbsbeschränkungen – von denen Böhm durch seine Tätigkeit im Kartellreferat des Reichswirtschaftsministeriums reiches Anschauungsmaterial hatte1214 – durch eine Neuausrichtung des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb zu kompensieren.1215 Das RG ist dieser Herangehensweise in seinem berühmten „Benrather Tankstellenfall“ aus dem Jahr 1937 zum Teil gefolgt.1216 Die Studie beruhte auf der grundlegenden Prämisse, dass der Wettbewerb durch marktmächtige Unternehmen (verkürzt als „Monopolisten“ bezeichnet) beeinträchtigt werden kann, sofern diese nicht mit besseren Leistungen konkurrieren, sondern sich leistungsfremder Mittel bedienen, um Wettbewerber (diese werden mit Blick auf marktmächtige Kartelle als „Außenseiter“ bezeichnet) im „wirtschaftlichen Kampf“ (synonym für „Wettbewerb“) vom Markt zu verdrängen oder am Eintritt in den Markt zu hindern.1217 bb) Ambivalenz wirtschaftlicher Macht Die Ambivalenz des Verhaltens marktmächtiger Unternehmen zeigt Böhm im Hinblick auf dessen Auswirkungen auf die Wettbewerber1218 und versucht, diese in Übernahme der damals herrschenden Ansicht von der vollkommenen Konkurrenz durch eine Differenzierung in erlaubten Leistungswettbewerb und unzulässigen Nichtleistungswettbewerb aufzulösen.1219 Im Leistungswettbewerb gehe es darum, die Marktgegenseite als „Kampfrichter“ von der besse-

1213  So im Jahr 1936 Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 36. 1214 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 45. 1215 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 180. 1216  Siehe Teil 3 B. III. 2. b). 1217  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  1 ff. Krit. Rittner, AcP 180 (1980), 392, 400, wonach der Wettbewerb über den instrumentell gedachten Leistungswettbewerb hinaus den Bürgern staatsfreies Handeln erlaube. Ablehnend auch Mestmäcker, RabelsZ 60 (1996), 59, 65 ff., der jedoch zugleich betont, dass Böhm sich bei der Herleitung zentraler Ergebnisse (zum Beispiel, ob eine einmal entstandene Monopolmacht durch das Konzept des Alsob-Wettbewerbs zu binden sei) nicht vom Modelldenken der vollständigen Konkurrenz habe leiten lassen. Eben dies kritisiert – meines Erachtens zu Unrecht – Rittner (a.a.O.), 392, 401. 1218  In heutiger Diktion: sog. Behinderungsmissbrauch. 1219  Grundlegend zu dieser Unterscheidung Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung, 1930, S.  16 ff.

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ren ökonomischen Leistungskraft zu überzeugen.1220 Demgegenüber zeichne sich ein Nichtleistungswettbewerb dadurch aus, dass er auf die Erringung oder Erhaltung einer Monopolstellung abziele.1221 Während der freie Wettbewerb einen naturhaften und anonymen Prozess verkörpere, wolle der Monopolist den Markt durch einseitigen Willensentschluss beeinflussen. Der Nichtleistungswettbewerb bestehe darin, die Bewegungs- und Bezugsfreiheit aktueller oder potenzieller Wettbewerber zu behindern oder die Auswahlfreiheit der Marktgegenseite in ihrer Funktion als „Kampfrichter“ zu beeinträchtigen.1222 Das sei insbesondere dann naheliegend, wenn die Kunden ihren Bedarf beim marktbeherrschenden Unternehmen decken müssten und insoweit von ihm abhängig seien.1223 Für Böhm ist der Leistungswettbewerb ausschließlich eine reale ökonomische Erscheinung: ob Wettbewerbskampf oder Monopolkampf vorliege, lasse sich allein an den Kampfmethoden ersehen, auf die Motive und Ziele der Unternehmen komme es nicht an.1224 Echter Leistungswettbewerb sei deshalb nie unzulässiger Monopolkampf, auch wenn er im Ergebnis zu einer Monopolstellung führe.1225 Vor diesem Hintergrund sieht Böhm den Staat berufen, eine Rahmenordnung für den Leistungswettbewerb zu statuieren und den auf wirtschaftlicher Macht beruhenden Nichtleistungswettbewerb zu unterbinden: Die rechtliche Freiheit des machtlos wirtschaftenden und konkurrierenden Individuums sei von Verantwortungslosigkeit geprägt, da es für sein Verhalten weder gegenüber den anderen Marktteilnehmern noch gegenüber der Gesamtwirtschaft verantwortlich sei.1226 Trete jedoch an die Stelle der Verantwortungslosigkeit die wirtschaftli1220 

Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  73. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  74: Monopolkampf sei Nichtleistungskampf zum Zweck der Eroberung oder der Verteidigung einer Monopolstellung gegen Außenseiter. Diese Sichtweise ist heute in ihrer Allgemeinheit überholt: nicht die Erlangung wirtschaftlicher Macht durch internes Wachstum – im Gegensatz zum externen Wachstum durch Fusionen – wird durch die Missbrauchsverbote untersagt, sondern nur der Missbrauch von Marktmacht. 1222  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  195 ff., 212 ff. und 274 ff.; ders., Die Justiz III (1927/1928), 324, 328 f.; dazu Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 180. 1223  Böhm, Die Justiz III (1927/1928), 324, 328 f. 1224  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  78. Demgegenüber dient der Leistungswettbewerb heute als rechtliches Konzept, das sich im Rahmen der Ausbeutungskontrolle durch den Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs materialisiert; siehe zur Auffassung des Autors Teil 5 C. III. 3. 1225  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  74, 257; vgl. auch Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 180. 1226  Böhm nahm damit auf die Lehren Adam Smiths von der „unsichtbaren Hand“ Bezug. Vgl. Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 124 ff.; ders., RabelsZ 60 (1996), 59, 65. Siehe auch Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 184, wonach Böhm damit auf das Lehrgebäude der klassischen Wirtschaftsphilosophie Bezug genommen habe. Nach Nörr (Leiden des Privatrechts, S.  119) liegt in der Statuierung einer Freiheit ohne Verantwortung im wirtschaftlichen Bereich der entscheidende Grund für die Abwertung der individuellen Freiheit durch den Gemeinschaftsgedanken, wie er vermeintlich von Böhm vertreten wurde; denn Freiheit ohne Verantwortung 1221 

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che Macht, so müsse der Grundsatz der Verantwortungslosigkeit einer durch die Rechtsordnung statuierten Verantwortung weichen.1227 Dabei spielte es für Böhm keine Rolle, ob die Marktmacht im Wettbewerb oder aufgrund von wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen erworben wurde.1228 An diesem Punkt setzt heute der Vorwurf von Vertretern der Post Chicago Economics an, ein gegen Marktmacht gerichtetes Wettbewerbsrecht schütze „die Wettbewerber und nicht den Wettbewerb“.1229 In der kartellfreundlichen Rechtsprechung des RG sah Böhm den Ausdruck einer fundamentalen Fehlentwicklung, die nach seiner Diagnose – wie wir bereits in Ansätzen gesehen haben1230 – ihre systematische Ursache darin hatte, dass der Status der durch die Gewerbeordnung von 1869 eingeführten Wirtschaftsordnung als einer „Rechtsordnung im positiven verfassungsrechtlichen Sinne“1231 verkannt worden sei.1232 Anders als die Menschenrechte, die um ihrer selbst willen zu achten seien und deshalb einen absoluten Wert besäßen, erhielten die wirtschaftlichen Freiheitsrechte ihren Sinn und Wert erst durch den wirtschaftlichen Wettkampf.1233 Die wirtschaftlichen Freiheitsrechte setzten eine Wettbewerbswirtschaft voraus, weil nur dann die Wirkung dieser Rechte mit der Mehrung des allgemeinen Wohlstands zusammenfiele (Smith). Ein Staat, der diese positiven gesamtwirtschaftlichen Wirkungen erreichen wolle und deshalb die Individuen mit wirtschaftlichen Freiheitsrechten ausstatte, handle somit weder als sozialer noch als bürgerlicher Rechtsstaat, sondern al-

verdiene keinen absoluten Schutz. Nörr sieht darin die Gefahr, dass „der solchermaßen verstümmelte Freiheitsbegriff auf den Menschen selbst“ zurückschlagen könnte, „auf seinen Anspruch, sein Recht zur Selbstbestimmung“ (a. a. O.). Dies entsprach aber nicht den Intentionen des Ordoliberalismus; vielmehr wurden dessen Aussagen später mit anderen Inhalten versehen („rekonstruiert“) bzw. schlicht missverstanden. 1227  Die Rechtsprechung betont – in inhaltlicher Anlehnung an diese Thesen – auch heute noch die besondere Verantwortung marktbeherrschender Unternehmen für einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb, insbesondere für eine kompetitive Marktstruktur. Vgl. BGH v. 4.3.2008 – KVR 21/07, NJW 2008, 996, 1000 Rn.  37 – Soda Club; EuGH v. 9.11.1983 – C-J032/81, WuW/E EWG/MUV 642 Rn.  57 – Michelin; ebenso die Feststellung von Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  32. 1228  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  32. 1229  Fox, World Competition 2003, 149 ff. 1230  Siehe oben Teil 3 B. III. 1231  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S. IX; vgl. auch Goldschmidt/Wohlgemuth/ Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 45. 1232  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  107; dazu Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 142 ff. 1233 Man kann auch sagen: während im privaten Bereich die individuelle Selbstbestimmung vorrangig ist, vollzieht sich der Wirtschaftsverkehr durch den Abschluss von Austauschverträgen und damit in Kooperation mit anderen Individuen. Aus diesem Grunde werden im Wirtschaftsverkehr die individuellen Freiheitsrechte durch diejenigen anderer Individuen funktional begrenzt; siehe Teil 3 D.

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lein, weil er diese positiven ökonomischen Wirkungen erzielen wolle.1234 Das Kampfrecht (in heutiger Diktion: Wettbewerbsrecht) habe Regeln aufzustellen und zu überwachen, nach denen der Kampf durchgeführt werde, damit die Kampfordnung nicht von einer „Friedensordnung“ verdrängt werde, wie sie etwa für Kartelle eigentümlich sei.1235 Der geregelte Wirtschaftskampf zwischen Wettbewerbern ist für Böhm folglich – anders als der anderen Prinzipien folgende Arbeitskampf1236 – nicht ultima ratio, sondern Normalzustand, der – um seine Ordnungsfunktion erfüllen zu können – ununterbrochen stattfinden müsse.1237 Böhm unterscheidet damit – in heutiger Diktion – zwischen einer konstitutionellen und einer subkonstitutionellen Entscheidungsebene: 1238 Mit der Entscheidung für eine marktwirtschaftliche Ordnung durch die Gewerbeordnung 1869 habe der Gesetzgeber eine Wirtschaftsverfassung im Sinne einer Spiel­ regel­ordnung gewählt. Wie jede Spielregelordnung sei auch die marktwirtschaftliche Grundordnung systematisch gegenüber den einzelnen Spielzügen der Akteure vorrangig. Zwar liege die Besonderheit dieser Ordnung gerade darin, dass sie den privaten Rechtssubjekten die Koordination der wirtschaftlichen Aktivitäten überlasse. Doch dürften die durch die Privatrechtsordnung gewährten Freiheiten nicht dazu verwandt werden, die Spielregeln der marktwirtschaftlichen Ordnung zu ändern oder ganz außer Kraft zu setzen.1239 cc) Wettbewerbsschutz zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht Der Wettbewerbskampf vollzieht sich für Böhm zwischen Privatpersonen und unterfällt deshalb dem Privatrecht.1240 Dem öffentlichen Recht soll demgegenüber die verfassungsrechtliche Absicherung der wirtschaftlichen Kampfordnung unterfallen, wie sie durch §  1 GewO 1869 geboten sei; denn dem Wettbewerb komme ein sozialer Gesamteffekt zu.1241 Für Böhm ist die marktwirtschaftliche Ordnung somit verfassungsrechtlich abgesichert, eine Problematik, 1234  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  351 ff., insb. S.  353: „Es sind die Freiheitsrechte von Kämpfern; sie verlieren ihren Sinn, wenn der Kampf erlischt.“ 1235  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  107 ff. Diese Erkenntnis spiegelt sich heute im sog. Selbstständigkeitspostulat des EuGH wider, vgl. EuGH v. 28.5.1998 – Rs. C–7/95 P, Slg. 1998 I-3111 Rn.  86 – John Deere. 1236 Dazu Säcker/Mohr, JZ 2010, 440 ff. 1237  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  111. 1238 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 45 f. 1239  Hieran knüpft die heutige Diskussion über das Verhältnis zwischen Individual- und Institutionsschutz an. 1240  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.   116: „Damit soll keineswegs behauptet werden, dass die im Wettbewerbsgesetz zusammengefassten Normen dem öffentlichen Rechte angehören. Diese Normen sind vielmehr, da sie die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen regeln, privatrechtlicher Natur.“ Siehe zur Zuordnung des Wettbewerbsrechts zum Privatrecht noch unter Teil 8 C. 1241  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  117.

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die wir auch heute noch unter dem Topos „Wirtschaftsverfassung“ diskutieren.1242 Das Privatrecht dient Böhm dazu, in dem verfassungsrechtlich gesicherten herrschaftsfreien Raum des Wettbewerbs eine wirkliche Ordnung herzustellen und zu bewahren. Die Privatrechtsinstitute wie Vertragsfreiheit und Eigentum werden dabei als Strukturelemente der Wirtschaftsverfassung des Staates begriffen1243 und haben deshalb auch eine öffentlich-rechtliche Funktion.1244 Sobald die Wirtschaftspolitik eines Staates zu Gunsten eines herrschaftsfreien Ordnungsprozesses auf eine spezifisch staatspolitische Form der Wirtschaftslenkung verzichte, könne man sich der Aufgabe nicht mehr entziehen, die auf das Wirtschaftsleben bezogenen Privatrechtsinstitute als rechtliche Strukturelemente der geltenden Wirtschaftsverfassung zu begreifen und sie auf ihre indirekte Ordnungsfunktion hin zu untersuchen, die ihnen im Rahmen einer herrschaftsfreien Gemeinschaftsbildung zukomme.1245 Ansonsten könnten die privatrechtlichen Institute „unrichtig“ werden, „das heißt, in einer ihrem vernünftigen Sinn und ihrer Funktion im Rahmen des Gesamtsystems zuwiderlaufenden Weise ausgelegt werden mit der Folge, dass von dieser Fehl­ interpretation Störungen“ für den herrschaftsfreien Ordnungsbereich ausgehen.1246 Die öffentlich-rechtliche Funktion ist für Böhm die Brücke dazu, dem bis dato vornehmlich individualrechtlich verstandenen Lauterkeitsrecht (als Surrogat für das damals noch fehlende Kartellrecht) die Funktion zuzuweisen, dem Wirtschaftsprozess als Ganzem zu dienen.1247 Hierzu betont Böhm den Gemeinschaftsbezug des Leistungswettbewerbs und die soziale Tugend des perfekten Wettbewerbs. Diese soziale Tugend ist für Böhm objektiver Art, da es dem individuellen Wettbewerber an Gemeinschaftssinn und an Hingabebereitschaft für das gemeinsame Beste fehle.1248 Das damit herausgearbeitete wirtschaftsverfassungsrechtliche Verständnis von Privatrecht und Wettbewerb prägt – wie wir sehen werden – auch die späteren Arbeiten Böhms, insbesondere sein Konzept der Privatrechtsgesellschaft.1249 1242  Siehe oben Teil 2; a. A. Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  106, der aus der verfassungsrechtlichen Verankerung des Wettbewerbsgrundsatzes folgert, dass Böhm diesen letztlich im öffentlichen Recht verankern wollte. 1243  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  124. 1244  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  187 ff. 1245  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  124; dazu Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 132 f. 1246  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  124; siehe auch Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 133. 1247 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 181; siehe auch Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  178. 1248  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  121. Aus heutiger Sicht: dem marktbeherrschenden Unternehmen werden durch die Rechtsordnung im Interesse eines angemessenen Ausgleichs der privaten wirtschaftlichen Interessen besondere rechtliche Pflichten auferlegt, da es aufgrund seiner wirtschaftlichen Macht – anders als nicht mächtige Unternehmen – die Möglichkeit zur „Behinderung“ und „Ausbeutung“ besitzt. 1249 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 181.

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c) Vorrang einer „Ordnung der Wirtschaft“ (1937) vor individuellen Freiheitsrechten Die Untersuchung Böhms „die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung“ aus dem Jahre 1937 bringt – vielleicht auch dem damaligen Zeitgeist geschuldet1250 – eine erste Akzentverschiebung bei der Bewertung wirtschaftlicher Macht.1251 Böhm beschreibt hier eine Wirtschaftsordnung, welche idealtypisch durch ein marktwirtschaftliches, aber auch ein planwirtschaftliches System verfasst sein könne. Die Systementscheidung sei eine reine Zweckmäßigkeitserwägung, die sich an der erwartbaren Steigerung der Produktivität ausrichten müsse.1252 Der Wettbewerb ist für Böhm ein wesentliches Ordnungsprinzip, aber auch eingebunden in die Ge­ samt­ordnung: „Denn auch das Recht der freien Marktwirtschaft anerkennt die Freiheit nur im Rahmen der Ordnung. Bei einem Konflikt zwischen Freiheit und Ordnung kommt dem Gesichtspunkt der Ordnung unbedingter Vorrang zu“.1253

Der Wettbewerb wird von Böhm somit als eine Veranstaltung des Staates verstanden,1254 die mit einer Verpflichtung der Marktteilnehmer zum Wettbewerb verbunden sei.1255 Der Wettbewerb wird hierdurch – spätere Diskussionen über die Wettbewerbsfunktionen vorwegnehmend – funktionalisiert,1256 da er nunmehr explizit als öffentlich-rechtliche Einrichtung verstanden1257 und deshalb nur dann als schützenswert angesehen wird, wenn er seine Entmachtungs-, Auslese-, Anpassungs- und Leistungsanreizfunktionen erfülle.1258 Indem der Wettbewerb als Ausleseveranstaltung der leistungsfähigsten Unternehmen angesehen wird, gewinnt auch das Lauterkeitsrecht neben seinem individualschützenden Charakter einen Bezug zur gesamtwirtschaftlichen Wohlfahrt.1259 1250  Zum Wettbewerbs- und Privatrecht in der nationalsozialistischen Zwangsherrschaft Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  127 ff.; ausführlich Pöting, Kartellgesetzgebung als Instrument staatlicher Wirtschaftslenkung, S.  1 ff. 1251 Vgl. Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  147. 1252  Anders als in „Wettbewerb und Monopolkampf“ betont er somit nicht mehr das Primat einer marktwirtschaftlichen Ordnung; vgl. Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  58 ff., 68 ff. und 123. 1253  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  101 und 144. 1254  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  105, 120 ff. 1255  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  102. 1256 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 182. 1257  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  141, mit Blick auf die Marktpreise als Instrumente der Wirtschaftsordnung; siehe dazu schon oben Teil 3 A. I. 1258  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  31 f. 1259 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 181. Siehe heute §  1 Abs.  2 UWG. Auch dort stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Definition der „Allgemeininteressen“ im Sinne eines nur verstärkten Individualschutzes oder eines eigenständigen Institutsschutzes; dazu Otto, Allgemeininteressen im neuen UWG.

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Die Systementscheidung für eine unmittelbare Marktsteuerung durch staatliche Regulierung oder eine mittelbare Marktsteuerung über den Wettbewerb ist für Böhm (ebenso wie für Eucken und Großmann-Doerth) eine Gesamtentscheidung des Staates,1260 wobei dieser nur dann eine Steuerung über den Markt zulassen solle, wenn auf beiden Marktseiten so viele Unternehmen tätig sind, dass diese keinen Einfluss auf die Bildung des Marktpreises haben.1261 Sofern sich eine derartig vollständige Konkurrenz – wie dies weit überwiegend der Fall sein wird – nicht realisieren lasse, sollten die Märkte einer unmittelbaren Markt­ lenkung durch den Staat unterstellt werden.1262 In diesem Fall sollten – das ist eine deutliche Richtungsänderung im Vergleich zu „Wettbewerb und Monopolkampf“ – auch keine privatwirtschaftlichen Freiheiten gewährt werden.1263 Sofern der Staat die Wirtschaft lenke, solle er die Rolle und Funktion des Wettbewerbs übernehmen, indem er zum Beispiel die Preise nach den Bedingungen des Wettbewerbs (nach Böhm unter vollständiger Konkurrenz) festsetze.1264 Hierin ist das Konzept des Als-ob-Wettbewerbs begründet,1265 das im Wettbewerbsund Regulierungsrecht auch heute noch als Maßstab für eine marktwirtschaftskonforme Kontrolle von Preisen dient. Entscheidend ist dabei letztlich jedoch immer die Frage, wie der Wettbewerb aussehen soll, an dem sich die Kontrolle orientiert.1266 1260  Goldschmidt/Wohlgemuth/Böhm/Eucken/Großmann-Doerth, Ordnungsökonomik, S.  27, 36. 1261  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  105 f., 138 ff. 1262  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  106, 142. 1263  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  108: „Nur soweit der Wettbewerb zur Ordnung führt, kann private wirtschaftliche Freiheit gewährt werden; soweit dies nicht der Fall ist, darf die Wirtschaft nicht frei sein“. 1264  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  141 f. und 162 f.: „Der Staat hat die Rolle und Funktion des Wettbewerbs zu übernehmen, d. h. er hat die Marktpreise und Marktbedingungen so festzusetzen, wie sie sich unter der Voraussetzung eines idealen Wettbewerbsverlaufs eingependelt haben würden. Damit bekommt nicht nur die praktische Politik, sondern auch die Wissenschaft festen Boden unter die Füße: Es bleibt nämlich jetzt nur noch zu ermitteln, nach welchen sachlichen Gesetzmäßigkeiten der freie Marktpreis der Konkurrenzwirtschaft zustandekommt, und welche Möglichkeiten bestehen, diesen Preisbildungsprozeß hypothetisch da nachzukonstruieren, wo er sich in der Wirklichkeit eben nicht abspielt und infolgedessen auch nicht beobachtet werden kann.“ Die Konzeption Böhms löst sich somit nicht gänzlich von einer zivilistisch-marktwirtschaftlichen Betrachtung, da als Maßstab für eine staatliche Preiskontrolle weiterhin der Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs dienen soll; für eine überindividuell-„steuernde“ Preiskontrolle demgegenüber Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 42. 1265 Siehe dazu Miksch, ZgS 105 (1949), 310 ff.; dazu Berndt/Goldschmidt, ORDO 51 (2000), 33 ff.; begrenzt auf Infrastrukturmonopole Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  295 ff. Nach Mestmäcker (WuW 2008, 6, 18), wollte Eucken das Als-ob-Konzept nur auf Infrastrukturmonopole anwenden. Zutreffend Fikentscher, Recht und wirtschaftliche Freiheit, Bd. 1, S.  288, wonach der Begriff des „Als-ob“ als wirtschaftspolitische Konzeption und nicht als konkret subsumtionsfähiger wettbewerbstheoretischer Maßstab anzuwenden sei. 1266 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 182 mit Fn.  50.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Böhm fordert also der Sache nach eine direkte Steuerung der Wirtschaft durch den Staat in allen Sektoren, in denen signifikante wirtschaftliche Marktmacht nachweisbar ist, sei es durch ein Kartell oder durch ein marktmächtiges Unternehmen, wobei unerheblich sei, wie Letzteres seine Marktmacht erworben habe; 1267 denn die Ausübung privater Macht sei aus der Wirtschaft vollständig zu eliminieren.1268 Aus heutiger Sicht ist diese Aussage nicht nur wegen der Erkenntnis unzutreffend, dass ein wirksamer Wettbewerbsprozess temporäre kompetitive Machtpositionen voraussetzt. Es überrascht auch Böhms naiver Glaube an die Leistungsfähigkeit der staatlichen Verwaltung.1269 Zwar hat Böhm die Gefahren eines Staatsversagens durch Überforderung und Schlecht­ erfüllung sowie die Gefahr erkannt, dass die Wirtschaft zuweilen für eine Staatsaufsicht votiert, um „dem kalten Wind des Wettbewerbs zu entgehen“.1270 Er hält diese Gefahren jedoch durch Schulung und Training des Staatsapparates für überwindbar.1271 d) Zwischenergebnis In seinen frühen Werken unternahm Böhm den Versuch, das Kartellrecht von der gesellschafts- und verbandsrechtlichen Formenlehre zu befreien, um den Kartellen eine Rechtfertigung durch die „genossenschaftliche Selbsthilfe“ zu verwehren. Er wandte sich damit zugleich gegen das zu dieser Zeit vorherrschende „kollektivistische Sozialmodell“,1272 wie es in der positiven Beurteilung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen zum Ausdruck kam.1273 Hierzu entwickelte Böhm aus den damals vorherrschenden ökonomischen Lehren eine einheitliche Theorie des Wettbewerbs, welche die rechtliche Bewertung leiten sollte. In diesem Zusammenhang vertrat Böhm die These, dass der Wettbewerb als Ordnung eigener Art und nicht etwa als Chaos einzustufen sei. Die Rechtsordnung müsse deshalb den Wettbewerb schützen, um auf diesem Wege das Gemeinwohl oder die Gemeinschaft (die bei ihm nicht mit dem Staat gleichzusetzen war) zu befördern.1274 Da es sich hierbei um Kategorien handelt, die 1267  So Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 182 f., unter Verweis auf Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  162 f. 1268  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  150: „Das letzte Ziel muss die möglichst vollständige Ausmerzung aller ordnungslosen Märkte sein.“ 1269  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  147 ff., mit Hinweis auf den „christlich-theologischen Hintergrund“ Böhms; Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 183. 1270  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  144, 147 f. und 155 ff. 1271  Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  156 f., 177. 1272  Der Begriff des Kollektivismus lässt sich nicht eindeutig einer bestimmten sozialistischen oder konservativen Ideologie zuordnen, vgl. Nörr/J. Schröder, Geisteswissenschaften zwischen Kaiserreich und Republik, S.  335 ff. 1273  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.   113; zur Behandlung von Kartellvereinbarungen durch die Rechtsprechung siehe oben Teil 3 B. III. 1. und 2. b). 1274  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  118; zu dessen Verständnis der „Gemeinschaft“ siehe Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  113 mit Fn.  40 und S.  114.

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vornehmlich das öffentliche Handeln und Entscheiden betreffen, lag es nahe, das Ordnungsprinzip des freien Wettbewerbs mit der Kategorie der Wirtschaftsverfassung auf die (öffentlich-)rechtliche Ebene zu transformieren.1275 Hiernach garantiert und schützt die Verfassung den Wettbewerb als Institut. Vor diesem Hintergrund trügen die zur Institution des Wettbewerbs vereinigten Wettbewerber zwar einen Wettstreit nach privatrechtlichen Vorschriften aus. Als Institution (im Sinne einer Wirtschaftsverfassung) sei der freie Wettbewerb aber dem öffentlichen Recht zuzuordnen.1276 Für den frühen Böhm kam der subjektiven Wettbewerbsfreiheit (also dem subjektiven Recht) zunächst keine hervorragende Bedeutung zu, weshalb er den individuellen Freiheitsrechten konsequenter Weise einen überpositiven Wert absprach.1277 Böhm verstand die wettbewerbsgesteuerte Marktwirtschaft also instrumentell-funktional, um das Ziel einer Steigerung der Produktivität zu erreichen,1278 mit anderen Worten nicht personen-, sondern zweckbezogen.1279 Dasselbe gilt für das Privatrecht, welches für den frühen Böhm nicht auf der Selbstbestimmung des Einzelnen basiert, sondern das ebenfalls der gemeinschaftsbezogenen Institution Wettbewerb untergeordnet ist.1280 Für Böhm gilt eine unmittelbare 1275  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.   125 f.; dazu Peukert, Güterzuordnung, S.  355. 1276  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  115. 1277  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  352 f.: „Die wirtschaftlichen Freiheitsrechte haben keinen autonomen Eigenwert; sie erhalten ihren Sinn erst durch die Institution des Wettkampfes, wobei sie sich unter der Einwirkung dieses Kampfes in psychologische Zwangsläufigkeiten verwandeln, an deren Zustandekommen der Staat aus Gründen der sozialen Wohlstandsmehrung ein unmittelbares Interesse hat. Die wirtschaftlichen Freiheitsrechte werden vom Staate nur aus dem Grunde garantiert, weil sich das Interesse der Individuen aus ihrem Gebrauche in prästabilierter Übereinstimmung mit dem Interesse des Staates befindet. Es sind die Freiheitsrechte von Kämpfern; sie verlieren ihren Sinn, wenn der Kampf erlischt.“ Wie Böhm auch Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 115 und 231, wonach einer der wichtigsten Gründe für die machtfördernde Wirkung des Privatrechts der Individualschutz und die darauf beruhende Ausprägung subjektiver Rechte gewesen sei, weshalb man sich bei der Interpretation der Freiheitsrechte auf die Funktionen der privatrechtlichen Institute besinnen müsse; zur Bewertung vgl. Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  116. 1278 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 183; siehe auch Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  124. 1279 So Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 134: „Da das subjektive Recht personenbezogen und nicht zweckbezogen gedacht wird, kommt es – vom wenig wirkungsvollen Rechtsmissbrauch abgesehen – auf den Zweck der Rechtsverfolgung an: Ebensowenig lässt das subjektive Recht die Frage nach der tatsächlichen Macht zu, die sich der Rechtsmacht bedient. [. . .] Tritt der Kläger dagegen als ‚Funktionär der Gesamtrechtsordnung‘, also als Begünstigter einer Institution auf, so ist es an ihm zu zeigen, dass er mit seinem Begehren im Rahmen der beanspruchten Institution bleibt und sein Anspruch den Zweck der Institution nicht verfehlt, für deren Verwirklichung er zugleich handelt.“ 1280  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  117; Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 184 und 197: „Wer das Rechtsdenken so konsequent verlässt und zu einer anderen Wissenschaft übergeht, verliert nicht nur zwangsläufig den Zusammenhang mit der Rechtsordnung und ihren Grundideen, sondern gerät auch in die Gefahr, das Recht zu ökonomisieren und zu instrumentalisieren“; krit. auch ders., AcP 180 (1980), 392, 396; ders., AcP 188 (1988), 101, 113 ff.

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Wirtschaftslenkung durch den Staat als gegenüber dem freien Wettbewerb gleichwertige Alternative; dieser Gedanke steht der später entwickelten Theorie von der Privatrechtsgesellschaft diametral entgegen.1281 Der Staat soll – als notwendige Folge der als Leitbild dienenden Theorie der vollständigen Konkurrenz – bereits dann regulierend in das Marktgeschehen eingreifen, wenn private (wirtschaftliche) Machtverhältnisse bestehen; ein Staatsversagen gerät für Böhm nicht in den Blick.1282 Denkt man die Konzeption Böhms gemeinwohlbezogen zu Ende, führt dies letztlich zu einer Relativierung des subjektiven Rechts, welches um das Tatbestandsmerkmal der Machtlosigkeit bzw. der Chancengleichheit zu ergänzen ist.1283 Ein derartiges Konzept entspricht nicht dem hier entwickelten Maßstab einer material-chancengleichen Selbstbestimmung. Es wurde – wie wir sehen werden – vom späten Böhm auch wieder aufgegeben. Nicht überzeugen kann auch die optimistische Einschätzung einer behördlichen Kontrolltätigkeit durch Böhm. Wir wissen heute aus der praktischen Erfahrung mit Infrastruktur-Großprojekten wie dem Bau von Flughäfen oder Bahnhöfen, dass im Staatseigentum stehende bzw. staatlich gelenkte Unternehmen oft weniger effizient agieren als Unternehmen in privater Hand. Mit Blick auf unser Untersuchungsthema zeigte sich die begrenzte Leistungsfähigkeit behördlicher Kontrollen etwa bei der Energiepreiskontrolle auf der Grundlage des mittlerweile aufgehobenen §  12 BTOElt. §  7 Abs.  1 des EnWG 1935 gab eine Rechtsgrundlage für eine Preisbindung von Energie-Tarifentgelten. Die auf dieser Grundlage erlassene Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) forderte eine vorherige Genehmigung der Tarifpreise durch die zuständige Behörde, wobei die genehmigten Preise als Höchstpreise galten (§  12 BTOElt).1284 Die Genehmigung war materiell an den Nachweis gebunden, dass die beantragten Preise in Anbetracht der gesamten Kosten- und Erlöslage bei „elektrizitätswirtschaftlich rationeller Betriebsführung“ erforderlich sind.1285 Obwohl sich die Genehmigung der Tarife von Grundversorgern somit an den (effizienten) Kosten einer rationellen Betriebsführung orientieren sollte, nahmen die Regulierungsbehörden oft keine wirksame Effizienzkontrolle vor.1286 Es wurde vielmehr eine kostenzuschlagsorientierte Preisregulierung auf der Grundlage vergangenheitsbezogener Ist-Kosten durchgeführt (Cost-plus-Regulierung).1287 Erst durch Art.  5 Abs.  3 des Zweiten Gesetzes zur Regelung des Energiewirtschaftsrechts vom 7.7.2005 wurde die Geltung der BTOElt bis zum 1.7.2007 1281 Riesenhuber/Roth,

Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 183. Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 183 und 185. 1283  So in der Tat Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 135. 1284  Metzger, ZHR 172 (2008), 458, 461. 1285 Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.   395; die Vorschrift beinhaltete eine spezifische Ausprägung des Konzepts der Gewinnspannenkontrolle, vgl. Engelsing, RdE 2003, 249, 153. 1286 Säcker/Säcker, Reform des Energierechts, S.  165, 166 ff.; ders., NJW 2012, 1105, 1109. 1287  Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  398. 1282 Riesenhuber/Roth,

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befristet. Zu diesem Datum ist sie ersatzlos außer Kraft getreten.1288 Die Endkundenpreise unterliegen im Energiesektor seitdem keiner behördlichen Genehmigung mehr. Als maßgebliche Kontrollinstrumente fungieren vielmehr Art.  102 AEUV bzw. die §§  19, 29 GWB, §§  134, 138, 315 BGB.1289 e) Schriften von 1945 bis 1950: zwischen Individual- und Institutsschutz Nach 1945 erschienen eine Reihe von Schriften Böhms zu den Grundlagen der Wirtschaftsordnung, auch wenn er sich bedingt durch sein zunehmendes politisches Engagement nicht mehr mit der gleichen Intensität am weiteren Ausbau des Forschungsprogramms der Freiburger Schule beteiligen konnte.1290 Aus den Abhandlungen, die auf dem Werk „Wettbewerb und Monopolkampf“ aus dem Jahr 1933 aufbauen und dieses fortführen, lassen sich gleichwohl grundlegende Aussagen zum Verständnis der wirtschaftlichen Freiheit entnehmen. Dabei sollen zunächst die Arbeiten Böhms bis zum Jahr 1950 betrachtet werden, weil sich danach ein Wandel in seiner Beurteilung wirtschaftlicher Freiheit und wirtschaftlicher Macht einstellte. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges stritt Böhm nachhaltig für eine Marktund gegen eine Planwirtschaft, da Letztere zugleich „das sichere Ende der Demokratie“ bedeute.1291 Im Hinblick auf die Ausgestaltung einer marktwirtschaftlichen Grundordnung blieb Böhm zunächst bei seiner restriktiven Haltung gegenüber wirtschaftlicher Macht. Inhaber von „Marktmacht jeden Grades“ seien einer staatlichen Kontrolle dergestalt zu unterstellen, „dass die Staatsaufsicht das Recht und die Pflicht hat, den Machtinhaber zu einem volkswirtschaftlich richtigen Verhalten anzuhalten.“1292 In einer gewissen Nuancierung seiner bisherigen Thesen sieht Böhm die besonderen Gefahren der privaten Macht allerdings nicht mehr in der Ausbeutung der Marktgegenseite (das komme in der Praxis – was nicht zutrifft, man denke an die Energiepreisverfahren der letzten Jahre1293 – eher selten vor1294), sondern darin, dass das Verhalten des Marktmächtigen nicht hinreichend durch Wettbewerber und potenzielle New-

1288 Die Gaspreise für Tarifabnehmer waren bereits seit April 1998 vollständig für den Wettbewerb freigegeben. 1289  In der Rechtswirklichkeit dominiert §  315 BGB; siehe dazu unten Teil 10 C. 1290 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 46. 1291 Mestmäcker/Böhm, Reden und Schriften, S.  46, 56. 1292 Mestmäcker/Böhm, Reden und Schriften, S.  46, 65 und weiter: „Wer privatwirtschaftliche Autonomie in Anspruch nimmt, darf auf dem Markt keine Macht besitzen; wer über Marktmacht verfügt, hat keinen Anspruch auf privatwirtschaftliche Autonomie.“ 1293 Siehe Becker/Blau, Preismissbrauchsnovelle, Rn.  119 und öfter. 1294  Vgl. auch den Beitrag von 1960 über „Demokratie und ökonomische Macht“ in: Kartelle und Monopole, S.  3, 16: „Dazu kommt, dass ein Monopolist, der nichts anderes tut als dies, das Wiederaufleben der Konkurrenz geradezu herausfordert“; ebenso Mestmäcker, WuW 2008, 6, 18.

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comer domestiziert werde.1295 Machtlosigkeit bedeute also in erster Linie einen fehlenden Einfluss auf die Marktpreise, was aber nur bei vollständiger Konkurrenz der Fall sei.1296 An diese Ausführungen knüpft eine kritische Sichtweise an, die dem Ordoliberalismus ein ökonomisch verfehltes Konzept vorwirft, ohne zu sehen, dass dieses später in wesentlichen Teilen präzisiert wurde.1297 Für Böhm war das Entstehen von privaten Machtpositionen die Folge eines subjektiv-individualistischen Freiheitsverständnisses, das er strikt ablehnte.1298 Wenn man den subjektiven Freiheitsbegriff des Privatrechts ausschließlich in einem formellen Sinne verstehen wolle, würde er in der Tat auf die Entstehung wirtschaftlicher Machtpositionen angelegt sein.1299 Eine solche Sichtweise beachtete jedoch den grundlegenden Unterschied zwischen einem formellen und einem materialen, die tatsächliche Chancengleichheit mit umfassenden Verständnis der Vertragsfreiheit nicht ausreichend. Jedes kartellrechtliche Verbot greift zwangsläufig in eine formal verstandene Vertragsfreiheit ein, indem es den Raum für die Ausübung individueller privatautonomer Entscheidungsbefugnisse beschränkt.1300 Gerade bei den typischen Austauschverträgen zeigt sich jedoch, dass der Vertragsschluss die Interessen der Vertragspartner oder Dritter beeinträchtigen kann.1301 Versteht man den Freiheitsbegriff hier deshalb in einem materialen, die chancengleiche Freiheit des Vertragspartners und Drittbetroffener mit einschließenden Sinn, dann verletzt die Entstehung von ökonomischer Macht auch den Begriff der subjektiven Freiheit.1302 Vor diesem Hintergrund bildet die Wettbewerbsfreiheit keine objektiv-rechtliche Gegenposition zur Vertragsfreiheit, sondern schützt die Vertragsfreiheit als Freiheit auch des anderen nebst der damit zusammenhängenden relativen Machtlosigkeit.1303 Wettbewerb als Entmachtungsinstrument1304 bedeutet somit nicht, dass die aus einer zügellosen formellen Vertragsfreiheit folgende wirtschaftliche Macht begrenzt, sondern dass die Vertragsfreiheit der Marktteilnehmer von unangemessenen, unbilligen bzw. missbräuchlichen Einschränkungen geschützt 1295 Mestmäcker/Böhm, Reden und Schriften, S.  46, 65; siehe auch die Bewertung von Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 184. 1296 Mestmäcker/Böhm, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, S.  53, 68 ff. 1297  Siehe dazu Teil 4 D. I. 4. f). 1298  Böhm, SZVS 87 (1951), 193, 194, 198 ff. 1299  Siehe schon oben zum Vertragsrecht Teil 3 B. I. und II. 1300  Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 190. 1301  Rittner, JZ 2011, 269, 272; Säcker, JJZ 2013, S.  9, 19. 1302  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  152; eben dieser Ansicht war jedoch – entgegen Nörr – auch Böhm, SZVS 87 (1951), 193, 194, 199: „Es leuchtet aber ein, dass derjenige, der von der Gesellschaft Freiheit in Anspruch nimmt, die Freiheit der anderen ebenso hoch achten muss wie die eigene. Ein Freiheitssystem, das jedem die Freiheit gibt, die Freiheit seiner Mitmenschen zu unterdrücken oder zu verkürzen, ist kein Freiheitssystem, sondern ein System des Machtkampfes und der Ausbeutung“. 1303  So auch Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  152. 1304  Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 22; dazu Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.  32.

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und soweit notwendig wiederhergestellt wird. Dass auch der späte Böhm im Ergebnis einem derart material-chancengleichen Verständnis von Freiheit folgte, soll nachfolgend erläutert werden. f) Das rechtliche Konzept der „Privatrechtsgesellschaft“ als Ausdruck eines material-chancengleichen Freiheitsverständnisses Nach dem Jahr 1945 suchte Böhm eine neue Möglichkeit, die von ihm bevorzugte Wirtschaftsordnung der Wettbewerbswirtschaft zu legitimieren,1305 und entwickelte hierzu in Bezug auf das „Subsystem Rechtswesen“1306 das wirkungsmächtige Konzept der „Privatrechtsgesellschaft“,1307 das zu Recht als eine Art „Manifest seiner ordoliberalen Sicht der Bestandsvoraussetzungen und Gefährdungen einer Gesellschaft gleich freier und gleich berechtigter Menschen“ angesehen wird.1308 Die Privatrechtsgesellschaft kennzeichnet für Böhm – in Abkehr von der Feudal- und Privilegiengesellschaft – eine bürgerliche Gesellschaft von „Gleichfreien und Gleichberechtigten“, die einer einheitlichen (Rechts-)Ordnung unterworfen sind.1309 Sie kommt zwar nicht ohne den Staat und die zwangsweise Durchsetzung von Rechtsregeln aus, zeichnet sich aber dadurch aus, dass die wesentlichen Entscheidungen von ihren Mitgliedern autonom und nicht durch eine übergeordnete (staatliche) Instanz, also heteronom getroffen werden.1310 Hierin liegt eine Art von Subsidiaritätsprinzip begründet, wonach sich der Aufbau der bürgerlichen Gesellschaft von den Bürgern zum Staat und nicht andersherum zu vollziehen hat.1311 Neben der rechtlichen Gleichheit ihrer Mitglieder basiert das Konzept der Privatrechtsgesellschaft auf den Grundsätzen der Privatautonomie und des Privateigentums.1312 Durch die Privatrechtsgesellschaft sei der Einzelne „in den Staat eingebunden“.1313 Diese sei also „nicht bloß ein Name für die Gesamtheit ihrer Mitglieder, sondern die Bezeichnung für eine ganz bestimmte und spezifische Art von Verbindung zwischen ihnen, der ganz bestimmte Einrichtungen – vor allem auch Rechtseinrichtungen – eigentümlich sind, Einrichtungen, denen die Fähigkeit innewohnt, das Planen und Handeln freier, autonomer

1305 

Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  153. Privatrechtsgesellschaft, S.  53, 58. 1307  Böhm, ORDO 17 (1966), 75 ff.; dazu Riesenhuber/Riesenhuber, Privatrechtsgesellschaft, S.  3 ff. und Mestmäcker, ebenda, S.  35 ff. 1308 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Ordnungsökonomik, S.  43, 46 f. 1309  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 85. 1310 Vgl. Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 78; siehe auch Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 176. 1311  Bachmann, Private Ordnung, S.  12. 1312  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 80 und passim. 1313  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 85. 1306 Riesenhuber/Zöllner,

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Menschen aufeinander abzustimmen und insoweit mittelbar zu lenken und zu beeinflussen“.1314

Demgemäß sei das Privatrecht neben der Sprache und dem Marktpreis das maßgebliche Lenkungs- und Koordinierungsinstrument der Gesellschaft.1315 Durch diese Herangehensweise gewinnt die Privatrechtsgesellschaft für Böhm eine eigene Substanz, die in den Dienst der Marktwirtschaft als der erstrebenswerten Ordnung gestellt wird.1316 Über den Marktpreis werden die individuellen Wirtschaftspläne von Anbietern und Nachfragern koordiniert und die Entscheidungen über die Verteilung knapper Güter getroffen, entsprechende Anreize gesetzt sowie Fehleinschätzungen sanktioniert.1317 Ein freier und unverfälschter Wettbewerb ist nach Böhm sowohl für die Privatrechtsgesellschaft als auch für eine funktionsfähige marktwirtschaftliche Grundordnung unabdingbar. Von diesem hänge sowohl die Produktivität der Volkswirtschaft als auch der Freiheits- und Gerechtigkeitsgehalt der Gesellschaft ab.1318 Der Wettbewerb sichert für Böhm somit nicht nur die volkswirtschaftliche Effizienz, sondern als „Entmachtungsinstrument“ auch die Selbstbestimmung der Bürger.1319 Zur Begründung verweist Böhm auf den für die Marktwirtschaft als Koordinationsordnung zentral wichtigen Kaufvertrag, auf dessen Grundlage sich die Vertragsparteien auf eine subjektive Wertgleichheit von Leistung und Gegenleistung einigten. Um die Anbieter und Nachfrager aus den „individuellen, leicht zu manipulierenden Zwangslagen individueller oder bilateraler Art“ zu befreien, müsse die Koordinationsordnung aber „für eine breit gestreute Individualfreiheit und eine parzellierte Nivellierung der Einflussquoten sorgen, das heißt bei Marktstrukturen, bei denen sich die Nachfrage- und Angebotspositionen auf möglichst viele Hände verteilen und individuelle Willkür, wie sie mit auffallender Zunahme individueller oder organisatorisch zusammengefasster kollektiver Einflussquoten möglich wird, ausgeschaltet bleibt“.

Böhm vertrat damit einen materialen Freiheitsbegriff, der eine chancengleiche Selbstbestimmung der Bürger verwirklichen soll.1320 Die Privatautonomie solle alle Menschen in den Stand setzen, ihre eigenen Angelegenheiten nach unbeschränkt freiem Ermessen, aber beschränkt auf die Reichweite ihrer individuellen Kräfte zu erledigen. Obwohl also die Privatrechtsordnung ein Produkt der Gesellschaft sei und obwohl das Recht die Handlungsmöglichkeiten der Indivi1314 

Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 88. Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 88. 1316  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 18. 1317  So Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 176, unter Hinweis auf Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 97: Marktpreis als „volkswirtschaftlich schlüssiger Knappheitsindex“. Näher Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 18 f. 1318  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 20. 1319  Zum Folgenden siehe Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 19 f. 1320  Siehe dazu auch Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 18 ff. 1315 

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duen erweitere und zu „einer sozialen Größe“ mache, solle die Privatautonomie dem Individuum „kraft eines vorgesellschaftlichen, jedenfalls eines vorstaatlichen Anspruchs zustehen, um seiner selbst willen nicht um eines sozialen oder politischen Zwecks willen“.1321

Hiermit nimmt Böhm de facto auf die einleitend geschilderte philosophische Rechtfertigung der Idee der Selbstbestimmung Bezug. Auf der anderen Seite bedarf der Wettbewerb des Schutzes vor der systemwidrigen, die zivilistische Chancengleichheit verletzenden Inanspruchnahme der Handlungsfreiheit im Wirtschaftsverkehr.1322 Während den Mitgliedern der Privatrechtsordnung die Zuständigkeit zum Aufstellen ihrer Wirtschaftspläne zukomme, werde das Prinzip dezentraler Steuerung und damit der Zuständigkeitsbereich der Einzelnen überschritten, wenn die Pläne zu Lasten Dritter koordiniert oder zu Lasten Dritter gesteuert würden.1323 Alle Entscheidungen, die in einer Marktwirtschaft mit dem Lenkungsprozess zusammenhängen, müssten der „volonté générale“ (Rousseau), also einem über die Summe der Individualinteressen hinausgehenden Gemeinwohl vorbehalten bleiben.1324 Demgemäß sei die Aufstellung drittbelastender privatrechtlicher Normen ein „Akt der Rechtsetzung“, der über die Zuständigkeit der Marktteilnehmer hinausgehe, da hierdurch in die Grundlagen des Wirtschaftssystems eingegriffen werde.1325 Der Gesetzgeber muss nach Böhm einen Ordnungsrahmen schaffen, der das Funktionieren des Marktmechanismus als Lenkungssystem gewährleistet.1326 Das marktwirtschaftliche System und die Privatrechtsordnung bedingten sich somit gegenseitig als Grundlagen der Wirtschaftsverfassung. Das Privatrecht sei „ein unverzichtbares Verfahren, Konflikte zwischen freien Bürgern dort auszutragen, wo sie entstehen“.1327 Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ist nach Böhm durch staatlich festgesetzte, systemkonforme Spielregeln zu begrenzen, wonach die Einzelnen sich weder durch Einflussnahme auf den staatlichen Entscheidungsprozess ungerechtfertigte Vorteile sichern können (mogeln), noch die dezentrale Aufstellung von Plänen der Marktteilnehmer durch private Macht beeinträchtigt wird.1328 „Der Wettbewerb ist eine zentrale Einrichtung der freien Wirtschaftsordnung, und wenn es erlaubt ist, den Wettbewerb durch Verträge zu beschränken, wenn die Gerichte 1321 

Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 20 f. Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 98 f. 1323  So Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 177. 1324  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 99. 1325  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 99; siehe zur rechtssystematischen Einordnung aus heutiger Perspektive Bachmann, Private Ordnung, S.  9 ff. (zu Eucken) und öfter. 1326  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 139. 1327  Mestmäcker, ZHR 137 (1973), 97, 101; Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 177. 1328  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 140. 1322 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

solche Verträge schützen, dann ist die Folge davon nicht nur die, daß sich die Vertragsbeteiligten selbst in ihrer Wettbewerbsfreiheit beschränken – das ist für sie in der Regel sogar vorteilhaft –, sondern auch die, daß in das Wirtschaftsschicksal, in das Marktschicksal und in die Freiheit dritter Personen, von Personen also, die außerhalb des Vertrages stehen, und zwar in der Regel sehr vieler Personen eingegriffen wird, zu ihrem mehr oder weniger großen Nachteil.“1329

Mit diesen Ausführungen begründet Böhm ein drittschützendes Verständnis des Wettbewerbsrechts, das – wie wir sehen werden – auch heute noch gültig ist. Im Hinblick auf die sich daran anschließende Frage der konkreten Ausgestaltung eines drittschützenden Wettbewerbsrechts korrigiert Böhm im Jahr 1961 seine bislang geäußerte Auffassung, die Marktwirtschaft sei auf der Grundlage des Modells der vollständigen Konkurrenz1330 ein System, das keine wirtschaftliche Macht vertrage.1331 Mit diesem Abschied vom Gebot der Machtlosigkeit ist gleichzeitig ein solcher vom Konzept der perfekten Konkurrenz verbunden.1332 Böhm erkennt nunmehr den Zielkonflikt zwischen volkswirtschaftlich günstigen Ergebnissen und weitgehender Machtlosigkeit, und löst diesen privatrechtskonform durch den Vorrang material-chancengleicher Freiheit auf. Er erkennt somit – anders als ihm seine Kritiker vorhalten – die einem marktwirtschaftlichen System innewohnende, mit der Verabschiedung des Leitbilds der vollständigen Konkurrenz einhergehende Mehrzieligkeit an, wie sie sich in der Diskussion über die Schutzziele des Wettbewerbsrechts zwischen Freiheit und ökonomischer Wohlfahrt und deren zutreffender Gewichtung widerspiegelt: 1333 „Sollte es sich zeigen, dass [. . .] der Freiheit und der Gerechtigkeit ernsthafte Gefahren drohen, dann müssen wir uns dazu entschließen, der ökonomischen Machtbildung jedes erdenkliche Hindernis in den Weg zu legen, und dürfen uns durch die Rücksicht auf etwaige Nutzenwirkungen dieser Macht in unserer Entscheidung so wenig beirren lassen, wie wir das bei unserer Entscheidung für eine demokratische Ordnung zu tun pflegen, wenn uns jemand nachweist, was alles an ruhmreichen Projekten verwirklicht werden könnte, wenn wir uns dazu entschlössen, unsere Demokratie durch eine totalitäre Diktatur zu ersetzen. Nichts ist umsonst in unserer Welt, auch die Freiheit nicht. Wollen wir Freiheit haben, dann müssen wir notwendig auf einige Vorteile verzichten, die wir uns nur durch den Einsatz konzentrierter Macht verschaffen könnten.“1334 Und weiter: „Nun hat es allerdings ein guter Stern so eingerichtet, dass nach den Forschungsergebnissen unserer nationalökonomischen Theorie die freiheitliche Wettbewerbswirtschaft auch einen größeren ökonomischen Nutzeffekt darbietet als ein mit erheblichen Besitzständen von ökonomischer Macht durchsetztes marktwirtschaftliches System, das dem Wettbewerb keinen gesetzlichen oder politischen Schutz zukommen lässt.“1335 1329 Mestmäcker/Böhm,

Wettbewerbsfreiheit und Kartellfreiheit, S.  233, 260 f. Zur Entwicklungsoffenheit dieses „Modells“ siehe oben Teil 4 D. I. 2. 1331  Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 4. 1332  So ausdrücklich Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 22. 1333 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 186. 1334  Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 11. 1335  Böhm, in: Kartelle und Monopole, S.  3, 11 f. 1330 

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Nach Böhm muss der Staat sanktionierend eingreifen, wenn die Individuen die Spielregeln der marktwirtschaftlichen Ordnung verletzen. Derartige Verletzungen könnten auftreten, weil die Bürger zwar in ihrer Eigenschaft als Konsumenten den Wettbewerb aufgrund seiner positiven Wirkungen auf die Gesamtwohlfahrt schätzten, ihn jedoch in ihrer Eigenschaft als Produzenten (Arbeitnehmer, Unternehmer etc.) als Belastung empfänden.1336 Das könne einen Anreiz dazu bieten, sich selbst die Bürde des Wettbewerbs zu ersparen, aber zugleich weiterhin seine Vorteile zu genießen.1337 Für Böhm gibt es hierzu zwei Wege: 1338 Der Einzelne kann als Teilnehmer am Spiel die Spielregeln verletzen, oder er kann auf der Ebene der Normsetzung darauf hinwirken, dass Ausnahmeregelungen zu seinen Gunsten erlassen werden. Die entscheidende ethische Anforderung der marktwirtschaftlichen Ordnung liege nun darin, dass sie für ihre gemeinwohldienlichen Funktionen sowohl eine Regeltreue der Beteiligten verlange als auch den Verzicht einer eigennützigen Beeinflussung des Normgebers.1339 Anders als die naturgegebene Privatautonomie bedarf die Gewerbefreiheit für Böhm also weiterhin der Rechtfertigung durch „sozialen Nutzen“.1340 Es sei einleuchtend, „dass die Rechtsordnung, wenn sie Gewerbefreiheit gewährt, nicht vor dem gleichen Problem steht, mit dem sie es zu tun hat, wenn sie die Privatautonomie anerkennt. Das Recht, in einer arbeitsteiligen Gesellschaftswirtschaft ein Gewerbe zu betreiben, ist kein Naturrecht des Individuums, sondern eine Zuständigkeit, die nur zusammen mit einer bestimmten Wirtschaftsordnung gedacht werden kann. [. . .] Rechtspolitisch, sozialpolitisch und wirtschaftspolitisch lässt sich die Gewährung von Gewerbefreiheit nur rechtfertigen, wenn dafür gesorgt wird, dass die Privatperson von dieser Freiheit einen vom Aspekt der Gesellschaft rational richtigen Gebrauch macht.“1341

Positivrechtlich sei die Gewerbefreiheit gleichwohl als ein Teil der Privatautonomie ausgestaltet.1342 Insofern gehöre sie nicht zu den Freiheiten, die in der Absicht gewährt würden, den Gemeinsinn der Bürger zu stärken. Sie wolle vielmehr die Verfolgung eigennütziger Zwecke stimulieren, weil in einem marktwirtschaftlichen System der gemeine Nutzen gar nicht anders erkannt werden könne als durch das Medium des privatwirtschaftlichen Gewinns.1343 Der soziale Nutzen der Gewerbefreiheit ist für Böhm also bereits dann erfüllt, wenn der Markt seine Lenkungsaufgaben erfüllen kann; objektiv-überindivi1336  Hierin spiegelt sich die Ambivalenz des Verbraucherbegriffs wider, der – wie etwa von der Chicago School – zuweilen in einem weiten, alle Marktteilnehmer umfassenden Sinn verstanden wird; siehe oben Teil 1 B. VI. und Teil 4 C. VI. 2. Auch gewisse Parallelen zum Problem der „Trittbrettfahrer“ sind erkennbar; vgl. noch Teil 4 D. II. 1337  Vgl. Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 155. 1338  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 140. 1339 Mestmäcker/Böhm, Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S.  195, 200; siehe auch Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 156. 1340  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 21. 1341  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 21. 1342  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 21. 1343  Böhm, ORDO 22 (1971), 11, 22.

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duellen Umdeutungen der Vertragsfreiheit erklärt er damit eine Absage. Die entsprechenden sozialen Abläufe sind für ihn durch den Staat im Wege „gärtnerischer Pflege“ unter Beachtung der Prinzipien einer freiheitlichen Marktwirtschaft in Gang zu halten.1344 Als Leitmotiv dient das oft missverstandene Konzept des Leistungswettbewerbs, das aber nicht als positive Festlegung erwünschter Wettbewerbsfunktionen zu verstehen ist,1345 sondern als rechtliches Prinzip,1346 um aus den Wettbewerbsstrategien diejenigen herauszufiltern, die mit den Ordnungsprinzipien einer Wettbewerbsgesellschaft nicht zu vereinbaren sind.1347 Dem liegt auch der Gedanke zugrunde, dass die Produktion kein Selbstzweck ist, sondern der Befriedigung der Konsumentenwünsche dient, weshalb der „Konsument als Organist unmittelbar am Manual der Wirtschaftsorgel“ sitzt.1348 Der Begriff des Leistungswettbewerbs kann somit letztlich mit einem normativen Konzept der Konsumentensouveränität gleichgesetzt werden, wie es die wettbewerbs- und verbraucherschutzrechtliche Diskussion heute prägt.1349 5. Institutionelles Verständnis des Wettbewerbs und Schutz material-chancengleicher Selbstbestimmung – am Beispiel subjektiver Anspruchsberechtigungen Nachdem Böhm in der Schrift „Die Ordnung der Wirtschaft als geschichtliche Aufgabe und rechtsschöpferische Leistung“ aus dem Jahr 1937 dem Wettbewerb noch die Aufgabe zugesprochen hatte, die Produktivität der Wirtschaft zu erhöhen (in heutiger Sprache: die Steigerung der produktiven Effizienz), sah er in seiner späten Schaffensperiode die vornehmste Funktion des Wettbewerbs in der kompetitiven Bändigung ökonomischer Macht.1350 Da Böhm die Individuen in der Privatrechtsgesellschaft als wechselseitig verbunden ansah,1351 wird ihm allerdings von Nörr vorgehalten, er habe damit letztlich doch einem „entindividualisierten objektiven Privatrechtsbegriff“ das Wort geredet: 1352 Dem Individuum komme – so meint Nörr – in der Privatrechtsgesellschaft nämlich keine Bedeutung um seiner selbst willen zu. Es sei vielmehr untrennbar mit der Pri1344 

Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 87. So aber die Kritik von Rittner, AcP 188 (1988), 101, 117. 1346  Ebenso zum vergleichbaren Problem, ob der Als-ob-Wettbewerb ein rechtlicher oder ein tatsächlicher Maßstab ist, Fikentscher, Recht und wirtschaftliche Freiheit, Bd. 1, S.  288. 1347 Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 145; ebenso im Ergebnis Rittner, in: FS Kraft, 1998, S.  519, 529 f.; ders., ZWeR 2004, 305, 319: Nichtleistungswettbewerb als heuristische Formel für Handlungen, die negativ auf den Wettbewerbsprozess einwirken. 1348 Mestmäcker/Böhm, Wirtschaftsordnung und Staatsverfassung, S.  53, 90. 1349 Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 146. 1350 Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 187. 1351  So Riesenhuber/Zöllner, Privatrechtsgesellschaft, S.  53, 58. 1352  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  155. 1345 

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vatrechtsgesellschaft verknüpft und damit mit dem Mechanismus des Marktes, durch den es im wirtschaftlichen Bereich erst seine Legitimation erfahre. Durch diese Institutionalisierung von Privatautonomie und Privatrechtsinstituten hätten diese nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn sie dazu dienten, die Aufgaben der Lenkung, Steuerung und Koordination zu lösen,1353 ein Vorwurf, den wir oben der funktionalen Wettbewerbstheorie Kantzenbachs und der Chicago School gemacht haben. Da diese Aufgaben im Wirtschaftsleben von den Marktpreisen wahrgenommen würden, habe das Privatrecht insoweit also nur die Funktion, die Marktpreisbildung zu gewährleisten und zu sichern, ebenso wie es die Aufgabe des Staates sei, hierfür die geeigneten Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen.1354 Wie bei Eucken stehe die Rechtsordnung für Böhm also letztlich unter dem Primat der Ökonomie.1355 Es wäre meines Erachtens nicht überzeugend, wollte man das Freiheitsverständnis von Böhm in diesem Sinne auf eine Ausrichtung an öffentlichen Gemeinwohlzielen reduzieren.1356 Böhm unterscheidet in seiner späten Phase vielmehr zu Recht zwischen der Grundidee der Privatautonomie, die gegen eine heteronome Fremdbestimmung der Menschen streitet, und der Sicherung materialer Selbstbestimmung im wirtschaftlichen Bereich; denn Letztere lässt sich in einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung nur durch Abschluss von Austauschverträgen, also in Zusammenarbeit mit anderen Marktteilnehmern realisieren.1357 In diesem Sinne ist zu unterscheiden zwischen den Aussagen des frühen und des späten Böhm: Aus seinen späteren Arbeiten – insbesondere aus den 1960er und 1970er Jahren – wird deutlich, dass für Böhm die Aufgabe des Wettbewerbsrechts nicht zuvörderst in der Herstellung (wohlfahrts-)ökonomischer Effizienzen liegt, sondern vor allem in der Sicherung individueller wirtschaftlicher Freiheit und der Entdeckung neuer Tatsachen, also in der Sicherung der dynamischen Funktionen des Wettbewerbs.1358 Wettbewerb ist damit nicht nur als Leistungsansporn zu schützen, sondern auch als Instrument zur kompetitiven Einhegung ökonomischer Machtpositionen.1359 Demgemäß ist das Verhältnis von Wettbewerb und Vertrag bzw. von Wettbewerbsfreiheit und Vertrags1353  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  155: Kennzeichnend für Böhm sei ein methodologischer und psychologischer Individualismus, nicht ein philosophischer oder der Individualismus als Rechtsbegriff. 1354  Böhm, ORDO 17 (1966), 75, 139. 1355  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  154. Krit. auch Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 197; ders., AcP 180 (1980), 392 ff.; siehe zum „Gemeinschaftsgedanken“ in der Lehre des Ordoliberalismus Bachmann, Private Ordnung, S.  12. 1356 Vgl. Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 124 ff. 1357  So – ohne Bezug auf den Ordoliberalismus – Säcker, JJZ 2013, S.  9, 19; zu diesem ders., Zielwandlungen, S.  56 ff. 1358  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 214. 1359  Vgl. Mestmäcker/Böhm, Freiheit und Ordnung in der Marktwirtschaft, S.  195, 202: „[V]om Wettbewerb hängt nicht nur der Leistungspegel ab, der den Wachstumspolitikern verständlicherweise zunächst am Herzen liegt, sondern auch der Freiheits-, Gleichgewichtig-

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freiheit nicht vom Institut Wettbewerb aus zu bestimmen, sondern von der indivi­duellen Wirtschaftsfreiheit her. Der Wettbewerb steht im Dienst material-chancengleicher Vertragsfreiheit, um die negativen Folgen zu beheben, die durch wirtschaftliche Macht entstehen können.1360 Hierdurch dient er zugleich dem Schutz der politischen Freiheit der Bürger.1361 Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen erscheint es durchaus zulässig, die Lehren des späten Böhm mit Viktor Vanberg im Sinne eines normativen Individualismus zu interpretieren. Danach ist die freiwillige Zustimmung der betroffenen Individuen die letztendliche Quelle der Legitimation gesellschaftlicher Regelungen und Transaktionen.1362 Die Individuen beschränken damit nicht nur die politische Herrschaft; jede Herrschaft lässt sich vielmehr nur mit Blick auf die betroffenen Individuen rechtfertigen und muss diese zum obersten Ziel haben.1363 Indem Böhm auf die allgemeinen Wirkungseigenschaften von Regeln des Leistungswettbewerbs abstellt, unterscheidet sich sein Konzept der Privatrechtsordnung als Wirtschaftsverfassung deutlich von einer ökonomischen Analyse der Wohlfahrtswirkungen unternehmerischen Verhaltens im Einzelfall. Die Wettbewerbsfreiheit ist für Böhm eine durch die Regelordnung des Leistungswettbewerbs (negativ) definierte Handlungsfreiheit.1364 Die soziale Verantwortung der Individuen liegt allein darin, die Privatautonomie nur im Rahmen der Beschränkungen auszuüben, die durch die Rechtsordnung aufgestellt werden.1365 Demgemäß müssen Unternehmen in einer Marktwirtschaft nicht ermitteln, welche Wirkungen von ihrem Verhalten auf Dritte ausgehen, solange sie die normativ aufgestellten Regeln für ihre Wirtschaftstätigkeit beachten.1366 Eine solche Wettbewerbsordnung ist nicht ethisch defizitär; 1367 denn die Entlastung von Verantwortung erfolgt nur bei gleichzeitiger Einhaltung der Regelordnung.1368 Durch ein Verständnis des Privatrechts, wonach dessen Institute auf der Grundlage des Gedankens der „Interdependenz der Ordnungen“ bei Erwerb und Ausübung von Marktmacht eingeschränkt werden können, werden die individuellen wirtschaftlichen Freiheiten zwar bei formaler Betrachtung bekeits- und Gerechtigkeitsgehalt des marktwirtschaftlichen System“; siehe auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  114. 1360  Nörr (in FS Böhm, 1995, S.  53, 67) spricht von Wiederherstellung des unversehrten Privatrechts. 1361 Dazu Gerber, Law and Competition in Twentieth Century Europe, S.  240. 1362  So Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 140. 1363  Von der Pfordten, JZ 2005, 1069. 1364 Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 148. 1365  Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.   124; Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 128. 1366  Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 125. 1367  So aber Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  119. Dagegen mit Blick auf das Vertragsrecht oben Teil 3 D. IV. 1368 Riesenhuber/Vanberg, Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 148 mit Fn.  63.

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schränkt. Sie gewinnen aber einen neuen inneren Legitimationsgrund hinzu, da Fehlentwicklungen als Herausforderungen an das durch die Idee individueller Selbstbestimmung gekennzeichnete marktwirtschaftliche System verstanden werden.1369 Gleichzeitig ergänzen sich Privatrechtsgesellschaft und demokratischer Willensbildungsprozess insoweit, als es die Selbststeuerungskräfte einer privatrechtlich-marktwirtschaftlichen Ordnung ermöglichen, die durch den Staat wahrzunehmenden Aufgaben soweit zu begrenzen, dass die Kontrolle der staatlichen Entscheidungsträger möglichst wirksam gestaltet werden kann1370 („Principal-agent-Problematik“1371). Durch das Konzept der Privatrechtsgesellschaft wird damit auch der zuweilen behauptete Gegensatz von Wirtschaft und Gesellschaft zurückgewiesen, wonach die Gesellschaft als Gegenmacht zur Wirtschaft fungiere.1372 Die Privatrechtsgesellschaft ist eine freie Gesellschaft, weshalb es keinen Widerspruch darstellt, wenn sie durch Regeln geordnet wird, welche die Freiheit des Einzelnen nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit eingrenzen (Freiheit auf material-chancengleichen Vertragsschluss).1373 Die Wettbewerbsordnung soll keine Möglichkeit dazu bieten, individuelle Freiheitsrechte durch politisch-heteronome Ermessensentscheidungen einzuschränken.1374 Der Ordoliberalismus hat somit zwar einen direkten Bezug zum Schutz der materialen Vertragsfreiheit konkret-individuell unterlegener Vertragsparteien vor einer unangemessenen Beeinträchtigung. Er verteidigt jedoch zugleich die Vorzüge des Marktes gegenüber einem ungezügelten Wirtschaftsliberalismus einerseits und einer überindividuell-objektiven Indienstnahme des Privatrechts andererseits.1375 Soweit Märkte von einem natürlichen Monopol gekennzeichnet sind, muss der Staat durch ein Regulierungsrecht proaktiv die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb schaffen. Auch bei einem solchermaßen regulierten Wettbewerb handelt es sich in ordoliberaler Sicht aber um eine Sicherung der Selbstbestimmung und Eigenverantwortung der Verbraucher und nicht um eine heteronome Gestaltung.1376 Nach dem Vorstehenden würde man dem Werk Böhms also nicht gerecht werden, wenn man annähme, er habe den freiheitsverbürgenden Wert der Kombination von Marktwirtschaft und Privatautonomie nicht gesehen.1377 Allerdings ist seinen Kritikern zuzugeben, dass Böhm durch den von ihm zunächst 1369 So

Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 128. Privatrechtsgesellschaft, S.  131, 154. 1371 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.   133, 145; siehe auch Picot/ Dietl, WiSt 19 (1990), 178, 180. 1372  Ebenso Riesenhuber/Mestmäcker, Privatrechtsgesellschaft, S.  35 und 50 f. 1373 Riesenhuber/Mestmäcker, Privatrechtsgesellschaft, S.  35, 51. 1374  Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 128. 1375  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  115 f. 1376  Siehe auch Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 380. 1377  Ebenso Riesenhuber/Zöllner, Privatrechtsgesellschaft, S.  53, 59. 1370 Riesenhuber/Vanberg,

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vertretenen missverständlichen „objektiven“ Begriff der Wettbewerbsfreiheit1378 einer privatautonomiekritischen Sichtweise Vorschub geleistet hat, die unter Verweis auf den Schutz des Wettbewerbs als Institution individuelle Rechte zu Gunsten übergeordneter Gemeinwohlüberlegungen zurückdrängen oder sogar gänzlich eliminieren will.1379 So wird bis in die jüngste Zeit hinein eine deliktische Anspruchsberechtigung mittelbar von einem Wettbewerbsverstoß betroffener Marktteilnehmer und noch mehr die Teilnichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge unter Verweis auf die Erfordernisse einer objektiv-„effektiven“ Marktregelung verneint.1380 Eine solche Sichtweise kann sich nicht auf die Lehren Böhms berufen; denn die Folgerungen, die Böhm aus dem institutionellen Verständnis des Wettbewerbs für die konfliktregelnden Kampfnormen zieht, sind auf den Schutz subjektiver Rechte und Handlungsfreiheiten gerichtet.1381 Demgegenüber ermöglichte ein auf den Schutz des Wettbewerbs als Institution ausgerichtetes Privatrechtsverständnis eine Einschränkung subjektiver Rechte aus ökonomischen Zweckmäßigkeitserwägungen. Aus privatrechtsdogmatischer Sicht steht aber nicht das Institut „Wettbewerb“, sondern dasjenige des „Austauschvertrags“ als Instrument zum chancengleichen Ausgleich entgegengesetzter Interessen im Zentrum.1382 Auch eine solche Sichtweise enthebt freilich nicht von der Notwendigkeit einer Abwägung der jeweiligen Freiheitspositionen. Diese ist auf dem Boden der geltenden Rechtsordnung – also nicht auf der Grundlage eines naturrechtlichen Verständnisses vom „Vorrang des Privatrechts“1383 – aus der Wertentscheidung des Gesetzgebers für eine wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft zu gewinnen. Der Wettbewerb fungiert insoweit nicht als bestimmtes tatsächliches Phänomen (etwa als bestimmte Marktform), sondern als rechtliches Ordnungsprinzip, beruhend auf der chancengleichen Freiheit der Bürger zur Gestaltung ihrer individuellen Rechtsverhältnisse.1384

1378 

Siehe dazu Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  193 und 224. etwa Leistner, Richtiger Vertrag, S.  198 ff.; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  11; krit. Westermann, AcP 208 (2008), 141 ff. 1380  Siehe zu dieser Parallele Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  194: „Wer nicht primär an die Rechte des Verletzten, sondern an die Erhaltung der Wettbewerbsordnung, also in objektiven Kategorien denkt, wird den privaten Anspruch auf Schadensersatz zu den Sanktionen gegen Verletzung dieser Ordnung zählen und ihn mit anderen Sanktionen unter dem Gesichtspunkt des Zwecks auf eine Stufe stellen.“ 1381  So zu Recht Mestmäcker, in: FS Böhm, 1995, S.  111, 124. 1382  Insoweit überzeugend Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 195 f.; ebenso bereits oben Teil 3 D. IV. und V. 1383 Dazu Rittner, in: FS Müller-Freienfels, 1986, S.  509 ff. 1384 Ebenso Rittner, AcP 188 (1988), 101, 126. 1379 So

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6. Zur Begrifflichkeit: Paläoliberal – Neoliberal – Ordoliberal Sofern vorstehend von Ordoliberalismus als wissenschaftlicher Denkrichtung die Rede war, ist dieser Begriff von einem Neoliberalismus als politisch-ideo­ logischem Schlagwort für die Geltung einer ungezügelten formalen Privat­ autonomie (Paläoliberalismus,1385 Radikalliberalismus,1386 Turbokapitalismus,1387 Manchesterkapitalismus,1388 Marktfundamentalismus1389 oder Liberalistische Marktsicht1390) abzugrenzen,1391 wie er im Zuge der jüngsten Finanzund Wirtschaftskrise in die Kritik geraten ist.1392 Zu den grundlegenden Erkenntnissen des Ordoliberalismus gehört, dass ein radikaler wirtschaftlicher Liberalismus, der die Vertragsfreiheit lediglich als Gewährleistung des technischen Vertragsschlusses versteht,1393 mittelfristig zu deren Selbstaufhebung durch vollständige Vermachtung der Märkte tendiert.1394 Demgemäß wurde der Begriff neo-liberal ursprünglich gerade gewählt, um sich gegenüber dem klassischen Liberalismus und dessen Plädoyer für einen reinen „Nachtwächterstaat“ abzugrenzen.1395 Es sollte die Freiheit der wirtschaftlichen Entfaltung durch eine funktionsfähige staatliche (Wettbewerbs-)Ordnung gewährleistet werden.1396 Der Staat soll sich hiernach nicht nur systeminkonformer Eingriffe in den Wirtschaftsprozess enthalten, sondern er soll auch durch die Schaffung bzw. Erhaltung einer Ordnungsstruktur die Selbstgefährdung des Wettbewerbs verhindern.1397 Diese staatliche Tätigkeit umfasst neben der planvollen Herstellung des Marktes auch den Ausgleich von inner- und au1385 MünchKommBGB/Busche,

Vor §  145 BGB Rn.  6 . Siems, ZRP 2002, 170, 171. 1387  Statt anderer siehe Mössner, Das Ende der Gier, 2011. 1388 Dazu Fikentscher, GRUR-Int 2009, 635, 639. 1389  Habermas, Nach dem Bankrott, Die Zeit Nr.  46/2008; Stiglitz, Das Ende des Neoliberalismus, in: Projekt Syndicate v. 7.7.2008. 1390  Ramm, AcP 160 (1961), 75, 76 erblickte in dieser Begriffswahl sogar unbewusste Anleihen an den nationalsozialistischen Sprachgebrauch. 1391  Siehe dazu Hampe, ifo-Schnelldienst 9/2010, 13 ff. Zum unterschiedlichen Verständnis des Begriffs „neoliberal“ siehe Gerber, Law and Competition in Twentieth Century Europe, S.  236 f.; ders., in: FS Fikentscher, 1998, S.  654, 664. Eucken (Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  374 f.) hat den Begriff des Neoliberalismus als „tendenziös“ und „nicht zutreffend“ abgelehnt: Er sei tendenziös, weil er es den Gegnern seiner Ordnungstheorie unter Bezugnahme auf einen negativ besetzten Bedeutungsinhalt leicht mache, diese abzulehnen, ohne sich mit den inhaltlichen Gedanken auseinandersetzen zu müssen. Auch der Begriff liberal sei nicht glücklich, da er falsche Assoziationen zu einem Laissez-faire-Liberalismus wecke. 1392  Dazu statt anderer Horn, ORDO 61 (2010), 428 ff. 1393 MünchKommBGB/Busche, Vor §  145 BGB Rn.  6 . 1394  Willgerodt, ORDO 57 (2006), 47, 53. 1395 Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 37. 1396  Damit ist noch keine Aussage über Begründung und Inhalt des Freiheitsbegriffs getroffen (subjektiv aus der Freiheit des Individuums oder objektiv aus der Rechtsordnung); siehe dazu Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  139 ff. 1397  Willgerodt, ORDO 57 (2006), 47, 55. 1386 

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ßerwettbewerblichen Zielen, was den Ordoliberalismus für die durch Art.  3 Abs.  3 EUV geforderte soziale Marktwirtschaft öffnet,1398 deren konzeptionelle Grundlagen er maßgeblich prägte.1399 Wie wir gesehen haben, betonten führende Vertreter des Ordoliberalismus – auf der Grundlage der staatlichen Entscheidung für eine marktwirtschaftliche Grundordnung – von den 1930er Jahren bis zu den 1950er Jahren sogar einen Vorrang der volkswirtschaftlichen bzw. gesellschaftlichen Ordnung vor der individuellen Freiheit.1400 Eucken und Böhm plädierten etwa in ihren frühen Schaffensphasen nicht für die Freiheit als „personalen Höchstwert“,1401 sondern für einen – vorliegend abgelehnten – „objektiven Freiheitsbegriff“, der sich maßgeblich aus ökonomischen Erwägungen speiste. Auch wenn diese objektivistische Sicht heute zu Recht überwunden ist, ist dem Ordoliberalismus ein Schutz formaler Freiheitspositionen zu Lasten der material-chancengleichen Freiheit anderer Marktteilnehmer fremd. Er basiert vielmehr gerade auf dem Werturteil, dass eine auf den Prinzipien der Privilegienfreiheit und Rechtsgleichheit basierende marktwirtschaftliche Ordnung anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen überlegen ist, weshalb sie sowohl gegen Monopolisierungsversuche von Marktteilnehmern als auch gegen die Privilegiensuche bestimmter Interessengruppen zu schützen ist.1402 Der Ordoliberalismus fordert einen „wirkmächtigen“, aber keinen „paternalistischen“ Staat, der (zu) weitgehend in die Lebensbereiche seiner Bürger eingreift und diese in seinem Sinne zu lenken versucht,1403 wie dies etwa für eine ethisch motivierte Interpretation des Rechts gegen Diskriminierungen oder für Teile des Verbraucherschutzes charakteristisch ist.1404 Es geht ihm vielmehr darum, die „soziale Funktion des Wettbewerbs als Prozess dezentraler Koordination unter

1398 

Siems, ZRP 2002, 170.

1399 Gerken/Gerken/Renner,

Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 37. vertraten also eine Position, welche der individuellen Freiheit kein Primat zusprach; das ist das Gegenteil eines ungezügelten Liberalismus. 1401 So die berühmte Kritik von Nawroth, Die Sozial- und Wirtschaftsphilosophie des Neoliberalismus, S.  76 ff. 1402  Es geht somit weniger darum, eine bestehende Ordnung zu analysieren, als vielmehr die Voraussetzungen einer wünschenswerten Ordnung herauszuarbeiten. Dazu Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg, Wettbewerb und Regelordnung, 2009, S.  49. Die Wertbezogenheit des Ordoliberalismus gab mit Blick auf die vermeintliche Wertfreiheit der Ökonomie Anlass zu – unberechtigter – Kritik; zum sog. Werturteilsstreit siehe Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, S.  151 ff.; relativierend Goldschmidt/Wohlgemuth/von Hayek, Ordnungsökonomik, S.  637, 640 ff. Einen Überblick gibt Klump, Wirtschaftspolitik, S.  38 ff.; speziell zu Eucken siehe Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 25 ff. 1403 Goldschmidt/Wohlgemuth/Lenel, Ordnungsökonomik, S.  323, 334. 1404  Krit. zur „Gesellschaft als Gegenmacht gegen die Wirtschaft“ Riesenhuber/Mestmäcker, Privatrechtsgesellschaft, S.  35, 50 ff. 1400 Sie

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gleichberechtigten privatautonomen Akteuren zu sichern.“1405 Der Ordoliberalismus will somit nicht auf eine Sozialpolitik verzichten. Diese wird aber nicht als Gegensatz zur Ordnungspolitik aufgefasst, sondern als deren immanenter Bestandteil.1406 Insgesamt wird man dem Ordoliberalismus eine vermittelnde Position attestieren können, zwischen einem interventionistischen Ideal eines Wohlfahrtsstaates und einem libertären Minimalstaat.1407 Insoweit ist es auch zulässig, vom Ordoliberalismus als einem „Dritten Weg“ zu sprechen.1408 Von diesem Begriff zu unterscheiden ist die von Eucken kritisierte Politik der „Mittelwege“, wonach die Politik von Interessengruppen abhängig sein könne und dadurch zu einem punktuellen Interventionismus verleitet werde.1409 Eine solche Wirtschaftsordnung lehnte Eucken ab, weil sie zu einem doppelten Machtproblem führe, indem der Staat einerseits immer mehr an Machtfülle gewinne und andererseits immer mehr von spezifischen Interessengruppen abhängig und damit ordnungspolitisch orientierungslos werde.1410 Allerdings ist das Meinungsspektrum innerhalb des wissenschaftlichen Liberalismus weit gesteckt, wie ein Blick auf die Chicago School of Economics zeigt.1411 So zeichnete etwa Milton Friedman1412 als politisch besonders einfluss­ reichen Vertreter der Chicago School – anders als nach klassisch ordoliberaler Sicht – eine besondere Skepsis gegenüber staatlicher Einflussnahme auf die Wirtschaft aus, weshalb er Mechanismen marktwirtschaftlicher Selbststeuerung gegenüber einer staatlichen Lenkungs- und Verteilungspolitik generell für überlegen hielt.1413 Seine wirtschaftspolitischen Empfehlungen spielten beim Ende der 1970er Jahre zu beobachtenden Paradigmenwechsel von keynesianischer Nachfragepolitik zur angebotsorientierten Wirtschaftspolitik der Industrieländer, die von den angelsächsischen Ländern ausging („Reagonomics and 1405 So Goldschmidt/Wohlgemuth/dies., Freiburger Tradition der Ordnungsökonomik, S.  1, 2. 1406  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  313: „Es ist eine der Hauptabsichten dieses Buches gewesen, immer wieder deutlich zu machen, dass die Sozialpolitik nicht als Anhängsel der übrigen Wirtschaftspolitik verstanden werden sollte, sondern in erster Linie Wirtschaftsordnungspolitik zu sein hat.“ 1407 Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 35. 1408 Schmölders/Eucken, Der Wettbewerb als Mittel volkswirtschaftlicher Leistungssteigerung und Leistungsauslese, S.  29, 37; siehe auch Müller, ORDO 58 (2007), 99, 105 f. 1409  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  140; ebenso Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 18. 1410  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.   188; zust. Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 12. 1411 Aufgrund ihres starken Bezuges zur Geldtheorie werden die Lehren der Chicago School auch häufig als Monetarismus bezeichnet; vgl. dazu Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  154 Fn.  46. 1412  Friedman, Capitalism and Freedom, S.  1 ff. 1413 Vgl. Straubhaar/Wohlgemuth/Zweynert, Rückkehr des Keynesianismus, APuZ 20/2009, 19, 26.

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Thatcherism“), eine führende Rolle.1414 Die spätere Kritik am „marktradikalen Neoliberalismus“ hat deshalb häufig auf Friedman und die Chicago School Bezug genommen.1415 Der damit angesprochene Begriffswandel ist auf den ersten Blick erstaunlich, war der mit dem Begriff des Neoliberalismus verbundene ökonomische Liberalismus nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als Gegenbegriff zur sozialistischen Planwirtschaft oder zu interventionistischen Wirtschaftssystemen doch eher positiv besetzt. Er blieb jedoch weitgehend ein akademischer Begriff, der in der öffentlichen Diskussion – anders als der Begriff der sozialen Marktwirtschaft – nur eine geringe Rolle spielte.1416 Das ist wohl auch darauf zurückzuführen, dass die Wirtschaftspolitik der westlichen Industrienationen in den 1950er und 1960er Jahren zunehmend vom sog. Keynesianismus geprägt wurde, der in Deutschland im Jahr 1967 in die zunächst vornehmlich ordoliberal geprägte soziale Marktwirtschaft inkorporiert wurde.1417 In der Folgezeit war der Begriff Neoliberalismus kaum noch präsent. Erst im Zuge des Militärputsches in Chile wurde er in den 1970er-Jahren neu belegt, als eine Gruppe von Chilenen, die zuvor in Chicago studiert hatten (die „Chicago Boys“), einen weitgehenden Rückzug des Staates aus der Wirtschaft initiierten.1418 Diese radikale Wirtschaftsreform wurde von den Kritikern als „neoliberalismo“ abgewertet, was als Startpunkt für ein neues – nunmehr negativ besetztes – Begriffsbild des Neoliberalismus angesehen werden kann. Er erfuhr damit eine inhaltliche Umdeutung; anstelle von Neoliberalismus hätte deshalb besser ein Paläoliberalismus oder ein Laissez-faire-Kapitalismus als Zielscheibe der Kritik dienen müssen. Stattdessen verlor der Begriff „Neoliberalismus“ als pauschaler antikapitalistischer Kampfbegriff an wissenschaftlicher Schärfe.1419 Aus diesem Grunde wird in der vorliegenden Untersuchung auch von Ordoliberalismus gesprochen.

II. Die Neue Institutionenökonomik als privatrechtskonforme Theorie zur Abwägung komplementärer Freiheitsbereiche? Die Neue Institutionenökonomik erfreut sich in den Wirtschaftswissenschaften aktuell großer Beliebtheit. Dies wird auch darauf zurückgeführt, dass sie versucht, in den ökonomischen Modellen die realen Verhältnisse stärker als bis1414 

Hampe, ifo-Schnelldienst 9/2010, 13, 15. etwa D. Stedman Jones, Masters of the Universe, S.  85 ff.; a. A. Horn, NZZ v. 3.10.2012, 31. 1416  Hampe, ifo-Schnelldienst 9/2010, 13, 16. 1417  Hampe, ifo-Schnelldienst 9/2010, 13, 16. Siehe den berühmten Ausspruch von Karl Schiller: Versöhnung des Freiburger Imperativs mit der keynesianischen Botschaft; dazu Klump, Wirtschaftspolitik, S.  324. 1418 Zum Folgenden Horn, Die soziale Marktwirtschaft, S.   185 ff.; Hampe, ifo-Schnelldienst 9/2010, 13, 16. 1419  Fikentscher, GRUR-Int 2009, 635, 639. 1415 Vgl.

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lang zu berücksichtigen, ohne dabei sogleich das „ökonomische Paradigma“ insgesamt in Frage zu stellen, wie dies in der noch zu schildernden Verhaltensökonomik erfolgt. Die Neue Institutionenökonomik hätte auch im Zusammenhang mit der Post Chicago School erläutert werden können. Die Ausführungen wurden zurückgestellt, da diese Denkrichtung – insoweit in Übernahme wesentlicher Grundpositionen des Ordoliberalismus – von der Gegebenheit und Notwendigkeit einer rechtlichen Verfassung der Wirtschaftsordnung durch allgemeine Spielregeln ausgeht. Zugleich verdeutlicht die Neue Institu­ tionenökonomik die Grenzen ökonomischer Analysen und damit zusammenhängend die Notwendigkeit rechtlicher Wertungen. 1. Einführung Wirtschaftliche Prozesse laufen häufig anders ab als im neoklassischen Idealtypus der vollkommenen Konkurrenz.1420 Die Theorie der vollkommenen Konkurrenz begründete die Abweichungen mit den Folgen „monopolistischen Verhaltens“, weshalb sie die normative Empfehlung gab, „mehr Wettbewerb“ im Sinne einer möglichst „atomistischen Konkurrenz“ zu schaffen.1421 Demgegenüber erarbeiteten die Workable-Competition-Ansätze bestimmte Wettbewerbsleitbilder, die den in der Realität gegebenen Unvollkommenheiten der Märkte besser Rechnung tragen sollten. Damit einher ging eine neue Bewertung wirtschaftlicher Macht, die nicht per se als gut oder schlecht, sondern als ambivalentes Phänomen angesehen wurde. Demgegenüber machte es sich die seit den 1960er Jahren immer stärker expandierende und ausdifferenzierende Neue Institutionenökonomik1422 zur Aufgabe, die im Rahmen der neoklassischen Theorie als konstant angesehenen Institutionen und ihre Wirkungen auf das Verhalten der (Markt-)Akteure zu analysieren und normative Empfehlungen für ihre Ausgestaltung auszusprechen, um den Interessen der Individuen 1420 

Fornasier, Freier Markt, S.  4 4. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  172. 1422  Neben der Transaktionskostenökonomik gehören zur Neuen Institutionenökonomik die vor allem auf dem Ordoliberalismus der Freiburger Schule und auf v. Hayek basierende Ordnungsökonomik, die Neue Politische Ökonomie („Public Choice“) und die Konstitutionenökonomik („Constitutional Economics“), die sich mit der ökonomischen Analyse politischer und staatlicher Institutionen beschäftigen, die Ökonomische Analyse des Rechts („Law and Economics“), in die inzwischen auch die Theorie der Verfügungsrechte integriert wurde („Property Rights“), die Prinzipal-Agenten-Theorie („Principal Agent Theory“ bzw. „Agency Theory“), die das bei asymmetrisch verteilten Informationen problematische Verhältnis eines Auftragnehmers (Agent) zu seinem Auftraggeber (Prinzipal) untersucht, sowie die mit den beiden letzten Ansätzen eng verknüpfte Vertragstheorie (ökonomische Analyse von Verträgen); vgl. MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1042. Der Begriff „Neue Institutionenökonomik“ stammt wohl von Williamson, Markets and Hierarchies, S.  1. Zur Abgrenzung von der „Alten Institutionenökonomik“ („alter Institutionalismus“) siehe Bardmann, Betriebswirtschaftslehre, S.  335 ff. 1421 

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am besten zu dienen.1423 Sie kann deshalb jedenfalls insoweit als Fortführung des Ordoliberalismus angesehen werden. Gemeinsamer Ausgangspunkt der unterschiedlichen Teildisziplinen der Neuen Institutionenökonomik ist die systematische Analyse von Anreizen, die auf das Marktverhalten von unterschiedlichen institutionellen Regelungen ausgehen.1424 Unter Institutionen werden dabei alle Regelungen inklusive des In­ stru­mentariums zu ihrer Durchsetzung verstanden,1425 womit der Begriff – bei allen Unterschieden im Detail1426 – sehr weit gefasst ist, indem er sich sowohl auf rechtliche als auch auf faktisch wirkende Normen bezieht, die das Sozialverhalten der Marktteilnehmer beeinflussen.1427 Das sind nicht nur die Unternehmensstruktur und die Besonderheiten des jeweiligen Marktsystems sowie der Einfluss politischer Organisationen auf Markttransaktionen, sondern auch formgebundene Regelungen wie die Wirtschaftsverfassung und das Vertragsrecht.1428 Als Institutionen versteht man also einerseits Regelsysteme (Verhaltensnormen, normative Prinzipien, kulturelle Einrichtungen) und andererseits ein organisiertes Handeln von Personen (Handlungssysteme, kollektive Handlungseinheiten).1429 Der Begriff ist insoweit vom rechtlichen Begriff des Instituts bzw. der Institution zu unterscheiden.1430 Die Neue Institutionenökonomik versteht das Wettbewerbsrecht grundsätzlich als ein System von Handlungsrechten, wobei sie auf konsenstheoretischer Grundlage normative Vorschläge für eine institutionelle Ausgestaltung derselben macht. Anders als die klassische Wohlfahrtstheorie, welche das Recht am Maßstab ökonomischer Effizienz misst, ist die Neue Institutionenökonomik deshalb auch mit den rechtlichen Vorgaben an eine freie und soziale Marktwirtschaft vereinbar.1431 1423  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  2 ; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 287. 1424 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1042; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 286. 1425  Kirchner, GRUR Int 2004, 603, 606. 1426  Siehe dazu den Überblick bei Bardmann, Betriebswirtschaftslehre, S.  340 ff. 1427 Dazu Voigt, Institutionenökonomik, S.   26  ff.; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 287. 1428  Picot/Dietl, WiSt 19 (1990), 178. Siehe die graphische Darstellung bei Williamson, J. Econ. Lit 38 (2000), 595, 597; siehe ebenfalls Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  200. Die ökonomischen Analysemethoden werden somit nicht nur auf Transaktionen auf Märkten angewandt, sondern auf alle sanktionsbewehrten allgemeinen Regelungen, die der Steuerung und Kanalisierung sozialer Interaktion dienen oder diesen Effekt haben; vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  7 f. Hiernach stellen sanktionsbewehrte rechtliche Regelungen (i. S. einer ökonomischen Analyse des Rechts) eine Unterkategorie von Institutionen dar und werden ebenfalls zum Gegenstand ökonomischer Untersuchung; vgl. Riesenhuber/ Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 150. 1429  Bardmann, Betriebswirtschaftslehre, S.  340. 1430  Siehe dazu oben Teil 1 B. I. 1431  Bachmann, Private Ordnung, S.  16.

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Aus vertragstheoretischer Sicht ist derjenige Zweig der Neuen Institutionenökonomik von besonderem Interesse, der „die Lösung des Problems der Koordination ökonomischer Transaktionen zwischen Einzelpersonen durch Vereinbarungen unter Beachtung von Transaktionskosten“ behandelt.1432 So können nach der neoinstitutionellen Vertragstheorie Abweichungen von den idealen Marktbedingungen nicht nur durch ein – in unserer Untersuchung im Zentrum stehendes – Marktversagen hervorgerufen werden, sondern auch das Ergebnis rationalen Verhaltens sein.1433 Denn der Wirtschaftsprozess setzt regelmäßig die Schaffung und Erhaltung von Institutionen voraus, was (Transaktions-) Kosten begründet.1434 So lassen sich absolute Verfügungsrechte wie das Eigentum oder relative Verfügungsrechte wie vertragliche Ansprüche nicht ohne Aufwand an Zeit und finanziellen/personellen Mitteln definieren, überwachen, durchsetzen und übertragen.1435 Bereits die Benutzung des Marktes ist mit Kosten verbunden, etwa mit Such- und Verhandlungskosten. Daneben entstehen Kosten der administrativen Koordinierung innerhalb hierarchischer Organisationen. Aus diesen Gründen könnten selbst rational handelnde Individuen ihre Entscheidungen häufig nicht auf der Grundlage vollkommener Information bilden. Zusätzlich betonen Vertreter der Neuen Institutionenökonomik, dass auch die Annahmen vollkommener Voraussicht und vollkommener Rationalität aufzugeben seien. Die Präferenzen der Individuen seien unvollständig und über die Zeit veränderlich. Individuen könnten auch nicht als vollständig informiert gelten, weil die Beschaffung von Informationen Transaktionskosten begründe und für künftige Entwicklungen sogar unmöglich sei (Ungewissheit). Darüber hinaus seien Individuen nur beschränkt fähig, mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Datenmaterial umzugehen und entsprechende (Wirtschafts-)Pläne zu formulieren (eingeschränkte Rationalität).1436 Aus diesem Grunde seien Verträge zumeist unvollständig. Auch ließen sich Gleichgewichtszustände nicht oder nicht sofort erreichen.1437 Als Gegenmittel zur Behebung dieses Vertragsversagens dient der Neuen Institutionenökonomik nicht allein die im Zentrum unserer Untersuchung stehende staatliche Wettbewerbspolitik; vielmehr könnten Steigerungen der Effizienz auch durch – hier nicht näher betrachtete – organisatorische Verbesserungen (Bildung von Hierarchien), Maßnahmen zur Senkung von Trans­aktions­ kosten, zur Risikominimierung und zur Vertrauensstärkung erreicht werden.1438 Als Grundlage der Analyse dient insoweit ein Markt in hypothetisch unregu1432 

Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  319. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  172. 1434  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  13. 1435  Siehe, auch zum Folgenden, Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  14. 1436  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  4 f. 1437  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  5. 1438  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  172. 1433 

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liertem Zustand.1439 In einem solch unregulierten Markt unterliegen Verträge keiner Bindungswirkung, es existiert kein lückenfüllendes dispositives Vertragsrecht und der Staat stellt keine Durchsetzungsmechanismen zur Verfügung.1440 Es kann deshalb aus den oben beschriebenen Umständen zu Kooperationsstörungen kommen. Im Rahmen eines normativen Ansatzes, also der Frage nach der wünschenswerten Gestaltung rechtlicher Regelungen, stellen Vertreter der Neuen Institutionenökonomik nicht auf das Ziel einer Effizienzsteigerung ab. Da die Präferenzen der Marktakteure als wandelbar in der Zeit angesehen werden, wäre ein dynamischer Effizienzbegriff zu verwenden, der jedoch erhebliche Messbarkeitsprobleme mit sich bringt.1441 Als legitimationsstiftend wird deshalb die (hypothetische) Konsensfähigkeit der beteiligten Akteure im Zeitpunkt der Regelsetzung angesehen.1442 2. Modifizierung der Modellannahmen der Neoklassik a) Realitätsnähere Beurteilung menschlichen Verhaltens Der institutionenökonomische Forschungsansatz baut auf der neoklassischen Gleichgewichtsökonomie auf,1443 unterscheidet sich von dieser aber vor allem durch seine Modellannahmen.1444 Das neoklassische Modell der vollkommenen Konkurrenz wird zum einen im Hinblick auf die Rationalitätsannahme („homo oeconomicus“) modifiziert. So gehen Vertreter der Neuen Institutionenökonomik davon aus, dass die Marktteilnehmer ihre Entscheidungen regelmäßig auf der Grundlage unvollständiger oder sogar unzutreffender Informationen träfen. Das „neoinstitutionelle Verhaltensmodell“1445 basiert zwar weiterhin auf dem Eigennutzentheorem und der Rationalitätsannahme, präzisiert diese Annahmen jedoch im Interesse einer realitätsnäheren Beschreibung menschlichen Verhaltens, indem es davon ausgeht, dass Menschen zwar rational handeln wol1439  Vgl. zur Begründung der AGB-Inhaltskontrolle MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 BGB Rn.  42. 1440  Fornasier, Freier Markt, S.  47. 1441  Siehe Teil 4 C. III. 4. d). 1442  Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 48. 1443  Siehe dazu oben Teil 4 C. III. 5. 1444  Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  11; Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 149: „neoklassische Wurzeln“. Während einige Forschungsrichtungen der Neuen Institutionenökonomik am neoklassischen Verhaltensmodell festhalten (so die wohl h. A. in der Principal-Agent-Theorie, der Public-Choice-Theorie und auch der vorliegend besonders interessierenden ökonomischen Analyse des Rechts), haben andere Forschungsrichtungen wie die Transaktionskostenökonomik und die Theorie der Verfügungsrechte zunehmend den Gedanken der unvollkommenen individuellen Rationalität in den Blick genommen, vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  4 f. und 551 ff. Ein Sachgrund für diese unterschiedliche Herangehensweise ist nicht ersichtlich. 1445  Rühl, Statut und Effizienz, S.  98.

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len, aber aufgrund begrenzter Möglichkeiten zur Informationsgewinnung und -verarbeitung sowie infolge unsicherer Handlungssituationen nicht alle möglichen Alternativen erfassen und in ihren Konsequenzen zutreffend bewerten können.1446 Die entsprechende Problematik wird zum Beispiel in Zusammenhang mit der Reichweite vertragsrechtlicher Informationspflichten relevant; denn nicht nur ein Zuwenig, sondern auch ein Zuviel an Information kann hiernach ein Marktversagen bewirken.1447 Darüber hinaus betont die Neue Institutionenökonomik wie gesehen, dass ein Austausch von Gütern und Leistungen auf dem Markt regelmäßig mit positiven Transaktionskosten verbunden ist.1448 Hierzu gehören sowohl die Ex-ante-Transaktionskosten für Vorbereitung und Abschluss eines Rechtsgeschäfts, als auch die Ex-post-Transaktionskosten in dessen Vollzugsphase.1449 Begrenzte Rationalität und Transaktionskosten bedingen sich dabei gegenseitig: 1450 Auf der einen Seite sind Transaktionskosten (auch) darauf zurückzuführen, dass die Marktteilnehmer unvollständig informiert sind, weshalb sie diese Informationslücken unter Inkaufnahme von Such-, Aufklärungs- und Beratungskosten schließen.1451 Auf der anderen Seite können Rationalitätsdefizite auf der Existenz von Transaktionskosten beruhen, da der Aufklärungsaufwand zu hoch sein kann, um eine lückenlose Information sicherzustellen. b) Begrenzte Informationen und begrenzte Kapazitäten zur Informationsverarbeitung („bounded rationality“) Anders als in der neoklassischen Gleichgewichtsökonomie, in der Institutionen wie der entgeltliche Austauschvertrag als kostenneutral (allokationsneutral) an1446 

Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  14; Groth, WD 2009, 770, 773. Siehe dazu Möllers/Kernchen, ZGR 2011, 1, 9 ff. 1448  Die sog. Transaktionskostenökonomik als Unterform der Neuen Institutionenökonomik untersucht die Effizienz unterschiedlicher Koordinationsformen. Im Rahmen transaktionskostentheoretischer Überlegungen bildet nicht der Güteraustausch selbst den Gegenstand der Betrachtung, sondern die ihm logisch und zeitlich vorgelagerte Übertragung von Verfügungsrechten (Property Rights). Diese sind die mit materiellen oder immateriellen Gütern verbundenen, institutionell legitimierten Handlungsrechte von Wirtschaftssubjekten. Der Wert eines Gutes bestimmt sich hiernach nicht allein aus dessen Substanz, sondern vor allem aus seinen Verwendungsmöglichkeiten. Die Übertragung von Verfügungsrechten wird als Transaktion bezeichnet. Diese wird in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang gestellt, indem ihr institutioneller Rahmen beachtet wird. Transaktionskosten sind die mit der Bestimmung, Übertragung und Durchsetzung von Verfügungsrechten entstehenden Kosten; vgl. Picot/Dietl, WiSt 19 (1990), 178. Grundlegend Coase, Economica 4 (1937), 386, 390: „cost[s] of using the price mechanism“; ders., J. L. & Econ. 3 (1960), 1 ff. (Übersetzung bei Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, S.  129 ff.). 1449  Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S.  20. 1450  Bardmann, Betriebswirtschaftslehre, S.  343; Fornasier, Freier Markt, S.  46. 1451 Zu den Kosten im Einzelnen Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  134 ff.; Bechtold, Zwingendes Vertragsrecht, S.  31. 1447 

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gesehen werden,1452 geht die Neue Institutionenökonomik davon aus, dass die Begründung und Benutzung von Institutionen mit Kosten verbunden ist, welche die Handlungen der Akteure und dadurch auch das wirtschaftliche Ge­ samt­ergebnis beeinflussen.1453 Aus diesem Grunde analysiert sie nicht allein die Effizienz des Verhaltens der Marktteilnehmer, sondern auch die Voraussetzungen des entgeltlichen Austauschvertrages.1454 Transaktionskosten sind diejenigen Kosten, die potenzielle Vertragspartner an Information und Koordination aufwenden müssen, um einen Vertrag zu schließen und durchzusetzen.1455 Aufgrund der Existenz von Transaktionskosten gelten Entscheidungssubjekte nicht mehr zwangsläufig als vollständig informiert, da der unbegrenzte Erwerb von Informationen zu teuer oder unmöglich sein kann, gerade wenn es sich um Entwicklungen in der Zukunft handelt.1456 Menschen handeln also zwar nach ihrer Intention rational, jedoch geschieht dies nur im Rahmen der ihnen vorliegenden Informationen.1457 Während die unvollständige Information auf Transaktionskosten beruhen kann, kann eine unvollständige Verarbeitung von Informationen auf kognitiven Einschränkungen der Marktteilnehmer beruhen, wie diese wohl regelmäßig anzutreffen sind. Diese Einschränkungen machen es unmöglich, alle vorhandenen Informationen vollständig zu verarbeiten. Darüber hinaus bewirken sie, dass die Informationsverarbeitung nicht objektiv rational abläuft, sondern von den subjektiven Vorprägungen gesteuert wird.1458 Begründet wurde dieses Konzept der „bounded rationality“ von Herbert Simon,1459 auch wenn es bei ihm zunächst noch abstrakt blieb.1460 Die ökonomische Forschung hat im Folgenden herausgearbeitet, dass die beschränkte Rationalität der Marktteilnehmer insbesondere dann Problempotenzial beinhaltet, wenn ihre Grenze erreicht wird, wie dies bei einem unsicheren (Würfel-)Spiel oder bei einer Transaktion in einer komplexen Um-

1452 

Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  13. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  39 f.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  199; siehe auch die Zusammenfassung bei Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  131 ff. 1454  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  39 sowie die Definition auf S.  582. 1455  Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  73; Bechtold, Zwingendes Vertragsrecht, S.  30 f. 1456  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  4. 1457 Vgl. Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  5, wonach das Verhalten auf der Grundlage der neoklassischen Annahmen „hyperrational“ sei. 1458  Williamson, Markets and Hierarchies, S.  21 f.; Groth, WD 2009, 770, 773. 1459  Simon, Quart. J. Econ. 69 (1955), S.  99 ff.; ders., in: Models of Man, S.  196, 198. Weiterführend Selten, JITE 146 (1990), 649 ff.; Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  14 ff.; Unberath, Vertragsverletzung, S.  139 ff.; Weller, Vertragstreue, S.  361; Conlisk, J. Econ. Lit. 34 (1996), 669 ff. 1460  Dies betont Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  198. 1453 

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welt (Schachspiel) der Fall sein kann.1461 Beides sind bekannte Anwendungsbeispiele der sog. Spieltheorie.1462 Das neo-institutionelle Verhaltensmodell beinhaltet gegenüber dem neoklassischen Verhaltensmodell eine deutliche Annäherung an die Realität von Markttransaktionen.1463 Im Schrifttum wird das Konzept der eingeschränkten Rationalität gleichwohl im Sinne der Prämissen des Konzepts der vollständigen Rationalität gedeutet, im Sinne einer modellimmanenten Fortentwicklung: 1464 So seien begrenzte Informationen und begrenzte Kapazitäten zur Informationsverarbeitung als kostenbegründende Restriktionen einzustufen.1465 Aus diesem Grunde beschaffe sich ein vollständig rational handelnder Akteur nur solange zusätzliche Informationen als Grundlage seiner Entscheidung, bis deren Grenznutzen kleiner werde als die dadurch entstehenden Grenzkosten (Marginalkosten). Seien die Kosten höher als der Nutzen, stelle sich der Verzicht auf die Einholung weiterer Informationen sowie der Verzicht auf deren Verarbeitung als rationales Verhalten gemäß dem neoklassischen Verhaltensmodell dar. Dies erscheint in der Grundaussage durchaus überzeugend. c) Eigennutzentheorem: Nutzenbefriedigung statt Nutzenmaximierung Das neoinstitutionelle Verhaltensmodell weicht auch von der neoklassischen Annahme der vollständigen Nutzenmaximierung ab.1466 So strebten Menschen oft nicht nach der Maximierung ihres Nutzens, sondern seien mit der bloßen Befriedigung desselben zufrieden. Sie suchten schon aus Kostengründen nicht nach der nutzenmaximierenden, sondern nur nach einem zufriedenstellenden Ergebnis („satisficing“ anstelle von „maximizing“), und könnten sich bestenfalls an „Daumenregeln“ orientieren.1467 Auch das Konzept der eingeschränkten Nutzenmaximierung wird freilich im Sinne des neoklassischen Verhaltensmodells gedeutet: 1468 Dieses verlange kein bewusstes Streben der handelnden Individuen nach Maximierung ihres Nutzens, sondern nur, dass sie ihren Nutzen im Rahmen der gegebenen Umstände inklusive der vorhandenen Restriktionen maximieren. Es könne deshalb durchaus als nutzenmaximierend angesehen werden, wenn Menschen auf die Suche nach neueren und besseren Handlungsalternativen verzichten und ihre Entscheidungen auf der Grundlage der vorhandenen Handlungsmöglichkeiten treffen, sofern die alternativen Hand1461 

Picot/Dietl, WiSt 19 (1990), 178, 179. Siehe dazu noch Teil 4 D. III. 1. 1463  Rühl, Statut und Effizienz, S.  99. 1464 Vgl. Eidenmüller, Effizienz, S.  38 mit Fn.  51; Homann/Suchanek, Ökonomik, S.  365 f.; Posner, Economic Analysis of Law, S.  18; Rühl, Statut und Effizienz, S.  99. 1465 Vgl. Kirchner, in: FS Schäfer, 2008, S.  37, 45. 1466  North, Institutionen, institutioneller Wandel und Wirtschaftsleistung, S.  21 ff. 1467  Simon, Administrative Behavior, S.  x xix f.; Siehe auch Eidenmüller, Effizienz, S.  38 f.; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  103. 1468  Rühl, Statut und Effizienz, S.  100. 1462 

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lungsvarianten mit Kosten verbunden sind. Vor diesem Hintergrund handle es sich beim Modell des neo-institutionellen Verhaltens ebenfalls eher um eine „Konkretisierung und Verfeinerung des neo-klassischen Verhaltensmodells“, nicht jedoch um eine gänzlich „wesensverschiedene Alternative“.1469 3. Insbesondere: Das Problem opportunistischen Verhaltens von Vertragspartnern In einem unregulierten Markt ist es Transaktionspartnern nicht möglich, das Verhalten des jeweils Anderen zu kontrollieren. Es bietet sich deshalb die Möglichkeit, die eigenen Vorteile mit unredlichen Mitteln zu mehren („self-interest seeking with guile“1470), indem etwa die wahren Präferenzen verborgen oder dem Vertragspartner falsche bzw. verzerrte Informationen gegeben werden.1471 Ein solches Verhalten weicht von der idealtypischen Kooperation im Sinne der neoklassischen Theorie ab, die von einer im Austauschvertrag zu Tage tretenden Harmonie der Parteiinteressen ausgeht.1472 Eine marktwirtschaftliche Grundordnung bedarf deshalb eines rechtlichen Rahmens. Dieser darf die Unternehmen aber nicht daran hindern, institutionelle Arrangements zu treffen, um einem opportunistischen Verhalten zu begegnen, da ein solches seinerseits die material-chancengleiche Selbstbestimmung der Vertragspartner untergräbt.1473 Darüber hinaus müssen bei der Ausgestaltung der institutionellen Voraussetzungen von Markttransaktionen die Kosten für ihre Inanspruchnahme beachtet werden, weshalb es anders als in der Wohlfahrtsökonomie nicht unbedingt sinnvoll ist, Rechtsregeln so auszugestalten, dass sie in jedem Einzelfall das – in Abhängigkeit von der gewählten Zielfunktion zu beurteilende – richtige Ergebnis bewirken.1474 Entsprechende Einwände werden auch gegen den „more economic approach“ der Kommission vorgebracht.1475 Die Neue Institutionenökonomik konnte nachweisen, dass sich ein durch Informationsdefizite, beschränkte Rationalität und Transaktionskosten begünstigtes opportunistisches Verhalten nicht nur negativ auf das individuelle Vertragsverhältnis auswirkt, indem es – in juristischer Diktion – zu einer Störung der Richtigkeitschance des Vertragsschlusses führt,1476 sondern auch negativ auf 1469  Rühl, Statut und Effizienz, S.  100; Posner, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1551, 1553; dagegen Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1593 ff. 1470  Williamson, The Economic Institutions of Capitalism, S.  47. 1471  Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  5 f. 1472  Zur Harmonie der Parteiinteressen siehe Fornasier, Freier Markt, S.  48 und 25. 1473 Vgl. Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  202 f.; zur Diskussion in den USA siehe Hovenkamp, University of Iowa Legal Studies Research Paper No. 10–35. 1474  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  204 und 266 ff. 1475  Siehe aus Sicht der „klassischen“ Wohlfahrtsökonomie I. Schmidt, in: FS Bechtold, 2006, S.  409, 410 f. 1476  Fornasier, Freier Markt, S.  51 f.

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den Marktprozess im Ganzen. So kann die realistische Möglichkeit von Kooperationsstörungen das Vertrauen in die ordnungsgemäße Durchführung von Markttransaktionen erschüttern und auf diesem Wege den Funktionsmechanismus des Marktes insgesamt beeinträchtigen, indem eigentlich wohlstandsfördernde Transaktionen unterbleiben; 1477 denn rationale Marktakteure werden das Opportunismusrisiko ihrer potenziellen Vertragspartner bereits im Vorfeld der Transaktion antizipieren und präventive Abwehrstrategien bis hin zum vollständigen Verzicht auf die Transaktion entwickeln. Die entsprechenden Gefahren für den funktionsfähigen Marktprozess hat George A. Akerlof im Jahr 1970 für den Gebrauchtwagenmarkt aufgezeigt.1478 Sein Konzept wird auch als sog. „market for lemons“ bezeichnet.1479 Vergleichbare negative Auswirkungen auf den Marktprozess kann die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens ex post haben.1480 In einem unreglementierten Markt können somit durch Transaktionskosten und die begrenzte Rationalität der Marktteilnehmer individuelle Vertragsstörungen und überindividuelle Marktstörungen hervorgerufen werden. Es geht der Neuen Institutionenökonomik jedoch nicht nur um das Aufzeigen dieser Transaktionsstörungen, sondern auch – in Übereinstimmung mit dem Ordoliberalismus1481 – um deren Überwindung durch Institutionen als Informationsund Motivationsquellen.1482 Sie will mit anderen Worten das Entscheidungsverhalten der Menschen nicht nur besser verstehen, sondern auch besser lenken können.1483 Dabei wird das Privatrecht als Instrument begriffen, das die Voraussetzungen für das Kooperationselement des Marktmechanismus sichern soll.1484 Welcher Qualität die Rechtsnormen sein sollen, ist damit allerdings nicht notwendig gesagt; denn über die Theorie vom „lemon market“ kann grundsätzlich nicht nur die Statuierung von dispositivem,1485 sondern auch von zwingendem Vertragsrecht begründet werden,1486 etwa im Bereich der AGBKontrolle.1487 1477 

Fornasier, Freier Markt, S.  51 und 53 f. Akerlof, Quart. J. Econ. 84 (1970), 488 ff. 1479  Siehe auch Merkt, Unternehmenspublizität, S.  207 ff. 1480  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  257; Fornasier, Freier Markt, S.  53. 1481  Fornasier, Freier Markt, S.  62: „Die ‚Grundprinzipien‘ Euckens und der ‚Ordnungsrahmen‘ Böhms decken sich in ihrer Funktion mit den Institutionen im Sinne des neoinstitutionellen ökonomischen Ansatzes.“ 1482  Bardmann, Betriebswirtschaftslehre, S.  335. 1483  Williamson, Markets and Hierarchies, S.   26; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  7. 1484 Vgl. Fornasier, Freier Markt, S.  55. 1485  Zur entsprechenden staatlichen „Infrastrukturverantwortung“ siehe Möslein, Dispositives Recht, S.  377 ff. 1486 Micklitz/G.-P. Calliess, Verbraucherrecht, S.  65, 68 ff. 1487  Zur Legitimation der AGB-Kontrolle aus der Informationsasymmetrie vgl. Oetker, AcP 212 (2012), 202, 218. 1478 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

4. Konsensbasierte Erklärung des Wettbewerbsrechts Aus Sicht der institutionenökonomischen Analyse des Rechts wird das Wettbewerbsrecht als eine Spezifizierung von Eigentumsrechten („property rights“) verstanden. Es beschränke die formalen Handlungsrechte von Unternehmen, um die materiale Handlungsfreiheit der von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Individuen zu schützen.1488 Private Schadensersatzansprüche dienten insoweit dazu, die negativen externen Effekte beim Schädiger zu internalisieren.1489 Entscheidend ist mithin, wann ein unternehmerisches Verhalten als relevante Beschränkung der materialen Handlungsfreiheit anzusehen ist.1490 Anknüpfend an die Unterscheidung zwischen Verfassungsebene, Privatrechtsordnung und Vertrag der konstitutionellen Ökonomik haben Karl Homann und Christian Kirchner vorgeschlagen,1491 zur Erklärung eines Kartellverbots zwischen Austauschverträgen, die sowohl auf individueller Ebene als auch auf der darüber liegenden kollektiven Ebene zustimmungsfähig sind, und solchen, die negative Wirkungen für Dritte haben, zu unterscheiden. Zwar basierten Letztere auf dem Konsens der Kartellanten. Sie bezweckten oder bewirkten jedoch zugleich negative externe Effekte für die davon faktisch Betroffenen. Insoweit bestehe ein Legitimationsproblem, das sich auf zwei Wegen ­lösen lasse: Entweder die Kartellanten einigten sich (was in der Praxis nicht vorkommen wird) ex ante mit den Drittbetroffenen, oder die Entscheidung über die (Un-)Zulässigkeit eines Verhaltens müsse auf der nächst höheren Regelungsebene getroffen werden. Dort sei zu klären, welche Kollektiventscheidung aus Sicht der betroffenen Akteure unter einem „Schleier des Nichtwissens“ den Gesamtvorteil (die sog. Kooperationsdividende) erhöhe. Für Markttransaktionen sei – so Kirchner – die Gewährleistung von Vertragsfreiheit unabdingbar, da sich Wettbewerber auf dieser Grundlage permanent um die Gunst der Konsumenten bewerben müssten.1492 Damit erweise sich eine von rechtlichen Einschränkungen frei gehaltene Vertragsfreiheit als Voraussetzung für angreifbare Märkte („contestable markets“).1493 Diese Ausführungen lesen sich auf den ersten Blick wie eine Rechtfertigung der eigentlich überwundenen formalen Pri­ vat­autonomie.1494

1488 Siehe

Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 39. bedeutet allgemein, eine Gruppennorm als für die eigene Person verbindlich zu übernehmen; vgl. Voigt, Institutionenökonomik, S.  29. 1490  Vgl. wiederum Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 42 ff.; dazu Bachmann, Private Ordnung, S.  104 f. 1491  Homann/Kirchner, JNPÖ 14 (1995), 189, 203 f. 1492  Vgl. zum Folgenden Kirchner, in: FS Ingo Schmidt, 1997, S.  33, 44 ff. 1493  Siehe dazu noch Teil 7 B. I. 1. 1494  Siehe Teil 3 B. I. 1489  Internalisieren

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Hardcore-Kartelle seien klassische Mittel zur Generierung negativer externer Effekte.1495 Komme keine vertragliche Einigung zwischen den Kartellanten und den Drittbetroffenen über einen finanziellen Ausgleich zustande,1496 streite die übergeordnete Regelungsebene für ein Ex-ante-Verbot des Kartells, sofern nicht ausnahmsweise überwiegende Effizienzvorteile vorlägen. Da die Entscheidung für eine solche Regelung (möglicherweise) ohne Zustimmung der kartellierungswilligen Unternehmen ergangen sei, müsse zu ihrer Legitimation noch eine Stufe höher auf die Verfassungsebene geblickt werden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht sei ein Kartellverbot jedoch ebenfalls zum Schutz der materialen Privatautonomie der anderen Marktteilnehmer legitimiert. Diese Ausführungen sind grundsätzlich überzeugend, da sie die drittbelastende Wirkung eines Kartells durch den fehlenden material-echten Konsens zwischen den Kartellanten und den Drittbetroffenen und damit privatrechtskonform erklären.1497 Nicht überzeugen können demgegenüber die Erwägungen Kirchners zur Preismissbrauchskontrolle. So führe eine Preismissbrauchskontrolle von marktbeherrschenden Unternehmen zu keiner Erhöhung der Kooperationsrendite der Marktteilnehmer, da hierdurch letztlich nur die Anreize für einen Marktzutritt für Newcomer gesenkt würden. Entsprechende – meines Erachtens nicht überzeugende – Argumente wurden gegen den im Jahr 2007 geschaffenen §  29 GWB vorgebracht und sollen in diesem Zusammenhang gewürdigt werden.1498 Darüber hinaus würden die Anreize des Marktbeherrschers gesenkt, in Produktinnovationen zu investieren. Diese Argumente laufen letztlich darauf hinaus, marktbeherrschenden Unternehmen antikompetitiv überhöhte Entgelte zuzugestehen, weil durch eine Preiskontrolle die Märkte nur noch weiter vermachteten. Ermögliche man den Wettbewerbsverletzern demgegenüber eine Ausbeutung anderer Marktteilnehmer, würde dadurch auf lange Sicht der Wettbewerbsprozess gestärkt, da andere Unternehmen einen Anreiz zum Marktzutritt hätten. Hierdurch wird letztlich der Individualschutz der Marktteilnehmer vor Ausbeutung gegen die vage Befürchtung aufgerechnet, eine Wiederherstellung der Situation wie bei wirksamem Wettbewerb mache die Lage für die Verbraucher langfristig nur noch schlimmer. Es liegt auch keine Situation wie beim oben beschriebenen „market for lemons“ vor. Zwar werden unter Umständen die Anreize für Marktzutritte anderer Unternehmen durch eine kompetitive Preiskontrolle vermindert. Diese sind jedoch nicht vollständig ausgeschlossen; denn die Preise werden durch eine Kontrolle am Als-ob-Wettbewerbsmaßstab nicht notwendig auf ein Grenzkostenniveau herabgesenkt, 1495 

Vgl. auch Bachmann, Private Ordnung, S.  104. Zu den von einer (Kartell-)Vereinbarung Beteiligten zählen hiernach nicht nur die eigentlichen Adressaten, sondern auch die durch ihre sozialen Wirkungen nur faktisch Belasteten; vgl Bachmann, Private Ordnung, S.  25. 1497 Ebenso Bachmann, Private Ordnung, S.  105. 1498  Siehe Teil 5 C. IV. 1496 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

sondern nur auf ein solches, das den Gegebenheiten bei wirksamem Wett­bewerb entspricht, also inklusive einer marktangemessenen Eigenkapitalverzinsung. Darauf ist zurückzukommen.

III. Die Verhaltensökonomik als Verfeinerung oder als Widerlegung der Neuen Institutionenökonomik? Als in der öffentlichen Wahrnehmung besonders präsenter Teil der aktuell modernen Post Chicago Economics1499 plädiert die Verhaltensökonomik für eine Anpassung des Verhaltensmodells des „homo oeconomicus“ an die wirtschaftlichen Realitäten. Wie wir gesehen haben, nimmt bereits die Neue Institutionenökonomik gewisse Änderungen des neoklassischen Verhaltensmodells vor. Innerhalb der einzelnen Unterdisziplinen besteht darüber jedoch keine Einigkeit. Darüber hinaus lassen sich die neoklassischen Änderungen des „Homo-oeconomicus-Modells“ noch als rationales und damit regelgerechtes Verhalten der Marktteilnehmer deuten.1500 Demgegenüber will die Verhaltensökonomik aufzeigen, dass ein vom neoklassischen Verhaltensmodell abweichendes Marktverhalten der Regelfall ist. Welche Folgerungen aus dieser Erkenntnis zu ziehen sind, ist derzeit aber noch offen; denn eine Rechtsordnung benötigt zur präventiven Verhaltenssteuerung von Individuen eines rationalen Verhaltensmodells. Es kann deshalb nicht darum gehen, Verhaltensmodelle generell als unbrauchbar darzustellen, sondern nur darum, diese im Rahmen der notwendigen Generalisierung soweit als möglich an die Realitäten anzunähern. 1. Grundlagen Neben dem neoklassischen und dem neoinstitutionellen Verhaltensmodell hat sich in jüngerer Zeit ein weiteres Verhaltensmodell entwickelt, das von seinen Verfechtern auch als „modernes Verhaltensmodell“ betitelt wird.1501 Es basiert auf der Verhaltensökonomik oder „Behavioral Law and Economics“ (verhal­ tens­orientierte Rechtsökonomie), die „in unübersehbarer Nachbarschaft zur Psychologie und Soziologie“1502 versucht, das Konstrukt des „homo oeconomicus“ weiter zu verfeinern. Die Verhaltensökonomik, die als Oberbegriff für eine ganze Reihe verschiedener Ansätze steht, baut auf den Erkenntnissen der experimentellen Ökono1499 

Siehe oben Teil 4 C. VII. Siehe Teil 4 D. II. 2. 1501 So Rühl, Statut und Effizienz, S.  100 mit Fn.  56, wonach es sich weniger um ein eigenständiges Verhaltensmodell als vielmehr um eine Kritik am neoklassischen und am („rekonstruierten“) neoinstitutionellen Verhaltensmodell handle. Vgl. auch DiMatteo/Prentice/Morant/Barnhizer, Visions of Contract Theory, S.  49 und 119 f. 1502 Gloy/Loschelder/Erdmann/Leistner, §  4 Rn.  12. 1500 

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mik auf. Diese arbeitete in Überprüfung von Aussagen der Spieltheorie1503 heraus, dass Spieler weder nur die dominante Strategie wählen noch streng rational handeln, sondern sich auch von Gesichtspunkten wie Fairness, sozialen Normen oder sogar von unsachlichen Erwägungen leiten lassen,1504 eine Feststellung, die eigentlich schon die Erfahrungen des täglichen Lebens belegen. Darüber hinaus zieht die Verhaltensökonomik Erkenntnisse der kognitionspsychologischen Forschung heran, womit sie letztlich an Erwägungen von Adam Smith anknüpft.1505 Die Verhaltensökonomik versucht dadurch Modellannahmen herauszuarbeiten, die ein wirklichkeitsnäheres Bild menschlicher Entscheidungsprozesse vermitteln als die neoklassische und auch die neoinstitu­ tionelle Markttheorie.1506 Sie konzentriert sich dabei auf die Erforschung der Motivation, die hinter einer bestimmten Entscheidung steht, sowie auf die Unter­suchung von Heuristiken, also Mechanismen, die unbewusst angewandt werden, um Menschen Entscheidungen zu erleichtern bzw. komplexe Entscheidungen überhaupt erst zu ermöglichen. Auf normativer Ebene will die Verhaltensökonomik Regeln entwickeln, die die Vielschichtigkeit menschlicher Verhaltensweisen berücksichtigen. Darüber hinaus wird diskutiert, ob und wenn ja, welche „irrationalen“ individuellen Entscheidungen durch paternalistische Eingriffe zu verhindern sind.1507 2. Verhaltensanomalien Die Verhaltensökonomik konnte in Kritik des neoklassischen und des neoinstitutionellen Verhaltensmodells verschiedene menschliche Verhaltensanomalien aufzeigen, wobei sich bald herausstellte, dass diese zuweilen nicht nur zufällig eintreten, sondern systematischen Charakter haben, dass Menschen also gleichförmig vom rationalen Verhaltensmuster abweichen, was wiederum bedeuten kann, dass eigentlich die Abweichung das rationale Verhalten und die bisherige Verhaltensannahme irrational ist. Für diese Abweichungen hat sich der Begriff „bias“ (Verzerrung) eingebürgert; gesprochen wird gelegentlich auch von „error“ (Fehler) und „fallacy“ (Trugschluss).1508 Die Behavioral Economics richten sich insbesondere gegen die Annahme eines technologisch bzw. instrumentell 1503  Die Spieltheorie ist aufgrund ihrer hohen Anforderungen an die Rationalität der Spieler weder mit der Neuen Institutionenökonomik noch mit der Verhaltensökonomik gleichzusetzen, vgl. Posner, Economic Analysis of Law, S.  18 f. 1504  Siehe dazu Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  209 f. 1505 Camerer/Loewenstein/Rabin/Camerer/Loewenstein, Advances in Behavioral Economics, S.  3, 5 ff. 1506 Grundlegend Kahnemann und Tversky, siehe das Werk Choices, Values and Frames aus dem Jahr 2000. 1507  Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  103. 1508 Vgl. Jolls/Sunstein/Thaler, Stan L. Rev. 50 (1998), 1471, 1548 ff.; Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S.  575, 577; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  214.

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vernünftigen Vorgehens. Auch im deutschen Schrifttum werden ihre Erkenntnisse mittlerweile rezipiert.1509 Das „moderne“ Verhaltensmodell erhebt gegen das Konzept der vollständigen oder eingeschränkten Rationalität auf der Grundlage kognitionspsychologischer und verhaltenswissenschaftlicher Experimente Bedenken: Bereits die Informationsaufnahme sei nur eingeschränkt rational, da sie selektiv erfolge und sich vor allem an Informationen orientiere, die gerade verfügbar sind („availability bias“) 1510 . Bei einem Unfall erscheine zum Beispiel die Ex-ante-Eintrittswahrscheinlichkeit rückblickend höher, als sie tatsächlich gewesen sei („hindsight bias“).1511 Darüber hinaus weiche die Informationsverarbeitung von den Annahmen des „homo oeconomicus“ ab. So sinke etwa der Grenznutzen von Informationen mit zunehmender Anzahl und könne sogar negativ werden („information overload“).1512 Die Urteilsbildung entspreche ebenfalls nicht strikter Rationalität. Menschen folgten auch sog. Heuristiken, also Mechanismen, um sich die Entscheidungsfindung zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, die sich in einigen Fällen als vorteilhaft, in anderen jedoch auch als irreführend herausstellen könnten (sog. Daumenregeln).1513 Darüber hinaus schätzten sie ihre eigene Leistungsfähigkeit zuweilen als zu optimistisch ein („over-confidence bias“).1514 Menschen dächten gelegentlich auch in „geistigen Schubladen“, weshalb sie hohe Kreditkarten- (oder Dispositions-)Zinsen in Kauf nähmen, anstatt bei derselben Bank niedriger verzinsliche Sparkredite in Anspruch zu nehmen.1515 Auch filterten die Marktteilnehmer Informationen auf der Grundlage eigennütziger Dispositionen („self-serving bias“).1516 Ein weiteres systematisches Rationalitätsdefizit liege in der begrenzten Willensstärke des Menschen („bounded willpower“).1517 Zukünftige Nutzen und Kosten seien weniger gewichtig als gegenwärtige und müssten deshalb abgezinst werden. Es sei jedoch irrational, wenn die Diskontraten nicht etwa sinken, sondern steigen, je näher die Zukunft rückt (sog. hyperbolisches Diskontieren). 1518 1509  Bechtold, Zwingendes Vertragsrecht, S.  23; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218 ff.; Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S.  575, 577 ff.; Rolle, Homo oeconomicus, S.  307 ff.; Bachmann, ZHR 177 (2013), 1 ff. Ausführlich van Aaken, „Rational Choice“, S.  88 ff. 1510  Tversky/Kahnemann, Cogn. Psychol. 5 (1973), 207 ff. 1511 Grundlegend Fischoff, J. Exp. Psychol.: Hum. Percep. Perf. 1 (1975), 288 ff. 1512  Jacoby/Speller/Kohn, J. Market. 11 (1974), 63 ff. 1513  Jolls/Sunstein/Thaler, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1471, 1548 ff.; relativierend Gigerenzer/ Gaissmaier, Annu. Rev. Psychol. 62 (2011), 451, wonach Heuristiken nicht als rational oder irrational einzustufen seien, sondern ihre zutreffende Verwendung von den konkreten Umständen abhänge, wobei Menschen diese trainieren könnten. 1514  Fischoff/Slovic/Lichtenstein, J. Exp. Psychol: Hum. Percep. Perf. 3 (1977), 522 ff. 1515  Gross/Souleles, Quart. J. Econ. 117 (2002), 149, 180. 1516  Miller/Ross, Psychol. Bul. 82 (1975), 213 ff. 1517  Jolls/Sunstein/Thaler, Stan L. Rev. 50 (1998), 1471, 1489 ff. 1518  Siehe zum „Gesetz der Minderschätzung künftiger Bedürfnisse“ schon von Böhm-Bawerk, Kapital und Kapitalzins, S.  321; siehe auch Laibson, Quart. J. Econ. 112 (1997), 443 ff.; Rolle, Homo oeconomicus, S.  310.

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Neben den Annahmen über die Urteilsbildung kritisiert die Verhaltensökonomik auch die neoklassischen und neoinstitutionellen Annahmen über menschliche Präferenzen, indem nachgewiesen werden soll, dass diese von außen beeinflusst werden.1519 So verweist die Verhaltensökonomik auf kontextuale Irrationalitäten im Entscheidungsverhalten wie etwa sog. Ankereffekte, wonach Menschen bei bewusst getroffenen Wahlentscheidungen von vorhandenen Umgebungsinformationen beeinflusst würden, ohne dass ihnen dies bewusst sei.1520 Darüber hinaus zeigten Menschen eine Aversion gegen das Extreme, weshalb es sich in Verkaufsverhandlungen für den Verkäufer anbieten könne, dem Käufer neben dem eigentlich im Mittelpunkt stehenden Objekt noch ein erheblich teureres Objekt zu zeigen.1521 Weiterhin hat die Verhaltensökonomik sog. Besitzeffekte aufgezeigt, wonach Individuen zuweilen eine Prämie für den Verkauf von Gütern verlangten, obwohl sie das Gut für diesen Preis selbst nicht erwerben würden („endowment effects“).1522 Wenn jedoch die Bewertung einer Rechtsposition von ihrer Allokation abhänge, dann führten Verhandlungen auch bei Nichtexistenz von Transaktionskosten nicht zwingend zu einem invarianten Ergebnis.1523 Auch hänge das Entscheidungsverhalten von sog. Framing-Effekten ab, weshalb zum Beispiel ein Bild in Abhängigkeit von der Präsentation bewertet werde.1524 Schließlich nähmen Menschen Risiken in Kauf, um sichere Verluste zu minimieren, während sie risikoavers im Hinblick auf unsichere Gewinne agierten (Verlustaversion). Was als Gewinn oder als Verlust wahrgenommen werde, hänge häufig allein von der Art der Darstellung ab.1525 Dieselben objektiven Entscheidungssituationen führten somit – in Abhängigkeit der Darstellung des sog. Referenzpunktes – zu unterschiedlichen Ergebnissen.1526 Irrationales Entscheidungsverhalten werde schließlich auch durch versunkene Kosten beeinflusst, damit sich die bereits erbrachten Aufwendungen doch noch lohnten, auch wenn bei objektiver Betrachtung keine Aussichten auf einen guten Abschluss bestünden („sunk cost fallacy“).1527 Schlussendlich kritisiert die neue Verhaltensannahme das Konzept der Quasi-Nutzenmaximierung. So hätten die Spieltheorie im Rahmen des sog. Gefangenendilemmas1528 und die experimentelle Ökonomik beim sog. Ultima1519 Vgl.

Rühl, Statut und Effizienz, S.  105 f. m. w. N. Eidenmüller, JZ 2011, 814, 817. 1521  Eidenmüller, JZ 2011, 814, 817. 1522  Thaler, J. Econ. Behav. & Org. 1 (1980), 39, 44; Kahneman/Knetsch/Thaler, J. Econ. Persp.  5 (1991), 193, 194 ff.; Rolle, Homo oeconomicus, S.  307. 1523  Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219. 1524  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  89; grundlegend Kahneman/Tversky, Econometrica 47 (1979), 263 ff. 1525  Eidenmüller, JZ 2011, 814, 817. 1526  Van Aaken, „Rational Choice“, S.  88. 1527 Vgl. Jolls/Sunstein/Thaler, Stan L. Rev. 50 (1998), 1471, 1482 f., 1492 f.; Rolle, Homo oeconomicus, S.  307. 1528  Hargreaves-Heap/Varoufakis, Game-Theory, S.  172 ff. 1520 

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tum-Spiel1529 nachgewiesen, dass das menschliche Verhalten auch von Fairnessgesichtspunkten oder anderen sozialen Normen bestimmt werde, die je nach Einzelfall zu einer Kooperation, aber auch zu einer Bestrafung des Gegenübers führten, weil sich dieser in den Augen des Handelnden unfair verhalte.1530 3. Bewertung der verschiedenen Verhaltensmodelle Wie wir gesehen haben, ist das Modell des homo oeconomicus, das über die Forschungsrichtungen der „ökonomischen Analyse des Rechts“1531 bzw. der „ökonomischen Theorie des Rechts“1532 auch die Rechtswissenschaft erreicht hat, dauerhafter Kritik ausgesetzt: Aus ökonomischer Sicht – also zunächst unter Ausblendung rechtlicher Wertungen – ist entscheidend, ob sich Menschen tatsächlich bei generalisierender Betrachtung anders verhalten als es den Annahmen der neoklassischen Ökonomik entspricht.1533 Zur Verneinung dieser Frage ist es nicht erforderlich, dass ein Modell das Verhalten jedes einzelnen Individuums beschreiben kann. Die ökonomischen Verhaltensmodelle dienen vielmehr der Beschreibung des Verhaltens typischer bzw. durchschnittlicher Individuen bzw. von Gruppen von Akteuren auf Märkten.1534 Eine Charakteristik des individuellen Verhaltens von Individuen wäre schon aufgrund der hierdurch bewirkten Komplexität für eine ökonomische Analyse wertlos, da sie Vorhersagen über menschliches Verhalten und damit auch über die Wirkungen rechtlicher Regelungen verunmöglichen würde.1535 Ein ökonomisches Verhaltensmodell muss deshalb in einem gewissen Umfang von der Wirklichkeit ab­ strahieren, ohne diese aus den Augen zu verlieren; 1536 denn um verlässliche Aussagen über die Wirklichkeit machen zu können, müssen die Aussagen einen gewissen Bezug zu ihr aufweisen. Es handelt sich folglich um eine Art Gratwanderung zwischen Aussagekraft und Realitätsbezug.1537

1529 Vgl. dazu Güth/Schmittberger/Schwarze, J. Econ. Behav. & Org 3 (1982), 367 ff.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  208 ff. 1530  Eidenmüller, JZ 2005, 216, 219. 1531  Vgl. zu dieser Forschungsrichtung Behrens, Ökonomische Grundlagen des Rechts. 1532 So Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  1 ff. 1533  Eidenmüller, Effizienz, S.  37. Es geht aus ökonomischer Sicht also nicht um die Frage, ob das „Menschenbild“ der Ökonomie zutreffend sei, so Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  16. Anders ist dies freilich aus rechtlicher Sicht, insoweit zutreffend Fezer, JZ 1986, 817 ff. 1534  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 456. 1535  Rühl, Statut und Effizienz, S.  110. Dies gilt umso mehr für die praktische Wettbewerbs­ politik, die nicht unbesehen wettbewerbstheoretische Konzepte rezipieren kann; vgl. I. Schmidt, in: FS Bechtold, 2006, S.  409, 412. 1536  Insoweit zutreffend Posner, Economic Analysis of Law, S.  16. 1537  Rühl, Statut und Effizienz, S.  111.

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Auch mit Blick auf diesen Zielkonflikt scheint die Annahme des rationalen Nutzenmaximierers jedoch zunehmend zweifelhaft.1538 So stehen einem rationalen Verhalten die geschilderten Defizite bei der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung entgegen.1539 Nach jetzigem Stand der ökonomischen Forschung deutet einiges darauf hin, dass die Beobachtungen der Verhaltensökonomik nicht nur zufällig auftreten, sondern systematischer Natur sind.1540 Auf dieser Grundlage ist die Annahme, dass Menschen sich zumindest bei generalisierender Betrachtung als „homines oeconomices“ verhielten, kritisch zu hinterfragen.1541 Auch in der ökonomischen Theorie des Rechts werden diese Erkenntnisse unter dem Oberbegriff „Behavioral Law and Economics“ zunehmend aufgegriffen,1542 wobei nicht nur das Gesellschafts- und das Kapitalmarktrecht,1543 sondern auch das Wettbewerbsrecht1544 und das allgemeine Schuldrecht1545 im Blickpunkt stehen. Nach derzeitigem Stand der Erkenntnis scheint die Verwendung des abstrahierenden Modells des „homo oeconomicus“ jedoch weiterhin sinnvoll,1546 sofern es um die Aufstellung von Hypothesen über die Wirkung von Änderungen von Anreizen und Restriktionen auf das Verhalten der Regelungsadressaten geht.1547 So zeigen die Erfahrungen mit rechtlichen Regelungen, dass sich jedenfalls durchschnittliche und typische Menschen näherungsweise als rationale Nutzenmaximierer verhalten, indem sie über weitgehend unabhängige und konsistente Präferenzen und die Fähigkeit zur zutreffenden Verarbeitung von Informationen verfügen.1548 Das gilt jedenfalls für die Untersuchung marktlicher Transaktionen.1549 Hier ist das Modell des „homo oeconomicus“ auch im Rahmen der normativen Ökonomik nützlich, sofern man die Präferenzen der Akteure möglichst treffgenau formuliert.1550 Führte man die durch die Verhaltensökonomik behauptete Heterogenität in das Modelldenken ein, würde die1538 

Simon, AER 83 (1993), Papers and Proceedings, 156 und 158. Korobkin/Ulen, Cal. L. Rev. 88 (2000), 1051 ff. 1540  Jolls/Sunstein/Thaler, Stan L. Rev. 50 (1998), 1471 ff. 1541 Ebenso Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  217 f. 1542  Siehe die Beiträge bei Sunstein (Hrsg.), Behavioral Law and Economics; Engel/Englerth/Lüdemann/Spieker gen. Döhmann, Recht und Verhalten; vgl. außerdem van Aaken, „Rational Choice“, S.  82 ff. 1543  Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S.  575 ff. m. w. N. 1544  Vgl. etwa Wagner-von Papp, Marktinformationsverfahren, S.  124 ff. 1545  Eidenmüller, JZ 2005, 216 ff. 1546  Posner, Economic Analysis of Law, S.  17 ff.; Kelman, Stan. L. Rev 50 (1998), 1577 ff.; Kirchner, JITE 150 (1994), 37 ff.; ders., Ökonomische Theorie des Rechts, S.  14; Eidenmüller, JZ 2005, 216, 218. 1547  Kirchner, in: FS Schäfer, 2008, S.  37, 43. 1548  Rühl, Statut und Effizienz, S.  113 f. 1549  Homann/Suchanek, Ökonomik, S.  364 ff.; Kirchner, in: FS Schäfer, 2008, S.   37, 44; Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 150; Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 456. 1550 Ausführlich Kirchner, Ökonomische Theorie des Rechts, S.  15 ff. 1539 

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Teil 4:  Wettbewerbstheorien

ses für eine praktikable Anwendung zu komplex.1551 Weiterhin sind Laborexperimente nicht mit realen Marktgegebenheiten vergleichbar. So werden Rationalitätsdefizite durch Lerneffekte oder durch das Ausscheiden der betreffenden Akteure aus dem Markt kompensiert.1552 Auch wenn derartige Rationalitätsdefizite dauerhaft auftreten, sind sie für Prognoseentscheidungen irrelevant, solange nicht nachgewiesen wird, dass sie bei einer signifikanten Anzahl von Marktteilnehmern auftreten.1553 In Fällen, in denen es Individuen typischerweise an den für eine streng-rationale Entscheidung notwendigen Informationen ermangelt bzw. sich die Gewinnung der Informationen wegen der dafür erforderlichen Kosten nicht lohnt, können der ökonomischen Analyse jedoch die Konzepte der eingeschränkten Rationalität und der Nutzenmaximierung in Form des neoinstitutionellen Verhaltensmodells zugrunde gelegt werden.1554 Es geht somit darum, typische Fälle von Abweichungen zu identifizieren und entsprechende Verhaltensmuster zu formulieren. Zwar ist zutreffend, dass es sich bei den durch die Neue Institutionenökonomik nachgewiesenen Informationsaufnahme- und Informationsverarbeitungsschwächen sowie den durch die Verhaltensökonomik betonten Verhaltensanomalien um systematische Umstände und nicht nur um vereinzelte Problemlagen handelt.1555 Selbst im unternehmerischen Geschäftsverkehr ist somit keineswegs sicher, dass rationalitätsschwache Marktteilnehmer immer aus dem Markt ausscheiden.1556 Dass Rationalitätsdefizite ökonomische Prognosen nicht tangieren, scheint allenfalls für ideale Märkte zutreffend; selbst an Börsen wurde bei Aktionären und Analysten aber ein irrationales „Herdenverhalten“ nachgewiesen.1557 Allerdings steht die Forschung im Bereich der Verhaltensökonomik noch relativ am Anfang, weshalb die bisherigen Ergebnisse eher allgemeiner Natur und außerdem kontextabhängig sind. Darüber hinaus – und das ist für uns entscheidend – sind auch die normativen Implikationen dieses Ansatzes noch ungeklärt („hard“ oder „soft“ bzw. „liberal paternalism“).1558 Vor diesem Hintergrund scheint es sinnvoll, zur Beurteilung marktlicher Transaktionen bis auf Weiteres das Modell des „homo oeconomicus“ heranzuziehen,1559 auch wenn sich nicht abstreiten lässt, dass das ökonomische Effizienzkalkül gerade 1551 Dazu Camerer/Fehr, Science 311 (2006), 47 ff.; Bechtold, Zwingendes Vertragsrecht, S.  267. 1552  Posner, Stan. L. Rev. 50 (1998), 1551 ff. 1553  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 456; siehe auch Posner, Economic Analysis of Law, S.  17. 1554  Rühl, Statut und Effizienz, S.  116. 1555  Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S.  575, 577 f. 1556  A. A. insoweit Eidenmüller, JZ 2005, 216, 220. 1557  Friedrich, Die Rolle von Analysten, S.  112 f.; allgemein Shleifer, Inefficient Marktes, S.  1 ff. 1558  Ebenso im Ergebnis auch Eidenmüller, JZ 2011, 814, 819 ff.; Rühl, Statut und Effizienz, S.  121. 1559  Coyle, ZfW 61 (2012), 103, 113. Krit. Akerlof/Shiller, Animal Spirits, S.  237; Ruck­ riegel, Orientierungen 120 (2/2009), 49.

E. Zwischenergebnis – Vorzugswürdigkeit eines „modernen“ Ordoliberalismus

415

durch die aktuelle Wirtschaftskrise erheblich an Leistungsfähigkeit eingebüßt hat.1560 Aus diesem Grunde muss das Modell des „homo oeconomicus“ in der ökonomischen Forschung jedenfalls dort korrigiert werden, wo zuverlässige und methodisch verwertbare empirische Daten über ein systematisch abweichendes menschliches Verhalten vorliegen.1561 Dies wird weitere Forschungsanstrengungen erforderlich machen.

E. Zwischenergebnis – Vorzugswürdigkeit eines modernen Ordoliberalismus Die vorstehenden Ausführungen haben tiefe Divergenzen zwischen wohlfahrts­ ökonomischen und freiheitsbezogenen ökonomischen Theorien offenbart, die sich nicht nur in unterschiedlichen Zielen und methodischen Ansätzen, sondern auch in einem verschiedenen Blickwinkel auf rechtliche Institutionen wie Privatautonomie, Vertrag und Eigentum manifestieren. Während die wohlfahrtsökonomischen Ansätze das Privatrecht vornehmlich als Mittel zum Zweck ansehen, betonen die freiheitsorientierten Ansätze den Eigenwert der wirtschaftlichen Handlungsautonomie, aus deren individuellem Gebrauch sich der ergebnisoffene Wettbewerbsprozess ergebe. Hierbei unterscheiden sich die freiheitsbezogenen Ansätze wiederum in solche, welche die formelle Handlungsfreiheit in den Vordergrund stellen, und material-wertende Sichtweisen wie den (neuen) Ordoliberalismus. Letzterer ist aus ökonomischer Sicht allerdings dem Einwand der Unbestimmtheit ausgesetzt, da sich nicht genau festlegen lasse, wo der Freiheitsbereich des Einen ende und derjenige des Anderen anfange. Die derzeit modernen Post Chicago Economics präferieren deshalb eine Ausrichtung des Wettbewerbsrechts an der Verbraucherwohlfahrt. Diese Sichtweise ist jedoch selbst erheblichen Zweifeln ausgesetzt, da sie auf Werturteilen beruht, die der geltenden Wirtschaftsverfassung widersprechen. Der gegen den Ordoliberalismus erhobene Vorwurf der Wertungsbezogenheit wirkt aus juristischer Sicht auch deshalb befremdlich, weil sich die Rechtswissenschaft nicht auf eine formal-konstruktive Begriffsjurisprudenz zurückziehen kann, sondern einer Wertungsjurisprudenz verpflichtet ist. Der Ausgleich einander widerstrebender Freiheitspositionen durch wertende Betrachtung erscheint eher als Alltagsgeschäft der Privatrechtsdogmatik, für das kein Rückgriff auf vage Gemeinwohlerwägungen erforderlich ist. Letztere bilden in einer kompetitiven Privatrechtsordnung lediglich die äußeren Schranken der Vertragsfreiheit, nicht jedoch ihren inneren Geltungsgrund.1562 Dieser liegt – in 1560 So

Eidenmüller, JZ 2011, 814, 820. Coyle, ZfW 61 (2012), 103, 113. 1562  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 18. 1561 

416

Teil 4:  Wettbewerbstheorien

Übereinstimmung mit den Erkenntnissen des Ordoliberalismus – im Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung vor einer unangemessenen Ausbeutung. Eine Synthese der unterschiedlichen Ansichten muss das verfassungsrechtliche Erfordernis eines Schutzes der materialen Entscheidungsfreiheit sowie die rechtsstaatlichen Postulate der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität1563 mit den Erkenntnissen der neueren Ökonomie in Einklang bringen, indem Letztere insoweit zum Ausgleich widerstreitender Freiheitsbereiche herangezogen werden, als sie mit dem normativen Primat individueller Selbstbestimmung vereinbar sind. Zusätzlich können – gemäß der Ausrichtung der Union und ihrer Mitgliedstaaten auf eine soziale Marktwirtschaft – nicht-ökonomische Ziele wie der Umweltschutz beachtlich sein. Da der wirtschaftliche Wettbewerb letztlich um die Verbraucher als Schiedsrichter geführt wird, liegt es nahe, als Maßstab für die Bewertung ökonomischer Sachverhalte vor allem auf die Steigerung der Verbraucherwohlfahrt abzustellen. Diese Wohlfahrtsmehrung ist allerdings nur sehr begrenzt messbar. Sie muss deshalb primär durch die Sicherung der Dynamik des Wettbewerbsprozesses erzielt werden. Da der Wettbewerbsprozess durch Ausübung der individuellen wirtschaftlichen Freiheitsrechte der Marktteilnehmer in Gang gesetzt und in Gang gehalten wird, sind diese Rechte vor einer übermäßigen Beeinträchtigung durch wirtschaftliche Macht zu schützen. Dies entspricht im Ergebnis dem späten Ordoliberalismus Franz Böhms. Indem der Ordoliberalismus der wirtschaftlichen Freiheit einen normativen Eigenwert zuerkennt, der neben das ökonomische Ziel der Steigerung des Wohlstandes tritt, ergibt sich für ihn zwangsläufig das – sich auch im Rahmen der Wohlfahrtstheorie stellende, dort jedoch verdeckte – Erfordernis eines Ausgleichs einander entgegenstehender Freiheitspositionen. Damit legt der Ordoliberalismus ein juristisches Verständnis des Wettbewerbs zugrunde, das auf den Erkenntnissen der Ökonomie aufbaut und im Einklang mit diesen fortentwickelt werden kann.1564 Allerdings ist unter Sympathisanten eines modernen Ordoliberalismus umstritten, wie dies zu geschehen hat: Während Ernst Joachim Mestmäcker den Wettbewerb als Verfahren zur Entdeckung verstreuten Wissens ansieht,1565 legt Josef Drexl den Schwerpunkt auf die Wertbezogenheit der Freiheitsidee,1566 wohingegen Daniel Zimmer eine Integration neuerer ökonomischer Erkenntnisse wie der Spieltheorie und der Behavioral Economics fordert.1567 Wernhard Möschel betont schließlich, dass aus juristischer Sicht nur 1563 

Siehe oben Teil 4 B. III. 2. Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  177. 1565  Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S.  16 ff. 1566  Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  116 ff.; von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 953 ff. 1567  Zimmer, WuW 2007, 1198 ff. 1564 So

E. Zwischenergebnis – Vorzugswürdigkeit eines „modernen“ Ordoliberalismus

417

solche ökonomischen Erkenntnisse berücksichtigt werden können, die sich nicht nur abstrakt-generell bewerten, sondern auch im Einzelfall sachgerecht überprüfen lassen.1568 Wir werden hierauf später zurückkommen.

1568 

Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 419.

Teil 5

Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung A. Problemstellung Das Vertragsrecht bezieht seine innere Rechtfertigung aus dem Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer vor einer unangemessenen Ausbeutung.1 Der Gesetzgeber ist deshalb gehalten, eine Rahmenordnung zu setzen, die die gegenläufigen Freiheitssphären der Marktteilnehmer in einen sachgerechten Ausgleich bringt. Eben dies ist im Vertragsrecht die Aufgabe der §§  134, 138, 307 ff. und 315 BGB. Diese Vorschriften ermöglichen eine Inhaltskontrolle von Verträgen zum Schutz der schwächeren Vertragspartei vor den negativen Folgen antikompetitiver wirtschaftlicher Macht, dienen also dem Individualschutz. Auch die im Wettbewerbs- und im Regulierungsrecht normierten Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen beziehen sich nicht vorrangig auf übergeordnet-objektive Gesichtspunkte wie eine Steigerung der Gesamtwohlfahrt, sondern vor allem auf den Schutz material-chancengleicher Freiheit. Dies ist die immer noch gültige Kernaussage des Ordoliberalismus, der in seiner späten Form zugleich den Eigenwert der Selbstbestimmung betont, wie er de lege lata in der Wirtschaftsverfassung der sozialen Marktwirtschaft und den diese flankierenden Rechtsnormen zum Ausdruck kommt. Ein freiheitlicher Schutzansatz muss jedoch einen Maßstab entwickeln, mit dem die Freiheitsbereiche der Marktteilnehmer voneinander abgrenzt werden können. Darüber hinaus muss er eine Systematik entwickeln, um überindividuelle Effizienzvorteile zum langfristigen Wohl der Verbraucher angemessen berücksichtigen zu können, ohne die von einer unternehmerischen Regelung oder Maßnahme konkret-individuell beeinträchtigen Individualfreiheiten über Gebühr einzuschränken. Hier setzt die aktuelle, im „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht kulminierende Kritik von Vertretern der Wirtschaftswissenschaften an, wonach eine am Ausgleich der Freiheitssphären orientierte Rechtsanwendung auf Werturteilen beruhe und „dem Schutz der Wettbewerber und nicht dem Schutz des Wettbewerbs“ diene. Ein solcher Fehlschluss werde vermieden, wenn man die Interessen der Marktteilnehmer auf der

1 

Siehe oben Teil 3 D. IV.

A. Problemstellung

419

Grundlage einer wohlfahrtsökonomischen Kosten-Nutzen-Analyse ausgleiche. Hierfür sei wiederum auf die Wohlfahrtsökonomie der Post Chicago Economics zurückzugreifen. Eine solche Sichtweise stellt nicht nur die bislang anerkannte freiheitliche Schutzrichtung des Wettbewerbsrechts in Abrede. Sie negiert auch dessen funktionale Verbindungen zum Privatrecht, mit präsumtiv weitreichenden Folgen für die objektive Schutzreichweite der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Ausrichtung des Wettbewerbsrechts an wohlfahrtsökonomischen Erwägungen müsste bei folgerichtiger Betrachtung des Weiteren auch für die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften gelten, sieht man diese als sektorspezifische Konkretisierung des wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots an.2 Aus diesen Gründen wollen wir uns nachfolgend der freiheitsschützenden Ziele des Wettbewerbsrechts und ihrer normativen Ausgestaltung vergewissern. Mit der Bestimmung der objektiven Schutzrichtung des Wettbewerbsrechts eng verbunden ist diejenige der subjektiven Anspruchsberechtigung, also des geschützten Personenkreises. So liegt es nahe, den von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Marktteilnehmern bei einem freiheitlichen Verständnis auch eigene Ansprüche auf Schadloshaltung zuzubilligen. Demgegenüber würde ein Wettbewerbsrecht, das ökonomische Effizienzen schützte, den von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen nur dann eigene Ansprüche zuerkennen, wenn sich ein solches Vorgehen als „ökonomisch effizient“ darstellte.3 Die Effizienz individueller Ansprüche wird derzeit mit Blick auf sog. Bagatell(streu)schäden bestritten, die durch eine einzige Schädigungshandlung entstehen und durch die Verteilung entlang einer Vertragskette zu zahlreichen geringfügigen Einzelschäden führen.4 In diesen Fällen sei es besser, wenn die Drittbetroffenen keine eigenen Ansprüche hätten, obwohl auch eine Anspruchsbündelung durch kumulativ anwendbare Opt-in-Kollektivklagen oder durch Abtretung der individuellen Ansprüche an Dritte möglich ist.5 Die Schutzzwecke des Kartell- und des Missbrauchsverbots sind insbesondere für

2 

Das gilt es in Teil 7. D. näher zu begründen. Posner, Antitrust Law, S.  226; Landes/Posner, J. Leg. Stud. 4 (1975), 1 ff. 4  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199; Schaub, JZ 2011, 13, 15; Koch, JZ 2013, 390, 397; siehe auch Posner, Antitrust Law, S.  274 f. 5  Die Behandlung von gestreuten Bagatellschäden ist von der haftungsrechtlichen Fragestellung zu unterscheiden, ob ein Geschädigter auch für geringfügige Beeinträchtigungen Ersatz verlangen kann. Nach den §§  249 ff. BGB ist das grundsätzlich zu bejahen. Im Rahmen vertraglicher Rechtsbeziehungen können in AGB aber Selbstbehalte und Eigenbeteiligungen vereinbart werden; vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, §  309 Nr.  7 BGB Rn.  31. Im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse sieht etwa §  11 ProdHaftG eine Selbstbeteiligung vor, um Bagatellschäden auszuschließen; vgl. Schulze/Staudinger, §  823 BGB Rn.  207. Zur Begründung auf der Grundlage der Transaktionskostenökonomik siehe MünchKommBGB/Wagner, §  11 ProdHaftG Rn.  1. 3 Siehe

420

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

die Frage relevant, ob und wenn ja, in welchem Umfang wettbewerbsbeschränkende Verträge unwirksam sind.6

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht I. Einführung Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts entsprach es der herrschenden Ansicht, dass das Wettbewerbsrecht den freien Wettbewerbsprozess – und damit eine kompetitive Marktstruktur – schützt, damit dieser mittelfristig seine als Wettbewerbsfunktionen bezeichneten positiven wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Auswirkungen haben kann.7 Nach einer solchen Sichtweise beziehen sich die Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht auf das System des Privatrechts, indem sie die tatsächliche Auswahl­ freiheit der Marktteilnehmer sichern und sie vor einer Ausbeutung durch marktmächtige Rechtssubjekte schützen. 8 Gemeinsamer Fluchtpunkt aller Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist hiernach der „systemwidrige Gebrauch traditionell rechtmäßiger privatrechtlicher Handlungsfreiheiten“.9 Demgegenüber tritt unter dem Eindruck des „more economic approach“ der Kommission in jüngerer Zeit eine wohlfahrtsökonomisch inspirierte Auffassung in den Vordergrund, welche die Ergebnisse des Wettbewerbsprozesses im Einzelfall direkt im Hinblick auf die Erfüllung „effizienter“ ökonomischer Ergebnisse beurteilen will.10 Entgegen der missverständlichen Begrifflichkeit wird das Wettbewerbsrecht damit nicht stärker als bislang ökonomisch ausgerichtet; denn auch das herkömmliche Verständnis des Wettbewerbsrechts basiert auf ökonomischen Überlegungen wie dem Ordoliberalismus oder dem Struktur-Verhalten-Ergebnis-Ansatz der Harvard School of Economics. Es wird vielmehr ein anderes ökonomisches Verständnis bevorzugt, namentlich dasjenige der bislang als „offene Diskussionsplattform“ einzustufenden Post Chicago Economics.11 Mit dieser Ausrichtung ordnet der „more economic approach“ die rechtlichen Rahmenbedingungen des Marktprozesses ganz der Erzielung größtmöglicher ökonomischer Effizienz unter, wobei diese am Maß-

6  Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.  369; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  122. 7  Fikentscher, GRUR Int 2009, 635, 639. 8 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  5. 9  Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 9 f. 10  Kirchner, ZHR 173 (2009), 775, 780. 11  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107; siehe hierzu schon oben Teil 4 C. VII.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

421

stab der generell-abstrakten Verbraucherwohlfahrt bestimmt werden soll.12 Aus juristischer Sicht wird den ökonomischen Wettbewerbsfunktionen hierdurch eine eigene Teleologie zugemessen, indem sie selbst das Ziel bilden, zu dessen Verwirklichung die Marktteilnehmer beitragen sollen.13 Der „more economic approach“ hat damit – im Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten der Kommission, wie sie sich insbesondere aus der Kompetenz zur Statuierung von „soft law“ wie Bekanntmachungen und Leitlinien zur Anwendung der europäischen Wettbewerbsregeln ergeben14 – unmittelbare Auswirkungen auf die Ziele des Wettbewerbsrechts: Der Marktprozess und mit ihm die Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer sollen nur noch insoweit relevant sein, als sie zur Erreichung der wettbewerbspolitisch vorgegebenen Ziele beitragen können. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige Sichtweise grundlegende Auswirkungen auf das Verhältnis von Wettbewerbs- und Vertragsrecht hat; denn wenn das Wettbewerbsrecht vornehmlich kurzfristig gute ökonomische Ergebnisse und nicht langfristig die material-chancengleiche Selbstbestimmung der Bürger sichern soll, muss sich ein der Privatautonomie verpflichtetes Privatrecht auf andere Sicherungsmechanismen wie eine verstärkte Ex-post-Inhaltskontrolle von Verträgen im Einzelfall zurückziehen. Das Wettbewerbsrecht und mit ihm das Regulierungsrecht können ihre „Entlastungsfunktion“15 für den Schutz individueller Freiheiten vor Ausbeutung dann nämlich nicht mehr wahrnehmen, sondern sind ein Instrument zur gesamtgesellschaftlichen Steuerung, wie dies schon in den 1970er Jahren mit Blick auf das Stabilitätsgesetz vertreten wurde.16 Die in der Diskussion stehende Ausrichtung des Wettbewerbsrechts an ökonomischen Effizienzkriterien ist auch für das Verständnis der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen als privatrechtliche Schutz- und Verbotsgesetze bedeutsam. Nach der noch zu schildernden Courage-Rechtsprechung des EuGH kann „jedermann“ die Nichtigkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung einwenden und hat einen deliktischen Anspruch auf Schadensersatz, sofern er durch einen Verstoß gegen Vorschriften des Wettbewerbsrechts negativ betroffen ist.17 Gleichwohl werden diese Rechtsbehelfe von Teilen des Schrifttums unter Berufung auf Schutzzweckerwägungen negiert: 18 Da das 12 

Kerber, WuW 2008, 424, 425; siehe zum Verbraucherbegriff schon Teil 1 B. VI. Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  33. 14  Pohlmann, WuW 2005, 1005 ff.; Thomas, EuR 2009, 423 ff.; Immenga, EuZW 2010, 601. Eine rechtliche Bindung von Leitlinien für die mitgliedstaatlichen Gerichte und Wettbewerbsbehörden wurde verneint durch EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  31 – Expedia. Die Kommission hat auch keine normativ gesicherte Führungsrolle bei der Durchsetzung des europäischen Kartellrechts. A. A. Geiger, EuZW 2000 S.  325; Mäsch, GRUR-Prax 2013, 51. 15  G. P. Calliess, JJZ 2000, S.  85, 104 f. 16  Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 41 f.; a. A. FK/Paschke, §  19 GWB Rn.  5. 17  Siehe Teil 5 C. II. 3. und Teil 9 B. III. 1. 18  Prominentester Vertreter ist K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 198; siehe im Hinblick auf die Nichtigkeit von Folgeverträgen auch ders, in: FS Möschel, 2011, S.  559 ff. 13 

422

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Wettbewerbsrecht den Wettbewerb als Institut schütze, sei der mit ihm einhergehende Schutz der Wettbewerbsteilnehmer bloß ein abgeleiteter, der Individualschutz sei also nur ein Reflex.19 Demzufolge sei die Reichweite zivilrechtlicher Ansprüche allein von der Beurteilung der Zweckmäßigkeit abhängig. 20 Eine solche Sichtweise kann wettbewerbstheoretisch sowohl durch die „alte“ ordoliberale Schule – die Freiheitsrechte sollten hiernach ihre Grenze an den Interessen der Staatsgemeinschaft an der Produktivität der Wirtschaft finden 21 – als auch wohlfahrtsökonomisch – eine individuelle Anspruchsberechtigung wird nur dann gewährt, wenn diese unter Kostengesichtspunkten als effizient erscheint 22 – unterfüttert werden. Der Inhalt des Begriffs Institut (Institution) wird damit im Sinne der jeweils bevorzugten ökonomischen Theorie „aufgeladen“.23 Vor diesem Hintergrund gilt es, sich des privatrechtskonstitutiven, drittschützenden Zwecks der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu versichern. Hierzu ist auf Basis der bereits dargestellten wettbewerbstheoretischen Ansätze eine Auseinandersetzung mit den grundlegenden Aussagen des „more economic approach“ unabdingbar.

II. Grundlinien des „more economic approach“ 1. Änderung des wettbewerbspolitischen Leitbilds Der „more economic approach“ der Kommission will die Wettbewerbsregeln der Union und – über die rechtliche und faktische Bindungswirkung des Unionsrechts24 – auch diejenigen der Mitgliedstaaten an den gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen („effects“) unternehmerischen Verhaltens ausrichten. Mit dem Zweck der Wettbewerbsregeln betrifft er zugleich deren rechts- und wettbewerbstheoretische Grundlagen.25 Die Kommission hat einen „stärker wirtschaftlichen Ansatz“ bei der Beurteilung der europäischen Wettbewerbsregeln zuerst in ihrem Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung von Art.  85 und 86 EGV aus dem Jahr 1999 (Art.  101 und Art.  102 AEUV) in Aussicht gestellt.26 Das Weißbuch führte zur Ablösung der VO 19 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Rehbinder,

§  33 GWB Rn.  16. Glöckner, WRP 2007, 490 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Rehbinder, §  33 GWB Rn.  16. 21 Siehe Böhm, Ordnung der Wirtschaft, S.  142 ff., 156 f. Vgl. dazu Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 196; Riesenhuber/Roth, Privatrechtsgesellschaft, S.  175, 178 f. mit Fn.  22 und 193 ff. 22  Zur Effizienzausrichtung der Post Chicago Economics siehe Teil 4 C. VII. 3. 23  Siehe zur Ambivalenz des Begriffs Institut Teil 1 B. I. 24  Rechtlich bindend sind etwa die Gruppenfreistellungsverordnungen zu Art.  101 Abs.  3 AEUV, faktische Bindungswirkung entfaltet das „soft law“ in Form von Leitlinien und Bekanntmachungen. 25 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  4. 26  Kommission, Weißbuch Anwendung Art.  85 und 86 EGV. 20 

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

423

Nr.  17/1962 durch die VO Nr.  1/2003.27 Diese brachte für Art.  81 Abs.  3 EG (Art.  101 Abs.  3 AEUV) einen Übergang von einem behördlichen Freistellungssystem zu einem solchen der Legalausnahme und – damit zusammenhängend – zur dezentralen Anwendung der Norm durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und Behörden.28 Der Verzicht der Kommission auf ihr Freistellungsmonopol hatte für die Unternehmen zur Folge, dass sie seit dem Tag des Inkrafttretens der VO Nr.  1/2003 am 1.5.2004 (Art.  45 VO Nr.  1/2003) selbst einschätzen müssen, ob ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten durch überwiegende ökonomische Effizienzvorteile kompensiert wird, ob mit anderen Worten ein individuell wettbewerbsbeschränkendes Verhalten zum langfristigen Vorteil aller Verbraucher hingenommen wird. Aufgrund der Komplexität einer solchen Selbsteinschätzung und der damit verbundenen Risiken bemüht sich die Kommission seitdem, den nationalen Gerichten, Behörden sowie den Unternehmen über Mitteilungen, Bekanntmachungen und Leitlinien Auslegungshilfen an die Hand zu geben.29 In diesen Dokumenten vollzog sie zugleich den Wechsel von einem primär freiheitlichen zu einem primär effizienzbasierten Wettbewerbsrecht. Der im Weißbuch aus dem Jahr 1999 angekündigte „stärker wirtschaftliche Ansatz“ wurde dort noch nicht näher konkretisiert.30 Erst die Äußerungen führender Repräsentanten der Kommission zeigten, dass es um an den Effizienz­ wirkungen auf die Konsumentenwohlfahrt ausgerichtete Marktergebnistests gehen sollte, auch wenn deren genaue dogmatische Konturen lange Zeit ungewiss blieben. Eine repräsentative und einflussreiche Zusammenfassung der Grundideen des „more economic approach“ enthält ein Bericht der „European Advisory Group on Competition Policy“ („EAGCP“) aus dem Jahr 2005.31 Obwohl sich dieser Bericht direkt nur mit dem Missbrauchsverbot des Art.  82 EG (Art.  102 AEUV) befasste, erstreckte er die „neue Herangehensweise“ einleitend auch für das Kartellverbot und die Fusionskontrolle.32 Im Dezember 2005 veröffentlichte die Kommission im Hinblick auf das Verbot des Behinderungsmissbrauchs sodann ein Diskussionspapier,33 das im Schrifttum auch aufgrund seines Zusammenhangs mit dem Bericht der EAGCP kontrovers disku27  Verordnung (EG) Nr.  1/2003 des Rates v. 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.EG Nr. L 1/1. 28  Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 116. 29  In diesen dominiert der „more economic approach“ so stark, dass im Schrifttum von einer Einebnung der Eigenbedeutung der verschiedenen Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu Gunsten eines übergreifenden Missbrauchsprinzips die Rede ist; vgl. Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303 ff.; Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  3. 30  Kommission, Weißbuch Anwendung Art.  85 und 86 EGV, Rn.  78. 31  Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  3. 32  Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  2. 33  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, 2005.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

tiert wurde.34 Die Diskussion führte dazu, dass die Kommission in ihren „Erläuterungen zu Prioritäten bei der Anwendung von Artikel 82 des EG-Vertrages auf Fälle von Behinderungsmissbrauch durch marktbeherrschende Unternehmen“ nur eine reduzierte Version ihres ursprünglichen Vorschlags zur Anwendung brachte, die neben dem intendierten „effects based approach“ stärker die freiheitssichernde Rechtsprechung der Unionsgerichte beachtete.35 Aufrechterhalten bleibt dort insbesondere die im ökonomischen Schrifttum kritisierte „besondere Verantwortung marktbeherrschender Unternehmen für die Struktur des Marktes“,36 also mit anderen Worten die im Zentrum unserer Untersuchung stehende Ausrichtung der Missbrauchsvorschriften an den Auswirkungen unternehmerischer Marktmacht auf Dritte. Ansonsten zeigt die – vorliegend nicht im Detail zu behandelnde37 – Prioritätenmitteilung aber eine deutliche Affinität zu wohlfahrtstheoretischen Ansätzen, indem sie generell für eine Bilanzierung eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens mit Effizienzen plädiert,38 ein Vorschlag, der später vom EuGH aufgenommen wurde.39 Im Bericht der EAGCP finden sich bereits die relevanten Schlagworte, die immer noch die Diskussion über die Sinnhaftigkeit eines „more economic approach“ dominieren: 40 Der bis dato geltende formal-juristische Ansatz bei der Ermittlung von Wettbewerbsbeschränkungen („form based approach“) soll zu Gunsten eines wirkungsorientierten Ansatzes aufgegeben werden („effects based approach“). Die Wirkungen sollten danach beurteilt werden, ob ein wettbewerblicher Schaden zu erwarten oder bereits eingetreten sei oder nicht („competitive harm“).41 Dies sei der Fall, wenn die Verbraucher geschädigt würden. Ein Verbraucherschaden liege vor, wenn die Effizienzgewinne (also die 34 Vgl. Albers, WuW 2006, 3; Wirtz/Möller, WuW 2006, 226 ff.; A. Schmidt/Voigt, WuW 2006, 1097 ff.; Dreher, WuW 2008, 23 ff. 35  Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl.EU v. 24.2.2009, Nr. C 45/7; siehe auch Gra­ bitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Art.  102 AEUV Rn.  15 ff.; Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  33 ff. 36  Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  1. 37  Zur Marktabgrenzung, zu Kampfpreisstrategien und zu Rabattsystemen marktbeherrschender Unternehmen siehe Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  279 ff., 389 ff., 529 ff., mit Bespr. Christiansen, WuW 2011, 621 f. 38  Siehe insbesondere die Vorgaben für preisbezogene Behinderungsmissbräuche, wonach eine wettbewerbswidrige Marktverschließung nur dann gegeben sein soll, „wenn das fragliche Verhalten andere, genauso effiziente Wettbewerber wie das marktbeherrschende Unternehmen („as efficient competitors“) daran hindert bzw. bereits gehindert hat, am Wettbewerb teilzunehmen“; Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  23 [im Orig. z. T. hervorgehoben]. Siehe dazu Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  33. Der „as-efficient-competitor“-Test wurde mittlerweile vom EuGH anerkannt, vgl. das Urteil v. 14.10.2010 – Rs. C-280/08 P, WuW EU-R 1779 LS.  3 und Rn.  163 ff. – Deutsche Telekom. 39  Siehe Teil 5 C. III. 1. c). 40  Zum Folgenden instruktiv Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  12. 41  Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  3.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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ökonomisch zu bestimmenden Vorteile für alle Verbraucher) eine Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit Einzelner aufwögen. Nur durch eine solche Abwägung könne vermieden werden, dass auch wirklich der Wettbewerb und nicht ein [ineffizienter] Wettbewerber geschützt werde.42 Die Effizienz solle in der Praxis insbesondere anhand der Kosten ermittelt werden, da sich diese modellhaft besonders gut abbilden ließen.43 Zu überwinden seien folgerichtig die formalen Anknüpfungspunkte der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen, allen voran das zur Feststellung wirtschaftlicher Macht zentrale Merkmal der Marktbeherrschung,44 aber auch normativ abgegrenzte Tatbestandsgruppen. Die Marktstrukturen seien nur als „Proxy“ relevant, wenn der wettbewerbliche Schaden für eine Mehrzahl potenziell betroffener Märkte nicht zuverlässig zu ermitteln sei.45 Die dem Vorschlag zugrunde liegende veränderte ökonomische Sichtweise – die heute als sog. Post-Chicago Economics bezeichnet wird46 – hat die Wettbewerbspolitik der Kommission im Ergebnis nachhaltig beeinflusst,47 auch wenn einige Vertreter von ihr im Zuge der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise wieder abzuweichen scheinen, soweit sie nunmehr auch einen „robusten Ordnungsrahmen“ als unabdingbar ansehen.48 Zwar folgt die Kommission nicht dem „radikalen“ Vorschlag, auf das Tatbestandsmerkmal der Marktbeherrschung zur Feststellung eines Missbrauchs zu verzichten.49 Allerdings nimmt sie in ihren Leitlinien regelmäßig eine Abwägung der Vor- und Nachteile eines Verhaltens anhand des wohlfahrtsökonomisch zu bestimmenden Kriteriums der generellen Verbraucherwohlfahrt vor.50 Jedenfalls de facto folgt sie der EAGCP auch darin, dass den Tatbestandsmerkmalen der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht notwendig eine Eigenbedeutung zukommen soll, sondern diese in einer Bilanzierung von „competitive harm“ vereinheitlicht werden.51 In der Rechtswirklichkeit kommt insoweit der Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen eine wesentliche Rolle zu, wie sie 42 Pointiert

Fox, World Competition 2003, 149 ff. So – die im Ergebnis zurückhaltende – Einschätzung von Barthelmeß, EWS 2010, 117. 44  Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  4. Eine solche Sichtweise übersieht, dass grundlegende Unterschiede zwischen einem komparativ-statischen Verständnis von Marktmacht bestehen, wie es der neoklassischen Standardtheorie zugrunde liegt, und einem dynamischen Verständnis, das den Wettbewerb als Prozess aus Vorstoß und Nachfolge versteht; siehe Wolf, Effizienzen, S.  53 ff. und S.  58 ff. 45  Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  11 f. 46  Siehe dazu oben Teil 4 C. VII. 47 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  14. 48  Nachweise bei Grundmann/Hofmann/Möslein/dies., Finanzkrise und Wirtschaftsordnung, S.  27. 49  Kommission, Prioritätenmitteilung Rn.  9. 50  Kommission, Vertikalleitlinien, Rn.  7: „Der Schutz des Wettbewerbs zum Wohle der Verbraucher und zur effizienten Verteilung der Ressourcen ist das Hauptziel der EG-Wettbewerbspolitik.“ 51  Siehe die Prioritätenmitteilung der Kommission, Rn.  30. 43 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

sich im Tatbestand des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV wiederfindet,52 der Sache nach aber auch für das Missbrauchsverbot relevant wird.53 Bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen, die „nach ihrem Wesen geeignet sind, den Wettbewerb im Sinne des Art.  101 Abs.  1 AEUV zu beschränken“, wird die wettbewerbsbeschränkende Wirkung vermutet.54 Diese werden mit (regelmäßig hohen) Geldbußen geahndet, ihre Aufdeckung wird durch sog. Kronzeugenprogramme befördert.55 Aus diesem Grunde kommt es bei ihnen auch häufig zu Konflikten zwischen public enforcement und private enforcement. Der „more economic approach“ ist deshalb vor allem bei den (Leitlinien für die) bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen relevant, d. h. bei Verhaltensweisen, die aus rechtlicher und wettbewerbstheoretischer Sicht ambivalent sind, wie etwa der gemeinsame Einkauf von Gütern und Dienstleistungen durch Unternehmen.56 Hier wirkt sich die neue ökonomische Sichtweise der Kommission in der konkreten Prüfung besonders deutlich aus, da das Merkmal auf eine Abwägung zwischen wettbewerbsbeschränkenden und wettbewerbsfördernden Effekten angelegt ist.57 2. Leitlinien der Kommission Die wettbewerbspolitischen Aussagen in den Leitlinien der Kommission erscheinen auf den ersten Blick wenig eindeutig: 58 So stellt die Kommission zur Feststellung eines Wettbewerbsverstoßes einmal auf einen „Verbraucherschaden“ ab, ein anderes Mal auf „negative Marktauswirkungen“, wieder ein anderes Mal auf die „Marktmacht“ der beteiligten Unternehmen sowie schließlich auch – wie es der früher herrschenden Ansicht entsprach 59 – auf eine „Beeinträchtigung des Wettbewerbsprozesses“ und der damit zusammenhängenden materialen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer. In der Gesamtschau zeigt sich gleichwohl jedenfalls näherungsweise ein bestimmtes Leitbild, auch wenn dieses bis dato immer noch nicht voll konturiert ist. a) Negative Auswirkungen auf den Markt als Beurteilungsmaßstab Die Leitlinien aus dem Jahr 2004 zur Freistellung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen führten den „more economic approach“ in Zusammenhang 52 Kommission, Vertikalleitlinien, Rn.   7; Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.   23 ff.; Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  3. 53  Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  2 2. In diese Richtung auch EuGH v. 17.2.2011 – Rs. C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  65 – TeliaSonera. 54  Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  24. 55  Siehe zur Einsicht in Kronzeugenunterlagen Teil 9 B. IV. 56  Vgl. ausführlich Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 794 ff. 57  Siehe mit Blick auf Einkaufskooperationen Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 801 ff. 58  Siehe zum Folgenden Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 120 ff. 59  Immenga, EuZW 2010, 601.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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mit einer Analyse der Auswirkungen unternehmerischen Verhaltens auf den Markt ein („effects based approach“). 60 Hiernach fallen „Vereinbarungen zwischen Unternehmen [. . .] unter das Verbot von Artikel 81 Absatz 1 [EG; Art.  101 Abs.  1 AEUV], wenn sie geeignet sind, spürbare negative Auswirkungen auf die Wettbewerbsparameter im Markt wie Preise, Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt und Innovation zu haben.“61 Die Vereinbarung muss deshalb bei einer bewirkten Wettbewerbsbeschränkung „den Wettbewerb im betroffenen Markt in einem Maße beeinträchtigen können, dass negative Auswirkungen hinsichtlich Preisen, Produktion, Innovation oder Vielfalt und Qualität der Waren und Dienstleistungen zu erwarten sind.“62 Vereinbarungen könnten „diese Wirkungen haben, wenn der Wettbewerbsdruck zwischen den Parteien einer Vereinbarung oder zwischen ihnen und Dritten erheblich gemindert“ werde. 63 Die Verminderung des Wettbewerbsdrucks führe zu einer Fehlallokation der Ressourcen, weil die von den Verbrauchern nachgefragten Güter nicht produziert würden, und damit auch zu einem Rückgang des Wohlstands aller Verbraucher, die höhere Preise zahlen müssten. 64 An diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Kommission einen Wirkungszusammenhang zwischen der Verminderung des Wettbewerbsdrucks (durch Beeinträchtigung des Rivalisierens der Unternehmen), den negativen Auswirkungen auf die wesentlichen Wettbewerbsparameter wie Preise, Mengen, Qualität, Vielfalt und Innovation sowie einer Fehlallokation der Ressourcen im Sinne einer Beeinträchtigung der Effizienz und des Wohlstands der Verbraucher sieht (Konsumentenwohlfahrtstandard). 65 Dass ein solcher Zusammenhang abstrakt besteht, ist in den Wirtschaftswissenschaften allgemein anerkannt. 66 Problematisch ist demgegenüber, ob sich im Einzelfall konkret nachweisen lässt, dass ein bestimmtes Verhalten zu bestimmten Wohlfahrtswirkungen führt. Dies ist letztlich nur dann möglich, wenn man der neoklassischen Wohlfahrtsökonomie mit ihren strikten Modellannahmen folgt, 67 wie dies auch von Teilen der Post-Chicago Economics vertreten wird. 68 Auch wenn sich die 60  Kommission, Freistellungsleitlinien, S.  97 Rn.  5 : „Die Leitlinien schaffen ein analytisches Gerüst für die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3. Sie verfolgen den Zweck, eine Methodik zur Anwendung die Vertragsvorschrift zu schaffen. Die Methodik beruht auf dem ökonomischen Ansatz, der bereits in den Leitlinien über vertikale Beschränkungen, Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit und Vereinbarungen über Technologietransfer eingeführt und entwickelt wurde“ [Hervorhebung durch Verf.]. 61  Kommission, Freistellungsleitlinien, S.  97 Rn.  16. 62  Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  26 f. 63  Kommission, Freistellungsleitlinien, Rn.  16. 64  Kommission, Freistellungsleitlinien, Rn.  21. 65  Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 122. 66  Siehe beispielhaft die Workability-Konzepte Teil 4 C. IV. und den Ordoliberalismus Teil 4 D. I. 67  Siehe hierzu und zur Kritik Teil 4 C. III. 68  Siehe Teil 4 C. VII. 1.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Kommission hierzu noch nicht abschließend geäußert hat, 69 ist es deshalb naheliegend, dass sie einen statisch-effizienzbezogenen Ansatz am Maßstab der Verbraucherwohlfahrt verfolgt.70 b) Verbraucherschaden als Tatbestandsmerkmal Die Frage nach dem Nachweis eines Verbraucherschadens als Voraussetzung einer Wettbewerbsbeschränkung stellt sich vordringlich für das Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV,71 wird aber auch für das Kartellverbot gem. Art.  101 AEUV diskutiert.72 Wie wir im Rahmen der wettbewerbstheoretischen Darstellungen gesehen haben, liegt es aus wohlfahrtsökonomischer, dem Beurteilungsmaßstab allgemeiner Verbraucherwohlfahrt verpflichteter Sicht nahe, eine Wettbewerbsbeschränkung in jedem Einzelfall vom Nachweis eines Verbraucherschadens abhängig zu machen.73 So werden bei einer Effizienzanalyse (verstanden als Analyse der Vor- und Nachteile eines Verhaltens auf den generellen Verbrauchernutzen) regelmäßig die Auswirkungen auf den Markt analysiert.74 Sofern man wirtschaftliche Effizienz in Abhängigkeit von den Präferenzen bestimmter Marktteilnehmer feststellen will, liegt es auf der Hand, sich nicht mit den Auswirkungen auf die Struktur des Wettbewerbs (und damit auf die materialen Handlungsfreiheiten) zu begnügen, sondern auf die konkreten Effekte für die Interessen der Verbraucher abzustellen, wobei – wie wir gesehen haben – die Präferenzen der Marktteilnehmer grundsätzlich nur als Modellannahmen und nicht als normativer Maßstab fungieren.75 Eine entsprechende Argumentation kommt für das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  101 AEUV bei der Frage zum Tragen, ob bereits in Absatz 1 und nicht erst in Absatz 3 Effizienzerwägungen anzustellen sind.76 Sie ist aber auch für das Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV relevant. Nach 69  Siehe aber zum Beispiel DG Competition Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  4 : „With regard to exclusionary abuses the objective of Article 82 is the protection of competition on the market as a means of enhancing consumer welfare and of ensuring an efficient allocation of resources.“ 70  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939 ff.; Mestmäcker, EuR-Bei 2011, 7, 13. Siehe jedoch auch Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 124 f., der es als offen bezeichnet, welchen Aspekt des abstrakten Zusammenhangs zwischen Wettbewerb, Wettbewerbsparametern und Wohlfahrtswirkungen die Kommission als maßgeblich erachtet. 71  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 948. 72  Dafür EuG v. 27.9.2006 – T 168/01, Rn.  171 f. – GlaxoSmithKline; dazu Behrens, ZWeR 2008, 20, insb. 33 ff. A. A. als das EuG insoweit EuGH v. 6.10.2009 – C-501/06 P, WuW EU-R 1641 Rn.  63 – GlaxoSmithKline. 73  Siehe oben Teil 4 C. III. 3.; siehe im vorliegenden Zusammenhang auch den Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  3 ; Hellwig, in: FS Mestmäcker, 2006, S.  231, 264 f. 74  Siehe Teil 4 C. III. 5. 75  Siehe Teil 4 C. III. 2. b). 76  Dazu noch Teil 5 C. II. 1. und 2.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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dieser Vorschrift ist nicht jedes einseitige Wettbewerbsverhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens verboten, sondern nur ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Aus diesem Grunde muss man ein rechtmäßiges unilaterales Verhalten von einem rechtswidrigen Marktmachtmissbrauch abgrenzen. Diesbezüglich wird von ökonomischer Seite argumentiert, dass der Wettbewerb letztlich um die Gunst der Verbraucher geführt werde. Nur beim Nachweis eines Verbraucherschadens – verstanden als genereller Maßstab – sei deshalb sichergestellt, dass es tatsächlich um ein verbraucherschädliches Verhalten gehe und nicht stattdessen ineffiziente Wettbewerber geschützt würden, die aufgrund ihrer schwachen Marktstellung ansonsten systemkonform aus dem Markt ausgeschieden wären.77 Auch nach einer solchen Sichtweise genügt also der Nachweis eines Ausschlusses weniger effizienter Unternehmen grundsätzlich nicht, um den Tatbestand eines Behinderungsmissbrauchs zu begründen.78 Vor diesem Hintergrund wird auf Art.  102 AEUV die Freistellungsvorschrift des Art.  101 Abs.  3 AEUV wegen überwiegender Effizienzwirkungen angewandt,79 obwohl Art.  102 AEUV eine solche Effizienzverteidigung nicht ausdrücklich vorsieht.80 Die „Bilanzierung“ (Nettowirkung) soll Wettbewerb und Wettbewerbsbeschränkung auf den „gemeinsamen Nenner der Effizienz“ zurückführen.81 Den Leitlinien der Kommission zum Wettbewerbsrecht ist nicht zu entnehmen, ob sich der Zweck „Verbrauchernutzen“ in den Tatbestandsmerkmalen der Wettbewerbsvorschriften widerspiegeln soll, ob also ein Verbraucherschaden konkret nachzuweisen ist. Allerdings findet sich schon in den – vorliegend nicht näher zu behandelnden – Fusionsleitlinien des Jahres 2004 in Zusammenhang mit dem Untersagungskriterium des Art.  2 Abs.  2 und 3 VO Nr.  139/2004 (FKVO) 82 und dem darauf bezogenen Erwägungsgrund 29 die Aussage, die Rechtfertigung einer Wettbewerbsbeschränkung durch (vornehmlich produktive) Effizienzen hänge davon ab, dass die Verbraucher hierdurch nicht benachteiligt würden; 83 ein vergleichbares Erfordernis besteht de lege lata in Art.  101 Abs.  3 Hs.  2 lit. b AEUV. Hierdurch wird der Verbraucherschaden in gewisser Hinsicht zum Tatbestandsmerkmal, und zwar in Form einer Effizienzein­ 77 

Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  2. So zutreffend von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  906, 926. 79  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  8 . 80 Diese kann jedoch in den unbestimmten Rechtsbegriff der „Wettbewerbsbeschränkung“ hineingelesen werden, da sich dieser erst auf der Grundlage des jeweils vertretenen wettbewerbspolitischen Konzepts erklärt. 81  So die – krit. – Feststellung von Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  29. 82  Verordnung (EG) Nr.  139/2004 des Rates vom 20.1.2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen („EG-Fusionskontrollverordnung“), ABl.EU Nr. L 24/1. Sog SIEC-Kriterium, vgl. Säcker, WuW 2004, 1038 ff.; ders., WuW 2010, 370 ff. 83  Kommission, Leitlinien horizontale Zusammenschlüsse, Rn.  79. 78 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

rede. 84 Die sog. Prioritätenmitteilung der Kommission aus dem Jahr 2009 zu Behinderungsmissbräuchen enthält sich einer ausdrücklichen Festlegung, dass ein Schaden für die Verbraucher zum Tatbestand gehöre. 85 Zwar wird dort aufgeführt, dass Verhaltensweisen unterbunden werden sollen, die Verbrauchern am meisten schaden. Diese Formulierung steht jedoch in Verbindung mit einer Sicherung des reibungslosen Funktionierens der Märkte, da die Verbraucher von der Effizienz und Produktivität profitierten, die ein wirksamer Wettbewerb hervorbringe. 86 Die Kommission will Behinderungsmissbräuche somit nicht zwangsläufig vom Nachweis eines Verbraucherschadens abhängig machen, sondern zugleich die Funktionsfähigkeit des „Wettbewerbs als solchen“ schützen. Der Schutz des Wettbewerbsprozesses steht insbesondere bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen im Vordergrund; denn hierunter fallen definitionsgemäß Verhaltensweisen, die als derart gefährlich angesehen werden, dass auf den Nachweis einer tatsächlichen Wettbewerbsbeschränkung verzichtet wird.87 c) Marktstruktur als Wettbewerbskriterium – zur Relevanz wirtschaftlicher Macht In ihren Leitlinien führt die Kommission aus, dass sie die Wirkungen unternehmerischen Verhaltens auch anhand marktstruktureller Gegebenheiten beurteilen will. Zum Teil stellt die Kommission ausdrücklich auf die Marktstruktur ab, zum Teil ergibt sich dies daraus, dass sie dem Kriterium der Marktmacht entscheidende Relevanz zuspricht. 88 Gemäß den Horizontalleitlinien sind „Kriterien wie die Marktmacht der Beteiligten und andere Merkmale der Marktstruktur [. . .] zentrale Elemente in der Ermittlung der voraussichtlichen Auswirkungen einer horizontalen Vereinbarung und damit für die Prüfung nach Artikel 101“.89 Marktmacht wird als Fähigkeit verstanden, „die Preise über einen gewissen Zeitraum hinweg gewinnbringend oberhalb des Wettbewerbsniveaus oder die Produktionsmenge, Produktqualität, Produktvielfalt bzw. Innovation für einen gewissen Zeitraum gewinnbringend unterhalb des Wettbewerbsniveaus zu halten“.90 Theoretisch seien wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen auf den relvanten Markt dann wahrscheinlich, wenn die Parteien einzeln oder gemeinsam ein gewisses Maß an Marktmacht haben oder erlangen und die Vereinbarung zur Begründung, Erhaltung oder Stärkung dieser Marktmacht beiträgt, oder es den Parteien ermöglicht, diese Marktmacht aus84 

Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 121. Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  5. 86  Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 121 ff. 87  Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  2 2. 88  Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 125 ff. 89  Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  5. 90  Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  39. 85 

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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zunutzen. Da Marktmacht ein „graduelles Phänomen“ sei, sei das „Maß an Marktmacht, ab dem Vereinbarungen, die eine Wettbewerbsbeschränkung bewirken, gegen Artikel 101 Absatz 1 verstoßen, [. . .] geringer als das – beträchtliche – Maß an Marktmacht, ab dem eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 102 festgestellt werden kann“.91 „Ist der gemeinsame Marktanteil der Parteien niedrig“, sieht es die Kommission als unwahrscheinlich an, „dass die horizontale Vereinbarung wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen im Sinne von Artikel 101 Absatz 1 haben wird“, weshalb sie eine weitere Untersuchung „in der Regel“ nicht als erforderlich ansieht. Wann dies der Fall sein soll, richtet sich nach „der Art der untersuchten Vereinbarung“; die jeweils anzuwendenden Schwellen sollen „den jeweiligen Kapiteln dieser Leitlinien zu entnehmen“ sein sowie „generell der Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gem. Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag [Art.  101 AEUV] nicht spürbar beschränken (‚De-Minimis-Bekanntmachung‘)“.92 Schon in den Vertikal-Leitlinien aus dem Jahr 2000 wurde eine Freistellung gem. Art.  81 Abs.  3 EG (Art.  101 Abs.  3 AEUV) anstelle des bis dahin geltenden starren Systems sog. schwarzer und weißer Klausel vom Nichtüberschreiten bestimmter Marktanteilsschwellen abhängig gemacht.93 Die Kommission begründete diese Änderung mit neueren wettbewerbstheoretischen Erkenntnissen, wonach Marktmacht in vertikalen Vereinbarungen – mit Ausnahme sog. „hardcore restrictions“ – ein zentrales Kriterium zur Unterscheidung zwischen möglicherweise problematischen und unproblematischen Klauseln sei.94 Eine wettbewerbsrechtlich problematische Marktmacht war bis dato gem. Art.  3 Abs.  1 Vertikal-GVO 1999 zu vermuten, wenn der Marktanteil des Lieferanten auf dem relevanten Markt, auf dem er die Vertragswaren oder Dienstleistungen verkaufte, 30 % nicht überstieg.95 Art.  3 Abs.  1 der Vertikal-GVO 2010 96 hat die geschilderte Marktanteilsschwelle dahingehend geändert, dass es zum Wegfall der (Gruppen-)Freistellungswirkung führt, wenn der Marktanteil des Abnehmers oder Händlers 30 % nicht überschreitet. Begründet wird dies mit dem Umstand, dass denn neben Lieferanten auch Abnehmer über

91 

Zum Vorstehenden Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  28 und 42. Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  4 4. 93  Bewertung bei F. A. Immenga, BB 2002, 1495. 94  Kommission, Vertikalleitlinien v. 13.10.2000, Rn.  6 ; MünchKommEUWettbR/Kerber/ Schwalbe, Einl. Rn.  1401; Motta, Competition Policy, S.  378. 95  Vgl. auch Kommission, Vertikalleitlinien v. 13.10.2000, Rn.  21. Der Marktanteil ist hiernach ein „guter Indikator für Marktmacht“, wenngleich die Kommission zugesteht, dass dies keineswegs immer der Fall sei, beispielsweise in Märkten mit niedrigen Marktzutrittsschranken; so die Leitlinien Technologietransfervereinbarungen, Rn.  24, 132; dazu auch Wiedemann/Klawitter, Kartellrecht, §  13 Rn.  61. 96  VO (EU) Nr.  330/2010, ABl.EU 2010 L 102/1. 92 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Marktmacht mit potenziell nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb verfügen könnten.97 Die Kommission knüpft die Kontrolle bewirkter horizontaler und vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen also nicht zwingend an das zu beurteilende Verhalten an („effects based approach“), sondern auch an die aus diesem Verhalten folgende Position auf dem Markt.98 Der Marktanteil wird wiederum als ein Indiz für Marktmacht angesehen.99 Diese ist wiederum ein Indikator für eine Verengung der Marktstruktur.100 Ein komparativ-statisches Marktmachtmodell führt jedoch nicht zwangsläufig zu kurzfristig richtigen Ergebnissen, wie sich beispielhaft an dynamischen Märkten zeigt.101 Vor diesem Hintergrund kann man das Kriterium der Marktmacht aus Sicht der Kommission wohl als eine Art Kompromiss zwischen einer (wohlfahrts-)ökonomisch richtigen Wettbewerbspolitik und dem normativen Anliegen der Rechtssicherheit deuten.102 Haben die Kartellanten erhebliche Marktmacht, ist auch das Generieren von (dynamischen) Effizienzen und deren Weitergabe an die Verbraucher zweifelhaft. Mit Blick auf das Verbot von Behinderungsmissbräuchen anerkennt die Kommission, dass es trotz der von ihr präferierten „Endziele“ der Verbraucherwohlfahrt und der Effizienz maßgeblich darauf ankommt, den Marktzutritt im beherrschten Markt sicherzustellen.103 Aus diesem Grunde reiche es für die Anwendung von Art.  102 AEUV aus, wenn der Nachweis einer marktverschließenden Wirkung gelinge.104 Damit indiziert zwar der Nachweis eines Verbrauchernachteils einen Marktmachtmissbrauch; wegen der langfristigen, auf das Offenhalten der Märkte gerichteten Perspektive ist dies jedoch keine notwendige Bedingung.105 Eine marktabschließende Wirkung liegt vielmehr schon dann vor, wenn Wettbewerber vom Markteintritt oder vom Ausbau ihrer Marktposition abgehalten oder zum Marktaustritt bewogen werden. Darüber hinaus reicht es aus, wenn Wettbewerber konsequent benachteiligt werden oder das Verhalten des Marktbeherrschers die Wettbewerber dazu bewegt, sich im Wett97  Malec/von Bodungen, BB 2010, 2383, 2385. Im Sinne einer rechtssicheren und praktikablen Anwendung des Wettbewerbsrechts ist diese Neuerung nicht unproblematisch, da die betroffenen Unternehmen nicht nur ihren eigenen Marktanteil, sondern auch denjenigen des Vertragspartners einschätzen müssen. 98  Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 126. 99 Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 920. 100  Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 126. 101  So kann eine neue Technologie auf dem Markt bereits Marktmacht verschaffen, wenn ihre Überlegenheit für die Parteien vorhersehbar ist; umgekehrt kann eine veraltete Technologie noch eine hohe Marktdurchdringung begründen, während die Marktmacht schon fehlt, weil die Parteien die künftigen technologischen Änderungen bereits voraussehen; vgl. Drexl, GRUR Int 2004, 716, 723. 102  Drexl, GRUR Int 2004, 716, 723. 103  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  5 4. 104  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  55. 105  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 928.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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bewerb weniger offensiv zu verhalten, zum Beispiel durch die unmittelbare Erhöhung der Kosten des Wettbewerbers („raising rivals costs“).106

III. Systematisierung und Kritik 1. Unterscheidung zwischen anwendungsbezogener und normativer Sichtweise Im Rahmen der Diskussion um Zulässigkeit und Sinnhaftigkeit des „more economic approach“ der EU-Kommission zum europäischen Wettbewerbsrecht ist zwischen einer positiv-anwendungsbezogenen und einer normativ-zielfunktionalen Ausrichtung zu differenzieren.107 In positiv-anwendungsbezogener Hinsicht geht es dem „more economic approach“ um eine Berücksichtigung aktueller ökonomischer Erkenntnisse bei der Interpretation der generalklauselartig formulierten Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen und damit um die grundsätzlich begrüßenswerte Überwindung der früheren Frontstellung zwischen Harvard School und Chicago School zu Gunsten einer (perspektivisch) stärker verbindenden Sichtweise (sog. Post-Chicago Economics).108 Vor diesem Hintergrund versteht sich die „Ökonomisierung des Wettbewerbsrechts“ zunächst als Antwort auf ein Rechtsanwendungsproblem.109 Dem Rechtsanwender soll ein ökonomischer Analyserahmen an die Hand gegeben werden, um rechtliche Entscheidungen im Einklang mit den aktuellen Erkenntnissen der anwendungsbezogenen Wirtschaftswissenschaften zu formulieren.110 Setzt man das Instrumentarium der Ökonomie in diesem Sinne dazu ein, bei der Anwendung wettbewerbsrechtlicher Normen die Auswirkungen verschiedener rechtlicher Interpretationsvarianten einer Norm zu ermitteln (Folgenberücksichtigung), so werden durch die gewonnenen Aussagen zugleich die Zusammenhänge zwischen Interpretation und Erreichung der – vom Gesetzgeber vorgegebenen – Normziele aufgedeckt.111 Im Rahmen einer solch „positiven ökonomischen Analyse des Rechts“ kann auch geklärt werden, ob die verwendeten Annahmen wie diejenige eines eigennützigen Rationalverhaltens112 mit der rechtswissenschaftlichen Interpretation und der neueren ökonomischen Forschung vereinbar oder von Fall zu 106 

DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  58. Zur Unterscheidung zwischen positiver und normativer Ökonomik siehe Teil 4 B. I. 3. 108  Siehe Teil 4 C. VII. Das gilt auch vor dem Hintergrund der ordoliberalen Sichtweise, da sich diese vornehmlich auf das übergeordnete Verhältnis von Wettbewerbs- und Vertragsrechtsordnung bezieht, wohingegen sie kaum praktisch verwertbare Empfehlungen zur Unterscheidung von kompetitiver und antikompetitiver Marktmacht macht. 109  Vgl. MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  10 a. E. 110 Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.   906, 908 f.; Fornasier, Freier Markt, S.  20 ff. 111 Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 136. 112  Zur Verhaltensannahme des „homo oeconomicus“ siehe Teil 4 C. III. 2. d), zur Kritik Teil 4 D. III. 3. 107 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Fall zu modifizieren sind.113 In diesem allgemeinen Sinne ist es zutreffend, den „more economic approach“ – im Rahmen der rechtsstaatlichen Erfordernisse einer rechtssicheren, vorhersehbaren und justiziablen Rechtsanwendung114 – als „more effects based approach“ anstelle eines ausschließlich „form based ap­ proach“ zu verstehen und anzuwenden.115 Der „more economic approach“ hat allerdings nicht nur eine positiv-anwendungsbezogene, sondern auch eine normative Seite, da die Kommission die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Rahmen der von ihr gesetzten Regeln (Leitlinien, Mitteilungen etc.) zugleich im Sinne der von ihr bevorzugten ökonomischen Theorien interpretiert.116 Im Vordergrund stehen soll nicht mehr der Schutz der material-chancengleichen wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer und des Wettbewerbsprozesses. Das Wettbewerbsrecht soll vielmehr verstärkt die tatsächlichen Auswirkungen auf die generelle Wohlfahrt der Verbraucher in den Blick nehmen.117 Von Maik Wolf werden diese wettbewerbspolitischen Ambitionen der Kommission auch darauf zurückgeführt, dass eine wettbewerbstheoretische Argumentation dazu verführt, zugleich für bestimmte wettbewerbspolitische Konzepte Partei zu ergreifen, da die Ökonomik in ihrer positiven Variante letztlich nur der Umsetzung dieser Ziele diene.118 Darüber hinaus werden die Ziele des Wettbewerbsrechts regelmäßig (auch) anhand der Erkenntnisse des zur Verfügung stehenden methodischen Instrumentariums festgelegt.119 Die Entscheidung über die Ziele der Wettbewerbspolitik obliegt allerdings nicht den Wettbewerbsbehörden, sondern dem Gesetzgeber120 und ergänzend – im Rahmen der Interpretation der unbestimmten Rechtsbegriffe – der Rechtsprechung. Demgemäß unterfällt auch die Bestimmung der Ziele des Wettbewerbsrechts nicht dem – unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten sowieso nicht zweifelsfreien121 – Ermessen der 113  So zur ökonomischen Analyse des Rechts Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 148. 114  Siehe Teil 4 B. III. 115 Gebauer/Wiedmann/Podszun, Zivilrecht unter Europäischem Einfluss, S.  1205, 1211. 116 Zur normativen Ökonomik Riesenhuber/Kirchner, Europäische Methodenlehre, S.  132, 134; Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S.  46 f.; siehe auch schon Teil 5 B. II. 1. und 2. 117  Monti, EU Competition Policy after May 2004; unter V.: „All these improvements should contribute to a better decision making process and guarantee that the relevant elements and points of view are properly taken into account in the final decision on individual cases. An appropriate decision making process at the Commission is, indeed, the best guarantee that our decisions, ultimately aiming at protecting the consumers from anti-competitive practices, will always meet the strict standards required by the CFI and the ECJ [European Court of Justice]“ [Hervorhebung. durch den Verf.]. 118 Überzeugend Wolf, Effizienzen, S.  98. 119  Wolf, Effizienzen, S.  98. 120  BGH v. 5.2.1968 – KVR 1/67, GRUR 1968, 659, 661 – Fensterglas II. 121  Vgl. zur Parallelproblematik im Regulierungsrecht Burgi, JZ 2013, 745, 753.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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Kommission bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts.122 Es kommt vielmehr darauf an, in welchem Umfang die (Wettbewerbs-)Verfassung der Europäischen Union eine Ausrichtung auf ein ökonomisches Effizienzziel billigt.123 Dabei sind wie bereits erläutert drei Fragestellungen zu unterscheiden: 124 Die Anerkennung des Ziels der Wohlstandsmehrung an sich,125 die Entscheidung zu Gunsten des „consumer surplus standard“ oder des „total welfare standard“126 sowie die Berücksichtigung des Verbraucherschutzdenkens bei der Prüfung einer Wettbewerbsbeschränkung.127 Die ersten beiden Problemstellungen wurden bereits im Rahmen der wettbewerbstheoretischen Ausführungen behandelt. Zu klären ist noch, ob die Vorteile/Nachteile, die ein unternehmerisches Verhalten für die Verbraucher hat, vom Kläger in jedem Einzelfall nachzuweisen sind. 2. Ermittlung einer Wettbewerbsbeschränkung durch Abwägung marktbezogener Freiheiten a) Offenhaltung der Märkte und Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung Aufgrund seiner grundsätzlichen Ausrichtung auf kurzfristige Vorteile für die allgemeine Verbraucherwohlfahrt (im Schrifttum auch benannt als „Effizienzen“128) ist der „more economic approach“ der Wohlfahrtsökonomie zuzuordnen.129 Bei der Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit eines Verhaltens soll es hiernach nicht allein um die Sicherung der individuellen material-chancengleichen Selbstbestimmung gehen, sondern vornehmlich – wenn auch nicht aus-

122 

Wolf, Effizienzen, S.  142 ff., insb. S.  144; Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  14 Rn.  80. Siehe dazu Teil 2 C. 124  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 940. Dass die Ziele der Verbraucherwohlfahrt und der ökonomischen Effizienz nicht deckungsgleich sind, zeigt der Ansatz von Hellwig (in: FS Mestmäcker, 2006, S.  231, 238 ff.). Hiernach soll es in der Wettbewerbspolitik zwar auf die Verbraucherwohlfahrt ankommen. Der Verbraucher soll jedoch nicht um seiner selbst willen geschützt werden, sondern weil nur so eine Verwechslung des Schutzes des Wettbewerbs mit dem Schutz der Wettbewerber vermieden werden könne (S.  264 ff.). 125  Siehe Teil 4 C. III. 3. a) bis d). 126  Teil 4 C. III. 3. e). 127  Dazu sogleich Teil 5 B. III. 2. 128  Die terminologische Gleichsetzung des „Wohlfahrtsoptimierungsprinzips“ mit „Effizienzen“ ist insoweit ungenau, als die Bestimmung des „Adressatenkreises“ entscheidenden Einfluss auf Berechnung und Ermittlung der berücksichtigungsfähigen „Effizienzvorteile“ hat; zutreffend Wolf, Effizienzen, S.  163. 129  Siehe dazu schon oben in Zusammenhang mit der Neoklassik Teil 4 C. III. 3. und 4. 123 

436

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

schließlich – um die Auswirkungen des Verhaltens auf einem bestimmten Markt auf alle geschützten Personen („effects based approach“). Allerdings besteht auch im Rahmen eines derart auswirkungsbezogenen Analyseansatzes die Möglichkeit, auf typisierte Verhaltensweisen abzustellen.130 Einem rechtswissenschaftlichen Problemzugang entspricht eine Subsumtion von Verhaltensweisen unter generell-abstrakte Normen, wobei die ökonomische Wertung des zugrunde gelegten Ansatzes bei der Subsumtion berücksichtigt wird.131 Dem­ gegenüber soll die Ermittlung von Wohlfahrtswirkungen nach dem „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht – vorbehaltlich sog. „safe harbour“-Regelungen, die zumeist an die Marktmacht der Unternehmen anknüpfen132 – eine detaillierte Analyse des Einzelfalls erfordern,133 wobei stellvertretend für andere unternehmerische Parameter kurzfristige Preis- und Mengeneffekte betrachtet werden.134 Die Diskussion wird im Wettbewerbsrecht zuweilen auch unter der Überschrift „per se rule“ oder „rule of reason“ geführt.135 Die Beschränkung der ökonomischen Analyse auf Preis- und Mengeneffekten erklärt sich aus den von der Post-Chicago School angewandten statischen Analysemethoden; 136 denn es existiert derzeit noch keine operationable dynamische Theorie des Wettbewerbs.137 Aus diesem Grunde werden etwa die Wirkungen von Unternehmenszusammenschlüssen im Rahmen sog. MergerSimulationen vornehmlich im Hinblick auf die ausgebrachten Mengen und die zu erzielenden Preise des neuen Unternehmens ermittelt.138 Der Vergleich ist dabei auf zwei Zeitpunkte vor und nach der Fusion bezogen, also statisch.139 Er setzt außerdem voraus, dass mit vertretbarem Aufwand und termingerecht aussagefähige Daten über das Eintreten und das Ausmaß der Effizienzaspekte ermittelt werden können (Problem der Justiziabilität140), was nicht notwendig der

130 

Kirchner, EuR-Bei 2011, 107, 111. Kirchner, EuR-Bei 2011, 107, 111. 132  Siehe oben Teil 5 B. II. 2. c). 133  Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  6 . Nach früher h. A. wurden Fragen nach dem Einsatz von per se rules oder der rule of reason bzw. der Beweislast wettbewerbspolitisch nach „dem Grad der Gefährdung des Wettbewerbs“ gelöst, vgl. I. Schmidt, in: FS Bechtold, 2006, S.  409, 417. 134  Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 312: Für ökonometrische Modelle sei aufgrund der „Rechenhaftigkeit“ praktisch nur der Preis als Messgröße relevant. 135 Vgl. einerseits Mantzavinos, JBNSt. 225/2 (2005), 205 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 209 ff.; Vanberg/Mantzavinos, Evolution und freiheitlicher Wettbewerb, S.  23 ff.; andererseits Schmidtchen, ORDO 57 (2006), 165, 172 ff. Dagegen überzeugend Immenga/Mestmäcker/ dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  13. 136  Siehe oben Teil 4 C. VII. 137  Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 389. 138 Dazu Pitsos, SIEC-Test, S.  288 ff. 139  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 941; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 216; zu den Anforderungen an die dynamische Effizienz siehe oben Teil 4 C. III. 4. d). 140  Siehe Teil 4 B. III. 2. 131 

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

437

Fall ist.141 Obwohl die Kommission selbst die „überragende Relevanz der Generierung und Ausbreitung von Innovationen in Wettbewerbsprozessen“ anerkennt,142 ist ihr konkret angewandter methodischer Ansatz somit vornehmlich komparativ-statisch. Darüber hinaus darf nicht verkannt werden, dass die Post-Chicago Economics nicht für eine einheitliche Wettbewerbstheorie stehen, sondern derzeit lediglich als „Plattform“ dienen, auf deren Grundlage eine „intensive, aber sehr differenziert geführte Diskus­sion“ stattfindet, inwieweit etwa „bestimmte Marktstrukturen und Verhaltensweisen eher zu Marktmacht führen oder Effizienz widerspiegeln“. Wir haben dies bereits gesehen. Die vorstehend geschilderten Bedenken werfen trotz der unbestreitbaren und wichtigen Fortschritte der Industrieökonomik in den letzten Jahren die Frage auf, ob es nach jetzigem Stand der Erkenntnis schon aus ökonomischer Sicht sinnvoll ist, die Wettbewerbspolitik – nicht die wettbewerbstheoretische Analyse im Rahmen vorgegebener Ziele – an statisch-wohlfahrtsökonomischen Effizienzbetrachtungen auszurichten; 143 denn ein „more economic approach“ bedeutet wörtlich genommen zunächst einmal nur, dass man die aktuellen Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften stärker rezipiert, ohne sich damit auf ein bestimmtes Wettbewerbsleitbild festzulegen.144 Wie wir gesehen haben, ist in den Wirtschaftswissenschaften die überragende Bedeutung von Innovationen und Investitionen, also von dynamischen Effizienzen mittlerweile allgemein anerkannt. Es spricht insoweit einiges dafür, dass sich eine dynamische Effizienz im Sinne der Förderung von Produkt- und Prozessinnovationen am wirkungsvollsten durch einen hinreichenden Wettbewerbsdruck erreichen lässt, also durch die Offenhaltung der Märkte und die Gewährleistung der material-chancengleichen Wettbewerbsfreiheit als Ausdruck individueller Selbstbestimmung.145 Wettbewerbspolitisch ist auch das Gewähren von Anreizen bedeutsam, um Unternehmen zu Innovationen zu bewegen, insbesondere in Form der Möglichkeit, für einen temporären Zeitraum angemessene Innovationsrenditen zu erwirtschaften, ohne die Marktmacht dazu zu benutzen, andere Marktteilnehmer auszubeuten.146 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass wirtschaftliche Macht gerade bei langfristig-dynamischer Betrachtung ambivalent ist. Allerdings kann man aus der zunehmenden Größe und Dauer von Marktmacht auf die Wahrscheinlichkeit einer Ausbeutung rückschließen. Aus diesem Grunde ist es unabdingbar, dass ein Wettbewerbsrecht den Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung in den Blick nimmt. Auch die 141  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 230. Zu Simulationsmodellen im Rahmen der Fusionskontrolle siehe auch Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  265 f. 142  So, auch zum Folgenden, Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 390. 143 Vgl. Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 111 f. 144  Vgl. auch Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107. 145  Wolf, Effizienzen, S.  285 ff.; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 945. 146  Wolf, Effizienzen, S.  304 f.

438

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Wohlfahrtsökonomie stellt mit dem methodologischen Individualismus, dem Pareto-Kriterium und der Bewertung von Marktvorgängen anhand von Kosten und Preisen – also von Faktoren, die erst im Marktprozess gebildet werden müssen – auf die Koordinations- und Evolutionsleistung des Marktes ab, kommt ohne diese somit ebenfalls nicht aus.147 b) Notwendigkeit eines wertenden Ausgleichs gegenläufiger Freiheitsrechte Eine primär den Schutz der Wettbewerbsfreiheit betonende Interpretation der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen erfordert eine Wertentscheidung darüber, welchem Freiheitsrecht im Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist.148 An diesem Punkt setzt nun die Kritik von Seiten der Wirtschaftswissenschaften ein: Da der Begriff der rechtsgeschäftlichen Freiheit relativer Natur sei, könne er nicht selbst als Abwägungskriterium zur Auflösung konfligierender Freiheitsbereiche dienen.149 Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ­einer Freiheitsbeschränkung sei vielmehr immer ein Werturteil darüber erforderlich, wo die Freiheit des Einen ende, weil sie die Freiheit des Anderen be­ einträchtige.150 Diese Abwägungsaufgabe könne aus ökonomischer Sicht nur durch eine „fachmännische Kosten-Nutzen-Analyse“ gelöst werden.151 Das (Wettbewerbs-)Recht sei deshalb am Kriterium ökonomischer Effizienz auszurichten.152 Eine solche Argumentation übersieht, dass das Aufstellen und Interpretieren (privat-)rechtlicher Normen regelmäßig eine Wertentscheidung erfordert, wie das Konzept der materialen Selbstbestimmung zeigt, das den Begriffen „Privat­ autonomie“ und „Rechtsgeschäft“ zugrunde liegt.153 Sie stellen Gesetzgebung und Rechtsanwendung deshalb vor keine unüberwindbaren Hürden. Auch im Rahmen von Austauschverträgen ist wertend zu ermitteln, ab wann der Regelsetzer (vorliegend das mächtige Privatrechtssubjekt) seine Macht dazu missbraucht, indem er seinen Gegenüber unbillig „über den Tisch zieht“.154 Wohlfahrtsökonomische Ansätze verfügen im Gegensatz zu material-freiheitsbezogenen Theorien nur auf den ersten Blick über ein höheres Maß an „wertungsfreier“ Operationalisierbarkeit, das sie für die Lösung marktbezoge147 

Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 417 und 421. Effizienz und Wettbewerb, 9, 26 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 143, 153 ff.; von Weizsäcker, WuW 2007, 1078 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  13. 149  Von Weizsäcker, WuW 2007, 1078 ff.; Oberender/Schmidtchen, Effizienz und Wettbewerb, S.  9, 26 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 143, 153 ff., insb. 158; Stoffel/Zäch/Amstutz/Reinert, Kartellgesetzrevision 2003, S.  69, 79. 150  Wir haben uns die Problematik einer Abwägung der Freiheitsbereiche bereits oben in Zusammenhang mit der Idee der Selbstbestimmung vor Augen geführt; vgl. Teil 1 A. I. 151  Von Weizsäcker, WuW 2007, 1078, 1079, am Beispiel der Preisbindung zweiter Hand. 152 Stoffel/Zäch/Amstutz/Reinert, Kartellgesetzrevision 2003, S.  69, 75. 153  Siehe oben Teil 3 D. IV. 154  Bachmann, Private Ordnung, S.  250. 148 Oberender/Schmidtchen,

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

439

ner Sachverhalte attraktiv machen könnte.155 Bei näherem Hinsehen basieren sie ebenfalls auf Wertentscheidungen,156 beginnend mit dem – privatrechtskonformen – Grundsatz des methodologischen Individualismus bis hin zur Wahl des anzuwendenden Effizienzmaßstabes.157 Sowohl ein juristischer als auch ein ökonomischer Ansatz kommt somit nicht um eine Abwägung von Freiheits­ bereichen bzw. Interessen herum. Diese spielt sich im Rahmen der Wohlfahrtstheorie lediglich unter dem Deckmantel einer Effizienzbetrachtung ab.158 Ob man die Interessen der schwächeren Partei aber als externe Effekte berücksichtigt,159 oder die Abwägung als Formel betrachtet, die unter dem Oberbegriff Effizienz firmiert, ist eine eher semantische Frage.160 Nicht weiter hilft auch ein Abstellen auf die schillernden Begriffe der Verbraucherinteressen und der Verbraucherwohlfahrt als Abwägungsmaßstäbe zwischen verschiedenen Freiheitsbereichen, da es sich hierbei ebenfalls um mehrdimensionale Größen handelt.161 Da die Verbraucherinteressen nicht homogen sind, müsste die Wettbewerbspolitik somit ebenso wie im Vertragsrecht (§  13 BGB) mit Typisierungen arbeiten. Darüber hinaus wäre zwischen kurz- und langfristigen Interessen zu unterscheiden.162 All dies erfordert normative Wertungen. c) Vorrang rechtlicher Wertungen Auch eine Zuspitzung der Diskussion auf die Alternative: „Schutz der Freiheit“ oder „Herbeiführung von effizienten Marktergebnissen“ wäre allerdings wenig zielführend; denn das Wettbewerbsrecht schützt – wie oben bereits ausgeführt – sowohl gesellschaftliche Ziele wie die Freiheit der Marktbürger als auch ökonomische Ziele wie die größtmögliche Wohlfahrt der Bürger. Es kann deshalb nur um das zutreffende Verhältnis zwischen diesen beiden Zielbestimmungen gehen („Dilemmathese“).163 Hierfür spielt zum einen der aktuelle Stand der Ökonomie eine wesentliche Rolle, da diese unabdingbar notwendig ist, um die Auswirkungen eines Verhaltens auf Struktur und Ergebnisse des Wettbewerbs zu beurteilen. Zum anderen sind – wie Ordoliberalismus und Neue Institutio155 Ebenso

222.

156 

Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 418; A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209,

Vgl. statt anderer Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 458 ff. Siehe Teil 4 C. III. 6. 158  Insoweit zutreffend Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  132; ders., in: FS Ott, 2008, S.  299, 326. 159  Bachmann, Private Ordnung, S.  55. 160  Möschel, in: FS Mestmäcker, 2006, S.  355, 363; Künzler, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  132. 161  Vgl. zur „personellen Konkretisierung“ Wolf, Effizienzen, S.  164 ff. Ausführlich Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  221 ff., insb. S.  232. 162  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 227; siehe auch Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  35, wonach durch ein Abstellen auf Verbraucherinteressen das Wertungsproblem nur verschoben, aber nicht gelöst werde. 163  Säcker, Zielkonflikte, S.  17 ff. 157 

440

Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

nenökonomik betonen – die institutionellen Rahmenbedingungen des Marktgeschehens zu beachten, zu denen insbesondere das Recht gehört.164 Auch aus Sicht der Befürworter einer stärkeren Effizienzausrichtung des Wettbewerbsrechts wird zunehmend anerkannt, dass eine genauere Einzelfallanalyse nicht notwendig zu besseren Ergebnissen führt. So plädieren etwa Arndt Christiansen und Wolfgang Kerber für eine Anwendung ausdifferenzierter Regeln für bestimmte typisierte Verhaltensweisen anstelle einer Einzelfallbetrachtung, da mit Letzterer aufgrund des „Wissensproblems“ die Gefahr von Fehlentscheidungen durch Wettbewerbsbehörden und Gerichte erheblich steige, ohne dass dies durch den Nutzen der Einzelfallanalyse gerechtfertigt sei.165 Auch hat der Unionsgesetzgeber in Art.  101 AEUV selbst das Verhältnis zwischen dem Schutz der Wettbewerbsfreiheit und einer Freistellung aufgrund überwiegender wirtschaftlicher Effizienzen in verallgemeinerungsfähiger Form zu Gunsten Ersterer entschieden. Hierauf werden wir zurückkommen. d) Ausgleich wirtschaftlicher Freiheitsrechte durch funktionsfähige Märkte Das Wettbewerbsrecht will primär eine Vermachtung der Märkte verhindern und – damit untrennbar verbunden – die material-chancengleiche Wettbewerbsfreiheit (Selbstbestimmung) der Marktteilnehmer rechtlich und faktisch schützen.166 Der Schutz der individuellen wirtschaftlichen Selbstbestimmung, die wiederum in den Grundsätzen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit ihre wesentliche zivilistische Ausprägung gefunden hat, stimmt sowohl mit dem ethischen Prinzip der Eigenständigkeit des Menschen als auch mit dem normativen ökonomischen Grundsatz der Präferenzautonomie überein.167 Demgegenüber würde eine wohlfahrtsökonomische Interpretation des (Wettbewerbs-)Rechts, die unternehmerisches Verhalten allein an seinen effizienten, die allgemeine (ökonomisch zu bestimmende) Verbraucherwohlfahrt fördernden Marktergebnissen im Einzelfall messen wollte, den Eigenwert der individuellen Freiheit negieren,168 die im wirtschaftlichen Verkehr im Grundsatz der

164 

Bachmann, Private Ordnung, S.  25. Christiansen/Kerber, J. Comp. L Econ 2 (2006), 215, 235 ff.; siehe auch Kirchner, EuRBei 2011, 103, 116. 166  Basedow, WuW 2007, 712 ff.; Oberender/Böge, Effizienz und Wettbewerb, S.  131, 133; I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 945. 167 Zutreffend Bachmann, Private Ordnung, S.  2 26. 168  Gerken, Von Freiheit und Freihandel, S.   159; Mestmäcker, A Legal Theory without Law, S.  37. Die Rechtsordnung müsse sicherstellen dass „everybody may pursue his happiness in any way to his liking as long as he respects the liberty of others, in turn compatible with the same liberty of everybody under a general rule. A government based upon the principle of benevolence towards the people represents the greatest possible despotism, that is, a regime which would abolish all liberties and leave citizens without rights. In a constitution based upon the principle of justice, the people have inalienable rights against their sovereign.“ 165 

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

441

Präferenzautonomie zum Ausdruck kommt, wonach jeder Mensch selbst über die für ihn vorteilhafte „private Ordnung“ entscheiden kann.169 Die individuelle Selbstbestimmung ist im europäischen und deutschen Recht konstitutionell abgesichert.170 Die verfassungsrechtlich gewährten Individualrechte korrespondieren mit dem Grundsatz der Wettbewerbsfreiheit und den daraus folgenden subjektiven Rechten.171 Mit den individuellen Freiheitsrechten sind auf Verfassungsebene zugleich – wenn auch notwendigerweise abstrakt – die Eckpunkte einer Privatrechtsordnung verankert, die für die Rechtspraxis verbindlich sind („Wirtschaftsverfassung“).172 Die verfassungsrechtlichen Verbürgungen der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit sind auch dann zu berücksichtigen, wenn Unternehmen Adressaten wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen sind. Dies wird im Wettbewerbsrecht aktuell besonders für das Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV diskutiert, da Marktmacht nicht nur mit illegitimen Mitteln, sondern auch aufgrund besserer Leistungen erworben und durch immer neue besondere Leistungen aufrechterhalten werden kann.173 Marktmacht ist deshalb nicht per se verwerflich, sondern ein ambivalentes Phänomen, das zu regulieren ist, um seine positiven Effekte zu fördern und einen Missbrauch zu verhindern. Die wirtschaftlichen Freiheitsrechte beschirmen somit nicht nur den vermeintlichen Wettbewerbsverletzer, sondern alle Marktteilnehmer, seien es die Verbraucher oder die Wettbewerber. Aus grundrechtlicher Sicht bedeutet es deshalb eine unzulässige Verkürzung der Problematik, wenn gegen das Freiheitsparadigma vorgebracht wird, dieses schütze vor allem die Wettbewerber und nicht den Wettbewerb.174 Das Recht reagiert vielmehr auf ein Problem der situationsabhängigen Güterabwägung durch praktische Konkordanz: 175 Da im wirtschaftlichen Wettbewerb die individuellen Freiheitsräume abzugrenzen sind, darf der Schutz der wirtschaftlichen Freiheit weder als absolute Freiheit marktmächtiger Unternehmen verstanden werden, ihre Mitbewerber zu schädigen, noch im Sinne eines Schutzes schwächerer Mitbewerber gegen ein Unterliegen im Wettbewerb.176 Es muss deshalb auf andere Wertungen zurückgegriffen werden. Zu diesen gehört in einer freiheitlich-marktwirtschaftlichen Privatrechtsordnung das Gebot, dass 169  Bachmann, Private Ordnung, S.  174 f.; zum Grundsatz der Präferenzautonomie oben Teil 4 C. III. 2. b). 170  Siehe oben Teil 2 E. 171  Dreher, WuW 2008, 23, 25 f. 172  Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61, 64; siehe auch von Münch/Kunig/von Kämmerer, Art.  12 GG Rn.  3 : die Ordnung müsse im Kern marktwirtschaftlich sein. 173  Es ist somit in den Worten von Hellwig auch die Wettbewerbsfreiheit des marktbeherrschenden Unternehmens in den Blick zu nehmen, vgl. Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  33. 174 So Fox, World Competition 2003, 149 ff. Wie vorliegend A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 228; von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  905, 953. 175  Von Münch/Kunig/dies., Vorb Art.  1–19 GG Rn.  50. 176  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 953.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

sich keine Vertragspartei Kooperationsgewinne aneignen darf, die ihr nicht zustehen.177 Als Folge eines „gestuften Gemeinwohlverständnisses“178 erfolgt die Koordination individueller Freiheitsräume im wirtschaftlichen Bereich zuvörderst über wettbewerbliche Marktprozesse.179 Wettbewerbliche Märkte sind in einer Privatrechtsordnung, in der der Interessenausgleich durch frei ausgehandelte Austauschverträge zustande kommen soll, die maßgeblichen Instrumente, um die gegenseitige Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Marktteilnehmer institutionell zu verbürgen.180 Als spezifische „Kontrollmechanismen“181 sichern sie die grundlegenden Funktionsbedingungen für material-chancengleiche Vertragsfreiheit auf Güter- und Dienstleistungsmärkten.182 Wenn ein Unternehmen den Wettbewerb beschränkt, überschreitet es die Grenzen seiner grundrechtlich zugewiesenen Freiheitsräume, weshalb ein staatlicher Eingriff zu Gunsten des Ausgebeuteten gerechtfertigt ist.183 Das Wettbewerbsrecht sichert damit auf konstitutiver Ebene die individuelle wirtschaftliche Freiheit der Marktteilnehmer. Zugleich hält es spezifische Rechtsbehelfe vor, um konkret-individuelle Ausbeutungssituationen am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs zu beheben. Dies bedeutet nicht, dass außerhalb des Wettbewerbsrechts keine normative Strukturierung der Freiheitsbereiche zulässig und geboten wäre. So hat etwa die Neue Institutionenökonomik herausgearbeitet, dass es bei komplexen Vertragsbeziehungen geboten ist, einem opportunistischen Verhalten der Vertragsparteien vorzubeugen, da eine treuwidrige Übervorteilung des Vertragspartners nicht nur im Einzelfall zu einer Aneignung von Kooperationsvorteilen führt, die dem Aneignenden nicht zustehen, sondern auch langfristig das Vertrauen in die transaktions- und damit wohlfahrtsfördernden Wirkungen derartiger Verträge untergräbt.184 Darüber hinaus kann der Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Einschätzungsspielraums auch aus marktkomplementären Gründen in den Wettbewerbsprozess eingreifen, etwa aus Gründen des Sozial- oder des nicht über den Marktmechanismus zu erreichenden Umweltschutzes.185 177 So Bachmann, Private Ordnung, S.   206, der dafür die Vokabeln „Ausbeutung“ und „Gruppenwohl“ einführt, jedoch einräumt, dass hiermit noch „kein subsumtionsfähiger Tatbestand gewonnen ist“ (S.  213). Ein solcher wird sich in verallgemeinerungsfähiger Form auch nicht finden lassen. 178 Dazu Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 291 m. w. N. 179  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 954 ff. 180  Säcker, Zielkonflikte, S.  21 f. 181  Bachmann, Private Ordnung, S.  214. 182  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 183. 183  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 954. 184  Bachmann, Private Ordnung, S.  57; zum opportunistischen Verhalten vgl. die Beispiele bei Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  278 ff. Siehe auch schon oben Teil 4 D. II. 3. 185  Zum Spannungsfeld zwischen Klimaschutz und Binnenmarkt siehe Schulze-Fielitz/ Müller/Britz, Europäisches Klimaschutzrecht, 2009, S.  71 ff.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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Das Freiheitspostulat stellt somit nicht die ökonomische Effizienz (im Sinne einer Performance-Kontrolle) in den Mittelpunkt der Analyse, sondern plädiert für eine Lösung des Konkordanzproblems anhand der Funktionsbedingungen des Wettbewerbsprozesses.186 Zu diesen Funktionsbedingungen gehören die Offenheit der Märkte, die Rivalität der Unternehmen um die Gunst der Verbraucher und die im Schutz deren materialer Selbstbestimmung zum Ausdruck kommende Konsumentensouveränität.187 Das Wettbewerbsrecht kann sich deshalb nicht nur an den Vorteilen orientieren, die für die überwiegende Zahl der Verbraucher in einem bestimmten Zeitpunkt eintreten, sondern muss auch jene Vorteile in den Blick nehmen, die sich mittel- oder langfristig aus dem Schutz eines dynamischen Wettbewerbsprozesses ergeben, wie zum Beispiel die Entwicklung neuer oder besserer Produkte. Darüber hinaus ist es auch das Ziel einer wettbewerblich verstandenen Förderung der Verbraucherwohlfahrt, den Verbrauchern dauerhaft ausreichende Auswahlmöglichkeiten zu eröffnen und zu sichern.188 Unter der Annahme heterogener Präferenzen wird damit die Angebotsvielfalt zu einem wesentlichen Element der „wettbewerblichen Konsumentenwohlfahrt“.189 So macht es – was Daniel Zimmer zu Recht betont – aus Sicht der Verbraucher einen Unterschied, ob nach einem Unternehmenszusammenschluss künftig nur noch zwei statt bislang drei Unternehmen individuelle Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten entfalten.190 Vor diesem Hintergrund kann es etwa geboten sein, einen „Nischenwettbewerber“ im Markt zu halten, während die Verdrängung eines weniger effizienten, aber dennoch profitablen Wettbewerbers die Konsumentenwohlfahrt schwächen würde.191 Unternehmen sollen durch ihre eigene Leistung Zutritt zum Markt erlangen. Ob das der Fall ist, kann nur auf der Grundlage der Verbraucherpräferenzen ermittelt werden. Da jedoch das Wissen über diese Präferenzen aufgrund des Umstandes, dass der Wettbewerb dieses erst ermitteln soll, beschränkt ist, geht es maßgeblich um den Schutz der material-chancengleichen (Wahl-)Freiheiten der Verbraucher.192 Im Rahmen eines derart freiheitsbezogenen Ansatzes sind ökonomische Effizienzen im Sinne der oben dargestellten Konzepte nicht etwa irrelevant.193 Sie sind allerdings nur dann zu berücksichtigen, wenn sie den Wettbewerbsprozess nicht nachhaltig stören.194 So setzen etwa technischer Fortschritt und eine dynamische Wirtschaft für viele Produkte technisch und betriebswirtschaftlich 186 

Zimmer, WuW 2007, 1198. Drexl, in: FS 50 Jahre FIW, 2010, S.  175, 191. 188  Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  2 25. 189  Zu diesem Verständnis Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  2 24. 190  Zimmer, WuW 2007, 1198, 1207. 191  Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  20. 192  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 955. 193  So von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 954. 194  Wirtz, EWS 2003, 146, 157. 187 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

optimale Produktionsstätten voraus.195 Eine am Verbrauchernutzen orientierte Wettbewerbspolitik kann deshalb nicht darauf abzielen, möglichst atomistische Marktstrukturen zu schaffen, sondern muss unternehmerische Macht durch wirksamen und effektiven Wettbewerb bändigen, indem die Unternehmen durch die List des Systems gehalten sind, ihren Absatz durch qualitativ hochwertige, innovative und preiswerte Produkte dauerhaft zu sichern.196 Durch die bei wirksamem Wettbewerb bestehenden Ausweichmöglichkeiten der Verbraucher wird die Übermacht von mächtigen Unternehmen kompetitiv domestiziert, um die Voraussetzungen für einen chancengleichen Vertragsschluss zu schaffen.197 Die vorstehend geschilderte „freiheitliche Wohlfahrtskonzeption“ unterscheidet sich grundlegend von einem auf die übergreifende Konsumentenwohlfahrt abzielenden Effizienzkonzept: 198 Während der letztgenannte Ansatz einen eng gefassten ökonomischen Begriff der Wohlfahrt verwendet, der auf den Konzepten der allokativen und produktiven Effizienz basiert,199 stellt Ersterer auf die mittelfristige Hebung der „juristischen Verbraucherwohlfahrt“ durch Sicherung ihrer materialen Freiheitsrechte und eines freien und unverfälschten Wettbewerbsprozesses ab. Dem Freiheitsprinzip entspricht es wie erläutert, in der Wettbewerbspolitik die Offenheit der Märkte zu sichern. 200 Demgemäß sind allen Personen die gleichen Chancen auf Teilnahme am Wettbewerb einzuräumen, im Sinne einer Sicherung beidseitiger material-chancengleicher Selbstbestimmung durch Schutz vor unangemessener Ausbeutung.201 Nur unter dieser Voraussetzung ist den Unternehmen ein Ausscheiden aus dem Markt zuzumuten, wenn die von ihnen angebotene Leistung im Wettbewerb mit anderen Anbietern auf nicht genügend Nachfrage trifft.202 Sofern es im Einzelfall gleichwohl zu einem Missbrauch wirtschaftlicher Macht kommt, darf das Wettbewerbsrecht diesem jedoch nicht tatenlos zusehen, sondern muss die Situation wiederherstellen, die bei wirksamem Wettbewerb bestünde. Auch von Vertretern der Ökonomie wird zunehmend anerkannt, dass neben der klassischen Wohlfahrtsökonomie203 sowie den Erkenntnissen der Post Chicago Economics noch andere normative Aspekte relevant sind, wie insbesondere die Erhaltung der materialen Wettbewerbsfreiheit.204 Martin Hellwig hat 195 So

Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 197  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. 198  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 462 f. 199  Siehe dazu Teil 4 C. III. 4. b) und c). 200  Zimmer, WuW 2007, 1198. 201  Drexl, in: FS 50 Jahre FIW, 2010, S.  175, 189; Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  238. 202  Drexl, in: FS 50 Jahre FIW, 2010, S.  175, 189. 203 So Hellwig, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  2. 204  Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  29; Budzinski, „Wettbewerbsfrei196 

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

445

deshalb vorgeschlagen, konfligierende Freiheitsrechte nach den Wirkungen des Verhaltens auf die Wohlfahrt der Marktgegenseite aufzulösen.205 Dies soll allerdings nicht geschehen, weil es besonders auf den Schutz des Verbrauchers ankomme, sondern weil nur so eine Verwechslung des Schutzes des freien Wettbewerbs mit dem Schutz ineffizienter Wettbewerber vermieden werden könne, die ansonsten ggf. aus dem Markt ausscheiden müssten.206 Eine solche Sichtweise kann zwar begründen, weshalb es in der Wettbewerbspolitik nicht auf die Effizienz eines Verhaltens, sondern auf den Schutz der Wettbewerbsfreiheit ankommt.207 Allerdings kommt sie im Ergebnis doch wieder einer wohlfahrts­ ökonomischen Analyse anhand eines Konsumentenschutzstandards gleich, 208 weshalb sie nicht dem geltenden Recht entspricht. Darüber hinaus vernachlässigt eine wirkungsbasierte Analyse anhand ökonomischer (Verbraucher-)Effizienzwirkungen den Umstand, dass das Wettbewerbsrecht in einer Marktwirtschaft die Marktteilnehmer auf allen Wirtschaftsstufen schützt, also nicht nur die Verbraucher.209 Gleichwohl enthalten die Ausführungen Hellwigs einen weiterführenden Kern, da der Wettbewerb letztlich um die Gunst der Verbraucher geführt wird. Aus diesem Grunde kann es zum Beispiel bei strukturell dauerhaft gestörten Märkten unumgänglich sein, neben der Öffnung der Märkte auch das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen zu kontrollieren, indem ihre Handlungsoptionen durch Bindung an den Grundsatz des Als-obWett­bewerbs beschränkt werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Wettbewerbsrecht nicht auf den Schutz eines überindividuell verstandenen „Wettbewerbs an sich“ oder einer objektiven Institution Wettbewerb abzielt, sondern auf die Sicherung der material-chancengleichen wirtschaftlichen Freiheit.210 Hierdurch werden zugleich die Funktionsvoraussetzungen des Wettbewerbsprozesses geschützt.211 Der Schutz des Marktes ergänzt und verstärkt somit den individuellen Freiheitsschutz, kann diesen jedoch nicht beschränken; 212 denn der Markt ent­ wickelt sich aus dem Gebrauch der individuellen Freiheiten der Marktteil­ nehmer.213 Ein funktionierender Markt kommt wiederum den einzelnen Marktteilnehmern zugute. Aus diesem Grunde handelt es sich bei einem vom heit“ und „More Economic Approach“, S.  17 ff.; Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 463; mit anderer Schwerpunktsetzung MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1066. 205  So der Vorschlag von Hellwig, Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  32. 206  Hellwig, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  30. 207  Hellwig, Effizienz oder Wettbewerbsfreiheit?, S.  28 f. 208  Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.   18; von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 947. 209  Möller, Verbraucherbegriff und Verbraucherwohlfahrt, S.  238; Drexl, in: FS 50 Jahre FIW, 2010, S.  175, 189. 210  A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 226. 211  Otto, Allgemeininteressen im neuen UWG, S.  155. 212 Vgl. Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 401. 213  So zum Lauterkeitsrecht Reichold, AcP 193 (1993), 204, 230.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Individualschutz abgekoppelten Schutz des Wettbewerbs als öffentlich-rechtlicher Institution um einen teleologisch nicht gerechtfertigten Selbstzweck bzw. um eine normativ unzulässige Indienstnahme des privatrechtlichen Wettbewerbsrechts für objektiv-gemeinwohlorientierte Zwecke.214 Im Rahmen einer zivilistischen Sichtweise thematisiert der Begriff der Institution allein „das Verhältnis der individuellen Wettbewerbsfreiheit zu den gleichen Rechten anderer und damit zur rechtlichen Ordnung des Wettbewerbsprozesses“. 215 Die Gewährleistung eines unverfälschten Wettbewerbs als eines ergebnisoffenen „Entdeckungsverfahrens“216 begründet wiederum die durch praktische Erfahrung bestätigte Erwartung, dass der so entstehende freie Markt zu gesellschaftlichem Wohlstand, technischer Innovation und sozialer Dynamik führt.217 e) Zum Abwägungsmaßstab Bei einer material-freiheitlichen Sicht stellt sich das „zentrale Problem des Freiheitstestes“, 218 da die Freiheitsbereiche der Wirtschaftssubjekte beim Abschluss von Austauschverträgen oft nicht übereinstimmen, sondern gegenläufig sind.219 Der Verkäufer will für ein Gut einen möglichst hohen Kaufpreis erhalten, der Käufer einen möglichst niedrigen Preis zahlen. Geboten ist deshalb ein Ausgleich der beteiligten Freiheitssphären. Es ist zu ermitteln, wann die Freiheit eines Wirtschaftssubjektes unangemessen oder unbillig eingeschränkt wird, weshalb eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt.220 Der Begriff der Wettbewerbsfreiheit kann die korrespondierenden Freiheitsrechte nicht selbst in praktische Konkordanz bringen.221 Denn wenn es der Wettbewerb ist, der die individuellen Handlungsfreiheiten abgrenzen soll, 214  Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.   378; ausführlich Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61 ff. 215  Mestmäcker, Der verwaltete Wettbewerb, S.  83. 216  Von Hayek, Wettbewerb als Entdeckungsverfahren, S.  3 ff.; siehe dazu schon Teil 4 C. V. 2. 217  Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 292. 218  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.   49. Siehe zur Notwendigkeit eines Tests der Wettbewerbsfreiheit bereits Schneider/Hoppmann, Grundlagen der Wettbewerbspolitik, S.  9, 44; dazu Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  71. Siehe aus zivilistischer Sicht auch Bachmann, Private Ordnung, S.  113. 219 Oberender/Schmidtchen, Effizienz und Wettbewerb, S.   9, 26 ff.; ders., ORDO 59 (2008), 143, 153 ff.; von Weizsäcker, WuW 2007, 1078 ff.; Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.  13. 220  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  50. Zur inhaltlichen Gleichsetzung dieser Begriffe siehe Otte, LMK 2012, 327729. 221  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  52; vgl. auch Mestmäcker, Recht und ökonomisches Gesetz, S.  136, 150: „Die differencia specifica Wettbewerbsfreiheit reicht mithin nicht aus, um ein in sich widerspruchsfreies System von Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen abzuleiten. [. . .] Die Beschränkung des Wettbewerbs und die Marktbeherrschung als ein besonders hoher Grad der Wettbewerbsbeschränkung sind [. . .] Maßstäbe, auf welche eine Wettbewerbs­ politik nicht verzichten sollte, die sich den Schutz der Wettbewerbsfreiheit zur Aufgabe macht“.

B. Der „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht

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dann kann das Kriterium der Freiheit nicht selbst bestimmen, was eine Freiheitsbeschränkung ist.222 Die Bestimmung der Wettbewerbsbeschränkung ist vielmehr eine normative Wertentscheidung. Die entsprechenden Wertmaßstäbe können mit Blick auf das Kooperationselement des Wettbewerbs den Erkenntnissen der Vertragstheorie über die immanenten Grenzen des Vertrages entnommen werden.223 So beruht die Geltungskraft vertraglicher Vereinbarungen nicht allein auf dem Element der formalen Zustimmung, sondern auch auf dem materialen Tatbestand, dass private Regeln die Kooperationsgewinne nicht einseitig zu Gunsten ihres (rechtlichen oder tatsächlichen) Urhebers verteilen, sondern die gemeinsamen Belange angemessen berücksichtigen.224 Zur Bestimmung der Angemessenheit des Interessenausgleichs kann bei marktbezogenen Normen auch auf die Erkenntnisse der positiven Ökonomie zur Abgrenzung eines „Leistungswettbewerbs“ vom „Nichtleistungswettbewerb“ zurückgegriffen werden, soweit ihre Aussagen hinreichend robust sind.225 Erst nach Ermittlung der relevanten tatsächlichen Zusammenhänge kann unter Berücksichtigung des jeweiligen Normzieles ein Werturteil über die Beurteilung einer Verhaltensweise als unzulässig bzw. wettbewerbsbeschränkend (oder nicht) gefällt werden.226 Im Ergebnis handelt es sich regelmäßig um Maß- und Gradfragen, die im Rahmen der vorgegebenen Wirtschaftsverfassung und der konkreten Normziele anhand ökonomisch und historisch gesättigter Erfahrungen zu präzisieren sind.227 Dabei steht nicht eine bestimmte ökonomische Theorie im Vordergrund. Es ist vielmehr die der jeweiligen Problemstellung adäquate Theorie heranzuziehen. Man wird – was auch Kritiker von wohlfahrtsökonomischen Kosten-Nutzen-Analysen wie Adrian Künzler zugestehen 228 – nach jetzigem Stand der ökonomischen Forschung davon ausgehen müssen, dass die neoklassische Preistheorie mangels anderer überlegener Analysemethoden weiterhin eine wesentliche empirische Erkenntnisquelle beinhaltet, sofern man sich ihrer modellimmanenten Einschränkungen bewusst ist und hieraus insbesondere nicht die normative Anforderung ableitet, dass sich die Märkte in Wirklichkeit wie im Modell verhalten müssten.229 Allerdings werden von der statischen neoklassischen Wettbewerbstheorie viele praktisch relevante Aspekte nicht ausreichend 222 

So zutreffend von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  905, 954. Siehe Teil 3 D. 224  So überzeugend Bachmann, Private Ordnung, S.  58 und 213. 225  Zimmer, WuW 2007, 1198, 1206 ff.; Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 462 f. 226  Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  360. 227  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 419; ders., in: FS Mestmäcker, 2006, S.  355, 363; Immenga/Mestmäcker/Möschel, §   19 GWB Rn.   19; Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  2. Siehe zur Beurteilung von Einkaufskooperationen gem. Art.  101 Abs.  1 und Abs.  3 AEUV Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 802. 228  Künzler, ARSP 98 (2012), 1, 11 f. 229  Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 460. 223 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

erfasst, beginnend mit der dynamischen Entwicklung von Märkten bis hin zu Abweichungen vom Verhaltensmuster des rationalen Nutzenmaximierers. 230 Aus diesem Grunde dürfen ihre Erkenntnisse nicht unbesehen auf reale Wirtschaftsprozesse übertragen werden. Es ist vielmehr geboten, die neoklassische Theorie durch andere Ansätze wie die auf der Neoklassik aufbauende Neue Institutionenökonomik zu ergänzen bzw. zu ersetzen. Auch kann eine stärkere Einzelfallanalyse wettbewerbsrechtlicher Problemlagen mit Hilfe ökonometrischer Methoden und von Simulationsmodellen indiziert sein, sofern diese dazu geeignet ist, die Wettbewerbswirkungen zuverlässiger zu ermitteln.231 Hierbei ist jedoch im Blick zu behalten, dass eine verstärkte Analyse von Einzelfällen mit steigenden Verfahrenskosten und sinkender Rechtssicherheit einhergeht, was den Nutzen einer solchen Vorgehensweise sowohl aus juristischer als auch aus ökonomischer Sicht begrenzen kann.232 Allerdings sind die Aussagen der Ökonomie insbesondere mit Blick auf die dynamischen Funktionen des Wettbewerbs nicht selten ambivalent bzw. zu schwach, um hieraus Empfehlungen für die praktische Wettbewerbspolitik ableiten zu können.233 Darüber hinaus existiert keine ökonomische Metatheorie, die dem Anwender bei der Entscheidung behilflich ist, für welche Fragestellungen er welchen Theorieansatz verwenden kann.234 Schließlich können den markttheoretischen Erkenntnissen gesellschaftspolitische oder sonstige außerökonomische Wertvorstellungen entgegenstehen, wie zum Beispiel der marktkomplementäre Verbraucherschutz, der soziale Schutz von Arbeitnehmern und von Wohnraum-Mietern oder der Umweltschutz. In all diesen Fällen ist der 230 

Schwalbe, ZWeR 2010, 454, 463. Budzinski, „Wettbewerbsfreiheit“ und „More Economic Approach“, S.  8 f.; siehe zu den Problemen und Grenzen von Fusionssimulationsmodellen ders., a. a. O., S.  10: „Darüber, ob das Fehlerreduktionspotenzial groß genug ist, um die Kosten des Einsatzes überzukompensieren, gibt es derzeit nur Spekulationen der Befürworter und Gegner mit den korrespondierenden Resultaten), aber keine belastbaren empirischen Aussagen. Es ist damit letztendlich unklar, ob die ‚neuen‘ Instrumente das traditionelle Argument für allgemeinere Regeln (Wettbewerb als ergebnisoffener Prozess) schwächen.“ 232  I. Schmidt, in: FS Bechtold, 2006, S.   409, 410 ff.; siehe auch Christiansen/Kerber, J. Comp. L Econ 2 (2006), 215: A „competition rule is optimally differentiated, if the marginal reduction of the sum of error costs (as the marginal benefit of differentiation) equals the marginal costs of differentiation.“ Auch Hellwig (Wirtschaftspolitik als Rechtsanwendung, S.  12 ff.), der grundsätzlich für eine Einzelfallanalyse plädiert, konzediert, dass die Normierung von Gefährdungstatbeständen aus Gründen der Rechtssicherheit gerechtfertigt sein kann. Er fügt jedoch hinzu: „Ob eine Per-se-Regel, bei der man im Nachhinein Ausnahmen macht, mehr Rechtssicherheit bietet als ein Verfahren, bei dem von Vorneherein feststeht, dass man jeweils auf die Gegebenheiten des Einzelfalles abstellen will, mag füglich bezweifelt werden“ (S.  15). 233 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.   1031; siehe auch Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  2 : als entscheidende Schwäche der Ökonomie werde immer wieder ihre Meinungsvielfalt empfunden. Pointiert Basedow, WuW 2007, 712, 714. 234  Möschel, in: FS Rittner, 1991, S.  405, 418. 231 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

449

Gesetzgeber (bzw. die Judikative im Rahmen einer zulässigen rechtsfortbildenden Tätigkeit 235) gehalten, eine Wertentscheidung zu treffen.236 Bei der Ausgestaltung der Wirtschaftsordnung muss sich diese an der Wirtschaftsverfassung einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen und sozialen Marktwirtschaft im Sinne des Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV orientieren, die nicht nur für das Unionsrecht, sondern auch für die nationalen Rechtsordnungen bindend ist.237 Aufgrund der Unbestimmtheit dieser Zielvorgaben kommt dem Normgeber beim Ausgleich widerstreitender Interessen ein weiter Spielraum zu. Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass sowohl das europäische als auch das deutsche Wettbewerbsrecht letztlich einen Kompromiss zwischen systemtheoretischen und wohlfahrtsökonomischen Konzepten darstellen.238

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen Im Anschluss an die vorstehend erfolgte Kritik des von der Kommission favorisierten „more economic approach“ können wir nunmehr die generelle Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen präzisieren. Die Ausführungen basieren dabei auf der Überzeugung, dass sich diese einheitlich für das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen (Art.  101 AEUV), das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Art.   102 AEUV) und für die vorliegend nicht näher zu betrachtende Fusionskontrolle (FKVO) bestimmen lässt,239 auch wenn die Formulierung der Normen unterschiedlich ist.240 Dies bedeutet nicht, dass von unterschiedlichen Verhaltensweisen nicht auch unterschiedliche Gefahrenlagen für einen freien und unverfälschten Wettbewerbsprozess und die damit verbundenen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer ausgehen können.241 Gleichwohl können sämtliche Tatbestände des Wettbewerbsrechts auf dieselben übergreifenden Schutzzwecke zurückgeführt werden, denen problemadäquat durch unterschiedliche rechtliche In­ 235  Sofern man die Rechtsfortbildung mit der Gesetzgebung gleichsetzt; so Kirchner, in: FS Schäfer, 2008, S.  37, 38 ff. 236  Herdzina, Wirtschaftstheoretische Fundierung der Wettbewerbspolitik, S.  50; Mestmäcker, ORDO 59 (2008), 185, 192, 197 ff. 237  Siehe oben Teil 2 C. 238  Vgl. zum deutschen Wettbewerbsrecht Herdzina, in: FS Benisch, 1989, S.  3, 10 ff. 239  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.   128. Siehe auch Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303 ff., der zwar die unterschiedlichen Gefahren betont, die mit den einzelnen Tatbeständen gegen Wettbewerbsbeschränkungen für den Wettbewerb erfasst werden sollen (S.  304 ff.), diese jedoch sämtlichst als Ausprägungen des allgemeinen Missbrauchsgedankens versteht, der für die Wahrnehmung aller Freiheiten und Rechte gelte (S.  307). 240 Ebenso Behrens, in: FS Möschel, 2011, S.  115, 128. 241  Dies betonen Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  3, wonach der „more economic approach“ die Eigenbedeutung der verschiedenen Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen vernachlässige.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

stru­mente Rechnung getragen wird. Eine solche Herangehensweise ist aus dem allgemeinen Vertragsrecht im Hinblick auf die Sicherung der materialen Pri­vat­ autonomie über Informationspflichten, Widerrufsrechte oder über sonstiges zwingendes Vertragsrecht hinlänglich bekannt.242 Da sich wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und unilaterale Ausbeutungsmissbräuche regelmäßig im Abschluss von (nach unserem Verständnis: Folge-)Verträgen 243 mit der Marktgegenseite manifestieren, sind diese aus zivilistischer Sicht von besonderem Interesse. Diese Verbote weisen nicht nur strukturelle Gemeinsamkeiten mit der Preiskontrolle gem. den §§  138, 315 Abs.  3 BGB auf. Sie übernehmen auch funktional die Aufgabe, die der AGB-Inhaltskontrolle gem. §  307 BGB zukommt.244 Nachfolgend soll die dogmatische Grundstruktur des Kartellverbots und des Verbots von „reinen“ Ausbeutungsmissbräuchen aufgezeigt werden. Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen ist zudem vom Verbot von Behinderungsmissbräuchen abzugrenzen.

I. Sicherung gegenseitiger Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Marktteilnehmer 1. Vorrang der individuellen Freiheit vor der allgemeinen Wohlfahrt Der Wettbewerb ist aus ökonomischer Sicht kein an sich erstrebenswertes Gut. Er wird vielmehr um bestimmter wettbewerbstranszendenter Funktionen willen geschützt.245 Die entsprechenden Ziele der Wettbewerbspolitik werden im ökonomischen Schrifttum gemeinhin in wirtschaftliche und gesellschaftliche unterteilt: 246 Wirtschaftspolitische Zielsetzung des Wettbewerbs ist die bestmögliche Versorgung der Verbraucher durch dessen Steuerungs- und Ordnungsfunktion, die Antriebsfunktion und die Verteilungsfunktion. Demgegenüber richtet sich die „gesellschaftspolitische“, aus unserer Sicht also zivilistische Zielsetzung des Wettbewerbs auf die Sicherung dezentraler Entscheidungsprozesse durch die rechtliche Bindung privater Macht, vor allem durch die Verhinderung von Vereinbarungen und unilateralen Wettbewerbsbeschränkungen zu Lasten der Freiheitsbereiche unbeteiligter Dritter.247 In privatrechtlichen Kategorien entspricht der gesellschaftspolitischen Zielsetzung des Rechts gegen

242  Insoweit ungenau Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  128, wonach bereits ein funktionsfähiger Wettbewerb (immer) ein ausreichendes Korrektiv gegen einen Missbrauch wirtschaftlicher Macht beinhalte. 243  Vgl. Teil 1 B. VII. 244  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 20 ff. 245  Siehe Teil 4 B. IV.; siehe schon Säcker, Zielwandlungen, S.  40. 246 MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  4 ff. 247 MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  7.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

451

Wettbewerbsbeschränkungen somit der Schutz der materialen Privatautonomie der Marktteilnehmer.248 Entgegen der in Anlehnung an die unrealistischen Prämissen des frühen Ordo­liberalismus gebildeten Einschätzung des historischen GWB-Gesetzgebers249 kann es in der Rechtswirklichkeit zu Rangkonflikten zwischen dem Ziel der Freiheitssicherung und dem gesamtwirtschaftlich-wohlfahrtsökonomischen Ziel einer Maximierung des Wohlstands kommen; denn es bestehen verschiedene Freiheitsgrade und Wettbewerbsintensitäten, die nicht immer zu guten ökonomischen Ergebnissen führen müssen.250 So setzt ein dynamischer, durch Innovations- und Investitionstätigkeiten geprägter Wettbewerbsprozess das zeitweilige Bestehen von wirtschaftlichen Machtpositionen voraus. Da eine auf wirtschaftlicher Freiheit aufbauende Wettbewerbswirtschaft nach historisch erhärteter Erfahrung langfristig die „ökonomischste und zugleich demokratischste Form der Wirtschaftsordnung ist“, 251 stellt das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen das Freiheitsziel über das Wohlfahrtsziel. 252 Dies zeigt sich – wie wir noch im Detail sehen werden – besonders deutlich mit Blick auf das in Art.  101 AEUV und den §§  1, 2 GWB geregelte Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen („Kartellverbot“). So ermöglichen erst die in Art.  101 Abs.  3 AEUV bzw. in §  2 GWB enthaltenen Ausnahmetatbestände Einschränkungen der Wettbewerbsfreiheit aus wohlfahrtsökonomischen Erwägungen, wohingegen der Tatbestand des Art.  101 Abs.  1 AEUV bzw. des §  1 GWB auf den Schutz der materialen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit abstellt.253 Die auf Freiheitssicherung gerichtete Zielsetzung des Wettbewerbs wird im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum derzeit zu Gunsten einer vornehmlich wohlfahrtsökonomischen Sichtweise in Frage gestellt („more economic approach“).254 Diese sieht sich aber – wie wir oben herausgearbeitet haben – mit wettbewerbstheoretischen Bedenken konfrontiert.255 Auch können die wirt248  Vgl. auch OGH (Österreich) v. 14.2.2012 – 5 Ob 39/11p, WuW KRInt 394, 398 – Gesamtschuldnerische Haftung: „Die Verbotsbestimmungen des §  18 Abs.  1 Z 1 KartG 1988 und Art.  81 EGV (nunmehr Art.  101 AEUV) haben neben wettbewerbsrechtlichen Zwecken gerade auch den Zweck, Übervorteilungen der Marktteilnehmer auf der Marktgegenseite durch Absprachen von Kartellanten zu verhindern (…).“ 249  Siehe die Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (abgedruckt bei Müller-Henneberg/Schwartz, S.  1057). 250 So die Dilemma-These, vgl. Görgens, Wettbewerb und Wirtschaftswachstum, S.   39; Schmidtchen, WuW 2006, 6, 10 f.; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  17. 251  Begründung zu dem Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (abgedruckt bei Müller-Henneberg/Schwartz, S.  1057). 252 Ebenso Säcker, Zielwandlungen, S.  149; FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Grundfragen Rn.  214 ff. 253  Säcker, Zielwandlungen, S.  150. 254  So auch die Feststellung von MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  6 Fn.  14 a. E. 255  Siehe oben Teil 5 B.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

schaftswissenschaftlichen Theorien eine Abwägung zwischen den verschiedenen Zielfunktionen des Wettbewerbs nicht aus eigener Kraft leisten. Der entsprechende Maßstab kann sich vielmehr nur aus der Rechts- und Wirtschaftsordnung ergeben, wie er im Verfassungs- und Privatrecht mit dem Konzept der materialen Freiheit der Marktteilnehmer vorgegeben ist. Ein wohlfahrtsökonomisch-instrumentales Verständnis des Wettbewerbsrechts negiert diesen funktionalen Zusammenhang des Wettbewerbs zum Privatrecht.256 In einer Privatrechtsordnung, in der der Interessenausgleich zwischen den einzelnen Rechtssubjektiven durch frei ausgehandelte Austauschverträge zustande kommt und die Wertrelation zwischen den einzelnen Gütern über den Preis derselben bestimmt wird, ist aber der Wettbewerb das entscheidende Mittel, um die gegenseitige Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Vertragspartner sicherzustellen.257 Dem Privatrecht ist das Phänomen einer Indienstnahme des Austauschvertrages als Instrument einseitiger Leistungsfestlegung durch (markt-)mächtige Vertragspartner seit Langem bekannt, 258 wie die Diskussion um die zutreffende Behandlung von AGB verdeutlicht.259 Die Vertragsrechtstheorie hat deshalb die Chance zur materialen Selbstbestimmung der Vertragspartner als wesentlichen Geltungsgrund von Verträgen und damit als Kernfrage des Privatrechts ausgemacht.260 Aus privatrechtsdogmatischer Sicht dient deshalb auch das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen dem Schutz der wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer vor den Gefahren wirtschaftlicher Macht und damit zugleich dem Schutz eines unverfälschten Wettbewerbsprozesses.261 Es ist das zentrale Verdienst des Ordoliberalismus um Eucken und Böhm, die abträglichen Wirkungen privater Machtkonzentrationen auf eine freiheitlich-demokratische Verfassungs- und Marktordnung herausgestellt zu haben.262 Die entsprechenden Erkenntnisse sind in jüngerer Zeit durch die zur Neuen Institutionenökonomik zählende Ordnungsökonomik verfeinert worden,263 die insoweit als Gegenpol zum „more economic approach“ der Kommission fungiert.

256 

Siehe zu diesem Zusammenhang schon Teil 3 A. und Teil 3 D. V. Säcker, Zielwandlungen, S.  56. 258  Siehe zum Unionsrecht auch EuGH v. 15.12.1995 – Rs. C-415/93, Slg. 1995, I-4921 – Bosman. 259  Siehe Teil 3 B. III. 3. und 4. 260  Siehe Teil 3 D. IV. 261 Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  17: Aufrechterhaltung der individuellen Handlungsfreiheiten und reflexhafter Schutz des Wettbewerbs als Institution; siehe auch Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 32; Gersdorf, N&R Beilage Heft 2/2008, 1, 9; Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 307. 262  Siehe oben Teil 4 D. I. 263  Dazu Teil 4 D. II. sowie auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  203. 257 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Das Ziel einer Sicherung gegenseitiger Unabhängigkeit und Wahlfreiheit von Marktteilnehmern entspricht auch den Wertungen der geltenden Wirtschaftsverfassung.264 In einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen und zugleich sozialen Marktwirtschaft (Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV) ist der Staat auf der Grundlage seiner Schutzpflicht für die materiale Selbstbestimmung der Bürger im Rechtsverkehr und für den freien und unverfälschten Wettbewerb als Bestandteil der Wirtschaftsverfassung (Art.  74 Abs.  1 Nr.  16 GG265) nicht nur befugt, sondern auch verpflichtet, Vorschriften zum Schutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zu schaffen und geeignete Durchsetzungsmechanismen zur Verfügung zu stellen.266 Die verfassungsrechtlich gewährleistete Vertrags- und Wettbewerbsfreiheit sichert für alle Bürger die rechtliche und tatsächliche Chance auf Teilnahme am wirtschaftlichen Wettbewerb. Aus diesem Grunde müssen sich wettbewerbsrechtliche Einschränkungen derselben, wozu auch die in dieser Untersuchung besonders relevante unternehmerische Preissetzungsfreiheit gehört, 267 an den Vorgaben der grundrechtlich geschützten Freiheitsrechte messen lassen.268 Dies gilt sowohl für vertragliche Rechtsbeziehungen als auch für den außervertraglichen, insbesondere den deliktischen Bereich.269 Ein Kartellverbot ist ebenso wie ein Verbot von (Ausbeutungs-)Missbräuchen marktbeherrschender Unternehmen zum Schutz der freien und unverfälschten Wettbewerbsordnung gerechtfertigt. Diese Vorschriften intendieren einen verhältnismäßigen Ausgleich der im wirtschaftlichen Verkehr kollidierenden Freiheitsrechte und sichern zugleich die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbsprozesses.270 Indem ein wirksamer Wettbewerb die Voraussetzungen für ein souveränes Konsumentenverhalten und eine effiziente und breitgefächerte Güter- und Dienstleistungsproduktion schafft, stellt er schon im Vorfeld eines Vertragsschlusses sicher, dass es zu keinen Situationen kommt, die im Wege einer Ex-post-Einzelfallkontrolle wegen einer erheblichen Störung der Vertragsparität zu korrigieren wären.271 Das Wettbewerbsrecht entlastet insoweit das bürgerliche Vertrags- und Deliktsrecht, da die Vertragsverhandlungen nach der normativen Konzeption in einen von wirksamem Wettbewerb geprägten Ent264 

Teil 2 C. und D. zur Reichweite dieser Kompetenzvorschrift von Münch/Kunig/Kunig, Art.  74 Rn.  62 f., wonach das Grundgesetz nicht solche Personen schützen könne, die ihre wirtschaftliche Machtstellung missbrauchten. 266  Gersdorf, N&R Beilage Heft 2/2008, 1, 8; siehe auch BVerfG v. 8.2.1972 – 1 BvR 170/71, NJW 1972, 573. 267  BVerfG v. 14.5.1985 – 1 BvR 449/82, NJW 1986, 772. 268 Maunz/Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG Rn.  117. 269 Dazu Mohr, Jura 2013, 567 ff. 270  Zum Kartellverbot siehe Böhm, WuW 1956, 173 ff.; zur geltenden Rechtslage Maunz/ Dürig/Di Fabio, Art.  2 GG Rn.  124 f. Aus zivilistischer Sicht siehe auch Canaris, AcP 200 (2000), 273, 293; Zöllner, AcP 196 (1996), 1, 29 f.; Mohr, AcP 204 (2004), 660, 684. 271  Dreher, JZ 1997, 167, 177; Kittner, Schuldrecht, Rn.  1096. 265 Siehe

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

scheidungskontext eingebettet und in diesem Umfang von den Problemen einer einzelfallbezogenen Kompensation privater Machtpositionen enthoben sind. 272 Es stellt mit anderen Worten die prozeduralen Voraussetzungen für eine sinnvoll zu nutzende „funktionsfähige Vertragsfreiheit“273 und damit für die Herstellung von Vertragsgerechtigkeit bereit.274 2. Bestätigung der drittschützenden Intention der Wettbewerbsregeln durch §  33 GWB Die drittschützende Intention der Kartell- und Missbrauchsverbote wurde vom deutschen Gesetzgeber im Rahmen der 7. GWB-Novelle durch §  33 Abs.  1, 3 GWB bekräftigt, wonach alle mittelbar von einem Wettbewerbsverstoß negativ Betroffenen von den Kartelltätern Ersatz ihres kausal auf die Wettbewerbsverletzung zurückzuführenden Schadens verlangen können. §  33 GWB bestätigt damit die vorstehende Interpretation, wonach sich der Unrechtsgehalt eines Wettbewerbsverstoßes – sei es gegen das Missbrauchsverbot oder gegen das Kartellverbot – nicht in der Selbstbindung der Vertragsbeteiligten erschöpft, sondern vornehmlich in der „positionsverschlechternden Drittwirkung“ zu Lasten der Akteure vor- und nachgelagerter Marktstufen liegt.275 Aufgrund ihrer individualschützenden, machtbegrenzenden Wirkung beziehen sich die Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen somit nicht allein auf das sog. Konkurrenzelement des Marktes, wie dies immer noch behauptet wird,276 sondern auch auf dessen sog. Kooperationselement. Sie können insoweit gleichsam als „konstitutive Verbraucherschutzregelungen“ angesehen werden.277

272 

G. P. Calliess, JJZ 2000, S.  85, 104 f. beispielhaft Raiser, JZ 1958, 1 ff.; ders., in: FS zum 100-jährigen Bestehen des DJT, Bd. 1, 1960, S.  101, 129 ff. Die Parallele zwischen Schutz eines funktionsfähigen Wettbewerbs und einer funktionsfähigen Vertragsfreiheit ist angelegt bei Reichold, JJZ 1992, S.  63 ff., insb. S.  68 und 79. 274  Fornasier, Freier Markt, S.  42; siehe zum Zusammenhang zwischen Wettbewerbsschutz und Vertragsgerechtigkeit Canaris, AcP 200 (2000), 273, 294, sowie Teil 3 D. V. 275 Vgl. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  125; siehe auch Keßler, WRP 2006, 1061, 1067; ders., VuR 2007, 41, 42; Glöckner, WRP 2007, 490, 498; Köhler, GRUR 2004, 99, 100; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  22; Lukes, Kartellvertrag, S.  150 ff.; Säcker, Zielkonflikte, S.  24; Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, §  4 Rn.  108 ff.; Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.  378. 276  Fornasier, Freier Markt, S.  63. 277  Siehe zu formaler Privatautonomie und Wettbewerbsrecht als konstitutivem Verbraucherschutzrecht Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  293 ff. 273  Dazu

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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II. Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  101 AEUV Nachfolgend wollen wir uns die aus zivilistischem Blickwinkel wesentlichen Tatbestandsmerkmale des Kartellverbots und des Verbots eines (Ausbeutungs-) Missbrauchs von Marktmacht vor Augen führen, wobei aus Gründen der Vereinfachung primär auf das Unionsrecht abgestellt wird, das – wie wir sehen werden – auch für die Auslegung des nationalen Rechts maßgeblich ist. Beginnen wollen wir mit dem Kartellverbot des Art.  101 AEUV.278 Dieses schützt de lege lata nicht nur die individuelle materiale Wettbewerbsfreiheit der Marktteilnehmer und damit den Wettbewerbsprozess, sondern nimmt zur Steigerung der Wohlfahrt unter genau spezifizierten Umständen auch Einschränkungen dieser Gewährleistungen hin. Das Kartellverbot dient damit sowohl den „gesellschaftlichen“ (aus unserer Sicht: privatrechtlichen) als auch den „ökonomischen Wettbewerbsfunktionen“, wobei wir bereits gesehen haben, dass das Gesetz den Schutz des Freiheitsziels im Rang über dem Wohlfahrtsziel ansiedelt. Zwar wird der wirtschaftliche Wettbewerb nicht um seiner selbst willen geschützt, sondern weil er mittelfristig die bestmöglichen ökonomischen Ergebnisse produziert. Aus Sicht des Normgebers liegt dem Schutz des Wettbewerbsprozesses aber ein gestuftes Gemeinwohlverständnis zugrunde: Durch den Schutz individueller materialer Selbstbestimmung im wirtschaftlichen Verkehr und den daraus entstehenden Wettbewerbsprozessen wird mittelfristig zugleich die bestmögliche Versorgung der Bürger mit an ihren Präferenzen orientierten Gütern und Dienstleistungen sichergestellt.279 Sollte es gleichwohl zu konkreten Ausbeutungssituationen kommen, da faktisch unterschiedliche Freiheitsgrade und Wettbewerbsintensitäten bestehen, nimmt das Wettbewerbsrecht diese nicht hin, sondern normiert ergänzend zum allgemeinen Privatrecht deliktsrechtliche Schutz- und vertragsrechtliche Verbotsgesetze. 1. Wettbewerbsbeschränkung gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV Die Wettbewerbsbeschränkung ist das zentrale Tatbestandsmerkmal des Art.  101 Abs.  1 AEUV.280 Die Erfassung seines materiellen, subsumtionsfähigen Aussagegehalts bereitet der Rechtsdogmatik aber weiterhin große Schwierigkeiten.281 Dies liegt bereits daran, dass der schützenswerte Wettbewerb weder 278  Zur wettbewerbstheoretischen Behandlung vertikaler Vereinbarungen, die maßgeblich durch die Transaktionskostenökonomik beeinflusst wird, vgl. MünchKommEUWettbR/ Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1344 ff. Zu Beeinträchtigungen des Wettbewerbs auf der Herstellerebene mit der Folge höherer Preise für die Konsumenten dies., a. a. O., Rn.  1365 ff. 279  So überzeugend Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 291 m. w. N. 280  Siehe zu Teilfragen in Bezug auf Einkaufskooperationen bereits Säcker/Mohr, WRP 2011, 793 ff. 281  Zum Unionsrecht vgl. Wiedemann/Lübbig, Kartellrecht, §  7 Rn.  21.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

vom Unionsrecht noch von den nationalen Wettbewerbsordnungen legal definiert wird, sondern sein Verständnis an den im Zeitablauf veränderlichen Erkenntnissen der Wettbewerbstheorie teilnimmt.282 a) Zur Begrifflichkeit Die vom Tatbestand des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV bzw. gem. §  1 GWB erfassten kollusiven wettbewerblichen Verhaltensweisen – konkret: Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen 283 – sind bei einer Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels284 nur dann verboten (Art.  101 Abs.  2 AEUV),285 wenn sie eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken.286 Hierbei handelt es sich um die zentralen Merkmale des Art.  101 Abs.  1 AEUV, die in unionsrechtskonformer Auslegung auch für das deutsche Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen des §  1 GWB gelten, selbst wenn Art.  101 AEUV im Einzelfall aufgrund fehlender Zwischenstaatlichkeit nicht einschlägig ist.287 Das Verhältnis der in Art.  101 Abs.  1 AEUV genannten Verhaltensweisen zueinander ist klärungsbedürftig.288 Die „Verhinderung des Wettbewerbs“ adressiert nach wohl allgemeiner Ansicht eine besonders schwere Variante der „Einschränkung des Wettbewerbs“, in Form eines vollständigen Wettbewerbsausschlusses, weshalb die Begriffe „Verhinderung“ und „Einschränkung“ unter den Oberbegriff der „Wettbewerbsbeschränkung“ zusammengefasst werden können.289 Nicht eindeutig ist dagegen, ob der Begriff der „Wettbewerbsverfälschung“ ebenfalls nur eine besondere Erscheinungsform der Wettbewerbsbeschränkung darstellt oder aber eine eigenständige Bedeutung hat.290 Mit dem Verbot von Verfälschungen des Wettbewerbs knüpft das Unionsrecht an das Protokoll Nr.  27 zum Lissabonner Vertrag an, wonach die Union ein System errichten will, „das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“. Aus diesem 282 Immenga/Mestmäcker/Emmerich,

Art.  101 AEUV Rn.  107. Zur Vereinfachung werden wir auf wettbewerbsbeschränkende „Vereinbarungen“ blicken; abgestimmte Verhaltensweisen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen bleiben außer Betracht. Zum teleologisch-weiten Verständnis des Begriffs „Unternehmen“ siehe Glöckner, Kartellrecht, Rn.  328 ff. 284  In diesem Fall greift in Deutschland das Kartellverbot des §  1 GWB; siehe Papadelli, Beweislastverteilung, S.  30 ff.; zur Problematik, ob es sich bei der „Zwischenstaatlichkeitsklausel“ um eine Kollisionsregel oder um ein materielles Tatbestandsmerkmal handelt, siehe Mestmäcker/Schweitzer, §  4 Rn.  10. 285  Im deutschen Recht: §  1 GWB i. V. mit §  134 BGB. 286 MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  154. 287  Siehe dazu BT-Drucks. 15/3640, S.  23; Fuchs, WRP 2005, 1384 ff. 288  Siehe Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber, Art.  101 Abs.  1 AEUV Rn.  88 f. 289 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art.  101 AEUV Rn.  106. 290  Mestmäcker/Schweitzer, §  10 Rn.  2. 283 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

457

Grunde liegt es nahe, in dieser Formulierung ebenfalls eine besondere Spielart der Wettbewerbsbeschränkung zu sehen. Die Wettbewerbsbeschränkung kann damit als Oberbegriff für alle drei in Art.  101 Abs.  1 AEUV genannten Maßnahmen (Verhinderung, Einschränkung und Verfälschung des Wettbewerbs) verstanden werden.291 Ob eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegt, ist mit Blick auf den Zweck der Wettbewerbsregeln zu konkretisieren. Aus unionsrechtlicher Perspektive sollen die Unternehmen daran gehindert werden, die durch den AEU-Vertrag beseitigten Handelsschranken durch private Maßnahmen zu ersetzen.292 Hierbei handelt es sich freilich nicht um ein besonderes „politisch gesetztes“ Integrationsziel, das neben das Freiheits- und das Wohlfahrtsziel tritt, sondern um eine spezifische Ausprägung derselben; 293 denn die Verhinderung einer protektionistischen Aufteilung der nationalen Märkte dient auch dem Schutz der wettbewerblichen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer. Auch im Unionsrecht steht somit – wie wir sogleich sehen werden – der Schutz gegenseitiger Unabhängigkeit und Wahlfreiheit der Marktteilnehmer im Vordergrund. b) Unwertgehalt und Ausrichtung auf den Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs In Abhängigkeit vom jeweiligen wettbewerbstheoretischen Grundverständnis kann man den Unwertgehalt einer Wettbewerbsbeschränkung in unterschiedlichen Gesichtspunkten erblicken.294 Das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen kann zum einen – in gewisser Anlehnung an das Selbstständigkeitspostulat des EuGH 295 – an die den Unternehmen auf einem bestimmten Markt zukommenden Handlungsmöglichkeiten anknüpfen und deshalb den Kern der Wettbewerbsbeschränkung in der auf einer kollusiven Verhaltensweise beruhenden Einschränkung eben dieser Handlungsmöglichkeiten erblicken. Damit ist nicht die aus dem Abschluss von Rechtsgeschäften folgende Bindung an das gegebene Wort gemeint („pacta sunt servanda“). Vielmehr 291 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art.   101 AEUV Rn.  106; Glöckner, Kartellrecht, Rn.  348; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber, Art.  101 Abs.  1 AEUV Rn.  123, wonach der Begriff der Wettbewerbsverfälschung den Oberbegriff bilden soll. 292 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art.  101 AEUV Rn.  116. 293 FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Grundfragen Rn.  29. 294 Siehe zum Folgenden Immenga/Mestmäcker/Emmerich, Art.  101 AEUV Rn.  107 ff.; Zimmer/Paul, JZ 2008, 611, 615 f., die freilich im Einzelnen ein abweichendes Verständnis zugrunde legen. 295  Vgl. zur abgestimmten Verhaltensweise (in Abgrenzung zur kollektiven Marktbeherrschung) EuGH v. 16.12.1975 – 40/73 u. a., Slg. 1975, 1663 Rn.  173 – Suiker Unie; EuGH v. 25.3.1981 – C-61/80, Slg. 1981, 851 Rn.  12 ff. – Coöperatieve Stremsel- en Kleurselfabriek („Lab“); EuGH v. 15.12.1994 – Rs. C-250/92, Slg. 1994 I-5641, Rn.  35 ff. – Gottrup-Klim/ DLG; EuGH v. 4.6.2009 – C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  32 f. – T-Mobile Netherlands; aus dem Schrifttum siehe Calliess/Ruffert/Weiß, Art.  101 AEUV Rn.  60.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

richtet sich das Verbot von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen gegen Abreden, mit denen Unternehmen ihre Freiheit zur Aufnahme und Ausübung selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit im weitesten Sinne (wie Forschung, Entwicklung, Vergabe von Lizenzen, Produktion und Distribution), ihre Freiheit zur Wahl des Geschäftspartners, zum Abschluss von Verträgen und zur Gestaltung des Vertragsinhalts (Leistungsgegenstand, Menge, Gegenleistung, sonstige Konditionen) für eine gewisse Zeit oder dauerhaft beschränken oder ganz aufgeben.296 Die Wettbewerbsbeschränkung ist nach dieser Sichtweise also identisch mit einer Beschränkung der internen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der die Vereinbarung schließenden Unternehmen.297 Diese Ansicht basiert auf dem zutreffenden Kern, dass ein wirksamer Wettbewerb – wie bereits der frühe Ordoliberalismus betonte298 – als Mindestbedingung die Aufrechterhaltung autonomer Interessenträger erfordert, die ihre Freiheit zur Veranstaltung von Wettbewerb auch tatsächlich ausüben, im Sinne eines Handelns unter Ungewissheit über die Reaktion der Wettbewerber auf die Ausübung eines unternehmerischen Aktionsparameters.299 Zugleich kann einem Unternehmen nur dann ein wettbewerbsrechtlicher Vorwurf gemacht werden, wenn es im konkreten Zusammenhang überhaupt die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Handeln hatte,300 ein Argument, das gewisse Parallelen zum vertragsrechtlichen Legitimationsgrund des Schutzes materialer Selbstbestimmung aufweist. Das Wettbewerbsrecht hat hiernach zu verhindern, dass die Entschließungs- und Handlungsfreiheit der Unternehmen durch privates Handeln unangemessen beschränkt wird.301 Art.  101 Abs.  1 AEUV erfasst deshalb vertragliche Bindungen, die einen Vertragspartner in seiner künftigen Gestaltungsfreiheit in Verträgen mit anderen Parteien in einer Art und Weise einengen, die über die aus regulären Rechtsgeschäften folgenden Bindungen hinausgehen.302 296  So missverständlich Glöckner, Kartellrecht, Rn.  349. Wie vorliegend jedoch ders., WRP 2007, 490, 498. 297  Vgl. Wiedemann/Lübbig, Kartellrecht, §  7 Rn.  21. 298  Böhm, WuW 1956, 173, 186: „Das Mittel zur Machtbegründung ist der solidarisch betätigte Teilverzicht der Vertragsbeteiligten auf die ihnen von der Privatrechts- und Wirtschaftsordnung eingeräumte Wettbewerbsfreiheit, d. h. auf ein zusammengesetztes Bündel verschiedenartiger Freiheiten, die insgesamt die Privatautonomie ausmachen.“ Für Böhm machte dieses Verhalten freilich nicht den Kern der Vorwerfbarkeit aus; siehe Teil 4 D. I. 4. 299 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  6 . 300  So zum Tatbestand gegen Marktmachtmissbräuche Kling, ZHR 177 (2013), 90, 100. 301 EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.   32 – T-Mobile-Netherlands; Glöckner, Kartellrecht, Rn.  343 und 348. 302  Siehe zu §  15 GWB a. F. der BGH v. 27.1.1981 – KVR 4/80, BGHZ 80, 43, 53 – Garant; BGH v. 2.2.1999 – KZR 11/97, NJW 1999, 2671, 2674: Es solle nicht ein Vertragsteil in die Selbstbestimmung des anderen eindringen und damit bei diesem einen Bereich geschäftlicher Entschließung beherrschen, der an sich den Grundsätzen des freien Wettbewerbs überlassen bleiben soll.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Die vorstehende Herangehensweise – die der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum entspricht – kann trotz ihres richtigen Kerns dazu verleiten, kollusive unternehmerische Verhaltensweisen allein aus der „Binnenperspektive“ zu betrachten, also die Verhaltensabstimmung der Kartellanten und nicht die negativen Drittwirkungen der Vereinbarung in den Blick zu nehmen. Ein solches (Miss-)Verständnis erinnert an die überholte „Gegenstandstheorie“, wonach es nicht auf den Zweck oder die Wirkungen einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, sondern allein darauf ankommen sollte, ob diese ausdrücklich zum Inhalt (zum „Gegenstand“) des Kartellvertrages gemacht wurde,303 eine Sichtweise, die derzeit bei der Frage der Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender (Folge-)Verträge eine Renaissance erlebt.304 Das Wettbewerbsrecht dient vornehmlich dazu, schädliche Außenwirkungen unternehmerischer Handlungen auf die materiale wirtschaftliche Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer und auf den freien Wettbewerbsprozess zu verhindern.305 Es schützt damit die Vertragsfreiheit Dritter vor den positionsverschlechternden Außenwirkungen einer Wettbewerbsbeschränkung, nicht die Innenfreiheit der beteiligten Unternehmen, schon weil diese sonst über ihre ­eigenen Freiheitspositionen disponieren könnten.306 In der Sprache der Öko­ nomie geht es um die Vermeidung negativer externer Effekte auf die Freiheitspositionen anderer Marktteilnehmer.307 Indem sich die Kartellanten ihrer wettbewerblichen Handlungsfreiheit entledigen (auch wenn eine entsprechende Vereinbarung unwirksam ist, vgl. Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. die §§  1 GWB, 134 BGB), machen sie die Inhalte ihrer Absprache für Dritte zu einer „faktisch belastenden Norm“,308 weshalb das Wettbewerbsrecht eine derartige Vereinba-

303  Gegenstandstheorie; vgl. BGH v. 19.6.1975 – KVR 2/74, NJW 1975, 1837 – Zementverkaufsstelle Niedersachsen; dazu Markert, ZHR 134 (1970), 1953 ff.; Möschel, NJW 1975, 94 ff. Siehe auch Säcker/Mohr, WRP 2011, 793 ff.; Mohr/König, Jura 2012, 165, 170; zum historischen Verständnis vgl. Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 398. 304 Siehe K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 563 mit Fn.  25. 305  Vgl. zum Verständnis des Kartellvertrags als Instrument zur Generierung negativer Drittwirkungen („Reflexwirkungen“) schon Lukes, Kartellvertrag, S.  133 ff., insb. S.  157, der hieraus jedoch noch keine überzeugenden dogmatischen Folgerungen abgeleitet hat. Zur institutionenökonomischen Begründung mit „negativen externen Effekten“ vgl. Bachmann, Private Ordnung, S.  104 f.; ders., JZ 2008, 11, 12. Negative Drittwirkungen von Wettbewerbsbeschränkungen sind nur bei einem erweiterten Begriffsverständnis als „externe Effekte“ anzusehen, da sie hier auch intendiert sein können („bezweckt“ im engeren Sinne), wohingegen mit „externen Effekten“ in den Wirtschaftswissenschaften vor allem solche Effekte auf Dritte adressiert werden, die ungeplant bzw. ungewollt auftreten, weshalb ihre Kosten und ihr Nutzen erst im nachhinein „internalisiert“ werden können. Zum grundlegenden „Coase-Theorem“ vgl. Voigt, Institutionenökonomik, S.  56 f. 306 Vgl. Säcker, Zielwandlungen, S.  60. 307  Siehe dazu Pfähler/Wiese, Unternehmensstrategien im Wettbewerb, S.  45; aus zivilistischer Sicht siehe Bachmann, Private Ordnung, S.  55. 308  Bachmann, Private Ordnung, S.  145.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

rung untersagt und mit Sanktionen belegt, sofern nicht im Einzelfall die positiven Effekte auf die Wohlfahrt aller Verbraucher nachweislich überwiegen. Eine solch „auswirkungsbezogene“ Sichtweise bedeutet nicht automatisch, dass die privatautonome Einschränkung der (inneren) unternehmerischen Selbstständigkeit als juristisches Tatbestandsmerkmal zur Erfassung besonders gravierender Wettbewerbsbeschränkungen sowie zur Abgrenzung multilateraler von unilateralen Wettbewerbsbeschränkungen entbehrlich wäre; denn diese Verpflichtung besteht nicht im Interesse der gebundenen Unternehmen, sondern im Interesse der von der Wettbewerbsbeschränkung in ihrer materialen wirtschaftlichen Handlungsfreiheit negativ betroffenen Dritten.309 Wenn Unternehmen ihre wirtschaftliche Handlungsfreiheit einschränken, werden sie dies auf der Grundlage ihrer eigenen Wirtschaftspläne – die nicht notwendig die realen Verhältnisse widerspiegeln müssen 310 – nur dann tun, wenn sie damit positive Effekte für sich und negative Effekte für Dritte erwarten, zum Beispiel in Gestalt der Möglichkeit, am Markt antikompetitiv überhöhte Preise durchsetzen zu können.311 Vor diesem ökonomischen Hintergrund und der Formulierung des Tatbestands von Art.  101 Abs.  1 AEUV, der sowohl bewirkte als auch (objektiv) bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen verbietet, kann ein Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen neben den faktisch negativen Auswirkungen eines kollusiven unternehmerischen Verhaltens auf dritte Marktteilnehmer schon die Aufgabe unternehmerischer Selbstständigkeit als tatbestandsmäßig ansehen, da dies nach wirtschaftshistorisch bekräftigter Erfahrung zu den missbilligten Drittwirkungen führt.312 In dogmatischer Hinsicht handelt es sich somit um einen Gefährdungstatbestand.313 Da das Wettbewerbsrecht aus teleologischer Sicht die materiale wirtschaftliche Handlungsfreiheit schützt, kann unter gewissen Voraussetzungen sogar die Einschränkung der materialen Handlungsfreiheit eines Kartellbeteiligten tatbestandsmäßig sein, sofern der oder die anderen Kartellanten bei wertender Betrachtung als Haupttäter anzusehen sind, weshalb der Betroffene ihnen faktisch als außenstehender Dritter gegenübersteht. Eine solche Situation ist in der Rechtswirklichkeit insbesondere bei vertikalen Wettbewerbsbeschränkungen denkbar, bei denen die Unternehmen auf verschiedenen Produktions- oder Vertriebsstufen stehen.314 Wir können somit als Zwischenergebnis festhalten, dass Art.   101 Abs.   1 AEUV dem Schutz der individuellen materialen Freiheit der Marktteilnehmer 309 

Böhm, WuW 1956, 173, 186. Säcker, ZWeR 2004, 1 ff. 311  Pfähler/Wiese, Unternehmensstrategien im Wettbewerb, S.  45 f. 312  Zimmer/Paul, JZ 2008, 611, 615. 313  Zur Einordnung als abstrakter oder als konkreter Gefährdungstatbestand siehe Teil 5 C. II. 1. c). 314  Siehe EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  33 f. – Courage/Crehan; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 482. 310 Dazu

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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vor den positionsverschlechternden Wirkungen einer Kartellvereinbarung dient.315 Die drittschützende Intention des Kartellverbots erfordert aus normtheoretischer Sicht nicht notwendig den konkreten Nachweis einer Schädigung der geschützten Personen (insbesondere der Verbraucher) als Tatbestandsmerkmal; denn das Wettbewerbsrecht kann – wie der Tatbestand der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung zeigt – Verhaltensweisen bereits aufgrund ihrer Gefährlichkeit für ein geschütztes Rechtsgut untersagen. Auch im Rahmen „bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen“ können die Verbraucher effektiv geschützt werden, indem das Wettbewerbsrecht die Voraussetzungen wirksamen Wettbewerbs und die Auswahlfreiheit der Verbraucher gewährleistet.316 c) Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung Eine gegen kollusives wettbewerbsbeschränkendes Verhalten gerichtete Rechtsnorm muss nicht jede Vereinbarung zwischen Unternehmen erfassen, die die interne Handlungsfreiheit eines der Beteiligten (seine „Selbstständigkeit“) irgendwie vermindert; denn der zentrale Unwertgehalt des in Art.  101 AEVU und den §§  1, 2 GWB geregelten Kartellverbots liegt nicht in der Selbstbindung der Vertragsparteien, sondern in den nachteiligen Wirkungen auf die Freiheitspositionen dritter Marktbeteiligter und die dadurch bewirkte Beeinträchtigung des freien und chancengleichen Wettbewerbsprozesses. Vor diesem Hintergrund könnte es nahe liegen, eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung nur beim konkreten Nachweis einer negativen Drittwirkung auf andere Marktteilnehmer anzunehmen, wie dies von Seiten der Wirtschaftswissenschaften gefordert wird (sog. „effects based approach“).317 Aus juristischer Sicht ist ein solcher Nachweis freilich nicht zwingend, da die Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen neben der Einzelfallgerechtigkeit auch den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Rechtssicherheit, der Vorhersehbarkeit und der Justiziabilität Rechnung tragen.318 Art.  101 Abs.  1 AEUV sieht deshalb vor, dass ein kollusives unternehmerisches Verhalten bereits dann unzulässig ist, wenn es eine Wettbewerbsbeschränkung objektiv bezweckt, da dann vermutet werden kann, dass die Par­ teien ein „künstliches Monopol“ herstellen.319 Wann eine derart bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzunehmen ist, ist Gegenstand kontroverser Diskussionen.320

315  Siehe zu Art.  85 EGV a. F. EuGH v. 21.2.1973 – Rs. C-6/72, Slg. 1973, 215 Rn.  23 ff. – Continental Can; Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.  378. 316 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  5. 317  Report by the EAGCP, An economic approach to Article 82, July 2005, S.  3 ; siehe dazu schon oben Teil 5 B. II. 1. und 2. a). 318  Siehe oben Teil 4 B. III. 2. 319  Glöckner, Kartellrecht, Rn.  397. 320 Jüngst Barth, GWR 2013, 254.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Nach dem Telos des Kartellverbots liegt eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vor, wenn die Auswirkungen der Kollusion auf Dritte und den Wettbewerbsprozess schon nach dem Inhalt der Vereinbarung und den mit ihr verfolgten (aber im Einzelfall schwer nachzuweisenden) Zielen so schwerwiegend sind, dass die Rechtsordnung diese ohne den konkreten Nachweis einer positionsverschlechternden Drittwirkung untersagt.321 Dem liegt die ökonomische Erkenntnis zugrunde, dass rational handelnde Marktteilnehmer ihre unternehmerische Selbstständigkeit nur dann aufgeben werden, wenn die Abrede nach ihrer eigenen Einschätzung zur Mehrung ihres Gewinns zu Lasten Dritter führt.322 Insbesondere horizontale Kartelle führen nach ökonomisch bestätigter Erfahrung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Preisen oder Konditionen, die von den wettbewerbsanalogen Bedingungen zum Nachteil ihrer Vertragspartner abweichen.323 Das Verbot bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen setzt aber nicht voraus, dass die Kartelltäter durch die Vereinbarung eine marktmächtige Stellung im Sinne des Missbrauchsverbots erlangen (Art.  102 AEUV, §  19 GWB). Es reicht vielmehr aus, wenn sie sich davon antikompetitive Vorteile versprechen. Da es beim Verbot der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung nicht auf den Erfolg der Abrede ankommt, sondern auf das wettbewerbsschädliche Verhalten, ist bereits der Versuch einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung untersagt und kann mit einer Geldbuße geahndet werden.324 Aus juristischer Sicht fungiert das Verbot bezweckter Wettbewerbsbe­ schränkungen somit als Gefährdungstatbestand.325 Insoweit muss unterschieden werden zwischen einer abstrakten und einer konkreten Gefährdung als Voraussetzung der Tatbestandsmäßigkeit.326 Bei Ersterer reicht es aus, wenn eine kollusive Absprache per se geeignet ist, die wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer zu beeinträchtigen. Demgegenüber handelt es sich um einen konkreten Gefährdungstatbestand, wenn die negativen Folgen des Verhaltens zwar noch nicht tatsächlich eingetreten sein müssen, ihr Eintritt nach den konkreten Gegebenheiten aber zu erwarten ist. Die Rechtsprechung des EuGH legt ein differenziertes Verständnis nahe: Hiernach reicht es grundsätzlich aus, dass die zu erwartenden Marktauswirkungen typischerweise schädlich sind und deshalb eine Untersuchung der tatsächlichen Folgen ent321  EuGH v. 13.7.1966 – 56/64 u. 58/64, Slg. 1966, 322, 390 – Consten und Grundig; Fleischer/Körber, WuW 2001, 6, 9. 322  Glöckner, Kartellrecht, Rn.  396 f.; siehe auch das Beispiel bei Schmidtchen, WuW 2006, 6, 8. 323  Haucap/Stühmeier, WuW 2008, 413, 414. 324 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/ Nordemann, §  1 GWB Rn.  126. 325  Ebenso GA Kokott, Schlussanträge v. 19.2.2009 in der Rs. C-8/08 – T-Mobile-Netherlands, Juris Rn.  47; siehe zum Bußgeldtatbestand des Art.  23 Abs.  2 lit. a VO Nr.  1/2003, der u. a. an einen Verstoß gegen das Verbot bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen anknüpft, auch Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  6 4. 326  Drews, Erheblichkeitsschwelle, S.  7 7 f.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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behrlich machen.327 Dies ist wiederum der Fall, wenn sich der Inhalt der Absprache (im Wesentlichen) darin erschöpft, die marktbezogene Rivalität der beteiligten Unternehmen zu Lasten der Marktgegenseite abzuschwächen oder auszuschalten.328 In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Gerichtshof den Anwendungsbereich der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung auch auf solche Vereinbarungen erweitert, die nicht schon nach ihrem Inhalt und dem damit verfolgten Zweck schädlich sind, aber eine negative Drittwirkung aufgrund der konkreten Marktverhältnisse voraussichtlich bewirken werden.329 Zwar sind bei einer solchen Sichtweise – ebenso wie bei der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung – die Auswirkungen des Verhaltens in den Blick zu nehmen. Diese müssen jedoch nicht bewiesen werden. Auch greift hier – wie wir noch sehen werden – kein Spürbarkeitskriterium im Sinne einer quantitativen Marktanteilsschwelle.330 Aus der Sicht einer effektiven Kartellrechtsdurchsetzung ist diese Rechtsprechung zu begrüßen. Man wird damit festhalten können, dass es sich bei der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung um einen abstrakten Gefährdungstatbestand handelt, der vornehmlich auf Inhalt und Zweck der Vereinbarung blickt. Er erweitert sich auf einen konkreten Gefährdungstatbestand, wenn die Vereinbarung jedenfalls nach den Marktverhältnissen den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wahrscheinlich beseitigt oder erheblich schwächt.331 Art.  101 Abs.  1 lit.  a bis 327  Barth, GWR 2013, 254. Vgl. etwa EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  36 f. – Expedia: Die Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen liege darin begründet, „dass bestimmte Formen der Kollusion zwischen Unternehmen schon ihrer Natur nach als schädlich für das gute Funktionieren des normalen Wettbewerbs angesehen werden [. . .]. Daher stellt eine Vereinbarung, die geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und einen wettbewerbswidrigen Zweck hat, ihrer Natur nach und unabhängig von ihren konkreten Auswirkungen eine spürbare Beeinträchtigung des Wettbewerbs dar.“ 328  Eilmansberger, ZWeR 2009, 437, 453. 329  EuGH v. 14.3.2013 – C-32/11, NZKart 2013, 241 Rn.  38 – Allianz Hungária Biztosító Zrt./Gazdasági Versenyhivatal: Es reiche für den wettbewerbswidrigen Zweck aus, wenn „die Vereinbarung das Potenzial hat, negative Auswirkungen auf den Wettbewerb zu entfalten, d. h. wenn sie konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes zu führen. Ob und in welchem Ausmaß eine solche wettbewerbswidrige Maßnahme tatsächlich eintritt, kann allenfalls für die Bemessung der Höhe etwaiger Geldbußen und für Ansprüche auf Schadensersatz von Relevanz sein [. . .]“ [Hervorhebung durch Verf]. 330  Siehe dazu noch Teil 5 C. II. 1. e). 331  Siehe EuGH v. 14.3.2013 – C-32/11, NZKart 2013, 241 Rn.  48 – Allianz Hungária Biztosító Zrt./Gazdasági Versenyhivatal: „Außerdem würde es sich bei diesen Vereinbarungen auch dann um eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung handeln, wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass angesichts des wirtschaftlichen Zusammenhangs der Wettbewerb auf dem genannten Markt infolge des Abschlusses dieser Vereinbarungen wahrscheinlich beseitigt oder erheblich geschwächt werden wird. Um die Gefahr einer solchen Folge beurteilen zu können, wird das vorlegende Gericht insbesondere die Struktur dieses Marktes, die Existenz alternativer Vertriebswege und deren jeweilige Bedeutung sowie die Marktmacht der betroffenen Gesellschaften zu berücksichtigen haben.“

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

lit.  c AEUV enthält Beispiele für bezweckte, abstrakt gefährliche Wettbewerbsbeschränkungen. Paradigmatisch ist das Verbot des Art.  101 Abs.  1 lit.  a AEUV, wonach eine Wettbewerbsbeschränkung in der „unmittelbaren oder mittelbaren Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen“ liegt. Die Regelung ermöglicht damit aus zivilistischer Sicht eine Inhaltskontrolle von (Folge-)Verträgen. d) Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung Ist eine Einschränkung des Wettbewerbs nach ihrem Inhalt nicht bezweckt, aber Folge der praktischen Zusammenarbeit der Unternehmen, ist anhand der konkreten tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zu ermitteln, ob der Tatbestand des Art.  101 Abs.  1 AEUV durch die Bewirkung der Wettbewerbsbeschränkung – also wiederum durch das Verhalten der Unternehmen, nicht durch das Marktergebnis – erfüllt ist.332 Entscheidend sind hier anders als bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen die konkreten Auswirkungen auf die betroffenen Marktteilnehmer und die entsprechenden Märkte,333 sofern aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten keine „safe harbour“-Regelung greift.334 Es handelt sich somit um keinen abstrakten, sondern um einen konkreten Gefährdungstatbestand.335 Das Verbot bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen enthält aus dogmatischer Sicht keine anderen Maßstäbe als dasjenige bezweckter Wettbewerbs­ beschränkungen.336 Normative Richtschnur ist die positionsverschlechternde Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten der von der Absprache negativ Betroffenen. Bezugspunkt der Analyse sind die einzelnen wettbewerblichen Aktionsparameter, bei einem homogenen Gut also insbesondere die Preise, mit denen die Unternehmen in den Wettbewerb gegeneinander treten.337 Bei der Prüfung der Wettbewerbsbeschränkung sind einander die positiven und die negativen Effekte der Vereinbarung auf Dritte gegenüberzustellen, im Sinne der Prüfung einer materiellen Wettbewerbsbeschränkung.338 Hierdurch darf im Rahmen des Tatbestands aber nicht die Prüfung der vier Freistel332  Die Unterscheidung zwischen bezweckten und bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen legt also u. a. den Beweismaßstab fest; MünchKommEUWettbR/Wollmann/Schedl, Art.  81 EG Rn.  91. 333 Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.   207; ebenso EuGH 25.3.1981 – C-61/80, Slg. 1981, 851, 867 – Coöperatieve Stremsel- en Kleurselfabriek („Lab“). 334  Zu den an die Marktmacht anknüpfenden Save-Harbour-Regelungen siehe oben Teil 5 B. II. 2. c). 335  Zum an Art.  101 AEUV anknüpfenden Bußgeldtatbestand des Art.  23 Abs.  2 lit. a VO Nr.  1/2003 siehe auch Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  66. 336 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  5. 337  Siehe auch Kommission, Freistellungsleitlinien, Rn.  16. 338  Siehe zum Folgenden Säcker/Mohr, WRP 2011, 793 ff.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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lungsvoraussetzungen inhaltlich vorweggenommen werden, wie dies der BGH in seinem zu den §§  1, 2 GWB ergangenen Urteil „Subunternehmer II“339 vorgenommen hat. Dort hat er die Prüfung der ersten und zweiten Freistellungsbedingung des §  2 GWB dazu benutzt, um bereits den Tatbestand des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. §  1 GWB zu verneinen. Eine solche Vorgehensweise verwischt die Grenzen zwischen den durch §  1 GWB geschützten wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer und den von §  2 GWB adressierten ökonomischen Effizienzvorteilen (verkürzt: Effizienzen 340). Im Rahmen des Tatbestands gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen geht es allein um die Deeskalierung der Intensität des Wettbewerbs im Sinne einer Einschränkung des Ringens um günstigere Kundenabschlüsse zwischen konkurrierenden Unternehmen zu deren Nachteil.341 Es ist deshalb zu differenzieren zwischen den Fragen, wann eine Wettbewerbsbeschränkung in diesem Sinne vorliegt, und wann eine gegebene Wettbewerbsbeschränkung wegen überwiegender Wohlfahrtsgewinne hinzunehmen ist.342 Erst nach Prüfung beider Tatbestände (§§  1, 2 GWB) bzw. Absätze (Art.  101 Abs.  1 und 3 AEUV) kann ein endgültiges Unwerturteil über ein unternehmerisches Verhalten gefällt werden. Der auf den Schutz des Wettbewerbsprozesses abzielende Art.  101 Abs.  1 AEUV ist deshalb lediglich offen für eine Abwägung mit wettbewerbsför­ dernden Aspekten.343 Nur Vereinbarungen, die markterschließende, wett­ bewerbsbelebende oder marktdurchdringende Wirkungen auslösen oder selbst Ausdruck wirksamen Wettbewerbs sind, können aus dem Tatbestand ausgenommen werden. Paradigmatisch sind Arbeitsgemeinschaften, die einem Unternehmen erst den Eintritt in den relevanten Markt ermöglichen. So kann eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen den Wettbewerb dann nicht beschränken, wenn die teilnehmenden Unternehmen ansonsten bei betriebswirtschaftlich vernünftiger Verhaltensweise344 nicht in der Lage wären, das Projekt jeweils für sich allein durchzuführen.345 In einem solchen Fall ist die Vereinbarung wettbewerbsfördernd, weil nur so eine effektive Teilnahme am Wettbewerb möglich ist. Zugleich wird man regelmäßig davon ausgehen können, dass durch die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft die materiale wirtschaftliche Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer nicht übermäßig eingeschränkt wird. Zulässig können auch (Neben-)Abreden sein, die sich bei isolierter Be339  BGH v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1752 – Subunternehmer II; dazu Mohr, WuW 2011, 112 ff. 340 FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Grundfragen Rn.  217. 341  Eilmansberger, ZWeR 2009, 437, 445. 342 MünchKommGWB/Säcker, §  1 GWB Rn.  14. 343  Fritzsche, ZHR 160 (1996), 31, 52; Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 304; a. A. Bahntje, WuW 1993, 825, 829. 344  Vgl. BGH v. 8.5.2001 – KVR 12/99, WuW/E DE-R711, 717 – Ost-Fleisch. 345  Kommission v. 24.10.1988, ABl.EG Nr. L 311/36, Rn.  17 – Eurotunnel.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

trachtung als wettbewerbsbeschränkend darstellen, ohne die jedoch wettbewerblich neutrale (und damit erwünschte) Austauschverträge überhaupt nicht geschlossen würden.346 So sieht der EuGH etwa Wettbewerbsverbote in Unternehmenskaufverträgen als konform mit dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen an, sofern diese eine Unternehmensübertragung überhaupt erst möglich machen.347 Im Ergebnis kommt es in erwähnten Fallgestaltungen bereits im Rahmen von Art.  101 Abs.  1 AEUV zu einer Abwägung von bestimmten Wettbewerbsvorteilen und -nachteilen.348 Diese Abwägungsentscheidung ist aber eine andere als diejenige im Ausnahmetatbestand des Art.  101 Abs.  3 AEUV.349 Im Fall der zuletzt thematisierten Nebenabreden geht es allein darum, ein für eine dynamische, offene Marktwirtschaft notwendiges, andernfalls nicht zustande kommendes Geschäft zu ermöglichen.350 Demgegenüber zielt Art.  101 Abs.  3 AEUV auf eine Rechtfertigung tatbestandlicher Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund überwiegender (ökonomischer) Effizienzen, wie sie in der „Verbesserung der Warenerzeugung oder -verteilung“ und der „Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts“ zum Ausdruck kommen. e) Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung Nach überwiegender Ansicht setzt die Anwendung des Kartellverbots voraus, dass die Wettbewerbsbedingungen auf einem Markt nach quantitativen Kriterien „spürbar“ beeinträchtigt werden.351 Mit diesem Merkmal wird die Unzulässigkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung von den Auswirkungen auf dem relevanten Markt abhängig gemacht: Die Außenwirkungen (Drittwirkungen) einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung sollen nur in den Grenzen ihrer Spürbarkeit erheblich sein.352 Ein solches Verständnis hätte im Ergebnis zur Folge, dass sich ein Marktteilnehmer nur dann gegen eine Ausbeutung durch ein Kartell wehren könnte, wenn er auf sich seinerseits einen besonders großen Marktanteil vereint oder noch viele andere Abnehmer betroffen sind (sog. Bündeltheorie). Dass eine solche Einschränkung privater Handlungsfreiheiten aus zivilistischer Sicht problematisch ist, liegt auf der Hand: Weshalb sollen nur solche Privatrechtssubjekte geschützt werden, die selbst wirtschaftlich mächtig oder zusammen mit vielen anderen betroffen sind? 346 

EuGH v. 11.7.1985 – C-42/84, Slg. 1985, 2545 – Remia. Mohr, WuW 2011, S.  112 ff. 348 FK/Roth/Ackermann, Art.  81 Abs.  1 EG Grundfragen Rn.  257. 349  Molle, Beurteilung „begleitender“ Wettbewerbsverbote, AT 2. Kap. III. 1. b). 350 Vgl. Molle, Beurteilung „begleitender“ Wettbewerbsverbote, AT 1. Kap. II. 2. 351 Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  165 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  1 GWB Rn.  141 ff.; Wiedemann/Lübbig, §  7 Rn.  40; a. A. Fikentscher, GRUR Int 2004, 727, 730 f. 352 Immenga/Mestmäcker/dies., Einl. D. EU-Wettbewerbsrecht Rn.  2 2. 347 Siehe

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Von dem Merkmal der spürbaren Wettbewerbsbeschränkung zu unterscheiden ist dasjenige einer spürbaren Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels.353 Mit diesem Kriterium will die Kommission auf EU-Ebene die wichtigen von den unwichtigen Fällen unterscheiden und Letztere auf die mitgliedstaatliche Ebene verschieben.354 Im Schrifttum wird das letztgenannte Kriterium auch als „de minimis“ und das erstgenannte als „materielle Spürbarkeit“ bezeichnet.355 Die Kommission verwendet beide Begriffe in ihrer De-minimis-Bekanntmachung synonym, was eine dogmatisch überzeugende Behandlung erschwert.356 Eine Analyse der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH zeigt, dass das Erfordernis einer spürbaren Wettbewerbsbeschränkung vornehmlich bei der behördlichen Verfolgung von – in heutiger Terminologie – bewirkten Wett­ bewerbsbeschränkungen angewandt wird: So ging es in den grundlegenden Entscheidungen „Maschinenbau Ulm“,357 „Völk/Vervaecke“,358 „Cadillon/ Höss“,359 „Lancôme/Etos“360 und „L’Oréal/De Nieuwe Amck“361 um vertikale Alleinvertriebsvereinbarungen. Vertikalabreden, bei denen ein Lieferant dem Vertriebspartner zur Amortisation von Anlaufinvestitionen bei der Erschließung eines Marktes zusichert, keine anderen Händler im Vertragsgebiet zu beliefern und dort auch nicht selbst verkaufend tätig zu werden, stellen solange keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung dar, als sie nicht binnenmarktswidrig Parallelimporte zwischen den einzelnen Vertragsgebieten behindern.362 Allerdings hat der EuGH das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen selbst bei Alleinvertriebsvereinbarungen mit absolutem Gebietsschutz mit Rücksicht auf die schwache Stellung, die die Beteiligten auf dem betreffenden Markt hatten, nicht angewandt, da hierdurch der Markt nur geringfügig beeinträchtigt werde.363 Im Schrifttum wird dies dahin gedeutet, dass der Gerichtshof das materielle Spürbarkeitskriterium früher auch bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen geprüft habe.364 Das ist nicht überzeugend: Denn bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen kommt es, wie wir oben gesehen

353 

Vgl. Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, Rn.  3. Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 401. 355  Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 401. 356  Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, Rn.  2 und 3. 357  EuGH v. 30.6.1966 – C-56/65, Slg. 1966, 281, 306 – Maschinenbau Ulm. 358  EuGH v. 9.7.1969 – C-5/69, Slg. 1969, 295, 302 – Völk/Vervaecke. 359  EuGH v. 6.5.1971 – C-19/77, Slg. 1971, 351, 355 ff. – Cadillon/Höss. 360  EuGH v. 10.7.1980 – C-99/79, Slg. 1980, 2511, 2536 f. – Lancôme/Etos. 361  EuGH v. 11.12.1980 – C-31/80, Slg. 1980, 3775, 3792 – L’Oréal/De Nieuwe Amck. 362 Immenga/Mestmäcker/Zimmer, Art.  101 Abs.  1 AEUV Rn.  285. 363  EuGH v. 9.7.1969 – C-5/69 Slg. 1969, 295, 302 – Völk/Vervaecke; darauf verweist auch EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  22 – Expedia. 364  Grune, EuZW 2013, 116, 117. 354 Ebenso

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

haben, gerade nicht auf die negativen Marktauswirkungen an. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt.365 Zutreffend findet das Spürbarkeitskriterium nach der neueren Rechtsprechung des EuGH bei besonders schädlichen und deshalb als objektiv bezweckt anzusehenden Wettbewerbsbeschränkungen – insoweit entgegen der Rechtsprechung des BGH366 – keine Anwendung mehr, da es dort gerade nicht auf die tatsächlichen Auswirkungen einer schon per se wettbewerbsschädlichen Vereinbarung ankommt.367 Ansonsten wäre der Schutz des Einzelnen gerade bei bezweckten und deshalb besonders schädlichen Wettbewerbsbeschränkungen allein über die §§  138, 307, 315 BGB zu bewerkstelligen, statt ihn über §  33 GWB und die (Teil-)Nichtigkeit des Vertrages zu gewähren. Versteht man das Konzept der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung wie vorliegend als – wenn auch konkreten – Gefährdungstatbestand, kann es bei diesem allerdings ebenfalls nicht auf den tatsächlich-spürbaren Nachweis negativer Drittwirkungen auf die Selbstbestimmung der Marktteilnehmer ankommen. Dies folgt ergänzend aus dem Umstand, dass der Kartelltatbestand auf einem juristischen Schutzkonzept basiert. Freiheitseinbußen lassen sich jedoch nicht tatsächlich messen, sondern nur wertend feststellen. Bei verständiger Lesart wollte auch die Kommission mit ihrer De-minimisBe­kanntmachung das „private enforcement“ durch Statuierung einer marktbezogenen, auf die Marktanteile blickenden Erheblichkeitsschwelle368 nicht entwerten.369 Denn die De-minimis-Bekanntmachung stellt lediglich klar, dass die Kommission selbst in „Fällen, die in den Anwendungsbereich dieser Bekanntmachung fallen, [. . .] weder auf Antrag noch von Amts wegen ein Verfahren eröffnen“ wird. Hierdurch sollen weder die mitgliedstaatlichen Gerichte und Wettbewerbsbehörden präjudiziert,370 noch das „private enforcement“ durch Privatbetroffene eingeschränkt werden. Vielmehr wollte die Kommission erläutern, in welcher Weise sie selbst als Wettbewerbsbehörde der Union Art.  101 AEUV anwenden wird. Infolgedessen hat sie hierdurch zwar die Ausübung ihres Ermessens beschränkt und kann nicht von dem Inhalt der Bekanntmachung abweichen, ohne gegen allgemeine unionsrechtliche Rechtsgrundsätze (Gleichbehandlung, Vertrauensschutz) zu verstoßen.371 Die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten sind hieran jedoch nicht gebunden. Diese können bei der Feststellung, ob eine Wettbewerbsbeschränkung spürbar ist, die in Nr.  7 der De-mi365 

Siehe Teil 5 C. II. 1. c). BGH v. 8.4.2003 – KZR 3/02, GRUR 2003, 637 – Riegel extra; a. A. Säcker, in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 400 f. 367  So ausdrücklich EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  35 ff. – Expedia. 368  Kommission, De-minimis-Bekanntmachung, Rn.  2. 369  Krit. dazu bereits Säcker, Zielwandlungen, S.  63 f. 370  So ausdrücklich EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  29 – Expedia unter Hinweis auf Rn.  4 der De-minimis-Bekanntmachung. 371  So nunmehr EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  28 – Expedia. 366 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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nimis-Bekanntmachung festgelegten Schwellen berücksichtigen, müssen dies aber nicht. Die Schwellen stellen vielmehr nur Anhaltspunkte dar, die es ermöglichen, anhand des tatsächlichen Rahmens einer Vereinbarung zu ermitteln, ob eine bewirkte Beschränkung spürbar ist.372 Aus diesem Grunde können Sanktionen, die die Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats gegenüber den an einer Vereinbarung unterhalb der Schwellen der De-minimis-Bekanntmachung beteiligten Unternehmen verhängt, als solche nicht die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit verletzen.373 Das Spürbarkeitskriterium dient also nur dazu, das Aufgreifermessen der Wettbewerbsbehörden zu konkretisieren.374 Folgerichtig entfaltet die De-minimis-Bekanntmachung der Kommission über Art.  3 Abs.  2 VO Nr.  1/2003 weder eine Bindungswirkung für die nationalen Wettbewerbsbehörden noch für die nationalen Gerichte.375 Auch die nationalen De-minimis-Bekanntmachungen 376 haben aber lediglich den Zweck, wegen der begrenzten personellen Kapazitäten der Wettbewerbsbehörden eine Ermessensbindung herbeizuführen, wonach die Behörden bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen keine Sanktionen verhängen, wenn die dort aufgeführten Schwellenwerte nicht erreicht sind. Sie können jedoch bei einer Anwendung des Art.  101 AEUV zu keiner Nichtverfolgung von bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen führen, da es für diese kein materielles Spürbarkeitskriterium gilt.377 Dasselbe gilt für §  1 GWB, dessen Anwendung sich infolge der 7. GWB-Novelle an der unionsrechtlichen Rechtslage orientiert.378 Über die Einführung eines marktbezogenen Spürbarkeitskriterium kann deshalb entgegen dem Normzweck des Kartellverbots auch keine Begrenzung des Individualrechtsschutzes gem. den §§  33 GWB, 134 BGB bewirkt werden.379 Insoweit wird der BGH gehalten sein, seine Rechtsprechung zur generellen Erforderlichkeit eines Spürbarkeitskriteriums zu präzisieren. Im Schrifttum wird als Kompromiss zwischen den vorstehenden Sichtweisen vorgeschlagen, das Kriterium der Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung als eine Art Annäherung zwischen einer primär auf die Einschränkung der internen Handlungsfreiheit abstellenden Sichtweise und einer auswirkungsbezogenen Interpretation des Kartellverbots zu interpretieren.380 Dies kann nicht 372 

EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  30 – Expedia. EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  31 – Expedia. 374 Ebenso Säcker, Zielwandlungen, S.  6 4. 375  EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  38 – Expedia. 376  Siehe die Bekanntmachung Nr.  18/2007 des Bundeskartellamtes über die Nichtverfolgung von Kooperationsabreden mit geringer wettbewerbsbeschränkender Bedeutung („Bagatellbekanntmachung“) v. 13.3.2007. 377  EuGH v. 13.12.2012 – C-226/11, EuZW 2013, 113 Rn.  38 – Expedia. 378  Siehe Teil 9 B. II. 1. 379  Säcker, in: FS Canenbley, 2012 S.  397, 401. 380  Zimmer/Paul, JZ 2008, 611, 616 mit Fn.  53. 373 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

überzeugen; denn das Selbstständigkeitspostulat dient vor allem dazu, bezweckte, die konkrete Gefahr einer objektiv wettbewerbsbeschränkenden Wirkung begründende Kooperationen von anderen Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen zu unterscheiden, die aufgrund ihrer ambivalenten Auswirkungen auf die Handlungsfreiheit der anderen Marktteilnehmer und deren Auswahlmöglichkeiten im Einzelfall zu untersuchen sind. Wie wir gesehen haben, ist bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen aber kein materielles Spürbarkeitskriterium zu prüfen. Der Grundsatz der Selbstständigkeit der Unternehmen fungiert dogmatisch vielmehr als abstrakter Gefährdungstatbestand unabhängig vom Nachweis einer übermäßigen negativen Drittwirkung.381 2. Rechtfertigung einer Wettbewerbsbeschränkung gem. Art.  101 Abs.  3 AEUV Art.  101 Abs.  1 AEUV geht es in Abgrenzung zum Freistellungstatbestand des Art.  101 Abs.  3 AEUV nicht um die Ermittlung der durch das unternehmerische Verhalten bewirkten wirtschaftlichen Effizienzvorteile, sondern allein um die Deeskalierung der Intensität des Wettbewerbs und um die dadurch bewirkten negativen Drittwirkungen. Allerdings kann eine festgestellte Beschränkung des Wettbewerbsprozesses nach Art.  101 Abs.  3 AEUV durch überwiegende wirtschaftliche Effizienzvorteile gerechtfertigt werden. Als derartige Vorteile kommen insbesondere der Nachweis einer Beförderung der allokativen Effizienz („Verbesserung der Warenverteilung“), der Steigerung der produktiven Effizienz („Verbesserung der Warenerzeugung“) und/oder der Erhöhung dynamischer Effizienz durch Innovationen bzw. deren Durchsetzung auf dem Markt („Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“) in Betracht.382 Erst wenn der Tatbestand des Art.  101 Abs.  1 AEUV bejaht und derjenige des Art.  101 Abs.  3 AEUV verneint wurde, lässt sich somit von einer unzulässigen Wettbewerbsbeschränkung sprechen. Bei Erfüllung des Absatzes 1 spricht jedoch eine Vermutung für ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten.383 Art.  101 Abs.  3 AEUV trägt aus juristischer Sicht dem Umstand Rechnung, dass der Tatbestand des Kartellverbots gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV unternehmerische Verhaltensweisen aufgrund ihrer besonderen Gefährlichkeit für den Wettbewerb und die dadurch geschützten Wettbewerbsfunktionen als potenziell unzulässig erfasst. Es kann aber auch Situationen geben, in denen eine Vereinbarung zwar die Merkmale einer typischerweise gegebenen Wettbewerbsbeschränkung aufweist, sie aber trotzdem aufgrund weiterer – in Art.  101 Abs.  3 AEUV normativ vorgegebener – Umstände des Einzelfalles nicht missbilligt wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein eigentlich wettbewerbsbe381 

Siehe oben Teil 5 C. II. 1. c).

382 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schumacher,

Art.   101 Abs.   3 AEUV Rn.   268; Glöckner, Kartellrecht, Rn.  366. Zu den verschiedenen Effizienzbegriffen siehe schon Teil 4 C. III. 4. 383 FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Grundfragen Rn.  2 25.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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schränkendes Verhalten langfristig zum Vorteil aller Verbraucher ist. Aus ökonomischer Sicht lässt sich die Möglichkeit einer Berücksichtigung wirtschaftlicher Effizienzvorteile mit der von Clark begründeten wohlfahrtsökonomischen Theorie des „second best“ untermauern, wonach ein Verhalten auch dann wohlfahrtssteigernd sein kann, wenn ein teilweises Marktversagen (in Form des wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens im Sinne des Art.  101 Abs.  1 AEUV) gegeben ist.384 Die Abgrenzung zwischen den Absätzen 1 und 3 ist nicht nur von dogmatischem, sondern auch von praktischem Interesse.385 Denn während die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art.  101 Abs.  1 AEUV grundsätzlich bei demjenigen liegt, der die Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale dieser Norm behauptet, liegt die Beweislast dafür, dass die vier kumulativ erforderlichen Tatbestandsmerkmale des Art.  101 Abs.  3 AEUV oder die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung vorliegen, gem. Art.  2 VO Nr.  1/2003 beim Anspruchsgegner, also dem Unternehmen, das aufgrund einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art.  101 Abs.  1 AEUV in Anspruch genommen wird.386 Sofern eine Freistellung durch die Wettbewerbsbehörden erfolgen soll, sind diese freilich gehalten, die ihnen zur Verfügung stehenden Informationen im Rahmen des Grundsatzes der Amtsermittlung auch zu Gunsten des in Anspruch genommenen Unternehmens zu berücksichtigen.387 Unter Geltung der VO Nr.  1/2003 müssen die Unternehmen selbst beurteilen, ob ein gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV wettbewerbsbeschränkendes Verhalten freigestellt ist, sei es im Rahmen einer Gruppenfreistellungsverordnung als „save harbour“ oder einer Einzelfreistellung.388 Entscheidend ist nach den Gruppenfreistellungsverordnungen grundsätzlich der Marktanteil der Unternehmen. Oberhalb der Marktanteilsschwellen kommt eine Einzelfreistellung gem. Art.  101 Abs.  3 AEUV in Betracht. Hierfür sollen die Kommissionsleitlinien zu Art.  81 Abs.  3 EG (Art.  101 Abs.  3 AEUV) soweit möglich Rechtssicherheit herstellen,389 auch wenn die Praxis zuweilen das Gegenteil beklagt. So enthalten diese Leitlinien keine genauen Verbots- oder Erlaubnistatbestände, sondern zeigen lediglich einen analytischen Rahmen auf, in den Umstände wie die 384  Siehe dazu schon oben Teil 4 C. IV. 3. Am Beispiel negativer externer Effekte auch Schmidtchen, WuW 2006, 6, 8 f.; ebenso FK/Pohlmann, Art.  81 Abs.  3 EG Grundfragen Rn.  223 385  Mand/Malkus, Einkaufskooperationen, S.  13. 386  EuGH v. 7.2.2013 – Rs. C-68/12, BeckRS 2013, 80206 Rn.  32 – Protimonopolný úrad Slovenskej republiky; EuGH v. 6.10.2009 – C-501/06 P u. a., BeckRS 2009, 71109 Rn.  82 – GlaxoSmithKline; MünchKommGWB/Säcker, §  2 GWB Rn.  2 ; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Zuber, Art.  2 VO Nr.  1/2003/EG Rn.  7. 387 FK/Pohlmann, Grundfragen Art.  81 EG Abs.  3 Rn.  177. 388  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 933. 389  Siehe weiterführend Kommission, Freistellungsleitlinien, Rn.  1 ff.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

auch schon bei den Gruppenfreistellungsverordnungen relevante Marktmacht einfließen.390 In dem letztgenannten Umstand kann man – ebenso wie nach dem von der EU-Kommission verfolgten Konzept der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung, das maßgeblich auf die Ermittlung der Marktanteile setzt391 – eine teilweise Übertragung des Missbrauchsgedankens auf das Kartellverbot sehen; denn die wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbote greifen ebenfalls nur ab der Schwelle der Marktmacht, es sei denn, es gelingt der Nachweis einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung.392 Aus zivilistischer Sicht erscheint es gleichwohl nachvollziehbar, marktmächtige Unternehmen nur beschränkt in den Genuss der Freistellung kommen zu lassen; denn bei rationalem Verhalten werden diese ihre Marktposition dazu benutzen, ihre Geschäftspartner „auszubeuten“.393 Die Freistellungsregelung des Art.  101 Abs.  3 AEUV greift deshalb nur dann ein, wenn kumulativ die beiden positiven und die beiden negativen Voraussetzungen erfüllt sind.394 Eine den Wettbewerbsprozess beschränkende Vereinbarung muss zunächst „zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung sowie zur Förderung des technischen und wirtschaftlichen Fortschritts“ beitragen, d. h. einen „wirtschaftlichen Nutzen“ begründen (Hs.  1 Alt. 1).395 Erfasst wird grundsätzlich jede qualitative oder quantitative Verbesserung der Güterproduktion oder des Produktvertriebs.396 Insoweit ist streitig, ob Art.  101 Abs.  3 AEUV auf die Berücksichtigung ökonomischer Effizienzsteigerungen beschränkt ist. Bedeutung hat diese Frage etwa für die in den Querschnittsklauseln des AEU-Vertrages normierten „gemeinwohlinduzierten“ Unionsziele wie die Industriepolitik und den Umweltschutz, aber auch für den Ausbau transeuropäischer Netze oder die Sicherung eines Universaldienstes bei Gütern der Daseinsvorsorge.397 Derartige außerwettbewerbliche Ziele wurden in der Vergangenheit regelmäßig der Effizienz­freistellung des Art.  101 Abs.  3 AEUV zugeordnet, konkret den Tatbeständen der Verbesserung der Warenerzeugung und Warenverteilung oder der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts, und damit rechtstechnisch wie Effizienzvorteile behandelt.398 Nach der normativen Grundstruktur des Art.  101 Abs.  3 AEUV erscheint es jedoch zutreffender, au390 

Siehe oben Teil 5 B. II. 2. c). Zimmer/Paul, JZ 2008, 611, 616. 392  Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 309. 393  I. Schmidt, WuW 2012, 795. 394  EuGH v. 7.2.2013 – Rs. C-68/12, BeckRS 2013, 80206 Rn.  31 – Protimonopolný úrad Slovenskej republiky; siehe auch Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  49. 395  Kommission, Horizontalleitlinien, Rn.  2. 396  Glöckner, Kartellrecht, Rn.   437; vgl. auch Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schumacher, Art.  101 AEUV Rn.  269. 397 Fleischer/Zimmer/dies., Effizienz, S.  9, 33 f.; Breuer, EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, S.  569 ff. 398  Vgl. nur Kommission v. 23.12.1992, ABl.EG 1993 Nr. L 20/14 – Ford/Volkswagen. 391 Dazu

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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ßerwettbewerbliche Ziele nur mittelbar zu berücksichtigen, wenn effizienzsteigernde Koordinierungen gleichzeitig positive Wirkungen im Hinblick auf andere Vertragsziele haben.399 Die bloße Existenz von Querschnittsklauseln im Unionsvertrag gibt allein keine Rechtfertigung, um entgegen dem Wortlaut des Art.  101 Abs.  3 AEUV auch außerwettbewerbliche Ziele in die Abwägung mit einzubeziehen. Auch reicht es nicht aus, diese auf der Grundlage der neoklassischen Wettbewerbstheorie in monetäre Vorteile umzurechnen, im Sinne einer Monetarisierung von Gemeinwohlaspekten, schon weil ein solches Konzept aufgrund der unrealistischen Annahmen der neoklassischen Wettbewerbstheorie praktisch undurchführbar ist.400 Allerdings hat der EuGH in der Albany-Entscheidung eine Regelung, welche die Zwangsmitgliedschaft von Gewerkschaftsangehörigen in einem Pen­sions­ fonds vorschrieb, im Rahmen von Art.  101 Abs.  1 AEUV und nicht erst bei Art.  101 Abs.  3 AEUV behandelt.401 Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass außerwettbewerbliche Belange künftig immer bereits im Rahmen des ersten Absatzes zu prüfen seien,402 da es sich um eine spezifisch arbeitsrechtliche, auf die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems bezogene und sich damit auf einen „Fundamentalkonflikt“403 zwischen verschiedenen Unions­ zielen beziehende Entscheidung handelte, die nicht unbesehen auf andere Interessenkonflikte übertragen werden kann.404 Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Ziele des Vertrages aufeinander abgestimmt und miteinander in Einklang gebracht werden müssen (Art.  7 AEUV). Ein derartiger Ausgleich ist innerhalb der Normen des Wettbewerbsrechts jedoch nur insoweit möglich, als Koordinierungen die wirtschaftliche Effizienz steigern und gleichzeitig positive Wirkungen auf andere Vertragsziele haben. Ansonsten ist der Ausgleich durch den Gesetzgeber herbeizuführen.405 Liegen anerkennenswerte Effizienzgewinne vor, verlangt Art.   101 Abs.   3 AEUV weiterhin, dass die Verbraucher (verstanden als Marktgegenseite) 406 an den durch die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung entstehenden Effizienzgewinnen in angemessenem Umfang beteiligt werden; die eingesparten Kosten müssen mit anderen Worten an die Marktgegenseite weitergegeben werden (Hs.  1 Alt. 2).407 Die Regelung ist im Ergebnis Ausdruck eines Konsumen399 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schumacher,

Art.  101 AEUV Rn.  269. sowie zur Kritik an der „Übersetzungsthese“ Breuer, EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, S.  592 ff. und S.  602 ff. 401  EuGH v. 21.9.1999 – C-67/96, Slg. 1999, I-5751 Rn.  60 – Albany. 402  So aber Roth, in: FS Mestmäcker, 2006, S.  411, 434 f. 403  Breuer, EU-Kartellrecht im Kraftfeld der Unionsziele, S.  835. 404  Mohr/Wolf, JZ 2011, 1091, 1092 ff. 405 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schumacher, Art.  101 AEUV Rn.  269. 406  Siehe Teil 1 B. VI. 407 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  2 GWB Rn.  98; Dittrich, Rationalisierungskooperationen, S.  288. 400 Hierzu

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

tenwohlfahrtstandards,408 weshalb es im Rahmen des Kartellverbots nicht zulässig ist, die Effizienzgewinne am Maßstab der Gesamtwohlfahrt zu bestimmen.409 Zwar mag es nach den geschilderten wettbewerbspolitischen Konzepten gute Gründe dafür geben, dass die Effekte der Freiheitsförderung und diejenigen einer Steigerung der Konsumenten- sowie der Gesamtwohlfahrt im Einzelfall konvergieren, dass also eine Gewährleistung individueller Handlungsfreiheiten zumeist auch eine wohlfahrtsteigernde Wirkung haben wird. Es sind jedoch Situationen denkbar, in denen ein Konflikt zwischen dem Freiheits- und den verschiedenen Wohlfahrtszielen entsteht, weshalb eine Entscheidung für das eine oder das andere Konzept vonnöten ist.410 Als dritte Voraussetzung einer Freistellung ist zu prüfen, ob es bei objektiver Betrachtung keine weniger wettbewerbsbeschränkende Alternative gibt, in der die benannten Effizienzgewinne erzielt werden können (lit. a).411 Das ist der Fall, wenn nicht nur die Vereinbarung an sich erforderlich ist, um die Effizienzgewinne zu erzielen, sondern auch die einzelnen sich aus der Vereinbarung ergebenden Wettbewerbsbeschränkungen.412 Dabei müssen die Nachteile, die den Verbrauchern durch die Kooperation entstehen, durch die Weitergabe von Vorteilen zumindest wieder ausgeglichen werden.413 Schließlich können Vereinbarungen – im Sinne einer absoluten Schranke – nicht freigestellt werden, wenn sie den Partnern der Vereinbarung die Möglichkeit eröffnen, den Wettbewerb für einen wesentlichen Teil der betreffenden Produkte auszuschalten. Art.  101 Abs.  3 lit. b AEUV adressiert damit das Verhältnis zwischen dem Schutz der materialen Wettbewerbsfreiheit der Marktteilnehmer und deren zulässiger Beschränkung aus ökonomischen Effizienzerwägungen.414 Die Vorschrift stellt klar, dass der AEU-Vertrag diese Schutzgüter nicht als prinzipiell gleichwertige Handlungsalternativen der Unternehmen ansieht, zwischen denen nach Kriterien der ökonomischen Effizienz eine Wahl­ entscheidung getroffen werden kann.415 Dahinter steht die Überzeugung des Gesetzgebers, dass der Wettbewerbsprozess mittelfristig das am besten geeignete Verfahren darstellt, wirtschaftliche Effizienz unter Einschluss langfristiger Steigerungen der dynamischen Effizienz in Form technischer und wirtschaftlicher Innovationen herbeizuführen.416 Art.  101 Abs.  3 lit. b AEUV verdeutlicht damit die Zielsetzung des Art.  3 Abs.  3 Uabs. 1 Satz 2 EUV, wonach 408 

Siehe dazu Teil 4 C. III. 3. e). Schmidtchen, WuW 2006, 6, 10 f. 410  Noch weiter Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  17. 411  Glöckner, Kartellrecht, Rn.  438. 412  Säcker/Mohr, WRP 2011, 793, 806. 413  Kommission, Freistellungsleitlinien, Rn.  85. 414 Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  280. 415 Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  280. 416 Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  280; zur Wettbewerbstheorie siehe Teil 4 C. III. 4. d). 409 

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die Union der Herstellung einer wettbewerbsfähigen und sozialen Marktwirtschaft verpflichtet ist. Dieses Ziel wird nach dem Protokoll Nr.  27 zum Lissabonner Vertrag u. a. durch die „Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“, erreicht. Selbst wenn man den Anwendungsbereich des Art.  101 Abs.  3 AEUV also auf meta-ökonomische Gemeinwohlziele ausdehnen wollte, könnten diese nur insoweit eine Wettbewerbsbeschränkung rechtfertigen, als dies den Wettbewerbsprozess und damit die materialen Freiheiten der Marktteilnehmer nicht nachhaltig beeinträchtigte. 3. Die „Courage-Rechtsprechung“ als „materiale Folgevertragskonstellation“ a) Indizien für ein materiales Freiheitsverständnis – Die Entscheidung „Courage“ (Teil 1) Auch aus der Rechtsprechung des EuGH zu den privaten Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art.  101 AEUV (bzw. dessen Vorgängervorschriften) lässt sich auf ein materiales Freiheitsverständnis des Gerichts schließen. In der grundlegenden Courage-Entscheidung ging es um ein Kartellmitglied, dem im Rahmen eines vertikalen Pacht- und Bierlieferungsvertrags die Verpflichtung auferlegt worden war, seinen gesamten Bierbedarf bei der klagenden Brauerei zu decken. Das Kartellmitglied hielt den Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot des Art.  85 Abs.  1 EGV (Art.  81 Abs.  1 EG; Art.  101 Abs.  1 AEUV) für unwirksam und erhob Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz, da nicht gebundene Abnehmer das Bier zu günstigeren Preisen beziehen konnten. Anders als das vorlegende englische Gericht417 betonte der EuGH, dass auch einem an der rechtswidrigen Vereinbarung Beteiligten ein Schadensersatzanspruch zustehe, sofern die Bedingungen des Vertragsschlusses unter Berücksichtigung der jeweiligen Verhandlungsmacht den Schluss nahe legten, dass das Kartellmitglied bei Abschluss des Kartellvertrags eindeutig unterlegen gewesen sei, weshalb es den Schadenseintritt faktisch nicht verhindern oder den Schadensumfang begrenzen konnte.418 Eine derartige Freiheitsbeschränkung liege nahe, wenn eine Vertragspartei sich auf Seiten der Anbieter mit einem Netz von ähnlichen Verträgen konfrontiert sehe, die gerade in ihrem kumulativen Zusammenwirken den Wettbewerb beschränkten. Im Einzelnen führt der EuGH aus: 419 Das Gemeinschaftsrecht [jetzt: Unionsrecht] verbiete grundsätzlich nicht, dass „das innerstaatliche Recht einer Partei, die eine erhebliche Verantwortung für die Wettbewerbsverzerrung trägt, das Recht verwehrt, von ihrem Vertragspartner Schadensersatz 417 

Zur Rechtsprechung in England siehe Nowak, EuZW 2001, 715, 718. EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  33 f. – Courage/Crehan. 419  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  30 ff. – Courage/Crehan [Hervorhebung durch Verf.]. 418 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

zu verlangen. Nach einem in den meisten Rechtssystemen der Mitgliedstaaten anerkannten Grundsatz [. . .] darf ein Einzelner nämlich nicht aus seinem eigenen rechtswidrigen Verhalten Nutzen ziehen. Dabei kann das zuständige innerstaatliche Gericht als Beurteilungsgesichtspunkte insbesondere den wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmen, in dem die Parteien sich befinden, sowie [. . .] die Stärke der Verhandlungsposition und das jeweilige Verhalten der beiden Vertragsparteien berücksichtigen. Insbesondere hat dieses Gericht zu prüfen, ob die Partei, die durch den Abschluss eines Vertrages, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, angeblich einen Schaden erlitten hat, der anderen Partei eindeutig unterlegen war, so dass ihre Freiheit, die Vertragsbedingungen auszuhandeln, und ihre Fähigkeit, insbesondere durch den rechtzeitigen Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten den Schadenseintritt zu verhindern oder den Schadensumfang zu begrenzen, ernsthaft beschränkt oder nicht vorhanden gewesen waren.“

In diesen Aussagen liegt keine Relativierung der privaten Rechtsdurchsetzung, wie dies im Schrifttum zuweilen behauptet wird.420 Der EuGH bekräftigte mit ihnen vielmehr die Funktion des Wettbewerbsrechts als Instrument zur Inhaltskontrolle von Verträgen. Darüber hinaus beurteilte er das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung auf der Grundlage eines prozesshaften Wettbewerbsverständnisses.421 Die vertragsrechtliche Komponente der Courage-Entscheidung422 deutet auf ein – auch vom Verfasser befürwortetes – materiales Freiheitsverständnis hin, welches einerseits gegen eine rein formal verstandene Privatautonomie streitet, und andererseits den Vorrang einer Sicherung der tatsächlichen Entscheidungsfreiheit der Marktteilnehmer vor einer unmittelbar-heteronomen Vertragsinhaltskontrolle anhand der Kriterien „Effizienz“ und „Verbraucherwohlfahrt“ betont.423 Ist eine Partei einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung bei materialer Betrachtung nicht für diese verantwortlich, sondern nur die andere Partei, handelt es sich – und das ist für unsere Untersuchung zentral – der Sache nach um eine Folgevertragskonstellation.424 Die Courage-Entscheidung verdeutlicht zugleich, dass der EuGH den Schutz 420 So Görner, Anspruchsberechtigung nach §  33 GWB, S.  87, wonach die stark formulierte Anspruchsberechtigung Privatbetroffener durch Begründungsteile relativiert werde, die „deutlich schwächer formuliert“ seien. In dieser verkürzenden Interpretation zeigt sich paradigmatisch die Notwendigkeit, das Wettbewerbsrecht aus seiner selbstverschuldeten Isolation herauszuführen und es in das allgemeine Vertragsrecht zu integrieren. 421 Wie vorliegend von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.   Aufl. 2003, S.  747, 775. Es ist erstaunlich, dass dies im Schrifttum überwiegend nicht erkannt oder beachtet wird; statt anderer Görner, Anspruchsberechtigung nach §  33 GWB, S.  93. 422 Zutreffend wiederum von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.   Aufl. 2003, S.  747, 774 mit Fn.  102. 423  Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 482; von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  905, 953; von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 764 ff. 424  In anderen Fallkonstellationen hat der EuGH unter besonderen Voraussetzungen bereits eine Vereinbarung i. S. des Art.  101 Abs.  1 AEUV verneint, siehe EuGH v. 6.1.2004 – C-2/01 P und C-3/01 P, EuZW 2004, 309 – Adalat.

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des freien Wettbewerbs als Institution in keinem Konfliktverhältnis zum Schutz der individuellen wirtschaftlichen Freiheit der Marktteilnehmer sieht.425 Das Versagen des Vertragsmechanismus dient dem EuGH in „Courage“ als Voraussetzung für die Gewährung eines (kartelldeliktsrechtlichen) Schadensersatzanspruchs auch an Mitglieder wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen. Dem vertragsrechtlichen Merkmal der ungleichgewichtigen Verhandlungsstärke (besser: der gestörten Chance auf einen Vertragsschluss in beiderseitiger Selbstbestimmung) entspricht dabei funktionell das auch im deutschen Deliktsrecht gebräuchliche Merkmal der Täterschaft, verstanden als Ausübung von Tatherrschaft.426 Als relevante Gesichtspunkte für die Bestimmung von Tatherrschaft dienen die Größe der Unternehmen, ihre Stellung am Markt, ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Verwerflichkeit der eingesetzten Mittel.427 Dies sind sämtlichst Merkmale, die auch im Rahmen der Bestimmung der materialen Voraussetzungen und Grenzen der Privatautonomie relevant sind. Erkennt man im Courage-Urteil eine – atypische – „materiale Folgevertragskonstellation“, so wird verständlich, weshalb diese Entscheidung auch für die Reichweite der Nichtigkeit von (Kartellfolge-)Verträgen bedeutsam ist. Wenn das Wettbewerbsrecht der Sicherstellung materialer Vertragsfreiheit dient, begründet die „eindeutige Unterlegenheit“ einer Vertragspartei und damit die alleinige Verantwortlichkeit ihres Vertragspartners für die Wettbewerbsbeschränkung nicht nur einen Schadensersatzanspruch (gem. §  33 Abs.  1, 3 GWB), sondern auch die (Teil-)Nichtigkeit des wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestandteils gem. §  134 BGB. Da das Wettbewerbsrecht mit dem freien Güteraustausch die Grundlagen der Vertragsrechtsordnung sichert, ist der Vertrag zugleich nach §  138 Abs.  1 BGB (teil-)unwirksam; denn eine Gesamtnichtigkeit ist nach dem Telos des Wettbewerbsrechts nicht notwendig, um die Wirklichkeit mit der Idee materialer Selbstbestimmung zu versöhnen. Darauf kommen wir zurück. b) Kein Nachweis eines Verbraucherschadens bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen Nach überzeugender Ansicht des EuGH ist im Rahmen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art.  101 Abs.  1 AEUV weder ein Nachweis erforderlich, „dass der Wettbewerb tatsächlich verhindert, eingeschränkt oder verfälscht würde, noch, dass ein unmittelbarer Zusammenhang

425  A. A. Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 307; von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 774. 426  Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 482. 427  Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 483.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

zwischen diesem abgestimmten Verhalten und Verbraucherpreisen besteht“.428 Der Verbotstatbestand ist vielmehr bereits dann erfüllt, wenn eine abgestimmte Verhaltensweise einem wettbewerbswidrigen Zweck dient und konkret geeignet ist, zu einer Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs „an sich“ zu führen.429 „Art.  101 AEUV soll nämlich nicht nur die Interessen einzelner Wettbewerber oder Verbraucher schützen, sondern auch die Struktur des Marktes und damit den Wettbewerb als solchen.“430 Da kein Nachweis der negativen Auswirkungen erforderlich ist, kommt auch kein Spürbarkeitskriterium zum Tragen.431 4. Rechtsprechung des BGH – die Entscheidung „ORWI“ (Teil 1) Der BGH hat die drittschützende Wirkung des Kartellverbots jüngst in einer der wohl wichtigsten Entscheidungen seit Inkrafttreten des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Jahr 1958 – der Entscheidung „ORWI“ – bestätigt. In dieser ging es u. a. um die Frage, ob auch mittelbar von einem Kartell negativ Betroffene eigene Ansprüche auf Schadensersatz geltend machen können, was im Schrifttum über Jahrzehnte hinweg unter Verweis auf institutionelle Gesichtspunkte in Abrede gestellt worden war432 und zum Teil immer noch wird.433 Der BGH weist diese Argumentation unter Berufung auf die Bedeutung eines Kartellverbots für den Schutz der individuellen Freiheit der Marktteilnehmer zurück, die sich in der Anerkennung als Schutzgesetz widerspiegle. Die Ausführungen sind so grundlegend, dass wir sie uns im Folgenden auszugsweise vor Augen führen wollen: 434 „Der mit der Anerkennung des Kartellverbots als Schutzgesetz im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB verfolgte Zweck erfordert, dass indirekte Abnehmer kartellrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen können. Angesichts der Bedeutung des Kartellverbots für die Wirtschaftsordnung ist es geboten, denjenigen gesetzestreuen Marktteilnehmern deliktsrechtlichen Schutz zu gewähren, auf deren Kosten ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten praktiziert wird [. . .]. Die schädlichen Wirkungen eines Kartells oder eines sonstigen nach Art.  101 AEUV verbotenen Verhaltens bleiben häufig nicht auf die un428 

EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  49 – T-Mobile-Netherlands. v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  49 – T-Mobile-Netherlands; EuGH v. 6.10.2009 – C-501/06 P u. a., BeckRS 2009, 71109 Rn.  63 – GlaxoSmithKline; dazu Eilmansberger, ZWeR 2009, 437, 440 mit Fn.  16. Siehe auch EuGH v. 7.2.2013 – Rs. C-68/12, BeckRS 2013, 80206 Rn.  17 f. – Protimonopolný úrad Slovenskej republiky. 430  EuGH v. 7.2.2013 – Rs. C-68/12, BeckRS 2013, 80206 Rn.  18 – Protimonopolný úrad Slovenskej republiky, unter Verweis auf EuGH v. 6.10.2009 – C-501/06 P u. a., BeckRS 2009, 71109 Rn.  63 – GlaxoSmithKline. 431  Siehe oben Teil 5 C. II. 1. e). 432 Nachdrücklich: K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199. 433 Vgl. K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572. 434  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  24 ff. – ORWI [Hervorhebung durch den Verf.]. 429 EuGH

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mittelbare Marktgegenseite begrenzt. Je nach den Verhältnissen auf den Anschlussmärkten können auch oder sogar in erster Linie die Abnehmer auf nachfolgenden Marktstufen bis hin zu den Verbrauchern wirtschaftlich betroffen und in ihren Auswahl- und Entscheidungsmöglichkeiten beschränkt sein [. . .]. Die mit Kartellen bezweckte Angebotsbeschränkung, Marktaufteilung oder Preisanhebung wirkt sich regelmäßig in Form höherer Preise und einer geringeren Angebotsvielfalt für die Verbraucher aus [. . .]. Denn die direkten Abnehmer werden versuchen, die Erhöhung ihrer Einstandspreise zumindest längerfristig an ihre Kunden weiterzugeben [. . .]. Gelingt ihnen dies, weil auch die Verhältnisse auf den Anschlussmärkten von dem durch das Kartell geschaffenen Preisniveau geprägt sind, entsteht der kartellbedingte Schaden erst auf der nächsten Marktstufe [. . .]. Indirekte Abnehmer generell von der Anspruchsberechtigung auszunehmen, hätte mithin zur Folge, gerade jenen Ansprüche zu verwehren, die häufig in erster Linie durch Kartelle oder verbotene Verhaltensweisen geschädigt werden [. . .]. Einem Geschädigten darf ein Schadensersatzanspruch aber nicht von vornherein mit der Begründung verwehrt werden, dass der Nachweis seiner Voraussetzungen Schwierigkeiten bereitet [. . .]. Vielmehr kann eine Begrenzung des Individualschutzes nur anhand des Kriteriums erfolgen, ob der Anspruchsteller zu dem von der Norm geschützten Personenkreis gehört [. . .]. Danach ist die Einbeziehung indirekter Abnehmer in den Schutz des Kartellverbots aber geboten. [. . .] Eine allgemeine Beschränkung des Kreises der Anspruchsberechtigten auf direkte Abnehmer lässt sich mit [. . .] Effizienzerwägungen [. . .] nicht begründen.“

Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen: Nicht der Institutsschutz („Institutionenschutz“) begründet (und vor allem: begrenzt) die Klagebefugnis von Individuen, sondern diese gründet auf dem individual-drittschützenden Tatbestand des Kartellverbots. Dieser kann nicht durch Verweis auf (auch wohlfahrts­ ökonomische) Effizienzen eingeschränkt werden, solange sich eine solche Einschränkung wie bei Art.  101 Abs.  3 AEUV nicht ausdrücklich aus dem Gesetz ergibt.

III. Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen Als Ausbeutungsmissbrauch werden rechtsgeschäftliche Verhaltensweisen (nach unserem weiten Begriffsverständnis: in Form von Folgeverträgen435) eines marktbeherrschenden Unternehmens verstanden, mit denen dieses im Vertikalverhältnis gegenüber seinen Handelspartnern unmittelbare finanzielle Vorteile aus seiner Marktstellung zieht, die es bei wirksamem Wettbewerb nicht erzielen könnte.436 Das Verbot ist somit in seinem Unwertgehalt ebenso wie in der praktischen Handhabung vergleichbar mit dem zuvor behandelten Kartellverbot.437 Auch bei Letzterem manifestiert sich die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung regelmäßig in Folgeverträgen mit unbeteiligten Dritten. Ein Unterschied besteht lediglich darin, dass das Verbot von Ausbeutungsmissbräu435 

Siehe Teil 1 B. VII. So Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  132. 437  Ebenso – wenn auch mit abweichender Begründung – Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  143. 436 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

chen eine tatsächlich nachgewiesene marktmächtige Stellung erfordert, wohingegen beim Kartellverbot die „marktmächtige“ Stellung auf der Grundlage der Wirtschaftspläne der Kartellanten438 „künstlich“ durch Vereinbarung zwischen selbstständigen Unternehmen herbeigeführt wird. Dies rechtfertigt es, beim Kartellverbot geringere Anforderungen an das tatsächliche Vorliegen der Marktmacht aufzustellen; seine besondere Gefährlichkeit resultiert bereits aus dem Umstand, dass die Kartellanten selbst davon ausgehen, dass ihnen das Kartell die Möglichkeit zur Ausbeutung der Marktgegenseite gibt.439 Unter teleologischen Gesichtspunkten sind an die Interpretation der sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen des Kartellverbots und des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen vergleichbare Maßstäbe anzulegen: 440 Der besondere Unwertgehalt liegt nicht im Erlangen der (tatsächlichen oder künstlich geschaffenen) marktmächtigen Stellung, sondern in deren Praktizierung zu Lasten Dritter, vorliegend in Form von Folgeverträgen im weiteren Sinne. Trotz dieses übereinstimmenden, für Ausbeutungsmissbräuche im Folgenden noch näher zu begründenden dogmatischen Gerüsts stehen beim Kartellverbot und beim Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen unterschiedliche Themenkomplexe in der Diskussion: Während bei Ersterem auf Rechtsfolgenseite bestritten wird, dass sich sein Unwertgehalt auch auf Folgeverträge bezieht,441 wird bei Letzterem in Abrede gestellt, dass man in einer Marktwirtschaft kompetitive von antikompetitiven Preisen unterscheiden kann.442 Dieses – ersichtlich systemtheoretisch443 geprägte, aber auch der Chicago School zuzurechnende444 – Argument gilt es im Folgenden zu widerlegen. In diesem Zusammenhang wollen wir das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen von Behinderungsmissbräuchen abgrenzen, da diese – vom Schrifttum eingeführte, nicht normativ vorgegebene – Unterscheidung in der Diskussion über die Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts im Allgemeinen und die normative Reichweite des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen im Besonderen für Unklarheiten sorgt, indem Letzteres (in Form der Kontrolle antikompetitiv überhöhter Preise und Konditionen) argumentativ quasi gegen Ersteres (in Form der langfristigen Offenhaltung der Märkte) ausgespielt wird. 438 

Zur Relevanz auch für die Marktabgrenzung siehe Säcker, ZWeR 2004, 1 ff. Siehe zum daran anschließenden Konzept der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung oben Teil 5 C. II. 1. c). 440  Siehe schon oben Teil 5 C. I. 441  Das haben wir zuvor bereits teleologisch-abstrakt nachgewiesen; zur konkreten Diskussion über die Folgeverträge siehe Teil 9 D. IV. 1. sowie V. und VI. 442  Dieses Argument bezieht sich – legt man ein übereinstimmendes dogmatisches Gerüst zugrunde – auch auf die Praktizierung des Kartellverbots durch Folgeverträge. Es wird derzeit vor allem für Ausbeutungsmissbräuche diskutiert, weil die h. A. meint, das Kartellverbot erfasse keine Folgeverträge. 443  Dazu oben Teil 4 C. V. 3. 444  Siehe oben Teil 4 C. VI. 439 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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1. Abgrenzung vom Verbot von Behinderungsmissbräuchen a) Das Verbot von Behinderungsmissbräuchen als abstrakter Gefährdungstatbestand zum Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer Der Beispielskatalog des Art.  102 Satz 2 AEUV erfasst vornehmlich die Benachteiligung von Vertrags- und Handelspartnern, also Situationen eines Ausbeutungsmissbrauchs, nicht jedoch die Behinderung von Konkurrenten des marktbeherrschenden Unternehmens. Die Aufzählung untersagter Verhaltensweisen in Art.  102 Satz 2 AEUV hat sich in der Rechtswirklichkeit freilich als zu eng erwiesen, um daraus eine umfassende Definition des Missbrauchsbegriffs abzuleiten.445 Nach allgemeiner Ansicht erfasst das Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV deshalb auch sog. Behinderungsmissbräuche.446 Diese zeigen sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in „Verhaltensweisen eines Unternehmens in beherrschender Stellung, die die Struktur des Marktes beeinflussen können, auf dem der Wettbewerb gerade wegen der Anwesenheit des fraglichen Unternehmens bereits geschwächt ist, und die die Aufrechterhaltung des auf dem Markt noch bestehenden Wettbewerbs oder dessen Entwicklung durch die Verwendung von Mitteln behindern, welche von den Mitteln eines normalen Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs auf der Grundlage der Leistungen der Marktbürger abweichen.“447

Dieser Missbrauchsbegriff orientiert sich de lege lata an Art.  3 Abs.  3 Uabs.  1 Satz 2 EUV in Verbindung mit dem Protokoll Nr.  27 zum Vertrag von Lissabon, konkret an dem dort verankerten Vertragsziel des „unverfälschten Wettbewerbs“, das die Auslegung der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen leitet.448 Aus diesem Ziel folgt die zentrale Bedeutung des „Leistungswettbewerbs“ (verstanden als rechtliches, nicht als ökonomisches Merkmal) als Koordinations- und Steuerungsmechanismus des Binnenmarktes. Missbräuchlich ist deshalb jede Beeinträchtigung der Wettbewerbsstruktur eines Markts, in dem der Wettbewerb seine Steuerungsfunktion wegen der Existenz eines beherr445 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung,

Art.  102 AEUV Rn.  119. in der Literatur vorgenommenen Strukturierung des Missbrauchstatbestandes in Ausbeutungsmissbräuche, Behinderungsmissbräuche und Marktstrukturmissbräuche siehe Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Art.  102 AEUV Rn.  137 ff. In der Praxis kommt es zwischen den verschiedenen Missbrauchsvarianten zu Überschneidungen, vgl. Immenga/Mestmäcker/ Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  132. 447  EuGH v. 13.2.1979 – Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 Rn.  91 –Hoffmann-La Roche; EuGH v. 3.7.1991 – Rs. C-62/86, Slg. 1991, I-3359 Rn.  69 – AKZO/Kommission; EuGH v. 15.3.2007 – Rs. C-95/04 P, EuZW 2007, 306 Rn.  66 – British Airways; EuGH v. 17.2.2011 – Rs. C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  27 – TeliaSonera; EuGH v. 6.12.2012 – Rs. C-457/10 P, WuW/E DE-R 2650 Rn.  74 – AstraZeneca/Kommission; zust. Glöckner, Kartellrecht, Rn.  519; dagegen Büdenbender, Kartellaufsicht, S.  234; FK/Weyer, §  19 GWB Rn.  897. 448  EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 Rn.  23 f. – Continental Can. 446  Zur

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

schenden Unternehmens ohnehin nur eingeschränkt entfalten kann, sofern dazu systemwidrig unangemessene, unbillige bzw. leistungsfremde Methoden eingesetzt werden.449 Das Verbot des Behinderungsmissbrauchs schützt damit die strukturellen und prozesshaften Voraussetzungen des Wettbewerbs,450 da hierdurch mittelfristig die bestmögliche Versorgung der Bürger mit Gütern und Dienstleistungen sichergestellt wird. Neben dieses Wettbewerbsziel tritt nach jüngerer Rechtsprechung des EuGH das Ziel der Steigerung ökonomischer Effizienz, das nach dem Grundsatz des „second best“ im Einzelfall eine Beeinträchtigung des Wettbewerbsprozesses legitimieren kann.451 Aus zivilistischer Sicht hat das Verbot des Behinderungsmissbrauchs eine, wenn nicht sogar die wesentliche Bedeutung im Schutz der materialen Handlungsfreiheiten der Marktteilnehmer, indem eine weitere Vermachtung der betroffenen Märkte zu Lasten der Marktgegenseite verhindert wird. Dies sei näher begründet: Wie die Theorien der Workable Competition und der späte Ordoliberalismus betont haben, hängt die Sicherung einer kompetitiven Marktstruktur mit dem Schutz der materialen wirtschaftlichen Freiheitsrechte der Marktteilnehmer untrennbar zusammen. Vor diesem Hintergrund leuchtet ein, dass Art.  102 AEUV nicht nur Ausbeutungsmissbräuche, sondern auch Behinderungsmissbräuche untersagt. So beeinträchtigen Strukturveränderungen zu Gunsten beherrschender Unternehmen nicht nur die – ebenfalls schutzwürdigen – Handlungsfreiheiten der Wettbewerber auf vor- und nachgelagerten Märkten und erschweren damit die Rückkehr der beherrschten Märkte zu einem funktionsfähigen Wettbewerbsprozess, sondern erhöhen mittelfristig auch die Möglichkeiten zur Ausbeutung der Marktgegenseite. Das Verbot des Behinderungsmissbrauchs hat nach diesem Verständnis (auch) eine präventiv-vorgelagerte Schutzfunktion für die Marktgegenseite, indem es durch die Sicherung eines funktionsfähigen Wettbewerbsprozesses die (nachfolgende) Möglichkeit zur Ausbeutung quantitativ und qualitativ verringert.452 Aus juristischer Perspektive kommt Art.  102 AEUV bzw. §  19 GWB zur Anwendung, wenn es an einer hinreichenden wettbewerblichen Kontrolle des unternehmerischen Verhaltens fehlt und im konkreten Fall die Tatbestandsmerkmale der Norm und die hierdurch gesetzten Eingriffsgrenzen überschritten sind.453 Aus diesem Grunde verbietet das Missbrauchsverbot weder das Erreichen einer marktmächtigen Stellung durch internes, rechtlich zulässiges Wachs449 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung,

Art.  102 AEUV Rn.  121. Siehe jedoch auch Jickeli (in: FS Möschel, 2011, S.  303, 307), wonach sich das Verbot des Behinderungsmissbrauchs in der Praxis einer Ergebniskontrolle annähere. 451  Siehe bereits zum Kartellverbot Teil 5 C. II. 2. 452  Ebenso – entgegen der herrschenden Ansicht – Wiedemann/de Bronnet, Kartellrecht, §  22 Rn.  39; siehe jüngst auch Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  134. 453 FK/Weyer, §  19 GWB Rn.  8 02. Auch das Konzept der Marktmacht ist somit ein juristisch-wertendes, kein ökonomisch-faktisches. Zur aktuell von der Ökonomie geäußerten Kritik siehe Teil 5 B. 450 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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tum, noch will es das Erreichen bestimmter übergeordnet-gemeinwohlinduzierter Ziele wie ein gesamtwirtschaftlich richtiges Investitions-, Produktions-, Preis- und Lohnverhalten sicherstellen,454 wie dies im deutschen Privatrecht früher in Zusammenhang mit dem sog. Stabilitätsgesetz diskutiert wurde455 und heute erneut im Rahmen des „more economic approach“ erörtert wird.456 Es hat vielmehr die Aufgabe, einen Missbrauch der vom Wettbewerb nicht kontrollierten privatautonomen Handlungsspielräume des marktmächtigen Unternehmens zu Lasten Dritter im Wege leistungswidriger Verhaltensweisen zu unterbinden.457 b) Anwendungsbereich Besondere Schwierigkeiten bestehen bei der Anwendung des Verbots von Behinderungsmissbräuchen auf Verhaltensweisen, die eine beherrschende Stellung durch internes Unternehmenswachstum begründen oder verstärken; 458 denn in einer marktwirtschaftlichen Grundordnung kann nicht jedes Verhalten eines beherrschenden Unternehmens, das seine Marktstellung sichert oder verstärkt, einen unzulässigen Missbrauch bedeuten.459 Vielmehr liegt im Einsatz von Mitteln eines normalen („leistungsgemäßen“, „angemessenen“, „billigen“) Produkt- oder Dienstleistungswettbewerbs regelmäßig ein wirtschaftspolitisch erwünschtes Verhalten von Unternehmen.460 Aus diesem Grunde genügt der Nachweis eines Ausschlusses von Wettbewerbern vom jeweils betrachteten Markt noch nicht, um den Tatbestand eines Behinderungsmissbrauchs zu erfül454 FK/Paschke,

§  19 GWB Rn.  5. Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38, 41 f., der eine „polit-ökonomische Preiskontrolle“ anhand der Maßstäbe des Stabilitätsgesetzes forderte. 456  Kommission, Prioritätenmitteilung, ABl.EU Nr. C 45/7. 457  BGH v. 15.11.1994 – KVR 29/93, WuW/E BGH 2953, 1959 f. – Gasdurchleitung; Monopolkommission, Sondergutachten 1, Rn.  19. Auch der EuGH versteht unter einer beherrschenden Stellung im Sinne des (heutigen) Art.  102 AEUV die wirtschaftliche Machtstellung eines Unternehmens, die dieses in die Lage versetzt, die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs auf dem relevanten Markt zu verhindern, indem es ihm die Möglichkeit verschafft, sich gegenüber seinen Konkurrenten, Kunden und letztlich auch den Verbrauchern in nennenswertem Umfang unabhängig zu verhalten, vgl. EuGH v. 14.2.1978 – Rs. 27/76, Slg. 1978, 207 Rn.  65 f. – United Brands; EuGH v. 9.11.1983 – C-322/81, Slg. 1983, 3461 Rn.  37 – Michelin/Kommission; siehe auch EuG v. 29.3.2012 – T-336/07, BeckRS 2012, 80670 Rn.  147 – Telefónica/Kommission. 458  Bei externem Unternehmenswachstum greift grundsätzlich die Fusionskontrolle ein; daneben kann ein sog. Marktstrukturmissbrauch vorliegen; siehe zu diesem sehr umstrittenen Tatbestand Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  134. 459  Dies ist ein Ausdruck der schon mehrfach beschriebenen „Ambivalenz wirtschaftlicher Macht“. 460 Wiedemann/de Bronnet, Kartellrecht, §  2 2 Rn.  39. Zum Konzept des Leistungswettbewerbs siehe Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  247: „Vollständige Konkurrenz besteht nicht im Kampf Mann gegen Mann, sondern vollzieht sich in paralleler Richtung. Sie ist nicht Behinderungs- oder Schädigungswettbewerb, sondern ‚Leistungswettbewerb‘“; siehe auch Gerken/Gerken/Renner, Walter Eucken und sein Werk, S.  1, 32. 455 So

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

len.461 Notwendig ist vielmehr eine (abstrakt oder konkret nachgewiesene462) negative Drittwirkung und damit ein Nachteil für den freien Wettbewerbsprozess.463 Auch die Kommission betont zwar das Endziel der Verbraucherwohlfahrt, erkennt aber zugleich an, dass es dafür maßgeblich darauf ankomme, den Marktzutritt im beherrschten Markt sicherzustellen.464 Aus diesem Grunde sei Art.  102 AEUV schon dann verwirklicht, wenn der Nachweis einer marktverschließenden Wirkung gelinge.465 Dies trifft sich inhaltlich mit der oben entwickelten Konzeption des Behinderungsmissbrauchs als abstraktem Gefährdungsdelikt zu Lasten der Selbstbestimmung der anderen Marktteilnehmer. Damit indiziert zwar der Nachweis eines Verbrauchernachteils einen Marktmachtmissbrauch; wegen der auch langfristigen, auf das Offenhalten der Märkte gerichteten Perspektive ist das jedoch keine notwendige Bedingung.466 Hinreichend ist vielmehr eine marktabschließende Wirkung, da eine solche nach den Erkenntnissen der Wirtschaftswissenschaften regelmäßig mit einem Nachteil für die Verbraucher einhergeht467 (abstrakter Gefährdungstatbestand). Eine solch marktabschließende Wirkung liegt vor, wenn Wettbewerber vom Markteintritt oder vom Ausbau ihrer Marktposition abgehalten oder zum Marktaustritt bewogen werden. Ein Behinderungsmissbrauch liegt außerdem vor, wenn Wettbewerber konsequent benachteiligt werden oder das Verhalten des Marktbeherrschers die Wettbewerber dazu bewegt, sich im Wettbewerb weniger offensiv zu verhalten, zum Beispiel durch die Erhöhung ihrer Kosten.468 c) Zur Rechtsprechung des EuGH Auch nach der – in jüngerer Zeit bekräftigten – Sichtweise des EuGH bezieht sich das Verbot der missbräuchlichen Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung gem. Art.  102 AEUV nicht allein auf Verhaltensweisen, durch die Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden entsteht, sondern auch auf solche Tätig-

461 

Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  906, 926. Siehe dazu zuvor Teil 5 C. III. 1. a). 463  EuGH v. 15.3.2007 – C-95/04 P, EuZW 2007, 306 Rn.  106 – British Airways/Kommission: „Zudem bezieht sich Art.  82 EG [. . .] nicht nur auf Verhaltensweisen, durch die den Verbrauchern ein unmittelbarer Schaden erwachsen kann, sondern auch auf solche, die ihnen durch einen Eingriff in die Struktur des tatsächlichen Wettbewerbs, von dem in Art.  3 Absatz 1 lit. g EG die Rede ist, Schaden zufügen“; siehe auch EuG v. 17.9.2007 – T-201/04, BeckEuRS 2007, 455432 Rn.  664 – Microsoft. 464  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  5 4. 465  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  55. 466  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 06, 928. 467  I. Schmidt, WuW 2012, 795. 468  DG Competition, Discussion Paper Exclusionary Abuses, Rn.  58; siehe auch Säcker/ Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  91. 462 

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keiten, die den Wettbewerbsprozess durch einen nachteiligen Eingriff in die Struktur des Marktes langfristig schädigen können.469 Der Gerichtshof stellt damit zugleich klar, dass sich das Missbrauchsverbot nicht nur auf Ausbeutungs-, sondern auch auf Behinderungsmissbräuche bezieht.470 Allerdings lässt der EuGH beim Verbot von Behinderungsmissbräuchen neuerdings eine Effizienzverteidigung zu,471 sofern sich die Effizienzvorteile zweifelsfrei feststellen lassen.472 Die Prüfung orientiert sich dabei an der Struktur des Art.  101 Abs.  3 AEUV, die insoweit auf Art.  102 AEUV übertragen wird.473 In seiner Entscheidung „TeliaSonera“ hat der EuGH jedoch zugleich bekräftigt, dass die Union trotz der Änderung ihrer Zielbestimmungen durch den Vertrag von Lissabon weiterhin auf die „Errichtung eines Systems, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt“, abzielt, obwohl diese Vorgabe formal in das Protokoll Nr.  27 v. 13.12.2007 ausgelagert wurde. An der materiellen Rechtslage hat sich insoweit also nichts geändert.474 Im Schrifttum war zuvor diskutiert worden, ob sich aus dem Lissabon-Vertrag eine geringere Wertschätzung des freien Wettbewerbsprozesses im Binnenmarkt gegenüber außerwettbewerblichen Regulierungszielen ableiten lasse.475 d) Zwischenergebnis Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Verbot von Behinderungsmissbräuchen solche Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern erfasst, die es ihnen mittelfristig durch Veränderung der Marktstruktur – konkret: durch Begründung oder Verstärkung einer die normativ gesetzten Schranken übersteigenden marktbeherrschenden Stellung – ermöglichen, die Marktgegenseite durch antikompetitiv überhöhte Preise und/ oder antikompetitive Geschäftsbedingungen auszubeuten. Es handelt sich aus juristischer Sicht also nicht nur um einen Tatbestand zum Schutz der Handlungsfreiheit der Wettbewerber, sondern auch um einen abstrakten Gefährdungstatbestand im Hinblick auf die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer. Erfasst werden hiernach Situationen, in denen es noch nicht zu einer Ausbeutung der Marktgegenseite gekommen ist, die nach industrieökonomischer Erfahrung aber die abstrakte Gefahr einer solchen erhöhen. Da sich die vorliegende Untersuchung mit den Wirkungen preisbezogener Wettbewerbsbe469  EuGH v. 15.3.2007 – Rs. C-95/04 P, EuZW 2007, 306 Rn.  57 – British Airways; EuGH v. 17.2.2011 – Rs. C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  27 – TeliaSonera; EuGH v. 6.12.2012 – Rs. C-457/10 P, WuW/E DE-R 2650 Rn.  74 – AstraZeneca/Kommission. 470 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Art.  102 AEUV Rn.  122. 471  EuGH v. 15 3.2007 – Rs. C-95/04 P, EuZW 2007, 306 Rn.  69 und 84 ff. – British Airways; siehe auch EuGH v. 17.2.2011 – Rs. C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  76 – TeliaSonera. 472  Beides bezweifelt A. Schmidt, ORDO 59 (2008), 209, 229 f. 473  Indirekt EuGH v. 27.3.2012 – C-209/10, EuZW 2012, 540 Rn.  41 – Post Danmark. 474  EuGH v. 17.2.2011 – Rs. C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  20 – TeliaSonera. 475  Siehe oben Teil 2 C. III.; m. E. ist dies nicht der Fall.

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schränkungen auf die zu ihrer Umsetzung geschlossenen Folgeverträge befasst, können Behinderungsmissbräuche als Vorstufe derartiger Ausbeutungshandlungen nachfolgend außer Betracht bleiben. 2. Zweck des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen: Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit der Marktgegenseite Neben das Verbot von Behinderungsmissbräuchen tritt als normativ gleichberechtigter Tatbestand dasjenige von Ausbeutungsmissbräuchen.476 Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen des Art.  102 Satz 2 lit. a AEUV (§§  19 Abs.  4 Nr.  2, 29 GWB), benannt auch als „exploitative abuse“, will die Vertragspartner marktbeherrschender Unternehmen vor unangemessenen („unbilligen“, „leistungswidrigen“) Entgelten und Geschäftsbedingungen schützen.477 Die Vorschrift dient damit – wie das Kammergericht bereits in seiner Vitamin B12-Entscheidung aus dem Jahr 1975 feststellte – dem Schutz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit der von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Marktteilnehmer (vgl. §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB).478 Der Tatbestand gegen Ausbeutungsmissbräuche begrenzt die Handlungs­ optionen marktbeherrschender Unternehmen,479 da der Wettbewerbsprozess durch ihre Anwesenheit auf dem Markt so stark beeinträchtigt ist, dass die Richtigkeitschance der unter ihrer Beteiligung geschlossenen Folgeverträge generell gestört ist. Es handelt sich somit aus juristischer Sicht um eine Kontrolle unternehmerischen Verhaltens und nicht um eine Marktergebniskontrolle, wie dies aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht vorgebracht wird.480 Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen beinhaltet vielmehr eine besondere Spielart privatrechtlicher Vorschriften zur Sicherung eines adäquaten vertraglichen Interessenausgleichs (§§  138, 305 ff., 315 BGB). Vor dem Hintergrund dieser individualschützenden Ausrichtung kann es nicht überzeugen, wenn es vom – insoweit offenbar systemtheoretisch beeinflussten – Schrifttum als „Notbehelf“ 476 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung,

Art.  102 AEUV Rn.  121. Becker/Blau, Preismissbrauchsnovelle, Rn.  70; BerlKommEnR/Säcker/Engelsing, §  19 GWB Rn.  141; Klaue, ZNER 2011, 278, 279; zu §  19 Abs.  4 Nr.  2 GWB siehe Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  87; grundlegend Baur, Der Missbrauch im deutschen Kartellrecht, S.  196; zur Diskussion um den zutreffenden „Missbrauchsbegriff“ Salje, Preismissbrauch, S.  5 ff. 478  KG v. 19.3.1975 – Kart. 26/74, WuW/E OLG 1599, 1607 – Vitamin B 12; siehe auch Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Art.  102 AEUV Rn.  121. Ergänzend folgt der Individualschutz aus der Ausgestaltung als gesetzliches Verbot sowie aus der Privatklagemöglichkeit jedes „Betroffenen“; siehe auch BerlKommEnR/Weyer, §  30 EnWG Rn.  5. Für Preiskartelle hat der BGH die Klagebefugnis von mittelbar betroffenen Marktteilnehmern auf entfernteren Marktstufen im ORWI-Urteil klargestellt, vgl. BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, WuW/E DE-R 3431 ff. 479  Zu dieser Interpretation Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107. 480  Säcker, RdE 2003, 300, 301. 477 

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bezeichnet wird, der hinter das Verbot von Behinderungsmissbräuchen nicht nur wettbewerbspolitisch, sondern auch normativ als subsidiär zurücktreten müsse.481 Wenn das Wettbewerbsrecht die material-chancengleiche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer schützt,482 damit sich aus dem Gebrauch derselben freie Wettbewerbsprozesse ergeben, kann eine aktuelle Ausbeutung von Verbrauchern durch zu hohe Preise nicht unter Hinweis auf die kurz- oder mittelfristig domestizierende Wirkung potenziellen Wettbewerbs für unbeachtlich erklärt werden, es sei denn, die Effizienzen kommen langfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit allen Verbrauchern zugute.483 Der Schutz der Marktteilnehmer vor Ausbeutung ist vielmehr durch eine mittel- und langfristig angelegte Strukturkontrolle zu ergänzen, welche die Offenheit der Märkte sichert. Diese Sichtweise deckt sich mit der neueren Rechtsprechung des BGH, nach der das allgemeine Missbrauchsverbot des §  19 GWB nicht nur die individuelle Selbstbestimmung, sondern sogar das Vermögen der individuell von einer Ausbeutung Betroffenen schützen soll.484 Eine Ausbeutung wirkt sich regelmäßig negativ im Vermögen aus. Folgerichtig stellt die Rechtsordnung den Betroffenen privatrechtliche Rechtsbehelfe zur Verfügung, um sich gegenüber dem Wettbewerbsverletzer schadlos halten zu können. Darüber hinaus sichert das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen das öffentliche Interesse an einer Korrektur von Marktergebnissen infolge eines grob gestörten Wettbewerbsprozesses.485 Aus diesem Grunde können die Wettbewerbsbehörden gegen Ausbeutungsmissbräuche vorgehen, indem sie eine Rückerstattungsverfügung nach dem durch die 8. GWB-Novelle neu geschaffenen §  32 Abs.  2a GWB erlassen und/oder gem. §  81 GWB ein Bußgeld verhängen. 3. Kontrollmaßstab: Hypothetischer Wettbewerbspreis a) Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs Kontrollmaßstab des Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen ist – im Sinne einer Vorgabe der ökonomischen Kalkulationsparameter486 – eine Situation wie bei hypothetisch wirksamem Wettbewerb (Als-ob-Wettbewerb).487 Hiernach dürfen die von einem marktbeherrschenden Unternehmen geforderten Entgelte 481 

So aber Immenga/Mestmäcker/Möschel, §  19 GWB Rn.  12. Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 306. 483  So aber Jickeli, in: FS Möschel, 2011, S.  303, 316. 484  Vgl. zu §  19 Abs.  4 Nr.  2 GWB die Entscheidung BGH v. 10.12.2008 – KVR 2/08, WuW/E DE-R 2538, 2540 Rn.  16 – Stadtwerke Uelzen; zust. Keßler, in: FS Säcker, 2011, S.  771, 774; ders., in: MünchKommGWB, §  32 Rn.  45; Fritzsche, WRP 2006, 42, 54. Krit. Fuchs, ZWeR 2009, 176, 193 f.; siehe auch Lohse, AcP 201 (2001), 902 ff. 485  Fuchs, ZWeR 2009, 176, 193 f. 486 So Koenig/Senger, MMR 2007, 290. 487 Vgl. Koleva, Preismissbrauchskontrolle, S.  314 ff.; BerlKommEnR/Mohr, 3.  Aufl. 2014, §  29 GWB Rn.  34 ff. 482 

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bzw. gestellten Geschäftsbedingungen nicht ungünstiger sein als diejenigen, die sich im konkreten Fall – das heißt auf dem jeweils betrachteten Markt für das konkrete Gut – bei wirksamem Wettbewerb ergeben würden. Für das Entgelt haben sich insoweit die Bezeichnungen „hypothetischer Wettbewerbs­preis“ bzw. „wettbewerbsanaloger Preis“ eingebürgert.488 Entscheidend ist derjenige Preis bzw. diejenige Preisspanne, die sich am Markt durchsetzen ließen, wenn das Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung für seine Leistungen hätte, sondern den Preis auf der Grundlage eines beidseitig-material-chancengleichen Interessenausgleichs bilden müsste.489 Den Besonderheiten des Einzelfalls wird normsystematisch durch die Möglichkeit einer Rechtfertigung wegen „abweichender Umstände“ Rechnung getragen. Die Gewinnmarge eines Unternehmens kann dabei für sich genommen – also ohne einen Blick auf das konkrete Wettbewerbsumfeld – allenfalls wegen ihrer besonderen Höhe ein unangemessenes Verhalten indizieren.490 b) Juristisches Kontrollkonzept zum Schutz vor unangemessener Ausbeutung Vor diesem teleologischen Hintergrund erhebt die kartellrechtliche Preismissbrauchsaufsicht anhand des Grundsatzes des Als-ob-Wettbewerbs keinen Anspruch auf Regulierung, verstanden als hoheitliche Lenkung des Marktes aus überindividuell-objektiven Zielen.491 Sie dient vielmehr dem Schutz der im Grundsatz der material-chancengleichen Vertragsfreiheit verkörperten Idee der Selbstbestimmung.492 Die Missbrauchskontrolle sichert auf diesem Wege zugleich die institutionellen Grundlagen, unter denen Privateigentum und Ver488 Grundlegend zum Als-ob-Wettbewerbskonzept das KG v. 19.3.1975 – Kart. 26/74, WuW/E OLG 1599, 1608 f. – Vitamin B 12; bestätigt durch BGH v. 16.12.1976 – KVR 2/76, WuW/E BGH 1445, 1450 – Vitamine; ebenso zu §  104 GWB a. F. der BGH v. 31.5.1972 – KVR 2/71, WuW/E BGH 1221, 1223 f. – Stromtarif; aus jüngerer Zeit siehe BGH v. 28.6.2005 – KVR 17/04, WuW/E DE-R 1513, 1516 – Stadtwerke Mainz; BGH v. 2.2.2010 – KVR 66/08, NJW 2010, 2573 Rn.  26 – Wasserpreise Wetzlar; BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, WuW DE-R 3632 Rn.  8 ff. – Wasserpreise Calw. Aus dem Schrifttum siehe Säcker, RdE 1980, 2, 4; ders., N&R 2009, 78, 79; Wielsch, JZ 2008, 68, 70; I. Schmidt, WuW 1965, 453, 471 ff.; ders., WuW 1967, 635; Markert, BB 1974, 580, 581; Neumann, Preismißbrauchsaufsicht, S.  302 ff. Zur Kritik siehe Knöpfle, BB 1974, 862; Beckmerhagen/Stadler, ET 1+2/2007, 115, 117; aufgrund des Tatbestandsmerkmals „fordern“ auch Schulte/Just/Just, Kartellrecht, §  29 GWB Rn.  27 (anders Rn.  42). Zusammenfassend Gabriel, Preiskontrolle im Rahmen der Wettbewerbspolitik. 489 Bestimmt anhand des wirtschaftlichen Werts der Gegenleistung, vgl. Führmeyer, Quersubventionen, S.  92. 490  Siehe Kommission v. 23.7.2004, COMP/A.36.570/D3 Rn.  85 – Sundbusserne vs. Port of Helsingborg. So hat der EuGH eine Entscheidung der EU-Kommission bestätigt, in der ein „außergewöhnlich hohes Missverhältnis“ zwischen dem geforderten Preis und den tatsächlichen Gestehungskosten bejaht wurde. Im konkreten Fall lag der Preis 500% über den Kosten; vgl. EuGH v. 13.11.1975 – Rs. 26/75, Slg. 1975, 1367, 1369 – General Motors; vgl. dazu Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Lübbig, Art.  82 EGV Rn.  149. 491 Dazu Podszun, ZWeR 2012, 48, 64 f. 492  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 190.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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tragsfreiheit nicht nur für einzelne marktmächtige, sondern für alle Marktteilnehmer wünschenswerte Ergebnisse erzielen können.493 Das Konzept des Als-ob-Wettbewerbs beinhaltet damit keinen empirisch-ökonomischen Maßstab, sondern ist Ausdruck des allgemeinen juristischen „Leitbilds freien und lauteren Wettbewerbs“ (Fikentscher) 494 zu Gunsten der materialen Selbstbestimmung aller Marktteilnehmer ohne Ansehung ihrer wirtschaftlichen Machtposition. Aus diesem Grunde steht seiner Verwendung nicht entgegen, dass sich der dynamische Wettbewerbsprozess in der ökonomischen Theorie nicht simulieren lässt,495 weshalb – so die Kritik – die „Marktergebnisse“ nicht als Indikator für ein wettbewerbs(in)konformes Verhalten herangezogen werden könnten.496 Der Gesetzgeber hat durch das am Konzept des „Als-ob“ ausgerichtete Verbot vielmehr einen angemessenen Ausgleich zwischen ökonomisch richtigen Einzelfallergebnissen und der Vorhersehbarkeit und Durchsetzbarkeit von Rechtsnormen geschaffen,497 wozu er infolge seiner Schutzpflicht für die materiale Vertragsfreiheit der Verbraucher verpflichtet war.498 Hiernach ist er gehalten, bei nicht funktionierendem Wettbewerb korrigierend in den Marktprozess einzugreifen, wozu auch wirksame Preiskontrollen gehören.499 Das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen untersagt Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen, die sich nach industrieökonomisch bekräftigter und juristisch bewerteter Erfahrung als antikompetitiv darstellen.500 Dabei steht der Schutz der wettbewerblichen Handlungsfreiheit vor einer unzulässigen Einengung durch antikompetitiv überhöhte Preise im Vordergrund. Der Schutz vor überhöhten Preisen ist normtheoretisch nicht gleichzusetzen mit wettbewerbstheoretisch kritisierten Marktergebniskontrollen.501 Er bezweckt vielmehr die Kontrolle des Verhaltens marktbeherrschender Unternehmen anhand der normativen Parameter unangemessener Preis bzw. unangemessene Vertragskondition.502 Zwar lässt sich in der Rechtswirklichkeit zuweilen nur schwer zwischen den Handlungen der Unternehmen und den dadurch be493 MünchKommBGB/Säcker,

Bd. 1 Einl. Rn.  34. Fikentscher, Als-ob-Wettbewerb, S.  15, 17; Scholz, ZHR 141 (1977), 520, 536 mit Fn.  82. 495  Dazu oben Teil 4 C. III. 4. d). 496  So aber Hoppmann, Preiskontrolle und Als-ob-Konzept, S.  5 ff. 497  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 947 f.; siehe zum SIEC-Kriterium Säcker, WuW 2010, 370, 372. 498  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36 ff. – Bürgschaft; dazu oben Teil 3 C. IV. 1. 499  Wielsch, JZ 2008, 68, 73; Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 166 f.; Ambrosius, ZNER 2007, 95, 102. 500 Siehe Scholz, ZHR 141 (1977), 520, 533; aus jüngerer Zeit EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, EuZW 2011, 339, 342 Rn.  6 4 – TeliaSonera. 501 Anders BerlKommEnR/Weyer, §  30 EnWG Rn.  102; ebenso für die Rechtslage vor 1998 Wolf, BB 1989, 993, 995; siehe zur entsprechenden Diskussion im Hinblick auf die Ausrichtung der Missbrauchskontrolle I. Schmidt, DB 1968, 1795 ff.; Mestmäcker, DB 1968, 1800 ff. 502  Wagemann, in: FS Bechtold, 2006, S.  593, 598; siehe auch Cox/Jens/Markert/Markert, Handbuch des Wettbewerbs, S.  299, 303. 494 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

wirkten Erfolgen unterscheiden; 503 denn die verbotene Handlung konstituiert sich gerade im Ausbeutungserfolg.504 Die normativ vorgegebene Unterscheidung zwischen Handlung und Erfolg wird allerdings daran deutlich, dass beim Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen ebenso wie beim Kartellverbot der Nachweis eines Schadenseintritts bei der Marktgegenseite nicht erforderlich ist. Es reicht vielmehr aus, dass ein Schaden konkret droht (Gefährdungsdelikt).505 Eine kompetitive (Preis-)Missbrauchskontrolle ist insoweit ein unabdingbares und anerkanntes Instrument zur Begrenzung wirtschaftlicher Machtstellungen, indem sie gemeinsam mit den allgemeinen privatrechtlichen Vorschriften die Funktionsvoraussetzungen der Vertragsfreiheit vor einer freiheitsbeschränkenden und damit systemwidrigen Indienstnahme durch mächtige Privatrechtssubjekte sichert.506 Aus privatrechtsdogmatischer Sicht fungiert das Verbot von preisbezogenen Ausbeutungsmissbräuchen somit als funktionales Äquivalent zur Kontrolle von AGB; 507 bei der Konditionenkontrolle sind die Vorschriften in Idealkonkurrenz anzuwenden. c) Inhaltliche Konkretisierung Unternehmen handeln grundsätzlich dann wettbewerbsanalog, wenn sie durch das Entgelt die effizienten Kosten abdecken und einen angemessenen, den Besonderheiten der jeweiligen Marktverhältnisse entsprechenden Gewinn erzielen.508 Sie können am Markt nämlich auch bei wirksamem Wettbewerb keine beliebigen Kosten auf ihre Vertragspartner überwälzen (Ist-Kosten), sondern nur solche, die auch ein effizient produzierender Wettbewerber hätte (Soll-Kosten).509 Andernfalls würden informierte und rational handelnde Kunden die Preise nämlich nicht akzeptieren und zu Konkurrenten abwandern.510 §  29 Satz 2 GWB stellt deshalb für die Missbrauchsaufsicht seit dem Jahr 2007 verallgemeinerungsfähig klar, dass nur solche Kosten berücksichtigungsfähig sind, die

503 MünchKommEUWettbR/Eilmansberger,

Art.  82 EG Rn.  155. Art.  82 EG Rn.  155. 505  Das Zureichen eines drohenden Schadens zur Tatbestandsverwirklichung entspricht der h. A.; siehe statt anderer Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  143. 506 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  32 ff., insb. 37; siehe auch Mohr, ZWeR 2011, 383 f. Zu §  315 BGB statt anderer Dreher, ZNER 2007, 103 f.; Gleim/Malirsch, ZNER 2010, 228, 231. 507  Säcker, JJZ 2013, S.  9, 20. 508 Ebenso die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg v. 24.2.2011, 6-4452.88/96 – Calw; siehe auch BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, WuW DE-R 3632 – Wasserpreise Calw. 509  Ebenso jetzt Säcker, in: FS Bornkamm, 2014, S.  275 ff. 510  Säcker/Boesche, ZNER 2002, 183, 186; Schlack, ZNER 2001, 129, 131: es solle ein Rationalisierungsdruck aufgebaut werden, den andernfalls ein funktionierender Wettbewerb ausüben würde. Siehe auch schon Weiss, Konzept der Gewinnbegrenzung, S.  200, wonach bei öffentlichen Aufträgen ebenfalls nur „Kosten bei wirtschaftlicher Betriebsführung“ berücksichtigt werden dürften. 504 MünchKommEUWettbR/Eilmansberger,

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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sich auch bei wirksamem Wettbewerb einstellten.511 Hierzu gehört eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals.512 Ebenso können im Rahmen der gebotenen dynamischen Sichtweise die Kosten für notwendige Investitionen berücksichtigt werden. Die den Unternehmen zuzubilligende Rendite kann aber im mehrjährigen Durchschnitt bei wirksamem Wettbewerb die marktbzw. branchenübliche Rendite nicht übersteigen.513 Soweit der wettbewerbsanaloge Preis im Einzelfall keinen Gewinn gewährt, ist auch dem marktbeherrschenden Unternehmen kein solcher zuzubilligen.514 Beruhen die höheren Kosten des Normadressaten aber auf ungünstigen strukturellen Gegebenheiten, sind diese im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung zu berücksichtigen.515 Die Rechtfertigung von hohen Kosten durch besondere strukturelle Gegebenheiten ist von der Rechtfertigung einer Wettbewerbsbeschränkung analog Art.  101 Abs.  3 AEUV zu unterscheiden. Bei Letzterer geht es um überindividuelle-wohlfahrtsökomische Aspekte wie die zeitweilige Gewährung von Monopolgewinnen für kompetitive Innovations- und Investitionstätigkeiten. Da das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen nach seinem Schutzzweck und seinem Unwertgehalt mit demjenigen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen zu vergleichen ist, ist es nur folgerichtig, auch hier eine überindividuellobjektive Effizienzrechtfertigung zuzulassen. Der EuGH hat den Kontrollmaßstab des Als-ob-Wettbewerbs in seiner Rechtsprechung zu Art.  102 Satz 2 lit. a AEUV anerkannt.516 Hiernach sind zu Gunsten des Normadressaten keine Kosten zu berücksichtigen, die dadurch entstanden sind, dass notwendige Rationalisierungsmaßnahmen und dadurch Kostensenkungen unterblieben sind; maßgeblich ist vielmehr nur die Unter511  Heitzer, WuW 2007, 854, 858; siehe zur Begrenzung der Berücksichtigungsfähigkeit von Kosten auf solche, die auch bei wirksamem Wettbewerb auf die Preise des Unternehmens durchschlagen würden, BGH v. 31.5.1972 – KVR 2/71, WuW/E BGH 1221, 1224 – Stromtarif; Markert, BB 1974, 580, 582. 512  Bei der Eigenkapitalverzinsung handelt es sich betriebswirtschaftlich um eine kalkulatorische Kostenposition; vgl. PwC/Zöckler/Fabritius, Entflechtung und Regulierung, Kap.  10.2.3. 513 Langen/Bunte/Nothdurft, §  19 GWB Rn.  127. Siehe zur Berücksichtigung „kalkulatorischer Gewinnkomponenten“ Lutz, in: FS Baur, 2002, S.  507, 524; zum US-amerikanischen Recht bereits I. Schmidt, WuW 1967, 777, 781 ff. (zur „rate regulation“); Lukes, Preisvergleich und Strukturvergleich, S.  130 ff. 514 BerlKommEnR/Weyer, §  30 EnWG Rn.  103; siehe auch BGH v. 6.12.2011 – KVR 95/10, Rn.  75 – Total/OMV: „Auch geringe Margen können über dem Niveau liegen, das sich bei wirksamem Wettbewerb einstellt.“ 515  Siehe zur Zulässigkeit einer sachlichen Rechtfertigung BGH v. 21.2.1995 – KVR 4/94, WuW/E BGH 2967, 2972 – Strompreis Schwäbisch Hall; BGH v. 26.2.1995 – KVR 24/94, WuW/E BGH 3009, 3013 f. – Stadtgaspreis Potsdam; zum Verbot des Behinderungsmissbrauchs Kommission, Prioritätenmitteilung, Rn.  28. 516  Säcker, ZNER 2007, 114, 115; ders., N&R 2009, 78, 79 mit Fn.  18; P. Becker, ZNER 2008, 289 ff.; Kühne, RdE 2005, 241, 246 ff.; a. A. früher BGH v. 2.10.1991 – VIII ZR 240/09, NJW-RR 1992, 183; BGH v. 5.2.2003 – VIII ZR 111/02, NJW 2003, 1449 f.; dazu kritisch Säcker, RdE 2006, 65, 70.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

nehmensstruktur eines effizienten Wettbewerbers.517 Das schließt eine ausreichende Gewinnmarge für erforderliche Investitionsfinanzierungen sowie eine branchentypische Verzinsung des eingesetzten Kapitals mit ein.518 4. Methodenpluralität Vom Kontrollmaßstab des hypothetischen Wettbewerbspreises zu unterscheiden sind die methodischen Wege zu dessen Feststellung.519 In der allgemeinen Missbrauchskontrolle ist jede geeignete Methode anwendbar. Es besteht also kein Rangverhältnis, wie dies früher unter Verweis auf die Formulierung des §  19 Abs.  4 Nr.  2 GWB a. F. vertreten wurde.520 a) Vergleichsmarktmethode („Benchmarking“) Der wettbewerbsanaloge Preis kann somit etwa durch eine Vergleichsmarktbetrachtung als Ausprägung eines sog. externen Effizienzvergleichs ermittelt werden (vgl. §§  19 Abs.  2 Nr.  2 Hs.  2, 29 Satz 1 Nr.  1 GWB).521 Hiernach dient der bereinigte Vergleichspreis als indirekter Nachweis dafür, dass ein Entgelt in der nämlichen Höhe vom Vergleichsunternehmen für eine Tätigkeit auf dem beherrschten Markt als kostendeckend inklusive einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung angesehen würde („relative Preisüberhöhung“522). Strukturelle Kostenunterschiede sind durch Zu- oder Abschläge auf den Vergleichspreis (sog. Korrekturzuschläge) zu berücksichtigen.523 Die gewichteten Preis- bzw.

517 EuGH v. 13.7.1989 – Rs. 395/87, Slg. 1989, 2521, 2578 Rn.   42 – Tournier; EuGH v. 13.7.1989 – Rs. 110/88 u. a., Slg. 1989, 2811, 2831 ff. Rn.  29 – SACEM; siehe auch Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 2, Rn.  1253; von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.  82 EG Rn.  185; Beckmerhagen/Stadler, ET 1+2/2007, 115, 116. 518  Müller-Graff, in: FS Hirsch, 2008, S.  273, 274. 519 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §   19 GWB Rn.  74; Neumann, Preismißbrauchsaufsicht, S.  380. Siehe auch Salje, Preismissbrauch, S.  70: Formale Funktionalkriterien zur Ausfüllung der materiellen Leitkonzepte. 520  BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, WuW DE-R 3632 Rn.  13 – Wasserpreise Calw; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  87; Lutz, in: FS Baur, 2002, S.  507, 520; siehe auch OLG Düsseldorf v. 22.4.2002 – Kart 2/02 (V), WuW/E DE-R 914, 916 – Netznutzungsentgelte; OLG Düsseldorf v. 22.1.2003 – Kart 39/02 (V), WuW/E DE-R 1067, 1068 f. – Stromnetz Darmstadt; OLG Düsseldorf v. 11.2.2004 – IV-Kart 4/03 (V), WuW/E DE-R 1239, 1244 – TEAG; BKartA, Wettbewerbsschutz und Verbraucherinteressen im Lichte neuerer ökonomischer Methoden, S.  26; FIW/Stockmann, Schwerpunkte des Kartellrechts 2002, S.  1, 4 f.; a. A. FK/Baron, §  29 GWB Rn.  21 und 121; OLG Stuttgart v. 25.8.2011 – 201/Kart/11, WuW/E DE-R 3389 – Calw. 521 Vgl. Lotze/Thomale, WuW 2008, 257, 258 f.; Richter, N&R 2009, 148. 522  Dreher, ZNER 2007, 103, 112. 523 MünchKommGWB/Markert, §  29 Rn.  38; Weyer, in: FS Säcker, 2011, S.  999, 1007; FK/ Baron, §  29 GWB Rn.  84; siehe auch BGH v. 2.2.2010 – KVR 66/08, NJW 2010, 2573, 2577 Rn.  43 – Wasserpreise Wetzlar.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Erlösvergleiche dienen dazu, strukturelle Unterschiede zu berücksichtigen, ohne absolute Kostenbeträge ermitteln zu müssen.524 b) Kosten- und Gewinnkontrolle Insbesondere in Fällen, in denen die Vergleichsmarktmethode aufgrund der strukturellen Unterschiede der Märkte nicht praktikabel ist,525 zum Beispiel bei einer (bundes-)weiten Marktabgrenzung, bei der es keinen adäquaten ausländischen Vergleichsmarkt gibt,526 kann der sich bei wirksamem Wettbewerb hypothetisch durchsetzbare Preis auch durch eine interne Kosten- und Gewinnkontrolle anhand ökonometrischer Modelle ermittelt werden.527 Eine Ausprägung dieser internen Kontrollmethode ist das Konzept der Kosten- bzw. Gewinnspannenbegrenzung.528 Diese bezieht sich nicht notwendig auf einzelne Preise bzw. Preisbestandteile (Netzentgelte), sondern kann auch die (Gesamt-) Erlöse in den Blick nehmen.529 Der deutsche Gesetzgeber hat das Konzept der internen Kostenkontrolle im allgemeinen Wettbewerbsrecht erstmals in §  29 Satz 1 Nr.  2 GWB festgeschrieben. Dieser knüpft an das zu Art.  102 Satz 2 lit a. AEUV entwickelte Gewinnspannenbegrenzungskonzept an.530 Der vorrangige Maßstab für die Beurteilung, ob Preise/Konditionen missbräuchlich sind, ist deshalb nicht das Preisverhalten anderer Anbieter auf vergleichbaren Märkten, sondern die Kosten- und Gewinnsituation des Normadressaten selbst.531 Es

524  Das entspricht jedenfalls im Ausgangspunkt der Anreizregulierung i. S. des §  11 Abs.  3 Satz 2 ARegV, wonach die aufgrund eines Effizienzvergleichs anerkannten Kosten auch etwaige effiziente Mehrkosten aufgrund struktureller Unterschiede umfassen; siehe Weyer, in: FS Säcker, 2011, S.  999, 1007. 525 FIW/Baur, Kontrolle von Marktmacht, S.  131, 137. 526 Langen/Bunte/Nothdurft, §   19 GWB Rn.  127; Immenga/Mestmäcker/Möschel, §  19 GWB Rn.  169; Lotze/Thomale, WuW 2008, 257, 262 f.; BerlKommEnR/Säcker/Engelsing, §  19 GWB Rn.  148. Aus der Rechtsprechung siehe BGH v. 19.6.2007 – KRB 12/07, WuW/ DE-R 2225, LS. sowie Rn.  13 und 19 – Papiergroßhandel, zur abstrakten Berechnung eines kartellbedingten Mehrerlöses; KG v. 23.12.1982 – Kart 28/82, WuW/E OLG 2892 – Euglucon. 527  BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, WuW DE-R 3632 Rn.  15– Wasserpreise Calw: Überprüfung der Preisbildungsfaktoren; Lotze/Thomale, WuW 2008, 257, 259; Richter, N&R 2009, 148, 149. 528 Wiedemann/Wiedemann, Kartellrecht, §   23 Rn.  51, 63e; FIW/Baur, Kontrolle von Marktmacht, S.  131, 141. 529  BGH v. 28.6.2005 – KVR 17/04, WuW/E DE-R 1513 – Stadtwerke Mainz; dazu Strohe, LMK 2005, 159322. 530  EuGH v. 13.11.1975 – Rs. 26/75, Slg. 1975, 1367, 1369 – General Motors Continental NV; Kommission v. 19.12.1974 – Rs. IV/28.851, ABl. 1975 Nr. L 29, S.  14; dazu Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Lübbig, Art.  82 EGV Rn.  149; vgl. zu §  19 Abs.  4 Nr.  2 GWB a. F. Engelsing, RdE 2003, 249, 253. 531 Auch im Rahmen des Vergleichsmarktkonzepts erfolgt im Rahmen der sachlichen Rechtfertigung eine Kostenprüfung, vgl. Lohse, in: FS Kreutz, 2010, S.  715, 724; Becker/Blau, Preismissbrauchsnovelle, Rn.  171 ff.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

handelt sich in den Worten der Kritiker um einen „reinen Preishöhenmissbrauch“.532 c) Kumulative Anwendung der Methoden Aufgrund der normativen Gleichrangigkeit der Methoden zur Ermittlung eines wettbewerbsanalogen Preises ist es zulässig, ein auf der Grundlage eines externen Preisvergleichs gewonnenes Ergebnis in einem zweiten Schritt nochmals durch eine analytische Gewinnspannenkontrolle zu überprüfen.533 Gerade in stark vermachteten Märkten spricht einiges dafür, beide Konzepte kumulativ anzuwenden, da der externe Effizienzvergleich hier nicht hinreichend aussagekräftig ist, aber wichtige Daten für die interne Kostenkontrolle liefern kann.534 Die Aussagekraft des Vergleichsmarktkonzepts ist insbesondere dort begrenzt, wo das Vergleichsniveau insgesamt überhöht ist (Problem des sog. „Monopolvergleichs“); in einem solchen Fall kann eine analytische Gewinnspannenkontrolle dazu beitragen, antikompetitive Ineffizienzen aufzudecken. Umgekehrt kann bei einer isolierten Gewinnspannenkontrolle problematisch sein, die Überhöhung einzelner Kostenparameter zu ermitteln. Hierfür kann unter Umständen der externe Vergleich mit anderen Unternehmen wertvolle Hinweise geben. 5. Wertungsgleichklang mit der regulierungsrechtlichen Entgeltkontrolle – zur Entbehrlichkeit eines Erheblichkeitszuschlags a) Vermeidung einer unzulässigen Preisregulierung? Spätestens nach der Umwandlung des Tatbestands gegen Ausbeutungsmissbräuche des §  22 GWB a. F. in ein gesetzliches Verbot durch die 6. GWB-Novelle (§  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB i. d. F. der 8. GWB-Novelle) kann im Rahmen der Preiskontrolle kein Erheblichkeitszuschlag mehr angesetzt werden.535 Anderer Ansicht ist der BGH, um dem oben widerlegten Vorwurf einer „kartellbehördlichen Preisregulierung“ zu begegnen.536 Er begründet seine Sichtweise mit dem besonderen Unwerturteil eines Marktmachtmissbrauchs.537 Preise schwankten in Wettbewerbsmärkten regelmäßig um den ökonomisch richtigen Preis, wes532 

Wiemer, WuW 2011, 723. Becker/Blau, Preismissbrauchsnovelle, Rn.  171 ff. 534  Wagemann, in: FS Bechtold, 2006, S.  593, 608. 535 BerlKommEnR/Mohr, 3.   Aufl. 2014, §  29 GWB Rn.  128 ff.; Massumi, Energieversorgungsunternehmen, S.  6 4 ff. 536  Beckmerhagen/Stadler, ET 1+2/2007, 115, 119. 537  BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, WuW DE-R 3632 Rn.  24 – Wasserpreise Calw; BGH v. 28.6.2005 – KVR 17/04, WuW/E DE-R 1513, 1519 – Stadtwerke Mainz; BGH v. 7.12.2010 – KZR 5/10, NJW-RR 2011, 744 Rn.  32 und 50 – Entega II; zust. Pohlmann, in: FS Baur, 2002, S.  535, 547; Koleva, Preismissbrauchskontrolle, S.  281 ff. 533 

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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halb man diesem Umstand durch Zuerkennung einer gewissen Spannbreite zulässiger Entgelte, also durch einen Erheblichkeitszuschlag Rechnung tragen müsse.538 b) Übertragbarkeit der normativen Wertungen des Regulierungsrechts In einer Marktwirtschaft gibt es nicht den einen „zulässigen“ Preis. Es existieren viele subjektiv richtige Preise, aus denen die Rechtsordnung diejenigen herausfiltern muss, denen sie durch eine Vertragsinhaltskontrolle und die sich daran anschließenden Ersatzansprüche negativ Betroffener die Rechtsgültigkeit versagt. Als „Aufgreifkriterium“539 dient die marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens bzw. der Abschluss einer die unternehmerische Selbstständigkeit beeinträchtigenden Vereinbarung. Diese Grundsätze wurden vom Gesetzgeber im Rahmen der sektorspezifischen Regulierung der Netzwirtschaften – auf die wir noch detailliert eingehen werden – niedergelegt. Die wettbewerbsrechtliche Preis-/Konditionenkontrolle kann somit durch die Wertungen des sektorspezifischen Regulierungsrechts operationalisierbar gemacht werden.540 Wie wir noch sehen werden, beinhaltet die regulierungsrechtliche Entgeltkontrolle kein eigenständiges Kontrollkonzept, sondern stellt lediglich eine sektorspezifische Konkretisierung des wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbskonzepts dar.541 In seiner Stromnetznutzungsentgelt-V-Entscheidung hat der BGH deshalb zu Recht bestätigt, dass der inhaltlich mit dem Maßstab der Leistungswidrigkeit vergleichbare Maßstab der Billigkeit des §  315 Abs.  3 BGB an den §§  21 ff. EnWG auszurichten ist.542 Im Rahmen des §  21 Abs.  2 Satz 1 EnWG werden die Netznutzungsentgelte auf Basis der Kosten einer Betriebsführung gebildet, die derjenigen eines effizienten und strukturgleichen Wettbewerbers entsprechen muss, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und eine angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste Verzinsung des eingesetzten 538 

Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  3 Rn.  238 und 279. Private Macht, unter V. 540  Vgl. zu §  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB OLG Nürnberg v. 29.5.2012 – 1 U 605/11, S.  11 ff. des Urteilsumdrucks; Kühne, RdE 2000, 1, 4; Säcker/Kühne, Reform des Energierechts, S.  81, 85 f.; Böhnel, Wettbewerbsbegründende Durchleitungen, S.  337 ff.; Lohse, in: FS Kreutz, 2010, S.  715, 732; FK/Baron, §  29 GWB Rn.  129. Davon zu unterscheiden sind die von §  111 EnWG behandelten Konkurrenzen. 541  Wagemann, in: FS Bechtold, 2006, S.  593, 602 mit Fn.  69; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  120; Säcker, N&R 2009, 78, 79 mit Fn.  18; Baur/Salje/Schmidt-Preuß/Ludwigs, §  38 Rn.  1 und 7. A. A. Klaue/Schwintowski, Preisregulierung durch Kartellrecht, EWeRK-Sonderheft, 2008, S.  10: die Regulierung sei nicht an das Wettbewerbsprinzip angebunden; krit. de lege ferenda Burgi, DVBl. 2006, 269, 270. 542  BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 Rn.  2 2 ff. – Stromnetznutzungsentgelt V. 539 Möslein/Bachmann,

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Kapitals. Soweit die Entgelte kostenorientiert gebildet werden, dürfen Kosten und Kostenbestandteile, die sich ihrem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden, gem. §  21 Abs.  2 Satz 2 EnWG ebenso wie nach §  29 Satz 2 GWB nicht berücksichtigt werden. §  21 Abs.  2 EnWG folgt damit in Anlehnung an die §§  31 Abs.  1, 32 Abs.  1 TKG dem Kontrollkonzept der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung (KeL-Konzept).543 Für das Netzentgelt sind hiernach nur fiktive Als-ob-Wettbewerbspreise zulässig, denen als dynamische Zielvorgabe allokativ und produktiv effiziente Kostenpositionen zugrunde liegen dürfen.544 Hinsichtlich der Netzentgelte können die Maßstäbe der regulierungsrechtlichen und der wettbewerbsrechtlichen Kontrolle somit aus Gründen ökonomischer Logik nicht unterschiedlich sein, im Sinne einer Abstufung der Kon­ trollintensität.545 Denn bei einer wettbewerbsorientierten Kontrolle geht es immer um die Konkretisierung und Operationalisierung des Kontrollmaßstabs eines wettbewerbsanalogen Preises. Unter Zugrundelegung der Erkenntnisse des Regulierungsrechts lassen sich wettbewerbsanaloge Preise detailliert ermitteln. Es bedarf deshalb keines Erheblichkeitszuschlags, um ökonomische Unsicherheiten aufzufangen. Ein Unternehmen missbraucht vielmehr schon dann seine beherrschende Marktstellung, wenn es höhere Preise verlangt, als es den Kosten effizienter Leistungs­ bereitstellung einschließlich einer angemessenen, risikoadäquaten Eigen- und Fremdkapitalverzinsung entspricht. Dies korrespondiert mit dem oben entwickelten juristischen Maßstab des hypothetischen Wettbewerbspreises. Umgekehrt darf eine staatliche Preiskontrolle die Entgelte nicht unter das Niveau wie bei wirksamem Wettbewerb absenken, indem etwa die leistungsmengenneutralen Gemeinkosten unberücksichtigt bleiben.546 c) Vergleich mit dem Kartellverbot Ein Blick auf die Rechtslage zum Kartellverbot bestätigt, dass ein Erheblichkeitszuschlag dem Normzweck eines Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen widerspricht. Ausbeutungs-Preismissbräuche zielen darauf ab, die material-chancengleiche Vertragsfreiheit der Vertragspartner zu beeinträchtigen und ihr Vermögen zu schmälern, indem sie zur Zahlung antikompetitiv überhöhter Preise veranlasst werden. In der Terminologie des Kartellverbots handelt es sich um eine bezweckte Hardcore-Wettbewerbsbeschränkung. Dort kommt bei bezweckten Wettbewerbsverboten jedoch keine Spürbarkeitsschwelle zur An543  Säcker, N&R 2009, 78, 79; Busse von Colbe, in: FS Säcker, 2011, S.  575, 579; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  117 ff. 544 Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 82 ff.; Säcker/Meinzenbach, RdE 2009, 1, 6 f.; Berndt, Anreizregulierung, S.  32. 545  A. A. Säcker/Groebel, §  27 TKG Rn.  2 ff. 546 Weiterführend Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 77 ff.

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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wendung.547 Es bedeutete somit einen teleologisch nicht zu rechtfertigenden Widerspruch, wenn man bei dem nach seinem Unwertgehalt vergleichbaren Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen 548 einen Erheblichkeitszuschlag in Ansatz bringen wollte. Es führt auch nicht weiter, wenn darauf verwiesen wird, der Rechtsbegriff missbraucht setze wie „bei jedem Rechtsmissbrauch“ eine erhebliche Abweichung von der Norm voraus; 549 denn der Missbrauchsmaßstab ist nicht aus allgemeinen rechtstheoretischen Erwägungen, sondern aus den konkreten Tatbeständen der betrachteten Normen in Verbindung mit den Ordnungsprinzipien einer Wettbewerbswirtschaft abzuleiten.550 Diese sind im Rahmen von §  19 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  2 GWB auf die Kontrolle der Angemessenheit des von der Marktgegenseite geforderten Entgelts gerichtet.551 Wer infolge seiner marktbeherrschenden Stellung faktisch einseitig die Vertragsbedingungen festlegen kann, hat – wie die AGB-Inhaltskontrolle des §  307 BGB verdeutlicht – die Interessen seiner Vertragspartner in „angemessenem Umfang“ mit zu berücksichtigen.552 Bringt er demgegenüber nur seine eigenen Interessen zur Geltung, missbraucht er seine Vertragsfreiheit; 553 es liegt in privatrechtlicher Terminologie ein Fall gestörter Vertragsparität vor, besser: der unangemessenen Beeinträchtigung der Chancen zur beidseitig-materialen Selbstbestimmung der Vertragsparteien. d) Behebung rechtstatsächlicher Unsicherheiten („Unsicherheitsfaktor“) Das vorstehend gefundene Ergebnis lässt sich teilweise mit der Rechtsprechung des BGH versöhnen. So macht das Gericht „die den betroffenen Unternehmen zuzubilligende Bandbreite zwischen dem wettbewerbsanalogen Preis und der Mißbrauchsgrenze von den Gesamtumständen abhängig“, die wiederum „auch mit Rücksicht auf Art und Umfang des zur Verfügung stehenden Vergleichsmaterials mit seinem daraus ergebenden Wert für die Beweisführung“ zu bestimmen sei.554 Diese Formulierung legt nahe, dass der BGH den Erheblichkeitszuschlag jedenfalls auch als „Unsicherheitsfaktor“ anwendet,555 bei Unsicherheiten im tatsächlichen Bereich bei der Erhebung des Datenmaterials und dem Vergleich der Unternehmen und Märkte, auch benannt als „Sicherheitszu547 

Siehe oben Teil 5 C. II. 1. c) und e). Säcker, WuW 2012, 343; ders., in: FS Canenbley, 2012, S.  397, 400 ff. Mit einem Unwerturteil der Missbrauchskontrolle begründen den Erheblichkeitszuschlag Schebstadt, WuW 2005, 1009, 1011; Haus/Jansen, ZWeR 2006, 77, 91 f.; Büdenbender, ZWeR 2006, 233, 250 ff. 549  Fischer, ZGR 7 (1978), 235, 248. 550 FK/Weyer, §  19 GWB Rn.  1235. 551 FK/Weyer, §  19 GWB Rn.  925. 552  KG v. 19.3.1975 – Kart. 26/74, WuW/E OLG 1599, 1607 – Vitamin B 12. 553  KG v. 19.3.1975 – Kart. 26/74, WuW/E OLG 1599, 1607 – Vitamin B 12. 554  BGH v. 16.12.1976 – KVR 2/76, WuW/E BGH 1445, 1454 – Valium. 555 FIW/Baur, Kontrolle von Marktmacht, S.  131, 140. 548 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

schlag“.556 Hiervon zu unterscheiden sind wiederum „Korrekturzuschläge“ bzw. „Korrekturabschläge“ für die durch die unterschiedliche Gebietsstruktur bedingten, von den Unternehmen unbeeinflussbaren Faktoren, die sich kosten­ erhöhend oder kostensenkend auswirken.557 Auch diese werden zuweilen als Anwendungsbereich des Erheblichkeitszuschlags erachtet, sind von diesem jedoch strikt zu unterscheiden.558

IV. Wettbewerbstheoretische Einwände gegen eine kompetitive Ausbeutungskontrolle – am Beispiel des §  29 GWB Wie wir gesehen haben, sichert das Wettbewerbsrecht auf der „systemischen Ebene“ einen freien und unverfälschten Wettbewerbsprozess. Sofern es im Einzelfall gleichwohl zu einer Ausbeutung von Marktteilnehmern kommt, hält es mit dem Kartellverbot und dem Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen Schutznormen bereit, die der Sicherung der Selbstbestimmung der anderen Marktteilnehmer dienen. Insbesondere die zweitgenannte Funktion einer wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Preiskontrolle begegnet dem Vorwurf, sie ersetze den freien Wettbewerbsprozess durch hoheitlich vorgegebene Preise und Konditionen. Derartige Bedenken wurden in jüngerer Zeit vor allem für den im Jahr 2007 geschaffenen §  29 GWB formuliert.559 Sie lassen sich wettbewerbstheoretisch auf die Systemtheorie Hoppmanns bzw. die Chicago School zurückführen.560 §  29 GWB enthält ein sektorspezifisches Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs, das die allgemeine Verhaltenskontrolle marktbeherrschender Unternehmen gem. §  19 GWB für die leitungsgebundene Versorgung mit Energie verschärft, da eine sichere und preisgünstige Versorgung der Bürger mit Energie als einem Gut der Daseinsvorsorge für die Volkswirtschaft und die Lebenshaltung der Bürger besonders bedeutsam ist.561 Die Vorschrift soll dazu beitragen, noch 556  BKartA v. 19.3.2012 – B10-16/09, Rn.  55 f. – Entega; BerlKommEnR/Säcker/Engelsing, §  19 GWB Rn.  194. 557 BerlKommEnR/Säcker/Engelsing, §   19 GWB Rn.  194; FIW/Markert, Schwerpunkte des Kartellrechts 1976/1977, S.  27, 35. Siehe zur Vornahme von Korrekturzuschlägen bei strukturellen Abweichungen vom Vergleichsunternehmen BGH v. 2.2.2010 – KVR 66/08, NJW 2010, 2573, 2577 Rn.  43 – Wasserpreise Wetzlar. 558  Jungtäubl, Preishöhen- und Preisstrukturkontrolle, S.  123. 559 Monopolkommission, Sondergutachten 47, S.   4, 12  ff.; dies., Hauptgutachten 18, S.  194 f.; dies., Sondergutachten 63, S.  37 ff.; krit. ebenfalls Kolpatzik/Berg, WuW 2011, 712, 714 f.; Klaue/Schwintowski, Preisregulierung durch Kartellrecht, EWeRK-Sonderheft, 2008, S.  9 f.; dies., ZfK 4/2012, S.  12. 560  Beide Sichtweisen bevorzugen damit ein formales Verständnis der Vertragsfreiheit, das der geltenden Vertragsrechtsordnung widerspricht; siehe zur Systemtheorie Teil 4 C. V. 3. b), zur Chicago School Teil 4 C. VI. 4., sowie zur inneren Rechtfertigung von Verträgen Teil 3 D. 561  Vgl. den Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/5847 v. 27.6.2007, S.  1, 9; Markert, ZNER 2007, 365, 366; Lohse, in: FS Kreutz, 2010, S.  715; Becker/Blau, Preismiss-

C. Schutzrichtung der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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fortbestehende tatsächliche Defizite bei der kompetitiven Öffnung der den Energieversorgungsnetzen vor- und nachgelagerten, nicht regulierten Märkte zu kompensieren.562 Diese Defizite zeigen sich nach Einschätzung des Gesetzgebers insbesondere in hohen Energiepreisen, die sich weder durch gestiegene Beschaffungskosten für Primärenergieträger noch durch staatliche Abgaben rechtfertigen ließen,563 sondern noch immer (auch) auf der besonders hohen Konzentration der Energiewirtschaft beruhten.564 Da strukturelle Maßnahmen das Energieangebot durch „unabhängige Erzeuger“ und Energieimporte sowie damit zusammenhängend ein erhöhtes Wechselverhalten der Kunden nur mittelfristig förderten, sei im Interesse der Verbraucher „als Sofortmaßnahme“ eine sektorspezifische Missbrauchsaufsicht in Ergänzung zur zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle des §  315 Abs.  3 BGB unabdingbar.565 Der Gesetzgeber hat damit den oben adressierten Zielkonflikt zwischen langfristiger Offenhaltung der Märkte und kurzfristigem Schutz der Selbstbestimmung und des Vermögens der Marktteilnehmer zugunsten Letzterer entschieden. Im – aus zivilistischer Sicht liberalistisch eingestellten – wettbewerbstheoretischen Schrifttum wird bemängelt, dass §  29 GWB de facto nicht auf die Ursachen, sondern auf die Symptome mangelnden Wettbewerbs, also auf dessen Ergebnisse blicke. Die Vorschrift führe damit nicht zu einer Änderung oder Schwächung der marktbeherrschenden Stellung, obwohl dies aus wettbewerbstheoretischer Sicht im Vordergrund staatlicher Wettbewerbspolitik stehen müsse. Erzwungene Preissenkungen trügen ganz im Gegenteil dazu bei, die marktbeherrschenden Stellungen weiter zu stabilisieren, indem sie Marktzutritte von Neulingen oder die Expansion von kleineren Wettbewerbern behinderten.566 „Absurde Folge“ des §  29 GWB könne damit sein, dass es mittelfristig überhaupt keinen Energiepreiswettbewerb mehr gebe.567 Kostenbasierte Preiskontrollen würden in der Praxis außerdem an der erforderlichen Abgrenzung von Einzel- und Gemeinkosten sowie an der betriebswirtschaftlich nur begrenzt zu kontrollierenden Zuordnung von Gemeinkosten scheitern.568 Aus diesem Grunde ziele das Gewinnbegrenzungskonzept des §  29 Satz 1 Nr.  2 GWB letztlich auf die Bestimmung eines systeminkonformen „iustum pretium“, da es unternehmerische Preisfestlegungen durch hoheitliche Maßnahmen brauchsnovelle, Rn.  70; zur Einstufung des Ausbeutungsmissbrauchs als Verhaltenskontrolle auch Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107. 562  Lohse, in: FS Kreutz, 2010, S.  715. 563  BT-Drucks. 16/5847, S.  9. Im Rahmen der Energiewende sind die gemeinwohlinduzierten Entgeltbestandteile freilich stark angestiegen; siehe die §§  16 ff. EEG. 564  BT-Drucks. 16/5847, S.  9 ; siehe auch Metzger, ZHR 172 (2008), 458, 459. 565  BT-Drucks. 16/5847, S.  9 ; vgl. dazu auch Wielsch, JZ 2008, 68. 566 Siehe Monopolkommission, Sondergutachten 58, Rn.   32; Faustmann/Raapke, WRP 2008, 67, 69; Metzger, ZHR 172 (2008), 458, 467; Balzer/Pohlmann, ZRP 2008, 31. 567 So Kahlenberg/Haellmigk, BB 2008, 174, 177. 568  Siehe Monopolkommission, Sondergutachten 58, S.  11.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

ersetze.569 Sowohl ein Erlös- als auch ein Tarifvergleich verstießen gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Rechtssicherheit.570 Auch das prinzipiell „marktwirtschaftskonformere“ Vergleichsmarktprinzip des §  29 Satz 1 Nr.  1 GWB könne diese Mängel nicht beheben, da es häufig an einem wettbewerblichen Vergleichsmarkt fehle.571 Mit diesen Einwänden wird – wie wir bereits gesehen haben – der wettbewerbstheoretische Zielkonflikt zwischen kurzfristigen Verbrauchervorteilen und vermeintlich langfristig eintretenden marktstrukturellen Nachteilen adressiert.572 Die Einwände richten sich deshalb nicht allein gegen §  29 GWB, sondern allgemein gegen eine wettbewerbsrechtliche Preismissbrauchsaufsicht, die aus Sicht der Kritiker zu Gunsten einer Offenhaltung der Märkte im Sinne der Theorie der „contestable markets“573 zurückgenommen werden soll.574 Diese Einwände sind aus zivilistischer Sicht wenig überzeugend, da sie – wie wir bereits im Rahmen unserer wettbewerbstheoretischen Erwägungen gesehen haben – im Ergebnis auf einem (paläo-)liberalen Verständnis von Privatautonomie und Vertragsfreiheit beruhen. Eine Preismissbrauchskontrolle ist trotz der hieran immer wieder geäußerten Grundsatzkritik ein anerkannter575 und systemgemäßer576 Bestandteil einer auf dem Grundsatz der wirtschaftlichen Selbstbestimmung beruhenden marktwirtschaftlichen Grundordnung. Dort, wo die Rechtsordnung von der Errichtung einer Verfahrensordnung keine sinnvollen oder angemessenen Ergebnisse erwartet, weil ein Beteiligter das Verfahren (wirtschaftlich) beherrscht, kann sie ergänzend eine Verhaltenskontrolle anhand eines wettbewerblichen Maßstabs anordnen.577 Dieser Maßstab ist vorliegend das juristische Konzept des Als-ob-Wettbewerbs. Hiernach dürfen die von einem marktbeherrschenden Unternehmen geforderten Entgelte im Einzelfall nicht höher sein als diejenigen Entgelte, die sich auf der Grundlage wirksa569  Müller-Graff, in: FS Hirsch, 2008, S.  273, 274. Zur Preiskontrolle als vermeintlich systemwidriger Ausnahme vgl. auch Kaufer, WuW 1975, 139 f.; Rittner, WuW 1974, 737, 745 ff.; Möschel, Rechtsordnung zwischen Plan und Markt; ders., JZ 1975, 393 ff.; ders., BB 1976, 49; Hoppmann, Marktbeherrschung und Preismissbrauch; Preuske, Preismißbrauchskonzepte und Marktsystem; aus jüngerer Zeit etwa Kuhn, WuW 2006, 578 ff. Mit vergleichbaren Argumenten wird im öffentlich-rechtlichen Schrifttum die Ansicht vertreten, die sektorspezifische Ex-ante-Entgeltkontrolle unterfalle nicht dem allgemeinen Wettbewerbsrecht, da sie Preise hoheitlich-dezisionistisch festlege; vgl. Ludwigs, Effizienzanforderungen, S.  115 ff. 570  Kolpatzik/Berg, WuW 2011, 712, 718 f. 571  Monopolkommission, Sondergutachten 58, Rn.  32. 572  Möschel, BB 1976, 49, 53: Vorrang wettbewerbsstruktureller Maßnahmen, Preiskontrollen als Notbehelf; Goette, in: FS Geiß, 2000, S.  593, 602; Klaue/Schwintowski, Preisregulierung durch Kartellrecht, EWeRK-Sonderheft, 2008, S.  9. 573  Siehe dazu noch Teil 7 B. I. 1. 574  Metzger, ZHR 172 (2008), 458, 467. So insbesondere Monopolkommission, Sondergutachten 58, Rn.  29 ff. 575  Vgl. FIW/Markert, Schwerpunkte des Kartellrechts 1976/1977, S.  27, 29. 576  Salje, Preismissbrauch, S.  2 2. 577  Wiedemann, ZGR 1980, 147, 170 f.

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men Wettbewerbs ergeben würden. Entscheidend ist derjenige Preis bzw. diejenige Preisspanne, die sich am Markt durchsetzen ließen, wenn der Normadressat keine marktbeherrschende Stellung für seine Leistungen hätte, sondern den Preis im Rahmen wirksamen Wettbewerbs mit anderen Anbietern bildete.578 Die Preismissbrauchskontrolle zielt somit nicht auf einen objektiv gerechten bzw. richtigen Preis ab, sondern ermittelt den subjektiv zulässigen Preis anhand der konkreten, von Fall zu Fall unterschiedlichen Gegebenheiten auf dem jeweils in Rede stehenden Markt bei hypothetisch wirksamem Wettbewerb. Mit Blick auf diese Erwägungen zielt eine am Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs ausgerichtete Preismissbrauchsaufsicht nicht auf eine hoheitliche Markt­ lenkung („Regulierung“) anhand überindividuell-objektiver Gemeinwohlkriterien ab, sondern auf die Wiederherstellung des subjektiv-zutreffenden Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung bei wirksamem Wettbewerb.579 Sie reflektiert damit zum einen „das allgemeine Leitbild freien und lauteren Wettbewerbs“ im Sinne eines juristischen Maßstabs der Auslegung.580 Zum anderen nimmt sie auf die innere Rechtfertigung des Vertrages durch die beiderseitige Chance zur Selbstbestimmung Bezug. Hiernach ist entscheidend, welchen Preis die Vertragsparteien anhand der Gegebenheiten auf dem konkreten Markt bei wirksamem Wettbewerb festgelegt hätten. Aus diesem Grunde kann dem Als-ob-Wettbewerbskonzept nicht entgegengehalten werden, dass sich der dynamische Wettbewerbsprozess in der ökonomischen Theorie – was zutrifft – derzeit nicht simulieren lässt, weshalb Marktergebnisse (also etwa ein be­ stimmter Preis) nicht einmal als Indikator für ein wettbewerbs(in)konformes Verhalten herangezogen werden könnten.581 Ein dem Grundsatz materialer Vertragsfreiheit verpflichteter Gesetzgeber darf vor ökonomischer Macht nicht kapitulieren, sondern ist gehalten, unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse der Ökonomie einen angemessenen Schutz vor Ausbeutung zu schaffen.582 Er kann deshalb Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen durch Gefährdungstatbestände unter Rechtfertigungszwang stellen, die nach industrieökonomisch bekräftigter Erfahrung eine Ausbeutung indizieren.583

578 

Siehe oben Teil 5 C. III. 3. Vgl. dazu Podszun, ZWeR 2012, 48, 64 f. Diese Erwägung setzt sich bei der Ausfüllung von Vertragslücken durch ergänzende Vertragsauslegung fort, die durch die Teilnichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Klauseln erforderlich wird; siehe Teil 9 D. VII. 580  Fikentscher, Als-ob-Wettbewerb, S.  15, 17; Scholz, ZHR 141 (1977), 520, 536 mit Fn.  82: Zielvariable, nicht Kontrollvariable. 581  So aber Hoppmann, Preiskontrolle und Als-ob-Konzept, S.  5 ff. 582  I. Schmidt, in: FS Säcker, 2011, S.  939, 947 f.; siehe zum SIEC-Kriterium auch Säcker, WuW 2010, 370, 372. 583  Scholz, ZHR 141 (1977), 520, 533; aus jüngerer Zeit etwa EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, EuZW 2011, 339, 342 Rn.  6 4 – TeliaSonera. 579 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

V. Das Wettbewerbsrecht zwischen Individual- und Institutsschutz Die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen dienen nicht nur der Herstellung gemeinwohlinduzierter ökonomischer Effizienzen, sondern schützen zugleich die material-chancengleiche Freiheit der Marktteilnehmer gegenüber den negativen Folgen wirtschaftlicher Macht und damit zugleich den wirksamen Wettbewerbsprozess. Der EuGH hatte seit dem Jahr 2007 mehrfach Gelegenheit, zu den Schutzzwecken des europäischen Wettbewerbsrechts Stellung zu nehmen. Die Entscheidungen bemühen sich um einen Ausgleich zwischen ergebnisoffenen, wettbewerbsprozessorientierten Ansätzen und wohlfahrts­ ökonomischen Effizienzanalysen, wie er auch in Art.  101 Abs.  1 und Abs.  3 AEUV angelegt ist.584 Danach folgt das Wettbewerbsrecht einem zweistufigen Ansatz: 585 Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob ein unternehmerisches Verhalten die materiale Selbstbestimmung eines anderen Marktteilnehmers unangemessen („leistungswidrig“, „unbillig“) beeinträchtigt. Hierfür ist kein konkreter Nachweis einer Beeinträchtigung der Verbraucherwohlfahrt notwendig.586 Das gilt auch für den Tatbestand des Ausbeutungsmissbrauchs, da dieser nicht in erster Linie auf die (wohlfahrtsökonomisch ggf. unrichtigen) Marktergebnisse blickt, sondern die Handlungsoptionen eines marktbeherrschenden Unternehmens anhand der hypothetischen Situation bei wirksamem Wettbewerb einschränkt.587 Erst auf der zweiten Stufe kommt ausnahmsweise eine Effizienzverteidigung in Betracht, die de lege lata an erhebliche materielle Nach­weis­ anforderungen geknüpft ist.588

D. Der von den Wettbewerbsregeln geschützte Personenkreis I. Unterscheidung zwischen „primären“ und „sekundären“ subjektiven Rechten Von der Frage nach dem „objektiven Schutzgut“ der wettbewerbsrechtlichen Tatbestände zu trennen ist die Diskussion um dessen „subjektive“ Schutzrichtung. Bei dieser geht es um das Problem, ob sich aus einem normativ intendierten („objektiven“) Drittschutz konkrete subjektive Rechte der negativ Betroffe-

584 Vgl.

Zimmer, WuW 2007, 1198, 1204 ff. Zimmer, WuW 2007, 1198, 1206. 586  Wir hatten dies bereits gesehen; an dieser Stelle nochmals zur Verdeutlichung Dreher/ Adam, ZWeR 2006, 259, 273; Eilmansberger, ZWeR 2009, 437, 440. Siehe auch EuGH v. 6.10.2009 – C-501/06 P u. a., BeckRS 2009, 71109 Rn.  62 f. – GlaxoSmithKline. 587  Behrens, ZWeR 2008, 20, 37. 588  Behrens, ZWeR 2008, 20, 39. 585 

D. Der von den Wettbewerbsregeln geschützte Personenkreis

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nen 589 auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz ableiten lassen,590 was man bei unbefangener Betrachtung eigentlich vermuten sollte. Darüber hinaus ist zu klären, ob die Zuerkennung eines subjektiven Handlungsrechts notwendig die Verletzung einer geschützten Rechtsposition voraussetzt.591 Beiden Problemkreisen ist gemeinsam, dass sie objektive Rechte, die Inhalt und Reichweite des rechtlichen Schutzes definieren, von den subjektiven Handlungsinstrumenten der Bürger trennen.592 Sie unterscheiden sich jedoch in einem wesentlichen Punkt: Im Rahmen der zweitgenannten Ansicht geht es um die Vermehrung individueller Handlungsoptionen, indem den Bürgern zusätzlich zu Ersatzansprüchen wegen Verletzung ihrer individuellen Rechte noch (Popularklage- oder Abschöpfungs-)Befugnisse aus überindividuellen Gesichtspunkten zuerkannt werden, obwohl sie insoweit gar nicht „objektiv“ von dem Rechtsverstoß betroffen sind.593 Demgegenüber will die erstgenannte Ansicht die subjektiven Handlungsbefugnisse aus vermeintlich übergeordneten „objektiven“ Gesichtspunkten wie der „Rechtssicherheit“,594 der „praktischen Handhabbarkeit“595 oder der „mangelnden Flexibilität“ einschränken.596 Paradigmatisch ist die Diskussion über die Beschränkung des Betroffenheitskriteriums in §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB 2005,597 ebenso wie diejenige über den Schutzgesetzcharakter der §§  3 bis 7 UWG.598 589  Der deutsche Gesetzgeber hat die „Betroffenheit“ im Rahmen der 7. GWB-Novelle des Jahres 2005 zum Tatbestandsmerkmal in §  33 Abs.  1 Satz 1 und 3 GWB erhoben; siehe dazu Teil 9 C. II. 2. 590  K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.  63 ff.; ders., in: FS Benisch, 1989, S.   293, 300; Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  120 f.; die Unterscheidung geht zurück auf Raiser, JZ 1961, 465 ff. 591  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  53 ff. 592 Vgl. im Hinblick auf die Statuierung zwingenden Privatrechts auch Bachmann, JZ 2008, 11. 593  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.   55 f.; Halfmeier (Popularklagen im Privatrecht, S.  253 ff.) will Popular- und Verbandsklagen vom Begriff des subjektiven Rechts abkoppeln, da ein über den individuellen Güterschutz hinausgehender Begriff des subjektiven (Handlungs-)Rechts die Unterscheidung zwischen Individualschutz und objektiver Rechtskontrolle eher verschleiere als erhelle. Das erscheint mir nicht überzeugend. 594  So im Hinblick auf die Problematik sog. Folgeverträge Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Strickrodt, WuW 1957, 75, 80; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  65; Mailänder, BB 1963, 1357, 1361; ders., Privatrechtliche Folgen, S.  153. 595  Siehe im Hinblick auf die vermeintlich drohende Klageflut bei einer Unwirksamkeit der Folgeverträge BGH v. 4.5.1956 – I ZR 194/54, NJW 1956, 1201 – Spediteurbedingungen; Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Strickrodt, WuW 1957, 75, 80; Schwenk, WuW 1958, 326, 334. 596  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  73. 597  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 188; ders., ZWeR 2010, 15, 29 f.; siehe noch Teil 9 C. II. 1. 598  Siehe zur Rechtslage vor der UWG-Novelle des Jahres 2004 der BGH v. 14.5.1974 – VI ZR 48/73, NJW 1974, 1503, 1505 – Prüfzeichen; BGH v. 13.7.1983 – VIII ZR 142/82, NJW 1983, 2493, 2494; die vormals restriktive Haltung des BGH ist nach Säcker (WRP 2004, 1199, 1120; zust. Keßler, WRP 2005, 264, 273) auf die mangelnde Präzision der Tatbestände des früheren Lauterkeitsrechts zurückzuführen, die nicht als Anknüpfungspunkte für individu-

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Die funktionsbezogene Unterscheidung zwischen subjektiven Rechten, die einem bestimmten Rechtsinhaber zustehen und den Gegenstand des Schutzes bezeichnen, und subjektiven Rechten als privaten Handlungsbefugnissen zur Gestaltung der Rechtswirklichkeit geht zurück auf die von Ludwig Raiser entwickelte Differenzierung zwischen „primären“ und „sekundären“ subjektiven Rechten.599 Nach Raiser bilden die primären subjektiven Rechte die Basis und Struktur der Rechtsordnung, wohingegen sekundäre subjektive Rechte als „prozessuale Rechtsbehelfe“ lediglich Hilfscharakter hätten. 600 Zwischen den primären und den sekundären subjektiven Rechten bestehen zwar auch für Raiser enge Verbindungen, da die Schutz- und Hilfsfunktion der sekundären subjektiven Rechte „in weitem Umfang“ der Verwirklichung primärer subjek-

elle Schadensersatzansprüche dienen konnten; sie kann deshalb nicht auf das neue UWG übertragen werden, das sich unionsrechtskonform durch präzise Tatbestände auszeichnet. Allerdings schreibt die sog. UGP-Richtlinie (RL 2005/29/EG v. 11.5.2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern und Verbraucher ABl.EU 2005 Nr. L 149/22) nicht zwingend einen individuellen Verbraucherschutz vor, steht einem solchen aber auch nicht entgegen (Augenhofer, WRP 2006, 169 ff.). Nicht überzeugend ist die Begründung des Entwurfs eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487 v. 22.8.2003, S.  22, wo die Versagung einer individuellen Klagebefugnis mit dem hohen Niveau des („objektiven“) Individualschutzes gerechtfertigt wird. Dies ist nicht nur faktisch zweifelhaft, sondern auch dogmatisch widersprüchlich (Keßler, WRP 2005, 264, 272). So lässt sich die subjektive Klagebefugnis nicht in dem Sinne einschränken, dass sie von einem objektiv begründeten Drittschutz abgekoppelt werden kann. Die Klagebefugnis ergibt sich vielmehr im Wege (teleologischer) Auslegung der Vorschriften des Lauterkeitsrechts; diese wollen aber gerade die Verbraucher schützen. Da die Gesetzesbegründung in sich widersprüchlich ist, steht sie dieser Interpretation nicht entgegen. Für einen Drittschutz de lege lata auch Augenhofer, WRP 2006, 169, 176; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, S.  212 Rn.  83; Keßler, WRP 2005, 264, 273; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  73 Fn.  293; Sack, GRUR 2004, 625, 629 f.; ders., WRP 2009, 1330, 1332; Säcker, WRP 2004, 1199, 1219 f.; a. A. Köhler, GRUR 2003, 265, 267; Köhler/Bornkamm/Köhler, Einl. Rn.  7.5.; Oppermann/Müller, GRUR 2005, 280 ff.: Bewahrung der Funktionsfähigkeit des deutschen Lauterkeitsrechts und des dazugehörigen Verfahrens; Engels/Salomon, WRP 2004, 32, 33, 41; unzutreffend auch Boesche, Wettbewerbsrecht, Rn.  116: hinnehmbare Adaption der Rechtswirklichkeit, da Verbraucher sowieso selten klagten. Alexander (Schadensersatz und Abschöpfung, S.  71 ff.) stellt darauf ab, ob der objektiv intendierte Drittschutz auf der Sanktionsebene ausreichend gewährleistet sei, indem er durch Personen oder Verbände geltend gemacht werde, die nicht durch andere Interessen voreingenommen seien. Vor diesem Hintergrund sei es nicht geboten, den objektiven Schutz „spiegelbildlich“ auch auf der Sanktionsebene vorzusehen. Auch eine solche Sichtweise ist dazu geeignet, den individuell von einer Wettbewerbsverletzung betroffenen Bürgern die Möglichkeit zur eigenen Geltendmachung von Schadensersatz zu Gunsten von Verbandsklagebefugnissen aus der Hand zu nehmen, obwohl sich Letzere in der Praxis als wenig effektiv erwiesen haben (Keßler, WRP 2005, 264, 273). Auch die weiteren Prämissen wie „unvoreingenommene Verbände“ sind weder dogmatisch greif- noch teleologisch begründbar. 599  Raiser, JZ 1961, 465, 466 ff.; siehe zur dogmatischen Herleitung Bucher, Das subjektive Recht, S.  31 Fn.  4 sowie insbesondere S.  51 ff., wonach die Unterscheidung zwischen primären und sekundären Rechten im Common Law weit verbreitet sei (S.  53). 600  Raiser, JZ 1961, 465, 466.

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tiver Rechte diene. 601 Demgemäß könne es primäre subjektive Rechte „ohne irgendeinen in die Hand des Berechtigten gegebenen Schutzanspruch“ nicht geben. 602 Allerdings lässt sich diese Aussage nach Raiser nicht umkehren; denn sekundäre subjektive Rechte dienten in weitem Umfange auch „dem Schutz von Positionen, die unzweideutig nicht zu primären subjektiven Rechten ausgestaltet sind“. 603 Die Position Raisers wird erst dann voll verständlich, wenn man sich seine privatautonomieskeptische Grundhaltung vor Augen führt. 604 Raisers Forschungsarbeiten wollten einen „Funktionswandel der Privatrechtsinstitutionen“605 erreichen, da der Staat die wirtschaftlich und sozial Schwächeren nicht nur durch das öffentliche Recht, sondern auch durch das Privatrecht schützen müsse. 606 Folglich betonte Raiser neben dem subjektiven Recht die grundlegende Bedeutung objektiver Institutionen, die als Einrichtungen des objektiven Rechts hinter den subjektiven Rechten stünden, und bei denen an Stelle der individuellen Berechtigungen die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gesamtwirkungen rechtlicher Einrichtungen und ihr Zusammenspiel mit anderen Rechtsfiguren zu betrachten seien. 607 Eine derartige Sichtweise lehnt sich letztlich an die öffentlich-rechtliche Dogmatik grundrechtlicher Freiheitsverbürgungen an, die nicht nur individuelle Rechte garantieren, sondern verstärkend auch objektive Rechtsinstitutionen mit einer entsprechenden Institutsgarantie beinhalten. 608 Sie findet auch eine gewisse Parallele in der wohlfahrtsöko­ nomisch begründeten Ausrichtung des Rechts am Maßstab der Gesamt- bzw. der (abstrakten) Verbraucherwohlfahrt durch die „ökonomische Analyse des Rechts“. Die privatautonomiekritische Sichtweise Raisers wurde weiterentwickelt von Wiethölter, der die Ansicht vertrat, dass das „Wirtschaftsrecht“ die künstliche Spaltung zwischen Staat und Gesellschaft im Sinne einer „politischen Inpflicht601  Raiser, JZ 1961, 465, 466 f.; Bucher, Das subjektive Recht, S.  52: „Teleologisch stehen immer die primären Normen im Vordergrund, d. h. diese sollen vor allem befolgt und die Rechtswirkungen der sekundären Normen wenn möglich nicht ausgelöst werden“ [im Orig. z. T. hervorgehoben]. 602  Raiser, JZ 1961, 465, 467. 603  Raiser, JZ 1961, 465, 467. 604  Raiser, JZ 1958, 1, 2; ders., in: FS Deutscher Juristentag, Bd. 1, 1960, S.  101 ff.; ders., Zukunft des Privatrechts; siehe dazu schon Teil 3 B. IV. und V. 605  So der Titel der Festschrift für Raiser aus dem Jahr 1974; siehe auch Wiethölter, in: FS Raiser, 1974, S.  6 45, der sich die Aufgabe stellte, den „Funktionswandel der Privatrechtsinstitutionen“ so zu skizzieren, „dass sich ein Anschluss an wissenschaftliche Anstrengungen gewinnen lässt, die sich mit Funktionen, mit Wandel, mit Institutionen nicht nur feiertäglich und nebenamtlich befassen“. 606  Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.  29 ff. 607  Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S.  145 ff.; Larenz/Wolf, BGB-AT, §  14 Rn.  3. 608  Siehe zu Art.  14 GG das BVerfGE v. 18.12.1968 – 1 BvR 638/64 u. a., NJW 1969, 309, LS c); Maunz/Dürig/Papier, Art.  14 Rn.  11 m. w. N. Zum Institutsbegriff siehe oben Teil 1 B. I.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

nahme der Gesamtwirtschaft im Gesamtinteresse“ aufheben müsse. 609 Für eine solche Denkrichtung ist eine an individuellen subjektiven (Handlungs-)Rechten ausgerichtete Privatrechtsordnung letztlich nur ein individualistischer Störfaktor, den es im Interesse der Herstellung einer (aus Sicht des Entscheiders!) objektiv gerechten Ordnung zu beheben gilt. 610

II. Das subjektive Recht als elementarer Bestandteil einer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung Das subjektive Recht adressiert die aus einem Rechtsverhältnis folgenden individuellen Berechtigungen. 611 Es bringt zum Ausdruck, dass privatrechtliche Normen nicht lediglich die Freiheit eines Normadressaten beschränken, dem Pflichten oder Lasten auferlegt werden, sondern umgekehrt ebenso die Freiheit eines anderen Subjekts erweitern, um dessentwillen die betreffenden Pflichten oder Lasten auferlegt sind. 612 Für die Zwecke unserer Untersuchung ist keine grundlegende Auseinandersetzung mit Begriff und Inhalt des subjektiven Rechts vonnöten. 613 Wir werden die entsprechenden Fragestellungen vielmehr nur insoweit beleuchten, als sie für die Bestimmung des von den Wettbewerbsregeln geschützten Personenkreises relevant sind. Die Figur des subjektiven Rechts wird in der Rechtsdogmatik sehr stark abstrahiert, weshalb unterschiedlichste, auch mit der jeweils privatrechtstheoretischen Grundhaltung zusammenhängende Ansichten über seinen Inhalt vertreten werden. 614 Während eine Ansicht das subjektive Recht als Willensmacht bzw. Willensherrschaft versteht, stellt eine andere Sichtweise auf ein vom Berechtigten selbst durchsetzbares, rechtlich geschütztes Interesse ab, wohingegen die mittlerweile herrschende Ansicht beide Komponenten kombiniert. 615 Demgegenüber negiert eine normlogisch argumentierende Ansicht das subjektive Recht insgesamt und versteht es als Reflex objektiver Normen.616 Der letztge609 

Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.  41, 50; ausführlich ders., in: FS Raiser, 1974, S.  6 45 ff. Die Werturteilsbasiertheit seiner Sichtweisen waren Wiethölter bewusst, vgl. Wiethölter, JbRSoz 8 (1982), 38 ff. 611  Medicus, BGB-AT, Rn.  81; Larenz/Wolf, BGB-AT, §  14 Rn.  10: nicht mehr weiter ableitbare Kategorie. 612  Bydlinski, System und Prinzipien des Privatrechts, S.  138. 613 Vgl. Fezer, Teilhabe und Verantwortung; Halfmeier, Popularklagen im Privatrecht, S.  231 ff.; Chelidonis, Jura 2010, 726 ff. 614  Habersack, Die Mitgliedschaft, S.  27: offener, an die Vorgaben der Verfassung und der Privatrechtsordnung gebundener Rahmenbegriff, der zwar keine konkreten Ableitungen erlaube, aber zum Ausdruck bringe, dass dem Berechtigten etwas „rechtens zukomme oder gebühre“, in Anlehnung an: Larenz, in: Festgabe Sontis, 1977, S.  129, 147 f.; siehe aus jüngerer Zeit auch Peukert, Güterzuordnung, S.  49. 615  Medicus, BGB-AT, Rn.  70: subjektive Rechte als dem Einzelnen von der Rechtsordnung in seinem Interesse verliehene Rechtsmacht; siehe zu den vertretenen Ansichten im Einzelnen Larenz/Wolf, BGB-AT, §  14 Rn.  10 ff. 616  Kelsen, Reine Rechtslehre, S.  132, wonach normlogisch die Anerkennung einer Rechts610 

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nannten Vorstellung von Recht liegt grundsätzlich eine öffentlich-rechtliche Verfasstheit der Rechtsgemeinschaft zugrunde. 617 Sie ist mit der geltenden, auf der Idee (wirtschaftlicher) Selbstbestimmung basierenden Rechts- und Wirtschaftsordnung jedoch nicht in Einklang zu bringen. In dieser ist das subjektive Recht ein notwendiges Element des intersubjektiv richtigen Interessenausgleichs, weshalb ihm keine bloße Hilfsfunktion, sondern die zentrale Rolle bei der Durchsetzung primärer subjektiver Rechte (also des objektiven Rechts) zukommt. 618 Es entspricht einer marktwirtschaftlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, dass die Bürger im Rahmen der Gesetze nach ihren Vorstellungen und Zwecken handeln können. 619 Hierzu werden ihnen mit den Gewährleistungen der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit umfangreiche Handlungsbefugnisse zuerkannt. Das Privatrecht ist somit nicht allein als die Summe dessen zu verstehen, was der Gesetzgeber gewollt hat, sondern vornehmlich als ein System von anerkannten (sekundären) subjektiven Rechten. 620 Durch die Anerkennung primärer und korrespondierender sekundärer subjektiver Rechte wird den Einzelnen ein staatsfreier Raum gewährleistet, in dem sie nicht majorisiert, also nicht verpflichtet werden können, nach denjenigen Zielen zu streben, die die Mehrheit ihrer Mitbürger verfolgen oder die einer bestimmten sozialwissenschaftlichen (Wohlfahrts-)Theorie entsprechen, 621 wie es sowohl die privatautonomiekritische Sichtweise der 1970er Jahre 622 als auch ein orthodox verstandener „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht zur Folge hätten. 623 Eine Rechtsordnung, die das subjektive Recht anerkennt, bekennt sich vielmehr zum Vorrang und zum sittlichen Wert der Einzelperson unabhängig von der gesellschaftlichen Hierarchie oder ökonomischen Zweckmäßigkeitserwägungen. 624 Dies entspricht im Ergebnis den oben aufgezeigten Wertungen der deutschen und europäischen (Wirtschafts-)Verfassung. Mit der Idee des subjektiven Rechts ist zugleich die Erkenntnis verbunden, dass die individuelle Freiheit des Einzelnen am besten der Förderung des Gemeinwohls pflicht ausreichend sei, weshalb man die Figur des subjektiven Rechts entbehren könne. Hieran ist zutreffend, dass Recht und Pflicht zwei Seiten einer Medaille sind, aus unterschiedlicher Perspektive betrachtet. Gleichwohl ist das subjektive Recht nicht auf die prozessuale Durchsetzbarkeit beschränkt, wie sich am Anspruch zeigt, der verschiedene Möglichkeiten eröffnet, in die Rechtsposition des Verpflichteten einzugreifen; vgl. Adomeit/Hähnchen, Rechtstheorie, Rn.  56. 617  Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB, Rn.  33 f. 618  Peukert, Güterzuordnung, S.  898. 619  Horn, Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie, Rn.  31; Peukert, Güterzuordnung, S.  898. 620  Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB, Rn.  33 f. 621  Pawlowski, Allgemeiner Teil des BGB, Rn.  35. 622 Paradigmatisch Wiethölter, in: FS Raiser, 1974, S.  4 45 ff. 623  Siehe oben Teil 5 B. 624  Rüthers, Rechtstheorie, Rn.  66.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

dient. 625 Historisch gesehen hat die über die Anerkennung subjektiver Rechte bewirkte Freisetzung des Eigeninteresses des Einzelnen aus traditionellen Bindungen die moderne Form der Marktwirtschaft und der „offenen Gesellschaft“ überhaupt erst ermöglicht. 626 Das subjektive Recht hat sich zugleich als das wirksamste Mittel herausgestellt, um Pflichten einer Person privatrechtlich durchsetzbar zu machen. 627 Subjektive Rechte sind ein unabdingbares Instrument zur Ermöglichung eines selbstbestimmten Lebens in Würde und Freiheit und damit ein unabdingbarer Baustein einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. 628 Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass – vergleichbar einem formalen Verständnis der Privatautonomie – einem absoluten, allein auf der individuellen Willensherrschaft basierenden Verständnis der subjektiven Rechte das Wort zu reden wäre. 629 Auch bei einer „liberalen Sichtweise“ ist eine differenzierte, auf dem Prinzip chancengleicher Freiheit basierende Betrachtung der verschiedenen Arten von Rechtspositionen und Exklusivitätsräumen geboten; 630 denn wie wir schon gesehen haben, schützt das Privatrecht keine formellen Freiheitspositionen, sondern materiale Freiheitsbereiche im Sinne einer chancengleichen Teilhabe am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben. Fehlt die materiale Vertragsfreiheit, weil der Vertragsschluss nicht freiwillig ist oder etwa ein erhebliches Informationsgefälle zwischen den Parteien besteht, ist auch die prozedurale Richtigkeit des Vertrages nicht mehr automatisch gewährleistet. Die Rechtsordnung muss in diesen Fällen entscheiden, ob das Vertragsungleichgewicht so schwer wiegt, dass es zu kompensieren ist, und welche Mittel sie hierfür einsetzt.631 Bei Verträgen über Massengüter ist konstitutive Voraussetzung der Vertragsfreiheit die Sicherung des Wettbewerbs auf der Marktgegenseite durch das Wettbewerbsrecht; denn die durch den Wettbewerb bewirkte Rivalität auf der 625  Smith, Der Wohlstand der Nationen, 4.  Buch, Kap.  2 , S.  371; zur Wettbewerbstheorie Smiths siehe Teil 4 C. II. 626  Rüthers, Rechtstheorie, Rn.  67. 627  Medicus, BGB-AT, Rn.  72. 628  Peukert, Güterzuordnung, S.  898. 629 Ebenso Fikentscher, in: FS Hefermehl, 1971, S.  41, 45 f. 630  So mit Blick auf Ausschließlichkeitsrechte Peukert, Güterzuordnung, S.  898: „liberale Kritik subjektiver Rechte“. Siehe auch Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  270: „Das umfassendere Recht [zur Selbstbestimmung des Verbrauchers] ist nicht nur durch eine materielle Sicht der Privatautonomie und damit durch eine Ermächtigung zur Inhaltskontrolle von privatrechtlichen Verträgen zu gewährleisten, sondern auch durch ordnungspolitische Maßnahmen, wie den Schutz gegen Wettbewerbsbeschränkungen.“ Diese Sichtweise ist überzeugend, soweit sie die verbraucherschützende Funktion des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen betont, in der Diktion Drexls als „konstitutives Verbraucherschutzrecht“. Nicht gefolgt werden könnte ihr demgegenüber, sofern durch den Hinweis auf die Ordnungspolitik zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass die Verbraucher nicht selbst über das Ob und das Wie der Geltendmachung ihrer „objektiven Schutzrechte“ entscheiden könnten. 631  Schön, in: FS Canaris I, 2007, S.  1191, 1204 ff.

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Marktgegenseite hat zur Folge, dass sich die Chancen der Vertragspartner auf für sie günstige Vertragsalternativen erhöhen. 632 So können die Verbraucher bei funktionierendem Wettbewerb nicht nur in negativer Hinsicht auf den Vertragsschluss verzichten, sondern es steigt auch die Möglichkeit, in positiver Hinsicht auf dessen Inhalt Einfluss zu nehmen. 633 In diesem Sinne ist es zutreffend, wenn Kurt Biedenkopf darauf hingewiesen hat, die „Aufgabe des subjektiven Rechts“ liege in der „Zuordnung von Rechtsmacht in einer wertgebundenen Ordnung“.634 Zumindest missverständlich sind demgegenüber Formu­ lierungen im Schrifttum, wonach subjektive Rechte durch die „allgemeine Wirtschaftsstruktur“ oder das Ziel der Herstellung eines europäischen Binnenmarktes635 bedingt seien,636 soweit hiermit über die Materialisierung der Freiheitspositionen im beschriebenen Sinne hinausgehende „objektive“ Regelungszwecke wie die optimale Allokation der Güter unter Einschränkung individueller Freiheitsrechte erreicht werden sollen. Denn diese Ziele entsprechen nicht dem Freiheitsbegriff des Privatrechts, sondern stellen sich als von außen kommende Beschränkungen dar, die es zu rechtfertigen gilt.

III. Zusammenhang zwischen objektiver Schutzebene und subjektiver Sanktionsebene Zwischen materiell-rechtlichen Schutznormen und Sanktionsnormen besteht nach dem vorstehend Geschilderten eine enge Verknüpfung; denn erst in Abhängigkeit vom materiellen Regelungszweck einer Norm kann die Frage beantwortet werden, mit welchen Sanktionen dieser Zweck am besten erreicht werden kann. 637 Die Tragweite der Anspruchsberechtigung bestimmt sich somit grundsätzlich nach dem Schutzzweck der materiellen Verbotsnorm, nicht nach demjenigen der an die Verbotsnorm anknüpfenden Anspruchsgrundlagen. 638 Hierbei kommt dem Gesetzgeber ein weiter Regelungsspielraum zu. So liegt es in seinem Entscheidungsspielraum, bei Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht in Abhängigkeit von den materiellen Schutzzwecken nicht allein privatrechtliche Ersatzansprüche vorzusehen, 639 sondern auch eine behördliche Durchsetzung durch Verfügungen und Bußgelder vorzusehen. Auch kann der Gesetzgeber ein von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffenes Individuum als sog. 632 

Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 302. Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  115. 634  Biedenkopf, in: FS Böhm, 1965, S.  113, 115. 635  Leistner, Richtiger Vertrag, S.  344 f. 636  Kritisch auch Fikentscher, in: FS Hefermehl, 1971, S.  41, 45. 637  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  71. 638  Bulst, NJW 2004, 2201, 2202. Die Anspruchsgrundlagen können jedoch den materiellen Schutzzweck verdeutlichen, wie dies mit §  33 GWB im Hinblick auf die drittschützende Intention des Kartellverbots geschehen ist; siehe Teil 9 C. II. 2. b) dd). 639  Siehe die §§  33 Abs.  3 GWB, 823 Abs.  2 BGB, 32 EnWG, 44 Abs.  1 TKG. 633 

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

„private attorney general“ ermächtigen, mittels eines mehrfachen Schadensersatzes nicht nur den eigenen Schaden zu liquidieren, sondern auch (potenzielle) Kartelltäter wirksam zu einem rechtstreuen Verhalten anzuhalten, da diese aufgrund der Höhe der zu leistenden Ersatzzahlungen damit rechnen müssen, aus einer Wettbewerbsverletzung keine materiellen Vorteile ziehen zu können. 640 Der mehrfache Schadensersatz dient hiernach, soweit er über den Ausgleich der dem Verletzten tatsächlich entstandenen Schäden hinausgeht, der Prävention als zulässigem Regelungsziel privatrechtlicher Normen im Allgemeinen641 und der Schadensersatzvorschriften im Besonderen. 642 Mit dieser Zwecksetzung verstößt ein Mehrfachschadensersatz auch nicht gegen den deutschen oder europäischen ordre public, da er funktional mit dem derzeitigen Rechtszustand vergleichbar ist; denn Wettbewerbsverletzer müssen den Geschädigten nicht nur Schadensersatz gem. den §§  249 ff. BGB zahlen, sondern die Kartellbehörden können zusätzlich auch ein summenmäßig erhebliches Bußgeld verhängen. 643 Da Private hiernach für öffentliche Zwecke „instrumentalisiert“ werden kön-

640  Insoweit ist es zutreffend, wenn Alexander (Schadensersatz und Abschöpfung, S.  72) darauf hinweist, es existiere kein „Spiegelbildprinzip“ zwischen Schutz- und Sanktionsebene. 641  Fornasier, Freier Markt, S.  115. 642  Larenz, Schuldrecht-AT, §  27 I.; siehe auch Mohr, Jura 2010, 168, 171: Eine Verhaltenssteuerung wird zwar primär durch die Haftungsnormen selbst und nicht erst durch die §§  249 ff. BGB als „Hilfsnormen für den Schadensausgleich“ bewirkt. Die Pflicht zum Schadensersatz nimmt deshalb – sofern der Tatbestand der haftungsbegründenden Norm verwirklicht ist – grundsätzlich keine Rücksicht darauf, ob der Schädiger wirksame Sicherungsvorkehrungen treffen konnte oder nicht (Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einl. III. 2. lit b). Die §§  249 ff. BGB steuern das Verhalten der Rechtsunterworfenen jedoch ergänzend dadurch, dass dem Schadensersatz nach Inhalt und Höhe keine nur symbolische Funktion zukommt, sondern der Schadensausgleich „ernst gemeint“ ist (MünchKommBGB/Oetker, §  249 BGB Rn.  9). 643 Vgl. Weller, ZWeR 2008, 170 ff., wonach eine Pflicht zur Anrechnung „pönaler“, da über den Ausgleich der individuell entstandenen Schäden hinausgehender und zugleich präventiver Schadensersatzleistungen auf Bußgelder bestehe. Nach Weller geht der Schadensersatz gem. §  33 Abs.  3 GWB de lege lata mehrfach über eine Kompensation hinaus: „Pönal“ seien u. U. „der Ausschluss der passing-on-defense (§  33 Abs.  3 Satz 2 GWB), die Schadensschätzung anhand des gesamten – kartellverstoßunabhängigen – Verletzergewinns (§  33 Abs.  3 Satz 3 GWB), die durch die weite Aktivlegitimation bedingte Vervielfachung des Schadensersatzes, die dann eintritt, wenn sowohl die unmittelbare Marktgegenseite als auch nachgelagerte Marktstufen Schadensersatz verlangen, die Verzinsung des Kartellschadensersatzes insoweit, als diese über den marktüblichen Zinssatz hinausgeht (§  33 Abs.  3 Satz 5 GWB i. V. m. §  288 BGB), der Ausschluss des Innenregresses zwischen den Kartellmitgliedern (zufolge einer Mindermeinung).“ Zusätzlich verstärkten prozessuale Besonderheiten im Interesse von Kartellgeschädigten (§   33 Abs.   4 GWB, Akteneinsichtsrechte, Kronzeugen) den pönalen Charakter des Kartellschadensersatzes. Diese Sichtweise macht – unabhängig von der Begründetheit der einzelnen Aspekte, die eine abschreckende Wirkung des Kartellschadensersatzes belegen sollen – nicht ausreichend deutlich, ob und inwieweit Sanktionsanordnungen generell der Prävention im Vorfeld eines (vertraglichen oder deliktischen) Rechtsverstoßes dienen; vgl. dazu Wagner, AcP 206 (2006), 352, 426.

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nen, stimmen materieller Schutz und Sanktionsebene nicht notwendig spiegelbildlich überein. 644 Das gilt nicht für den umgekehrten Fall, in dem „objektiv“ drittschützende Normen aus vermeintlich übergeordneten (primär rechtspolitischen645) Gesichtspunkten wie der „Rechtsicherheit“ oder der „Praktikabilität“ im dem Sinne interpretiert werden, dass sie keine subjektiven Rechte enthielten. Denn mit einem objektiv intendierten Drittschutz geht regelmäßig auch eine subjektive Anspruchsberechtigung einher. Zwar ist es dem Gesetzgeber unbenommen, Rechtsnormen zu schaffen, die nicht individualschützend sind, sondern allein den Interessen der Allgemeinheit dienen. Statuiert er jedoch objektiv drittschützende Vorschriften, wie dies etwa mit den §§  3 bis 7 UWG der Fall ist, so ist es ihm nach dem Telos der materiellen Norm,646 dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Widerspruchsfreiheit von Rechtsnormen647 sowie bei unionsrechtlich überformten Normen auch nach dem Effektivitätsgrundsatz648 verwehrt, den geschützten Personen eine individuelle Klagebefugnis unter Verweis auf rechtspolitische und rechtspraktische Gesichtspunkte zu versagen. 649 Dem Gesetzgeber ist es also unbenommen, bestimmte Personengruppen aus dem Schutzbereich von rechtlichen Regelungen auszunehmen. Bezieht er Personen jedoch in den Schutzbereich mit ein, kann er ihre Anspruchsberechtigung nicht durch die lapidare Feststellung in der Gesetzesbegründung umgehen, diese hätten keine eigenen Ansprüche. 650 Noch weniger überzeugend ist es, wenn im Schrifttum die Ansicht vertreten wird, der Gesetzgeber könne den Verbraucherschutz insgesamt durch eine Behörde organisieren, unter Ausschluss jeglicher privater Ersatzansprüche. 651 Eine solche Ansicht übergeht nicht nur das bestehende Zivilrechtssystem, beginnend mit den §§  134 ff. BGB über die §§  305 ff. BGB bis hin zu den §§  823 ff. BGB, sondern auch die verfassungsrechtliche Schutzpflicht des Gesetzgebers für die individuellen Rechtsgüter und Rechte durch materielle Schutznormen und effektive subjektive Abwehrbefugnisse. 652 Denn ein objektiver Drittschutz ohne korrespondierende subjektive Rechte ist bei Lichte besehen „nichts wert“. Das gilt auch mit Blick auf die Rechtsdurchsetzung durch 644 

Insoweit zutreffend Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  72 f. gesteht indirekt auch K. Schmidt zu (in: FS Möschel, 2011, S.  595, 574), wenn er diese Argumente unter der Überschrift „Rechtspolitisches und Rechtspraktisches“ behandelt. 646  Siehe auch Glöckner, WRP 2007, 490, 498 und 499: „Die Indienstnahme Privater für öffentliche Zwecke ist als unentgeltliche Inanspruchnahme eine unzulässige Sozialbindung des Eigentums.“ 647  BVerfG v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95 u. a., NJW 1998, 2341, 2342; dazu krit. Sendler, NJW 1998, 2875 ff. 648  EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-261/95, NZA 1997, 1041 Rn.  27 – Palmisani. 649  Wir haben dies bereits oben gesehen, vgl. Teil. 5. D. I. 650  So etwa BT-Drucks. 15/1487 v. 22.8.2003, S.  2 2. 651  So aber Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  71. 652  Siehe oben Teil 2 E. 645  Dies

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

Behörden oder durch (Verbraucherschutz-)Verbände, die nicht nur in ihren Ressourcen begrenzt sind, sondern – wie die Neue Institutionenökonomik653 gezeigt hat – zuweilen auch von eigenen, nicht dem objektiven Schutzzweck entsprechenden Interessen geleitet werden.

IV. Rückschluss von der Sanktionsebene auf den objektiven Schutzbereich – §  33 GWB als Beispiel In Übernahme der geschilderten Unterscheidung zwischen primären und sekundären subjektiven Rechten vertritt Christian Alexander neuerdings die Ansicht, dass auch die Neuausrichtung der privaten Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch den im Jahr 2005 modifizierten §  33 GWB, wonach alle von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen gegen den Wettbewerbsverletzer eigene Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz haben, 654 keine Auswirkungen auf die Interpretation der materiellen Verbotstatbestände haben könne. 655 Etwas anderes gelte allenfalls dann, „wenn ein grundlegender Kurswechsel auf Sanktionsebene vorgenommen würde“. Solche grundlegenden Änderungen kämen jedoch selten vor und seien jedenfalls bislang ausgeblieben. 656 Zwar habe es sowohl im Wettbewerbsrecht als auch im Lauterkeitsrecht immer wieder Änderungen im Sanktionssystem gegeben, jedoch hätten diese nie eine grundlegende Veränderung mit sich gebracht, etwa im Sinne einer Änderung des Primats des „public enforcement“ hin zum „private enforcement“, wie dies in unserer Untersuchung nachgewiesen werden soll. Immerhin lässt sich nach Christian Alexander sagen, dass „die jeweiligen Sanktionssysteme gewisse Eigenheiten aufweisen, die eine Rückwirkung auf die materiellrechtliche Ebene nahe“ legten. 657 Diese eher „weichen“ Ausführungen bedürfen der Präzisierung, in gewissem Vorgriff auf die noch folgenden Ausführungen. Wie wir oben herausgearbeitet haben, bezwecken die Vorschriften des Wettbewerbsrechts den Schutz der von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen. Dieser Schutz geht nach dem Normzweck regelmäßig mit einer subjektiven Anspruchsberechtigung einher. Allerdings wurde diese Berechtigung in Rechtsprechung und Literatur über Jahrzehnte hinweg unter Berufung auf „überindividuell-objektive“ Zwecke geleugnet. 658 Aus diesem Grund sah sich der Gesetzgeber veranlasst, mit §  33 GWB eine klarstellende Regelung zu schaffen, wonach jeder von einer 653 

Siehe Teil 4 D. II. Siehe dazu noch Teil 9 C. II. 2. 655  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  71 f.: „Rückwirkungen von der Sanktionsebene auf die materiellrechtliche Ebene sind prinzipiell möglich, doch sind solche Zusammenhänge schwer zu beobachten und wissenschaftlich kaum erforscht.“ 656  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  72. 657  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  72. 658  Siehe Teil 9 C. II. 1. 654 

D. Der von den Wettbewerbsregeln geschützte Personenkreis

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Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffene unter den dort normierten Voraussetzungen einen Anspruch auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz geltend machen kann. Diese Regelung verdeutlicht zugleich, dass die wettbewerbsschützenden Vorschriften objektiv drittschützend sind; 659 denn die subjektive Anspruchsberechtigung wird vornehmlich im individuellen Interesse der Betroffenen und nur ergänzend im öffentlichen Interesse gewährt, da eine effektive private Rechtsverfolgung auch den Interessen der Allgemeinheit an einem funktionsfähigen Wettbewerbsprozess dient.

V. Folgerungen Im Ergebnis ist es dem Gesetzgeber unbenommen, in Ausübung seines weiten Gestaltungsspielraums und unter Beachtung der verfassungsmäßigen Schranken objektiv drittschützende Normen zu statuieren oder dies zu unterlassen. Sofern er jedoch Vorschriften zum Schutz bestimmter Personengruppen wie etwa der von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Verbraucher schafft, 660 geht der objektiv intendierte Schutz regelmäßig mit der Zuerkennung subjektiver Rechte einher. Welches die einschlägigen subjektiven Rechte sind, ist durch Interpretation zu ermitteln. Folgerichtig haben auch Verbraucher, die von einem Verstoß gegen die §§  3 bis 7 UWG betroffen sind, zwar keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. §  9 UWG, jedoch einen solchen nach §  823 Abs.  2 BGB, der daneben in Idealkonkurrenz anzuwenden ist.

E. Zwischenergebnis – „Personalistischer Schutzzweck“ des Wettbewerbsrechts Eine freiheitliche Privatrechtsordnung setzt voraus, dass alle Privatrechtssubjekte die Möglichkeit zur freien und gleichen Teilnahme am Privatrechtsverkehr haben. Wenn ein Vertragsteil deshalb ein so starkes wirtschaftliches Übergewicht hat, dass er eine vertragliche Regelung einseitig setzen kann und dies für den anderen Vertragspartner eine unangemessene („unbillige“, „wettbewerbsbeschränkende“) Fremdbestimmung bewirkt, muss das Privatrecht auf die Wahrung der Grundrechtspositionen der Beteiligten hinwirken (Säcker). Der deutsche und der europäische Gesetzgeber sind dieser Schutzpflicht im wirtschaftlichen Bereich durch die Vorschriften des Wettbewerbsrechts nachgekommen. Diese Regelungen haben aus zivilistischem Blickwinkel die Aufgabe, eine Ausnutzung vom Wettbewerb nicht kontrollierter privatautonomer Handlungsspielräume – also von „privater wirtschaftlicher Macht“ – zu Lasten Drit659 

660 

BT-Drucks. 15/3640 v. 12.8.2004, S.  53; BT-Drucks. 15/5049 v. 9.3.2005, S.  49. Klarstellend: §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB.

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Teil 5:  Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts und ihre Operationalisierung

ter zu unterbinden. Nur wenn und soweit dieser Wettbewerb keine effizienzfördernde Wirkung hat, sondern eine dauerhafte und nachweisbare Einbuße an Wohlfahrt für alle Verbraucher mit sich bringt, ist ausnahmsweise eine Beschränkung der individuellen Handlungsfreiheiten zulässig. Eine solche Einschränkung – in jüngerer Zeit auch als Effizienzverteidigung bezeichnet – kommt auf der Grundlage des „more economic approach“ nicht nur beim Kartellverbot (hier ist sie ausdrücklich in Art.  101 Abs.  3 AEUV normiert), sondern auch beim Missbrauchsverbot zum Tragen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Wettbewerbsrecht die material-chancengleiche Selbstbestimmung aller Marktbeteiligten schützt und diesen entsprechende subjektive Abwehrrechte gewährt. Mit Roland M. Beckmann kann insoweit von einem personalistischen Schutzzweck gesprochen werden. 661

661 

Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.  378, zum Kartellverbot.

Teil 6

Technische, ökonomische und rechtliche Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren Im Folgenden befassen wir uns mit den technischen, ökonomischen und rechtlichen Grundlagen der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzsektoren, um im Anschluss deren Gemeinsamkeiten mit dem Wettbewerbsrecht und dem Privatrecht herausarbeiten zu können. Das Regulierungsrecht versteht sich im Ausgangspunkt als juristische Entsprechung der Netzökonomie; denn die Prinzipien der Regulierung werden grundsätzlich durch die Logik der Netze bestimmt.1 Hinzu treten freilich mit steigendem Gewicht gemeinwohlinduzierte Regulierungsgründe. Zum besseren Verständnis wollen wir uns zunächst einen Überblick über wesentliche technische Grundlagen der regulierten Sektoren verschaffen.2

A. Technische Grundlagen der Netzindustrien I. Energie Das EnWG 2011 definiert den Begriff „Energie“ in §  3 Nr.  14 als „Elektrizität und Gas, soweit sie zur leitungsgebundenen Versorgung verwendet werden“. Elektrizität (elektrische Energie) 3 ist ein homogenes Gut. Es wird den End­ abnehmern ohne Qualitätsvariationen zur Verfügung gestellt und kann so unabhängig von seiner Produktionsmethode (Verstromung von Kohle, Windenergie, Sonnenenergie, Wasserkraft etc.) für den Betrieb elektrischer Anlagen und Geräte verwendet werden.4 Die Homogenität des Produkts bewirkt, dass sich die Nachfrageentscheidung rationaler Marktteilnehmer außerhalb der Grund1 

Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 167; ders., RdE 2003, 300. Hermes (Infrastrukturverantwortung, S.   309  f.) zählt zu wesentlichen technischen Merk­malen von Infrastrukturen: die technologische Unteilbarkeit wesentlicher Systemelemente mit einer daraus folgenden hohen Befähigung zur Erstellung von Verbundleistungen, die Standortgebundenheit von Leistungen verbunden mit einer nicht oder nur schwer möglichen Ein- und Ausführbarkeit, lange Planungs- und Ausreifungszeiten für Investitionen sowie eine lange Lebensdauer der Systeme. 3  Elektrizität wird – physikalisch ungenau – im Regulierungsrecht auch als Strom bezeichnet, siehe etwa die StromNZV und die StromNEV. 4  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  66. 2 

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

versorgung (§  36 EnWG), bei der die Nachfrage weitgehend unelastisch ist, primär nach dem Strompreis richtet. Ist dieser bei einem Anbieter höher als bei anderen, wechseln rationale Nachfrager zu diesem.5 Elektrizität wird als sog. Sekundärenergie aus Primärenergieträgern wie Kohle gewonnen. 6 Sofern Gas als Energieträger eingesetzt wird, handelt es sich regelmäßig um konventionelles Erdgas, also um ein brennbares Naturgas, das aus unterirdischen Lagerstätten entnommen wird.7 Gas ist anders als elektrischer Strom kein homogenes Gut, sondern ein Gemisch, dessen Zusammensetzung nach den geographischen Lagerstätten divergiert. Abhängig vom Methangehalt wird Erdgas in die Qualitätskategorien L (low: Brennwert bzw. Energiegehalt zwischen 80 und 87 %) und H (high: Brennwert bzw. Energiegehalt zwischen 88 und 89 %) unterschieden. 8 Konventionelles Erdgas tritt häufig in den gleichen Lagerstätten wie Erdöl auf. Hinzu treten zunehmend unkonventionelle Erdgase, die in der Regel nicht mit klassischen Fördertechniken gewonnen werden können, jedoch durch neue Bohrtechniken zu erschließen sind.9 Die unterschiedliche Qualität des Gases führt dazu, dass es beim Kunden nicht beliebig ausgetauscht werden kann.10 Es muss deshalb sichergestellt werden, dass die in das Netz eingespeisten Gasmengen miteinander kompatibel sind.11 Neben Erdgasen werden in Deutschland auch Biogase benutzt; eine Einspeisung in das Erdgasnetz ist jedoch erst nach einer komplexen Aufbereitung möglich, die den Energiegehalt angleicht.12 Elektrischem Strom und Gas gemeinsam ist ihre Leitungsgebundenheit, wie sie in §  3 Nr.  14 EnWG zum Ausdruck kommt; denn in der Regel wird Energie nicht in ausreichendem Maße an dem Ort produziert, wo die Verbraucher sie benötigen, sondern muss zu ihnen transportiert werden.13 Für den Transport bedarf es deshalb eines durchgehenden spezifischen Übertragungs- bzw. Verteilsystems in Form der Energienetze.14 Elektrizität wird in Abhängigkeit von der Übertragungsdistanz und der Größe der zu übertragenden Leistung über Höchstspannungs-, Hochspan5  Die Verbraucher differenzieren auch nach der Herkunft der Elektrizität, wobei aufgrund der physikalischen Gegebenheiten nicht gewährleistet ist, dass sie auch den umweltgerechten Strom bekommen, den sie bezahlt haben. Der Kaufpreis bezieht sich vielmehr auf die Erzeugungskapazität; vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  66. 6  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  67. 7  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  113. 8  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  114. 9  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  115 ff. 10  Knieps, N&R 2009, 138, 139. 11  Berndt, Anreizregulierung, S.  46. 12 Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.   119 f.; Danner/Theobald/Duper, §  20 Abs.  1b EnWG Rn.  245. 13  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  68 und 122; anders kann dies für de­ zentral erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien sein. 14  Berndt, Anreizregulierung, S.  45.

A. Technische Grundlagen der Netzindustrien

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nungs-, Mittelspannungs- und Niederspannungsnetze zum Verbraucher geleitet. Die vier Spannungsebenen sind durch Umspannwerke miteinander verbunden.15 Die Übertragungsnetze werden in Höchst- und Hochspannung betrieben, die Verteilnetze in Hoch-, Mittel- und Niederspannung.16 Gas wird im kontinentalen Fern- und Nahbereich in Rohrleitungen bzw. Pipelines transportiert. Über große Distanzen wird Erdgas mittels Gasfernleitungsnetzen befördert, die einen hohen Gasdruck erfordern. Die Verteilung des Gases an die Endkunden erfolgt durch regionale Gasverteilnetze, die dazu in der Regel Mitteldruck- oder Niederdruckleitungen verwenden.17 Neben dem Transport über Leitungen kann Erdgas in verflüssigter Form in Tankern transportiert werden (LNG-Gas). Verflüssigung und Regasifizierung sind kostenintensiv, weshalb der Transport von LNG-Gas derzeit nur über größere Entfernungen rentabel ist. Erdgas besitzt wie erläutert – anders als elektrischer Strom – die physische Eigenschaft der Speicherbarkeit; als Speicher dient insoweit auch das Rohrleitungsnetz selbst.18 Das europäische Stromversorgungsnetz wird mit einer konstanten Frequenz von 50 Hertz betrieben. Somit muss die Menge des ausgespeisten elektrischen Stroms exakt der Menge des eingespeisten Stroms entsprechen.19 Anders als Gas, wo Nachfrageschwankungen entlang der Transportkette durch Speicheranlagen aufgefangen werden können, ist elektrischer Strom nicht direkt speicherbar, mit Ausnahme von Batterien, die aber nach derzeitigem Stand der Technik bereits für die Versorgung eines Haushalts ungeeignet sind. 20 Elektrischer Strom muss mit anderen Worten genau zu dem Zeitpunkt erzeugt werden, indem er auch benötigt wird.21

II. Telekommunikation Unter Telekommunikation versteht man allgemein die raumüberwindende Informationsübermittlung mittels nachrichtentechnischer Übertragungsverfahren.22 Dabei kann idealtypisch zwischen mehreren Ebenen unterteilt werden: 23 Die Infrastrukturebene umfasst das Bereitstellen von Netzen. Aufbauend auf 15 

Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S.  38. Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  840. Die Unterscheidung ist etwa für die Unbundlingvorschriften relevant; vgl. die §§  6 ff. EnWG und 8 ff. EnWG. 17  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  122 ff. 18  Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  127. 19  Zur Gefahr des Zusammenbruchs der Versorgung durch eine Störung der Taktzahl siehe Monopolkommission, 49. Sondergutachten, Rn.  102 ff. 20  Die elektrische Energie kann in andere Energieformen überführt werden; vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 59, Rn.  69. 21  Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S.  39. 22  Van der Velden, Wettbewerb und Kooperation, S.  53. 23  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  2 29. 16 

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

der Infrastrukturebene beinhaltet die Übertragungs- bzw. Vermittlungsebene die Kombination von Netzinfrastruktur und Endgeräten zum Angebot von Telekommunikationsdiensten, also der Übermittlung von Informationen in Form elektronischer Signale zwischen den an das Netz angeschlossenen Geräten bzw. Teilnehmern in einer vorher festgelegten technischen Art und Weise. Die vorliegend nicht näher betrachteten Leistungen der dritten Ebene umfassen Mehrwertdienste, also Leistungen, die über das reine Übertragen und Vermitteln hinausgehen, insbesondere Dienstleistungen, die über das Telefon erbracht und nach Gesprächsdauer abgerechnet werden können. Die vierte Ebene betrifft schließlich die eigentlichen Inhalte der übertragenen Leistungen wie Datenbanken oder Filme; auch diese wird vorliegend nicht behandelt.24 Ein Telekommunikationsnetz besteht vereinfacht gesprochen aus einer Einrichtung wie einem Computer, einem Festnetz- oder Mobiltelefon oder einem IP-basierten Endgerät, die eine elektronische Nachricht erzeugt, einem Medium, das die Nachricht überträgt (eine Leitung, ein Kabel oder Richtfunk) sowie den Vermittlungsstellen, die die Nachricht an ihr Ziel dirigieren.25 Der wesentliche Unterschied zwischen einem Festnetz und einem Mobilfunknetz liegt in der Form der Übertragung der Nachricht vom Absender zur nächsten Vermittlungsstelle (sog. Zuführung) und der Übertragung der Nachricht von der letzten Vermittlungsstelle zum Adressaten (sog. Terminierung): Während diese bei Festnetzen über erdverlegte Kabel erfolgt, wird sie bei Mobilfunknetzen über Funk bewirkt. Hinter den lokalen Vermittlungsstellen sind die Grenzen zwischen Festnetz und mobiler Übertragung fließend, da in den Hauptsträngen der Netzwerke als Übertragungsmedien entweder Glasfaserkabel oder Richtfunksysteme eingesetzt werden. Aufgrund ihrer Vorteile (große Übertragungskapazität, große überbrückbare Entfernungen, geringe Anfälligkeit für Störungen durch äußere Einflüsse) werden Glasfaserkabel zunehmend auch in lokalen Teilnetzen eingesetzt. Teilweise werden auch die Netzabschnitte zwischen dem Festnetzteilnehmer und der zu ihm nächstgelegenen Ortsvermittlungsstelle mit Glasfaser ausgestattet. Hintergrund ist die zunehmende Einführung von VDSL-Diensten in Großstädten. In jüngerer Zeit spielt das Vectoring „als Brückentechnologie“ für einen Ausbau hochleistungsfähiger Netze eine entscheidende Rolle.26 Auf die technischen Einzelheiten ist vorliegend nicht einzugehen. DSL ist der Oberbegriff für Technologien, welche die herkömmlichen Kupfer-Teilnehmeranschlussleitungen (Kupfer-TAL) breitbandfähig machen, wodurch sie in der Lage sind, Signale mit hoher Frequenz für einen schnellen In24 Dazu

Paschke, Medienrecht. auch zum Folgenden, Höppner, Netzstruktur, S.  340 ff.; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1. 26  Siehe dazu Monopolkommission, Sondergutachten 66, Rn.  8 0 ff. 25  Siehe,

A. Technische Grundlagen der Netzindustrien

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ternetzugang zu übertragen.27 Unter einer TAL versteht man klassischerweise eine aus einer Kupferdoppelader bestehende Leitung, die die Distanz zwischen dem Netzanschlusspunkt des Teilnehmers und dem nächstgelegenen Abschlusspunkt der Linientechnik überbrückt. Sie verlief bislang üblicherweise vom Endverzweiger über den Kabelverzweiger bis hin zum Hauptverteiler, der durch Glasfaser mit dem örtlichen Ortsverteilernetz verbunden ist.28 Neben der Festnetz-TAL und dem Mobilfunk kann die Distanz zum Kunden durch andere Technologien überbrückt werden, die historisch nicht für die bidirektionale Kommunikation geschaffen wurden, insbesondere durch Fernsehkabel und durch Stromleitungen. Daneben ist theoretisch auch eine drahtlose Überbrückung der letzten Meile durch Richtfunktechnik denkbar.29 Die TAL kann als sog. Vorleistungsprodukt entbündelt oder gebündelt zur Verfügung gestellt werden: 30 Beim entbündelten Zugang mieten Wettbewerber den „blanken Draht“ an, weshalb sie die von ihnen angebotenen Dienste durch das Hinzufügen eigener Übertragungstechnik etwa im Hinblick auf die Bandbreite und die Übertragungsgeschwindigkeit selbst bestimmen können. Den Wettbewerbern bietet ein solches Vorgehen den Vorteil, dass sie mit dem etablierten Unternehmen nicht nur im Hinblick auf den Preis, sondern auch im Hinblick auf die Qualität ihres Produktes konkurrieren können. Möglich ist auch ein gebündelter Zugang, bei dem der Netzbetreiber den Wettbewerbern übertragungstechnische Leistungen erbringt. Die TAL kann auch von mehreren Unternehmen gemeinsam genutzt werden, wobei nach der Lage der technischen Schnittstellen zu unterscheiden ist.31 Beim sog. Line-Sharing (§  3 Nr.  9b TKG) erhalten Wettbewerber nur Zugang zu einem höheren Frequenzbereich der TAL, wohingegen der Netzbetreiber den niedrigeren Frequenzbereich für einen Teilnehmeranschluss benutzt.32 Als gemeinsame Nutzung wird zuweilen auch der an den Zugangspunkten des Breitbandnetzes des Incumbent gewährte sog. Bitstrom-Zugang eingestuft.33 In jüngerer Zeit spielt das Vectoring als Brückentechnologie für einen Ausbau hochleistungsfähiger Netze eine entscheidende Rolle.34 Auf die technischen Einzelheiten ist vorliegend nicht einzugehen.

27 

Technisch werden hierfür sog. Splitter installiert. Siehe schon Teil 1 B. III. 2. 29  Höppner, Netzstruktur, S.  342. 30  Vgl., auch zum Folgenden, Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101, 105 ff. 31  Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Rn.  200. 32  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  2 25. 33 Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.   101, 105 f. Ausführlich zum Bitstrom-Zugang Geppert/Schütz/Korehnke/Ufer, §  11 TKG Rn.  58 ff.; Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Rn.  204 ff. 34  Siehe dazu Monopolkommission, Sondergutachten 66, Rn.  8 0 ff. 28 

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

III. Eisenbahnen Im Eisenbahnsektor differenziert man zwischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen.35 Eisenbahninfrastrukturunternehmen untergliedern sich in Betreiber von Schienenwegen (die Netze) und Betreibern von Serviceeinrichtungen (Einrichtungen für eine Brennstoffaufnahme, Personenbahnhöfe, Güterbahnhöfe und Güterterminals, Rangierbahnhöfe, Zugbildungseinrichtungen, Abstellgleise, Wartungs- und andere technische Einrichtungen).36 Eisenbahnverkehrsleistungen umfassen die Beförderung von Personen oder Gütern auf einer Eisenbahninfrastruktur.37 Der Begriff der Eisenbahnen ist somit enger als derjenige der Schienenbahnen, der auch Magnetbahnen, Straßenbahnen und Bergbahnen umfasst (§  1 Abs.  2 Satz 2 AEG).38 Endkunden sind beim Personenverkehr die transportierten Kunden und in einem weiteren Sinne auch die Besteller von Nahverkehren, im Güterverkehr sind es die Verlader bzw. von ihnen beauftragte Dienstleister.39 Als dritte Ebene neben dem Betrieb der Infrastruktur und der Erbringung von Verkehrsleistungen fungiert die Steuerung.40 Dieser obliegt die Ex-ante-Koordination der zeitlichen Abfolge der Netznutzung durch die Erstellung eines Fahrplans und die Vergabe der Trassen (§  4 Abs.  7 AEG).41 Da die Schienennetze sowohl vom Güter- als auch vom Personennah- und Personenfernverkehr genutzt werden, unterscheiden sich die Züge in der Länge, dem Gewicht und dem technischen Zustand, was die Infrastruktur unterschiedlich stark belastet. Eine diskriminierungsfreie Netznutzung setzt deshalb voraus, dass diese Unterschiede im Trassenpreissystem des Netzbetreibers angemessen berücksichtigt werden können.42

35 

§  2 Abs.  1 AEG. Vgl. §  2 Abs.  3 bis 3c AEG; zum Wettbewerbsbezug des Eisenbahninfrastrukturbegriffs (vgl. §  14 AEG) siehe Hermes/Sellner/Suckale, §  2 AEG Rn.  82. 37  Vgl. §  2 Abs.  2 Satz 1 AEG. Diese müssen nach Satz 2 in der Lage sein, die sog. Traktion sicherzustellen; vgl. Hermes/Sellner/Suckale, §  2 AEG Rn.  57 i. V. mit Rn.  6 ff. 38  Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 579; Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 24, 25. 39  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  2. 40  Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  814; dies., Sondergutachten 46, Rn.  10; Knieps, Netzökonomie, S.  3. 41  Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  50. 42  Berndt, Anreizregulierung, S.   56; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  242 ff. 36 

B. Ökonomische Regulierungsgründe

521

B. Ökonomische Regulierungsgründe I. Problemstellung Die sektorspezifische Regulierung wird vor allem durch ökonomische Gründe legitimiert. Da ein funktionsfähiger Wettbewerbsprozess am besten dazu geeignet ist, die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer zu schützen und die Wohlfahrt der Bürger zu maximieren, erscheint eine Einschränkung der Marktfreiheiten von Unternehmen durch eine staatliche Ex-ante-Regulierung auf den ersten Blick als Fremdkörper.43 Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass unter bestimmten Voraussetzungen erst eine wettbewerbsfördernde Ex-ante-Regulierung bestimmter Sektoren bzw. Märkte die Voraussetzungen dafür schafft, dass sich dort die Marktkräfte frei entfalten können.44 Die Lokalisierung der zu regulierenden Sektoren bzw. Märkte ist Gegenstand der Regulierungstheorien.45 Aus der großen Anzahl ökonomischer Theorien, die sich mit Netzwirtschaften befassen, wollen wir im Folgenden diejenigen herausfiltern, die sich mit übergreifenden Besonderheiten der von uns behandelten Netzinfrastrukturen auseinandersetzen und hieraus adäquate Folgerungen für die staatlich zu gewährleistenden Funktionsbedingungen der Marktprozesse ziehen.46 Zu diesem Zwecke werden wir zunächst diejenigen Eigenschaften der Netzindustrien Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen herausstellen, die sich aus ökonomischer Sicht dauerhaft negativ auf den Wettbewerbsprozess auswirken. Hier­nach sind konkrete sektorspezifische Marktversagensgründe zu behandeln,47 wobei wir sehen werden, dass das natürliche Monopol immer noch einen zentralen Platz einnimmt, auch wenn insbesondere im Telekommunikationssektor aufgrund seiner technischen Dynamik zunehmend andere Regulierungsgründe in den Vordergrund treten. Im Anschluss ist aufzuzeigen, dass in den Netzsektoren aufgrund ihrer „bipolaren Struktur“ – bei den dort erstellten Gütern bzw. erbrachten Dienstleistungen handelt es sich überwiegend um solche der (politisch definierten48) Daseinsvorsorge – auch gemeinwohlinduzierte Regulierungsgründe relevant 43 

Höppner, Netzstruktur, S.  29 ff. Regulierungsrecht, S.  281, 289. 45  Wie wir noch sehen werden, handelt es sich dabei eigentlich nur um die oben geschilderten Wettbewerbstheorien, die sich mit den spezifischen Problemen besonders gravierender Marktversagensgründe auseinandersetzen; Paradigma: natürliches Monopol. 46  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  305. 47  Nicht näher betrachtet wird etwa die im vorliegenden Zusammenhang unergiebig erscheinende Theorie der „ruinösen Konkurrenz“, dazu I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  48. 48  Eine derartige Problematik stellt sich derzeit etwa im Telekommunikationssektor, wo zu klären ist, ob auch High-speed-Internet zum für alle Bürger notwendigen „Universaldienst“ gehören soll; siehe Fetzer, MMR 2011, 707 ff. 44 Fehling/Ruffert/Leschke,

522

Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

sind,49 die in einen Zielkonflikt mit der wettbewerbsfördernden Regulierung geraten können, den es systemkonform aufzulösen gilt. Es handelt sich aus wohlfahrtsökonomischer Sicht insbesondere um Fallgestaltungen, bei denen eine (pareto-optimale) Ressourcenverteilung nicht die vom Gesetzgeber gewünschten „sozialen“ Ergebnisse produziert und deshalb korrigiert werden soll. Während also ein Marktversagen dazu führt, dass ein uneingeschränkter Wettbewerb zwar begrüßenswert, aber nicht möglich ist, führen die Gemeinwohlorientierung und der hierdurch hervorgerufene Zielkonflikt dazu, dass ein uneingeschränkter Wettbewerb zwar möglich ist, aber nicht wünschenswert erscheint.50 Auch aus der vorliegend präferierten ordnungsökonomischen (ordoliberalen) Betrachtung können gemeinwohlinduzierte Regulierungsgründe ein Abweichen von den Ergebnissen eines freien Wettbewerbsprozesses rechtfertigen, sofern die Gemeinwohlziele nicht auf wettbewerbsschonenderem Wege zu erreichen sind (Interdependenz der Ordnungen).51 Die Entscheidung, ob und in welcher Weise diese sektorspezifischen Eigenschaften im netzwirtschaftlichen Ordnungsrahmen berücksichtigt werden, ist innerhalb der verfassungs- und unionsrechtlichen Rahmenbedingungen dem Gesetzgeber vorbehalten.52 Der richtige Ordnungszustand lässt sich somit nicht allein durch Anwendung der jeweils geeigneten Regulierungsmethode erreichen, sondern basiert auch auf wirtschaftspolitischen Grundentscheidungen.53 Da die Wirtschaftsverfassung der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten auf eine soziale Marktwirtschaft ausgerichtet ist, gilt ein Primat marktwirtschaftskonformer Regulierung durch wettbewerbsanaloge Ziele und Maßnahmen. Das Grundgesetz hat diese Grundentscheidung für die regulierten Sektoren Telekommunikation und Eisenbahnen ausdrücklich festgeschrieben, für die Energieversorgung ergibt sie sich mittelbar aus Systematik und Historie.54

II. Wettbewerbstheoretische Begründungsansätze Der Begriff des Marktversagens bezieht sich in einem weiten Sinne auf jede Marktsituation, in der es einem sich selbst überlassenen Markt nicht gelingt, die dem Wettbewerb zugeschriebenen Funktionen zu erzielen.55 Er ist somit auch in der allgemeinen Wettbewerbstheorie bedeutsam. Anders als in den nachfolgend behandelten Fallgruppen der Regulierungstheorie befasst sich die allge49 

I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  44. Höppner, Netzstruktur, S.  7. 51  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.  291 ff. 52  Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  45. 53  Schorkopf, JZ 2008, 20, 25. 54  Siehe bereits Teil 2 F. 55  Herdzina, Wettbewerbspolitik, S.   119; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  44; siehe bereits oben Teil 4 B. II. 50 

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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meine Wettbewerbstheorie jedoch mit Märkten, die grundsätzlich funktionsfähig sind, weshalb nur singuläre Eingriffe des Staates in den ansonsten freien Wettbewerbsprozess erforderlich sind. Demgegenüber ist der Wettbewerb in den regulierten Sektoren derart intensiv und dauerhaft beeinträchtigt, dass die für alle Unternehmen geltenden Regelungen nicht ausreichen, um das spezifische Marktversagen durch Ex-post-Simulation einer Situation wie bei wirksamem Wettbewerb (Als-ob-Wettbewerb) zu beheben; denn wenn eine Regulierung wettbewerbsfördernd erfolgen soll, muss sie sich auch an den Funktionsbedingungen des Wettbewerbs orientieren, wie sie vom Gesetzgeber im allgemeinen Wettbewerbsrecht näher spezifiziert werden. Welches die relevanten Gründe für eine sektorspezifische Regulierung der Netzwirtschaften sind, wird je nach wettbewerbs- bzw. regulierungstheoretischer Grundausrichtung unterschiedlich gesehen. 1. Neoklassische Wohlfahrtsökonomie Aus Sicht der neoklassischen Wohlfahrtsökonomie liegt ein Marktversagen vor, wenn ein freier Markt nicht in der Lage ist, die Ressourcen effizient zu verteilen und damit wohlfahrtsmaximale Ergebnisse zu erzielen. Das gilt umso mehr, wenn der Marktmechanismus überhaupt nicht von allein in Gang kommt.56 Effizienz wird dabei grundsätzlich im Sinne des Pareto-Kriteriums verstanden.57 Hiernach ist eine effiziente Ressourcenallokation gegeben, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, die Ressourcen so zu verteilen, dass mindestens eine Person bessergestellt wird, ohne dass eine andere schlechtergestellt wird.58 Das Pareto-Kriterium ist freilich aufgrund seiner strengen Vorgaben wenig praktikabel. Zur Beurteilung von Wohlfahrtsveränderungen auf ihre (allokative) Effizienz wird deshalb zusätzlich auf das sog. Kaldor-Hicks-Kriterium abgestellt, das einen sozialen Zustand A auch dann gegenüber einem anderen sozialen Zustand B als vorzugswürdig ansieht, wenn zwar einige Individuen schlechter gestellt werden, die Individuen im Zustand A jedoch die Individuen im Zustand B fiktiv entschädigen könnten und ihnen gleichwohl noch ein Residualvorteil verbliebe.59 Auf der Basis wohlfahrtsökonomischer Überlegungen werden als Gründe eines Marktversagens, die eine staatliche Regulierung erforderlich machen, natür­ liche Monopole, strukturelle Marktzutrittsschranken, externe Effekte, Netzwerkeffekte, ein opportunistisches Verhalten, Transaktionskosten und

56  Siehe dazu Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  11; Berndt, Anreizregulierung, S.  32; Hrbek/Nettesheim/Mühlenkamp, Europäische Union und mitgliedstaatliche Daseinsvorsorge, S.  65; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 290. 57 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 290; ausführlich Teil 4 C. III. 3. c). 58  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  11. 59  Siehe oben Teil 4 C. III. 3. d).

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

asymmetrische Information diskutiert. 60 Diese Marktversagensgründe schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können je nach betroffenem Wirtschaftssektor in unterschiedlicher Kombination auftreten.61 2. Workable Competition Vertreter der Workable-Competition-Theorien gehen bei allen Unterschieden im Detail von einem Marktversagen aus, wenn die Marktstruktur keinen effizienten, in hinreichendem Maße funktionsfähigen Wettbewerb zulässt. 62 Eben dies ist – wie wir sehen werden – bei den klassischen Regulierungsgründen des natürlichen Monopols und der dauerhaften Marktzutrittsschranken der Fall. 3. Systemtheorie Ein dauerhaftes Marktversagen rechtfertigt auch aus systemtheoretischer Sicht eine staatliche Marktregulierung, obwohl diese staatlichen Eingriffen in den „freien“ Wettbewerbsprozess eigentlich skeptisch gegenübersteht. Zwar wird von der Systemtheorie die ökonomische Sinnhaftigkeit eines – auch der Exante-Entgeltregulierung dogmatisch zugrunde liegenden – Verbots von Ausbeutungsmissbräuchen bezweifelt, da überhöhte Preise als das Ergebnis von Wettbewerbsbeschränkungen, die preisnivellierende Marktzutritte oder entsprechende Arbitrage-Transaktionen unmöglich machten oder erschwerten, aber nicht selbst als Gegenstand wettbewerbsrechtlicher Korrekturen angesehen werden. 63 Es soll mit anderen Worten ein Primat der langfristigen Offenhaltung von Märkten gegenüber einer kurzfristigen Verhinderung bzw. Beseitigung der negativen Effekte privater Machtpositionen gelten. Wie bereits gezeigt werden konnte, kann es in einer sozialen Marktwirtschaft jedoch keine schrankenlose Freiheit geben. Der Staat kann sich deshalb nicht aus langfristig-systemischen Überlegungen der Aufgabe entziehen, die Freiheitspositionen der Bürger gegenüber einer konkret-machtbedingten Ausbeutung zu schützen. Zwar ist es zutreffend, dass eine „Definition des Wettbewerbs weder möglich noch zweckmäßig“ ist, „weil sie nicht alle seine Bedingungen, Wirkungsweisen und Folgen (performance) erfassen kann“; denn „man hebt Freiheitspositionen“ auf, „wenn man ihre Inhalte vorweg bestimmt“. 64 Aus diesem „an sich zutreffenden

60  Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S.  15 ff.; Möschel, ORDO 32 (1981), 85, 99 ff.; ders., JZ 1988, 885, 891 ff.; Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 8 ff.; Ruge, AöR 131 (2006), 1, 26; Kühnberg, Privatisierung von Schieneninfrastruktur, S.  4 ff. 61  Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S.  23. 62  Berndt, Anreizregulierung, S.  32; siehe ausführlich Teil 4 C. IV. 63  Hoppmann, Das Konzept wirksamen Preiswettbewerbs, S.  5 ff. und passim. 64  Mestmäcker/Schweitzer, §  2 Rn.  75.

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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theoretischen Ansatz“ kann jedoch nicht gefolgert werden, dass sich der Staat weitgehend aus der Kontrolle privater Machtpositionen zurückziehen müsse. 65 Denn wenn „eine Rechtsordnung vor der gleichwohl unverändert fortbestehenden Ordnungsaufgabe nicht kapitulieren will, eine Anknüpfung an die formale rechtliche Erscheinungsform des Handelns ungenügend erscheint, dann bleibt sie auf den dornenvollen Weg verwiesen, Erfahrungssachverhalte zu ermitteln, welche dann einer generalisierenden Bewertung zugänglich sind“ (Möschel).66 Vor diesem Hintergrund werden Preiskontrollen von gemäßigten Vertretern der Systemtheorie jedenfalls als „Notbehelf“ akzeptiert, 67 wenn „Märkte strukturell so gestört sind, dass man die Hoffnung auf die Selbstheilungskräfte des Wettbewerbs sinnvollerweise aufgibt“. 68 Eben das ist bei einer durch dauerhafte faktische oder rechtliche Marktzutrittsschranken gesicherten Monopolstellung der Fall, da diese es wahrscheinlich macht, dass auf Dauer nur ein einziger Anbieter auf dem Markt überleben wird. 69 4. Chicago School of Economics Die Chicago School steht staatlichen Eingriffen in den Marktmechanismus grundsätzlich skeptisch gegenüber.70 Sie hält vielmehr die Initiierung eines Wettbewerbs „um den Markt“ (Infrastrukturwettbewerb) mittels staatlich organisierter Ausschreibungen für ausreichend, um die antikompetitiven Effekte der Netzsektoren zu beheben. Insoweit unterscheidet sich die Chicago School von der Systemtheorie, die bei natürlichen Monopolen eine sektorspezifische Regulierung des jeweiligen Marktes ausnahmsweise als zulässig erachtet. Wir werden uns dem Regulierungsansatz der Chicago School aufgrund seiner abweichenden Konzeption noch gesondert widmen. 5. Ordoliberalismus und Ordnungsökonomik Auch aus ordoliberaler Sicht begründen natürliche Monopole und dauerhaftstruk­turelle Marktzutrittsschranken ein Marktversagen, das eine bereichsspezifische Regulierung des Wettbewerbs zum Schutz der materialen Freiheit der Marktteilnehmer und des daraus erwachsenden Wettbewerbsprozesses indiziert; denn der Staat ist gehalten, eine normative Rahmenordnung zu schaffen, 65 

Möschel, JZ 1975, 393, 398; siehe auch Lenel, in: 2. FS Böhm, 1975, S.  317, 337 ff.

66 So Möschel, JZ 1975, 393, 398; ebenso Lenel, in: 2. FS Böhm, 1975, S.  317, 338 f. mit Fn.  55:

„Für vorsichtige Eingriffe genügt eine ungefähre Rechnung.“ 67 Immenga/Mestmäcker/Möschel, §  19 GWB Rn.  151. 68 Immenga/Mestmäcker/Möschel, §  19 GWB Rn.  152. 69  Ebenso auch Schneider/Hoppmann, Grundlagen der Wettbewerbspolitik, S.  9, 11 Fn.  3 und S.  22; Möschel, ORDO 32 (1981), 85, 99: „Aus systemtheoretischer Sicht sind sog. Ausnahmebereiche nur durch politischen Entscheid begründbar.“ 70  Siehe Teil 4 C. VI.

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

damit die Bürger ihre privatautonom gesetzten Ziele so weit wie möglich in Kooperation mit anderen erreichen können.71 Dies ist das oben geschilderte Konzept eines Ausgleichs material-chancengleicher wirtschaftlicher Freiheiten durch das Vertrags- und das Wettbewerbsrecht.72 6. Neue Institutionenökonomik Auch in der Neuen Institutionenökonomik 73 ist anerkannt, dass ein Markt bei einem natürlichen Monopol und qualifizierten Markteintrittsbarrieren nicht mehr in der Lage ist, die Ressourcen und Güter so zu verteilen, dass dies dem Nutzen der Bürger entspricht.74 Aus diesem Grunde wird auch insoweit eine wettbewerbsfördernde Regulierung anerkannt, um die Defekte des Marktmechanismus wirksam zu beheben. Daneben spielen in den regulierten Netzsektoren auch transaktionsbezogene Regulierungsgründe eine Rolle.75

III. Insbesondere: Natürliche Monopole Der erste und praktisch immer noch wichtigste Grund, der für eine wettbewerbsfördernde Regulierung (von Teilen) der Netzindustrien Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen spricht, ist das Vorliegen eines natürlichen Monopols,76 das eine sog. „essential facility“ für die Teilnahme an bestimmten benachbarten Märkten ist.77 Das „natürliche“ Monopol verdankt seine Bezeichnung dem Umstand, dass es grundsätzlich nicht von der Rechtsordnung verfügt wird (im Sinne einer rechtlich begründeten Marktzutrittsschranke) und auch nicht aus missbräuchlichen Verdrängungspraktiken des marktbeherrschenden Unternehmens resultiert (dann: Behinderungsmissbrauch), sondern seinen Grund in besonderen technischen oder organisatorischen Eigenschaften der Produktion hat.78 Es ist deshalb nicht pauschal mit antikompetitiver Marktmacht gleichzusetzen. 71 So zur Neuen Institutionenökonomik Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 287. 72  Siehe Teil 3 D. IV. und V. sowie Teil 4 D. I. 5. 73  Siehe Teil 4 D. II. 74 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 290 ff. 75 Vgl. Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  46 ff. 76  Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  31 ff.; Windisch/Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, S.  1, 39; Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  316; Schuppert/Hermes, Gewährleistungsstaat, S.  111, 113; Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 46; Baldwin/Cave/Lodge, Understanding Regulation, S.  15; Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 413; Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043, 1045. 77 Zur Essential-Facilities-Doktrin siehe EuGH v. 6.4.1995 – verb. Rs. C-241/91 P u. C-242/91 P, Slg. 1995, I-743 – RTP-ITP/Kommission (Magill); EuGH v. 26.11.1998 – Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791 – Bronner. 78  Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 9; Donges/Freytag, Allgemeine Wirtschaftspolitik, S.  210.

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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1. Größen- und Verbundvorteile Ein natürliches Monopol beschreibt eine Situation, in der die Kosten eines einzelnen Anbieters zur Produktion eines bestimmten Gutes bei jeweils identischer Kostenfunktion immer niedriger sind als die Kosten, die mehreren Anbietern für die Produktion zusammen entstehen würden.79 Die Kostenfunktion ist somit „subadditiv“, da die Kosten je Einheit mit steigender Produktion aufgrund von Größen- und Verbundvorteilen dauernd weiter abnehmen. 80 Bei einem natürlichen Monopol ist die unternehmensinterne Kostendegression im Verhältnis zur Marktgröße dabei so gravierend, dass die Leistungserstellung durch mehrere konkurrierende Unternehmen eine volkswirtschaftliche Verschwendung von Ressourcen wäre.81 Demgemäß wäre es bei einem natürlichen Monopol kontraproduktiv, einen Wettbewerb im (Netz-)Markt zu erzwingen, da sich im Laufe der Zeit aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen automatisch ein Unternehmen durchsetzen würde. 82 Aus diesem Grunde kann die Entstehung des Monopols auch nicht durch das allgemeine Wettbewerbsrecht verhindert werden.83 Wettbewerb im Infrastrukturnetz ist in einem solchen Fall vielmehr durch Regulierung zu begrenzen, sofern nicht ausnahmsweise wie in Teilen des TK-Sektors ein Infrastrukturwettbewerb initiiert werden kann.84 Diese Begrenzung dient jedoch nicht der Absicherung des Monopols, sondern der Beförderung von Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Marktstufen. Darauf werden wir zurückkommen. Die Absenkung der Durchschnittskosten basiert bei einem natürlichen Monopol regelmäßig auf einem hohen Anteil an Fixkosten im Verhältnis zu den variablen Kosten, 85 sowie auf Größenvorteilen („economies of scale“) und Verbundvorteilen („economies of scope“). 86 Als notwendige Bedingung eines natürlichen Monopols werden in der ökonomischen Theorie insbesondere die Größenvorteile angesehen,87 wenn also eine Erhöhung der Inputfaktoren zu 79 Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 18; Picot/Donges/Schmidt, a. a. O., S.  37, 46; Haucap/Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 3.; Berndt, Anreizregulierung, S.  33; siehe auch Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 685: „strukturelle Hindernisse“. 80  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.   23; MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1457 ff.; Bonde, Deregulierung und Wettbewerb, S.   12; Staebe/Schmitt, Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  2. 81  Siehe schon Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  36; weitergeführt von Haucap/ Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 3.1. 82  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  317. 83  Musgrave, Grundlagen der Infrastrukturplanung, S.  43, 50 f. 84  Höppner, Netzstruktur, S.  32. 85 Siehe zur Unterscheidung zwischen (kurzfristig und langfristig) variablen und fixen Kosten Säcker/Busse von Colbe, Vor §  27 TKG Rn.  17. 86  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.   317; Heise, Regulierung und Kartellrecht, 2008, S.  45. 87  Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  59; Bonde, Deregulierung und Wettbewerb,

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

einer überproportionalen Erhöhung der Outputfaktoren führt, was mit einer kontinuierlich sinkenden Durchschnittskostenkurve abgebildet wird. 88 Hierdurch kann es effizienter sein, wenn ein Unternehmen die Kosten auf alle Konsumenten umlegt und so geringere Durchschnittskosten erreicht, wie wenn mehrere Unternehmen die Leistung erbringen. 89 Je stärker Einrichtungen genutzt werden, die von hohen Fixkosten geprägt sind, wie etwa Energieleitungen, Teilnehmeranschlussleitungen oder Schienentrassen, desto höher ist der Anteil der Benutzer, auf die die Fixkosten aufgeteilt werden können.90 Bezogen auf die Netzinfrastruktur heißt das, dass es weniger als doppelt so viele Kosten verursacht, doppelt so viele Güter, Informationen oder Personen mit der vorhandenen Infrastruktur zu transportieren.91 Produziert ein Unternehmen mehrere Produkte, können die Durchschnittskosten zusätzlich durch Verbundvorteile abgesenkt werden.92 Diese sind gegeben, wenn das Herstellen und Anbieten von mindestens zwei Produkten zu Kostensenkungen führt, weil der Anbieter für die Produktion oder das Bereitstellen eines Gutes oder einer Dienstleistung Kapazitäten oder Netzelemente, die bei einem anderen Gut oder einer anderen Dienstleistung nicht ausgelastet sind, gemeinsam nutzen kann.93 Derartige Effizienzvorteile traten in den Netz­ industrien klassischerweise durch die vertikale Integration der Versorgungsunternehmen auf, da die Verbindung verschiedener Produktionsstufen zu Kostensenkungen führen kann.94 Darüber hinaus können „economies of scope“ etwa durch die gemeinsame Übertragung von Sprachsignalen und Breitbanddiensten über ein TK-Netz hervorgerufen werden. Allerdings können diese allein kein natürliches Monopol begründen. Ein solches liegt erst vor, wenn gleichzeitig auch „economies of scale“ auftreten. In diesem Fall erfasst das natürliche Monopol auch die unter den „economies of scope“ produzierten Güter.95 S.  11 ff.; Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  51. Siehe zum TK-Sektor auch Holznagel/ Bysikiewicz/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, S.   21; Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043, 1045. 88  Bester, Industrieökonomik, S.   141; Kühnberg, Privatisierung von Schieneninfrastruktur, S.  10. 89 Knieps/Brunekreeft/Brunekreeft, Regulierung und Wettbewerb, S.   25, 39; Höppner, Netzstruktur, S.  32. 90  Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 9; Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  46. 91  Berndt, Anreizregulierung, S.  33. 92  Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  61 ff.; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  17. 93  Wildmann, Volkswirtschaftslehre, Mikroökonomie, Wettbewerbspolitik, S.   216; Berndt, Anreizregulierung, S.  34. 94  Holznagel/Bysikiewicz/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, S.  21; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  37; siehe mit Blick auf ein Ownership-Unbundling in der Energiewirtschaft auch Brunekreeft, ZfE 2008, 177, 182 f.; Knieps/Weiß/Brunekreeft/Meyer, Fallstudien zur Netzökonomie, S.  171, 185 f. 95  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  318.

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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2. Irreversibilität als Voraussetzung des natürlichen Monopols? Das Vorliegen von „economies of scale“ und im Mehrproduktfall auch von „economies of scope“ ist aus wohlfahrtsökonomischer Sicht eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Regulierung von natürlichen Monopolen. Aus diesem Grunde wird von Teilen des Schrifttums nur dann von einem natürlichen Monopol gesprochen, wenn zusätzlich zur Subadditivität der Kosten auch deren Irreversibilität gegeben ist,96 während andere diesen Aspekt erst beim Regulierungsbedarf ansprechen.97 Konsequenz der letztgenannten Sichtweise ist es, dass es natürliche, durch Subadditivität der Kostenfunktion gekennzeichnete natürliche Monopole gäbe, die gleichwohl keiner sektorspezifischen Regulierung zu unterwerfen wären. Dabei müsste es sich um Situationen handeln, die aufgrund ausgeprägter Subadditivitäten zwar zu einer Monopolsituation führen, in denen jedoch das Potenzial für monopolspezifisches Verhalten fehlt, insbesondere weil der Markt weiterhin angreifbar ist. Folgt man demgegenüber der erstgenannten Ansicht, impliziert das natürliche Monopol zugleich einen Regulierungsbedarf, wobei damit noch nicht feststeht, mit welchen Maßnahmen dieser umzusetzen ist. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung soll am klassischen Verständnis des natürlichen Monopols festgehalten werden. Denn auch wenn man ein natürliches Monopol keiner gesonderten sektorspezifischen Regulierung unterwirft, weil etwa aufgrund eines wirksamen Substitutionsgüterwettbewerbs keine monopolistischen Spielräume bestehen,98 unterfällt dieses dem Wettbewerbsrecht als dem allgemeinen Regulierungsrecht zur Sicherung eines freien und unverfälschten Wettbewerbsprozesses. Die Frage der Irreversibilität der Kosten entscheidet nach dieser Sichtweise also vor allem darüber, ob das natürliche Monopol einer besonderen sektorspezifischen Regulierung zu unterwerfen ist. Darüber hinaus wird das Irreversibilitätsproblem für private Unternehmen dann entschärft, wenn durch den Staat bzw. den Markt sichergestellt ist, dass der Netzbetreiber das Netz zu einem Marktpreis veräußern kann.99 3. Negative Wohlfahrtswirkungen eines natürlichen Monopols Die Existenz eines geschützten bzw. unregulierten natürlichen Monopols führt aus wohlfahrtsökonomischer Sicht zu Ineffizienzen.100 So wird hier ein Anbieter regelmäßig sein Angebot verknappen, um auf diesem Wege einen gewinn96 Vgl.

Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  318 f.; Klaus, DeRegulierung, S.  170 ff. Höppner, Netzstruktur, S.  51; Knieps, Wettbewerbsökonomie, 2007, S.  155 f. 98 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 319. 99 Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 319. 100  Haucap/Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 3.1. 97 Siehe

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

maximalen Preis zu erzielen, was zu allokativer Ineffizienz führt, weil ökonomisch gesehen zu wenig produziert und konsumiert wird.101 Im Modell perfekt funktionierender Märkte bildet sich der Preis nach den Grenzkosten, also nach den Kosten, die für die zusätzliche Produktion einer Leistungseinheit entstehen. Im unregulierten natürlichen Monopol wird stattdessen mit einer begrenzten Kapazität diejenige Menge produziert, bei der die Grenzkosten mit den Grenzerlösen übereinstimmen, was gegeben ist, wenn der Absatz einer zusätzlichen Einheit des Produkts den Gewinn nicht mehr steigern würde.102 Darüber hinaus kann ein Netzmonopolist seine Marktmacht dazu ausnutzen, Wettbewerber auf vor- und nachgelagerten Marktstufen zu behindern, indem er diese Märkte verschließt („foreclosure effect“).103 Aufgrund ihrer Leitungsgebundenheit setzt ein wirtschaftliches Tätigwerden auf den den Netzen vor- und nachgelagerten Märkten regelmäßig einen Zugang zum Netz zu angemessenen Bedingungen voraus. Schließlich wird ein natürliches Monopolunternehmen aufgrund des fehlenden Wettbewerbsdrucks häufig ineffizienter produzieren, da es anders als ein Unternehmen im Wettbewerb aufgrund fehlender Substitutionsmöglichkeiten durch die Nachfrager auch bei ineffizienter Produktion am Markt bestehen bleibt (sog. X-Ineffizienzen).104 4. Statische versus dynamische Effizienz Der Begriff des natürlichen Monopols bezeichnet in seiner ursprünglichen Variante einen auf dem Konzept der vollkommenen Konkurrenz im Sinne der neoklassischen Wohlfahrtsökonomie beruhenden Effizienztatbestand.105 Allo101 Dazu Knieps/Brunekreeft/Brunekreeft, Regulierung und Wettbewerb, S.   25, 39; Berndt, Anreizregulierung, S.  35. 102  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  2 2 f. Im Rahmen der kostenbasierten Einzelgenehmigung von TK-Entgelten gem. §  32 Abs.  1 TKG geht es nicht um eine Veränderung der Grenzkosten einer Leistungseinheit, da dies unrealistisch wäre, sondern um ein Paket von Leistungseinheiten, ein sog. Inkrement. Aus diesem ist wiederum der Durchschnitt je Leistungseinheit zu bilden („inkrementelle Durchschnittskosten“). Abgestellt wird darüber hinaus auf die „langfristigen Kosten“ als den Kosten bei Änderung der Kapazität („forward looking approach“), da das Ziel im TK-Sektor die Herstellung eines Infrastrukturwettbewerbs ist. Es sind deshalb nicht vergangene Investitionsentscheidungen relevant, sondern hypothetische Entscheidungen aufgrund aktueller Entscheidungsfaktoren; vgl. Säcker/Busse von Colbe, Vor §  27 TKG Rn.  17; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  236 ff.; Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 75. 103 Immenga/Mestmäcker/Markert/Möschel, Anhang 1 Telekommunikation Rn.  2. 104  Der Begriff X-Ineffizienz bezieht sich – wie wir schon gesehen haben [Teil 4 C. III. 4. c)] – auf die organisationsinterne Effizienz; siehe im vorliegenden Zusammenhang auch Haucap/Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 3.1. 105  Statt anderer Windisch/Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, S.  1, 41; Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  316; Kühnberg, Privatisierung von Schieneninfrastruktur, S.  4. Dynamische Phänomene wie die Produktion neuen Wissens, technischer Fortschritt und Innovation lagen somit im Ausgangspunkt außerhalb des Modellrahmens; vgl. Windisch,

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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kative und produktive Effizienz sind jedoch rein statische Konzepte, weshalb sie keine Veränderungen bei den Industriestrukturen oder den Technologien erfassen.106 Demgegenüber bezieht sich die dynamische Effizienz auf einen Zeitraum, weshalb sie auch die Entwicklung und Einführung neuer Güter, die Verbesserung des Know-how und den technischen Fortschritt erfasst.107 Ein Wirtschaftsprozess ist hiernach dynamisch effizient, wenn die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt über die gesamte zu betrachtende Periode maximal ist. Das Erreichen dynamischer Effizienz erfordert somit unter Umständen ein Abweichen von den kurzfristigen Grenzkosten des Konzepts der vollkommenen Konkurrenz, da die Unternehmen aus ihren Erträgen die Kosten für Forschung und Entwicklung sowie Investitionen begleichen müssen,108 was mit einer langfristigen Kostenkurve erfasst wird.109 In der Ökonomie wird regelmäßig unterstellt, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Forschung und Entwicklung sowie Investitionen und damit dynamischer Effizienz bestehe; 110 denn diesen kann man nach jetzigem Stand der Erkenntnis nicht genau bestimmen. Dies macht die zutreffende Behandlung dynamischer Effizienzen schwierig. So werden diese zuweilen auch als vorgeschobene Rechtfertigung für den Aufbau und den Schutz wirtschaftlicher Machtpositionen verwendet, wie dies in Extremform bei der Chicago School of Economics der Fall war. Auf der anderen Seite setzt eine Investitionsbereitschaft von Unternehmen in Infrastrukturprojekte nicht nur regulatorische Rechts- und Planungssicherheit, sondern auch die Möglichkeit zur Refinanzierung der für den Ausbau notwendigen „effizienten“ Kosten voraus. Bei der Regulierung ist somit nicht allein die Kosteneffizienz bei einer gegebenen technischen Ausstattung in den Blick zu nehmen, sondern es müssen in Abhängigkeit von den sektorspezifischen Besonderheiten zugleich ausreichend Anreize für Innovationen und Investitionen gesetzt werden: 111 Zum Ersten Privatisierung natürlicher Monopole, S.  41. Ihnen kann jedoch im Rahmen der konkreten Regulierungsvorgaben durch Anreize für Investitionen und Innovationen Rechnung getragen werden; siehe Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 95. 106  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  9. 107  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.   97; zur TK-Regulierung Fetzer, MMR 2010, 515, 516; siehe schon Teil 4 C. III. 4. d). 108  Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 95. 109  In die langfristige Betrachtung können z. B. die Kosten für den Erwerb einer zusätzlichen Maschine einbezogen werden, sodass also nicht mehr von einer begrenzten Kapazität zur Produktion auszugehen ist. Je langfristiger in der Regulierung die entsprechenden Abschreibungszeiten angesetzt werden, desto geringer sind die regulierten Entgelte. Siehe zur Bestimmung der „betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer“ im Energiewirtschaftsrecht etwa §  6 i. V. mit Anlage 1 der StromNEV. 110  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  9 f. 111 Eifert/Hoffmann-Riem/Kühling, S.  47, 52 ff. Dies gilt insbesondere für den Telekommunikationssektor (Breitbandausbau); im Eisenbahnsektor stehen demgegenüber die allokative und produktive Effizienz im Zentrum; vgl. Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 26.

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

muss die Regulierung den investierenden Unternehmen Vorsprungsgewinne belassen, da diese ansonsten keinen Anreiz haben zu investieren. Nur in einem solchen Fall ist es gerechtfertigt, ihnen auch das Investitionsrisiko aufzuerlegen.112 Zum Zweiten muss die Regulierung wirksame Anreize für einen Verfolgungswettbewerb setzen. Zum Dritten muss eine effiziente Regulierung die Ausnutzung marktbeherrschender Stellungen (etwa durch „leveraging“ der Marktmacht in entstehenden Märkten) verhindern, um nachstoßenden Wettbewerb zu ermöglichen und eine Ausbeutung der Verbraucher zu verhindern. Daneben treten „institutionelle Bewertungsparameter“: 113 Die Regulierungsinstanz muss möglichst unabhängig sein, damit sie eine von der konkreten Tagespolitik unabhängige innovations- sowie investitionsfreundliche Regulierung initiieren kann. Dabei sind die Entscheidungen in einem fairen, transparenten und partizipationsoffenen Prozess zu treffen. Darüber hinaus ist die Regulierung „vorhersehbar“ zu gestalten, da dies eine zentrale Bedingung für Innovationssicherheit ist (vgl. §  2 Abs.  3 Nr.  1 TKG und §  15a TKG).

IV. Weitere Regulierungsgründe 1. Sonstige qualifizierte Marktzutrittsschranken Die Regulierungsbedürftigkeit eines Marktes kann auch aus sonstigen strukturellen oder rechtlichen Marktzutrittsschranken resultieren.114 Strukturell-faktische Zutrittsschranken können sich aus der Kontrolle über wesentliche Teile der (Netz-)Infrastruktur in Verbindung mit hohen Marktanteilen ergeben,115 konkret aus absoluten Kostenvorteilen, erheblichen mengen- und größenbedingten Vorteilen, Kapazitätsengpässen und hohen Ist-Kosten der Vergangenheit.116 Rechtlich bedingte Marktzutrittshürden können sich aus legislativen, administrativen oder sonstigen staatlichen Maßnahmen ergeben, die sich unmittelbar auf die Zugangsbedingungen und/oder die Stellung von Betreibern auf dem betreffenden Markt auswirken.117 Beispiele hierfür sind rechtliche Hindernisse für den Marktzugang, wenn etwa nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen Zugang zu Frequenzen für die Bereitstellung grundlegender Dienste hat.118

112  Möschel, MMR 2010, 450, 451; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  238 f., der insoweit die „langfristige“ Betrachtungsweise des KeL-Maßstabs kritisiert. 113 Eifert/Hoffmann-Riem/Kühling, S.  47, 54 ff. 114 Geppert/Schütz/Schütz, §  10 TKG Rn.  14. 115  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  169. 116  Erw. 9 der Märkteempfehlung der Kommission. 117  So Erw. 10 der Märkteempfehlung der Kommission. 118  Erw. 10 der Märkteempfehlung der Kommission.

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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2. Vertikale Integration Eine Regulierung wird in den Netzwirtschaften auch mit der vertikalen Integration von Unternehmen begründet.119 Ein Unternehmen ist vertikal integriert, wenn es auf unterschiedlichen Produktionsstufen tätig ist, insbesondere sofern sich diese auf verschiedenen (vor- und nachgelagerten) Märkten befinden.120 Die Einbindung in den Verbund des vertikal integrierten Unternehmens birgt für die Netzgesellschaft die Gefahr, dass sich ihre Tätigkeit nicht allein auf eine möglichst effiziente Leistungsbereitstellung konzentriert,121 sondern vom Konzerninteresse des vertikal integrierten Unternehmens abhängig ist. Aus diesem Grunde sieht der Gesetzgeber in den Netzsektoren eine – im Detail unterschiedlich weitgehende – Entflechtung vertikal integrierter Unternehmen vor. Eine Unbundling-Regulierung kann die in der Kontrolle über das Netz verkörperte antikompetitive Marktmacht jedoch nicht allein bändigen, weshalb sie eine Netzzugangs- und Netzentgeltregulierung grundsätzlich nicht entbehrlich macht.122 Die kompetitive Einhegung vertikal integrierter Versorgungsunternehmen hat vielmehr nur eine – wenn auch wichtige – Hilfsfunktion im Hinblick auf die Schaffung bzw. Förderung wirksamen Wettbewerbs.123 Wir werden auf die vertikale Integration noch in Zusammenhang mit den Regulierungsgründen des „opportunistischen Verhaltens“ und des „hold up“ zu sprechen kommen. 3. Externe Effekte Als weiterer Regulierungsgrund werden externe Effekte (Externalitäten) diskutiert.124 In einem funktionierenden Markt erhält jeder Akteur grundsätzlich die durch sein Handeln erzielten Erträge und trägt die dafür anfallenden Kosten. Demgegenüber werden als externe Effekte solche Wirkungen des Handelns eines Akteurs auf andere Akteure verstanden, für die die anderen, wenn sie vorteilig sind, nichts bezahlen müssen (positive Externalitäten), oder wenn sie

119  Siehe zum Energiewirtschaftsrecht Säcker/Mohr, N&R Beilage Heft 2/2012, 1 ff.; zum Telekommunikationsrecht siehe Säcker/Mohr, §  40 TKG Rn.  1 ff. 120  Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  84. 121  Dazu Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 82 ff. 122  Haucap, Intereconomics 6/2007, 301, 303; Säcker/Busse von Colbe/Schönborn, Anreizregulierung, S.  37, 44. 123  Für eine Komplementarität der Regulierungsinstrumente demgegenüber König/Rasbach, DÖV 2004, 733 ff. Siehe aber auch Rasbach, Unbundling-Regulierung, S.  41. 124  Möschel, in: FS Immenga, 2004, S.  277, 281; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  80 ff.; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  47. Vorliegend verwenden wir ein – gegenüber der klassisch wohlfahrtsökonomischen Sicht – erweitertes Begriffsverständnis, da wir unter „externe Effekte“ auch die wettbewerbsbeschränkungsbedingt „intendierten“ negativen Drittwirkungen fassen; siehe Bachmann, Private Ordnung, S.  104 f.; ders., JZ 2008, 11, 12.

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

nachteilig sind, nicht entschädigt werden (negative Externalitäten).125 Die Preise setzen hier somit unzutreffende Signale für die Allokation der Ressourcen, da nicht alle Kosten, die in Zusammenhang mit einer Markttransaktion verursacht werden, berücksichtigt und von den Wirtschaftssubjekten in ihre Entscheidungen einbezogen (internalisiert) werden.126 Der Markt führt bei externen Effekten also zu einem größeren Output (negative Externalität) oder einem kleineren Output (positive Externalität), als dies nach wohlfahrtsökonomischer Sicht angezeigt wäre.127 Als staatliche Regulierung kommt in diesen Fällen die Internalisierung der externen Effekte in Betracht.128 Diese will im Falle negativer externer Effekte demjenigen, dem aus der Handlung ein Nutzen entsteht, auch deren Kosten auferlegen.129 Eine Internalisierung externer Effekte ist insbesondere bei Umweltschäden anerkannt, wie sie auch in den Netzindustrien produziert werden.130 Paradigmatisch sind der hohe Raumbedarf der Infrastruktur,131 die Lärmbelästigung durch Eisenbahnen oder die Störungen durch Telekommunikations-Funksignale.132 Allerdings begründen negative externe Effekte in den Netzindustrien regelmäßig nicht allein einen besonderen Regulierungsbedarf.133 Bedeutsam ist außerdem, dass eine Umweltschutzregulierung nicht zwangsläufig auf der Grundlage einer politischen Entscheidung gegen den Markt erfolgen muss, sondern auch über den Markt erfolgen kann, wie das Konzept des Handels mit sog. Emissionszertifikaten zeigt.134 4. Netzwerkeffekte Als einen besonderen Fall positiver externer Effekte sind sog. Netzwerkeffekte anzusehen.135 Diese werden wegen ihrer Bedeutung häufig als eigener Marktversagensgrund eingestuft.136 Direkte Netzwerkeffekte beschreiben den Umstand, dass der Nutzen an einem Standard oder Netzwerk wächst, je größer 125  Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  43; Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  82; Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, S.  236 f. 126  Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  43. 127  Höppner, Netzstruktur, S.  32. 128  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  101 ff. 129  So überzeugend Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  50. 130  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  48. 131  Ausführlich zu weiteren externen Effekten von Eisenbahnnetzen Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  4 4 ff.: Umweltschutz, Staukosten, Verkehrssicherheit. 132  Berndt, Anreizregulierung, S.  36. 133  Weiterführend Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 294. Anders kann dies bei positiven externen Effekten sein; vgl. Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  48. 134 Vgl. Frenz, Emmissionshandelsrecht, §   1 TEHG Rn.  1: kostengünstiges marktwirtschaftliches Instrument zur Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasemissionen durch Einbeziehung des Hauptemittenten. 135  Diese können ein „virtuelles Netz“ begründen; vgl. Blankart/Knieps, JNPÖ 11 (1992), 73, 74 ff.; Immenga/Mestmäcker/Möschel, §  19 GWB Rn.  184. 136  Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, S.  2 29.

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dessen Nutzerzahl wird.137 Sie können zum Erreichen einer kritischen Teilnehmerzahl und zum Einsetzen von positiven Feedback-Effekten führen. Derartige Netzeffekte liegen etwa beim Telefonnetz vor, wo der Nutzen des Einzelnen steigt, je mehr Nutzer an das Netz angeschlossen sind.138 Sie sind aber auch im Eisenbahnsektor nachweisbar.139 Wird in einem Markt der maximale Nutzen erst mit der weitestgehenden Verbreitung eines bestimmten Systems (Netzes) erreicht, wird sich irgendwann ein System als Standard durchsetzen, sofern die Systeme nicht kompatibel sind, ohne dass dies auf wettbewerbswidrige Praktiken zurückzuführen ist (sog. „Tipping“ oder Kippen des Marktes).140 Das nachfrageseitig ausgelöste Größenwachstum findet dabei ungeachtet der Qualität des Netzwerks statt und kann dazu führen, dass sich ein technisch eigentlich unterlegenes Netz schneller als ein überlegenes Netz entwickelt.141 Der mithilfe von Feedback-Effekten durchgesetzte Standard kann aufgrund seiner Monopolstellung sodann Investitionen und Innovationen anderer Unternehmen behindern, da Komplementärgüter und zusätzliche Dienste vornehmlich für den etablierten Standard angeboten werden (sog. indirekte Netzwerkeffekte).142 Eine Regulierung muss in diesen Fällen für eine Standardisierung sorgen. So kann der Nutzen der einzelnen Teilnehmer und die Gesamtwohlfahrt des Netzwerks im Bereich der Telekommunikation durch eine Netzzusammenschaltungs- und Standardisierungsregulierung erhöht werden.143 Aus diesem Grunde können externe Effekte im TK-Sektor nach dem sog. 3-Kriterien-Test gem. §  10 Abs.  2 TKG – zusammen mit strukturellen Marktzutrittshürden – auch dann eine Regulierungsbedürftigkeit begründen, wenn kein natürliches Monopol vorliegt. Demgegenüber hatte das Vorliegen positiver externer Effekte auf die Monopolisierung des TK-Sektors keinen Einfluss, da sich etwa in den USA schon früh gezeigt hat, dass diesen Effekten durch Zusammenschaltungsverpflichtungen adäquat Rechnung getragen werden kann.144 5. Opportunistisches Verhalten und Hold-up-Problematik Einer effektiven Koordinierung der Märkte kann in den Netzindustrien auch ein opportunistisches Verhalten der Marktteilnehmer entgegenstehen. Wie wir schon gesehen haben, versteht man unter einem opportunistischen Verhalten 137  Katz/Shapiro, AER 75 (1985), 424 ff.; Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  61; Pohlmeier, Netzwerkeffekte und Kartellrecht, S.  29 ff. 138  Holznagel/Bysikiewicz/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, S.  21; Schwalbe/ Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  61. 139  Höppner, Netzstruktur, S.  33. 140  Zimmerlich, WRP 2004, 1260 ff. 141  Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, S.  230. 142  Seiler, Verbraucherschutz auf elektronischen Märkten, S.  230. 143  Berndt, Anreizregulierung, S.  37. 144  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  68.

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

ein Versagen des Marktes, das dadurch hervorgerufen wird, dass die Marktteilnehmer vertragsrelevante Informationen verheimlichen oder verfälschen, bzw. Zusagen und Vereinbarungen im Nachhinein brechen, weil sie sich davon Vorteile versprechen. Die hierdurch begründete Gefahr einer Verzerrung des Leistung-Gegenleistung-Verhältnisses ist umso größer, je komplexer und längerfristiger die Vertragsbeziehungen sind und je höher das Informationsdefizit einer Partei über die Leistungsfähigkeit und -willigkeit der anderen Partei ist.145 Die spezifischen Gefahren der Netzindustrien resultieren aus dem hohen technischen Koordinierungsbedarf, der Langlebigkeit und Spezifität der Investitionen und den daraus resultierenden Anreizen für ein strategisches Verhalten.146 In den Netzindustrien sind etwa die Netz- und die Diensteebene miteinander zu koordinieren, weil schon ein kurzfristiges Versagen der Netze schwerwiegende Folgen für die Diensteebene haben kann, sei es durch einen Stromausfall, durch das Fehlen von Telefonverbindungen oder durch Zugausfälle. Darüber hinaus hängt die Funktionsfähigkeit des Netzsektors von Steuerungs- und Überwachungsleistungen ab, den sog. Systemdienstleistungen, die sowohl die Netz- als auch die Diensteebene beeinflussen und deshalb zwingend zentral durchzuführen sind. Ein bekanntes Beispiel ist die Trassenzuweisung für Eisenbahnen.147 Bereits der hohe Koordinierungsbedarf begründet für beide Marktseiten Anreize zu einem opportunistischen Verhalten, sei es auf Seiten der Netzbetreiber, die ihr Angebot für Dritte zu Gunsten der eigenen Dienstesparte einschränken können, sei es von nicht mit den Netzbetreibern verbun­ denen Nachfragern von Netzdiensten, die damit drohen können, die Vertragsbeziehung zu beenden oder den Vertrag nicht zu erfüllen, obwohl der Netz­ betreiber bereits vertragsspezifische Investitionen getätigt hat (Problem des „hold-up“).148 Aus den vorstehenden Umständen erklärt sich das Interesse von Anbietern am Abschluss von langfristigen (Liefer-)Verträgen.149 Diesen positiven Wirkungen stehen jedoch die negativen Wirkungen (über)langer Verträge auf Wettbewerber und Anbieter anderer Marktstufen gegenüber.150 In den 145 

Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 12. Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  12 ff. 147  Höppner, Netzstruktur, S.  34. Nach Ansicht des EuGH umfasst die Trassenzuweisung (das Verfahren zur Zuweisung der Fahrwegskapazität) Tätigkeiten administrativer Art, die insbesondere die Planerstellung, die Festlegung des Netzfahrplans und die sog. Ad-hoc-Zuweisung einzelner Zugtrassen, den sog. Gelegenheitsverkehr betreffen, konkret „die einmal pro Kalenderjahr erfolgende Netzfahrplanerstellung, die Ad-hoc-Zuweisung einzelner Zugtrassen und die Koordinierung der beantragten Trassen zur bestmöglichen Erfüllung aller Erfordernisse bei der Zusammenarbeit zur effizienten Zuweisung von Fahrwegkapazität“; vgl. EuGH v. 28.2.2013 – C-473/10, BeckRS 2013, 80421 Rn.  41 – Kommission/Ungarn; Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647. 148 Siehe dazu im Verhältnis zwischen Regulierer und reguliertem Unternehmen auch Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 95. 149  So zutreffend Höppner, Netzstruktur, S.  34. 150 Dazu Säcker/Jaecks, Langfristige Energielieferverträge, S.  13 ff. 146 

B. Ökonomische Regulierungsgründe

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Netz­industrien kann es – was die gegenwärtige Debatte über die Rekommunalisierung der Wasserversorgung bzw. der Energienetze zeigt151 – auch schon bei der Verlegung der Infrastruktur zu einem opportunistischen Verhalten kommen.152 Wie wir gesehen haben, erfolgt der Transport von Energie und Wasser ebenso wie die Erbringung von Eisenbahnleistungen und zum Teil auch die Telekommunikation über feste Leitungswege.153 Zur Verlegung und zum Betrieb der Leitungen sind die Netzbetreiber bzw. Versorgungsunternehmen deshalb regelmäßig auf die Nutzung öffentlicher Verkehrswege angewiesen.154 Die Gemeinden entscheiden somit durch den Abschluss von Wegenutzungsverträgen, missverständlich auch als Konzessionsverträge bezeichnet, wer das örtliche Netz betreibt.155 Diese Inflexibilität der Nachfrager nach Wegenutzungsrechten können die Kommunen dazu benutzen, einen Teil des mit den Netzen erwirtschafteten Nutzens abzuschöpfen.156 Der Gesetzgeber ist der Gefahr eines derartigen „hold-up“ durch die Kommunen im Energiewirtschaftsrecht deshalb durch die §§  46, 48 EnWG i. V. mit der Konzessionsabgabenverordnung entgegengetreten, die Vorgaben an eine wettbewerbliche Vergabe von Wegenutzungsverträgen und die Ausgestaltung der Verträge, insbesondere für die Höhe der „Konzessionsabgaben“ enthalten. 6. Asymmetrische Information Schließlich kann eine sektorspezifische Regulierung von Märkten zur Herstellung symmetrischer Informationsbeziehungen indiziert sein.157 „Asymmetrische Information“ kennzeichnet eine Situation, in der ein Transaktionspartner (oder die Regulierungsbehörde im Verhältnis zum regulierten Unternehmen158) nur unvollständige Informationen besitzt.159 So kennen Verbraucher die von ihnen erworbenen Güter oder Dienstleistungen sowie die Bedingungen eines abzuschließenden Vertrages regelmäßig weniger gut als die jeweiligen Anbieter. In 151 

Siehe dazu Teil 2 F. III. So – nicht auf die Rekommunalisierung bezogen – Höppner, Netzstruktur, S.  35. 153 MünchKommBGB/Stresemann, §  95 BGB Rn.  26; Mahne, Eigentum an Versorgungsleitungen, S.  89 und öfter. 154  BGH v. 11.11.2008 – KZR 43/07, WuW/E DE-R 2581, 2584 Rn.  17 – Neue Trift, wonach „für die Verlegung von Versorgungsleitungen im Hinblick auf die ansonsten damit verbundenen Nutzungseinschränkungen in erster Linie öffentliche Wegegrundstücke in Betracht kommen.“ 155  Siehe zum Zusammenhang zwischen Konzessionsvergabe und Netzbetrieb statt anderer den gemeinsamen Leitfaden von BKartA und BNetzA zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 15.12.2010, ZNER 2011, 153, 154 Rn.  18; Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  19. 156  Höppner, Netzstruktur, S.  35. 157  Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 11; Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 433. 158 Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 29. 159  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  48 f. 152 

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

vielen Fällen akzeptieren sie Vertragsklauseln gleichwohl, da es sich „nicht lohnt“, diese vorab durchzuarbeiten, geschweige denn einer rechtlichen Überprüfung zu unterziehen („rationales Desinteresse“). Können die gravierenden Informationsdefizite nicht durch den Marktprozess selbst oder durch eine Vorab-Verbraucherinformation behoben werden, ist deshalb eine staatliche Regulierung indiziert.160 Im Privatrechtsverkehr verhindern die §§  305  ff. BGB, dass Unternehmen in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen die Rechte des Kunden unangemessen beschneiden. Das kann zu einer ineffizienten Ressourcenallokation oder zur Benachteiligung schlechter informierter Marktteilnehmer führen (sog. „adverse Selektion“ und „moral hazard“).161 Die Vorschriften des AGBRechts beugen damit zugleich Wettbewerbsverfälschungen vor, indem sie im Sinne des §  4 Nr.  11 UWG „im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten“ regeln.162 In den Netzwirtschaften kann bereits die technische Komplexität der Infrastrukturleistungen Informationsdefizite zu Lasten der Netznutzer auslösen.163 Auch im Rahmen der Netzentgeltregulierung ergeben sich Informa­ tionsprobleme zwischen der Regulierungsbehörde als „Prinzipal“ und den regulierten Unternehmen als „Agenten“,164 die mit einer Anreizregulierung anstelle einer Einzelentgeltgenehmigung behoben werden können.165 Demgegenüber kann dem Informationsdefizit der Diensteanbieter hinsichtlich der technischen Parameter der Dienstestruktur durch Standardisierung oder Offenlegung der Schnittstelleninformationen begegnet werden.166 Zu den für alle Regulierungsregime konstituierenden Elementen gehören deshalb Pflichten der Netzbetreiber zur Veröffentlichung zugangsrelevanter Daten, insbesondere der Zugangsbedingungen.167 Dies ist vorliegend nicht vertieft zu behandeln.

160 

Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 12. Siehe Teil 4 D. II. 3. 162 MünchKommBGB/Basedow, §  306 BGB Rn.  37; siehe auch BGH v. 31.3.2010 – I ZR 34/08, GRUR 2010, 1117 – Haftungsausschluss für Mängel bei ebay. 163  Berndt, Anreizregulierung, S.  36. 164  Siehe dazu schon Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  36; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  82. 165 Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 29; zu den Einwänden gegen eine Anreizregulierung im TK-Sektor siehe Säcker/Busse von Colbe, Vor §  27 TKG Rn.  164; Säcker/Groebel, §  32 TKG Rn.  22; Berndt, Anreizregulierung, S.  78 ff. 166  Höppner, Netzstruktur, S.  35. 167  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  31. 161 

C. Normative Regulierungsgründe

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C. Normative Regulierungsgründe Von den vorstehend aufgeführten ökonomisch begründeten Marktversagens­ tatbeständen zu unterscheiden sind normativ-gemeinwohlinduzierte Regulierungsziele.168 Die entsprechende Problematik wird im Schrifttum auch als Gegensatz zwischen wettbewerbsorientierter und sonstiger (meta-ökonomischer) Regulierung thematisiert.169

I. Sicherung des Gemeinwohls Zwar gilt im Regulierungsrecht als übergreifende Prämisse, dass Gemeinwohlbelange grundsätzlich auf der Basis eines unverfälschten Wettbewerbs zu verfolgen sind, weshalb die Regulierung primär die effektive Beseitigung von Wettbewerbsblockaden durch marktmächtige Unternehmen zu sichern hat.170 Der Staat kann mit der Regulierung in Ausübung seines weiten, nur durch die Verfassung begrenzten Ermessens jedoch auch unmittelbar sonstige meta-ökonomische Gemeinwohlziele verfolgen, seien diese sozialpolitisch oder wohlfahrtsökonomisch begründet. Während ein ökonomisches Marktversagen somit dazu führt, dass ein uneingeschränkter Wettbewerb zwar erwünscht, aber nicht realisierbar ist, führen meta-ökonomische gemeinwohlinduzierte Regulierungsgründe unter Umständen dazu, dass die Ergebnisse eines uneingeschränkten Wettbewerbs (bzw. genau genommen dessen Ergebnisse) als nicht wünschenswert erscheinen, da sie die sonstigen gemeinwohlrelevanten Ziele nicht erreichen oder jedenfalls erschweren.171 So entspricht eine pareto-optimale Ressourcenallokation nicht immer den ethischen, politischen und sozialen Vorstellungen des Gesetzgebers und/oder der Bevölkerung, weshalb der Gesetzgeber den als wünschenswert angesehenen Wettbewerb „politisch modelliert“.172 Aus ökonomischer Sicht handelt es sich bei einer solchen Korrektur um eine demokratisch legitimierte Form des Staatsversagens.173 Als Beispiel kann die Erzielung von Verteilungsgerechtigkeit dienen,174 sofern diese nicht über den Marktmechanismus zu erzielen ist. Diskutiert wird derzeit auch die Errichtung einer politisch gewollten Infrastruktur bestimmter Qualität (zum Beispiel eine Breitband-Internet-Grundversorgung mit 50 Megabit pro Sekunde).175 Politisch intendierte Regulierungen „gegen den Markt“ können auch in der Bereit168  Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 431; siehe zum Begriff des Gemeinwohls bereits Teil 1 A. III. 2. 169  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 14; Gärditz, AöR 135 (2010), 251 ff. 170  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  12 und 46. 171  Höppner, Netzstruktur, S.  31. 172  Höppner, Netzstruktur, S.  36. 173 So Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  10. 174  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  51. 175  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  51.

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

stellung von meritorischen Gütern und dem Verbot demeritorischer Güter gesehen werden; denn wenn man davon ausgeht, dass die Präferenzen der Individuen als Grundlage des ansonsten funktionsfähigen Marktprozesses „falsch“ gebildet werden, muss man diese qua politischem Werturteil durch die „richtigen“ Präferenzen ersetzen, um ein Ergebnis „gegen den Markt“ zu erzielen (Problem des Paternalismus).176 Im allgemeinen Vertragsrecht entsprechen einem solchen Ansatz Regelungen, die über die Sicherung einer chancengleichen vertraglichen Einigung hinausgehende Zwecke verfolgen.177

II. Sicherung der material-chancengleichen Selbstbestimmung Aus zivilistischer Sicht dient die wettbewerbsfördernde Regulierung netzwirtschaftlicher natürlicher Monopole bzw. marktmächtiger Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten, die keinem aktuellen oder potenziellen (Substitutionsgüter-)Wettbewerb ausgesetzt sind, der Kompensation von machtbedingten Gefahren für die individuelle materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer.178 Private Produzenten netzwirtschaftlicher Güter sind nicht unmittelbar grundrechtsverpflichtet.179 Durch die privatisierungsbedingte Einschaltung eigennütziger privater Unternehmen in die öffentliche Aufgabenerfüllung180 wuchs somit die Gefahr, dass private „Machtpositionen begründet“ und „Macht­ungleichgewichte befördert“ werden.181 Das galt in besonderem Maße dort, wo die Wirtschaftstätigkeit auf einem natürlichen Monopol basiert, da hierdurch eine besonders starke und persistente Form der Marktmacht begründet wird, die in Kombination mit der Qualifikation der erbrachten Dienstleistungen als solche der Daseinsvorsorge ein weitreichendes Ausbeutungspotenzial in sich bergen kann.182 Um den hierdurch bewirkten Gefahren für einen 176  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  51; Fehling/Ruffert/Leschke, Regulierungsrecht, S.  281, 296. 177  Siehe oben Teil 3 D. 178  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 199; Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 684; dagegen BerlKommEnR/Schmidt-Preuß, Bd. 1 Einl. C. Rn.  175; ders., RdE 1996, 1, 6: es gebe „kein Grundrecht auf Durchleitung“; ebenso Seeger, Durchleitung elektrischer Energie, S.  184; differenzierend Papier, in: FS Baur, 2002, S.  209, 218 ff., wonach die Öffnung der durch frühere staatliche Gesetzgebung geschlossenen Märkte Energie, Telekommunikation und Eisenbahn zur Schaffung von Wettbewerb notwendiger Weise mit einer effizienten Ermöglichung von Durchleitungen einhergehe, der konkrete Umfang jedoch eine Frage der Verhältnismäßigkeit sei. 179  Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 160; a. A. Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  196 f. 180  Vgl. hierzu noch ausführlich Teil 7 A. 181 Schuppert/Neidhardt/Trute, Gemeinwohl, S.  329, 330 f. 182  Selbst die tendenziell marktmachtfreundliche Rechtsprechung des frühen 20. Jahrhunderts kontrollierte Daseinsvorsorge-Monopole deshalb über die §§  138, 315 BGB; siehe dazu Teil 3 B. III. Auch heute spielen diese Normen eine wichtige Rolle bei der kompetitiven Bändigung privater wirtschaftlicher Machtpositionen im Wege der Vertragsinhaltskontrolle; siehe Teil 10.

C. Normative Regulierungsgründe

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funktionsfähigen Wettbewerb zu begegnen, muss der Staat deshalb durch eine Rahmengesetzgebung sicherstellen, dass die Versorgungsnetze jedem Nutzungspetenten diskriminierungsfrei, wettbewerbsanalog und transparent zur Verfügung stehen.183 Die wettbewerbsfördernde Regulierung natürlicher Monopole basiert somit einerseits auf den ökonomischen Besonderheiten der Infrastrukturnetze, die eine staatliche Simulierung des Wettbewerbs unabdingbar machen.184 Durch die Herstellung und Gewährleistung eines funktionsfähigen Wettbewerbs in den liberalisierten Märkten für Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen hat sie andererseits eine originär freiheitssichernde Funktion,185 als Ausdruck der staatlichen Schutzpflicht für die material-chancengleiche wirtschaftliche Selbstbestimmung der Bürger.186 Durch die Möglichkeit eines Zugangs zu den Netzen zu angemessenen Bedingungen sichert das Regulierungsrecht zugleich auf Chancengleichheit beruhende Wettbewerbsverhältnisse im Bereich der vor- und nachgelagerten Märkte und dient so den Interessen der Verbraucher und dem freien Wettbewerbsprozess als Institution.187 In einer marktwirtschaftlichen Grundordnung gilt es freilich zu beachten, dass widerstreitende Grundrechtspositionen Privater im wirtschaftlichen Bereich vorrangig über kompetitive Märkte als systemkonforme Koordinationsordnungen auszugleichen sind.188 Eine wettbewerbsfördernde Regulierung hat in einer wertgebundenen Privatrechtsordnung insoweit die Aufgabe, die Funk­ tionsfähigkeit der Märkte zur Sicherung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung aller Marktteilnehmer erstmals herzustellen und/oder dauerhaft zu erhalten.189 Dabei sind auch die Interessen der regulierten Unternehmen an einer freien Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in die Blick zu nehmen,190 wie sie etwa durch die Eigentumsfreiheit, die Berufsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit sowie subsidiär die allgemeine Handlungsfreiheit verbürgt werden.191 Diese Freiheitsrechte schützen jedoch nicht nur die Normadressaten des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts, sondern alle Unternehmen. Das Regulierungsrecht reagiert somit auf ein Konkordanzproblem, wonach der Schutz der wirtschaftlichen Freiheit weder als eine absolute Freiheit marktmächtiger Unternehmen zur Schädigung schwächerer Mitbewerber noch als Schutz ineffizienter Mitbewerber gegen ein Unterliegen im Wettbewerb verstanden werden darf.192 Als ein 183 

245.

184 

Säcker, AöR 130 (2005), 180, 188; Pielow, JuS 2006, 692, 693; Schoch, NVwZ 2008, 241,

Berndt, Anreizregulierung, S.  38. Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 682 f., zur Eisenbahnregulierung. 186  Siehe dazu Teil 2 E. 187  Seeger, Durchleitung elektrischer Energie, S.  186. 188  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 954. 189  So zutreffend Drexl, Wirtschaftliche Selbstbestimmung, S.  298. 190  Di Fabio, ZWeR 2007, 266, 274. 191 BerlKommEnR/Schmidt-Preuß, Bd. 1 Einl. C. Rn.  170 ff. 192  Von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  9 05, 955. 185 

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

Ausdruck dieses Konkordanzerfordernisses kann auch der von der Kommission neuerdings in der Missbrauchskontrolle verwendete „as-efficient-competitor“-Test angesehen werden,193 sofern man dabei wettbewerbskonform auf einen „reasonable efficient operator“ abstellt (sog. Konzept des REO).194 In den Netzwirtschaften hat bei der Abwägung der beiderseitigen Grundrechtspositionen der Umfang der eigenen Leistungen im Rahmen der Begründung der eigenen Rechtsstellung eine besondere Relevanz.195 Der grundrechtliche Schutz ist somit umso geringer, je mehr der Aufbau des Eigentums auf hoheitlichen Privilegien wie Monopolrechten oder auf Subventionen beruhte. In den Netzsektoren ermöglichte erst die Freistellung vom Wettbewerbsrecht bis in die 1990-Jahre, die Netze durch Erwirtschaftung von Monopolrenditen aufund auszubauen.196 Dieser Umstand kann zwar einen Eingriff in das Eigentumsgrundrecht nicht isoliert rechtfertigen, da die Normadressaten und ihre Gesellschafter auch nach der Öffnung der Netzsektoren für den Wettbewerb Investitionen getätigt haben, die schutzwürdig sind.197 Auch haben sie in den Monopolzeiten kein belastetes, sondern legales, von der Rechtsordnung geschütztes Eigentum erworben.198 Die vorgenannten Aspekte sind jedoch dazu geeignet, die besondere Sozialpflichtigkeit des Eigentums an den Netzen zu unterstreichen.199 Denn ein allgemeiner und diskriminierungsfreier Netzzugang ist eine unerlässliche Bedingung für einen effektiven Binnenmarkt, mit positiven Auswirkungen auf die Verwirklichung der Grundrechte der Wettbewerber und den Schutz des freien Wettbewerbs.200

193  Siehe zur sog. Kosten-Preis-Schere (besser: Margenbeschneidung) EuGH v. 14.10.2010 – C-280/08, GRUR Int 2011, 405 – Deutsche Telekom; EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, EuZW 2011, 339, 342 Rn.  31 und passim – TeliaSonera; krit. zum „as efficient competitor“-Test Fuchs, in: FS Möschel, 2011, S.  241 ff., insb. S.  258: Berücksichtigung der Kostenstruktur des Marktbeherrschers und nicht seiner kleineren aktuellen oder potenziellen Konkurrenten; Vernachlässigung der dynamischen Komponente der Marktentwicklung. 194  Zum REO im Gegensatz zum EEO („equaly efficient operator“) vgl. Cadman, Intermedia 39/2011, 24 ff. 195  Zum deutschen Recht siehe Kühling, in: FS Säcker, 2011, S.  783, 792. 196  Zur Problematik des Ownership-Unbundling siehe Säcker, Der Independent System Operator, S.  23. 197  Kühling, in: FS Säcker, 2011, S.  783, 797. 198  Papier, in: FS Baur, 2002, S.  209, 218; Storr, EuZW 2007, 232, 236; Mayen/Karpenstein, RdE 2008, 33; Kühling, in: FS Säcker, 2011, S.  783, 797. 199  Siehe auch die zum TK-Recht ergangene Entscheidung des BVerfG v. 14.3.2006 – 1 BvR 2087/03 u. a., BVerfGE 115, 205, 229 Rn.  118 ff. 200  Storr, EuZW 2007, 232, 236; zum deutschen Recht siehe auch Kühling, in: FS Säcker, 2011, S.  783, 796.

D. Auflösung von Zielkonflikten

543

D. Auflösung von Zielkonflikten Ein sektorspezifisches, machtbegrenzendes Recht der Wettbewerbsförderung steht in keinem unüberbrückbaren Gegensatz zu staatlichen Gemeinwohlzielen.201 Aus dem Blickwinkel der staatlichen Gemeinwohlorientierung bildet es vielmehr ein Regelungssystem, das über den Schutz der individuellen Handlungsfreiheiten mittelbar zur Gemeinwohlerfüllung beiträgt, im Sinne eines „gestuften Gemeinwohlverständnisses“.202 Indem die Individuen im Rahmen der rechtlichen Rahmenordnung von ihren Freiheitsrechten Gebrauch machen, werden automatisch Gemeinwohlziele wie die bestmögliche Versorgung der Verbraucher mit Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, eine technische Entwicklung nach ihren Präferenzen sowie der Schutz einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung erreicht.203 Es gilt somit ein Primat der „Daseinsvorsorge durch Wettbewerb“.204 Aufgrund der negativen historischen Erfahrungen mit einer Leistungserbringung durch staatlich geschützte Monopolunternehmen ist im Grundgesetz das Primat einer Erbringung netzbasierter Güter und Leistungen über wettbewerblich organisierte Märkte in den Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen festgeschrieben.205 Den Staat trifft dafür eine Gewährleistungsverantwortung, die sich insbesondere als Markt-Regulierungsverantwortung äußert. Hinzu treten sonstige gemeinwohlinduzierte Pflichten wie die Sicherstellung einer ausreichenden Grundversorgung in Gestalt sog. Universaldienstpflichten, sofern die entsprechenden Güter und Dienstleistungen nicht über den Markt erbracht werden.206 Die Regulierung der Netzwirtschaften verfolgt damit „komplementäre und konkurrierende Ziele“, 207 da sie nicht nur einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb schaffen und sicherstellen will, sondern subsidiär auch meta-ökonomische Gemeinwohlziele wie die Errichtung einer bestimmten Infrastruktur oder die Einhaltung hoher Umweltstandards verfolgt. Aus dieser „Multifunk­ tionalität des Regulierungsauftrages“ können sich Zielkonflikte mit der aus den ökonomischen Marktversagenstatbeständen abgeleiteten wettbewerbsorientierten Regulierung der Netze ergeben.208 Es wäre jedoch nicht überzeugend, wollte man den Regulierungsauftrag der Wettbewerbsförderung als unvereinbar mit sonstigen Gemeinwohlzielen wie dem Umweltschutz ansehen. Aus der 201 Siehe in Zusammenhang mit der geltenden Wirtschaftsverfassung bereits Teil 2 C. bis E. 202  Kersten, VVDStRL 69 (2010), 280, 291. 203 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 44 f. 204  Siehe Teil 1 A. III. 4. 205  Siehe Teil 2 F. 206  Siehe Maunz/Dürig/Möstl, Art.  87f GG Rn.  84 sowie Teil 1 A. III. 3. 207  So die Beschlüsse des 66. DJT 2006, Bd. 2/1 O, S.  142. 208  Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 431; Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netz­ industrien, S.  37, 39 ff.

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

wettbewerblichen Organisation der Netzinfrastrukturen folgt vielmehr, dass sich sonstige (politisch gesetzte) öffentliche Interessen so weit wie möglich in das – durch die unionsrechtlichen Grundfreiheiten und das Wettbewerbsrecht marktwirtschaftlich strukturierte – „Koordinatenkreuz des Wettbewerbs“ einpassen müssen.209 Anstelle einer politisch gesteuerten Leistungserbringung tritt eine „entpolitisierte Leistungserbringung über den Markt“ in einem regulatorisch strukturierten Wettbewerbsrahmen (Ordoliberalismus; Ordnungsökonomik).210 Sofern der Gesetzgeber in den Netzwirtschaften nicht-wettbewerbliche Gemeinwohlbelange verfolgt, sind diese also soweit möglich mittels markt­konform ausgestalteter Instrumente zu ermöglichen.211 Das gilt für alle als gemeinwohlorientiert eingestuften Regulierungsziele wie die „möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit“212 mit netzgebundenen Gütern. Auch der Umweltschutz kann – bei Wahl des zutreffenden Instruments – mit marktlichen Mitteln befördert werden. Hieran knüpft die aktuelle Diskussion über die Marktintegration der Förderung erneuerbarer Energien an.213 Paradigmatisch für die Erbringung von Gemeinwohldiensten über den Markt ist das schon einleitend thematisierte Universaldienstmodell, das die flächendeckende Versorgung der Verbraucher mit (infrastrukturbasierten) Diensten von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sicherstellen soll.214 So erbringt die Deutsche Telekom als Incumbent die Telekommunikations-Universaldienstleistungen im Sinne des §  78 Abs.  2 TKG bislang faktisch über den Markt, ohne dass ihr eine entsprechende Verpflichtung durch die BNetzA auferlegt wurde (vgl. §  150 Abs.  9 TKG). Ein (auf einer Entscheidung des Gesetzgebers basierendes) Versagen des Marktes ist somit in Deutschland bis dato noch gar nicht eingetreten; die Universaldienstleistungen werden im TK-Bereich vielmehr über den Markt sichergestellt.215 Allerdings kann es Fälle geben, in denen ein funk­ tionsfähiger Markt die Versorgung der Bevölkerung mit leitungsgebundenen Gütern nicht vollständig sicherstellen kann, zum Beispiel wenn ein besonders hohes Niveau an Universaldienstleistungen gefordert wird. Auch kann ein Teil der Bevölkerung nicht in der Lage sein, die Versorgung zu bezahlen, sofern Größenvorteile bei den Netzen dazu führen, dass die Kosten für eine Leitungsverlegung in ländlichen Regionen höher sind als diejenigen in der Stadt. In diesen Fallgestaltungen liegt aus ökonomischer Sicht kein Marktversagen vor, da 209 

Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  46. So wiederum Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  46 und 81. 211  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  46. 212  So die Formulierung von §  1 Abs.  1 EnWG. 213  Siehe dazu Haucap/Klein/Kühling, Marktintegration erneuerbarer Energien, S.  1 ff. 214 Siehe Immenga/Mestmäcker/Mestmäcker/Schweitzer, Art.   106 AEUV Rn.  10 sowie oben Teil 1 A. III. 3. b). 215 Säcker/Mager, Vor §  78 TKG Rn.  11, §  78 TKG Rn.  2 f. und §  81 TKG Rn.  4. 210 

E. Zwischenergebnis: Primat der Wettbewerbsförderung

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die Allokation der Ressourcen effizient (pareto-optimal) ist.216 Dieses Resultat funktionsfähigen Wettbewerbs kann aus Sicht des Gesetzgebers und/oder der Bevölkerung gleichwohl als unzureichend empfunden werden.217 Um eine solche Unterversorgung der Bevölkerung auf dem Land oder sozial nicht verträgliche Preisunterschiede zu vermeiden, kann sich der Gesetzgeber deshalb veranlasst sehen, den Universaldienstmechanismus gem. den §§  78 ff. TKG in Gang zu setzen und den durch die Regulierung angestoßenen Marktprozess durch eine möglichst wettbewerbsneutrale Ausgestaltung des Universaldienstes und seiner Finanzierung zu ergänzen (nicht zu ersetzen).

E. Zwischenergebnis: Primat der Wettbewerbsförderung Die Netzsektoren sind von einem strukturellen Marktversagen geprägt, das aus ökonomischer Sicht vor allem aus dem Charakter der Netze als natürliche Monopole bzw. aus strukturellen/rechtlichen Marktzutrittsschranken resultiert, die zu marktmächtigen Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten führen. Eine Regulierung kann zusätzlich mit Gemeinwohlerwägungen wie dem Schutz der Umwelt oder der Sicherstellung einer flächendeckenden und erschwinglichen Grundversorgung der Bürger begründet werden. Die letzt­ genannten Ziele stehen nicht automatisch im Gegensatz zum Ziel der Wett­ bewerbsförderung. Vielmehr gilt in den Netzwirtschaften ein Primat der ­Verfolgung von Gemeinwohlzielen über den Wettbewerb; denn in einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist eine sektorspezifische Regulierung mit wettbewerblicher Steuerung von Angebot und Nachfrage mit möglichst geringer Eingriffstiefe und mit wettbewerbsförderndem Ziel durchzuführen. 218 Solange deshalb etwa ein Universaldienst über den Markt möglich ist, gibt es keine regulierungstheoretische Rechtfertigung für einen staatlichen Eingriff in den Marktmechanismus (§  150 Abs.  7 TKG). Ein solcher wäre aber dann notwendig, wenn der Gesetzgeber die Leistungen der Grundversorgung (§  78 Abs.  2 TKG) so ambitioniert definierte, dass eine erschwingliche Erbringung über den Markt nicht mehr möglich wäre bzw. ein Defizit entstünde.219 Ein Zielkonflikt zwischen wettbewerblicher und sonstiger (politisch gesetzter) gemeinwohlorientierter Regulierung ließe sich gänzlich umgehen, wenn man den Begriff des Wettbewerbs – gleichsam dialektisch – selbst auf die durch das Regulierungsrecht verfolgten sonstigen Gemeinwohlziele ausrichtete.220 216 

Höppner, Netzstruktur, S.  36. Berndt, Anreizregulierung, S.  37. 218  Säcker, WiVerw 2/2010, 101; a. A. Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 385. 219  Dieses hat die jeweilige nationale Regulierungsbehörde festzustellen. 220 Dagegen überzeugend Berndt, Anreizregulierung, S.   39; siehe bereits Säcker, Zielwandlungen, S.  63 f. 217 

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Teil 6:  Grundlagen der Regulierung der Netzsektoren

Wie gezeigt wurde, ist eine solche (Um-)Interpretation der primär freiheitsbezogenen Ziele des Wettbewerbsschutzes mit dem geltenden Recht unvereinbar.221 Zwar haben die Regulierungsbehörden im Rahmen ihrer Regulierungsentscheidungen auch Gemeinwohlziele wie die Wahrung der Nutzer- und Verbraucherinteressen zu berücksichtigen.222 Sie sind dabei jedoch – ebenso wie im Wettbewerbsrecht, wo der Verbraucherschaden kein zwingendes Tatbestandsmerkmal der Art.  101 Abs.  1, 102 AEUV ist – an die Vorgaben der jeweiligen Kompetenzgrundlage gebunden. Dieses rechtsstaatlich gebotene Erfordernis soll der Gefahr begegnen, dass die „Eigenrationalität des auf Herstellung von Wettbewerb zielenden Entscheidungsprogramms ihre steuernde Kontur verliert“, indem sie durch eine Vielzahl von inkongruenten Zielvorgaben überlagert wird.223 Somit hat ein wettbewerbsorientierter Regulierungsansatz die Ergebnisse des durch die Regulierung angestoßenen Wettbewerbsprozesses hinzunehmen und nicht im Sinne politisch-gemeinwohlinduziert gewünschter Ergebnisse umzuinterpretieren.224

221 

Meessen, WuW 2010, 6, 8. Vgl. §  2 Abs.  2 Nr.  1 TKG. 223  Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 431. 224  Dem Gesetzgeber steht es freilich offen, diese Ziele im Rahmen seines weiten Regelungsspielraums über eine gemeinwohlinduzierte Regulierung anzusteuern, wie dies derzeit im Rahmen der Energiewende der Fall ist. 222 

Teil 7

Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung Aufbauend auf den regulierungstheoretischen Erkenntnissen sind nunmehr die einheitlichen Ordnungsstrukturen der Netzinfrastrukturregulierung herauszuarbeiten; denn diese basiert in allen Netzsektoren auf übereinstimmenden materiellen Prinzipien und Maßstäben.1 Demgegenüber kann sich die Opera­ tionalisierung der Maßstäbe aufgrund sektorspezifischer Besonderheiten unterscheiden.2 Wie wir bereits gesehen haben, ist eine wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften zum einen indiziert, wenn ein Markt von einem natürlichen Monopol bzw. von beträchtlicher Marktmacht eines oder mehrerer Unternehmen gekennzeichnet ist.3 Sie wird zum anderen mit politischen Gemeinwohlerwägungen begründet, sofern der Wettbewerb bestimmte meta-ökonomische Ziele wie eine sichere, zuverlässige und umweltverträgliche Versorgung der Bürger mit Gütern der Daseinsvorsorge nicht ausreichend erfüllt.4 Bevor wir auf mögliche Formen der Wettbewerbsförderung und das aktuell geltende Netzzugangskonzept blicken, wollen wir uns zunächst einen Überblick über wesentliche Entwicklungslinien der Marktöffnung in den Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Schienenverkehr verschaffen.

1 Vgl. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.   164 ff. und 365 ff.; Kurth/Schmoekel/ Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101 f. Der deutsche Gesetzgeber orientiert sich vornehmlich an den von verschiedenen Generaldirektionen der EU-Kommission entwickelten Richtlinien zum Energie-, TK- und Eisenbahnrecht, vgl. Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  3. De facto stehen der Schaffung eines gemeinsamen Regulierungsgesetzes auch die unterschiedlichen Rechtswegzuständigkeiten entgegen (§  75 Abs.  4 EnWG, §§  40 Abs.  1 Satz 1 VwGO, 13 GVG; siehe dazu Burgi, NJW 2006, 2439, 2443; Säcker/Gurlit, §  137 TKG Rn.  2 ; Hermes/Sellner/Gerstner, §  14 AEG Rn.  221 ff.); denn nach einer Vereinheitlichung würde wohl in der Vergangenheit erworbenes „rechtswegimmanentes Wissen“ verloren gehen. 2  Siehe zur Entgeltregulierung Säcker/Busse von Colbe, Vor §  27 TKG Rn.  17 ff.; Säcker/ Mengering, N&R 2014, 74, 75 ff. 3  Siehe Teil 6. B. III. 4  Siehe Teil 6 C.

548

Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

A. Stand der Marktöffnung I. Problemstellung Die Regulierung der Netzsektoren lässt sich in ihrer heutigen Form am besten durch einen Blick auf ihre historische Entwicklung verstehen.5 Wirtschaftsbranchen, die durch ein strukturelles Marktversagen gekennzeichnet sind, unterlagen als „wettbewerbsrechtliche Ausnahmebereiche“ lange Zeit umfassenden Staatseingriffen auf sämtlichen Märkten (sog. End-to-end-Regulierung).6 Die Regulierung wurde dabei als „Ersatz für Wettbewerb“ angesehen.7 Seit den 1980er Jahren setzte sich in der Wettbewerbs- und Regulierungstheorie zunehmend eine differenzierte Betrachtung durch, wonach monopolisierte Sektoren unter gewissen Bedingungen ihre Zugangsresistenz einbüßen, weshalb auch hier ein Wettbewerb mit seinen positiv machtbegrenzenden und wohlstandsfördernden Funktionen als möglich angesehen wird. 8 Besonders augenscheinlich zeigten sich die Wettbewerbspotenziale in dynamischen Sektoren wie der Telekommunikation, die seit den 1970er Jahren von tiefgreifenden technologischen Veränderungen sowohl auf Netzebene (Weiterentwicklung der Festnetztechnologie, Entwicklung neuer Übertragungswege etc.) als auch auf Diensteebene (Zunahme von Datendiensten wie Telefax, Internet etc.) geprägt war.9 Diese Entwicklung dauert an, wie die gravierenden Veränderungen im Marktdesign durch die schrittweise Entwicklung hochleistungsfähiger Breitbandnetze (NGA-Networks) 10 und die Implementierung des „VDSL-Vectoring“ als Brückentechnologie zeigen.11 Die neue, die Potenziale eines staatlich veranstalteten Wettbewerbs in Teilen der Netzsektoren betonende Sichtweise ging in der Regulierungstheorie mit ei5  Siehe zum „Stand der Marktöffnung“ den guten Überblick bei Berndt, Anreizregulierung, S.  43 ff. (Energie), S.  48 ff. (Telekommunikation) und S.  53 ff. (Eisenbahn). 6  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  3. 7 Siehe Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  25 ff. 8 Wettbewerbspotenziale in den Netzsektoren wurden insbesondere durch Liberalisierungsstrategien in den USA („Reagonomics“) und Großbritannien („Thatcherism“) in Gang gesetzt. Vgl. Haybäck, Verbraucherschutzmodelle, S.  236 mit Fn.  306 und 307; speziell zum Telekommunikationssektor siehe Spulber, JREG 12 (1995), 25 ff.; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  115 ff. 9  Henseler-Unger, WD Sonderheft 2010, 13; siehe ausführlich Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  132 ff. 10  Die EU-Kommission sieht bei der Entwicklung von NGN-Netzen den Ausbau der TAL mit Glasfaserbestandteilen als zentral an; siehe Kommission, Empfehlung 2010/572/EU über den regulierten Zugang zu Zugangsnetzen der nächsten Generation (NGA) v. 20.9.2010, Rn.  11; vgl. dazu Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  50 ff. 11  In wettbewerblicher Hinsicht ist beim VDSL-Vectoring problematisch, dass der Kabelverzweiger nur von einem Unternehmen mit Glasfaser erschlossen werden kann, weshalb der Einsatz der Technologie grundsätzlich allen Unternehmen, nicht nur dem Incumbent, offen stehen muss; vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 66, Rn.  80 ff.

A. Stand der Marktöffnung

549

ner differenzierten Betrachtung der Netzindustrien einher, die zwischen Bereichen mit funktionsfähigem und nicht funktionsfähigem Wettbewerb unterschied.12 Hieran anknüpfend setzten sich im rechtspolitischen Diskurs Privatisierungs- und Liberalisierungsstrategien durch, die das Wettbewerbsversagen durch einen Abbau direkter oder indirekter Einflüsse des Staates auf die potenziell wettbewerbsfähigen Marktstufen beseitigen wollten.13 Demgemäß wurden die Netzsektoren in den letzten Jahrzehnten nicht nur privatisiert, sondern auch durch Beseitigung der Ausschließlichkeitsrechte der Versorgungsunternehmen liberalisiert. Die Liberalisierung konnte jedoch nicht gleichbedeutend mit einer pauschalen Deregulierung sein, da die Netze insbesondere im Energie- und Eisenbahnbereich weiterhin natürliche Monopole blieben.14 Zur Vermeidung eines Marktversagens war deshalb eine (Re-)Regulierung der Netze unumgänglich.15 Die TK-Regulierung knüpft demgegenüber nicht (mehr) an die Eigenschaft der Netze als natürliche Monopole,16 sondern an marktmächtige (SMP-) Stellungen auf regulierungsbedürftigen Märkten an.17 Es handelt sich derzeit somit um keine symmetrische, sondern um eine asymmetrische Regulierung“.18 Einzelne Marktsegmente wie die sog. Teilnehmeranschlussleitung (TAL) oder die Terminierung von Mobilfunkleistungen können jedoch auch dort noch die Voraussetzungen eines natürlichen Monopols erfüllen, wobei dies freilich noch keine hinreichende Bedingung für eine sektorspezifische Regulierung ist.19 Die Formen der Wettbewerbsförderung werden uns noch im Folgenden beschäftigen. Doch zunächst zum Stand der Marktöffnung in der Energiewirtschaft.

12 

Sog. disaggregierter Regulierungsansatz; siehe Teil 7 B. I. 3. Zur Problematik des Staatsversagens siehe Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  369 ff. 14 Zum Energiesektor vgl. Danner/Theobald/Missling, §   23a EnWG Rn.  3; zum Eisenbahnsektor vgl. BNetzA, Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S.  21; Hermes/Sellner/ Hermes, Einf. B AEG Rn.  29 ff. Im Eisenbahnsektor stellt sich die Folgefrage, ob die Monopolstellung ausreichend durch intermodalen Wettbewerb kompetitiv domestiziert wird; vgl. Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  2 f. 15  Henseler-Unger, WD Sonderheft 2010, 13, 14. 16 Dazu Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  2 Rn.  2. 17 Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  4. 18 Spindler/Schuster/Gersdorf, §  9 TKG Rn.  6 ; aufgrund des durch viele Unternehmen betriebenen FTTH-Ausbaus kann sich künftig freilich die Frage nach einer symmetrischen Regulierung stellen, vgl. Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101, 125. 19  Eine Regulierungsbedürftigkeit kann etwa durch wirksamen Substitutionsgüterwettbewerb zu verneinen sein; vgl. Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  13; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  324 ff. 13 

550

Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

II. Energie Die bis zum Jahr 1998 herrschende Ansicht hielt einen freien Wettbewerb in der Energiewirtschaft aufgrund der technisch-wirtschaftlichen Besonderheiten für volkswirtschaftlich schädlich. Dem Interesse an einer sicheren und preisgünstigen Energieversorgung als „Gemeinschaftsinteresse höchsten Ranges“20 könne im jeweiligen Versorgungsgebiet am besten durch ein einziges Unternehmen entsprochen werden, das nicht mit anderen Versorgern konkurrieren müsse.21 Der Gesetzgeber wollte bereits bei der Entwicklung der Infrastruktur sicherstellen, dass das gesamte Staatsgebiet zu einem bestimmten Standard mit Energie beliefert werden kann.22 Um die Koordinierungsprobleme auf der Angebotsseite zu lösen, wurde zudem eine vertikale Integration der Netzbetreiber über die vor- und nachgelagerten Marktstufen als zulässig angesehen.23 Schließlich sollten alle Verbraucher die Leistungen zu gleichen Bedingungen erlangen können („Tarifeinheit im Raum“).24 Hierzu wurde den Versorgungsunternehmen eine Quersubventionierung der entlegeneren Gebiete erlaubt, die höhere Fixkosten pro Anschluss als solche in Ballungsgebieten produzieren.25 Das EnWG 1935 hat die monopolartige Rechtsstellung der Energieversorgungsunternehmen gesetzlich festgeschrieben.26 Als Ausgleich für den fehlenden Wettbewerb wurden diese zwar einer staatlichen Fach-, Investitions- und Preisaufsicht unterstellt.27 So verlangte die Bundestarifordnung Elektrizität (BTOElt) 28 eine vorherige Genehmigung der Tarif(höchst-)preise durch die zuständige Behörde.29 Auch war die Genehmigung theoretisch an den Nachweis gebunden, dass die beantragten Preise in Anbetracht der gesamten Kosten- und Erlöslage bei „elektrizitätswirtschaftlich rationaler Betriebsführung“ erforderlich sind.30 In der Rechtswirklichkeit fand aber keine wirksame Effizienzkon­ trolle statt.31 Es wurde vielmehr eine kostenzuschlagsorientierte Preisregulierung auf der Grundlage vergangenheitsbezogener Ist-Kosten durchgeführt.32 20 

BVerfG v. 16.3.1971 – 1 BvR 52/66 u. a., BVerfGE 30, 292 ff. Baur, RdE 1992, 165, 167. 22  Höppner, Netzstruktur, S.  45. 23  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  25. 24  Siehe dazu noch sogleich für die Telekommunikation, Teil 7 A. III. 25 Vgl. Lecheler, EuZW 1998, 83. 26  RGBl. I 1935, S.  1451; vgl. Baur/Salje/Schmidt-Preuß/Ludwigs, Kap.  6 Rn.  1. 27  §  1 Abs.  1 EnWG 1935. 28  Bundestarifordnung Elektrizität v. 8.12.1989, BGBl. I S.  2 255; siehe auch Badura/Kern, Preisaufsicht, S.  3 ff. 29  Metzger, ZHR 172 (2008), 458, 461. 30  Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  395; die Vorschrift war somit eine spezifische Ausprägung des Konzepts der Gewinnspannenkontrolle, vgl. Engelsing, RdE 2003, 249, 153. 31  Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft, S.   98; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  99. 32  Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  398. 21 

A. Stand der Marktöffnung

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Die BTOElt ist erst zum 1.7.2007 außer Kraft getreten.33 Demgegenüber wurden die Gaspreise für Tarifabnehmer bereits im April 1998 für den Wettbewerb freigegeben.34 Die Energiewirtschaft war bis zum Jahr 1998 durch ein System geschlossener Versorgungsgebiete geprägt.35 So nahm §  103 Abs.  1 GWB 1958 Energieversorgungsunternehmen von der Geltung des Kartellverbots aus. Auf dieser Grundlage bildete sich ein bundesweites Netz von Demarkations-, Konzessions-, Preisbindungs- und Verbundvereinbarungen heraus.36 Um die Herausnahme aus dem Wettbewerbsrecht zu kompensieren, statuierte §  104 GWB 1958 (später: §  103 Abs.  5 EnWG 198037) zwar eine besondere Missbrauchsvorschrift, die zusätzlich zur allgemeinen Missbrauchsregelung des §  22 GWB 1958 anwendbar war.38 Da diese jedoch nicht als Schutzgesetz angesehen wurde, konnten sich die Verbraucher nur mit §  315 Abs.  3 BGB gegen überhöhte Energiepreise wehren.39 Anders als in Deutschland wurde die Marktintegration der Energiewirtschaft in der Europäischen Gemeinschaft zunehmend als wichtiges Ziel erachtet, um langfristig die Versorgungssicherheit zu erhöhen, die Energiekosten zu senken und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu stärken.40 Der europäische Normgeber verpflichtete die Mitgliedstaaten deshalb durch die Binnenmarktrichtlinien für Elektrizität aus dem Jahr 1996 und für Gas aus dem Jahr 1998 zur Öffnung ihrer Märkte.41 Netzbetreiber sollten zudem dazu verpflichtet werden, sich „jeglicher Diskriminierung gegenüber den Netzbenutzern“ zu enthalten.42 Die Energieversorgungsnetze mussten vielmehr durch wirksame Netzzugangsansprüche43 in ein wettbewerblich gesteuertes System überführt werden (Konzept des „third party access“).44 33 Art.   5 Abs.  3 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 7.7.2005, BGBl. I S.  1970. 34  Aufhebung der BTOGas durch Art.  5 Abs.  2 Nr.  4 des Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 24.4.1998, BGBl I, 730. 35  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.   21 f., 454; Salje, NVwZ 1998, 916; siehe zur historischen Entwicklung Baur, RdE 1992, 165 ff.; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  182 ff. 36 Immenga/Mestmäcker/Markert, Anhang 2 GWB Rn.  1; Ridder, Öffentliche Energieversorgungsunternehmen, S.  19 f. 37 Immenga/Mestmäcker/Klaue, 1.  Aufl. 1981, §  103 GWB Rn.  45 und §  104 GWB Rn.  2. 38  Differenzierend Immenga/Mestmäcker/Klaue, 1.  Aufl. 1981, §  103 GWB Rn.  79. 39  Siehe zur unmittelbaren Anwendung BGH v. 2.10.1991 – VIII ZR 240/90, NJW-RR 1992, 183; zur analogen Anwendung auf Monopolisten vgl. RG v. 29.9.1925 – VI 182/25, RGZ 111, 310, 313; BGH v. 10.10.1991 – III ZR 100/90, NJW 1992, 171. 40 Säcker/Säcker, Handbuch zum deutsch-russischen Energierecht, Kap.  1 Teil 1 Rn.  7. 41  Richtlinie 96/92/EG vom 19.12.1996 über gemeinsame Regeln für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl.EG Nr. L 27 v. 30.1.1997; Richtlinie 98/30/EG vom 22.6.1998 über gemeinsame Regeln für den Erdgasbinnenmarkt, ABl.EG Nr. L 204 v. 21.7.1998. 42  Art.  7 Abs.  5 RL 96/92/EG und Art.  10 Abs.  2 RL 98/30/EG. 43  Der Netzzugangsanspruch des §  103 Abs.  5 Satz 2 Nr.  4 GWB a. F. lief in der Praxis leer, vgl. Becker, ZNER 1998, Heft 3, 51. 44  V. Burchard, EuZW 1992, 693 ff.; Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbs-

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

In Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben schuf der deutsche Gesetzgeber das EnWG 1998.45 Zugleich hob er die §§  103, 103a GWB a. F. auf.46 Das EnWG 1998 fügte den Zielen einer sicheren und preisgünstigen Energieversorgung gleichberechtigt dasjenige der Umweltverträglichkeit hinzu.47 Obwohl das Wettbewerbsziel nur mittelbar im Merkmal „Preisgünstigkeit“ zum Ausdruck kam,48 stand das EnWG 1998 ganz im Zeichen einer stärker wettbewerblichen Ausrichtung der Energieversorgung.49 So enthielt es erste Regelungen zum organisatorischen und buchhalterischen Unbundling, um bei vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen eine mittelbare Bevorzugung der Wettbewerbsbereiche50 durch Quersubventionierungen zu vermeiden.51 Anders als in den anderen EG-Mitgliedstaaten, die überwiegend ein System des geregelten Netzzugangs einführten,52 hielt der deutsche Gesetzgeber allerdings an einem System des „verhandelten Netzzugangs“ fest.53 Eine Ex-ante-Regulierung durch eine sektorspezifische Regulierungsbehörde war somit nicht vorgesehen.54 Die Netzbetreiber waren vielmehr dazu verpflichtet, ihre Leitungen anderen Energieversorgern auf vertraglicher Basis diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen.55 Die konkreten Bedingungen für den Netzzugang und die recht, §  18 Rn.  67; Schumacher, Vertikale Integration im Erdgasmarkt, S.  89. Dieses Konzept gilt auch in den anderen regulierten Sektoren; siehe zur Telekommunikation Henseler-Unger, WD Sonderheft 2010, 13, 14; für das Eisenbahnrecht sinngemäß Hermes/Sellner/Suckale, §  2 AEG Rn.  4. 45 Art.   1 des Gesetzes zur Neuregelung der Energiewirtschaft vom 24.4.1998, BGBl. I S.  739. 46  §  103b GWB, geschaffen durch Art.  2 des Gesetzes zur Neuregelung der Energiewirtschaft vom 24.4.1998, BGBl. I S.  739. 47  §  1 EnWG 1998: „Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung mit Elektrizität und Gas im Interesse der Allgemeinheit.“ Dieses war schon damals auf eine Förderung erneuerbarer Energien bezogen, vgl. Salje, NVwZ 1998, 916, 917. 48 BerlKommEnR/Säcker/Timmermann, §  1 EnWG Rn.  6 . 49  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1124; Salje, NVwZ 1998, 916. 50  Die Vokabel Wettbewerbsbereiche darf nicht zum Schluss verleiten, in den entsprechenden Marktstufen bestehe automatisch ein funktionsfähiger, nur der Ex-post-Kontrolle des allgemeinen Wettbewerbsrechts unterliegender Wettbewerb, wie die Wettbewerbsverzerrungen zeigen, die durch die Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien auf der Erzeugungsebene (Unrentabilität von konventionellen Kraftwerken) und auf der Vertriebsebene (Verzerrung der Preissignale an der Strombörse) zeigen. Hieran knüpft u. a. die Diskussion über eine Änderung des Strommarktdesigns an; siehe weiterführend Sachverständigenrat für Umweltfragen, Den Strommarkt der Zukunft gestalten, Eckpunktepapier, S.  3 ff. 51  §§  4 Abs.  4, 9 EnWG 1998. 52  Art.  17 Abs.  4 RL 96/92/EG. 53  Siehe zur Umsetzung in den Mitgliedstaaten Kommission, Erster Benchmarking-Bericht über die Verwirklichung des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktes v. 3.12.2001, SEK(2001)1957; Kommission, Zweiter Benchmarking-Bericht über die Vollendung des Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktes v. 7.4.2003, SEK(2003)448. 54  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1126; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren S.  183. 55  §  6 Abs.  1 EnWG 1998 lautete: „Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen haben an-

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Kalkulation der Netzentgelte legten die „energiewirtschaftlich einschlägigen Verbände“ in Form sog. Verbändevereinbarungen fest.56 Aufgrund der methodischen Schwächen dieser Vereinbarungen konnten die Entgelte jedoch nicht auf ein annähernd wettbewerbsanaloges Niveau gesenkt werden.57 Schon etwas mehr als einen Monat nach Erlass des Energieneuregelungsgesetzes 200358 traten die europäischen Beschleunigungsrichtlinien für elektrischen Strom und Gas in Kraft.59 Diese trugen dem Umstand Rechnung, dass der europäische Gesetzgeber die Umsetzung der Binnenmarktrichtlinien in mehreren Mitgliedstaaten als zu zögerlich erachtete. 60 Die Mitgliedstaaten wurden deshalb zur Errichtung nationaler Regulierungsbehörden verpflichtet, die von den Interessen der Elektrizitätswirtschaft und dem Einfluss der Tagespolitik unabhängig sein mussten. 61 Zum zentralen Aufgabenbereich dieser Regulierungsbehörden gehörte es, die Netzanschluss- und Netzzugangsbedingungen einschließlich der Entgelte für die Übertragung von elektrischem Strom bzw. die Fernleitung von Gas und deren Verteilung entweder im Einzelfall zu bestimmen (Einzelentgeltregulierung) oder die entsprechenden Kalkulationsmethoden und Kriterien vorzugeben (Methodenregulierung); ein „verhandelter Netzzugang“ war also nicht mehr zulässig. 62 Die Richtlinien des Jahres 2003 stellten außerdem verschärfte Anforderungen an die Trennung vertikal inte­ grierter Energieversorgungsunternehmen durch (gesellschafts-)rechtliche und deren Unternehmen das Versorgungsnetz für Durchleitungen zu Bedingungen zur Verfügung zu stellen, die nicht ungünstiger sind, als sie von ihnen in vergleichbaren Fällen für Leistungen innerhalb ihres Unternehmens oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen tatsächlich oder kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden. Dies gilt nicht, soweit der Betreiber nachweist, dass ihm die Durchleitung aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen unter Berücksichtigung der Ziele des §  1 nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Die Ablehnung ist schriftlich zu begründen. §  22 Abs.  4 und §  26 Abs.  2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen bleiben unberührt“; siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, §  18 Rn.  69. 56  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Kurzfassung Rn.  237. 57  Näher Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1126; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  98 ff. 58  Erstes Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts vom 20.5.2003, BGBl I. 2003, S.  686; siehe dazu Wiedemann/Scholz, §  34 Rn.  80; krit. Säcker/Säcker/Boesche, Reform des Energierechts, S.  1 ff. 59  Richtlinie 2003/54/EG v. 26.6.2003 über gemeinsame Regeln für den Elektrizitätsbinnenmarkt, ABl.EG Nr. L 176 v. 15.7.2003; Richtlinie 2003/55/EG v. 26.6.2003 über gemeinsame Regeln für den Erdgasbinnenmarkt, ABl.EG. Nr. L 176 v. 15.7.2003. 60 Vgl. Lecheler/Gundel, EuZW 2003, 621. 61  Die Reichweite von Beurteilungsspielräumen der Regulierungsbehörden werden derzeit vor allem im Post- und im Telekommunikationssektor diskutiert; siehe zum Maßstab der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung das BVerwG v. 29.5.2013 – 6 C.10.11, NVwZ 2013, 1418 Rn.  31 ff.; BVerwG v. 25.9.2013 – 6 C 13.12 u. a., NVwZ 2014, 589 Rn.  32 ff. Die Problematik kommt der Sache nach aber auch im Energiesektor zum Tragen; siehe Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 82 f., gegen OLG Düsseldorf v. 24.4.2013 – VI-3 Kart 60/08, N&R 2013, 219, 220. 62 BerlKommEnR/Säcker, Einl. A Rn.  16.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

operationale Maßnahmen. 63 In Umsetzung der EG-Beschleunigungsrichtlinien trat im Jahr 2005 ein neues EnWG in Kraft. 64 Dieses ergänzte in §  1 Abs.  1 EnWG die Ziele der sicheren, preisgünstigen und umweltverträglichen Energieversorgung um den Verbraucherschutz und die Energieeffizienz. Die Regulierung der Energienetze wurde der BNetzA sowie den Landesregulierungsbehörden übertragen. 65 Sie umfasste neben dem Netzzugang und der Entflechtung nunmehr auch die Netzentgelte. Im Jahr 2009 verabschiedete der europäische Gesetzgeber nach langwierigen Verhandlungen ein drittes, vor allem der europäischen Marktintegration verpflichtetes Richtlinienpaket,66 das – soweit für uns von Interesse – vor allem die Entflechtungsvorgaben für Transportnetzbetreiber verschärfte. Diese wurden im Jahr 2011 in den §§  8 bis 10e EnWG umgesetzt.67 Darüber hinaus verstärkte das Richtlinienpaket den Verbraucherschutz und führte eine neue europäische Regulierungsbehörde ein (ACER), um die Zusammenarbeit der nationalen Regulierungsbehörden sowie eine grenzüberschreitende Kooperation zwischen den Netzbetreibern zu fördern. 68 Im Anschluss an die Reaktorkatastrophe in Fukushima/Japan vom März 2011 entschloss sich der deutsche Gesetzgeber zu einem beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie („Energiewende“). 69 Als zentrales Vehikel dient ihm das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), das aus erneuer­ baren Energien erzeugte Elektrizität preisbezogen fördert, in Form einer ­Anschluss-, Ausbau-, Abnahme- und Vergütungspflicht der nächstgelegenen Netzbetreiber nebst nachgelagertem Ausgleichsmechanismus.70 §  1 Abs.  2 EGG 63  Das ist die Sicherstellung der Eigenständigkeit des Netzbereichs bei der Betriebsführung, um eine kommerziell motivierte Einflussnahme der Muttergesellschaft und ihrer Wettbewerbsbereiche zu verhindern, vgl. Knieps/Weiß/Brunekreeft/Meyer, Fallstudien zur Netz­ökonomie, S.  171, 177. 64  Energiewirtschaftsgesetz vom 7.7.2005, BGBl. I, 1970, 3621; verkündet als Art.   1 des Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts. 65  Die Abgrenzung der Kompetenzen regelt §  5 4 EnWG. 66  Vgl. Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG, ABl.EU 2009 Nr. L 211, S.  55; Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.7.2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG, ABl.EU 2009 Nr. L 2011, S.  94. 67 Dazu Säcker/Mohr, N&R Beilage Heft 2/2012, 1 ff.; BerlKommEnR/dies., §§  8 bis 10e EnWG. Transportnetzbetreiber ist gem. §  3 lit. 31c EnWG jeder Betreiber eines Übertragungs- oder Fernleitungsnetzes. 68  Siehe dazu Lange, RdE 2012, 41 ff. 69  Vgl. Danner/Theobald/Danner, Energierecht, Einl. Rn.  2 2 ff.; siehe auch Müller/Säcker, 20 Jahre Recht der Erneuerbaren Energien, 2012, S.  744 ff. 70 Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG) v. 28.7.2011, BGBl. I S.  1634. Siehe zum Förder- und Ausgleichsmechanismus statt anderer Schneider/Theobald/Schneider, §  21 Rn.  38 ff. Zur Entwicklung des EEG 2012 siehe Reshöft/Schäfermeier/Sailer/Kantenwein, Einleitung EEG Rn.   44; Altrock/Oschmann/

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2012 legt hierzu ambitionierte Ausbauziele für erneuerbare Energien fest.71 Damit zusammenhängend wurde §  1 Abs.  1 EnWG um einen letzten Halbsatz ergänzt, wonach die leitungsgebundene Versorgung „zunehmend auf erneuerbaren Energien“ beruhen soll.72 Um dieses Förderziel zu erreichen, privilegieren die §§  5, 8 ff., 16 ff. EEG 2012 Betreiber von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien durch eine vorrangige Anschluss-, Ausbau und Abnahmepflicht der Netzbetreiber sowie eine garantierte Mindesteinspeisevergütung.73 Eine derartig „preisbasierte Förderung“ sieht sich aufgrund ihrer Marktferne jedoch zu Recht Kritik ausgesetzt: 74 Da die Einspeisetarife gesetzlich fixiert sind, tragen Anlagenbetreiber lediglich das mengenmäßige Risiko, nicht jedoch das typische unternehmerische Risiko, das sich auf Nachfrage-, Wettbewerbs- und Preisentwicklungen sowie auf den technischen Fortschritt bezieht. Dieses wird vielmehr auf Netzbetreiber, Stromverbraucher und konventionelle Stromerzeuger verlagert. Die zunehmende Überförderung einzelner Technologien und Anlagengrößen sowie der dadurch notwendige Ausbau der Energienetze bewirkten außerdem einen starken Anstieg der Preise für „normale Stromverbraucher“.75 Die Ineffizienzen waren so gravierend, dass sie zuweilen als dazu geeignet angesehen wurden, langfristig sowohl den Industriestandort Deutschland als auch den wettbewerbsorientierten Binnenmarkt für Energie in Frage zu stellen.76 Aus diesem Grunde forderte die Kommission im Jahr 2013 eine „kosteneffizientere“ Marktintegration der erneuerbaren Energien.77 Der Theobald/Altrock/Oschmann, Einführung Rn.   1 ff.; BerlKommEnR/Steffens, Einl. EEG Rn.  2 ff. 71 Neben die „mengenbezogenen Ausbauziele“ tritt ein „Integrationsziel“, wonach die durch den Fördermechanismus des EEG 2012 erzeugten Strommengen in das Elektrizitätsversorgungssystem zu integrieren sind, i. S. einer Fortentwicklung und „Transformation“ der bisherigen Energieversorgung; vgl. Altrock/Oschmann/Theobald/Müller/Oschmann, §  1 EEG Rn.  7 und 34. 72 BerlKommEnR/Säcker/Timmermann, §  1 EnWG Rn.  1. 73  Vgl. Altrock/Oschmann/Theobald/Lehnert/Thomas, §  16 EEG Rn.  1. 74  Haucap/Kühling, ET 2013, 41 ff.; weitere Nachweise bei BerlKommEnR/Steffens, Einl. EEG Rn.  13. 75  Als „normale Stromverbraucher“ sollen solche gelten, die nicht selbst privat Strom erzeugen, vgl. Frenz/Wimmers, WiVerw 2014, 30 f. 76  Vgl. auch Säcker, in: EWeRK-Sonderausgabe im Gedenken an Scheer, 2011, S.  27 ff. 77  Kommission, Fortschrittsbericht „Erneuerbare Energien“, S.  14: „In Anbetracht der herausragenden Rolle der finanziellen Förderprogramme beim Ausbau der erneuerbaren Energien und angesichts der zunehmenden Bedeutung (und Kosten) der Nutzung erneuerbarer Energien im Stromsektor sind Anstrengungen zur Reformierung der Förderregelungen dringend erforderlich, um zu gewährleisten, dass sie auf kosteneffiziente, marktorientierte Weise konzipiert werden. [. . . Es ist] zum einen sicherzustellen, dass die Förderregelungen zwecks Berücksichtigung sinkender Technologiekosten regelmäßig und schnell genug angepasst werden und die Reformen die Erzeuger von Energie aus erneuerbaren Quellen in den Energiemarkt integrieren (z. B. durch den Wechsel von Einspeisevergütungen zu Einspeiseprämien oder -quoten und durch Ausschreibungen zur Vermeidung einer Überkompensierung), und um zum anderen dafür zu sorgen, dass Markteingriffe bei Marktversagen Abhilfe schaffen und nicht Marktverzerrungen verstärken oder aufrechterhalten.“

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deutsche Gesetzgeber wollte die Vergütung erneuerbarer Energien bereits im Zuge des EEG 2012 durch die Möglichkeit einer sog. Direktvermarktung nach den §§  33a ff. EEG 2012 stärker an den Markt heranführen.78 Aufgrund der Schwächen dieses Modells soll das in Planung stehende EEG 2014 die Marktintegration nunmehr durch ein sog. Ausschreibungsmodell vorantreiben (§§  53, 85 des EEG-Entwurfs 2014).79 Die Einzelheiten sind hier nicht zu vertiefen.80

III. Telekommunikation Auch die Telekommunikationsbranche war vor Einführung der wettbewerbsorientierten Regulierung von Monopol-Netzbetreibern geprägt, 81 in Deutschland von der damaligen Deutschen Bundespost. 82 Als zentrales ökonomisches Argument für die Monopolisierung des Telekommunikationssektors diente die Eigenschaft der Netze als natürliche Monopole, die zudem durch positive externe Effekte gekennzeichnet waren. 83 Darüber hinaus wurde mit der Sicherung einer flächendeckenden Versorgung der Bürger mit Telekommunikationsdienstleistungen der Daseinsvorsorge argumentiert, die eine originär hoheit­ liche Aufgabe sei. 84 Schließlich sollte Telekommunikation flächendeckend zu

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Siehe dazu Wustlich/Müller, ZNER 2011, 380 ff. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur grundlegenden Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und zur Änderung weiterer Bestimmungen des Energiewirtschaftsrechts, BTDrucks. 18/1304 v. 5.5.52014. 80 Das Unionsrecht ermöglicht den Mitgliedstaaten in Art.   2 Abs.  2 lit. k, 3 Abs.  3 der RL 2009/28 EG (über die Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, ABl.EU Nr. L 140/16 v. 5.6.2009) verschiedene Förderwege zur Erreichung der Ausbauziele gem. Anhang 1 der Richtlinie. Im Ausgangspunkt kommen sog. Einspeisemodelle (Preismodelle) und sog. Quotenmodelle (Mengenmodelle) in Betracht. Erstere sehen eine erhöhte Vergütung von EE-Strom bei gleichzeitiger Abnahmepflicht vor, ggf. kombiniert mit der Möglichkeit einer Direktvermarktung, Letztere geben eine feste Ausbaumenge an EE-Anlagenkapazitäten bzw. Abnahmemengen an EE-Strom vor und überlassen die Preisbildung pro Erzeugungseinheit dem Markt. Als Unterform der Quotenmodelle werden sog. Ausschreibungsmodelle diskutiert. Hiernach wird eine bestimmte Menge von EE-Strom durch eine staatliche Stelle ausgeschrieben und an den geeignetsten Bieter, häufig den preiswertesten, zugeschlagen („Wettbewerb um den Markt“). Näher zu den verschiedenen Fördermodellen Schneider, Liberalisierung der Stromwirtschaft, S.  232 ff.; Allwardt, Europäisiertes Energierecht, S.  263 ff.; Hüttner, Markt- und Systemintegration, S.  63 ff.; Monopolkommission, Sondergutachten 65, Rn.  257 ff.; Frenz/Müggenborg/Ekardt, § Einl. EEG Rn.  29 ff.; Haucap/ Kühling, ET 2013, 41 ff.; BerlKommEnR/Steffens, Einl. EEG Rn.  11 ff. 81 Demgegenüber wurde die Energieversorgung auch durch private Unternehmen erbracht. 82  Berndt, Anreizregulierung, S.  49. Die historische Entwicklung des Telekommunikationssektors wird ausführlich beschrieben von Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  98 ff. 83 Vgl. Spulber, JREG 12 (1995), 25, 31 ff.; Holznagel/Bysikiewicz/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, S.  21; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  58 ff. Siehe zu diesen Regulierungsgründen oben Teil 6 B. III. und IV. 3. 84  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  230 79 

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gleichen und erschwinglichen Preisen möglich sein („Tarifeinheit im Raum“).85 In Umsetzung dieser ordnungspolitischen Grundentscheidung war das Wettbewerbsrecht auf Verträge, Beschlüsse und Empfehlungen der Deutschen Bundespost nach §  99 GWB 1990 nicht anwendbar, soweit die Entgelte und Bedingungen hoheitlich geregelt waren. 86 Die Liberalisierung des Telekommunikationssektors wurde ebenso wie im Energiesektor maßgeblich durch das europäische Recht vorangetrieben.87 Dabei lassen sich vereinfacht vier Entwicklungsphasen unterscheiden: 88 Die erste Phase war seit den 1980er Jahren vornehmlich darauf gerichtet, die ehemals staatlichen bzw. staatlich geschützten Monopole in Wettbewerbsmärkte zu überführen. Die Liberalisierung wurde flankiert durch eine wettbewerbsfördernde Regulierung, in deren Zentrum Zugangsrechte der Wettbewerber zu den Netzen der etablierten Unternehmen standen. In der zweiten Phase der Jahre 1997 bis 1999 wurden die Vorgaben an die Regulierung weiter ausdifferenziert. Hieran schloss sich eine dritte Phase der Konsolidierung der europäischen Telekommunikationsregeln an.89 Diese war zugleich von einem Paradigmenwechsel geprägt, weg von einem reinen Schutz vor Behinderungs- und Ausbeutungs­ missbräuchen des etablierten Unternehmens hin zu einer Förderung eines Netzwettbewerbs gegenüber einem Dienstewettbewerb.90 Dieser Paradigmenwechsel zeigte sich deutlich an der Rückführung der Regulierung der Endkundenmärkte zu Gunsten einer verstärkten Regulierung der Vorleistungsmärkte.91 Die vierte Phase bildet der immer noch gültige überarbeitete europäische Rechtsrahmen für Telekommunikation aus dem Jahr 2009.92 85  Spulber, JREG 12 (1995), 25, 58 ff.; Säcker/Busse von Colbe, Vor §  27 TKG Rn.  75; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  6 4 f. 86 Immenga/Mestmäcker/Immenga, 1.  Aufl. 1981, §  99 GWB Rn.  1 und 23 ff. 87  Grundlegend war das Grünbuch der Kommission zur Telekommunikation v. 30.6.1987, KOM (87) 290 endg. 88  Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  2 Rn.  7 ff.; Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Rn.  1 ff.; ausführlich Säcker/Klotz, Einl. II TKG Rn.  1 ff. 89  Siehe die Rahmenrichtlinie: RL 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, ABl.EG Nr. L 108/33 v. 24.4.2002; die Genehmigungsrichtlinie: RL 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl.EG Nr. L 108/21 v. 24.4.2002; die Zugangsrichtlinie: RL 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung, ABl.EG Nr. L 108/7 v. 24.4.2002; die Universaldienstrichtlinie: RL 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elek­ tronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, ABl.EG Nr. L 108/51 v. 24.4.2002 sowie die Datenschutzrichtlinie: RL 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, ABl.EG Nr. L 201/37 v. 31.7.2002; siehe auch Möschel, MMR 2010, 450 mit Fn.  1. 90  Art.  8 Abs.  1 lit. b und c RL 2002/21/EG; Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 136. 91  Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 137 f. 92  RL 2009/140/EG v. 25.11.2009 zur Änderung der RL 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste, der RL 2002/19/ EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten und zugehö-

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

Der deutsche Gesetzgeber hat ab dem Jahr 1989 begonnen, den Ordnungsrahmen der Telekommunikation zu reformieren und wettbewerblich auszurichten. Die Phasen dieser Reform werden in die Postreformen I bis III unterteilt: 93 Die Postreform I privatisierte das vormalige Staats-Monopolunternehmen Deutsche Bundespost und stellte es unter eine Sonderwirtschaftsaufsicht.94 Zugleich wurde der Markt in den eng begrenzten Bereichen der Telefonendgeräte und Firmennetze für Wettbewerber geöffnet.95 Die Postreform II brachte sodann auch eine Rechtsform- und Aufgabenprivatisierung.96 Die verfassungsrechtliche Grundlage hierfür bildete der neu geschaffene Art.  87f Abs.  2 Satz 1 GG (i. V. mit Art.  143b GG).97 Da das Unionsrecht zum 1.1.1998 die Einführung eines vollständigen Wettbewerbs in der Sprachtelefonie forderte,98 war die Postreform II bis zum 31.12.1997 befristet. Das im Zuge der Postreform III erlassene TKG vom 25.6.1996 (TKG 1996) hob die verbliebenen Monopolrechte der Deutschen Telekom AG auf, insbesondere das Netz- und das Dienstemonopol, und ordnete die vollständige Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte an.99 Allein das Monopolrecht für die Erbringung von Sprachtelefonie bestand bis zum 1.1.1998 fort.100 Trotz der rechtlichen Liberalisierung wurde der Telekommunikationssektor de facto weiterhin vom etablierten Unternehmen beherrscht.101 Aus diesem Grunde enthielt das TKG 1996 bereichsspezifische Regulierungsvorgaben sowohl für die Erbringung von Netzdienstleistungen als auch für Endkundenleistungen. Um eine zureichende Umsetzung des TKG 1996 zu gewährleisten, wurde außerdem die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) errichtet,102 aus der im Jahr 2005 bekanntlich die BNetzA hervorging. rigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung und der RL 2002/20/EG über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste, ABl.EU 2009 Nr. L 337, S.  37; RL 2009/136/EG v. 25.11.2009 zur Änderung der RL 2002/22/EG über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, der RL 2002/58/EG über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation und der VO (EG) Nr.  2006/2004 über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz, ABl.EU 2009 Nr. L 337, S.  11. 93 Siehe ausführlich Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.   236 ff.; Kühling/ Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Rn.  49 ff.; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  107 ff. 94  Art.   1 des Gesetzes zur Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost (Poststrukturgesetz) vom 8.6.1989, BGBl. I, S.  1026. 95  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  108. 96 Gesetz zur Neuordnung des Postwesens und der Telekommunikation: Postneuordnungsgesetz (PTNeuOG) vom 27.6.1994, BGBl. I, S.  2325. 97 Sodan/Haratsch, Art.  87f GG Rn.  1; Gersdorf, WiVerw 2010, 159, 160; ders., N&R Beilage Heft 2/2008, 1, 11 f. 98  Siehe zur Entwicklung des europäischen TK-Rechtsrahmens Säcker/Klotz, Einleitung II TKG Rn.  1 ff. 99  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  236. 100  Siehe §  97 Abs.  2 TKG 1996; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  110. 101  Scherer, NJW 1996, 2953 ff.; Schütz, MMR 2003, 518. 102  Vgl. §  66 TKG 1996.

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Wie wir oben gesehen haben, wurden die europäischen Liberalisierungsvorschriften im Jahr 2002 durch fünf Richtlinien zusammengefasst, wodurch ein allgemeiner Rechtsrahmen für elektronische Kommunikation entstanden ist.103 In Umsetzung derselben trat am 26.6.2004 das TKG 2004 in Kraft, das sich nach vollständiger Öffnung der Märkte auf die Beseitigung faktischer Marktzutrittsschranken konzentrierte.104 Das TKG 2004 bildet immer noch die Grundlage für den derzeit geltenden Ordnungsrahmen, der insbesondere durch eine Annäherung an das allgemeine Wettbewerbsrecht gekennzeichnet ist.105 Nach der durch §  1 TKG 2004 geschaffenen Normzwecktrias sollen durch eine technologieneutrale Regulierung106 sowohl der Wettbewerb im Bereich der Telekommunikation als auch leistungsfähige Telekommunikationsinfrastrukturen gefördert, als auch flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen gewährleistet werden.107 Die Regulierung zielt hiernach erstens darauf ab, spezifische Marktversagenstatbestände des Telekommunikationssektors durch aktive Eingriffe in den Marktprozess zu beheben und Marktstrukturen zu schaffen, durch die sich der Wettbewerb langfristig ohne sektorale Regulierung entfalten kann.108 Sie geht damit über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus, das vorrangig dem Ziel dient, private Wettbewerbsbeschränkungen im Einzelfall zu verhindern.109 In einem engen Zusammenhang mit dem Ziel der Wettbewerbsförderung steht zweitens dasjenige der Förderung leistungsfähiger Telekommunikationsinfrastrukturen.110 Nach dem hierdurch adressierten „Infrastrukturwettbewerb“ sollen für die Transaktionen soweit möglich mehrere physische Infrastrukturen zur Verfügung stehen; denn im Telekommunika­ tionssektor geht man aufgrund der technischen Entwicklung von der Mög­ lichkeit aus, langfristig einen „strukturell gesicherten Wettbewerb“111 zu schaffen.112 Drittens sollen in Umsetzung der entsprechenden Gewährleis103 

Siehe Erw. 1 RL 2002/21/EG. BGBl. I S.  1190 v. 25.6.2004. 105  Vgl. Erw. 27 RL 2002/21/EG sowie Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Rn.  54. 106  Diese zielt anders als die „Netzneutralität“ nicht auf eine diskriminierungsfreie Bewirtschaftung der Netze ab, sondern auf eine Regulierung unabhängig von der verwandten Technologie; vgl. Säcker/Säcker, §  1 TKG Rn.  4. 107  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  175; terminologisch anders Säcker/Säcker, §  1 TKG Rn.  1, der die Ziele der Wettbewerbs- und der Infrastrukturförderung zusammenfasst. 108 Arndt/Fetzer/Scherer/Fetzer, §  1 TKG Rn.  25; ders., Staat und Wettbewerb, S.  176. In einem solchen Fall ist eine sektorspezifische Regulierung nicht mehr gerechtfertigt; vgl. Säcker/Säcker, §  1 TKG Rn.  3. 109 Säcker/Säcker, §  1 TKG Rn.  1. 110  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  177; vgl. auch §  21 Abs.  1 Satz 2 Nr.  4 TKG. 111  Monopolkommission, Sondergutachten 39, Rn.  9. 112 Säcker/Neumann/Thomaschki, §  21 TKG Rn.  97; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  3 Rn.  182; Arndt/Fetzer/Scherer/Fetzer, §  1 TKG Rn.  29; ders., Staat und Wettbewerb, S.  177 f. Siehe dazu noch Teil 7. B. III. Krit. zum Vorrang des Infrastrukturwettbewerbs Monopolkommission, Sondergutachten 40, Rn.  83. 104 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

tungsverpflichtung des Staates flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation sichergestellt werden.113 Die Regelung ist Ausdruck des schon oben thematisierten Zielkonflikts zwischen wettbewerbsfördernd-machtbegrenzender und überindividuell-gemeinwohlorientierter Regulierung.114 Während im Energie- und im Eisenbahnsektor die gesamte Netzinfrastruktur reguliert wird, bezieht sich die Marktverhaltensregulierung im Telekommunikationssektor seit Inkrafttreten des TKG 2004 – basierend auf europarechtlichen Vorgaben115 – auf regulierungsbedürftige Märkte.116 Die Regulierungsbedürftigkeit wird hier somit nicht aufgrund des Vorliegens eines natürlichen Monopols kraft Gesetzes unterstellt, sondern muss durch das besondere Markt­ regulierungsverfahren der §§  9 ff. TKG explizit festgestellt werden. Hieran anknüpfend kann die Regulierungsbehörde dem Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gem. §  13 TKG durch Regulierungsverfügung besondere Verpflichtungen auferlegen.117 Für eine Regulierung kommen nach §  10 Abs.  2 Satz 1 TKG abgegrenzte Märkte in Betracht, die den sog. 3-Kriterien-Test erfüllen, d. h. strukturelle oder rechtlich bedingte Marktzutrittshürden aufweisen, die längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren und auf denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts nicht ausreicht, um dem betreffenden Marktversagen entgegenzuwirken.118 Erst wenn feststeht, dass ein Markt den 3-Kriterien-Test positiv erfüllt, ist in einem weiteren Schritt zu ermitteln, ob ein Unternehmen auf dem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügt (§  11 TKG). Die erste Prüfhürde (der 3-Kriterien-Test) stellt also auf den Markt als ganzen ab, während der 2. Prüfschritt (Marktanalyse, Feststellen beträchtlicher Marktmacht) unternehmensbezogen ist. Allein der letztgenannte Prüfschritt ist identisch mit den Eingriffsvoraussetzungen im allgemeinen Wettbewerbsrecht (Art.  102 AEUV, §  19 GWB).119 Durch die „Vorprüfung“ der Regulierungsbedürftigkeit der Märkte, die diese bei einer Störung nicht automatisch ins „Gleichgewicht“ zurückkehren lässt, ist eine Ex-ante-Regulierung des Unternehmens mit beträchtlicher Marktmacht indiziert.120

113  Vgl.

Säcker/Säcker, §  1 TKG Rn.  5. Vgl. Teil. 6 D. sowie vorliegend Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  180. 115  Erw. 27 sowie Art.  15 f. der Rahmen-RL 2002/21/EG. 116  BT-Drucks. 15/2316 v. 9.1.2004, S.  60; Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  4 ; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  189 mit Fn.  116. 117 Arndt/Fetzer/Scherer/Ruthig, §  2 TKG Rn.  7. 118  Hierbei handelt es sich um „sonstige Regulierungsgründe“ gem. der obigen Klassifizierung, siehe Teil 6 B. IV. 1. 119  Theoretische Bedenken gegen diese Gleichsetzung bei Scheurle/Mayen/Kirchner/Käseberg, §  11 TKG Rn.  74. 120  Sehr ausführlich die ERG, Revised Common Position on the approach to appropriate remedies in the ECNS regulatory framework, Final Version May 2006, ERG (06) 33, S.  28 ff. 114 

A. Stand der Marktöffnung

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Im Jahr 2007 erfolgte eine Novellierung des TKG, da die bisher in der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung enthaltenen Regelungen aus verfassungsrechtlichen Gründen in das TKG integriert werden und der Schutz der Verbraucher vor dem Missbrauch von Mehrwertdiensterufnummern gestärkt werden musste.121 Am 10.5.2012 ist das Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen in Kraft getreten, das das TKG aus dem Jahr 2004 grundlegend novelliert hat.122 Die Neuregelung dient der Umsetzung des europäischen Richtlinienpakets aus dem Jahr 2009, insbesondere der Stärkung der Wettbewerbsentwicklung auf dem europäischen Binnenmarkt und dem Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandnetze im Interesse der Verbraucher und der Wirtschaft.123 Die Einzelheiten sind vorliegend nicht von Bedeutung.124

IV. Eisenbahnen Im Eisenbahnsektor war man aufgrund ökonomischer und verfassungsrecht­ licher Erwägungen lange Zeit der Ansicht, dass die Versorgung der Bürger mit Transportleistungen einem staatlichen Monopolunternehmen obliegen müsse.125 Aus ökonomischer Sicht wurde hierfür auf den Charakter der Schienennetze als nicht angreifbare natürliche Monopole verwiesen.126 Darüber hinaus handle es sich um eine Aufgabe der Daseinsvorsorge, die nicht privaten Unternehmen, sondern dem Staat obliege.127 Vor diesem Hintergrund betrieb die Deutsche Bahn in den ersten Jahren der Bundesrepublik Deutschland fast das gesamte Schienennetz (die „Schienenwege“128) und wickelte auf ihm den Verkehr ab.129 Die zentralen Regelungen hierfür fanden sich im Bundesbahn­ gesetz. Das AEG als Regulierungsgesetz hatte daneben kaum praktische Bedeutung.130 Das Wettbewerbsrecht war bis zur Liberalisierung des Eisenbahn121 

BR-Drucks. 438/05 vom 17.6.2005; vgl. weiter Ladeur, K&R 2008, 265. BGBl. I v. 9.5.2012, S.  958. 123  Regierungsentwurf zur TKG-Novelle, BT-Drucks. 17/5707, S.  1; Kühling/Schall/Biendl, Telekommunikationsrecht, Rn.  57. 124  Vgl. dazu Scherer/Heinickel, NVwZ 2012, 585 ff. 125  Vgl. näher Monopolkommission, Sondergutachten 48, Rn.  2 2 ff.; Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  2 ; Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37. Zur verfassungsrechtlichen Fundierung in Art.  87 Abs.  1 Satz 1 GG a. F. siehe E. Heise, Deutsche Bahn, S.  57 ff. 126 Hermes/Sellner/Hermes, Einf. B. AEG Rn.  29; Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  2. 127 Hermes/Sellner/Hermes, Einf. B. AEG Rn.  19, der von einer Dominanz gemeinwirtschaftlicher Aufgaben spricht. 128  Siehe zur Differenzierung zwischen Netzen und Serviceeinrichtungen Kramer, N&R Beilage Heft 2/2012, 7. 129 Hermes/Sellner/Hermes, Einf. A. AEG Rn.  16 ff. 130  Bundesbahngesetz v. 13.12.1951, BGBl. I S.   955, geändert durch Gesetz v. 28.6.1990, BGBl. I S.  1221. Für die regional tätigen zumeist landeseigenen oder kommunalen „nichtbundeseigenen Eisenbahnen“ sowie die nur auf ihrem eigenen Netz fahrenden privaten Werks122 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

marktes auf Verträge, Beschlüsse und Empfehlungen der Deutschen Bundesbahn und anderer Staatsbahnen nach §  99 GWB a. F. nicht anwendbar, wenn und soweit die Entgelte und Bedingungen hoheitlich geregelt waren.131 Zwar sollte die Deutsche Bahn wie ein Wirtschaftsunternehmen nach kaufmännischen (Effizienz-)Grundsätzen geführt werden (§  28 Abs.  1 Satz 1 BBahnG 1951); in der Rechtswirklichkeit dominierten jedoch die „gemeinwirtschaftlichen Aufgaben“ (§  28 Abs.  1 Satz 2 BBahnG 1951).132 Seit Ende der 1980er Jahre forcierte die Europäische Gemeinschaft eine gemeinsame Verkehrspolitik ihrer Mitgliedstaaten.133 Dieses Unterfangen gründete nicht zuletzt auf den zunehmenden wirtschaftlichen Defiziten europäischer Eisenbahnunternehmen,134 darüber hinaus auch auf vereinzelten nationalen Deregulierungsbemühungen sowie der sog. Untätigkeitsentscheidung des EuGH, in der dieser die Herstellung der Dienstleistungsfreiheit auch bei internationalen Verkehren gefordert hatte.135 Im Zentrum der Liberalisierung stand zunächst die Öffnung des europäischen Eisenbahnverkehrsmarktes für alter­ native nationale und internationale Eisenbahnverkehrsunternehmen.136 Ausgangspunkt war die RL 91/440/EG, die eine organisatorische Trennung der Bereiche Transport und Infrastruktur, die Unabhängigkeit der Geschäftsführung von Eisenbahnunternehmen gegenüber einer staatlichen Beeinflussung sowie eine diskriminierungsfreie Zuweisung von Trassenkapazitäten im grenz­ überschreitenden Schienengüterverkehr vorschrieb.137 In Umsetzung dieser Richtlinie reformierte der deutsche Gesetzgeber den Eisenbahnmarkt durch eine Änderung des Grundgesetzes sowie durch ergänzende Vorschriften (Bahnreform 1994).138 Nach Art.  87e Abs.  3 Satz 1 GG mussten die Deutsche Bahn und die Deutsche Reichsbahn in die Deutsche Bahn AG mit wettbewerbsorientierter Ausrichtung übertragen werden.139 Damit einhergehend wurde der Ordnungsrahmen für die beim Bund verbleibende Eisenbahnverkehrsverwaltung angepasst, was insbesondere durch ein neues AEG und Anschlussbahnen galten die jeweiligen Landeseisenbahngesetze. Siehe Kramer, AEG, Einl. I. 131 Immenga/Mestmäcker/Immenga, 1.  Aufl. 1981, §  99 GWB Rn.  1 und 23 ff. 132 Vgl. Göhringer, Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungsproduktion, S.  18; demgegenüber kritisiert Fehling (Verwaltung, S.  257 ff.) die Pflicht zur kaufmännischen Gewinnerzielung wegen „institutioneller Parteilichkeit“. 133  Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  81. 134 Vgl. E. Heise, Deutsche Bahn, S.  70. 135  EuGH v. 22.5.1985 – Rs. 13/83, Slg. 1985, 1513 ff. – Europäisches Parlament/Rat. 136  Berndt, Anreizregulierung, S.  53. 137  Richtlinie 91/440/EWG des Rates v. 29.7.1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl.EG 1991 Nr. L 237, S.  25; vgl. Hermes/Sellner/Hermes, Einf. B. AEG Rn.  25 ff.; Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  81 ff. Die Richtlinie wurde konkretisiert durch die Richtlinien 95/18/EG und 95/19/EG, vgl. Monopolkommission, Sondergutachten 48, Rn.  1. 138  Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 24. 139  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 10 f.

A. Stand der Marktöffnung

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erfolgte.140 In einem weiteren Schritt wurden unter dem Dach einer Holding mehrere selbstständige Aktiengesellschaften gegründet.141 Zur Sicherung der staatlichen Gewährleistungsverpflichtung statuiert Art.  87e Abs.  4 GG einen Gewährleistungsauftrag für den am Gemeinwohl orientierten Ausbau und Erhalt des Schienennetzes sowie ein entsprechendes Verkehrsangebot.142 Im Zentrum der wettbewerblichen Öffnung des Schienennetzes standen die §§  13 ff. AEG.143 Nach §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG mussten Eisenbahninfrastrukturunternehmen als Zugangsverpflichtete jedem Eisenbahnverkehrsunternehmen die diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahninfrastruktur und die diskriminierungsfreie Erbringung der von ihnen angebotenen Leistungen gewähren.144 Die Einzelheiten des Zugangs waren nach §  14 Abs.  4 AEG a. F. (jetzt: §  14 Abs.  6 AEG i. V. mit den §§  4, 10 EIBV) unter Beachtung der normativ vorgegebenen Maßstäbe zwischen den Zugangsberechtigten und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen vertraglich zu vereinbaren (verhandelter Netzzugang).145 Bei einer Nichteinigung konnte gem. §  14 Abs.  5 AEG a. F. (jetzt: §  14f Abs.  2 AEG) auf Antrag eines der beteiligten Unternehmen das Eisenbahnbundesamt als damals noch zuständige Behörde entscheiden. Die Zugangsregelungen wurden ergänzt durch die buchhalterische Trennung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur und des Erbringens von Eisenbahnverkehrsleistungen gem. §  9 Abs.  1 AEG a. F. In der Folgezeit trieb der europäische Normgeber die sukzessive Öffnung der Märkte für Schienenverkehr weiter voran.146 Von besonderer Bedeutung war das „erste Eisenbahninfrastrukturpaket“ des Jahres 2001.147 Dieses wollte die Sicherheit und Interoperabilität des Schienenverkehrs sowie eine stärkere Integration des Eisenbahnsektors der Gemeinschaft erreichen.148 Vor diesem Hintergrund machte die Änderungsrichtlinie 2001/14/EG Vorgaben für die Auf140  Verkündet als Art.  5 ENeuOG, BGBl. 1993, S.  2378, 2396. Siehe zu den weiteren Gesetzen Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  45. 141  Zuständig für die Verwaltung und den Betrieb der Schienennetze ist seitdem die DB Netz AG, für die Serviceeinrichtungen ist dies die DB Station und Service AG. 142  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  154. 143  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 8; Höppner, Netzstruktur, S.  235. 144  Kirchner, WiVerw 2010, 152, 157; der konkrete Umfang der Ansprüche ist in der Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung („ElBV“) geregelt. 145  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 18 ff.; Hermes/Sellner/Gerstner, §  14 AEG Rn.  2 20. Der verhandelte Netzzugang wird auch als Ex-post-Regulierung bezeichnet, vgl. Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  227 f. 146  Siehe dazu Monopolkommission, Sondergutachten 55, Rn.  89; Monopolkommission, Sondergutachten 48, Rn.  34. 147  Siehe die RL 2001/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.2.2001 zur Änderung der RL 91/440/EG, ABl.EG 2001 Nr. L 75, S.  1 und die RL 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten und die Erhebung von Nutzungsentgelten, ABl.EG 2001 Nr. L 75, S.  29. Siehe Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  91 ff. 148  Erw. 1 und 5 RL 2001/14/EG; siehe auch Monopolkommission, Sondergutachten 48, Rn.  1; Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  32.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

stellung von Schienennetz-Benutzungsbedingungen und legte den Umfang für ein sog. Mindestzugangspaket der Eisenbahninfrastrukturunternehmen fest. Weiterhin waren Regelungen für die Zuweisung von Fahrwegkapazitäten sowie für das Entgelt bei einer Inanspruchnahme des Mindestzugangspakets enthalten.149 Die RL 2001/12/EG normierte Anforderungen an die Organisation, wobei eine stärkere Trennung zwischen den einzelnen Geschäftsbereichen vertikal integrierter Eisenbahnunternehmen sowie die Schaffung von mehr Transparenz hinsichtlich der Nutzungsbedingungen der Schieneninfrastruktur im Vordergrund standen.150 Der deutsche Gesetzgeber hat das erste Eisenbahninfrastrukturpaket mit der dritten AEG-Novelle vom 30.4.2005 umgesetzt.151 Hierdurch wurde der Betrieb der Bahninfrastruktur erstmals einer umfassenden Regulierung unterworfen, auch wenn ihre konkrete Ausgestaltung hinter dem Stand des Energieund des Telekommunikationsrechts zurückblieb.152 Reguliert wurden insbeein­ sondere erstmalig die Zugangsentgelte für Schienennetze und Service­ richtungen.153 Weiterhin wurden die Unbundling-Vorschriften durch die neu gefassten §§  9, 9a AEG verschärft.154 Im Bereich des Netzzugangs differenziert das Gesetz zwischen Betreibern von Infrastruktureinrichtungen, die Serviceeinrichtungen betreiben, und Betreibern von Schienenwegen (§  14 Abs.  1 AEG).155 Letztere müssen nicht nur einen diskriminierungsfreien Zugang zu den von ihnen betriebenen Schienenwegen, sondern gem. §  14 Abs.  1 Satz 3 AEG in der aktuellen Fassung auch die Nutzung der Steuerungs- und Sicherungssysteme ermöglichen. Außerdem sind sie verpflichtet, einen festgesetzten Mindestumfang an Leistungen zu erbringen.156 Zugangspetenten haben gegenüber Betreibern von Schienenwegen demnach nicht nur ein derivatives Recht auf diskriminierungsfreie Teilhabe an den bestehenden Leistungen im Wege des Zugangs, sondern ein darüber hinausgehendes originäres Recht, die Bereitstellung bestimmter Leistungen zu verlangen.157 Der Netzzugangsanspruch wird flankiert durch die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV 2005), wel149 

Ruge, AöR 131 (2006), 1, 8. Bartosch/Jaros, WuW 2005, 15, 17; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  156. 151  Drittes Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27.4.2005, BGBl. I, S.  1138 ff.; dazu Kramer, NVwZ 2006, 26 ff.; Staebe, WuW 2006, 492 ff. 152  Koenig/Neumann/Schellberg, WuW 2006, 139, 140. 153  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  53. 154 Dazu Kramer, NVwZ 2006, 26, 29. 155  Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  143. 156  Der Gesetzgeber hat damit den Kreis der Zugangsverpflichteten materiell unterschiedlich normiert, obwohl beide mögliche Zugangspflichten in der DB Netz AG zusammenfielen; Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  143. 157  Kühling/Ernert, NVwZ 2006, 33, 35; siehe auch Ruge, AöR 131 (2006), 1, 17: für Schienennetzbetreiber „könnte“ nicht lediglich ein Diskriminierungsverbot, sondern ein Bereitstellungsanspruch greifen. 150 

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che die erste Verordnung aus dem Jahr 1997 abgelöst hat.158 Nach §  14 Abs.  4 Satz 1 AEG und §  21 EIBV müssen die Entgelte von Betreibern von Schienenwegen die Kosten zuzüglich einer am Markt erzielbaren Rendite erwirtschaften, die durch die Bereitstellung der Pflichtleistungen entstehen.159 Das Gesetz folgt hiermit auf den ersten Blick einem Vollkostenansatz.160 Allerdings müssen die Entgelte gem. §  14 Abs.  4 Satz 1 AEG und §  21 Abs.  1 EIBV auch leistungsabhängige Bestandteile enthalten und den Eisenbahnverkehrsunternehmen und den Betreibern der Schienenwege Anreize zur Verhinderung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Schienennetzes bieten. Die Liberalisierung des Eisenbahnsektors ist somit im Vergleich mit der Energiewirtschaft und den Telekommunikationsmärkten am wenigsten weit fortgeschritten.161 Dies gilt auch in institutioneller Hinsicht. Zwar wurde die Kontrolle über den Wettbewerb auf der Schiene zum 1.1.2006 auf die BNetzA übertragen.162 Auch wurden die Befugnisse der BNetzA durch §  14e AEG auf eine Ex-ante-Kontrolle in Form eines Widerspruchsrechts nach entsprechender Anzeige ausgeweitet.163 Gleichwohl bleiben diese in materieller Hinsicht erheblich hinter denjenigen des Energie- und Telekommunikationsregulierungsrechts zurück.164 Am 21.11.2012 wurde nach langwierigen Vorbereitungen die konsolidierte Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums erlassen.165 Sie ist nach ihrem Art.  64 bis zum 16.6.2015 in die nationalen Rechte umzusetzen. Aufgehoben werden zugleich nach Art.  65 RL 158 Verordnung über die diskriminierungsfreie Benutzung der Eisenbahninfrastruktur und über die Grundsätze zur Erhebung von Entgelt für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur vom 3.6.2005, BGBl. 2005 I, S.  1566 ff.; dazu Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  160 ff. 159  Die Pflichtleistungen ergeben sich aus §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG i. V. mit §  3 und Anlage 1 EIBV. 160  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 61; Monopolkommission, Sondergutachten 60, Rn.  55; Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  92 f. 161  So zur Rechtslage im Jahr 2009 auch Berndt, Anreizregulierung, S.  59. 162 Die Aufsichtskompetenz lag zunächst allein beim Eisenbahnbundesamt (dazu Bartosch/Jaros, WuW 2005, 15, 21). Aufgrund Art.  2 Nr.  2 des Dritten Gesetzes zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27.4.2005 (BGBl. I, S.  1138 ff.) wurde die BNetzA nach §  14b Abs.  1 AEG i. V. mit §  4 BEVVG zuständig für die Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur (§§  14 bis 14f AEG). 163  Kühling/Ernert, NVwZ 2006, 33, 37: „Zwitterform“ zwischen Ex-post- und Ex-ante-Kontrolle; siehe zur Reichweite der Kontrollbefugnisse der BNetzA das BVerwG v. 29.9.2011 – 6 C 17.10, N&R 2012, 33; BVerwG v. 13. 6. 2012 − 6 C 42/10, N&R Beilage Heft 2/2012, 1 ff. mit Anm. Kramer, a. a. O., 7 ff. 164  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  54 mit Fn.  67: Einsetzung der BNetzA als Kontrollinstanz bei „gegebenen“ Zugangspreisen. 165  ABl.EU Nr. L 343/32 v. 14.12.2012; siehe zum Gesetzgebungsverfahren Ehricke, N&R 2012, 222 f.; Lerche, N&R 2013, 27 f.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

2012/34/EU die mehrfach geänderte Eisenbahnentwicklungsrichtlinie 91/440/ EWG, die Eisenbahngenehmigungsrichtlinie 95/18/EG und die Eisenbahnzugangsrichtlinie 2001/14/EG. Zentrale Regelungen der Richtlinien 91/440/EG und 2001/14/EG wurden jedoch in die neue Konsolidierungsrichtlinie übernommen.166 Die Kommission verfolgte mit dem „Recast“ im Wesentlichen die Ziele, eine angemessene, transparente und dauerhafte Finanzierung der Infrastruktur zu sichern, sowie durch eine wirksame Kontrolle unabhängiger Regulierungsstellen Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.167 Sie konnte sich mit ihren Vorschlägen im rechtspolitischen Diskurs zwar nicht vollumfänglich durchsetzen.168 Bei verständiger Interpretation können jedoch bereits dem geltenden Rechtsrahmen weitreichende Vorgaben für eine kompetitive Öffnung des Eisenbahnsektors entnommen werden. So zielt Art.  30 Abs.  1 bis 3 RL 2012/34/EU sowohl auf eine Senkung der Staatsausgaben als auch auf eine solche der Netzentgelte durch eine effiziente Bewirtschaftung der Netze ab.169 Die auch in anderen Netzsektoren nachweisbaren hohen Unterhaltskosten der Netz­infrastruktur können einer Implementierung wettbewerblicher Strukturen deshalb nicht entgegengehalten werden, im Sinne eines vermeintlichen Zielkonflikts zwischen dem Netzunterhalt und der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der Eisenbahnen im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern.170 Denn auch wenn die Betreiber flächendeckender Netze im Eisenbahnsektor wegen der hohen Unterhaltskosten auf absehbare Zeit wohl keine Gewinne erwirtschaften werden,171 ist ein funktionsfähiger bzw. staatlich simulierter Wettbewerb nach wettbewerbstheoretischer und wirtschaftshistorischer Erfahrung das beste Mittel, um im Interesse aller Verbraucher die allokative und produktive Effizienz eines Unternehmens zu erhöhen sowie die material-chancengleiche Freiheit der Marktbeteiligten zu sichern.172 Bei funktionsfähigem Wettbewerb 166  Michalczyk, NVwZ 2013, 498; Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 Rn.  7; Lerche, N&R 2013, 27, 28. 167  So der Richtlinienentwurf der Kommission v. 17.9.2010, KOM(2010) 475 endg., unter 2.3: „spezifische Ziele“. 168  Siehe deshalb den Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2012/34/ EU, COM (2013) 29 final. 169  Wie vorliegend E. Heise, Deutsche Bahn, S.  113 f.; siehe zum Normzweck auch Berndt, Anreizregulierung, S.  240; Gersdorf, DVBl. 2009, 942, 944. 170  E. Heise, Deutsche Bahn, S.  113. 171  Siehe bereits Frotscher/Kramer, NVwZ 2001, 24, 25. 172 Im Eisenbahnsektor wird den durch nationale Regulierung anzustoßenden Innovations- und Investitionsanreizen aufgrund der starken staatlichen Einflussnahme und der Sicherstellung EU-weiter Interoperabilitätserfordernisse eine wesentlich geringere Rolle zugesprochen als etwa im Energiesektor (dort sichergestellt durch die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals i. S. des §  21 Abs.  2 Satz 2 EnWG i. V. mit §  7 Abs.  1, 2 StromNEV/GasNEV; siehe dazu PwC/Zöckler/Fabritius, Entflechtung und Regulierung, Kap.  10.2.3.3). Es steht deshalb das Setzen von regulatorischen Anreizen für die allokative und produktive Effizienz in Form von Kostensenkungen und einer effizienten Vermarktung der Infrastruktur im Vordergrund. Vgl. Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 26.

A. Stand der Marktöffnung

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können Unternehmen am Markt aber nur effiziente Kosten und eine marktübliche Eigenkapitalverzinsung durchsetzen.173 Demgegenüber hat das regulierte Unternehmen bei einer Vollkostenregulierung keine nachhaltigen Anreize zur Hebung von Effizienzen und damit verbundenen Kosten- und Entgeltsenkungen, schon weil hohe Kosten als Argument für die Erhöhung der Zugangsentgelte ebenso wie der staatlichen Zuschüsse dienen können.174 Im Eisenbahnsektor drückt sich die „statische“ Effizienz somit in Ansprüchen der Wettbewerber auf eine Nutzung der Infrastruktur, in Kosten- und damit Preissenkungen sowie in einem angemessenen Erhalt der Infrastruktur in Form einer Qualitätsregulierung aus.175 Gem. Art.  30 Abs.  1 RL 2012/34/EU sind den Infrastrukturbetreibern unter Berücksichtigung der Sicherheit und der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität der Fahrwegbereitstellung Anreize zur Senkung der mit der Fahrwegbereitstellung verbundenen Kosten und der Zugangsentgelte zu setzen.176 Die Vorschrift ist im Sinne eines „Vollkostenprinzips minus Effizienzanreiz“ zu interpretieren.177 Die Anreize können gem. Art.  30 Abs.  3 Var. 1 RL 2012/34/ EU zum einen über eine vertragliche Vereinbarung im Sinne des neu geschaffenen Art.  30 Abs.  2 Satz 1 RL 2012/34/EG gesetzt werden, wie sie in Deutschland mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) vorliegt.178 Zum anderen können die Anreize durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen – eine Anreizregulierung179 – oder durch eine Kombination von vertraglicher Vereinbarung und Regulierungsaufsicht gesetzt werden, vgl. Art.  30 Abs.  3 Var. 2 und 3 RL 2012/34/EU.180 Entscheidend ist somit, ob die LuFV das von Art.  30 Abs.  1 173 EuGH v. 13.7.1989 – Rs. 395/87, Slg. 1989, 2521, 2578 Rn.   42 – Tournier; EuGH v. 13.7.1989 – Rs. 110/88 u. a., Slg. 1989, 2811, 2831 Rn.  29 – SACEM; siehe auch Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 2, Rn.  1253; von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.  82 EG Rn.  185. 174  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  41. 175  Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 26. 176  Ebenso bereits Art.  6 Abs.  2 RL 2001/14/EG; siehe auch Kühling, N&R 2009, 36; ders./ Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung nach AEG und EIBV, S.  65 ff. 177  Kühling, N&R 2009, 36, 37 und 39, wonach eine „Orientierung“ am KeL-Maßstab geboten sei; ebenso ders./Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung nach AEG und EIBV, S.  6 4; Berndt, Anreizregulierung, S.  234. Unklar EuGH v. 28.2.2013 – C-556/10, EuZW 2013, 666 Rn.  88 – Kommission/Deutschland, der – ggf. auch aufgrund der unbundling-spezi­ fischen Vorlagefragen – in Zusammenhang mit §  14 Abs.  4 AEG keinen Effizienzkostenansatz thematisiert. Explizit a. A. Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S.  48, unter Verweis auf die vermeintlich missverständliche Formulierung der europäischen Richtlinien. 178  Lerche, N&R 2013, 27, 30; siehe zur bisherigen Rechtslage bereits Bernd, Anreizregulierung, S.  237 ff. 179  Kühling, N&R 2009, 36, 41; E. Heise, Deutsche Bahn, S.  115; ausführlich BNetzA, Einführung der Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, 2008; Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/ Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, 2011. 180  Ebenso schon Art.  6 Abs.  3 RL 2001/14/EG.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

RL 2012/34/EU geforderte Anreizelement ausreichend umsetzt.181 Dies ist nur dann der Fall, wenn man die dort enthaltenen Regelungen in Verbindung mit §  14 Abs.  4 AEG teleologisch nicht im Sinne eines Vollkostenansatzes,182 sondern im Sinne eines Effizienzkostenansatzes auslegt.183 Die staatlichen Anreize sind in die Regulierungsformel zu integrieren, wobei sich aufgrund der intendierten Auslastung der Trassen eine Preisobergrenzenregulierung empfiehlt.184 Gegen die Notwendigkeit einer Anreizregulierung kann nicht angeführt werden, dass bereits ein – noch näher zu erläuternder – intermodaler Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern (Busse, Schiffslinien, Flugzeuge oder sogar Rohrleitungen) die Marktmacht der Infrastrukturbetreiber hinreichend neutralisiere.185 So bestehen nur in wenigen Märkten tatsächlich hinreichende Substitutionsbeziehungen. Vielmehr genießt das etablierte Unternehmen natürlich oder technisch bedingte „komparative Vorteile“ gegenüber anderen Verkehrs­ trägern. Als Beispiele können der Personenfernverkehr zwischen Ballungsräumen mittlerer Entfernung, der Personennahverkehr bei Einzugsbereichen mit hoher Bevölkerungsdichte, langlaufende Güterverkehre, insbesondere die langlaufenden „Seehafenhinterlandverkehre“, Massengüterverkehre etwa für Kohle, Müll, Stahlprodukte oder Schrott sowie Gefahrgutverkehre angeführt werden.186 In diesen Bereichen ist die wirtschaftliche Situation des Incumbent in gewisser Hinsicht mit derjenigen vertikal integrierter Energieversorgungsunternehmen vergleichbar.187 Das vertikal integrierte etablierte Eisenbahnunternehmen hat somit einen Anreiz, monopolistisch überhöhte Entgelte zu verlangen, um die Zahlungsbereitschaft der betroffenen Netz- und Endkunden abzuschöpfen.188 Selbst wenn im Einzelfall ein hinreichender Substitutionsgüterwettbewerb gegeben ist, bestehen für das etablierte Unternehmen aufgrund seiner vertikalen Integration und der nur unzureichenden Unbundling-Regulierung keine durchgreifenden Anreize für Kostensenkungen, da in diesem Fall 181 Dafür

Gersdorf, DVBl. 2009, 942, 947 ff.; dagegen Berndt, Anreizregulierung, S.  240 ff. Verstanden als alle Kosten, die unmittelbar durch den Zugbetrieb anfallen, also diejenigen Kosten, die jeder Zug für das Gesamtsystem verursacht; vgl. Kühling/Hermeier/Heimeshoff, Entgeltregulierung nach AEG und EIBV, S.  34. 183 Vgl. Berndt, Anreizregulierung, S.  241, wonach der in der LuFV für die staatlichen Zuschüsse angelegte Degressionseffekt bei einem Vollkostenansatz dazu führen könne, dass der Infrastrukturbetreiber seine Kosten erhöhen müsse. 184  Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 27, der separate Preiskörbe für den Schienenpersonennah- und -fernverkehr sowie den Schienengüterverkehr empfiehlt, um eine Quersubventionierung zu vermeiden; ausführlich Mitusch/Brenck/Peter/ Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  89 ff. 185 Dafür Gersdorf, Entgeltregulierung im Eisenbahnsektor, S.   51; dagegen Mitusch/ Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  2 f. 186  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  3 ; Monopolkommission, Sondergutachten 48, Rn.  72 ff. 187  Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 26. 188  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  3. 182 

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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zum bestehenden intermodalen Wettbewerb noch ein intramodaler Wettbewerb durch andere Eisenbahnverkehrsunternehmen hinzukäme.189 Die monopolistische Stellung des Netzbetreibers rechtfertigt deshalb eine sektorspezifische Zugangs- und Entgeltregulierung in Form einer Price-Cap-Regulierung, verbunden mit einer effektiven Entflechtung der Monopol- und Wettbewerbsbereiche.190

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung Einer erkannten Regulierungsbedürftigkeit kann im Ausgangspunkt durch die Verstaatlichung von Unternehmen im Sinne des Art.  106 Abs.  1 AEUV oder durch eine Kontrolle ihrer Wirtschaftstätigkeit Rechnung getragen werden.191 Während der deutsche Gesetzgeber früher den erstgenannten Weg gewählt hat, steht aufgrund europarechtlicher Vorgaben heute der zweite Weg ganz im Vordergrund. Dabei sind die insbesondere auf der Netzebene zu lokalisierenden Marktversagensgründe so zu kompensieren und zu regulieren, dass sich auf den potenziell wettbewerbsfähigen vor- und nachgelagerten Märkten dauerhaft ein Wettbewerb entfalten kann.192 Gerade in Phasen der Marktliberalisierung, aber auch der Re-Regulierung ist das allgemeine Wettbewerbsrecht für diese Aufgabe jedoch nicht geeignet, da es grundsätzlich einen funktionsfähigen Wettbewerbsprozess voraussetzt.193 So ist weder das Zugangsrecht zu wesentlichen Einrichtungen im Sinne des §  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB noch das Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs gem. §  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB dazu geeignet, die kompetitiven Defizite der Netzsektoren wirksam zu beheben.194 Die praktischen Erfahrungen haben gezeigt, dass ein allgemeines wettbewerbsrechtliches Zugangsrecht gegen angemessenes Entgelt für eine effektive Marktöffnung zu unspezifisch ist.195 Auch ermöglicht das Wettbewerbsrecht den etablierten Un189  Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 26; Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  45 f.; Berndt, Anreizregulierung, S.  245. 190 Ebenso Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  3 und 89 ff. 191  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  55. 192  Zuweilen ist auf der Netzebene auch ein Infrastrukturwettbewerb denkbar; siehe dazu Teil 7 B. III. 1. a). 193  Wie wir noch sehen werden, will das TK-Regulierungsrecht durch Schaffung eines Infrastrukturwettbewerbs die sektorspezifische Regulierung langfristig zugunsten einer Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts entbehrlich machen; vgl. Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132. 194  Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  143 ff.; ders., WuW 2009, 1024, 1035; Höppner, Netzstruktur, S.  42; Meessen, WuW 2010, 6, 11; Säcker, WiVerw 2/2010, 103; Berndt, Anreizregulierung, S.  40 f.; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 707. 195  Höppner, Netzstruktur, S.  43.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

ternehmen eine Verzögerung des Netzzugangs.196 Darüber hinaus nimmt das Wettbewerbsrecht nur eine Ex-post-Missbrauchskontrolle vor. Wie wir noch sehen werden, reicht eine solche jedoch nicht aus, um die in regulierungsbedürftigen Netzen verkörperte Marktmacht wirksam zu domestizieren.197 So braucht ein Netzbetreiber überhaupt nicht missbräuchlich zu handeln, um Konkurrenten zu verdrängen, da diese auf Dauer von allein aus dem Markt austreten.198

I. Domestizierung von Marktmacht durch potenziellen Wettbewerb Unter gewissen Umständen kann nicht nur ein tatsächlich erfolgter Markteintritt eines Wettbewerbers das Bestehen von Marktmacht verhindern. Vielmehr kann das marktmächtige Unternehmen bereits durch die Drohung mit einem Marktzutritt zu einem wettbewerbskonformeren Verhalten bewegt werden.199 1. Theorie der Contestable Markets Wie wir bereits gesehen haben, hält die Chicago School of Economics Strukturund Verhaltenskontrollen marktmächtiger Unternehmen die positiven Wirkungen potenziellen Wettbewerbs entgegen.200 Diese Sichtweise wird fortgeführt durch die in den USA auf Baumol, Panzar und Willig zurückgehende Theorie der „contestable markets“, wonach der Konzentrationsgrad eines Marktes nicht notwendig Aufschluss über die Intensität des Wettbewerbs gebe, weil ein potenzieller Wettbewerb unter Umständen die Funktionen des Wettbewerbs ebenso gut erfülle wie ein solcher durch tatsächliche Wettbewerber.201 Die Theorie versteht sich insoweit als Weiterentwicklung der neoklassischen Preistheorie und der herkömmlichen Industrieökonomik.202 Sie geht ebenso wie die Neoklassik von restriktiven Annahmen aus und abstrahiert damit in erheblichem Umfang von der Realität der Märkte.203 Dies war allerdings auch den Vätern der Contestable-Marktes-Theorie bewusst. Es ging ihnen vor allem darum, die wettbewerbsfördernde Wirkung potenziellen Wettbewerbs herauszustellen, um so eine flexiblere und realitätsnähere Wirtschaftspolitik zu ermöglichen. 204 196 

Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  801. Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 161. 198  Basedow, in: FS Immenga, 2004, S.  3, 9. 199 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1185. 200  Siehe Teil 4 C. VI. 201  Baumol, AER 72 (1982), 1 ff.; Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets, S.  169 ff.; Windisch (Privatisierung natürlicher Monopole, S.  58) übersetzt den Begriff mit „wettbewerbsfähige Märkte“. In Deutschland wird die Theorie in den Netzwirtschaften maßgeblich vertreten von Knieps/Brunekreeft/Knieps, Regulierung und Wettbewerb, S.   11 ff.; ders., Wettbewerbsökonomie, S.  28 ff.; ebenso Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  77. 202  Baumol, AER 72 (1982), 1 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken, S.  41. 203 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1185. 204  Baumol, AER 72 (1982), 1, 2. 197 

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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Ihre Theorie zielt zwar modellhaft auf einen vollkommenen Wettbewerb ab, will aber vor allem aufzeigen, dass dessen Ergebnisse bereits bei vollkommen bestreitbaren Märkten vorliegen können, selbst wenn diese Märkte durch oligopolistische oder monopolistische Strukturen gekennzeichnet sind („perfectly contestable markets“).205 Als vollkommen bestreitbar (angreifbar, „contestable“) gilt dabei annahmegemäß ein Markt, auf dem die Kosten des Markteintritts und Marktaustritts gleich null sind.206 Im Einzelnen geht die Theorie von folgenden Annahmen aus: 207 Die Wettbewerber des marktmächtigen Unternehmens verfügen über vollständige Informationen bezüglich der Preise und Kosten auf dem Markt, weshalb sie sofort erkennen, wenn sich ein Markteintritt lohnt. Markteintritt und Marktaustritt sind ohne Zeitverzögerung möglich. Die Wettbewerber haben Zugang zur gleichen Technologie wie das etablierte Unternehmen. Die auf dem Markt gehandelten Güter sind schließlich homogen. Aufgrund der Homogenität der Produkte beurteilten potenzielle Wettbewerber die Profitabilität des Markteintritts als sog. Betrandsche Unternehmer allein nach der Gewinnträchtigkeit. Sie blendeten somit andere Gegebenheiten wie Vergeltungsmaßnahmen oder strategische Verhaltensweisen des etablierten Unternehmens systematisch aus.208 Die Entscheidungen über den Markteintritt und Marktaustritt werden außerdem annahmegemäß schneller gefällt als diejenigen des etablierten Unternehmens. Auch nach dem Markteintritt könnten die etablierten Unternehmen ihre Preise deshalb nicht schneller ändern als die Newcomer.209 Eintretende Wettbewerber hätten schließlich – was für den vorliegenden Zusammenhang besonders bedeutsam ist – keine Kostennachteile gegenüber dem etablierten Anbieter, da keine irreversiblen Investitionen notwendig seien. Es existierten somit keine versunkenen Kosten, die vom eintretenden Unternehmen im Zeitpunkt der Investitionsentscheidung antizipiert würden und damit nicht nur Marktaustritts-, sondern auch Marktzutrittsschranken darstellten.210 Bei versunkenen Kosten handelt es sich bekanntlich um diejenigen Fixkosten, die selbst bei einer Schließung des Unternehmens nicht wiedergewonnen werden können.211 Die Unterscheidung zu variablen Kosten wird von Baumol und Willig am Beispiel eines Eisenbahnunternehmens erklärt: 212 Während die Kosten für das Schienennetz 205 

Baumol, AER 72 (1982), 1, 2. Baumol, AER 72 (1982), 1, 3; siehe zu den verschiedenen Definitionen von Marktzutrittsschranken I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399. 207  Baumol, AER 72 (1982), 1, 3 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken, S.  42. 208 Sog. strategische Marktzutrittsschranken, vgl. I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  87. Die Theorie strategischer Marktzutrittsschranken basiert u. a. auf spieltheoretischen Überlegungen, vgl. Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 383. 209  Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  182. 210  I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 400. 211 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1185 mit Fn.  302. 212  Baumol/Willig, Quart. J. Econ. 96 (1981), 405, 406 f. 206 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

versunken seien, könnten die Kosten für das rollende Material wie Lokomotiven und Waggons grundsätzlich wiedererlangt werden. Auf der Grundlage der vorstehenden Annahmen ziehen Vertreter der Con­ testable-Markets-Theorie folgende Schlussfolgerungen: Wegen der nicht bestehenden Marktzutrittsschranken und der höheren Reaktionszeit des etablierten Unternehmens sei ein Markteintritt für die Newcomer risikolos möglich, da alle Kosten bei einem späteren Ausscheiden aus dem Markt wieder amortisiert werden könnten. Aus diesem Grunde sei das etablierte Unternehmen gezwungen, seine Preise auch ohne einen tatsächlichen Marktzutritt auf das Niveau der Durchschnittskosten zu senken, 213 selbst wenn es sich um einen Oligopolisten oder sogar um einen Monopolisten handle; denn ansonsten könnten Wettbewerber durch einen schnellen Markteintritt Arbitragegewinne erzielen und sich bei späteren Preissenkungen des etablierten Unternehmens sofort und risikolos wieder aus dem Markt zurückziehen (sog. „hit and run entry“).214 In wettbewerbspolitischer Hinsicht knüpft die Theorie der „contestable markets“ hieran die Empfehlung, dass ein regulierender Eingriff (nur) dann geboten sei, wenn ein Markt aufgrund hoher Marktzutrittsschranken nicht bestreitbar im geschilderten Sinne sei.215 2. Bedeutung für die allgemeine Wettbewerbstheorie Der Theorie der Contestable Markets kommt das wichtige Verdienst zu, die Relevanz einer potenziellen Konkurrenz und damit zusammenhängend von versunkenen Kosten für die Wettbewerbs- und Regulierungstheorie verdeutlicht zu haben.216 Aufgrund ihrer restriktiven Grundannahmen wird sie in der allgemeinen Wettbewerbstheorie – anders als in der Regulierungstheorie, dazu sogleich – jedoch zurückhaltend bewertet.217 Die Kritik stützt sich maßgeblich auf die überwiegend realitätsfernen Annahmen der Theorie. Dies betrifft zum einen die Ausrichtung auf Märkte im Gleichgewichtszustand; 218 insofern kann auf die Ausführungen zur neoklassischen Wettbewerbstheorie verwiesen wer213 In Märkten mit steigenden Skalenerträgen würde sich auf dem angreifbaren Markt zwar nicht der Grenzkostenpreis i. S. des wohlfahrtsökonomischen Optimums einstellen, aber das zweitbeste Ergebnis der Durchschnittspreise, vgl. MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1185 mit Fn.  303. 214  Baumol, AER 72 (1982), 1, 4: „The crucial feature of a contestable market is its vulnerability to hit-and-run entry. Even a very transient profit opportunity need not be neglected by a potential entrant, for he can go in, and, before prices change, collect his gains and then depart without cost, should the climate grow hostile.“ 215  Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets, S.  467 ff. 216 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1186. 217 Bombach/Gahlen/Ott/Fehl, Industrieökonomik, S.   29, 37 ff.; Jickeli, Marktzutrittsschranken, S.  46 ff.; Vahlens Kompendium/Kerber, S.  369, 383 f.; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  184 ff., jeweils m. w. N. 218 Bombach/Gahlen/Ott/Fehl, Industrieökonomik, S.  29, 42 ff.

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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den.219 Darüber hinaus wird bemängelt, dass sich der eintretende Unternehmer annahmegemäß aggressiv verhalte, wohingegen der etablierte Unternehmer träge und hilflos agiere.220 Wendete man die Theorie stringent an, führte dies zu einer Art Endlosschleife, da der verdrängte bisherige Unternehmer den Markt – dann als potenzieller Konkurrent – wieder ohne Zeitverlust übernehmen könne.221 Schließlich ist auch das Verständnis von Marktschranken in Abhängigkeit von den Kosten nicht zweifelsfrei, da – um im Beispiel zu bleiben – Lokomotiven und Waggons nicht immer anderweitig gewinnbringend eingesetzt werden können, wohingegen man Schienen ggf. an andere Investoren veräußern kann.222 Schließlich kann sich das Wettbewerbsrecht nicht auf die Sicherstellung einer mittelfristigen Bestreitbarkeit von Märkten zurückziehen, zumal eine solche – was die Vertreter der Contestable-Markets-Theorie selbst einräumen – nur in seltenen Fällen vollständig gegeben sein wird.223 3. Bedeutung für die Regulierungstheorie – disaggregierte Regulierung der Netze Im Regulierungsrecht hat die Theorie der Contestable Markets eine wichtige Bedeutung erlangt.224 Zwar sind die Kosten für den Aufbau der Netze regelmäßig als versunkene Kosten (und damit als sog. absolute Marktzutrittsschranken 225) anzusehen, weil man zum Auf- und Abbau der Netze erhebliche Finanzmittel benötigt, 226 weshalb hier die zentrale Bedingung für die Angreifbarkeit regelmäßig nicht gegeben ist.227 Allerdings hat die Theorie der Contestable Markets aufgezeigt, dass es aus wettbewerbspolitischer Sicht sinnvoll sein kann, legislativ bzw. administrativ bedingte Zugangssperren zu beseitigen und die Bereiche mit „sunk costs“ von den anderen potenziell wettbewerbsfähigen Bereichen abzutrennen.228 Nach einem solchen Ansatz ist lediglich das „monopolistische Bottleneck“ einer staatlichen Regulierung zu unterstellen 229 („disaggregierter Regulierungsansatz“), wohingegen die anderen (vor- und nachgelagerten) Marktstufen zumeist keiner besonderen, über das allgemeine Wettbewerbsrecht 219 

Siehe oben Teil 4 C. III. 5. So die Formulierung von Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  185. 221  Shepherd, AER 74 (1984), 572, 573 f.; Jickeli, Marktzutrittsschranken, S.  47. 222 Bombach/Gahlen/Ott/Fehl, Industrieökonomik, S.   29, 38; Jickeli, Marktzutrittsschranken, S.  48; Wurmnest, Verdrängungsmissbrauch, S.  186 f. 223  Siehe Teil 7 B. I. 1. 224 Bombach/Gahlen/Ott/Fehl, Industrieökonomik, S.  29, 46; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  122. 225 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1188. 226  Siehe auch Bombach/Gahlen/Ott/Fehl, Industrieökonomik, S.  29, 38. 227 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1472. 228  Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets, S.  482; Bombach/Gahlen/Ott/Fehl, Industrieökonomik, S.  29, 39 f.; Knieps, Netzökonomie, S.  141. 229  Knieps, Netzökonomie, S.  155. 220 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

hinausgehenden Regulierung bedürfen. Wie oben erläutert, können derartige strukturelle Marktzutrittsschranken auf der Absenkung der Durchschnittskosten infolge eines hohen Anteils an (versunkenen) Fixkosten im Verhältnis zu den variablen Kosten, auf Größenvorteilen („economies of scale“) sowie auf Ver­ bundvorteilen („economies of scope“) basieren.230 Darüber hinaus hat der Netzbetreiber wegen der Existenz von versunkenen Kosten, die einem friktionslosen Marktaustritt entgegenstehen, einen Anreiz zur Errichtung strategischer Marktzutrittsschranken, um seine Position gegen einen potenziellen Marktzutritt zu verteidigen.231 Als derartige strategische Marktzutrittsschranken kommen etwa sog. Preis-Kosten-Scheren in Betracht.232

II. Domestizierung von Marktmacht durch intermodalen Wettbewerb Der durch ein natürliches Monopol bzw. durch sonstige Marktversagensgründe vermittelte überragende Verhaltensspielraum eines Unternehmens kann durch wirksamen intermodalen Wettbewerb relativiert und modifiziert werden (sog. Substitutionsgüterwettbewerb).233 Hierunter versteht man Wettbewerb über verschiedene Infrastrukturen. Gegensatz ist ein intramodaler Wettbewerb, wo für die Erbringung von Diensten nur eine geeignete Technologie verfügbar ist. Will ein neuer Anbieter in den Markt eintreten, muss er im letztgenannten Fall deshalb entweder eine vorhandene Infrastruktur mitbenutzen oder diese duplizieren.234 Sofern die im Netz wurzelnde Marktmacht nicht durch aktuellen oder potenziellen Substitutionsgüterwettbewerb ausreichend gebändigt wird, ist eine staatliche Regulierung unverzichtbar, um das ökonomisch induzierte Marktversagen zu beheben und die Voraussetzungen für materiale Vertragsfreiheit zu gewährleisten.235 Die Auswirkungen intermodalen Wettbewerbs können anhand der Regulierung der Eisenbahn-Schienennetze verdeutlicht werden: Würde ein Transport von Gütern durch Eisenbahnen und Lastkraftwagen in derselben Zeit, derselben Qualität und zu denselben Kosten durchgeführt werden können, müsste ein marktmächtiges Eisenbahnverkehrsunternehmen seine Kosten denjenigen bei wirksamem Wettbewerb anpassen.236 In einem solchen Fall wäre also eine sektorspezifische Ex-ante-Regulierung des natürlichen Monopols trotz der dort lokalisierten Marktmacht nicht mehr erforderlich; es genügte grundsätz230  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.   317; Höppner, Netzstruktur, S.  31 f.; Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  45. 231  I. Schmidt/Engelke, WiSt 18 (1989), 399, 401. 232 Siehe zur sog. Preis-Kosten-Schere (Margenbeschneidung) EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, EuZW 2011, 339, 342 Rn.  31 und passim – TeliaSonera. 233  Knieps, Netzökonomie, S.  153; ders., Wettbewerbsökonomie, S.  112. 234  Fetzer, MMR 2010, 515, 517. 235 Säcker/Säcker, Einl. TKG Rn.  13. 236 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1473.

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lich eine Ex-post-Kontrolle durch das wettbewerbsrechtliche Missbrauchs­ verbot.237 Im Telekommunikationssektor kann ein wirksamer Substitutions­ güterwettbewerb zum Beispiel zwischen Festnetztelefonie und Mobilfunk bestehen.238 Darüber hinaus kann hier im Einzelfall sogar ein intramodaler Wettbewerb (Infrastrukturwettbewerb) greifen (dazu sogleich). Aus regulierungstheoretischer Sicht ist ein natürliches Monopol bzw. eine beherrschende Stellung auf einem regulierungsbedürftigen Markt nur dann einer Ex-ante-Regulierung zu unterstellen, wenn und soweit der Monopolist keinem effektiven Wettbewerb durch konkurrierende Infrastrukturnetzbetreiber oder durch Anbieter von Produkten ausgesetzt ist, die nicht auf die Inanspruchnahme des Leitungsnetzes angewiesen sind.239 Demgemäß dürfen natürliche Monopolstellungen nicht statisch betrachtet werden, sondern sind einer dynamischen Kontrolle mit Blick auf den technischen Fortschritt, etwaige Veränderungen im Konsumverhalten sowie eine Konvergenz der Verwendungsmöglichkeiten von Netzen zu unterziehen.240

III. Formen der Wettbewerbsförderung auf Netz- und Diensteebene Eine wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzsektoren ist abhängig von den Marktgegebenheiten in verschiedenen Formen möglich. Grundlegend ist die Unterscheidung zwischen der Herstellung bzw. Sicherung von Wettbewerb im Markt („Competition within the field“) und von Wettbewerb um den Markt („Competition for the field“).241 Im Bereich der Netzwirtschaften ist aufgrund des disaggregierten Regulierungsansatzes zusätzlich zwischen der Netzebene und den „Wettbewerbsbereichen“ zu differenzieren.242 1. Netzwettbewerb a) Infrastrukturwettbewerb der Netze In Abhängigkeit von den ökonomischen und normativen Rahmenbedingungen kann der Gesetzgeber in den Netzwirtschaften einen Infrastrukturwettbewerb initiieren (Wettbewerb der Netze). Hiermit wird eine Situation beschrieben, in der die Marktteilnehmer alternative Infrastrukturen entwickeln sollen, um da237 Säcker/Säcker,

Einl. I TKG Rn.  13. Säcker, ZNER 2004, 98, 99; Vogelsang, MMR-Beil. 2003, 6, 7. 239 Oberender/Säcker, Wettbewerb in der Energiewirtschaft, S.  65, 76 Fn.  5 4; Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  13. 240 Immenga/Mestmäcker/Möschel, Anhang 1 Telekommunikation Rn.  3. 241  Chadwick, JRSS 22 (1859), 381 ff.; Demsetz, J. L. Econ. 11 (1968), 55 ff.; siehe auch Windisch/Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, S.  57; Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  285. 242  Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 686; Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101. 238 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

durch Wettbewerb zwischen den Netzen zu befördern („Competition within the Field“).243 Ein solcher Infrastrukturwettbewerb senkt zwar die Abhängigkeit von einem etablierten Netzbetreiber und verspricht so langfristig den nachhaltigsten Wettbewerb, da die Marktteilnehmer zwischen einer Mehrzahl von Anbietern wählen können, die jeweils eigene Infrastrukturen bereithalten (Beispiel: Mobilfunkmarkt).244 Er ist jedoch mit einem hohen Kostenaufwand verbunden und bei echten natürlichen Monopolen aufgrund der Subadditivität der Kostenfunktion nicht effizient.245 Ein Infrastrukturwettbewerb eignet sich deshalb vor allem für dynamische Märkte wie die Telekommunikation, wo es um die Überwindung vorwiegend vorübergehender monopolistischer Bottlenecks geht.246 Hält man in diesem Sinne langfristig einen Infrastrukturwettbewerb für möglich, hat dies gravierende Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Regulierung. Diese orientiert sich dann grundsätzlich an der Situation eines fiktiven, effizienten Wettbewerbers, der ein neues Netz errichtet oder das vorhandene erheblich erweitert, nicht an dem Erhalt des effizient eingesetzten Kapitals. 247 b) Ausschreibungswettbewerb Sofern aus den vorstehenden Gründen ein Infrastrukturwettbewerb nicht (oder nicht allein) in Frage kommt, kann die Regulierung als Alternative einen Wettbewerb um den Markt befördern („Competition for the Field“), 248 wie dies derzeit auch für die Förderung von elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen durch das EEG 2014 in Rede steht. Dabei geht es im Grundsatz um Ausschreibungsmodelle, bei denen die zuständigen Stellen die gewünschten Aufgaben durch Standards und Leistungsbeschreibungen festlegen und hiernach private Betreiber um die befristete Wahrnehmung der Aufgaben konkurrieren. 249 Diese Modelle gehen zurück auf Überlegungen der Chicago School of Economics, 243 

Klaus, DeRegulierung, S.  362. Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  557; Säcker/Neumann/Thomaschki, §  21 TKG Rn.  97: „strukturell gesicherter Wettbewerb“. 245  Höppner, Netzstruktur, S.  47. Für die leitungsgebundene Versorgung mit Erdgas ist das nicht unbestritten, vgl. Knieps ZfE 2002, 171 ff., wonach der innerdeutsche Ferntransport mittels Hochdruck-Pipelines aufgrund der Duplizierbarkeit der Infrastruktur kein monopolistisches Bottleneck sei; siehe auch Knieps, N&R 2009, 138 ff.; Rasbach, Unbundling-Regulierung, S.  34. 246  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  19. Ausführlich Fetzer, Staat und Wettbewerb, S. 319 ff. 247  Vgl. Säcker/Busse von Colbe, Vor §  27 TKG Rn.  26; Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 75. 248 Windisch/Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, S.   1, 56 ff.; grundlegend Dem­setz, J. L. Econ. 11 (1968), 55 ff.; siehe auch Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  31. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob (nur) der vorgelagerte Netzinfrastrukturmarkt oder auch der nachgelagerte Endkundenmarkt zu regulieren ist; vgl. Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 686. 249  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  320. 244 

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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wonach eine Auktion den Marktmechanismus imitieren könne, sofern ein Recht (zum Beispiel auf Herstellung und Betrieb eines Energienetzes) an den Meistbietenden versteigert wird.250 Durch eine Versteigerung würde der Wettbewerb im Markt des Monopols – der bei einem natürlichen Monopol annahmegemäß nicht gegeben ist – durch einen Wettbewerb um den Markt ersetzt. Bei einer Auktion entschieden die Betroffenen in einer hypothetischen Situation grundsätzlich selbst, wie sie Vor- und Nachteile einschätzen, und bestimmten auch selbst durch ihre Zahlungsbereitschaft („willingness to pay“), wie viel ihnen der Übergang von einem sozialen Zustand zu einem anderen (oder die Verhinderung dieses Übergangs) wert ist. Die Versteigerung führe hierdurch zwar nicht zu einer effizienten Allokation im Sinne eines Preises, der den Durchschnittskosten entspricht, aber zu einem Preis vergleichbar den durchschnittlichen Kosten.251 Hiernach sei das Gebot eines Bieters als derjenige Preis zu verstehen, zu dem er sich verpflichtet, den Markt mit den entsprechenden Gütern oder Dienstleistungen zu bedienen. Sofern mehrere Unternehmen über die gleiche Technologie verfügten, würden sie solange um das Monopolrecht bieten, bis sämtliche Gewinne aus dem natürlichen Monopol abgeschöpft wären. Das sei wiederum dann der Fall, wenn das Gebot den Durchschnittskosten der Bieter entspreche. Im geltenden Recht ist ein derartig periodischer Wettbewerb um das Recht zum Betrieb eines Netzes in §  46 EnWG vorgesehen. Dieser ermöglicht Wettbewerbern den Nachweis, die Infrastruktur effizienter und kostengünstiger als das bislang betraute Unternehmen betreiben zu können.252 Hinzu kommen Anreize zur Kostensenkung durch die Befristung der Rechte.253 Den positiven Effekten eines derartigen Betreiberwettbewerbs steht gegenüber, dass der neue Netzbetreiber für die Zeit der Konzessionierung ein natürliches Monopol betreibt, weshalb er hieraus ebenso wie sein Vorgänger Monopolgewinne zu Lasten der Verbraucher erwirtschaften kann, 254 sofern er nicht wirksam reguliert wird (Zugangs-, Entgelt- und Unbundlingregulierung). Außerdem wird er, sofern er gegen Ende der Überlassungszeit damit rechnen muss, das Netz wieder zu verlieren, ohne eine den wirtschaftlichen Wert widerspiegelnde angemessene Gegenleistung zu erhalten, seine Investitionen in das Netz auf das Notwen-

250  Demsetz, J. L. Econ 11 (1968), 55 ff.; Posner, Stanford L. Rev. 21 (1969), 548 ff.; ders., BJ 3 (1972), 98; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  19 ff.; siehe auch schon Chadwick, JRSS 22 (1859), 381 ff. 251 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.   1470; Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, S.  57; Martini, Hoheitliche Verteilungslenkung, S.  285. 252 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.   37, 52; Höppner, Netzstruktur, S.  47. 253  Von Delhaes/Fehl/Graack/Welfens, Dimensionen des Wettbewerbs, S.  532. 254  Von Delhaes/Fehl/Graack/Welfens, Dimensionen des Wettbewerbs, S.  532: „Wettbewerb um das Netz führt zu einem befristeten (Regional-)Monopol.“

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

digste beschränken, zu Lasten der Netz- und Versorgungssicherheit. 255 Dies erfordert zusätzlich eine Qualitätsregulierung. Das Funktionieren eines Wettbewerbs um den Markt hängt außerdem von der vertraglichen Risikoverteilung zwischen dem Alt-Rechteinhaber und dem neuen Rechteinhaber ab, welche einerseits zu verhindern hat, dass der Alt-Rechteinhaber durch Überinvestitionen in das Netz Eintrittsbarrieren für potenzielle Konkurrenten nach Ablauf der Vertragsdauer aufbauen kann, und andererseits für eine adäquate Ausgleichszahlung für den Alt-Rechteinhaber sorgen muss.256 Ein Wettbewerb „um den (Netz-)Markt“ kann deshalb immer nur eine Ergänzung zur Herstellung des Wettbewerbs in den vor- und nachgelagerten Märkten durch ein Recht zum Netzzugang zu angemessenen Bedingungen sein.257 Auktionsregelungen begegnen je nach Fallgestaltung weiteren praktischen Schwierigkeiten: 258 So können Anpassungen des Preises geboten sein, wenn die Nachfrage schwankt oder sich die Technologien verändern. Entsprechende vertragliche Regelungen scheitern jedoch – wie die Transaktionskostenökonomik überzeugend herausgestellt hat – nicht selten an unzureichenden Informationen und den hohen Kosten für die Erstellung des Regelwerks. Aus diesem Grunde kann eine dauerhafte Überwachung des unternehmerischen Verhaltens geboten sein, was im Ergebnis einer Regulierung nahekäme.259 Sofern für eine Produktion erhebliche Investitionen getätigt werden müssen, begegnet auch die zeitliche Beschränkung des Monopolrechts praktischen Schwierigkeiten, 260 wie die aktuelle Diskussion um die angemessene Vergütung der Energienetze bei der Neuzuteilung von Konzessionen zeigt.261 Wie wir oben bereits gesehen haben, sind Auktionsregelungen nicht auf den Betrieb der Netze beschränkt. So wird auch im Zuge der EEG-Novelle des Jahres 2014 eine Ausschreibungslösung diskutiert, um die Marktintegration der erneuerbaren Energien voranzutreiben.262 Im Rahmen der Entwicklung eines sachgerechten Auktionsdesigns gilt es einen Ausgleich zu finden zwischen den 255  Hieran knüpft die aktuelle Diskussion über die wirtschaftliche Angemessenheit der Vergütung für das Netz gem. §  46 Abs.  2 Satz 2 EnWG an. Siehe dazu Danner/Theobald/ Theobald, §  46 EnWG Rn.  59 ff. 256  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  321. 257 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.   37, 53; siehe auch OLG München v. 7.11.1996 – U (K) 5870/95, NJW-RR 1997, 296, wonach ein auf das höchste Gebot abstellendes Ausschreibungsverfahren nur dann geeignet sei, unbillige Behinderungen und ungleiche Behandlungen zu rechtfertigen, wenn es von den Teilnehmern an der Ausschreibung „im Wettbewerb gebildet“ worden ist. 258  Williamson, BJ 7 (1976), 73  ff.; MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1471; Mathis, Effizienz statt Gerechtigkeit?, S.  62 f.; Klump, Wirtschaftspolitik, S.  260; Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse des Zivilrechts, S.  21. 259  Williamson, BJ 7 (1976), S.  73 ff. 260 MünchKommEUWettbR/Kerber/Schwalbe, Einl. Rn.  1471. 261  Dazu Danner/Theobald/Theobald, §  46 EnWG Rn.  50 ff. 262 Siehe §§   53, 85 des Entwurfs zu einem EEG 2014, BT-Drucks. 18/1304 v. 5.5.2014, S.  135, 238 ff.

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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ambitionierten Ausbauzielen für Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien, der Reduzierung der Förderkosten und sonstigen Belangen wie einer kompetitiv-hohen Akteursvielfalt. Dies ist vorliegend nicht zu ver­ tiefen.263 2. Wettbewerb in Netzen Soweit die Netzinfrastruktur ein stabiles natürliches Monopol darstellt und deshalb weder substituiert noch dupliziert werden kann und soll, sie aber zugleich für die Erbringung von Diensten auf den vor- und nachgelagerten Märkten notwendig ist (Energie, Eisenbahnen), ist eine Regulierung des Netzzugangs das zentrale Element zur aktiven Ermöglichung eines wirksamen Wettbewerbs auf vor- und nachgelagerten Märkten.264 Dasselbe gilt für den Fall, dass ein Unternehmen beträchtliche Marktmacht auf einem als regulierungsbedürftig anzusehenden Markt hat (Telekommunikation). Für diese Fälle sehen 21 die Regulierungsgesetze Zugangs- bzw. Durchleitungsansprüche vor (§   TKG, §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG bzw. §  20 Abs.  1 EnWG). Hiernach müssen die zugangsverpflichteten Netzbetreiber den zugangsberechtigten Unternehmen gegen ein angemessenes Entgelt einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz gewähren (§  21 Abs.  1 EnWG, §§  19, 27 TKG, §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG). Der Zugangs- bzw. Durchleitungswettbewerb schlägt sich in einem Dienstleistungswettbewerb im nachgelagerten Markt nieder („Competition within the Field of Service“; Wettbewerb auf dem Netz; Dienstewettbewerb).265 Dieser bezeichnet eine Situation, bei der mehrere Marktteilnehmer ihre Leistungen auf einem einzigen Netz erbringen. Der Dienstleistungswettbewerb lässt somit das natürliche Monopol des Netzes bzw. die SMP-Stellung des Netzbetreibers unangetastet, erleichtert jedoch den Wettbewerb um die Dienste, die auf vor- und nachgelagerten Marktstufen über das Netz erbracht werden. Es kommt hier zu einem Wettbewerb der Diensteanbieter im Netz, d. h. nicht wie im Fall des In­ frastrukturwettbewerbs zu einem solchen der Netzbetreiber.266 Ein derartiger Dienstewettbewerb bedingt eine Trennung zwischen Netzbetreiber- und Serviceebene, da hier verschiedene Anbieter ein einziges Netz benutzen und der Netzbetreibergesellschaft dafür ein Entgelt entrichten.267 Ein weiteres Problem stellt sich mit Blick auf die Teilnahme des Netzbetreibers am Wettbewerb auf 263 Weiterführend zu den Problemen eines sachgerechten Auktionsdesigns Kreße, Die Auktion als Wettbewerbsverfahren, S.  27 ff. 264  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  4 4; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  28; Ruge, AöR 131 (2006), 1, 24; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  557; Berndt, Anreizregulierung, S.  63; Höppner, Netzstruktur, S.  59. 265  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  19; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  557; Klaus, DeRegulierung, S.  362. 266  Von Delhaes/Fehl/Graack/Welfens, Dimensionen des Wettbewerbs, S.  532. 267  Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  322.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

der Diensteebene, sei es unmittelbar oder über verbundene Unternehmen. Hier stehen etwaigen Verbundvorteilen die Gefahren antikompetitiver Praktiken wie Diskriminierungen, Quersubventionierungen und Preismissbräuche gegenüber.268 Die Entscheidung für eine vornehmlich infrastrukturabhängigen und/oder einen dienstebasierten Wettbewerb hängt maßgeblich davon ab, ob es ökonomisch begründbar ist, alternative Infrastrukturen zu fördern. Sofern etwa die Duplizierung eines natürlichen Monopols aufgrund der Subadditivität der Kosten volkswirtschaftlich ineffizient oder aufgrund von nicht wettbewerblichen Gemeinwohlerwägungen wie dem Landschaftsschutz oder der Ressourcenschonung wirtschaftsverfassungsrechtlich unerwünscht ist, kommt vornehmlich ein Dienstewettbewerb auf der nachgelagerten Ebene in Betracht, der ggf. mit einem Betreiberwettbewerb zu kombinieren ist („Competition for the Field“).269 Demgegenüber ist im TK-Sektor aufgrund der technischen Dynamik langfristig ein Infrastrukturwettbewerb möglich. 3. Beispiel: Die Ladder-of-Investment-Theorie des Telekommunikationsrechts In Abhängigkeit von den spezifischen Gegebenheiten der zu regulierenden Märkte existieren somit verschiedene Formen der Wettbewerbsförderung. Im durch die dynamische Entwicklung der Technik gekennzeichneten Telekommunikationssektor vertritt die BNetzA insoweit die Theorie der Investitionsleiter, neudeutsch „ladder of investment“. Diese beschreibt die grundlegenden regulatorischen Voraussetzungen, unter denen sich ein Netzwettbewerb von selbst herausbilden und dauerhaft erhalten soll. Als zentrale Bedingung hierfür wird angesehen, dass alternative Anbieter, die anfangs ohne eigene Infrastruktur auf dem Netz des etablierten Unternehmens tätig sind („Wettbewerb in den Netzen“), aufgrund der regulatorisch gesetzten Rahmenbedingungen schrittweise in eigene Netzinfrastruktur investieren können.270 Die unterste Sprosse der Leiter besetzen hiernach die reinen Wiederverkäufer („Reseller“), die oberste Sprosse erreichen Betreiber mit einem eigenen Netz und eigenen Diensten.271 Unter der Voraussetzung dauerhaft kompetitiver Marktstrukturen soll eine sektorspezifische Marktregulierung so weit wie möglich entbehrlich werden; 268 

Von Delhaes/Fehl/Graack/Welfens, Dimensionen des Wettbewerbs, S.  532. Höppner, Netzstruktur, S.  48. 270  BNetzA, Eckpunkte moderne TK-Netze, S.  35 ff.; Cave, MMR-Beilage 10/2003, 15, 16: „Climbing the ladder of infrastructure competition“. Vgl. auch ders., Telecommunications Policy, 223 ff.; siehe auch BVerwG v. 12.6.2013 – 6 C 10.12, DVBl. 2013, 1188 Rn.  52. 271  Dabei lassen sich im TK-Sektor im Sinne der beschriebenen Marktsegmentierung zwei verschiedene Hauptleitern unterscheiden, nämlich diejenige für Schmalband- und diejenige für Breitbanddatendienste. Erstere umfassen insbesondere die herkömmlichen Telefondienste, während sich Letztere auf Leistungen mit komplexen Datendiensten beziehen (schneller Internetzugang etc.). 269 

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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denn ein Infrastrukturwettbewerb impliziere regelmäßig einen Dienstewettbewerb auf der nachgelagerten Markstufe.272 In diesem Sinne kann auch eine strukturelle Separierung gem. §  40 TKG als „remedy of last resort“ zur Herstellung eines dauerhaften Netzwettbewerbs verstanden werden.273 Anders als nach dem „more economic approach“ nimmt das Ladder-of-Investment-Konzept somit nicht die Erzielung kurzfristiger Effizienzen in den Blick, sondern fühlt sich einem Konzept funktionsfähigen Wettbewerbs in Anlehnung an die Konzepte der Harvard School of Economics verpflichtet.274 In Abhängigkeit von den Marktverhältnissen stehen Dienste- und Infrastrukturwettbewerb zueinander – wie die aktuelle Problematik der regulato­ rischen Behandlung des Vectoring zeigt 275 – in keinem Verhältnis der Alternativität, sondern sind komplementär und substitutiv.276 In der Rechtswirklichkeit hat die Förderung von Infrastrukturwettbewerb insbesondere im Rahmen von Zugangsverfügungen gem. §  21 TKG Relevanz. Diese können jedoch weiterhin auch dem Dienstewettbewerb oder beiden Zielen dienen.277 Eine wesentliche Voraussetzung für eine schrittweise Investition von Wettbewerbern des marktmächtigen Unternehmens in eine eigene Infrastruktur ist dabei, dass eine Kette zueinander komplementärer Zugangsprodukte existiert, die nach dem Gebot konsistenter Regulierung i. S. des §  27 Abs.  2 TKG aufeinander abgestimmt sind.278 Auch müssen die Netzbetreiber für das Zur-Verfügung-Stellen ihrer Netze im Vorleistungsbereich die effizienten Kosten inklusive einer angemessenen Verzinsung des Eigenkapitals erhalten.279 Bei einem reinen Dienstewettbewerb verfügt nicht jeder der konkurrierenden Anbieter über ein eigenes Netz. Vielmehr nutzen die Anbieter entweder gemeinsam mit dem Infrastrukturbetreiber ein Netz, etwa bei der Anmietung der TAL zur Erbringung eines Internetzugangs auf DSL-Basis, 280 oder beziehen von diesem komplette Infrastrukturdienstleistungen, wie beim sog. Wiederver272  Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 134, die darauf hinweisen, dass eine (alternative) Infra­struktur den Diensteanbietern zu zumutbaren Bedingungen zur Verfügung gestellt werden muss. 273  Vgl. dazu Säcker/Mohr, §  40 TKG Rn.  1 ff. 274 Ebenso – unabhängig von der wettbewerbsrechtlichen Diskussion – Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 138, wonach Zugangsverpflichtungen, die den Wettbewerb kurzfristig beleben, nicht in Konkurrenz zur Schaffung langfristig wirkender paralleler Infrastrukturen geraten dürfen. Andererseits verlangt das Gebot material-chancengleicher Selbstbestimmung der Markteilnehmer, dass diese nicht unter Verweis auf die langfristig positiven Wirkungen etwaiger Marktzutritte ausgebeutet werden dürfen. 275  Siehe dazu Monopolkommission, Sondergutachten 66, Rn.  8 0 ff. 276  Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 133. 277  Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 138. Ausführlich Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  217 ff. 278  BNetzA, Eckpunkte moderne TK-Netze, S.  36. 279  Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 135; für einen „Pure-LIC-Ansatz“ ist bei einem solchen Verständnis kein Raum. 280  Da die TAL überwiegend ein natürliches Monopol darstellt, ist ein Infrastrukturwett-

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

kauf im Sinne des §  21 Abs.  2 Nr.  3 TKG.281 Hierunter versteht man Leistungen des marktbeherrschenden Anbieters von TK-Dienstleistungen für die Öffentlichkeit, die seine Wettbewerber lediglich zum Zwecke des Wiederverkaufs an seine Endkunden in Anspruch nehmen.282 Charakteristisch für ein solches „Resale“ ist somit, dass die Wiederverkäufer die Leistung, die sie im eigenen Namen und auf eigene Rechnung weiterveräußern, nicht selbst produzieren, sondern diese nur vertreiben, wodurch sie in eine Wettbewerbsbeziehung zum Produzenten der Leistung – dem marktmächtigen Unternehmen – auf dem Endkundenmarkt treten.283 Die neuen Marktteilnehmer können direkt und mit vergleichsweise überschaubaren Risiken einen Markt – etwa für Teilnehmeranschlüsse – betreten, da ihnen keine technologiebedingten versunkenen Kosten entstehen.284 In Abhängigkeit von der Preissetzung verdrängt die Auferlegung einer solchen „Resale-Verpflichtung“ nicht notwendig den infrastrukturbasierten Netzwettbewerb, sondern ermöglicht diesen erst, da Wettbewerber bereits während ihres Netzaufbaus mit einer vollständigen Dienstepalette am Markt präsent sein können.285 Hierdurch wird der Preis im Idealfall auf ein wettbewerbsanaloges Niveau gesenkt, da mehrere Anbieter mit derselben Leistung um die Gunst der Verbraucher konkurrieren, wodurch die allokative Effizienz befördert wird.286 In der Rechtswirklichkeit kommt einem Dienstewettbewerb bislang insbesondere in solchen Bereichen eine zentrale Stellung zu, in denen auf absehbare Zeit nicht mit dem Aufbau alternativer Infrastrukturen gerechnet werden kann.287 Thomas Fetzer hält dem Konzept der Investitionsleiter entgegen, dass ein Unternehmen, das die (unveredelte) Leistung des marktbeherrschenden Unternehmens weiterveräußern könne, die Risiken des Aufbaus einer eigenen Infrastruktur nicht notwendig in Kauf nehmen müsse.288 Darüber hinaus könne das marktbeherrschende Unternehmen von weiteren Investitionen und Innovationen abgehalten werden, da die Wettbewerber immer an der aktuell verfügbaren bewerb hier nur eingeschränkt möglich; siehe im vorliegenden Zusammenhang Koenig/­L oetz, TKMR 2004, 132, 135. 281 Säcker/Neumann/Thomaschki, §  21 TKG Rn.  96 und 151 ff.; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  178. 282  BVerwG v. 3.12.2003 – 6 C 20.02, BVerwGE 119, 282; BVerwG v. 12.6.2013 – 6 C 10.12, DVBl. 2013, 1188. 283  Monopolkommission, Sondergutachten 43, Rn.  193. 284 Monopolkommission, Sondergutachten 50, Rn.   176; Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  218. 285  Monopolkommission, Sondergutachten 50, Rn.  176; Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 133 und 135. Siehe zur Entgeltbemessung nach Großhandelsbedingungen beim sog. „Anschluss-Resale“, also dem Wiederverkauf des Teilnehmeranschlusses durch Dritte, BVerwG v. 12.6.2013 – 6 C 10.12, DVBl. 2013, 1188 Rn.  33 ff. 286  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  218. 287  Monopolkommission, Sondergutachten 40, Rn.  83. 288  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  178 f. und 219. Krit. auch Kirchner, MMR 2013, 22, 24.

B. Wege einer sektorspezifischen Regulierung

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Technik partizipierten.289 Schließlich erfordere ein Dienstewettbewerb eine langfristige Regulierung des Marktes, wohingegen ein Infrastrukturwettbewerb weitgehend selbsttragend sei.290 Im Ergebnis sprechen gleichwohl die besseren Gründe für das Konzept der „ladder of investment“. So erfordert eine „Resale-Verpflichtung“ de lege lata keine Veredelung der Leistung. Wiederverkäufer können somit die Qualität ihres Produkts nicht oder nur unzureichend selbst festlegen.291 Darüber hinaus können durch eine vertikale Integration Verbundvorteile zwischen Produktion und Vertrieb entstehen.292 Aus diesen Gründen setzt auch ein „Resale“ Anreize zu einem schrittweisen Aufbau eigener Infrastrukturen. Umgekehrt erhalten potenzielle Infrastrukturwettbewerber durch ein „Resale“ die Möglichkeit, bereits während des Aufbaus ihres Netzes mit einer vollständigen Dienstepalette am Markt zu sein und Erträge zu erwirtschaften, was ihre Investitionsrisiken senken kann.293 Außerdem kann ein Unternehmen mit Blick auf die unterschiedlichen ökonomischen Rahmenbedingungen eines bestimmten Gebiets auch unterschiedliche Zugangsprodukte in Anspruch nehmen.294 Die Anstrengungen der Wettbewerber in den Aufbau eigener Netze können bereits durch eine sachgerechte regulatorische Preissetzung beanreizt werden, indem etwa die Gewinne beim Aufbau einer eigenen Infrastruktur signifikant höher ausfallen als bei einem bloßen Wiederverkauf.295 Diesem Gedanken trägt §  30 Abs.  5 TKG Rechnung, wonach sich der Wiederverkaufspreis durch einen Abschlag auf den Endnutzerpreis berechnet, der konsistent mit den Preisen für andere Zugangsleistungen sein muss.296 Es muss somit der Abstand zwischen verschiedenen Zugangsprodukten ausreichend sein, um den Wettbewerbern einen Anreiz für den Aufbau einer eigenen Infrastruktur zu geben (Vermeidung sog. „Kosten-Kosten-Scheren“).297 Wie oben erläutert, konkurrieren bei einem Infrastrukturwettbewerb verschiedene Anbieter miteinander, die eine eigene Infrastruktur zur Verfügung haben. Der Aufbau einer eigenen Infrastruktur ist regelmäßig mit erheblichem Zeit- und Finanzaufwand verbunden. Darüber hinaus ist er nur in solchen Bereichen sinnvoll, die nicht von einem natürlichen Monopol geprägt sind, da dort langfristig nur ein einziges Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll tätig werden 289  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  2 20; siehe auch §  21 Abs.  2 Nr.  3 Satz 2 TKG, wonach die getätigten und künftigen Investitionen für innovative Dienste zu berücksichtigen sind. 290  Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  2 20. 291  Monopolkommission, Sondergutachten 40, Rn.  85. 292  So Monopolkommission, Sondergutachten 50, Rn.  176. 293  Monopolkommission, Sondergutachten 43, Rn.  208. 294  BNetzA, Eckpunkte moderne TK-Netze, S.  36. 295  Holznagel/Bysikiewicz/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, Rn.   241; hierin liegt zugegebener Maßen ein zusätzlicher regulatorischer Aufwand; siehe Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  220. 296 Säcker/Groebel, §  30 TKG Rn.  43. 297 Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101, 119.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

kann.298 Schließlich müssen im Telekommunikationssektor zureichende Anreize bestehen, dass Unternehmen soweit möglich und wirtschaftlich zumutbar schrittweise in eine eigene Infrastruktur investieren. Eine Entlassung des Telekommunikationssektors in das allgemeine Wettbewerbsrecht, wie sie in §  10 Abs.  2 TKG angelegt ist, ist jedoch nur auf der Basis eines sich selbst tragenden Infrastrukturwettbewerbs möglich. Aus diesem Grunde bildet die Herausbildung eines solchen das langfristige Ziel der TK-Regulierung.299

C. Grundlagen des Zugangskonzepts Im Folgenden sollen die theoretischen Grundlagen des netzwirtschaftlichen Zugangskonzepts erläutert werden. Wie wir sehen werden, ist die Sicherung eines diskriminierungsfreien Netzzugangs durch das Recht zur Mitbenutzung der Infrastruktur in allen Netzindustrien die Kernaufgabe der wettbewerbsfördernden Regulierung, um im Rahmen der normativen Vorgaben auf den vorund nachgelagerten Marktstufen einen funktionsfähigen Wettbewerb zu ermöglichen.300 Der Netzzugang unterteilt sich wiederum in das eigentliche Nutzungsrecht (das „Ob“) und die dafür geltenden Bedingungen, insbesondere die Netznutzungsentgelte (das „Wie“).301 In Sektoren, in denen auch Endkundenleistungen reguliert werden, ist eine Vorleistungsmarktregulierung grundsätzlich vorrangig.302 Nach der Theorie der „Ladder of Investment“ können Mitbenutzungsrechte als Vorleistungsprodukte zugleich langfristig einen Infrastrukturwettbewerb befördern, sofern ein solcher gewünscht wird.303 Im Energierecht beeinflusst der Gesetzgeber aus gemeinwohlinduzierten Gründen zunehmend auch die Erzeugungs- und die Vertriebsstufe, etwa durch die Förderung der Erzeugung erneuerbarer Energien und die damit zusammenhängenden Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Elektrizitätsversorgungsnetze.304 Wir werden im Folgenden primär auf die Netzzugangsregulierung blicken. 298 Ebenso

Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  221. Fetzer, Staat und Wettbewerb, S.  328. 300  Siehe etwa die erste TAL-Entscheidung des BVerwG v. 25.4.2001 – 6 C 6.00, BVerwGE 114, 160 Rn.  52; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  280. 301  Siehe statt anderer Koenig/Loetz, TKMR 2004, 132, 139; Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101 f. 302 Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.  101, 109. 303  Siehe Teil 7 B. III. 1. a). 304  Das EEG 2012 verfolgte zur Erreichung der in seinem §  1 festgelegten Ziele ein Förderkonzept der Preissteuerung durch eine Pflicht zur Abnahme und Vergütung von eingespeistem EE-Strom zu festgelegten Vergütungssätzen; siehe dazu sowie zu den Regelungsstufen des EEG Schneider/Theobald/Schneider, §  21 Rn.  39 ff. Zur Systemverantwortung der Übertragungsnetzbetreiber siehe BerlKommEnR/König, §  13 EnWG Rn.  1 ff. 299 

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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I. Wettbewerbsförderung in wettbewerbsfähigen Marktstufen („Contestable Markets“) In einer marktwirtschaftlichen Ordnung mit wettbewerblicher Steuerung von Angebot und Nachfrage ist eine Regulierung der Netzwirtschaften mit möglichst geringer Eingriffstiefe und mit grundsätzlich wettbewerbsförderndem Ziel durchzuführen (Säcker). Regulierung dient also nicht primär als „Substitut für Wettbewerb“, sondern dazu, auf potenziell marktfähigen Marktsegmenten (bei einem möglichen Infrastrukturwettbewerb einschließlich des Netzes) einen effektiven Wettbewerb erstmalig zu ermöglichen und zu sichern.305 Eine wettbewerbsfördernde Regulierung muss deshalb feststellen, auf welchen Märkten ein aktueller oder potenzieller (Substitutionsgüter-)Wettbewerb ausreicht, um die dem Wettbewerb zugeschriebenen positiven Funktionen zu erreichen, oder ob für einzelne Märkte zwingende Gründe für eine staatliche Regulierung bestehen.306 Sind die für den Wettbewerb zwingend erforderlichen Zugangsobjekte identifiziert, wird ein Zugang zu ihnen dergestalt reguliert, dass sie ihre Eigenschaft als relevanter Wettbewerbsfaktor verlieren und für alle Unternehmen auf den vor- und nachgelagerten Marktstufen zu materiell gleichen Bedingungen nutzbar sind.307 Hierzu muss die Zugangsregulierung nicht nur festlegen, ob ein Zugang zu gewähren ist, sondern auch, in welcher Form und zu welchen Bedingungen (Entgelte).308 Bevor wir näher auf das Konzept einer Ermittlung der zu regulierenden Märkte und seine Umsetzung blicken, wollen wir uns zunächst mit dem regulierungsrechtlich zentralen Begriff des (Netzbzw. Markt-)Zugangs („access“) auseinandersetzen.

II. Zum Begriff des Zugangs 1. Zugang als Anspruch auf Netznutzung Die Rechtsordnung begegnet den ökonomischen Besonderheiten der Netzsektoren durch die Gewährung von sog. Zugangsrechten. Wie wir bereits gesehen haben, sind die Netze im Energie- und Eisenbahnsektor wegen der hohen Investitionen in den Leitungsbau regelmäßig „wesentliche Einrichtungen“ („essential facilities“), die nicht bzw. nicht ohne erheblichen Aufwand duplizierbar sind, weshalb ein doppelter Leitungsbau bei volkswirtschaftlicher Betrachtung eine überflüssige Verschwendung knapper Ressourcen darstellte.309 Der Eigentümer einer „wesentlichen Einrichtung“ ist deshalb verpflichtet, anderen Netz305 

Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  28. Säcker, WiVerw 2/2010, 101: „Ein wettbewerbskonformes Motto kann nur lauten: Soviel Wettbewerb wie möglich, soviel Regulierung wie nötig.“ 307  Höppner, Netzstruktur, S.  49. 308  Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  557. 309 Säcker/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  19. 306 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

nutzungspetenten Zugang zum Zwecke der Mitbenutzung einzuräumen.310 Dies folgt im Grundsatz bereits aus allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen (§  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB). Im Folgenden werden wir von einem weiten Begriff des Zugangs ausgehen, im Sinne aller Ansprüche zur Mitbenutzung von Energie-, Telekommunikationsund Schienennetzen zum Zwecke der Erzeugung, Erbringung oder Lieferung von Gütern und Dienstleistungen.311 Im Energiewirtschaftsrecht ergibt sich der Zugangsanspruch aus §  20 Abs.  1 EnWG. Der Begriff „Zugang“ ersetzt insoweit den früher verwendeten Terminus „Durchleitung“, da er im Energiesektor einen Transportvorgang von elektrischer Energie vom Ort ihrer Einspeisung bis zu ihrer Entnahme unterstellte, der aus physikalischen Gründen ausscheidet.312 Mit Blick auf den Transport von Gas war die Bezeichnung als Durchleitung wegen dessen Stofflichkeit zwar vertretbar. Allerdings war auch hier das vom Lieferanten eingespeiste Gas mit dem vom Kunden an einem anderen Ort entnommenen Gas wohl nur höchst selten identisch.313 Nach §  3 Nr.  32 Satz 1 TKG erfasst Zugang im TK-Regulierungsrecht „die Bereitstellung von Einrichtungen oder Diensten für ein anderes Unternehmen unter bestimmten Bedingungen zum Zwecke der Erbringung von Telekommunikationsdiensten, auch bei deren Verwendung zur Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft oder Rundfunkinhaltediensten“. Unter den telekommunikationsrechtlichen Zugangsbegriff fällt auch die Zusammenschaltung im Sinne der §§  16, 3 Nr.  34 TKG.314 Eine Zusammenschaltung setzt somit ein zweites Netz mit dem Ziel der netzübergreifenden Kommunikation voraus.315 Sofern keine Zugangsvereinbarung nach §  22 TKG (infolge der Auferlegung einer abstrakten Zugangsverpflichtung nach §  21 TKG) bzw. keine „Vereinbarung über Zugangsleistungen“ nach §  18 TKG zustande gekommen ist, kann die BNetzA gem. §  25 TKG einen Zugang zu den Netzen anordnen.316 Im Eisenbahnregulierungsrecht folgt der Anspruch auf Zugang zu den Schienennetzen schließlich aus §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG i. V. mit §  3 Abs.  1 Satz 1 EIBV.

310  EuGH v. 22.5.2008 – Rs. C-439/06, EuZW 2008, 406 Rn.  37 ff. – citiworks; EuGH v. 9.10.2008 – Rs. C-239/07, Slg. 2008, I-7523 Rn.  34 ff. – Sabatauskas; siehe auch EuGH v. 6.4.1995 – Rs. C-241/91 P u. C-242/91 P, EuZW 1995, 339 – Magill; dazu Beckmerhagen, Die essential facilities doctrine im US-amerikanischen und europäischen Kartellrecht; Deselaers, EuZW 1995, 563 ff.; Haas, „Essential Facilities Doctrine“ und offene Netze; Holzhäuser, Essential facilities in der Telekommunikation; Markert, WuW 1995, 560 ff. 311 Ebenso Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  143. 312 Vgl. Büdenbender, Energiewirtschaftsgesetz, §  6 EnWG Rn.  7. 313 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  73. 314  Heise, Regulierung und Kartellrecht, S.  143. 315 Säcker/Säcker, §  3 TKG Rn.  34. 316 Säcker/Kühling/Neumann, §  25 TKG Rn.  1 ff.

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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2. Anspruch auf physischen Netzanschluss Der Begriff des Netzzugangs ist nicht zu verwechseln mit dem technisch verstandenen „Netzanschluss“,317 weshalb anstelle von Netzzugang auch von Netznutzung gesprochen wird.318 Im Energiewirtschaftsrecht richtet sich der physische Netzanschluss nach §  17 Abs.  1 EnWG. Diese Vorschrift enthält die Verpflichtung, nicht nur Letztverbraucher und nachgelagerte Netze, sondern auch gleichgelagerte Netze und Leitungen sowie Erzeugungs- und Speicheranlagen an vor- oder gleichgelagerte Energieversorgungsnetze anzuschließen.319 Dies stimmt mit der Rechtsprechung des EuGH überein, wonach sich der Netz­ anschluss auf die Herstellung und Aufrechterhaltung der physischen Verbindung einschließlich aller zum Betrieb des Übertragungs- bzw. Verteilnetzes erforderlichen Anlagen zwischen den Stromerzeugungsanlagen, dem Stromnetz und den Letztverbrauchern bezieht.320 Im Eisenbahnregulierungsrecht ist die Anschlusspflicht in §  13 Abs.  1 Satz 1 AEG normiert. Danach muss jedes Eisenbahnunternehmen angrenzenden Eisenbahnen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich Anschluss an ihre Eisenbahninfrastruktur gestatten; dieser bezieht sich somit ebenso wie bei §  17 Abs.  1 EnWG darauf, eine die Grenzen der jeweiligen Infrastruktur überschreitende Nutzung technisch zu ermöglichen.321 Demgegenüber ist im Telekommunikationsrecht aufgrund der technischen Gegebenheiten neben dem Anspruch auf Zugang kein gesonderter Anspruch auf Anschluss notwendig; denn die Erzeugung von Telekommunikationsdienstleistungen erfolgt anders als im Energiesektor nicht separat, sondern auf dem Netz in einem Vorgang. Auch die Zusammenschaltung in §  16 TKG ist trotz ihres missverständlichen Wortlauts eine Sonderform des Netzzugangs und bezieht sich nicht auf den Anschluss.322

III. Identifizierung und Regulierung unerlässlicher Infrastrukturen/Marktsegmente 1. „Disaggregierter Regulierungsansatz“ Die Identifizierung der nicht wettbewerbsfähigen, für Newcomer unüberwindbaren Ebenen dient der Ermittlung der tauglichen Zugangsobjekte und steckt zugleich den Rahmen ab, innerhalb dessen von den Wettbewerbern des markt317  EuGH v. 9.10.2008 – Rs. C-239/09, Slg. 2008, I-7523 Rn.  40 f. – Sabatauskas; siehe aus der Praxis OLG Düsseldorf v. 12.12.2012 – VI-3 Kart 46/12 (V), EnWZ 2013, 137 ff. 318 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  74. 319 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  17 EnWG Rn.  1. 320  EuGH v. 9.10.2008 – Rs. C-239/09, Slg. 2008, I-7523 Rn.  41 – Sabatauskas. 321 Schmitt/Staebe/Staebe, Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  239. 322  Siehe Teil 7 C. II. 1.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

beherrschenden Unternehmens eine eigene Wertschöpfung ohne staatliche Unterstützung erwartet wird.323 Von besonderer Bedeutung ist hierfür die Theorie der „bestreitbaren“ bzw. „angreifbaren“ Märkte („contestable markets“).324 Dieses idealisierende Referenzmodell will die notwendigen Bedingungen aufzeigen, unter denen auch bei einem natürlichen Monopol bzw. bei erheblichen und dauerhaften Marktzutrittsschranken eine potenzielle Konkurrenz den fehlenden Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern ersetzen kann. Zentrale Voraussetzung für das Entstehen eines funktionsfähigen Wettbewerbs sind hiernach keine bzw. geringe Markteintritts- und Marktaustrittsschranken.325 Sofern ein Markteintritt frei, da ohne Kosten und Zeitverlust durchzuführen ist, und auch ein Marktaustritt in Ermangelung irreversibler versunkener Kosten kostenlos ist, muss das marktbeherrschende Unternehmen aufgrund eines Vergleichs der zu erwartenden Gewinne mit den durch den Markteintritt entstehenden Kosten mit einem Markteintritt potenzieller Wettbewerber rechnen, welche die Gewinne abschöpfen wollen („hit-and-run entry“).326 Ein freier Marktzutritt bedeutet somit nicht, dass der Marktzutritt kostenlos oder leicht sein muss, sondern lediglich, dass die Marktneulinge keine Kostennachteile gegenüber dem aktiven Anbieter besitzen dürfen.327 Eine wettbewerbsfördernde Regulierung zielt deshalb auf die Neutralisierung der Kostenvorteile des marktmächtigen Unternehmens ab, damit die bestehenden Marktzutrittshürden „überspringbar“ werden. In einem solchen Fall wird das Verhalten des etablierten Anbieters bereits durch potenziellen Wettbewerb domestiziert, ohne dass es aktueller Wettbewerber bedürfte. Da der aktive Anbieter weiß, dass dritte Unternehmen durch antikompetitiv überhöhte Gewinne oder eine ineffiziente Produktion zum Markteintritt und zur Abschöpfung der Gewinne eingeladen werden, hat er einen Anreiz, die Preise den Gesamtkosten anzunähern und die Produktion kosteneffizient zu gestalten.328 Im Idealfall wird der Monopolist durch potenziellen Wettbewerb sogar zu einem Verhalten wie bei wirksamem Wettbewerb veranlasst, sofern die Abnehmer – was im Modell der „angreifbaren Märkte“ vorausgesetzt wird – über vollständige Informationen verfügen, sodass bereits eine geringe Preisänderung eine unmittelbare Abwanderung der

323 

Höppner, Netzstruktur, S.  49. Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets, S.  169 ff.; in Deutschland vertreten etwa von Knieps, in: Knieps/Brunekreeft, Regulierung und Wettbewerb, S.  11 ff.; ders., Wettbewerbsökonomie, S.  28 ff. Windisch (Privatisierung natürlicher Monopole, S.  58) übersetzt den Begriff mit „wettbewerbsfähige Märkte“. Siehe auch Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  77; siehe bereits oben Teil 7. B. I. 1. 325  Knieps, in: GS Ewers, 2004, S.  2 21, 227; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Meessen, Einführung Rn.  9. 326  Baumol/Panzar/Willig, Contestable Markets, S.  3. 327  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  31. 328  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  31. 324 

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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Nachfrage zur Folge hat.329 In der Rechtswirklichkeit wird dies freilich nur selten der Fall sein. Infolge der Theorie der angreifbaren Märkte soll eine Regulierung potenziell wettbewerbsfähige Marktebenen angreifbar machen, indem sie die Zu- und Austrittsbarrieren einebnet. Der maßgebliche Vorteil einer solchen Herangehensweise gegenüber der früheren End-to-End-Regulierung ist, dass sich die korrigierende Intervention des Staates auf das wettbewerblich problematische Segment beschränkt, während sich der Wettbewerb auf den anderen Märkten frei entfalten kann.330 Die letztgenannten Märkte unterliegen – vorbehaltlich gemeinwohlinduzierter Regelungen des Gesetzgebers – lediglich einer Ex-postKontrolle anhand des allgemeinen Wettbewerbs- und Privatrechts, insbesondere anhand der in Art.  102 AEUV und in den §§  19, 29 GWB geregelten Missbrauchsverbote331 sowie anhand der allgemeinen zivilrechtlichen Generalklauseln gem. den §§  138, 307, 315 BGB. Auf der Grundlage einer derart differenzierten („disaggregierten“) Betrachtung ist zu ermitteln, ob und auf welcher Ebene der Wertschöpfungskette ein nicht bestreitbares natürliches Monopol bzw. eine marktmächtige Stellung auf einem regulierungsbedürftigen Markt vorliegt, weshalb das allgemeine Wettbewerbsrecht nicht ausreicht, um einen funktionsfähigen Wettbewerb sicherzustellen.332 Dafür müssen in einem ersten Schritt die Produktion der durch das Netz erbrachten Leistungen, die Vorleistungen für die Netzinfrastruktur (Böden, Flächen), die Netzinfrastruktur im engeren Sinne, ihre Bewirtschaftung und schließlich ihre Nutzung unterschieden werden.333 In einem nachfolgenden Schritt sind die wettbewerbsfähigen von den nicht-wettbewerbsfähigen Ebenen zu separieren. Darüber hinaus ist nach dem disaggregierten Regulierungsansatz eine periodische Überprüfung des Regulierungserfordernisses oder eine Deregulierung erforderlich, wenn sich der Markt kompetitiv weiterentwickelt hat (aus ökonomischer Sicht: Vermeidung eines „Staatsversagens“).334 Hierzu im Folgenden:

329 

Welfens, Wirtschaftspolitik, S.  484. Haucap/Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 3.1.; Knieps, N&R 2004, 7 ff.; ders., ZfE 2007, 229 ff.; Eisenmenger, ORDO 53 (2002), 242, 253; Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 686; Höppner, Netzstruktur, S.  53; Berndt, Anreizregulierung, S.  42. 331  Im Wettbewerbsrecht in Verbindung mit §  33 GWB und Art.  101 Abs.  2 AEUV, §  134 BGB, im Regulierungsrecht in Verbindung mit §§  32 EnWG, 44 TKG, 823 Abs.  2 BGB und §  134 BGB. 332 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 47. 333 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 47 mit Fn.  12. 334  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  9 f. 330 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

2. Ermittlung der zu regulierenden Infrastrukturen/Marktsegmente Im Rahmen des Zugangskonzepts sind in einem ersten Schritt die zu regulierenden Infrastrukturen/Marktsegmente zu ermitteln. Das bedingt, dass die vormals einheitlichen Netzmärkte335 aufgespalten werden, indem neue Märkte für den Zugang zu den Infrastrukturen geschaffen werden, welche neben die vielfältigen Vorleistungs- und Endkundenmärkte treten.336 Alleinige Aufgabe der Netzmärkte ist es, die Versorgung von Wettbewerbern mit Infrastrukturleistungen für ihre Tätigkeit in den vor- und nachgelagerten Marktsegmenten sicherzustellen.337 Für den Wettbewerb ist es grundsätzlich am besten, wenn mehrere Anbieter mit ihren eigenen Infrastrukturen um die Nachfrage konkurrieren (sog. Infrastrukturwettbewerb338). Demgegenüber stellt ein gesetzlich oder vertraglich begründetes Recht zur Mitbenutzung fremder Einrichtungen in einer auf Privateigentum und Vertragsfreiheit beruhenden Rechtsordnung eine zu rechtfertigende Ausnahme dar.339 Ein derartiges Mitbenutzungsrecht ist aus ökonomischer Sicht in Netzmärkten angezeigt, in denen die Selbstheilungskräfte des Wettbewerbs versagen, weil die Rivalität der Unternehmen um die Gunst der Verbraucher und damit die Chance auf einen in beidseitiger Selbstbestimmung geschlossenen Vertrag aufgrund spezifischer Umstände ausgeschlossen ist (Marktversagen). Dies ist gegeben, wenn die Endleistungen – im vorliegenden Fall die netzgebundenen Dienste – weder durch andere Leistungen substituierbar sind („intermodaler Wettbewerb“),340 noch über ein alternatives Verfahren ohne die Infrastruktur des etablierten Unternehmens angeboten werden können, noch sich die Infrastruktur nachbauen lässt.341 Auch aus zivilistischer Sicht ist in diesem Fall ein regulierendes Eingreifen des Staates zur Domestizierung der Machtposition des Netzbetreibers auf der vor- bzw. nachgelagerten Marktstufe geboten. Die Regulierung erfolgt insoweit grundsätzlich durch Überwindung der marktmächtigen Stellung des Netzbetreibers mittels einer Zugangsregulierung. Ein Markt ist nicht regulierungsbedürftig, wenn der durch das natürliche Monopol bzw. die daraus erwachsende SMP-Stellung vermittelte überragende Verhaltensspielraum durch wirksamen Substitutionsgüterwettbewerb relativiert oder modifiziert wird, wie dies im Bereich der Telekommunikationsregulierung für das Verhältnis Mobilfunk zur Festnetztelefonie erwogen werden 335 

Dazu Picot/Neumann, Regulierung von Netzindustrien, S.  123 ff. Gewährleistungsstaat, S.  111, 120; siehe zu §  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB (n. F.) auch Haus, Zugang zu Netzen und Infrastruktureinrichtungen, S.  35 ff. 337  Höppner, Netzstruktur, S.  49. 338  Siehe Teil 7. B. III. 1. a). 339  Dies ist das klassisch zivilistische Problem des Kontrahierungszwangs. 340  Dazu am Beispiel des Internetzugangs Vogelsang, MMR-Beilage 2003, 6. 341  Höppner, Netzstruktur, S.  50. 336 Schuppert/Hermes,

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kann.342 In diesem Fall ist die Infrastruktur des Netzbetreibers nicht „essentiell“ zur Erbringung der Dienstleistungen auf dem jeweiligen Markt.343 Die Angebots- und Nachfragesubstituierbarkeit des monopolisierten Gutes lässt sich dabei unter den Prämissen der neoklassischen Preistheorie bereits vor Durchführung der Preiserhöhung durch den sog. SSNIP-Test („hypothetischer Monopol[isten]test“) bestimmen.344 Wenn eine Marktanalyse ergibt, dass das Endprodukt keinem Substitutionsgüterwettbewerb unterliegt, sondern einen mehr oder weniger eigenen Markt darstellt,345 ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob das konkrete Produkt unter ökonomisch vertretbaren Bedingungen auch durch andere Unternehmen angeboten werden könnte, indem die Infrastruktur durch alternative Lösungen umgangen oder dupliziert wird.346 Im Rahmen der netzgebundenen Versorgung der Verbraucher mit Energie und Eisenbahndienstleistungen ist das regelmäßig nicht der Fall, im Telekommunikationssektor nur teilweise. In diesem Rahmen scheidet regelmäßig auch die Duplizierung der Infrastruktur aus. So können Netzwerkeffekte347 bewirken, dass ein neuer Anbieter die Nutzer des etablierten Systems nur dann zu einem Wechsel bewegen kann, wenn er ihnen ebenfalls die Vorteile des alten Systems bietet. Dies scheitert häufig daran, dass er die kritische Masse an Nutzern nicht erreicht, da die Attraktivität des Systems durch die Anzahl seiner Teilnehmer generiert wird, er diese aber erst gewinnen kann, wenn es attraktiv ist.348 Darüber hinaus müsste der neue Anbieter – um die Kunden zu einem Wechsel zum neuen Standard zu bewegen – auch deren Wechselkosten kompensieren.349 Hat sich somit ein System aufgrund der Gegebenheiten des Marktes als Standard durchgesetzt, ist es oft nicht oder nur schwer möglich, einen neuen konkurrierenden Standard einzuführen. Für die Verbraucher ist es in diesem Fall vorteilhafter, wenn man das etablierte System belässt, im Gegenzug dritten Wettbewerbern jedoch den Zugang zu diesem gewährt. Hierdurch wird die Ausbreitung des Standards zum Nutzen der Anwender vergrößert und gleichzeitig ein Wettbewerb um die auf dem Standard aufbauenden Anwendungs- und Komplementärprodukte ermöglicht.350 342 Säcker/Säcker,

Einl. I TKG Rn.  13. Knieps, in: GS Ewers, 2004, S.  221, 226. 344  Schwalbe/Zimmer, Kartellrecht und Ökonomie, S.  120 ff. 345  Zur Abhängigkeit der Unerlässlichkeit einer Einrichtung von der Definition des nachgelagerten Marktes für Güter bzw. Dienstleistungen im Rahmen von Art.  102 AEUV Eil­ mans­berger, CMLR 42 (2005), 129, 163. 346  Eilmansberger, CMLR 42 (2005), 129, 163. 347  Teil 6 B. IV. 4. 348 Bei ausreichenden finanziellen Kapazitäten kann der potenzielle Wettbewerber eine Kampfpreisstrategie wählen, um möglichst rasch die kritische Masse zu erreichen, vgl. Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.   176. 349  Körber, WRP 2012, 761; ausführlich ders., RIW 2004, 881 ff. 350  Höppner, Netzstruktur, S.  51. 343 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

Neben Netzwerkeffekten kann eine Duplizierung der Infrastruktur auch an deren Bewertung als natürliches Monopol scheitern.351 Liegt ein unreguliertes natürliches Monopol vor, werden potenzielle Wettbewerber regelmäßig vom Marktzutritt abgeschreckt und das Netzmonopol auch auf der nachgelagerten Endkundenebene perpetuiert. Kann ein Newcomer demgegenüber mangels irreversibel versunkener Kosten zu den gleichen Kosten wie der bisherige Monopolanbieter in den Markt ein- und austreten, ist ein kurzfristiges Abschöpfen der dort erzielten Monopolgewinne auch dann möglich, wenn aufgrund der Subadditivität der Kosten langfristig nur ein Anbieter überleben könnte. Der Marktneuling kann zum einen nach Abschöpfen der Gewinne wieder aus dem Markt ausscheiden. Er kann zum anderen die überhöhten Preise des Altanbieters unterbieten und ihn so vom Markt verdrängen.352 Anders stellt sich die Situation dar, wenn der Monopolist Kostenvorteile gegenüber den potenziellen Wettbewerbern und deshalb eine „stabile netzspezifische Marktmacht“ hat.353 Sofern alle Marktanbieter zur Leistungserstellung auf diese Infrastruktur zurückgreifen müssen, liegt ein „echtes natürliches Monopol“ (ein „monopolistisches Bottleneck“) 354 bzw. eine „wesentliche Einrichtung“ im Sinne der „essential facilities doctrine“ des Art.  102 AEUV bzw. des §  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB vor.355 Für ein solch monopolistisches Bottleneck sind neben der strikten Subadditivität der Kosten hohe versunkene Kosten charakteristisch.356 Unter versunkenen Kosten versteht man solche Kosten, die für den Markteintritt notwendig sind, im Falle eines Marktaustritts aber nicht mehr erstattet werden.357 Derartige versunkene Kosten sind in signifikanten Teilbereichen der Netzwirtschaften gegeben, da diese durch hochgradig spezifische Investitionen gekennzeichnet sind.358 So erfordert die Erstellung der Leitungsnetze häufig hohe Fixkosten, wohingegen die Kosten des Transports des jeweiligen Gutes verhältnis351 

Siehe Teil 6 B. III. Knieps, in: GS Ewers, 2004, S.  221, 225. 353  Knieps, in: GS Ewers, 2004, S.  2 21, 225. 354  Haucap/Kruse, WuW 2004, 266, 267; Knieps, Netzökonomie, S.  155; Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 19; Immenga/Kirchner/Knieps/Kruse, Telekommunikation im Wettbewerb, S.  34; Immenga/Mestmäcker/Möschel, Anhang 1 Telekommunikation Rn.  1; Holznagel/Theurl/Meyer/Schumacher, Ownership-Unbundling, S.  12; Knieps/Weiß/Brune­ kreeft/Meyer, Fallstudien zur Netzökonomie, S.  171, 172; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  21. 355  EuGH v. 6.4.1995 – verb. Rs. C-241/91 P u. C-242/91 P, Slg. 1995, I-743 Rn.  5 4 – RTPITP/Kommission (Magill); EuGH v. 26.11.1998 – Rs. C-7/97, Slg. 1998, I-7791 Rn.  41 – Bronner. 356  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  8 ; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  20; Immenga/Mestmäcker//Möschel, Anhang 1 Telekommunikation Rn.  1; Haucap/Kruse, WuW 2004, 266; Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 93 f. 357 Windisch/Windisch, Privatisierung natürlicher Monopole, S.   1, 59: Kosten, die eine Unternehmung nur dadurch vermeiden kann, dass sie einen Markt nicht betritt; Hermes, Infrastrukturverantwortung, S.  318; Knieps, MMR 1998, 275, 276. 358  Zum Folgenden siehe Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 94. 352 

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mäßig gering sind. Gleichwohl müsste ein neuer Marktteilnehmer bei fehlendem Substitutionsgüterwettbewerb schon für die Deckung einer geringen Nachfrage ein komplett neues Netz aufbauen, es sei denn, eine Zugangsverpflichtung zum Netz gestattet den Aufbau einer eigenen Kundenbasis bzw. der technische Fortschritt senkt die Kosten. Darüber hinaus kann ein einmal errichtetes Netz im Falle des Marktaustritts oft nicht anderweitig verwendet, sondern nur „verschrottet“ werden. Auch ein Verkauf an ein anderes Unternehmen erbringt häufig nicht den Anschaffungswert,359 wie sich aktuell an der Diskussion um die „wirtschaftlich angemessene Vergütung“ gem. §  46 Abs.  2 Satz 2 EnWG zeigt,360 die wohl auch in Zusammenhang mit der Tendenz zu einer Rekommunalisierung der Netze (zu möglichst günstigen Konditionen) zu sehen ist.361 Die versunkenen Kosten sind für Marktneulinge regelmäßig eine nicht zu überwindende Zutrittsschranke, während sie für den etablierten Netzbetreiber nicht mehr entscheidungsrelevant sind.362 Der Monopolist hat somit gegenüber potenziellen Wettbewerbern einen Kostenvorteil, da er niedrigere entscheidungserhebliche Kosten als diese hat. Er kann hierdurch glaubwürdig androhen, seine Preise im Falle eines Markteintritts auf die kurzfristigen variablen Kosten zu senken, was dem Neuling die Amortisation seiner Kosten unmöglich macht.363 Der ­Inhaber eines monopolistischen Bottlenecks besitzt selbst dann eine stabile Marktmacht, wenn alle anderen (potenziellen) Marktteilnehmer perfekt informiert 364 und sämtliche Nachfrager wechselbereit sind sowie schon kleine Änderungen des Preises eine Abwanderung der Nachfrage zur Folge hätten (sog. Bertrand-Nash-Annahme).365 Er hat deshalb Anreize, anderen Unternehmen den Zugang zum Netz zu verweigern bzw. die Zugangskonditionen unattraktiv zu gestalten, um den Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Ebenen – die regelmäßig keine resistenten Monopole bilden – zu verhindern oder jedenfalls zu beschränken.366 3. Symmetrische oder asymmetrische Regulierung Augenfälligstes Instrument des damit beschriebenen disaggregierten Regulierungsansatzes ist der sog. 3-Kriterien-Test im Bereich der Telekommunikation, 359 

Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 94. Dazu statt anderer Schwintowski, ZNER 2012, 14, 18 und öfter, wonach die theoretisch denkbare Überlassung des Netzes zu einem Barwert Null keine Zwangsschenkung sei. 361  Dazu Teil 2 F. III. 362  Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  32; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  21. 363  Höppner, Netzstruktur, S.  51. 364  Siehe auch zum Regulierungsgrund der asymmetrischen Information Teil 6. B. IV. 6. 365  Knieps, Netzökonomie, S.  155; ders., Wettbewerbsökonomie, S.  32. 366  Haucap/Kruse, WuW 2004, 266, 267; Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 47; siehe aber auch im Hinblick auf die Eisenbahnverkehrsmärkte Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 690 ff. 360 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

welcher den Fokus nicht auf das Vorliegen eines branchenweiten natürlichen Monopols legt, sondern darauf, ob auf der jeweiligen Wertschöpfungsstufe (dauerhafte) beträchtliche Marktmacht zu lokalisieren ist (§  10 Abs.  2 Satz 1 TKG).367 Hiernach können nur Netzbetreiber, die über eine beträchtliche Marktmacht verfügen, zur Gewährung des Netzzugangs verpflichtet werden (§  21 Abs.  1 Satz 1, Abs.  2 Satz 1, Abs.  3 Satz 1 TKG). Die konkrete Zugangsverpflichtung folgt nicht aus dem Gesetz, sondern wird erst infolge einer Marktanalyse im Sinne des §  11 TKG sowie der darauf aufbauenden Feststellung einer SMP-Stellung durch eine Regulierungsverfügung auferlegt (§  13 TKG). Anders als etwa im Energiewirtschaftsrecht, wo die §§  20 ff. EnWG eine abstrakte Verpflichtung zur Regulierung der Netze statuieren,368 hat die Regulierungsbehörde im TK-Sektor somit nach §  13 TKG i. V. mit den §§  16 ff. TKG ein Auswahlermessen. Diese Herangehensweise basiert auf dem Umstand, dass im Bereich der Telekommunikation weite Teile der Netzinfrastruktur substituierbar, duplizierbar oder sogar multiplizierbar sind, weshalb nicht jeder Netzbetreiber zugleich ein regulierungsbedürftiges monopolistisches Bottleneck beherrscht.369 Der 3-Kriterien-Test behandelt somit zugleich die Frage, ob Marktmacht durch das Wettbewerbs- oder das Regulierungsrecht kontrolliert werden soll.370 Anders als das TK-Regulierungsrecht verzichten das EnWG und das AEG auf eine nähere Definition des Zugangsobjekts, sondern verpflichten die Netzbetreiber pauschal zu einem Netzzugang, da hier der Bottleneck-Charakter der Energieversorgungsleitungen 371 und Schienenwege372 offensichtlich ist. Da es sich um natürliche Monopole handelt, wurde auch darauf verzichtet, die Marktmacht der Zugangsverpflichteten gesondert festzustellen.373 In allen drei Sektoren (Energie, Telekommunikation, Eisenbahnen) sieht der Gesetzgeber somit eine Ex-ante-Zugangsregulierung vor. Während diese jedoch im Energie- und Schienenbereich symmetrisch ausgestaltet ist, da hier alle Netze automatisch reguliert werden, ist sie im TK-Sektor asymmetrisch, da hier nur den marktmächtigen Unternehmen auf regulierungsbedürftigen Märkten Pflichten auferlegt werden können (nicht müssen), die für nicht marktmächtige Unternehmen nicht gelten.374 367  Möschel, MMR 2007, 343, 346; Picot/Picot, Regulierung von Netzindustrien, S.  9, 19; siehe zu den praktischen Problemen aufgrund des dynamischen Marktumfeldes und der Veränderung der Nachfrage nach Kommunikationsdiensten Haucap/Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 3.1. 368  Dasselbe gilt für das AEG. 369  Höppner, Netzstruktur, S.  60. 370  Haucap/Coenen, Regulierung und Deregulierung in Telekommunikationsmärkten, unter 4. 371  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1165. 372 Picot/Donges/Schmidt, Regulierung von Netzindustrien, S.  37, 48; Berndt, Anreizregulierung, S.  42. 373  Höppner, Netzstruktur, S.  59. 374  Monopolkommission, Sondergutachten 56, Rn.  68 ff.; Picot/Donges/Schmidt, Regulie-

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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4. Beseitigung der antikompetitiven Effekte unerlässlicher Infrastrukturen durch Regulierung Um die durch das Vorliegen eines natürlichen Monopols bewirkten Marktzutrittsschranken zu überwinden und die jeweiligen Endkundenmärkte angreifbar zu machen, müssen die Wettbewerber gegen ein angemessenes Entgelt Zugang zu der notwendigen Infrastruktur haben, um so den Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten zu stimulieren. Durch das Recht zur Mitbenutzung der Bottleneck-Einrichtung auf Kostenbasis wird potenziellen Mitbewerbern ohne Kostennachteil gegenüber dem etablierten Unternehmen Zugang zur gleichen Technologie gewährt, die auch das etablierte Unternehmen nutzt. Die für die Erbringung von Leistungen auf den vor- und nachgelagerten Marktstufen unerlässlichen Infrastrukturen werden damit kompetitiv neutralisiert, indem potenzielle Wettbewerber von der Notwendigkeit befreit werden, volkswirtschaftlich unerwünschte Investitionen zu tätigen, wodurch gleichzeitig ein „Level-playing-Field“ geschaffen wird.375 Der durch den Netzzugangsanspruch angekurbelte verstärkte Dienstleistungswettbewerb auf der nachgelagerten Marktstufe führt im Regelfall zu niedrigeren Verbraucherpreisen und macht eine End-to-End-Regulierung, d. h. eine Regulierung, die auch die anderen Stufen der Wertschöpfung umfasst, überflüssig.376 Hierzu ist eine wettbewerbliche Regulierung der Zugangsentgelte unabdingbar, da nur so der Spielraum des marktmächtigen Unternehmens zur antikompetitiven Ausbeutung der Verbraucher auf der nachgelagerten Marktstufe beschränkt wird. Sind in einem Infrastruktursektor mehrere (konkurrierende) Netzanbieter tätig, so erfordert die effektive Bereitstellung von Netzinfrastrukturdiensten in der Regel die Zusammenschaltung der Netze, da nur so die Ausschöpfung der positiven Netzwerkexternalitäten (Netzwerkeffekte377) auf Nachfragerseite möglich ist, ohne dass jeder Nutzer über einen eigenen Anschluss an jedes Netz verfügen muss.378 Auch im Bereich der TK-Regulierung, die grundsätzlich von einer asymmetrischen Regulierung von marktmächtigen Unternehmen ausgeht, ist hier deshalb eine symmetrische, also alle Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes unabhängig von ihrer Marktmacht betreffende Regulierung vorgesehen (§  16 TKG: Zusammenschaltung der Netze).

rung von Netzindustrien, S.  37 f.; ausführlich Huppertz, Die SMP-Konzeption. Dies ist ein Gedanke, der auch im Rahmen der Art.  102 AEUV, §§  19 ff. GWB zum Tragen kommt; vgl. BGH. v. 8.4.2003 – KZR 39/99, WRP 2003, 988 – Konkurrenzschutz für Schilderpräger. 375  Höppner, Netzstruktur, S.  52. 376  Gersdorf, in: FS Säcker, 2011, S.  681, 686; siehe jedoch auch S.  699 ff., wonach die Eisenbahnverkehrsmärkte aufgrund ihrer spezifischen Gegebenheiten regulierungsbedürftig seien. 377  Siehe Teil 6 B. IV. 4. 378  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  10.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

IV. Zu regulierende Märkte 1. Energie Die Strukturen der Energiewirtschaft waren zum Zeitpunkt der Marktöffnung durch eine vertikale Integration der Verbundunternehmen über alle Stufen der Wertschöpfungskette gekennzeichnet.379 Aufgrund von gesetzlich zugelassenen Demarkations- und Konzessionsverträgen 380 war jedes Verbundunternehmen in seinem Liefergebiet alleiniger Übertragungsnetzbetreiber, alleiniger Großhändler für elektrischen Strom und Gas und hatte auch das Monopol über die Versorgung der Letztverbraucher in seinem Versorgungsgebiet inne.381 Auf dieser normativen Grundlage durften keine parallelen Netze aufgebaut werden; stattdessen wurde die Energiewirtschaft staatlich reguliert. Seit den 1990er Jahren erlebte der Energiesektor in Deutschland und Europa jedoch grundlegende Veränderungen, die mit einer zunehmenden Intensität des Wettbewerbs einhergingen.382 In der Energiewirtschaft muss grundsätzlich zwischen den Wertschöpfungsketten Transport- und Versorgung unterschieden werden.383 Zur Versorgungsebene gehören die Erzeugung und der Vertrieb. Die Transportebene unterteilt sich in die Übertragung und die Verteilung. Im Stromsektor umfasst die Marktstufe „Erzeugung“ alle dem deutschen Markt zur Verfügung stehenden Elek­ trizitätsmengen, die entweder durch Kapazitäten in Deutschland erzeugt oder aus dem Ausland nach Deutschland importiert werden.384 Die Kommission rechnet dem Erzeugungsmarkt auch den Großhandel mit (elektrischer) Energie zu.385 Innerhalb der Transportstufe ist zwischen den Energiearten elektrischer Strom und Gas zu unterteilen. Bei elektrischem Strom bezieht sich der Transport auf die Überwindung größerer Entfernungen über das Höchst- und Hochspannungsnetz (sog. Übertragung, vgl. §  3 Nr.  32 EnWG).386 Die nachgelagerte Verteilung der Energie umfasst den Transport bis hin zum Niederspannungs379 Knieps/Brunekreeft/Brunekreeft/Keller, Zwischen Regulierung und Wettbewerb, Netzsektoren in Deutschland, S.  125, 140 f.; Berndt, Anreizregulierung, S.  46; siehe schon Teil 7 A. I. 380 Dazu Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  19 ff. 381  Berndt, Anreizregulierung, S.  46. 382  Gleave, ZfE 34 (2010), 101. 383  Säcker, ET 4/2011, 74; siehe zur Marktabgrenzung BerlKommEnR/Mohr, §  29 GWB Rn.  73 ff. 384  Gleave, ZfE 34 (2010), 101, 102. 385  Vgl. Kommission, Entsch. v. 14.3.2006 – COMP/M.3868, Rn.  2 28 ff. – DONG/Elsam/ Energi E2; a. A. Gleave, ZfE 34 (2010), 101, 102. 386  §  3 Nr.  32 EnWG definiert die Übertragung als den „Transport von Elektrizität über ein Höchstspannungs- und Hochspannungsverbundnetz einschließlich grenzüberschreitender Verbindungsleitungen zum Zwecke der Belieferung von Letztverbrauchern oder Verteilern, jedoch nicht die Belieferung der Kunden selbst.“

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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netz zur Versorgung der Verbraucher (§  3 Nr.  37 EnWG).387 Die Liberalisierung der Energieversorgung hat – wie bereits erläutert – zum Hervortreten der Vertriebsstufe als eigenständiger Wertschöpfungsebene geführt.388 Der Vertrieb steht in unmittelbarer Verbindung zum Endkunden, indem er die Energie und die Netztransportdienste einkauft und diese Leistungen an die Endkunden verkauft bzw. die entsprechenden Netz(Transport-)Dienste vermittelt.389 Die Versorgung mit Elektrizität ist durch ihre Leitungsgebundenheit geprägt (§  3 Nr.  14 EnWG). Sind Stromerzeuger und Stromhändler nicht Betreiber eines eigenen Netzes bis hin zum Kunden, sind sie deshalb auf die Mitbenutzung der vorhandenen Netzinfrastruktur angewiesen. Sie können ihre Leistung nur dann erbringen, wenn sie zu angemessenen Bedingungen Zugang zum vorhandenen Netz eines Dritten haben. Ökonomisch sind sowohl der Betrieb eines Übertragungsnetzes als auch die Stromverteilung als nicht angreifbares natürliches Monopol zu qualifizieren.390 Die Eigenschaft als natürliches Monopol geht bei Übertragungsnetzen ergänzend auf die technische Steuerungsfunktion des Systembetriebs zurück, bei der Stromverteilung resultiert sie jedenfalls aus den bei der Errichtung eines Stromnetzes anfallenden hohen Kapitalkosten und den damit verbundenen Skaleneffekten.391 Bei Verbundnetzen in verschiedenen Ballungsgebieten treten die Spitzenlasten der einzelnen lokalen Verbrauchsschwerpunkte nicht gleichzeitig auf, weshalb sie bei einer zunehmenden Größe des Netzes leichter geglättet werden können.392 Mit der Glättung dieser Nachfragespitzen nehmen gleichzeitig die für den Fall einer technischen Störung vorzuhaltenden Reservekapazitäten und damit die Systemkosten ab.393 Das natürliche Netzmonopol wird im Energiesektor auch nicht durch potenziellen Wettbewerb domestiziert. Aufbau und Unterhalt der Leitungsnetze erfordern außerordentlich hohe Investitionen, die im Falle eines Marktaustrittes regelmäßig versunken sind, da sie keiner gleichwertigen anderen Verwendung zugeführt werden können.394 Potenzielle Marktneulinge werden durch die Investitionskosten abgeschreckt, wohingegen sie für die etablierten Betreiber keine relevante ökonomische Größe mehr darstellen. Diese können ihren Wettbewerbern für den Fall eines potenziellen Markteintritts vielmehr glaubhaft damit drohen, die Kosten auf die kurzfristigen Grenzkosten herabzusetzen. 387  §  3 Nr.  37 EnWG definiert Verteilung als „die Erzeugung oder Gewinnung von Energie zur Belieferung von Kunden, der Vertrieb von Energie an Kunden und der Betrieb eines Energieversorgungsnetzes“. 388  Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S.  28. 389  Gleave, ZfE 34 (2010), 101. 390  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1118. 391  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1118. 392  Berndt, Anreizregulierung, S.  47. 393 Zu diesen Systemgrößenvorteilen siehe Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1119. 394  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1118.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

Die Wertschöpfungsstufen im Gassektor umfassen vergleichbar dem Elektrizitätssektor die Erzeugung, das Ferngas- und Weiterverteilernetz sowie den Handel.395 Der regulierungsbedürftige monopolistische Engpassbereich ist auch hier auf die Infrastruktur beschränkt, also auf das Ferngas- und Weiterverteilernetz.396 Gründe hierfür sind Größen- und Verbundvorteile im leitungsgebundenen Transport mit Erdgas. Der Bau von Pipelines und die für den Netzbetrieb notwendigen Verdichter- und Regelanlagen sind mit sehr hohen Fixkosten verbunden, die zu einem großen Teil versunken sind.397 Demgegenüber ist auf der Erzeugungs-/Gewinnungsstufe ein Wettbewerb grundsätzlich möglich, so dass hier keine Regulierung geboten ist.398 Aufgrund des hohen Gasimportes auf der Grundlage von langfristigen Lieferverträgen ist die Wertschöpfungsstufe für eine Regulierung aber sowieso von untergeordneter Bedeutung.399 Auch der marktorientierten Bildung von Gaspreisen auf der Großhandels- und der Einzelhandelsebene steht nichts entgegen.400 Ein funktionsfähiger Wettbewerb hängt auf dieser Stufe jedoch davon ab, dass die Händler zu angemessenen Konditionen Zugang zu den Ferngas- und Weiterverteilungsnetzen haben, weshalb diese zu regulieren sind. 2. Telekommunikation Anders als im Bereich der Energieversorgung und der Eisenbahnen lassen sich die Telekommunikationsnetze zum Teil wirtschaftlich rentabel duplizieren.401 Das basiert einerseits auf dem technischen Fortschritt, zum anderen an einer stetig wachsenden Nachfrage. Aus diesem Grunde verläuft im Telekommunikationssektor die Trennlinie zwischen wettbewerbsfähigen und zu regulierenden Marktbereichen nicht allein mit Blick auf die Infrastruktur. Vielmehr erfolgt die wettbewerbliche Tätigkeit hier auch um den Markt durch die Bereitstellung einer eigenen Infrastruktur. Dementsprechend reicht das Betätigungsfeld der auf dem Telekommunikationssektor tätigen Anbieter vom reinen Wiederverkauf ohne eigenes Netz über alternative Infrastrukturbetreiber bis hin zu auf der Infrastruktur aufbauenden Diensten. Letztere lassen sich wiederum generell in schmalbandige und breitbandige Datendienste unterteilen, als die beiden Hauptkategorien, um deren Öffnung es dem Zugangskonzept in der Telekommunikation geht.402 Aufgrund der dynamischen Struktur der Telekommunikationsmärkte ist kein stabiles symmetrisches Regulierungsregime wie in der 395 

Berndt, Anreizregulierung, S.  47. Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  434. 397  Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  434. 398  Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  4 40. 399  Berndt, Anreizregulierung, S.  48. 400  Monopolkommission, Sondergutachten 49, Rn.  4 40. 401  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 708. 402  Höppner, Netzstruktur, S.  342. 396 

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Energiewirtschaft und im Eisenbahnsektor notwendig. Vielmehr muss der Gesetzgeber ein flexibles, sich an die ändernden Marktgegebenheiten anpassendes Verfahren vorsehen, wie dies mit den Vorgaben zur Marktanalyse und zum Erlass von Regulierungsverfügungen in den §§  9 ff. TKG geschehen ist.403 Die Kommission hat auf der Grundlage von Art.  15 Abs.  1 der Rahmenrichtlinie 2002/21/EG im Jahr 2007 eine aktualisierte Empfehlung veröffentlicht, welche Märkte den sog. 3-Kriterien-Test des §  11 Abs.  2 TKG erfüllen, weshalb sie zu regulieren sind.404 Anders als das Unionsrecht sieht das deutsche Recht sowohl eine Ex-post- als auch eine Ex-ante-Regulierung vor, weshalb die BNetzA vor Ausspruch einer Regulierungsverfügung ihr Regulierungsermessen ausüben und prüfen muss, ob eine Ex-post-Kontrolle ausreicht, um die Regulierungsziele des §  2 TKG zu erreichen.405 Die Ex-ante-Regulierung bildet aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen und der normativen Grund­ entscheidung des Gesetzgebers allerdings immer noch den Regelfall.406 Für alle Betreiber von Telekommunikations-Festnetzdiensten bedeutet insbesondere die Teilnehmeranschlussleitung (TAL), also die letzte Meile zum jeweiligen Kunden, eine nicht bzw. nur schwer zu duplizierende Infrastruktureinrichtung. Unter den gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen handelt es sich bei der TAL zumeist um ein natürliches Monopol, sofern in Ballungsgebieten nicht im Einzelfall durch Glasfasernetze ein Infrastrukturwettbewerb initiiert werden kann.407 3. Eisenbahnen Im Eisenbahnsektor unterscheidet man im Ausgangspunkt zwischen den Wertschöpfungsstufen Verkehr, Infrastruktur und Steuerung, wobei die beiden letztgenannten häufig zusammengefasst werden (vgl. §§  4 Abs.  3, 14 Abs.  1 Satz 403 

Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  19. der Kommission vom 17.12.2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, 2007/879/EG, ABl.EU Nr. L 344/65 v. 28.12.2007. Siehe dazu Geppert/Schütz/Korehnke/Ufer, §  11 TKG Rn.  42 ff.; Säcker/Holdampf-Wendel/Elkettani, Vor §  9 TKG Rn.  1 ff., insb. 35 ff. 405  Siehe zu den verschiedenen Rechtsgrundlagen der Ex-ante- und Ex-post-Entgeltregulierung Säcker/Groebel, §  30 TKG Rn.  6 , die jedoch – insoweit anders als die hier vertretene Auffassung – von unterschiedlichen Maßstäben zwischen den beiden Kategorien der Entgeltregulierung ausgeht. 406 Säcker/Groebel, §   30 TKG Rn.   4. Siehe zur Zulässigkeit der Ex-ante-Regulierung BVerfG v. 8.12.2011 – 1 BvR 1932/08, ZUM-RD 2012, 187 ff. 407  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  234, m. w. N. zu den Voraussetzungen, unter denen die TAL ggf. kein unbestreitbares natürliches Monopol mehr ist: Übermittlung der Signale per Funk an das lokale Vermittlungsnetz, Versenden von Signalen über die Stromnetze oder über die TV-Kabelnetze. 404 Empfehlung

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

3 AEG).408 Infrastruktur und Steuerung werden – zusammen mit der Bereitstellung der für den Fahrbetrieb notwendigen Energie – auch als Vorleistungsmärkte für die Erbringung von Beförderungsleistungen bezeichnet.409 Die Verkehrsebene bezieht sich auf die Erbringung von Beförderungsleistungen (Personen und Güter) auf der Infrastruktur. Die Infrastruktur umfasst die Unterbereiche der Bereitstellung (Errichtung, Gestellung und Vermarktung) und des Betriebes (Instandhaltung und Instandsetzung) der Einrichtungen der Netzinfrastruktur. Die Steuerungsebene beinhaltet die Koordinierung der Streckennutzung, wobei sie sich in eine Ex-ante-Planung der Streckenbelegung und eine Real-time-Koordination der Zugbewegungen aufteilen lässt.410 Die Ex-ante-Koordinierung erfolgt durch das Erstellen von Trassenfahrplänen für die einzelnen Schienenwege; diese sind das zentral zu vermarktende Produkt der Schieneninfrastruktur.411 Auf der Schiene bieten derzeit rund 350 Eisenbahnverkehrsunternehmen ihre Leistungen an.412 Produktionsmöglichkeiten sowie Kosten von Eisenbahnverkehrsleistungen werden maßgeblich durch die Verfügbarkeit, die Qualität und den Preis der Netzleistungen beeinflusst.413 So machen allein die Netzkosten im Eisenbahnsektor zwischen 30 % und 40 % der Gesamtkosten von Eisenbahntransporten aus.414 Errichtung und Bereitstellung der Eisenbahninfrastruktur sind somit unabdingbare Voraussetzungen für das Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen. Aufgrund ihrer ökonomischen Gegebenheiten stellt die Infrastruktur ein nicht angreifbares natürliches Monopol dar.415 Aus den hohen Fixkosten der Netzvorhaltung resultieren erhebliche Größenvorteile, die bei hoher Auslastung zu einer starken Durchschnittskostendegression führen.416 Soll die Kapazität erweitert werden, kann dies ebenfalls am kostengünstigsten durch das etablierte Unternehmen erfolgen, da es keine neue Strecke bauen, sondern lediglich neue Gleise an sein vorhandenes Netz anbauen muss.417 Die Kosten für den Aufbau der Infrastruktur sind aufgrund deren Erdverbundenheit irreversibel, da es nicht rentabel ist, Schienen einer stillgelegten Bahnstre-

408 

Monopolkommission, Sondergutachten 46, Rn.  60 ff. Monopolkommission, Sondergutachten 48, Rn.  6 4; synonym für Beförderungsleistungen wird der Begriff Transportleistungen verwendet. 410  Höppner, Netzstruktur, S.  236 f. 411  Höppner, Netzstruktur, S.  236 f. 412  Berndt, Anreizregulierung, S.  56. 413  Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  815. 414  Monopolkommission, Sondergutachten 46, Rn.  11. 415  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  242. 416  Monopolkommission, Sondergutachten 46, Rn.  12. 417  Berndt, Anreizregulierung, S.  57. 409 

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cke an eine andere Stelle zu verlegen.418 Darüber hinaus zeichnet sich der Eisenbahnsektor durch erhebliche Verbundvorteile aus.419 Differenzierter ist die Situation bei Serviceeinrichtungen wie Bahnhöfen, Einrichtungen für die Versorgung mit Fahrstrom oder Brennstoff oder etwa Gebäuden und Wartungseinrichtungen, sowie für sonstige Einrichtungen und Serviceleistungen, wie zum Beispiel für die Bereitstellung von technischem Gerät für das Vorheizen, die Inspektion, die Wartung oder die Reinigung von Rollmaterial.420 So erscheinen Serviceeinrichtungen zwar bei isolierter Betrachtung als duplizierbar, da sie keine wesentlichen Größenvorteile oder Kosten­ irreversibilitäten aufweisen. Die Servicefunktionen sind jedoch für die Mitbenutzung der Schienenwege unabdingbar, weshalb ihre „Unerlässlichkeit“ – ebenso wie diejenige der Gasspeicheranlagen oder Systemdienstleistungen im Energiesektor – derjenigen der Schienenwege quasi nachfolgt. Demgegenüber kann für die sonstigen Einrichtungen und Serviceleistungen durchaus ein (Ausschreibungs-)Wettbewerb initiiert werden, da hier regelmäßig mehrere vertretbare Alternativen vorliegen und die Leistungen auch unabhängig von der Schieneninfrastruktur erbracht werden können.421 Einer differenzierten Betrachtung bedarf auch das Wettbewerbspotenzial auf der Steuerungs- und Infrastrukturbetriebsebene.422 Hier scheinen im Bereich der Ex-ante-Koordination durch Erstellung von Fahrplänen jedenfalls auf Ebene des Regionalverkehrs größere Wettbewerbspotenziale gegeben als für die zentralen Streckenkorridore und die Real-time-Koordination, wo nach derzeitigem Stand der Erkenntnis eine zentrale Aufgabenerfüllung aus Sicherheitsund Praktikabilitätsgründen unabdingbar ist. Denkbar erscheint auch ein Wettbewerb um den Netzbetrieb, wie er etwa auch im Energiesektor (mittelbar) über die Pflicht zur Ausschreibung von Wegenutzungskonzessionen geboten ist (§  46 Abs.  2, 3 EnWG). Dogmatisch ist hierzu zwischen dem Eigentum an der Infrastruktur und deren Betrieb zu unterscheiden. In Deutschland ist die Deutsche Bahn Netz AG (DB Netz AG) mit einem Anteil von über 90 % der weitaus größte Anbieter von Infrastrukturleistungen.423 Zu diesen zählen nach §  4 Abs.  3 AEG nicht nur die Bereitstellung und der Betrieb der Infrastruktur, sondern auch die Ex-ante- und die Real-timeKoordinierung der Trassennutzung. Eine vergleichbare Situation ergibt sich bei Personenbahnhöfen.424 418  Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  816; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  241. 419  Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  817 f. 420  Dazu ausführlich Höppner, Netzstruktur, S.  238 f. 421  Höppner, Netzstruktur, S.   239, mit zutreffendem Hinweis auf die Ausschreibungspflicht, wenn Anlagen von der öffentlichen Hand gefördert wurden. 422  Höppner, Netzstruktur, S.  239 f. 423  BNetzA, Tätigkeitsbericht Eisenbahn 2007, S.  11. 424  BNetzA, Tätigkeitsbericht Eisenbahn 2007, S.  11.

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Beim Angebot von Eisenbahnverkehrsleistungen treten demgegenüber keine wettbewerbsrelevanten Besonderheiten auf.425 Das regulierungsrechtliche Zugangskonzept ist deshalb auch im Eisenbahnsektor darauf ausgerichtet, diesen Markt dem Wettbewerb zu öffnen.426 Zwar sind auch auf dieser Marktstufe erhebliche Skaleneffekte nachweisbar, da die Durchschnittskosten mit steigendem Verkehrsvolumen auf einer Strecke und bei Bedienung einer durchgehenden Strecke anstelle mehrerer Teilstrecken sinken.427 Ab einem bestimmten Verkehrsaufkommen sind jedoch beide Formen der Größenvorteile ausgeschöpft, weshalb hier dann mehrere Verkehrsunternehmen rentabel nebeneinander „im“ Beförderungsmarkt agieren können.428 Auch auf den Strecken mit einem geringen Verkehrsaufkommen, die einen Wettbewerb „im Markt“ unrentabel erscheinen lassen, ist jedenfalls ein Wettbewerb „um den Markt“ denkbar. Die Angreifbarkeit der Eisenbahnverkehrsmärkte folgt auch aus dem geringen Grad an Kostenirreversibilitäten. Das gilt insbesondere für die wesentlichen Kosten des sog. rollenden Materials (Züge, Waggons), da fast alle Fahrzeuge auf Sekundärmärkten gehandelt werden. Darüber hinaus können die Unternehmen in steigendem Maße auf Leasingangebote sowie Zug- und Waggonpools zurückgreifen.429 Die komplexen Einzelheiten müssen uns an dieser Stelle nicht weiter beschäftigen. Im Rahmen der Marktentwicklung ist bedeutsam, dass der Eisenbahnverkehr von einem intermodalen Wettbewerb430 zu anderen Verkehrsträgern wie dem motorisierten und dem nicht motorisierten Individualverkehr oder der Luftfahrt geprägt ist.431 Der intermodale Wettbewerb auf der Endkundenstufe kann grundsätzlich auch die Monopolmacht des Netzbetreibers begrenzen, als eine Art Quasi-Infrastrukturwettbewerb. So können Transportleistungen auf der Straße, in der Luft und über Wasser die Transportleistungen über die Schiene zum Teil ersetzen.432 Je nach Länge der Strecke und der Art des Transportes stehen die Eisenbahnen deshalb zu anderen Verkehrsträgern im Wettbewerb. Bislang hält sich die disziplinierende Wirkung des intermodalen Wettbewerbs jedoch in Grenzen und macht eine Regulierung nicht entbehrlich.433 So bestehen sowohl im Güter- als auch im Personenverkehr erhebliche Substitutionsde425 

Berndt, Anreizregulierung, S.  56. Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  816. 427 Vgl. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  240. 428  Höppner, Netzstruktur, S.  237. 429  Höppner, Netzstruktur, S.  237. 430  Davon zu unterscheiden ist der sog. intramodale Wettbewerb, wie er sich beispielsweise im Rahmen des TK-Zugangswettbewerbs darstellt (zum Beispiel: herkömmliche TAL und Glasfaser-TAL). 431  Monopolkommission, Sondergutachten 46, Rn.  12; dies., Hauptgutachten 14, Rn.  816 mit Fn.  70, wonach der Marktanteil der Schiene im EG-Raum abgesunken sei. 432  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  242. 433  Berndt, Anreizregulierung, S.  58. 426 

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fizite zwischen den Verkehrsträgern, so dass der durch intermodalen Wettbewerb bewirkte Wettbewerbsdruck nur lückenhaft ist. Folgerichtig ging der BGH bislang für den Personennahverkehr davon aus, dass dieser mit dem Schienenpersonennahverkehr einen getrennten Markt bilde.434

V. Netzzugang durch zivilrechtlichen Vertrag Der Netzzugang vollzieht sich in den Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen auf der Grundlage privater Rechtsverhältnisse, wie zunächst am Beispiel der Versorgung mit Strom aufgezeigt werden soll.435 1. Energiewirtschaftsrecht Auch unter Geltung des Systems eines „regulierten Netzzugangs“ vollzieht sich der Netzzugang auf der Grundlage privatrechtlicher Verträge.436 Sind sich ein Lieferant und der Netzbetreiber über die Bedingungen der Netznutzung durch Abschluss eines privatrechtlichen Lieferantenrahmenvertrages (§   20 Abs.   1a Satz 2 EnWG) rechtlich und material-faktisch einig,437 besteht kein praktisches Bedürfnis für eine zwangsweise Durchsetzung des Anspruchs auf Netzzugang zu angemessenen Bedingungen.438 So ist die Höhe der Netznutzungsentgelte bereits ex ante im Rahmen eines Entgeltgenehmigungsverfahrens bzw. nach den Grundsätzen der Anreizregulierung festgelegt. Selbst wenn der Lieferant mit einzelnen sonstigen Geschäftsbedingungen des Netzbetreibers nicht einverstanden ist,439 wird er den Vertrag häufig unter Vorbehalt schließen, und die 434 

BGH v. 7.2.2006 – KVR 5/05, WuW/E DE-R 1682 Rn.  23 f.– DB Regio/üstra. Siehe dazu Boesche, Zugang zu Energieversorgungsnetzen, S.  98 ff. 436  Kühne/Brodowski, NVwZ 2005, 849, 850. Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  196 f. spricht – wohl aufgrund eines formalen Freiheitsverständnisses – von einer „Illusion der Privatautonomie“; zu den abzuschließenden Verträgen siehe Peters (a. a. O.), S.  82 f.: Netzanschlussvertrag gem. §  17 EnWG als Grundlage der Netznutzung, im Strombereich sodann Netznutzungsvertrag gem. §  20 Abs.  1a Satz 1 EnWG i. V. mit §  24 StromNZV bzw. Lieferantenrahmenvertrag gem. §  20 Abs.  1a Satz 2 EnWG i. V. mit §  25 StromNZV. Im Gasbereich sind Einspeise- und Ausspeiseverträge abzuschließen, §  20 Abs.  1b Satz 2 und 3 EnWG i. V. mit §  3 Abs.  2 GasNZV. Auch Energielieferverträge mit Endkunden sind dem Privatrecht zuzuordnen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um sog. Sondervertrags- oder Grundversorgungsverträge handelt; siehe statt anderer Klees, Energiewirtschaftsrecht, S.  284 f. 437  Grundsätzlich können auch Letztverbraucher mit den Netzbetreibern Netznutzungsverträge schließen, vgl. §  20 Abs.  1a Satz 1 EnWG, sofern sie mit ihrem Lieferanten keinen „All-inclusive-Vertrag“ abgeschlossen haben, in dem neben der Stromlieferung auch Fragen der Netznutzung geregelt sind; zur dogmatischen Konstruktion vgl. BerlKommEnR/Säcker/ Boesche, §  20 EnWG Rn.  137 ff. 438 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  45. 439  Aufgrund der Komplexität des Netzanschlusses und des Netzzugangs können nicht alle zu regelnden Sachverhalte durch den Gesetzgeber und/oder die Regulierungsbehörde vorgegeben werden; vgl. Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  197. 435 

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

beanstandeten Regelungen erst hiernach der BNetzA im Rahmen eines 31 Abs.   1 EnWG).440 In diesem Ex-post-Missbrauchsverfahrens vorlegen (§   Missbrauchsverfahren wird die BNetzA sodann ggf. eine Missbräuchlichkeit der Vertragsbestimmungen feststellen und Vorgaben über die Vereinbarkeit mit dem EnWG und den einschlägigen Verordnungen machen, ohne die zu treffenden Regelungen im Einzelnen determinieren zu müssen. Legt ein Netzbetreiber dem Nutzungspetent auf Grundlage des §  20 EnWG allerdings überhaupt kein Vertragsangebot auf Nutzung des Netzes zu angemessenen Bedingungen vor, so greift der dort normierte gesetzliche Netznutzungsanspruch.441 Im Ergebnis handelt es sich bei den Ansprüchen gem. den §§  20 ff. EnWG442 um eine besonders strikt ausgestaltete Spielart eines zivilistischen Kontrahierungszwangs,443 die als Rechtsfolge unmittelbar die jeweilige Leistung vorsieht.444 Die gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung des Zugangsanspruchs ergeben sich zum Teil aus den Netzzugangsverordnungen für elektrischen Strom und Gas.445 Vergleichbares gilt für die besonderen Abnahme- und Vergütungspflichten nach den §§  8 ff. und 16 ff. EEG 2012; auch insoweit besteht ein unmittelbar durchsetzbares gesetzliches Schuldverhältnis, das durch Zugang des Einspeisebegehrens begründet wird.446 440 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §   20 EnWG Rn.   45; Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  75 ff. 441  Dieser findet seine dogmatische Grundlage letztlich im deliktischen Beseitigungsanspruch des §  1004 Abs.  1 Satz 1 BGB. Auch der BGH begründete einen Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Entgelts für die Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien mit §  1004 Abs.  1 Satz 1 BGB bzw. mit den sektorspezifischen Ausprägungen dieser Norm, vgl. BGH v. 6.10.1992 – KZR 10/91, BGHZ 119, 335, 345 f. – Stromeinspeisung; BGH v. 2.7.1996 – KZR 31/95, BGHZ 133, 177, 180 f.– Kraft-Wärme-Kopplung (Einspeisevergütung); BGH v. 8.12.1998 – KZR 49/97, WuW/E BGH 3099, 3101 – Kraft-Wärme-Kopplung II (Stromveredelung); siehe dazu Lohse, AcP 201 (2001), 903 ff.; Boesche, Zugang zu Energieversorgungsnetzen, S.  209 ff. 442 Siehe zu den Spezialfällen eines Zugangs zu vorgelagerten Rohrleitungsnetzen und Gasspeichern gem. §§  26 bis 28 EnWG Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  200 ff.: nur verhandelter Netzzugang, deshalb „einfacher“ Kontrahierungszwang. Da auch der regulierte Netzzugang auf vertraglicher Grundlage erfolgt, ist die Formulierung des §  26 EnWG „auf vertraglicher Grundlage“ missverständlich; vgl. Danner/Theobald/Däuper, §  26 EnWG Rn.  5. 443  Dies deckt sich mit der h. A., die von einem – unvollständig geregelten – gesetzlichen Zugangsanspruch auf vertraglicher Grundlage ausgeht, vgl. statt anderer Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  206. 444 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  17 Rn.  4 ; zur Antragstellung Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  202 ff. Siehe zum allgemeinen zivilistischen Kontrahierungszwang auch Kilian, AcP 180 (1980), 47, 82: die Klage sei auf Leistung zu den normalen oder notfalls nach §  315 Abs.  3 BGB festzulegenden angemessenen Bedingungen gerichtet; zur dogmatischen Begründung siehe auch Busche, Kontrahierungszwang, S.  264 ff.: Anspruch auf Vertragsschluss und hieraus folgend auf Leistung; Bydlinski, AcP 180 (1980), 1, 16 ff. m. w. N. 445  Dazu BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  106 ff. 446  Auch das Recht der erneuerbaren Energien geht trotz Anordnung eines Kontrahierungszwangs (§  8 EEG 2012) mit garantierter Einspeisevergütung (§§  16 ff. EEG 2012) vom Abschluss privatrechtlicher Verträge aus; vgl. zur früheren Rechtslage schon Busche, Kontra-

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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2. Telekommunikationsrecht Auch im Telekommunikationssektor soll das Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht die Bedingungen des Zugangs zu seinem Netz mit Wettbewerbern durch privatrechtlichen Vertrag aushandeln.447 So hat ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht im Sinne des §  11 Abs.  1 TKG verfügt, und dem deshalb nach §  21 TKG eine abstrakte Zugangsverpflichtung auferlegt wurde, als Rechtsfolge nach §  22 TKG anderen Unternehmen ein schriftliches Angebot auf Zugang abzugeben, sofern diese eine angeordnete Zugangsleistung nachfragen.448 Kommt keine Zugangsvereinbarung nach §  22 TKG zustande, kann der Anspruch auf Abgabe des Angebots klageweise vor den Zivilgerichten durchgesetzt werden.449 Es kann jedoch auch ein Antrag bei der BNetzA auf Anordnung des Zugangs nach §  25 TKG gestellt werden. Durch eine Zugangsanordnung nach §  25 Abs.  1 TKG wird das bürgerlich-rechtliche Vertragsverhältnis der beteiligten Parteien unmittelbar gestaltet. Der entsprechende Verwaltungsakt ersetzt somit die auf den Abschluss des Vertrages gerichteten Willenserklärungen der Beteiligten, ohne damit das Rechtsverhältnis insgesamt dem öffentlichen Recht zuzuweisen.450 Abweichend vom „Primat der Vertragsverhandlungen“ kann die BNetzA das marktmächtige Unternehmen gemeinsam mit Zugangsverpflichtungen gem. den §§  21 Abs.  1 Satz 2, 23 TKG dazu anhalten, ein sog. Standardangebot für Leistungen mit allgemeiner Nachfrage zu veröffentlichen. Das Standardangebotsverfahren ermöglicht der Regulierungsbehörde präventiv eine intensive Einflussnahme auf die Zugangsbedingungen und setzt die Wettbewerber zugleich in die Lage, Zugangsverträge mit dem etablierten Unternehmen abzuschließen, ohne diese zu-

hierungszwang, S.  489 ff., insb. S.  513 ff. Die dogmatische Konstruktion des Kontrahierungszwangs ist wie im EnWG streitig: Nach einer Ansicht besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Abschluss eines Stromeinspeisungsvertrages, nach anderer Ansicht wird unmittelbar ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet; vgl. Frenz/Müggenborg/Cosack, §  8 EEG Rn.  12 ff. Im Ergebnis geht es um die Frage, ob der Netznutzungspetent sofort Zugang zum Netz verlangen kann oder (im Wege der Stufenklage) erst auf Abschluss eines Vertrages klagen muss, was dem Netzbetreiber Verzögerungsmöglichkeiten wie die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gem. §§  273, 320 BGB eröffnete; dazu BGH v. 11.6.2003 – VIII ZR 160/02, NVwZ 2003, 1143, 1148 ff. Bei teleologischer Auslegung ist ein unmittelbarer Zugangsanspruch vorzugswürdig. Dieser kann freilich sowohl über einen gesetzlichen Anspruch auf Netzzugang als auch über einen (besonders strikt ausgestalteten) Kontrahierungszwang begründet werden. 447 Säcker/Kühling/Neumann, §  25 TKG Rn.  2. 448 Säcker/Neumann/Thomaschki, §  2 2 TKG Rn.  5 ff. 449 Säcker/Neumann/Thomaschki, §  2 2 TKG Rn.  18. 450  BVerwG v. 31.3.2004 – 6 C 11.03, NVwZ 2004, 1365; Geppert/Schütz/Geppert/Attendorn, §  25 TKG Rn.  65; a. A. Säcker/Kühling/Neumann, §  25 TKG Rn.  80 ff.: primär öffentlich-rechtliches Zugangsverhältnis.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

vor zeitaufwändig aushandeln und im Fall der Nichteinigung die BNetzA anrufen zu müssen.451 3. Eisenbahnregulierungsrecht Der Anspruch auf Zugang zur Eisenbahninfrastruktur ist in §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG in Verbindung mit §  3 Abs.  1 Satz 1 EIBV normiert. Das Gesetz beschreibt diesen Anspruch mit der diskriminierungsfreien Nutzung der betriebenen In­ frastruktur und der Inanspruchnahme der damit verbundenen Leistungen.452 Gem. §  14 Abs.  6 AEG sind die Einzelheiten des Zugangs, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes und der Dauer der Nutzung, sowie das zu entrich­ tende Entgelt und die sonstigen Nutzungsbedingungen zwischen den Zu­ gangsberechtigten und den Eisenbahninfrastrukturunternehmen durch privatrechtlichen Vertrag zu vereinbaren.453 Zusätzlich können die Betreiber von Schienenwegen und die Zugangsberechtigten sog. Rahmenverträge abschließen, die in §  14a AEG und in den §§  2 Nr.  9, 13 EIBV teilweise geregelt sind.454 Auch im Recht der Schienennetzregulierung gilt somit ein Vorrang privatautonomer Vereinbarung, der durch die hoheitlichen Einwirkungsmöglichkeiten der BNetzA gem. den §§  14b bis 14f AEG eingeschränkt wird, sofern sich die Parteien nicht oder nicht in allen notwendigen Punkten einigen.455 Der eigentliche Anspruch auf Zugang soll sich nach der im Schrifttum herrschenden sog. Zweistufentheorie unterteilen in den Anspruch darauf, dass überhaupt Zugang gewährt wird („Ob“), und in den Anspruch, dass die Bedingungen der Anschlussgewährung („Wie“) nicht diskriminierend sind.456 Die Zugangsberechtigten sollen mit anderen Worten kein unmittelbar gesetzliches Zugangsrecht haben. Vielmehr sei die Verpflichtung aus §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG mit ihrer inhaltlichen Konkretisierung durch die EIBV dahingehend zu verstehen, dass es sich um eine solche handle, mit jedem Zugangsberechtigten Vereinbarungen im Sinne des §  14 Abs.  6 AEG abzuschließen.457 Aus diesem Grunde bestehe anders als bei einem gesetzlich angeordneten Zugangsanspruch458 ein Zurückbehaltungsrecht des Netzbetreibers gem. den §§  273, 320 BGB bei Zah451 Kurth/Schmoeckel/Kurth, Regulierung im Telekommunikationssektor, S.   101, 112; Scheuerle/Mayen/Hölscher, §  23 TKG Rn.  1; BNetzA v. 21.3.2011 – BK 3g-09/085, unter II. 452  Zur Frage, ob ein Netznutzungsanspruch von Stromlieferanten der Deutschen Bahn nach AEG oder nach EnWG besteht, siehe BGH v. 9.11.2010 – EnVR 1/10, NVwZ-RR 2011, 277: Das Bahnstromnetz unterfalle der Regulierung nach dem EnWG, da im AEG nichts Abweichendes geregelt sei (§§  3a EnWG, 1 Abs.  2 Satz 3 AEG). 453 Schmitt/Staebe/Förster/Kardetzky, Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  273. 454  Vgl. dazu Grün/Ostendorf, N&R 2006, 59, 62 f. 455  Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, §  14 AEG Rn.  14 und §  14f AEG Rn.  3. 456  Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, §  14 AEG Rn.  2. 457 Schmitt/Staebe/Förster/Kardetzky, Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  283. 458 Zur vergleichbaren Diskussion zum Abnahmeanspruch nach §   8 EGG 2012 siehe Frenz/Müggenborg/Cosack, §  8 EEG Rn.  12 ff.

C. Grundlagen des Zugangskonzepts

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lungsrückständen aus vergangenen Trassennutzungen.459 Eine solche Sichtweise wird dem Telos der Regulierungsvorschriften nicht gerecht.460 Sie widerspricht auch der Regelung in §  14f Abs.  3 Nr.  2 AEG, wonach die BNetzA durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt die Vertragsbedingungen festlegen, über die Geltung des Vertrages entscheiden und entgegenstehende Verträge für unwirksam erklären kann, sofern eine Vereinbarung nach §  14 Abs.  6 AEG oder ein Rahmenvertrag nach §  14a AEG nicht durch eine beidseitig material-selbstbestimmte Einigung zustande kommt.461 Ansonsten bestünde die konkrete Gefahr, dass sich der Netzbetreiber durch das Stellen unangemessener Vertragskonditionen oder das Fordern eines unangemessenen Entgelts seiner Pflicht, sein Netz für Dritte zur Verfügung zu stellen, auf längere Sicht entziehen könnte, da der Nutzungspetent erst auf die Aufnahme von Vertragsverhandlungen bzw. auf den Abschluss eines Vertrages und sodann noch auf Erfüllung, also auf Einräumung des Netzzugangs klagen müsste.462 Hinzu käme die Gefahr einer von §  14 Abs.  1 Satz 1, Abs.  5 Satz 2 Nr.  2 AEG untersagten Diskriminierung, sofern gegenüber einem fremden Unternehmen der vorherige Abschluss eines Vertrages verlangt wird, während dies von einem mit dem Netzbetreiber verbundenen Unternehmen nicht gefordert wird.463 Dies gilt gerade auch für den Abschluss von Rahmenverträgen im Sinne des §  14a AEG, da der Netzbetreiber ein Interesse haben kann, diese nur mit einem exklusiven Kreis von Zugangsberechtigten zu vereinbaren.464 Aus diesem Grunde greift auch hier ein gesetzlicher Zugangsanspruch, wenn sich die Parteien nicht einigen.

D. Regulierungsinstrumente Die Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen basieren auf gemeinsamen ökonomischen und regulierungstheoretischen Grundlagen. Unter Berücksichtigung sektorspezifischer Besonderheiten wie der besonderen Dynamik der Telekommunikation und der daraus folgenden langfristigen Ausrichtung auf einen Infrastrukturwettbewerb können deshalb übereinstimmende Regulierungsinstrumente angewandt werden.465

459 Schmitt/Staebe/Förster/Kardetzky, Eisenbahn-Regulierungsrecht, 283; siehe auch OVG Münster v. 16.2.2006 – 20 B 758/05, N&R 2006, 80 ff. 460  Wie hier Grün/Ostendorf, N&R 2006, 59, 62. 461  Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, §  14f AEG Rn.  6 , mit der Einschränkung, dass der privatrechtsgestaltende Verwaltungsakt nur die Willenserklärung des Eisenbahninfrastrukturunternehmens ersetze. 462  Vgl. zu §  20 EnWG BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  21. 463 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  20 EnWG Rn.  21. 464  Vgl. dazu Koenig/Hentschel, N&R 2006, 65 ff. 465  Säcker, RdE 2003, 300, 302; Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 75.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

I. Regulierung als sektorspezifisches Wettbewerbsrecht Der Staat hat sich in den Netzwirtschaften aus seiner Erfüllungsverantwortung zugunsten einer Gewährleistungsverantwortung zurückgezogen.466 Er muss deshalb einerseits eine gemeinwohlorientierte Aufgabenerfüllung und andererseits für die konkurrierenden Unternehmen auf den vor- und nachgelagerten Märkten einen diskriminierungsfreien und wettbewerbsanalogen Zugang zur Infrastruktur sicherstellen.467 Wie bereits erläutert, ist in einer dezentralen marktwirtschaftlichen Ordnung mit wettbewerblicher Steuerung von Angebot und Nachfrage eine Regulierung von monopolistischen Bottlenecks mit wettbewerbsfördernder Zielsetzung durchzuführen. Denn die Regulierung hat ihren Geltungsgrund ebenso wie die Missbrauchskontrolle marktbeherrschender Unternehmen im wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbot gem. Art.   102 AEUV bzw. den §§  19, 20, 29 GWB.468 Die marktbezogene Regulierung hat deshalb auch keine eigene Teleologie, sondern steht in einem untrennbaren Ordnungszusammenhang mit dem allgemeinen Wettbewerbsrecht.469 Sie ist ein sektorspezifisches Wettbewerbsrecht.470

II. Gemeinwohlorientierte Regulierungsinstrumente Da in den Netzmärkten trotz einer Domestizierung der ökonomischen und rechtlichen Marktversagensgründe nicht zwingend sichergestellt ist, dass die Märkte alle politisch präferierten Gemeinwohlziele erreichen, bedarf es ergänzender Regulierungsinstrumente.471 Zu diesen zählen die Marktzutrittsregulierung, die Netzsicherheitsregulierung, die Universaldienstregulierung (im Energierecht: Grundversorgung), die Umweltschutzregulierung sowie die Vergabe knapper Güter.472 Die Marktzutrittsregulierung ist anzutreffen in Gestalt von Anzeigevorbehalten, aber auch in Form präventiver Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. So muss nach den §§  5 EnWG, 6 TKG die gewerberechtliche Geschäftsaufnahme lediglich angezeigt/registriert werden. Demgegenüber bedürfen andere Tätigkeiten einer vorherigen Genehmigung (§  4 EnWG, §  6 AEG).473 Eine Eröffnungskon­ trolle bezüglich wirtschaftlicher Tätigkeiten kann auch dann geboten sein, 466 

Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  353. Sofern kein Infrastrukturwettbewerb möglich ist, vgl. Teil 7 B. III. 1. a). 468  Säcker, WiVerw 2/2010, 101. 469 So Säcker, WiVerw 2/2010, 101; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.   1 Rn.  92. 470 Ebenso Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  60. 471  Höppner, Netzstruktur, S.  56. 472  Berndt, Anreizregulierung, S.  62. 473  Nach §  4 EnWG bedarf die Aufnahme des Betriebs eines Energieversorgungsnetzes der Genehmigung durch die nach Landesrecht zuständige Behörde. Nach §  6 AEG darf niemand ohne vorherige Genehmigung Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen, als Halter von Eisen467 

D. Regulierungsinstrumente

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wenn ein Unternehmen auf bestimmte staatliche Ressourcen (Frequenzen, Nummern, Wegerechte) zugreifen will.474 Nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit wird die Sicherheit des Netzbetriebs und der Versorgung durch ordnungsrechtliche Richtnormen gewährleistet, die einen bestimmten Mindestsicherheitsstandard vorgeben (vgl. §  49 EnWG, §  88 TKG, §  4 AEG). Bei einem Verstoß drohen öffentlich-rechtliche Sanktionen. Dieses besondere Gewerbeordnungsrecht wird deshalb überzeugend als öffentliche Netzsicherheitsregulierung eingestuft.475 Es ist nicht Gegenstand unserer weiteren Überlegungen. Gemeinwohlorientiert ist auch die Grundversorgungsregulierung, bzw. tref36 ff. EnWG, fender formuliert die Universaldienstregulierung (vgl. die §§   §§  78 ff. TKG, §§  15, 10 AEG).476 Diese dient einer flächendeckenden Grundversorgung der Verbraucher mit daseinsnotwendigen Netzdiensten zu erschwinglichen Preisen.477 In einer marktwirtschaftlichen Ordnung ist eine Grundversorgungsregulierung allerdings subsidiär.478 Sie wird nur dann relevant, wenn die Marktteilnehmer nicht eigenwirtschaftlich für ein ausreichendes Angebot an vorher definierten Grundversorgungsleistungen sorgen. Damit wird zugleich ein Vorrang der Privatwirtschaftlichkeit und des Wettbewerbsprinzips statuiert.479 Führt die Erbringung des Universaldienstes für ein Unternehmen zu einem wirtschaftlichen Verlust, kann der Gesetzgeber einen Ausgleichsanspruch vorsehen (vgl. §  82 TKG). Um die Kosten des Universaldienstes wettbewerbsorientiert zu minimieren, ist dieser grundsätzlich auszuschreiben (§  81 Abs.  3 TKG).480 Darüber hinaus kann der Zuschuss auf alle Anbieter am Markt im Sinne einer „Gruppenverantwortung“ abgewälzt werden (§  83 TKG). Hierdurch sollen Unternehmen, die von der Eröffnung des Marktes profitieren, wettbewerbsneutral auch die Kosten für dessen sozialverträgliche Ausgestaltung tragen. Die praktische Bedeutung der Universaldienstregulierung war für Telekommunikationsdienstleistungen bislang gering, da diese vom etablierten Unternehmen freiwillig erbracht werden.481 Dies kann mit den wirtschaftlichen Vorteilen einer flächendeckenden Erbringung von Universaldiensten begründet werden, etwa aufgrund von Netz- oder Werbeeffekten.482 Der Universaldienst ist in diesem Sinne ein gemeinwohlinduzierter, aber wettbewerbsanaloger Mebahnfahrzeugen selbstständig am Eisenbahnbetrieb teilnehmen oder Schienenwege, Steuerungs- und Sicherungssysteme oder Bahnsteige betreiben. 474  Schütz, MMR 2003, 518. 475  Höppner, Netzstruktur, S.  56. 476  Ruge, AöR 131 (2006), 1, 24; Fetzer, MMR 2011, 707; Höppner, Netzstruktur, S.  56. 477  Holznagel/Bysikiewicz/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, §  15 Rn.  606. 478 Maunz/Dürig/Möstl, Art.  87f GG Rn.  84. 479  Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.   354; Maunz/Dürig/Möstl, Art.   87f GG Rn.  36. 480  Der Gesetzgeber initiiert damit einen Wettbewerb „um den Markt“. 481  Siehe zum TK-Recht Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  354. 482  Neumann, KommJur 2012, 161, 167.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

chanismus zur Sicherung der Grundversorgung, da so viele Wettbewerbs­ elemente wie möglich in die Erbringung daseinsnotwendiger Leistungen im­ plementiert werden.483 Auch im Falle eines (hier politisch begründeten) Marktversagens muss die Intervention in das Wettbewerbsgeschehen so wettbewerbsneutral und marktkonform wie möglich erfolgen.484 Die Entgelte, die ein Unternehmen mit Universaldienstverpflichtung verlangen kann, sind deshalb im Bereich der Energie- und Telekommunikationsregulierung auf die „Kosten der effizienten Leistungserbringung“ beschränkt. Auch hierdurch wird sichergestellt, dass in diesen Bereichen keine überhöhten Renditen erzielt werden, die zur Quersubventionierung der Wettbewerbsbereiche benutzt werden können.485 Anders als im TK-Sektor ist die Grundversorgung mit Energie praktisch sehr bedeutsam, da §  36 EnWG den Grundversorger nach der Anzahl der faktischen Vertragsverhältnisse bestimmt.486 Ein bedeutsames Beispiel für eine Regulierung „gegen den Markt“ im Inte­ resse eines möglichst weitgehenden Klima- und Umweltschutzes ist die staatlich initiierte Förderung von Anlagen zur Erzeugung von elektrischem Strom aus erneuerbaren Energien durch das EEG. Diese dient nach §  1 Abs.  1 EEG 2012 dazu, insbesondere im Interesse des Klima- und Umweltschutzes eine nachhaltige Entwicklung der Energieversorgung zu ermöglichen, die volkswirtschaftlichen Kosten der Energieversorgung auch durch die Einbeziehung langfristiger externer Effekte zu verringern, fossile Energieressourcen zu schonen und die Weiterentwicklung von Technologien zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien zu fördern. In Umsetzung dieser allgemeinen Zielvorgaben legte der deutsche Gesetzgeber den Fokus lange Zeit auf einen möglichst schnellen, mengenmäßig kaum gebremsten Ausbau von EE-Erzeugungsanlagen. Als Instrumente dienten ihm hierfür insbesondere ein vorrangiger Anschluss von EE-Anlagen an die Stromnetze in Kombination mit einem Einspeisevorrang von EE-Strom, eine garantierte Einspeisevergütung sowie Ausnahmen von der Bilanzverantwortung und der Tragung von Netzkosten im vorgelagerten Netz.487 Aufgrund der in den letzten Jahren exponentiell gestiegenen EEG-Umlage und den zunehmenden Problemen der Integration des EEStroms in die Stromgroßhandelsmärkte will der Gesetzgeber mit dem in Planung stehenden EEG 2014 verstärkt die Bezahlbarkeit der Energieversorgung sowie die Versorgungssicherheit in den Blick nehmen. Als zentrale Instrumente dienen ihm hierfür eine grundsätzlich verpflichtende Direktvermarktung von EE-Strom nebst der damit einhergehenden Bilanzierungspflicht sowie mittel483 

Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  353 f.; Neumann, KommJur 2012, 161, 167. Neumann, KommJur 2012, 161, 167. 485  Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  355. 486  Vgl. Danner/Theobald/Eder, §   36 EnWG Rn.  114; BNetzA, Monitoringbericht 2011, S.  143. 487  Vgl. auch zum Folgenden Perner/Riechmann, ET 5/2013, 8. 484 

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fristig die Ermittlung von Förderberechtigungen und Förderhöhen über wettbewerbliche Ausschreibungen.488 Dies ist nachfolgend nicht weiter zu vertiefen. Die Gemeinwohlnützigkeit der Netzinfrastrukturen wird schließlich durch die Vergabe knapper Güter sichergestellt. Beispiele sind die Regulierung der Flächennutzung (§§  43 ff. EnWG, §§  68 ff. TKG, §§  17 ff. AEG) sowie im Bereich der Telekommunikation die Vergabe der Frequenzen und Nummern (§§  52 ff. TKG).489 Auch diese Bereiche werden uns im Folgenden nicht weiter beschäftigen.

III. Wettbewerbsfördernde Regulierungsinstrumente Die wettbewerbsfördernden marktbezogenen Regulierungsinstrumente lassen sich in solche für die Dienstleistungsmärkte im Sinne einer Endkundenregulierung und solche für die Netzebene im Sinne einer Netzzugangsregulierung unterscheiden.490 Nach dem disaggregierten Ansatz der Regulierung soll sich eine Endkundenregulierung grundsätzlich durch eine effektive Netzzugangsregulierung erübrigen.491 Die Netzzugangsregulierung lässt sich wiederum in die Zugangsregulierung im engeren Sinn, die Entgeltregulierung und die Entflechtungsregulierung unterteilen. 1. Zugangsregulierung a) Zweck: Sicherung der material-chancengleichen Vertragsfreiheit Soweit die Netzinfrastruktur ein stabiles natürliches Monopol darstellt bzw. eine marktmächtige Stellung auf einem als regulierungsbedürftig anzusehenden Markt bildet und deshalb weder substituiert noch dupliziert werden kann und soll, sie aber zugleich für die Erbringung von Diensten insbesondere auf nachgelagerten Märkten notwendig ist, ist eine Regulierung des Netzzugangs das zentrale Element zur aktiven Ermöglichung eines wirksamen Wettbewerbs auf vor- und nachgelagerten Märkten.492 Hierzu sehen sowohl das EnWG, als auch das TKG, als auch das AEG Zugangsansprüche von Wettbewerbern zu den 488  Die Direktvermarktung von EE-Strom ist ebenso wenig wie die Einführung von Ausschreibungen zur Ermittlung von Förderberechtigungen und Förderhöhen der Wettbewerbsförderung im vorliegend vertretenen Sinne zuzuordnen. Vielmehr handelt es sich um die partielle Zurücknahme von staatlich initiierten Privilegierungen. Auch aus diesem Grunde werden die vorbenannten Instrumente im Abschnitt über „wettbewerbsfördernde Regulierungsinstrumente“ nicht näher behandelt. 489  Höppner, Netzstruktur, S.  57. 490  Berndt, Anreizregulierung, S.  62; Höppner, Netzstruktur, S.  59. 491  Siehe Teil 7 C. III. 492  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  4 4; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  28; Ruge, AöR 131 (2006), 1, 24; Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  557; Berndt, Anreizregulierung, S.  63; Höppner, Netzstruktur, S.  59.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

Netzen vor (§  20 Abs.  1 EnWG, §  21 TKG, §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG). Nach diesen Regelungen müssen die zugangsverpflichteten Netzbetreiber den zugangsberechtigten Wettbewerbern gegen ein angemessenes effizienzorientiertes Entgelt einen diskriminierungsfreien Zugang zum Netz gewähren (§  21 Abs.  1 EnWG, §§  19, 27 TKG, §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG). In einem liberalisierten Markt ist es zwar grundsätzlich Sache der Marktteilnehmer selbst, die Zugangsbedingungen privatautonom auszuhandeln.493 Aufgrund der marktbeherrschenden Position der Netzbetreiber kann ein „verhandelter Netzzugang“ – der regelmäßig nur mit einer Ex-post-Regulierung einhergeht494 – jedoch dazu führen, dass die asymmetrischen Wettbewerbsverhältnisse nicht etwa abgebaut, sondern ganz im Gegenteil weiter perpetuiert werden.495 Eine formal verstandene Privatautonomie führte hier somit zu material „ungerechten“ Ergebnissen. Aus diesem Grunde muss ein sektorspezifisches Regulierungsrecht die ungleiche Verhandlungsmacht durch Regelungen ausgleichen, welche die material-chancengleiche Selbstbestimmung potenzieller Wettbewerber zu Gunsten der Verbraucher unterstützen.496 Diese können die privatrechtliche Vereinbarung lediglich vorstrukturieren oder konkretisieren, aber auch den Zugang hoheitlich anordnen, sofern es ungeachtet der regulierungsrechtlichen Einbettung der Vertragsverhandlungen zu keiner beidseitig-privatautonomen Lösung des Zugangskonflikts kommt.497 Während sich der Gesetzgeber im §  20 Abs.  1 EnWG 2005 für einen ex-ante-regulierten gesetzlichen Zugangsanspruch entschieden hat,498 folgt §  14 Abs.  1 Satz 1, Abs.  6 AEG auf den ersten Blick dem wenig effektiven, da missbrauchsanfälligen System des verhandelten Netzzugangs.499 Bei teleologischer, am Zweck der sektorspezifischen Regulierung ausgerichteter Herangehensweise besteht jedoch auch hier ein gesetzlicher Zugangsanspruch.500 Im TK-Sektor kann nach §  25 TKG ein Zugang angeordnet werden, wenn sich die Parteien nicht einigen.501 Die Zugangsbedingungen von Telekommunikationsunternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gem. §  30 Abs.  1 TKG unterliegen

493  Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.   560; siehe zum Netzzugang durch zivilrechtlichen Vertrag Teil 7. C. V. 494  Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  2 27 f. 495  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 709; siehe auch Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  10 ff. 496  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 709. 497  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 710. 498  Teil 7 C. V. 1. 499  Knauff, VerwArch 98 (2007), 382, 390; Soldner, Liberalisierung des Eisenbahnwesens, S.  149; Schmitt/Staebe/Förster/Kardetzky, Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  282. Das ist rechtspolitisch nicht überzeugend, da nach Art.  6 Abs.  2 RL 2001/14/EG auch die (Entgelt-) Regulierung im Eisenbahnsektor Anreizelemente enthalten soll; wie vorliegend Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 78. 500  Siehe Teil 7 C. V. 3. 501  Siehe Teil 7 C. V. 2.

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im Regelfall einer Vorab(entgelt)regulierung.502 Die Regulierung muss in diesem Rahmen die Interessen des Netzbetreibers an der Sicherung seines Unternehmens, die Interessen der Netznutzer an einer störungs- und diskriminierungsfreien Nutzung der Netzinfrastruktur sowie die Interessen der Allgemeinheit an einer ausreichenden Versorgung mit netzwirtschaftlichen Diensten in Einklang bringen.503 b) Zugangsverpflichtete Zugangsverpflichtet sind regelmäßig marktbeherrschende Unternehmen, da aufgrund ihrer wirtschaftlichen Machtposition keine Gewähr für einen sachgerechten vertraglichen Interessenausgleich besteht. Eine Verpflichtung von nicht marktbeherrschenden Unternehmen ist in einem marktwirtschaftlichen System besonders begründungsbedürftig und kommt grundsätzlich nur dort in Betracht, wo gemeinwohlorientierte Regulierungsziele von erheblichem Gewicht verfolgt werden, wie zum Beispiel im Rahmen der Internalisierung von Netzwerkexternalitäten.504 Sofern die Zugangsvorschriften nicht an die Marktbeherrschung, sondern an die Position als Netzbetreiber anknüpfen, liegt hierin wie geschildert lediglich eine Typisierung, die sich aus dem Umstand rechtfertigt, dass die Netze im konkreten Fall als nicht angreifbare natürliche Monopole anzusehen sind.505 c) Schutz der Endkunden durch abstrakte Gefährdungstatbestände Das regulierungsrechtliche Zugangskonzept unterscheidet im Hinblick auf die Zugangspetenten zwischen Wettbewerbern und Endkunden.506 Nach dem Konzept der disaggregierten Regulierung soll eine Zugangsregulierung auf dem Vorleistungsmarkt eine hinreichende Belebung des Wettbewerbs insbesondere um die Endkunden bewirken. Bei unbefangener Betrachtung könnte deshalb die Ansicht vertreten werden, dass sich der Zweck der Netzzugangsregulierung auf den Schutz der Selbstbestimmung der Wettbewerber des marktmächtigen Unternehmens beschränkt. Eine solche Sichtweise beachtete nicht ausreichend, dass es dem regulierungsrechtlichen Zugangskonzept vor allem darum geht, die Endkundenmärkte für leitungs- und schienengebundene Güter angreifbar zu machen, indem es die Netze als Marktzutrittsbarrieren kompetitiv neutralisiert.507 Es ist somit gerade darauf angelegt, die wirtschaftliche Selbstbestim502 

Höppner, Netzstruktur, S.  386 und 118. Berndt, Anreizregulierung, S.  64; Vogelsang, MMR 1998, 594, 597 f.; Knieps, N&R 2004, 7, 8 und 11. 504  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 712. 505  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 712. 506  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 711; Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  190 ff.: konsumtive und kompetitive Zugangsansprüche. 507  Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  558. 503 

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mung der Verbraucher zu befördern.508 Vor dem Hintergrund dieses Normzwecks handelt es sich bei den regulierungsrechtlichen Vorschriften der Zugangs-, Entgelt- und Unbundlingregulierung um abstrakte Gefährdungstatbestände zu Gunsten der Verbraucher. d) Einschränkungen des Zugangsanspruchs Einschränkungen des Zugangsanspruchs potenzieller Wettbewerber können sich aus gesetzlich normierten Zugangsverweigerungsgründen ergeben. Diese werden von Regulierungsgesetzen in unterschiedlicher Detailliertheit vorgegeben.509 Im Grundsatz gilt, dass die Förderung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf monopolistischen, dauerhaft vermachteten (Netz-) Märkten eine teleologisch-enge Auslegung der Verweigerungsgründe erfordert.510 Vorhandene Kapazitätsengpässe sind deshalb diskriminierungsfrei zu bewirtschaften.511 Im Einzelnen weisen die Zugangsverweigerungsgründe sektorspezifische Besonderheiten auf: Der Zugang zum Energieversorgungsnetz kann nach §  20 Abs.  2 Satz 1 EnWG ausnahmsweise dann verweigert werden, wenn dem Netzbetreiber ein solcher „aus betriebsbedingten oder sonstigen Gründen [. . .] nicht möglich ist“.512 Demgegenüber stellt für Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze, die über beträchtliche Marktmacht verfügen, nach §  21 Abs.  4 TKG erst eine Gefahr für die „Aufrechterhaltung der Netzintegrität oder Sicherheit des Netzbetriebs“ einen Grund zur Verweigerung dar, während bei Kapazitätsengpässen nach §  21 Abs.  1 Satz 2 Nr.  2 TKG eine Abwägung vorzunehmen ist, die nach dem Zweck der Wettbewerbsöffnung im Zweifelsfall zu Gunsten einer Zugangsverpflichtung ausfallen muss. Im Eisenbahnregulierungsrecht ist wiederum das Vorliegen eines „sachlich gerechtfertigten Grundes“ entscheidend, wenn der Betreiber der Schienenwege Anträge „unterschiedlich entscheiden“ will, vgl. §  9 Abs.  1 EIBV.513 Trotz der unterschiedlichen Wortwahl ist damit keine Aufspaltung der Maßstäbe für eine Zugangsverweigerung verbunden. Hierfür spricht schon das gemeinsame dogmatische Fundament der Essential-Facilities-Doktrin, die in §  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB eine spezifische Ausprägung gefunden hat.

508  509 

gen“.

510 

Siehe auch zum Behinderungsmissbrauch Teil 5 C. III. 1. Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  29: „systematisch kaum aufeinander bezo-

Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 714. Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 715. 512  Höppner, Netzstruktur, S.  61. 513  Dabei gilt zum Beispiel ein Vorrang des vertakteten Verkehrs, vgl. §  9 Abs.  4 EIBV. 511 

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e) Inhalt des Zugangsanspruchs Von der Frage des „Ob“ eines Zugangsanspruchs ist diejenige nach seinem Inhalt zu unterscheiden. Im Ausgangspunkt gilt, dass die Zugangsverpflichteten nicht nur den eigentlichen Netzzugang (also die Nutzung des Netzes) gewähren müssen, sondern auch solche Hilfsdienste (wie etwa Systemdienstleistungen) erbringen oder den Zugriff auf diese als Sekundärzugangsobjekte (wie etwa Bahnhöfe) gewähren müssen, denen zwar isoliert nicht die Eigenschaft als regulierungsbedürftiger Markt zukommt, auf die die Zugangsberechtigten jedoch zur Leistungserbringung auf den vor- und nachgelagerten Märkten ebenso angewiesen sind wie auf das Primärobjekt, weil sie mit diesem eine untrennbare Einheit bilden. Diese Pflichten erweitern somit nicht etwa den Anwendungsbereich der Zugangsverpflichtung im Sinne einer Aufweichung des Kriteriums der Unerlässlichkeit der Essential-Facilities-Doktrin, sondern sind als „ancillarische Hilfsdienste“ eine notwendige Folge der wettbewerbsfördernden Zielsetzung der Regulierungsgesetze.514 Der Gesetzgeber kann die Reichweite der Zugangsverpflichtung für die Hilfsdienste jedoch insoweit modifizieren, als er für diese keine unmittelbaren gesetzlichen Zugangsverpflichtungen, sondern lediglich Diskriminierungsverbote vorsieht.515 2. Entgeltregulierung Zugangsverpflichtete Unternehmen haben gegen die Netznutzer einen Anspruch auf Zahlung einer Gegenleistung in Form der Netznutzungsentgelte.516 Diese Entgelte bilden einen Kernpunkt der staatlichen Regulierung; denn den Wettbewerbern kommt es regelmäßig nicht allein auf das „Ob“ der Netznutzung an, sondern vor allem auf das „Wie“, also auf die konkreten Konditionen.517 Ein Blick auf die Ausgestaltung der Entgeltregulierung in den Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen verdeutlicht, dass der Gesetzgeber in diesen zumindest verbal unterschiedliche Vorgaben für die Entgeltbildung macht.518 Aufgrund der übereinstimmenden Zielsetzung der sektorspezifischen Regulierung, durch eine diskriminierungsfreie Öffnung der Netze einen wirksamen Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten zu gewährleisten, ist jedoch eine wertend-vergleichende Betrachtung geboten.519 514 Zutreffend Höppner, Netzstruktur, S.  60 f.; a. A. Kühling, Sektorspezifische Regulierung, S.  219 ff. im Hinblick auf die TK-Regulierung. 515  Siehe etwa die §  26 ff. EnWG für den Zugang zu den vorgelagerten Rohrleitungsnetzen und zu Speicheranlagen im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Erdgas. 516  Statt anderer Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  283. 517  Koenig/Senger, MMR 2007, 290. 518  Dies problematisieren Höppner, Netzstruktur, S.  65; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 717 ff.; Koenig/Neumann/Schellberg, WuW 2006, 139, 140 ff.; Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 75. 519 Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 72.

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a) Kontrollmaßstäbe und Kontrollmethoden Da sich ein Marktversagen in monopolistisch geprägten Märkten nach indus­ trieökonomischer Erfahrung häufig in antikompetitiv überhöhten Preisen äußert,520 bildete deren Kontrolle nicht nur historisch den Ausgangspunkt des Regulierungsrechts,521 sondern ist auch heute noch ein zentraler Baustein desselben; 522 denn die praktische Wirksamkeit einer Pflicht zur Zugangsgewährung zum Infrastrukturnetz hängt wesentlich davon ab, zu welchen Bedingungen der Zugang erfolgt.523 Eine marktwirtschaftliche Regulierung der Netzentgelte muss sich grundsätzlich an einem hypothetischen Wettbewerbspreis orientieren (Als-ob-Wett­ bewerbspreis).524 Eine möglichst weitgehende Ausrichtung der Netzentgelte an wettbewerbsanalogen Gegebenheiten ist deshalb auch das übereinstimmende Ziel der netzwirtschaftlichen Entgeltregulierung im EnWG, im TKG und nach vorliegend vertretener Ansicht auch im AEG.525 Die Entgeltregulierung sichert auf diesem Wege sowohl die materiale Vertragsfreiheit der Zugangspetenten als auch diejenige der Verbraucher, hier in Form eines abstrakten Gefährdungstatbestands, gegen einen Marktmachtmissbrauch von Infrastrukturbetreibern.526 Ohne eine wettbewerbsanaloge Entgeltregulierung könnten Netzbetreiber ihre marktmächtige Stellung ausnutzen, um überhöhte Entgelte von den Zugangspetenten zu fordern, die wiederum zur Quersubventionierung vertikal verbundener Wettbewerbsbereiche eingesetzt werden könnten.527 Neben das Ziel der Wettbewerbsförderung treten im Regulierungsrecht allerdings zunehmend politisch gesetzte Entgeltbestandteile, die etwa als „objektiv nicht beeinflussbare Kostenbestandteile“ fingiert werden (vgl. §  11 Abs.  2 ARegV). Aktuell in der Diskussion stehen insoweit die EEG- und die KWKG-Umlagen.528 Dasselbe gilt für die Berücksichtigung von Auswirkungen des Netzbetriebes auf die Um-

520 

I. Schmidt, WuW 2012, 795. Schorkopf, JZ 2008, 20, 22 f.; Masing, AöR 128 (2003), 558. 522  Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  558. 523 Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.   1168; Masing, Gutachten für den 66. DJT 2006, S.  117; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 717; Tenhagen, Legitimation der Regulierung, S.  65. 524  Säcker, WiVerw 2/2010, 101, 102 f. 525  Ebenso Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 78; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 718. 526 Siehe Säcker, RdE 2003, 300, 301; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 717. 527  „Indirekte Diskriminierung“ im Gegensatz zur direkten Diskriminierung durch Zugangsverweigerung; vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1164 ff. Sofern die Differenz zwischen den Vorleistungsentgelten für die Netznutzung und den Endkundenentgelten nicht ausreicht, damit Wettbewerber auf dem nachgelagerten Markt gewinnbringend agieren zu können, wird dies als Preis-Kosten-Schere bezeichnet, vgl. Lommler, WuW 2011, 244 ff. 528  Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  302. 521 

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welt durch Zuschläge auf das Entgelt.529 Dogmatisch handelt es sich um überindividuell-objektive Entgeltbestandteile, wie sie im allgemeinen Wettbewerbsrecht ausnahmsweise durch Art.  101 Abs.  3 AEUV erlaubt werden.530 Ebenso wie im allgemeinen Wettbewerbsrecht sind im Regulierungsrecht die Kontrollmaßstäbe von den Kontrollmethoden zu differenzieren. Im Grundsatz gilt auch hier, dass antikompetitive, missbräuchlich überhöhte Preise mit allen zur Verfügung stehenden Methoden festgestellt werden können.531 Im Wettbewerbsrecht steht die Vergleichsmarktmethode im Vordergrund der praktischen Rechtsanwendung, da diese etwaige Nachweisprobleme einer Gewinnspannenkontrolle vermeidet.532 Insbesondere bei Vorliegen eines natürlichen Monopols stehen aber oft keine wettbewerblichen Vergleichsmärkte zur Verfügung, um die Angemessenheit der Nutzungsentgelte zu messen.533 Möglich ist allenfalls ein sog. Monopolpreisvergleich mit anderen marktbeherrschenden Unternehmen als sog. Second-best-Lösung.534 Im Regulierungsrecht werden deshalb auch analytische Kostenmodelle angewandt.535 Um eine analytische Kostenkontrolle vornehmen zu können, muss die Regulierungsbehörde über die Kosten des Netzbetreibers und die Qualität seiner Leistungen Bescheid wissen.536 Da nur das regulierte Unternehmen die entsprechenden Informationen hat, besteht eine strukturelle Informationsasymmetrie zu Lasten der Regulierungsbehörde.537 Diese kann deshalb trotz normativ gesicherter Informationsrechte nicht mit letzter Sicherheit beurteilen, ob die nachgewiesenen Kosten tatsächlich gerechtfertigt sind oder Rationalisierungspotenziale bestehen.538 In Verbindung mit dem strukturellen Interessengegensatz zwischen Regulierer und

529  §  21 Abs.  2 EIBV; vgl. Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 718 mit Fn.  52; siehe auch Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  212. 530  Siehe schon oben Teil 5 C. II. 2. 531  BKartA, Wettbewerbsschutz und Verbraucherinteressen im Lichte neuerer ökonomischer Methoden, S.  26; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  87; Lutz, in: FS Baur, 2002, S.  507, 520; Säcker, WiVerw 2/2010, 101, 102; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §  19 GWB Rn.  74. 532  Wielsch, JZ 2008, 68, 70 f. 533  Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  297 f.; siehe zur Vergleichsmarktmethode im Wettbewerbsrecht Wagemann, in: FS Bechtold, 2006, S.  593 ff. 534  Zum Beispiel durch einen Vergleich der Deutschen Telekom mit der British Telecom. 535  Ludwigs, NVwZ 2008, 964, 955. Die Vergleichsmarktmethode wird etwa im EnWG nur am Rande erwähnt, vgl. §  24 Satz 2 Nr.  5 EnWG. Dazu Wegner, Regulierungsfreistellungen, S.  41. 536  Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  97. 537  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  35; Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  82; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 717; Danner/Theobald/Müller-Kirchenbauer, §  21a EnWG Rn.  40. 538  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1168; problematisch ist hiernach vor allem die Zuordnung von Fixkosten und Gemeinkosten auf die einzelnen Leistungen des Unternehmens.

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reguliertem Unternehmen, das vor allem an der Optimierung der eigenen Wettbewerbssituation und nicht an einem funktionsfähigen Wettbewerb interessiert ist, resultieren hieraus Anreizprobleme, die im Rahmen der institutionenökonomischen Prinzipal-Agent-Theorie unter den Stichworten „adverse selection“ bzw. „moral hazard“ diskutiert werden.539 Die Informationsasymmetrien nehmen zu, wenn es sich bei dem regulierten Unternehmen um ein (vertikal inte­ griertes) Mehrproduktunternehmen handelt, das sowohl auf dem Monopolmarkt als auch auf vor- oder nachgelagerten Wettbewerbsmärkten tätig ist, da hier die Gemeinkosten nur schwer einem einzigen Marktsegment zugeordnet werden können.540 Auf der anderen Seite muss die Regulierungsbehörde dem Netzbetreiber die Möglichkeit belassen, ausreichende Erlöse zur Finanzierung der im Rahmen des Netzbetriebs anfallenden Betriebs- und Kapitalkosten sowie zum Erhalt und notwendigen Ausbau der Netze zu erwirtschaften.541 Vor diesem Hintergrund wurden seit den 1970er Jahren eine Reihe von Entgeltregelungsinstrumente entworfen.542 Diese werden aus ökonomischer Sicht als das Ergebnis eines komplexen „trade-offs“ beschrieben, der zwischen allokativer Effizienz (die Preise sollen den effizienten Grenzkosten des Unternehmens entsprechen), produktiver Effizienz (das Unternehmen soll Anreize haben, kostenminimal zu produzieren und aktiv Kosteneinsparungen zu erzielen), dynamischer Effizienz (das Unternehmen soll mit den Erlösen Instandhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen tätigen) sowie Verteilungsüberlegungen unterscheidet (das Unternehmen soll keine übermäßigen Gewinne oder Renten aus einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen ihm und dem Regulierer ziehen können).543 b) Effiziente Kosten und angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals Die Entgeltregulierung muss zunächst den Maßstab bestimmen, der darüber entscheidet, welche Kosten des Netzbetreibers bei den Netzentgelten berücksichtigt werden können. Im Ausgangspunkt ist zwischen Vollkostenansätzen und Effizienzkostenansätzen (im Sinne einer Erreichung des vorgegebenen Zieles mit möglichst geringem Aufwand544) zu unterscheiden.545 Die dogmatische 539  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  36; Richter/Furubotn, Neue Institutionenökonomik, S.  173 ff.; Teil 4 D. II. 540  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  203. Siehe zur wettbewerbsrechtlichen Preiskontrolle auch die Monopolkommission, Sondergutachten 58, S.  11; Jungtäubl, Preishöhen- und Preisstrukturkontrolle, S.  99 ff. 541  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1168. 542 Weiterführend Berndt, Anreizregulierung, S.  6 4 f.; Ludwigs, NVwZ 2008, 954 ff.; Koenig/Senger, MMR 2007, 290 ff. 543  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  36; Berndt, Anreizregulierung, S.  6 4. 544  Siehe zur Unterscheidung von der normativ-wohlfahrtsökonomischen Effizienz Teil 4 C. III. 4. a). 545 Ausführlich Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  94 ff.

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Einordnung wird dadurch erschwert, dass die Regulierungsgesetze verbal unterschiedlichen Konzepten zu folgen scheinen, und außerdem nicht trennscharf zwischen Kontrollmaßstab und Kontrollmethode differenzieren.546 Im Rahmen einer marktwirtschaftlichen Regulierung sind die Netzentgelte – wie obe gesehen – grundsätzlich am hypothetischen Wettbewerbspreis („Alsob-Wett­bewerb“) zu orientieren.547 Hierin liegt unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der Entgeltkontrolle das übereinstimmende Ziel der netzwirtschaftlichen Entgeltregulierung.548 Ein Vollkostenansatz wird derzeit nur noch für die Schienennetzregulierung vertreten (§  14 Abs.  4 Satz 1 AEG549), obwohl auch dort aus teleologischer Sicht nur ein Effizienzkostenmaßstab Platz greifen kann. Der Netzbetreiber könnte auf der Grundlage eines Vollkostenansatzes alle durch die Netznutzung tatsächlich entstehenden Kosten an den Nutzer weitergeben und hätte so keinerlei Anreize, die Kosten auf ein effizientes Niveau zu senken.550 Das widerspricht dem Ziel einer wettbewerbsorientierten Regulierung der Netzwirtschaften, die gerade die Kostenstruktur der Netze als Marktzutrittsschranken wettbewerblich neutralisieren will. Bei wirksamem Wettbewerb kann ein Unternehmen am Markt aber keine beliebigen Kosten überwälzen (Ist-Kosten), sondern nur solche Kosten, die auch ein effizienter Wettbewerber haben würde (Soll-Kosten); denn andernfalls würden die Kunden seine Preise nicht akzeptieren und zu Konkurrenten abwandern.551 Auch die Rendite sollte im mehrjährigen Durchschnitt bei wirksamem Wettbewerb die marktübliche Rendite nicht übersteigen. Regulatorisch wird die Rendite über eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals sichergestellt, das in der Netzentgeltregulierung als kalkulatorische Kostenposition berücksichtigt wird.552 Durch die angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals wird sichergestellt, dass die Kapitalgeber ihr Kapital im Unternehmen belassen und neue Kapitalgeber soweit erforderlich dazu bewogen werden, in das Unternehmen und seine Assets zu investieren.553 Die vorstehenden Grundsätze spiegeln sich im Maßstab der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung (KeL) als Obergrenze einer Ex-ante-Entgeltgenehmigung wider.554 Dieser Maßstab liegt trotz der unterschiedlichen Formu­ 546 

Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  31. Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  120; Säcker, WiVerw 2/2010, 101, 102 f. 548 Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 78; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 718. 549  Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 722; in diese Richtung jüngst auch EuGH v. 28.2.2013 – C-556/10, EuZW 2013, 666, 669 Rn.  98 ff., insb. Rn.  106 ff. – Kommission/ Deutschland, wonach es jedenfalls nicht unionsrechtlich gefordert sei, neben Anreizen für Kostensenkungen auch effiziente Entgelte zu verlangen. 550  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  203. 551  Säcker/Boesche, ZNER 2002, 183, 186; Schlack, ZNER 2001, 129, 131. 552 PwC/Zöckler/Fabritius, Entflechtung und Regulierung, Kap.  10.2.3. 553  Berndt, Anreizregulierung, S.  92. 554 Daneben dürfen die regulierten Unternehmen keine Kampfpreise praktizieren; vgl. 547 

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lierungen555 sowohl dem TKG als auch dem EnWG zugrunde.556 Das aus der Telekommunikationsregulierung stammende, sowohl für die Einzelentgeltgenehmigung als auch für die Price-Cap-Regulierung zur Anwendung kommende KeL-Konzept 557 entspricht insbesondere den unbestimmten Rechtsbegriffen des Energiewirtschaftsrechts, auch wenn sich der Wortlaut der Normen geringfügig unterscheidet.558 Demgegenüber wäre es mit dem Ziel der Netz­ infrastrukturregulierung, einen wirksamen Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten zu ermöglichen, nicht vereinbar, wenn der Wettbewerbsbezug der Entgeltkontrolle beseitigt würde, indem man diese an branchenüblichen Kostenstandards ausrichtete.559 Die Ableitung der Preisbildungsparameter aus den Grundgedanken des wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverbots bedeutet nicht, dass die übereinstimmenden Maßstäbe zwingend auch übereinstimmend zu operationalisieren wären. So strebt etwa das Telekommunikationsrecht einen Wettbewerb der Netze an (Infrastrukturwettbewerb), weshalb die Entgeltkontrolle dort Investitionen in neue Netze nicht verhindern soll, wohingegen die Kostenmaßstäbe im Energie- und Eisenbahnregulierungsrecht grundsätzlich keine Anreize zur Errichtung von Parallelstrukturen geben sollen.560 Anstelle eines langfristig zu erreichenden Infrastrukturwettbewerbs zielt das Energiewirtschaftsrecht somit auf einen Zugangswettbewerb ab, der mit einem Ausschreibungswettbewerb um den Betrieb der Netze kombiniert wird. Nach dem Effizienzkostengrundsatz dürfen marktmächtige Unternehmen nur solche Entgelte verlangen, die sich auch bei wirksamem Wettbewerbsdruck und einer zumutbaren Ausnutzung der Kostensenkungspotenziale ergeben würden. Hierdurch werden die Marktkräfte stimuliert, da ein nicht diskri­ minierender Als-ob-Wettbewerbspreis auf dem jeweiligen Bottleneck-Markt den aktuellen und potenziellen Wettbewerbern auf den vor- und nachgelagerten Koenig/Senger, MMR 2007, 290, 291, die hierin einen weiteren Entgeltregulierungsmaßstab erblicken. 555  Nach §  21 Abs.  2 Satz 1 EnWG ist entscheidend, ob die Entgelte „denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen“. Gemäß §  31 Abs.  1 TKG ist auf die „Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung“ abzustellen. 556  Das EnWG 2005 hat den KeL-Maßstab aus dem TKG 2004 übernommen; vgl. Büdenbender, RdE 2008, 69, 75. A. A. unter Verweis auf den unterschiedlichen Wortlaut Ludwigs, NVwZ 2008, 954, 955: Während die KeL nach §  31 Abs.  1 Satz 1 TKG die strikte Obergrenze bildeten, seien sie nach §§  21 Abs.  1, 21a Abs.  1 EnWG nur zu berücksichtigen; im Ergebnis ebenso Ruge, IR 2006, 122, 125; Höppner, Netzstruktur, S.  65: „ähnlich, aber nicht identisch“. Was der teleologische Grund dieser vermeintlichen Unterscheidung sein soll, wird freilich nicht deutlich. 557  Vgl. §  31 Abs.  1 Satz 2 TKG; siehe dazu Koenig/Senger, MMR 2007, 290, 291. 558  Säcker/Meinzenbach, RdE 2009, 1, 3; Picot/Säcker/Böcker, Regulierung von Netzindustrien, 69, 82 ff.; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 718. 559  Säcker, WiVerw 2/2010, 101, 102. 560  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  127.

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Märkten die Möglichkeit gibt, in den Markt einzutreten.561 Bei wirksamem Wettbewerb ist langfristig nur ein effizienter Anbieter überlebensfähig, da er durch den Wettbewerb zu Rationalisierungen und optimaler Faktorallokation gezwungen wird.562 Diese Funktion nimmt in den Netzsektoren die Entgeltregulierung wahr, wobei auch in Abhängigkeit von der regulierungspolitischen Entscheidung für oder gegen einen Infrastrukturwettbewerb durch eine langfristige Betrachtungsweise die durch zusätzliche Leistungen entstehenden Kosten mit in die Entgeltermittlung einbezogen werden können.563 Durch eine solch langfristige Betrachtung wird sichergestellt, dass unverzerrte Investitionsanreize gesetzt werden, da Entscheidungen eines Netzbetreibers über den Marktzutritt stets mit Investitionen und diese wiederum mit langfristigen Kosten und Erträgen verbunden sind.564 Die Orientierung an einem Effizienzkostenkonzept stimmt auch mit den Grundsätzen der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht überein.565 So nimmt das Missbrauchsverbot die tatsächlichen Kosten ebenfalls nicht als fixes Datum hin, sondern überprüft diese daraufhin, ob sie sich auch bei funktionsfähigem Wettbewerb einstellten, wie §  29 Satz 1 Nr.  2 i. V. mit Satz 2 GWB bestätigt.566 Die Entgeltregulierung natürlicher Monopole basiert im Ausgangspunkt auf der wohlfahrtsökonomischen Theorie vollkommener Konkurrenz.567 Auf der Grundlage einer derart statischen Effizienzbetrachtung läge eigentlich eine möglichst umfassende (Entgelt-)Regulierung nahe. Bei dynamischer Betrachtung muss der Regulierer freilich auch Anreize für Innovationen und Investitionen setzen.568 Folgerichtig kann er zugunsten der marktmächtigen Unternehmen von den kurzfristigen Grenzkostenpreisen abweichen.569 Eine am Maßstab effizienter Leistungsbereitstellung ausgerichtete Regulierung kann somit keiner absolut-statischen Effizienz dienen, sondern nur einer dynamischen Effizienz als Bestandteil funktionsfähigen Wettbewerbs.570 Dies entspricht der langfristigen Betrachtung im Rahmen der KeL-Regulierung. Im Eisenbahnrecht ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausdrücklich ein Effizienzkostenmaßstab.571 §  14 Abs.  4 Satz 1 AEG verlangt auf den ersten Blick vielmehr nur, dass die „entstehenden Kosten zuzüglich einer 561 Picot/Säcker/Böcker,

Regulierung von Netzindustrien, S.  69, 82. Büdenbender, RdE 2004, 284, 288. 563 Britz/Hellermann/Hermes/Groebel, §  21 EnWG Rn.  4. 564 Säcker/Groebel, §  31 TKG Rn.  27. 565 So Säcker, WiVerw 2/2010, 101, 103. 566  Siehe oben Teil 5 C. III. 3. Siehe auch BGH v. 2.2.2010 – KVR 66/08, LKV 2010, 174 – Wasserpreise Wetzlar; Büdenbender, LMK 2010, 300557. 567  Siehe Teil 6 B. III. 568  Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 95; Wegner, Regulierungsfreistellungen, S.  49. 569  Haucap/Heimeshoff, WiVerw 2/2010, 92, 95; siehe dazu schon oben Teil 4 C. III. 4. d). 570  Säcker, WiVerw 2/2010, 101, 107; Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  135. 571  Höppner, Netzstruktur, S.  65. 562 

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Rendite“ abgedeckt werden. Eine Beurteilung, ob die Kosten jeweils für die Leistungsbereitstellung notwendig waren, wird also nicht ausdrücklich gefordert. Da ein vollkostenorientierter Maßstab dem Zweck der sektorspezifischen Regulierung widerspräche, Wettbewerb auf den vor- und nachgelagerten Märkten durch Neutralisierung des Netzes als monopolistisches Bottleneck zu ermöglichen, ist der Wortlaut des §  14 Abs.  4 AEG aber teleologisch als Hinweis auf die Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung zu präzisieren.572 Hierfür spricht de lege lata auch §  21 Abs.  1 Satz 1 EIBV, wonach ein Betreiber der Schienenwege seine Entgelte für die Pflichtleistungen so zu gestalten hat, dass sie durch leistungsabhängige Bestandteile nicht nur den Eisenbahnverkehrsunternehmen,573 sondern auch den Betreibern der Schienenwege selbst Anreize zur Verringerung von Störungen und zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit ihres Schienennetzes bieten.574 Damit lässt diese Vorschrift gerade keinen Ansatz der Vollkosten zu, sondern macht mit der effizienten Nutzung der Schienenwege575 zugleich die Vorgabe, dass auch nur die damit verbundenen Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung angesetzt werden können.576 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für Serviceeinrichtungen in §  14 Abs.  5 AEG mittelbar auf das in §  29 Satz 1 Nr.  2 GWB normierte Konzept der Kosten- und Gewinnspannenkontrolle als spezifischer Methode zum Nachweis eines Ausbeutungsmissbrauchs Bezug genommen,577 das mit dem Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs ebenfalls nur effiziente Kosten anerkennt. Es ist jedoch kein materieller Grund ersichtlich, weshalb nur Serviceeinrichtungen und nicht auch die Schienennetze einer effizienzkostenbasierten Regulierung unterzogen werden. c) Kostenkontrolle und preis- bzw. anreizbasierte Regulierung Die Unterscheidung zwischen Kosten- und Effizienzmaßstäben setzt sich bei der Frage fort, welcher Art die Entgeltkontrolle sein soll.578 Hier lassen sich

572 Beschlüsse des 66. DJT 2006, Beschluss D 15 a); Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 169 ff. 573  Zum sog. Auslastungsfaktor Wendt, Kapazitätsengpässe beim Netzzugang, S.  235 f. 574 Gegen eine entsprechende unionsrechtliche Pflicht EuGH v. 28.2.2013 – C-556/10, EuZW 2013, 666, 669 Rn.  98 ff., insb. Rn.  106 ff. – Kommission/Deutschland; im Schrifttum wird bezweifelt, ob eine im nationalen Recht statuierte effizienzkostenbasierte Anreizregulierung mit einer festen Preisobergrenze dem Unionsrecht entspreche; vgl. Michalczyk, NVwZ 2013, 498, 499. Diese Bedenken greifen aufgrund der Fundierung der sektorspezifischen Regulierung in Art.  102 AEUV, der mit dem Als-ob-Wettbewerbsprinzip ebenfalls nur effiziente Kosten anerkennt, nicht durch. 575 So Koenig/Neumann/Schellberg, WuW 2006, 139, 144. 576  A. A. Staebe, WuW 2006, 492, 495. 577  So im Hinblick auf §  29 GWB das OVG Münster v. 23.3.2010 – 13 B 247/10, N&R 2010, 188, 189; zust. Ehricke, N&R 2010, 157, 162 f. 578  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  129, der eine begriffliche Verwirrung beklagt.

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kostenorientierte und preis- bzw. anreizorientierte Methoden unterscheiden.579 In den Netzwirtschaften wurden verschiedene Methoden zur Regulierung der Entgelte entwickelt.580 Wir werden uns im Folgenden auf eine Darstellung der übergreifenden Grundlagen beschränken. aa) Kostenregulierung Bei einer Kostenregulierung basieren die Entgelte auf den tatsächlichen Kosten des Unternehmens für die Bereitstellung der Leistung zuzüglich eines Zuschlags für Gewinne bzw. Risikokosten oder einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals.581 Kostenänderungen führen deshalb nach Ablauf der Regulierungsperiode zu einer Änderung der genehmigten Entgelte.582 Die verbreitetsten Methoden einer Kostenregulierung sind die Kostenzuschlagsregulierung (Cost-plus-Regulierung) 583 sowie die Rentabilitätsregulierung (Rateof-Re­turn-Regulierung).584 Bei der Kostenzuschlagsregulierung berechnen sich die Netzentgelte aus den Bereitstellungskosten zuzüglich eines Risiko- und Gewinnzuschlags auf die gesamten Kosten.585 Demgegenüber garantiert die Rentabilitätsregulierung den Unternehmen über die Bereitstellung des eingesetzten Kapitals hinaus eine angemessene Verzinsung des Entgelts.586 Die Methoden unterscheiden sich somit darin, dass die Kostenzuschlagsregulierung die Umsatzrendite begrenzt, wohingegen die Rentabilitätsregulierung die Kapitalrendite einschränkt.587 Da die vorbenannten Verfahren zur Entgeltregulierung den Unternehmen keine Anreize für eine Steuerung der Qualität der Leistung und damit zur Effizienzsteigerung, verstanden als Erreichung des Zieles mit möglichst geringem Aufwand,588 setzen, sondern häufig zu Überinvestitionen führen, wurden die Entgeltkontrollverfahren in der Regulierungstheorie zunehmend verfeinert.589 Insbesondere im Energiewirtschaftsrecht hat sich eine anreizbasierte Regulierung als vorzugswürdig herausgestellt, die gegenüber der statisch kos579 

Ludwigs, NVwZ 2008, 954. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  202 ff.; Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  775 ff. 581  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1170; Trute/Broemel, ZHR 170 (2006), 706, 718 f. 582  Eine Kostenregulierung erfolgt damit regelmäßig ex post, vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1170. 583  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  202 f. 584  Auch benannt als Regulierung der Kapitalverzinsung, vgl. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.   210  f. Zur wettbewerbstheoretischen Beurteilung siehe Theobald/ Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  284. 585  Müller/Vogelsang, Staatliche Regulierung, S.  195. 586  Finsinger, Wettbewerb und Regulierung, S.  168. 587  Borrmann/Finsinger, Markt und Regulierung, S.  357. 588  Siehe Teil 4 C. III. 4. a). 589  Siehe dazu den Überblick bei Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  130 ff. 580 Dazu

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tenorientierten Regulierung das Ziel dynamischer Effizienz in den Vordergrund stellt.590 bb) Anreizregulierung Verfahren der Anreizregulierung zielen darauf ab, die Preis- oder Erlösobergrenze (den „Cap“) für einen bestimmten Zeitraum von den in der Vergangenheit entstandenen Kosten des Netzbetriebs zu entkoppeln, um auf diesem Wege Anreize für eine effiziente Leistungsbereitstellung zu geben (vgl. §  21a EnWG, §  31 Abs.  1 Nr.  2 TKG).591 Diese Herangehensweise folgt aus den Nachteilen einer reinen Kostenregulierung. Sie akzeptiert die Informationsasymmetrie zulasten der Regulierungsbehörde, indem sie das Gewinnstreben der Unternehmen für die Zwecke der Regulierung ausnutzt.592 Ziel ist es, die Preisbildung auf kompetitiven Märkten zu imitieren.593 Auf einem Wettbewerbsmarkt senken die Unternehmen ihre Preise bei einem Produktivitätsfortschritt, da die Kunden ansonsten zu den günstigeren Wettbewerbern wechseln würden. Zugleich können gestiegene Inputpreise an die Kunden weitergegeben werden, zum Beispiel erhöhte Beschaffungspreise auf dem Weltmarkt. Zu diesem Zwecke werden die regulierten Netzentgelte für die Dauer der Regulierungsperiode von den zugrunde liegenden Kosten des Unternehmens entkoppelt. Die Obergrenze setzt sich grundsätzlich aus den vergangenen Kosten zuzüglich der allgemeinen Preissteigerung abzüglich des allgemeinen Produktivitätsfortschritts zusammen. Hierdurch sollen die dynamischen Anreize zur effizienten Leistungsbereitstellung verstärkt werden; denn jede Produktivitätssteigerung, die höher ausfällt als diejenige der Regulierungsvorgaben, kommt dem regulierten Unternehmen zugute, während sich darunter liegende Produktivitätssteigerungen gewinnmindernd auswirken.594 Das entspricht unter Berücksichtigung der notwendigen Verallgemeinerungen der Preisbildung von Unternehmen im Wettbewerb.595 Im Rahmen der Anreizregulierung lassen sich einige Hauptspielarten unterscheiden. Eine Anreizregulierung macht normalerweise entweder Vorgaben für 590  Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S.   127. Im TK-Regulierungsrecht werden demgegenüber durchweg Einzelentgeltgenehmigungen erteilt. 591  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1171; Britz/Hellermann/Hermes/Groebel, §  21a EnWG Rn.  1. Bei Einhaltung der für die jeweiligen Körbe vorgegebenen Maßgrößen gelten nach §  35 Abs.  2 Satz 2 TKG die Voraussetzungen der §§  28, 31 Abs.  1 Satz 2 TKG als erfüllt; siehe Koenig/Senger, MMR 2007, 290. 592  Berndt, Anreizregulierung, S.  68. 593 Britz/Hellermann/Hermes/Groebel, §  21a EnWG Rn.  1: Optimierung unter Nebenbedingungen, insbesondere im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, da eine Kosteneinsparung nicht durch Senkung der Qualität, sondern durch Verbesserung der Produktionsprozesse bzw. Produktionseffizienz erreicht werden solle. 594  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  211. 595  Berndt, Anreizregulierung, S.  69.

D. Regulierungsinstrumente

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die Netzzugangsentgelte („Price-Cap-Verfahren“) oder für die Gesamterlöse aus den Netzzugangsentgelten („Revenue-Cap-Verfahren“).596 Während bei einer Price-Cap-Regulierung eine Obergrenze für den „Output-Preisindex“ gesetzt wird, geben Revenue-Cap-Verfahren eine Obergrenze für die Gesamterlöse des Unternehmens vor, also für das Produkt aus Preis und Verkaufsmenge, addiert über alle Produkte des Unternehmens.597 Anders als bei der Price-CapRegulierung muss die Behörde deshalb vorab die zukünftigen Absatzmengen schätzen.598 Eine Price-Cap-Regulierung gibt deshalb mehr Anreize zur Mengenausweitung als eine Revenue-Cap-Regulierung. 599 Eine Mengenausweitung kann sich wiederum positiv auf Investitionen und Innovationen auswirken, da hierdurch die Nachfrage gesteigert werden kann. 600 Bei einer Revenue-Cap-Regulierung bestehen demgegenüber eher Anreize, die produzierten Mengen zu reduzieren und dafür die Preise zu erhöhen; denn in diesem Fall bleiben die Erlöse gleich, das Unternehmen spart jedoch Kosten. 601 Dieser Anreiz ist zwar abgeschwächt, wenn die variablen Produktionskosten gegenüber den Fixkosten nicht nennenswert ins Gewicht fallen, wie dies für ein natürliches Monopol charakteristisch ist; jedenfalls die positiven Vermarktungsanreize einer Price-Cap-Regulierung sind jedoch nicht gegeben. Andererseits erlaubt eine reine Revenue-Cap-Regulierung eine gegenläufige Preispolitik bei schwankender Nachfrage, was das Risiko des Netzbetreibers minimiert: Im „Aufschwung“ senkt dieser die Preise, im „Abschwung“ kann er sie erhöhen. Bei Mehrproduktunternehmen hat ein Revenue-Cap außerdem den Vorteil, dass nicht für jedes Produkt eine separate Preisobergrenze festgelegt werden muss, sondern nur ein durchschnittliches Preisniveau, wohingegen das regulierte Unternehmen die Preise im Rahmen der Erlösvorgaben und der Missbrauchsverbote eigenständig bestimmen kann. 602 Die Entscheidung für eine Price- oder eine Revenue-Cap-Regulierung wird sich also u. a. daran orientieren, ob im jeweiligen Sektor eine Mengenausweitung erwünscht bzw. zu erwarten ist oder nicht. 603 Während dies im Energiesektor zu verneinen ist, ist im Telekommuni596  Siehe

S.  40.

statt anderer Fillipini/Wild, ZfE 2002, 51; Wegner, Regulierungsfreistellungen,

597  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  61; Ludwigs, NVwZ 2008, 954. 598 Danner/Theobald/Müller-Kirchenbauer, §  21a EnWG Rn 47. 599  Mitusch, in: BDI-BNetzA Regulierungskonferenz 2008, S.  25, 26; Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  52. Ausführlich zu Mengenschwankungen im Energiesektor Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  207 ff. 600  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  63 f. 601  Siehe auch zum Folgenden Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  6 4. 602  Fillipini/Wild, ZfE 2002, 51, 52; BNetzA, Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S.  32. 603 BNetzA, Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S.   32 f., wonach ein Revenue-Cap

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kations- und im Eisenbahnsektor eine Ausweitung der über das Netz transportierten und abgesetzten Mengen erwünscht.604 Für die dritte Periode einer Anreizregulierung der Energienetze wird derzeit eine sog. Yardstick-Regulierung diskutiert. 605 Diese orientiert die Vorgaben an die Produktivität der Unternehmen anders als die Price- und auch die Revenue-Cap-Regulierung nicht an der unternehmensspezifischen Effizienz und der unternehmensindividuellen Kostensituation, sondern blickt auf die durchschnittliche Kostenentwicklung und damit die durchschnittliche Effizienz der jeweiligen Branche. 606 Die in der Regulierungsformel zum Ausdruck kommenden Anreize werden hier somit nicht aufgrund unternehmensspezifischer Analysen, sondern anhand unternehmensfremder Aspekte bestimmt. 607 Folgerichtig basiert die Produktivitätsvorgabe für die Branche auf den Kosten vergleichbarer Netzbetreiber. 608 Aus ökonomischer Sicht erhofft man sich von einer Yardstick-Regulierung erhöhte Anreize zur Hebung von Effizienzen. 609 In der Rechtswirklichkeit finden sich überwiegend „hybride Varianten“, die Elemente mehrerer Anreizregulierungsvarianten vereinen. 610 cc) Bewertung Eine kostenorientierte Regulierung weist gegenüber einer anreizorientierten Regulierung erhebliche Nachteile auf. 611 So besteht hier nicht nur die bereits problematisierte Informationsasymmetrie zu Lasten der Regulierungsbehörde, die sich in einer Genehmigung zu hoher Entgelte zu Lasten der Konsumenten dem Ziel eines Mehrverkehrs auf der Schiene nicht entspreche. Allerdings kann die Revenue-Cap-Regulierung um einen sog. Revenue-Driver als „hybridem Faktor“ ergänzt werden, der Anreize zur Mengenausdehnung erzeugen soll; vgl. BNetzA, a. a. O., S.  36; Berndt, Anreizregulierung, S.  114 f. 604 Siehe Berndt, Anreizregulierung, S.  290; zum Eisenbahnsektor auch Mitusch/Brenck/ Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  63. 605 Grundlegend Shleifer, RJE 16 (1985), 319 ff. 606  Siehe näher Meinzenbach, Anreizregulierung, S.  216 f.; Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  310 f.; Danner/Theobald/Müller-Kirchenbauer, §  21a EnWG Rn.  176 ff.; krit. Ludwigs, NVwZ 2008, 954, 956. 607  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  59. 608  Zu den verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten siehe Fillipini/Wild, ZfE 2002, 51, 52. 609  Mitusch/Brenck/Peter/Czerny/Beckers, Anreizregulierung der Eisenbahninfrastruktur, S.  60, die darauf hinweisen, dass man dafür eine hinreichende Anzahl von Vergleichsunternehmen benötige, was im Eisenbahnsektor auf Bundesebene nicht der Fall sei. 610  Siehe dazu allgemein BNetzA, Anreizregulierung im Eisenbahnsektor, S.  36 ff.; Berndt, Anreizregulierung, S.  114 ff., sowie zur Revenue-Cap-Regulierung in der Energiewirtschaft auf S.  185 ff. (Regulierungskonto gem. §  5 ARegV zum Ausgleich von Mengenschwankungen, Anpassungen während einer Regulierungsperiode gem. §  4 Abs.  3 und 4 ARegV, Qualitätsregulierung gem. §§  18 bis 21 ARegV). 611  Säcker/Busse von Colbe/Haucap/Rötzel, Anreizregulierung, S.  53, 61 f.; Knieps, Wettbewerbsökonomie, S.  107 ff.

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niederschlagen kann. 612 Eine kostenbasierte Regulierung ist auch mit Blick auf dynamische Effizienzen kritisch zu hinterfragen, da ein Monopolist, der kostensenkende Innovationen durchführt, hierfür nicht etwa belohnt, sondern durch Absenkung des genehmigten Entgelts „bestraft“ wird, was die falschen Anreize setzt. 613 Demgegenüber geht von einer Anreizregulierung der Ansporn aus, die Produktivität zu steigern, also die gegebene Outputmenge zu geringeren Kosten oder eine größere Outputmenge bei gegebenen Kosten zu produzieren, wobei es im Energiesektor regelmäßig um den erstgenannten Fall geht, da die Outputmenge hier noch weitgehend konstant ist. 614 Die An­reiz­ regu­lierung befördert somit die Generierung dynamischer Effizienzen, um auf diesem Wege die dem Wettbewerb zugeschriebenen positiven Funktionen zu erfüllen. 615 Bei einer kostenbasierten Rate-of-Return-Regulierung ist auch problematisch, dass das eingesetzte Eigenkapital unabhängig von dem erzielten Produktivitätsfortschritt zu einem vorher festgelegten Satz verzinst wird. Hierdurch haben die regulierten Unternehmen keinen Anreiz zu einem effizienten Ressourceneinsatz, sondern vielmehr zu einem möglichst hohen Investitionsvolumen. 616 Zwar haben hohe Investitionsanreize positive Effekte im Hinblick auf die Versorgungssicherheit, doch gehen diese zu Lasten der Produktivitätssteigerung. Es wird somit der Zielkonflikt zwischen Wettbewerbsförderung und Versorgungssicherheit einseitig zu Gunsten Letzterer gelöst. 617 Auch eine Anreizregulierung ist aber regelmäßig durch eine Regulierung der Produktqualität und des unternehmerischen Verhaltens zu ergänzen, um ausreichende Investi­ tionen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies ist das Konzept der „Regulierung unter Nebenbedingungen“. 618 d) Zeitpunkt der Entgeltkontrolle Ein zentrales Problem der Regulierung der Netzsektoren ist die Festlegung des Zeitpunkts der Entgeltkontrolle. Im Ausgangspunkt lassen sich eine Ex-postund Ex-ante-Kontrolle unterscheiden. 619

612 

men.

613 

Ludwigs, NVwZ 2008, 954: Gefahr eines Mikromanagements zu Lasten der Unterneh-

Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  203. Berndt, Anreizregulierung, S.  71 mit Fn.  224. 615  I. Schmidt, Wettbewerbspolitik und Kartellrecht, S.  57. 616 Sog. Averch-Johnson-Effekt, vgl. Averch/Johnson, AER 52 (1962), 1052 ff.; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  210. 617  Berndt, Anreizregulierung, S.  68. 618 Löwer/Brunekreeft, Wettbewerb und Versorgungssicherheit, S.  81, 87 ff.; Säcker/Busse von Colbe/Pedell, Anreizregulierung, S.  75 ff.; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  212 und 215; Britz/Hellermann/Hermes/Groebel, §  21a EnWG Rn.  1. 619 Prägnant Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  94. 614 

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aa) Ex-ante- und Ex-post-Kontrolle Ex-ante-Regulierungsmaßnahmen reglementieren ein Marktverhalten vorab und werden insbesondere dann implementiert, wenn aus ökonomischen Gründen zu erwarten ist, dass sich Unternehmen nicht wettbewerbskonform verhalten. 620 Im Rahmen der Entgeltregulierung entspricht diese Vorgehensweise der Methodenregulierung und der Anreizregulierung als spezifischer Ausprägung derselben. Demgegenüber wird bei der Ex-post-Kontrolle geprüft, ob die Unternehmen sich im Einzelfall wettbewerbskonform verhalten haben. 621 Beide Kontrollarten unterscheiden sich somit bereits im Hinblick auf die von den Regulierungsbehörden benötigten Informationen. Während die Ex-post-Kontrolle erst bei einem konkreten Verdachtsfall greift, benötigt die Ex-ante-Kontrolle fortwährend Informationen über das regulierte Unternehmen, mit der Folge einer ressourcenintensiven dauerhaften Branchenaufsicht.622 Auf der anderen Seite wäre in den regulierten Sektoren eine reine Ex-post-Überwachung sehr problematisch, da sie das beanstandete Verhalten auch wegen der weitreichenden Spielräume der Normadressaten für Verzögerungstaktiken häufig erst abstellen könnte, wenn das Ziel des Missbrauchs längst realisiert wäre.623 Zu Beginn der Diskussion über die ökonomisch zutreffende Ausgestaltung der „Re-Regulierung“ der Netzwirtschaften entsprach es verbreiteter Ansicht, dass der Regulierer die komplexen Entgeltregelungen nicht ex ante vorschreiben müsse. Es sollte vielmehr zur Senkung der Eintrittsbarrieren in die vor- und nachgelagerten Märkte ausreichen, dass durch die Regulierung „ein gewisses ex ante-Vertrauen in faire ex-post Lösungen“ geschaffen werde, 624 vor allem durch die normative Beschränkung eines opportunistischen Verhaltens des Netzmonopolisten. 625 Mittlerweile hat sich jedoch die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Ex-post-Kontrolle nicht ausreicht, um die Ergebnisse eines wirksamen Wettbewerbs zu erreichen, wenn Märkte von dauerhaft stabiler Marktmacht geprägt sind. 626 Dem Risiko von Fehleinschätzungen oder eines „Machtmissbrauchs“ der Regulierungsinstanz steht die Erwägung gegenüber, dass ohne 620 Vgl. Neuhaus, Regulierung in Deutschland und den USA, S.  197: Ex-ante-Kontrolle als wirtschaftsverwaltungsrechtlicher Erlaubnisvorbehalt. 621  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  120. Auch bei der Ex-post-Kontrolle gelten die Anforderungen an das unternehmerische Verhalten schon ex ante (in Form der Wettbewerbsvorschriften); diese werden jedoch erst im Nachgang eines Verstoßes angewandt; vgl. Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  1 Rn.  94. 622  So zum regulierten Netzzugang die Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  7 72; Haucap/Kruse, WuW 2004, 266, 269; Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  120. 623  Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  7 72 und 801. 624  Schenk, in: JNPÖ 16 (1997), 143, 145. 625  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  29. 626  So etwa in Abkehr von ihrer früheren Sichtweise die Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  800 ff.; siehe auch Haucap/Kruse, WuW 2004, 266, 275; Säcker, WiVerw 2010, 101; a. A. Schorkopf, JZ 2008, 20, 29.

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eine Ex-ante-Regulierung ein dauerhafter funktionsfähiger Wettbewerb in den vor- und nachgelagerten Märkten nicht zustande käme.627 Darüber hinaus sprechen für eine Vorab-Regulierung der Zugangsleistungen und Zugangspreise auch Gesichtspunkte der Transparenz und der Rechtssicherheit sowie die höhere Effektivität des Verwaltungshandelns. 628 Bei einer Festigung des Wettbewerbs in den regulierten Sektoren – wie dies in der Vergangenheit vor allem für einzelne Telekommunikationsmärkte zu beobachten war629 – kann aber ein Übergang von einer Ex-ante- zu einer Ex-post-Regulierung erfolgen. 630 Unbenommen davon ist es regelmäßig sinnvoll, den Regulierungsbehörden sowohl Ex-ante- als auch Ex-post-Befugnisse einzuräumen, damit diese die „Remedies“ flexibel an die zu regulierenden Sachverhalte anpassen können. 631 Insbesondere wird eine Ex-post-Regulierung durch eine Ex-ante-Regulierung nicht entbehrlich, da sie es erleichtert, die Einhaltung der ex ante auferlegten Pflichten zu kontrollieren. bb) Kein Erheblichkeitszuschlag bei der Ex-post-Kontrolle Entgegen einer verbreiteten Ansicht richtet sich eine Ex-post-Missbrauchskontrolle nicht lediglich auf den Unschärfebereich, in welchem sich der Preis noch bewegen kann, ohne missbräuchlich zu sein, also auf den wettbewerbsanalogen Preis zuzüglich eines Erheblichkeitszuschlags. 632 Bei einer wettbewerbsorientierten Kontrolle kann es unabhängig vom Kontrollzeitpunkt immer nur um eine Konkretisierung und Operationalisierung des Maßstabes des wettbewerbsanalogen Preises gehen. 633 Wir hatten dies bereits bei der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle gesehen. Dogmatisch greift deshalb auch kein Vorrang der Vergleichsmarktmethode vor der internen Kostenkontrolle. 634 cc) Unterschiedliche Ausgestaltung der Regulierungsgesetze In der Energiewirtschaft erfolgt regelmäßig eine Ex-ante-Festlegung der zulässigen Netzentgelte anhand der vom Gesetzgeber festgelegten Berechnungsmethoden (§§  21 Abs.  2, 21a, 29 EnWG). Die Regulierungsbehörden können sich 627  Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  8 06, mit dem weiteren Hinweis, dass ohne eine Ex-ante-Regulierung der Netzsektoren, die ein monopolistisches Bottleneck bilden, „schnell der Ruf nach einer Endkundenpreisregulierung zur Kontrolle von Monopolmacht erschallen werde“, der ordnungspolitisch problematischer sei. 628  Vgl. Monopolkommission, Hauptgutachten 14, Rn.  7 71 i. V. mit Rn.  7 72 ff. 629  Ruthig/Storr, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Rn.  576. 630  In monopolistischen Bottlenecks stellt die Regulierung jedoch regelmäßig eine Daueraufgabe dar; vgl. Säcker, RdE 2003, 300. 631  Schnitker, Regulierung der Netzsektoren, S.  120 f. 632  So aber Säcker/Groebel, §  35 TKG Rn.  23. 633  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  129; Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 170. 634  Dazu Säcker/Groebel, §  28 TKG Rn.  2.

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somit weitestgehend darauf beschränken, die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der individuellen Entgelthöhenregulierung zu überprüfen. 635 Im Telekommunikationssektor geht die Kommission von einer Ex-ante-Regulierung der in der Märkteempfehlung 2007 enthaltenen 7 Märkte aus,636 wohingegen der deutsche Gesetzgeber – als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – wahlweise auch eine Ex-post-Kontrolle ermöglicht, sofern diese ausreicht, die Regulierungsziele des §  2 TKG zu erreichen. Hiernach wird Markt 1 als einziger Endkundenmarkt lediglich einer Ex-post-Regulierung unterzogen; denn nach dem im disaggregierten Regulierungsansatz zum Ausdruck kommenden Prinzip der Subsidiarität der Endkundenmarktregulierung soll bereits eine effektive Vorleistungsregulierung für ein „level playing field“ und faire Bedingungen auf den Endkundenmärkten sorgen, so dass Wettbewerber mit dem SMP-Betreiber um Endkunden konkurrieren können. Für alle anderen sechs Vorleistungsmärkte sieht die BNetzA in Ausübung ihres Regulierungsermessens grundsätzlich eine Ex-ante-Entgeltregulierung als notwendig an (§  30 Abs.  1 Satz 1 TKG). 637 Dies ist überzeugend. Das Eisenbahnregulierungsrecht differenziert hinsichtlich der Entgeltregulierung zwischen §  14 Abs.  4 AEG für Betreiber von Schienenwegen und §  14 Abs.  5 AEG für Betreiber von Serviceeinheiten. Diese Vorschriften werden in den §§  20 bis 24 EIBV und in Anlage 1 und 2 EIBV näher konkretisiert. Hiernach muss der Regulierungsbehörde eine Neufassung oder Änderung der Entgelthöhe und des Entgeltsystems für das Schienennetz und die Serviceeinrichtungen nach §  14d Abs.  1 Satz 6 AEG vorab angezeigt werden. Für Schienenwege muss das Infrastrukturunternehmen auch darlegen, dass die Entgelte mit den Vorgaben des §  14 Abs.  4 AEG übereinstimmen. Die Regulierungsbehörde überprüft daraufhin die Entgelte auf ihre Übereinstimmung mit den eisenbahnrechtlichen Bestimmungen und hat hiernach gem. §  14e Abs.  1 Nr.  4 AEG vier Wochen Zeit zu widersprechen, sofern die beabsichtigte Maßnahme nicht den Vorschriften über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur entspricht. 638 Aufgrund der Anknüpfung an die Notifizierung handelt es sich bei §  14e AEG weder um eine klassische Ex-ante-Kontrolle noch um eine reine Ex-post-Überprüfung der Entgelte, sondern um eine Art „dilatorische Anzeigepflicht“ (vgl. für die Regulierung von Entgelten für Endnutzerleistungen auch §  39 Abs.  3 Satz 3 TKG). 639 Da es sich nur um ein fristgebundenes fakultatives Wider635 

Höppner, Netzstruktur, S.  65. der Kommission vom 17.12.2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, ABl.EU Nr. L 344/65 v. 28.12.2007. 637  §  30 Abs.  1 Satz 2 TKG räumt der BNetzA ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Regulierungsermessen ein, vgl. BVerfG v. 8.12.2001 – 1 BvR 1932/08, ZUM-RD 2012, 187. 638  Kühling/Ernert, NVwZ 2006, 33, 37. 639  Kühling/Ernert, NVwZ 2006, 33, 37; a. A. die Monopolkommission, Sondergutachten 55, Rn.  183, wonach „die Entgelte zur Nutzung der Eisenbahninfrastruktur [. . .] damit ex ante 636 Empfehlung

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spruchsrecht handelt, haben Eisenbahnverkehrsunternehmen keine Möglichkeit, die Regulierungsbehörden zu einer Vorabprüfung der von Eisenbahninfrastrukturunternehmen verlangten Entgelthöhen nach §  14e Abs.  1 Nr.  4, Abs.  3 Nr.  2 AEG zu veranlassen. 640 De facto geht das Eisenbahnregulierungsrecht deshalb von einer Ex-post-Kontrolle der verhandelten Netzentgelte aus (§  14 Abs.  6 AEG i. V. mit §  14f Abs.  1 Satz 2 Nr.  2 AEG). Diese Befugnis besteht nach dem Wortlaut des §  14f Abs.  1 Satz 1, Abs.  2 AEG außerdem nur dann, wenn ein Einzelnutzungsvertrag wegen Meinungsverschiedenheiten über den angemessenen Preis nicht zu Stande gekommen ist. Selbst wenn diese Norm auf den Fall analog anzuwenden wäre, dass der Vertrag wegen fehlender Einigung über einen Teil der Entgeltregelung nicht zustande gekommen ist, hätten die Regulierungsbehörden aber ein Ermessen bei der Frage, ob sie die Entgelte überprüfen.641 Dies zeigt, dass auch bei einem stark von der behördlichen Rechtsdurchsetzung geprägten Regulierungsrecht ein effektives „private enforcement“ unabdingbar ist. 3. Entflechtungsregulierung Echter Wettbewerb in effizienten und sicheren Netzen setzt voraus, dass Netzbetreiber keine Monopolrenten aus dem Netzgeschäft generieren können, um etwa eine Kampfpreisstrategie auf den nachgelagerten Märkten gegenüber New­comern ohne eigenes Netz finanzieren zu können. 642 Die Zugangsregulierung wird deshalb vor allem im Energierecht durch strenge Entflechtungsvorgaben für vertikal integrierte Netzbetreiber ergänzt (vertikale Strukturregulierung643). Auch in den Bereichen Telekommunikation und Eisenbahnen müssen vertikal integrierte Netzbetreiber die monopolistischen Engpässe in der Infrastruktur buchhalterisch (§§  24 Abs.  1 TKG, 9 Abs.  1a AEG) und informatorisch abtrennen (§§  17 TKG, 5 Abs.  2 EIBV). Dazu tritt im Telekommunikationssektor seit dem Jahr 2012 die Befugnis zur operationellen Entflechtung (§  40 TKG). 644 Im Eisenbahnbereich besteht eine Pflicht zur gesellschaftsrechtlichen und organisatorischen Trennung (§  9a Abs.  1 AEG), wohingegen das TKG derartige Pflichten nicht kennt. Die Entflechtungsregulierung wird uns im Folgenden nicht weiter beschäftigen. 645

reguliert“ seien, „da jede Festsetzung oder Veränderung der Zustimmung der Bundesnetzagentur“ bedürfe. 640  BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 Rn.  20 – Stornierungsentgelt mit Anm. Otte, LMK 2012, 327729. 641  BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 Rn.  20 – Stornierungsentgelt. 642  Monopolkommission, Hauptgutachten 15, Rn.  1166. 643  Bickenbach, Netzinfrastrukturen, S.  52. 644  Dazu Säcker/Mohr, §  40 TKG Rn.  1 ff. 645  Siehe ausführlich BerlKommEnR/Säcker/Mohr, §§  8 ff. EnWG.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

IV. Zivilrechtliche Rechtsbehelfe In der Rechtswirklichkeit werden die Vorschriften des Regulierungsrechts bislang vornehmlich durch die Regulierungsbehörden durchgesetzt.646 Der Gesetzgeber hat jedoch den von einem Regulierungsrechtsverstoß negativ (dritt-) betroffenen Wettbewerbern und Verbrauchern eigene Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz zugesprochen, damit sich diese selbst gegen eine „Ausbeutung, Behinderung oder Diskriminierung“ zur Wehr setzen können (§§  32 EnWG, 44 Abs.  1 TKG, 33 GWB, 823 Abs.  2 BGB). 647 Diese Ansprüche sind für das Verständnis der privatrechtskonstitutiven Bedeutung des Regulierungsrechts von grundlegender Relevanz; denn in ihnen spiegelt sich die übergreifende Zielsetzung wider, den Wettbewerb zu schützen und zu fördern, um so die Funktionsbedingungen für materiale Vertragsfreiheit auf besonders von Vermachtung betroffenen Märkten herzustellen. 648 Die privaten Rechtsbehelfe dienen zugleich dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der regulatorischen Vorgaben, also dem Institutionenschutz. 649 Im Folgenden wollen wir uns einen Überblick über die zentralen Rechtsbehelfe verschaffen. 1. Energiewirtschaftsrecht Im Energiewirtschaftsrecht können Personen, die von einem Verstoß des Netzbetreibers gegen die §§  17 bis 28a EnWG oder gegen eine aufgrund dieser Vorschriften erlassene Rechtsverordnung oder Entscheidung der Regulierungsbehörde betroffen sind, nach §  32 Abs.  1 Satz 1 EnWG einen zivilrechtlichen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung derselben geltend machen. 650 Bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit ist nach §  32 Abs.  3 EnWG zusätzlich ein Anspruch auf Schadensersatz gegeben. §  32 Abs.  1 Satz 3 EnWG stellt klar, dass die Vorschriften der Abschnitte 2 und 3 auch dann dem Schutz anderer Marktbeteiligter dienen, wenn sich der Verstoß nicht gezielt gegen diese richtet,651 da sie generell drittschützend sind. 652 Welche Personen „betroffen“ im Sinne des §  32 Abs.  1 Satz 1 EnWG sind, ergibt sich

646 

Siehe etwa zu §  4 4 TKG Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  6 Rn.  72. Säcker, AöR 130 (2005), 180, 183. 648  Ebenso Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 162. 649 BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  1. 650 Zur Einordnung als zivilrechtlicher Anspruch siehe Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  214; die Zuständigkeit der Zivilgerichte ergibt sich aus den §§  102 ff. EnWG. 651 Ebenso Behr/Gorn, N&R 2009, 2, 3. 652  Siehe zu §  30 EnWG BT-Drucks. 15/3917 v. 14.10.2004, S.  63; Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  228. 647 

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damit aus einer Interpretation dieser Vorschriften653 in Verbindung mit der Courage-Doktrin des EuGH. 654 §  32 EnWG nimmt ausdrücklich nur auf die §§  17 bis 28a EnWG Bezug. Diese Vorschriften beziehen sich auf die Ex-ante-Zugangsregulierung und die Ex-ante-Entgeltregulierung, nicht jedoch auf die Ex-post-Missbrauchskontrolle des §  30 EnWG. Nicht ausdrücklich mit einbezogen ist demnach auch §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG, der ein sektorspezifisches, drittschützendes Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen normiert.655 Bei strikt wortlautbezogener Interpretation könnten Individualbetroffene deshalb nur Verstöße gegen die Vorschriften der Ex-ante-Entgeltregulierung geltend machen, nicht aber Ausbeutungsmissbräuche. Ein solcher Missbrauch kann jedoch zum Beispiel in den Fällen des §  30 Abs.  1 Satz 3 EnWG auftreten, wenn wegen tatsächlich bestehendem Leitungswettbewerb („Infrastrukturwettbewerb der Netze“) ausnahmsweise keine Ex-ante-Regulierung erfolgt. 656 Die Betroffenen könnten in diesem Fall auf die idealkonkurrierenden Rechtsbehelfe des allgemeinen Privatrechts verwiesen sein.657 Die unterbliebene Bezugnahme des §  32 EnWG auf §  30 EnWG ist jedoch als Redaktionsversehen zu bewerten, das teleologisch zu korrigieren ist: 658 So lehnen sich die §§  30 Abs.  1, 32 EnWG inhaltlich eng an die §§  19, 33 GWB an. 659 Es wäre deshalb widersprüchlich, wenn das Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen nicht zu Gunsten Privatbetroffener gelten würde. Darüber hinaus soll §  32 EnWG nach dem Willen des Gesetzgebers die Möglichkeiten eines „private enforcement“ gegenüber dem allgemeinen Wettbewerbsrecht effektuieren und nicht beschränken. 660 Auch entfalten die in §  30 Abs.  2 Satz 2 Nr.  4 und 6 EnWG normierten Missbrauchsvermutungen ihre Wirkung gerade in zivilen Klageverfahren. 661 Schließlich kommen bei einer Verletzung des Missbrauchsverbots des §  30 EnWG jedenfalls Beseitigungs-, Unterlassungsund Schadensersatzansprüche nach §  823 Abs.  2 BGB in Betracht, wodurch im EnWG ohne sachlichen Grund zwei Haftungssysteme bestünden. 662 653 So Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  215 f., der auch Verbrauchern ein eigenes Klagerecht zuerkennt. 654  Siehe dazu Teil 9 B. III. 1. 655  Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  129. 656  Dazu Britz/Hellermann/Hermes/Robert, §  30 EnWG Rn.  38. 657  Peters, Rechtsschutz Dritter, S.138. Vgl. im Hinblick auf das Eisenbahnregulierungsrecht BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 – Stornierungsentgelt mit Anm. Otte, LMK 2012, 327729. 658 BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  6 . 659  Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 2. Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 14.10.2004, BT-Drucks. 15/3917, S.  63. 660  So wird etwa auf die Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung verzichtet, vgl. BT-Drucks. 15/3917, S.  63. 661 BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  6 . 662  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  4 4 mit Fn.  146. Darüber hinaus wären Ansprüche nach §§  33, 19 GWB anzudenken, da die §§  17 bis 28a EnWG für die Ex-post-Missbrauchskontrolle nicht gelten (§  111 Abs.  1 EnWG).

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

Die analoge Anwendung des §  30 EnWG auf §  32 EnWG hat nicht zur Folge, dass die in §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG enthaltene Rechtfertigungsfiktion zur Anwendung kommt.663 Das resultiert für Sachverhalte mit zwischenstaatlichem Bezug aus der Telekom-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2008, wonach das (wettbewerbsrechtliche) Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV auch dann anwendbar ist, wenn Unternehmen zwar eine bestimmte Preisobergrenze zu beachten haben, sie jedoch weiterhin über einen Preissetzungsspielraum verfügen. 664 Da die regulierungsrechtlichen Entgeltvorschriften lediglich eine Ausprägung des allgemeinen Missbrauchsverbots gem. Art.  102 AEUV sind, wäre es auch teleologisch nicht begründbar, wenn die dort normierten sektorspezifischen Missbrauchsverbote einen Preis billigen würden, der nach allgemeinem Wettbewerbsrecht unzulässig ist. 665 2. Telekommunikationsrecht Nach §  44 Abs.  1 Satz 1 TKG ist ein Unternehmen, das gegen dieses Gesetz, eine aufgrund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnung, eine aufgrund dieses Gesetzes in einer Zuteilung auferlegte Verpflichtung oder eine Verfügung der BNetzA verstößt, dem Betroffenen zur Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Betroffen ist nach §  44 Abs.  1 Satz 3 TKG „jedermann“, der als Endverbraucher oder Wettbewerber durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Fällt dem Unternehmen Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last, muss es nach §  44 Abs.  1 Satz 4 TKG auch Schadensersatz leisten. §  44 Abs.  2 TKG regelt ergänzend die Klagebefugnis von Verbraucherorganisationen. Über §  44 Abs.  1 TKG kann ein Betroffener somit die Einhaltung der Vorgaben des TKG erreichen, ohne ein Einschreiten der Regulierungsbehörde abwarten zu müssen, wie dies einem Primat des „public enforcement“ entspräche. 666 Aufgrund der vermeintlich hohen Haftungsrisiken von Anbietern öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste667 – angeführt wird etwa die Nicht­ abwicklung von finanziell erheblichen Börsengeschäften aufgrund einer leicht-fahrlässigen Pflichtverletzung – hat der Gesetzgeber in §  44a TKG eine 663 

Siehe dazu BGH v. 3.3.2009 – EnVR 79/07, N&R 2009, 260, 262 Rn.  17. v. 7.8.2008 – T-271/03, WuW EU-R 1429 – Deutsche Telekom; dazu Mohr, ZWeR 2011, 383, 402. 665 BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  24. 666  Zu den Anspruchsberechtigten siehe Säcker/Rugullis, §  4 4 TKG Rn.  6 ff. Auch Wettbewerber können sich auf §  4 4 Abs.  1 TKG berufen, obwohl die Norm im Abschnitt über den Kundenschutz steht; zutreffend Geppert/Schütz/Ditscheid/Rudloff, §  44 TKG Rn.  18; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  6 Rn.  68. 667  Definition in §  3 Nr.  17 und 24 TKG. Unter den Begriff fallen grundsätzlich alle Unternehmen, die ihren Kunden als Betreiber von Telekommunikationsnetzen oder Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste entsprechende Dienstleistungen bereitstellen; vgl. Geppert/Schütz/Ditscheid/Rudloff, §  43a TKG Rn.  5. 664 EuGH

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unionsrechtlich nicht vorgegebene Haftungsprivilegierung für Vermögensschäden normiert. 668 Soweit Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten zum Ersatz eines Vermögensschadens gegenüber Endnutzern verpflichtet sind und vorsätzlich gehandelt haben, ist die Haftung nach §  44a Satz 1 TKG auf höchstens 12.500,- Euro je Endnutzer begrenzt. Entsteht die Schadensersatzpflicht durch eine einheitliche Handlung oder ein einheitliches Schaden verursachendes Ereignis gegenüber mehreren Endnutzern und beruht dies nicht auf Vorsatz, so ist die Schadensersatzpflicht nach §  44a Satz 2 TKG unbeschadet der Begrenzung in Satz 1 in der Summe auf höchstens zehn Millionen Euro begrenzt. Aus Sicht eines effektiven „private enforcement“ ist die Haftungsbegrenzung des §  44a TKG zu kritisieren, da die Norm im allgemeinen Haftungsrecht einen Fremdkörper darstellt. So sind Haftungsobergrenzen vornehmlich aus dem Bereich der Gefährdungshaftung wegen erlaubter Tätigkeit bekannt, 669 um die es bei dem Anspruch auf Schadensersatz gem. §  44 Abs.  3 TKG wegen schuldhafter Verletzung von gesetzlichen Pflichten gerade nicht geht. Auch der Gesichtspunkt der besseren Versicherbarkeit von erlaubten Risiken führt zu keinem anderen Ergebnis, 670 da dieser jeder Haftungsbegrenzung immanent ist. Vor allem aber – und dies ist de lege lata entscheidend – verstößt eine derart strikte Beschränkung der privaten Klagerechte gegen das vom EuGH betonte Primat des „private enforcement“.671 Hiernach dürfen die Mitgliedstaaten keine Regelungen treffen, welche die Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften der Union, konkret von Art.  102 AEUV als primärrechtlicher Grundlage auch der wettbewerbsanalogen Regulierung der Netzsektoren672 ausschließen oder erheblich beschränken. Wir werden hierauf zurückkommen. 3. Eisenbahnregulierungsrecht Das Eisenbahnregulierungsrecht hinkt nicht nur in seinen materiellen Vorgaben für die Zugangs- und Entgeltregulierung hinter dem Energie- und dem Telekommunikationsrecht her. Es normiert anders als diese Rechtsgebiete auch keine eigene Anspruchsgrundlage für Drittbetroffene bei einem Verstoß gegen die Vorschriften des AEG bzw. der auf seiner Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen. Das bedeutet freilich nicht, dass die von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen schutzlos gestellt sind. So können sie sich zum 668  BR-Drucks. 551/97, S.  28, zu §  7 TKV 1997 a. F.; Ditscheid, MMR 2007, 210, 211; Geppert/Schütz/Ditscheid/Rudloff, §  44a TKG Rn.  1; Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  6 Rn.  73; krit. Säcker/Rugullis, §  4 4a TKG Rn.  1. 669  Vgl. statt anderer Fuchs, Deliktsrecht, S.  236. 670  Fuchs, Deliktsrecht, S.  237. 671  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  18, 25 ff. – Courage/Crehan. 672  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 201.

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Teil 7:  Schutzzwecke des Regulierungsrechts und ihre Operationalisierung

einen auf 823 Abs.  2 BGB berufen, 673 da die Vorschriften über die Zugangs- und Entgeltregulierung der §§  13 ff. AEG i. V. mit der EIBV drittschützend sind. Darüber hinaus sind bei einem (Ausbeutungs-)Missbrauch auch die Art.  102 AEUV, §  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB i. V. mit §  33 GWB anzuwenden, da das AEG insoweit kein Spezialitätsverhältnis anordnet (§  14b Abs.  2 Satz 1 AEG).674 Vielmehr bleiben die Aufgaben und Zuständigkeiten der Kartellbehörden ausdrücklich „unberührt“. In der Praxis behelfen sich die von einer vertraglich manifestierten Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen bislang überwiegend mit der Billigkeitskontrolle gem. §  315 Abs.  3 BGB, die in Idealkonkurrenz zum Regulierungsrecht anzuwenden ist; 675 denn ein Verstoß gegen eisenbahnrechtliche Bestimmungen über den Zugang zu Schienennetzen führt – da diese nur eine sektorspezifische Ausprägung der zivilistischen Maßstäbe von Angemessenheit und Billigkeit beinhalten – zur Unbilligkeit der Leistungsbestimmung direkt oder analog §  315 Abs.  3 BGB. 676

E. Zwischenergebnis – Multifunktionalität des Regulierungsrechts Das Regulierungsrecht ist nach seiner historischen Entwicklung und normativen Grundidee primär als besonderes Wettbewerbsrecht einzustufen („Regulierungswettbewerbsrecht“). Daneben treten mit zunehmender praktischer Bedeutung anderweitige Regulierungsziele wie die Sicherung einer umwelt- und klimaschonenden Versorgung der Allgemeinheit mit netzbasierten Gütern oder die Förderung leistungsfähiger Telekommunikationsinfrastrukturen. Das Regulierungswettbewerbsrecht zielt ebenso wie das Regulierungsvertragsrecht auf den angemessenen Schutz material-chancengleicher Selbstbestimmung der Marktteilnehmer ab. Vor diesem Hintergrund enthalten diese Rechtsbereiche in Ergänzung der behördlichen Regelungen zur Ex-ante- und Ex-post-Regulierung umfassende Privatklagerechte (EnWG, TKG) bzw. ermöglichen Klagen Drittbetroffener durch einen Verweis auf das allgemeine Wettbewerbsrecht (AEG). 673 Im energiewirtschaftsrechtlichen Schrifttum wird Idealkonkurrenz zwischen §   32 EnWG und §  823 Abs.  2 BGB angenommen; vgl. Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  227. 674  A. A. Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.  55 f., die jedenfalls §  14 Abs.  1 AEG als lex specialis gegenüber §  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB ansehen. Im Ergebnis wie vorliegend, wenn auch mit der m. E. unzutreffenden Begründung, das Wettbewerbsrecht beziehe sich auf „den Markt“, wohingegen das AEG auf den „konkreten Einzelfall“ blicke, Kramer, Allgemeines Eisenbahngesetz, §  14b AEG Rn.  3. Das Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs bezieht sich immer auf das konkrete Verhalten eines marktbeherrschenden Unternehmens gegenüber seinen Vertragspartnern. Im Ergebnis ebenso das VG Köln v. 15.6.2012 – 18 L 547/12, Juris Rn.  12. 675  BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 – Stornierungsentgelt. 676 Ebenso Otte, LMK 2012, 327729; siehe noch Teil 10 C.

Teil 8

Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht A. Problemstellung Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht und die hierin zum Ausdruck kommende Differenzierung zwischen Staat und Gesellschaft1 ist entgegen der Sichtweise der normlogischen Theorie2 und der privatautonomiekritischen Sichtweise der 1960er und 1970er Jahre3 und anders als auch im anglo-amerikanischen Rechtskreis4 ein Wesenszug der deutschen Rechtsordnung.5 Die Abgrenzung der Rechtsbereiche bestimmt nicht nur die gerichtsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten, sondern ist auch relevant für die Bestimmung des anwendbaren Verfahrensrechts sowie für die materiellen Rechtsprinzipien und Gestaltungsspielräume.6 Während das zivile Vertragsrecht auf einen individuellen Interessenausgleich zwischen gleichberechtigten Rechtssubjekten abzielt und diesen Personen hierzu einen Spielraum zur autonomen Regelung ihrer Rechtsbeziehungen einräumt, innerhalb dessen der Einzelne nicht majorisiert werden kann,7 regelt das öffentliche Recht die Beziehungen des Einzelnen zum Staat oder zu anderen Trägern hoheitlicher Gewalt sowie das Verhältnis der Hoheitsträger und ihrer Organe zueinander. 8 Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Regelungsaufgaben ist das öffentliche Recht durch andere Rechtsprinzipien als das Privatrecht gekennzeichnet. So geht das Bürgerliche Recht idealtypisch von der Chancengleichheit der Bürger aus, denen die freie Gestaltung ihrer Rechtsverhältnisse untereinander überlassen bleiben kann.9 Dies kommt in der Konzepti1 

Bachmann, Private Ordnung, S.  184. Kelsen, Reine Rechtslehre, S.  284; dagegen Säcker, Gruppenautonomie, S.  271; Bydlinski AcP 194 (1994), 319, 322 und 340. 3  Raiser, Zukunft des Privatrechts, S.   19, wonach „das auf der Trennung von Staat und Gesellschaft beruhende Modell einer strengen Zweiteilung der Rechtsordnung in die beiden je für sich geschlossenen Systeme des öffentlichen und des Privatrechts seine Geltung als Maßstab und orientierende Verständnishilfe verloren“ habe. 4  Vgl. dazu Leisner, Privatisierung des Öffentlichen Rechts, S.  16 f. 5  Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S.  52 ff. 6 Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk, §  5 4 VwVfG Rn.  8 . 7  Bachmann, Private Ordnung, S.  184. 8 BeckOK-VwGO/Reimer, §  40 VwGO Rn.  45. 9  Boemke/Ulrici, BGB Allgemeiner Teil, §  2 Rn.  3. 2 

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Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

on der Privatrechtsgesellschaft Franz Böhms10 zum Ausdruck, in der nicht der „hierarchische Befehl“, sondern der Austauschvertrag als konsensualer Konfliktlösungsmechanismus im Vordergrund steht.11 Treten im Einzelfall private Machtpositionen auf, welche die idealtypisch angenommene Chancengleichheit der Bürger beeinträchtigen, tritt das Privatrecht diesen durch spezifisch machtbegrenzende Normen entgegen. Der Staat hat somit einen ordnungspolitischen Rahmen zu schaffen, der die Möglichkeit einer tatsächlichen Selbstbestimmung der Bürger gegenüber den Beeinträchtigungen durch wirtschaftliche Machtpositionen beschirmt. Er sichert hierdurch zugleich die Funktionsbedingungen, die zum Erhalt materialer Autonomie aller Bürger notwendig sind. Dieser Funktionsschutz (Institutionsschutz) steht in keinem Gegensatz zum Konzept der Privatautonomie, da dieses seine innere Rechtfertigung im wirtschaftlichen Bereich gerade aus der Wahrung material-gleicher Chancen der Bürger bezieht. Ein Gegensatz zwischen Freiheitsschutz und Funktionsschutz wird vielmehr erst durch ein Abstellen auf bestimmte (rechtliche, ökonomische oder gesellschaftspolitische) Konzepte begründet.12 Vor diesem Hintergrund macht die zwingende Ausgestaltung des Verbraucher- oder Arbeitsrechts dieses noch nicht automatisch zu einem Teil des öffentlichen Rechts.13 Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Regelungen auf das individuelle Vertragsverhältnis beziehen und dieses näher ausgestalten oder objektiv-überindividuelle Intentionen verfolgen, die mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden sollen. Die für das Privatrecht konstituierende materiale Chancengleichheit der Rechtssubjekte ist nicht gegeben, wenn der Staat den Bürgern in Ausübung seiner besonderen Machtposition gegenübertritt. Vielmehr befinden sich die Bürger hier in einer besonderen Gefährdungslage, der das öffentliche Recht durch die Grundrechte und durch sonstige spezifische Sicherungen entgegentritt. Die besondere Machtposition des Staates schließt es insbesondere aus, dass er vergleichbar einem Privaten frei handeln kann. Vielmehr bedarf er einer Ermächtigungsgrundlage.14 Was dem Staat deshalb innerhalb der Grenzen des Privatrechts nur nicht verboten ist, muss unter Geltung des Vorbehalts des Gesetzes durch eine öffentlich-rechtliche Ermächtigungsgrundlage positiv legitimiert sein.15 Trotz dieser auf den ersten Blick klaren und einleuchtenden Unterscheidung war es für das Wettbewerbsrecht lange Zeit umstritten, ob dieses dem öffentli-

10 

Böhm, ORDO 1966 (17), 75 ff. Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61, 62. 12  So aber mit Blick auf das Kapitalmarktrecht Grundmann, in: FS Hopt, 2010, S.  61, 62; siehe auch schon Hopt Kapitalanlegerschutz, S.  51 f., 334 ff. 13  So schon Nipperdey, in: Festgabe Reichsgericht, Vierter Bd., 1929, S.  203, 204. 14  Boemke/Ulrici, BGB Allgemeiner Teil, §  2 Rn.  3. 15 So Wolf, NZKart 2013, 17, 23. 11 

B. Theorien der Abgrenzung

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chen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist, oder aber eine Zwischenform darstellt, eine Art „Gemeinrecht“16 bzw. ein „hybrides Recht“,17 das eine genaue dogmatische Einordnung entbehrlich macht.18 Diese Unsicherheit lässt sich aus heutiger Sicht darauf zurückführen, dass wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten nicht nur in Zivilprozessen, sondern auch in Verwaltungs- und Bußgeldverfahren entschieden werden.19 Auch heute noch begegnet man auf den Hinweis, das Wettbewerbsrecht und das wettbewerbsfördernde Regulierungsrecht gehörten nach ihrer Funktion zum Privatrecht, dem Einwand, dass diese Rechtsgebiete doch (auch) durch Behörden durchgesetzt würden, die auf der Grundlage öffentlich-rechtlicher Befugnisnormen handelten. Aus diesem Grunde sei die Aussage, Wettbewerbsrecht und wettbewerbsfördernde Regulierung seien Privatrecht, unhaltbar. Zum anderen wurde die Diskussion früher beeinflusst durch die Auseinandersetzungen um den schillernden Begriff des „Wirtschaftsrechts“, der in den 1970er-Jahren des vorigen Jahrhunderts als Ausgangspunkt für eine gesellschaftspolitisch motivierte Kritik des Privatrechts gedient hat.20 Bevor auf die Einordnung des Wettbewerbsrechts und des Rechts der wettbewerbsanalogen Regulierung der Netzinfrastrukturen eingegangen werden soll, wollen wir überblickshaft auf die gebräuchlichsten Abgrenzungstheorien blicken.

B. Theorien der Abgrenzung Die Differenzierung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht ist in Ermangelung unmittelbarer verfassungsrechtlicher Vorgaben eine Aufgabe des einfachen Rechts und durch Interpretation zu ermitteln, die sich am Zweck der jeweiligen Regelungsaufgabe auszurichten hat.21 Hierzu dienen – alternativ oder kumulativ22 – verschiedene Abgrenzungstheorien, 23 für deren nähere Dar16  Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, S.  101 ff.; Scholz, ZHR 132 (1969), 97, 112: Rechtsprinzip allgemeiner Natur. 17  Brohm, NJW 1994, 281, 286. 18  Aus zivilistischer Sicht siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S.  413 ff. 19  Nachweise bei K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.  88 ff.; ders., AcP 206 (2006), 169, 172. 20  Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S.  17; Wiethölter, in: FS Böhm, 1965, S.  41 ff.; zusammenfassend K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 176 ff. 21  Manssen, Privatrechtsgestaltung durch Hoheitsakt, S.  99; Erichsen/Ehlers/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, §  3 Rn.  29. 22  Dies erscheint jedoch unzulässig, wenn man der formalen Subjektstheorie folgt; vgl. Erichsen/Ehlers/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, §  3 Rn.  31. Werden mehrere Theorieansätze vertreten, müssen diese zur Vermeidung eines „Rosinenpickens“ systematisch geordnet werden (a. a. O., a. E.). 23  Die Abgrenzungstheorien beziehen sich unmittelbar nur auf Rechtsnormen; die Einordnung von Handlungen ist nur insoweit unproblematisch, als schon die Handlungsform

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Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

stellung auf die Lehrbücher des öffentlichen Rechts verwiesen werden kann.24 Mit Blick auf die zu lösende Einordnungsaufgabe sollen im Folgenden lediglich die maßgeblichen Begründungsstränge nachgezeichnet werden. 1. Subjektstheorie Nach der sog. Subjektstheorie liegt der Unterschied zwischen öffentlichem und privatem Recht in der Verschiedenheit der Zuordnungssubjekte von Rechtssätzen.25 Die formale Subjektstheorie stellt darauf ab, ob eine öffentlich-rechtlich verfasste juristische Person (also eine Körperschaft, Stiftung oder Anstalt) gehandelt hat.26 Es kommt hiernach also lediglich darauf an, ob ein öffentlicher Hoheitsträger tätig wurde.27 Gegen eine derartig formal verstandene Subjektstheorie wird überzeugend vorgebracht, dass sich der Staat außerhalb der sog. Eingriffsverwaltung sowohl privatrechtlicher als auch öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedienen kann.28 Sofern er privatrechtlich handelt, verzichtet er auf seine Hoheitsrechte und begibt sich auf die Ebene der Gleichordnung.29 Bei einer privatrechtlich einzuordnenden Tätigkeit des Staates bzw. seiner Organe gilt deshalb grundsätzlich das einschlägige Privatrecht, also etwa das Bürgerliche Recht oder ein Sonderprivatrecht,30 soweit nicht das in Anspruch genommene privatrechtliche Institut Sonderregelungen (regelmäßig zu Gunsten) der öffentlichen Hand vorsieht.31 Auch durch landesrechtliche Regelungen kann dieses „Bundesprivatrecht“ nicht abgeändert werden (Art.  31 GG). Erfüllt der Staat in zivilrechtlichen Handlungsformen öffentliche Aufgaben, unterliegt dieses Handeln ebenfalls den Rechtsbindungen des öffentlichen Rechts, die es überlagern; der Staat kann sich somit seinen öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entledigen.32 Auch in diesen Fällen handelt es sich jedoch um Privatrecht, das lediglich in einzelnen Punkten durch die öffentlich-rechtlichen Bindungen ergänzt, modifiziert und (Verwaltungsakt) über die Zuordnung zu einem bestimmten Rechtsgebiet entscheidet; vgl. Wagner, Prozessverträge: Privatautonomie im Verfahrensrecht, S.  20. 24 Siehe etwa Erichsen/Ehlers/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, §   3 Rn.  14 ff.; vgl. auch Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht; Pestalozza, Formenmissbrauch des Staates, S.  166; Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnung. Krit. Leisner, Privatisierung des Öffentlichen Rechts, S.  21 ff. 25 Erichsen/Ehlers/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, §   3 Rn.   18; Wolff, AöR 76 (1950/1951), 205 ff. 26 Sodan/Ziekow/Sodan, §  40 VwGO Rn.  300 f.; Stumpf, Alternative Streitbeilegung, S.  26. 27  Stumpf, Alternative Streitbeilegung, S.  26. 28 Maunz/Dürig/Kirchhof, Art.  83 GG Rn.  103. 29  Lenz, Vorbehaltlose Freiheitsrechte, S.  131 mit Fn.  132. 30  BGH v. 10.7.1954 – VI ZR 120/53, BGHZ 14, 222. 31  So und zum Folgenden MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  2. 32 Maunz/Dürig/Kirchhof, Art.  83 GG Rn.  103.

B. Theorien der Abgrenzung

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überlagert wird.33 Gegen die formale Subjektstheorie spricht außerdem, dass es mit Hoheitsbefugnissen beliehene Private gibt, gegen deren Handeln Rechtsschutz zweckmäßigerweise durch dieselben Gerichte und nach denselben rechtlichen Grundsätzen zu gewähren ist, die auch für das Handeln des Staates und seiner Organe gelten.34 2. Modifizierte Subjektstheorie Aufgrund der Schwächen der formalen Subjektstheorie wird heute überwiegend eine modifizierte Subjektstheorie vertreten.35 Diese erkennt an, dass der Staat nicht nur als Hoheitsträger handeln, sondern auch ein der allgemeinen Rechtsordnung unterworfener „jedermann“ sein kann.36 Aus diesem Grunde kann für eine Abgrenzung nicht allein darauf abgestellt werden, ob eine öffentlich-rechtlich verfasste juristische Person gehandelt hat. Vielmehr sind nur solche Rechtsverhältnisse dem öffentlichen Recht zuzurechnen, bei denen auf einer Seite als Berechtigter oder Verpflichteter notwendig ein Träger öffentlicher Gewalt beteiligt ist, weil es sich um Rechte und Pflichten handelt, die nur einem solchen zustehen bzw. nur ihn treffen können.37 Rechtsnormen, die jedermann berechtigen und verpflichten, gehören danach dem Privatrecht an.38 Das Bürgerliche Recht ist somit das Recht für jedermann, während das öffentliche Recht das Sonderrecht der Träger öffentlicher Gewalt enthält (Sonderrechtstheorie).39 Danach sind Regelungen öffentlich-rechtlich, wenn sie Sonderrechte oder Sonderpflichten des Staates oder anderer Träger öffentlicher Gewalt begründen. Können Unternehmen und Anstalten der öffentlichen Hand bei der Ausgestaltung ihrer Rechtsverhältnisse zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Benutzungsverhältnissen wählen, hängt die Zuordnung zum Privatrecht davon ab, ob sie sich bei der Begründung und Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse den für alle geltenden Rechten und Pflichten unterwerfen oder Sonderrechte in Anspruch nehmen.40 Solange sie nicht ausdrücklich Sonderrechte in 33  Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang die Frage, in wieweit die angesprochenen öffentlich-rechtlichen Bindungen, Ergänzungen, Modifizierungen und Überlagerungen des Privatrechts reichen und auf welche Weise sie in die Ausgestaltung und (gerichtliche) Überprüfung der Verträge einwirken und zur Fehlerhaftigkeit bzw. Nichtigkeit eines Vertrages nach §§  134, 138 BGB bzw. §  59 VwVfG führen; so Stelkens/Bonk/Sachs/Bonk, §  54 VwVfG Rn.  8. 34 BeckOK-VwGO/Reimer, §  40 VwGO Rn.  45.2. 35  Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn.  99. 36 So Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn.  105. 37  GmS-OGB v. 10.4.1986 – GmS-OGB 1/85, NJW 1986, 2359; MünchKommZPO/Zimmermann, §  13 GVG Rn.  8 ; Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn.  104. 38  Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, §  3 Rn.  25 ff. 39  Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn.  104. 40 MünchKommZPO/Zimmermann, §  13 GVG Rn.  9.

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Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

Anspruch nehmen, ist grundsätzlich von einem privaten Rechtsverhältnis auszugehen.41 Die (modifizierte) Subjekts- oder Sonderrechtstheorie ist insbesondere dann hilfreich, wenn es um die Qualifikation vorhandener Rechtssätze geht. Demgegenüber stößt sie an ihre Grenzen, wenn Tätigkeiten der öffentlichen Hand zu beurteilen sind, die nicht im Normenvollzug bestehen, wie das tatsächliche Erbringen von Leistungen der Daseinsvorsorge. In diesen Fällen geht es um die Frage, ob Rechtssätze des privaten oder des (ungeschriebenen) öffentlichen Rechts dem fraglichen Lebenssachverhalt bzw. dem faktischen Tun der öffentlichen Verwaltung zuzuordnen sind.42 3. Subjektions-/Subordinationstheorie Zusätzlich kann für die Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Recht auf materielle Kriterien zurückgegriffen werden.43 Nach der sog. Subjektionsoder Subordinationstheorie gehört ein Rechtsverhältnis dem öffentlichen Recht an, wenn der Einzelne einem Träger öffentlicher Gewalt unterworfen ist, wenn also der Träger öffentlicher Gewalt dazu befähigt ist, einseitig-hoheitlich in die Rechte des Einzelnen einzugreifen.44 Die vor allem in der Rechtsprechung des BGH45 relevante Subordinationstheorie stellt somit anders als die modifizierte Subjektstheorie nicht auf den Rechtssatz, sondern auf das Rechtsverhältnis der Über- und Unterordnung oder Gleichordnung ab.46 Diese typologisch durchaus nützliche Unterscheidung47 lässt sich jedoch nicht immer durchführen. Problematisch ist insbesondere, dass bei der Subordination Voraussetzungen und Folgen öffentlich-rechtlicher Betätigung vermengt werden.48 So kann ein Rechtsverhältnis von rechtlicher Subordination geprägt sein, weil die maßgeblichen Rechtsnormen solche des öffentlichen Rechts sind und daher dem Träger öffentlicher Gewalt spezifisch hoheitsrechtliche Befugnisse einräumen. Die Subordination ist somit eine Folge, nicht aber (zugleich) Voraussetzung der öffentlich-rechtlichen Natur des Rechtsverhältnisses. Darüber hinaus stimmt die Subordination auch mit der Empirie nicht notwendig überein.49 So stehen sich nicht selten zwei Träger öffentlicher Gewalt oder der Staat und ein Bürger gleichgeordnet gegenüber.50 Im Falle einer vertraglichen 41 

BGH v. 26.5.1961 – I ZR 177/60, GRUR 1962, 159, 160 – Blockeis. Dazu Maunz/Dürig/Papier, Art.  34 GG Rn.  130 f. 43  Schlette, Die Verwaltung als Vertragspartner, S.  121. 44 Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, §  1 VwVfG Rn.  95. 45  Siehe zur Haftung nach Art.  34 GG BGH v. 9.11.2000 – III ZR 314/99, NJW 2001, 434. 46 Maunz/Dürig/Papier, Art.  34 GG Rn.  128. 47 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  3. 48 Maunz/Dürig/Papier, Art.  34 GG Rn.  129. 49 Maunz/Dürig/Papier, Art.  34 GG Rn.  129. 50  BGH v. 12.11.1991 – KZR 22/90, NJW 1992, 1237, 1238. 42 

B. Theorien der Abgrenzung

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Vereinbarung liegt schon infolge des Willenskonsenses keine „Subordination“ als Ausdruck einseitiger Anordnungsbefugnis der Behörde vor.51 Nicht dienlich ist die Subordinationstheorie auch bei privatrechtlichen Unterordnungsverhältnissen etwa im Bereich des Kindschaftsrechts und des Arbeitsrechts; 52 diese sollen uns hier aber nicht weiter beschäftigen. 4. Interessentheorie In Zweifelsfällen kann ergänzend auf die Interessentheorie abgestellt werden; das gilt insbesondere in Fällen der „gesetzesfreien Verwaltung“.53 Die Interessentheorie bestimmt öffentliches und privates Recht nach der Art der Interessen, die durch einen Rechtssatz geschützt werden.54 Diejenigen Rechtssätze, die einem öffentlichen Interesse oder dem Allgemeininteresse dienen, sollen zum öffentlichen Recht gehören. Demgegenüber handelt es sich nach der Interessentheorie um Privatrecht, wenn die Rechtssätze dem Schutz von Privat- oder Individualinteressen zu dienen bestimmt sind.55 Gegen die Interessentheorie wird vorgebracht, dass öffentliche und private Interessen keine Gegensätze seien, der Schutz individueller Interessen vielmehr auch im öffentlichen Interesse liegen könne und sich die öffentlichen Interessen nicht präzise definieren ließen.56 So gebe es öffentlich-rechtliche Rechtsnormen, die wie das Baunachbarrecht auch Privatinteressen berücksichtigten, wohingegen das Privatrecht auch Allgemeininteressen wie zum Beispiel die Sicherheit des Rechtsverkehrs beachte.57 Folge man daher der Interessentheorie, müsse trotzdem auf weitere Kriterien abgestellt werden.58 Gerade in Rechtsbereichen wie dem Wettbewerbs- und dem Regulierungsrecht, die von einer „bipolaren Interessenstruktur“ geprägt sind (Schutz individueller wirtschaftlicher Selbstbestimmung und damit des freien Wettbewerbsprozesses sowie Beförderung übergeordneter Gemeinwohlziele), erweist sich die Interessentheorie aber als hilfreich, da sie eine Einordnung von Regelungen entsprechend ihrer vorrangigen Schutzrichtung erlaubt. Sie hält die Rechtsanwender zugleich dazu an, sich über diese Schutzrichtung bzw. die Reihenfolge 51 Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, §  1 VwVfG Rn.  96. Sofern deshalb der Begriff des „Subordinationsvertrages“ als Abkürzung für öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Behörden bzw. Hoheitsträgern und Privatrechtssubjekten verwendet wird, ist dies eigentlich nur insoweit zutreffend, als es um Verträge im Sinne des §  54 Satz 2 VwVfG geht; vgl. Stelkens/Bonk/ Sachs/Bonk, §  54 VwVfG Rn.  6 und 61. 52 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  3. 53  Schenke, Verwaltungsprozessrecht, Rn.  107 und 109. 54  BVerfG v. 15.7.1981 – 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300, 344. 55 Erichsen/Ehlers/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, §  3 Rn.  16. 56  Vgl. auch Erichsen, Jura 1982, 537, 538 f.; Ipsen/Koch, JuS 1992, 809, 810. 57  Boemke/Ulrici, BGB Allgemeiner Teil, §  2 Rn.  4. 58 Erichsen/Ehlers/Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, §  3 Rn.  31.

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Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

verschiedener Zielsetzungen Klarheit zu verschaffen. Wie bereits gezeigt werden konnte, gewinnt eine Aussage wie „das Wettbewerbsrecht schützt den Wettbewerb als öffentliche Institution und zugleich die Interessen der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer“59 ihre Bedeutung erst im Rahmen der zugrunde liegenden Wettbewerbstheorien und -politiken. 60 Diese erfordern jedoch regelmäßig, dass man die unterschiedlichen Normziele in eine Reihenfolge setzt, um sie im Konfliktfall auflösen zu können. 61 Damit soll nicht in Abrede gestellt werden, dass das Privatrecht in die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse eingebunden ist, weshalb es nicht ohne einen Blick auf diese verstanden werden kann (sog. Interdependenz der Ordnungen). 62 Dies enthebt jedoch nicht von der Aufgabe, die relevanten Interessen im Einzelfall herauszuarbeiten und in eine stimmige Rangfolge zu bringen. 63 Eben dies ist im Wettbewerbsrecht Gegenstand der unterschiedlichen wettbewerbspolitischen Theorien. Die Aussage, die Rolle des Einzelnen greife im Kartellrecht regelmäßig über die Wahrnehmung individueller Rechte hinaus,64 impliziert somit eine Wertentscheidung für eine bestimmte wettbewerbspolitische Denkrichtung, die offen zu legen und zu begründen ist.

C. Zur Einordnung des Wettbewerbsrechts I. Schutz materialer Selbstbestimmung versus überindividuelle Gemeinwohlziele Soweit wirtschaftsrechtliche Gesetze den Zweck verfolgen, schuldvertragliche Rechtsbeziehungen, die durch wirtschaftlich ungleiche Machtverteilungen gekennzeichnet sind, wieder mit der Leitmaxime eines beidseitig interessenausgleichenden Vertrages in Übereinstimmung zu bringen, sichern sie die inneren Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie und gehören deshalb dem Privat­recht an. 65 In diesem Sinne ist auch das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen dem Privatrecht zuzuordnen, soweit es sich auf private Wirtschaftsbeziehungen und nicht auf das hoheitliche Verhältnis des Staates zu sei59  In diese Richtung im vorliegenden Zusammenhang Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  61 ff. 60  Zum Institutsbegriff siehe oben Teil 1 B. I. 61  Siehe zum Vertragsrecht Teil 3 D., zum Wettbewerbsrecht Teil 5 C., zum Regulierungsrecht Teil 6 B. und C. 62  Eucken, Grundsätze der Wirtschaftspolitik, S.   13 ff. Insoweit zutreffend Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  65. 63  Säcker, Zielkonflikte, S.  18. 64  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  66. 65 MünchKommBGB/Säcker, Bd.  1 Einl. Rn.   4; a.  A. Bachmann, Private Ordnung, S.  403 ff.

C. Zur Einordnung des Wettbewerbsrechts

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nen Bürgern bezieht; 66 denn es wendet sich nicht allein an Träger staatlicher Hoheitsgewalt, sondern berechtigt und verpflichtet auch private Normadressaten („jedermann“). Gemeinsamer „Fluchtpunkt“ aller materiellen Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist der „systemwidrige Gebrauch traditionell rechtmäßiger privatrechtlicher Handlungsfreiheiten“, 67 namentlich der Privatautonomie sowie der Vertragsfreiheit als ihrer wichtigsten Ausprägung. 68 Sofern deshalb das in Art.  101 AEUV und in den §§  1 f. GWB normierte Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen einen Kaufvertrag für (teil-)unwirksam erklärt, weil er ein übermäßiges Wettbewerbsverbot enthält, 69 wird dieser hierdurch nicht zu einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung. Folgerichtig gelten die Regelungen des Wettbewerbsrechts nicht nur für eine wirtschaftliche Tätigkeit privater Unternehmen, sondern auch für eine solche der öffentlichen Hand, jedenfalls sofern sie für ihre Tätigkeit eine privatrechtliche Rechtsform wählt.70 Eine solch „formelle Privatisierung“ stellt die öffentliche Hand jedoch nicht von ihren öffentlich-rechtlichen Bindungen frei.71 Sie bleibt vielmehr an das öffentliche Interesse, das die unternehmerische Tätigkeit legitimiert, gebunden, und unterliegt zugleich den inhaltlichen Bindungen des Wettbewerbs- und Privatrechts.72 Soweit das Wirtschaftsrecht demgegenüber den Unternehmen in Konkretisierung der staatlichen Gewährleistungsverantwortung im Bereich der sog. Daseinsvorsorge besondere, über die Herstellung eines freien Wettbewerbsprozesses hinausgehende Verpflichtungen auferlegt, handelt es sich um öffentliches Recht, da diese Vorschriften nicht dem privatrechtlichen Interesse der Wiederherstellung eines gestörten privaten Interessenausgleichs, sondern übergeordneten staatlichen Gemeinwohlerwägungen dienen.73 Dieser Aspekt wird insbesondere im Hinblick auf die Zuordnung des Rechts der Regulierung natürlicher Netzmonopole zum öffentlichen oder zum Privatrecht relevant. Im Wettbewerbsrecht ist zu klären, ob Normen, die eine Rechtfertigung von Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund übergeordneter (zumeist, aber nicht 66  Basedow, WuW 2008, 270; zur Anwendung des Kartellrechts auf öffentliche Gebühren siehe Säcker, NJW 2012, 1105 ff.; Wolf, BB 2011, 648 ff.; ders., NZKart 2013, 17 ff. 67  Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 9 f. Siehe schon Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  116: „Damit soll keineswegs behauptet werden, dass die im Wettbewerbsgesetz zusammengefassten Normen dem öffentlichen Rechte angehören. Diese Normen sind vielmehr, da sie die Rechtsbeziehungen zwischen Privatpersonen regeln, privatrechtlicher Natur.“ 68  Das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen hat damit nicht nur einen rechtstatsächlichen, sondern auch einen normativen Bezug auf das Privatrecht; Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 10; MünchKommEuWettbR/Säcker, Einl. Rn.  12 ff., K. Schmidt, ZWeR 2010, 15, 17 ff.; siehe auch schon Mohr, ZWeR 2011, 383. 69  Siehe zu Wettbewerbsverboten in Unternehmenskaufverträgen Mohr, WuW 2011, 112 ff. 70  Säcker, NJW 2012, 1105, 1107. 71 Maunz/Dürig/Kirchhof, Art.  83 GG Rn.  103. 72  Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. 3 §  91 Rn.  118. 73 BerlKommEnR/Säcker, Bd. 1 Einl. A. Rn.  27.

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Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

ausschließlich ökonomischer) Effizienzziele erlauben, dem Privatrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Für Letzteres könnte sprechen, dass die Vorschriften (allen voran Art.  101 Abs.  3 AEUV und §  2 GWB) in der Praxis der Unionsgerichte und der Kommission eine Rechtfertigung aufgrund allgemeiner öffentlicher Interessen wie Umwelt- oder Verbraucherschutz zulassen.74 Auch die nach Art.  101 Abs.  3 AEUV bzw. §  2 GWB zu berücksichtigenden Effizienzgewinne müssen jedoch wettbewerblicher Natur sein. Außerwettbewerbliche Ziele können nur mittelbar berücksichtigt werden, wenn effizienzsteigernde Koordinierungen gleichzeitig positive Wirkungen im Hinblick auf andere Vertragsziele haben.75 Zwar wurden im Rahmen des Art.  101 Abs.  3 AEUV in der Vergangenheit im Wege vertragszielorientierter Auslegung auch nicht-wettbewerbliche Ziele berücksichtigt. Unter Geltung des durch Art.  3 VO Nr.  1/2003 eingeführten Systems der Legalausnahme ist diese Praxis aber kritisch zu hinterfragen, weil nunmehr nicht nur die Kommission, sondern auch die mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden und Gerichte zur Anwendung des Art.  101 Abs.  3 AEUV berufen sind.76 Diesen fehlen jedoch schon die erforderlichen Informationen, um andere öffentliche Interessen der Union, die in Art.  101 Abs.  3 AEUV keinen unmittelbaren Niederschlag gefunden haben, zu berücksichtigen und mit dem Ziel des Wettbewerbsschutzes abzuwägen.77 Vor diesem Hintergrund würde eine generelle Öffnung des Art.  101 Abs.  3 AEUV in Richtung nicht-wettbewerblicher Ziele die Gefahr einer Öffnung des Wettbewerbsrechts in Richtung politischer Beliebigkeit und damit einer Aufweichung des Prinzips der regelgeleiteten Rechtsanwendung verstärken.78 Auch die Kommission hat sich bei Inkrafttreten der VO Nr.  1/2003 dahingehend geäußert, dass Freistellungen grundsätzlich nur auf ökonomische, nicht auf politische Gründe gestützt werden dürfen.79 Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen könnten auch die Freistellungsregelungen in Art.  101 Abs.  3 AEUV bzw. §  2 GWB dem Privatrecht zuzuordnen sein, da sie sich auf das Rechtsverhältnis zwischen gleichgeordneten Rechtssubjekten beziehen und insoweit einen Ausgleich zwischen verschiedenen wettbewerbspolitischen Ansätzen herstellen, namentlich zwischen dem Schutz des freien Wettbewerbsprozesses und der Berücksichtigung ökono­ mischer Effizienzerwägungen. Es sprechen aber auch gute Gründe dafür, die Vorschriften im öffentlichen Recht zu lokalisieren; denn sie durchbrechen die interessenausgleichende, machtbegrenzende Funktion der Tatbestände gegen 74 Immenga/Mestmäcker/Fuchs, §   2 GWB Rn.   7, 68 ff.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  2 GWB Rn.  3, 40 ff. 75  Siehe oben Teil 5 C. III. 2. 76  Siehe zur Schiedsfähigkeit des Art.  81 Abs.  3 EG Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 8. 77  Fuchs, ZWeR 2005, 1, 17; Mestmäcker/Schweitzer, §  13 Rn.  7 7. 78 Immenga/Mestmäcker/Ellger, Art.  101 Abs.  3 AEUV Rn.  314; krit. auch Koch, ZHR 169 (2005), 625 ff. 79  Kommission, Weißbuch Anwendung Art.  85 und 86 EGV, Rn.  57.

C. Zur Einordnung des Wettbewerbsrechts

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wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV und §  1 GWB aus überindividuell-gemeinwohlinduzierten Gründen, 80 indem sie im langfristigen Wohl aller Verbraucher ausnahmsweise eine konkret-individuelle Ausbeutung von Marktteilnehmern gestatten.

II. Die Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand als Beispiel Die Wettbewerbsvorschriften des Unionsrechts unterscheiden zwischen Regelungen, die sich an Unternehmen richten (Art.  101 bis 106 AEUV), und solchen, die sich an die Mitgliedstaaten wenden (Art.  107 bis 109 AEUV). Diese Systematik wird durch Art.  106 Abs.  1 AEUV durchbrochen, wonach die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die Wettbewerbsvorschriften auch in Bezug auf ­öffentliche und mit besonderen oder ausschließlichen Rechten ausgestattete Unternehmen einzuhalten. 81 Das gründet auf dem Umstand, dass sich die Wettbewerbsvorschriften an alle Unternehmen unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung richten. 82 Als wirtschaftlich ist jede Tätigkeit anzusehen, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten; 83 demgegenüber soll eine reine Nachfragetätigkeit, die nicht auf eine nachfolgende Angebotstätigkeit gerichtet ist, nicht als unternehmerisch einzustufen sein. 84 Auch die Mitgliedstaaten der Union werden als Unternehmen angesehen, sofern sie sich am Wirtschaftsleben als Anbieter oder als (auf eine nachfolgende Angebotstätigkeit ausgerichtete) Nachfrager beteiligen.85 Da der Unternehmensbegriff an keine bestimmte Rechtsform gebunden ist, ist auch dann von einer unternehmerischen Tätigkeit auszugehen, wenn diese durch öffentlich-rechtliche Körperschaften, Stiftungen und Anstalten, 86 Beliehene87 oder Regiebetriebe88 erfolgt. Öffentliche (und private) Unternehmen unterliegen gem. Art.  106 Abs.  2 AEUV ausnahmsweise dann nicht den Wettbewerbsregeln, wenn sie mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind,89 soweit die Anwendung dieser Vorschriften die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben rechtlich oder tatsächlich verhindern würde, und soweit die dadurch hervorgerufene Beeinträchtigung des Handels-

80 

Zur ökonomischen Interpretation des Gemeinwohls siehe Teil 1 A. III. 2. b). Lange, EuR 2008, 3 f. 82  EuGH v. 23.4.1991 – Rs. C-41/90, NJW 1991, 2891 – Höfner und Elser. 83  EuGH v. 25.10.2001 – Rs. C-475/99, EuR 2002, 111 Rn.  19 – Ambulanz Glöckner. 84  EuGH v. 11.7.2006 – Rs. C-205/03 P, Slg. 2006, I-6295 Rn.  25 f. – Fenin; a. A. insoweit Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  47 ff. 85  EuGH v. 24.10.2002 – Rs. C-82/01, Slg. 2002, I -9297, Rn.  74 ff. – Aéroports de Paris. 86  EuGH v. 11.12.1997 – Rs. C-55/96, EuZW 1998, 274 Rn.  2 2 – Job Centre. 87  EuGH v. 13.11.1975 – Rs. 26/75, Slg. 1975, 1367 Rn.  7 – General Motors. 88  EuGH v. 27.10.1993 – Rs. C-92/91 Slg. 1993, I-5383 Rn.  14 – Taillandier. 89  Siehe dazu schon Teil 1 A. III. 3. 81 

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Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

verkehrs nicht dem Unionsinteresse zuwiderläuft.90 Dies ändert aber nichts an ihrer unternehmerischen Tätigkeit.91 Von der wirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand sind diejenigen Fälle abzugrenzen, in denen der Staat hoheitlich tätig wird.92 Entscheidend ist, ob die Tätigkeit der öffentlichen Hand zumindest auch Interessen der Allgemeinheit betrifft und sie nach Art, Gegenstand und den anwendbaren Regeln mit der Ausübung von Vorrechten verknüpft ist, die typischerweise hoheitlicher Natur sind.93 Der EuGH vertritt insoweit die Ansicht, dass das Kartellverbot nicht auf einen Konzessionsvertrag zwischen einer Gemeinde anzuwenden sei, die in ihrer Eigenschaft als Träger öffentlicher Gewalt handle, und einem Unternehmen, das mit der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben betraut werde.94 Dieser Vertrag soll vielmehr an den Grundfreiheiten des AEUV bzw. an Art.  106 Abs.  1 AEUV gemessen werden.95 Allerdings sind die Mitgliedstaaten nach dem Protokoll Nr.  27 zum Vertrag von Lissabon zum Schutz des Wettbewerbs verpflichtet. Sie haben nach Art.  4 Abs.  3 Satz 2 EUV alle Maßnahmen zu unterlassen, die sich gegen die Ziele der Verträge richten.96 Aus der Kombination dieser Regelungen in Verbindung mit den Art.  101, 102 AEUV folgt, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen oder beibehalten dürfen, die die praktische Wirksamkeit der für die Unternehmen geltenden Wettbewerbsvorschriften ausschalten.97 Ein solcher Fall ist aber gegeben, wenn ein Mitgliedstaat gegen Art.  101 AEUV verstoßende Kartellabsprachen vorschreibt, erleichtert oder deren Auswirkungen verstärkt, oder wenn er einer wirtschaftslenkenden Regelung ihren staatlichen Charakter nimmt, indem er die Verantwortung privaten Wirtschaftsteilnehmern überträgt.98 In einer derartigen Situation kontrolliert der EuGH auch hoheitliches Handeln an den Wettbewerbsvorschriften.99 Demgegenüber sind die Kartellanten nicht für einen Wettbewerbsverstoß verantwortlich, sofern das wettbewerbswidrige Verhalten durch nationale Rechtsvorschriften zwingend vorgeschrieben wird.100 Eine wirtschaftliche Tätigkeit der öffentlichen Hand unterliegt somit denselben Wettbewerbsregeln wie eine solche privater Unternehmen, verschärft durch besondere öffentlich-rechtliche 90 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber,

Art.  101 AEUV Rn.  67. Art.  106 AEUV Rn.  36. 92  So EuGH v. 18.3.1997 – Rs. C-343/95, Slg. 1997, I-1547 Rn.  16 ff. – Diego Calì. 93  Lange, EuR 2008, 3, 5; siehe auch den Sachverhalt von EuGH v. 24.10.2002 – Rs. C-82/01, Slg. 2002, I-9297 Rn.  74 ff. – Aéroports de Paris. 94  EuGH v. 21.7.2005 – Rs. C-231/03, Slg. 2005, I-7287 Rn.  12 – Coname; EuGH v. 4.5.1988 – Rs. 30/87, Slg. 1988, 2479 – Bodson. 95 Ausführlich Säcker/Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  103 ff. 96  Sog. „neue Regel“, vgl. Roth, WRP 2013, 257, 261. 97  Siehe nur EuGH v. 17.11.1993 – Rs. C-185/91, Slg. 1993, I-5801 Rn.  14 – Reiff. 98  EuGH v. 17.11.1993 – Rs. C-185/91, Slg. 1993, I-5801 Rn.  14 – Reiff. 99  Lange, EuR 2008, 3, 5. 100  EuGH v. 7.5.1998 – Rs. C-401/96, Slg. 1998, I-2587 Rn.  57 – Somaco. 91 Calliess/Ruffert/Jung,

D. Zur Einordnung des Regulierungsrechts

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Pflichten. Dies spricht dafür, das Wettbewerbsrecht als „Jedermann-Recht“ dem Privatrecht zuzuordnen.

D. Zur Einordnung des Regulierungsrechts Auf der Grundlage der geschilderten Theorien zur Abgrenzung von öffent­ lichem Recht und Privatrecht enthalten moderne wirtschaftsrechtliche Gesetze häufig Mischformen: 101 Soweit sie schuldvertragliche Rechtsbeziehungen, die durch Machtungleichgewichte gekennzeichnet sind, wieder mit der Leitmaxime eines material-chancengleichen Vertrages in Übereinstimmung bringen, sichern sie die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie und gehören deshalb zum Privatrecht.102 Soweit Unternehmen demgegenüber verpflichtet werden, eine konkret-individuelle Ausbeutung aus übergeordneten Effizienz­ erwägungen zu dulden, handelt es sich um öffentliches Recht. Wir haben uns die unterschiedlichen Ziele bereits am Beispiel des Kartellverbots vor Augen geführt. Diese Differenzierung kommt beim Recht der Regulierung natürlicher Netzmonopole besonders zum Tragen. Sofern das Regulierungsrecht wettbewerbsorientiert die Vertragsbeziehungen zwischen Marktteilnehmern regelt, handelt es sich um materiell-rechtliches Privatrecht.103 Gemeinsamer Fokus der Regulierungsgesetze ist die Gewährleistung einer diskriminierungsfreien wettbewerblichen Nutzung der Netze durch ein Recht zum Netzzugang zu angemessenen wettbewerbsanalogen Bedingungen.104 Das allgemeine Wettbewerbsrecht hat insoweit für das Regulierungsrecht eine Leitbildfunktion. Demgemäß lassen sich die wettbewerbsfördernden Pflichten der Netzbetreiber – vom Netzzugang über die Netzentgeltregulierung bis hin zur Entflechtung – als eine Konkretisierung des wettbewerbsrechtlichen Verbots eines Missbrauchs von Marktmacht verstehen (Art.  102 AEUV, §  19 GWB).105 Folgerichtig vollzieht sich der Netzzugang nicht durch Hoheitsakt, sondern mittels privatrechtlicher Verträge.106 Die privatrechtsgestaltende Wirkung des Regulierungsrechts verdeutlicht §  37 TKG, wonach der marktmächtige Betreiber keine anderen Entgelte als die genehmigten verlangen kann (Abs.  1) und das genehmigte Entgelt an die Stelle 101 

Säcker, AöR 130 (2005), 180, 183 ff. Bd. 1 Einl. Rn.  4. 103  Säcker, AöR 130 (2005), 180, 188; ders., WiVerw 2/2010, 103; Ruge, AöR 131 (2006), 1, 28 ff.; Paschke, Medienrecht, Rn.  460; a. A. Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 373 mit Fn.  28, der öffentlich-rechtliche Regelungen von privatrechtlichen Vorschriften anhand der jeweiligen Rechtsfolgen unterscheiden will. 104  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  53. 105  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  103. 106  Stumpf/Gabler, NJW 2005, 3174, 3175; vgl. Teil 7 C. V. 102 MünchKommBGB/Säcker,

650

Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

des vereinbarten Entgelts tritt.107 Da die Netzzugangsregulierung aufgrund ihrer Wettbewerbsorientierung nicht nur auf die Handlungsform „Vertrag“ blickt, sondern durch einen bestimmten Zweck – die Förderung von Wettbewerb durch Abschluss diskriminierungsfreier Verträge – gekennzeichnet ist, wird sie auch als „privatwirtschaftlich“ bezeichnet.108 Privatwirtschaftlichkeit in diesem Sinne meint nicht nur eine Leistungserbringung in privatrechtlicher Rechtsform, sondern bezieht sich zusätzlich auf die materielle Qualität der Aufgabe.109 Sie fungiert insoweit als Gegenpol zur oben thematisierten „Gemeinwirtschaft“. Das Recht der Regulierung natürlicher (Netz-)Monopole hat jedoch nicht nur die Wettbewerbsorientierung der Aufgabenerfüllung durch Private, sondern ebenfalls deren Gemeinwohlorientierung sicherzustellen. Da in den Netzmärkten auch bei einer Domestizierung der ökonomischen und rechtlichen Marktversagensgründe nicht zwingend sichergestellt ist, dass die Märkte die vom Gesetzgeber intendierten sonstigen Gemeinwohlziele erreichen, bedarf es entsprechender Regulierungsinstrumente.110 Hierzu gehören die Marktzutrittsregulierung der Netzbetreiber mittels Anzeige- und Genehmigungsvorbehalten, die Netzsicherheitsregulierung, die Universaldienstregulierung, soweit die Leistungen nicht über den Markt erbracht werden können, die Umweltschutzregulierung sowie die Vergabe knapper Güter.111 Die entsprechenden Regelungen zählen materiell zum öffentlichen Recht, soweit sie überindividuell-objektive Ziele mit öffentlich-rechtlichen, nicht für „jedermann“ geltenden Zwangsbefugnissen verfolgen.112 Das Regulierungsrecht ist somit nicht schon deshalb dem öffentlichen Recht zuzuordnen, weil es auch gemeinwohlorientierten Zielvorgaben dient (§  1 Abs.  2 und 2 EnWG, §§  1, 2 TKG, §  1 AEG). Eine allein auf die formale Gleichrangigkeit der Regulierungsziele blickende Sichtweise würde nicht ausreichend beachten, dass die Ausrichtung eines Rechtsbereichs an privatwirtschaftlichen oder gemeinwohlorientierten Zwecken nicht abstrakt, sondern nur anhand der konkreten, dem Vorbehalt des Gesetzes genügenden Regelungen beurteilt werden kann.113 Die wesentlichen Instrumente der Regulierung der Netzwirtschaften wie die Vorschriften über den diskriminierungsfreien Netzzugang zu angemessenen Bedingungen intendieren jedoch die Förderung von Wettbewerb.114 Die 107 

BVerwG v. 14.12.2011 – 6 C 36/10, N&R 2012, 102 Rn.  12. Gersdorf, N&R Beilage Heft 2/2008, 1, 11; Schmidt-Aßmann/Röhl, DÖV 1994, 577, 581. 109  So zur TK-Regulierung Maunz/Dürig/Möstl, Art.  87f. GG Rn.  37; Windthorst, Universaldienst, S.  198 ff. 110  Höppner, Netzstruktur, S.  56. 111  Berndt, Anreizregulierung, S.  62. 112 Ebenso Körber, in: FS Möschel, 2011, S.  1043, 1044. 113  Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 256. 114  Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 256; Ruge, AöR 131 (2006), 1, 28 ff. 108 Vgl.

E. Unterscheidung zwischen materiellen Tatbeständen und Rechtsbehelfen

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Gewährleistung wettbewerblicher Strukturen spiegelt nicht nur das öffentliche Interesse an einem funktionierenden Markt als solchem wider, sondern sie umfasst hierzu auch die subjektiven Rechte der Marktteilnehmer.115 Paradigmatisch ist die Anreizregulierung, die durch die Ausrichtung an dem Grundsatz der effizienten Leistungsbereitstellung als allgemeiner wettbewerbsorientierter Konkretisierung des Missbrauchsverbots das Ziel verfolgt, die Preisbildung wettbewerblicher Märkte zu imitieren.116 Das Regulierungsrecht sieht in der Herstellung von Wettbewerb somit ein selbstständiges Regulierungsziel im Sinne eines eigenständigen Gemeinwohlbelangs, aber auch ein Regulierungsmittel, um dadurch andere nicht-wettbewerbliche Ziele zu verfolgen.117 Gemeinwohlziele wie Umweltschutz sollen hiernach primär wettbewerblich durchgesetzt werden,118 im Sinne mittelbarer Fernziele.119 Beispiele sind die Sicherung der Energieversorgung, die Umstellung der Stromerzeugung auf erneuerbare Energien und die staatliche Gewährleistung eines zureichenden Netzausbaus.120

E. Unterscheidung zwischen materiellen Tatbeständen und Rechtsbehelfen Keinen Einfluss auf die Einordnung wettbewerbs- und regulierungsrechtlicher Normen zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht hat die Rechtsdurchsetzung durch Behörden oder durch Private.121 Zwar stößt die private Durchsetzung des Wettbewerbsrechts an faktische und zivilprozessuale Grenzen, sei es aufgrund des Beibringungsgrundsatzes, der Darlegungs- und Beweislast oder des Kostenrisikos.122 Auch infolge der praktischen Schwierigkeiten einer privaten Rechtsdurchsetzung sieht das Wettbewerbsrecht deshalb ergänzend eine öffentlich-rechtliche Kartellaufsicht vor.123 Die Vorteile einer behördlichen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts liegen in einer erleichterten Sachverhaltsermittlung und einer kostengünstigeren Rechtsdurchsetzung. Darüber hinaus 115  So im Ausgangspunkt auch Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  61, mit Blick auf die Wettbewerber. 116  Berndt, Anreizregulierung, S.  69. 117  Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 318 f. 118  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  81. 119  Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 256. 120 Weiterführend Haucap/Coenen, in: FS Säcker, 2011, S.  721 ff. 121  Zur Trennung zwischen dem materiellen Verbotstatbestand und seiner Durchsetzung im Kartellrecht siehe Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 242 f.; ebenso zum Eisenbahnregulierungsrecht das BVerwG 29. 9.2011 − 6 C 17/10, N&R 2012, 33 Rn.  27: entscheidend sei allein der materielle Maßstab. 122  Möschel, WuW 2007, 483, 490; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Vorbem. vor §  87 GWB Rn.  1. 123  Vom Verwaltungsverfahren ist das Bußgeldverfahren zu unterscheiden, vgl. Gebauer/ Wiedmann/Podszun, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, Kap.  24 Rn.  55 ff.

652

Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

wird die Gefahr eines Missbrauchs von Rechtsbehelfen begrenzt.124 Spätestens unter Geltung des durch die VO Nr.  1/2003 reformierten Wettbewerbsrechts125 dient das kartellbehördliche Verwaltungsverfahren jedoch vornehmlich der effektiven Durchsetzung des Ziels, einen freien und unverfälschten Wettbewerb sicherzustellen.126 Das wird besonders deutlich mit Blick auf das Kartellverbot, das gem. Art.  101 Abs.  2 AEUV und den §§  134, 138, 139 BGB als zentrale Rechtsfolge die Nichtigkeit des Kartellvertrages vorsieht, die durch die Untersagungsbefugnis der Kartellbehörden und Bußgeldtatbestände ergänzt wird.127 In der regulierungsrechtlichen Praxis ist eine (präventive) Kontrolle durch staatliche Behörden in ihrer Breitenwirkung und Umsetzungsgeschwindigkeit privaten Klagen regelmäßig überlegen.128 Auch vor diesem Hintergrund wird im öffentlich-rechtlichen Schrifttum die Ansicht vertreten, das Regulierungsrecht sei aufgrund seiner Aufgabe, Wettbewerb in monopolistischen Bottle­ neck-Bereichen proaktiv zu schaffen bzw. zu ermöglichen, und der mit dieser spezifischen Aufgabe einhergehenden besonderen Instrumente kein Privatrecht, sondern allein wettbewerbsbezogenes Verwaltungsrecht.129 Hier gilt es zu unterscheiden: Ebenso wie im Wettbewerbsrecht können die Regulierungsbehörden von Amts wegen gegen missbräuchliche Entgelte und Benutzungsbedingungen vorgehen.130 Infolge der wettbewerbsfördernden Zielsetzung der Regulierungsgesetze haben aber auch die privaten Nutzer eigene Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche im Falle der „Ausbeutung, Behinderung oder Diskriminierung“. Die behördlichen Eingriffsbefugnisse stehen deshalb mit den privaten Klagemöglichkeiten in Idealkonkurrenz.131 Allein aus der öffentlich-rechtlichen Handlungsform der Regulierungsbehörden kann somit nicht geschlossen werden, dass das Regulierungsrecht dem öffentlichen Recht zuzuordnen sei.132 Denn die Art und Weise der Durchsetzung des Regulierungsrechts über private Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzklagen oder über Verwaltungsakte und Allgemeinverfügungen sagt noch nichts über die für die Auslegung des materiellen Rechts geltenden Prinzipien aus.133 Aus dem Umstand, dass sich eine Wettbewerbsregulierung nicht darauf beschränken kann, einen bestehenden Wettbewerb zu sichern, son124 

Möschel, WuW 2007, 483, 487. Siehe dazu noch Teil 9 B. II. 3. 126  Rittner/Dreher, Wirtschaftsrecht, §  1 Rn.  66. 127  Engel, JZ 1995, 213, 214. 128  Mohr, ZWeR 2011, 383, 384 ff. 129  Masing, Gutachten D zum 66. DJT 2006, S.  51. 130  Vgl. die §§  17, 18, 20 EnWG, 27 TKG, 14 AEG. 131  A. A. im Hinblick auf die Vorabprüfung von Benutzungsbedingungen für Güterterminals OVG Münster v. 28.1.2008 – 13 B 2014/07, N&R 2008, 94 Rn.  13. Zust. Staebe/Förster, N&R 2008, 74, 79 f.; Kardetzky/Schmitt, N&R 2008, 100 ff. A. A. Kramer, N&R 2008, 97, 98 f. 132  So aber Knauff, VerwArch 98 (2007), 382, 396. 133  Das konzediert auch Knauff, VerwArch 98 (2007), 382, 388. 125 

F. Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht als Kollisionsregel

653

dern diesen aktiv ermöglichen muss, folgt ebenfalls kein Vorrang öffentlichrecht­licher Gemeinwohlerwägungen.134 Zwar ist ein regulierter Wettbewerb keine „spontane Veranstaltung“, sondern das Ergebnis staatlicher Gestaltung.135 Auch muss die Netzinfrastrukturregulierung soziale, ökonomische und technische Aspekte mit einbeziehen.136 Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, der Staat dürfe und müsse den Wettbewerb in den regulierten Sektoren so konstruieren, dass er überindividuellen Gemeinwohlanforderungen genüge.137 In Übereinstimmung mit den wirtschaftsverfassungsrechtlichen Grundlagen ist primäres Ziel der regulierungsrechtlichen Vorgaben vielmehr die Errichtung wettbewerbsorientierter und sicherer Märkte für Energie-, Eisenbahn- und Telekommunikationsdienstleistungen. Die Regulierungsbehörden haben insoweit die Aufgabe, für effektiven Wettbewerb, Nichtdiskriminierung und effiziente Märkte zu sorgen.138

F. Die Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht als Kollisionsregelung am Beispiel der „Flucht ins Gebührenrecht“ Die Frage der Zuordnung einer Rechtsfrage zum öffentlichen Recht oder zum Privatrecht ist abzugrenzen von vorliegend nicht näher zu diskutierenden Folgefragen. So wurde vor Inkrafttreten der 8. GWB-Novelle kontrovers erörtert, ob sich aus der Unterscheidung zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht eine Kollisionsnorm ergebe, wonach auf einen Sachverhalt entweder nur Vorschriften des öffentlichen Rechts oder solche des Privatrechts anzuwenden seien.139 Anlass war die „Flucht“ von Gemeinden im Zuge der sog. Rekommunalisierung140 ins öffentliche Gebührenrecht,141 um der wettbewerbsrechtlichen Preiskontrolle zu entkommen.142 Die Gemeinden können grundsätzlich frei darüber entscheiden, ob sie zur Durchführung ihrer Aufgaben eine öffentlich134 So

Röhl, JZ 2006, 831, 832; siehe auch Höppner, Netzstruktur, S.  29 ff. Gärditz, AöR 135 (2010), 251, 255. 136  Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 317 f. 137  So aber Fehling/Ruffert/Lepsius, Regulierungsrecht, S.   1055, 1070; siehe zu den Zusammenhängen dieser Diskussion mit dem „more economic approach“ Kersten, VVDStRL 69 (2010), 288, 292, 316 ff. 138  Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 163. 139 So allgemein für das Verhältnis öffentliches Recht und Privatrecht Boemke/Ulrici, BGB Allgemeiner Teil, §  2 Rn.  4. 140  Siehe dazu oben Teil 2 F. III. 141  Eine solche setzt regelmäßig ein wettbewerbliches Auswahlverfahren voraus, da weder ein Inhouse-Privileg eingreift, noch aus Art.  106 Abs.  2 AEUV und Art.  28 Abs.  2 GG ein Recht zur Direktvergabe abgeleitet werden kann, vgl. Säcker/Mohr, ZWeR 2012, 417, 429, 431 und 434. 142  Siehe BGH v. 18.10.2011 − KVR 9/11, NJW 2012, 1150 – Niederbarnimer Wasserverband. 135 

654

Teil 8:  Wettbewerbsschutz durch privates und öffentliches Recht

recht­liche Organisationsform oder eine privatrechtliche Gesellschaft wählen,143 soweit sie bei ihrer Tätigkeit die für die Auftragsvergabe geltenden wettbewerbsrechtlichen Anforderungen beachten.144 Sofern sie eine öffentlich-rechtliche Organisationsform wählen, können sie weiterhin bestimmen, ob sie zum Bürger ein öffentlich-rechtliches Nutzungsverhältnis aufbauen und auf dieser Grundlage Gebühren erheben, oder aber Leistungen auf privatrechtlicher Grundlage erbringen und von den Bürgern privatrechtliche Entgelte fordern.145 Wird zum Beispiel die Gegenleistung für die Wasserversorgung durch öffentlich-rechtliche Gebühren festgelegt, sind diese nach der herrschenden „rechtsformorientierten Sicht“ nur von der Kommunalaufsicht und nicht (zusätzlich) von den Kartellbehörden zu überprüfen.146 Hierfür lässt sich insbesondere die Vermeidung einer Doppelkontrolle durch mehrere Behörden anführen, wie sie als Telos auch den §§  130 Abs.  3 GWB, 111 EnWG zugrunde liegt.147 Entscheidet sich die Kommune demgegenüber für eine Versorgung der Verbraucher mit Wasser auf der Grundlage privatrechtlicher Vertragsverhältnisse, können die Entgelte durch die Kartellbehörden und die Zivilgerichte kontrolliert werden (§§  31 ff. GWB, §§  138, 305 ff., 315 BGB).148 Streitig war lange Zeit, ob das Wettbewerbsrecht auch auf öffentlich-rechtliche Sachverhalte anzuwenden ist, vorliegend also auf öffentlich-rechtliche Gebühren.149 Der BGH musste zur Anwendung des Wettbewerbsrechts auf öffentlich-rechtliche Gebühren nicht abschließend Stellung nehmen.150 Seiner Rechtsprechung ließ sich jedoch eine Sympathie für die Kontrolle von Gebühren anhand der Maßstäbe des Wettbewerbsrechts entnehmen, was insoweit überzeugend ist, als Gebührenrecht und kartellrechtliche Missbrauchskontrolle keine inhaltlich divergierenden Maßstäbe enthalten können.151 Im Zuge der 8. GWB-Novelle hat der Gesetzgeber in §  130 Abs.  1 Satz 2 GWB aber entschieden, dass die §§  19, 20 und 31b Abs.  5 GWB auf öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge keine Anwendung finden.

143 

Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, S.  56. Dazu im Einzelnen Säcker/Mohr, ZWeR 2012, 417, 425 ff. 145  Nicht zulässig ist es, dass privatrechtliche Gesellschaften öffentlich-rechtliche Gebühren erheben; vgl. Dierkes/Hamann, Öffentliches Preisrecht in der Wasserwirtschaft, S.  63. 146  BGH v. 18.10.2011 – KVR 9/11, NJW 2012, 1150 Rn.  10 – Niederbarnimer Wasserverband; OLG Frankfurt a. M. v. 20.9.2011 – 11 W 24/11 (Kart), WuW/E DE-R 3525; Markert, N&R 2009, 118, 119; Breuer, NVwZ 2009, 1249, 1250. 147  Säcker, NJW 2012, 1105, 1109. 148  Siehe zur Fusionskontrolle BGH v. 8.11.2011 – KVZ 14/11, NZS 2012, 464 – Krankenhausfusionen; Monopolkommission, Hauptgutachten 19, Rn.  413; Daiber, in: FS Becker, 2006, S.  457, 465. 149 Dafür Wolf, NZKart 2013, 17 ff.; ders., WuW 2013, 246 ff.; dagegen Wolfers/Wollenschläger, WuW 2013, 237 ff.; differenzierend Säcker, NJW 2012, 1105 ff. 150  BGH v. 18.10.2011 – KVR 9/11, NJW 2012, 1150 ff. – Niederbarnimer Wasserverband. 151 Ebenso Säcker, NJW 2012, 1105, 1108; a. A. Wolf, WuW 2013, 246 ff. 144 

G. Zwischenergebnis

655

G. Zwischenergebnis – Wettbewerbsrecht und wettbewerbsfördernde Regulierung als Mischgesetze mit privatrechtlichem Kern Das Wettbewerbsrecht und die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften zählen zum Privatrecht, soweit sie die chancengleiche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer gegenüber einem Missbrauch von unternehmerischer Marktmacht sichern. Daneben treten im Wettbewerbsrecht mit den von Art.  101 Abs.  3 AEVU ausnahmsweise zugelassenen Effizienzen und im Regulierungsrecht mit dem Umweltschutz oder der Versorgungssicherheit objektiv-gemeinwohlinduzierte Zielkomplexe, die insoweit dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind.

Teil 9

Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbsund Regulierungsrechts A. Problemstellung Der Staat hat in einer sozialen Marktwirtschaft eine Schutzpflicht für die Selbstbestimmung seiner Bürger im Rechtsverkehr. Wenn ein Vertragsteil deshalb ein so starkes Übergewicht hat, dass er eine vertragliche Regelung einseitig setzen kann und dies für den anderen Vertragspartner eine nicht hinzunehmende unangemessene („unbillige“, „leistungsfremde“) Fremdbestimmung bewirkt, ist es die originäre Aufgabe des Privatrechts, die Möglichkeit für einen sachgerechten Interessenausgleich zu schaffen, ohne die Vertragsparteien zu bevormunden.1 Der Gesetzgeber muss somit Normen zum Schutz der Vertragsfreiheit zur Verfügung stellen und für deren effektive Durchsetzung mittels subjektiver Rechte und ergänzender öffentlich-rechtlicher Befugnisse sorgen. Die Durchsetzung der material-freiheitsschützenden Normen ist – wie wir schon gesehen haben – auf verschiedenen Wegen möglich: Das Verbraucherschutzrecht reagiert auf situative Ungleichgewichtslagen durch Aufklärungspflichten, soweit die geschützten Personen zur Aufnahme und Verarbeitung der Informationen willens und fähig sind und nicht zu erwarten ist, dass der Aufklärungspflichtige die Entscheidung durch sog. Framing-Strategien in seinem Sinne lenkt, 2 ansonsten durch zwingendes Schutzrecht.3 Zu Letzterem zählen auch die Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbsrechts und der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften. Diese Vorschriften ermächtigen die Kartellbehörden und Gerichte weder zu einer Verhaltenskontrolle im Hinblick auf bestimmte wirtschaftspolitische Ziele, noch sollen sie die durch einen Wettbewerbsverstoß herbeigeführten Kosten der Gesamtgesellschaft vermindern, indem nur diejenigen klagen dürfen, die über die besseren Informationen verfügen.4 Die Wettbewerbsvorschriften haben aus zivilistischer Sicht vielmehr die Aufgabe, eine Ausnutzung vom Wettbewerb nicht kontrol1 

Siehe Teil 3 D. IV. Teil 4 D. III. 2. Davon abzugrenzen ist das „Framing“ im Internet; dazu Gloy/ Loschelder/Erdmann/Schulte-Beckhausen, §  62 Internet Rn.  51. 3  Koch, BKR 2012, 485, 486. 4  So aber der Ansatz von Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  167 und zum Verhältnis zwischen privater und öffentlicher Durchsetzung S.  317 ff. 2  Siehe

A. Problemstellung

657

lierter privatautonomer Handlungsspielräume zu Lasten Dritter mit den Mitteln des Rechts zu unterbinden, um so die negativen Wirkungen privater wirtschaftlicher Macht zu domestizieren, ohne zugleich ihre positiven Wirkungen für den dynamischen Wettbewerbsprozess zu beseitigen.5 Wie wir im Rahmen der Wettbewerbs- und Regulierungstheorie gesehen haben, bedeutet es eine anspruchsvolle Aufgabe, diejenigen Verhaltensweisen zu ermitteln, die die Wettbewerbsfreiheit beschneiden und nicht nur die wesenseigene Ausprägung des wirtschaftlichen Wettbewerbs sind. 6 Auf der Grundlage eines die materiale Freiheit zur chancengleichen Teilnahme am Wettbewerbsprozess betonenden Wettbewerbsverständnisses, wie es der deutschen und europäischen Privat- und Wettbewerbsordnung zugrunde liegt, ist der Wettbewerb zum einen gegen künstliche oder strukturelle Marktzugangsschranken zu schützen; denn er kann nur dann gute Ergebnisse hervorbringen, wenn die Marktbeteiligten die Chance haben, an ihm teilzunehmen und ihre Präferenzen gleichberechtigt in den Marktprozess einzubringen.7 Maßstab für die Funktionsfähigkeit (Wirksamkeit) des Wettbewerbs sind danach nicht allein die Transaktionen, die faktisch am Markt zustande kommen, da nicht gesichert ist, dass sämtliche Präferenzen in den Wettbewerbsprozess einfließen. Entscheidend ist vielmehr das Maß an potenziellen Alternativen. Eine Sicherung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung durch Bändigung privater Macht hat in diesem Sinne eine freiheitssichernde und keine freiheitsbeschränkende Wirkung („protection of competition“, im Gegensatz zur „protection of competitors“). 8 Regelungen, die dazu beitragen, dass sämtliche Präferenzen als potenzielle Angebote in den Wettbewerbsprozess eingehen können, sind deshalb nicht als Eingriff in diesen zu Gunsten der schwächeren Marktteilnehmer zu verstehen. Vielmehr sichern sie die inneren Voraussetzungen, damit die Marktteilnehmer gleichberechtigt am Wettbewerb teilnehmen können, ohne die Ergebnisse dieses Entdeckungsverfahrens gemeinwohlinduziert zu lenken.9 Aus diesem Grunde kontrollieren das Wettbewerbsrecht und die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften den Verhaltensspielraum marktbeherrschender Unternehmen zugunsten der Marktgegenseite am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs als prozessualem Gerechtigkeitskonzept. Nachfolgend sind aus den Erkenntnissen der vorangegangenen Teile konkrete dogmatische Folgerungen abzuleiten. Die Frage nach den Auswirkungen von Verstößen gegen wettbewerbsschützende Normen auf in deren Folge abge5 

Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 245 f., 252; Säcker, JJZ 2013, S.  9, 12. Eppe, WRP 2005, 808, 810. 7  Insoweit zutreffend Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 324. 8  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 324; zum entsprechenden Einwand der Wirtschaftswissenschaften gegen ein freiheitlich-materiales Freiheitskonzept siehe schon Teil 5 B. II. 1.; zur Entkräftung Teil 5 B. III. 2. d). 9  Künzler, in: FS Ott, 2008, S.  299, 325; Teil 3 D. V. 6 

658

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

schlossene (Folge-)Verträge stellt sich sowohl im Anwendungsbereich der Art.  101, 102 AEUV und der §§  1, 19, 29 GWB als auch im Bereich der Entgeltregulierungs- und Missbrauchstatbestände der §§  21, 23a, 32 EnWG, §§  27 ff., 42 TKG und gem. §  14 AEG i. V. mit §  823 Abs.  2 BGB, wenn ein wettbewerbswidriges Verhalten für den Abschluss oder die inhaltliche Ausgestaltung eines (Folge-)Vertrages (mit-)ursächlich geworden ist.10 Es ist zu klären, ob und gegebenenfalls welche privatrechtlichen Rechtsbehelfe den (Folge-)Vertragspartnern des Wettbewerbsverletzers zur Verfügung stehen. Neben Ansprüchen auf Beseitigung und Unterlassung ist das Interesse des Vertragspartners darauf gerichtet, dass die ihm entstandenen Vermögensschäden ausgeglichen werden. Hierfür kommen nicht nur deliktsrechtliche, sondern auch vertragsrechtliche Ab­ hilfe­maßnahmen in Betracht.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen I. „Public enforcement“ und „private enforcement“ Nach der Konzeption des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts stehen für die Durchsetzung wettbewerbsschützender Vorschriften zwei unterschiedliche Wege zur Verfügung: 11 Die öffentlich-rechtliche bzw. administrative Durchsetzung mittels behördlicher Verfügungen und Bußgeldbescheide („public enforcement“) und die private Durchsetzung mittels Zivilklagen („private enforcement“). Das adäquate Verhältnis dieser beiden Enforcement-Wege wird derzeit vor allem im Wettbewerbsrecht diskutiert. Demgegenüber ist das Regulierungsrecht bislang von einem „public enforcement“ durch die Fachbehörden geprägt. Ein „private enforcement“ gegen überhöhte Netzentgelte und (Energie-) Preise erfolgt derzeit insbesondere durch Anwendung der §§  812 Abs.  1 Satz 1 Alt.  1, 818 Abs.  2 i. V. mit §  315 Abs.  3 BGB. So entfaltet zwar §  111 Abs.  1 und 2 EnWG für die wettbewerbsrechtliche Preismissbrauchskontrolle der Netzentgelte gem. den §§  19, 29 GWB eine Sperrwirkung. Nach §  111 Abs.  3 EnWG sind auch bei Preisen von Energieversorgungsunternehmen für die Belieferung von Letztverbrauchern, deren tatsächlicher oder kalkulatorischer Bestandteil Netzzugangsentgelte im Sinne des §  20 Abs.  1 EnWG sind, die von Betreibern von Energieversorgungsnetzen veröffentlichten Netzzugangsentgelte als rechtmäßig zugrunde zu legen. Die Vorschrift begründet im Hinblick auf die Billigkeitskontrolle des §  315 Abs.  3 BGB de lege lata aber weder für die Einzelgeneh10 

Zum Folgevertragsbegriff siehe Teil 1 B. VII. Zusammenarbeits-Bekanntmachung, Rn.  4; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  35; Teil 1 B. V. 11 Kommission,

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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migung des §  23a EnWG noch für im Wege der Anreizregulierung des §  21a EnWG festgelegte Höchstgrenzen eine Sperrwirkung, da die behördlich genehmigten (Höchst-)Preise der Umsetzung in privatrechtlichen Verträgen bedürfen.12 In der Rechtswirklichkeit steht seit jeher die administrative Durchsetzung der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Vordergrund.13 Die Vorteile einer Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch die Kartellbehörden liegen für Private in einer erleichterten Sachverhaltsermittlung und einer kostengünstigeren Rechtsdurchsetzung. Darüber hinaus wird durch ein „public enforcement“ die Gefahr eines Missbrauchs kartellrechtlicher Rechtsbehelfe zu wettbewerbsfremden Zwecken begrenzt.14 Die praktisch wichtigsten Sank­ tionsinstrumente der Wettbewerbsbehörden sind Abstellungsverfügungen (Art.  7 Abs.  1 VO Nr.  1/2003, §  32 GWB; siehe auch §  32 Abs.  2 EnWG, §  42 Abs.  4 TKG, §  14c AEG), die nicht selten mit der Verhängung von Geldbußen einhergehen (Art.  23 Abs.  2 VO Nr.  1/2003, §  81 Abs.  4 GWB; siehe auch §  95 EnWG, §  149 TKG, §  28 AEG).15 Seit der Courage-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 200116 und dem Inkrafttreten der VO Nr.  1/2003 nimmt die Bedeutung des „private enforcement“ stetig zu.17 Die Private-Enforcement-Bewegung will die von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Bürger mobilisieren, um hierdurch wettbewerbsschädliche Verhaltensweisen aufzudecken und wirksam zu unterbinden.18 Aus privatrechtsdogmatischer Sicht steht dahinter die Erwägung, dass das Zuerkennen subjektiver Abwehrrechte gegen Wettbewerbsbeschränkungen die materiale Selbstbestimmung der Verbraucher wirksamer schützen kann als 12  Zur Anwendung des §  315 BGB auf Netzentgelte siehe Kling, ZHR 177 (2013), 90, 117 ff. Zur Idealkonkurrenz zwischen energierechtlicher Entgeltkontrolle und Billigkeitskontrolle gem. §  315 BGB siehe BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 – Stromnetznutzungsentgelt V. 13 Vgl. Mäsch, WuW 2013, 687. 14  Möschel, WuW 2007, 483, 487; Mohr, ZWeR 2011, 383, 385. Allerdings kann auch eine Beschränkung bzw. der Ausschluss von privaten Rechtsbehelfen de facto „wettbewerbsfremden“ Zwecken, namentlich den Interessen des Wettbewerbsverletzers dienen. 15  Der grundrechtsbeeinträchtigenden Wirkung dieser Sanktionen wird auf Unionsebene u. a. dadurch Rechnung getragen, dass den betroffenen Unternehmen Verfahrens- und Verteidigungsrechte zustehen und ihnen durch Art.  263 Abs.  4 AEUV ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz gegen verfahrensabschließende Kommissionsbeschlüsse eröffnet wird. Die Kommission unterliegt also im Rahmen des „public enforcement“ der gerichtlichen Kontrolle durch die zuständigen Unionsgerichte, die nach Art.  31 VO Nr.  1/2003 die Entscheidungen über die Festsetzung von Geldbußen unbeschränkt nachprüfen und diese erhöhen, herabsetzen oder aufheben können; siehe Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nowak, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  58 f.; ders., FN-EU 12 v. Dez. 2012, S.  1, 2; 16  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 – Courage/Crehan. 17  In der Praxis sind Privatklagen derzeit vornehmlich sog. Follow-on-Klagen i. S. des §  33 Abs.  4 GWB; vgl. Mäsch, WuW 2013, 687. 18  Beck’scher PostG-Kommentar/Stern, §  38 Rn.  1.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

eine behördliche Verfolgung auf der Grundlage des Opportunitätsgrundsatzes. Auch geht ein objektiv-teleologischer Drittschutz regelmäßig mit einer subjektiven Anspruchsberechtigung einher.19 Rechtspolitisch basiert die Verstärkung des „private enforcement“ vor allem auf der Erkenntnis, dass die Wettbewerbsbehörden aufgrund ihrer begrenzten personellen und finanziellen Mittel keine ausreichende Durchsetzung wettbewerbsschützender Normen gewährleisten können.20 Da wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen regelmäßig negative Drittwirkungen haben, sollen die Drittbetroffenen etwaige Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht aufgrund ihrer größeren Sachnähe aufspüren und sich ihrer durch Privatklagen erwehren. Diese Aufgabe ist besonders bedeutsam, wenn ein Verstoß wegen seiner „mangelnden Schwere“ („Spürbarkeit“, „Erheblichkeit“) 21 zu keinem staatlichen Einschreiten führt.22 Darüber hinaus können Drittbetroffene sog. Follow-on-Klagen geltend machen (Art.  16 VO Nr.  1/2003, §  33 Abs.  4 GWB; siehe auch §  32 Abs.  4 EnWG), indem sie im Nachgang einer kartellbehördlichen Entscheidung private Ersatzklagen erheben, wodurch sich ihre Nachweislast gegenüber sog. Stand-alone-Klagen verbessern kann.23 Nach der „Courage“-Doktrin des EuGH darf „jedermann“ Ersatz eines Schadens verlangen, der ihm durch eine Wettbewerbsbeschränkung entstanden ist.24 In der Entscheidung „Manfredi“ aus dem Jahr 2006 konkretisierte der Gerichtshof dies dahingehend, dass Drittbetroffene auch die Nichtigkeit von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen geltend machen können.25 Die Entscheidung „Donau Chemie“ aus dem Jahr 2013 bekräftigte schließlich, dass die Rechtsbehelfe dem Interesse der Privatbetroffenen und nicht öffentlichen Sanktionszwecken dienen.26 In der Entscheidung „Manfredi“ kommt beispielhaft die bereits einleitend angesprochene Differenzierung zwischen einer offensiven und einer defensiven Anwendung der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Zivilprozessen zum Ausdruck: 27 Offensive Kartellprozesse sind solche, in denen betrof19 

Siehe Teil 5 D. Basedow, ZWeR 2006, 294, 306; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  35; darüber hinaus wird geltend gemacht, dass sich die Wettbewerbsbehörden zuweilen von nicht normzweckspezifischen Erwägungen leiten ließen; siehe zum von den Kartellbehörden behaupteten Vorrang der Kronzeugenregelungen vor dem „private enforcement“ sowie zur Verhängung von Bußgeldern als „Einnahmequelle“ Stockmann, ZWeR 2012, 20, 24 und 29 ff. 21 Die entsprechenden Schwellen dienen bei zivilistischem Verständnis als behördliche Aufgreiftatbestände und nicht als materielle Begrenzungen der Tatbestände; siehe Teil 5 C. II. 1. e) und III. 5. 22 So Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  36. 23  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  36. 24  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  26 – Courage/Crehan; das gilt nicht nur für das Kartellverbot, sondern auch für das Missbrauchsverbot; siehe inzident EuGH v. 14.6.2011 – C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  28 – Pfleiderer-AG. 25  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  56 ff.– Manfredi. 26  EuGH v. 6.6.2013 – C-536/11, EuZW 2013, 586 – Donau Chemie. 27  Siehe Teil 1 B. V. 20 

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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fene Marktbeteiligte Beseitigungs-, Unterlassungs- bzw. Schadensersatzansprüche geltend machen. Insbesondere diese offensiven Kartellklagen waren Gegenstand der in den letzten Jahren intensiv geführten Diskussion über die „Privatisierung des Kartellrechts“.28 Im Kern ging es um die Frage, ob die Anspruchsberechtigung von Personen auf entfernteren Marktstufen, die nach dem objektiv-drittschützenden Zweck der Art.  101 f. AEUV bzw. der §§  1, 19 ff. GWB eigentlich gegeben sein müsste, 29 gleichwohl institutionellen Beschränkungen unterliegt. Demgegenüber stehen die in der Rechtswirklichkeit häufiger vorkommenden passiven Kartellprozesse eher am Rand der Diskussion, obwohl gerade deren sachgerechte Behandlung dazu beitragen könnte, eine Reihe von Problemen der aktiven Kartellrechtsanwendung zu entschärfen.30 Die passive Kartellrechtsdurchsetzung betrifft den Fall, dass ein auf Erfüllung, Vertragsstrafe oder Schadensersatz in Anspruch genommener Vertragspartner etwa im Rahmen von vertikalen Dauerschuldverhältnissen oder Unternehmenskaufverträgen einwendet, die vertragliche Verpflichtung sei aufgrund eines Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften unwirksam (Art.  101 Abs.  2 AEUV, §§  134, 138, 139, 305 ff., 315 BGB).31 Auch die passiven Kartellprozesse gehören sachlich zum Gesamtkomplex des „private enforcement“, weshalb sie vorliegend ebenfalls unter diesen Begriff gefasst werden.32 Der zivilrechtliche Rechtsschutz kann sowohl über das Vertrags- als auch über das Deliktsrecht gewährt werden.33 Ob neben dem für alle Marktteilnehmer geltenden deliktischen Rechtsschutz ein vertraglicher Rechtsschutz eingreift, hängt insbesondere davon ab, ob die Betroffenen mit dem Wettbewerbsverletzer in einer vertraglichen Rechtsbeziehung stehen.34 Darüber hinaus ist zu klären, ob vertragliche und deliktische Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden können.

28  K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1398; ders., ZEuP 2004, 881 ff.; ders., AcP 206 (2006), 169, 174. Derartige offensive Kartellprozesse sind nur selten Gegenstand eines Schiedsverfahrens, vgl. Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 7. 29  Siehe Teil 5 D. 30  Zum Beispiel diejenige der Zulässigkeit einer „passing-on defense“ bei offensiven Schadensersatzklagen, also der Frage, ob sich ein Kartelltäter gegenüber seiner Inanspruchnahme auf Schadensersatz darauf berufen kann, der Anspruchsteller habe den Schaden ganz oder zum Teil an die nachfolgenden Marktstufen weitergereicht. 31  K. Schmidt, BB 2006, 1397, 1399; Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 6 f. 32  Siehe schon Teil 1 B. V. 33  Zur Zuordnung wettbewerbs- und regulierungsrechtlicher Haftungsnormen zum Deliktsrecht siehe Säcker, RdE 2006, 65, 70; ders., ZNER 2007, 114, 115; Kühne, NJW 2006, 2520, 2521; Dreher, ZNER 2007, 103, 105. 34  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  36.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

II. Entwicklung des „private enforcement“ Im Folgenden wollen wir uns zunächst einen Überblick über die Entwicklung des „private enforcement“ zum Wettbewerbsrecht verschaffen.35 Entsprechende Ausführungen zum Regulierungsrecht sind entbehrlich, da hier die behördliche Durchsetzung im Vordergrund steht. Unsere Untersuchung will einen Beitrag dazu leisten, auch hier die theoretische und praktische Bedeutung privater Rechtsbehelfe herauszustellen. 1. Das Kartellverbot Klassische Ausprägung der „privatrechtlichen Dimension des Wettbewerbsrechts“36 ist die drittschützende Wirkung des in Art.  101 AEUV und den §§  1, 2 GWB geregelten Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen.37 Dieses stellt, wie sich heute aus Art.  3 Abs.  3 EUV i. V. mit dem Protokoll Nr.  27 zum Vertrag von Lissabon ergibt (Art.  3 lit. g EGV), eine grundlegende Bestimmung der Union dar, die für die Erfüllung ihrer Aufgaben und das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich ist.38 Die große Bedeutung eines Kartellverbots für eine freiheitliche Marktwirtschaft 39 hat die Verfasser des EWG-Vertrages dazu veranlasst, in Absatz 2 des Kartellverbots anzuordnen, dass die vom Kartelltatbestand erfasster Vereinbarungen und Beschlüsse zivilrechtlich nichtig sind (Art.  85 Abs.  2 EWG-Vertrag).40 Auch heute sind wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen nach Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. im deutschen Recht nach den §§  1 GWB, 134 BGB unabhängig vom Willen der Beteiligten (teil-)unwirksam.41 Sehr streitig ist demgegenüber, ob sich die Nichtigkeitsfolge auch auf sog. Folgeverträge bezieht, also auf vertragliche Absprachen, die in Durchführung verbotener (Kartell-)Verträge zustande kommen. Ebenfalls umstritten ist, welcher Personenkreis deliktsrechtliche Ansprüche geltend machen kann42 und wie sich diese auf die vertragsrechtliche Inhaltskontrolle auswirken. Auf diese Problemkomplexe werden wir noch eingehen.

35  Nicht näher behandelt wird die kollisionsrechtliche Erleichterung von Kartellklagen; siehe dazu Ackermann, ZWeR 2010, 329, 348; Wurmnest, EuZW 2012, 933 ff.; Mankowski, RIW 2008, 177, 180. 36  Säcker, ZWeR 2008, 348 ff.; Mohr, ZWeR 2011, 383, 384. 37  Vgl. MünchKommEUWettbR/Säcker, Einl. Rn.  17. 38  EuGH v. 1.6.1999 – Rs. C-126/97, EuZW 1999, 565 Rn.  36 – Eco Swiss China/Benetton. 39  Ansonsten droht eine völlige Vermachtung der Wirtschaft; siehe zu den Erfahrungen in Deutschland als dem „Land der Kartelle“ schon oben Teil 3 B. III. und – aus wettbewerbstheoretischer Sicht – Teil 4 D. II. 40  EuGH v. 1.6.1999 – Rs. C-126/97, EuZW 1999, 565 Rn.  36 – Eco Swiss China/Benetton. 41 Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  9. 42  Dazu in grundsätzlicher Hinsicht bereits oben Teil 5 D.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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2. Marktmachtmissbrauch als gesetzliches Verbot Bis zum Jahr 1998 war der Missbrauch von Marktmacht nicht gesetzlich verboten, sondern nur durch die Kartellbehörden verbietbar (vgl. §  22 GWB 1958). Erst durch die zum 1.1.1999 in Kraft getretene 6. GWB-Novelle wurde der Tatbestand zum gesetzlichen Verbot.43 Damit wurde die Rechtslage in Deutschland an diejenige auf europäischer Ebene angeglichen, wo der Verbotsgesetzcharakter des Missbrauchstatbestands schon lange anerkannt war.44 Seitdem haben Betroffene auch nach deutschem Recht die Möglichkeit, sich selbst mit zivilrechtlichen Rechtsbehelfen zu wehren. §  19 GWB ist zum einen ein Schutzgesetz gem. §  823 Abs.  2 BGB und §  33 GWB.45 Zum anderen können sich die Betroffenen – wie wir noch sehen werden – auf eine (Teil-)Unwirksamkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen berufen. Insoweit ist die Rechtslage anders als beim Kartellverbot, wo streitig ist, ob sich die Nichtigkeit der „Vereinbarung“ nur auf den Kartellvertrag selbst oder auch auf „Folgeverträge“ bezieht. Hierauf ist zurückzukommen. 3. Die Durchführungs-Verordnung (EG) Nr.  1/2003 Ein weiterer Meilenstein für die Stärkung der privaten (Kartell-)Rechtsdurchsetzung war die zum 1.5.2004 in Kraft getretene Durchführungs-Verordnung (EG) Nr.  1/2003 (VO Nr.  1/2003), welche das europäische Wettbewerbsrecht gemeinsam mit den zeitgleich in Kraft getretenen Verordnungen zur Fusionskontrolle Nr.  139/2004 (FKVO) und zur Gruppenfreistellung von Technologietransfervereinbarungen Nr.  772/2004 (GVOTT) grundlegend reformiert hat. Zwar enthält die VO Nr.  1/2003 keine Regelungen zum materiellen Wettbewerbsrecht. Gleichwohl veranlasste sie den deutschen Gesetzgeber, das Wettbewerbsrecht durch die 7. GWB-Novelle in weiten Teilen an das europäische Recht anzupassen.

43 

BGBl. 1998 S.  2346; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §  19 GWB Rn.  101. zur Einstufung von Art.  102 AEUV als gesetzliches Verbot EuGH v. 30.1.1974 – C-127/73, Slg. 1974, 51 Rn.  16 – BRT/Sabam, wonach das Missbrauchsverbot seiner Natur nach geeignet sei, in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Rechte entstehen zu lassen, welche die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren hätten; Mestmäcker/Schweitzer, §  21 Rn.  23; MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  592 ff. 45 Immenga/Mestmäcker/Möschel, §  19 GWB Rn.  2. Eine Interpretation des Tatbestands gegen Marktmachtmissbräuche als gesetzliches Verbot war von namhaften Autoren bereits vor Inkrafttreten der 6. GWB-Novelle gefordert worden; vgl. Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S.  217 ff.; Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 242 ff.; Möschel, Oligopolmissbrauch, S.  210 und 219 f.; ders., NJW 1975, 753, 757; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S.  337 f.; ders., NJW 1974, 902, 903; a. A. K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.  133 und 219. 44  Siehe

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a) System der Legalausnahme vom Kartellverbot Die VO Nr.  1/2003 brachte für das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gem. Art.  101 AEUV einen Wechsel von einem Anmeldungs- und Freistellungssystem, wie es in Deutschland erst seit der 6. GWB-Novelle bestanden hatte, zu einem System der Legalausnahme.46 Hierzu erklärt Art.  1 Abs.  2 VO Nr.  1/2003 den Freistellungstatbestand des Art.  101 Abs.  3 AEUV für unmittelbar anwendbar. Eine Freistellung vom Kartellverbot erfolgt seitdem nicht mehr durch privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt der Wettbewerbsbehörden, eine Handlungsform, die heute immer noch im Regulierungsrecht bedeutsam ist.47 Vielmehr sind die Unternehmen und die mit einem Streitfall befassten Zivilgerichte selbst gehalten, die Voraussetzungen einer Freistellung zu prüfen. Es gilt mit anderen Worten ein „System der Selbstbeurteilung“.48 Die Durchsetzung des Kartellverbots bleibt somit in weiten Bereichen dem Zivilprozess überlassen, sofern sich eine Vertragspartei oder die Marktgegenseite auf Art.  101 Abs.  1 AEUV beruft.49 Das ist aus wettbewerbspolitischer Sicht nicht unproblematisch, da Vereinbarungen vollzogen werden, ohne dass die Kartellbehörden vorab darüber zu informieren sind. Die Monopolkommission hat das System der Legalausnahme deshalb als Schwächung des europäischen Wettbewerbsrechts kritisiert.50 Im Schrifttum wird diese Schwächung der Kontrolleffizienz als der „Preis“ angesehen, den der Unionsgesetzgeber zu zahlen bereit war, um das Wettbewerbsrecht auch bei einer wachsenden Zahl von Mitgliedstaaten verwaltbar zu halten.51 Aus zivilistischer Sicht ist bedeutsam, dass ­Private unter Geltung der VO Nr.  1/2003 selbst die Rechtswidrigkeit einer Kartellvereinbarung geltend machen können. Dies entspricht der zivilistischen Intention des Wettbewerbsrechts, zur Sicherung eines chancengleichen Interessenausgleichs private wirtschaftliche Machtpositionen kompetitiv zu begrenzen. Auch für die betroffenen Unternehmen kann ein System der Legalausnahme Vorteile mit sich bringen, schon weil die aufwändige Pflicht zur Anmeldung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen entfällt. Spiegelbildlich besteht für sie jedoch das Risiko, dass eine Vereinbarung in einem Rechtsstreit als wettbewerbsbeschränkend – da nicht freigestellt – und damit unwirksam angesehen wird. Diesem Risiko sollen die unionsrechtlichen Gruppenfreistellungs-

46  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.   27 ff.; MünchKommEUWettbR/Böge/ Bardong, Art.  1 VO Nr.  1/2003 Rn.  1. 47  Siehe etwa Teil 7. C. V. 2. zum Telekommunikationsrecht. 48  Bornkamm, Durchsetzung des Kartellrechts, S.  5 ff.; K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 175. 49  Bornkamm, Durchsetzung des Kartellrechts, S.  11. 50  Monopolkommission, Sondergutachten 28, Rn.  23 ff. 51 Hopt/Tzouganatos/Drexl, Europäisierung, S.  2 23, 227.

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verordnungen durch Schaffung von „safe harbours“ begegnen.52 Sie konkreti101 Abs.   3 sieren hierzu den allgemeinen Freistellungstatbestand des Art.   AEUV. Die Gruppenfreistellungsverordnungen haben aber auch im System der Legalausnahme konstitutive Wirkung. So kann derjenige, der sich auf die Wettbewerbswidrigkeit einer Vereinbarung beruft, nicht geltend machen, dass zwar eine Gruppenfreistellungsverordnung eingreife, die konkrete Vereinbarung jedoch gleichwohl nicht die Voraussetzungen von Art.  101 Abs.  3 AEUV erfülle.53 Dies dient der Rechtssicherheit. b) Dezentrale Durchsetzung des Wettbewerbsrechts Infolge des Systems der Legalausnahme sowie der damit verbundenen unmittelbaren Anwendung des Art.  101 Abs.  3 AEUV verlagerte die VO Nr.  1/2003 die Kompetenzen zur Durchsetzung des Unions-Wettbewerbsrechts auf die Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten. Nach Art.  5 VO Nr.  1/2003 sind die mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden grundsätzlich für die Anwendung der Art.  101, 102 AEUV zuständig. Die Kommission ist nur noch dann von Amts wegen zur Feststellung der Nichtanwendbarkeit der Art.  101, 102 AEUV berufen, wenn hieran ein öffentliches Interesse der Union besteht.54 Ansonsten will sich die Kommission auf eine Ahndung schwerster Verstöße beschränken.55 Die mitgliedstaatlichen Gerichte müssen nach Art.  6 VO Nr.  1/2003 nicht nur über die Unwirksamkeit einer Vereinbarung nach Art.  101 Abs.  2 AEUV befinden, sondern zugleich über eine eventuelle Freistellung wegen überwiegender Effizienzen gem. Art.  101 Abs.  3 AEUV. In Kombination mit dem „wirtschaftsorientierten Ansatz“ der Kommission („more economic approach“), wonach für die Anwendung von Absatz 1 und Absatz 3 jeweils die konkreten (wohlfahrtsökonomischen) Auswirkungen der Vereinbarung auf dem relevanten Markt zu prüfen sein sollen, rückt Art.  101 AEUV in die Nähe einer „rule of reason“, also einer Abwägung der Vor- und Nachteile wettbewerbsbeschränkender Maßnahmen auf den Wettbewerbsprozess und die wohlfahrtsökonomisch zu bestimmende Effizienz.56 Dies widerspricht dem Zweck der Wettbewerbsregeln, denen es primär um den Schutz der materialen Freiheiten der Marktteilnehmer und der hieraus erwachsenden Wettbewerbsprozesse geht.57 52 

Siehe Teil 5 B. II. 2. c). Drexl, GRUR Int 2004, 716, 719; K. Schmidt, BB 2003, 1237, 1241 f.; a. A. Koenigs, DB 2003, 756. 54  Unterhalb dieser Schwelle hat die Kommission das Instrument der Beratungsschreiben eingeführt, vgl. die entsprechende Bekanntmachung vom 27.4.2004. 55 Siehe Kommission, Weißbuch Anwendung Art.   85 und 86 EGV, Zusammenfassung Rn.  9. 56 Hopt/Tzouganatos/Drexl, Europäisierung, S.  2 23, 262. 57  Siehe Teil 5 C. 53 

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Die Anwendung von Art.  101 Abs.  3 AEUV, der ökonomischen Wohlstands­ argumenten unter den dort normierten Voraussetzungen einen Vorrang vor der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit einräumt, kann für Zivilgerichte schon aufgrund der dazu notwendigen ökonomischen Kenntnisse mit Schwierigkeiten verbunden sein. Zur Sicherung seiner einheitlichen Anwendung sieht das Unionsrecht deshalb drei Instrumente vor: 58 Gem. Art.  15 VO Nr.  1/2003 das Verfahren der Zusammenarbeit zwischen mitgliedstaatlichen Gerichten und Kommission, den Erlass von Leitlinien zur Anwendung des Art.  101 Abs.  3 AEUV durch die Kommission 59 sowie die Möglichkeit einer Vorabentscheidung durch den EuGH gem. Art.  267 AEUV. Einer durch eine ansteigende Zahl von Vorabentscheidungsgesuchen denkbaren „Überlastung“ begegnete der EuGH zunächst durch eine – vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht unproblematische – Rechtsprechung, wonach die Kommission im Rahmen der gem. Art.  101 Abs.  3 AEUV erforderlichen komplexen ökonomischen Beurteilungen einen Ermessens- und Beurteilungsspielraum habe. 60 In jüngerer Zeit nimmt er von dieser Rechtsprechung jedoch wieder Abstand und betont, dass die Entscheidungen der Kommission von den Unionsgerichten voll nachgeprüft werden können. 61 Dies ist überzeugend, da die Kommission ihren Ermessens- und Beurteilungsspielraum auch dazu verwendet, einer Änderung der Zwecke des Wettbewerbsrechts das Wort zu reden, 62 wozu sie kompetenziell nicht berufen ist. c) Vorrang des Unionsrechts bei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen Die VO Nr.  1/2003 ist für das Verhältnis des deutschen zum europäischen Wettbewerbsrecht vor allem durch den in Art.  3 Abs.  2 VO Nr.  1/2003 normierten Anwendungsvorrang bedeutsam. Gem. Art.  3 Abs.  2 Satz 1 VO Nr.  1/2003 darf einzelstaatliches Wettbewerbsrecht nicht zum Verbot von Vereinbarungen zwischen Unternehmen führen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind, aber entweder den Wettbewerb im Sinne des Art.  81 Abs.  1 EG (Art.  101 Abs.  1 AEUV) nicht einschränken, oder die Bedingungen des Art.  81 Abs.  3 EG (Art.  101 Abs.  3 AEUV) erfüllen, oder von einer Gruppenfreistellungsverordnung erfasst sind. Art.  3 Abs.  2 Satz 2 VO Nr.  1/2003 erlaubt es den nationalen Gesetzgebern, zum Schutz vor unilateralen missbräuchlichen Praktiken marktbeherrschender Unternehmen strengere (schärfe58 Hopt/Tzouganatos/Drexl,

Europäisierung, S.  223, 229 ff. Siehe die Freistellungsleitlinien der Kommission. 60  EuGH v. 17.11.1987 – verb. Rs. 142 und 156/84, Slg. 1987, 4487 Rn.  62 – BAT und Reynolds/ Kommission; EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-234/89, Slg. 1991, I-935 – Delimitis; siehe hierzu Bailey, CMLR 41 (2004), 1327 ff. 61  EuGH v. 6.11.2012 – C-199/11, WRP 2013, 52 Rn.  58 ff. – Europese Gemeenschap/Otis; siehe auch Berg/Mudrony, LMK 2013, 341710. 62  Siehe Teil 5 B. 59 

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re) Normen aufzustellen, als sie das europäische Recht in Art.  82 EG (Art.  102 AEUV) enthält. Im deutschen Wettbewerbsrecht, das die Vorgaben des Art.  3 Abs.  2 VO Nr.  1/2003 nochmals in §  22 Abs.  2 GWB verdeutlicht, werden durch diese Vorschrift vor allem die spezifischen Missbrauchsregelungen des §  20 GWB gerechtfertigt. Im Regulierungsrecht legitimiert Art.  3 Abs.  2 Satz 2 VO Nr.  1/2003 die sektorspezifischen Missbrauchsverbote der §§  32 EnWG, 44 TKG, die jedem Betroffenen einen Anspruch auf Beseitigung bzw. Unterlassung der missbräuchlichen Ausnutzung der Marktstellung geben, ohne an das für die allgemeine Missbrauchskontrolle des Art.  102 AEUV bzw. §  19 GWB konstituierende Merkmal der Marktbeherrschung anzuknüpfen. 63 Nicht zulässig sind dagegen nationale Vorschriften, die das unionsrechtliche Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV verwässern oder entschärfen, indem sie auf natio­ naler Ebene Verhaltensweisen untersagen, die einem Unternehmen nach der europäischen Wettbewerbsordnung als Maßnahmen im „Leistungswettbewerb“ freistehen. 64 Dem nationalen Gesetzgeber ist es deshalb verwehrt, Maßnahmen und Regelungen aufrechtzuerhalten, die die praktische Wirksamkeit der Wettbewerbsvorschriften des AEUV beeinträchtigen. 4. Regelungsvorschläge der Kommission für eine Verstärkung des „private enforcement“ a) Ashurst-Studie aus dem Jahr 2004 Die Kommission verfolgte lange Zeit das Ziel, die private Rechtsdurchsetzung durch Effektuierung der entsprechenden Rechtsbehelfe zu stärken. Dass das Zivilrecht einen wichtigen Beitrag zur privaten Durchsetzung des Wettbewerbsrechts leisten kann, zeigt ein Blick auf das Antitrust-Recht der Vereinigten ­Staaten von Amerika, wo durchschnittlich 90 % der Gerichtsverfahren mit kartellrechtlichem Schwerpunkt von Privatpersonen eingeleitet werden. 65 Im USRecht wird ein Privatkläger allerdings nach verbreiteter Ansicht lediglich als „private attorney general“ tätig, da er durch die Geltendmachung seiner Ansprüche das öffentliche Interesse an einer effektiven Durchsetzung der Wettbewerbsregeln sichere. 66 Mit Blick auf das europäische Wettbewerbsrecht entspricht dem eine Sichtweise, wonach die von einer Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen nur dann zur klagweisen Durchsetzung ihrer Ansprüche befugt

63  Die Vorschriften enthalten aber kein Verbot der Monopolisierung, vgl. Säcker/Säcker, Einl. I TKG Rn.  35. 64  Vgl. dazu Säcker/Mohr, WRP 2010, 1, 24 f. 65  Jones, Private Enforcement, S.   16; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S.  175. 66  Jones, Private Enforcement, S.   80; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S.  175.

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seien, wenn dies auch überindividuell-objektiv „funktionsgemäß“ sei. 67 Wir werden hierauf zurückkommen. Die Diskussion um Art und Umfang eines „private enforcement“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen lässt sich durch einen Vergleich mit den Sanktionen bei Verstößen gegen das Lauterkeitsrecht veranschaulichen. Dort werden die §§  3 ff. UWG traditionell mittels zivilrechtlicher Ansprüche durchgesetzt. Der Abschöpfungsanspruch nach §  10 UWG sowie öffentlich-rechtliche Sanktionen wie die Straftatbestände der §§  16 ff. UWG greifen nur ergänzend.68 Zu Gunsten des Partners eines unter Verstoß gegen die materiellen UWG-Tatbestände geschlossenen Vertrages greifen zusätzlich die Rechtsbehelfe des allgemeinen Zivilrechts. 69 Demgegenüber lag nach der historischen Konzeption des GWB der Schwerpunkt auf der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen durch die Kartellbehörden im Verwaltungsverfahren gem. den §§  54 ff. GWB mit der Möglichkeit einer Verhängung von Geldbußen nach den §§  81 ff. GWB (sog. „public enforcement“). Vergleichbares galt für die Mehrzahl der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.70 Zwar enthielt bereits das GWB des Jahres 1958 mit §  35 GWB eine Grundlage für zivilrechtliche Ansprüche. Aufgrund der restriktiven Handhabung durch die Rechtsprechung entfaltete die Vorschrift jedoch keine praktische Wirksamkeit. Auch ein effektiver privater Rechtsschutz über die §§  134, 138 BGB war früher nicht zu erreichen. Beides werden wir noch sehen. Die von der Kommission in Auftrag gegebene sog. Ashurst-Studie aus dem Jahr 2004 attestierte den Mitgliedstaaten der EU deshalb ein „total underdevelopment“ wettbewerbsrechtlicher Schadensersatzklagen.71 Auch wenn die Studie in ihren methodischen Grundannahmen und in ihrem konkreten Ergebnis nicht zweifelsfrei erscheint,72 ist unstreitig, dass Schadensersatzklagen selbst bei Hardcore-Kartellen lange Zeit keine praktische Rolle gespielt haben.73 Als Ursachen werden erhebliche Informationsasymmetrien zwischen Schädiger und Geschädigten,74 das Kostenrisiko einer klageweisen Durchsetzung von ­privaten Schadensersatzansprüchen, wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen 67 

K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 187; Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  14. Goll, GRUR 1976, 486, 488: Das Recht des unlauteren Wettbewerbs gehe „von einem bürgerlich-rechtlichen Individualschutz“ aus, „wie er in den §§  823 ff. BGB begründet ist.“ 69 Umfassend Leistner, Richtiger Vertrag, S.  615 ff. 70  Zimmer/Logemann, ZEuP 2009, 489, 490. 71  Waelbroeck/Slater/Even-Soshan, Ashurst-Study, unter 1.1.; siehe dazu McDougall/ Verzariu, ECLR 2008, 181, 184. 72  Krit. BKartA, Diskussionspapier Private Kartellrechtsdurchsetzung, S.  5. 73  Aus deutscher Sicht zu nennen sind insbesondere die Fälle des sog. Vitaminkartells, vgl. LG Mannheim v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182, 183; LG Mainz v. 15.1.2004 – 12 KO O 56/02, WuW 2004, 1179; dem Anspruch stattgegeben wurde von LG Dortmund v. 1.4.2004 – 3 O 55/02 Kart., WuW/E DE-R 1352. 74  Zur ökonomischen Begründung siehe Teil 4 D. II. 68 

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Tätern und Opfern sowie Unsicherheiten über die Anspruchsberechtigung diskutiert.75 b) Grünbuch der Kommission aus dem Jahr 2005 Auf der Grundlage der Ashurst-Studie veröffentlichte die Kommission im Jahr 2005 ein Grünbuch über „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“, mit dem verschiedene Optionen zur Beseitigung von Hindernissen eines wirksamen Privatrechtsschutzes zur Diskussion gestellt wurden.76 Thematisiert wurden – noch ohne systematischen Zusammenhang77 – der Zugang zu Beweismitteln, das Verschuldenserfordernis,78 die Schadensberechnung, die Zulässigkeit einer „passing-on defense“ und die Klagebefugnis indirekter Abnehmer, der Schutz der Verbraucherinteressen, die Prozesskosten, eine Koordinierung der staatlichen und privaten Rechtsdurchsetzung, die gerichtliche Zuständigkeit und das anwendbare Recht sowie sonstige Gesichtspunkte wie Sachverständige, Verjährungsfristen oder die Anforderungen an einen Kausalzusammenhang zwischen Wettbewerbsverletzung und Schaden.79 Wir werden auf einzelne Aspekte noch zurückkommen, soweit dies für unsere Untersuchung – die sich mit den vertraglichen Rechtsbehelfen gegen Wettbewerbsbeschränkungen befasst – geboten ist. c) Weißbuch der Kommission aus dem Jahr 2008 Auf den Ergebnissen der öffentlichen Konsultation baute das sog. Weißbuch vom April 2008 „über Schadensersatz für Verbraucher und Unternehmen“ auf, „die Opfer von Wettbewerbsverstößen sind“. 80 Im Kern sprach sich die Kommission dort für einen verstärkten kollektiven Rechtsschutz der von einer Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen aus, für einen verbesserten Zugang zu Beweismitteln (nicht jedoch bezüglich Kronzeugenunterlagen), für eine Umkehr der Beweislast bei verschuldensabhängigen Schadensersatzansprüchen zu Gunsten der Geschädigten, für die Anerkennung der sog. „passing-on defense“ und für eine Modifikation der Regelungen über die Verjährung.

75 

Zimmer/Logemann, ZEuP 2009, 489, 491. Kommission, Grünbuch Schadensersatzklagen, S.  5 ; dazu Diemer, ECLR 2006, 309 ff.; Eilmansberger, CMLR 44 (2007), 431 ff.; Griller/Eilmansberger/Thyri, Europäische Wirtschaftsverfassung, S.  163, 164, 169 ff. 77  Krit. deshalb Basedow, EuZW 2006, 97. 78  Siehe zum Verschulden als Obligierungsgrund Lobinger, Rechtsgeschäftliche Verpflichtung und autonome Bindung, S.  1 ff. 79 Griller/Eilmansberger/Thyri, Europäische Wirtschaftsverfassung, S.  163, 164, 170. 80  Kommission, Weißbuch Schadensersatz EG-Wettbewerbsrecht; dazu Niemeier, WuW 2008, 927; Ritter, WuW 2008, 762 ff.; Zimmer/Logemann, ZEuP 2009, 489 ff.; Zöttl, DB 2008, 1200 ff. 76 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

d) Richtlinienvorschlag für wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen nebst Mitteilung und Arbeitsunterlage aus dem Jahr 2013 Aufbauend auf dem Grünbuch und dem Weißbuch und wohl auch beeinflusst von der – noch zu behandelnden – ORWI-Entscheidung des BGH81 hat die Kommission im Juni 2013 eine Richtlinie für Schadensersatzklagen in Wettbewerbssachen vorgeschlagen. 82 Mit dieser soll die wirksame Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften verstärkt werden, konkret durch „Optimierung der Interaktion zwischen behördlicher und privater Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts“ und „Gewährleistung, dass Opfer von Zuwiderhandlungen gegen das EU-Wettbewerbsrecht Schadensersatz in voller Höhe erhalten können.“83 Das erste Ziel, die „Optimierung der Interaktion“ zwischen „private“ und „public enforcement“, will die Kommission durch einen umfassenden Schutz von Kronzeugenunterlagen erreichen, also im Sinne eines absoluten Primats des „public enforcement“.84 Da man dies kaum ernsthaft als „Optimierung“ verstehen kann, versucht die Kommission auf anderem Wege, den Interessen der Privatbetroffenen Rechnung zu tragen. Dies ist Gegenstand des zweiten Hauptzieles: Opfer von Zuwiderhandlungen gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften sollen nicht nur theoretisch, sondern auch tatsächlich Ersatz für den erlittenen Schaden erlangen können. Aufgrund der Privatisierung des Wettbewerbsrechts durch die VO Nr.  1/2003 und der unterschiedlichen nationalen Schutzstandards ist eine Harmonisierung der „remedies“ in der Tat unabdingbar, um eine effektive Durchsetzung der EU-Wettbewerbsvorschriften und einheitliche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. 85 Zentral ist für die Kommission der Zugang zu Beweismitteln für Personen, deren Chancen am Markt durch eine Wettbewerbsbeschränkung beeinträchtigt wurden.86 Aus diesem Grunde sollen die Parteien eines Gerichtsverfahrens den Richter darum ersuchen können, eine Offenlegung von Informationen anzuordnen, wenn der Kläger substantiiert dargelegt hat, dass bestimmte Beweismittel in der Hand des Beklagten oder Dritter für die weitere Begründung seines Anspruchs wesentlich sind. Das soll aber nicht gelten, wenn die Offenlegung die behördliche Durchsetzung des Wettbewerbsrechts, also das „erste 81 

Dies deutet an Bulst, ZWeR 2012, 70, 88; siehe auch Kirchhoff, WuW 2012, 927, 935. Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 1 ff. 83  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 1.2. 84  Wir werden auf die Problematik der Einsicht in Kronzeugenunterlagen noch zurückkommen; Teil 9 B. IV. 85  So überzeugend Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 1.2. a. E. 86  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.2. 82  Kommission,

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Hauptziel“ der Kommission gefährde. 87 Darüber hinaus sind weitere Beschränkungen der Offenlegungspflicht vorgesehen, die im Schrifttum als Schutz vor einer „für das europäische Rechtsverständnis ausufernden Ausforschung wie in US-Verfahren“ gedeutet werden (sog. „pre trial discovery“). 88 Diese Vorschläge sind hörenswert, benötigen jedoch im Hinblick auf die angedachten Beweiserleichterungen einer vertieften, hier nicht zu leistenden wissenschaftlichen Diskussion. 89 Die Kommission schlägt des Weiteren vor, dass die Feststellung eines Rechtsverstoßes durch eine Wettbewerbsbehörde oder durch ein Gericht unionsweit für einen nachfolgenden privaten Ersatzprozess bindend sein soll.90 Eine entsprechende Regelung ist in Deutschland mit §  33 Abs.  4 GWB bereits vorhanden.91 Außerdem anerkennt die Kommission – ebenso wie der BGH in „ORWI“ – die gerade in Deutschland sehr kontrovers diskutierte „passing-on defense“: 92 Zwar hätten Personen, die durch eine Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften einen Schaden erlitten haben, immer ein Recht auf Schadensersatz, unabhängig davon, ob sie unmittelbare oder mittelbare Abnehmer seien. Wenn jedoch ein Geschädigter die Vermögenseinbuße dadurch verringert habe, dass er diese ganz oder teilweise auf seine eigenen Abnehmer abwälzen konnte, so scheide insoweit ein Schaden aus.93 Allerdings sei es wahrscheinlich, dass die Preiserhöhung durch den unmittelbaren Abnehmer zu einer Verringerung seiner verkauften Mengen führe. Der hierdurch entgangene Gewinn und eine nicht weitergegebene Vermögenseinbuße bei einer teilweisen Schadensabwälzung stellten „einen kartellrechtlichen Schaden“ dar.94 Die Beweislast soll grundsätzlich das „zuwiderhandelnde Unternehmen“ tragen, sofern es sich damit von einer Ersatzpflicht gegenüber seinem unmittelbaren Vertragspartner befreien will. Ein quasi spiegelbildliches Problem stellt sich, wenn ein nur mittelbar von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffener einen Anspruch auf Scha87 

Siehe dazu auch Weiden, GRUR 2013, 906. Weiden, GRUR 2013, 906. 89 Monographisch Papadelli, Beweislastverteilung, S.  53 ff. 90  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.3. 91  Dies ist die Rechtsgrundlage für sog. Follow-on-Klagen. 92  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.4. Dies mag jedenfalls auch daran liegen, dass der BGH die „passing-on defense“ im Jahr 2011 als zulässig angesehen hat; vgl. BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  57 ff. – ORWI. 93  Anders ist das Verständnis nach deutschem Recht; hier entfällt zwar nicht der Schaden, aber u. U. die haftungsausfüllende Zurechnung zwischen Rechtsgutsverletzung und Schaden; vgl. Mohr, Jura 2010, 645, 650 f. 94  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.4.; siehe zum deutschen Recht BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  57 ff. – ORWI; Dittrich GRUR 2009, 123; Mohr, Jura 2010, 645, 651. 88 So

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

densersatz geltend machen will, also eine Person, die mit dem Schädiger nicht in direkten Vertragsbeziehungen steht. Diese kann nur dann einen eigenen Schaden nachweisen, wenn der unmittelbare Abnehmer den überhöhten Preis auf sie weitergewälzt hat, wenn also ein „passing-on“ erfolgt ist.95 Für diesen Fall soll nach der Kommission – dies erscheint überzeugend – eine widerlegbare Vermutung der Abwälzung gelten.96 Diese Vermutung soll aber nur mittelbar Geschädigten zugutekommen, nicht dem vermeintlichen Wettbewerbsbeschränker im Verhältnis zu seinem unmittelbar geschädigten Erstabnehmer. Mehrere Kar­ telltäter sollen grundsätzlich als Gesamtschuldner haften (§§  421 ff. BGB).97 Schließlich darf für wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen nach dem Richtlinienvorschlag die Verjährungsfrist einen Zeitraum von fünf Jahren nicht unterschreiten.98 Unabhängig von diesen dogmatischen Fragen bereitet in der Rechtswirklichkeit vor allem die konkrete Berechnung des durch eine Wettbewerbsbeschränkung entstandenen Schadens Schwierigkeiten. Insoweit sollen die Gerichte befugt sein, den weitergegebenen Anteil des Schadens zu schätzen, wie dies der Rechtslage in Deutschland entspricht (§§  287 ZPO, 252 Satz 2 BGB).99 Auch sollen sie berücksichtigen, wenn Geschädigte Ansprüche auf verschiedenen Vertriebsstufen geltend machen, „damit der durch die Zuwiderhandlung verursachte Schaden nicht unter- bzw. überschätzt und die Kohärenz der Urteile in solchen miteinander im Zusammenhang stehenden Verfahren gefördert wird.“100 Da der konkrete Nachweis und vor allem die Quantifizierung eines kartellrechtlichen Schadens in Bezug auf die Feststellung und Bewertung des Sachverhalts sehr aufwändig sein kann, im Sinne einer Anwendung komplexer ökonom(etr)ischer Modelle,101 schlägt die Kommission eine widerlegbare Vermutung für das Vorliegen eines durch ein Kartell verursachten Schadens vor.102 95 

Mackenrodt, GRUR-Int 2013, 757, 758. Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.4. Der Kläger muss zum Nachweis einer Schadensweiterwälzung vortragen, dass der Beklagte einen Kartellverstoß begangen hat, dass dieser Verstoß einen Preisaufschlag bei dem unmittelbaren Abnehmer zur Folge hatte und dass er von diesem eine Ware oder Dienstleistung erworben hat, die in Zusammenhang mit dem Kartellrechtsverstoß steht (Art.  13 Abs.  2 des Richtlinienvorschlags); vgl. auch Mackenrodt, GRUR-Int 2013, 757, 758. Anders bislang BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  45 – ORWI. 97  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.3.3, vorbehaltlich einer Privilegierung von Kronzeugen. 98  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.3.2. In Deutschland wäre somit eine Modifizierung der allgemeinen Verjährungsvorschriften geboten; dies ist hier nicht zu vertiefen. 99  Dazu allgemein Mohr, Jura 2010, 327, 332 f. 100  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Ziff. 4.4. 101  Siehe zu den Modellen der Post Chicago School schon oben Teil 4 C. VII. 102  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, 96  Kommission,

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Nähere Ausführungen hat sie in einer Mitteilung103 sowie einem undatierten internen Arbeitspapier an ihre Dienststellen gemacht. Die entsprechenden Detailfragen werden uns im Folgenden nicht näher beschäftigen. Entscheidend ist, dass die Kommission dem „private enforcement“ eine wichtige Bedeutung für die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zuspricht.104 e) Empfehlung der Kommission zu Kollektivklagen aus dem Jahr 2013 Zu erwähnen ist noch die ebenfalls im Juni 2013 veröffentlichte – nicht verbindliche – Empfehlung der Kommission für Kollektivklagebefugnisse.105 Zweck dieser Empfehlung ist es, den Zugang zu den Gerichten zu erleichtern, um rechtswidrige Verhaltensweisen zu unterbinden und den Geschädigten bei einem Massenschadensereignis die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu ermöglichen (Problem der „rationalen Ignoranz“).106 Zugleich sollen angemessene Verfahrensgarantien sicherstellen, dass eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ausgeschlossen ist.107 Die Einzelheiten müssen uns nicht beschäftigen. Entscheidend ist vielmehr, dass die Mitgliedstaaten weder nach dem oben geschilderten Richtlinienvorschlag für wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, noch auf der Grundlage der Empfehlung aus dem Jahr 2013 zwingend Kollektivklagebefugnisse für Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht schaffen müssen.108 Im Rahmen der 8. GWB-Novelle hat der deutsche Gesetzgeber mit §  33 Abs.  2 Nr.  2 GWB allerdings eine Regelung geschaffen, wonach qualifizierte Einrichtungen im Sinne des §  4 UKlaG, insbesondere VerbraucherverZiff. 4.5.; dies hängt bei mittelbar Geschädigten zusammen mit den vorstehend geschilderten Problemen der „passing-on defense“. 103  Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen, S.  1 ff. 104  Das gilt trotz der Vorrangstellung des „public enforcement“ bei Kronzeugenanträgen. 105 Empfehlung der Kommission, Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren; siehe zur Entwicklung Seitz, EuZW 2013, 561. Im Schrifttum wird kontrovers erörtert, ob die Einführung von Kollektivklagen auf Unionsebene erforderlich ist, vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  264 mit Fn.  880: Es gebe mittlerweile in einigen Mitgliedstaaten neben klassischen Verbraucherschutzeinrichtungen auch private Unternehmen, die sich auf die (europaweite) gerichtliche Geltendmachung von abgetretenen Schadenersatzansprüchen Kartellgeschädigter spezialisiert hätten (vgl. dazu BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 – ORWI; OLG Düsseldorf v. 14.5.2008 – VI-U (Kart) 14/07, WuW/E DE-R 2311 – Zementkartell; EuG v. 15.12.2011 – T-437/08, WuW EU-R 2187 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission). Die Schaffung von Sammelklagebefugnissen bietet sich de lege ferenda insbesondere bei einer Anerkennung der „passing-on defense“ an, da die Schäden dann häufig nicht von der unmittelbaren Marktgegenseite, sondern von entfernteren Marktstufen geltend gemacht werden (Streuschäden). 106  Dies geht zurück auf Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik; siehe oben Teil 4 D. II. 107 Empfehlung der Kommission, Grundsätze für kollektive Unterlassungs- und Schadensersatzverfahren, Rn.  1. 108  Seitz, EuZW 2013, 561, 562.

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bände, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche geltend machen dürfen, vergleichbar der schon bestehenden Rechtslage im UWG. Im Schrifttum wird diese Vorschrift als Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung im Allgemeinen und der „Verbraucherorientierung des Wettbewerbsrechts“ im Besonderen bewertet, da es bei wettbewerbswidrigen Praktiken nicht mehr auf die Initiative der Kartellbehörden oder der bei Streu- und Massenschäden „häufig klageunwilligen Geschäftspartner“ ankomme. Im Lichte eines die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer betonenden Verständnisses von Vertrag und Wettbewerb ist eine autonome Kollektivklagebefugnis freilich kritisch zu hinterfragen. Sie scheint insoweit vor allem bei Streuschäden gerechtfertigt.109 Die praktische Wirksamkeit dieses neuen Instruments wird letztlich davon abhängen, ob es gelingt, die bislang bestehenden Nachweisschwierigkeiten bereits für das Vorliegen einer Wettbewerbsbeschränkung zu beheben.110 5. Angleichung des deutschen an das europäische Wettbewerbsrecht Das Wettbewerbsrecht der EU ist gem. den Art.  101, 102 AEUV nur dann anwendbar, wenn der Handel zwischen den Mitgliedstaaten und damit der Binnenmarkt betroffen ist. Unterhalb dieser Eingriffsschwelle sind die Mitgliedstaaten weiterhin regelungsbefugt. Selbst im Anwendungsbereich des Unionsrechts gilt ein prinzipieller Ausschluss der Anwendung des nationalen Rechts nur im Bereich der Zusammenschlusskontrolle (sog. „one stop shop“-Prinzip, Art.  21 Abs.  3 FKVO). Mit Blick auf die Änderungen des Unionskartellrechts zum 1.5.2004 durch das Inkrafttreten der VO Nr.   1/2003, der FKVO Nr.  139/2004 sowie der GVOTT Nr.  772/2004 stellte sich für die Mitgliedstaaten die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Beibehaltung der vom Unionsrecht abweichenden nationalen Wettbewerbsregeln.111 Da der deutsche Gesetzgeber unterschiedliche Regelungen für nicht sinnvoll erachtete, reformierte er durch die am 13.7.2005 in Kraft getretene 7. GWB-Novelle112 das deutsche Wettbewerbsrecht, um die mit der 6. GWB-Novelle begonnene Angleichung des deut-

109  Zur Unterscheidung zwischen „Prävention“ (der Verstoß wird ex ante verunmöglicht) und „Abschreckung“ (die Durchsetzung erfolgt repressiv im Wege der Abschreckung von wettbewerbswidrigem Verhalten durch die für den Verstoß angedrohten Sanktionen) siehe Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  11 und öfter. 110  Bosch/Fritzsche, NJW 2013, 2225, 2228. 111  Siehe zur – im Rahmen der 7. GWB-Novelle schlussendlich nicht erfolgten – Angleichung der deutschen Fusionskontrolle an Art.  2 Abs.  3 FKVO Säcker, WuW 2004, 1038 ff.; ders., WuW 2010, 370 ff.; zur 8. GWB-Novelle, in der die Angleichung nunmehr erfolgt ist, siehe sogleich. 112  In Kraft getreten am 1.7.2005, BGBl. I, S.  1954.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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schen an das europäische Wettbewerbsrecht voranzutreiben.113 Dieser Trend wurde durch die 8. GWB-Novelle des Jahres 2013 weiter fortgesetzt.114 Im Zuge der 7. GWB-Novelle wurden die Vorschriften gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen der §§  1,2 GWB vollständig an das Unionsrecht angeglichen; lediglich mit §  3 GWB verblieb eine – in ihrer praktischen Relevanz untergeordnete – Sonderregelung für sog. Mittelstandskartelle. Durch die Angleichung an das Europarecht wurde nicht nur das durch die 6. GWB-Novelle gerade erst eingeführte Verbotsprinzip mit Freistellungsvorbehalt durch ein System der Legalausnahme ersetzt, sondern auch die Unterscheidung zwischen horizontalen und vertikalen Vereinbarungen aufgegeben; diese praktisch höchst bedeutsame Regelung wird uns aber nicht weiter beschäftigen. Wichtig auch für das Verhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und Vertragsrecht ist demgegenüber die durch die 7. GWB-Novelle erfolgte Neufassung des §  33 GWB. Durch die Norm wurde eine gemeinsame Rechtsgrundlage für Schadensersatz-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bei Verstößen gegen das europäische und das deutsche Wettbewerbsrecht geschaffen, so dass sich die deliktische Anspruchsbegründung bei Verletzungen der Art.  101, 102 AEUV sowie der §§  1, 19 ff. GWB einheitlich beurteilt.115 Das Recht der privaten Rechtsfolgen von Wettbewerbsverstößen wurde durch die Neuregelungen des Unionsrechts zum 1.5.2004 nicht unmittelbar tangiert. Gleichwohl hat es in diesem Zusammenhang auf der Ebene der Union – wie wir schon gesehen haben – eine grundlegende Aufwertung erfahren, die den deutschen Gesetzgeber dazu veranlasst hat, die Anreize für eine private Rechtsdurchsetzung durch den Ausbau subjektiver Rechte zu erhöhen.116 Im Einzelnen ging er davon aus, dass die bis dato geltende „Beschränkung“ der Anspruchsberechtigung Drittbetroffener durch ein Schutzgesetzerfordernis117 mit den unionsrechtlichen Anforderungen nicht mehr vereinbar sei. Der Gesetzgeber stellte deshalb klar, dass „jedermann“ anspruchsberechtigt ist, der von einer der in §  33 Abs.  1 Satz 1 GWB benannten Wettbewerbsbeschränkungen „betroffen“ ist (§  33 Abs.  1 Satz 3 GWB), wobei der Begriff des „Betroffenen“ unionsrechtskonform auszulegen ist.118 Im Rahmen der 7. GWB-Novelle wurde in §  33 Abs.  3 GWB außerdem ein neuer Satz 2 eingefügt, der die „pas-

113 MünchKommGWB/Säcker,

Einl. Rn.  27. Die wichtigste Änderung betraf die Angleichung des materiellen Untersagungskriteriums in der Fusionskontrolle an die Vorgaben der FKVO; siehe Podszun, GWR 2013, 329 ff. 115  Vgl. BT-Drucks. 15/3640, S.  10 ff. 116  Siehe hierzu Hopt/Tzouganatos/Drexl, Europäisierung, S.  2 23, 240 f. 117  Tatsächlich ist nicht das Schutzgesetzerfordernis unionsrechtswidrig, da dieses quasi nur eine Selbstverständlichkeit ausspricht – anspruchsberechtigt sind Personen, die in den Schutzbereich der Norm fallen –, sondern dessen restriktive Interpretation durch Rechtsprechung und Lehre. 118  BT-Drucks. 15/5049, S.  49. 114 

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sing-on defense“ behandelt.119 Eine wesentliche Neuerung brachte schließlich 33 Abs.   4 GWB für sog. Foldie Regelung zur Tatbestandswirkung in §   low-on-Klagen, also Schadensersatzklagen, die von Betroffenen im Anschluss an ein kartellbehördliches Verfahren angestrengt werden.120 Die 8. GWB-Novelle des Jahres 2013 erweiterte zusätzlich – wie wir bereits gesehen haben – die Kollektivklagebefugnisse.121

III. Rechtsprechung des EuGH zum „private enforcement“ Die „Private-Enforcement-Bewegung“ wurde durch mehrere Entscheidungen des EuGH initiiert. Diese sind für das dogmatische Verständnis von zentraler Bedeutung.122 1. Die Entscheidung „Courage“ (Teil 2) Wir haben die Courage-Entscheidung schon in Zusammenhang mit den Schutzzwecken des Wettbewerbsrechts behandelt und gesehen, dass der EuGH de facto ein material-chancengleiches Freiheitsverständnis verfolgt,123 das mit der vorliegend vertretenen, dem späten Ordoliberalismus entsprechenden Sichtweise124 übereinstimmt. Im Folgenden geht es um die spezifisch rechtsfolgebezogenen Ausführungen des EuGH. a) Problemstellung Ein wesentlicher Auslöser für die Bestrebungen zur Verstärkung des „private enforcement“ bildete die Courage-Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2001.125 Diese betraf einen in England spielenden Fall. Einem Pub-Betreiber (mit Namen Crehan) war im Rahmen eines langfristigen Pacht- und Bierlieferungsvertrages die Verpflichtung auferlegt worden, seinen gesamten Bierbedarf bei der klagenden Brauerei (Courage Ltd.) zu beziehen. Der Pub-Betreiber hielt den Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vertikalvereinbarungen gem. Art.  101 Abs.  1 AEUV für unwirksam und erhob Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz, da nicht gebundene Abnehmer das Bier günstiger beziehen konnten.126 Der mit der Rechtssache befasste 119 

BT-Drucks. 15/5049, S.  49. BT-Drucks. 15/3640, S.  54. 121  Teil 9 B. II. 4. e). 122  Vgl. Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Begründung Fn.  5. 123  Siehe Teil 5 C. II. 3. 124  Siehe Teil 4 D. I. 4. g). 125  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 – Courage/Crehan; Zimmer/Logemann, ZEuP 2009, 489, 491. 126  Langfristige Lieferverträge sind ein Instrument zur Minimierung von Vertragsrisiken; 120 

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Court of Appeal bejahte die Unwirksamkeit des Vertrages wegen Verstoßes ­gegen das britische Kartellverbot, verneinte jedoch einen Anspruch auf Schadensersatz, da dieser nach englischem Recht ausgeschlossen sei, wenn der Anspruchsteller an der den Schaden verursachenden Vereinbarung als Vertragspartei mitgewirkt habe. Der zur Vorabentscheidung angerufene EuGH stellte demgegenüber fest, dass die nationalen Gerichte grundsätzlich verpflichtet sind, allen von einem Wettbewerbsverstoß nachteilig Betroffenen einen Schadensersatzanspruch zu gewähren.127 Dies gelte unter bestimmten Voraussetzungen auch für Kartellbeteiligte, weshalb diese nicht auf bereicherungsrechtliche Rückforderungsansprüche verwiesen werden dürften.128 Diesen Ausführungen liegt ein materiales, die tatsächliche Selbstbestimmung schützendes Verständnis von Vertrag und Wettbewerb zugrunde. Nach einem solchen ist nicht die formale Beteiligung einer Person an einer Vereinbarung entscheidend, sondern der Umstand, ob ihre Willenserklärung auf einer material-freien Entscheidung beruhte. Ist dies nicht der Fall, kann die unterlegene Vertragspartei nicht für die Wettbewerbsbeschränkung verantwortlich gemacht werden. Im Einzelnen: b) Berechtigung zur Geltendmachung der Vertragsnichtigkeit Der EuGH musste sich zunächst mit der Frage befassen, ob sich vor einem innerstaatlichen Gericht auch die Partei eines Vertrages, der den Wettbewerb im Sinne von Art.  85 EGV (Art.  101 AEUV) beschränken oder verfälschen kann, auf diese Vorschrift berufen kann, um gegenüber ihrem Vertragspartner Rechtsschutz zu erlangen.129 Als ein solcher kommt nicht nur ein Anspruch auf Schadensersatz (in Deutschland insbesondere nach den §§  823 Abs.  2, 826 BGB, 33 GWB) in Betracht, sondern auch die (Teil-)Nichtigkeit eines Vertrages (in Deutschland gem. den §§  134, 138, 139, 305 ff. BGB).130 Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass der „EG-Vertrag eine eigene Rechtsordnung geschaffen“ hat, „die in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden und von den nationalen Gerichten anzuwenvgl. Säcker/Jaecks, Langfristige Energielieferverträge und Wettbewerbsrecht, S.  21 ff.; Säcker/ Mohr/Wolf, Konzessionsverträge, S.  123 f. 127  Zur Frage, ob dieser Anspruch nationaler oder unionsrechtlicher Natur ist, siehe Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  41. 128  Nowak, EuZW 2001, 715, 718. 129  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  17, 19 ff. – Courage/Crehan. 130  Allerdings ging es in „Courage“ bei formaler Betrachtung nicht um eine Folgevertragskonstellation, da die Nichtigkeit von einem am Kartell beteiligten Unternehmen geltend zu machen war. Bei wertender Betrachtung war „Crehan“ jedoch nicht für die Vereinbarung verantwortlich, weshalb es sich de facto doch um eine Folgevertragskonstellation handelte: ein Wettbewerbsbeschränker (Courage) schließt mit einem dritten, für die Wettbewerbsverletzung rechtlich nicht verantwortlichen Marktteilnehmer einen Vertrag, in dem sich die Wettbewerbsbeschränkung manifestiert.

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den ist. Rechtssubjekte dieser Rechtsordnung sind nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen, denen das Gemeinschaftsrecht Pflichten auferlegen, aber auch Rechte verleihen kann. Solche Rechte entstehen nicht nur, wenn der Vertrag dies ausdrücklich bestimmt, sondern auch aufgrund von eindeutigen Verpflichtungen, die der EG-Vertrag dem Einzelnen wie auch den Mitgliedstaaten und den Organen der Gemeinschaft auferlegt [. . .].“ Darüber hinaus „stellt Art.  85 EG-Vertrag [Art.  81 EG, Art.  101 AEUV], wie sich aus Art.  3 lit. g EG-Vertrag131 ergibt, eine grundlegende Bestimmung dar, die für die Erfüllung der Aufgaben der Gemeinschaft und insbesondere für das Funktionieren des Binnenmarktes unerlässlich ist [. . .]. Die Bedeutung dieser Bestimmung hat die Verfasser des EG-Vertrags im Übrigen dazu veranlasst, in Art.  85 Abs.  2 EG-Vertrag [Art.  81 Abs.  2 EG, Art.  101 Abs.  2 AEUV] ausdrücklich anzuordnen, dass die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind [. . .].132 Diese Nichtigkeit, die von jedem geltend gemacht werden kann, hat das Gericht zu beachten, sofern der Tatbestand des Artikels 85 Abs.  1 erfüllt ist und die betroffene Vereinbarung die Gewährung einer Freistellung gemäß Artikel 85 Abs.  3 EG-Vertrag [Art.  81 Abs.  3 EG, Art.  101 Abs.  3 AEUV] nicht rechtfertigen kann [. . .].133 Da die Nichtigkeit nach Artikel 85 Abs.  2 absolut ist, erzeugt eine nach dieser Vorschrift nichtige Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen und kann Dritten nicht entgegengehalten werden [. . .].134 Darüber hinaus erfasst diese Nichtigkeit die getroffenen Vereinbarungen oder Beschlüsse in allen ihren vergangenen oder zukünftigen Wirkungen“.135 Schließlich erzeugten bereits die Art.  85 und 86 EG-Vertrag [Art.  81 und 82 EG, Art.  101 und 102 AEUV] „in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen“ und ließen „unmittelbar in deren Person Rechte entstehen [. . .], die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben“.136

Diese Ausführungen sind für die rechtliche Behandlung von Folgeverträgen von grundlegender Bedeutung, auch wenn sich die Diskussion im Schrifttum überwiegend mit der nachfolgend darzustellenden Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz beschäftigte; 137 denn wenn eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung keine Wirkungen erzeugt und Dritten nicht entge131  Mittlerweile hat der EuGH klargestellt, dass dem Protokoll Nr.  27 zum Vertrag von Lissabon dieselbe rechtliche Wirkung wie dem früheren Art.  3 Abs.  1 lit. g. EG zukommt; vgl. EuGH v. 17.2.2011 – C-52/09, EuZW 2011, 339 Rn.  20 – TeliaSonera; dazu Emmerich, JuS 2012, 177; Dauses/Emmerich, H. I. §  3. Art.  102 AEUV – Missbrauchsverbot Rn.  4. Siehe dazu Teil 2 C. 132  Ebenso bereits EuGH v. 1.6.1999 – Rs. C-126/97, EuZW 1999, 565 Rn.  36 – Eco Swiss China/Benetton. 133  Vgl. zur Rechtslage vor Erlass der VO Nr.  1/2003 bereits EuGH v. 6.7.1969 – Rs. 10/69, NJW 1969, 1551 – Portelange/Smith Corona. 134  Hervorhebung durch den Verf. Die Nichtigkeit kann auch eine teilweise i. S. des §  139 BGB sein, vgl. EuGH v. 25.11.1971 – Rs. 22/71, GRUR Int 1972, 495, 498 – Béguelin Import. 135 Hervorhebung durch den Verf. Die Nichtigkeit hat somit Ex-tunc-Wirkung, vgl. EuGH v. 6.2.1973 – Rs. 48/72, NJW 1973, 963 LS. c). 136 In deutscher Diktion begründen die EU-Wettbewerbsvorschriften somit subjektive Privatrechte; vgl. EuGH v. 18.3.1997 – Rs. C-282/95 P, Slg. 1997, I-1503 Rn.  39 – Guérin automobiles/Kommission; siehe schon Teil 5 D. 137  Vgl. etwa Weyer, GRUR Int. 2002, 57: Der EuGH habe in einem Nebensatz zur Nichtigkeit Stellung genommen, bevor er sich der zentralen Frage des Schadensersatzes zugewandt habe.

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gen gehalten werden kann, begründet dies nach deutschem Rechtsverständnis die Unwirksamkeit der entsprechenden (Folge-)Vereinbarungen. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Kartellvereinbarung im engeren Sinne oder ein Folgevertrag vorliegt, kommt es dabei nicht auf eine formale, sondern auf eine material-wertende Betrachtung an. Aus diesem Grund kann auch ein am Kartell bei formaler Sichtweise Beteiligter bei wertender Betrachtung ein unbeteiligter Dritter und damit ein Folgevertragspartner sein.138 Wir werden darauf in Zusammenhang mit der Manfredi-Entscheidung aus dem Jahr 2006 näher zurückkommen. c) Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz Weiterhin befasste sich der EuGH in der Courage-Entscheidung mit der deliktischen Anspruchsberechtigung Drittbetroffener auf Schadensersatz: 139 „Was die Befugnis angeht, Ersatz des Schadens zu verlangen, der durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten verursacht worden ist,140 so müssen die nationalen Gerichte [. . .] die volle ­Wirkung von dessen Bestimmungen gewährleisten und die Rechte schützen, die das Gemeinschaftsrecht dem Einzelnen verleiht [. . .].141 Die volle Wirksamkeit des Art.  85 EG-Vertrag und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in Artikel 85 Abs.   1 aus­ gesprochenen Verbots wären beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist. Ein solcher Schadensersatzanspruch erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Wettbewerbsregeln und ist geeignet, von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können. Aus dieser Sicht können Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Gemeinschaft beitragen.142 Daher darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass eine solche Klage von einer Partei eines gegen die Wettbewerbsregeln verstoßenden Vertrages erhoben wird.143 Mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung ist es jedoch Sache des 138 

Siehe schon Teil 5 C. II. 3. EuGH v. 20.9. 2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  18, 25 ff. – Courage/Crehan. 140 Die Ausführungen beziehen sich somit nicht allein auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen, sondern auch auf einseitige Verhaltensweisen, die unter das Verbot von Marktmachtmissbräuchen fallen. 141 EuGH v. 9.3.1978 – Rs. 106/77, NJW 1978, 1741 Rn.   14 f. – Simmenthal; EuGH v. 19.6.1990 – Rs. C-213/89, NJW 1991, 2271, 2272 Rn.  19 – Factortame. Art.  4 Abs.  3 Satz 2 EUV geht insoweit über die alten Textfassungen hinaus, als dort der Grundsatz loyaler Zusammenarbeit normiert ist; vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/v. Bogdandy/Schill, Art.  4 EUV Rn.  47. 142  Hervorhebungen durch den Verf. Der EuGH begründet den Schadensersatzanspruch in „Courage“ also nicht allein mit den Individualrechten der Betroffenen, sondern auch mit der Notwendigkeit der Prävention; vgl. von Bogdandy/Bast/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, S.  906, 931. Allerdings betont der EuGH im gleichen Urteil, dass das Wettbewerbsrecht auf den Schutz materialer Freiheitspositionen abzielt (Rn.  33 f.). 143  Damit sprach der EuGH erstmals der Partei eines Kartells die Möglichkeit zu, unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz und nicht nur Ansprüche nach Bereicherungs139 

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innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen,144 sofern diese Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz)“.145

Anders als nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht begründet der EuGH den Schadensersatzanspruch somit nicht allein mit der Effektuierung des EU-Wettbewerbsrechts und damit mit überindividuellen Gesichtspunkten; 146 denn er stellt auch auf die Rechte ab, die das Unionsrecht den Einzelnen verleiht.147 Aus zivilistischer Sicht steht der Schutz der materialen wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer vor den negativen Folgen wirtschaftlicher Macht sogar im Vordergrund.148 d) „Passing-on defense“ Wie wir gesehen haben, sind gerade bei Preiskartellen die Berechnung des Schadens und die Bestimmung der Person des Geschädigten problematisch, wenn die Ware mehrere Produktions- oder Verarbeitungsstufen durchläuft und der antikompetitiv überhöhte Preis vom unmittelbaren Abnehmer der Ware (dem Produzenten oder dem Zwischenhändler) jedenfalls in Teilen auf seine Abnehmer weitergereicht wird.149 Die Anspruchsberechtigung mittelbar Betroffener hängt somit untrennbar mit der „passing-on defense“ zusammen, also mit der Frage, ob sich ein Wettbewerbsbeschränker gegen eine Schadensersatzklage mit dem Argument wehren kann, das Vermögen des vorgeblich Geschädigten sei gar nicht mehr beeinträchtigt, weil er die überhöhten Preise ganz oder teilweise auf seine Abnehmer weitergewälzt habe.150 Der Passing-on-Einwand betrifft nur den in der Differenz zwischen Kartell- und hypothetischem Wettbewerbs­ recht aufgrund der Nichtigkeit der Vereinbarung geltend zu machen; siehe Nowak, EuZW 2001, 717, 718. 144 Also nicht das „Ob“, wie dies gelegentlich behauptet wird, sondern nur das „Wie“ [Hervorhebung durch Verf.]. 145  EuGH v. 10.7.1997 – Rs. C-261/95, NZA 1997, 1041 Rn.  27 – Palmisani. 146  Nowak, EuZW 2001, 717: Instrumentalisierung des Einzelnen; Weyer, GRUR Int. 2002, 57, 58 f.; Komninos, CMLR 2002, 447, 479; von Bogdandy/Drexl, Europäisches Verfassungsrecht, 1.  Aufl. 2003, S.  747, 776: Nähe zum Remedy-Ansatz des US-amerikanischen Rechts; Roth, WRP 2013, 257, 261; Dougan/Currie/Andreangeli, 50 Years of the European Treaties, 229 ff.; zur theoretischen Grundlegung siehe Breyer, Kostenorientierte Steuerung des Zivilprozesses, S.  114 ff. 147  Zugegeben sei allerdings, dass der EuGH nach Erwähnung der durch das Unionsrecht begründeten Individualrechte nur noch mit dem „effet utile“ argumentierte. 148  Siehe Teil 5 C. und D. sowie noch nachfolgend Teil 9 B. IV. 149 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  894 ff.; Mohr, Jura 2010, 645, 650. 150  Hartmann-Rüppel/Ludewig, ZWeR 2012, 90 ff.

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preis liegenden Schaden,151 nicht jedoch den entgangenen Gewinn des unmittelbaren Abnehmers, sofern dieser aufgrund des zu hohen Preises bei gleichbleibendem Einkaufsbudget weniger Einheiten der kartellierten Ware erwerben und verarbeiten/verkaufen konnte.152 Ebenfalls nicht erfasst wird ein entgangener Gewinn des unmittelbaren Abnehmers, sofern er den überhöhten Preis nicht an seine Kunden weitergibt oder im Falle der Weitergabe einen Nachfragerückgang akzeptiert. Beide Schadenspositionen lassen sich gerade nicht auf die Folgeabnehmer abwälzen.153 Diese Positionen können somit auf jeden Fall vom direkten Abnehmer geltend gemacht werden. Ein Ausschluss des Passing-on-Einwands käme insbesondere dann in Betracht, wenn man den direkten Abnehmer als den „besseren“ Kläger ansähe und ein solches Argument dem Telos der Unionsvorschriften entspräche.154 Indirekten Abnehmern ist es oftmals schwerer möglich, Rechtsverletzungen durch einen anderen als den eigenen Vertragspartner festzustellen und einen eigenen Überteuerungsschaden nachzuweisen. Beides fällt dem direkten Abnehmer erheblich leichter.155 Dazu kommen Schwierigkeiten bei der zur Feststellung des Schadens notwendigen Berechnung des hypothetischen Marktpreises.156 Demgegenüber spricht für eine Zulassung des Passing-on-Einwands, dass direkte Abnehmer aufgrund ihrer vertraglichen Beziehungen mit dem Wettbewerbsverletzer, also aus unternehmerischen Gründen davon absehen können, Schadensersatz zu verlangen,157 auch wenn die Leitungsorgane eines Unternehmens gesellschaftsrechtlich eigentlich dazu verpflichtet sind. Darüber hinaus kann die Zulassung des Passing-on-Einwands an erhebliche Nachweiserfordernisse zu Lasten des Wettbewerbsbeschränkers geknüpft sein. Auch die EU-Kommission folgt in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie zum Kartell-Schadensersatz – wie wir gesehen haben – einem derartigen Ansatz.158 Die Courage-Entscheidung setzt sich auf den ersten Blick nicht mit diesen Problemen auseinander. Allerdings billigte der EuGH dort Einschränkungen des Schadensersatzanspruchs insoweit, als das Europarecht die innerstaatlichen Gerichte nicht daran hindere, dafür Sorge tragen, dass der Schutz der europarechtlich gewährleisteten Rechte zu keiner ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt.159 Hieraus folgert das Schrifttum, dass die „passing-on defense“ ausgeschlossen werden könne, sofern sie in der Rechtswirk151 

Mohr, Jura 2010, 645, 651.

152 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks,

Art.  81 EG Rn.  898. Dittrich, GRUR 2009, 123. 154 Griller/Eilmansberger/Thyri, Europäische Wirtschaftsverfassung, S.  163, 179. 155  Mohr, Jura 2010, 645, 651. 156  Kießling, GRUR 2009, 733, 734. 157 Dazu K. Westermann in: FS H.P. Westermann, 2008, S.  1605, 1624 ff.; Roth, in: FS Huber, 2006, S.  1133, 1159 ff.; Reich, WuW 2008, 1046, 1050; Schütt, WuW 2004, 1124, 1129. 158  Vgl. Teil 9 B. II. 4. d). 159  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  18, 30 – Courage/Crehan. 153 

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lichkeit dazu führe, dass der unmittelbare Abnehmer keinen eigenen Schadensersatzanspruch habe, wohingegen auf der Ebene der mittelbaren Abnehmer, insbesondere der Verbraucher, eine Streuung der Schäden vorliege, die diese daran hindere, ihre Ansprüche effektiv geltend zu machen.160 Sofern das nationale Recht keine Sammelklagen oder andere Möglichkeiten der gebündelten Geltendmachung von Ersatzansprüchen vorsieht,161 könnte eine volle Gewinnabschöpfung dann vornehmlich über die Verhängung eines Bußgeldes durch die Kartellbehörden erfolgen,162 sofern man den Drittbetroffenen nicht mit prozessualen Mitteln wie einer sekundären Darlegungs- und Beweislast entgegenkommt. e) Individualschutz durch Prävention? Die Mitgliedstaaten sind somit zwar grundsätzlich autonom im Hinblick auf die privatrechtliche Durchsetzung des europäischen Wettbewerbsrechts.163 Aus diesem Grunde wenden die mitgliedstaatlichen Gerichte ihr innerstaatliches Verfahrensrecht an und verhängen die im nationalen Recht vorgesehenen Sanktionen, sofern unionsrechtliche Vorschriften hierüber fehlen.164 Allerdings muss die Anwendung der innerstaatlichen Bestimmungen mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts vereinbar sein.165 So muss das innerstaatliche Recht bei Zuwiderhandlungen gegen das Unionsrecht Sanktionen vorsehen, die „wirksam, angemessen und abschreckend“ sind.166 Die präventive Vermeidung von Rechtsverstößen durch Abwälzung von Schadenskosten auf den Verursacher der Rechtsgutsverletzung (deren „Internalisierung“) gehört zu den ureigenen Funktionen eines individualschützenden Privatrechts.167 Es ist deshalb nicht zutreffend, wenn die Präventionswirkung des Haftungsrechts pauschal mit überindividuell-objektiven Gemeinwohlzielen gleichgesetzt wird.168 Eine „abschreckende“ Verhaltenssteuerung wird grundsätzlich bereits durch einen vollständigen Ausgleich des materiellen und immateriellen Schadens bewirkt 160 Griller/Eilmansberger/Thyri, Europäische Wirtschaftsverfassung, S.   163, 179 mit Fn.  42. Unzutreffend Dück/Eufinger, WRP 2011, 1530, 1534, die anscheinend meinen, das Bereicherungsverbot gelte für den klagenden Drittbetroffenen und nicht für den Kartelltäter. 161  Siehe zur gerichtlichen Geltendmachung von abgetretenen Schadensersatzansprüchen BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 – ORWI; OLG Düsseldorf v. 14.5.2008 – VI-U (Kart) 14/07, WuW/E DE-R 2311 – Zementkartell; EuG v. 15.12.2011 – T-437/08, WuW EU-R 2187 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission. 162  Siehe zur Abschöpfungsfunktion von Bußgeldern noch Teil 9 B. IV. 163  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  29 – Courage/Crehan. 164  Kommission, Zusammenarbeits-Bekanntmachung, Rn.  10. 165  Nowak, EuZW 2001, 715, 718. 166  Kommission, Zusammenarbeits-Bekanntmachung, Rn.  10, unter Verweis auf EuGH v. 21.9.1989 – Rs. 68/88, NJW 1990, 2245 Rn.  23 bis 25 – Kommission/Griechenland. 167 MünchKommBGB/Wagner, Vor §§  823 ff. BGB Rn.  40. 168  A. A. Drefke, Schadensersatz bei Kartellverstößen, S.  26.

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(„Prävention durch Schadensausgleich“).169 Dies schließt es nicht aus, dass höhere Schadenssummen vergleichbar den aus dem US-amerikanischen Recht bekannten „treble damages“ gewährt werden, sofern dies aus sachlichen Gründen wie der nur begrenzten Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Wettbewerbsverstößen begründet erscheint und keine anderweitigen adäquaten Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.170 f) Private Durchsetzung des Regulierungsrechts Die Courage-Entscheidung hat auch Auswirkungen auf die normative Ausgestaltung des Regulierungsrechts.171 Der Staat ist in den regulierten Sektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen nicht nur gehalten, seine Gewährleistungsverantwortung für die gemeinwohlverträgliche Erfüllung von Aufgaben der Daseinsvorsorge durch Private zu erfüllen. Er muss vielmehr in Umsetzung der Courage-Doktrin den Netznutzungspetenten auch das Recht einräumen, ihren Netzzugangsanspruch zu angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen selbst durchzusetzen.172 Die subjektive Berechtigung der von einem Wettbewerbsverstoß betroffenen Marktteilnehmer und Verbraucher folgt somit auch im Regulierungsrecht nicht aus der Wahrnehmung „übergreifender sozialer Belange“,173 sondern zum Schutz der materialen Selbst­ bestimmung der Marktteilnehmer. Neben die öffentliche Rechtsdurchsetzung tritt im Regulierungsrecht somit ebenso wie im Kartellrecht die private Rechtsdurchsetzung.174 Es greift deshalb bei unionsrechtskonformer Auslegung zu kurz, wenn mit Blick auf die nationalen Grundrechte betont wird, nicht jedes Verbraucherinteresse begründe automatisch grundrechtliche Schutzansprüche gegenüber dem Staat auf Gewährung von subjektiven Klagerechten; 175 denn für die spezifische Konstellation der Verletzung von Verbraucherrechten durch Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht und das Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzsektoren ist die Beeinträchtigung der Interessen der Marktteilnehmer normativ zu einem subjektiven Recht verdichtet.176 Folgerichtig haben Betroffene bei einem Verstoß gegen die energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften zum Netzanschluss gem. den §§  17 ff. EnWG und zum Netzzugang zu angemessenen 169  Siehe zum Recht gegen Diskriminierungen Wagner, AcP 206 (2006), 352, 394; Wagner/ Potsch, JZ 2006, 1085, 1088; Bayreuther, NZA 2008, 986, 989 f.; Jacobs, RdA 2009, 193, 194; Stoffels, RdA 2009, 204, 206. 170  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 335. 171  Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 161 f. 172  Vgl. §  27 TKG i. V. mit §  4 4 Abs.  1 TKG, §  32 EnWG, §  14 AEG i. V. mit §  823 Abs.  2 BGB; dazu Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 162. 173  So aber Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 428. 174  Dazu schon Mohr, ZWeR 2011, 383 ff. 175  Durner, VVDStRL 70 (2011), 398, 427 f. 176  Siehe Teil 5 D.

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Bedingungen gem. den §§  20 ff. EnWG nach §  32 Abs.  1 Satz 1, Abs.  3 Satz 1 EnWG Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz. §  32 EnWG verzichtet ebenso wie §  33 GWB auf eine ausdrückliche Normierung des Schutzgesetzerfordernisses; vielmehr stellt §  32 Abs.  1 Satz 3 EnWG klar, dass ein Anspruch auch dann begründet ist, wenn sich der Verstoß nicht gezielt gegen den Anspruchsteller richtet. Anspruchsberechtigt sind danach auch Marktteilnehmer entfernterer Marktstufen. Im Recht der Telekommunikationsregulierung verzichtet §  44 Abs.  1 TKG ebenfalls auf die Normierung eines Schutzgesetzerfordernisses. Hiernach können Verstöße gegen Vorschriften des TKG sowie gegen eine aufgrund des TKG erlassene Rechtsverordnung Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz begründen. Betroffen ist nach §  44 Abs.  1 Satz 3 TKG „jedermann“, der als Endverbraucher oder Unternehmer durch einen Verstoß beeinträchtigt ist. Auch hiernach sind mittelbar Betroffene anspruchsberechtigt. Vergleichbares gilt schließlich für das Eisenbahnregulierungsrecht in unionsrechtskonformer Auslegung des §  823 Abs.  2 BGB i. V. mit den Zugangs- und Entgeltvorschriften des AEG und der EIBV. Dies haben wir uns bereits verdeutlicht.177 2. Die Entscheidung „Manfredi“ (Teil 1) a) Sachverhalt Die Rechtssache „Manfredi“ beinhaltete die erste Entscheidung des EuGH zu sog. Follow-on-Klagen.178 Konkret ging es um die Schadensersatzklage eines Kunden gegen ein Unternehmen, das an einem behördlich sanktionierten Preiskartell beteiligt war.179 Der Sachverhalt wies die Besonderheit auf, dass der Kläger kein Wettbewerber, sondern vielmehr ein Endverbraucher war, der aber direkte Vertragsbeziehungen zu den Kartellbeteiligten unterhielt. Aus diesem Grunde spielte die Problematik der „passing-on defense“ hier keine Rolle,180 mit der Beklagte einwenden, die als Händler oder Weiterverarbeiter auftretenden (Follow-on-)Kläger hätten keinen eigenen Schadensersatzanspruch, weil sie den vermeintlich überhöhten Einstandspreis an ihre Kunden weitergereicht hätten.181 Unerheblich war im Manfredi-Urteil auch die Berechnung des Scha-

177 

Siehe Teil 7. C. IV. Lübbig, EuZW 2006, 536. Vgl. Art.  16 VO Nr.  1/2003; §  33 Abs.  4 GWB; Art.  9 des Richtlinienentwurfs zu wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzklagen. 179  Siehe den Sachverhalt von EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 – Manfredi. 180  A. A. Roth, WRP 2013, 257, 262, der aus den Vorgaben des EuGH für die Berechnung des Schadensersatzes (dazu sogleich) die Relevanz der „passing-on defense“ ableitet. 181  Lübbig, EuZW 2006, 536. 178 

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dens, da die nationale Kartellbehörde in ihrer Entscheidung rechtskräftig eine 20%-ige Überhöhung der Einstandspreise festgestellt hatte.182 b) Wettbewerbsrecht als Bestandteil der öffentlichen Ordnung der Union Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Art.  81 und 82 EG (Art.  101 und 102 AEUV) für die Erfüllung der Aufgaben der Union unerlässliche Vorschriften darstellen,183 die der öffentlichen Ordnung zuzurechnen seien und von den nationalen Gerichten von Amts wegen angewandt werden müssten.184 Die europäischen Wettbewerbsregeln sind also auch Bestandteil der nationalen öffentlichen Ordnungen.185 Dies ist für die These vom Wertungsgleichklang zwischen Wettbewerbsrecht und Privatrecht besonders wichtig; denn vor diesem Hintergrund kann eine Vereinbarung, die gegen die Art.  101 f. AEUV verstößt, nicht nur gem. §  134 BGB unwirksam sein, sondern auch gem. §  138 BGB wegen Verstoßes gegen den wirtschaftlichen ordre public.186 Individual- und Institutionenschutz stehen somit in keinem Gegensatz. Vielmehr stattet das Unionsrecht die Individuen gerade deshalb mit subjektiven Rechten aus, weil der dadurch in Gang gesetzte und geschützte freie Wettbewerbsprozess (als Teil der öffentlichen Ordnung) langfristig die bestmögliche Versorgung der Verbraucher mit Gütern und Dienstleistungen sichert. c) Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz Der EuGH war vom vorlegenden Gericht gefragt worden, ob „jeder[mann]“ die Nichtigkeit eines nach Art.  81 EG (Art.  101 AEUV) verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen und Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen könne, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Kartell bzw. dem abgestimmten Verhalten und dem Schaden bestehe.187 Diese Nachfrage war erforderlich, weil die Courage-Entscheidung aufgrund ihres atypischen Klagegegenstands von Teilen des Schrifttums restriktiv interpretiert worden war: Das Jedermann-Erfordernis betreffe lediglich den Vertragspartnerschutz und nicht den Drittschutz mittelbar Geschädigter.188 Das Manfredi-Urteil stellte klar, 182 

Lübbig, EuZW 2006, 536. für Art.  81 EG ausdrücklich EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  49 – T-Mobile-Netherlands. 184  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  31 – Manfredi. Ebenso bereits EuGH v. 1.6.1999 – Rs. C-126/97, EuZW 1999, 565 Rn.  36 f. – Eco Swiss China/Benetton, zur Kartellrechtsanwendung auf die nationale Schiedsgerichtsbarkeit; Kommission, Zusammenarbeits-Bekanntmachung, Rn.  3. Siehe auch Eilmansberger, SchiedsVZ 2006, 5, 6 und 9, der die Art.  101 f. AEUV als Bestandteil des internationalen und damit auch für Drittstaatensachverhalte relevanten ordre public begreift. 185  Mestmäcker/Schweitzer, Europäisches Wettbewerbsrecht, §  2 2 Rn.  2. 186  Siehe noch Teil 10 B. 187  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  53 ff. – Manfredi. 188  Koch, WuW 2005, 1210, 1220; Lübbig, WRP 2004, 1254, 1256; Roth, in: FS Huber, 183 So

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

dass die Jedermann-Rechtsprechung auch die Anspruchsberechtigung von an der Kartellbildung unbeteiligten Verbrauchern betrifft.189 Bei Verstößen gegen die europäischen Wettbewerbsvorschriften ist es hiernach unzulässig, die Anspruchsberechtigung Drittbetroffener durch eine restriktive Interpretation der nationalen Anspruchsgrundlagen zu beschränken: 190 „Was die Möglichkeit angeht, Ersatz des Schadens zu verlangen, der durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten verursacht worden ist, so wären die volle Wirksamkeit des Art.  81 EG und insbesondere die praktische Wirksamkeit des Verbots des Art.  81 Abs.  1 EG beeinträchtigt, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen solchen Vertrag oder durch ein solches Verhalten entstanden ist [. . .]. Infolgedessen kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art.  81 EG verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht.“

Zu klären war außerdem, ob das nationale Gericht bei einem Verstoß gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen auch Strafschadensersatz verhängen müsse. Der EuGH nahm dies zum Anlass, allgemeine Vorgaben für das gerichtliche Verfahren und die Vorschriften zur Berechnung der Schadensersatzleistungen zu machen: 191 „Was die Zuerkennung von Schadensersatz und die eventuelle Gewährung von Strafschadensersatz betrifft, so ist die Bestimmung der Kriterien für die Ermittlung des Umfangs des Schadensersatzes in Ermangelung einschlägiger Gemeinschaftsvorschriften Aufgabe des innerstaatlichen Rechts des einzelnen Mitgliedstaats, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu beachten sind. Nach dem Äquivalenzgrundsatz muss ein besonderer Schadensersatz wie der exemplarische oder Strafschadensersatz im Rahmen der auf das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft gegründeten Klagen gewährt werden können, wenn er im Rahmen vergleichbarer, auf das innerstaatliche Recht gegründeter Klagen zugesprochen werden kann [. . .].192 Nach ständiger Rechtsprechung hindert das Gemeinschaftsrecht die innerstaatlichen Gerichte jedoch nicht daran, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der gemeinschaftsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt [. . .]. Aus dem Effektivitätsgrundsatz und dem Recht einer jeden Person auf Ersatz des Schadens, der ihr durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten entstanden ist, folgt, dass ein Geschädigter nicht nur Ersatz des Vermögensschadens (damnum emergens), sondern auch des entgangenen Gewinns (lucrum cessans) sowie die Zahlung von Zinsen verlangen können muss. 2006, S.  1133, 1149; Glöckner, WRP 2007, 490, 500; K. Schmidt, in: FS Canaris I, S.  1175, 1184 f.; siehe auch LG Mannheim v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182, 183 – Vitaminkartell; LG Mainz v. 15.1.2004 – 12 KO O 56/02, WuW 2004, 1179. 189  Nachfolgendes Zitat bei EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  60 ff. – Manfredi. 190  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  53. 191  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  83 ff. – Manfredi. 192  Der EuGH sieht die Verhängung von Strafschadensersatz also nicht als unzulässigen Verstoß gegen den europäischen ordre public an.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Der entgangene Gewinn darf nämlich bei einem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht nicht vollständig vom ersatzfähigen Schaden ausgeschlossen werden, da andernfalls insbesondere bei Rechtsstreitigkeiten wirtschaftlicher oder kommerzieller Natur ein Ersatz des Schadens tatsächlich unmöglich sein könnte [. . .].“

An diese Ausführungen knüpft die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie zum Schadensersatz bei Wettbewerbsverstößen an, wenn sie in dessen Art.  2 betont, dass „jedermann“ Anspruch auf vollen Schadensersatz habe.193 Nach deutschem allgemeinem Zivilrecht scheint dies eine Selbstverständlichkeit. Allerdings wurde die deliktische Anspruchsberechtigung mittelbar Kartellbetroffener über Jahrzehnte hinweg unter Berufung auf vermeintlich institutionelle Gesichtspunkte wie die notwendige Rechtssicherheit [für die Kartelltäter?] in Abrede gestellt. Darauf ist zurückzukommen. d) Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender (Folge-)Verträge Im Manfredi-Urteil stellte der EuGH – in Anlehnung an seine Ausführungen in „Courage“194 – weiterhin fest, dass Drittbetroffene gem. Art.  81 Abs.  2 EG (Art.  101 Abs.  2 AEUV) die Nichtigkeit von gegen Art.  81 Abs.  1 EG (Art.  101 Abs.  1 AEUV) verstoßenden Verträgen geltend machen können.195 Diese Klarstellung war wie gesehen erforderlich, da in einigen Mitgliedstaaten die Reichweite der Courage-Doktrin vor dem Hintergrund ihres spezifischen Sachverhalts zunächst institutionell-einschränkend interpretiert worden war. Der EuGH wiederholt zunächst im Wesentlichen die Ausführungen aus der Courage-Entscheidung: 196 „Nach Art.  81 Abs.  2 EG sind nach Art.  81 EG verbotene Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig. Nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht diese Nichtigkeit, die von jedem geltend gemacht werden kann, zu beachten, sofern der Tatbestand des Art.  81 Abs.  1 EG erfüllt ist und die betroffene Vereinbarung die Gewährung einer Freistellung gem. Art.  81 Abs.  3 EG nicht rechtfertigen kann [. . .]. Da die Nichtigkeit nach Art.  81 Abs.  2 EG absolut ist, erzeugt eine nach dieser Vorschrift nichtige Vereinbarung zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen und kann Dritten nicht entgegengehalten werden [. . .]. Darüber hinaus erfasst diese Nichtigkeit die betroffenen Vereinbarungen oder Beschlüsse in allen ihren vergangenen oder zukünftigen Wirkungen [. . .]. Zudem erzeugt Art.  81 Abs.  1 EG [. . .] in den Beziehungen zwischen Einzelnen unmittelbare Wirkungen und lässt in deren Person Rechte entstehen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben.“197 193  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen; siehe schon oben Teil 9 B. II. 4. d). 194  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  2 2 – Courage/Crehan. 195  Die Nichtigkeit folgt aus dem Unionsrecht, weshalb – anders als bei Verträgen, die gegen Art.  102 AEUV verstoßen – kein Rückgriff auf §  134 BGB notwendig ist; vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  37. 196  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  56 ff. – Manfredi. 197 Hervorhebung durch den Verf. Schon vor der „Privatisierung“ des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen durch unmittelbare Anwendung des Absatzes 3 in

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Zusammenfassend stellte der EuGH fest: „Daraus folgt, dass sich jeder[mann] vor Gericht auf einen Verstoß gegen Art.  81 EG berufen [. . .] und somit die Nichtigkeit eines nach dieser Bestimmung verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen kann.“198

Diese Ausführungen müssen in Zusammenhang mit denjenigen zur deliktsrechtlichen Befugnis jedes von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Drittbetroffenen („jedermann“) gesehen werden, einen normativ-kausal auf die Wettbewerbsbeschränkung zurückzuführenden Schaden zu liquidieren, auch wenn es sich um keine Person der unmittelbaren Marktgegenseite, sondern um eine solche auf entfernteren Marktstufen handelt.199 Denn der EuGH ist vom vorlegenden Gericht in „Manfredi“ nicht isoliert nach der deliktischen Berechtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz, sondern zugleich gefragt worden, ob „jeder“ auch die Nichtigkeit eines nach Art.  81 EG verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen könne, ob also die deliktischen Rechtsbehelfe auch vergleichbare Wirkungen auf vertragliche Sachverhalte haben können.200 Der EuGH hat hierauf geantwortet, dass sich Drittbetroffene immer dann auf die Nichtigkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung berufen können, wenn sie von ihr negativ betroffen sind („jeder“). Dies sind in der Rechtswirklichkeit vor allem die unmittelbaren Folgevertragspartner, da sich in diesen Verträgen die Wettbewerbsbeschränkung regelmäßig manifestiert. Im Hinblick auf die Problematik der Nichtigkeit der Folgeverträge hatte der EuGH freilich in der Entscheidung „Société de Vente de Ciments et Betons“ aus dem Jahr 1983 – also ungefähr 18 Jahre vor der mit der Courage-Entscheidung einsetzenden Private-enforcement-Bewegung – betont, dass sich die Nichtigkeit nach Art.  85 Abs.  2 EGV (Art.  101 Abs.  2 AEUV) nur auf die mit Art.  85 Abs.  1 EGV (Art.  101 Abs.  1 AEUV) unvereinbaren vertraglichen Bestimmungen erstrecke: „Die Auswirkungen dieser Nichtigkeit auf die übrigen Bestandteile des Vertrages, auf die aufgrund des Vertrages etwa erteilten Aufträge und durchgeführten Lieferungen sowie auf die daraus folgenden Zahlungsverpflichtungen sind nicht nach Gemeinschaftsrecht zu beurteilen. Über diese Auswirkungen hat das nationale Gericht nach seinen eigenen Rechtsvorschriften zu entscheiden.“201

Vor diesem Hintergrund gehen Teile des Schrifttums davon aus, dass die nationalen Rechtsordnungen anders als bei Ansprüchen auf Schadensersatz nicht Zivilverfahren stufte der EuGH die Absätze 1 und 2 als subjektive Rechte ein; vgl. dazu auch Mäsch, EuR 2003, 825, 833 f. 198  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  59– Manfredi [Hervorhebung durch Verf.]. 199  Siehe zuvor Teil 9 B. III. 2. c). 200  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  53 ff. – Manfredi. 201  EuGH v. 14.12.1983 – Rs. 319/82, Slg. 1983, 1473 Rn.  11– Société de Vente de Ciments et Betons/Kerpen & Kerpen.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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notwendig eine (Teil-)Nichtigkeit von Folgeverträgen statuieren müssten, 202 obwohl die Nichtigkeit für die private Durchsetzung des Wettbewerbsrechts von großer Bedeutung ist, schon weil sie nach deutschem Recht unabhängig vom Verschulden des Wettbewerbsverletzers eintritt. 203 Auf den ersten Blick scheint hieran auch die Manfredi-Entscheidung nichts geändert zu haben, soweit der EuGH dort ausführt, die Nichtigkeit eines gegen das Kartellverbot verstoßenden Vertrages könne von jedermann geltend gemacht werden, da dies – anders als in „Société de Vente de Ciments et Betons“ – scheinbar keine Aussage zur Reichweite der Nichtigkeit beinhaltet, also zur Frage, ob sich die Nichtigkeit auf wettbewerbsbeschränkende Klauseln, auf diese und den gesamten Restvertrag, auf Ausführungsverträge oder sogar auf Folgeverträge erstreckt. Eine solche Interpretation würde den Kern der Ausführungen des Gerichtshofs verfehlen; denn dieser führt in „Manfredi“ zugleich aus, dass die Nichtigkeit „die betroffenen Vereinbarungen [. . .] in allen ihren vergangenen oder zukünftigen Wirkungen“ erfasst, weshalb die Vereinbarungen Dritten insoweit nicht entgegen gehalten werden können.204 Diese Rechtsprechung wurde zwar in Zusammenhang mit der zeitlichen Reichweite der Nichtigkeit unabhängig von ihrer Geltendmachung entwickelt.205 Sie kann jedoch angesichts der nachfolgenden Feststellung des Gerichts, wonach sich „jeder vor Gericht auf einen Verstoß gegen Art.  81 EG berufen [. . .] und somit die Nichtigkeit eines nach dieser Bestimmung verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen kann“,206 nicht auf zeitliche Aspekte begrenzt werden, sondern erfasst auch den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich der Wettbewerbsregeln. Hierfür spricht auch, dass sich die „künftigen Wirkungen“ der Wettbewerbsbeschränkung entsprechend dem Schutzzweck des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen nur auf negative Drittwirkungen u. a. gegenüber Folgevertragspartnern beziehen können.207 Die Ausführungen legen somit nahe, dass alle Personen, die von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffen sind, weil sich die Beschränkung in einem Vertrag mit dem Wettbewerbsverletzer manifestiert, auch die (Teil-)Nichtigkeit des Vertrages geltend machen können.

202 Siehe zur unterschiedlichen Handhabung in den EU-Mitgliedstaaten Grabitz/Hilf/ Nettesheim/Stockenhuber, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  237. 203  So ist im Rahmen des Art.  101 Abs.  1 AEUV die wettbewerbsbeschränkende Absicht eines Unternehmens kein notwendiges, wenn auch ein ausreichendes Indiz für eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung, vgl. EuGH v. 14.3.2013 – Rs. C-32/11 Rn.  36 f. – Allianz Hungária u. a. 204  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  57 – Manfredi [Hervorhebung durch Verf.]. 205  EuGH v. 6.2.1973 – 48/72, Slg. 1973, 77 Rn.  26 f. – Brasserie de Haecht II. 206  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  59 – Manfredi [Hervorhebung durch Verf.]. 207  Siehe zum drittschützenden Zweck des Kartellverbots oben Teil 5 C. II.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Noch deutlicher wird dieses Ergebnis mit Blick auf Leitsatz 2 der Manfredi-Entscheidung, da das Gericht dort explizit eine Verbindung zwischen der Jedermann-Rechtsprechung zum Schadensersatz und der Berechtigung zur Geltendmachung der Nichtigkeit von „jedem“ herstellt: „Art.  81 EG ist dahin auszulegen, dass jeder die Nichtigkeit eines nach dieser Bestimmung verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen und Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen kann, wenn zwischen diesem und dem Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht.“ 208

Spätestens wegen des Leitsatzes 2 der Manfredi-Entscheidung kann somit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Unionsrecht keine Ausführungen zur Nichtigkeit von Folgeverträgen mit Drittbetroffenen enthalte, weshalb diese allein nach nationalem Recht zu beurteilen seien.209 Es hat nämlich nicht nur „jeder“ von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ (Dritt-)Betroffene einen deliktischen Anspruch auf Ersatz der ihm kausal entstandenen Schäden. Er kann vielmehr auch die Unwirksamkeit derjenigen Vertragsbestandteile geltend machen, in denen die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung fortwirkt, im Sinne der vom EuGH betonten „zukünftigen Wirkungen“ der Wettbewerbsbeschränkung.210 Mit Blick auf die Manfredi-Entscheidung lesen sich auch die Ausführungen im Courage-Urteil in einem anderen Licht.211 In dieser hatte der beklagte Wirt (als Partei des Kartellvertrages) die Nichtigkeit desselben eingewandt und darauf aufbauend – widerklagend – Schadensersatz verlangt. Beide Rechtsbehelfe hingen somit zusammen. Der EuGH führte diesbezüglich nicht nur aus, dass das Kartellverbot eine grundlegende Bestimmung der Gemeinschaft [Union] sei, deren Bedeutung sich u. a. darin ausdrücke, dass die „nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind“, 212 sondern auch, dass die Nichtigkeit von jedermann geltend gemacht werden könne und absolut in dem Sinne sei, dass sie „zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen“ erzeuge und „Dritten nicht entgegengehalten werden“ könne.213 Das Kartellverbot begründe in der Person der von der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung negativ Betroffenen subjektive Rechte, weshalb ein Einzelner berechtigt sei, sich auf einen Verstoß zu berufen, „auch wenn er Partei eines Vertrages“ sei, „der den Wettbewerb im Sinne dieser Vorschrift beschränken oder verfälschen 208  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 LS 2 – Manfredi [Hervorhebung durch Verf.]. 209 So aber Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger, Art.   81 Abs.   2 EG Rn.   24; MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.   81 EG Rn.   814; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  35. 210  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  57 – Manfredi. 211  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  20 ff. – Courage/Crehan. 212  Wann dies der Fall ist, sagt der EuGH damit nicht. 213  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  2 2 – Courage/Crehan [Hervorhebung durch Verf.].

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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kann“.214 Es können somit – so der Umkehrschluss – auch Personen die Unwirksamkeit eines wettbewerbsbeschränkenden Vertrages geltend machen, die nicht Partei desselben sind. Eben dies sind jedoch – und hier kommt die Manfredi-Entscheidung ins Spiel – die Folgevertragspartner. Diese können hiernach zum einen die Nichtigkeit des eigentlichen Kartellvertrages (im engeren Sinne) einwenden. Da ein solches Recht für die Drittbetroffenen bei Wirksamkeit der Folgeverträge ohne praktischen Wert wäre, erfasst die unionsrechtlich angeordnete Nichtigkeit zum anderen auch Folgeverträge, soweit ein Vertragsbestandteil kausal auf der Wettbewerbsbeschränkung beruht.215 Anders als die Befugnis auf Schadensersatz, für die es derzeit keine unionsrechtliche Anspruchsgrundlage gibt, ist die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen im Unionsrecht in ihren Grundlagen also selbst geregelt, und zwar in Art.  101 Abs.  2 AEUV. Aus diesem Grunde ist davon auszugehen, dass sich die Ausführungen zum Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz in Leitsatz 2 der Man­ fredi-Entscheidung allein auf Ansprüche auf Schadensersatz bezogen haben. Dies ist hier nicht weiter zu vertiefen. e) Zusammenfassende Bewertung Aus der Sicht der Private-enforcement-Bewegung ist das Manfredi-Urteil ambivalent: 216 Einerseits stärkt die Manfredi-Entscheidung die subjektiven (Klage-)Rechte Drittbetroffener, insbesondere der Endverbraucher. Andererseits erteilte der EuGH der im Anschluss an die Courage-Entscheidung aufgekommenen Ansicht eine Absage, bei Verletzungen von wettbewerbsrechtlichen Vorschriften fordere das Unionsrecht selbst einen Schadensersatzanspruch.217 Die Kommission bewertete die Entscheidung deshalb als Rückschlag im Hinblick auf ihre Bestrebungen, die Rechtsfolgen von Verstößen gegen die europäischen Wettbewerbsvorschriften zu vereinheitlichen. 218 Hierzu hat sie mit ihrem Richtlinienvorschlag vom Juni 2013 einen neuen Anlauf unternommen. Freilich hat die Fundierung des Ersatzanspruchs im europäischen oder im nationalen 214  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  23 f. – Courage/Crehan [Hervorhebung durch Verf.]; die Ausführungen wurden vom EuGH im Hinblick auf die Frage des vorlegenden britischen Gerichts gemacht, ob ein am Kartell Beteiligter als Partei der rechtswidrigen Vereinbarung keinen Schadensersatz fordern könne (Rn.  11). 215  Siehe dazu noch Teil 9 D. VI. 216 Vgl. Lübbig, EuZW 2006, 536, 537. 217 Zust. Afferni/Bulst, ZEuP 2005, 143, 156 f.; Brinker/Balssen in: FS Bechtold, 2006, S.  69, 72 f.; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 476; K. Schmidt, ZEuP 2004, 881, 884; Weyer, GRUR Int. 2002, 57, 58; ders., ZEuP 2003, 318, 321, 324 f.; Wurmnest, RIW 2003, 896, 897; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  41; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  327. Für einen „eigenständigen europäischen Anspruch“ sind Jones, Private Enforcement, S.  151 f.; Keßler, VuR 2007, 41, 44; Komninos, CMLR 2002, 447, 449; Mäsch, EuR 2003, 825, 841 f.; Nowak, EuZW 2001, 717, 718; Reich, CMLR 42 (2005), 35, 41; Winterstein, ECLR 1995, 49, 50. 218 So Lübbig, EuZW 2006, 536, 537.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Recht vornehmlich dogmatische Relevanz; denn beide Ansätze nehmen letztlich das nationale Recht zum Ausgangspunkt.219 Bedeutsam ist die Manfredi-Entscheidung – was häufig übersehen wird – auch für den Einwand Drittbetroffener, gegen das Wettbewerbsrecht verstoßende Vertragsbestandteile – etwa ein antikompetitiv überhöhtes Entgelt – seien unwirksam; denn bei den entsprechenden Verträgen handelt es sich um Folgeverträge, die von den Beteiligten eines Kartells mit unbeteiligten Dritten geschlossen werden.220 Diese Folgeverträge können nach der Manfredi-Entscheidung nicht mehr als voll gültig behandelt werden. Anders als der Schadensersatzanspruch ergibt sich die Nichtigkeit dabei aus dem Unionsrecht selbst, namentlich aus Art.  101 Abs.  2 AEUV.221 3. Die Entscheidung „T-Mobile-Netherlands“ In „T-Mobile-Netherlands“ aus dem Jahr 2009222 ging es um die Frage, wann in Abgrenzung zur ebenfalls tatbestandsmäßigen „Vereinbarung“ und vor allem zum erlaubten „bewussten Parallelverhalten“ eine abgestimmte Verhaltensweise im Sinne des Art.   81 Abs.   1 EG (Art.   101 Abs.   1 AEUV) vorliegt.223 Als Richtschnur dient grundsätzlich das sog. Selbstständigkeitspostulat.224 Der Verbotstatbestand ist hiernach erfüllt, wenn sich selbstständige Unternehmen gegenseitig über ihr zukünftiges Verhalten am Markt unterrichten, da hierdurch die mit dem Verhalten am Markt verbundenen Risiken des Wettbewerbs zu Lasten anderer Marktteilnehmer ausgeschaltet werden. In diesem Zusammenhang war zu klären, ob nicht nur eine bewirkte, sondern auch eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung die Prüfung der konkreten Marktgegebenheiten, des Marktverhaltens der beteiligten Unternehmen und der Auswirkungen auf den Wettbewerb erfordert, 225 wie dies im Rahmen des „more economic approach“ postuliert worden war.226 Nach überzeugender Ansicht des EuGH verfolgt eine abgestimmte Verhaltensweise schon dann einen wettbewerbswidrigen Zweck, wenn sie aufgrund ihres Inhalts und Zwecks und unter Berücksichtigung ihres 219  Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  202 f., wonach die einheitliche Anwendung des Unionsrechts durch einen europäischen Schadensersatzanspruch nicht befördert werde (S.  204 ff.). 220  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  23. 221  A. A. Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  6 : nur die „Mindestfolgen einer privatrechtlichen Nichtigkeit“ könnten dem Unionsrecht entnommen werden. 222  EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 – T-Mobile-Netherlands. 223  Emmerich, JuS 2009, 1156 f. 224  EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  32 – T-Mobile-Netherlands; wir hatten dieses schon beim Schutzzweck der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen behandelt; siehe Teil 5 C. II. 1. b). 225  Hierbei handelt es sich um verschiedene Voraussetzungen, vgl. EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  28 – T-Mobile-Netherlands. 226  Siehe Teil 5 B.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhangs konkret geeignet ist, zu einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs zu führen.227 Es ist deshalb weder erforderlich, dass der Wettbewerb tatsächlich verhindert, eingeschränkt oder verfälscht wird, noch ist es notwendig, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem abgestimmten Verhalten und den Verbraucherpreisen besteht.228 Darüber hinaus bekräftigte der EuGH unter 81 EG (Art.   101 Bezugnahme auf die Entscheidung „Manfredi“, dass Art.   AEUV) unmittelbare Wirkungen in den Beziehungen zwischen Einzelnen erzeugt und unmittelbar in deren Person Rechte entstehen lässt, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben, weshalb die Vorschrift zur öffentlichen Ordnung gehört.229 In dieser Rechtsprechung kommt zum Ausdruck, dass sich die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen auf die vom Wettbewerb ausgehenden Wechselwirkungen zwischen den Marktbeteiligten beziehen und sie vor unangemessenen Beschränkungen der materialen Selbstbestimmung schützen.230 4. Die Entscheidung „Otis“ In seinem Urteil „Otis“ vom 6.11.2012 befasste sich der EuGH mit spezifischen Problemen des „private enforcement“ durch die öffentliche Hand.231 In dem Verfahren ging es um eine Klage der Kommission vor einem nationalen Gericht auf Ersatz eines der Europäischen Union aus einem wettbewerbswidrigen Verhalten mehrerer Unternehmen entstandenen Schadens.232 Die Besonderheit dieser Konstellation lag darin, dass die Kommission als die primär für die administrative Durchsetzung der Art.  101 Abs.  1 und 102 AEUV zuständige Behörde das dem Verfahren zugrunde liegende Kartell von Herstellern von Aufzügen und Fahrtreppen zuvor auf der Grundlage der VO Nr.  1/2003 sanktioniert hatte.233 Die Union war von dem Kartell zugleich selbst betroffen, da sie dem Unternehmen Otis mehrere Aufträge für Einbau, Wartung und Erneuerung von Aufzügen und Fahrtreppen in ihren Gebäuden vergeben hatte.234 Gegen die nach Art.  23 Abs.  2 VO Nr.  1/2003 verhängte Bußgeldentscheidung in Höhe 227 

Siehe Teil 5 C. II. 1. c). EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 LS 1 – T-Mobile-Netherlands. 229  EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  49 – T-Mobile-Netherlands. 230  Mestmäcker, ZWeR 2010, 1, 11. 231  EuGH v. 6.11.2012 – Rs. C-199/11, WRP 2013, 52 – Europese Gemeenschap/Otis; siehe dazu Landbrecht, EuZW 2013, 28, 29; Nowak, FN-EU 12 v. Dez. 2012, S.  1, 3 ff.; Roth, WRP 2013, 257, 262 mit Fn.  72. 232  Privatklagen der öffentlichen Hand können nicht nur von der EU, sondern auch von den Mitgliedstaaten angestrengt werden; vgl. Landbrecht, EuZW 2013, 28, 29. 233  Nowak, FN-EU 12 v. Dez. 2012, S.  1, 3. 234  Siehe den Sachverhalt von EuGH v. 6.11.2012 – Rs. C-199/11, WRP 2013, 52 – Euro­pese Gemeenschap/Otis. 228 

694

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

von insgesamt über 992 Millionen Euro legten die betroffenen Unternehmen mehrere Nichtigkeitsklagen im Sinne des Art.  263 Abs.  4 AEUV ein, die vom Gericht der Europäischen Union weitgehend abgewiesen worden sind.235 Das Verfahren wich somit von der in der Praxis bislang üblichen zweistufigen Verfahrensweise in Private-enforcement-Sachverhalten ab.236 Normaler Weise ermittelt die Kommission in einem ersten Schritt im Rahmen des „public enforcement“ und führt hiernach ein Kartellverwaltungsverfahren durch. Erst auf der Basis dieser Entscheidung strengen die privaten Kläger sodann Follow-on-Schadensersatzprozesse an, um dadurch ihre Nachweisschwierigkeiten zu minimieren. Eine auf der 1. Stufe ergangene Entscheidung der Kommission wird ausschließlich durch die Unionsgerichte überprüft.237 Wird die Entscheidung bestandskräftig, ist sie in anschließenden zivilprozessualen Verfahren von den Gerichten der Mitgliedstaaten nach Art.  16 VO Nr.  1/2003 zu beachten.238 Art.  16 VO Nr.  1/2003 sieht somit eine weitreichende Bindungswirkung der nationalen Gerichte an erlassene oder beabsichtigte Entscheidungen der Kom­ mission über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen nach Art.  81, 82 EG (Art.  101, 102 AEUV) vor. Die Vorschrift diente als Vorbild für die von §  33 Abs.  4 GWB angeordnete Tatbestandswirkung.239 Der EuGH stellte zunächst fest, dass die Kommission befugt sei, die Union vor dem nationalen Gericht zu vertreten.240 Er führte sodann aus: 241 „Der Gerichtshof hat bereits hervorgehoben, dass sich jeder vor Gericht auf einen Verstoß gegen Art.  81 EG berufen und somit die Nichtigkeit eines nach dieser Bestimmung verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen kann [. . .]. Was insbesondere die Möglichkeit angeht, Ersatz des Schadens zu verlangen, der durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder ein entsprechendes Verhalten verursacht worden ist, ist zu beachten, dass die volle Wirksamkeit des Art.  81 EG und ins235  EuG v. 13.7.2011 – Rs. T-138/07, BeckRS 2011, 81120 – Schindler Holding u. a./Kommission; EuG v. 13.7.2011 – Rs. T-141/07 u. a., BeckEuRS 2011, 576755 – General TechnicOtis/Kommission; EuG v. 13.7.2011 – Rs. T-144/07 u. a., BeckEuRS 2011, 576763 – ThyssenKrupp Liften Ascenseurs/Kommission; EuG v. 13.7.2011 – Rs. T-151/07, BeckRS 2012, 82573 – Kone u. a./Kommission. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel wurden z. T. aus dem Register gestrichen bzw. abgewiesen, andere sind beim EuGH anhängig; siehe EuGH v. 6.11.2012 – Rs. C-199/11, WRP 2013, 52 – Europese Gemeenschap/Otis; siehe dazu Nowak, FN-EU 12 v. Dez. 2012, S.  1, 4. 236  Landbrecht, EuZW 2013, 28. 237  Eine entsprechende Rüge der Beklagten im Hinblick auf die vermeintlich nicht bestehende Unabhängigkeit des EuGH wurde von diesem zurückgewiesen; EuGH v. 6.11.2012 – Rs. C-199/11, WRP 2013, 52 Rn.  6 4 – Europese Gemeenschap/Otis. 238  Landbrecht, EuZW 2013, 28. 239 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, §  33 GWB Rn.  74; Teil 9. B. I. 240  Art.  282 EG [Art.  335 AEUV], vgl. EuGH v. 6.11.2012 – Rs. C-199/11, WRP 2013, 52 Rn.  27 ff. – Europese Gemeenschap/Otis. 241  EuGH v. 6.11.2012 – Rs. C-199/11, WRP 2013, 52 Rn.  40 ff. – Europese Gemeenschap/ Otis; siehe auch schon EuGH v. 20.9. 2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  27 – Courage/Crehan.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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besondere die praktische Wirksamkeit des Verbotes in Art.  81 Abs.  1 EG beeinträchtigt wären, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen solchen Vertrag oder durch ein solches Verhalten entstanden ist [. . .]. Ein solcher Anspruch erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und ist geeignet, von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können. Aus dieser Sicht können Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union beitragen [. . .]. Infolgedessen kann jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art.  81 EG verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht [. . .]. Dieses Recht steht somit auch der Union zu.“

Mit der damit festgestellten Zivilklagebefugnis der Kommission im Namen der Europäischen Union betrat der Gerichtshof zwar formal gesehen Neuland. Die Entscheidung war angesichts der Courage-Rechtsprechung und der in Art.  47 EUV normierten Rechtspersönlichkeit der Union jedoch folgerichtig. 242 Die Otis-Entscheidung zeigte erneut, welch hohe Bedeutung ein effektives „private enforcement“ des europäischen Wettbewerbsrechts hat.243 Darüber hinaus präzisierte sie die Dogmatik des unionsrechtlich geforderten Schadensersatzanspruchs und der Aufgabenteilung zwischen nationalen Gerichten und Unionsgerichten im Allgemeinen sowie die Anforderungen, die an Private-enforcement-Klagen der öffentlichen Hand zu stellen sind, im Besonderen. Es ist zu erwarten, dass derartige Klagen die praktische Wirksamkeit der europäischen Wettbewerbsvorschriften erhöhen werden.244 So sind Staaten im Regelfall nicht nur durchsetzungsfähiger, sondern aufgrund ihrer Nachfragemacht auch resistenter gegen Vergeltungsaktionen der Kartelltäter („Ross-und-Reiter-Pro­ blem“).245 Darüber hinaus ist die Schadensberechnung bei der öffentlichen Hand weniger kompliziert als bei Privaten, da diese oft als Endabnehmer der Produkte auftritt, weshalb kein „passing-on“ zu beurteilen ist. Hierauf ist in Zusammenhang mit der ORWI-Entscheidung des BGH zurückzukommen.

242 

Nowak, FN-EU 12 v. Dez 2012, S.  1, 6. Landbrecht, EuZW 2013, 28; ebenso – im Ergebnis freilich eher skeptisch – Berg/Mudrony, LMK 2013, 341710. Zu den weiteren durch die Otis-Entscheidung aufgeworfenen Fragestellungen wie der Möglichkeit eines Informationsvorsprungs der Kommission gegenüber anderen Privatklägern und der Aufgabenverteilung zwischen Kommission und Unionsgerichten siehe Nowak, FN-EU 12 v. Dez. 2012, S.  1, 7 f. 244  Landbrecht, EuZW 2013, 28, 29. 245  Siehe hierzu in Zusammenhang mit der Verbandsklagebefugnis des §  33 Abs.  2 GWB das LG Köln v. 26.6.2009 – 90 O 19/09, GRUR-RR 2010, 124, 125. 243 

696

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

IV. Zielkonflikte zwischen private und public enforcement – am Beispiel der Akteneinsicht in Kronzeugenunterlagen 1. Problemstellung Die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts erfolgt de lege lata nicht nur öffentlich-rechtlich, sondern auch privatrechtlich. „Public enforcement“ und „private enforcement“ stehen zueinander in einem Verhältnis von Abhängigkeiten und Spannungen, die sich auf vielfältige Weise äußern können. 246 So bestimmt etwa Art.  16 VO Nr.  1/2003, dass die mitgliedstaatlichen Gerichte, sofern sie im System der parallelen Anwendung der unionsrechtlichen Kartell- und Missbrauchsverbote über Vereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zu befinden haben, die bereits Gegenstand einer Entscheidung der Kommission waren, keine Entscheidungen erlassen dürfen, die dieser Entscheidung zuwiderlaufen.247 Das deutsche Recht enthält mit §  33 Abs.  4 GWB eine vergleichbare Vorschrift, die sogar noch insoweit über Art.  16 VO Nr.  1/2003 hinausgeht, als das Zivilgericht nicht nur an die Feststellung eines Verstoßes gegen Art.  101 und 102 AEUV durch die Kommission gebunden ist, sondern auch an eine solche der deutschen und ausländischen Wettbewerbsbehörden bzw. der dort als solche handelnden Gerichte.248 Darüber hinaus besteht im Anwendungsbereich des EU-Wettbewerbsrechts ein Kooperationsverhältnis zwischen der Kommission und den Gerichten der Mitgliedstaaten, das sich in weitreichenden Einflussnahmemöglichkeiten der Kommission äußert.249 Im Zentrum der Diskussion über das Verhältnis zwischen „public enforcement“ und „private enforcement“ steht derzeit die Befugnis der Kartellbehörden, potenziellen Privatklägern die Einsicht in Kronzeugenanträge nebst der mit diesen Anträgen „freiwillig“ eingereichten Unterlagen zu verweigern. Privatpersonen, die von einem Wettbewerbsverletzer Schadensersatz einklagen wollen, sind zur Substantiierung ihres Klagebegehrens häufig auf Informationen von den Kartellbehörden angewiesen.250 Sofern es sich um Angaben handelt, die die Kartellbehörden im Rahmen eines Kronzeugenprogramms erlangt haben, 251 namentlich um Bonusanträge und in diesem Zusammenhang „freiwillig“ herausgegebene Informationen und Unterlagen, 252 steht dieses Informati246 So

S.  2 f.

247 

Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  13 ff.; Nowak, FN-EU 12 v. Dez. 2012,

Siehe Teil 9 B. I. und III. 4. a). Vgl. Art.  35 Abs.  1 Satz 3 VO Nr.  1/2003. 249  Kommission, Zusammenarbeits-Bekanntmachung, 54 ff. 250  Die Kommission sieht in ihrem Richtlinienvorschlag für Kartell-Schadensersatzklagen Beweiserleichterungen vor; siehe dort Ziff. 4.2. 251  Diese Programme sind ein Annex zur Kompetenz der Kartellbehörden zur Verhängung von Bußgeldern (Art.  4 i. V. mit Art.  23 VO Nr.  1/2003; §  81 Abs.  7 GWB), vgl. Säcker, WuW 2009, 362. 252  Vorlagebeschluss des AG Bonn v. 4.8.2009 – 51 Gs 53/09, Juris. Eine Gesamtschuld 248 

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

697

onsinteresse in einem Spannungsverhältnis zum ökonomisch begründeten Ziel dieser Programme,253 wirksame Anreize für Unternehmen zu setzen, von sich aus Kartellvereinbarungen und abgestimmte Verhaltensweisen gegenüber den Wettbewerbsbehörden aufzudecken.254 Ein solcher Anreiz ist nämlich dann am stärksten, wenn die sich offenbarenden Unternehmen nicht befürchten müssen, als erste Adressaten von privaten Follow-on-Klagen zu werden; denn diese könnten einen etwaigen „Nachlass“ im Bußgeldverfahren wieder aufzehren, 255 sofern sich die Kronzeugen nicht im Innenverhältnis zu anderen Kartellmitgliedern schadlos halten können (§§  840, 426 BGB).256 Bislang handhaben die Kartellbehörden die Anträge auf Akteneinsicht in Kronzeugenunterlagen restriktiv. Dies wird als ein wesentlicher Umstand angesehen, weshalb das „private enforcement“ in der Rechtswirklichkeit bislang nur eine geringe Bedeutung erlangen konnte.257 Der EuGH ist dieser restriktiven Tendenz nunmehr in mehreren Urteilen entgegen getreten. Bevor wir diese näher analysieren, wollen wir uns nächst die Funktionen von Geldbußen bei Wettbewerbsverstößen vor Augen führen, da diese in der Diskussion über die „Akteneinsicht“ eine maßgebliche Rolle spielen. 2. „Public enforcement“ durch Geldbußen Geldbußen stellen im Kartellordnungswidrigkeitenrecht eine hoheitliche, von der Exekutive verhängte Sanktion dar, die an die vorwerfbare Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit anknüpft.258 Sie können ebenso wie andere (zivil-

zwischen den Kartelltätern sieht auch Art.  11 des Richtlinienvorschlags der Kommission zu Schadensersatzklagen aus dem Jahr 2013 vor. 253  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  326 ff. Wettbewerbstheoretisch beruhen die Kronzeugenprogramme u. a. auf dem sog. Gefangenendilemma, vgl. Pfähler/Wiese, Unternehmensstrategien im Wettbewerb, S.  28; Wiese, Mikroökonomik, 2010, S.  358; Wessler, Entscheidungstheorie, 2012, S.  33. Zur Spieltheorie siehe Teil 4 D. III. 1. 254  Roth, WRP 2013, 257, 262. Siehe zu den damit zusammenhängenden gesellschafts- und dienstvertraglichen Problemen Säcker, WuW 2009, 362 ff.; siehe auch Engelsing, ZWeR 2006, 179, 189. 255  Jüntgen, WuW 2007, 128 f.; Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2009, 885, 886; dies., WuW 2011, 935; Seitz, EuZW 2011, 599, 601; Palzer, EuR 2012, 583, 584; Roth, WRP 2013, 257, 262. Die Akteneinsicht Drittbetroffener ist von derjenigen der (Täter-)Unternehmen zu unterscheiden; vgl. dazu EuGH v. 25.10.2011 – Rs. C-109/10 P, WuW EU-R 2137 Rn.  51 ff. – Solvay SA/Kommission; dazu Fink, European Law Reporter 2011, 326 ff. 256  Dies betonen Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 716. 257  Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829. 258  §  1 Abs.  1 OWiG; vgl. KKOWiG/Bohnert, Einl. Rn.  1; Stockmann, ZWeR 2012, 20, 24. Die Rechtsgrundlage für die Verhängung von Bußgeldern findet sich im Unionsrecht in Art.  103 Abs.  2 lit. a. AEUV i. V. mit Art.  23 VO Nr.  1/2003, vgl. MünchKommEUWettbR/ Engelsing/Schneider, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  1; Bohnert (a. a. O.), Rn.  261. Im deutschen Wettbewerbsrecht basieren die Bußgelder auf §  81 GWB.

698

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

oder verwaltungsrechtliche) Sanktionen verschiedene, sich teilweise überschneidende Ziele verfolgen: 259 a) Zwecke von Geldbußen Als erster Zweck von Kartellbußgeldern wird benannt, dass der Täter für das von ihm begangene Unrecht einstehen müsse, im Sinne eines „ethischen Unwerturteils“.260 Diese Repressionswirkung wird auch mit der Funktion des Wettbewerbsrechts als „Verfassungsrecht der Marktwirtschaft“ begründet, die durch Hardcore-Kartelle erheblich beeinträchtigt werde.261 Zum Zweiten sollen Geldbußen den Normadressaten die Anreize zu gleichartigem wettbewerbsschädlichem Verhalten nehmen (Spezial- und Generalprävention; Abschreckung).262 Ein wirksamer Schutz der „Freiheit des Wettbewerbs“263 sei nur dann möglich, wenn Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht nicht nur mit einer kompensatorischen Ersatzpflicht belegt, sondern über die zu verhängende Geldbuße auch präventiv verhindert würden, indem die zu erwartende Höhe der Sanktion aus der Ex-ante-Sicht des über sein Marktverhalten entscheidenden Unternehmens den zu erwartenden Gewinn übersteige.264 Auch privatrechtliche Ersatzansprüche würden zunehmend am Zweck der Prävention ausgerichtet: Beruhe eine Einstandspflicht auf einem zu missbilligenden Verhalten des Schädigers, müsse sie „als Mindestanforderung an eine Sanktion“265 der Verhinderung künftigen Fehlverhaltens dienen.266 Eine dritte – wenn auch nachrangige – Funktion von Geldbußen soll in der Wiedergutmachung der erlittenen Einbuße liegen.267 Ein Wettbewerbsverstoß solle sich für den Täter wirtschaftlich nicht lohnen, weshalb ihm die durch die Tat erlangten Vorteile zu entziehen seien.268 Die Wiedergutmachung (Kompensation) bildet bekanntlich den klassischen Bezugspunkt der Haftung auf Schadensersatz gem. den §§  249 ff. BGB.269 Mit Blick auf öffentlich-rechtliche Geldbußen wird der Entzug der 259  Zum Folgenden: KKOWiG/Mitsch, §  17 OWiG Rn.  8 ff.; Ackermann, ZWeR 2010, 329, 331 f.; Stockmann, ZWeR 2012, 20, 24; zum zivilen Schadensersatzrecht vgl. bereits Mohr, Jura 2010, 168 ff. 260  Siehe zum Kartellordnungswidrigkeitenrecht auch Stockmann, ZWeR 2012, 20, 24; der Repressionsfunktion wird vor allem eine „limitierende Funktion“ zugesprochen; vgl. Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Einl. zu Art.  23 f. VO Nr.  1/2003, Rn.  24. 261  Stockmann, ZWeR 2012, 20, 35. 262 KKOWiG/Mitsch, §  17 OWiG Rn.  9. 263  So die ständige Formulierung des BGH im Rahmen der Rechtfertigung von Behinderungsmissbräuchen, siehe BGH v. 31.1.2012 − KZR 65/10, NJW 2012, 2110 Rn.  31. 264  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 333 und 342. 265  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  68. 266  Larenz, Schuldrecht-AT, §   27 I; Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einl. III. 2 b); Mohr, Jura 2010, 168, 171. Grundlegend Wagner, AcP 206 (2006), 352 ff. 267 KKOWiG/Mitsch, §  17 OWiG Rn.  10. 268  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 333. 269  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 322; zur Kompensation im Privatrecht vgl. Looschelders,

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

699

wirtschaftlichen Vorteile auch unter dem Topos „Abschöpfung“ diskutiert.270 Eine solche Abschöpfung unterscheidet sich von deliktsrechtlichen Schadensersatzansprüchen und Ansprüchen auf Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung vor allem dadurch, dass sie allein dem Vermögensentzug dient, nicht jedoch der „Umverteilung“ von Vermögensgütern zwischen Privatrechtssubjekten.271 In Erfüllung der vorbenannten Bußgeld-Zwecke ergeht gegen den Täter eine einheitliche, kombinierte Sanktion.272 Auch die Abschöpfung des Mehrerlöses ist somit ein konstitutiver Bestandteil der Geldbuße, wobei die Bemessungsgrundlagen für die Abschöpfung und die beiden anderen Funktionen der Repression und Prävention so unterschiedlich sind, dass die Geldbuße praktisch aus zwei getrennten Teilsanktionen besteht.273 Es kann deshalb nicht überraschen, dass das konkrete Verhältnis der Bußgeldzwecke zueinander umstritten ist.274 In der Praxis der Kartellbehörden steht die Prävention („Abschreckung“) im Vordergrund.275 Dies wird im Schrifttum damit erklärt, dass „das Kartellordnungswidrigkeitenrecht als Teil eines wirtschaftsaufsichtsrechtlichen In­ stru­mentariums dem quasistrafrechtlichen allgemeinen Ordnungswidrigkeitenrecht mittlerweile deutlich entwachsen“ sei.276 Schon aufgrund der weit unter 100 % liegenden Aufdeckungswahrscheinlichkeit von Kartellen reiche es aus Präventionsgesichtspunkten nicht aus, die Geldbußen an der Abschöpfung der wirtschaftlichen Vorteile auszurichten.277 Je höher die „Dunkelziffer“ der Verbotsverstöße sei, umso „drakonischer“ müsse die gegen einen ertappten Täter verhängte Sanktion ausfallen, damit eine effektive Abschreckungswirkung eintrete.278 Allerdings lässt sich eine Prävention durch angemessen hohe Bußgelder279 nur gegenüber rational handelnden Individuen begründen. In den Wirtschaftswissenschaften setzt sich jedoch zunehmend die Erkenntnis durch, dass Menschen nur eingeschränkt rational handeln.280 Auch gibt es keine belastSchuldrecht-AT, Rn.  873; Lange/Schiemann, Schadensersatz, Einl. III. 2. a); Mohr, Jura 2010, 168, 170. 270 Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Einl. zu Art.   23  f. VO Nr.   1/2003, Rn.  27. 271 So Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  475 f. und 480. 272 KKOWiG/Mitsch, §  17 OWiG Rn.  10. 273 KKOWiG/Mitsch, §  17 OWiG Rn.  10. 274 Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Einl. zu Art.   23  f. VO Nr.   1/2003, Rn.  24 ff.; Stockmann, ZWeR 2012, 20, 35; dagegen Ackermann, ZWeR 2010, 329, 332. 275  Stockmann, ZWeR 2012, 20, 24; vgl. auch EuGH v. 17.6.2010 – C-J041/08, BeckEuRS 2010, 517773 Rn.  102 – Lafarge SA/Kommission. 276  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 334; siehe auch K. Schmidt, wistra 1990, 131, 133; Mundt, WuW 2007, 458, 459. 277  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 335. 278  Ackermann, ZWeR 2010, 329, 335. 279  Siehe zur Berechnung nach der „Theorie der optimalen Sanktion“ Dreher, WuW 2011, 232, 239; Möschel/Bien/Wagner von-Papp, Kartellrechtsdurchsetzung, S.  267, 271. 280  Siehe dazu Teil 4 D. III.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

baren empirischen Nachweise für die Präventionswirkung von Kartellbußen.281 Es ist aus den geschilderten Gesichtspunkten bis auf Weiteres aber unumgänglich, am Konzept des rational handelnden Individuums festzuhalten, sofern nicht für das konkret behandelte Problem belastbare anderweitige Erkenntnisse vorliegen.282 Auch ist es nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus plausibel, dass Unternehmen von wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen Abstand nehmen, wenn sie mit hohen Bußgeldern rechnen müssen. Für eine Ausrichtung der Geldbußen an der Abschöpfungsfunktion spricht, dass dem Täter die wirtschaftlichen Vorteile seiner Tat nicht verbleiben sollen. Demgegenüber ist die Kompensation im Zuge der Verstärkung des „private enforcement“ des Wettbewerbsrecht die zentrale Aufgabe privater Schadensersatzklagen, so dass es fraglich erscheint, ob auch Bußgelder hieran ausgerichtet werden sollten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man private Klagen dogmatisch und rechtspraktisch als vorrangig gegenüber einer kartellbehördlichen Verfolgungspraxis ansieht. Noch problematischer ist die Ausrichtung von Bußgeldern an den vor allem für strafrechtliche Sanktionen geltenden Repressionszwecken; die entsprechende Diskussion muss vorliegend nicht vertieft werden.283 b) Reduzierung/Erlass von Geldbußen bei Kronzeugen Für alle wettbewerbsbehördlichen Entscheidungsarten mit belastender Wirkung gilt das sog. Opportunitätsprinzip.284 Hiernach haben die Kartellbehörden im Gegensatz zum strafrechtlichen Legalitätsprinzip ein Entschließungsund Auswahlermessen.285 In Anwendung dieses Opportunitätsprinzips können sie auf der Grundlage der Kronzeugenregelungen Bußgelder reduzieren oder sogar vollständig erlassen, wenn ein Unternehmen das Bestehen eines 281 

Stockmann, ZWeR 2012, 20, 34. Siehe Teil 4 D. III. 3. 283  Siehe zur Problematik, ob Bußgelder materiell strafenden Charakter haben, mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen auch für die Zuständigkeit der Behörden und das Verfahren, Säcker, WuW 2009, 362 f.; dagegen MünchKommEUWettbR/Engelsing/Schneider, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  12 ff.; als strafrechtsähnlich werden die Bußgelder bezeichnet von Schwarze/Bechtold/Bosch, Rechtsstaatliche Defizite im Kartellrecht, S.13 ff.; siehe auch Stockmann, ZWeR 2012, 20, 39, der darauf hinweist, dass die kartellrechtlichen Bußgelder schon angesichts ihrer Höhe nicht mehr zum klassischen Bereich der Ordnungswidrigkeiten als „Bagatelldelikte“ zählten; siehe schließlich KKOWiG/Bohnert, Einl. Rn.  2 f., wonach die Einordnung wegen der Übereinstimmung des materiellen Tatbestands nur durch den Gesetzgeber mittels Anordnung der Rechtsfolgen getroffen werden könne. Eine Behandlung der Geldbußen nach materiellem Strafrecht verneint EuG v. 6.10.1994 – Rs. T-83/91, Slg. 1994 II755, Rn.  235 – Tetra Pak. 284  Siehe zum europäischen Recht Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Einl. zu Art.  23 f. VO Nr.  1/2003 Rn.  225; MünchKommEUWettbR/Engelsing/Schneider, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  17; zum deutschen Recht siehe KKOWiG/Bohnert, Einl. Rn.  145 ff.; Götting/ Götting, ZfBR 2003, 341; LG Bonn v. 27.9.2010 – 27 Qs 25/10, BeckRS 2011, 26744. 285 So – mit Blick auf die Problematik der Submissionsabsprachen – Götting/Götting, ZfBR 2003, 341. 282 

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Hardcore-Kartells offenbart, mit der Wettbewerbsbehörde kooperiert und ihr alle vorhandenen Beweismittel zum Nachweis des Kartells zur Verfügung stellt.286 Gerade aufgrund des letztgenannten Umstands sind Kronzeugenunterlagen für potenzielle Privatkläger besonders interessant.287 Um die Unternehmen zu einer Kooperation zu bewegen, sollen die Kronzeugenregelungen für diese Transparenz und Rechtssicherheit herstellen.288 Zu den für die Täter wirksamen Anreizen, von einem Kronzeugenprogramm Gebrauch zu machen, gehört aber nicht nur die Minderung bzw. der Erlass des eigentlich verwirkten Bußgeldes, sondern es zählen hierzu auch Regeln, welche die Informationen vertraulich behandeln, damit diese nicht in die Hände der Opfer gelangen und für private Schadensersatzklagen instrumentalisiert werden.289 Die Kommission wies deshalb schon ihn ihrem Grünbuch zum „private enforcement“ aus dem Jahr 2005 darauf hin, dass dieses nicht die Kronzeugenregelungen als ihr „wichtigstes Aufklärungsinstrument“290 gefährden dürfe.291 In ihrer auf eine wirksame Abschreckung potenzieller Täter fokussierten Kronzeugenmitteilung aus dem Jahr 2006292 bekräftigte die Kommission, dass sich die „freiwilligen Darlegungen“ für eine „wirksame Untersuchung und Beendigung von kartellrechtlichen Zuwiderhandlungen als sehr nützlich erwiesen“ hätten, weshalb sie „nicht durch zivilrechtliche Offenlegungsanordnungen (so genannte „discovery orders“) verhindert werden“ sollten. Ansonsten würden „Unternehmen, die für eine Kronzeugenbehandlung in Frage kämen, [. . .] unter Umständen von einer auf dieser Mitteilung beruhenden Zusammenarbeit mit der Kommission abgehalten, wenn dies ihre Position in zivilrechtlichen Verfahren — im Vergleich zu nicht kooperierenden Unternehmen — beeinträchtigen würde. Eine solche unerwünschte Auswirkung wäre dem Interesse der Allgemeinheit an einer wirksamen öffentlichen Durchsetzung von Artikel 81 EG-Vertrag in Kartellsachen und somit auch der anschließenden oder parallelen wirksamen privaten Durchsetzung abträglich.“

Auch der Richtlinienentwurf vom Juni 2013 für private Schadensersatzklagen betont die Wichtigkeit eines Schutzes der Kronzeugenunterlagen; den berech286  Säcker, WuW 2009, 362, 363; Kersting, JZ 2012, 42, 43. Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Kronzeugenregelungen kann vorliegend nicht näher eingegangen werden; siehe Säcker, a.a.O.; Ackermann, ZWeR 2010, 329, 337 ff., 345 ff.; Schwarze/Bechtold/Bosch, Rechtsstaatliche Defizite im Kartellrecht, S.  6 ff.; Hassemer/Dallmeyer, Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellgeldbußen und Grundgesetz. 287  Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935. 288  Siehe zur Regelung des BKartA Engelsing, ZWeR 2006, 179, 184. 289  Stockmann, ZWeR 2012, 20, 30. 290 So Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 716; Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 936. 291  Kommission, Grünbuch Schadensersatzklagen, S.  11 Rn.  2.7. Mit Stockmann (ZWeR 2012, 20, 30 Fn.  50) wirken sich die von der Kommission erwogenen „Optionen“ aber alle zu Lasten der potenziell Schadensersatzberechtigten aus; siehe zum Grünbuch schon Teil 9 B. II. 4. b. 292 Kommission, Erlass und Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, Einl. Rn.   6; MünchKommEUWettbR/Engelsing/Schneider, Art.  23 VO Nr.  1/2003 Rn.  100.

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tigten Interessen privater Kläger sei durch anderweitige Beweiserleichterungen nachzukommen.293 Vergleichbar mit der europäischen Kronzeugenregelung sieht die Bonusregelung des BKartA vor, dass das Amt „Anträge privater Dritter auf Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessens grundsätzlich insoweit ablehnen“ soll, „als es sich um den Antrag auf Erlass oder Reduktion der Geldbuße und die dazu übermittelten Beweismittel handelt“.294 Der Schutz der Vertraulichkeit wird im deutschen Recht zum einen aus der Selbstbindung des BKartA und zum anderen aus §  406e Abs.  2 StPO abgeleitet. Hiernach sei das Spannungsverhältnis zwischen staatlicher und privater Kartellrechtsdurchsetzung zu Gunsten der staatlichen Durchsetzung aufzulösen.295 3. Einsicht in Kronzeugenunterlagen der nationalen Kartellbehörden – die Entscheidungen „Pfleiderer“ und „Donau Chemie“ Der vorstehend adressierte Konflikt wird schlagwortartig als „private enforcement versus public enforcement“ beim Verständnis des Wettbewerbsrechts bezeichnet.296 Er berührt auch die vorliegende Untersuchung, die sich mit dem „private enforcement“ durch (Teil-)Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge auseinandersetzt; denn diese Rechtsfolge wird im deutschen Schrifttum seit Jahrzehnten wegen eines vermeintlichen Vorrangs des überindividuell-objektiven Schutzes des Wettbewerbs als Institution, also mit öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten in Abrede gestellt. a) Die Entscheidung „Pfleiderer“ Der EuGH befasste sich mit der Akteneinsicht in Kronzeugenanträge in seinem vom AG Bonn anhängig gemachten Vorabentscheidungsverfahren „Pfleiderer“.297 Es ging um einen von der Pfleiderer AG gegen das BKartA geltend gemachten Anspruch auf Einsicht in die Akten, die dem Amt im Rahmen eines Kronzeugenantrags übermittelt worden waren.298 Der EuGH nahm die Vorlage zum Anlass für grundsätzliche Ausführungen zum Spannungsverhältnis zwischen der privaten Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und der Stärkung der Kronzeugenprogramme, die in Ermangelung einer „Kriminalisierung des Kar293  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Art.  5 und 6. 294  BKartA, Bonusregelung, Rn.  2 2. 295  So – krit. – Stockmann, ZWeR 2012, 20, 31. 296  Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2009, 885; Seitz, EuZW 2011, 599, 600. 297  EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 ff. – Pfleiderer-AG/BKartA; dazu Palzer/Preisendanz, EWS 2011, 365; Seitz, EuZW 2011, 599; Kersting, JZ 2012, 42. 298  Zum Ablauf des Verfahrens siehe Seitz, GRUR-RR 2012, 137 ff.

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tellunrechts“299 einen wesentlichen Bestandteil des „public enforcement“ bilden.300 Anders als von der Kommission vorgeschlagen, unterschied er dabei nicht zwischen absolut zu schützenden Kronzeugenanträgen (sog. „corporate statements“) und „freiwillig“ übermittelten Unterlagen, die aufgrund einer Interessenabwägung freigegeben werden könnten,301 schon weil die Kommission im Verfahren keine Gesichtspunkte benennen konnte, die für diese Abwägungsentscheidung relevant sind.302 Der EuGH betonte zunächst, dass die Kartellbehörden die Wettbewerbsvorschriften „im öffentlichen Interesse“ an einem funktionsfähigen Wettbewerbsprozess anzuwenden haben.303 Aus dieser Formulierung kann aber nicht auf ein Primat der öffentlichen Rechtsdurchsetzung geschlossen werden; denn das öffentliche Interesse am Schutz des Wettbewerbs als Institution ist nicht von dem Schutz der materialen Freiheitsrechte der Marktteilnehmer zu trennen. Vielmehr handelt es sich um zwei Seiten derselben Medaille. Sodann führte der EuGH aus, dass das Unionsrecht keine für die Mitgliedstaaten verbindliche Kronzeugenregelung bzw. „gemeinsame Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten eines Kronzeugenverfahrens, die in Anwendung einer nationalen Kronzeugenregelung freiwillig einer nationalen Wettbewerbsbehörde übermittelt wurden“, enthalte.304 Die sog. Leniency-Bekanntmachung der Kommission beziehe sich nur auf von dieser selbst durchgeführte Verfahren.305 Auch wenn die Leitlinien der Kommission „Auswirkungen auf die Praxis der nationalen Wettbewerbsbehörden haben“ könnten, sei es deshalb „in Ermangelung einer verbindlichen unionsrechtlichen Regelung in diesem Be299  Säcker, WuW 2009, 3; Palzer, EuR 2012, 583: wichtigstes Ermittlungsinstrument; gegen eine „Kriminalisierung des Kartellrechts“ aber Dreher, WuW 2011, 232 ff. 300  A. A. Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935: Chance vertan. 301  Wie die Kommission GA Mazák, Schlussanträge v. 16.12.2010 – Rs. C- 360/09, Juris Rn.  43 ff. 302  Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 939; demgegenüber betont Seitz, EuZW 2011, 599, 601, dass die Mitgliedstaaten einen weiten Spielraum hätten, weshalb Geschädigte bei internationalen Kartellen dort um Akteneinsicht nachsuchten, wo eine möglichst umfangreiche Akteneinsicht möglich sei. 303  EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  19 – Pfleiderer-AG/BKartA; siehe auch EuGH v. 7.12.2010 – Rs. C-439/08, GRUR Int 2011, 155 Rn.  56 – VEBIC: „Festzustellen ist auch, dass die Mitgliedstaaten die für die Anwendung der Art.  101 AEUV und 102 AEUV zuständige(n) Wettbewerbsbehörde(n) gemäß Art.  35 Abs.  1 der Verordnung [1/2003] so bestimmen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung wirksam angewandt werden. Nach dieser müssen die so bestimmten Behörden die wirksame Anwendung der genannten Artikel im öffentlichen Interesse sicherstellen (vgl. Erwägungsgründe 5, 6, 8, 34 und 35 der Verordnung).“ Der EuGH machte diese Ausführungen allerdings in Zusammenhang mit der – von ihm bejahten – Frage, ob Art.  35 VO Nr.  1/2003 „einer nationalen Regelung entgegensteht, die einer nationalen Wettbewerbsbehörde nicht die Befugnis einräumt, sich als Antragsgegnerin an einem gerichtlichen Verfahren zu beteiligen, das sich gegen die von ihr erlassene Entscheidung richtet“ (Rn.  6 4). 304  EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  20 – Pfleiderer-AG/BKartA. 305  EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  21 – Pfleiderer-AG/BKartA.

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reich Sache der Mitgliedstaaten, die nationalen Vorschriften über den Zugang von Kartellgeschädigten zu Dokumenten, die Kronzeugenverfahren betreffen, zu erlassen und anzuwenden“.306 Allerdings müssten die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der nationalen Regelungen das Unionsrecht beachten.307 Insbesondere dürften sie die Verwirklichung des Unionsrechts nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren und müssten „speziell im Bereich des Wettbewerbsrechts“ dafür sorgen, dass die Vorschriften, die sie erlassen oder anwenden, die wirksame Anwendung desselben nicht beeinträchtigen.308 Zugleich erkannte der EuGH an, dass Kronzeugenprogramme „nützliche Instrumente“ sind, „um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht effizient aufzudecken und zu beenden“, weshalb sie „der wirksamen Anwendung der Art.  101 AEUV und 102 AEUV“ dienen: 309 „Die Wirksamkeit dieser Programme könnte jedoch durch die Übermittlung von Dokumenten eines Kronzeugenverfahrens an Personen, die eine Schadensersatzklage erheben wollen, beeinträchtigt werden, auch wenn die nationalen Wettbewerbsbehörden dem Kronzeugen die Geldbuße, die sie hätten verhängen können, ganz oder teilweise erlassen. Es darf nämlich angenommen werden, dass sich ein an einer wettbewerbsrechtlichen Zuwiderhandlung Beteiligter dadurch, dass diese Dokumente übermittelt werden könnten, davon abhalten lässt, die mit einem solchen Kronzeugenprogramm verbundene Möglichkeit zu nutzen [. . .].310 Gleichwohl entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch ein Verhalten entstanden ist, das den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann [. . .]. Ein solcher Schadensersatzanspruch erhöht nämlich die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union und ist geeignet, von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können. Aus dieser Sicht können Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Europäischen Union beitragen [. . .]. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zugang zu Dokumenten eines Kronzeugenprogramms, der von einer Person gestellt wird, die Schadensersatz von einer dieses Programm in Anspruch nehmenden Person fordert, ist [deshalb] darauf zu achten, dass die anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften nicht weniger günstig als die für ähnliche innerstaatliche Rechtsbehelfe geltenden und nicht so ausgestaltet sind, dass sie die Erlangung eines Schadensersatzes praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren [. . .], und [es ist] zwischen den Interessen, die die Übermittlung der Informationen rechtfertigen, und dem Schutz dieser vom Kronzeugen freiwillig vorgelegten Informa­ tionen abzuwägen. Eine solche Abwägung können die nationalen Gerichte im Rahmen

306 

EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  23 – Pfleiderer-AG/BKartA. EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  24 – Pfleiderer-AG/BKartA. 308  EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.  24 – Pfleiderer-AG/BKartA; siehe zur letztgenannten Aussage auch EuGH v. 7.12.2010 – Rs. C-439/08, GRUR Int 2011, 155 Rn.  57 – VEBIC, zu Art.  35 VO Nr.  1/2003. 309 EuGH v. 14.6.2011 – Rs. C-360/09, EuZW 2011, 598 Rn.   25 und (zum Folgenden) Rn.  26 ff.– Pfleiderer-AG/BKartA [Hervorhebung durch den Verf.]. 310  Die Richtigkeit dieser Annahme wurde bislang soweit ersichtlich nicht empirisch überprüft; dies moniert Hempel, EuZW 2013, 589, 590. Sie erscheint jedoch durchaus plausibel. 307 

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des nationalen Rechts nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Gesichtspunkte der Rechtssache vornehmen.“

Das Unionsrecht statuiert somit keinen Vorrang des „public enforcement“ vor dem „private enforcement“.311 Vielmehr können und müssen die nationalen Gerichte auf der Grundlage des nationalen Rechts unter Abwägung der unionsrechtlich geschützten Interessen in jedem Einzelfall ermitteln, unter welchen Voraussetzungen der Zugang zu den Bonusunterlagen zu gewähren bzw. zu verweigern ist.312 Das gilt nach dem Inhalt der Pfleiderer-Entscheidung sowohl für die nationalen als auch für die europäischen Kronzeugenregelungen, obwohl sich die Entscheidung unmittelbar nur mit der deutschen Bußgeldpraxis befasste.313 Zu diesem Zweck müssen sich die nationalen Gerichte auf der Grundlage nicht geschwärzter Schriftstücke ein eigenes Bild von den Unterlagen machen, in die Einsicht verlangt wird; denn ansonsten können sie die von ihnen geforderte Einzelfallabwägung nicht vornehmen.314 In einem weiteren Schritt ist zu ermitteln, wie groß der Informationsbedarf der Privatkläger ist und ob diesem auf anderem Wege entsprochen werden kann,315 zum Beispiel im Rahmen einer sekundären Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess oder einem Ausschluss der „passing-on defense“ aufgrund der Gefahr einer unbilligen Entlastung der Kartelltäter.316 Es ist deshalb nicht überzeugend, wenn dem EuGH vom Schrifttum vorgehalten wird, er habe in der konkreten Angelegenheit eine inhaltliche Entscheidung verweigert.317 Andererseits enthält das Pfleiderer-Urteil – insoweit in gewisser Tradition der Courage- und Manfredi-Rechtsprechung zum „private enforcement“ – keine detaillierten Vorgaben zur Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen den Informationsinteressen der Geschädigten durch Einsicht in die Verfahrensakten und dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Kronzeugenregelung.318 Der EuGH gibt vielmehr den nationalen Gerichten auf, einerseits eine wirksame Anwendung der Art.  101 und 102 AEUV 311 

Kersting, JZ 2012, 42, 44; Palzer, EuR 2012, 583, 584. Stockmann, ZWeR 2012, 20, 32; krit. Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 941, da hierin nur ein allgemeiner Hinweis auf den Konflikt zwischen private enforcement und public enforcement liege. 313  So High Court of Justice (England and Wales) v. 4.4.2012, Case No: HC08C03243, Neutral Citation Number: [2012] EWHC 869 (Ch), WuW KRInt 403 Rn.  24 ff. – National Grid Electricity/ABB and others; vgl. dazu Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 940. 314  High Court of Justice (England and Wales) v. 4.4.2012, Case No: HC08C03243, Neutral Citation Number: [2012] EWHC 869 (Ch), WuW KRInt 403 ff. – National Grid Electricity/ABB and others. 315  Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 942. 316  Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 717. 317  So jedoch Geiger, ECLR 32 (2011), 535. 318  High Court of Justice (England and Wales) v. 4.4.2012, Case No: HC08C03243, Neutral Citation Number: [2012] EWHC 869 (Ch), WuW KRInt 403 Rn.  30 – National Grid Electricity/ABB and others. 312 

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sicherzustellen, ohne das „jedermann“ zustehende Recht auf Schadensersatz „übermäßig“ zu erschweren, was im Nachgang der Entscheidung für Verunsicherung nicht nur bei den Instanzgerichten sorgte.319 Da es sich hierbei – trotz des teleologischen Vorrangs eines „private enforcement“ – um eine primär politisch zu entscheidende Frage handelt,320 ist das Pfleiderer-Urteil somit wohl auch als Wink an den Gesetzgeber zu verstehen, einen angemessenen Interessenausgleich zu schaffen, ohne dem „public enforcement“ primärrechtswidrig einen pauschalen Vorrang einzuräumen.321 Vor dem Hintergrund der Ableitung des Erfordernisses eines effektiven „private enforcement“ aus dem Unionsprimärrecht (Art.  101 und 102 AEUV) erscheint es deshalb zweifelhaft, ob die Kommission die geschilderte Rechtsprechung des EuGH in ihrem Richtlinienvorschlag bezüglich Schadensersatzklagen bei Wettbewerbsverstößen pauschal zu Gunsten eines Ausschlusses der Einsicht in Kronzeugenunterlagen aushebeln kann.322 b) Folgeentscheidungen Im Verfahren „Pfleiderer“ hat das AG Bonn in seiner abschließenden Entscheidung vom 18.1.2012323 eine Kehrtwendung vollzogen, indem es die Einsicht in Bonusunterlagen doch untersagte, während es in seiner Vorlageentscheidung an den EuGH noch betont hatte, eine solche Einsicht gewähren zu wollen.324 Das AG Bonn berief sich hierfür – mangels einschlägiger Regelungen im deutschen Kartellverfahrensrecht325 – auf §  406e StPO: Eine Einsicht in die Kronzeugenunterlagen gefährde den Untersuchungszweck, da sie die Attraktivität der Kronzeugenregelung insgesamt beeinträchtige. Darüber hinaus spreche auch das „Grundrecht auf inform[ation]elle Selbstbestimmung des Kartellanten“ für eine Geheimhaltung der freiwillig übermittelten belastenden Informationen und Dokumente, da dieses das Interesse auf umfassende Akteneinsicht überwiege, eine Argumentation, die stark an die eigentlich überwunden geglaubte Diskussion über den Grundrechtsschutz für Kartelltäter zu Beginn der 1950er-Jahre erinnert. Durch die Versagung der Akteneinsicht werde die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs auch nicht übermäßig vereitelt, da 319 Weiterführend

Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 940. Palzer, EuR 2012, 583, 585. Die Problematik ähnelt derjenigen einer Berücksichtigung nicht-wettbewerblicher Interessen durch die nationalen Gerichte und Wettbewerbsbehörden im Rahmen der Freistellung gem. Art.  101 Abs.  3 AEUV sowie derjenigen einer Heranziehung dynamischer Effizienzen im Rahmen von Regulierungsentscheidungen der BNetzA; siehe oben Teil 5 C. II. 2. 321  So jedoch der Referentenentwurf zur 8. GWB-Novelle mit §  81b GWB-RefE. 322  Dies problematisiert auch Hempel, EuZW 2013, 589, 590. 323  AG Bonn v. 18.1.2012 – 51 Gs 53/09, WuW DE-R 3499; dazu Kapp, WuW 2012, 474 ff.; Schnelle/Kollmann, CCZ 2012, 155 ff.; Seitz, GRUR-RR 2012, 137 ff. 324  AG Bonn v. 4.8.2009 – 51 Gs 53/09, Juris Rn.  16; dazu Palzer, EuR 2012, 583, 585. 325  Schnelle/Kollmann, CCZ 2012, 155, 157; Yomere, WuW 2013, 34, 37. 320 Ebenso

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den Geschädigten die Tatbestandswirkung rechtskräftiger Bußgeldbescheide gem. §  33 Abs.  4 Satz 1 GWB oder die Schätzungsbefugnis nach §  287 ZPO zugutekomme. Ausweislich dieser Begründung hat das AG Bonn – entgegen den Vorgaben des EuGH – auf eine Prüfung des konkreten Einzelfalls zugunsten eines allgemeinen Vorrangs der Interessen der Kartellbehörden sowie der Kronzeugen verzichtet.326 Das BKartA misst der Entscheidung gleichwohl eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.327 Sie kann jedoch schon deshalb nicht überzeugen, weil die behördliche Durchsetzung keinen eigenen öffentlichen Interessen dient (etwa dem Wettbewerb als überindividueller öffentlich-rechtlicher Institution), sondern vornehmlich den Interessen der von der Wettbewerbsbeschränkung individuell Betroffenen. Darüber hinaus berücksichtigt das AG Bonn nicht ausreichend, dass der Gesetzgeber dem Kompensationsinteresse der Betroffenen im Rahmen des Rechts auf Akteneinsicht gem. §  406e StPO ein hohes Gewicht zumisst.328 Auch der Hinweis des AG Bonn auf die anderweitigen Rechtsbehelfe wie Tatbestandswirkung und Schätzungsbefugnis geht fehl; denn die Kartellbehörden wollen die Attraktivität der Programme gerade deshalb sichern, weil sie die Täter in der Praxis weitgehend vor Schadensersatzansprüchen schützen.329 Schließlich widerspricht die Argumentation des AG Bonn mehreren Entscheidungen des EuG aus dem Jahr 2011 und 2012, in denen das EuG die grundlegende Bedeutung des „private enforcement“ betont und deshalb ebenfalls eine konkrete Prüfung des Einzelfalles verlangt hat.330 Die vom AG Bonn begründete Rechtsprechungslinie wurde gleichwohl vom OLG Düsseldorf in einer Entscheidung vom 22.8.2012 im Ergebnis bestätigt, in der das Gericht den von einem Kartell betroffenen Einzelhandelsunternehmen lediglich einen Anspruch auf Einsicht in die um Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie persönliche Angaben anonymisierten Bußgeldbescheide gewährte.331 Zwar nahm das OLG Düsseldorf dort anders als das AG Bonn formal eine Abwägung der Interessen im Einzelfall vor. Es stützte sich hierbei jedoch lediglich auf allgemeine Erwägungen.332 So erachtete das OLG Düsseldorf das Geheimhaltungsinteresse des Kronzeugen angesichts der durch das BKartA zu326  Schnelle/Kollmann, CCZ 2012, 155, 157; Stockmann, ZWeR 2012, 20, 39; vor diesem Hintergrund wäre auch eine gesetzliche Regelung, die den Kronzeugenprogrammen generell einen Vorrang vor dem Informationsinteresse der Betroffenen einräumt (§  81b GWB-RefE zur 8. Novelle), unionsrechtlich bedenklich (a. a. O., S.  38). 327  Presseerklärung des BKartA vom 30.1.2012. 328  Siehe zur Akteneinsicht zur Geltendmachung eines Anspruchs nach §   826 BGB das BVerfG v. 4.12.2008 – 2 BvR 1043/08, ZIP 2009, 1270. 329  Stockmann, ZWeR 2012, 20, 39. 330  Dazu sogleich Teil 9 B. IV. 4. 331  OLG Düsseldorf v. 22.8.2012 – V-4 Kart 5 + 6/11 (OWi), BB 2012, 2459 ff. – Kaffeeröster. Diese Bescheide waren jedoch keine sog. Kurzbescheide wie im Pfleiderer-Sachverhalt; vgl. Kapp/Hummel, BB 2012, 2462, 2463. 332  Krit. auch Kapp/Hummel, BB 2012, 2462, 2463.

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gesicherten Vertraulichkeit generell als vorrangig gegenüber dem Informa­ tionsbedürfnis der Geschädigten. Vor diesem Hintergrund sei die Offenlegung des Bußgeldbescheids nach Abschluss des kartellbehördlichen Verfahrens – jedenfalls wenn es sich nicht um einen sog. Kurzbescheid handelt, wie er auch im Rahmen sog. Settlements erlassen wird333 – ausreichend, um das Informationsinteresse der durch ein Kartell geschädigten Abnehmer zu befriedigen. Das gelte vor allem vor dem Hintergrund der umsatzbezogenen Bußgeldberechnung gem. §  81 Abs.  4 GWB, da hiernach Ermittlungen zum kartellbedingt erzielten Mehr­ erlös nicht erforderlich seien und damit auch nicht dem Nachweis der Schadens­ entstehung und Schadenshöhe dienen könnten.334 Umso dringender stellt sich dann jedoch die Frage, weshalb die Kartellbehörden und die Gerichte Dritten die Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen so vehement verwehren.335 c) Die Entscheidung „Donau Chemie“ Der EuGH ist der restriktiven Tendenz der Instanzgerichte in seiner Entscheidung „Donau Chemie“ aus dem Jahr 2013 entgegen getreten.336 Das vorlegende Gericht fragte ihn, ob das Unionsrecht einer mitgliedstaatlichen Vorschrift entgegenstehe, die die Gewährung von Einsicht in Kartellverfahrensakten – also nicht nur in Kronzeugenunterlagen 337 – von der Zustimmung der betroffenen Unternehmen abhängig mache, ohne dass das mitgliedstaatliche Gericht die nach dem Pfleiderer-Urteil gebotene Einzelfallabwägung vornehmen könne.338 Der EuGH nahm die Vorlage zum Anlass, erneut die zentrale Bedeutung des „private enforcement“ des EU-Wettbewerbsrechts hervorzuheben, konkret des Anspruchs auf Schadensersatz der von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen. Anders als noch im Pfleiderer-Urteil, das maßgeblich mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz begründet wurde, stellte er dabei aber explizit den Schutz der Individualinteressen in den Vordergrund: 339 Der Wettbewerbsverletzer solle nicht doppelt privilegiert werden, indem er sich sowohl den Geldbußen als auch privaten Schadensersatzansprüchen entziehe.340 „Zum einen erhöht nämlich das Recht eines jeden, Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten insbesondere unter Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 333 

Kapp/Hummel, BB 2012, 2462, 2463. OLG Düsseldorf v. 22.8.2012 – V-4 Kart 5 + 6/11 (OWi), BB 2012, 2459 Rn.  61 ff. – Kaffeeröster. 335  Kapp/Hummel, BB 2012, 2462, 2463. 336  EuGH v. 6.6.2013 – Rs. C-536/11, EuZW 2013, 586 – Donau Chemie. 337  Die Entscheidung geht somit schon gegenständlich über die Aussagen in „Pfleiderer“ hinaus, vgl. Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 837. 338  Ausführlich zur Rechtslage in Österreich Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 837. 339  Ebenso die Bewertung von Kersting, JZ 2013, 737, 738 f.; Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 838. 340  EuGH v. 6.6.2013 – Rs. C-536/11, EuZW 2013, 586 Rn.  47 – Donau Chemie. 334 

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AEUV zugefügt worden ist, die Durchsetzungskraft der Wettbewerbsregeln der Union, da es geeignet ist, von – oft verschleierten – Vereinbarungen oder Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen können, und damit zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union beiträgt [. . .]. Zum anderen bietet dieses Recht einen wirksamen Schutz gegen die nachteiligen Folgen, die ein Verstoß gegen Art.  101 Abs.  1 AEUV für den Einzelnen haben kann, da es den Personen, denen auf Grund dieses Verstoßes ein Schaden entstanden ist, ermöglicht, dessen vollständigen Ersatz zu verlangen, der nicht nur den positiven Schaden (damnum emergens), sondern auch den entgangenen Gewinn (lucrum cessans) und die Zahlung von Zinsen umfasst [. . .]. Mangels einer einschlägigen Regelung der Union obliegt es der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Einzelnen aus der unmittelbaren Wirkung des Unionsrechts erwachsenden Rechte gewährleisten sollen.“ Das gilt nach Ansicht des EuGH auch für den Zugang zu Kronzeugenunterlagen. Es seien jedoch immer die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu beachten. Zusätzlich dürften die nationalen Verfahrensvorschriften „speziell im Bereich des Wettbewerbsrechts nicht die wirksame Anwendung der Art.  101 und 102 AEUV beeinträchtigen“.341

Vor diesem Hintergrund hielt der EuGH die nationale Vorschrift für unwirksam, da sie eine starre Regelung beinhalte, die der im Pfleiderer-Urteil zum Schutz der materialen (Freiheits-)Rechte der von einer Wettbewerbsbeschränkung nachteilig Betroffenen geforderten Einzelfallabwägung entgegenstehe: 342 Die nationalen Gerichte hätten „im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnis zur Anwendung der nationalen Vorschriften über das Recht derjenigen, die sich durch ein Kartell für geschädigt halten, auf Zugang zu Dokumenten, die nationale Verfahren zu diesem Kartell betreffen, die Interessen gegeneinander abzuwägen [. . .], die die Übermittlung der Informationen und den Schutz dieser Informationen rechtfertigen [. . .] Die Notwendigkeit einer solchen Abwägung ergibt sich daraus, dass insbesondere im Wettbewerbsrecht jede starre Regel – sei es im Sinne einer völligen Verweigerung eines Zugangs zu den betreffenden Dokumenten oder im Sinne eines allgemein gewährten Zugangs zu diesen – die wirksame Anwendung insbesondere des Art.  101 AEUV [einerseits] und der Rechte, die diese Bestimmung den Einzelnen verleiht [andererseits], beeinträchtigen kann.“

Diese Abwägung könne nicht unter Verweis auf ein öffentliches Interesse an der wirksamen Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts umgangen werden: 343 „Insbesondere ist zum öffentlichen Interesse an der Wirksamkeit der Kronzeugenprogramme [. . .] festzustellen, dass in Anbetracht der Bedeutung, die vor den nationalen Gerichten angestrengte Schadensersatzklagen für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union haben [. . .], die bloße Berufung auf eine Gefahr, dass durch den Zugang zu den für die Begründung dieser Klagen notwendigen Beweisen, die sich in den Akten eines wettbewerbsrechtlichen Verfahrens befinden, die Wirksamkeit 341  EuGH v. 6.6.2013 – Rs. C-536/11, EuZW 2013, 586 Rn.  23 ff. – Donau Chemie [Hervorhebung durch Verf.]. 342  EuGH v. 6.6.2013 – Rs. C-536/11, EuZW 2013, 586 Rn.  30 – Donau Chemie [Hervorhebung durch Verf.]. 343  EuGH v. 6.6.2013 – Rs. C-536/11, EuZW 2013, 586 Rn.  30 ff. und 46 f. – Donau Chemie [Hervorhebung durch Verf.].

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

eines Kronzeugenprogramms, in dessen Rahmen die betreffenden Schriftstücke der zuständigen Wettbewerbsbehörde übermittelt wurden, beeinträchtigt werden könnte, nicht genügen kann, um die Verweigerung des Zugangs zu diesen Beweisen zu rechtfertigen. Vielmehr ist, weil eine Verweigerung des Zugangs die Erhebung von Schadensersatzklagen verhindern könnte, wodurch sich die betreffenden Unternehmen, denen möglicherweise bereits ein – zumindest teilweiser – Geldbußenerlass gewährt wurde, außerdem ihrer Verpflichtung zum Ersatz der Schäden, die sich aus dem Verstoß gegen Art.  101 AEUV ergeben, zum Nachteil der Geschädigten entziehen könnten, zu verlangen, dass diese Verweigerung bei jedem einzelnen Dokument, für das die Einsichtnahme abgelehnt wird, auf zwingende Gründe in Bezug auf den Schutz des geltend gemachten Interesses gestützt ist.“

Aus diesen Erwägungen ist ein Primat des „private enforcement“ vor dem „public enforcement“ zu entnehmen: 344 Das Recht der von einer Wettbewerbsbeschränkung nachteilig betroffenen Individuen auf Akteneinsicht darf nur insoweit eingeschränkt werden, als dies für jedes einzelne Dokument durch überwiegende öffentliche Interessen – die nicht nur allgemein-apologetischer Natur sein dürfen – nachgewiesen wird. Außerdem darf hierdurch nicht die Effektivität des privaten Rechtsschutzes insgesamt beeinträchtigt werden. Die gebotene Anreizwirkung für Kronzeugen ist deshalb auf anderem Wege zu erreichen.345 4. Einsicht in Unterlagen der Kommission Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte ist wesentlich restriktiver als diejenige der Unionsgerichte für Akteneinsichtsgesuche an die Kommission.346 a) Problemstellung Ebenso wie das BKartA verweigert die Kommission häufig pauschal die Einsicht in ihre Kronzeugenunterlagen.347 Sie stützt sich hierfür auf die wettbewerbsrechtlichen Verfahrensregelungen sowie auf die Ausnahmeregelungen in der sog. Transparenzverordnung (VO Nr.  1049/2001 bzw. Transparenz-VO) 348 zum Schutz geschäftlicher Interessen Dritter und zum Schutz ihrer Ermittlungstätigkeit, da sie um die Wirksamkeit der Kronzeugenregelung fürchtet, wenn Schadensersatzkläger sich Zugang zu den Kronzeugenanträgen verschaffen könnten.349 344  Siehe auch die ansonsten restriktive Entscheidung des EuGH zur Tansparenz-VO v. 27.2.2004 – Rs. C-365/12 P, NZKart 2014, 140 Rn.  103 ff. – Gasisolierte Schaltanlagen. Insoweit anders die Bewertung von Hempel, EuZW 2013, 589, 590. 345 Dazu Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829 ff. 346  Kapp/Hummel, BB 2012, 2462. 347  Zöttl/Schlepper, EuZW 2012, 573, 576; Palzer, EuR 2012, 583. 348  Verordnung (EG) Nr.  1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 30.5. 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl.EG Nr. L 145/43 v. 31.5.2001. 349  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 Rn.  29 ff. – CDC Hydrogene Per­ oxide/Kommission.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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In Verfahren nach den Art.  101, 102 AEUV können die Parteien, also die durch die abschließende Kommissionsentscheidung betroffenen Unternehmen, auf der Grundlage des Art.  27 VO Nr.  1/2003 i. V. mit Art.  15 VO Nr.  773/2004350 Akteneinsicht verlangen, sofern keine Geschäftsgeheimnisse betroffen sind.351 In Fusionskontrollverfahren folgt das Akteneinsichtsrecht der Parteien aus Art.  18 Abs.  3 FKVO i.V. mit Art.  17 VO Nr.  802/2004.352 Die nähere Ausgestaltung der wettbewerbsrechtlichen Akteneinsicht regelt die für die Kommission bindende Mitteilung über Akteneinsicht.353 Sog. Dritte, die am Verfahren beteiligt werden, weil sie an dessen Ausgang ein hinreichendes Interesse geltend machen, werden lediglich über den Verfahrensgegenstand in Kenntnis gesetzt.354 Alle sonstigen Dritten haben gar kein Akteneinsichtsrecht.355 Beschwerdeführer, also Unternehmen, die in einer Beschwerde Kartellverstöße anderer Unternehmen anzeigten, haben in Kartellverfahren (nur) vor Abweisung einer Beschwerde Anspruch auf Einsicht in (nur) diejenigen Dokumente, die nach der vorläufigen Einschätzung der Kommission die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.356 Von der Akteneinsicht ausgeschlossen sind zum Schutz von internen Beratungen und vorläufigen Schlussfolgerungen kommissionsinterne Dokumente und die bereits benannten Unternehmenserklärungen von Kronzeugenantragstellern; dabei legt die Kommission zumeist nicht für jedes verweigerte Dokument im Einzelnen die Gründe für die Zugangsverweigerung offen.357 Schließlich kann es das legitime Interesse an der Vertraulichkeit eines Dokuments rechtfertigen, die Akteneinsicht zu beschränken: 358 So stammen die Informationen zuweilen nicht vom akteneinsichtsberechtigten Unternehmen selbst, sondern von dessen Zulieferern, Kunden oder Beschäftigten, denen bei Offenlegung des Inhalts oder der Identität des Übermittlers Schaden drohen könnte. Insoweit zeigt sich ein Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses und der Wahrung des Anhörungsrechts.359 Rechtsschutz gegen die Versagung von Akteneinsicht kann grund350  Verordnung (EG) Nr.  7 73/2004 der Kommission vom 7.4.2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission, ABl. EU 2004 Nr. L 123/18. 351  Palzer, EuR 2012, 583, 586. 352  Verordnung (EG) Nr.  8 02/2004 der Kommission vom 7.4.2004 zur Durchführung der FKVO, ABl.EU 2004 Nr. L 133/1; Kellerbauer, WuW 2011, 688, 689. 353  Mitteilung der Kommission v. 13.12.2005 über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Art.  81 und 82 EG-Vertrag, Art.  53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der VO (EG) Nr.  139/2004, ABl.EU 2005 Nr. C 325/7; Kellerbauer, WuW 2011, 688, 689. 354  Art.  13 Abs.  1 VO (EG) Nr.  7 74/2004 (Kartellverfahren) und Art.  16 Abs.  1 VO (EG) Nr.  802/2004 (Fusionskontrollverfahren); Kellerbauer, WuW 2011, 688, 689. 355  Palzer, EuR 2012, 583, 586. 356  Kellerbauer, WuW 2011, 688, 689; Palzer, EuR 2012, 583, 586. 357 Vgl. Kellerbauer, WuW 2011, 688, 689. 358 Vgl. Kellerbauer, WuW 2011, 688, 690 f. 359 Vgl. Kellerbauer, WuW 2011, 688, 691.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

sätzlich erst gegen die abschließende Kommissionsentscheidung geltend gemacht werden.360 Vergleichbare Vorschriften, die Dritten den Zugang zu Kommissionsdokumenten generell verweigern, enthält die in Konkretisierung des Art.  255 Abs.  2 EG (Art.  15 Abs.  3 AEUV) erlassene Transparenz-VO Nr.  1049/2001 nicht.361 Vielmehr ist nach Art.  2 Abs.  1 Transparenz-VO jeder Unionsbürger sowie jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat zugangsberechtigt. Vor diesem Hintergrund stützen sich potenzielle Privatkläger zunehmend auf die dort enthaltenen Regelungen; 362 denn sie müssen hier – anders als auf der Grundlage der wettbewerbsrechtlichen Verfahrensvorschriften – keine bestimmte Verfahrensstellung nachweisen oder die Übersendung einer Mitteilung der Beschwerdepunkte abwarten.363 Auch umfasst das Zugangsrecht nach der Transparenz-VO grundsätzlich alle in der Ermittlungsakte enthaltenen Informationen, von Beginn des Wettbewerbsverfahrens über seinen Fortschritt bis zum Abschluss, sofern keine Beschränkung bzw. Ausnahmeregelung eingreift.364 Auf derartige Beschränkungen stützt sich die Kommission, um Zugangspetenten die Einsicht in Kronzeugenunterlagen zu verweigern. Da die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften aufgrund des unterschiedlichen Normzwecks nicht vorrangig gegenüber denjenigen der Transparenz-VO sind,365 können sich Beschränkungen des Akteneinsichtsrechts Dritter aber nur aus dem in Art.  4 Transparenz-VO enthaltenen Katalog von Ausnahmen ergeben. Im vorliegen360 

Vgl. EuG v. 5.12.2001 – Rs. T-216/01, Slg. 2001, II-3481 Rn.  44 ff. – Reisebank. Palzer, EuR 2012, 583, 586. 362  Siehe auch das „Recht auf Zugang zu Dokumenten“ gem. Art.  42 EUGR-Charta. 363 Siehe Kellerbauer, WuW 2011, 688, 692. 364 Vgl. Kellerbauer, WuW 2011, 688, 692. 365  Der wettbewerbsrechtlich begründete Anspruch auf Akteneinsicht gründet auf der Sicherung der Verteidigungsrechte. Demgegenüber dient die Transparenz-VO dem Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Kommission zur Herstellung größtmöglicher Transparenz ihres Verwaltungshandelns; vgl. Kellerbauer, WuW 2011, 688, 693; Palzer, EuR 2012, 583, 589 ff.; siehe auch EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  116 – EnBW/ Kommission. Allerdings hatte der EuGH in dem das Beihilfenrecht betreffende Urteil „Ilmenau“ vom 29.6.2010 festgestellt, dass die Verweigerung des Zugangs zu Dokumenten, die ein Verfahren zur Kontrolle staatlicher Beihilfen betreffen, u. U. mit der allgemeinen Vermutung gerechtfertigt werden könne, die Verbreitung dieser Dokumente beeinträchtige die Untersuchungstätigkeiten (Art.  4 Abs.  2 Gedankenstrich 3 Transparenz-VO); vgl. EuGH v. 29.6.2010 – Rs. C-139/07 P, EuZW 2010. 624. In der MyTravel-Entscheidung hat er diese Grundsätze jedoch nicht auf das Fusionskontrollrecht übertragen, sofern das Verwaltungsverfahren, das zur Entscheidung geführt hat, rechtskräftig abgeschlossen ist, vgl. EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-506/08 P, EuZW 2012, 22 Rn.  77 – MyTravel (vormals Airtours) mit Anm. Kellerbauer. Mit Urteil vom 27.2.2014 (Rs. C-365/12 P, NZKart 2014, 140 Rn.  78 ff. – Gasisolierte Schaltanlagen) hat der EuGH gleichwohl entschieden, dass die Transparenz-VO u. a. unter Berücksichtigung der VO Nr.  1/2003 auszulegen sei. Demgemäß unterliege das „Recht auf größtmöglichen Zugang zu den Dokumenten der Organe [. . .] bestimmten Schranken aus Gründen des öffentlichen oder privaten Interesses“ (a.a.O., Rn.  85). 361 Vgl.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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den Zusammenhang bedeutsam sind u. a. Absatz 2 erster Gedankenstrich (Schutz geschäftlicher Interessen), Absatz 2 dritter Gedankenstrich (Schutz des Zwecks von Inspektions- und Untersuchungstätigkeiten) und Absatz 3 (Schutz des Entscheidungsprozesses),366 sofern kein entgegenstehendes öffentliches Interesse an der Offenbarung besteht (Art.  4 Abs.  2 letzter Hs. TransparenzVO).367 Die Einzelheiten müssen uns nicht beschäftigen. Der EuGH hat sich in den Entscheidungen „Pfleiderer“ sowie „Donau-Chemie“ weder unmittelbar noch implizit zum sachlichen Anwendungsbereich und zur Reichweite der Ausnahmetatbestände der Transparenz-VO geäußert.368 Aus diesem Grunde sind die zu schildernden Entscheidungen des EuG zur Einsichtnahme in Kronzeugenunterlagen gem. der Transparenz-VO mit Spannung erwartet worden. b) Entscheidung des EuG „CDC Hydrogen Peroxide“ Im ersten Fall beantragte die CDC Hydrogen Peroxide Cartel Damage Claims, eine Gesellschaft zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen Mitglieder des sog. Wasserstoffperoxid-Kartells,369 im Jahr 2008 den Zugang zum Inhaltsverzeichnis der Kommissionsakte, um eine Follow-on-Klage zu prüfen.370 Die Kommission hatte das entsprechende Kartellverfahren mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 abgeschlossen. Sie verweigerte unter Hinweis auf die Ausnahmeregelungen der Transparenzverordnung gleichwohl den Zugang zum Inhaltsverzeichnis. Mit Urteil vom 15.12.2011 hat das EuG diese Entscheidung für nichtig erklärt.371 Das EuG weist zunächst darauf hin, dass die Transparenz-VO nach ihrem vierten Erwägungsgrund und dem Art.  1 der Öffentlichkeit ein größtmögliches Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe einräumen soll und an den „demokratischen Charakter der Organe“ anknüpfe.372 Vor diesem Hintergrund 366 

Weitere wichtige Vorschriften finden sich bei Kellerbauer, WuW 2011, 688, 692. im Sinne der Transparenz-VO liegt ein solch öffentliches Interesse noch nicht in der erleichterten Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen, da ansonsten die Ausnahmetatbestände des Art.  4 weitgehend leer liefen; ebenso im Ergebnis Palzer, EuR 2012, 583, 605. 368  Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 940. Eine gewisse Konvergenz zwischen den Entscheidungen „Pfleiderer“ und „Donau Chemie“ bezüglich der Akteneinsicht in mitglieds­ staatliche Verfahrensakten sowie der Einsicht in die Akten der Kommission, um die es in den EuG-Urteilen geht, erkennt Hempel, EuZW 2013, 589, 590. Siehe nachfolgend jedoch EuGH v. 27.2.2014 – Rs. C-365/12 P, NZKart 2014, 140 – Gasisolierte Schaltanlagen (EnBW). 369  Es handelt sich um eine spezifische Form der kollektiven Rechtsdurchsetzung. 370  Es wurde somit nicht Einsicht in die gesamte Akte verlangt. 371 EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 – CDC Hydrogene Peroxide/ Kommission; dazu Hempel, EuZW 2012, 161; Palzer, EuR 2012, 583 ff.; Stockmann, ZWeR 2012, 20, 21 ff. 372  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 Rn.  32 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission. 367 Jedenfalls

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

seien Ausnahmen restriktiv auszulegen.373 Sofern die Veröffentlichung des Inhaltsverzeichnisses die Kronzeugen einem hohen Risiko von Privatklagen aussetze, mache dieser Umstand die Daten noch nicht zu schützenswerten Geschäftsgeheimnissen, da dieses Risiko nur aus einer möglichen Verwendung der offen gelegten Daten, also – so die feinsinnige Argumentation – nicht aus der Offenlegung selbst resultiere.374 Unter Hinweis auf die Entscheidungen des EuGH „Courage“ und „Manfredi“ führt das EuG sodann aus: 375 „Auch wenn einer Gesellschaft dadurch, dass sie Schadensersatzklagen ausgesetzt ist, zweifellos hohe Kosten – und sei es auch nur in Form von Anwaltskosten – entstehen können, und dies auch dann, wenn solche Klagen am Ende als unbegründet abgewiesen werden sollten, ändert dies nichts daran, dass das Interesse einer an einem Kartell beteiligten Gesellschaft an der Vermeidung solcher Klagen nicht als geschäftliches Interesse eingestuft werden kann; jedenfalls ist es insbesondere im Hinblick auf das Recht eines jeden, Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch ein Verhalten entstanden ist, das den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, nicht schutzwürdig.“

Damit bekräftigt das EuG das Primat des „private enforcement“. Auch das Argument der Kommission, sie sei bei der Erfüllung ihrer Aufgabe der Bekämpfung wettbewerbswidriger Verhaltensweisen wesentlich auf die Zusammenarbeit der Unternehmen – der Kartellanten – angewiesen, die jedoch gefährdet sei, wenn die von den Unternehmen vorgelegten Dokumente verbreitet würden,376 erkannte das EuG nicht an; denn damit könne man letztlich den Zugang zu allen Dokumenten in den Verfahrensakten ohne zeitliche Begrenzung verweigern.377 Das EuG führte insoweit wiederum unter Verweis auf die Courage-Entscheidung aus: 378 „Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass die Kronzeugenregelung, deren Wirksamkeit die Kommission schützen möchte, nicht das einzige Mittel ist, um zu gewährleisten, dass die Wettbewerbsregeln der Union beachtet werden. Schadensersatzklagen vor den nationalen Gerichten können nämlich wesentlich zur Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs in der Union beitragen.“ 373  Dieses Argument ist methodisch nicht zweifelsfrei; entscheidend ist der Normzweck. Da dieser im Wettbewerbs- und im Regulierungsrecht primär auf den Schutz der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer ausgerichtet ist, ist es im Ergebnis allerdings überzeugend, effizienzbezogene Einschränkungen der individuellen Rechte als „Ausnahmen“ zu bezeichnen. Auf Tatbestandsebene entspricht dies etwa dem Verhältnis von Art.  101 Abs.  1 AEUV zu Art.  101 Abs.  3 AEUV. 374  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, BeckRS 2011, 81909 Rn.  47 – CDC Hydrogene Per­ oxide/Kommission; Hempel, EuZW 2012, 161, 162. 375  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 Rn.  49 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission. 376  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 Rn.  56 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission. 377  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 Rn.  70 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission. 378  EuG v. 15.12.2011 – Rs. T-437/08, WuW EU-R 2187 Rn.  7 7 – CDC Hydrogene Peroxide/Kommission; hierauf verweist auch Stockmann, ZWeR 2012, 20, 22.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Die Kommission kann somit durchaus den Zugang zu Kronzeugenanträgen in abgeschlossenen Kartellverfahren verweigern, soweit diese Informationen enthalten, die aufgrund ihres Inhalts wichtige Geschäftsgeheimnisse konkret gefährden.379 Das gilt jedoch nicht für solche Informationen, die das Unternehmen bei einer gerichtlichen Inanspruchnahme im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungs- und Beweislast sowieso preisgeben müsste.380 Demgegenüber reicht allein die Erhöhung des Risikos einer Inanspruchnahme durch dritte Schadensersatzkläger nicht aus, um eine Offenlegung zu verweigern. Auch kann die Verweigerung der Akteneinsicht nicht mit einer abstrakten Gefährdung der Wirksamkeit des Kronzeugenprogramms begründet werden. All dies spricht für einen Vorrang des „private“ vor dem „public enforcement“. c) Entscheidung des EuG „EnBW“ In einem weiteren Verfahren befasste sich das EuG mit einem Akteneinsichtsgesuch der EnBW Energie Baden-Württemberg AG (EnBW), die nach eigenen Angaben von einem Kartell betroffen war, das von der Kommission mit einer Entscheidung geahndet wurde.381 Die Kommission wies den Antrag von EnBW nach über einjähriger Prüfung unter Berufung auf Art.  4 Abs.  2 und 3 Transparenz-VO zurück. Hiernach kann dem Antragsteller, wie wir schon gesehen haben, der Zugang zu Dokumenten verwehrt werden, wenn hierdurch der Schutz geschäftlicher Interessen, der Schutz des Zwecks von Untersuchungstätigkeiten oder behördliche Entscheidungsprozesse gefährdet würden. Diese Ausnahmen sollten nach Ansicht der Kommission für alle in den Verfahrensakten befindlichen Dokumente gelten: 382 „1. Immunitäts-/Kronzeugendokumente, d. h. Erklärungen der betroffenen Unternehmen und alle Dokumente, die von ihnen im Rahmen des Immunitätsantrags oder des Antrags auf Anwendung der Kronzeugenregelung eingereicht worden waren; 2. Auskunftsersuchen und Erwiderungen der Parteien auf diese Ersuchen; 3. Ermittlungs­ unterlagen, d. h. Dokumente, die bei den Nachprüfungen vor Ort in den Räumen der betroffenen Unternehmen sichergestellt worden waren; 4. Mitteilung der Beschwerdepunkte und Erwiderungen der Parteien hierauf; 5. interne Dokumente: a) sachverhaltsbezogene Dokumente, d. h. erstens Sachanmerkungen zu den aus den zusammengetragenen Beweisen zu ziehenden Schlussfolgerungen, zweitens Schriftwechsel mit anderen Wettbewerbsbehörden und drittens Konsultationen anderer in der Sache tätiger Dienststellen der Kommission; b) Verfahrensdokumente, d. h. Ermittlungsaufträge, Ermitt379 Extensiver Hempel, EuZW 2012, 161, 162, nach dem es ausreichen soll, dass die geschäftlichen Interessen durch die Offenlegung aktuell irgendwie berührt werden. Eine derartige „Berührung“ wird man jedoch immer annehmen können, weshalb sie als Unterscheidungsmerkmal nicht tauglich ist. 380  Siehe dazu noch in Zusammenhang mit der ORWI-Entscheidung des BGH, Teil 9 C. II. 2. b). 381  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 – EnBW/Kommission. 382  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  8 – EnBW/Kommission.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

lungsprotokolle, Ermittlungsberichte, Verzeichnisse der Ermittlungsunterlagen, Schriftstücke betreffend die Zustellung bestimmter Dokumente und Aktenvermerke.“

Nach Ansicht der Kommission fielen alle Dokumente unter Art.  4 Abs.  2 dritter Spiegelstrich Transparenz-VO, wonach die Organe den Zugang zu einem Dokument verweigern können, durch dessen Verbreitung „der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Audittätigkeiten“ beeinträchtigt würde.383 Bei den Dokumenten der Kategorie 5 a) – interne sachverhaltsbezogene Dokumente – sei auch Art.  4 Abs.  3 Transparenz-VO einschlägig, wonach der „Zugang zu einem Dokument, das von einem Organ für den internen Gebrauch erstellt wurde oder bei ihm eingegangen ist und das sich auf eine Angelegenheit bezieht, in der das Organ noch keinen Beschluss gefasst hat, [. . .] verweigert wird, wenn eine Verbreitung des Dokuments den Entscheidungsprozess des Organs ernstlich beeinträchtigen würde“. In beiden Fällen kann die Akteneinsicht jedoch nicht verweigert werden, wenn „ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung“ besteht. Eben dies kann jedoch auch bei Kronzeugenunterlagen der Fall sein, da das „private enforcement“ des Wettbewerbsrechts im öffentlichen Interesse der Union steht. Das EuG hat EnBW ein Zugangsrecht zu den Kronzeugenunterlagen gewährt: Art.  4 Abs.  2 dritter Spiegelstrich der Transparenz-VO sei nicht einschlägig.384 Zwar sei gegen die Entscheidung der Kommission noch ein Rechtsmittel beim EuG anhängig; die Untersuchungstätigkeit sei jedoch mit dem Erlass der endgültigen Entscheidung abgeschlossen. Ansonsten müssten die Interessenten den zeitlich ungewissen Ausgang der Entscheidung vor den Gerichten abwarten, was im Gegensatz zum Ziel der Transparenzverordnung stehe, „den größtmöglichen Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten der Organe zu gewährleisten, um den Bürgern die Möglichkeit zu geben, die Ausübung öffentlicher Gewalt wirksamer auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu kontrollieren“.385 Das EuG wies – in Bekräftigung der Entscheidung „CDC Hydrogen Peroxide“ – auch den Einwand der Kommission zurück, wonach der „Zweck von Untersuchungstätigkeiten“ die „gesamte Politik der Kommission im Bereich der Kartellbekämpfung und -prävention“ umfasse,386 da hierdurch nicht nur die Klagemöglichkeiten von Privatklägern unverhältnismäßig beeinträchtigt würden,387 sondern letztlich auch die wettbewerbspolitische Entscheidungskompetenz des Gesetzgebers in Frage gestellt werde.

383 

Art.  4 Abs.  2 letzter HS VO (EG) Nr.  1049/2001. EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  113 ff. – EnBW/Kommission. 385 EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.   121 – EnBW/Kommission; zust. Kellerbauer, WuW 2011, 688, 696. 386  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  123 – EnBW/Kommission. 387  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  124 f. – EnBW/Kommission [Hervorhebung durch Verf.]. 384 

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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Im Ergebnis erachtet das EuG also die Interessen von Privatpersonen, die von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffen sind und deshalb einen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen wollen, gegenüber denjenigen der Wettbewerbsbehörden auf Schutz ihrer Ermittlungstätigkeit als vorrangig.388 So haben von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffene Dritte nach Art.  2 Transparenz-VO grundsätzlich einen Anspruch auf Akteneinsicht, wohingegen die Ausnahmeregelungen des Art.  4 Transparenz-VO „eng auszulegen und anzuwenden“ sind.389 Folgerichtig darf die Kommission einen Antrag auf Akteneinsicht nicht mit dem pauschalen Hinweis auf bestimmte Kategorien von Dokumenten ablehnen. Etwas anderes kann erwogen werden, wenn es um eine Zusammenfassung von Dokumenten geht, die die gleiche Art von Informationen enthalten.390 Eine Kategorisierung anhand des Dokumenten-Typus (zum Beispiel Kronzeugendokumente) erfüllt diese Voraussetzung aber nicht.391 Nach dieser Ansicht ist es der Kommission künftig nicht mehr möglich, Anträge auf Akteneinsicht zur Vorbereitung privater Schadensersatzklagen unter Verweis auf ein vermeintlich übergeordnetes öffentliches Interesse an der effektiven behördlichen Kartelldurchsetzung abschlägig zu bescheiden.392 Allein das Interesse eines ehemaligen Kartellmitglieds an der Vermeidung von Schadensersatzklagen begründet kein schützenswertes geschäftliches Interesse im Sinne der Transparenzverordnung.393 Sofern die Kommission eine Akteneinsicht verweigern will, weil der damit verbundene Arbeitsaufwand „außergewöhnlich“ hoch sei, muss sie über die Menge der betroffenen Dokumente hinaus weitere einschlägige Gesichtspunkte nachweisen.394 Das EuG hat mit diesen Ausführungen die vom EuGH in der Pfleiderer-Entscheidung getroffenen Vorgaben übernommen und näher präzisiert.395 Zugleich hat es mittelbar den mitgliedstaatlichen Kartellbehörden ein Berufen auf Ablehnungsgründe wie „Schutz 388 

Yomere, WuW 2013, 34, 35 ff. EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  41 und 54 – EnBW/Kommission, unter Verweis auf EuGH v. 1.2.2007 – Rs. C-266/05 P, Slg. 2007, I-1233 Rn.  63 f. – Sison/ Rat, wo jedoch zugleich festgestellt wurde, dass der Rat im Hinblick auf die Prüfung der Ausnahmetatbestände der Transparenz-VO ein weites Ermessen habe; EuGH v. 18.12.2007 – Rs. C-64/05 P, EuZW 2008, 219 Rn.  66 – Schweden/Kommission; EuGH v. 1.7.2008 – verb. Rs. C-39/05 P und C-52/05 P, Slg. 2008, I-4723 Rn.  71 – Schweden und Turco/Rat, im Hinblick auf den Zugang zu Rechtsgutachten des Rates in Gesetzgebungsfragen. 390  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  4 4 ff. – EnBW/Kommission. 391  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  6 4 ff. – EnBW/Kommission; Yomere, WuW 2013, 34, 36. 392  A.A. EuGH vom 27.2.2014 – Rs. C-365/12 P, NZKart 2014, 140 Rn.  65 und 107 – Gas­ isolierte Schaltanlagen, wonach sich die Kommission für bestimmte Arten von Dokumenten auf „allgemeine Vermutungen“ stützen dürfe, sofern der (auch im öffentlichen Interesse der Union stehende) Zugang zu Kronzeugenunterlagen nicht für einen Schadensersatzanspruch notwenig sei. 393  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  134 ff. – EnBW/Kommission. 394  EuG v. 22.5.2012 – Rs. T-344/08, WuW EU-R 2356 Rn.  93 ff. – EnBW/Kommission. 395  Yomere, WuW 2013, 34, 37. 389 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

der Untersuchungstätigkeit“, „Schutz von Geschäftsgeheimnissen“ und „unzumutbarer Arbeitsaufwand“ jedenfalls erschwert. 5. Primat des „private enforcement“ Kronzeugenprogramme werden ebenso wie das vermeintliche Primat der öffentlichen Kartellrechtsdurchsetzung mit der vermeintlich höheren Effizienz begründet.396 Ohne die kartellbehördliche Ermittlungstätigkeit würden geschädigte Dritte häufig erst gar nicht von einem Wettbewerbsverstoß erfahren. Da private Schadensersatzkläger über keine ebenso effektiven Möglichkeiten zur Destabilisierung oder Aufdeckung von geheimen (Hardcore-)Kartellabsprachen verfügten, sei das „private enforcement“ auch nicht so abschreckend wie eine behördliche Durchsetzung.397 Diesen hörenswerten Argumenten stehen gewichtige Gegenargumente gegenüber. So beeinträchtigte ein Vorrang des „public enforcement“ durch Geheimhaltung von Kronzeugenunterlagen die unionsrechtlich geforderte, durch den individualschützenden Charakter der Wettbewerbsvorschriften bestätigte Effektivität privater Schadensersatzklagen.398 Die Wettbewerbsvorschriften dienen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zwar der öffentlichen Ordnung.399 Diese zielt aber auf den Schutz des freien Wettbewerbsprozesses ab, der durch Ausübung der individuellen wirtschaftlichen Freiheitsrechte der Bürger in Gang gesetzt und gehalten wird. Aus diesem Grunde ist es nur folgerichtig, dass die EU-Wettbewerbsregeln auf der Grundlage der Courage- und Manfredi-Rechtsprechung durch private Schadensersatzklagen durchgesetzt werden sollen. Die individuelle Anspruchsberechtigung hängt dabei nicht davon ab, ob dies im Einzelfall für die Kartellrechtsdurchsetzung erforderlich oder zweckmäßig ist.400 Vielmehr haben die nationalen Rechtsordnungen die geeigneten Voraussetzungen zu schaffen, um die volle und praktische Wirksamkeit sowie die Effektivität und Äquivalenz der nationalen Rechtsbehelfe sicherzustellen.401 Das Unionsrecht geht somit von einem Primat des „private enforcement“ aus, zu dessen Effektuierung die Kartellbehörden mit öffentlich-rechtlichen Zwangsbefugnissen ausgestattet werden.402 Dies bedeutet nicht, dass die öffent396  Siehe etwa das vom BKartA am 26.9.2005 vorgelegte Diskussionspapier „Private Kartellrechtsdurchsetzung“, S.   26; siehe auch Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2009, 885, 894 f. m. w. N. 397 Vgl. Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2009, 885, 894; Böge/Ost, ECLR 2006, 197, 198. 398  Stockmann, ZWeR 2012, 20, 33 ff. 399 EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.   31 – Manfredi; EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  49 – T-Mobile-Netherlands. 400  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  38 – ORWI; siehe dazu Teil 9 C. II. 2. b). 401  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  60 ff. – Manfredi. 402  Kühne, WuW 2011, 577; Mohr ZWeR 2011, 383, 385.

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lich-rechtlichen Rechtsbehelfe subsidiär gegenüber Privatklagen wären.403 Letztere können jedoch nicht unter Verweis auf ein „Primat des öffentlichen Rechtsschutzes“ formal oder inhaltlich eingeschränkt werden. Aus zivilistischer Sicht bilden die von den Kartellbehörden verhängten Bußgelder ein funktionales Äquivalent zu den aus dem US-amerikanischen Rechtsraum bekannten „triple (treble) damages“, um die präventiv verhaltenssteuernde Funktion der Wettbewerbsvorschriften zu sichern.404 Darüber hinaus dienen Bußgelder der Abschöpfung unberechtigter Vermögensvorteile, die von privaten Klägern – zum Beispiel als Ausdruck ihres „rationalen Desinteresses“ bei Streuschäden – nicht geltend gemacht werden. Aus privatrechtskonformer Sicht sollten die Kartellbehörden vorrangig von ihrer durch Art.  32 Abs.  2a GWB eingeräumten Befugnis Gebrauch machen, zu Gunsten der Betroffenen eine Wiedergutmachung anzuordnen, sofern die Dritten individualisierbar sind.405 Das Interesse von Kartelltätern an der Geheimhaltung von Informationen, die den Tatvorwurf betreffen, ist nicht schutzwürdig, wenn eine den Wettbewerbsverstoß feststellende Entscheidung der Kartellbehörden vorliegt; 406 denn nach der individualschützenden Ausgestaltung der Art.  101, 102 AEUV muss dieses Interesse demjenigen der Betroffenen an der Wiederherstellung des ­Zustands weichen, der ohne den Wettbewerbsverstoß bestanden hätte. Die 101 f. AEUV folgen einem materialen Freiheitsverständnis.407 Hiermit Art.   wäre es nicht zu vereinbaren, wenn sich ein Kartelltäter – gleichsam in Umkehrung des Verhältnisses von Ursache und Wirkung – gegenüber den Opfern auf den Schutz der Vertraulichkeit berufen könnte, um auf diesem Wege die Gefahr einer Inanspruchnahme durch private Ersatzklagen zu minimieren. Vergleichbares gilt für die Berufung auf ein vermeintliches Primat der öffentlichen Kartelldurchsetzung durch die Kartellbehörden, da sich dieses aus dem drittschützenden Normzweck der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht ableiten lässt.408 Selbst wenn man von einem – dogmatisch nicht begründbaren – Primat der öffentlichen Kartellrechtsdurchsetzung ausginge, ließen sich Kronzeugenregelungen nur mühsam in das System des Kartellbußgeldrechts implementieren: So wird die Abschreckungswirkung der Bußgelder nicht nur durch die vom EuGH geforderten effektiven Privatklagemöglichkeiten,409 sondern auch durch einen Erlass des Bußgeldes gegenüber Kronzeugen geschmälert. Kronzeugenregelun403 

Ebenso zum Energiewirtschaftsrecht Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  138. Papp, Kartellrechtsdurchsetzung, S.  267, 271; Mohr, ZWeR 2011, 383, 385. 405 Dazu Keßler, in: FS Säcker, 2011, S.  7 71 ff. 406  Bis zu diesem Zeitpunkt kann dem Schutz der Kronzeugen vor einer Vorverurteilung noch der Vorrang eingeräumt werden. A. A. Engelsing, ZWeR 2006, 179, 194. 407  Siehe Teil 5 C. 408  Siehe Teil 5 D. 409  Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 716. 404 Möschel/Bien/Wagner-von

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

gen können die Unternehmen unter Umständen sogar zu einem taktischen Verhalten animieren; denn durch eine Selbstanzeige können sie nicht nur ein eventuelles Bußgeld minimieren bzw. ausschließen, sondern zugleich die Wettbewerbsposition der Mittäter schwächen, da diese ggf. mit einem hohen Bußgeld zu rechnen haben. Kronzeugen würden hierdurch gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern unberechtigt bevorzugt.410 Ungeachtet des dogmatischen Vorrangs eines „private enforcement“ dürfen die tatsächlichen Vorzüge einer öffentlichen Kartelldurchsetzung deshalb nicht zu einer Beeinträchtigung privater Klagemöglichkeiten führen. Da auch die Bürger von einer effektiven behördlichen Kartelldurchsetzung profitieren, ist ein angemessenes Verhältnis „von Durchsetzungsvorteilen und Kollateralschäden bei Dritten, aber auch bei der Allgemeinheit“ anzustreben.411 Für eine wirksame Durchsetzung privater Schadensersatzklagen reicht es jedoch nicht aus, überhaupt Kenntnis davon zu erlangen, dass man Opfer eines Kartells geworden ist. Notwendig sind über die Tatbestandswirkung einer kartellbehördlichen Entscheidung hinaus (Art.  16 VO Nr.  1/2003, §  33 Abs.  4 GWB) – so es denn zu einer solchen kommt und das Verfahren nicht im Rahmen eines sog. Settlements beendet wird412 – eine Reihe weiterer Informationen, um der individuellen Darlegungs- und Beweislast nachzukommen, wie der Nachweis der Schadenshöhe und der Kausalität der Wettbewerbsbeschränkung für den Schaden (Problem der „passing-on defense“).413 Wäre ein eingeschränktes Akteneinsichtsrecht wirklich eine notwendige Voraussetzung für die Kooperation der Wettbewerbsbeschränker mit den Wettbewerbsbehörden, so bestätigte dies nur, dass bereits von einer effektiven privatrechtlichen Kartellrechtsdurchsetzung ein eindrucksvoller Abschreckungseffekt ausgeht.414 Vor diesem Hintergrund erscheint es für die Opfer von Kartellen nicht nur als ein schwacher Trost, wenn ihnen die Kronzeugenpraxis mit dem Hinweis schmackhaft gemacht werden soll, andernfalls erführen sie gar nicht erst von 410 So

Stockmann, ZWeR 2012, 20, 37. Stockmann, ZWeR 2012, 20, 21. 412  Hierzu krit. Stockmann, ZWeR 2012, 20, 40 ff. Vgl. Hennig, Settlements, S.  387 f., der den entsprechenden Instrumenten grundsätzlich positiv gegenübersteht. Ausführlich Bueren, Verständigungen, S.  976 ff., wonach die Settlement-Verfahren u. a. aufgrund der geringeren Begründungs- und Detaildichte der Mitteilung der Beschwerdepunkte und des Bußgeldbeschlusses negative „externe Effekte“ für Drittbetroffene hätten, die Kommission diese aber „weitgehend ignorieren“ dürfe. Bueren macht folgende „Gestaltungsempfehlungen zur Begrenzung negativer Auswirkungen“: Aufrechterhaltung eines Mindestmaßes an Transparenz im Interesse der Geschädigten, u. U. flankiert durch verfahrensinterne Rechtsschutzmöglichkeiten (wie die Möglichkeit, einen Anhörungsbeauftragten anzurufen), ein Stellungnahmerecht zu Beschwerdepunkten bzw. geplanten Beschlüssen im Vergleichsverfahren und eine bußgeldmindernde Berücksichtigung von Kompensationszahlungen der Kartelltäter als „positives Nachtatverhalten“. 413  Kersting, ZWeR 2008, 252, 256 ff.; zu weiteren Problemen von Stand-alone-Klagen vgl. Ackermann, ZWeR 2010, 329, 349. 414 So Stockmann, ZWeR 2012, 20, 38. 411 

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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einem Kartell.415 Eine solche Sichtweise ist vielmehr auch unionsrechtlich zweifelhaft. So hat der EuGH im Pfleiderer-Urteil ausgeführt, dass die für Anträge auf Zugang zu Dokumenten eines Leniency-Programms geltenden Regelungen die Erlangung von Schadensersatz nicht übermäßig erschweren dürfen. Eben dies ist jedoch wegen der Vertraulichkeitsregelungen der Kronzeugenprogramme der Fall; denn diese sollen die Kronzeugenanwärter gerade wirksam vor einer Inanspruchnahme durch private Kläger schützen.416 Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen ist das vermeintliche Primat der staatlichen Kartellrechtsdurchsetzung somit nicht aufrechtzuerhalten. 6. Dogmatische Folgerungen Auf der Grundlage der geschilderten Rechtsprechung der Unionsgerichte ist es nicht zulässig, die Anreizwirkung für Kronzeugen durch eine Beschränkung der Ansprüche Privatbetroffener zu erreichen, indem Letzteren generell der Zugang zu Kronzeugenunterlagen verweigert wird, auch wenn dieser für ein Schadensersatzbegehren unabdingbar notwendig ist. Denkbar ist vielmehr nur eine direkte Privilegierung der Kronzeugen.417 Diese muss den Gefahren Rechnung tragen, die Kronzeugen durch die Offenlegung von Informationen an Kartellgeschädigte entstehen: 418 Zum einen wird das Risiko des Kronzeugen erhöht, aufgrund der durch die Akteneinsicht gewonnen Informationen überhaupt zivilrechtlich in Anspruch genommen zu werden (Problem der Beweislast). Zum anderen muss er gewärtigen, früher als seine Mitkartellanten belangt zu werden (Problem der zeitlichen Inanspruchnahme). Da beide Risiken nicht zu Lasten der Drittgeschädigten gemindert werden dürfen, sind andere Lösungswege anzudenken, um die aus der Akteneinsicht resultierende Anreizminderung durch eine anderweitige Anreizsetzung zu kompensieren.419 a) Verhängung von „multiple damages“ Eine Privilegierung von Kronzeugen könnte erreicht werden, indem man den Kartelltätern anstatt der optionalen öffentlich-rechtlichen Geldbußen überkompensatorische Schadensersatzpflichten auferlegte.420 Bei deren Berechnung wären die besonderen Schwierigkeiten einer privaten Kartellrechtsdurchset415 GA Mazák, Schlussanträge v. 16.12.2010 – Rs. C-360/09, Juris Rn.  40 – Pfleiderer; zust. Mäger/Zimmer/Milde, WuW 2011, 935, 938. Ebenso im Ergebnis AG Bonn v. 18.1.2012 – 51 Gs 53/09, WuW DE-R 3499. 416  Stockmann, ZWeR 2012, 20, 38. 417 Ebenso Kersting, JZ 2013, 737, 738. 418 Siehe Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 840 f. 419  So die Formulierung von Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 841. 420 Ebenso Lever, Guidelines on setting fines for infringements of Articles 81 and 82 of the EC Treaty, Rn.  32.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

zung ebenso wie die notwendige Abschreckung vor künftigem Fehlverhalten zu berücksichtigen.421 Der entsprechend erhöhte Ersatzanspruch könnte auf den einfachen, also auf den dem kompensatorischen Schadensersatz entsprechenden Betrag herabgesetzt werden, sofern eine Kronzeugenregelung eingriffe.422 Die überkompensatorischen Schadensersatzzahlungen wären außerdem mit etwaigen Bußgeldern zu verrechnen; dabei bestünde aufgrund des Primats des „private enforcement“ aber ein Anrechnungsvorrang des Kartellschadensersatzes.423 Gegen eine maßvoll-überkompensatorische Erhöhung privater Schadensersatzzahlungen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken: Zwar stößt das Verfolgen der Strafzwecke „Sühne und Vergeltung“ entsprechend dem aus dem US-amerikanischen Recht bekannten Strafschadensersatz (sog. „punitive damages“) im deutschen Schadensersatzrecht – anders als im Recht der Ordnungswidrigkeiten – auf nachhaltige Bedenken.424 So hat der BGH etwa die Vollstreckbarkeitserklärung eines US-amerikanischen Urteils, das eine Verpflichtung zur Zahlung von Strafschadensersatz ausgesprochen hatte, am deutschen ordre public scheitern lassen.425 Darüber hinaus soll ein zivilrechtlicher Strafschadensersatz mit den verfassungsrechtlichen Garantien der Art.  103 Abs.  2 und 3 GG in Konflikt geraten.426 Es sei zu besorgen, dass man sich mit der Verhängung von Strafschäden den inhaltlichen Beschränkungen des Schadensersatzrechts ebenso wie des Strafrechts in Richtung einer freien Beliebigkeit entziehen könne.427 Die vorbenannten Bedenken führen aber nicht zwingend dazu, auch sachlich gerechtfertigte „multiple damages“ am deutschen ordre public scheitern zu las421  Ebenso der Vorschlag der Monopolkommission, Sondergutachten 41, Rn.  75 ff.; krit. für Streuschäden Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 692 f. 422  So die Rechtslage in den USA, vgl. Zimmer/Höft, ZGR 2009, 662, 716; siehe auch den Editorial Comment, CMLR 45 (2008), 609, 614: „If double damages were introduced for hard-core cartels, this would be different: successful immunity applicants could be rewarded with a de-doubling of damages in follow-on claims. This would neither violate the principle of full compensation nor would it be arbitrary because a plaintiff in a follow-on proceeding is generally in a much better position than a plaintiff in a stand-alone case so that it is justified not to help him with the double damages rule.“ Nach Ackermann, ZWeR 2010, 329, 349 ist die Anwendung ausländischen Kartellrechts über Art.  6 Abs.  3 Rom-II VO aus Sicht wirksamer Prävention gerade dann wünschenswert, wenn dieses ausdrücklich überkompensatorischen Schadensersatz zulässt. Davon zu trennen sei die Frage, ob überkompensatorischer Schadensersatz am deutschen ordre public scheitere (Art.  40 Abs.  3 EGBGB; Art.  26 Abs.  2 Rom-II VO i. V. mit Erw. 32); dagegen Ackermann (a. a. O.), S.  350 ff., da die benannten Vorschriften der Rom-II VO Schadensersatz nur insoweit begrenzten, als dieser unverhältnismäßig sei. 423  Vgl. dazu Weller, ZWeR 2008, 170 ff.; Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann, Einl. zu Art.  23 f. VO Nr.  1/2003 Rn.  263. 424 Griller/Eilmansberger/Thyri, Europäische Wirtschaftsverfassung, S.   163, 174; zum Recht gegen Diskriminierungen vgl. Adomeit/Mohr/Mohr, §  15 AGG Rn.  75. 425  BGH v. 4.6.1992 – IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312, 338 ff. 426  Medicus, JZ 2006, 805, 809. 427  Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 344 f.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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sen,428 sofern diese mit der präventiven Funktion des Schadensersatzes vereinbar und nach ihrer Gesamthöhe angemessen sind.429 „Multiple damages“ sind wesensmäßig von „punitive damages“ zu unterscheiden.430 So haben sie keinen pönalen Zweck, sondern dienen der Verhaltenssteuerung sowie der Pauschalierung des Schadens zur besseren Nachweisbarkeit.431 Nach Ansicht des EuGH müssen Sanktionen für die Verletzung von subjektiven Unionsrechten abschreckend sein.432 In der Manfredi-Entscheidung hat er die Verhängung von Mehrfachschadensersatz deshalb als eine zulässige Möglichkeit zur effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsrechts angesehen.433 Selbst das BVerfG erachtet in der Zustellung einer ausländischen Klage, die auf den Ersatz von „treble damages“ abzielt, keinen offensichtlichen Verstoß gegen die Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates.434 Die Verhängung von „multiple damages“ ist somit bereits de lege lata möglich. So erfüllt die Kumulation von Zahlungspflichten in Form von privatem Schadensersatz und öffentlichen Bußgeldern jedenfalls funktional die Aufgabe, die den „multiple damages“ zukommt.435 Dass eine Abschreckungsfunktion dem privaten Schadensersatzrecht nicht fremd ist, zeigen die Caroline von Monaco-Fälle, in denen teleologische Erwägungen zu einer Erhöhung von Schadensersatzzahlungen über die sich in Anwendung des Kompensationsgrundsatzes gem. §  249 BGB ergebenden Summen führten.436 Im gewerblichen Rechtsschutz ist ein privater Schadensersatz jenseits des reinen Differenzschadens – de facto eine Spielart der „multiple damages“ – ebenfalls anerkannt.437 b) Gesamtschuldnerinnenausgleich Sofern man den vorstehend angedachten Lösungsweg wegen grundsätzlicher Bedenken nicht mitgehen will, ist eine Lösung über eine materielle Privilegierung der Kronzeugen im Gesamtschuldnerinnenausgleich mit den Wettbe-

428 Als zulässig angesehen von EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  60 ff. – Manfredi, siehe Teil 9 B. III. 2. c). 429 So Ackermann, ZWeR 2010, 329, 350. 430  Mörsdorf-Schulte, Punitive Damages, S.  53 ff. 431  Stürner, in: FS Schlosser, 2005, S.  967, 975. 432  EuGH v. 21.9.1989 – Rs. 68/88, NJW 1990, 2245 Rn.  23 ff. – Kommission/Griechenland. 433  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  60 ff. – Manfredi. 434  BVerfG v. 9.1.2013 – 2 BvR 2805/12, NJW 2013, 990; skeptisch Stürner, in: FS Schlosser, 2005, S.  967 ff. 435  Mohr, ZWeR 2011, 383, 385; Möschel/Bien/Wagner-von Papp, Kartellrechtsdurchsetzung, S.  267, 271. 436  Grundlegend BGH v. 5.12.1995 – VI ZR 332/94, NJW 1996, 984 – Caroline von Monaco; siehe dazu Mohr, Jura 2010, 168, 171. Weitere Beispiele bei Monopolkommission, Sondergutachten 41, Rn.  79. 437 MünchKommZPO/Gottwald, §  328 ZPO Rn.  123.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

werbsverletzern anzudenken.438 Wie wir bereits gesehen haben, haften die gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen verstoßenden Unternehmen als Gesamtschuldner (§§  830, 840 Abs.  1, 421 ff. BGB).439 Insoweit könnte eine Reduzierung bzw. der Erlass eines Bußgeldes auch im Rahmen des Innenausgleichs als beachtlich angesehen werden, indem man den Kronzeugen insoweit von der Ausgleichspflicht befreit.440 Dogmatischer Ansatzpunkt ist §  426 Abs.  1 BGB, wonach Gesamtschuldner zu gleichen Teilen haften, soweit nicht „ein anderes bestimmt ist“.441 Eine derart andere Bestimmung soll nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht in dem Bemühen des Kronzeugen zu sehen sein, weiteren künftigen Schaden zu vermeiden und dem Geschädigten die Geltendmachung seines Schadens zu ermöglichen. Demgemäß könne die Aufklärung als Schadensminderung im Sinne des §  254 Abs.  2 BGB begriffen werden.442 Dieses Ergebnis ist meines Erachtens durchaus überzeugend, da es die volle Haftung gegenüber den Privatbetroffenen mit einer internen Haftungsprivilegierung im Verhältnis zu den anderen Kartellanten verbindet. Allerdings kann die Begründung mit dem Bemühen des Kartellanten, Schaden von den Drittbetroffenen abzuwenden, wohl bestenfalls als gekünstelt bezeichnet werden; denn der Kartellant will vor allem die eigene Haut retten, eventuell noch die Marktposition der anderen kartellbeteiligten Wettbewerber schädigen, indem diese mehr zahlen müssen als er, aber sicher nicht die Anspruchspositionen Drittbetroffener stärken. Es liegt deshalb näher, eine entsprechende Rechtspflicht des Kronzeugen aus den materiellen Tatbeständen des Wettbewerbsrechts abzuleiten. Diese untersagen nicht nur den Abschluss einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung, sondern auch deren Praktizierung. Dies dient nicht nur dem Schutz der individuellen materialen Selbstbestimmung der von der Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen, sondern auch dem Schutz ihres Vermögens.443 Dieses ist aufgrund der Möglichkeit einer dauerhaften Nichtdurchsetzbarkeit von Ersatzansprüchen konkret gefährdet. Das „Nachtatverhalten“ des Kronzeugen zeigt deshalb nicht nur eine konkret-schadensmin438  Also nicht im Außenverhältnis zu den negativ von der Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen; siehe Kersting, ZWeR 2008, 252, 265 ff.; ders., JZ 2012, 42, 45 f. 439 Dazu Görner, Anspruchsberechtigung nach §  33 GWB, S.  233; Meeßen, Anspruch auf Schadensersatz, S.  272; Koch, JZ 2013, 390, 391. Ausführlich zu den diversen Problemen der „Verantwortlichkeit“ Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  607 ff., in vorliegendem Zusammenhang insb. S.  620. 440  Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 841. 441  Koch, JZ 2013, 390, 393. 442  Kersting, JZ 2012, 42, 45; Dworschak/Maritzen, WuW 2013, 829, 841; Koch, JZ 2013, 390, 393 f.; krit. Bien, EuZW 2011, 889, 890, der einen Erstattungsanspruch des Kronzeugen gegen die Staatskasse andenkt. 443  Vgl. BGH v. 10.12.2008 – KVR 2/08, WuW/E DE-R 2538, 2540 Rn.  16 – Stadtwerke Uelzen; zust. Keßler, in: FS Säcker, 2011, S.  771, 774; MünchKommGWB/Keßler, §  32 GWB Rn.  45; Fritzsche, WRP 2006, 42, 54. Krit. Fuchs, ZWeR 2009, 176, 193 f.; siehe zum gesamten Problemkreis auch Lohse, AcP 201 (2001), 902 ff.

B. Die „Privatisierung“ des Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen

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dernde Wirkung für die Zukunft,444 sondern auch für die Vergangenheit, da es dem Drittbetroffenen erst (mit) ermöglicht, seinen Schaden zu liquidieren.

V. Sicherung der materialen Selbstbestimmung durch „public enforcement“ Wie wir oben gesehen haben, dienen die Wettbewerbsvorschriften der öffentlichen Ordnung der Union.445 Um ihre volle und praktische Wirksamkeit sicherzustellen, muss deshalb jeder von einer Wettbewerbsbeschränkung nachteilig Betroffene Ersatz des vollen Schadens verlangen können, der ihm durch die Tat entstanden ist.446 Dabei dürfen die nationalen Vorschriften die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder auch nur übermäßig erschweren.447 Diese Rechtsprechung vollzieht den objektiv-individualschützenden Charakter der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen zutreffend auf der Ebene der subjektiven Klageberechtigung nach.448 Sie wird flankiert von der Entscheidung des Unionsgesetzgebers, die Kartellrechtsanwendung durch das mit der VO Nr.  1/2003 eingeführte System der Legalausnahme und die damit verbundene dezentrale Anwendung der unionsrechtlichen Wettbewerbsvorschriften durch die mitgliedstaatlichen Gerichte und Kartellbehörden zu privatisieren. Eine Zusammenschau dieser Vorgaben ergibt, dass die europäischen Wettbewerbsvorschriften nicht mehr von einem Primat des „public enforcement“ ausgehen, sondern – im Sinne einer Übereinstimmung von objektivem und subjektivem Schutzzweck – von der Sicherung der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer auch durch ein effektives „private enforcement“. Hierzu legt das Wettbewerbsrecht seine Durchsetzung primär in die Hände von Privatklägern, denen zu diesem Zwecke praktisch wirksame und effektive Rechtsbehelfe an die Hand zu geben sind. Die öffentlich-rechtlichen Befugnisse der Kartellbehörden dienen der Effektuierung der privaten Rechtsdurchsetzung, da diese im öffentlichen Interesse der Union liegt. Die öffentlich-rechtlichen Handlungsbefugnisse und Sanktionen haben somit – anders als nach der ursprünglichen Konzeption als „Wettbewerbspolizeirecht“ mit Verbots- und Eingriffstatbeständen in Verbindung mit speziellen Erlaubnistatbeständen (Art.  81 Abs.  3 EG, §§  2 bis 8 GWB a. F.) – lediglich eine die privatrechtlichen Sanktionen unterstützende, dienende Funktion. Vor diesem Hintergrund 444 

So aber Bien, EuZW 2011, 889, 890. v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  31 – Manfredi; EuGH v. 4.6.2009 – Rs. C-8/08, EuZW 2009, 505 Rn.  49 – T-Mobile-Netherlands; siehe Teil 8 G. und Teil 9 B. III. 3. 446 Grundlegend EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.   18, 25 ff. – Courage/Crehan; siehe auch Art.  2 des Vorschlages der Kommission für eine Richtlinie zu wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzklagen. 447  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  60 ff. – Manfredi. 448  Dies haben wir methodisch schon oben nachgewiesen; siehe Teil 5 D. 445 EuGH

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

sind die von den Kartellbehörden verhängten Bußgelder aus privatrechtsdogmatischer Sicht als funktionales Äquivalent zu einem Mehrfachschadensersatz und nicht als eigenständige, öffentlich-rechtlichen Zielen dienende Sanktionen einzuordnen.449 Die veränderte Sichtweise der öffentlich-rechtlichen Sanktionsbefugnisse kommt im deutschen Recht durch den im Zuge der 8. GWB-Novelle neu geschaffenen, die Rechtsprechung des BGH450 rezipierenden §  32 Abs.  2a Satz 1 GWB zum Ausdruck.451 Danach kann die Kartellbehörde in einer sog. Abstellungsverfügung im Sinne des §  32 Abs.  1 GWB anstatt einer in öffentliche Haushalte fließenden Abschöpfung gem. §  34 GWB auch eine Rückerstattung der aus dem kartellrechtswidrigen Verhalten erwirtschafteten Vorteile an die Individualgeschädigten anordnen. Die Vorschrift stellt implizit klar, dass die Kartellbehörden auch – nach vorliegend vertretener Ansicht sogar primär – im Interesse der Individualgeschädigten tätig werden; denn es wäre teleologisch nicht begründbar, wenn sie trotz einer rechtlich und praktisch möglichen Abstellung des Verstoßes im Wege der Rückzahlung gleichwohl eine Abschöpfung in die öffentlichen Haushalte anordneten. Für das Ziel eines verstärkten „private enforcement“ des europäischen Wettbewerbsrechts kann sich ein am Verbrauchernutzen ausgerichteter „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht als durchaus hilfreich erweisen. Zwar widerspricht eine primär wohlfahrtsökonomisch ausgerichtete Wettbewerbspolitik einem auf dem Schutz der individuellen materialen Selbstbestimmung und der daraus erwachsenden Wettbewerbsprozesse ausgerichteten Wettbewerbsrecht. Die Vorschriften des Wettbewerbsrechts und bei dauerhaft nicht angreifbaren marktbeherrschenden Stellungen auch diejenigen des Regulierungsrechts haben in einer marktwirtschaftlich-freiheitlichen Ordnung primär die Aufgabe, eine Ausnutzung vom Wettbewerb nicht kontrollierter privatautonomer Handlungsspielräume zu Lasten Dritter zu unterbinden. Auf der anderen Seite passt sich das neue, (auch) an den Ergebnissen des Wettbewerbsprozesses auf die Verbraucher ausgerichtete Verständnis des Wettbewerbsrechts jedenfalls in die rechtspolitische Diskussion über einen effektiven Schutz der 449 

Teil 9 B. IV. 5. BGH v. 10.12.2008 – KVR 2/08, WuW/E DE-R 2538 Rn.  16 – Stadtwerke Uelzen, wonach eine Abhilfemaßnahme auch in der Beseitigung einer andauernden Beeinträchtigung liege, wozu wiederum die Anordnung gehöre, die durch das missbräuchliche Verhalten erwirtschafteten Vorteile zurückzuerstatten. Aufgrund des die materiale Selbstbestimmung sichernden Charakters der kartellbehördlichen Verfügungen ist die an der BGH-Entscheidung geübte Kritik nicht überzeugend; a. A. Fuchs, ZWeR 2009, 176 , 197; Baumgart/Rasbach/Rudolf, in: FS Kühne, 2009, S.  25, 39; Reher/Haellmigk, WuW 2010, 513 ff.; Kolpatzik/ Berg, WuW 2011, 713, 715 ff.; Fritzsche, DB 2012, 845, 850; wie vorliegend Langen/Bunte/ Bornkamm, §  32 GWB Rn.  32; MünchKommGWB/Keßler, §  32 GWB Rn.  45; ders., in: FS Säcker, 2011, S.  771 ff. 451  Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Achten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (8. GWB-ÄndG) v. 31.5.2012, BT-Drucks. 17/9852, S.  26. 450 

C. Deliktische Schutzgesetze

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Verbraucher ein.452 Folgerichtig wird die materiale Vertragsfreiheit der Marktteilnehmer de lege lata nicht nur durch das unionsrechtlich geprägte Konsumentenschutzrecht ausgestaltet (vgl. die §§  474 ff. BGB, §§  36 ff. EnWG,453 §§  43a TKG454), sondern auch durch die Vorschriften des europäischen und deutschen Wettbewerbsrechts geschützt, da diese sich nicht mehr darauf beschränken, auf „konstitutiver Ebene“ die Voraussetzungen für einen material-freien Vertragsschluss zu sichern, sondern den Verbrauchern auch in konkreten Ausbeutungssituationen durch effektive Rechtsbehelfe zur Seite stehen. In dieser modernen Interpretation des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts spiegelt sich mit Franz Jürgen Säcker eine veränderte Stellung des Verbrauchers im Wettbewerbsrecht wider: 455 Die optimale Versorgung der Verbraucher wird nicht mehr nur als mittelbare Folge der Freiheit des Wettbewerbsprozesses erwartet. Das Wettbewerbsrecht soll den Verbrauchern vielmehr selbst die Möglichkeit geben, sich gegen Wettbewerbsbeschränkungen zur Wehr zu setzen, die sie unmittelbar und individuell negativ berühren. Hierzu sind die objektiv-drittschützenden Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als deliktische Schutzgesetze sowie als vertragsrechtliche Verbotsgesetze zu interpretieren. Zunächst zur Einstufung als Schutzgesetze.

C. Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts als deliktsrechtliche Schutzgesetze Der durch das Wettbewerbs- und Regulierungsrecht begründete privatrechtliche Schutz vor Wettbewerbsbeschränkungen ist in der Rechtswirklichkeit bislang vor allem deliktsrechtlicher Art.456 Dies gilt auch für die von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ betroffenen Folgevertragspartner, da sie sich nach bislang herrschender Ansicht zwar nicht (passiv) auf die (Teil-)Unwirksamkeit des Vertrages gem. §  134 BGB berufen, aber unter Umständen (aktiv) deliktsrechtliche Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz geltend machen können.457 Die Fokussierung auf deliktische Rechtsbehelfe ist er452 

Das betont Säcker, ZWeR 2008, 348 f. Verständnis der Vorschriften über die Grundversorgung als sektorspezifischem Verbraucherschutz vgl. Graf von Westphalen/Schöne, AGB-Klauselwerke, Stromlieferverträge Einl. Rn.  1. 454  Vgl. den Überblick bei Graf von Westphalen/Munz, AGB-Klauselwerke, Telekommunikationsverträge Rn.  2 ff. 455  Säcker, ZWeR 2008, 348 f. 456  Dem entspricht der Fokus der Rechtswissenschaft, die die Entscheidungen „Courage“ und „Manfredi“ bislang allein unter deliktischen Aspekten würdigt, obwohl sie auch grundlegende Aussagen zu den vertragsrechtlichen Rechtsbehelfen enthalten; so etwa Görner, Anspruchsberechtigung nach §  33 GWB, S.  53 ff. 457 Vgl. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  35 f., 83 ff. 453  Zum

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staunlich, wird die entsprechende Anspruchsberechtigung von Personen der Marktgegenseite von der Rechtsprechung doch gerade auf die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Abreden zurückgeführt.458 Wenn von einer Wettbewerbsbeschränkung „beeinträchtigte“ Personen der Marktgegenseite deliktisch anspruchslegitimiert sind (§  33 Abs.  1 Satz 3 GWB), liegt es also nahe, auch die (Vor-)Frage der (Teil-)Unwirksamkeit wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge zu bejahen.459 Eben diesem Schritt verweigert sich die ganz herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum bislang. Wir werden diese Frage in einem Folgekapitel näher beleuchten. Im Hinblick auf die Rechtsstellung von Folgevertragspartnern wollen wir zunächst klären, welche Personen der Marktgegenseite de lege lata einen deliktsrechtlichen Anspruch geltend machen können. Im Anschluss wollen wir analysieren, in welchem Verhältnis das wettbewerbs- und regulierungsrechtliche System deliktsrechtlicher Haftung zur Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes gem. §  823 Abs.  2 BGB steht. Schließlich sind die konkreten Folgerungen auf die Rechtsstellung von Folgevertragspartnern zu erläutern, da diese – wie wir sehen werden – untrennbar mit der Frage zusammenhängen, ob Folgeverträge unwirksam sind.

I. Ermittlung des Schutzzwecks wettbewerbsrechtlicher Vorschriften als „Problem interdisziplinärer Wissenschaft“ Wie wir uns bereits verdeutlicht haben, handelt es sich bei der Ermittlung des „objektiven Schutzzwecks“ wettbewerbs- und regulierungsrechtlicher Normen nicht allein um eine juristische, sondern auch um eine ökonomische Fragestellung.460 Es ist zu ermitteln, welche Zwecke ein Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen in einer Marktwirtschaft aus ökonomischer Sicht verfolgen sollte, und wie sich diese Zwecke zur „Eigengesetzlichkeit des Rechts“461 verhalten. Letztere kommt etwa in den Grundrechten, den Ordnungsstrukturen des Pri458  So deutlich BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  15 – ORWI: Nach der Rechtsprechung des EuGH „erzeugt das Verbot des Art.  101 Abs.  1 AEUV unmittelbare Wirkungen in den Rechtsbeziehungen zwischen Einzelnen und lässt unmittelbar in deren Person Rechte entstehen, die die Gerichte der Mitgliedstaaten zu wahren haben. So kann sich jeder auf die in Art.  101 Abs.  2 AEUV angeordnete Nichtigkeit einer vom Kartellverbot erfassten Vereinbarung berufen. Hiervon ausgehend erfordert die praktische Wirksamkeit des Art.  101 Abs.  1 AEUV, dass jedermann Ersatz des Schadens verlangen kann, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränkt oder verfälscht, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist“[Hervorhebung durch Verf.]. 459  Diesen Schritt geht auch der BGH im ORWI-Urteil (im Rahmen seiner „obiter dicta“) nicht, schon weil es dort um die Anspruchsberechtigung eines mittelbar Kartellgeschädigten und damit um keine Folgevertragskonstellation im Sinne unserer Untersuchung ging; vgl. BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  19 ff. – ORWI. 460  Teil 4 B. I. 461  Kelsen, Reine Rechtslehre, Vorwort zur 1.  Aufl., S. III.

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vatrechts und den allgemeinen Rahmenbedingungen des Rechtssystems wie Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität zum Ausdruck. Karsten Schmidt hat die auf die Ermittlung der objektiven Ziele bezogene kartellrechtliche Schutzobjektsdiskussion nach Inkrafttreten des GWB462 deshalb zu Recht als ein „Problem interdisziplinärer Wissenschaft“ bezeichnet.463 Soweit er zugleich feststellte, dass „der Freiheitsaspekt jedes gesetzlichen Wettbewerbsschutzes auch der Kartellrechtsdiskussion des ersten GWB-Jahrzehnts selbstverständlich war“,464 ist diese Gewissheit in den zurückliegenden Jahren angesichts des „more economic approach“ zum europäischen Wettbewerbsrecht ins Wanken geraten, selbst wenn dieser wohl keine grundlegenden Änderungen der Normzwecke, sondern graduelle Verschiebungen in Richtung einer „ökonomischeren“, die Forschungsergebnisse der Post Chicago School rezipierenden Interpretation des Wettbewerbsrechts bewirkt hat.465 Bei der Interpretation wettbewerbsrechtlicher Normen gilt freilich – wir haben dies gesehen – ein Primat der Sicherung chancengleicher Selbstbestimmung gegenüber objektiv-überindividuellen Zwecken wie dem Umwelt- oder dem Verbraucherschutz. Demgemäß schützt das Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen gem. Art.  101 AEUV bzw. §  1 GWB nicht primär die Innenfreiheit der am Kartellvertrag beteiligten Personen, sondern die materiale Vertragsfreiheit Dritter vor unangemessenen ausbeutenden Eingriffen.466 Auch das in Art.  102 AEUV und §  19 GWB normierte allgemeine Missbrauchsverbot dient nicht nur dem Schutz des Wett­ bewerbsprozesses, sondern auch den Interessen der Geschäftspartner markt­ beherrschender Unternehmen vor einer Ausbeutung.467 Der Nachweis einer unangemessenen Ausbeutung erfordert nicht den Nachweis eines Verbrauchernachteils, sondern beschränkt die Handlungsoptionen marktbeherrschender Unternehmen durch einen konkreten Gefährdungstatbestand.468 Diese dürfen keine Entgelte fordern, die über den Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung liegen (Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs) und nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind.469 Ebenso wie im Rahmen des Verbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen geht es beim Missbrauchsverbot somit um eine Verhaltenssteuerung und nicht um eine Marktergebniskontrolle, auch wenn beim Verbot des Ausbeutungsmissbrauchs beide Ziele miteinander ver462 

Vgl. dazu Sandrock, Grundbegriffe, S.  272 ff. K. Schmidt, in: FS Hoppmann, 1994, S.  373. 464  K. Schmidt, in: FS Hoppmann, 1994, S.  373, 377; grundlegend Lukes, Kartellvertrag, S.  150 ff.; Biedenkopf, Vertragliche Wettbewerbsbeschränkung, S.  93 ff. 465  Dazu oben Teil 5 B.; zu den Post Chicago Economics siehe Teil 4 C. VII. 466  Lukes, Kartellvertrag, S.  150 ff.; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  2 2; Säcker, Zielkonflikte, S.  24. 467 MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  4, 6. 468  Kirchner, EuR-Bei 2011, 103, 107. 469  Allerdings ist nach neuerer Rechtsprechung des EuGH eine sog. Effizienzeinrede zulässig; siehe Teil 5 C. II. 2. 463 

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woben sind. Schließlich schützt auch die nicht im Fokus unserer Untersuchung stehende materielle Fusionskontrolle gem. Art.  3 FKVO bzw. §  36 Abs.  1 GWB die Interessen der von einer Zusammenschlussentscheidung betroffenen Dritten, wie bereits die privatrechtlichen Abwehrinstrumente verdeutlichen.470

II. Vorschriften des Wettbewerbsrechts Das Wettbewerbsrecht schützt die Funktionsbedingungen für materiale Vertragsfreiheit auf von Vermachtung betroffenen Märkten und ist deshalb dem Privatrecht und nicht dem öffentlichen Recht zuzuordnen.471 Mit dieser (objektiven) Zwecksetzung korrespondieren regelmäßig primäre subjektive Privatrechte der von einem Wettbewerbsverstoß negativ betroffenen Marktteilnehmer.472 Bis zu dieser Erkenntnis war es ein langer und dornenreicher Weg, der im Hinblick auf die dogmatischen Schlussfolgerungen – Stichwort: Teilnichtigkeit der Folgeverträge – noch nicht abgeschlossen ist. Wir werden diesen Weg im Folgenden in wesentlichen Zügen nachzeichnen. 1. Meinungsstand vor der 7. GWB-Novelle Seit Inkrafttreten des GWB im Jahr 1958 war hoch umstritten, welche Personen in den (subjektiven) Schutzbereich der wettbewerbsrechtlichen Vorschriften fallen. a) Restriktive Interpretation des Schutzgesetzerfordernisses Vor Einführung des Betroffenheitskriteriums in §  33 Abs.  1 GWB durch die 7. GWB-Novelle bestanden privatrechtliche Ansprüche auf Beseitigung,473 Unterlassung und Schadensersatz474 nach §  35 GWB (1958),475 §  33 GWB (1998) 476 470 Vgl. Bien, Fusionskontrolle, S.  161 ff.; Säcker/Wolf, Kartellrecht in Fällen, S.  236; siehe in Bezug auf einen öffentlich-rechtlichen Drittschutz auch Säcker/Boesche, ZNER 2003, 76, 78, 85. 471  Siehe dazu Teil 8 C. 472  Siehe Teil 5 D. 473  Beseitigungsansprüche waren zwar nicht ausdrücklich normiert, jedoch allgemein anerkannt, vgl. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, §  33 GWB Rn.  100. 474  Bei Verletzung der Art.  81, 82 EG a. F., §§  1, 19 ff. GWB a. F. 475  §  35 GWB in der von 1957 bis 1998 geltenden Fassung hatte folgenden Wortlaut: „Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder gegen eine auf Grund dieses Gesetzes von einer Kartellbehörde oder dem Beschwerdegericht erlassene Verfügung verstößt, ist, sofern die Vorschrift oder Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.“ Siehe zur Genese des §  35 GWB 1958 Schmiedel, Deliktsobligationen, S.  1 ff. 476  §  33 GWB 1998 hatte folgenden Wortlaut: „Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes oder eine Verfügung der Kartellbehörde verstößt, ist, sofern die Vorschrift oder die Verfügung den Schutz eines anderen bezweckt, diesem zur Unterlassung verpflichtet; fällt ihm Vor-

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und den §§  823 Abs.  2, 1004 BGB477 nur dann, wenn der Kartelltäter eine Vorschrift oder Verfügung verletzt hatte, die ausdrücklich den Schutz eines anderen bezweckte. Die privatrechtliche Haftung hing also in Übernahme der – überzeugenden – Grundwertung des §  823 Abs.  2 BGB davon ab, ob eine mate­rielle Regelung als individuelles Schutzgesetz anzusehen war und der Geschädigte in den Schutzbereich der Vorschrift fiel.478 Ein unbefangener Betrachter würde nun denken, dass die zum Schutz der Entscheidungsfreiheit und des Vermögens der Marktteilnehmer dienenden Wettbewerbsregeln unproblematisch auch subjektive Abwehrrechte gewähren müssten. Eben dies wurde jedoch über Jahrzehnte mit unterschiedlichsten Begründungen in Abrede gestellt. Aus diesem Grunde wollen wir uns zunächst der Dogmatik des §  823 Abs.  2 BGB vergewissern, um die vorgebrachten Argumente später sachgerecht einordnen zu können. Abweichend von §  823 Abs.  1 BGB sanktioniert §  823 Abs.  2 BGB nicht den Eintritt einer Rechts(guts)verletzung, sondern den Verstoß gegen eine individualschützende Vorschrift des deutschen und europäischen Rechts.479 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Schutzgesetz im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB eine Norm, die wenigstens auch auf den Schutz von Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art ihrer Verletzung ausgerichtet ist.480 Dabei kommt es nach der Formulierung des BGH nicht auf die Wirkungen, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass der Norm gerade den in Rede stehenden Rechtsschutz zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen (mit-)gewollt hat.481 Demgegenüber soll es für den Schutzgesetzcharakter nicht genügen, dass ein Individualschutz durch Befolgen der Norm als ihr mittelbarer „Reflex“ objektiv erreicht werden kann; dieser muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen.482 Auf der anderen Seite muss sich der Zweck des (Schutz-)Gesetzes nicht in der Gewährleistung von Individualschutz erschöpfen; es soll sogar ausreichen, dass die auf die Allgemeinheit gerichteten Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen.483 Zusätzlich muss sich aus dem „Gesamtzusammenhang des Normengesatz oder Fahrlässigkeit zur Last, ist er auch zum Ersatz des aus dem Verstoß entstandenen Schadens verpflichtet.“ 477  Da die §§  35 GWB 1958, 33 GWB 1998 lediglich Verstöße gegen das GWB erfassten, kam §  823 Abs.  2 BGB zur Anwendung, wenn ein Verstoß gegen die Art.  81, 82 EG a. F. in Rede stand; vgl. BGH v. 12.5.1998 – KZR 23/96, GRUR 1999, 276 – Depotkosmetik. 478  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  37. 479 Schulze/A. Staudinger, §  823 BGB Rn.  141. 480  Vgl. zu §  1 GWB a. F. BGH v. 4.4.1975 – KZR 6/74, BGHZ 64, 232, 237 – Krankenhauszusatzversicherung; siehe auch BGH v. 3.2.1987 – VI ZR 32/86, NJW 1987, 1818. 481  BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664, 2665. 482  BGH v. 8.6.1976 – VI ZR 50/75, BGHZ 66, 388, 389 f.; BGH v. 19.7.2004 – II ZR 218/03, NJW 2004, 2664, 2665; BGH v. 13.12.2011 − XI ZR 51/10, NJW 2012, 1800 Rn.  12, für das Verbot der Marktmanipulation gem. §  20a WpHG. 483  BGH v. 25.10.1974 – V ZR 47/70, BGHZ 63, 175, 179; BGH v. 8.6.1976 – VI ZR 50/75,

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

füges“ ergeben, dass die Schaffung eines zivilistischen Schadensersatzanspruchs tatsächlich vom Gesetz erstrebt wird, d. h. dass ein solcher „sinnvoll“ und „tragbar“ erscheint.484 Für die Zuordnung der Haftung zum Privatrecht macht es dabei keinen Unterschied, ob die haftungsbegründende Norm – wie dies bei den Vorschriften des Wettbewerbsrechts grundsätzlich der Fall ist485 – dem Zivilrecht oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist.486 Insbesondere kurz nach Inkrafttreten des GWB im Jahr 1958 wurde die subjektive Anspruchsberechtigung Drittbetroffener sehr restriktiv interpretiert, was aus heutiger Sicht mit dem damals normativ angelegten Vorrang des „public enforcement“ erklärt werden kann, wie er auch heute noch für das Wettbewerbsrecht487 und das Regulierungsrecht behauptet wird.488 Nach einer starken Ansicht sollten die Vorschriften des Wettbewerbsrechts gar keine subjektiven Rechte begründen, da sie das objektive Recht lediglich reflexhaft widerspiegelten (Vorrang des Institutionenschutzes).489 Nach einer weiteren Ansicht sollte das Wettbewerbsrecht zwar abstrakt für Drittschutz geeignete Normen ent­ halten; diese determinierten jedoch nicht „die Methode der konkreten Rechtsanwendung“.490 Selbst wenn man alle wettbewerbsrechtlichen Normen als Schutzgesetze einstufe, sei deshalb eine zusätzliche Abgrenzung vorzunehmen zwischen den vom Verbotsprinzip subjektiv Betroffenen und subjektiv nicht BGHZ 66, 388, 390; BGH v. 3.2.1987 – VI ZR 32/86, NJW 1987, 1818. Die entsprechende Abgrenzung war im Hinblick auf die Normen des Wettbewerbsrechts sehr streitig. Knöpfle (NJW 1967, 697, 700) stellte auf die Beeinträchtigung „wirklicher“ Individualinteressen ab. Busche (Kontrahierungszwang, S.  394) wollte die Abgrenzung danach vornehmen, ob eine wettbewerbsrechtliche Vorschrift neben Allgemein- auch Individualinteressen schütze und den Einzelnen zusätzlich zur autonomen Geltendmachung derselben ermächtige. Hierin spielt sich im Ergebnis die oben behandelte Unterscheidung zwischen primären und sekundären subjektiven Rechten wider; siehe Teil 5 D. 484  Siehe zu §  130 OWiG die Entscheidung des BGH v. 13.4.1994 – II ZR 16/93, NJW 1994, 1801, 1803; siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, §  22 Rn.  24; Busche (Kontrahierungszwang, S.  395) erblickt den Zweck dieser Anforderung und damit auch der „Schutzgesetzformel“ in der „Beschränkung deliktischer Abwehr- und Ersatzansprüche“ und damit im „Ausschluss der Popularklage“. Diese Ansicht verkennt die Funktion des §  823 Abs.  2 BGB, individualschützende Vorschriften, die außerhalb des BGB normiert sind, durch privatrechtliche Ansprüche zu sanktionieren. Es geht der Regelung somit nicht um eine Begrenzung, sondern um eine Begründung individualrechtlicher Ansprüche, soweit dies nicht zu einem systematischen Bruch mit anderen Normen und Wertungen des Gesetzes führt. 485  Etwas anderes gilt für die objektiv-überindividuellen Zwecken dienende „Effizienzverteidigung“ direkt/analog Art.  101 Abs.  3 AEUV; siehe oben Teil 8 C. I. 486 BeckOK-BGB/Spindler, §  823 BGB Rn.  146. 487  Siehe zur Behandlung der Kronzeugenanträge oben Teil 9 B. IV. 488  Zum Wettbewerbsrecht vgl. K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199; monographisch Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots; zum Regulierungsrecht vgl. Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 386. 489  Würdinger, WuW 1953, 723, 726; Leo, WuW 1959, 485 ff. 490  K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.  356 ff.; ders., in: FS Benisch, 1989, S.  293 ff.; ders., in: FS Hoppmann, 1994, S.  380 ff.; siehe nach Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle K. Schmidt, ZWeR 2010, 15, 29 f.

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Betroffenen.491 Hiernach sei nicht nur zu prüfen, ob die jeweilige „Bezugsnorm“492 überhaupt als Schutzgesetz in Betracht komme, sondern auch, unter welchen Voraussetzungen einzelne Marktbetroffene rechtlich betroffen seien.493 Das Recht könne nicht immer subjektive Rechte zusprechen, insbesondere nicht dort, wo es (allein) behördliche Befugnisse zum Einschreiten anordne.494 Diese Sichtweise spiegelt sich auch heute noch in der wirkungsmächtigen Konzeption Karsten Schmidts wider, anspruchsberechtigt seien nur Personen, die „rechtserheblich“ von einem Wettbewerbsverstoß betroffen seien,495 wobei sich die rechtliche Relevanz nicht etwa nach den Interessen der Individualbetroffenen, sondern nach nicht näher spezifizierten Effektivitätsgesichtspunkten richten soll. b) Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen Während der BGH dem Kartellverbot des §  1 GWB a. F. durchaus die Eignung als Schutzgesetz zubilligte,496 war die Reichweite einer Einbeziehung von Marktteilnehmern der Marktgegenseite, die von der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung negativ betroffen sind, in den Schutzbereich des Kartellverbots lange Zeit unklar. So führte der BGH in der Entscheidung „Familienzeitschrift“ aus dem Jahr 1983 aus, das Kartellverbot bezwecke den Schutz der Marktgegenseite „jedenfalls“ dann, wenn sich die Kartellabsprache gezielt gegen den Abnehmer eines Kartells richte.497 Diese Rechtsprechung wurde dahingehend (miss-)interpretiert, dass Ansprüche auf Schadensersatz, Unterlassung und Beseitigung allein dann bestünden, wenn der In-Anspruch-Genommene zielgerichtet die Wettbewerbsfreiheit anderer Marktteilnehmer mit leistungswidrigen Mitteln beeinträchtigt habe.498 Entscheidend sollten somit nicht die faktisch drittbelastenden Wirkungen eines wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens sein, wie dies dem oben herausgearbeiteten Schutzzweck des Kartellverbots entspricht. Vielmehr sollte zusätzlich erforderlich sein, dass sich ein Verhalten subjektiv-zielgerichtet gegen die materiale Selbstbestimmung anderer 491 

Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  129. Schmiedel, Deliktsobligationen, S.  66. 493  K. Schmidt, in: FS Benisch, 1989, S.  293, 300 f. 494  Fikentscher, Wirtschaftsrecht II, S.  153. 495  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, VO Nr.  1/2003 Anhang 2 Rn.  18 ff. 496  BGH v. 4.4.1975 – KZR 6/74, BGHZ 64, 232, 237 – Krankenhauszusatzversicherung. 497  BGH v. 25.1.1983 – KZR 12/81, BGHZ 86, 324, 330 – Familienzeitschrift. 498 Paradigmatisch sind die Verfahren hinsichtlich des von der Kommission mit hohen Geldbußen sanktionierten weltweiten Vitaminkartells. Siehe die Entscheidung der Kommission COMP/E-1/37.512, ABl.EU Nr. L 6 v. 10.1.2003, S.  1 – Vitamine, sowie im Anschluss die Urteile des LG Mannheim v. 11.7.2003 – 7 O 326/02, GRUR 2004, 182 mit Anm. Köhler, GRUR 2004, 99; des LG Mainz v. 15.1.2004 – 12 HK O 52/02, NJW-RR 2004, 478; des OLG Karlsruhe v. 28.1.2004 – 6 U 183/03, NJW 2004, 2243 mit Bespr. Bulst, NJW 2004, 2201 ff. Hierzu ausführlich Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  390 ff. 492 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Marktteilnehmer richtet, auch wenn dieses Erfordernis im Normzweck selbst nicht angelegt ist. Streitig war des Weiteren die Anerkennung des europarechtlichen Kartellverbots als Schutzgesetz (Art.  85 EGV, Art.  81 EG).499 Zwar hatte der EuGH schon früh anerkannt, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot in der Person der davon negativ Betroffenen subjektive Rechte begründen könne.500 Da das EG-Primärrecht lediglich die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Verträge anordnete, nicht jedoch eine eigene Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche normierte, bestimmte sich der deliktsrechtliche Schutz in Deutschland aber über den ein Schutzgesetzerfordernis statuierenden „Transmissionsriemen“ des §  823 Abs.  2 BGB.501 Aus diesem Grunde gestaltete sich die Rechtslage wie bei einem Verstoß gegen nationales Recht: Der BGH ging davon aus, dass ein Schadensersatzanspruch jedenfalls dann begründet sei, wenn sich der Verstoß gezielt gegen eine andere Person richte.502 Diese Rechtsprechung wurde in der Instanzgerichtsbarkeit insoweit eingeschränkt, als auch bei einer Verletzung des Europarechts nur solche Personen anspruchsberechtigt seien, gegen die sich ein (Preis-)Kartell unmittelbar richte503 (eigentlich sind dies alle vom Kartell betroffenen Personen der Marktgegenseite!). An dieser Einschätzung sollte zunächst selbst die oben geschilderte Courage-Entscheidung des EuGH nichts ändern,504 da diese nicht den Kreis der anspruchsberechtigten Personen erweitert, sondern nur klargestellt habe, dass sich unter gewissen Umständen auch Kartellbeteiligte auf den Schutz des Kartellverbots berufen könnten.505 Die Verfehltheit dieser Sichtweise wurde bereits oben erläutert.506 Nach überzeu499 

Betrachtet werden vorliegend nur die Regelungen der damaligen EG-Verträge. Vgl. EuGH v. 30.1.1974 – Rs. 127/73, Slg. 1974, 51 Rn.  15/17 – BRT/SABAM; EuGH v. 11.12.1973 – verb. Rs. 41/73 u. a., Slg. 1973, 1465 Rn.  7 – Génerale Sucrière; EuGH v. 30.4.1974 – Rs. 155/73, Slg. 1974, 409 Rn.  18 – Sacchi; EuGH v. 10.7.1980 – Rs. 37/79, Slg. 1980, 2481 Rn.  13 – Estée Lauder; EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-234/89, Slg. 1991, I-935 Rn.  45 – Delimitis. 501  Köhler, GRUR 2004, 99, 100; siehe auch Stillfried/Stockenhuber, WBl. 1995, 301, 304. 502  BGH v. 23.10.1979 – KZR 21/78, GRUR 1980, 130 – Kfz-Händler (BMW-Importe): „Wie §  1 UWG, so ist aber auch Art.  85 EWGV jedenfalls dann als ein Schutzgesetz im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB zugunsten des Beeinträchtigten anzusehen, wenn die verbotene Schädigung der Wettbewerbsfreiheit – wie die hier bewirkte Liefersperre – unmittelbar gegen den Betroffenen gerichtet ist.“ Siehe auch BGH v. 10.11.1987 – KZR 15/86, WuW/E BGH 2451, 2457 – Cartier-Uhren. Siehe zu einem Belieferungsanspruch im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems auch BGH v. 12.5.1998 – KZR 23/96, GRUR 1999, 276 – Depotkosmetik. 503  So in jüngerer Zeit noch das LG Mainz v. 15.1.2004 – 12 HK O 52/02, NJW-RR 2004, 478 LS 2; zum österreichischen Recht vgl. Stockenhuber/Wittmann, wobl 2007, 330, 334. 504  Siehe Teil 9 B. II. 2. 505  LG Mainz v. 15.1.2004 – 12 HK O 52/02, NJW-RR 2004, 478, 480 und LS 3. Krit. Köhler, GRUR 2004, 99, 100. 506  Siehe für ein Quotenkartell für Transportbeton KG v. 1.10.2009 – 2 U 10/03 Kart, WuW 2010, 189 ff. mit Anm. Hooghoff, GWR 2010, 69 (rechtskräftig; der BGH hat die Revisions-Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom 8.6.2010 – KZR 45/09 zurückgewiesen), wonach der Schadensersatzanspruch gemäß §  35 Abs.  1 Satz 1 GWB a. F. nicht die Zielgerichtetheit der Schädigung voraussetze und die Anspruchsberechtigten der 2. und 3. Markt500 

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gender Ansicht des EuGH kann „jedermann“, der von einer Wettbewerbs­ beschränkung negativ-kausal betroffen ist, einen Anspruch auf Beseitigung, Unterlassung und Schadensersatz, sowie – was uns noch beschäftigen wird – die Nichtigkeit der wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestandteile geltend machen. c) Missbrauch von Marktmacht Bezüglich des bis zum Jahr 1998 in §  22 Abs.  4 GWB normierten Missbrauchsverbots507 war ebenso wie für das Kartellverbot umstritten, ob es ein Schutzgesetz zu Gunsten der Marktgegenseite ist. Da die Vorschrift als Eingriffsermächtigung für die Kartellbehörden formuliert war, wurde der Schutzgesetzcharakter von der Rechtsprechung verneint: Die Regelung bezwecke allein den Schutz des Wettbewerbs als Institution.508 Der überwiegende Teil des Schrifttums folgte dem BGH509 und berief sich ergänzend auf die vermeintlich schwierige Feststellung des Wettbewerbsverstoßes.510 Wenn man die „außerordentlich schwierigen Fragen“ berücksichtige, die mit der Feststellung eines Ausbeutungsmissbrauchs einhergingen, liege es nahe, die Zahl der von der Norm subjektivrechtlich Geschützten einzuschränken.511 Demgegenüber betonten andere – meines Erachtens überzeugend – die Eigenschaft des §  22 Abs.  4 GWB a. F. als Schutzgesetz.512 Der Gesetzgeber wollte mit dieser Vorschrift missbräuchliche Verhaltensweisen marktbeherrschender Unternehmen verbieten; ein solches Verbot besteht jedoch nicht aufgrund eines abstrakten Marktschutzes, sondern weil es die materiale wirtschaftliche Bewegungsfreiheit anderer Marktteilnehmer im Einflussbereich marktbeherrschender Unternehmen sichern will.513 Darüber hinaus sagt eine Eingriffsbefugnis der Kartellbehörden noch nichts darüber aus, ob der Eingriff im öffentlichen Interesse oder zum Schutz der von der Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen erfolgt. stufe Gesamtgläubiger i. S. von §  428 BGB seien. Anders noch die Vorinstanz LG Berlin v. 23.5.2003 – 102 O 129/02 Kart, WuW/E DE-R 1325 f. – Berliner Transportbeton II. 507  §  2 2 Abs.  4 Satz 1 GWB i. d. F. des Gesetzes v. 20.2.1990, BGBl. I, 235 lautete: „Die Kartellbehörde hat gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen die in Absatz 5 genannten Befugnisse, soweit diese Unternehmen ihre marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für diese oder andere Waren oder gewerbliche Leistungen missbräuchlich ausnutzen.“ Ebenso §  22 Abs.  4 GWB i. d. F. ab dem 1.5.1980. 508  BGH v. 22.10.1973 – KZR 3/73, WuW/E BGH 1299, 1300 – Strompreisbezug. 509 Müller-Henneberg/Schwartz/Benisch, 2.  Aufl. 1963, §  35 GWB Anm.  7 m. w. N. 510  Auch dies ist eine Argumentation, die heute beim Regulierungsrecht wiederkehrt. 511  Hönn, Gestörte Vertragsparität, S.  129. 512 Grundlegend Mestmäcker, AcP 168 (1968), 235, 242 f., 252; ebenso Koch, Schadensersatz bei unerlaubten wettbewerbsbeschränkenden Handlungen, S.  67 f., 131 f.; Emmerich, Das Wirtschaftsrecht der öffentlichen Unternehmen, S.  336 ff.; ders., NJW 1974, 902; I. Schmidt, Wettbewerbspolitik gegenüber Marktmacht, S.  390; ausführlich Jörißen, Schutzgesetzeigenschaft des §  22 GWB. 513  Emmerich, NJW 1974, 902, 903.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Im Rahmen der 6. GWB-Novelle des Jahres 1998 wurde der Missbrauchstatbestand des §  19 GWB als gesetzliches Verbot ausgestaltet.514 Der Gesetzgeber wollte dadurch nicht nur eine bessere „Vorfeldwirkung“ erreichen, sondern auch den von einem Missbrauch betroffenen Marktteilnehmern die Geltendmachung von privaten Ansprüchen ohne vorherige Einschaltung der Kartellbehörden ermöglichen.515 Aufgrund der Neuregelung wurde §  19 GWB zugleich als Schutzgesetz anerkannt,516 und zwar bei einem Ausbeutungsmissbrauch auch im Interesse der unmittelbaren Marktgegenseite.517 Anders als im deutschen Recht war das europäische Verbot des Missbrauchs unternehmerischer Marktmacht (Art.  86 EGV, Art.  82 EG) seit jeher als individualschützende Norm konzipiert,518 weshalb es von der herrschenden Ansicht als Schutzgesetz im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB anerkannt wurde.519 Im Hinblick auf den geschützten Personenkreis war jedoch auch hier streitig, ob er in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zu Art.  85 EGV und Art.  81 EG520 auf zielgerichtete Rechtsverletzungen beschränkt sei. d) Besondere Missbrauchstatbestände Schon immer als Schutzgesetze zu Gunsten der Marktgegenseite anerkannt waren in Deutschland die besonderen Missbrauchstatbestände gegen Diskriminierungen und Behinderungen der §§  25 und 26 GWB a. F. (später: §§  20, 21 GWB a. F., jetzt: §  19 Abs.  2 Nr.  1 GWB); 521 denn diese Verhaltensweisen zeichneten sich gerade dadurch aus, dass sie sich „gezielt“ gegen die Marktgegenseite richteten.522 Für dieses Ergebnis wurde ergänzend angeführt, dass der Schutz der einzelnen Betroffenen gar nicht anders zu organisieren sei als durch Zuerkennung individueller Ansprüche.523 Eben dies gilt schon wegen der begrenz514  BGBl. 1998 S.  2346; Bechtold, NJW 1998, 2769, 2772; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §  19 GWB Rn.  101. 515  BT-Drucks. 13/9720 v. 29.1.1998, S.  35 f. 516  OLG Düsseldorf v. 21.2.2001 – U (Kart) 33/00, MMR 2001, 453 – Strom und Fon; siehe auch Heinemann, Immaterialgüterschutz, S.  173. 517  Stoll, Drittmarktbehinderungen, S.  47. 518 EuGH v. 21.2.1973 – Rs. 6/72, Slg. 1973, 215 Rn.   25 – Continental Can; EuGH v. 30.1.1974 – Rs. 127/73, Slg. 1974, 51 Rn.  15/17 – BRT/SABAM; EuGH v. 27.3.1974 – Rs. 127/73, Slg. 1974, 313 Rn.  6 /8 ff. – BRT II; EuGH v. 13.2.1979 – Rs. 85/76, Slg. 1979, 461 Rn.  33 ff., 115 – Hoffmann-La Roche. 519  Implizit OLG Düsseldorf v. 10.11.1997 – W Kart 7/97, 38 0 84/97, NZS 1998, 290; siehe auch Mestmäcker/Schweitzer, §  22 Rn.  24 f. 520  Siehe Teil 9 C. II. 1. b). 521 BGH v. 26.10.1961 – KZR 1/61, NJW 1962, 196, 199 – Gummistrümpfe; BGH v. 22.10.1973 – KZR 3/73, WuW/E BGH 1299, 1300 – Strompreisbezug. 522 Immenga/Mestmäcker/Markert, §   20 GWB Rn.  1. Ebenso Busche, Kontrahierungszwang, S.  394 f., der den Einzelnen jedoch zu Unrecht als „Funktionär der Gesamtrechtsordnung“ ansieht. 523  Busche, Kontrahierungszwang, S.  394.

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ten Kapazitäten der Kartellbehörden jedoch auch für alle anderen Wettbewerbsregeln. 2. Aktuelle Rechtslage Dem ORWI-Urteil des BGH wird von fachkundigen Kreisen bescheinigt, sich sehr differenziert mit dem „private enforcement“ durch mittelbare Kartell(zweit)abnehmer auseinandergesetzt zu haben.524 Aus diesem Grunde wird es nachfolgend im Zentrum der Betrachtungen stehen. a) „Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht“ gem. §  33 GWB 2005 In Umsetzung der Vorgaben der Courage-Rechtsprechung des EuGH hat der deutsche Gesetzgeber im Zuge der 7. GWB-Novelle mit §  33 GWB einen einheitlichen Tatbestand für Schadensersatz-, Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bei Verstößen gegen das deutsche und das europäische Wettbewerbsrecht geschaffen. §  33 Abs.  1 Satz 1 GWB stellt klar, dass anspruchsberechtigt jede von einem Wettbewerbsverstoß nachteilig betroffene Person ist. Betroffen ist gem. §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteiligter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Hierunter fallen – wie auch der BGH in seiner ORWI-Entscheidung festgestellt hat – nicht nur Wettbewerber, sondern auch unmittelbar und mittelbar geschädigte Personen der Marktgegenseite.525 Hierzu im Folgenden. b) Die ORWI-Entscheidung des BGH (Teil 2) Wir haben die ORWI-Entscheidung des BGH bereits in Zusammenhang mit den drittschützenden Wirkungen der Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen analysiert.526 Nunmehr sollen die rechtsfolgebezogenen Ausführungen des Gerichts betrachtet werden. aa) Reichweite des „Betroffenheitsmerkmals“ Nach der Modifizierung des §  33 GWB im Zuge der 7. GWB-Novelle ist weiterhin streitig, ob alle von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffenen Dritten – also nicht nur die unmittelbar, sondern auch die mittelbar betroffenen Personen der Marktgegenseite – Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und bei einem nachweisbaren Verschulden auch auf Schadensersatz geltend machen können. 524  Siehe die Beurteilung des Mitarbeiters des Juristischen Dienstes der Kommission Bulst in ZWeR 2012, 70, 88. 525  Vgl. BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  25 f. – ORWI; ebenso Monopolkommission, Sondergutachten 41, Rn.  71 ff. 526  Vgl. Teil 5 C. II. 4.

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So vertritt Karsten Schmidt weiterhin prononciert die Ansicht, entscheidend sei allein die „rechtserhebliche Betroffenheit“, weshalb die bis zur Neufassung des §  33 GWB geltenden Einschränkungen der Anspruchsberechtigung – insbesondere: keine Klagebefugnis von mittelbar Kartellbetroffenen bei bloßen Streuschäden – weiter fortbestünden.527 Der Begriff der Betroffenheit habe die Notwendigkeit einer gesonderten Feststellung sachlicher und persönlicher Betroffenheit nur verlagert anstatt gelöst.528 Es sei deshalb weiterhin die Aufgabe der Rechtswissenschaft, die zum Schutz der Institution Wettbewerb unbedingt notwendigen Klagebefugnisse wertend zuzuteilen oder – sofern dies opportun erscheint –zu versagen; denn der Begriff der Betroffenheit sei nicht „individualschutzbezogen“, sondern „institutionell abzugrenzen“.529 Wie wir bereits gesehen haben, bestehen zu Begriff und Wesen des wirtschaftlichen Wettbewerbs – und damit über dessen institutionellen Gehalt – viele ungelöste Fragen.530 Das gilt insbesondere dann, wenn man dessen Aussagegehalt von den Grundlagen des Privatrechts lösen und vornehmlich (wohlfahrts-)ökonomisch bestimmen will. Stellt man demgegenüber ein materialprivatrechtliches Verständnis des Wettbewerbs und der ihn konstituierenden wirtschaftlichen Handlungsfreiheiten in den Vordergrund, kann der Schutz des Wettbewerbsprozesses nicht von den individuellen Freiheitsrechten der Marktbürger abgetrennt werden. Vor diesem Hintergrund bleibt Karsten Schmidt die Antwort darauf schuldig, worin der besondere Gehalt des „Wettbewerbs“531 liegen soll, der zu einer Einschränkung individueller materialer Selbstbestimmung als höchstem Wert eines freiheitlichen Privatrechts führt. Auch der BGH hat sich dieser Sichtweise nicht angeschlossen. bb) Klagebefugnis mittelbar Kartellbetroffener Im Jahr 2011 hatte der BGH Gelegenheit, zu wesentlichen Fragen in Zusammenhang mit der Klagebefugnis indirekter Kartellabnehmer Stellung zu nehmen.532 Nach dem Sachverhalt der Entscheidung hatte das Unternehmen „ORWI“ Güter nicht nur direkt von einem Kartell, sondern auch über einen 527  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, VO Nr.  1/2003 Anhang 2 Rn.  18. 528  Keßler, BB 2005, 1125, 1128. 529 Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, VO Nr.  1/2003 Anhang 2 Rn.  18. Siehe auch Fritzsche, WRP 2006, 42, 45; Glöckner, WRP 2007, 490, 495; sehr deutlich bereits K. Schmidt, in: FS Canaris I, 2007, S.  1175, 1180 f. 530  Vgl. Teil 5 B. 531  So im Anschluss an K. Schmidt der Text von Koch, JZ 2013, 390, 397. 532  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 LS.  1 und Rn.  23 – ORWI: dazu Bien, ORWI; Dück/Eufinger, WRP 2011, 1530 ff.; Bulst, ZWeR 2012, 70 ff.; Kirchhoff, WuW 2012, 927 ff.; Hartmann-Rüppel/Ludewig, ZWeR 2012, 90 ff.; Soyez, EuZW 2012, 100 ff.; Bergmann/Fiedler, BB 2012, 206 ff.; Schreiber, GRUR-Prax 2012, 78 ff.; Emmerich, JuS 2012, 847 ff.; Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298 ff.

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Großhändler bezogen, war insoweit also ein sog. mittelbarer Kartellabnehmer. Es verlangte von einem der Kartellanten Schadensersatz für die Differenz zwischen dem von ihm gezahlten Einkaufspreis und dem Preis, den es ohne das Kartell bezahlt hätte (Als-ob-Wettbewerbspreis) zuzüglich Zinsen.533 Nach der bis dato herrschenden Ansicht im Schrifttum wäre „ORWI“ aus institutionellen Gründen nicht anspruchsberechtigt gewesen, da sich das Kartell nicht „gezielt“ gegen „ORWI“ gewandt hatte.534 Der BGH stellte demgegenüber klar, dass sich auch indirekte Abnehmer auf §  823 Abs.  2 BGB in Verbindung mit Art.  81 Abs.  1 EG (Art.  101 Abs.  1 AEUV) berufen können, wenn sie durch ein wettbewerbsrechtswidriges Verhalten einen Schaden erlitten haben.535 Er begründete dieses Ergebnis – in Übereinstimmung mit den Ergebnissen unserer Untersuchung – mit dem drittschützenden Charakter des Kartellverbots536 sowie ergänzend mit unionsrechtlichen Effizienzerwägungen.537 cc) Klagebefugnis und „passing-on defense“ Die Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer kann nicht isoliert gesehen werden, sondern hängt eng mit der Zulässigkeit der „passing-on defense“ zusammen. Diese ist nach deutschem Verständnis eine Ausprägung des normativen Schadenskonzepts538 in Form der Vorteilsausgleichung.539 Nach der schadensrechtlichen Differenzhypothese540 bildet die Anrechnung von Vorteilen die Regel, während die Anrechnungsversagung besonders zu begründen ist.541 Berücksichtigungsfähig sind hiernach diejenigen Vorteile, die äquivalent und adäquat (vorhersehbar) auf dem schadensersatzbegründenden Umstand beruhen, und deren Anrechnung nicht Sinn und Zweck der schadenersatzbegründenden Norm widerspricht.542 Entscheidend für die (Un-)Zulässigkeit einer Vorteils­ 533  Kartellanten haften untereinander gem. §  426 BGB als Gesamtschuldner; vgl. Köhler, GRUR 2004, 99, 101; BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  80 – ORWI. 534  Siehe oben Teil 9 C. II. 1. b). 535  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 LS.  1 – ORWI. 536  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  24 ff. – ORWI. 537  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  31 ff. – ORWI. Soweit der BGH auf das Jedermann-Kriterium nach „Courage“ verweist, ist dies ungenau, da dieses auf einem materialen Freiheitsverständnis gründet. 538 Dazu Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  1 II 9; Mohr, Jura 2010, 168, 175. 539 Vgl. Lettl, ZHR 167 (2003) 473, 487; MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  899; Mohr, Jura 2010, 645, 650; ebenso BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  58 – ORWI. 540  Die Differenzhypothese beantwortet die Frage, ob ein „natürlicher“ Schaden besteht, durch einen Vergleich zwischen dem aufgrund der Verletzung bestehenden Ist-Zustand der Lebensgüter mit deren (hypothetisch) ohne die Verletzung gegebenem Soll-Zustand (vgl. §  249 Abs.  1 BGB). Ist der Soll-Zustand der Lebensgüter vorteilhafter als der Ist-Zustand, liegt ein sog. natürlicher Schaden vor. Siehe dazu Mohr, Jura 2010, 168, 173. 541  Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  9 III. 3. 542  Armbrüster, JuS 2007, 411, 417.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

anrechnung sind somit vor allem normativ-teleologische Wertungen.543 In Zusammenschau der Klagebefugnis mittelbar Betroffener mit der „passing-on defense“ ergibt sich daraus eine komplexe Gemengelage, will man die „passing-on defense“ nicht aus Gründen einer effektiven Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu Gunsten der Betroffenen ausschließen.544 Sofern man aus Gründen einer wirksamen Prävention nur die unmittelbaren Abnehmer eines Kartells als klagebefugt ansehen will,545 liegt es nahe, Kartelltätern das Berufen auf ein „passing-on“ ihrer Vertragspartner zu versagen, weil sie sonst unbillig entlastet würden.546 Demgegenüber vertreten Befürworter einer eigenen Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer überwiegend die Ansicht, 547 dass bei einem Ausschluss der „passing-on defense“ eine mehrfache Inanspruchnahme der Kartelltäter drohe – sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Abnehmer könnten klagen –, was es zu vermeiden gelte.548 Der Verfasser wiederum hat vor der ORWI-Entscheidung die Ansicht vertreten, dass die Anspruchsberechtigung mittelbarer Abnehmer nicht notwendig eine Zulassung der „passing-on defense“ zur Folge haben müsse, da die Kartelltäter nach dem Konzept des mehrfachen Schadensersatzes zu überkompensatorischem Schadensersatz verpflichtet werden könnten, und eine sachgerechte Begrenzung der Haftung im Innenverhältnis unter den Kartelltätern sachgerecht sei.549 Dies entspricht der hier vorgeschlagenen Lösung für die Kronzeugenproblematik im Wege des Gesamtschuldnerinnenausgleichs.550

543 BeckOK-BGB/Schubert, §   249 BGB Rn.   1; MünchKommBGB/Oetker, §   249 BGB Rn.  227 ff. 544  Emmerich, JuS 2012, 847: hoffnungslos kontroverser Fragenkreis. 545 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Rehbinder, §   33 GWB Rn.   13  ff.; MünchKommGWB/Lübbig, §  33 GWB Rn.  66; Bechtold, §  33 GWB Rn.  11; Dittrich, GRUR 2009, 123, 126 ff.; Köhler, GRUR 2004, 99, 100, zu Art.  81 EG a. F. 546  Kersting, ZWeR 2008, 252, 261; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 409. 547 Immenga/Mestmäcker/Emmerich, §  33 GWB Rn.  29; Kießling, GRUR 2009, 733, 735; Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  132; Logemann, Der kartellrechtliche Schadensersatz, S.  342 ff.; MünchKommEuWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  890 f.; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger, Art.  81 EG Rn.  43 f.; Drexl, in: FS Canaris I, 2007, S.  1339, 1354; Lettl, ZHR 167 (2003), 473, 480 ff.; Mestmäcker/Schweitzer, §  22 Rn.  35; M. Reich, WuW 2008, 1046, 1052. 548  Vgl. statt anderer K. Westermann, in: FS Westermann, 2008, S.  1605, 1620 ff.; M. Reich, WuW 2008, 1046, 1051. 549  So schon Mohr, Jura 2010, 645, 651; ebenso Kießling, GRUR 2009, 733, 734. Die notwendige Begrenzung der Inanspruchnahme der Kartelltäter kann über einen Ausgleich im Innenverhältnis erfolgen: Der Schädiger könnte sich analog §§  428 ff. BGB auf die §§  429 Abs.  3, 422 BGB berufen, wenn er seinem unmittelbaren Vertragspartner den Schaden ersetzt hat und hiernach noch ein mittelbar geschädigter Folgeabnehmer Schadensersatz verlangt; die Erfüllung wirkte also auch gegenüber diesem. Im Innenverhältnis schuldete der Erstabnehmer dem Zweitabnehmer abweichend von §  430 BGB vollen Ausgleich; ebenso MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  9 04. 550  Siehe oben Teil 9 B. IV. 6. b).

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Der BGH hat sich in der ORWI-Entscheidung der zweitgenannten Ansicht angeschlossen,551 woraus schwierige, vorliegend nur überblickshaft zu schildernde Folgeprobleme erwachsen. So können sich die Kartellanten hiernach sowohl gegenüber den Erst- als auch gegenüber Folgeabnehmern auf ein „passing-on“ berufen, was jedenfalls auf den ersten Blick „kartellfreundlich“ erscheinen mag,552 auch wenn es Sache der Kartelltäter ist, (nur) die Abwälzung auf den Erstabnehmer zu beweisen.553 Quasi spiegelbildlich – dies war das Kernproblem des Falles – müssen mittelbare (Zweit-)Abnehmer nicht nur nachweisen, dass der kartellbedingt überhöhte Preis auf sie abgewälzt wurde, dass also ein „passing-on“ durch ihren Vertragspartner – den Direktabnehmer – stattgefunden hat, sondern auch, in welcher Höhe dies geschehen ist. Sie profitieren von ihrer durch §  33 GWB 2005 geschaffenen Aktivlegitimation also nur dann, wenn sie darlegen und beweisen können, dass sie die Güter ohne den Wettbewerbsverstoß zu einem geringeren Preis vom Erstabnehmer bezogen hätten, dass der Schaden also der Wettbewerbsverletzung zuzurechnen ist (haftungsausfüllende Kausalität).554 Das ist nach allgemeinen Grundsätzen nicht der Fall, wenn es sich um einen wettbewerbskonformen Marktpreis handelt. Für diese Zurechnungsfragen greifen nach vertretbarer Ansicht des BGH de lege lata keine gesetzlichen Vermutungen ein. Unter Umständen sollen aber Erleichterungen der Darlegungs- und Beweislast gewährt werden können.555 Gleichwohl wird die Klagebefugnis mittelbarer Abnehmer – wie der BGH selbst einräumt556 – in der Rechtswirklichkeit oft am Nachweis des Zurechnungszusammenhangs zwischen Wettbewerbsverstoß und Schaden des mittelbaren Abnehmers scheitern.557 Wohl auch aus diesem Grunde sah sich die 551  Klagebefugnis der mittelbar Betroffenen, aber Zulassung der „passing-on defense“ zur Vermeidung einer unverhältnismäßigen Inanspruchnahme der Kartellanten; vgl. BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  27 – ORWI. 552  Emmerich, JuS 2012, 847. Genau entgegengesetzt die Bewertung von Bien, ORWI, im Fazit. 553  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  70 ff. – ORWI; Kirchhoff, WuW 2012, 927, 929 f. 554  Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, 299. 555  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  4 4 ff. – ORWI. 556  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  27 – ORWI: „Zudem werden die praktischen Möglichkeiten zu einer erfolgversprechenden Schadensersatzklage abnehmen, je weiter die Marktstufe des Anspruchstellers von den Kartellmitgliedern entfernt ist.“ Dies kann man als Hinweis an den (Unions-)Gesetzgeber interpretieren, de lege ferenda für Vermutungstatbestände zu sorgen. 557  Dies liegt insbesondere an der – m. E. nicht überzeugenden – Differenzierung des BGH zwischen einem Spielraum, den der Erstabnehmer durch die kartellbedingt geschaffene Marktlage erhalte, und „eigenen Leistungen“ des Erstabnehmers, selbst wenn diese lediglich darin bestehen, dass er auf seinem Markt selbst marktbeherrschend ist; denn in der Weitergabe des Kartellschadens durch den Erstabnehmer realisiert sich gerade die Gefahr, die durch die Wettbewerbsverletzung geschaffen wurde; ebenso Franck, WRP 2011, 843, 849 ff. Im Ergebnis verdeutlicht die Sichtweise des BGH erneut, dass der drittschützende Charakter der

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Kommis­sion in ihrem Richtlinienvorschlag vom Juni 2013 zu privaten Schadensersatzklagen wegen Verletzung des Unionswettbewerbsrechts veranlasst, weitergehende Präzisierungen vorzunehmen und Vermutungstatbestände vorzuschlagen.558 Auch die Diskussion über die Zulässigkeit kollektiver Rechtsbehelfe – von der Kommission im Juni 2013 durch ihre Empfehlung erneut entfacht559 – ist im Wettbewerbsrecht in Zusammenhang mit der Atomisierung von Schäden auf den einem Kartell nachfolgenden Marktstufen zu sehen.560 Die vorstehend aufgeworfenen schadensrechtlichen Fragestellungen werden die Diskussion der nächsten Jahre prägen.561 Sie müssen hier nicht in voller Breite diskutiert werden. Unter dem Gesichtspunkt einer Intensivierung des „private enforcement“ durch Harmonisierung des Wettbewerbs- mit dem Vertragsrecht ist vielmehr von Interesse, ob eine vertragsrechtliche Nichtigkeitslösung – wie sie vom EuGH in den Entscheidungen „Courage“ und „Manfredi“ vorgezeichnet wurde – dazu beitragen kann, einige der vorstehend geschilderten Probleme zu lösen. Zuvor werfen wir noch einen Blick auf die dogmatische Einordnung des Betroffenheitskriteriums des §  33 Abs.  1 Satz 1 und 3 GWB. dd) Das Betroffenheitskriterium als Konkretisierung des Schutzgesetzerfordernisses Das ORWI-Urteil betraf einen Altfall, auf den §  33 GWB in der Fassung der 7. GWB-Novelle noch nicht anwendbar war. Der Anspruch auf Schadensersatz gründete vielmehr auf §  823 Abs.  2 BGB i.V.m. Art.  85 EGV (Art.  101 AEUV). Gleichwohl lässt sich aus der Entscheidung entnehmen, dass der BGH die dort entwickelten Grundsätze auch auf §  33 GWB in seiner aktuellen Fassung anwenden will.562 Zugleich hat der BGH inzident bestätigt, dass §  33 GWB entgegen mancher Stimmen im Schrifttum 563 nicht auf das Schutzgesetzerfordernis

Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen dogmatisch noch nicht zureichend im Bewusstsein der Rechtsanwender angekommen ist. 558  Kommission, Vorschlag Richtlinie wettbewerbsrechtliche Schadensersatzklagen, Art.  13 Abs.  2. 559  Siehe oben Teil 9 B. II. 4. e). 560  Dück/Eufinger, WRP 2011, 1530, 1533 f. 561  Siehe Kommission, Mitteilung zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen, S.  9 ff. 562  Vgl. den Berichterstatter des Verfahrens Kirchhoff, WuW 2012, 927 ff., der nicht zwischen §  823 Abs.  2 BGB und §  33 GWB n. F. differenziert. Siehe auch die Pressemitteilung des BGH Nr.  118/2011 zur ORWI-Entscheidung: „Grundlage des Schadensersatzanspruchs im Streitfall ist §  823 Abs.  2 BGB i. V. mit Art.  81 EG (heute Art.  101 AEUV). Auf §  33 GWB konnte die Klage nicht gestützt werden, da diese Norm im Zeitraum der maßgeblichen Warenlieferungen noch nicht galt. Der Bundesgerichtshof hat jedoch klargestellt, dass sich nach geltendem Recht keine grundsätzlich abweichende Beurteilung ergibt.“ 563  Vgl. statt anderer Mayer, WuW 2010, 29, 33.

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verzichtet,564 sondern dieses präzisiert.565 Wenn die zu §  823 Abs.  2 BGB gemachten Ausführungen auch für §  33 GWB in der neuen Fassung gelten, kann dies nur auf einem Gleichlauf der materiellen Kontrollmaßstäbe beruhen. Auch der Gesetzgeber wollte mit der Neufassung des §  33 GWB allein die zu restriktive Auslegung des Schutzgesetzkriteriums beseitigen, nicht jedoch dessen Geltung für das Wettbewerbsrecht insgesamt ausschließen.566 Vielmehr hat er die durch §  33 GWB erfassten wettbewerbsschützenden Regelungen als Per-seSchutz­gesetze anerkannt; 567 denn die Norm erfüllt alle Voraussetzungen, die für ein Schutzgesetz erforderlich sind. §  33 Abs.  1 Satz 1 GWB benennt explizit die Ge- und Verbotsnormen; dieses Erfordernis ist somit unproblematisch erfüllt. Auch das zweite Erfordernis des Schutzgesetzbegriffs, wonach die anspruchsbegründende Norm nicht lediglich die Allgemeinheit (den Wettbewerb als Institution) schützen darf, ist bei den in §  33 Abs.  1 Satz 1 GWB benannten Wettbewerbsvorschriften gegeben; denn diese dienen – wie bereits begründet – nach ihrem Telos zuvörderst der material-chancengleichen Selbstbestimmung der Marktteilnehmer. Der Individualschutzcharakter folgt ergänzend aus der von §  33 GWB bestätigten Anspruchsberechtigung aller Personen, die von einer Wettbewerbsbeschränkung betroffen sind. Die dogmatische Bedeutung des Betroffenheitskriteriums beschränkt sich somit nicht auf die Anerkennung wettbewerbsschützender Normen als Per-se-Schutzgesetze. Vielmehr bekräftigt es – deklaratorisch – auch die Reichweite des objektiven Schutzbereichs der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen.568 Damit sind die Reichweite des persönlichen und des sachlichen Schutzbereichs der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die durch das Betroffenheitskriterium bestimmten Haftungsgrenzen deckungsgleich,569 wobei sich die subjektive Anspruchsberechtigung dogmatisch aus der objektiven Schutzrichtung ergibt und nicht umgekehrt. Hierzu im Folgenden.

564  Dies erwägt auch K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199, freilich mit entgegengesetzter Intention, die Anspruchsberechtigung sowohl unter Geltung von §  823 Abs.  2 BGB als auch nach §  33 GWB auf eine „rechtserhebliche Betroffenheit“ zu beschränken. 565  A. A. Ackermann/Franck, GRUR 2012, 298, 299: „die alte Rechtslage“ werde „im Lichte der Neuregelung anachronistisch (um)interpretiert“, was „methodisch zu beanstanden“ sei, da damit die „Zäsur durch die 7. GWB-Novelle“ verdeckt werde. Diese Kritik erscheint überzogen, hat der BGH doch vor allem die zu restriktive Interpretation des §  823 Abs.  2 BGB durch die Instanzgerichte und die Literatur berichtigt. 566  Vgl. BT-Drucks. 15/3640, S.  53; Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  114; Roth, in: FS Huber, 2006, S.  1133, 1155 f.; Säcker, ZWeR 2008, 348, 353. 567  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  67; ebenso Salje, §  32 EnWG Rn.  20; im Ergebnis auch K. Schmidt, in: FS Canaris, 2007, S.  1175, 1188. 568  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  69, sieht hierin eine konstitutive Regelung. 569  So überzeugend Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  69.

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c) §  33 GWB als subjektiv-rechtliche Entsprechung des Tatbestands wettbewerbsschützender Normen Der in Art.  101 AEUV und den §§  1, 2 GWB enthaltene Tatbestand gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen erschöpft sich nicht in der Missbilligung der Aufgabe autonomer unternehmerischer Selbstständigkeit („Innensicht“), sondern untersagt vor allem die Durchsetzung der kartellierten Bedingungen gegenüber Dritten („Außensicht“).570 Demgemäß knüpfen die Verbote bezweckter und bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen nicht an die interne Bindung der Kartellanten an, sondern an die negativen Auswirkungen eines Kartells. Diese werden beim Verbot bezweckter Wettbewerbsbeschränkungen als abstraktem Gefährdungstatbestand vermutet, wohingegen ein Nachweis beim Verbot bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund dessen ambivalenten Charakters insoweit erforderlich ist, als er eine konkrete Gefährdung des geschützten Rechtsguts aufzeigt. Auch der Tatbestand gegen Marktmachtmissbräuche knüpft nicht an das Innehaben von Marktmacht an – dies entspräche ebenfalls einer verkürzenden „Innensicht“, die mit einer freien Marktwirtschaft unvereinbar wäre, in der wirtschaftliche Macht ein ambivalentes Phänomen ist –, sondern an den Missbrauch derselben durch Beeinträchtigung der materialen wirtschaftlichen Selbstbestimmung anderer Marktteilnehmer zum (vermuteten) Nachteil der Verbraucher.571 Diese materiellen Schutzzwecke vollzieht §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB für den deliktischen Schutz nach, indem er jedem von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen einen Anspruch auf Beseitigung, Unterlassung und bei nachweisbarem Verschulden auch auf Schadensersatz zuerkennt. §  33 GWB kann somit als normative Bestätigung des drittschützenden Telos der dort normierten Vorschriften angesehen werden. Der deutsche Gesetzgeber musste sich infolge der Courage-Rechtsprechung des EuGH nicht auf die §§  1, 19 GWB beschränken, sondern konnte in §  33 Abs.  1 Satz 1 GWB auch die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln der Art.  101 f. AEUV mit einbeziehen; denn diese sind – wie gesehen – ebenfalls individualschützend.572

III. Vorschriften des Regulierungsrechts Die subjektive Klagebefugnis von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffener wird derzeit auch im Regulierungsrecht geleugnet. So wird dieses 570 

Teil 5 C. II. 1. Zum Behinderungsmissbrauch siehe Teil 5 C. III. 1., zum Ausbeutungsmissbrauch Teil 5 C. III. 2. 572  Die nationalen Durchsetzungsvorschriften müssen sich am Telos der Unions-Wettbewerbsregeln ausrichten. Ein nur formell durch den Äquivalenz- und den Effektivitätsgrundssatz beschränkter Freiraum zur eigenen Gestaltung besteht damit allein bei der harmonischen Einpassung der Rechtsbehelfe in die Regelungstechnik des nationalen Rechts. 571 

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Rechtsgebiet nicht nur objektiv-rechtlich dem öffentlichen Recht zugeordnet.573 Auch mit Blick auf die den Regulierungsbehörden vorbehaltenen Regulierungsentscheidungen wird eine subjektive Berechtigung Drittbetroffener in Zweifel gezogen: 574 Die gebotene Regulierung sei eine „komplexe Gestaltungsaufgabe“, die die einzelnen Verbraucher „zwar mittelbar durchaus erheblich“, aber nur „reflexhaft“ betreffe. Dies kann nicht überzeugen. 1. Energiewirtschaftsrecht Nach §  32 Abs.  1 Satz 1, Abs.  3 Satz 1 EnWG haben die von einem Verstoß gegen die §§  17 ff., 20 ff. EnWG individuell Betroffenen Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung sowie bei schuldhaftem Handeln des Netzbetreibers auf Schadensersatz.575 Die Vorschrift will die Durchsetzung der regulierungsrechtlichen Vorgaben zum Schutz der Betroffenen und im Interesse der Allgemeinheit effektuieren.576 §  32 Abs.  1 Satz 3 EnWG stellt deshalb klar, dass die §§  17 bis 28a EnWG auch dann dem Schutz anderer Marktbeteiligter dienen, wenn sich der Verstoß nicht „gezielt“ gegen diese Personen richtet.577 Bei teleologischer Auslegung ist diese Regelung im Sinne des Betroffenheitskriteriums der §§  33 Abs.  1 Satz 3 GWB, 44 Abs.  1 Satz 3 TKG zu interpretieren.578 Anspruchsberechtigt sind deshalb nicht nur Mitbewerber, sondern auch Personen der unmittelbaren und mittelbaren Marktgegenseite.579 Hierfür spricht ergänzend die Gesetzesbegründung, wonach sich §  32 EnWG an den mit der 7. GWB-Novelle geschaffenen §  33 GWB anlehnen soll.580 Ob §  32 Abs.  1 Satz 3 EnWG durch das Betroffenheitskriterium das Schutzgesetzprinzip aufgegeben hat,581 oder ob es sich – überzeugend – um ein Per-se-Schutzgesetz handelt, ist dann nur noch eine semantische Frage. §  32 EnWG verweist nicht auf das in §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG enthaltene Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen. Diese Ungenauigkeit ist teleologisch zu korrigieren, da es ansonsten zu zwei dogmatisch unterschiedlichen Haftungsregimen im gleichen Gesetz käme, einmal über §  32 EnWG und ein andermal über §  823 Abs.  2 BGB i. V. mit §  30 EnWG, was der Intention des Gesetzgebers wi573 

Dies ist nicht überzeugend, vgl. Teil 8 D. Hellermann, VVDStRL 70 (2011), 366, 386. 575  Vgl. Teil 7 D. IV. 1. 576 BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  1. 577  Gesetzentwurf der Bundesregierung eines 2. Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts v. 14.10.2004, BT-Drucks. 15/3917, S.  63 zu §  30 EnWG. 578  Ebenso BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  10; a. A. Britz/Hellermann/Hermes/ Robert, §  32 EnWG Rn.  10, der jedoch ebenfalls eine Anspruchsberechtigung mittelbar von dem Wettbewerbsverstoß Betroffener bejaht. 579  Ebenso im Ergebnis Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  216 f. 580  BT-Drucks. 15/3917, S.  63; siehe dazu auch Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  74. 581  So die wohl h. A.; statt anderer siehe BerlKommEnR/Weyer, §  32 EnWG Rn.  10. 574 

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derspräche, das „private enforcement“ zu effektuieren anstatt es zu verunklaren.582 Für eine Ausbeutungskontrolle von Netzentgelten ist eine analoge Anwendung des §  30 EnWG auf §  32 EnWG grundsätzlich nicht praxisrelevant, da gem. §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG Entgelte als sachlich gerechtfertigt gelten, die die Obergrenzen einer regulierungsbehördlichen Entgeltgenehmigung nach den §§  21a, 23a EnWG nicht überschreiten.583 Anders ist dies für Netze im Sinne des §  30 Abs.  1 Satz 3 EnWG, bei denen aufgrund einer Rechtsverordnung vom Grundsatz der Kostenorientierung abgewichen wird. Das ist vorliegend nicht zu vertiefen. 2. Telekommunikationsrecht §  44 Abs.  1 TKG verzichtet in Übereinstimmung mit §  33 Abs.  1 GWB auf das Erfordernis der Schutzgesetzverletzung.584 Es können vielmehr alle Verstöße gegen die Vorschriften des TKG sowie gegen aufgrund dieses Gesetzes erlassene Rechtsverordnungen private Ansprüche auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz begründen.585 Im Sinne des §  44 Abs.  1 Satz 3 TKG ist betroffen, wer als Endverbraucher oder Wettbewerber von einem Verstoß beeinträchtigt ist. Für die Feststellung dieser Beeinträchtigung gelten dieselben Maßstäbe wie für §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB. Als Per-se-Schutzgesetze im Sinne des §  44 TKG kommen die Ex-ante-Entgeltregelungen der §§  31 ff. TKG, aber auch die Expost-Entgeltkontrollvorschrift des §  28 TKG in Betracht.586 3. Eisenbahnregulierungsrecht Das Eisenbahnregulierungsrecht enthält keine Anspruchsgrundlage für Schadensersatz wegen marktmissbräuchlicher Verhaltensweisen der Schienennetzbetreiber, weshalb insoweit auf §  823 Abs.  2 BGB zurückzugreifen ist.587 Gleichwohl ist die Anspruchsberechtigung mittelbar von einer Wettbewerbsbeschrän582  Die analoge Anwendung des §  32 EnWG auf §  30 EnWG ist vor allem für die prozessuale Durchsetzung möglicher Ansprüche bedeutsam. So können Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche danach im Wege der Verbandsklage (vgl. §  32 Abs.  2 EnWG) geltend gemacht werden; außerdem gilt für Schadensersatzansprüche eine Tatbestandswirkung (§  32 Abs.  4 EnWG); vgl. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  75. Für eine Idealkonkurrenz zwischen §  32 EnWG und §  823 Abs.  2 BGB ist Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  227. 583  Kling, ZHR 177 (2013), 90, 113. 584  Siehe Teil 7 D. IV. 2. 585  Demgegenüber setzte die Vorgängerregelung (§  40 Satz 1 TKG 1996) ebenso wie §  33 GWB a. F. als Tatbestandsmerkmal die Verletzung eines Schutzgesetzes voraus. Dieses Erfordernis wurde im TKG 2004 gestrichen und entsprechend §  33 GWB 2005 durch die Betroffenheit ersetzt; vgl. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  45. 586 Geppert/Schütz/Schütz/Neumann, §   28 TKG Rn.  150 f., die zusätzlich §  823 Abs.  2 BGB für anwendbar erklären. 587  Siehe Teil 7 D. IV. 3.

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kung beeinträchtigter Personen nicht anders als nach den §§  33 GWB, 32 EnWG und 42 TKG zu bestimmen. Das dort geregelte Betroffenheitskriterium bringt lediglich die allgemeine Erkenntnis zum Ausdruck, dass die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen – seien es solche aus dem Wettbewerbsrecht im engeren Sinne oder dem Recht der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften – auf allen Marktstufen den Schutz der in ihrer materialen Selbstbestimmung beeinträchtigten Marktteilnehmer bezwecken. Es macht deshalb keinen Unterschied, ob man bei der Verletzung einer Vorschrift gegen Wettbewerbsbeschränkungen deliktische Ansprüche über ein Jedermann-Kriterium (so die Courage-Doktrin), ein Betroffenheits-Kriterium (so die §§  33, 44 TKG) oder über ein Schutzgesetz-Kriterium gewährt (so §  823 Abs.  2 BGB). Das Betroffenheitskriterium ist vielmehr als klarstellende Konkretisierung des in der Vergangenheit missinterpretierten Schutzgesetzkriteriums zu verstehen. Die wesentlichen Vorschriften über die Zugangs- und Entgeltregulierung gem. den §§  13 ff. AEG i. V. mit der EIBV sind drittschützend. Von besonderer Bedeutung für unsere Untersuchung sind die Vorgaben über die Entgeltregulierung gem. §  14 Abs.  4 und 5 AEG. Nach §  14 Abs.  4 Satz 1 AEG haben die in §  2 Abs.  3a AEG legal definierten Betreiber von Schienenwegen ihre Entgelte so zu bemessen, dass die ihnen insgesamt für ihre Pflichtleistungen im Sinne des §  14 Abs.  1 Satz 1 AEG entstehenden Kosten zuzüglich einer marktüblichen Rendite ausgeglichen werden. §  14 Abs.  5 Satz 1 AEG präzisiert dies für Serviceeinrichtungen im Sinne des §  2 Abs.  3c AEG dahingehend, dass Eisenbahninfrastrukturunternehmen ihre Zugangsentgelte einschließlich der damit verbundenen Leistungen so zu bemessen haben, dass die Wettbewerbsmöglichkeiten der Zugangsberechtigten nicht missbräuchlich beeinträchtigt werden.588 Die Vorschriften verbieten somit in Anlehnung an die §§  19 Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB Ausbeutungsmissbräuche.589 Aus diesem Grunde sind die zu diesen Normen entwickelten Grundsätze auch bei der Auslegung von §  14 Abs.  4 und 5 AEG zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die in §  29 Satz 2 GWB angeordnete Kosten-Effizienzprüfung.590 Während ein derartiger Gleichklang der Wertungsmaßstäbe für §  14 Abs.  5 AEG weitgehend anerkannt ist, ist der Kostenmaßstab des §  14 Abs.  4 AEG sehr streitig. Die herrschende Ansicht geht insoweit von einem Vollkostenansatz aus. Wie wir bereits oben gesehen haben, ist 588  A. A. Hermes/Sellner/Gerstner, §   14 AEG Rn.  211, der aus dem unterschiedlichen Wortlaut auf unterschiedliche Maßstäbe schließt, ohne dies teleologisch zu untermauern. 589  So zu Absatz 5 auch Hermes/Sellner/Gerstner, §  14 AEG Rn.  212 (zu §  19 Abs.  4 Nr.  2 GWB a. F.); Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadt­ entwicklung (15. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/10298 , S.  4 ; OVG Münster v. 23.3.2010 – 13 B 247/10, N&R 2010, 188, 189; zust. Ehricke, N&R 2010, 157, 162 f.; zur Kontrolle eines Preishöhenmissbrauchs vgl. auch VG Köln v. 26.2.2010 – 18 L 51/10, IR 2010, 93 f. (Kurzwiedergabe) = Juris Rn.  20. 590  Vgl. zu §  14 Abs.  5 AEG Ehricke, N&R 2010, 157, 163.

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die Regelung jedoch im Sinne eines Effizienzkostenmaßstabes zu präzisieren.591 Den Schienenwegsbetreibern sind deshalb nicht alle Kosten unabhängig von ihrer kompetitiven Erforderlichkeit zu ersetzen. Ansatzfähig sind allein effiziente und erforderliche Kosten. Die §  14 Abs.  4 und 5 AEG enthalten somit Schutzgesetze im Interesse der von einer Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen, weshalb diese Personen nach §  823 Abs.  2 BGB Schadensersatz und über §  1004 BGB Beseitigung und Unterlassung fordern können, wenn der Netzbetreiber antikompetitiv überhöhte Kosten ansetzt. §  14b Abs.  2 Satz 1 AEG stellt klar, dass idealkonkurrierend auch die §§  19, 29 GWB i. V. mit §  33 GWB angewandt werden können.592 Schließlich können einseitig festgesetzte Vertragsbedingungen – bei Nichteinigung auch das Entgelt – über §  315 BGB auf ihre Billigkeit kontrolliert werden.593 Hierauf ist zurückzukommen.

IV. Folgevertragspartner als deliktsrechtlich „Betroffene“ 1. Anspruchsberechtigung Zu den anspruchsberechtigten Betroffenen im Sinne der §§  33 GWB, 32 EnWG, 44 TKG und 823 Abs.  2 BGB gehören auch Folgevertragspartner, also Personen der unmittelbaren Marktgegenseite,594 die mit einem Wettbewerbsverletzer einen Vertrag mit antikompetitiv überhöhten Preisen geschlossen haben („direkte Abnehmer“).595 Diese sind durch die Wettbewerbsverletzung „beeinträchtigt“ im Sinne des §  33 Abs.  1 Satz 3 GWB, da sie durch die überhöhten Preise in ihrer materialen wirtschaftlichen Selbstbestimmung verletzt werden. In den Worten Volker Emmerichs liegt eine „Verschlechterung ihrer legitimen Chancen am 591  Siehe Teil 7 D. III. 2 b). Nicht eindeutig ist insoweit die Entscheidung des EuGH v. 28.2.2013 – C-556/10, EuZW 2013, 666, 669 Rn.  98 ff., insb. Rn.  106 ff. – Kommission/ Deutschland, wonach über die unionsrechtlich geforderten Anreize zur Kostensenkung keine weiteren Anreize zur Senkung der Entgelte notwendig seien, da ansonsten der Schienennetzbetreiber ggf. seine Aufwendungen nicht decken könne. Nach überzeugender Ansicht fordert auch das Unionsrecht eine Effizienzprüfung. Darüber hinaus steht es strengeren nationalen Vorschriften nicht entgegen. Zu diesem Urteil siehe Berndt/Lerche/Remmert, EuZW 2013, 647 ff. 592  A. A. Schmitt/Staebe/dies., Eisenbahn-Regulierungsrecht, Rn.   55 f., die §   14 Abs.   1 AEG als lex specialis gegenüber §  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB ansehen. 593  BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189, 190 Rn.  16 f., der allerdings zu Unrecht davon ausgeht, dass der Kontrollmaßstab des §  14 Abs.  5 AEG nicht so streng wie derjenige des §  315 BGB sei, da §  315 BGB auf das individuelle Äquivalenzverhältnis blicke und die DB AG ein Ermessen bei der Festsetzung des zulässigen Entgelts habe. 594  Siehe zur Begrifflichkeit Teil 1 C. VII. Keine Folgevertragspartner in unserem Sinne sind somit die vom BGH in „ORWI“ primär behandelten mittelbaren Kartellbetroffenen. 595  Die weiteren Folgevertragskonstellationen – zum Beispiel Verträge mit vorgelagerten Marktstufen zu antikompetitiven Preisen oder Geschäftsbedingungen – bleiben in unserer Untersuchung außer Betracht.

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Markt gegenüber der Situation bei Wettbewerb“ vor.596 Folgevertragspartner können somit bei antikompetitiv überhöhten Preisen nicht nur Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung, sondern bei einem Verschulden des Kartellanten auch solche auf Schadensersatz geltend machen. Die deliktische Anspruchsberechtigung ist unabhängig davon gegeben, ob der Vertrag zur Initiierung der Wettbewerbsbeschränkung beiträgt (Ausführungsvertrag) oder Folge der Umsetzung der Wettbewerbsbeschränkung ist (Folgevertrag); denn die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen – zu denen auch die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzwirtschaften zählt – zielen gerade darauf ab, negative Drittwirkungen auf andere Marktteilnehmer zu verhindern. Selbst Beteiligte an einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung sind nach der Courage-Rechtsprechung des EuGH unter Umständen anspruchsberechtigt, sofern sie bei wertender Betrachtung keine Täter, sondern Opfer sind.597 2. Wechselwirkungen zwischen Delikts- und Vertragshaftung Die Wechselwirkungen zwischen Delikts- und Vertragshaftung sind vor allem für die den Kern unserer Untersuchung bildenden antikompetitiv überhöhten Preise zu erörtern. Zusätzlich zu überhöhten Preisen können durch eine Wettbewerbsbeschränkung zwar noch weitere Schäden verursacht werden, etwa ein Rückgang der Nachfrage beim Abnehmer eines Guts, der zu einer Gewinneinbuße führt. Ein entsprechender Schadensersatz lässt jedoch den Inhalt des Folgevertrags unberührt, da er auf der autonomen Entscheidung der indirekten Abnehmer beruht, die Produkte des direkten Abnehmers wegen ihres (zu hohen) Preises nicht zu erwerben.598 Anders ist dies bei einem gegen die antikompetitiv überhöhten Preise selbst gerichteten Ersatzanspruch; denn der Schaden des Abnehmers steht hier in direktem Zusammenhang mit dem Inhalt des wettbewerbsbeschränkenden Vertrages.599 In Betracht kommen folglich sowohl deliktische als auch vertragliche Rechtsbehelfe. Wie wir sehen werden, kann eine Vertragsanpassung auch über das Deliktsrecht erfolgen, ist dort jedoch an zusätzliche Voraussetzungen gebunden. Inhalt und Umfang deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche bemessen sich in Deutschland nach den §§  249 ff. BGB, 600 wobei diese Vorschriften man596 

Vgl. Immenga/Mestmäcker/Emmerich, §  33 GWB Rn.  26 und 32. EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  30 ff. – Courage/Crehan; siehe Teil 5 C. II. 3.; Teil 9 B. III. 1. b); anders aufgrund der Fallumstände EuGH v. 6.1.2004 – C-2/01 P und C-3/01 P, EuZW 2004, 309 – Adalat. 598 Dies bedeutet nicht, dass die Schäden auch deliktsrechtlich ersatzlos blieben; dazu Franck, WRP 2011, 843, 849 ff. 599  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  83. 600  Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.   390. Die §§  249 ff. BGB werden ergänzt durch die §§  842 ff. BGB; zum Geltungsbereich der §§  249 ff. BGB siehe Mohr, Jura 2010, 168. 597 

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gels konkreter unionsrechtlicher Vorgaben grundsätzlich auch für Verstöße gegen die EU-Wettbewerbsvorschriften gelten. 601 Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution hat der Geschädigte einen Anspruch auf Wiederherstellung des (hypothetischen) Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. 602 In unserem Fall liegt dieser Soll-Zustand in einem Preis, der dem Niveau bei wirksamem Wettbewerb entspricht. 603 Das gilt sowohl für den Fall einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung im Sinne des Art.  101 AEUV bzw. der §§  1, 2 GWB, als auch für einen Ausbeutungsmissbrauch gem. den §§  19 Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB, §§  32, 30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG, §§  44, 28 TKG, als auch für eine Schutzgesetzverletzung im Sinne der §§  823 Abs.  2 BGB, 14 Abs.  5 AEG. Zusätzliche institutionelle Aspekte sind bei der Schadensberechnung nicht zu berücksichtigen. 604 Erfolgt der Nachteilsausgleich im Wege der Naturalrestitution und nicht durch Geldersatz, ist der Folgevertrag an wettbewerbsanaloge Bedingungen anzupassen; 605 denn ohne den Wettbewerbsverstoß wäre der Vertrag nur zu einem Preis geschlossen worden, wie er sich bei wirksamem Wettbewerb ergäbe. 606 Das Anspruchsbegehren ist also nicht auf Geldersatz im Sinne des §  251 BGB beschränkt; 607 denn §  249 Abs.  1 BGB schützt die Güterlage des Geschädigten auch im Hinblick auf ihre konkrete Zusammensetzung.608 Deliktische Ansprüche wie §  33 GWB zielen regelmäßig auf den Ersatz dieses Integritätsinteresses. 609 Zur Ermittlung des Soll-Zustands ist deshalb zu fragen, wie der Verletzte stünde, wenn die den Anspruch begründende Verletzung nicht erfolgt wäre. In den von uns behandelten Fallgestaltungen wäre der Folgevertrag ohne den Wettbewerbsverstoß zu kompetitiven Bedingungen zustande gekommen. Als Schadensersatz ist deshalb eine Situation herzustellen, wie sie ohne Wettbewerbsverstoß bestünde. Dabei kann der Wettbewerbsverletzer nach dem

601  Zum Äquivalenz- und Effektivitätsgrundsatz siehe EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  18, 25 ff. – Courage/Crehan; Mohr, Jura 2010, 168, 169. 602  Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  5 I. 2; Mohr, Jura 2010, 645, 651. 603  Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  5 I. 2. 604  A. A. Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  390. 605  Zu §  280 Abs.  1 BGB siehe auch BeckOK-BGB/Unberath, §  280 BGB Rn.  52 m. w. N. 606  Fikentscher, Wirtschaftsrecht Bd. 2, S.  270; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  97. 607 Entgegen Paul (Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  97) folgt ein Anspruch auf Geldersatz nicht aus §  249 Abs.  2 Satz 1 BGB. Zum Ersten greift diese Vorschrift nur bei der Verletzung einer Person oder Beschädigung einer Sache, wohingegen es vorliegend um eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit geht. Zum Zweiten können sich der Ersatzanspruch nach §  249 Abs.  2 Satz 1 BGB und der Anspruch auf Kompensation gem. §  251 BGB erheblich unterscheiden, wenn etwa die Bergung eines gesunkenen Schiffes teurer ist als eine Ersatzbeschaffung; vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  5 I. 3; Mohr, Jura 2010, 645, 652. 608 MünchKommBGB/Oetker, §  249 BGB Rn.  313; Mohr, Jura 2010, 327 f. 609 MünchKommBGB/Busche, §  634 BGB Rn.  9 ; MünchKommBGB/Wagner, §  823 BGB Rn.  128.

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Normzweck nicht einwenden, er hätte den Vertrag zu marktüblichen Bedingungen gar nicht geschlossen. 610 Zwar erreicht der Geschädigte auch durch eine Kompensation in Geld nach §  251 BGB sein Anspruchsziel, da er mit diesem Anspruch gegen Ansprüche des Wettbewerbsverletzers auf Zahlung des überhöhten Preises aufrechnen und zu viel gezahlte Beträge zurückfordern kann (387 BGB). 611 Eine Ex-tunc-Anpassung des Vertrages führt jedoch bei Dauerschuldverhältnissen zu einer dauerhaften Klärung der Rechtslage. Für die bereits bezahlten überhöhten Preisbestandteile fehlte es seit dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses an einer Rechtsgrundlage, weshalb diese zurückverlangt werden können. Künftige Forderungen bestehen nur noch in Höhe des wettbewerbsanalogen Preises. 612 Die Ver­trags­ anpassung trägt damit zur Rechtssicherheit bei und beeinträchtigt diese nicht etwa, wie dies von Vertretern der institutionellen Beschränkung einer Nichtigkeit von Folgeverträgen geltend gemacht wird. 613 Im Ergebnis können Folgevertragspartner bereits im Wege des deliktischen Schadensersatzes eine Korrektur antikompetitiv überhöhter Preise im Wege der Anpassung der Verträge an ein wettbewerbskonformes Niveau erreichen. 614 3. Kein allgemeiner Anspruch auf Vertragsauflösung Die vorliegend vertretene „Vertragsanpassungslösung“ führt zu keiner unbilligen Bevorzugung des Folgevertragspartners, da dieser lediglich so zu stellen ist, wie er bei wettbewerbskonformem Verhalten des Anspruchsgegners stünde. Insbesondere begründet das Recht auf Vertragsanpassung nach §  249 Abs.  1 BGB kein „Reurecht“, wie es auch in Zusammenhang mit der Anfechtung von Willenserklärungen nach den §§  119 ff. BGB diskutiert wird. 615 Zwar kann ein Anspruch auf Schadensersatz gem. §  249 Abs.  1 BGB bei Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten grundsätzlich auf Vertragsauflösung gerichtet sein, wenn der Vertrag bei sachgerechter Aufklärung nicht geschlossen worden wäre. 616 Bei einer Verletzung wettbewerbsschützender Vorschriften geht es jedoch nicht um eine Situation, in der ein Vertrag ohne Rechtsverletzung gar nicht ge610  Siehe zur Haftung wegen eines Verschuldens bei Vertragsabschluss bei Festhalten am Vertrag BGH v. 25.5.1977 – VIII ZR 186/75, BGHZ 69, 53, 58; ebenso Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  168 f. 611  So überzeugend Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1153; Wielsch, JZ 2008, 68, 71. 612  Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1153; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  97. 613 Siehe Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  97. Auf der Grundlage einer „Schadensersatzlösung“ in Geld wäre nach §  242 BGB der Einwand „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ zu erheben; siehe dazu MünchKommBGB/Roth/Schubert, §   242 BGB Rn.  408 ff. 614  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  98; mit Blick auf die Möglichkeit der Aufrechnung auch Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1153. 615 Vgl. Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  116, 236, 304 f. und 350. 616 MünchKommVVG/Armbrüster, §  6 VVG Rn.  310.

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schlossen worden wäre. Es ist vielmehr nach der Interessenlage davon auszugehen, dass der Folgevertragspartner die Waren oder Dienstleistungen auch zu einem niedrigeren (wettbewerbsanalogen) Preis bezogen hätte. Als maßgeblicher „Soll-Zustand“ kommt somit nicht eine Situation ohne Vertrag in Betracht, sondern nur eine solche mit einem wettbewerbskonformen Inhalt. 617 Hierauf werden wir noch im Zusammenhang mit den Folgen einer vertragsrechtlichen Teilnichtigkeitslösung eingehen.

V. Zwischenergebnis Die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen dienen dem Schutz der Marktgegenseite vor Eingriffen in ihre materiale wirtschaftliche Selbstbestimmung. Mit diesem objektiven Drittschutz korrespondiert eine subjektive Anspruchsberechtigung aller von einer Wettbewerbsbeschränkung beeinträchtigten Personen, seien es Mitbewerber oder sonstige Marktbeteiligte (§  33 Abs.  1 Satz 3 GWB). Zu Letzteren zählen auch Folgevertragspartner. Diese können Ersatz des Schadens in Geld verlangen, der ihnen in Höhe der Differenz zwischen dem hypothetischen Wettbewerbspreis (Als-ob-Wettbewerbs­preis) und der tatsächlich gezahlten, antikompetitiv überhöhten Summe entstanden ist, und mit diesem gegenüber einer Zahlungsklage des Wettbewerbsverletzers aufrechnen. Dogmatisch vorrangig ist jedoch ein Anspruch auf Ex-tunc-Anpassung des Vertrages gem. §  249 Abs.  1 BGB. Hiernach ist für die Zukunft nur ein wettbewerbskonformer Preis zu bezahlen. Für die Vergangenheit besteht ein Rückzahlungsanspruch in Höhe der zu viel gezahlten Beträge.

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen I. Die Folgevertragsdiskussion als Ausdruck eines veralteten Vertragsverständnisses Wettbewerbsbeschränkende Ausführungsverträge, also Verträge, die von den Kartellanten untereinander zur Ergänzung, Absicherung, Durchführung oder Vertiefung der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung getroffen werden, sind ebenso wie die Kartellvereinbarungen selbst gem. Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. gem. §  134 BGB unwirksam.618 Die Nichtigkeitsfolge gilt auch für wettbewerbsbeschränkende Vertragsbestandteile in Folgeverträgen, die Gegenstand eines Missbrauchs von Marktmacht im Sinne des Art.  102 AEUV bzw. der §§  19, 20, 29 GWB sind.619 Demgegenüber sieht die herrschende Ansicht selbst unmit617 

Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S.  182; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  98. Siehe dazu Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431. 619  Vgl. Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  416 ff. Hierunter fallen 618 

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telbare Kartell-Folgeverträge620 als wirksam an, da diese nicht vom Verbotsbefehl des Kartelltatbestands erfasst seien. Jedenfalls streite das öffentlich-rechtliche Gebot der Rechtssicherheit für ihre Gültigkeit. Diese Argumente sind aus vertragstheoretischer Sicht fragwürdig, da sie letztlich auf einem veralteten Verständnis der Vertragsfreiheit gründen. Folgeverträge werden hiernach auch dann als wirksam behandelt, wenn ihr Inhalt Ausdruck „praktizierter Kartellbildung“, also eines inadäquaten wirtschaftlichen Machtgefälles zwischen den Vertragsparteien ist; denn die Kartellanten werden die kartellbedingt überhöhten Preise in den Vertragsverhandlungen regelmäßig nicht zur Disposition stellen, sondern diese unter Inaussichtstellen des Nichtabschlusses voll zur Geltung bringen. Tatsächlich hat die Folgevertragsdiskussion – oder besser: die Verweigerung einer solchen mit der Behauptung, Folgeverträge seien wirksam – ihren Ursprung in den Frühzeiten des bundesrepublikanischen Vertragsrechtsdenkens, das noch überwiegend vom vermeintlichen Ideal rechtlich-formaler Vertragsfreiheit geprägt war. 621 Die Vertragsrechtstheorie ist jedoch nicht stehen geblieben, sondern fühlt sich heute einem Leitbild chancengleicher Selbstbestimmung verpflichtet. 622 Der Wettbewerbsrechts-Gesetzgeber hat diese Leitbild-Än­ derung nachvollzogen, indem er nicht nur den Tatbestand gegen den Missbrauch von Marktmacht als gesetzliches Verbot ausgestaltet, sondern mit §  33 Abs.  1 und Abs.  3 GWB auch eine eigene Anspruchsgrundlage für drittgeschädigte Marktteilnehmer geschaffen hat. Auch der EuGH betont den hohen Stellenwert eines effektiven „private enforcement“ für die öffentliche Ordnung der Union. 623 Vor diesem veränderten normativen Hintergrund hätte es eigentlich nahegelegen, die dogmatisch überfällige Anerkennung der Verbotswidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Klauseln in unmittelbaren Folgeverträgen mit Direktabnehmern auch tatsächlich nachzuvollziehen.624 Allerdings verweigern sich die Vertreter der herrschenden Ansicht einem solchen Umdenken. 625 Dies ist Anlass genug, die Folgeverträge erneut zu beleuchten, wobei der Fokus um vertragsrechtstheoretische Aspekte erweitert werden soll. auch die regulierungsrechtlichen Verbotsgesetze, die wir ebenfalls behandeln werden; siehe Teil 9 D. VIII. 620  Zu unterscheiden von den mittelbaren Folgeverträgen, siehe Teil 1 C. VII. 621 Siehe Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Fikentscher, BB 1956, 793, 794; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  65. Dies gesteht auch K. Schmidt zu (in: FS Möschel, 2011, S.  559, 568 f.). 622  Teil 3 D. IV. 623  Vgl. EuGH v. 27.2.2014 – Rs. C-365/12 P, NZKart 2014, 140 Rn.   108 – Gasisolierte Schalt­a nlagen. 624 So die von K. Schmidt als solche titulierte „Berliner Schule“ (in: FS Möschel, 2011, S.  559, 567): MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  814; Säcker, ZWeR 2008, 348 ff.; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, 2010; daneben insbesondere noch Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431 ff.; ebenso Mohr, ZWeR 2011, 383, 384. 625  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559 ff.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Im Folgenden werden wir herausarbeiten, dass der Tatbestand gegen wettbe101 Abs.   1 AEUV und §   1 werbsbeschränkende Vereinbarungen gem. Art.   GWB nicht nur die eigentlichen Kartellvereinbarungen, sondern auch unmittelbare Folgeverträge erfasst. 626 Dies ergibt sich für grenzüberschreitende Sachverhalte – was selbst Befürworter der Verbotsgesetzeigenschaft des Kartelltatbestands übersehen627 – bereits aus dem Unionsrecht selbst,628 weshalb es insoweit keines Rückgriffs auf §  134 BGB bedarf. Im Anschluss wollen wir uns den Rechtsfolgen einer Verbotsgesetzverletzung zuwenden, um zu zeigen, dass bei Abwägung der betroffenen Interessen eine Anpassung des Vertrages an wettbewerbsanaloge Bedingungen geboten, aber auch ausreichend ist, um den Verstoß gegen das Wettbewerbs- und Regulierungsrecht sachgerecht zu ahnden. Etwas anderes gilt allenfalls für vorsätzliche Verstöße; hier kann ergänzend eine in das Ermessen des Folgevertragspartners gestellte Gesamtnichtigkeitslösung erwogen werden, die durch ein Anfechtungsrecht zu konstruieren ist. 629 §  134 BGB erweist sich damit als Vorschrift zur flexiblen Inhaltskontrolle von Verträgen anhand der Maßstäbe des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts. 630 Die gefundene Lösung entspricht damit dem von der herrschenden Ansicht herausgestellten Erfordernis einer flexiblen, den anerkennenswerten Interessen des Einzelfalls Rechnung tragenden Rechtsanwendung.631

626  Durch eine solche – teleologisch zwingende – Konstruktion werden dogmatisch im vagen bleibende Hilfsbetrachtungen vermieden, wie sie etwa von Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 434 angestellt werden: Folgeverträge seien inhaltlich durch das Kartellverbot „infiziert“, es bestehe ein „Rechtswidrigkeitszusammenhang“. Soweit ein „Folgevertrag inhaltlich durch das verbotene Verhalten unmittelbar geprägt“ sei, erhalte „auch der Folgevertrag verbotswidrigen Charakter“ und stelle „selbst eine Zuwiderhandlung oder zumindest ihre unmittelbare Fortsetzung dar.“ Wenn der Folgevertrag – wie Eilmansberger einräumt – selbst eine Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot bedeutet, verstößt er auch gegen dieses. Ebenso Wiget, Wirksamkeit von Folgeverträgen, S.  138, 178. 627 Siehe Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  124, die zwar betont, dass das Unionsrecht nicht die Kartellvereinbarung an sich, sondern deren nachteilige Wirkungen untersage, gleichwohl aber nicht den Schritt gehen will, hieraus auf die Teilunwirksamkeit der unmittelbaren Folgeverträge zu schließen. Ebenso Eilmansberger, JBl. 2009, 327, 342. 628  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  56 ff. – Manfredi; anders noch EuGH v. 14.12.1983 – Rs. 319/82, Slg. 1983, 1473 Rn.  11 – Société de Vente de Ciments et Betons/Kerpen & Kerpen. 629  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.   176 ff. Zur dogmatischen Konstruktion eines Anfechtungsrechts wegen „Geschäftsirrtum“ (in Deutschland nach §  119 Abs.  2 BGB) siehe Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 434 mit Fn.  174. 630 MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  1. 631 So Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  2 25.

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II. Unterschiede zwischen einer vertragsrechtlichen und einer deliktsrechtlichen Anpassungslösung Wie wir gesehen haben, können sich Folgevertragspartner deliktsrechtlich auf mehreren Wegen gegen antikompetitiv überhöhte Preise wehren. Sie können einerseits einen Anspruch auf Schadensersatz in Geld geltend machen und diesen einem Zahlungsbegehren des Wettbewerbsverletzers im Wege der Aufrechnung entgegen halten. Andererseits können sie mittels Naturalrestitution eine Anpassung des Folgevertrages an wettbewerbskonforme Bedingungen verlangen. Die zweitgenannte Lösung hat den Vorteil, dass sie gerade bei Dauerschuldverhältnissen die Rechtslage auch für die Zukunft klarstellt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wofür es dann überhaupt noch einer vertragsrechtlichen (Teil-)Nichtigkeitslösung bedarf. Insoweit ist zwischen mehreren Problemen zu unterscheiden: Zum einen muss ein Folgevertragspartner für einen Schadensersatzanspruch nicht nur nachweisen, dass er überhaupt einen Schaden erlitten hat, sondern auch, in welcher konkreten Höhe dieser entstanden ist.632 Im Rahmen der „haftungsausfüllenden Kausalität“ ist er nach der ORWI-Rechtsprechung des BGH weiterhin dem Einwand ausgesetzt, er habe den Schaden auf die nachfolgende Marktstufe weitergereicht (Problem des „passing-on“). Schließlich muss er ein Verschulden des Wettbewerbsverletzers nachweisen. 633 Von einem solchen wird man allerdings bei preisbezogenen Wettbewerbsverletzungen in Form sog. Hardcore-Preiskartelle ausgehen können, da die Unternehmen aufgrund einer effektiven Compliance wissen müssen, dass derartige Absprachen wettbewerbsrechtlich unzulässig sind. 634 Die benannten Problembereiche stellen sich nicht im Rahmen einer Vertrags­ anpassung gem. Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. den §§  134, 139 BGB, da hierfür lediglich die Tatbestandsmerkmale des Kartellverbots erfüllt sein müssen.635 Die den Nichtigkeitseinwand vorbringende Partei hat die Voraussetzungen des Art.  101 Abs.  1 AEUV bzw. des §  1 GWB nachzuweisen, wohingegen die andere Partei die Freistellungsvoraussetzungen des Art.  101 Abs.  3 AEUV bzw. des §  2 GWB nachzuweisen hat. 636 Für die Feststellung eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot spielt es keine Rolle, ob der Folgevertragspartner einen Schaden erlitten hat. 637 Freilich wird die Höhe der Bereicherung im Rahmen einer 632  Dies betonen im Hinblick auf die Anfechtung eines Folgevertrages nach §  123 Abs.  1 BGB wegen der Beteiligung an einem Preiskartell auch Breitsprecher/Hirschfeld, JurisPR-HaGesR 6/2010 Anm.  6 . 633  §  33 Abs.  3 Satz 1 GWB, §  32 Abs.  3 Satz 1 EnWG, §  4 4 Abs.  1 Satz 3 TKG, §  823 Abs.  2 BGB. 634  Siehe zur Irrelevanz eines Verbotsirrtums im Bußgeldverfahren EuGH v. 18.6.2013 – Rs. C-681/11, WuW/E EU-R 2754 Rn.  33 ff. – Schenker; zust. Kersting, WuW 2013, 845, 846. 635  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  9 0. 636  Art.  2 VO Nr.  1/2003; vgl. dazu auch Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  93. 637  Vgl. MünchKommBGB/Schwab, §  812 BGB Rn.  4.

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Rückforderung überzahlter Beträge für die Vergangenheit nach §  812 Abs.  1 Satz 1 Alt. 1 BGB relevant; 638 denn nach allgemeinen Grundsätzen trägt der Bereicherungsgläubiger die Darlegungs- und Beweislast dafür, was der Bereicherte erlangt hat. 639 Auch für die Anpassung des Vertrages für die Zukunft muss nachgewiesen werden, in welcher Höhe der wettbewerbsanaloge Preis überschritten wurde. Der Folgevertragspartner muss also auch im Rahmen einer vertragsrechtlichen Lösung nachweisen, in welcher Höhe der Preis antikompetitiv überhöht war. 640 Anders als im Rahmen des §  33 GWB ist bei einer Rückforderung überhöhter Zahlungen nach Bereicherungsrecht aber nicht relevant, ob ein „passing-on“ stattgefunden hat. Es kommt hier nur darauf an, ob der Wettbewerbsbeschränker bereichert ist, nicht jedoch, ob der Zwischenhändler insgesamt geschädigt wurde. 641 Auch ist für einen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz ebenso wie für die Rückforderung überzahlter Beträge nach Bereicherungsrecht kein Verschulden des Kartellanten nachzuweisen. Vertragsrechtliche und deliktsrechtliche Ansprüche gehen somit nicht nur von unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen aus. Sie sind auch auf Rechtsfolgenseite nicht deckungsgleich. 642 Wie wir gesehen haben, können Drittbetroffene, die nicht Vertragspartner des Wettbewerbsverletzers sind, ausschließlich deliktsrechtliche Ansprüche geltend machen. Demgegenüber können unmittelbare Abnehmer als Folgevertragspartner sowohl deliktische als auch vertragliche Ansprüche erheben, soweit es um den antikompetitiv überhöhten Preis geht. Allerdings sind sie für den Ersatz eines entgangenen Gewinns allein auf (deliktsrechtliche) Schadensersatzansprüche angewiesen.

III. Idealkonkurrenz zwischen deliktischen und vertraglichen Rechtsbehelfen Die §§  33 GWB, 32 EnWG, 44 TKG und 823 Abs.  2 BGB regeln die privatrechtlichen Sanktionen von Wettbewerbsbeschränkungen nicht abschließend. 643 Nach allgemeinen Grundsätzen gilt zwischen vertraglichen und deliktischen Rechtsbehelfen vielmehr der Grundsatz der Parallelkontrolle (Idealkonkurrenz),644 auch wenn zwischen einer Haftung nach den §§  33 GWB, 32 EnWG, 638 Dazu

Mayer, WuW 2010, 29, 34 ff. §  818 BGB Rn.  53. 640  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432 mit Fn.  155. 641  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432. 642  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  155 f. 643  So aber Ehricke, JZ 2005, 599; Kühne, RdE 2005, 241; siehe auch Mankowski/Schreier, AcP 208 (2008), 725, 745 f., mit –m. E. ungenauem – Verweis auf BGH v. 7.2.2006 – KZR 33/04, NJW 2006, 2627 – Probeabonnement. Diese Entscheidung betraf nur das Verhältnis zwischen Wettbewerbs- und Lauterkeitsrecht und nicht dasjenige zwischen Wettbewerbsrecht und allgemeinem Vertragsrecht. 644  Säcker/Stenzel, JZ 2006, 1151, 1152; Säcker, ZWeR 2008, 348, 351. Siehe zum Verhältnis 639 Erman/Buck-Heeb,

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44 TKG und 823 Abs.  2 BGB sowie nach den §§  134, 817 BGB durchaus Parallelen erkannt werden können. 645 Während die Sanktionierung von Wettbewerbsverstößen über das Deliktsrecht die gegenüber „jedermann“ eingreifende Pflicht konkretisiert, wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen zu unterlassen, sind Unternehmen gegenüber ihren Folgevertragspartnern zusätzlich auf der Grundlage ihrer vertraglichen Sonderbeziehung verpflichtet, wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen zu unterlassen, da diese eine unangemessene Störung der materialen wirtschaftlichen Selbstbestimmung bewirken. 646 Ein Vorrang der deliktsrechtlichen – und damit verschuldensabhängigen – Schadensersatzhaftung vor einer vertragsrechtlichen Inhaltskontrolle könnte sich nur aus spezifischen Normzweckerwägungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts ergeben. Solche sind jedoch nicht ersichtlich. 647 Insbesondere existiert kein Grundsatz, wonach im Wettbewerbsrecht nur eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht eingreife. 648 So haben die negativ Betroffenen auch verschuldensunabhängige Beseitigungsansprüche, 649 die auf Abschluss eines Vertrages, 650 aber auch auf Geldzahlung gerichtet sein können. 651 zwischen (Eisenbahn-)Regulierungsrecht und Billigkeitskontrolle gem. §  315 Abs.  3 BGB auch BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 – Stornierungsentgelt, mit überzeugender Anm. Otte, LMK 2012, 327729. A. A. Köhler, JZ 2010, 767, 768, der aus dem Normzweckvorbehalt des §  134 BGB entnehmen will, dass die Nichtigkeit nur ausnahmsweise eingreife, wenn es keine anderen – und nach seiner Ansicht sachgerechteren – Rechtsbehelfe gebe. 645  Peters, JZ 1983, 913, 922. 646  Nach nicht überzeugender Ansicht von Peters, JZ 1983, 913, 922 ist eine Kassation des Rechtsgeschäfts mit Rückabwicklung nach Bereicherungsrecht weniger invasiv als die Auferlegung einer deliktischen Schadensersatzpflicht. 647 Vgl. Säcker, ZNER 2004, 98, 109. 648  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  156. 649  §§  33 Abs.  1 Satz 1 GWB, 32 Abs.  1 Satz 1 EnWG, 44 Abs.  1 Satz 1 TKG, 1004 Abs.  1 Satz 1 BGB. 650  Kontrahierungszwang auf der Grundlage eines Beseitigungsanspruchs, vgl. Immenga/ Mestmäcker/Emmerich, §   33 GWB Rn.   102; Immenga/Mestmäcker/Markert, §   20 GWB Rn.  231. 651  BGH v. 6.10.1992 – KZR 10/91, NJW 1993, 396 – Stromeinspeisung; BGH v. 2.7.1996 – KZR 31/95, NJW 1996, 3005 – Kraft-Wärme-Kopplung; in beiden Fällen ging es um Fälle des Behinderungsmissbrauchs durch Vorenthaltung einer angemessenen Vergütung von Strom­einspeisungen aus erneuerbaren Energien; zum tatsächlichen Hintergrund dieser Entscheidungen siehe Lohse, AcP 201 (2001), 902, 926. Die Abgrenzung des Beseitigungs- vom Schadensersatzanspruch erfolgt im Grundsatz danach, ob durch ein Verhalten weitere Beeinträchtigungen auf den Wettbewerbsprozess und die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer zu erwarten sind oder nicht. Vor diesem Hintergrund kann allein der Abschluss eines wettbewerbswidrigen (Dauer-)Folgevertrages noch nicht als fortdauernde Störungsquelle angesehen werden, mit der Folge eines – verschuldensunabhängigen – Beseitigungsanspruchs, da das konkrete Vertragsverhältnis mit dem Vertragsabschluss „dem Wettbewerb“ entzogen ist, so dass allein seine Abwicklung keine zusätzliche Beeinträchtigung begründet. Anders ist dies in Fällen des Behinderungsmissbrauchs, wo der Betroffene ein im Wettbewerb mit dem Täter stehendes Unternehmen ist, das durch das Vorenthalten der Vergütung fortwährend in seinen wirtschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigt wird. Insoweit zutreffend Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  90 ff.; a. A. Fritzsche, WRP 2006, 42, 51;

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Kennzeichnend für die Folgevertragsproblematik ist außerdem nicht die für eine deliktische Haftung typische Verletzung fremder Rechtsgüter, sondern die Beeinträchtigung der legitimen Interessen des Vertragspartners, die sich in einer Minderung seines Vermögens niederschlägt. 652 Das Wettbewerbsrecht hat insoweit nicht nur die Funktion eines konstitutiven Verbraucherschutzrechts, indem es zureichende Auswahlmöglichkeiten und eine bestmögliche Versorgung der Verbraucher mit knappen Gütern und Dienstleistungen sicherstellt. Es beschirmt in seiner Funktion als kompetitives Vertragsrecht auch die gegenseitige Unabhängigkeit der Vertragsparteien vor einer Beeinträchtigung durch die wettbewerbswidrige Ausübung wirtschaftlicher Machtpositionen. Die öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfe wie Untersagungsverfügungen und Geldbußen haben aus privatrechtsdogmatischer Sicht somit nur eine unterstützende Funktion. Demgemäß ordnet Art.  101 Abs.  2 AEUV die Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Verträge an; diese erzeugen nach der Manfredi-Rechtsprechung des EuGH nicht nur zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen, sondern auch gegenüber Dritten. 653 Wenn ein Kartellvertrag jedoch gegenüber Dritten keine Wirkungen erzeugt, kann dies nur bedeuten, dass auch die seinen Inhalt übernehmenden Folgeverträge insoweit unwirksam sind. Ein Vorrang des Delikts- vor dem Vertragsrecht kann schlussendlich nicht aus §  33 Abs.  3 Satz 2 GWB abgeleitet werden. 654 Die Vorschrift befasst sich mit der schon mehrfach behandelten „passing-on defense“. Hiernach ist, sofern „eine Ware oder Dienstleistung zu einem überteuerten Preis bezogen“ wird, „der Schaden nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Ware oder Dienstleistung weiterveräußert wurde“. Die gesetzgebenden Organe verstanden diese Regelung trotz ihrer missverständlichen Formulierung – die „passing-on defense“ bezieht sich nicht auf den Schaden, sondern auf die haftungsausfüllende Zurechnung – im Sinne eines Ausschlusses des Schadensweiterwälzungseinwands. 655 Ein solches Verständnis ist auch sachgerecht, weil es dem Gesetzgeber um eine Stärkung des „private enforcement“ ging.656 Demgegenüber meint Karsten Schmidt, §  33 Abs.  3 Satz 2 GWB basiere „auf der Annahme, dass dieses Passing on funktioniert“; und weiter: „Man mag diesen Effekt der Macht der Tatsachen zuschreiben, aber näher liegt doch, dass die Wirksamkeit der Folgeverträge Prämisse der neuen Bestimmungen ist.“657

Roth, in: FS Huber, 2006, S.  1133, 1145. Ausführlich Boesche, Zugang zu Energieversorgungsnetzen, S.  209 ff. 652  So sehr klar Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  156. 653  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  56 ff. – Manfredi. 654  So aber K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572 f. 655 Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, Stellungnahme zur 7. GWB-Novelle, S.   49; Emmerich, JuS 2012, 847, 848. 656  Mohr, Jura 2010, 645, 651. 657  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572 f.

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Diese Ausführungen finden in den Gesetzesmaterialien keine Stütze; dem Gesetzgeber ging es allein um schadensrechtliche Fragestellungen. Sie stehen auch in diametralem Gegensatz zur oben herausgearbeiteten inneren Funktion des Vertrages, die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer zu sichern. Denkt man die Thesen Karsten Schmidts zu Ende, wären (Folge-)Ver­träge selbst dann wirksam, wenn sie nachweislich zu einer derart erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung führten, dass die Rechtsordnung sie mit deliktischen Beseitigungs-, Unterlassung- und Schadens­ersatz­ ansprüchen sanktioniert. Eine solche Sichtweise bleibt bei der schon lange überwunden geglaubten Innensicht des Wettbewerbsrechts stehen, wonach der Unwertgehalt einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung in der Einengung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit der Kartellanten liege, nicht jedoch in den negativen Drittwirkungen. 658 Diese Bewertung mag auf den ersten Blick erstaunen, gehörte Karsten Schmidt in den vergangenen Jahrzehnten doch zu den entschiedensten Verfechtern eines – wenn auch institutionell umgrenzten – drittschützenden Wettbewerbsrechts. 659 Sie gründet wohl auf mehreren Missverständnissen: Das erste ist die Ansicht, der Institutionenschutz führe im Wettbewerbsrecht zu einer Einschränkung des Individualschutzes. Dass dem nicht so ist, der Institutionenschutz im Rahmen der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts vielmehr nur der Verstärkung des Individualschutzes dient, haben wir schon gesehen. Zum Zweiten ist es die Befürchtung, nicht nur die unmittelbaren, sondern auch die mittelbaren Folgeverträge seien unwirksam, im Sinne einer „unrealistischen Entgrenzung des private enforcement“. 660 Auch hierzu haben wir bereits oben Stellung genommen; Folgeverträge in unserem Sinne sind nur Vereinbarungen, an denen ein Wettbewerbsverletzer beteiligt ist. 661 658 Zur seit langem überwundenen Gegenstandstheorie siehe BGH v. 19.6.1975 – KVR 2/74, NJW 1975, 1837 – Zementverkaufsstelle Niedersachsen; dazu krit. bereits Markert, ZHR 134 (1970), 53 ff.; Möschel, NJW 1975, 94 ff. Die Parallelen zur Gegenstandstheorie räumt K. Schmidt selbst ein (FS Möschel, S.  559, 563 mit Fn.  25): „In diesem Sinne dient nicht die sog. Folgetheorie, sondern eine verbotsorientierte Gegenstandstheorie der normzweck­ adäquaten Handhabung des Kartellverbots.“ Es ginge darum, die Instrumente von den „bloßen Produkten“ [man könnte auch sagen: drittbelastenden Folgen] eines Wettbewerbsverstoßes abzugrenzen (a. a. O., S.  562). Mit anderen Worten sollen die Folgen der Wettbewerbsbeschränkung nur im Deliktsrecht eine (teleologische) Rolle spielen. Eine solche Sichtweise führte zu einer Aufspaltung des materiellen Schutzzwecks des Kartellverbots in Abhängigkeit von den in Rede stehenden Sanktionen: Vertragsrecht – reine Innensicht; demgegenüber Deliktsrecht – Schutz der Selbstbestimmung Drittbetroffener. Eine solche Unterscheidung ist im Schutzzweck des Kartellverbots nicht angelegt. Sie ist dem geltenden Recht auch fremd; nicht die (vom jeweiligen Norminterpreten) als richtig angesehenen Rechtsfolgen bestimmen den materiellen Schutzzweck, sondern der materielle Schutzzweck bestimmt die Rechtsfolgen. 659  Historische Schilderung bei K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169 ff. 660  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 577. 661  Die dort gemachte Einschränkung – die Folgevertragsdebatte beziehe sich nur auf unmittelbare Folgeverträge – gilt nicht für die von K. Schmidt ebenfalls bemängelte Ausdehnung

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Das ist bei mittelbaren Folgeverträgen gerade nicht der Fall. Zum Dritten ist es die Sorge um die negativen Folgen einer „tabula-rasa-Debatte“, 662 also die Annahme, eine Anwendung des §  134 BGB führe zwangsläufig zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages. Auch dieser – im Grundsatz durchaus berechtigten – Besorgnis konnten wir bereits entgegentreten und werden dies im Rahmen der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot noch näher tun.

IV. Rechtslage und Meinungsspektrum zum Wettbewerbsrecht Während die Anerkennung der Tatbestände gegen einen Missbrauch marktmächtiger Stellungen als Verbotsgesetze weitgehend unstreitig ist, dominiert mit Blick auf die Tatbestände gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen weiterhin die Ansicht, die in Umsetzung der Kartellvereinbarung geschlossenen Folgeverträge seien wirksam, weshalb Drittbetroffene auf deliktische Rechtsbehelfe zurückgreifen müssten. Die entsprechende Diskussion wird im Wettbewerbsrecht auch unter der Überschrift „Individual- versus Institutionenschutz“ geführt. Sie kommt der Sache nach auch im Regulierungsrecht zum Tragen. 663 Wir beginnen die Darstellung mit den wettbewerbsrechtlichen Missbrauchsverboten, da hier die Rechtslage weniger streitig ist. 1. Tatbestände gegen Marktmachtmissbräuche a) Unionsrechtliches Missbrauchsverbot gem. Art.  102 AEUV Der unionsrechtliche Tatbestand gegen die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ist bereits seit Gründung der Europäischen Gemeinschaften im Jahr 1957 als unmittelbar anwendbares Verbot ausgestaltet, also nicht lediglich als Befugnisnorm für die Kartellbehörden, ein unzulässiges Verhalten zu unterbinden („Verbotsprinzip“ anstatt „Missbrauchsprinzip“). 664 Anders als Art.  101 Abs.  2 AEUV regelt Art.  102 AEUV die (zivilrechtlichen) Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das Verbot jedoch nur ansatzweise, indem er bestimmt, dass ein Missbrauch „mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten ist“. 665 Aus diesem Grunde sieht es die herrschende Ansicht als Sache des der deliktischen Anspruchsberechtigung mittelbar Betroffener [K. Schmidt, AcP 206 (2006), 196, 198 f.; ders., in: FS Canaris I, 2007, S.  1175, 1185]; insoweit hat der BGH in „ORWI“ zu Recht für eine Anspruchsberechtigung der mittelbar Beeinträchtigten gem. §  823 Abs.  2 BGB bzw. §  33 Abs.  1, 3 Satz 1 GWB votiert. 662  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 577. 663 Vgl. Fornasier, Freier Markt, S.  16 ff. 664  Von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.  82 EG Rn.  27; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Lübbig, Art.  82 EG Rn.  230. 665 MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  596; Loewenheim/Meessen/ Riesenkampff/Lübbig, Art.  82 EG Rn.  230.

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nationalen Rechts an, die Folgen eines Verstoßes näher zu konkretisieren. 666 Sie begründet diese Sichtweise auch damit, dass der Tatbestand gegen den Missbrauch von Marktmacht vorwiegend faktische Verhaltensweisen erfasse.667 Dies wurde mittlerweile durch die Rechtspraxis widerlegt, die gezeigt hat, dass sich ein Marktmachtmissbrauch auch in Rechtsgeschäften äußern kann. 668 Es fehlt aber jedenfalls an einer unionsrechtlichen Regelung über die konkrete zivilrechtliche Behandlung von missbräuchlichen Verträgen, weshalb es geboten ist, bei Art.  102 AEUV anders als bei Art.  101 AEVU auf das nationale Recht abzustellen. 669 Dies deckt sich mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Art.  102 AEUV ein Verbot missbräuchlichen Geschäftsverhaltens statuiert, es jedoch die Aufgabe der nationalen Behörden oder Gerichte sei, auf der Grundlage ihres innerstaatlichen Rechts daraus die Konsequenzen für die zivilrechtliche Wirksamkeit von Rechtsgeschäften zu ziehen. 670 Hierbei sind jedoch die Vorgaben des Unionsrechts zu beachten, insbesondere die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität. 671 Aus der in Art.  102 AEUV normierten Unvereinbarkeit missbräuchlicher Praktiken mit dem Binnenmarkt folgt, dass die nationalen Rechtsordnungen einem missbräuchlichen Verhalten, das sich in einer – nicht notwendig zweiseitigen672 – rechtsgeschäftlichen Regelung äußert, keine Wirksamkeit verleihen dürfen. 673 Die entsprechende Abschluss- und Inhaltskontrolle rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen bestimmt sich in Deutschland insbesondere nach §  134 BGB. 674 Aus der Verbotsgesetzeigenschaft des Art.  102 AEUV folgt – auch dies ist weitgehend anerkannt – nicht zwingend die Gesamtnichtigkeit eines missbräuchlichen Vertrages; vielmehr kommt in Abhängigkeit von dem in Rede stehenden Verhalten und der Interessenlage auch eine Teilnichtigkeit in Verbindung mit einer Anpassung an wettbewerbsanaloge Bedingungen in Betracht. 675 Wir werden hierauf noch zurückkommen. 666  Allgemeine Ansicht, siehe nur Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  416 m. w. N. 667  Von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.  82 EG Rn.  53. 668 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Art.  102 AEUV Rn.  169 ff. 669 MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  37. 670  EuGH v. 30.1.1974 – C-127/73, Slg. 1974, 51 Rn.  16 – BRT/Sabam; EuGH v. 11.4.1989 – Rs. 66/86, NJW 1989, 1982 Rn.  45 – Ahmed Saeed Flugreisen. Aus dem Schrifttum siehe Mestmäcker/Schweitzer, §  21 Rn.  23; MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  592 ff. 671  Siehe oben Teil 9 B. III. 1. c). 672 Paradigma: missbräuchliche Kündigung; vgl. Immenga/Mestmäcker/Markert, §  20 GWB Rn.  229. 673 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung, Art.  102 AEUV Rn.  389. 674 Soergel/Hefermehl, §   134 BGB Rn.   15; MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  598; Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  416. A. A. noch Gleiss/Hirsch, EWG-Kartellrecht, Art.  86 EWG Rn.  134; von Gamm, Kartellrecht, Art.  86 EWG Rn.  22: anwendbar sei nur §  138 BGB. 675  Von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.   82 EG Rn.  59; Grabitz/Hilf/Nettesheim/

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b) Deutsche Missbrauchsverbote gem. den §§  19, 29 GWB Anders als im Unionsrecht war der deutsche Missbrauchstatbestand des §  19 GWB bis zur 6. GWB-Novelle des Jahres 1998 nicht als gesetzliches Verbot, sondern als Ordnungsvorschrift ausgestaltet (§  22 GWB 1958). Ein Missbrauch von Marktmacht war somit – sofern keine Sperre, kein Boykott oder keine Diskriminierung zu beurteilen war676 – nur durch die Kartellbehörden verbietbar. Die von einem Marktmachtmissbrauch negativ Drittbetroffenen konnten sich somit nicht selbst vor den Zivilgerichten zur Wehr setzen, sei es auf der Grundlage deliktischer oder vertraglicher Rechtsbehelfe, solange die Kartellbehörde nicht privatrechtsgestaltend tätig geworden war, und das Verbot im Einzelfall auch nicht auf die §§  138 und 826 BGB gestützt werden konnte. 677 Durch die zum 1.1.1999 in Kraft getretene 6. GWB-Novelle wurde der Tatbestand des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung gem. §  19 GWB als gesetzliches Verbot ausgestaltet. 678 Damit wurde die Rechtslage in Deutschland an diejenige auf europäischer Ebene angeglichen, wo der Verbotsgesetzcharakter des Art.  86 EWG (Art.  82 EG, Art.  102 AEUV) wie wir gesehen hatten schon lange anerkannt war. Auf der Grundlage der Neufassung des Gesetzes haben Betroffene die normativ gesicherte Möglichkeit, sich in Fällen eines Marktmachtmissbrauchs selbst mit zivilen Rechtsbehelfen zu wehren. Die Vorschrift ist dabei nicht nur ein (Per-se-)Schutzgesetz im Sinne des §  823 Abs.  2 BGB bzw. des spezielleren §  33 GWB. Die Betroffenen können auch die (Teil-)Unwirksamkeit eines missbräuchlichen Vertrages einwenden und eine Anpassung desselben an wettbewerbsanaloge Bedingungen verlangen, soweit diese Rechtsfolge ihren legitimen Interessen entspricht. 679 Das Verbot eines Missbrauchs von Marktmacht ist somit anders als das Kartellverbot ein anerkanntes Instrument zur flexiblen Inhaltskontrolle von Folgeverträgen. Der energiesektorspezifische Missbrauchstatbestand des §  29 GWB beinhaltet ebenso wie §  19 GWB ein gesetzliches Verbot im Sinne des §  134 BGB. 680 Verbraucher können sich somit bei Vorliegen einer marktmächtigen Stellung des Normadressaten gegen missJung, Art.  102 AEUV Rn.  392; FK/Weyer Art.  102 AEUV Zivilrechtsfolgen Rn.  62 f.; Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  410. Kritisch MünchKommEUWettbR/ Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  559, wonach ein Vertrag insgesamt aufrechtzuerhalten und dem benachteiligten Vertragspartner die Möglichkeit der Anfechtung einzuräumen sei. 676  Siehe dazu §  26 GWB 1957 – 1998; §§  20, 21 GWB 1998 – 2005; §§  20, 21 GWB 2005; §§  19 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 Alt. 2, 20 Abs.  1, 21 GWB; vgl. auch Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  108 f. 677  K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 174; siehe zur Monopolkontrolle als „historischem Ausgangspunkt der Inhaltskontrolle“ schon oben Teil 3 B. III. sowie Säcker, Gruppenautonomie, S.  201 ff. 678  BGBl. 1998 S.  2346; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §  19 GWB Rn.  101. 679 Immenga/Mestmäcker/Möschel, §   19 GWB Rn.  248; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Götting, §  19 GWB Rn.  101. 680  Vgl. BerlKommEnR/Mohr, §  29 GWB Rn.  5.

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bräuchlich überhöhte (Energie) Preise nicht nur mittels §  315 BGB, sondern auch mittels der §§  33, 29 GWB, §§  134, 139 BGB erwehren. 681 Aufgrund der unterschiedlichen tatbestandlichen Voraussetzungen ist das Missbrauchsverbot mit dem Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Idealkonkurrenz anzuwenden, zum Beispiel bei Kartellabsprachen unter Beteiligung marktbeherrschender Unternehmem. 682 Das Schrifttum will die Idealkonkurrenz auch damit begründen, dass das Kartellverbot auf Folgeverträge nicht anwendbar sei. 683 Dass diese Sichtweise unzutreffend ist, werden wir im Folgenden näher herausarbeiten. An dieser Stelle genügt zunächst die Erkenntnis, dass sich die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen gegenüber Vereinbarungen zwischen Wettbewerbsverletzern und Dritten mit antikompetitivem Inhalt nicht neutral verhalten, sondern diese jedenfalls dann einer Inhaltskontrolle unterziehen, wenn es sich um einen Missbrauch im Sinne des Art.  102 AEUV bzw. der §§  19, 29 GWB handelt. 2. Tatbestände gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen a) Unionsrechtliches Kartellverbot gem. Art.  101 AEUV Das Unionsrecht normiert in Art.  101 Abs.  1 und 3 AEUV einen eigenen Tatbestand gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen. Sofern eine Vereinbarung hiergegen verstößt, ordnet Art.  101 Abs.  2 AEUV ihre Nichtigkeit an. 684 Die herrschende Ansicht versteht den Verweis des Art.  101 Abs.  2 AEUV „auf die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen“ gegenständlich-eng und will die Vorschrift deshalb nur auf die eigentliche Kartellvereinbarung anwenden, nicht jedoch auf drittbelastende (Folge-)Verträge, die in ihrer Umsetzung geschlossen werden, 685 obwohl es gerade diese sind, die das Kartellverbot verhindern will. Die Frage der Wirksamkeit der Folgeverträge soll sich vielmehr nach nationalem Recht richten. 686 Im deutschen Recht werden Folgeverträge auf der Grundlage der bislang herrschenden institutionellen Einschränkung des Kartelltatbestands als gültig angesehen.687 Begründet wird dieses Ergebnis ergänzend damit, dass Normadressaten des Art.  101 AEUV nur Unternehmen seien, wohingegen ein Folgevertrag nicht nur mit diesen, sondern auch mit ei681 

Wielsch, JZ 2008, 68. Mestmäcker/Schweitzer, §  15 Rn.  16 ff. 683 Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  26. 684 Ausführlich Eilmansberger, JBl. 2009, 337 ff. Siehe zu den Regelungen des EGKS der BGH v. 14.4.1959 – VIII ZR 29/58, NJW 1959, 1176, 1180. 685 Calliess/Ruffert/Weiß, Art.   101 Rn.  147; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  36. 686  EuGH v. 14.12.1983 – Rs. 319/82, Slg. 1983, 1473 Rn.  11 – Société de Vente de Ciments et Betons/Kerpen & Kerpen. 687 Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  36; Dauses/Hoffmann, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  134. 682 Siehe

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nem Verbraucher geschlossen werden könne. 688 Auch Folgeverträge mit Unternehmen erfüllten freilich nicht den Tatbestand des Art.  101 AEUV, da tatbestandsmäßig allein eine Willensübereinstimmung zur Regelung des Marktverhaltens sei, woran es hier fehle. 689 Wie wir noch sehen werden, ist diese Sichtweise bei teleologischer Betrachtung nicht überzeugend; denn Art.  101 AEUV untersagt nicht nur die eigentlichen Kartellvereinbarungen, sondern vor allem deren rechtsgeschäftliche Umsetzung in mit Dritten geschlossenen Folgeverträgen. Erst in diesen Vereinbarungen entfaltet das Kartell seine schädlichen Wirkungen, um derentwillen es rechtlich missbilligt wird. Demgegenüber wäre ein – wohl nur theoretisch denkbarer – Kartellvertrag ohne jegliche Drittwirkungen sowohl aus Sicht der anderen Marktbürger als auch aus Sicht der Institution Wettbewerb ohne Belang und deshalb hinzunehmen. 690 Art.  101 Abs.  2 AEUV geht von der Nichtigkeit einer gegen Art.  101 Abs.  1, 3 AEUV verstoßenden Vereinbarung aus. 691 Diese Rechtsfolge gilt es näher zu spezifizieren: Im Ausgangspunkt bedeutet Nichtigkeit im Sinne des Art.  101 Abs.  2 AEUV, dass die mit der Vereinbarung beabsichtigte Bindungswirkung hinsichtlich ihrer wettbewerbsbeschränkenden Bestandteile nicht eintritt, 692 sondern Letztere mit Ex-tunc-Wirkung und von Amts wegen nichtig sind. 693 Entscheidend für die Reichweite der dienenden Nichtigkeitsanordnung ist die688 

So – m. E. unzutreffend – Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  102. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  102, unter Hinweis auf die – m. E. unzutreffende, weil die Verwirklichung des Binnenmarktes nachhaltig beeinträchtigende – Rechtsprechung, wonach keine Vereinbarung im Sinne des Art.  101 Abs.  1 AEUV vorliege, wenn eine (Gebiets-)Beschränkung nur Ausdruck der einseitigen Politik einer Partei sei und die andere nicht wenigstens stillschweigend zustimme (Fn.  426); siehe dazu EuGH v. 6.1.2004 – C-2/01 P und C-3/01 P, EuZW 2004, 306 – Adalat; ebenso Säcker/Wolf, Kartellrecht in Fällen, S.  23 ff. 690 Folgerichtig werden bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne des Art.   101 Abs.  1 AEUV nicht deshalb untersagt, weil es den Parteien auf die negativen Drittwirkungen ankommt, mögen diese auch niemals eintreten, sondern weil nach industrieökonomischer Erfahrung bestimmte Arten von Abreden (Preiskartelle, Gebietsabsprachen etc.) regelmäßig negative Drittwirkungen mit sich bringen. Es handelt sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt für die wirtschaftliche Selbstbestimmung der anderen Marktteilnehmer; siehe Teil 5 C. II. 1. c). 691  Eine Prüfung des §  134 BGB erübrigt sich insoweit, vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  37. 692  EuGH v. 25.11.1971 – Rs. 22/71, Slg 1971, 949 Rn.  25 f. – Béguelin: „Nach Art.  85 Abs.  2 des Vertrages sind ,die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse [. . .] nichtig‘. Demnach sind unter Abs.  1 dieses Artikels fallende Vereinbarungen, für die keine individuelle oder kollektive Unanwendbarkeitserklärung erfolgt ist, nichtig, soweit ihr Zweck oder ihre Wirkungen mit dem in diesem Absatz ausgesprochenen Verbot unvereinbar sind“ [Hervorhebung durch Verf.]. Siehe auch Eilmansberger, JBl. 2009, 337, 338. 693  EuGH v. 25.11.1971 – Rs. 22/71, Slg 1971, 949 Rn.  25 und 29 – Béguelin: „Da die Nichtigkeit nach Art.  85 Abs.  2 absolut ist, erzeugt eine nach dieser Vorschrift nichtige Vereinbarung in den Rechtsbeziehungen zwischen den Vertragspartnern keine Wirkungen und kann Dritten nicht entgegengehalten werden.“ Es gilt somit Vergleichbares wie bei §  134 BGB. Siehe auch MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  774. Zur Nichtigkeit von Gesellschaftsverträgen siehe Teil 1 C. VII. 689 

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jenige des Verbots gem. Art.  101 Abs.  1 und 3 AEUV. Es sind somit solche Regelungen unwirksam, die unter Art.  101 Abs.  1 AEUV fallen und nicht nach Art.  101 Abs.  3 AEUV freigestellt sind. 694 Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst die Nichtigkeit nur für die von dem Verbot erfassten Teile, sofern diese von der Gesamtvereinbarung zu trennen sind. 695 Sind die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln demgegenüber nicht vom übrigen Vertrag zu trennen, tritt nach Art.  101 Abs.  2 AEUV Gesamtnichtigkeit ein. Ist eine Trennung möglich, bestimmt sich das Schicksal der übrigen Vertragsbestandteile mangels unionsrechtlicher Regelung nach mitgliedstaatlichem Recht. 696 In Deutschland sind dies insbesondere die §§  139, 306 BGB. 697 Ebenfalls nicht unionsrechtlich determiniert ist, ob die Nichtigkeitsfolge auch Vertragsbestandteile erfasst, in denen eine unmittelbar auf eine nichtige Klausel bezogene Gegenleistung geregelt ist; dies ist ebenfalls nach nationalem Recht zu beurteilen. 698 bb) Deutsches Kartellverbot gem. den §§  1, 2 GWB Im deutschen Recht enthält §  1 GWB ein Verbot von Kartellverträgen und erfüllt damit die Voraussetzungen des §  134 BGB. Ebenso wie bei Art.  101 AEUV sind wettbewerbsbeschränkende Regelungen, die nicht die Voraussetzungen einer Freistellung erfüllen, 699 nach §  1 GWB i. V. mit §  134 BGB ex lege nichtig und nicht lediglich durch die Kartellbehörden verbietbar.700 Und ebenso wie bei Art.  101 Abs.  2 AEUV erfasst die Nichtigkeitssanktion keine wettbewerbsrechtsneutralen Regelungen.701 Deren Schicksal sowie die Gültigkeit des Gesamtvertrags bestimmt sich vielmehr nach den §§  139, 306 BGB.702 Die ganz herrschende Ansicht will die Nichtigkeitssanktion nicht auf wettbewerbsbeschränkende Regelungen in (Folge-)Verträgen mit unmittelbaren Abnehmern erstrecken.703 Entweder wird bereits geleugnet, dass Folgeverträge 694 Dauses/Hoffmann, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  133; überblickshaft Säcker/Wolf, Kartellrecht in Fällen, Fall 6. 695  EuGH v. 30.6.1966 – Rs. 56/65, Slg. 1966, 282, 306 – Maschinenbau Ulm. 696  EuGH v. 13.6.1966 – verb. Rs. 56 u. 58/64, Slg. 1966, 322 – Consten/Grundig; EuGH v. 30.6.1966 – Rs. 56/65, Slg. 1966, 282, 306 – Maschinenbau Ulm; EuGH v. 14.12.1983 – Rs. 319/82, Slg. 1983, 417 Rn.  11 – Zementimport; EuGH v. 28.2.1991 – Rs. C-234/89, Slg. 1991, I-935 Rn.  40 – Henninger Bräu; EuGH v. 11.9.2008 – Rs. C-279/06, EuZW 2008, 668 Rn.  77 f. – CEPSA; aus dem Schrifttum FK/Baur/Weyer, Art.  81 EG Zivilrechtsfolgen Rn.  88; Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  22 ff. 697  Eilmansberger, JBl. 2009, 337, 340. 698  Eilmansberger, JBl. 2009, 337, 340. 699  Siehe die §§  2 , 3 GWB. 700 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  1 GWB Rn.  248. 701 Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  218. 702 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Nordemann, §  1 GWB Rn.  249 f. 703  RG v. 22.5.1931 – II 402/30, RGZ 133, 51, 58 ff., wonach die Nichtigkeit eines Kartellvertrags nicht automatisch die Nichtigkeit der mit den Kunden geschlossenen Verträge zur Folge habe. Siehe auch BGH v. 4.5.1953 – I ZR 194/54, NJW 1956, 1201 – Spediteurbedingun-

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

vom Verbotsbereich erfasst sind, oder es werden die Rechtsfolgen einer Verbotsgesetzverletzung „teleologisch-institutionell“ eingeschränkt. Gegen die (Teil-)Unwirksamkeit von wettbewerbsbeschränkenden Folgeverträgen wird vorgebracht, dass diese Rechtsfolge gegen übergeordnete Gemeinwohlinteressen wie die „öffentliche Funktion des Wettbewerbs“704 und die „Rechtssicherheit“,705 aber auch gegen die „praktische Handhabbarkeit“ verstoße706 oder eine „mangelnde Flexibilität“ offenbare.707 Auch wird argumentiert, die Rechtsfolge der Nichtigkeit würde in ihrer Automatik die Interessen Drittbeteiligter verletzen, wenn diese am Vertrag – eventuell modifiziert – festhalten wollten.708 Diese Sichtweise unterstellt, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot automatisch zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages führt, was heute – wie wir vorstehend schon zu Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. zu §  1 GWB i. V. mit den §§  134, 139, 306 BGB gesehen haben – überwiegend abgelehnt wird.709 Doch zunächst zur Frage, ob Folgeverträge unter den Tatbestand des Art.  101 AEUV fallen, mit der Folge einer Anwendbarkeit von Art.  101 Abs.  2 AEUV, bzw. nach §  1 GWB i. V. mit §  134 BGB verboten sind.

gen; BGH v. 9.7.1984 – KRB 1/84, BGHSt 32, 389 Rn.  20 – Submissionsabsprachen. Aus der Instanzgerichtsbarkeit siehe OLG Celle v. 15.2.1963 – 8 U 177/60, NJW 1963, 2326 – Brückenbauwerk; OLG Frankfurt v. 4.4.1963 – 6 W 23/63, NJW 1963, 1156; OLG Frankfurt v. 30.7.1996 – 11 U (Kart) 63/95, NJW-E 1996, 259; OLG Düsseldorf v. 30.7.1987 – U (Kart) 29/86, WuW/E OLG 4182, 4184; OLG Stuttgart v. 26.11.1982 – 2 Kart. 10/82, WuW/E OLG 2803 – Neubau Bürgerzentrum. Siehe schließlich aus dem Schrifttum Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Emmerich, ZHR 139 (1975), 476, 516; Immenga/Mestmäcker/ders., §  33 GWB Rn.  115; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  65; Koch, Schadensersatz bei unerlaubten wettbewerbsbeschränkenden Handlungen, S.  136 ff.; Lukes, Kartellvertrag, S.  179 ff., 244 ff.; Mailänder, BB 1963, 1357, 1361; ders., Privatrechtliche Folgen, S.  109, 181 ff.; Mestmäcker WuW 2004, 754, 765; K. Schmidt, Kartellverfahrensrecht, S.  393 ff.; ders., in: FS Möschel, 2011, S.  559 ff.; Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  413 f. 704  Basedow, ZWeR 2006, 294, 306; K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 199; Koch, JZ 2013, 390, 397. 705  Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  65; Mailänder, BB 1963, 1357, 1361; ders., Privatrechtliche Folgen, S.  153. 706  Siehe im Hinblick auf die vermeintlich drohende Klageflut bei einer Unwirksamkeit der Folgeverträge BGH v. 4.5.1956 – I ZR 194/54, NJW 1956, 1201 – Spediteurbedingungen; Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Strickrodt, WuW 1957, 75, 80; Schwenk, WuW 1958, 326, 334. 707 Zu Folgeverträgen unlauterer Telefonwerbung siehe Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  73. 708  Möschel, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen, Rn.  2 25; i. E. zust. K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 575. 709  Siehe Teil 9 D. VII. 2.

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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V. Inhaltskontrolle von Kartell-Folgeverträgen nach Unionsrecht 1. Problemstellung Die in Art.  102 AEUV und den §§  19, 29 GWB normierten Tatbestände gegen einen Missbrauch marktmächtiger Stellungen sind Verbotsgesetze im Sinne des §  134 BGB. Missbraucht ein marktbeherrschendes Unternehmen seine wirtschaftliche Machtposition oder behindert bzw. diskriminiert es andere Marktteilnehmer unangemessen in deren wirtschaftlicher Entfaltungsmöglichkeit, um auf dieser Grundlage antikompetitiv überhöhte Preise durchzusetzen, haben die davon negativ Betroffenen somit nicht nur einen deliktischen Anspruch auf Schadensersatz, wenn ihr Schaden kausal auf die Wettbewerbsbeschränkung zurückzuführen ist. Sofern sich der Missbrauch in einer vertraglichen Vereinbarung manifestiert, unterliegen die Verträge auch einem vertragsrechtlichen Rechtsfolgenregime.710 Verlangt das marktbeherrschende Unternehmen Preise, die über dem Niveau bei wirksamem Wettbewerb liegen, sind diese durch eine Inhaltskontrolle auf ein wettbewerbsanaloges Niveau zurückzuführen („kompetitives Vertragsrecht“). Demgegenüber verneint die herrschende Ansicht für Kartell-Folgeverträge bereits die Eigenschaft des Art.  101 AEUV bzw. der §§  1, 2 GWB als Verbotsgesetze.711 Ansprüche Drittbetroffener sollen sich deshalb – wenn überhaupt 712 – nach Deliktsrecht richten. Als Argument hierfür dient insbesondere die vermeintlich beeinträchtigte Rechtssicherheit. Dabei wird nicht ausreichend zwischen unmittelbaren und mittelbaren Folgevertragspartnern unterschieden; denn der Kreis der unmittelbaren Folgevertragspartner – um die es hier allein geht – ist kleiner und für den Wettbewerbsverletzer besser zu überschauen als derjenige der mittelbaren Folgevertragspartner, also derjenigen Personen, an die der unmittelbare Folgevertragspartner das kartellierte Gut weiterveräußert hat. Es wird beim Kartellverbot somit ein anderer Maßstab angelegt als bei Verstößen gegen das Missbrauchsverbot, obwohl sich auch dort mit der Rechtssicherheit argumentieren ließe. Diese Sonderbehandlung der Kartell-Folgeverträge ist weder mit dem indi­ viduellen Interesse der von einer wettbewerbsbeschränkenden Folgevereinbarung negativ Betroffenen vereinbar, noch mit dem Allgemeininteresse an einer wirksamen Durchsetzung des Wettbewerbsrechts.713 Ein Argumentieren mit 710 

So die Formulierung von Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  114. Eine Erstreckung des Art.  101 Abs.  2 AEUV auf Folgeverträge erwägen unter bestimmten Voraussetzungen FK/Baur/Weyer, Art.  81 EG Zivilrechtsfolgen Rn.  143. 712  Man denke an die „rechtserhebliche Betroffenheit“ K. Schmidts, AcP 206 (2006), 169, 199; ihm folgend Koch, JZ 2013, 390, 397. 713 Dies konzedieren etwa Ehricke, JJZ 1992, S.   161, 166; von der Groeben/Schwarze/ Schröter, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  234; Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  24. 711 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Rechtssicherheit verkehrt auch die Schutzzwecke des Wettbewerbsrechts im Allgemeinen und des Kartellverbots im Besonderen in ihr Gegenteil. Das Wettbewerbsrecht schützt zuvörderst die Selbstbestimmung der Marktteilnehmer vor den negativen Wirkungen der Kartellvereinbarung (Art.  101 Abs.  1 AEUV). Erst nachrangig kommen überindividuell-objektive Gesichtspunkte zum Tragen, die unter den gesetzlich determinierten Voraussetzungen eine Beschränkung der individuellen Freiheit im Interesse der langfristigen Wohlfahrt aller Marktteilnehmer erlauben (Art.  101 Abs.  3 AEUV, §  2 GWB).714 Zunächst zum Unionsrecht. 2. Erstreckung der Verbotswirkung auf Folgeverträge – die Entscheidung „Manfredi“ (Teil 2) Das Unionsrecht enthält kein geschlossenes Rechtsfolgensystem für die vertragsrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln der Art.  101 f. AEUV, das die zweistufige Prüfung des §  134 BGB715 insgesamt verdrängt.716 In seiner Courage-Entscheidung 717 hat der EuGH deshalb zu Recht betont, dass es „Sache des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten“ sei, „die zuständigen Gerichte zu bestimmen und die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus der unmittelbaren Wirkung des Gemeinschaftsrechts [lies: Unionsrechts] erwachsenden Rechte gewährleisten sollen“, sofern die Modalitäten die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität wahrten.718 Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem Unionsrecht die vertragsrechtlichen Folgen eines Wettbewerbsverstoßes gleichgültig sind. Dies zeigt bereits Art.  101 Abs.  2 AEUV, der ausdrücklich eine Nichtigkeitsanordnung enthält. Wie die Vorschläge über einen DCFR als Ausdruck des „acquis communautaire“ zeigen (vgl. II.9:401 ff. DCFR), ist im europäischen Privatrecht anerkannt, dass der Vertragsfreiheit im Interesse der materialen Selbstbestimmung anderer Marktteilnehmer und der öffentlichen Ordnung Grenzen zu setzen sind. So dient etwa die AGB-Inhaltskontrolle auch dem Schutz des wirtschaftlich bzw. situativ Schwächeren vor den mit der Verwendung von 714  Einen ähnlichen Ansatz vertritt Emmerich, WiB 1996, 1070, 1071; a. A. K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 562 f., mit dem m. E. zutreffenden – wenn auch genau entgegengesetzt intendierten – Argument, Folgeverträge seien nicht die Instrumente, sondern die Produkte (Folgen, Wirkungen) des Kartells. Eben diese will das Wettbewerbsrecht verhindern, siehe Teil 5 C. 715  Stufe 1: Liegt ein Verbotsgesetz vor? Stufe 2: Welche Rechtsfolgen resultieren daraus? 716 Generell zu den privatrechtlichen Folgen eines Wettbewerbsverstoßes Görner, Anspruchsberechtigung nach §  33 GWB, S.  87; siehe speziell zur Vertragsnichtigkeit MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  3 und 37. 717  EuGH v. 20.9.2001 – Rs. C-453/99, Slg. 2001, I-6297 Rn.  18, 25 ff. – Courage/Crehan [Hervorhebung durch Verf.]. 718  Also nicht das „Ob“, wie dies gelegentlich behauptet wird, sondern nur das „Wie“.

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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AGB verbundenen positionsverschlechternden Auswirkungen.719 Auch die Courage-Entscheidung folgt – wie wir bereits gesehen haben – einem materialen Freiheitsverständnis. Im Schrifttum entspricht es gleichwohl verbreiteter Ansicht, dass das Unionsrecht über die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität hinaus keine Vorgaben für die rechtliche Behandlung von Folgeverträgen mache.720 Vielmehr ergebe sich aus dem Unionsrecht ein Grundsatz der vollen Wirksamkeit derselben.721 Dies kann nicht überzeugen. Die Reichweite der Sanktionswirkung des Kartellverbots – d. h. die Frage, ob es auch auf Folgeverträge anwendbar ist – bestimmt sich nach teleologischen Gesichtspunkten, verbunden mit dem Grundsatz des „effet utile“,722 und nicht allein aus Verfahrenserwägungen. Folglich muss der Aussagegehalt des Begriffs der Nichtigkeit und seine Reichweite nach dem unionsrechtlichen Zweck der Wettbewerbsregeln ermittelt werden.723 Das unionsrechtliche Kartellverbot schützt primär die von der wettbewerbsbeschränkenden Regelung nachteilig betroffenen Marktteilnehmer. Zu diesem Personenkreis zählen die Direktabnehmer als unmittelbare Folgevertragspartner. Da sich die Reichweite der Nichtigkeitssanktion allein nach diesem Schutzzweck und nicht unter Zugrundelegung weiterer Umstände wie dem Vorliegen eines Schadens bestimmt,724 werden somit auch Folgeverträge von der Nichtigkeitssanktion des Art.  101 Abs.  2 AEUV erfasst. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung des EuGH, dass die wettbewerbsbeschränkenden Klauseln unwirksam und durch wettbewerbsanaloge Regelungen zu ersetzen sind, soweit sie sich von den übrigen Vertragsbestandteilen quantitativ oder qualitativ trennen lassen.725 Demgegenüber bestimmt sich das Schicksal des restlichen Vertrages nach nationalem Recht, also nach den §§  139, 306 BGB, deren Interpretation aber wiederum durch den Normzweck geleitet wird. Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des EuGH. Dieser hat in seiner Manfredi-Entscheidung nicht nur klargestellt, dass das Kartellverbot ein

719 

EuGH v. 15.3.2012 − Rs. C-453/10, NJW 2012, 1781 Rn.  27 f. – Perenicˇová und Perenicˇ. etwa MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  814. Aus „nichtigkeitsablehnender Sicht“ auch K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 569 f.; aus „nichtigkeitsfreundlicher Sicht“ vgl. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  116 ff. Für weitere Nachweise vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Stockenhuber, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  237. 721  Ullrich, Recht der Wettbewerbsbeschränkungen und einzelstaatliche Zivilgerichtsbarkeit, S.  22 f. 722  Der Grundsatz des „effet utile“ bezieht sich sowohl auf die Auslegung des Unionsrechts als auch auf dessen Wirkungen in den Mitgliedstaaten; vgl. Görner, Anspruchsberechtigung nach §  33 GWB, S.  85 ff.; MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  597. 723  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  91. 724  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  9 0. 725  Eine quantitative Trennung ist bei einer monentär zu bestimmenden Leistung wie dem Preis unproblematisch möglich. 720 So

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

deliktisches Per-se-Schutzgesetz zu Gunsten der Marktgegenseite ist,726 sondern auch, dass die Nichtigkeitswirkung nach Art.  101 Abs.  2 AEUV „die be­ trof­fenen Vereinbarungen oder Beschlüsse in allen ihren vergangenen oder zukünf­tigen Wirkungen erfasst“.727 Mit diesen Wirkungen sind nach dem Schutzzweck des Kartellverbots nicht die internen Bindungen der Kartellanten gemeint, wie dies einem falsch verstandenen Selbstständigkeitspostulat entspräche, sondern die nachteiligen Wirkungen auf kartellfremde Dritte. Aus diesem Grunde kann nicht nur „jedermann“ einen deliktischen Anspruch auf Schadensersatz geltend machen, wenn er von den Wirkungen des Kartells negativ beeinträchtigt wird. Es kann sich vielmehr auch „jeder“ [Drittbetroffene] vor Gericht auf einen Verstoß gegen das Kartellverbot berufen „und somit die Nichtigkeit eines nach dieser Bestimmung verbotenen Kartells oder Verhaltens geltend machen“.728 Der EuGH unterscheidet somit ausdrücklich zwischen dem „Kartell“ und dem nachfolgenden „Verhalten“. Die Nichtigkeit des „Kartells“ wird regelmäßig von den Kartellanten selbst geltend gemacht. Allerdings können sich auch Dritte hierauf berufen, etwa im Rahmen einer lauterkeitsrechtlich zu ahndenden Ausnutzung fremden Vertragsbruchs.729 In Abgrenzung hierzu kann sich das alternativ angeführte „Verhalten“ der Kartellanten nur auf den Abschluss von Folgeverträgen zu kartellierten Bedingungen beziehen. Hiergegen kann nicht angeführt werden, dass sich ein Kartell nach klassisch-deutschem Rechtsverständnis nur auf horizontale Absprachen beziehe, weshalb mit dem im Manfredi-Urteil adressierten „Verhalten“ vertikale Kartellabsprachen und gerade keine Folgeverträge adressiert würden; denn diese Unterscheidung findet im Unionsrecht keine Entsprechung.730 Die Einbeziehung von Folgeverträgen in den Schutzbereich des Art.  101 Abs.  1, 3 AEUV steht nicht in Widerspruch zur regelmäßig zitierten731 Entscheidung des EuGH „Société de Vente de Ciments et Betons“ aus dem Jahr 1983.732 In dieser hatte das Gericht allerdings ausgeführt, dass sich die Nichtigkeit nach Art.  85 Abs.  2 EGV (Art.  101 Abs.  2 AEUV) nur auf die mit Art.  85 Abs.  1 EGV (Art.  101 Abs.  1 AEUV) unvereinbaren vertraglichen Bestimmungen erstrecke.733 Demgegenüber seien die Auswirkungen dieser Nichtigkeit auf die übrigen Bestandteile des Vertrages, etwa auf die aufgrund des Vertrages erteilten Aufträge und durchgeführten Lieferungen sowie auf die daraus folgenden Zahlungsverpflichtungen nicht nach europäischem Recht zu beurteilen, 726 

EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  60 ff. – Manfredi. EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  57 – Manfredi. 728  EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  59 – Manfredi. 729  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  9 0. 730 Dazu Glöckner, Kartellrecht, Rn.  4 41. 731  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 574 mit Fn.  86. 732  EuGH v. 14.12.1983 – Rs. 319/82, Slg. 1983, 1473 Rn.  11 – Société de Vente de Ciments et Betons/Kerpen & Kerpen. 733  Dies sind bei verständiger Würdigung gerade die drittbelastenden Folgeverträge. 727 

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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sondern nach den mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften. Zum Ersten erging diese Entscheidung viele Jahre vor der mit der Courage-Entscheidung einsetzenden Private-Enforcement-Bewegung. Zum Zweiten – und dies ist entscheidend – hat der EuGH in „Manfredi“ gerade anders entschieden, nämlich für einen Gleichlauf der deliktischen und der vertragsrechtlichen Rechtsbehelfe: Es darf also nicht nur „jedermann“ deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche geltend machen. Es hat vielmehr auch „jeder“ ein subjektives Recht darauf, nicht von den negativen Wirkungen einer Kartellvereinbarung beeinträchtigt zu werden, indem er deren Nichtigkeit geltend macht. Zu diesen Personen gehören die direkten Abnehmer, die mit den Kartellanten eine Folgevereinbarung zu kartellierten Preisen geschlossen haben. Die vorstehenden Erkenntnisse dürfen nicht dahingehend (miss-)verstanden werden, das Unionsrecht enthalte dezidierte Vorgaben für die vertragsrechtlichen Folgen von Wettbewerbsbeschränkungen. Sie betonen jedoch den eigentlich selbstverständlichen Umstand, dass die unionsrechtlichen Wettbewerbsregeln nicht nur formelle Vorgaben für die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen wie die Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität enthalten, sondern nach ihrem Telos auch die Reichweite der subjektiven Rechte der von Wettbewerbsbeschränkungen negativ Betroffenen bestimmen, wie dies für die deliktische Anspruchsberechtigung mittelbar Kartellgeschädigter seit „Courage“ allgemein anerkannt ist.734 Vor diesem teleologischen Hintergrund steht es den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zwar weiterhin frei, auf welchem Wege sie die Unverbindlichkeit der wettbewerbsbeschränkenden (Folge-)Vertragsbestandteile – nur auf diese erstreckt sich Art.  101 Abs.  2 AEUV – erreichen, solange sich die jeweilige Lösung harmonisch in das nationale Recht einfügt. Sie dürfen die Verbotswirkung des Art.  101 AEUV aber nicht dadurch unterlaufen, dass sie dessen zentrale Regelungsaussage durch mehr oder weniger vage Hinweise auf die Rechtssicherheit verwässern.735 Die Rechtssicherheit spielt als rechtsstaatliche Anforderung an die Regelsetzung zwar auch im Unionsrecht eine zentrale Rolle.736 Sie kommt jedoch – wie wir oben gesehen haben – bereits im Tatbestand des Art.  101 Abs.  1 AEUV zum Tragen, indem bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen, also solchen, die nach industrieökonomisch gesättigter Erfahrung negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Handlungsfreiheit Dritter haben, auf den Nachweis der Wettbewerbsbeschränkung verzichtet wird (abstraktes Gefährdungsdelikt). Darüber hinaus – und das ist noch entscheidender – bestimmt sich der Tatbestand einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinba734 

Streitig ist allein die Reichweite der Aussagen des EuGH. Institutsschutz ist gegenüber dem Individualschutz also nicht vorrangig; dazu schon Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.  369. 736  Siehe m. w. N. von der Groeben/Schwarze/Mederer, Art.  88 EG Rn.  67; zum spezifischen Aspekt des Vertrauensschutzes vgl. Mohr, ZWeR 2011, 383, 400 ff. 735 Der

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

rung auch bei bewirkten Wettbewerbsbeschränkungen nicht auf der Grundlage einer allgemeinen „rule of reason“, mit der wohlfahrtsökonomisch positiv und negativ zu bewertende Umstände gegeneinander abgewogen werden, wie dies dem „more economic approach“ der Kommission entspricht. Es geht vielmehr auch hier um die negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer und damit auf den freien Wettbewerbsprozess (konkretes Gefährdungsdelikt). Gemeinwohlinduzierte Gesichtspunkte – zu denen auch ein überindividuell-objektiver Grundsatz der Rechtssicherheit gehört – können zu Gunsten der Kartellanten erst im Rahmen der Voraussetzungen des Art.  101 Abs.  3 AEUV berücksichtigt werden. Dieser bezieht sich nur auf wirtschaftliche Effizienzen, lässt also eine Rechtfertigung individueller Wettbewerbsbeschränkungen aus allgemeinen Gesichtspunkten des Gemeinwohls nicht zu. Wir hatten den entsprechenden Zielkonflikt bereits einleitend in Zusammenhang mit Art.  106 Abs.  2 AEUV behandelt.737 Das Unionsrecht fordert somit für grenzüberschreitende Sachverhalte die Teilnichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Bestimmungen in Folgeverträgen zwischen Kartellanten und Personen der unmittelbaren Marktgegenseite. Nur auf diesem Wege lassen sich die delikts- und die vertragsrechtlichen Rechtsbehelfe gegen die negativen Drittwirkungen von Kartellen miteinander in Einklang bringen; denn es ist unter teleologischen ebenso wie unter praktischen Gesichtspunkten wenig sinnvoll, wettbewerbsbeschränkende Folgeverträge mit unmittelbar Drittbetroffenen für wirksam zu erachten, wenn eben diese Verträge eine deliktsrechtlich sanktionierte Verletzung subjektiver Rechte bewirken. Wenn im Schrifttum gleichwohl für eine Wirksamkeit von Folgeverträgen plädiert wird, kann dies eigentlich nur damit erklärt werden, dass man die deliktischen Rechtsbehelfe – zu Lasten der Kartellgeschädigten – für weniger effektiv erachtet, da diese den Nachweis eines Verschuldens sowie eines Schadens voraussetzen sowie nach der – insoweit verfehlten – Rechtsprechung des BGH auch eine „passing-on defense“ erlauben, sämtlichst Gesichtspunkte, die für die Vertragsnichtigkeit keine Rolle spielen. Das Wettbewerbsrecht dient jedoch nicht dem Schutz der Kartelltäter, sondern allein dem Schutz der Selbstbestimmung und des Vermögens der anderen Marktteilnehmer. Vor diesem Hintergrund verliert auch das Argument der Rechtssicherheit an Überzeugungskraft; denn die Betroffenen können – wie wir gesehen haben – bereits über Art.  101 AEUV i. V. mit den §§  33 GWB, 249 Abs.  1 BGB eine Anpassung des Vertrages an wettbewerbsanaloge Bedingungen verlangen. Ob dafür ein Verschulden nachzuweisen ist oder nicht, macht für die Rechtssicherheit keinen Unterschied. Ganz im Gegenteil ist unter dem ebenfalls rechtsstaatlichen Blickwinkel der Justiziabilität eine vertragliche Inhaltskontrolle gegenüber der deliktischen Anpassungslösung vorzuziehen, weil sie nicht an die dort geltenden er737 

Siehe Teil 1 A. III. 3.

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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schwerten Bedingungen gebunden ist, sondern die Rechtslage flexibel an die Erfordernisse einer sozialen Marktwirtschaft anpasst.

VI. Inhaltskontrolle von Kartell-Folgeverträgen nach deutschem Recht Sofern man die Unwirksamkeit von Folgeverträgen mit zwischenstaatlichem Bezug nicht bereits aus Art.  101 Abs.  2 AEUV ableiten will,738 ist entscheidend, ob Folgeverträge unter §  134 BGB fallen. Dasselbe gilt für Sachverhalte, die allein nach den §§  1, 2 GWB zu beurteilen sind. 1. Unionsrechtskonforme Interpretation Da sich die Interpretation des deutschen Kartellverbots infolge der 7. GWB-Novelle auch bei rein nationalen Sachverhalten an derjenigen des Unionsrechts orientiert, unterfallen Folgeverträge zwischen Kartellanten und Marktteilnehmern der unmittelbaren Marktgegenseite direkt dem Verbotsbereich des §  1 GWB. Auch nach deutscher Dogmatik handelt es sich bei §  1 GWB deshalb in unionsrechtskonformer Auslegung um ein Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB, da die Vorschrift den Kartellanten im Interesse der anderen Marktteilnehmer den Abschluss von Folgeverträgen mit antikompetitiven Vertragsbestandteilen untersagt.739 Dasselbe Ergebnis folgt aus einer Interpretation des §  134 BGB, der im deutschen Recht – gemeinsam mit §  138 BGB – die vertragsrechtlichen Folgen einer Wettbewerbsbeschränkung normiert. 2. Missbilligung von Folgeverträgen gem. §  134 BGB a) Voraussetzungen eines Verbotsgesetzes Nach §  134 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.740 Die Vorschrift ist anwendbar, wenn eine Rechtsnorm (nicht §  134 BGB selbst) ein Rechtsgeschäft verbietet, jedoch keine eigenen vertragsrechtlichen Sanktionen normiert.741 Der Tatbestand des §  134 BGB setzt sich zusammen aus den Merkmalen 1. Gesetz, das sich 2. gegen den Inhalt eines Rechtsgeschäfts richtet, und gegen das der Normadressat 3. verstoßen haben muss. Rechtsfolge eines Verbotsgesetzverstoßes ist sodann die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, sofern sich 738 

A. A. explizit Immenga/Mestmäcker/K. Schmidt, Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  36. Siehe zuvor Teil 9 D. V. 740  Siehe zum Folgenden bereits Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  278 ff. 741  Sog. „lex imperfecta“ im Gegensatz zur „lex perfecta“, vgl. Bork, BGB-AT, Rn.  1089 m. w. N. zur Gegenansicht. Vgl. in Zusammenhang mit den Rechtsfolgen einer Verbotsgesetzverletzung auch MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  103. 739 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

aus dem Verbotsgesetz und der Interessenlage der Beteiligten nichts anderes ergibt. Zunächst zum Tatbestand des §  134 BGB: Erforderlich ist eine gesetzliche Vorschrift. Gesetze in diesem Sinne sind gem. Art.  2 EGBGB alle Rechtsnormen.742 Nicht jedes Gesetz, welches ein Rechtsgeschäft beschränkt oder an bestimmte Voraussetzungen bindet, verbietet dieses jedoch auch im Sinne des §  134 BGB. Ob dies der Fall ist, muss vielmehr durch Auslegung ermittelt werden.743 Entscheidend ist nicht allein der Gesetzeswortlaut,744 sondern vor allem der Normzweck.745 Hiernach ist unter einem Verbotsgesetz eine Rechtsnorm zu verstehen, die sich nach ihrem normativen Aussagegehalt gegen den Inhalt oder den bezweckten Erfolg eines Rechtsgeschäfts richtet, mit anderen Worten gegen das Rechtsgeschäft als solches.746 Demgegenüber handelt es sich um kein Verbotsgesetz, wenn sich die Norm lediglich gegen die äußeren Umstände des Vertragsschlusses wie Zeit und Ort richtet (sog. Ordnungsvorschrift).747 Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn das Rechtsgeschäft gerade wegen der besonderen Umstände seiner Vornahme missbilligt wird.748 Schließlich müssen einer oder beide Vertragspartner gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben. 749 Der Nachweis eines Verschuldens ist nur dann erforderlich, wenn das Verbotsgesetz selbst ein solches voraussetzt.750 Ob ein Rechtsgeschäft tatbestandlich von einem Verbotsgesetz erfasst wird, ist von der Frage zu unterscheiden, ob und inwieweit ein Verstoß gegen das Verbot zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führt.751 So ist denkbar, dass ein gegen das Gesetz verstoßendes Rechtsgeschäft bei normzweckspezifischer Auslegung nur dann unwirksam ist, wenn beide Vertragspartner für den Verstoß bei wertender Betrachtung verantwortlich sind.752 Andererseits kann es nach 742 Ausführlich

Beater, AcP 197 (1997), 505 ff. §  134 BGB Rn.  41. 744 So die „verbotsorientierte Gegenstandstheorie“ K. Schmidts, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 563 mit Fn.  25. 745 MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  42. 746  Larenz/Wolf, BGB-AT, §  40 Rn.  6 ; MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  42 f. Beispiel für ein Inhaltsverbot ist ein Kartell, das gegen Art.  101 AEUV und/oder gegen §§  1, 2 GWB verstößt; Beispiele für ein Verbot des bezweckten Erfolgs sind die Sachhehlerei gem. §  259 StGB oder eine Beamtenbestechung gem. §§  331 ff. StGB. 747  BGH v. 30.4.1992 – II ZR 151/91, NJW 1992, 2021. Beispiel für eine Ordnungsvorschrift: Verbot des Verkaufs von Waren außerhalb der Ladenöffnungszeiten (Bork, BGB-AT, Rn.  1096; a. A. Medicus, BGB-AT, Rn.  6 48). 748  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432. 749  Bei §  134 BGB reicht – sofern das Verbotsgesetz nicht ausdrücklich einen beidseitigen Verstoß fordert – grundsätzlich der Verstoß eines Vertragspartners aus, insbesondere wenn das Verbotsgesetz gerade den Schutz des anderen Vertragspartners bezweckt. 750 Schulze/Dörner, §  134 BGB Rn.  6 . 751 MünchKommBGB/Armbrüster, §   134 BGB Rn.  42; a. A. Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S.  150. 752 MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  42; Staudinger/Sack/Seibl, §  134 BGB 743 MünchKommBGB/Armbrüster,

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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dem Normzweck ausreichen, wenn nur einer der Vertragspartner verbotsgesetzwidrig gehandelt hat.753 Somit kann die Einseitigkeit eines Verstoßes die Qualifikation einer Norm als Verbotsgesetz nicht generell ausschließen.754 In einem solchen Fall ist jedoch zu prüfen, ob der Gesetzesverstoß wirklich auf den Inhalt des Rechtsgeschäfts durchschlägt oder ob er als ein „Internum“ in der Sphäre des Wettbewerbsverletzers bleibt.755 b) Verbot von Folgeverträgen Wendet man die vorstehenden Grundsätze auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen an, ergibt sich daraus, dass dieses nicht nur die eigentliche Kartellvereinbarung, d.  h. die Aufgabe der unternehmerischen Selbstständigkeit im „Innenverhältnis“, sondern auch die Umsetzung der Kartellabrede in Vereinbarungen mit direkten Abnehmern (den Folgevertragspartnern) erfasst (die „Außenwirkung“).756 aa) Reichweite des Tatbestands gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen Bei Art.  101 AEUV bzw. den §§  1, 2 GWB handelt es sich um Gesetze im Sinne des §  134 BGB. Diese verbieten wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen von Unternehmen, sofern sie für andere Marktteilnehmer eine positionsverschlechternde Drittwirkung bezwecken oder bewirken (Art.  101 Abs.  1 AEUV, §  1 GWB) und nicht ausnahmsweise aufgrund langfristig überwiegender Effizienzvorteile für alle Verbraucher zulässig sind (Art.  101 Abs.  3 AEUV, §  2 GWB). Eine negative Drittwirkung liegt insbesondere vor, wenn die durch die Kartellierung erstrebte überlegene wirtschaftliche Verhandlungsposition durch Abschluss von Folgeverträgen in die Tat umgesetzt wird, indem die Kartellanten Preise fordern, die über dem Niveau bei wirksamem Wettbewerb liegen.757 Das Kartellverbot richtet sich damit nicht bloß gegen die allgemeinen äußeren Umstände des Folge-Vertragsschlusses,758 sondern gegen dessen antikompetitiven Rn.  34, wonach sich häufig aus denselben teleologischen Überlegungen ergebe, dass ein Gesetz nicht nur ein Verbotsgesetz sei, sondern auch die (Teil-) Nichtigkeit eines gegen das Verbot verstoßenden Rechtsgeschäfts fordere. 753  Eben dies ist bei Folgeverträgen definitionsgemäß der Fall; zu einseitigen Verstößen siehe auch Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  280. 754  A. A. OLG Hamm v. 3.12.2012 – I-2 U 52/12, BeckRS 2013, 00152. 755  Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S.  27. 756  Ebenso mit zum Teil abweichender Begründung Beckmann, Nichtigkeit und Personenschutz, S.  369 ff.; MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  814, 826 ff.; Säcker, ZWeR 2008, 348, 351 ff.; Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431 ff.; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  115 ff.; siehe auch schon Mohr, ZWeR 2011, 383, 384. Ohne inhaltliche Begründung ebenfalls Hauschka/Lampert/Matthey, §  26 Kartellrecht Rn.  31. 757  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  130. 758  So aber Koppensteiner, Wettbewerbsrecht, §  17 Rn.  147.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Inhalt.759 Die von einem Kartellanten mit Dritten geschlossenen Verträge haben einen direkten Bezug zum Verbotstatbestand und stellen sich gerade nicht als „ganz normale Geschäfte“ dar, die sich von anderen inhaltlich nicht unterscheiden.760 Sie enthalten vielmehr eine materielle Wettbewerbsbeschränkung, wie sie in dem Konzept der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung (als konkretem Gefährdungstatbestand), aber auch in demjenigen der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung (als abstraktem Gefährdungstatbestand) zum Ausdruck kommt. Es entspricht deshalb der inneren Teleologie des Kartellverbots, Folgeverträge nach §  134 BGB einer vertragsrechtlichen Inhaltskontrolle zu unterstellen.761 Selbst wenn man die Folgeverträge entgegen der hier vertretenen Ansicht nicht als inhaltlich wettbewerbsbeschränkend ansehen wollte, wenn diese also nicht selbst dem Tatbestand des Kartellverbots unterfielen, wären sie aufgrund der besonderen Umstände ihres Zustandekommens – vorangegangen ist ein rechtswidriges Verhalten des Kartellanten, das im Abschluss des Folgevertrages seine Fortsetzung findet762 – jedenfalls derart von der Rechtswidrigkeit des Kartells „infiziert“, dass man sie wegen der besonderen Umstände ihres Zustandekommens als verboten im Sinne des §  134 BGB ansehen müsste.763 bb) Die Courage-Rechtsprechung des EuGH Der EuGH hat den drittschützenden Zweck des Kartellverbots in seiner Cou­ rage-Rechtsprechung bestätigt, wonach sich alle von den negativen Wirkungen des Kartells betroffenen Dritten („jedermann“) mit deliktischen und vertragsrechtlichen Mitteln zur Wehr setzen können, um eine Situation herzustellen, wie sie bei wirksamem Wettbewerb bestünde.764 In inhaltlichem Zusammenhang mit diesen Ausführungen hat er zudem bekräftigt, dass „jeder“ die Nichtigkeit einer gegen Art.  101 AEUV verstoßenden Vereinbarung geltend machen kann, soweit er von ihren negativen Wirkungen betroffen ist. Letzteres ist regelmäßig nicht bereits bei Abschluss des Kartellvertrags der Fall, sondern erst bei dessen Praktizierung in Folgeverträgen. Folglich erstreckt sich die Nichtigkeitswirkung des Art.  101 Abs.  2 AEUV – wie die Manfredi-Entscheidung klarstellt – auch auf die Kartellvereinbarung umsetzende Folgeverträge.765 759 

Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 433 ff. aber Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  47 ff.; Fikentscher, Wettbewerb und gewerblicher Rechtsschutz, S.  70. Wie hier Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  127 und 129. 761  Säcker, ZWeR 2008, 348, 351 ff.; Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431 ff.; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  123 ff.; MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  65. 762  Das gilt insbesondere für bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen wie Preis- und Submissionskartelle; vgl. Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 433. 763  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432: „Rechtswidrigkeitszusammenhang“; siehe auch S.  433: Kartellzugehörigkeit als „Geburtsdefekt“. 764  Siehe Teil 9 B. III. 1. 765  Teil 9 B. III. 2. 760  So

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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cc) Nichtigkeit der Folgeverträge als Spiegelbild der deliktischen Anspruchsberechtigung Der deutsche Gesetzgeber hat die Courage-Entscheidung zum Anlass genommen, die Praktizierung der Kartellabrede in Folgeverträgen nach §  33 Abs.  1, 3 Satz 1 GWB durch deliktsrechtliche Ansprüche auf Beseitigung, Unterlassung und auf Schadensersatz zu ahnden. Die Erstreckung der Sanktionswirkung auf Folgeverträge ergibt sich insbesondere aus den Regeln über die „passing-on defense“ in §  33 Abs.  3 Satz 2 GWB; denn diese wären nicht notwendig, wenn Folgeverträge rechtlich unbedenklich wären.766 Unmittelbare Folgevertragspartner können sich deshalb schon mit deliktsrechtlichen Ansprüchen gegen antikompetitiv überhöhte Preise wehren.767 Der Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Kartellverbots nach §  33 Abs.  1, 3 GWB i. V. mit den §§  249 ff. BGB zielt nach allgemeinen Grundsätzen nicht primär auf den Ersatz eines Vermögensschadens durch Kompensation in Geld nach §  251 BGB ab, sondern auf Wiederherstellung des Integritätsinteresses nach §  249 Abs.  1 BGB durch Naturalrestitution.768 Relevanter Soll-Zustand ist die Situation bei hypothetisch wirksamem Wettbewerb; in diesem Fall wäre der Vertrag aber zu wettbewerbsanalogen Bestimmungen zustande gekommen. Auch über einen deliktsrechtlichen Schadensersatzanspruch kann mit anderen Worten eine Inhaltskontrolle von Folgeverträgen am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs erreicht werden, wie sie in ihren materiellen Maßstäben der Vertragsinhaltskontrolle bei Störungen der Chance auf einen selbstbestimmten Vertrag entspricht. Dann wäre es jedoch wertungswidersprüchlich, die Verträge nicht auch einer vertragsrechtlichen Inhaltskontrolle zu unterziehen, obwohl diese die sachnäheren Instrumente enthält. dd) Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität Gegen die Erstreckung der Nichtigkeitswirkung kann nicht eingewandt werden, dass eine vertragsrechtliche Inhaltskontrolle unmittelbarer Folgeverträge, also von solchen mit direkten Abnehmern, der Rechtssicherheit widersprä-

766  Selbst wenn man diese Vorschrift wie der BGH in „ORWI“ nur auf die Entstehung des Schadens trotz „passing-on“ bezieht, enthält sie Aussagen zu dem entsprechenden Problemkreis; der Gesetzgeber hat damit nämlich zum Ausdruck gebracht, dass die Wirksamkeit von Folgeverträgen durch Erstreckung der deliktischen Anspruchsberechtigung auf alle mittelbar Betroffenen eines neuen Durchdenkens bedarf; a. A. K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572. 767 Vgl. Mohr, ZWeR 2011, 383, 384. A. A. K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 575 f.: die Wirksamkeit der Folgeverträge werde durch deliktische Ansprüche nicht berührt; selbst wenn der Folgevertragspartner die überhöhten Preise durch einen Schadensersatzanspruch nicht zu zahlen brauche, bliebe der Vertrag wirksam. 768  Siehe dazu allgemein Mohr, Jura 2010, 327 f.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

che.769 Dieses Argument könnte allenfalls für mittelbare Folgeverträge durchgreifen.770 Indirekte Abnehmer können sich mangels Vertragsbeziehung mit dem Wettbewerbsverletzer jedoch sowieso nur mit deliktischen Rechtsbehelfen zur Wehr setzen. Für die vertragsrechtliche Behandlung unmittelbarer Folgeverträge spielt der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit demgegenüber keine Rolle. Zum Ersten ist die Rechtssicherheit schon kein Tatbestandsmerkmal des §  134 BGB. Entscheidend ist nach dessen Normzweckvorbehalt vielmehr allein der Schutzzweck des materiellen Kartellverbots. Dieses will die Marktteilnehmer aber gerade vor den positionsverschlechternden Drittwirkungen einer praktizierten Kartellierung schützen, wie sie sich in antikompetitiven Folgeverträgen zeigen. Zum Zweiten ist nicht eindeutig, worin im Fall der Unwirksamkeit unmittelbarer Folgeverträge die besondere Beeinträchtigung der Rechts­sicherheit liegen soll. So treffen die negativen Wirkungen bei sachgerechter Ausgestaltung der Rechtsfolgen – Stichwort: Teilnichtigkeit – allein den Kartellanten, der aufgrund seines vorangegangenen rechtswidrigen Verhaltens nicht schutzwürdig ist.771 Der Kartellant hat außerdem von allen Verträgen mit direkten Abnehmern Kenntnis. Er bleibt deshalb über die Risiken einer vertragsrechtlichen Inanspruchnahme nicht im Unklaren. Zum Dritten tragen Gesetzgeber und Rechtsprechung der Rechtssicherheit im Interesse der Marktteilnehmer bereits bei der Ausgestaltung der Merkmale des Kartelltatbestands Rechnung. So ist beispielsweise das Verbot der bezweckten Wettbewerbsbeschränkung ein ab­ strakter Gefährdungstatbestand, weshalb ein förmlicher Nachweis negativer Drittwirkungen hier entbehrlich ist. Auch zeigt gerade das Verbot der bewirkten Wettbewerbsbeschränkung, dass dem Kartellverbot eine Überprüfung der Marktauswirkungen des Wettbewerbsverstoßes nicht fremd ist. Zum Vierten besteht nicht nur ein privates, sondern auch ein öffentliches Interesse an einer wirksamen Verfolgung von Kartellen durch private Rechtsbehelfe. Letztere können – wie der EuGH in der Donau-Chemie-Entscheidung klargestellt hat – regelmäßig nicht durch vermeintlich vorrangige öffentliche Interessen beschränkt oder, wie von Befürworten einer institutionellen Betrachtung vertreten,772 sogar vollständig negiert werden. Unter Geltung des durch die VO Nr.  1/2003 reformierten Wettbewerbsrechts dient das „public enforcement“ allein der effektiven Durchsetzung der mit der privatrechtlichen

769  Ballerstedt, JZ 1956, 267, 268; Fuchs, Kartellverbot und Einzelvertrag, S.  65; Mailänder, BB 1963, 1357, 1361; ders., Privatrechtliche Folgen, S.  153; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  215. Wie hier im Ergebnis Säcker, ZWeR 2008, 348, 354; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  123 f. 770 Ebenso Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432. 771  Wiederum zutreffend Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432. 772  Siehe auch Wurmnest, RIW 2003, 896, 897.

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Nichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Absprachen verfolgten Zielsetzung, einen freien und unverfälschten Wettbewerb sicherzustellen.773 Zum Fünften führt die Inhaltskontrolle von Folgeverträgen nach §  134 BGB zu keiner exponentiellen Ausweitung der Vertragsinhaltskontrolle mit unabsehbaren Folgen für den Wirtschaftsstandort und die Wohlfahrt der Bürger.774 Es ist vielmehr zu unterscheiden zwischen unmittelbaren und mittelbaren Folgeverträgen.775 Während Erstere zusätzlich zur deliktischen Überprüfung nach §  33 GWB einer Vertragsinhaltskontrolle nach Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. nach den §§  1, 2 GWB i. V. mit §  134 BGB unterliegen, können Letztere mangels vertraglicher Beziehung zwischen dem mittelbar Betroffenen und den Kartellanten allein über das Deliktsrecht korrigiert werden. Sie unterliegen deshalb den dort normierten einschränkenden Voraussetzungen, insbesondere dem Verschuldenserfordernis des §  33 Abs.  3 Satz 1 GWB. Zum Sechsten und Letzten können unmittelbare Folgevertragspartner bereits über §  33 Abs.  1, 3 GWB eine Anpassung ihres Vertrages an wettbewerbsanaloge Bedingungen erreichen. Es brächte deshalb keinen Vorteil, sondern eher einen Nachteil für die Rechtssicherheit mit sich, wenn das primär zur Vertragsinhaltskontrolle berufene Privatrecht aus institutionellen Gründen nicht anwendbar wäre. Insbesondere darf Rechtssicherheit – wie dies zuweilen den Eindruck machen könnte – nicht mit einer erschwerten Durchsetzung privater Ansprüche gleichgesetzt werden; 776 denn das Gebot der Rechtssicherheit dient bei normzweckspezifischer Betrachtung allein den sonstigen Marktbeteiligten. Diesen ist jedoch nicht gedient, wenn ihnen vertragsrechtliche Ansprüche per se versagt werden, sondern allein durch eine differenzierte Anwendung der Rechtsfolgen des §  134 BGB im Rahmen des dort geregelten Normzweckvorbehalts. c) Bestätigung des Verbots antikompetitiver Folgeverträge durch Straf- und Bußgeldtatbestände Die Erstreckung der Verbotswirkungen des Kartellverbots auf Folgeverträge folgt ergänzend aus Tatbeständen des Straf- und Bußgeldrechts, also aus Vorschriften des „public enforcement“.777 So stellt §  298 StGB horizontal und ver­ tikal „wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen“ unter 773 

Mohr, ZWeR 2011, 383, 385. Jüngst nochmals betont von K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572. 775  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 431. 776  Bei deliktischen Ansprüchen ist anders als im Rahmen des §  134 BGB ein Verschulden zu prüfen, §  33 Abs.  3 Satz 1 GWB. Ein solches folgt nicht schon aus dem Verbot der „bezweckten“ Wettbewerbsbeschränkung, da dieses einem „objektiv-verschuldensunabhängigen“ Konzept folgt. Darüber hinaus sollen sich die Kartellanten nach der ORWI-Rechtsprechung auch auf eine „passing-on defense“ berufen dürfen. 777  Dies mag als ein weiterer Hinweis auf den dienenden Charakter des „public enforcement“ gesehen werden. 774 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Strafe (sog. Submissionsbetrug),778 um die mit einer Anwendung des Betrugstatbestands des §  263 StGB einhergehenden Anwendungsschwierigkeiten zu vermeiden und den besonderen Unwertgehalt zu verdeutlichen.779 Die Vorschrift untersagt ein Verhalten, mit dem die Kartellanten die Annahme ihres „rechtswidrigen“ Angebots durch den Ausschreibenden erreichen wollen.780 §  298 StGB regelt damit einen Sonderfall der Folgevertragsproblematik; 781 denn wenn sich Wettbewerber im Rahmen einer Auftragsvergabe absprechen, erfolgt dies regelmäßig, um den Auftraggeber zum Abschluss eines Folgevertrags mit antikompetitiv überhöhten Preisen zu bewegen.782 §  298 StGB ist deshalb ein gesetzliches Verbot im Sinne des §  134 BGB,783 wobei die Nichtigkeitsanordnung auf die antikompetitiven Bestandteile des Folgevertrages beschränkt ist.784 Berechtigten Interessen des Auftraggebers an einer Vertragslösung wird durch die idealkonkurrierende Möglichkeit einer Anfechtung des täuschungsbedingt abgeschlossenen Vertrages gem. §  123 Abs.  1 BGB oder über die Grundsätze des Eigenschaftsirrtums gem. §  119 Abs.  2 BGB Rechnung getragen.785 Die Einstufung des §  298 StGB als Verbotsgesetz wird nicht dadurch beeinflusst, dass sich das Verbot nur an die Kartellanten und nicht auch an ihre Vertragspartner richtet. Die Einseitigkeit des Verstoßes hat für sich genommen keine Auswirkungen 778  BGH v. 19.12.2002 – 1 StR 366/02, NStZ 2003, 548. Ausführlich Dierlamm, ZWeR 2013, 192 ff. Vor der 7. GWB-Novelle hat der BGH (22.6.2004 – 4 StR 428/03, BGHSt 49, 201, 204 f. – Planungsbüro) die Anwendung auf horizontale Kartelle beschränkt; aufgrund der normativen Gleichstellung von horizontalen und vertikalen Kartellen im Zuge der 7. GWBNovelle gibt es keinen Grund mehr für eine derartige Einschränkung; vgl. BGH v. 25.7.2012 – 2 StR 154/12, WuW DE-R 3691 – Submissionsabsprachen; Schönke/Schröder/Heine, §  298 StGB Rn.  11; a. A. noch Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  130. 779 Schönke/Schröder/Heine, §   298 StGB Rn.  1; ausführlich Lange, ZWeR 2003, 352 ff. §  263 StGB ist bei Submissionsabsprachen regelmäßig neben §  298 StGB verwirklicht, da §  298 StGB auch das Vermögen der Marktteilnehmer schützt; a. A. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Dannecker, §  298 StGB Rn.  103. 780 Lackner/Kühl, §  298 StGB Rn.  4 ; Glöckner, Kartellrecht, Rn.  244 f. Als problematisch wird im Rahmen des §  263 StGB insbesondere der Nachweis eines Vermögensschadens angesehen, da keine rechtlich begründete Erwartung auf den Wettbewerbspreis bestehe; siehe Schönke/Schröder/Cramer/Perron, §  263 StGB Rn.  137a. Diese Ansicht ignoriert die Funk­ tion des Wettbewerbsrechts als Mittel zur Inhaltskontrolle von Verträgen am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs. Wie hier im Ergebnis BGH v. 8.1.1992 – 2 StR 102/91, BGHSt 38, 186 Rn.  37. 781  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  131. 782 Schönke/Schröder/Heine, §  298 StGB Rn.  12. 783 Erman/Palm/Arnold, §   134 BGB Rn.  100; a. A. Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  215: auch die auf eine Submissionsabsprache zurückzuführenden überhöhten Preise seien vertragsrechtlich wirksam; diese könnten aber durch deliktische Ansprüche korrigiert werden. 784  Heindl, NZBau 2002, 487, 488. 785 Erman/Palm/Arnold, §  134 BGB Rn.  94. Es ist deshalb m. E. nicht zutreffend, wenn man §  123 Abs.  1 BGB als gegenüber der Vertragsnichtigkeit abschließende Sanktion ansieht; so aber Köhler, JZ 2010, 767, 768. Entscheidend ist allein, ob der Normzweck eine zusätzliche Sanktion gebietet.

D. Inhaltskontrolle von Folgeverträgen

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auf eine derartige Bewertung. Ausschlaggebend ist vielmehr das Telos der Verbotsnorm.786 Dieses ist bei §  298 StGB auf den Schutz des Allgemeininteresses an einem wirksamen Wettbewerbsprozess und damit zugleich auf den Schutz der materialen Freiheitsrechte der Marktteilnehmer gerichtet, deren Vermögen folgevertragsbedingt konkret gefährdet ist.787 Ein Verbot, Folgeverträge zu kartellierten Bedingungen abzuschließen, kann auch aus Art.  23 VO Nr.  1/2003 und aus §  81 GWB abgeleitet werden. Nach Art.  23 Abs.  2 lit. a VO Nr.  1/2003 kann die Kommission gegen Unternehmen Bußgelder verhängen, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen Art.  81 und 82 EG (Art.  101 und 102 AEUV) verstoßen. Wie wir gesehen haben, verstößt ein Marktmachtmissbrauch, der sich in einem nachfolgenden Vertrag äußert, gegen Art.  102 AEUV und ist damit bußgeldbewehrt. Auch das Kartellverbot untersagt den positionsverschlechternden Abschluss von Folgeverträgen. Demgemäß kann nicht nur der Abschluss des Kartellvertrags, sondern auch die Umsetzung der Kartellabsprache in Folgeverträgen mit einem Bußgeld geahndet werden.788 Die Kommission knüpft freilich regelmäßig nur an die Vereinbarungen zwischen den Kartellanten an, da der Abschluss der Folgeverträge für die öffentliche Rechtsdurchsetzung mittels Bußgeldern – anders als im Rahmen des „private enforcement“ – keinen zusätzlichen Unwertgehalt bedeute, und einem Kartell-Folgevertrag zwingend eine Kartellvereinbarung vorangegangen sein müsse.789 Gleichwohl ist Art.  23 Abs.  2 lit. a VO Nr.  1/2003 ein Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB, da die Vorschrift das Praktizieren des Kartells durch Androhen einer Geldbuße verbietet, sich also gegen den Inhalt des Folgevertrags und nicht lediglich gegen die Art und Weise seiner Vornahme richtet.790 Ebenfalls als gesetzliches Verbot im Sinne des §  134 BGB anzusehen ist die Bußgeldvorschrift des §  81 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 GWB. Danach handelt ordnungswidrig, wer schuldhaft gegen Art.  101 AEUV und Art.  102 AEUV sowie gegen die §§  1, 19, 29 GWB verstößt. Insoweit können die zu Art.  23 VO Nr.  1/2003 786  Anders ist dies bei der Frage, ob ein einseitiger Verstoß gegen das Verbotsgesetz zur Nichtigkeit des Vertrages führt; dazu Erman/Palm/Arnold, §  134 BGB Rn.  94 a. E. 787 §   298 StGB dient unstreitig dem Schutz der überindividuellen Interessen an einem funktionsfähigen Wettbewerb; vgl. BT-Drucks. 13/5584 v. 24.9.1996, S.  9, 13. Für einen Schutz auch des Vermögens des Ausschreibenden Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Dannecker, §  298 StGB Rn.  11 und 15 ff. Überzeugend für einen Schutz ebenfalls des Vermögens der Mitbewerber – mit der Folge eines Schadensersatzanspruchs gem. §  823 Abs.  2 BGB – BT-Drucks. 13/5584 v. 24.9.1996, S.  9 ff.; Schönke/Schröder/Heine, Vor §  298 StGB Rn.  3 ; Lackner/Kühl, §  298 StGB Rn.  1. 788  Dies verstößt angesichts des oben herausgearbeiteten Normzwecks des Kartellverbots nicht gegen das Analogieverbot; dazu BeckOK-BGB/Wendtland, §  134 BGB Rn.  7. A. A. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  138. 789  Insoweit zutreffend Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  138. 790 Siehe allgemein zum Verstoß gegen Ordnungswidrigkeiten-Tatbestände MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  60. Jauernig/Jauernig, §  134 BGB Rn.  11 weist darauf hin, dass die Rechtsfolge bei einem einseitigen Verstoß in Abhängigkeit von der Interessen­ lage nicht zwangsläufig die Gesamtnichtigkeit des Vertrages sei.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

geschilderten Grundsätze übertragen werden. Im Schrifttum wird der Verbotsgesetzcharakter des §  81 Abs.  1, Abs.  2 GWB auch mit dem bis zur 6. GWB-Novelle untersagten „Praktizieren der Wettbewerbsabrede“ begründet, was gemeinhin als Verweis auf die Bußgeldbewehrtheit auch des Abschlusses von Folgeverträgen verstanden wurde.791 Diese Formulierung hat der Gesetzgeber mittlerweile gestrichen. Es ist deshalb überzeugender, mit dem drittschützenden, auch Folgeverträge mit antikompetitivem Inhalt untersagenden Normzweck des Kartellverbots zu argumentieren, anstatt weiterhin den vermeintlich normzwecküberschießenden Wortlaut des §  81 Abs.  1 Nr.  1, Abs.  2 Nr.  1 GWB a. F. zu bemühen, zumal eine solche Argumentation am ordnungswidrigkeitsrechtlichen Analogieverbot scheitert.792 3. Zwischenergebnis Der Tatbestand gegen wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen erfasst nicht nur die eigentliche Kartellabrede, sondern auch die in ihrer Umsetzung geschlossenen Folgeverträge. Der Gesetzgeber hat dies durch §  33 Abs.  1, Abs.  3 Satz 1 und 2 GWB mittelbar klargestellt. Nur eine solche Sichtweise entspricht der Rechtsprechung des EuGH in Sachen „Courage“ und „Manfredi“, wonach sich „jeder“ auf die Nichtigkeit einer wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarung berufen kann. Die Rechtssicherheit steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Vielmehr trägt das Kartellverbot der Rechtssicherheit durch die Ausgestaltung der Tatbestandsmerkmale „bezweckte“ und „bewirkte“ Wettbewerbsbeschränkung Rechnung, indem Ersteres als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet und Letzteres nur die Auswirkungen auf die materiale Selbstbestimmung der anderen Marktteilnehmer, nicht aber wohlfahrtsökonomische Effizienzerwägungen in den Blick nimmt. Effizienzen spielen erst bei der Frage eine Rolle, ob eine Wettbewerbsbeschränkung im Einzelfall wegen der langfristig überwiegenden Wohlfahrtsgewinne für alle Verbraucher ex lege freigestellt ist. Die Erstreckung des Verbotstatbestands auf Folgeverträge wird bekräftigt durch einen Blick auf das strafrechtliche Verbot von Submissionsabsprachen. Dasselbe gilt für die Ordnungswidrigkeitentatbestände der Art.  23 Abs.  2 lit. a VO Nr.  1/2003, §  81 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 GWB.

VII. Rechtsfolgen wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge Wie wir gesehen haben, untersagen sowohl die in Art.  102 AEUV und den §§  19 f. GWB normierten Missbrauchsverbote als auch die in Art.  101 AEUV und den §§  1 f. GWB enthaltenen Kartellverbote den Abschluss von unmittelba791 

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So aber Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  139 ff. Das übersieht Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  139 ff.

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ren Folgeverträgen zwischen Wettbewerbsverletzern und direkten Abnehmern zu antikompetitiven Bedingungen. Neben die deliktischen Ansprüche des §  33 GWB treten somit idealkonkurrierend vertragliche Rechtsbehelfe. Dass eine Vorschrift ein Verbotsgesetz ist, bedeutet freilich noch nicht automatisch die Nichtigkeit der gegen sie verstoßenden Abreden 793 Selbst wenn eine Nichtigkeit eingreift, ist noch zu klären, ob diese ex tunc oder ex nunc wirkt,794 ob sie eine totale oder nur eine teilweise ist und ob sie absolut oder relativ eintritt.795 Uns wird im Folgenden vor allem die Frage der Gesamt- oder Teilnichtigkeit beschäftigen. 1. Normzweckvorbehalt Verstößt eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung gegen §  134 BGB, ist sie nichtig, soweit sich nicht aus dem Verbotsgesetz etwas anderes ergibt.796 Nicht nur die Frage, ob überhaupt ein Verbotsgesetz vorliegt, sondern auch diejenige nach der Reichweite der Nichtigkeit bestimmt sich also nach dem Telos der Verbotsnorm und nicht nach §  134 BGB als „Hilfsnorm“.797 Für den Fall, dass sich aus dem Normzweck der materiellen Verbotsnorm nichts Abweichendes entnehmen lässt, ordnet §  134 BGB die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts an.798 Dogmatisch handelt es sich um eine Auslegungsregel zu Gunsten der Nichtigkeit.799 Folgerichtig trägt derjenige die Argumentationslast, der ein verbotswidriges Rechts793 

Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 435. Grundsätzlich greift auch bei Dauerschuldverhältnissen eine Ex-tunc-Nichtigkeitsfolge; vgl. Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 435. Wir haben die Problematik des Zeitpunkts des Nichtigkeitseintritts bereits am Beispiel wettbewerbsbeschränkender Gesellschaftsverträge gestreift. Dazu Teil 1 C. VII. 795 Zu den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten der Begriffe „absolut“ und „relativ“ (von Amts wegen oder nur auf Parteivortrag; von jedermann geltend zu machen oder nur von den Parteien) siehe MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  111 f. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Nichtigkeit in beiderlei Sinne absolut; vgl. EuGH v. 13.7.2006 – Rs. C-295/04, Slg. 2006, I-6619 Rn.  56 ff. – Manfredi: jeder kann sie geltend machen, sie ist von Amts wegen zu berücksichtigen. 796  Der Normzweckvorbehalt wird als das zentrale Problem des §  134 BGB angesehen, so Staudinger/Sack/Seibl, §  134 BGB Rn.  66. 797  Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  279. 798 MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  103. 799 Staudinger/Sack/Seibl, §  134 BGB Rn.  58; MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  103. Gegen diese Formulierung Köhler, JZ 2010, 767. Inhaltlich besteht freilich kein Unterschied, da die Auslegungsregel nur dann greift, wenn sich aus dem Telos der Verbotsnorm kein anderes oder kein eindeutiges Ergebnis ableiten lässt. Nicht zu folgen ist Köhler (a.a.O., S.  767, 768) demgegenüber, wenn er aus der grundrechtlich gewährleisteten Privatautonomie in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses ableiten will; denn die Privatautonomie kommt im Vertragsrecht beiden Vertragsparteien zugute, weshalb der Gesetzgeber einen sachgerechten Ausgleich herbeiführen muss. Dies geschieht u. a. durch die Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts. Die Nichtigkeit ist somit entgegen Köhler (a. a. O.) nicht nur „ultima ratio“, zumal Köhler damit gegen seine eigene Prämisse verstößt, ausschlaggebend sei allein das Telos des 794 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

geschäft für wirksam erachtet. 800 Demgegenüber ist für die Frage, ob ein Verbotsgesetz die Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts fordert, nicht relevant, ob das Gesetz noch anderweitige (deliktische) Sanktionen vorhält, schon weil es sich hierbei um unterschiedliche Regelungsebenen handelt, die zueinander in Idealkonkurrenz stehen.801 Wenn überhaupt einem Vorrangverhältnis das Wort geredet werden sollte, dann wäre das Vertrags- gegenüber dem Deliktsrecht vorrangig, weil Ersteres auf einer spezifischen Rechtsbeziehung basiert, wohingegen Letzteres „nur“ die gegenüber allen Rechtsgenossen gleichermaßen zum Ausdruck kommenden Pflichten verdeutlicht.802 Ebenso wie schon im Hinblick auf die Anerkennung einer Regelung als Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB wird auch hinsichtlich der an den Verstoß anknüpfenden Rechtsfolgen argumentiert, dass die Einseitigkeit des Verstoßes, also der Umstand, dass nur eine Vertragspartei gegen das Verbotsgesetz verstoßen habe, für die Wirksamkeit des Vertrages streite. 803 Es gibt freilich keinen Rechtssatz, wonach ein einseitiger Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot entgegen der Auslegungsregel des §  134 BGB automatisch die Vertragswirksamkeit zur Folge hat. Entscheidend ist vielmehr allein der Schutzzweck der materiellen Verbotsnorm; ist dieser nicht eindeutig, folgt daraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Ist das Verbotsgesetz – wie die Kartell- und Missbrauchsverbote – zugleich ein Schutzgesetz im Interesse des von der rechtswidrigen Verhaltensweise negativ betroffenen Vertragspartners, ist also eine der Vertragsparteien als „Haupttäter“ anzusehen, spricht dies für die Unwirksamkeit der konkret-wettbewerbsbeschränkenden Vertragsbestimmungen. 804 Ob der Vertrag darüber hinaus insgesamt unwirksam ist, entscheidet sich wiederum nach dem Telos des Verbotsgesetzes. 805 Ist dieses ein Schutzgesetz zu Gunsten (nur) eines Vertragspartners, sind hierfür vornehmlich dessen Interessen maßgeblich. 806 Demge(hinsichtlich der wettbewerbs- und lauterkeitsrechtlichen Verbotsgesetze wohl unstreitig) verfassungskonformen Verbotsgesetzes. 800  Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S.  16, 43. 801  So aber Köhler, JZ 2010, 767, 768. Es zeigen sich gewisse Parallelen zur Argumentation bezüglich der Wirksamkeit der gegen das Kartellverbot verstoßenden Folgeverträge; siehe K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 575 f.: „Die Wirksamkeit der Folgeverträge resultiert deshalb nicht aus einer besonderer Begründung bedürftigen Legalausnahme vom Kartellverbot, vielmehr bedürfte umgekehrt ein Abfärben der Kartell-Nichtigkeit auf Folgeverträge argumentativer Rechtfertigung. Dies ist der neuen ‚Nichtigkeitslehre‘ bisher nicht gelungen, weil sie die unterschiedliche Reichweite der Nichtigkeitssanktion [. . .] und des deliktischen Schutzes nicht respektieren will.“ 802  Siehe oben Teil 9 D. III. 803  Flume, WuW 1956, 457, 459. 804  Beispiele aus der Rechtsprechung: BGH v. 21.1.2010 – IX ZR 65/09, NJW-RR 2010, 2585 Rn.  11; BGH v. 5.12.1995 – X ZR 121/93, NJW 1996, 775. Aus dem Schrifttum siehe Jauernig/Jauernig, §  134 BGB Rn.  11. 805 MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  105. 806  So sollte ein auf eine unzulässige Rechtsberatung (§  1 Abs.  1 RBerG a. F.) gerichteter Geschäftsbesorgungsvertrag nichtig sein, obwohl sich das Verbot nur gegen den Geschäftsbe-

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genüber spielen die Interessen des (anderen) gegen das Verbotsgesetz verstoßenden Vertragspartners unter teleologischen Gesichtspunkten keine Rolle. 807 Ergänzend können präventive, also öffentlich-rechtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein.808 Bei zivilistischer Sichtweise ergänzt dieser Institutionenschutz allerdings nur den Individualschutz, beschränkt diesen jedoch nicht. Allein der Umstand, dass eine Handlung zugleich unter Strafe gestellt („Submissionskartell“) oder als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bedroht ist (Art.  23 Abs.  2 Nr.  1 VO Nr.  1/2003, §  81 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 GWB), bewirkt somit nicht die Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts; 809 denn Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten knüpfen grundsätzlich an ein (auch außerhalb rechtsgeschäftlichen Handelns liegendes) Verhalten an, wohingegen sich die Nichtigkeitssanktion des §  134 BGB gerade auf Rechtsgeschäfte bezieht. 810 Eine für alle Vertragsparteien geltende Straf- oder Bußgeldandrohung indiziert jedoch, dass die Rechtsordnung auch eine vertragsrechtliche Sanktion verlangt. 811 Demgegenüber ist bei einem einseitigen Verstoß eine differenzierte Abwägung notwendig, die im Ausgangspunkt für die Teilnichtigkeit der gesetzeswidrigen Bestimmungen streitet, um dem geschützten Vertragspartner nicht den Vertrag aus der Hand zu schlagen. Dasselbe gilt, wenn sich das Verbotsgesetz an beide Vertragspartner richtet, aber bei wertender Betrachtung einer als der „Haupttäter“ anzusehen ist.812 Während einige dieses Ergebnis über §  242 BGB erzielen sorger und nicht auch gegen seinen Kunden richtete, da nur so der Zweck der Vorschrift erreicht werden könne, den Vertragsgegner vor den Gefahren einer ungenügenden Beratung zu schützen; vgl. BGH v. 28.9.2000 – IX ZR 279/99, NJW 2001, 70, siehe zur Schwarzarbeit auch BGH v. 19.1.1984 – VII ZR 121/83, NJW 1984, 1175, 1176: Gesamtnichtigkeit, sofern Besteller den Verstoß nicht kennt. Dagegen Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  280: wenn eine Person der „Haupttäter“ ist, ist der Vertrag teilunwirksam; bei Gesamtunwirksamkeit kann sich der „Haupttäter“ nach §  242 BGB nicht auf die Nichtigkeit berufen. Andere sehen das Rechtsgeschäft bei einem einseitigen, gegen den Vertragspartner gerichteten inhaltlichen Verstoß als „halbseitig teilnichtig“ an, vgl. Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S.  29 ff. Hiernach behält der eine Vertragsteil seine vertraglichen Ansprüche, während der andere Teil lediglich Ansprüche nach Bereicherungsrecht geltend machen kann. Für eine Lösung über §  311a Abs.  1 Satz 1 BGB plädiert Köhler, JZ 2010, 767, 770; siehe hierzu MünchKommBGB/ Armbrüster, §  134 BGB Rn.  108. 807 Überzeugend Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  162. 808  Schäfer, AcP 202 (2002), 397, 403 ff. 809 Staudinger/Sack/Seibl, §  134 BGB Rn.  78. 810  So schon Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  279 f. 811  BGH v. 30.4.1992 – III ZR 151/91, NJW 1992, 2021. 812  Siehe bereits Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  280: Bei einer gegen das Verbot des 12 Abs.  2 Nr.  1 BBiG verstoßenden Absprache zur Zahlung einer Entschädigung für die Berufsausbildung können die Eltern eines Jugendlichen vom Ausbilder auch dann die Rückzahlung des „Lehrgelds“ verlangen, wenn sie das Geld in Kenntnis der Gesetzeswidrigkeit gezahlt haben; denn der Zweck von §  12 Abs.  2 Nr.  1 BBiG, die Chancen auf eine Berufsausbildung nicht von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abhängig zu machen, lässt sich nur dann verwirklichen, wenn der Ausbilder den an ihn gezahlten Betrag zurückgewähren muss, vgl. BAG v. 28.7.1982 – 5 AZR 46/81, NJW 1983, 783. Das BAG berücksichtigt diese Aspekte im Rahmen der Frage, ob §  817 Satz 2 BGB einem Anspruch der Eltern gemäß §  812 Abs.  1 Satz 1 Alt. 1

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wollen,813 sehen andere das Rechtsgeschäft bei normzweckspezifischer Auslegung als „halbseitig teilnichtig“ an. 814 2. Teilnichtigkeit der Folgeverträge als Regelfall Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen ist für die Rechtsfolgen eines Verbotsgesetzverstoßes das Telos der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen entscheidend. Ergibt sich kein eindeutiges Auslegungsergebnis, votiert §  134 BGB für die Gesamtnichtigkeit des Vertrages.815 Dies gibt die Auslegungsregel des §  139 BGB deklaratorisch wieder. Hiernach führt die Nichtigkeit von Teilen einer Vereinbarung außerhalb des Anwendungsbereichs von §  306 Abs.  1 BGB grundsätzlich zur Nichtigkeit der gesamten Vereinbarung. Der Restvertrag bleibt jedoch gültig, wenn dies dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen der schützenswerten Vertragspartei entspricht. 816 a) Relevante Interessen Die Art.  101 und 102 AEUV bzw. die §§  1 f., 19, 20, 29 GWB beschirmen die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer vor negativen Drittwirkungen, die sich aus der Umsetzung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen in Folgeverträgen ergeben. Die Wettbewerbsregeln sichern damit zugleich das öffentliche Interesse an einem wirksamen Wettbewerbsprozess, wie es in der straf- und ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sanktionierung wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen zum Ausdruck kommt, 817 wobei dieser Institutionenschutz nach der Donau-Chemie-Rechtsprechung des EuGH nicht dazu verwandt werden darf, den privatrechtlichen Individualschutz unangemessen einzuschränken. 818 Im Rahmen der gebotenen, durch den Normzweck vorstrukturierten Interessenabwägung sind deshalb vor allem die Belange der unmittelbaren Folgevertragspartner zu berücksichtigen. Demgegenüber bleiben die Interessen der Wettbewerbsverletzer an der Nichtsanktionierung außer Betracht. Eben diesem Interesse entspricht jedoch de facto die

BGB entgegensteht. Je nach Einzelfall können diese Aspekte aber bereits bei der Bestimmung der zutreffenden Rechtsfolge des Verstoßes relevant werden. 813  Siehe zur „Schwarzarbeit“ Staudinger/Sack/Seibl, §  134 BGB Rn.  281. 814  Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S.  29 ff. 815  Krüger, Durchsetzung des Kartellverbots, S.  92. 816  Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  286 f. Die Nichtigkeitsvermutung des §  139 BGB liegt in dem Umstand begründet, dass die Parteien ein einheitliches Gesamtgeschäft vereinbart und damit zum Ausdruck gebracht haben, dass sie das Geschäft auch als Einheit ansehen. Das Rechtsgeschäft kann deshalb aufrechterhalten werden, wenn dies ihrem Willen entspricht; vgl. auch Bork, BGB-AT, Rn.  1215. 817  Siehe oben Teil 9 D. VI. 2. c). 818  Siehe oben Teil 9 B. IV. 3. c).

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Wirksamkeit der Folgeverträge, wie sie von der herrschenden Ansicht vertreten wird. 819 Insofern kann man – in Bejahung einer von Karsten Schmidt aufgeworfenen Frage – bestätigen, dass die eine Gesamtwirksamkeit mehr behauptend als argumentativ nachweisende820 „Folgevertragsdiskussion des vergangenen Halbjahrhunderts insgesamt fehlgegangen“ ist. 821 b) Interessen der Folgevertragspartner Die schutzwürdigen Interessen der Folgevertragspartner sind nicht auf eine Wirksamkeit der Folgeverträge gerichtet; 822 denn dann wären sie auf deliktische Ansprüche verwiesen, mit den Folgeproblemen „Verschuldensnachweis“ und „passing-on defense“. Ihre Interessen sind jedoch – in Umkehrung der Auslegungsregelung des §  139 BGB823 – auch nicht auf die Gesamtnichtigkeit der Folgeverträge gerichtet; denn dann wären die Wettbewerbsverletzer von ihrer vertraglichen Leistungspflicht befreit, müssten die kontrahierten Leistungen also gerade nicht zu wettbewerbsanalogen Bedingungen erbringen, wie dies dem Normzweck der Wettbewerbsvorschriften entspricht (Als-ob-Wettbewerb). Vielmehr wären die unmittelbaren Folgeverträge dann nach Bereicherungsrecht rückabzuwickeln, was nicht interessengerecht ist, wenn die Folgevertragspartner die Güter ihrerseits weiterveräußert haben. 824 Unter teleologischen Aspekten steht somit das Interesse der Folgevertragspartner im Vordergrund, eine Anpassung des jeweiligen Vertrages an wettbewerbsanaloge Bedingungen zu erreichen, bei preisbezogenen Wettbewerbsverletzungen also an den hypothetischen Wettbewerbspreis. 825 Diesem Interesse kann bei antikompetitiv überhöhten Preisen durch eine Teilnichtigkeit der Preisregelung in Verbindung mit einer ergänzenden Vertragsauslegung nach §  157 BGB Rechnung getragen werden. Soweit den Folgevertragspartnern darüber hinaus ein Gewinn entgangen ist, wird ihnen diese Schadensposition über §  33 Abs.  1, 3 GWB ersetzt; die vertragliche Anpassungslösung betrifft somit nur die antikompetitiv überhöhte Hauptleistung. 819  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 562 ff., 572 ff. Für eine Wirksamkeit – mit der teleologisch nicht überzeugenden Begründung, diese liege vor allem im Interesse des in seiner wirtschaftlichen Selbstbestimmung und seinem Vermögen beeinträchtigten Dritten – auch Ehricke, JJZ 1992, S.  161, 166; FK/Baur/Weyer, Art.  81 EG Zivilrechtsfolgen Rn.  89; Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  215. Eine solche Sichtweise unterstellt stillschweigend, dass §  134 BGB als Rechtsfolgen nur die volle Wirksamkeit und die volle Nichtigkeit kennt. Ein solches Verständnis entspricht nicht mehr dem aktuellen Stand der zivilistischen Dogmatik; vgl. MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 Rn.  103 ff. Wie vorliegend Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  162 f. 820 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger, Art.  81 EG Rn.  25. 821  K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 567. 822  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  163. 823  Säcker, ZWeR 2008, 348, 362. 824  Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 432; Wiget, Wirksamkeit von Folgeverträgen, S.  260 ff. 825 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  814, 826 und 850.

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c) Einwände gegen eine Teilnichtigkeitslösung aa) Fehlende Praktikabilität? Gegen eine Teilnichtigkeitslösung kann nicht eingewandt werden, dass sich der wettbewerbsanaloge Preis in der Praxis nur schwer bestimmen lasse. 826 Zum Ersten ist dies ein normzweckimmanentes Problem, das sich nicht nur bei Kartell-Folgeverträgen, sondern auch bei Ausbeutungsmissbräuchen stellt.827 Zum Zweiten hält die Rechtsordnung – wie wir in Zusammenhang mit dem Regulierungsrecht gesehen haben – differenzierte und praktikable Methoden bereit, um den wettbewerbsanalogen Preis zu ermitteln. 828 bb) Unzureichende Abschreckung? Die Teilnichtigkeit widerspricht nicht dem Postulat des EuGH, wonach Sanktionen abschreckend sein müssen. 829 Erstens geht das Unionsrecht davon aus, dass eine abschreckende Verhaltenssteuerung bereits durch einen vollständigen Ausgleich des materiellen und immateriellen Schadens erfolgt („Prävention durch Schadensausgleich“).830 Zweitens bezieht sich das Erfordernis der Abschreckung lediglich auf die Gesamtheit der an einen Rechtsverstoß geknüpften Sanktionen. 831 Ihm kann somit nicht nur durch vertragliche, sondern auch durch deliktische Rechtsbehelfe entsprochen werden. Ergänzend greifen öffentlich-rechtliche Sanktionen wie Abstellungsverfügungen und Geldbußen. Einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln mit der Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung zu ahnden, würde drittens der Rechtsprechung des EuGH widersprechen, wonach wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen grundsätzlich teilnichtig sind.832 Eine Gesamtnichtigkeit entspricht somit nicht dem Telos der Wettbewerbsvorschriften, die nach dem Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs lediglich eine Situation bei wirksamem Wettbewerb wiederherstellen wollen. 833 Eine Gesamtnichtigkeit des Vertrages würde sowohl diesem Ziel als auch den Interessen der Folgevertragspartner widersprechen. 834 Einem öffentlichen Interesse an einer 826  So aber MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  599, der für eine Anfechtungslösung plädiert. 827  Siehe Teil 5 C. III. 3. 828  Siehe Teil 7 D. III. 2. i. V. mit Teil 5 C. III. 5. 829  So aber Steindorff, EG-Vertrag und Privatrecht, S.  322 f. 830  Wagner, AcP 206 (2006), 352, 394; siehe auch Adomeit/Mohr/Mohr, §  15 AGG Rn.  11. 831 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  784. 832  Siehe oben Teil 9 D. IV. 2. a) und V. 833 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  784; Weyer ZEuP 1999, 424, 454; FK/Baur/Weyer, Art.  81 EG Zivilrechtsfolgen Rn.  112 und 125. Das gilt jedenfalls, soweit man nicht aus Gründen der effektiven Durchsetzung zivilistischer Ersatzansprüche „multiple damages“ als zulässig erachtet; dazu oben Teil 9 B. IV. 6. a). 834  Insoweit berechtigt: Immenga/Mestmäcker/Zimmer, §  1 GWB Rn.  215.

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weitergehenderen Sanktion kann durch Straf- und Bußgeldtatbestände Rechnung getragen werden. cc) Unzumutbare Beeinträchtigung der Rechtssicherheit? Auch das Argument der Rechtssicherheit835 kann nicht die Wirksamkeit von gesetzeswidrigen Verträgen begründen. 836 Wie wir gesehen haben, tragen Art.  101 Abs.  1 AEUV bzw. §  1 GWB der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Justiziabilität bereits im Rahmen der materiellen Tatbestandsmerkmale Rechnung, die primär dem Schutz der Selbstbestimmung der Marktteilnehmer dienen. Demgegenüber finden sich im Normzweck keine Anhaltspunkte, wonach die Rechtssicherheit auch auf Rechtsfolgenseite berücksichtigt werden soll. Ganz im Gegenteil würde ein Argumentieren mit der Rechtssicherheit hier das drittschützende Telos des Kartellverbots in sein Gegenteil verkehren; denn die aus der Teilnichtigkeit wettbewerbsbeschränkender Vertragsklauseln resultierende Einschränkung der Rechtssicherheit ist gerade ein Bestandteil des Normkonzepts des §  134 BGB.837 Darüber hinaus bewirken deliktsrechtliche Sanktionen ebenfalls eine normimmanente Beeinträchtigung der Rechtssicherheit. 838 Es macht somit unter dem Aspekt der Rechtssicherheit keinen Unterschied, ob sich der Folgevertragspartner auf eine Teilunwirksamkeit einer Regelung beruft oder ob er bei Annahme eines voll gültigen Vertrages über §  33 Abs.  3 GWB einen Schadensersatzanspruch in Höhe der Differenz zwischen dem vereinbarten Preis und dem hypothetischen Wettbewerbspreis geltend macht. 839 Die Berechnungsmethode ist in beiden Fällen dieselbe, da die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsvorschriften nicht die Nichtigkeit des Vertrages, sondern die Ersetzung des zu hohen Preises durch einen angemessenen Preis im Wege ergänzender Vertragsauslegung ist. 840 Die für die Vergangenheit zu viel bezahlten Beträge können hiernach zurückgefordert werden. Für die Zukunft muss der Vertragspartner nur den wettbewerbsanalogen Preis zahlen. 3. „Absolute“ Teilnichtigkeit und „relative“ Anfechtbarkeit Die vorstehenden Erwägungen sprechen dafür, der Rechtssicherheit – als Argument für die volle Wirksamkeit des Vertrages – nur insoweit Relevanz zuzusprechen, als dies den Interessen der von der Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen dient. In deren Interesse wird jedoch regelmäßig nur eine Teilnichtigkeit liegen, verbunden mit der Anpassung des Vertrages an wettbewerbsanaloge 835 FK/Baur/Weyer,

Art.  81 EG Zivilrechtsfolgen Rn.  89. Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  25. 837  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  159 f. 838  Ähnlich Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  25. 839 Zutreffend Säcker, ZWeR 2008 348, 352. 840  Vgl. wiederum Säcker, ZWeR 2008 348, 352; dazu noch sogleich Teil 9 D. VII. 4. 836 Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Jaeger,

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Bedingungen. Sofern sich die Betroffenen im Wege der Anfechtung vom gesamten Vertrag befreien wollen, müssen sie die sachliche Notwendigkeit dieses Rechtsbehelfs nachweisen, etwa bei einem irreparabel gestörten Vertrauensverhältnis. Eine solche Störung wird man bei einer vorsätzlichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung bejahen können; denn eine Person kann weder gezwungen werden, mit einer anderen Person, die sie vorsätzlich schädigen wollte, weiter zusammenzuarbeiten, noch ist es ihr zuzumuten, für die Vergangenheit am Vertrag festzuhalten. 841 Die Ausübung des Gestaltungsrechts liegt in solchen Fällen in ihrem Ermessen.842 Das gilt aber nicht auch für die Teilnichtigkeit. 843 Diese ist eine „absolute“, da von Amts wegen zu berücksichtigen und von jedermann geltend zu machen; denn durch eine volle Wirksamkeit des Vertrages können auch dritte Personen in ihren legitimen Interessen beeinträchtigt sein. Darüber hinaus will die Rechtsordnung durch die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen auch im Interesse der Gesamtgesellschaft einen wirksamen Wettbewerb sichern. Aus diesem Grunde sind Verträge, die gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen, am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs zu korrigieren. Dieser Institutionenschutz steht in keinem Gegensatz zum Individualschutz, da rational handelnde Folgevertragspartner regelmäßig kein Interesse an der vollen Wirksamkeit des Vertrages zu antikompetitiven Bedingungen haben. 4. Geltungserhaltende Reduktion oder ergänzende Vertragsauslegung? Ein Verstoß gegen die Art.  101 f. AEUV bzw. die §§  1 f., 19, 20, 29 GWB begründet regelmäßig die Teilnichtigkeit der entsprechenden Vertragsbestimmungen. Dogmatisch kommen für eine derartige Anpassung an den wettbewerbsanalogen Zustand mehrere Wege in Betracht. Bei preisbezogenen Wettbewerbsverstößen sind die wichtigsten eine geltungserhaltende Reduktion analog §  139 BGB oder die Teilnichtigkeit der gesamten Klausel, verbunden mit einer ergänzenden Vertragsauslegung.844 Das Schlagwort „geltungserhaltende Reduktion“ wird in keinem einheitlichen Sinn verwandt.845 Der BGH versteht hierunter die Rückführung einer quantitativ teilbaren Klausel auf den höchstzulässigen Umfang. 846 Demgegen841 Überzeugend

Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  179. Siehe für den Fall des – m. E. zu Unrecht – nur „ausnahmsweise festzustellenden Ausbeutungsmissbrauchs“ MünchKommEUWettbR/Eilmansberger, Art.  82 EG Rn.  599 f. Da es nicht um eine Anfechtung wegen Willensmängeln geht, greift die Ersatzpflicht gem. §  122 Abs.  1 BGB nicht ein. 843 So aber Eilmansberger, JBl. 2009, 427, 435; siehe zur mehrdeutigen Begrifflichkeit ­MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  111 f. 844  Weitere Nachweise bei MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  857. 845  So instruktiv MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  858 m. w. N. 846  Vgl. BGH v. 11.1.1984 – VIII ARZ 13/83, BGHZ 89, 316 ff. LS: „Liegt eine Mietpreiser842 

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über interpretieren andere „geltungserhaltende Reduktion“ als Rückführung auf den angemessenen, also gerade nicht auf den maximal zulässigen Umfang. 847 Eine geltungserhaltende Reduktion ist ausgeschlossen, sofern die Vertragsbestimmung als AGB zu bewerten ist (§  306 Abs.  2 BGB). 848 Mit den Maßstäben eines kompetitiven Vertragsrechts ist jedoch auch eine Reduzierung des Entgelts auf den (höchst-)zulässigen Betrag nicht vereinbar. Die Normadressaten des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts dürfen vielmehr nur ein wettbewerbsanaloges Entgelt verlangen, als spezialgesetzliche Ausprägung der allgemeinen zivilistischen Maßstäbe der Angemessenheit und Billigkeit. 849 Der wettbewerbsanaloge Preis wird durch den Maßstab der „Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung“ näher ausgeformt. 850 Die Kosten der Unternehmen – wozu betriebswirtschaftlich auch die Verzinsung des eingesetzten Eigen- und Fremdkapitals gehört – sind somit einer Effizienzkontrolle zu unterziehen. Der normativ vorgegebene wettbewerbsanaloge Preis darf nicht durch einen Erheblichkeitszuschlag zu Gunsten der Normadressaten verfälscht werden, im Sinne eines höchstzulässigen Preises. 851 Möglich wäre deshalb allenfalls eine geltungserhaltende Reduktion auf den angemessenen, nicht durch einen Erheblichkeitszuschlag verfälschten Wettbewerbspreis. 852 Zur Klarstellung dieser Rechtslage erscheint es vorzugswürdig, wettbewerbsbeschränkende Preisbestimmungen insgesamt als unwirksam anzusehen, im Sinne einer „Gesamt-Teilnichtigkeit“, und die entstehende Vertragslücke sodann im Wege ergänzender Vertragsauslegung gem. §  157 BGB nach dem Maßstab „immanenter Vertragsgerechtigkeit“853 zu schließen. Nur eine ergänzende Vertragsauslegung entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH, wonach eine Vertragsklausel, die die konkrete Wettbewerbsbeschränkung bewirkt, voll und höhung nach §  5 WiStrG vor, so ist die Vereinbarung insoweit nichtig, als der Mietzins die ortsübliche Vergleichsmiete mehr als nur unwesentlich übersteigt.“ Aus dem Schrifttum siehe Larenz/Wolf, BGB-AT §  43 Rn.  81 ff. 847  Hager, JZ 1996, 175 f.: Gleichwertigkeit von ergänzender Vertragsauslegung und geltungserhaltender Reduktion; Langen/Bunte/Bunte, Art.   81 EG Generelle Prinzipien Rn.  212a; siehe im vorliegenden Zusammenhang auch Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  173. 848  Grundlegend BGH v. 17.5.1982 – VII ZR 316/81, BGHZ 84, 109, 115 f.; dagegen Münch­ KommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  107. Siehe zum Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auch EuGH v. 14.6.2012 − Rs. C-618/10, NJW 2012, 2257 Rn.  62 ff. – Banco Español de Crédito SA. 849  Vgl. BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 Rn.  20 – Stornierungsentgelt; Otte, LMK 2012, 327729. 850  Die anzusetzenden Kosten können von Fall zu Fall verschieden sein; vgl. für den Energiesektor einerseits und den Post- und Telekommunikationssektor andererseits Säcker/Mengering, N&R 2014, 74, 75. 851  Vgl. schon Teil 5 C. III. 5. 852  Säcker, ZWeR 2008, 348, 351 f. 853  Siehe zur Unwirksamkeit von Preisanpassungsklauseln in Energie-Sonderkundenverträgen Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1861.

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uneingeschränkt nichtig ist. 854 Diese Formulierung lässt sich nicht als generelles Verbot der ergänzenden Vertragsauslegung deuten. Zwar ist im Recht der AGB-Inhaltskontrolle eine geltungserhaltende Reduktion kritisch zu würdigen, da dort die Abschreckung und Disziplinierung der Unternehmen eine zentrale Rolle spielen. 855 Das Wettbewerbsrecht basiert mit dem Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs jedoch auf anderen Wertungen. 856 Wie wir gesehen haben, können die Unternehmen bei wirksamem Wettbewerb nur effiziente Kosten inklusive einer marktüblichen Kapitalverzinsung ansetzen. 857 Es wäre deshalb nicht zulässig, ihnen durch einen Erheblichkeitszuschlag ein höheres Entgelt zuzubilligen.858 Andererseits wäre es mit dem Grundsatz des Als-ob-Wettbewerbs nicht vereinbar, die Entgeltklausel insgesamt zu kassieren und die Unternehmen – etwa nach dem von Canaris vertretenen Konzept der halbseitigen Teilnichtigkeit859 – auf Bereicherungsansprüche zu verweisen; denn das Wettbewerbsrecht verfolgt auf vertragsrechtlicher Ebene keinen überschießenden Sanktionszweck. 860 Aus diesem Grunde erscheint auch eine kumulative Anwendung von Wettbewerbsrecht und AGB-Kontrolle nicht überzeugend, da Letztere die Wertungen des Ersteren verfälschte. An die Stelle einer unwirksamen Preisregelung tritt somit im Wege ergänzender Vertragsauslegung eine angemessene, billige Regelung, die faire Vertragspartner in Kenntnis der Unwirksamkeit getroffen hätten.861 Zwar kann der maßgebliche Parteiwille nicht durch empirische Erforschung des realen Willens festgestellt werden, da ein solcher aufgrund der Nichtigkeit der Preis-Klausel nicht vorhanden ist. 862 Eine Vertragsauslegung kann sich jedoch am Grundsatz von Treu und Glauben orientieren (§  157 BGB863). Hiernach ist zu fragen, durch welche Regelung die Parteien die Lücke mit Blick auf den inneren Geltungs854  EuGH v. 30.6.1966 – Rs. 56/65, Slg. 1966, 282, 304 – Maschinenbau Ulm; Schröter/Jakob/Mederer/Schröter, Art.  81 Abs.  2 EG Rn.  233. 855  EuGH v. 14.6.2012 − Rs. C-618/10, NJW 2012, 2257 Rn.  62 ff. – Banco Español de Crédito SA; dazu Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1861 f. 856  Säcker, ZNER 2007, 114, 115; ders., N&R 2009, 78, 79 mit Fn.  18; P. Becker, ZNER 2008, 289 ff.; Kühne, RdE 2005, 241, 246 ff. 857 EuGH v. 13.7.1989 – Rs. 395/87, Slg. 1989, 2521, 2578 Rn.   42 – Tournier; EuGH v. 13.7.1989 – Rs. 110/88 u. a., Slg. 1989, 2811, 2831 Rn.  29 – SACEM; siehe auch Frenz, Handbuch Europarecht Bd. 2, Rn.  1253; von der Groeben/Schwarze/Schröter, Art.  82 EG Rn.  185. 858  Säcker, ZWeR 2008, 348, 352. 859  Canaris, Gesetzliches Verbot und Rechtsgeschäft, S.  29 ff. 860  Ein Sanktionszweck kann unter den dort geltenden Voraussetzungen im Wege des „public enforcement“ verfolgt werden, etwa durch Verhängung einer Geldbuße. Derartige Sanktionen haben auf die Anpassung des Vertrages an wettbewerbsanaloge Bedingungen aber keine Auswirkungen. 861  Säcker, ZWeR 2008, 348, 353 ff. und 362; allgemein auch ders., in: FS Westermann, 2008, S.  617 ff. 862 MünchKommBGB/Busche, §  140 BGB Rn.  19. 863  Bei der ergänzenden Vertragsauslegung nach §  157 BGB gelten dieselben Maßstäbe wie nach §  242 BGB; siehe MünchKommBGB/Roth/Schubert, §  242 BGB Rn.  118.

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grund von Verträgen, eine beidseitig material-chancengleiche Selbstbestimmung zu sichern, geschlossen hätten. 864 Anzustellen ist somit eine normative Interessenabwägung unter Zuendedenken des konkreten Vertragsinhalts865 ohne Ansehung eines intellektuellen und wirtschaftlichen Übergewichts einer Partei.866 Die ergänzende Vertragsauslegung übernimmt damit die Funktion einer versteckten Inhaltskontrolle in Ermangelung dispositiven Gesetzesrechts. 867 Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die teilnichtige Preisregelung durch eine solche zu ersetzen ist, die dem hypothetischen Wettbewerbs­ preis ohne Ansatz eines Erheblichkeitszuschlags entspricht. 868

VIII. Tatbestände des Regulierungsrechts als Verbotsgesetze 1. Energiewirtschaftsrecht a) Ex-ante-Regulierung von Netzzugang und Netzentgelten gem. den §§  17 ff., 20 ff. EnWG Das Energiewirtschaftsrecht sieht in den §§  17 Abs.  1, 20 Abs.  1, 21 Abs.  1, 27 Abs.  1 und 28 Abs.  1 EnWG unmittelbar geltende Diskriminierungsverbote vor, wonach Betreiber von Energieversorgungsnetzen dazu verpflichtet sind, Wettbewerbern den Anschluss und die Benutzung der Netze zu denselben Bedingungen zu verschaffen, die für andere Nutzer bzw. verbundene oder assoziierte Unternehmen gelten. Diese Vorschriften enthalten gesetzliche Verbote im Sinne des §  134 BGB. 869 Hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Diskriminierungsverbote kann auf die zum allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Diskriminierungsverbot des §  19 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  1 GWB anerkannten Grundsätze abgestellt werden. Hiernach führt ein Verstoß, der sich in einem Vertrag manifestiert, zur Unwirksamkeit der entsprechenden Regelungen bzw. zur Anpassung an wettbewerbsanaloge Bedingungen durch ergänzende Vertragsauslegung. 870 Die Unwirksamkeitsregelung des §  134 BGB hat vor allem im Rahmen der Entgeltregulierung eine große Bedeutung. 871 Nach dem – durch Einführung der 864 

BGH v. 15.12.1955 – II ZR 204/54, BGHZ 19, 269, 273 LS. §  157 BGB Rn.  27 f. 866  BGH v. 5.6.2002 – XII ZR 220/99, BGHZ 151, 53 Rn.  25; BGH v. 17.4.2002 – VIII ZR 297/01, NJW 2002, 2310, 2311. 867  Säcker, ZWER 2008, 348, 352. Krit. MünchKommBGB/Busche, §  157 BGB Rn.  32: nur in Ausnahmefällen. 868  Ebenso zu §  138 BGB Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 BGB Rn.  152 ff. 869 BerlKommEnR/Säcker/Boesche, §  17 EnWG Rn.  31; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  110. 870 Immenga/Mestmäcker/Markert, §  20 GWB Rn.  2 29. 871  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  110; dies übersieht Kling, ZHR 177 (2013), 90 ff.; ders., Rechtskontrolle von Netzentgelten, S.  115 ff. 865 MünchKommBGB/Busche,

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Anreizregulierung nur noch selten anwendbaren872 – §  23a EnWG unterliegen kostenorientierte Entgelte für den Zugang zu Energieversorgungsnetzen einer Ex-ante-Einzelgenehmigung durch die BNetzA, die als Höchstpreisgenehmigung erteilt wird (§  23a Abs.  2 Satz 2 Hs.  1 EnWG).873 Unterhalb der genehmigten Höchstpreise sind die Netzbetreiber somit in ihrer Preisgestaltung grundsätzlich frei. 874 Folgerichtig hat eine Höchstpreisgenehmigung anders als etwa eine Festpreisgenehmigung keine privatrechtsgestaltende Wirkung; die Netznutzungsentgelte bedürfen vielmehr einer Vereinbarung zwischen Netzbetreiber und Nutzungspetent. 875 Da die Netzbetreiber grundsätzlich keine Entgelte fordern dürfen, die über den genehmigten Grenzen liegen,876 ist §  23a Abs.  1, 2 EnWG in Verbindung mit den einschlägigen Entgeltverordnungen ein gesetzliches Verbot im Sinne des §  134 BGB. Eine ungerechtfertigte Überschreitung der Höchstpreise bewirkt gem. der §§  134, 139 BGB die Nichtigkeit der Verträge in Höhe derjenigen Entgeltbestandteile, die nicht von der Genehmigung erfasst sind.877 Eine Höchstpreisgenehmigung bedeutet aber nicht, dass die Netzbetreiber unabhängig von den Gegebenheiten des Einzelfalls automatisch die maximal zulässigen Entgelte fordern dürfen. 878 Unabhängig von einer Pflicht zur Weitergabe niedrigerer Netznutzungsentgelte vorgelagerter Netzstufen an die Netznutzer879 kann die Vereinbarung der genehmigten Höchstpreise einen Marktmachtmissbrauch im Sinne des Art.  102 AEUV darstellen, da diese Vorschrift nicht durch §  111 Abs.  1 Satz 1 EnWG verdrängt wird.880 Die vorstehend geschilderten Grundsätze gelten auch bei Durchführung einer Anreizregulierung gem. §  21a EnWG; 881 denn bei dieser entscheidet der Netzbetreiber auf der Grundlage der praktizierten „revenue cap regulation“, also der Vorgabe individueller Erlösobergrenzen über den Zeitraum einer Regulierungsperiode (§  4 Abs.  1 ARegV), autonom über die geforderten Preise, 872  Siehe zu den nicht der Anreizregulierung unterfallenden Netzentgelten BerlKomm­ EnR/Schmitz (jetzt Steffens), §  23a EnWG Rn.  9 ff. 873 BerlKommEnR/Litpher/Richter, §   23a EnWG Rn.   25; Danner/Theobald/Missling, §  23a EnWG Rn.  70 ff. 874  Ludwigs, WuW 2008, 534, 536 f. 875 OLG Düsseldorf v. 2.11.2006 – VI-3 Kart 165/06 (V), WuW/E DE-R 2050, 2051 – Höchstentgelt. 876  Eine gesetzliche Ausnahme ist §  23a Abs.  2 Satz 2 Hs.  2 EnWG, vgl. BerlKommEnR/ Schmitz (jetzt Steffens), §  23a EnWG Rn.  21. 877  Kleinlein/von Hammerstein, N&R 2007, 7, 8; i. E. auch Danner/Theobald/Missling, §  23a EnWG Rn.  72. 878 Ebenso Kling, ZHR 177 (2013), 90, 100 ff. Eine solche Richtigkeitsgewähr folgt auch nicht aus §  111 Abs.  1, 2 EnWG sowie §  130 Abs.  3 GWB, da diese Reglungen „nur“ eine doppelte Tätigkeit durch BNetzA und BKartA ausschließen wollen; vgl. Weyer, RdE 2012, 354 ff. 879  Siehe dazu BGH v. 23.6.2009 – EnVR 76/07, BeckRS 2009, 21781 Rn.  4 4. 880  Ludwigs, WuW 2008, 534, 536 f.; Kling, ZHR 177 (2013), 90, 96 f. 881 Die Anreizregulierung erfolgt kostenbasiert; die Preise bzw. Erlöse werden jedoch schrittweise von den Kosten entkoppelt; vgl. BerlKommEnR/Franz/Angenendt, Vor §  21a EnWG Rn.  15 ff.

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solange hierdurch die zulässigen Erlöse nicht überschritten werden. 882 Sein Handlungsspielraum ist somit größer als bei einer kostenbasierten Einzelentgeltregulierung. 883 Auch im Rahmen der Anreizregulierung kommt aber das Missbrauchsverbot des Art.  102 AEUV zum Tragen. b) Ex-post-Missbrauchsverbot gem. §  30 EnWG Das in §  30 EnWG normierte Missbrauchsverbot für Betreiber von Energieversorgungsnetzen untersagt gem. Absatz 1 Satz 2 Nr.  1 alle Verhaltensweisen, die gegen die §§  17 bis 28a EnWG und die auf der Grundlage dieser Bestimmungen ergangenen Rechtsverordnungen verstoßen. 884 Die Regulierungsbehörde erlangt auf dieser Grundlage somit die Möglichkeit, ex post die Einhaltung der ex ante auferlegten Zugangs- und Entgeltpflichten zu überprüfen. §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  2 bis 6 EnWG enthält verschiedene Regelbeispiele, die sich an das wettbewerbsrechtliche Missbrauchsverbot des §  19 GWB anlehnen.885 Gleichsam im Gegenzug schließen die §§  111 Abs.  1 EnWG, 130 Abs.  3 GWB eine Anwendung der §§  19, 20, 29 GWB aus, um eine ineffektive parallele Tätigkeit der Kartellund Regulierungsbehörden zu vermeiden. 886 Für unsere Untersuchung ist insbesondere das in §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG normierte Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen bedeutsam. 887 Auch wenn diese Regelung auf den ersten Blick nur sektorspezifischen Besonderheiten Rechnung trägt, ist sie nach ihrer dogmatischen Grundstruktur auch für das Verständnis des Wettbewerbsrechts bedeutsam, da sie verdeutlicht, dass der Gesetzgeber bei der Prüfung eines Missbrauchs die im Regulierungsrecht entwickelten Grundsätze zur Bestimmung effizienter Kosten berücksichtigt sehen will.888 Dies sei näher erläutert: Die Regelungen in §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  2 bis 6 EnWG konkretisieren die allgemein anerkannten Missbrauchstatbestände mit Blick auf die Besonderheiten der sektorspezifischen Regulierung der Energieversorgungsnetze. So ist hier keine marktbeherrschende Stellung nachzuweisen, da Netzbetreiber als natürliche Monopolisten regelmäßig marktmächtig sind. 889 Der Tatbestand gegen Ausbeutungsmissbräuche in §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG lehnt sich eng an die Entgeltregulierung an, indem ex ante genehmigte Entgelte nicht nochmals einer 882 

Siehe auch Kling, ZHR 177 (2013), 90, 99 ff. Kling, ZHR 177 (2013), 90, 101. 884  Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, S.  273. 885 BerlKommEnR/Weyer, §  30 EnWG Rn.  7; Peters, Rechtsschutz Dritter, S.  121. 886  Ludwigs, WuW 2008, 534, 535. 887  Vgl. schon Teil 7 D. IV. 1. 888  Siehe zur Parallelproblematik im Rahmen des §  315 Abs.  3 BGB die Grundsatzentscheidung des BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 Rn.  22 ff. – Stromnetznutzungsentgelt V. 889  BT-Drucks. 15/3917, S.  63; BerlKommEnR/Weyer, §  30 EnWG Rn.  21. 883 

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Ex-post-Missbrauchskontrolle unterzogen werden. 890 Eine Entgeltgenehmigung entfaltet damit zwar keine Richtigkeitsvermutung für die auf ihrer Grundlage zustande gekommenen Verträge; 891 denn diese unterliegen weiterhin einer Ausbeutungskontrolle gem. Art.  102 Satz 2 lit. a AEUV. 892 Die genehmigten Preise/Erlöse gelten jedoch in einem Prozess solange als wirksam, wie keine konkreten Anhaltspunkte für ihre Unwirksamkeit vorgetragen werden.893 Aufgrund der engen materiellen Verknüpfungen des §  30 EnWG mit dem allgemeinen Missbrauchsverbot des §  19 GWB können die zu Letzterem entwickelten Aussagen auf §  30 EnWG übertragen werden, soweit keine sektorspezifischen Besonderheiten entgegenstehen. 894 Folglich können die von einer Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des §  30 Abs.  1 EnWG negativ Privatbetroffenen nicht nur Schadensersatzansprüche nach §  32 EnWG geltend machen,895 sondern eine Vereinbarung, die missbräuchliche Regelungen enthält, auch einer Inhaltskontrolle gem. §  134 BGB unterziehen. 896 Hinsichtlich der Rechtsfolgen der Verbotsgesetzverletzung ist freilich zu differenzieren: 897 Soweit gegen eine Regelung der Ex-ante-Entgeltregulierung verstoßen wird, folgt die Unwirksamkeit der Vereinbarung bereits aus den entsprechenden Vorschriften, ohne dass es eines Rückgriffs auf den ansonsten greifenden §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG bedarf. Insbesondere kann aus §  30 Abs.  1 Satz 2 Nr.  5 EnWG nicht abgeleitet werden, dass der Vertrag insgesamt unwirksam wäre, da dies regelmäßig den berechtigten Interessen der Vertragspartner widerspräche, die Leistung zu beziehen, nur eben zu wettbewerbsanalogen Bedingungen. 898 Sachgerecht ist vielmehr die Teilnichtigkeit der wettbewerbsbeschränkenden Klausel, verbun890  Vgl. BGH v. 3.3.2009 – EnVR 79/07, N&R 2009, 260, 262 Rn.  17; Britz/Hellermann/ Hermes/Robert, §  30 EnWG Rn.  38. 891  So aber OLG Düsseldorf v. 29.12.2011 – 37 O 38/10, WuW/E DE-R 3563, 3565 – Stromnetznutzungsentgelte. 892  EuGH v. 14.10.2010 – Rs. C-280/08, EuZW 2011, 200 – Deutsche Telekom. 893  Ähnlich BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 Rn.  36. – Stromnetznutzungsentgelt V, wonach der Netzbetreiber zwar die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Billigkeit der Netzentgelte im Sinne des §  315 Abs.  3 BGB trage, eine Entgeltgenehmigung die Zulässigkeit jedoch indiziere. 894  Das gilt jedenfalls für das Vorliegen eines Verbotsgesetzes; vgl. Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  110 f. 895  Die Anwendung des §  30 EnWG auf §  32 EnWG hatten wir bereits oben bejaht. 896  BT-Drucks. 15/3917, S.  63: „Absatz 1 Satz 2 Nr.  1 stellt klar, dass im Falle eines Verstoßes gegen die Bestimmungen der §§  17 bis 28 oder gegen auf deren Grundlage erlassene Rechtsverordnungen in jedem Fall ein Missbrauch der Marktstellung anzunehmen ist. Die Klarstellung knüpft an den auch im Kartellrecht anerkannten Grundsatz an, dass rechtswidriges Handeln in jedem Fall nicht gerechtfertigt sein kann. Die Regelung hat nur klarstellenden Charakter, da die Vorschriften, wie sich auch aus §  32 Abs.  1 ergibt, Schutzgesetze sind, die ihrerseits auch unmittelbar gesetzliche Gebote und Verbote enthalten.“ Ebenso Säcker, ZNER 2004, 98, 109; Weyer, N&R 2007, 14. 897  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  111. 898  Zu weitgehend deshalb Salje, §  30 EnWG Rn.  13.

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den mit einer ergänzenden Vertragsauslegung anhand des Als-ob-Wettbewerbsmaßstabs. 899 2. Telekommunikationsrecht a) Ex-ante-Entgeltregulierung gem. den §§  31 ff. TKG Auch bei den Vorschriften über die Telekommunikationsentgelt-Einzelgenehmigung (§§  31 Abs.  1 Satz 1 Nr.  1, 32 TKG) und die Entgeltgenehmigung im Rahmen der auf Vorleistungsebene bislang nicht relevanten Anreizregulierung (§§  31 Abs.  1 Satz 1 Nr.  2, 33 TKG) 900 handelt es sich um gesetzliche Verbote im Sinne des §  134 BGB.901 Dies verdeutlicht der für alle Entgeltgenehmigungen geltende §  37 TKG.902 Nach §  37 Abs.  1 TKG darf ein Betreiber eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes, der über beträchtliche Marktmacht verfügt, keine anderen als die von der BNetzA genehmigten Entgelte verlangen. Hierin liegt nach allgemeiner Ansicht ein gesetzliches Verbot im Sinne des §  134 BGB.903 Hinsichtlich der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen das gesetzliche Verbot enthält §  37 Abs.  2 und Abs.  3 TKG sektorspezifische Sonderregelungen, weshalb insoweit im Sinne des §  134 BGB „etwas anders bestimmt“ ist. Nach §  37 Abs.  2 TKG werden Verträge über Dienstleistungen, die andere als die genehmigten Entgelte enthalten, mit der Maßgabe wirksam, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts tritt.904 Die Regelung schließt somit – in Umkehrung des §  139 BGB – eine Gesamtnichtigkeit aus.905 Aus §  37 Abs.  2 TKG folgt vielmehr die Unwirksamkeit einer die genehmigte Höhe überschreitenden Preisfestlegung sowie die Geltung des genehmigten Preises.906 Hieran anknüpfend stellt §  37 Abs.  3 TKG klar, dass das marktmächtige Unternehmen

899 BerlKommEnR/Weyer, §  30 EnWG Rn.  148, 152. Nicht überzeugend ist freilich Weyers Einschränkung, eine Anwendung des §  134 BGB scheide in „schwierigen Grenzfällen“ aus (a. a. O., Rn.  153). Liegt ein Verstoß gegen das gesetzliche Verbot vor, ist dieser zu ahnden, ist er nicht nachzuweisen, muss eine Anwendung des §  134 BGB unterbleiben. Wie vorliegend Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  111 mit Fn.  481. 900  Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  3 Rn.  333. 901  Siehe BGH v. 29.6.2010 – KZR 9/08, WRP 2010, 1205 ff. – Teilnehmerdaten IV; BGH v. 29.6.2010 – KZR 50/07, GRUR-RR 2010, 455 f. 902 Geppert/Schütz/Cornils, §  37 TKG Rn.  2. 903 Säcker/Becherer/Mielke, §  37 TKG Rn.  9. 904  Zur Diskussion, ob durch die Verwendung der Vokabel „werden“ nur eine Ex-nunc-Anpassung angeordnet wird, Säcker/Becherer/Mielke, §  37 TKG Rn.  17 ff. M. E. ist für ein Abweichen vom allgemeinen Grundsatz der Ex-tunc-Anpassung kein Grund ersichtlich; dieser kann ohne weitere Anhaltspunkte insbesondere nicht in der Änderung der Vokabel „sind“ (§  29 Abs.  2 Satz 1 TKG 1996) in ein „werden“ gesehen werden. 905  Ebenso zu §  37 Abs.  3 TKG Geppert/Schütz/Cornils, §  37 TKG Rn.  19. 906  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  112.

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verpflichtet ist, trotz der gesetzlich korrigierten Entgelthöhe seine Hauptleistungspflichten zu erfüllen. Nach dem Wortlaut von §  37 Abs.  1 TKG bezieht sich das Verbot auf das Fordern anderer als genehmigter Entgelte. Im verwaltungsrechtlichen Schrifttum wird daraus geschlossen, dass ein Unternehmen, das noch gar keine Entgeltgenehmigung habe, zwar zur Leistung verpflichtet sei, jedoch in diesem speziellen Fall aufgrund der „präventiven Funktion der Norm“907 überhaupt keine Entgelte fordern dürfe, da eine Ersetzung nach §  37 Abs.  2 TKG nicht in Betracht komme.908 Aus zivilistischer Sicht erscheint eine solche Deutung fragwürdig. Die wettbewerbsfördernde Regulierung der Netzmärkte will nicht erreichen, dass regulierte Unternehmen überhaupt keine Entgelte erzielen dürfen, sondern will deren Geschäftstätigkeit an den Bedingungen ausrichten, die bei wirksamem Wettbewerb bestünden (Als-ob-Wettbewerb). Bei wirksamem Wettbewerb kann ein Unternehmen aber nur solche Preise verlangen, die den Kosten effizienter Leistungsbereitstellung einschließlich einer angemessenen, risikoadäquaten Eigen- und Fremdkapitalverzinsung entsprechen.909 Ein vollständiger Ausschluss des Anspruchs auf eine wettbewerbsanaloge (und damit rechtlich nicht missbilligte) Gegenleistung aus generalpräventiven Gründen entspräche nicht dem Normzweck der §  37 Abs.  2 und 3 TKG.910 Die dort enthaltenen Regelungen stellen im Interesse der Kunden klar, dass eine Entgeltüberhöhung bzw. eine Vertragsdurchführung ohne Entgeltgenehmigung nicht zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führt. Die Unternehmen sind vielmehr zur Leistung verpflichtet und erhalten dafür ein wettbewerbsanaloges Entgelt, das bei Einhaltung der Antragsvoraussetzungen von der Regulierungsbehörde zu genehmigen ist (§  35 Abs.  3 Satz 1 TKG).911 Dieses Ergebnis bedeutet nicht, dass eine Entgeltforderung ohne Genehmigung nicht dem Verbot des §  134 BGB unterfiele; 912 sie führt jedoch nicht zu einer Gesamtnichtigkeit des Vertrages, sondern zu dessen Anpassung an wettbewerbsanaloge Bedingungen. Bei den Ex-ante-Entgeltgenehmigungen der §§  31 ff. TKG handelt es sich ebenso wie bei denjenigen gem. den §§  23a, 21 Abs.  2 und 21a EnWG um Höchstpreisgenehmigungen. Aus diesem Grunde kann auch bei Einhaltung der jewei907 Geppert/Schütz/Cornils, §  37 TKG Rn.  9 : verwaltungsrechtliches präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. 908  So kann man die Ausführungen von Säcker/Becherer/Mielke, §  37 TKG Rn.  23 deuten. Selbst bei einer halbseitigen Teilnichtigkeit würde dem marktmächtigen Unternehmen jedenfalls ein Bereicherungsanspruch nach §  812 Abs.  1 Satz 1 Alt. 1 BGB zustehen. 909 Vgl. Säcker, ZNER 2007, 114, 115; Becker, ZNER 2008, 289 ff.; Kühne, RdE 2005, 241, 246 ff. 910 Zumal es sich – vergleichbar mit §   134 BGB – nur um eine Rechtsfolgebestimmung handelt, die im Hinblick auf das Telos der eigentlichen Verbotsnorm dienenden Charakter hat. 911  Dazu Säcker/Groebel, §  35 TKG Rn.  43 ff. 912  Dies meint wohl Geppert/Schütz/Cornils, §  37 TKG Rn.  12.

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ligen Höchstgrenze durch das marktmächtige Unternehmen (§§  10, 11 TKG) ein Missbrauch im Sinne des Art.  102 AEUV gegeben sein, sofern das Unternehmen über einen autonomen Handlungsspielraum verfügt. Wir haben dies bereits erörtert.913 b) Ex-post-Missbrauchsverbote gem. den §§  28, 42 TKG aa) Anwendungsbereich Das TKG enthält mit den §§  28 und 42 zwei durch die BNetzA durchzusetzende Missbrauchsverbote. Diese differenzieren nicht nach Ausbeutungs- oder Behinderungsmissbräuchen, sondern nach dem Gegenstand, auf den sich die Missbrauchsaufsicht bezieht: 914 §  42 TKG enthält eine allgemeine, unionsrechtlich nicht determinierte Generalklausel als Auffangnorm für Sachverhalte, die weder durch die Ex-ante-Regulierung noch durch spezielle Ex-post-Kontrolltatbestände erfasst werden.915 §  28 TKG bezieht sich auf Anbieter von Telekommunikationsdiensten und Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze mit beträchtlicher Marktmacht und verbietet das Fordern oder Vereinbaren von antikompetitiven Entgelten. Eine Abgrenzung der Anwendungsbereiche von §  28 TKG und §  42 TKG ist zum einen geboten, weil die für §  28 TKG geltende Verfahrensvorschrift des §  38 TKG anders als §  42 Abs.  4 Satz 1 TKG kein Antragsrecht Drittbetroffener vorsieht.916 Zum anderen wurde der Anwendungsbereich des §  28 TKG durch die Rechtsprechung des BVerwG stark eingeschränkt. Zwar legen Formulierung und systematische Stellung des §  28 TKG nahe, dass es sich um eine spezifische Ausprägung der allgemeinen Missbrauchsaufsicht im Sinne des §  19 GWB über Entgelte handelt.917 Nach diesem Verständnis beinhaltete §  28 TKG – ebenso wie §  30 EnWG – lediglich eine Verlagerung der Zuständigkeit auf die Regulierungsbehörden.918 Das BVerwG ist demgegenüber der Ansicht, §  28 TKG erlaube der BNetzA aus unionsrechtlichen Gründen nicht nur eine Entscheidung über das „Wie“, sondern auch über das „Ob“ einer Entgeltkontrolle.919 Aus diesem Grunde erfordere auch eine Ex-post-Entgeltkontrolle eine vorherige Auferlegung derselben durch eine Regulierungsverfügung gem. §  13 Abs.  1 TKG. Folgt man dieser Interpretation, hat dies zugleich Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen §  42 TKG und §  28 TKG, da §  42 TKG dann nicht 913 

Siehe Teil 9 VIII. 1. b). §  28 TKG Rn.  2. 915 Spindler/Schuster/Neitzel, §  42 TKG Rn.  1. 916 Spindler/Schuster/Neitzel, Vor §§  42, 43 TKG Rn.  12. 917  In diese Richtung auch der Entwurf eines TKG v. 9.1.2004, BT-Drucks. 15/2316, S.  67. 918  Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  3 Rn.  278. 919  BVerwG v. 2.4.2008 – 6 C 15.07, BVerwGE 131, 41 Rn.  63 – Markt Nr.  16 (2003); für Endkundenentgelte siehe BVerwG v. 29.10.2008 – 6 C 38.07, NVwZ 2009, 653 Rn.  56, 58 f. – Märkte 1 bis 6 (2003). 914 Säcker/Groebel,

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durch §  28 TKG verdrängt wird. So hat der deutsche Gesetzgeber §  42 TKG als unionsrechtlich nicht determinierten Auffangtatbestand geschaffen, um ein effektives Eingreifen der Regulierungsbehörde zu gewährleisten. Da ein solches bei einer restriktiven Interpretation des §  28 TKG nicht gewährleistet ist, muss §  42 TKG idealkonkurrierend mit §  28 TKG zur Anwendung kommen.920 Die BNetzA kann folglich gegen einen Preismissbrauch auch außerhalb eines Entgeltregulierungsverfahrens über §  42 Abs.  4 TKG vorgehen.921 bb) Allgemeines Missbrauchsverbot des §  42 TKG §  42 TKG enthält im Verhältnis zu den allgemeinen Missbrauchsverboten der §§  19, 29 GWB eine bereichsspezifische abschließende Sonderregelung im Sinne des §  2 Abs.  4 TKG, um die alleinige Zuständigkeit der BNetzA sicherzustellen.922 Die Vorschrift ist als umfassende Generalklausel konzipiert und deshalb nach überzeugender Ansicht weder auf marktmächtige Unternehmen noch auf förmliche Regulierungsverfahren beschränkt.923 Nach §  42 Abs.  4 TKG kann jedes missbräuchliche Verhalten unmittelbar untersagt werden, ohne dass das Unternehmen zuvor aufgefordert werden muss, den beanstandeten Missbrauch abzustellen.924 §  42 TKG ist nach seiner normativen Ausgestaltung ein Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB, da die Norm den Unternehmen im Interesse der von einem Missbrauch negativ Betroffenen ein bestimmtes Verhalten vorschreibt bzw. untersagt.925 Den individualschützenden Charakter des §  42 TKG stellt §  44 TKG mit Blick auf deliktische Ansprüche Drittbetroffener ausdrücklich klar. Die Vorschrift untersagt lediglich die missbräuchlichen Bestandteile einer Vereinbarung.926 Den berechtigten Interessen der Folgevertragspartner an einer Vertragslösung kann bei vorsätzlichen Verstößen durch ein kumulativ anwendbares Anfechtungsrecht entsprochen werden.927

920 Ebenso i.  E. Spindler/Schuster/Neitzel, Vor §§  42, 43 TKG Rn.  13; a. A. Geppert/ Schütz/Schütz/Neumann, §  28 TKG Rn.  12; Säcker/Groebel, §  28 TKG Rn.  2 ; Säcker/Gersdorf, §  42 TKG Rn.  9. 921 Spindler/Schuster/Neitzel, Vor §§  42, 43 TKG Rn.  13. 922  Entwurf eines TKG v. 9.1.2004, BT-Drucks. 15/2316, S.  71; Säcker/Gersdorf, §  42 TKG Rn.  2. 923  BT-Drucks. 15/2316, S.  71. 924  BT-Drucks. 15/2316, S.  71. 925  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  112; Geppert/Schütz/Schütz, §  42 TKG Rn.  172. 926  Insbesondere ist kein überwiegendes Interesse an der „Aufrechterhaltung des Wettbewerbs“ ersichtlich; so aber Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  165, freilich ohne nähere Begründung, worin dieses Interesse genau gründet. Wie vorliegend Geppert/Schütz/Schütz, §  42 TKG Rn.  172. 927  Siehe oben Teil 9 D. VII. 3.

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cc) Besonderes Missbrauchsverbot des §  28 TKG Ebenfalls als gesetzliches Verbot im Sinne des §  134 BGB ausgestaltet ist §  28 TKG als zentrale Vorschrift der Ex-post-Regulierung von Vorleistungsentgelten. Die Norm enthält ebenso wie §  42 TKG eine bereichsspezifische Sonderregelung im Sinne des §  2 Abs.  4 TKG.928 Nach §  28 Abs.  1 Satz 2 Nr.  1 TKG ist es dem marktmächtigen Unternehmen verboten, Entgelte zu fordern, die über dem Niveau bei wirksamem Wettbewerb liegen.929 Es handelt sich somit um ein spezifisches Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen im Sinne des §  19 Abs.  2 Nr.  2 GWB, das sich am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs orientiert.930 Die Regelung dient der Beschränkung der Preissetzungsspielräume von Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht, um deren missbräuchliche Ausnutzung zu Lasten der Wettbewerber oder der Marktgegenseite zu verhindern.931 Der Maßstab des Als-ob-Wettbewerb hat im Wettbewerbs- und im Regulierungsrecht einen übereinstimmenden Inhalt.932 Für §  28 TKG wird dies jedoch bestritten. So ist das BVerwG der Ansicht, aus der Anlehnung der Norm an das wettbewerbsrechtliche Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen folge, dass der Kontrollmaßstab weniger streng sei als derjenige der Ex-ante-Kontrolle.933 Während bei der Ex-ante-Kontrolle die Kosten der langfristig effizienten Leistungsbereitstellung zuzüglich einer angemessenen Kapitalverzinsung im Sinne der §§  31 Abs.  1 Nr.  1, 32 Abs.  1 TKG ausschlaggebend seien, müsse bei §  28 TKG zusätzlich ein Erheblichkeitszuschlag in Ansatz gebracht werden, da Entgelte auf wettbewerblichen Märkten um den grenzkostenoptimalen Preis schwankten.934 Dies ist nicht überzeugend. Der wettbewerbsrechtliche Maßstab des Als-obWett­bewerbs ist deckungsgleich mit dem Maßstab der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung gem. §  32 Abs.  1 TKG.935 Die sektoralen Ex-ante-Regulierungen beinhalten im Interesse einer effektiven Kontrolle lediglich spezielle Ausgestaltungen der allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle. Inhaltlich geht es jedoch immer um die Sicherung eines wettbewerbsanalogen Verhaltens. Ein marktbeherrschendes Unternehmen soll nur solche Preise und Konditionen fordern können, wie sie sich bei wirksamem Wettbewerb am 928 Geppert/Schütz/Schütz/Neumann,

§  28 TKG Rn.  14. Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  3 Rn.  279. 930  Siehe zur Vorgängernorm des §  26 TKG a. F. BT-Drucks. 15/2316, S.  67; Schmidt/Vollmöller/Bulla, §  11 Rn.  81. 931 Säcker/Groebel, §  28 TKG Rn.  1; Spindler/Schuster/Müller, §  28 TKG Rn.  2 2. 932  Siehe Teil 7 D. III. 2. 933  BVerwG v. 2.4.2008 – 6 C 15.07, BVerwGE 131, 41, 71 Rn.  68 f. – Markt Nr.  16 (2003). Zust. Schmidt/Vollmöller/Bulla, §  11 Rn.  81; Säcker/Groebel, §  27 Rn.  2 ff. 934 Dazu Neumann/Koch, Telekommunikationsrecht, Kap.  3 Rn.  236 ff. 935  Die Ausrichtung der Missbrauchskontrolle an den KeL in §  28 TKG orientiert sich inhaltlich am wettbewerbsrechtlichen Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen. Siehe (zur Vorgängernorm §  26 TKG a. F.) BT-Drucks. 15/2316, S.  67. 929 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

Markt ergeben würden. Bei wirksamem Wettbewerb kann ein Unternehmen aber keine beliebig hohen Kosten auf seine Kunden überwälzen (Ist-Kosten), sondern nur solche, die auch ein effizienter Wettbewerber auf dem entsprechenden Markt haben würde (Soll-Kosten); denn andernfalls würden die Kunden seine Preise nicht akzeptieren und zu Konkurrenten abwandern. Auch die Rendite („Eigenkapitalverzinsung“) kann im mehrjährigen Durchschnitt bei wirksamem Wettbewerb die branchenübliche Rendite nicht übersteigen. Die Maßstäbe einer regulierungs- oder wettbewerbsrechtlichen Ex-Post-Kontrolle der Entgelte können somit aus Gründen ökonomischer Logik und dogmatischer Konsistenz nicht unterschiedlich sein, im Sinne einer Abstufung der Kon­ trollintensität.936 Es ist deshalb nicht gerechtfertigt, bei der Ausbeutungskon­ trolle einen materiellen Erheblichkeitszuschlag anzusetzen. Dieser dient vielmehr nur als Aufgreifschwelle für die Kontrollbehörden.937 Auf für die Rechtsfolgen der Ex-post-Entgeltmissbrauchskontrolle enthält §  38 TKG eine Sondervorschrift.938 Das TKG normiert somit wiederum „ein anderes“ im Sinne des §  134 BGB.939 Die Sonderregelung der Rechtsfolgen eines Verbotsgesetzverstoßes hat keine Relevanz für die Frage, ob die Normen der Ex-post-Entgeltkontrolle überhaupt Verbotsgesetze sind.940 Somit bleibt §  134 BGB weiterhin anwendbar, wenn die BNetzA trotz missbräuchlicher Entgeltgestaltung kein Missbrauchsverfahren einleitet; 941 denn auch im TK-Regulierungsrecht dient das „public enforcement“ der Effektuierung, nicht jedoch der Einschränkung privater Rechtsbehelfe. Auch bei Anwendung des §  134 BGB sind aber die Rechtsfolgen differenziert nach der durch das TKG vorstrukturierten Interessenlage zu bestimmen. 3. Eisenbahnregulierungsrecht Das entgeltbezogene Diskriminierungsverbot des §  14 Abs.  5 AEG lehnt sich an das sektorspezifische Missbrauchsverbot des §  29 Satz 1 GWB an.942 Ebenso wie §  29 GWB ist §  14 Abs.  5 AEG deshalb nicht nur ein deliktisches Schutzgesetz, sondern auch ein Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB.943 Dasselbe gilt trotz des abweichenden Wortlauts für §  14 Abs.  4 AEG. 936 

Ebenso Ronellenfitsch u. a./Säcker, S.  159, 170. Siehe Teil 5 C. III. 5. 938  Siehe auch §  37 TKG für die Ex-ante-Entgeltkontrolle. 939  Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  112. 940 So aber – im Ergebnis verneinend – Geppert/Schütz/Schütz/Neumann, §   28 TKG Rn.  153. 941  Anders wiederum Geppert/Schütz/Schütz/Neumann, §  28 TKG Rn.  154. 942  Siehe Teil 9. C. III. 3. 943  A. A. LG Berlin v. 14.5.2009 – 93 O 47/08, IR 2009, 162 f. (Kurzwiedergabe) = Juris Rn.  40; Schmitt/Staebe/Förster/Kardetzky, Eisenbahn-Regulierungsrecht, S.  284; offen gelassen von KG v. 29.10.2012 – 2 U 10/09 Kart, IR 2013, 19 ff. (Kurzwiedergabe) = Juris Rn.  37. 937 

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IX. Zwischenergebnis Die Nichtigkeit von Folgeverträgen bestimmt sich nach §  134 BGB, soweit für unionsrechtlich überformte Sachverhalte keine vorrangige Regelung greift. Die herrschende Ansicht unterscheidet hinsichtlich des Verhältnisses von „Wettbewerbsverstoß und Vertrag“ zwischen den Tatbeständen gegen den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen und den Kartelltatbeständen. Eine Zuwiderhandlung gegen die wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Missbrauchstatbestände soll zu Gunsten der negativ Betroffenen nicht nur deliktsrechtliche Ansprüche nach den §§  33 GWB, 32 EnWG, 44 TKG und 823 Abs.  2 BGB begründen, sondern auch eine Vertragsinhaltskontrolle gem. §  134 BGB auslösen.944 Demgegenüber werden die von einem Kartell negativ betroffenen Dritten auf deliktische Rechtsbehelfe verwiesen, u. a. mit der im Hinblick auf das Ziel einer Sicherung der wirtschaftlichen Selbstbestimmung geradezu „dialektisch“ anmutenden Begründung, die Beschränkung privater Rechtsbehelfe sei in ihrem eigenen Interesse, da Folgeverträge ansonsten insgesamt nichtig seien.945 Eine solche Sichtweise gründet auf einer unzutreffenden Gleichsetzung zwischen unmittelbaren Folgeverträgen zwischen Kartellanten und Direktabnehmern und mittelbaren Folgeverträgen zwischen Direktabnehmern und Dritten.946 Während bei Letzteren überindividuell-institutionelle Aspekte wie die Rechtssicherheit eine Rolle spielen können, sind bei Ersteren die Interessen der direkten Folgevertragspartner vorrangig. Darüber hinaus vermischt ein Argumentieren mit der Gesamtnichtigkeit die Frage, ob ein Verbotsgesetz im Sinne des §  134 BGB vorliegt, mit der davon zu unterscheidenden Folgefrage, welche Rechtsfolge greifen soll.947 Beide Fragen sind durch Auslegung zu beantworten, hängen jedoch nicht notwendig zusammen. So kann ein Verbotsgesetz nicht nur die Gesamtnichtigkeit eines Vertrages fordern,948 sondern auch eine Anpassung des Vertragsinhalts an wettbewerbsanaloge Bedingungen,949 wie dies für Verstöße gegen Preisvorschriften anerkannt ist.950 Eine Teilnichtig944 

Vgl. Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  415 ff. Jüngst nochmals nachdrücklich K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 575 f. m. w. N. in Fn.  3. 946 So K. Schmidt, in: FS Möschel, 2011, S.  559, 572; wie vorliegend Eilmansberger, JBl. 2009, 337, 342. 947  Diese ist ebenfalls durch Auslegung zu ermitteln; vgl. BGH v. 23.10.1980 – IVa ZR 28/80, BGHZ 78, 263, 265; MünchKommBGB/Armbrüster, §  134 BGB Rn.  41; Eilmansberger, JBl. 2009, 337, 340. A. A. Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S.  150. 948  Auch eine Gesamtwirksamkeit erscheint möglich; dafür am Beispiel von Kampfpreisen Immenga/Mestmäcker/Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  419. 949  Das ist zu Art.  102 AEUV heute weitgehend unstreitig; vgl. Immenga/Mestmäcker/ Fuchs/Möschel, Art.  102 AEUV Rn.  417; siehe auch EuGH v. 11.4.1989 – Rs. 66/86, NJW 1989, 1982 Rn.  45 – Ahmed Saeed Flugreisen. 950  BGH v. 20.11.1953 – V ZR 124/52, BGHZ 11, 90, 95; siehe auch Beater, AcP 197 (1997), 505, 510 f. 945 

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

keitslösung kommt den Interessen der vom einem Kartell betroffenen Folgevertragspartner gerade bei Dauerschuldverhältnissen regelmäßig mehr entgegen als die Gesamtnichtigkeit. Bei normzweckbezogener Interpretation unterfallen Folgeverträge sowohl den Tatbeständen des europäischen als auch des deutschen Rechts gegen Wettbewerbsbeschränkungen als auch den Vorschriften des Regulierungsrechts zur Ex-ante- und Ex-post-Netzentgeltkontrolle. Es handelt sich um gesetzliche Verbote im Sinne des §  134 BGB, die in Umkehrung der Auslegungsregel des §  139 BGB zur Teilnichtigkeit der wettbewerbsbeschränkenden Vertragsklauseln führen. An die Stelle einer unwirksamen Preisregelung tritt im Wege ergänzender Vertragsauslegung gem. §  157 BGB eine angemessene Regelung, die die Vertragspartner zur Sicherung eines material-chancengleichen Interessenausgleichs als innerem Geltungsgrund von Verträgen in Kenntnis der Unwirk­ samkeit getroffen hätten. Als Maßstab fungiert bei preisbezogenen Wettbewerbsverstößen der hypothetische Wettbewerbspreis, der anhand der normativen Vorgaben der sektorspezifischen Preisregulierung näher zu konkretisieren ist. Aus diesem Grund ist es nicht zulässig, den „angemessenen“ Preis durch einen Erheblichkeitszuschlag auf den „gerade noch zulässigen“ Preis anzuheben, da das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht eine solche Differenzierung nicht kennen. Es gilt vielmehr ein Wertungsgleichklang zwischen den Kontrollmaßstäben des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts sowie des allgemeinen Vertragsrechts. Letzteres werden wir uns im Folgenden anhand der §§  138, 315 BGB verdeutlichen. Zuvor wollen wir uns noch vor Augen führen, welche Auswirkungen eine vertragliche Teilnichtigkeit von Folgeverträgen auf das System des „private enforcement“ hat.

E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe I. Kumulation vertraglicher und deliktischer Ansprüche Der BGH geht seit der ORWI-Entscheidung von einer deliktischen Anspruchsberechtigung mittelbar von einer Wettbewerbsbeschränkung Betroffener aus. Die Erfolgsaussichten entsprechender Klagen werden in der Rechtspraxis dadurch relativiert, dass die Zweitabnehmer Schwierigkeiten haben werden, einen eigenen Schaden nachzuweisen (Problem des „passing-on“).951 Selbst wenn ihnen dies gelingen sollte, bestehen erhebliche Probleme beim Nachweis der Schadenshöhe. Aus diesem Grunde denkt die Kommission derzeit de lege ferenda über Nachweiserleichterungen bis hin zu einer gesetzlichen Schadensvermutung nach.952 Schließlich haben Personen auf entfernteren Marktstufen häufig 951 

952 

Monopolkommission, Sondergutachten 41, Rn.  69. Siehe Teil 9 B. 4. d).

E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe

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ein „rationales Desinteresse“ an der klageweisen Durchsetzung ihrer Ansprüche, sofern sie etwa von der wettbewerbsbeschränkenden Erhöhung des Preises eines Gegenstands des täglichen Gebrauchs finanziell nur gering betroffen sind (aktuelles Beispiel: Kaffee953). Aus vorbenannten Gründen ist de lege lata davon auszugehen, dass mittelbar Betroffene nur selten erfolgreich gegen einen Wettbewerbsbeschränker vorgehen werden. Dies ist in einem der chancengleichen Selbstbestimmung verpflichteten Privatrecht jedoch keine Rechtfertigung für eine Beschneidung ihrer deliktischen Ansprüche bis hin zu einem völligen Anspruchsausschluss aus institutionellen Gründen. Vielmehr ist nach systemkonformen Lösungen zu suchen, etwa durch Schaffung von Opt-in-Kollektivklagebefugnissen.954 Anders als mittelbare Abnehmer können die unmittelbaren Folgevertragspartner ihre finanziellen Einbußen beim Wettbewerbsverletzer nicht nur mittels deliktischer, sondern auch mittels vertraglicher Ansprüche liquidieren, indem sie die Teilnichtigkeit der wettbewerbsbeschränkenden Bestandteile des Folgevertrages „einwenden“ und überzahlte Beträge nach Bereicherungsrecht zurückverlangen. Die Teilnichtigkeit setzt lediglich die Erfüllung des Tatbestands der materiellen Verbotsnorm voraus. Zusätzlich haben die unmittelbar von der Wettbewerbsbeschränkung Betroffenen einen deliktischen Schadensersatzanspruch, mit dem sie sonstige, über die antikompetitive Preiserhöhung hinausgehende Schäden geltend machen können, wie etwa einen entgangenen Gewinn aufgrund des Rückgangs der Nachfrage. Nach dem Vorstehenden kann es hinsichtlich des kartellbedingt überhöhten Preises theoretisch zu einer doppelten Inanspruchnahme des Kartellanten kommen: 955 Die unmittelbaren Abnehmer können den antikompetitiv überhöhten Preis nach den §§  812 Abs.  1 Satz 1 Alt. 1, 134 BGB956 i. V. mit den materiellen Verbotsnormen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts zurückverlangen, ohne dass ihnen ein „passing-on“ oder ein fehlendes Verschulden entgegen gehalten werden könnte. Zusätzlich können die mittelbaren Abnehmer einen deliktischen Anspruch über §  33 GWB geltend machen. Dieser Zwischenbefund begründet die Notwendigkeit einer Abstimmung mit der vom BGH in „ORWI“ 953  Vgl. den Sachverhalt von OLG Düsseldorf v. 22.8.2012 – V-4 Kart 5 + 6/11 (OWi), BB 2012, 2459 ff. – Kaffeeröster. 954  Säcker, in: FS Reuter, 2010, S.  325 ff.; ders., Verbandsklage, 2006. Allein die Bündelung von Ansprüchen der Verbraucher führt im AGB-Recht nicht zu „schwerwiegenden Störungen des Wirtschaftslebens“, vgl. Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1864 f. 955  Eine solch (theoretisch) doppelte Inanspruchnahmen kann auch dann eintreten, wenn man – wie der Verfasser – für eine deliktische Anspruchsberechtigung mittelbar Betroffener bei kategorischem Ausschluss der „passing-on defense“ auf allen Marktstufen eintritt; siehe Mohr, Jura 2010, 645, 651 f. 956  Beim Kartellverbot greift für zwischenstaatliche Sachverhalte Art.  101 Abs.  2 AEUV, da Art.  101 AEUV auch wettbewerbsbeschränkende Folgeverträge erfasst. Aus diesem Grunde ist ein Rückgriff auf §  134 BGB entbehrlich. Dies haben wir oben bereits gesehen; Teil 9 D. V.

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Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

vorgegebenen Linie, die ersichtlich von dem Bestreben geleitet ist, eine doppelte Inanspruchnahme der Wettbewerbsverletzer auszuschließen.957

II. Innenausgleich zwischen den Anspruchsberechtigten verschiedener Marktstufen Unmittelbare Folgevertragspartner haben einen vertraglichen Anspruch auf Anpassung antikompetitiver Preise an wettbewerbsanaloge Bedingungen, ohne dass ihnen insoweit ein „passing-on“ oder ein fehlendes Verschulden entgegen gehalten werden kann. Diese qualifizierten Anspruchsvoraussetzungen gelten nur für sonstige Schadenspositionen wie entgangenen Gewinn, da ein solcher allein über die deliktischen Rechtsbehelfe der §§  33 Abs.  1 GWB, 32 EnWG, 28, 42 TKG, 823 Abs.  2 BGB ersetzt wird. Die unterschiedlichen materiellen Erfordernisse dieser Ansprüche lassen sich damit erklären, dass der überhöhte Preis seine Grundlage in dem Vertrag zwischen Wettbewerbsverletzer und Folgevertragspartner hat, also in einer Sonderbeziehung mit besonderen Rechten und Pflichten, wohingegen ein entgangener Gewinn auf der autonomen Entscheidung anderer Marktteilnehmer beruht, die vom unmittelbaren Folgevertragspartner vertriebenen Güter aufgrund ihres erhöhten Preises nicht zu erwerben. Somit kann es hinsichtlich des überhöhten Preises grundsätzlich – auch wenn dies de lege lata wenig praktisch werden wird – zu einer Anspruchsdoppelung kommen. Sofern man diese nicht im Sinne einer effektiven Durchsetzung des Kartellrechts hinnehmen will, kann eine Begrenzung der Inanspruchnahme der Kartelltäter nicht im Außenverhältnis durch eine Versagung der Anspruchsberechtigung für Personen auf entfernteren Marktstufen erfolgen.958 Geboten ist vielmehr ein Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den Betroffenen der verschiedenen Marktstufen.959 Sofern ein Schädiger seinem unmittelbaren Vertragspartner den Schaden ersetzt hat, und später auch noch ein mittelbar geschädigter Folgeabnehmer Schadensersatz wegen desselben Postens verlangt, kann sich der Schädiger auf die Regelungen zur Gesamtgläubigerschaft analog der §§  429 Abs.  3 Satz 1, 422 BGB berufen.960 Die Erfüllung gegenüber dem unmittelbaren Folgevertragspartner wirkt hiernach also auch gegenüber dem 957  BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  73 – ORWI: „ Solange nicht feststeht, in welchem Umfang die kartellbedingten Preiserhöhungen auf nachfolgende Marktstufen weitergegeben worden sind, kann sich der Schädiger durch eine Streitverkündung vor doppelter Inanspruchnahme schützen.“ 958  Siehe Teil 9 B. IV. 5. 959  Ebenso mit Blick auf §  33 Abs.  3 GWB MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  904; siehe auch Mohr, Jura 2010, 645, 651 f. Dezidiert gegen „Innenausgleichs- und Anrechnungslösungen“ Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  334 ff. 960  §  429 BGB betrifft die „Wirkung von Veränderungen“ im Rahmen der Gesamtgläubigerschaft. Absatz 3 Satz 1 lautet: „Im Übrigen finden die Vorschriften der §§  422, 423, 425 entsprechende Anwendung.“

E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe

807

mittelbar Betroffenen. Im Innenverhältnis schuldet der Erstabnehmer sodann dem Zweitabnehmer abweichend von der Verteilungsregel des §  430 BGB vollen Ausgleich, soweit er den Schaden auf diesen abgewälzt hat,961 da insoweit nach dem Telos der Wettbewerbsregeln, auf allen Marktstufen eine Situation wie bei wirksamem Wettbewerb herzustellen, „ein anderes bestimmt“ ist.962 Eine solche Lösung ist interessengerecht: 963 Der Wettbewerbsverletzer kann sich gegenüber seinem (Folge-)Vertragspartner nicht auf ein „passing-on“ oder ein fehlendes Verschulden berufen, weil der Vertrag nach Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. nach §  134 BGB nur zu wettbewerbsanalogen Bedingungen gilt. Es gibt keinen sachlichen Grund, eine solche Vertragsanpassung – die bei Dauerschuldverhältnissen auch für die Zukunft wirkt – vom Nachweis eines Verschuldens durch den Abnehmer oder dem fehlenden Nachweis eines „passing-on“ durch den Wettbewerbsverletzer abhängig zu machen. Klagt zusätzlich ein mittelbarer Abnehmer gegen den Wettbewerbsverletzer, so kann Letzterer durch analoge Anwendung der Vorschriften über die Gesamtgläubigerschaft Erfüllung einwenden, soweit er schon an den Erstabnehmer gezahlt hat. Der mittelbare Abnehmer kann seinen Schaden in diesem Fall analog §  430 BGB beim unmittelbaren Abnehmer liquidieren. Da die Gesamtgläubigerschaft des mittelbaren Abnehmers auf einem deliktischen Anspruch gegen den Wettbewerbsverletzer beruht, müssen die Voraussetzungen dieses Anspruchs auch bei einem Ausgleichsanspruch analog §  430 BGB vorliegen. Der mittelbare Abnehmer muss mit anderen Worten das Verschulden des Wettbewerbsverletzers964 und das „passing-on“ des Schadens durch den unmittelbaren Abnehmer nachweisen. Den unmittelbaren Abnehmer trifft jedoch eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Die erhöhten Voraussetzungen eines Ersatzanspruchs mittelbarer Abnehmer sind de lege lata sachgerecht, da diese anders als direkte Abnehmer weder einen vertraglichen Ersatzanspruch gegen den Wettbewerbsverletzer (es besteht kein Vertragsverhältnis) noch einen solchen gegen den direkten Abnehmer haben (das „passing-on“ des antikompetitiven Preises begründet weder eine eigene Wettbewerbsverletzung 965 noch eine 961 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks,

Art.  81 EG Rn.  904. Zur Analogiefähigkeit des §  430 BGB siehe OLG München v. 9.3.1995 – 32 U 5600/94, NJW-RR 1995, 813, 813; MünchKommBGB/Bydlinski, §  430 BGB Rn.  7. 963  Es geht um den antikompetitiv überhöhten Preis, nicht um einen darüber hinausgehenden entgangenen Gewinn. 964  Dieses wird gerade bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen regelmäßig zu vermuten sein. 965  Es besteht in einer Marktwirtschaft außerhalb der Regelungen insbesondere des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts kein Gebot, Verträge nur zu wettbewerbskonformen Konditionen abzuschließen; insoweit zutreffend Ballerstedt, JZ 1956, 267, 270: eine allgemeine „wirtschaftliche Unbilligkeit“ sei kein Grund für die Unwirksamkeit von Verträgen; siehe auch Flume, WuW 1956, 457, 460. Beide Autoren ziehen daraus jedoch den unzutreffenden Schluss, auch unmittelbare Folgeverträge mit antikompetitiven Bedingungen unterfielen 962 

808

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

sonstige Vertragsverletzung 966). Sie können vielmehr nur auf der Grundlage des allgemeinen Deliktsrechts vorgehen. Im Falle des Nachweises der Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs gegen den Wettbewerbsverletzer – der Zweitabnehmer sollte diesem im Prozeß nach den §§  72 ff. ZPO den Streit verkünden967 – steht dem Zweitabnehmer gegenüber seinem Vertragspartner, also dem Erstabnehmer, nach §  242 BGB ein Anspruch auf Anpassung eines Dauerschuldverhältnisses für die Zukunft an wettbewerbsanaloge Bedingungen zu.968 Bei einer schwerwiegenden Äquivalenzstörung kann die Vertragsanpassung auch über die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage begründet werden.969 Klagt nicht – wie vorstehend unterstellt – der unmittelbare Abnehmer zuerst, sondern der mittelbare Abnehmer, ist ein an den Zweitabnehmer direkt gezahlter Betrag (§§  33 Abs.  3 GWB, 823 Abs.  2 BGB) auf einen nachfolgend erhobenen Zahlungsanspruch des Erstabnehmers anzurechnen.970 Insoweit besteht im Innenverhältnis ein Ausgleichsanspruch des Direktabnehmers, sofern der mittelbare Abnehmer nicht nachweist, dass der Schaden auf ihn abgewälzt wurde.

III. Einwände gegen eine Gesamtgläubigerschaft Gegen die vorgeschlagene Gesamtgläubiger-Lösung kann nicht eingewandt werden, dass sie für die Kläger – also die von einer Wettbewerbsbeschränkung nicht dem Kartellverbot (vgl. Ballerstedt, a. a. O.: auch marktbeherrschende Unternehmen dürften die Marktmacht ausnutzen, um möglichst hohe Preise durchzusetzen). 966  So scheidet ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher (Aufklärungs-)Pflichten aus, da der unmittelbare Folgevertragspartner im Verhältnis zum mit­ telbaren Abnehmer weder Täter noch Teilnehmer der Wettbewerbsverletzung ist. Auch im Verhältnis des Wettbewerbsverletzers zum unmittelbaren Abnehmer sind vorvertragliche Aufklärungspflichten zweifelhaft; vgl. Mailänder, Privatrechtliche Folgen, S.  182; Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  193. Auch Gewährleistungsansprüche des mittelbaren Abnehmers scheiden aus, da die Weitergabe antikompetitiver Preise durch den unmittelbaren Abnehmer an die nachfolgenden Marktstufen regelmäßig keinen relevanten Mangel begründet; vgl. Paul, a. a. O. Zur Anfechtung berechtigende Eigenschaften im Sinne des §  119 Abs.  2 BGB sind – außer den körperlichen Eigenarten einer Sache selbst – alle tatsächlichen und rechtlichen Merkmale und Verhältnisse, die in der Sache selbst begründet sind und infolge ihrer Beschaffenheit und Dauer deren Brauchbarkeit und Wert beeinflussen (wertbildende Faktoren). Unerheblich sind demgegenüber solche Umstände, die nur mittelbar für die Bewertung relevant sind, wie der Kaufpreis; vgl. Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  173. 967  Vgl. BGH v. 28.6.2011 – KZR 75/10, GRUR 2012, 291 Rn.  73 f. – ORWI. 968  „Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“; vgl. Schulze/ders., §  242 BGB Rn.  32. Zur Möglichkeit der Vertragsanpassung über §  242 BGB siehe MünchKommBGB/Roth/ Schubert, §  242 BGB Rn.  80 f.; diese ist nicht auf die §§  313 f. BGB beschränkt. Siehe in Zusammenhang mit dem deliktischen Anspruch des unmittelbaren Abnehmers auf Vertragsanpassung auch Paul, Gesetzesverstoß und Vertrag, S.  97. 969  So zu Preisanpassungsklauseln in langfristigen Energielieferverträgen Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862 ff. 970 MünchKommEUWettbR/Säcker/Jaecks, Art.  81 EG Rn.  9 04.

E. Harmonisierung vertraglicher und deliktischer Rechtsbehelfe

809

Beeinträchtigten – zu einer nicht hinnehmbaren Rechtsunsicherheit führt.971 Zum Ersten obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des Anspruchs auf Schadensausgleich dem Wettbewerbsverletzer. Zum Zweiten können Kläger den vom Wettbewerbsverletzer zu benennenden Personen der Marktgegenseite den Streit verkünden. Zum Dritten besteht auch bei der Lösung des BGH ein erhebliches Prozessrisiko, insbesondere durch Zulassung der „passing-on defense“. Schwerwiegender ist der Einwand, erfolgreiche Kläger setzten sich in einem System des Innenausgleichs allfälligen Folgeprozessen weiterer Anspruchs­ inhaber aus.972 Dies kann in der Tat als ein Nachteil der vorgeschlagenen Lösung angesehen werden. Da jedoch die Erstabnehmer wissen, mit welchen Folgeabnehmern sie zu überhöhten Preisen Verträge geschlossen haben, können sie sich grundsätzlich durch eine Streitverkündung schützen. Auch entspricht es den „guten Sitten im Handelsverkehr“, dass Erstabnehmer die erstrittenen Ersatzzahlungen nicht einbehalten, sondern von sich aus an die nachfolgenden Marktstufen auskehren, soweit die Preise auf einer antikompetitiven Überhöhung beruhen. Schließlich greift auch das Argument nicht durch, das Insolvenzrisiko werde für die nachfolgenden Marktstufen vom Kartellanten auf den Erstabnehmer verlagert.973 Zwar ist auch diese Argumentation formal gesehen zutreffend, sofern der Erstabnehmer zuerst klagt; denn dann ist der Folgeabnehmer analog §  426 BGB auf einen Innenausgleichsanspruch verwiesen. Dem steht jedoch entgegen, dass Personen der nachfolgenden Marktstufen gerade bei Streuschäden einen höheren Anreiz haben werden, ihren Schaden bei ihrem Vertragspartner zu liquidieren (in unserem Kaffeefall: beim Supermarkt), anstatt den Wettbewerbsbeschränker direkt zu verklagen. Auch ist es aus Sicht der mittelbaren Folgeabnehmer wohl ohne Belang, wessen Insolvenzrisiko sie ausgesetzt sind: dasjenige des Wettbewerbsverletzers oder des direkten Folgevertragspartners. Sofern man die geschilderten Einwände gleichwohl für beachtlich hält, bedeutet dies nicht, dass man mittelbar Betroffenen entgegen der Rechtsprechung des EuGH in „Courage“, „Manfredi“ und „Donau Chemie“ eine deliktische Anspruchsberechtigung versagen könnte. Auch steht die Möglichkeit der Erstabnehmer nicht zur Disposition, den Preisüberhöhungsschaden auf der Grundlage einer vertragsrechtlichen Anpassungslösung zu liquidieren, da diese Rechtsfolge aus dem Normzweck der Wettbewerbsregeln folgt. Als Alternative böten sich somit allenfalls multiple Ersatzansprüche an. Diese würden vorliegend zwar nicht an eine Person gewährt, sondern an mehrere Personen. Sowohl der Direktabnehmer als auch die Zweitabnehmer könnten ihre finanziellen Ein971 So

Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  334 f. Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  335. 973  Bulst, Schadensersatzansprüche, S.  335 f. 972 

810

Teil 9:  Schutz- und Verbotsgesetze des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts

bußen liquidieren, wobei dem Erstabnehmer im Rahmen der vertraglichen Anpassungslösung keine „passing-on defense“ entgegen gehalten werden könnte. Im Ergebnis könnte eine solche Lösung aber zu einer überproportionalen Er­ höhung der Ersatzpflicht des Schädigers führen. Geht man davon aus, dass in der Praxis nur wenige Zweitabnehmer ihren Schaden liquidieren, wäre die dadurch bewirkte Erhöhung des Anspruchs aber zumeist verhältnismäßig. Überkompensatorische Zahlungen wären außerdem zwingend auf Geldbußen anzurechnen.974

974 

Siehe Teil 9 B. IV. 6.

Teil 10

Wertungsharmonisierende Interpretation zivilistischer Preiskontrollvorschriften A. Von der Kapitulation gegenüber wirtschaftlicher Macht zu einem kompetitiven Vertragsrecht I. Die „Leiden des Privatrechts“ Wie wir zu Beginn unserer Untersuchung gesehen haben, stand das Privatrecht dem komplexen und ambivalenten Phänomen wirtschaftlicher Macht lange Zeit gleichgültig bis distanziert gegenüber. Ab dem 19. Jahrhundert war die staatliche Wirtschaftspolitik vielmehr von der Haltung geprägt, dass sich eine zweckmäßige, natürliche und richtige Ordnung im Sinne der optimalen Produktion und gerechten Verteilung von Einkommen und Vermögen schon von allein einstellen werde, solange der Staat nur eine rechtlich-formale Wirtschafts-, Wettbewerbs- und Vertragsfreiheit gewährleiste.1 In Übereinstimmung mit dieser „Laissez-faire-Haltung“ bewertete das RG wirtschaftliche Machtpositionen überwiegend als positiv, weshalb es Kartelle als grundsätzlich zulässig ansah.2 Dass Kartelle nach §  1 GewO in Verbindung mit §  134 BGB verboten sein könnten, wie dies im Jahr 1933 von Franz Böhm gefordert wurde,3 kam den Gerichten nicht in den Sinn.4 Von dieser „laxen“ Bewertung wirtschaftlicher Macht trennt uns heute vieles,5 wie ein Blick auf das Verbot von nicht freigestellten Kartellen gem. Art.  101 Abs.  2 AEUV und §  1 GWB i. V. mit §  134 BGB verdeutlicht. 6 Dieses erstreckt sich entgegen einer restriktiven (und deshalb de facto kartellfreundlichen!) Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum auch auf Folgeverträge als Instrumente praktizierter Kartellbildung; denn andernfalls wäre das Kartellverbot um weite Teile seiner teleologisch gebotenen Schutzwirkung für die wirtschaftliche Selbstbestimmung der Marktteilnehmer gebracht.7 1 

Günther, WuW 1964, 111, 114.

2 Goldschmidt/Wohlgemuth/Vanberg,

Ordnungsökonomik, S.  43, 45. Böhm, Wettbewerb und Monopolkampf, S.  107 und öfter. 4  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  9. 5  So plakativ Säcker, ZWeR 2008, 348. 6 Siehe zur ordnungspolitischen Grundsatzdiskussion über die Geltung eines Ex-postMissbrauchs- oder eines Ex-ante-Verbotsprinzips bei §  1 GWB Immenga/Mestmäcker/dies, Einl. Wettbewerbsrecht: GWB Rn.  6 ff. 7  Dies haben wir oben in Teil 9 D. herausgearbeitet. 3 

812 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften Das Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte des §  138 Abs.  1 BGB fand lange Zeit nur in der sog. Monopolrechtsprechung bei Gütern der Daseinsvorsorge Anwendung.8 Etwas anderes sollte für nicht lebensnotwendige Güter gelten, da der Kunde sich der Herrschaft des marktmächtigen Unternehmens hier durch ein Ausweichen auf andere Unternehmen oder durch einen Erwerbsverzicht entziehen könne.9 Dies kam einer Legalisierung von „einfachen“ Kartellen und Monopolen gleich.10 So wurden etwa Maßnahmen des äußeren und inneren Organisationszwangs als zulässig angesehen, da das Ausüben von Druck auf Geschäftspartner und Dritte ein notwendiger Bestandteil einer freien Wirtschaftsordnung sei und sich hieran auch dann nichts ändere, wenn der Druck gemeinschaftlich durch ein Kartell auf einen Dritten zum Zweck des Anschlusses (äußerer Kartellzwang) oder auf ein Kartellmitglied zur Verhinderung des Austritts (innerer Kartellzwang) ausgeübt werde.11 Hier setzt das sog. Selbstständigkeitspostulat an, das es den Unternehmen im Interesse der anderen Marktteilnehmer untersagt, freiwillig auf ihre unternehmerische Handlungsautonomie zu verzichten, da ein solches Verhalten gerade bei bezweckten Hard­ core-Kartellen regelmäßig zu negativen Drittwirkungen führt.12 Auch auf der Grundlage der KartellVO des Jahres 1923 als erstem namhaftem europäischem Wettbewerbsgesetz veränderte sich die positive Bewertung wirtschaftlicher Macht nicht.13 Erst die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 bewirkte insoweit ein leichtes Umdenken, als nunmehr jedenfalls krasse Fälle der Kampfpreisunterbietung als unzulässig angesehen wurden. Den maßgeblichen „Benrather Tankstellenfall“,14 in dem das RG das rechtliche Prinzip des Behinderungswettbewerbs als Gegenbegriff zum Leistungswettbewerb anerkannt hat, haben wir oben behandelt.15 In diesem Urteil – und das ist für die folgenden Ausführungen entscheidend – legte das RG den Begriff der guten Sitten de facto im Sinne eines wirtschaftlichen Ordre-public-Vorbehalts aus, da es ein Verhalten für unwirksam erklärte, weil es gegen grundlegende Prinzipien der Wirtschaftsordnung verstoßen hatte.16 Trotz dieses dogmatischen Fortschritts tat sich die Rechtsprechung in der Folgezeit weiterhin schwer damit, die Wertungen des Wettbewerbsrechts im 8  Siehe zum „Monopolmissbrauch“ etwa RG v. 15.12.1933 – VII 292/33, RGZ 143, 24, 28; dazu Nörr, Zwischen den Mühlsteinen, S.  54; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  87. 9  Siehe schon RG v. 11.2.1888 – I 380/87, RGZ 20, 115. 10  Nörr, Republik der Wirtschaft, Teil 2, S.  82 mit Fn.  35. 11  Kestner, Der Organisationszwang, 1912; fortgeführt durch Kestner/Lehnich, Organisationszwang, 2.  Aufl. 1927. 12  Vgl. Teil 4 D. I. 3. c). aa). 13  Nörr, Leiden des Privatrechts, S.  84 ff. 14  RG v. 18.12.1931 – II 514/30, RGZ 134, 342 ff.; dazu Rittner, ZHR 160 (1996), 180, 183. 15  Teil 3 B. III. 2. b). 16  Teubner, Standards und Direktiven, S.  38; siehe auch Mohr, WuW 2011, 112, 116.

A. Kompetitives Vertragsrecht

813

Privatrecht zu rezipieren. So sollte die Einstufung eines Rechtsgeschäfts als sittenwidrig ein negatives Werturteil voraussetzen, im Sinne eines Nachweises der Manifestation „negativer Gesinnung“.17 Dies schloss viele Rechtsgeschäfte aus dem Anwendungsbereich des §  138 BGB aus. Im Schrifttum wird deshalb auch heute noch – für wirtschaftliche Sachverhalte zutreffend – eine Objektivierung der Sittenwidrigkeit nach §  138 Abs.  1 BGB gefordert,18 was in der Rechtsprechung jedoch nur teilweise Gehör findet.19 Weiterhin erwies sich der Sittenwidrigkeitstatbestand für eine Inhaltskontrolle als zu unflexibel, da ein Verstoß regelmäßig zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung und nicht – in teleolo­ gischer Umkehrung des §  139 BGB – zur Teilnichtigkeit des sittenwidrigen Vertragsbestandteils führen sollte.20 Aus heutiger Sicht wurde damit – wie wir bereits zu §  134 BGB gesehen haben 21 – nicht ausreichend zwischen der Norm­ aussage und den daran anknüpfenden Rechtsfolgen unterschieden. 22 Gesamtnichtigkeit tritt nach dem in §  306 Abs.  3 BGB normierten verallgemeinerungsfähigen Rechtsgedanken nur dann ein, wenn das Festhalten am Vertrag für den von der Wettbewerbsbeschränkung negativ Betroffenen eine unzumutbare Härte bedeuten würde.23 Durch diese restriktive Interpretation des §  138 Abs.  1 BGB begab sich das Privatrecht letztlich in eine selbst verschuldete Unmündigkeit gegenüber wirtschaftlicher Macht, was mit Knut Wolfgang Nörr bis heute fortdauernde „Leiden“ auslöste.24 Auch wegen der vorstehend beschriebenen systemwidrig-restriktiven Auslegung des §  138 Abs.  1 BGB suchte die Rechtsprechung nach anderen Wegen, um den drängendsten Problemen wirtschaftlicher Macht auch im Privatrecht Rechnung zu tragen. Sie wich zunächst auf §  315 Abs.  3 BGB aus, dem in besonders offenkundigen Fallgestaltungen über seinen ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus die systemwahrende Funktion zugesprochen wurde, die wirtschaftlich schwächeren Vertragspartner zu schützen.25 Eigentlich soll §  315 17  RG v. 13.3.1936 – V 184/35, RGZ 150, 1; BGH v. 28.5.1976 – V ZR 170/74, WM 1976, 926, 927; differenzierend bereits Enneccerus/Nipperdey, BGB-AT 2. Hb., S.  1167. 18 BGH v. 8.5.1985 – IVa ZR 138/83, AP BGB §   138 Nr.  40; aus dem Schrifttum siehe Mayer-Maly, Bewußtsein der Sittenwidrigkeit, S.  25 ff.; Lindacher, AcP 173 (1973), 124, 126; Münch­KommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  87 und 129; Erman/Palm/Arnold, §  138 BGB Rn.  38 und 40: es reiche aus, wenn die Parteien von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen Kenntnis hätten; dies sei stets der Fall, wenn sich die Sittenwidrigkeit allein aus dem objektiven Inhalt des Rechtsgeschäfts ergebe. 19 Für das Erfordernis einer verwerflichen Gesinnung etwa BGH v. 2.7.2004 – V ZR 213/03, BGHZ 160, 8, 14; weitere Nachweise aus der Rechtsprechung bei MünchKommBGB/ Armbrüster, §  138 BGB Rn.  129 ff. 20  So zum „sittenwidrigen Missbrauch einer Monopolstellung“ BGH v. 30.5.1958 – V ZR 280/56, JZ 1958, 610. 21  Siehe Teil 9 D. VII. 2. 22  Siehe generell Bachmann, JZ 2008, 11; Renner, Zwingendes transnationales Recht, S.  41. 23  Säcker, ZWeR 2008, 348, 352 mit Fn.  37. 24  So der Titel des Werkes von Nörr, Leiden des Privatrechts. 25 Kritisch Kling, ZHR 177 (2013), 90, 126, der in dem Beitrag – wohl bedingt durch die

814

Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften

BGB lediglich das durch eine einseitige Inhaltsbestimmung ausgelöste rechtliche Ungleichgewicht ausgleichen, welches dem Prinzip beidseitig materialer Selbstbestimmung widerspricht, wonach beide Vertragsparteien die essentialia negotii des Vertrages gemeinsam festlegen.26 Auf der Grundlage dieser Zwecksetzung haben Rechtsprechung und Literatur §  315 Abs.  3 BGB analog auf Fallgestaltungen angewandt, in denen eine Vertragspartei bei privatrechtlich angebotenen Gütern und Dienstleistungen der Daseinsvorsorge aufgrund ihrer wirtschaftlichen „Monopolstellung“27 eine faktisch einseitige Bestimmungsmacht hat.28 Hierfür spricht, dass es sowohl bei der direkten als auch bei der analogen Anwendung um den Schutz vor einem Missbrauch wirtschaftlicher Macht geht, sei diese vertraglich oder wirtschaftlich-faktisch begründet.29 Ein Abstellen auf §  315 Abs.  3 BGB hatte gegenüber §  138 Abs.  1 BGB den Vorteil, dass hierdurch das – wie wir sogleich sehen werden unzutreffende – Dogma von der Gesamtnichtigkeit (wettbewerbs)rechts- und sittenwidriger Vereinbarungen umgangenen wurde.30 Darüber hinaus erfordert §  315 Abs.  3 BGB keinen Nachweis einer verwerflichen Gesinnung. Schließlich muss der zur Bestimmung der Leistung Berechtigte nicht nur das Bestehen eines solchen Rechts nachweisen, sondern auch diejenigen Umstände, aus denen sich die Billigkeit der Bestimmung ergibt.31

Fragestellung – weder zwischen der direkten und der analogen Anwendung des §  315 BGB unterscheidet, noch die Auffangfunktion des §  315 BGB im Hinblick auf die zu restriktive Interpretation der §§  134, 138 BGB durch die Rechtsprechung beleuchtet. Ausführlicher ders., Rechtskontrolle von Netzentgelten, S.  136 ff. Noch weitergehend Staudinger/Rieble, §  315 BGB Rn.  59, wonach §  315 BGB subsidiär gegenüber dem Wettbewerbsrecht (und damit wohl auch gegenüber dem Regulierungsrecht) sei. 26  Siehe Teil 3 B. III. 3. sowie in vorliegendem Zusammenhang Säcker, ZWeR 2008, 348, 358. 27  Es genügt eine marktmächtige Stellung, ein echtes Monopol ist nicht erforderlich; vgl. RG v. 8.11.1926 – I 154/26, RGZ 115, 218, 220; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  87. 28  RG v. 29.9.1929 – VI 182/85, RGZ 111, 310, 313; BGH v. 19.12.1978 – VI ZR 43/77, BGHZ 73, 114, 116; BGH v. 10.10.1991 – III ZR 100/90, NJW 1992, 171, 174; BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 36/06, NJW 2007, 2540 Rn.  33 (Gasversorgung); BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 (Eisenbahninfrastruktur); siehe auch Büdenbender, Fernwärmepreise, S.  13; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 141: objektive, (wettbewerbs)systemordnende Funktion der Billigkeitskontrolle. 29 BerlKommEnR/Mohr, §  29 GWB Rn.  34. 30  Säcker, ZWeR 2008, 348, 361. 31  BGH v. 20.7.2010 – EnZR 23/09, NJW 2011, 212, 213 – Stromnetznutzungsentgelt IV. Dies gilt auch dann, wenn die andere Vertragspartei die gerichtliche Bestimmung und die Rückzahlung zu viel gezahlten Entgelts begehrt, sofern sie die Entgelte unter Vorbehalt gezahlt hat; vgl. BGH v. 18.10.2005 – KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 343 – Stromnetznutzungsentgelt.

A. Kompetitives Vertragsrecht

815

II. Harmonisierende Interpretation des Wettbewerbsund Regulierungsrechts mit dem Vertragsrecht Nimmt man den inneren Legitimationsgrund des Vertrages als Instrument zur Sicherung beidseitig material-chancengleicher Selbstbestimmung ernst,32 kann sich eine Vertragsinhaltskontrolle nicht auf die AGB-Klauselkontrolle nach den §§  307 ff. BGB beschränken; denn die negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Macht zeigen sich gerade in antikompetitiv überhöhten Preisen. Diese unterliegen – sieht man von der Transparenzkontrolle gem. §  307 Abs.  1 Satz 2 BGB ab – keiner AGB-Kontrolle, da eine Marktwirtschaft für das intersubjektiv zutreffende Verhältnis von Leistung und Gegenleistung keine allgemeingültigen Vorschriften schaffen kann, die im Falle der Unwirksamkeit der vertraglichen Vereinbarung Platz greifen. Demgegenüber halten das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht bei wirtschaftlichen Machtpositionen anerkannte und erprobte Instrumente bereit, um einen angemessenen Interessenausgleich in beidseitiger Selbstbestimmung zu gewährleisten. Als material-freiheitssichernder und prozedural-gerechtigkeitswahrender Kontrollmaßstab fungiert – wir haben dies gesehen – der Als-ob-Wettbewerb, der durch Instrumente wie das Vergleichsmarktprinzip und die interne Kosten- und Gewinnkontrolle näher ausgeformt wird. Das Vertragsrecht muss deshalb bei Vorliegen von unilateral oder multilateral begründeter Marktmacht auch die Angemessenheit des Leistung-Gegenleistungsverhältnisses in den Blick nehmen. Franz Jürgen Säcker hat diese Funktion überzeugend als kompetitives Vertragsrecht bezeichnet, um zu verdeutlichen, dass die Wirksamkeit privatrechtlicher Rechtsgeschäfte nicht unabhängig von den Wertungen der Wirtschaftsverfassung und des diese konkre­ tisierenden Wirtschaftsrechts beurteilt werden kann.33 Wir wollen uns den Wertungsgleichklang anhand grundlegender Fragestellungen zum Verbot sittenwidriger Rechtsgeschäfte gem. §  138 Abs.  1 BGB und zur Billigkeitskontrolle der Ausübung von einseitigen Leistungsbestimmungsrechten gem. §   315 Abs.  3 BGB verdeutlichen, die beide enge Verbindungen zum Problem der wirtschaftlichen Macht aufweisen, weshalb sie insoweit wertungsharmonisierend zu interpretieren sind.

32 

Siehe Teil 3 D. IV.

33 MünchKommBGB/Säcker,

Bd. 1 Einl. Rn.  32; ders., JJZ 2013, S.  9, 20.

816 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften

B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen Der Begriff der Sittenwidrigkeit ist bei wirtschaftlichen Sachverhalten als Verweis auf die Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts zu verstehen.34

I. Verweis auf Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts Wie wir einleitend gesehen haben, überprüft die Rechtsprechung unangemessen hohe, die Chance auf einen selbstbestimmten Vertragsschluss negierende Preise anhand des §  138 Abs.  1 BGB nur bei einer groben Verletzung des Äquivalenzverhältnisses.35 So geht der BGH grundsätzlich erst dann von einem „auffälligen“ Missverhältnis aus, wenn die eine Leistung nur die Hälfte wert ist als die andere, bzw. die empfangene Leistung den Wert der eigenen Leistung um 100  % übersteigt.36 Ein Rückgriff auf die Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts findet somit nicht statt.37 Im Schrifttum wird in einer solchen, an einem starren Richtwert orientierten Preiskontrolle eine vergröbernde, den aktuellen Erkenntnissen nicht entsprechende „Renaissance der laesio enormis“ gesehen.38 Im Ergebnis werde das Problem der Äquivalenzkontrolle nur verlagert auf die Bestimmung des objektiven Werts der Leistungen, eine Fragestellung, die auch im Rahmen des §  818 Abs.  2 BGB bei der Rückabwicklung unwirksamer Verträge eine Rolle spielt.39 Der objektive Wert lässt sich bei fungiblen Gütern oder Dienstleistungen zwar grundsätzlich durch einen Rückgriff auf den Marktpreis ermitteln. Insoweit folgerichtig stellt der BGH bei Kreditverträgen im Wege eines „Marktver34 Vgl. Säcker, ZWeR 2008, 348, 352; ders., in: FS Canenbley, 2012, S.  397; Mohr, WuW 2011, 112 ff. 35  Ebenso im Hinblick auf die heute dem Wettbewerbs- und Regulierungsrecht unterfallenden wirtschaftlichen Machtstellungen (m. E. zu Unrecht) Ballerstedt, JZ 1956, 267, 270: marktbeherrschende Unternehmen dürften ihre Marktmacht im Rahmen der §§  138 Abs.  1, 826 BGB dazu ausnutzen, antikompetitiv überhöhte Preise zu verlangen. 36  Vgl. BGH v. 12.3.1981 – III ZR 92/79, NJW 1981, 1206; dazu Leenen, BGB-AT, §   9 Rn.  233. Ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung wird nicht nur angenommen, wenn der effektive Vertragszins den effektiven Vergleichszins relativ um rund 100 % übersteigt, sondern auch dann, wenn er absolut um 12 % darüber liegt; vgl. BGH v. 30.1.1995 – VIII ZR 316/93, NJW 1995, 1146, 1148; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  119. 37  Säcker, ZWeR 2008, 348, 352. 38 So – wenn auch mit anderen Schlussfolgerungen – Finkenauer, in: FS Westermann, 2008, S.  183, insb. 203 ff.; Canaris, AcP 200 (2000), 273, 303 f. 39  Die Rechtsprechung legt bei §  818 Abs.  2 BGB einen objektiven (im Gegensatz zu einem subjektiven) Wertbegriff zugrunde, vgl. RG v. 3.5.1935 – VII 400/34, RGZ 149, 396, 398; BGH v. 27.2.1952 – II ZR 191/51, BGHZ 5, 197, 202; zur Diskussion siehe Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, S.  566 ff.; Mankowski/Schreier, AcP 208 (2008), 725 ff.; MünchKommBGB/Schwab, §  818 BGB Rn.  75 f.

B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

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gleichs“ auf den marktüblichen tatsächlichen Zinssatz ab.40 Er beachtet dabei aber nicht ausreichend, dass die sich auf einem abgegrenzten Markt real zeigenden Preise auch das Ergebnis einer Wettbewerbsbeschränkung, also in unserem Fall zu hoch sein können. Ist der tatsächliche Marktpreis aber antikompetitiv überhöht, kann er nicht als Kontrollmaßstab zur Bestimmung der Unangemessenheit des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung dienen.41 Relevanter Maßstab kann vielmehr nur ein Preis sein, wie er bei hypothetisch bestehendem wirksamem Wettbewerb verlangt werden könnte (Als-ob-Wettbewerbspreis). Um diesen Preis zu ermitteln, halten das Wettbewerbs- und das Regulierungsrecht mit der Vergleichsmarktmethode sowie der Kosten- und Gewinnspannenkontrolle sachgerechte und erprobte Mittel bereit.42 Die Zurückhaltung der Rechtsprechung, bei der Anwendung des §  138 Abs.  1 BGB einen Wertungsgleichklang von Vertragsrecht und Wettbewerbsrecht anzuerkennen, lässt sich vielleicht mit der teleologisch nicht begründbaren Reduzierung der Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen §  138 Abs.  1 BGB auf die Alternativen „Vertragsgültigkeit“ und „Vertragsnichtigkeit“ erklären. Gerade bei den für einen Wertungsgleichklang sprechenden „Monopolfällen“43 soll es nicht möglich sein, nur die wettbewerbsbeschränkende Klausel als teilunwirksam anzusehen, verbunden mit einer ergänzenden Vertragsauslegung, wie dies bei §  134 BGB anerkannt ist. Folge der Gesamtnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts sei die Rückabwicklung der ausgetauschten Leistungen gem. der §§  812, 817 BGB. Bei einem sittenwidrigen Gelddarlehensvertrag soll der Kunde nur die Valuta und nicht auch die Zinsen zurückzahlen.44 Diese Rechtsprechung wird den differenzierten Anforderungen an ein kompetitives Vertragsrecht nicht gerecht und sollte deshalb durch ein flexibles Rechtsfolgeninstrumentarium ersetzt werden.45

40  BGH v. 12.3.1981 – III ZR 92/79, NJW 1981, 1206; BGH v. 2.10.1986 – III ZR 130/85, NJW 1987, 183. 41  Mankowski/Schreier, AcP 208 (2008), 725, 745; Säcker, JJZ 2013, S.  9, 14 ff. 42  BGH v. 15.5.2012 – KVR 51/11, NZKart 2013, 34 – Wasserpreise Calw. 43  BGH v. 30.5.1958 – V ZR 280/56, NJW 1958, 1772; BGH v. 16.6.1971 – KZR 11/70, GRUR 1972, 1718 – Stromlieferung. 44  Es wäre somit „das beste Geschäft“, bewuchert zu werden; so pointiert Säcker, ZWeR 2008, 348, 352. 45  Krit. auch MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  159, wonach als Rechtsfolge nur dann eine Gesamtnichtigkeit greifen soll, wenn beide Parteien rechtswidrig gehandelt haben. Auch diese Sichtweise ist bei einer wertungsharmonisierenden Interpretation insoweit zu korrigieren, als nach Art.  101 Abs.  2 AEUV, §§  1, 2 GWB i. V. mit §  134 BGB grundsätzlich nur die wettbewerbsbeschränkende Klausel selbst unwirksam ist.

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Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften

II. Schutz des wirtschaftlichen ordre public als Ausprägung der guten Sitten Die restriktive Sichtweise der Rechtsprechung erklärt sich auch durch einen Blick auf die Entwicklung des Verbots sittenwidriger Rechtsgeschäfte. Die Interpretation des §  138 BGB durch den historischen BGB-Gesetzgeber des Jahres 1900 war primär vom damals vorherrschenden Staats- und Gesellschaftsbild des Liberalismus geprägt.46 Der Gesetzgeber beschränkte sich in §  138 BGB auf die Statuierung der Rechtsfolge der Vertragsnichtigkeit, während der Tatbestand der Norm mit den guten Sitten vordergründig auf gesellschaftlich gültige Normen wie die Vertrags-, Geschäfts- und Verkehrsmoral verwies.47 Vor diesem Hintergrund fungierte §  138 BGB als eine Art äußere Grenznorm, die die Ausübung der Vertragsfreiheit innerhalb der Schranken der allgemeinen Sittenordnung zuließ.48 Freilich sollte der Begriff der guten Sitten anders als derjenige der „Sittlichkeit“ bereits nach dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht allein ethische Grundsätze, sondern auch die grundlegenden Prinzipien der Rechtsordnung erfassen.49 Das zeigt ein Blick in die Gesetzesmaterialien, wo die Streichung der zunächst in §  138 BGB vorgesehenen Ordre-public-Klausel damit begründet wurde, dass ein die Gewerbefreiheit beeinträchtigender Vertrag, etwa ein vertragliches Wettbewerbsverbot, „zumeist“ schon nach seinem Inhalt sittenwidrig sei.50 Trotz des Willens des historischen Gesetzgebers, Rechtsgeschäften die Gültigkeit zu versagen, wenn sie gegen Grundprinzipien der Rechtsordnung wie die Gewerbe- bzw. Berufsfreiheit verstoßen,51 ist §  138 BGB nicht als Instrument einer Vertragsinhaltskontrolle anhand eines wirtschaftlichen, an den grundlegenden Wertungen der Wettbewerbsordnung orientierten ordre public anerkannt. So war der BGH in seiner Entscheidung „Subunternehmer II“ aus dem Jahr 2008 der Ansicht, der Verstoß eines Vertrages gegen das Kartellverbot gem. Art.  101 AEUV bzw. gem. §  1 GWB bewirke nicht zugleich seine Sittenwidrigkeit.52 Ein wesentlicher Grund für diese Sichtweise wird darin liegen, dass der Begriff der guten Sitten nach einer vom RG geprägten, auch heute noch gebräuchlichen Formel das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ umfassen soll, was eine Interpretation anhand ethischer Maßstäbe nahe 46 

Siehe zum Folgenden auch Mohr, WuW 2011, 112 ff. Teubner, Standards und Direktiven, S.  52. 48 MünchKommBGB/Säcker, Bd. 1 Einl. Rn.  33. 49  Protokolle, S.  123; siehe dazu Säcker, Gruppenautonomie, S.  212 ff. 50  Protokolle, S.  124; siehe Teil 3 B. III. 1. c). 51  Siehe den Bericht der Reichstagskommission über den Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches und Einführungsgesetzes, 1886, S.  41 f.; zitiert nach Säcker, Gruppenautonomie, S.  213 f. 52  BGH v. 10.12.2008 – KZR 54/08, NJW 2009, 1751, 1753 – Subunternehmervertrag II; zust. Thomas, WuW 2010, 177 ff. 47 

B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

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legt.53 Auch die im älteren Schrifttum herrschende Ansicht verstand die guten Sitten ausschließlich als Hinweis auf die „Sozialmoral“.54 De facto nahmen die Gerichte zur Bestimmung der Reichweite der guten Sitten allerdings zunehmend auf rechtliche Maßstäbe Bezug.55 So berief sich das RG im „Benrather Tankstellenfall“ auf das rechtliche Prinzip des Behinderungswettbewerbs als Gegenbegriff zum Leistungswettbewerb, um auf diesem Wege ein Preiskartell von Mineralöllieferanten und gebundenen Tankstellen wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten zu untersagen.56 Hierdurch legte es den Begriff der guten Sitten faktisch im Sinne eines wirtschaftlichen Ordre-public-Vorbehalts aus, da es ein Verhalten für unwirksam erklärte, weil es gegen die Prinzipien der Wirtschaftsordnung verstoßen hat.57 Diese Grundprinzipien sind heute im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und den Regulierungsgesetzen normativiert, weshalb sie die Auslegung des §  138 Abs.  1 BGB im Rahmen ihres Anwendungsbereichs, also vor allem bei der Behandlung wirtschaftlicher Machtposi­ tionen, leiten. In der Folgezeit kontrollierte die Rechtsprechung nicht nur Kartellverträge, sondern auch Kreditsicherungsverträge, Bürgschaften, AGB, langfristige Lieferverträge und Kaufverträge anhand des Verbots der guten Sitten.58 Dabei wahrte sie zwar semantisch die Kontinuität zur bis dato vorherrschenden Ansicht, wonach die guten Sitten auf das sittlich-rechtliche Bewusstsein oder das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verweisen sollten. Entsprechend dem zwischenzeitlich vollzogenen Wandel vom klassisch liberalen Rechtsstaat zum „sozialen Gewährleistungsstaat“ und noch später zur „sozialen Marktwirtschaft“ zog sie bei der Kontrolle von wettbewerblichem Verhalten jedoch „so gut wie nie Grundsätze der Moral oder ethische Maßstäbe“ heran.59 In der Sache fanden vielmehr über die guten Sitten die grundlegenden Wertungen der Rechtsordnung Eingang in das Privatrecht, ohne dass es insoweit eines Nachweises ihrer ethischen Fundierung bedurft hätte. 60 Allerdings wurde dieser Umstand – was bis heute Anlass für dogmatische Verwirrung gibt – nicht explizit gemacht.

53  RG v. 11.4.1901 – VI 443/00, RGZ 48, 114, 124 f. – Brisbane; RG v. 15.10.1912 – VII 231/12, RGZ 80, 219, 221; BGH v. 6.2.2009 – V ZR 130/08, NJW 2009, 1346 Rn.  10. 54  Vgl. dazu Teubner, Standards und Direktiven, S.  13 ff.; RGRK/Krüger-Nieland/Zöller, §  138 BGB Rn.  21; Soergel/Hefermehl, §  138 BGB Rn.  2 f.; Bezzenberger, AcP 196 (1996), 395, 398. 55  Teubner, Standards und Direktiven, S.  37. 56  RG v. 18.12.1931 – II 514/30, RGZ 134, 342 ff. 57  Nipperdey, Wettbewerb und Existenzvernichtung, S.  12; siehe dazu Teubner, Standards und Direktiven, S.  38. 58  Nachweise bei Simitis, Gute Sitten und ordre public, S.  11; Mohr, WuW 2011, 112 ff. 59 So Kraft, Interessenabwägung und gute Sitten, S.  116. 60  Larenz/Wolf, BGB-AT, §  41 Rn.  9.

820 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften Gegen die Verwendung der Begriffe ordre public bzw. öffentliche Ordnung in §  138 BGB wird eingewandt, dass diese aus dem internationalen Privatrecht bzw. aus dem öffentlichen Polizeirecht stammten und dort eine spezifische Bedeutung hätten, die für eine Vertragsinhaltskontrolle nicht passe. Dies basiert auf einem Missverständnis. 61 Die Begriffe bezeichnen im Rahmen des §  138 BGB die Grenze, die der Gültigkeit von Rechtsgeschäften durch die Wertungen der Verfassung sowie einfachgesetzlicher Regelungen gezogen werden. 62 Als ordre public bzw. öffentliche Ordnung ist in diesem Sinne der Inbegriff der grundlegenden Wertungsprinzipien unserer Rechtsordnung zu verstehen, unabhängig davon, in welcher konkreten Weise sie sich manifestieren. 63 Somit steht der Begriff der öffentlichen Ordnung (oder des Institutionenschutzes) weder in einem Gegensatz zum Individualschutz, noch bezieht er sich allein auf Normen des öffentlichen Rechts. Er umfasst vielmehr alle nationalen und europäischen Vorschriften, welche die Grundwertungen und Funktionsbedingungen unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung sichern. Im wirtschaftlichen Bereich gehören hierzu auch die Vorschriften über den Schutz einer sozialen Marktwirtschaft im Sinne des Art.  3 Abs.  3 Uabs.  1 Satz  2 AEUV als der geltenden Wirtschaftsverfassung. 64 Von herausgehobener Bedeutung für das Verständnis des Zusammenwirkens zwischen Sondergesetzen und Bürgerlichem Gesetzbuch ist das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen, da es die Sicherung dezentralisierter wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse und damit eine Sicherung der materialchancengleichen Individualfreiheit durch rechtliche Bindung privater Macht bezweckt. Nach Ansicht des EuGH ist das Wettbewerbsrecht für die Union derart unerlässlich, dass es der öffentlichen Ordnung zuzurechnen und von den nationalen Gerichten von Amts wegen anzuwenden ist. 65 Bestandteile der öffentlichen Ordnung der Union sind auch die Grundfreiheiten des Unionsrechts und die anderen Sicherungen eines funktionierenden Binnenmarkts. 66 Die im Rahmen des Ordre-public-Vorbehalts in §   138 BGB benannten Rechts­prinzipien sind aufgrund ihrer Abstraktionshöhe nur bedingt als deduktive Entscheidungsgrundlagen geeignet. 67 Allgemeine Prinzipien gewinnen 61  Mohr, WuW 2011, 112, 116; Reuter, ZGR 1987, 489, 496 Fn.  43; a. A. Simitis, Gute Sitten und ordre public, S.  168 f. 62  So – im Ergebnis verneinend – Oetker, Dauerschuldverhältnis, S.  5 43. 63  Mayer-Maly, AcP 194 (1994), 105, 127; MünchKommBGB/Armbrüster, §   138 BGB Rn.  12. 64  Siehe hierzu Teil 2 C. 65  Siehe Teil 9 B. III. 2. b). Zur Durchsetzung des Wettbewerbsrechts als Bestandteil der öffentlichen Ordnung der Union EuGH 27.2.2014 – Rs. C-365/12 P, NZKart 2014, 140 Rn.  108 – Gasisolierte Schaltanlagen. 66 Zur Bedeutung von Richtlinien siehe Staudinger/Sack/Fischinger, §   138 BGB Rn.  57; Ehricke, EuZW 1999, 553 ff. 67  Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S.  145, 163; Reuter, ZGR 1987, 489, 496.

B. Sittenwidrigkeit wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen

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vielmehr erst dann rechtliche Relevanz, wenn sie in die Ordnung des jeweils in Rede stehenden Lebensbereichs integriert sind. 68 Etwaige Bedenken gegen die Funktionstüchtigkeit eines Ordre public-Vorbehalts im Privatrecht lassen sich deshalb dadurch entkräften, dass man zu dessen Konkretisierung auf den konkreten Regelungsbereich abstellt. Im Ergebnis bedeutet dies, dass die äußere Freiheitsgrenze der Sittenwidrigkeit durch die innere Schranke der materialchancen­gleichen Vertragsfreiheit zu ersetzen ist. Man kann hierzu auch Systemwidrigkeit sagen, sofern man mit System die grundlegenden Bedingungen unserer Wirtschaftsordnung meint. 69 Ludwig Raiser hat hierzu den Terminus des Institutionenschutzes gebraucht.70 Wie wir gesehen haben, führt dieser Institutionenschutz aber kein Eigenleben, sondern bezieht sich auf den Schutz der Individualrechte der Marktteilnehmer und der daraus entstehenden Wettbewerbs­ prozesse.

III. Tatbestand des Verbots sittenwidriger Rechtsgeschäfte Verstößt ein Verhalten gegen die Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts, liegt aus heutiger Sicht zugleich ein Verstoß gegen den wirtschaftlichen ordre public im Sinne des §  138 Abs.  1 BGB vor. Eine wettbewerbsbeschränkende Preisregelung ist mit anderen Worten nicht nur gesetzeswidrig im Sinne des §  134 BGB, sondern auch sittenwidrig im Sinne des §  138 Abs.  1 BGB. Die zusätzliche Sanktionierung ist auch gerechtfertigt, schon weil Wettbewerbsbeschränkungen in der Vergangenheit oft als Kavaliersdelikte angesehen wurden, wohingegen ein Verstoß gegen die „Sitten eines ehrbaren Kaufmanns“ als Makel empfunden wird, den es im Interesse der Reputation zu vermeiden gilt. Gegen einen Wertungsgleichklang kann nicht eingewandt werden, dass §  138 Abs.  1 BGB anders als die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen ein subjektives Unwerturteil im Sinne einer „verwerflichen Gesinnung“ verlange.71 Wie Christian Armbrüster überzeugend herausstellt, ist die negative subjektive Gesinnung bei §  138 Abs.  1 BGB kein notwendiges, wenn auch ein zu Lasten des Normadressaten zu berücksichtigendes Tatbestandsmerkmal; 72 denn bei Verstößen gegen wirtschaftsrechtliche Verbotsnormen steht – wie wir oben gesehen haben – ein objektiv zu missbilligendes Verhalten im Zentrum der Kontrolle. Versteht man §  138 Abs.  1 BGB insoweit wertungsharmonisierend als Gefährdungstatbestand für die materiale Selbstbestimmung der Vertrags-

68 

Reuter, ZGR 1987, 489, 497. Mestmäcker, AcP 168 (1968), 236, 254 f.; Reuter, ZGR 1987, 489, 497 f. 70  Raiser, in: Summum ius, summa iniuria, S.  145 ff. 71  RG v. 13.3.1936 – V 184/35, RGZ 150, 1; BGH v. 28.5.1976 – V ZR 170/74, WM 1976, 926, 927. 72 MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  129 f. 69 

822 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften parteien,73 kann bereits der Versuch, seinen Vertragspartner aufgrund einer tatsächlich oder künstlich geschaffenen Machtposition zu übervorteilen, tatbestandsmäßig sein.74

IV. Rechtsfolgen §  138 Abs.  1 BGB verbietet Rechtsgeschäfte, die wegen ihres Inhalts sittenwidrig sind. Insoweit überschneiden sich die Anwendungsbereiche von §  134 BGB und §  138 BGB.75 Das Verhältnis von §  134 BGB zu §  138 BGB ist freilich umstritten, da §  138 Abs.  1 BGB im Rahmen der Rechtsfolgen anders als §  134 BGB keinen Normzweckvorbehalt enthält.76 Hiernach könnte ein Vertrag, der nach §  134 BGB lediglich teilnichtig ist, aus denselben Gründen nach §  138 Abs.  1 BGB als gesamtnichtig anzusehen sein, was den Normzweckvorbehalt des §  134 BGB leer laufen lassen würde. Gleichwohl will eine Ansicht beide Tatbestände aufgrund ihrer vermeintlich unterschiedlichen Funktion nebeneinander anwenden.77 Erfüllt ein Rechtsgeschäft ein Strafgesetz oder einen Ordnungswidrigkeitentatbestand, soll §  138 Abs.   1 BGB nach einer weiteren Ansicht aufgrund seiner lückenfüllenden Funktion hinter §  134 BGB zurücktreten.78 Die Lösung dieser Streitfrage hängt davon ab, ob man §  138 Abs.  1 BGB ebenso wie §  134 BGB um einen – ungeschriebenen – Normzweckvorbehalt ergänzt oder nicht.79 Im erstgenannten Fall könnten beide Vorschriften nebeneinander angewandt werden. Im letztgenannten Fall bestünde die Gefahr eines Wertungswiderspruchs, sofern ein Rechtsgeschäft, das wegen des Normzweckvorbehalts von §  134 BGB als (teilun-)wirksam gilt, zugleich gegen die guten Sitten verstößt und damit insgesamt unwirksam wäre. Anerkennt man die Funktion des §  138 Abs.  1 BGB als Bindeglied zwischen Vertrags- und Wettbewerbsordnung, sind auch die dort entwickelten Grundsätze zu den Rechtsfolgen einer Wettbewerbsbeschränkung auf ihn zu übertragen.80 Ein Verstoß gegen die Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts führt also in Umkehrung der Wertung des §  139 BGB nicht zur Gesamtnichtigkeit, sondern nur zur Teilnichtigkeit der entsprechenden Vertragsklausel. 81 Die dadurch entstandene Vertragslücke ist durch ergänzende Vertragsauslegung 73 

Siehe dazu schon Teil 5 C. II. 1. c). §  138 BGB Rn.  130, Onlineaktualisierung v. 1.3.2012. 75 Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 BGB Rn.  2. 76  Säcker/Mohr, BGB-AT, S.  286. 77  BGH v. 12.1.1970 – VII ZR 48/68, NJW 1970, 609, 611. 78  BGH v. 18.11.1982 – III ZR 61/81, NJW 1983, 868, 869 f.; MünchKommBGB/Armbrüster, §  138 BGB Rn.  42. 79  So – bejahend – Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 BGB Rn.  110 ff., insb. Rn.  112. 80  Siehe oben Teil 9 D. VII. 81 Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 BGB Rn.  128: „quantitative Teilnichtigkeit“. 74 MünchKommBGB/Armbrüster,

C. Kontrolle einseitiger Gestaltungsmacht gem. §  315 Abs.  3 BGB

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am Maßstab beidseitig material-chancengleicher Selbstbestimmung zu schließen.82 Gesucht wird mit anderen Worten auch nach §  138 Abs.  1 BGB ein angemessener, billiger Interessenausgleich, nicht lediglich eine Reduktion auf das geradenoch zulässige Maß. Andererseits kommen im Rahmen des §  138 Abs.  1 BGB keine generalpräventiven Aspekte zum Tragen, da die gebotene Abschreckung bereits durch die Tatbestände gegen Wettbewerbsbeschränkungen und deren differenzierte Rechtsfolgen bewirkt wird. Zusätzlich können öffentlich-rechtliche Sanktionen wie Abstellungsverfügungen und Geldbußen erlassen werden. Auch eine Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörden nach §  34 GWB83 sowie eine Rückerstattungsanordnung nach §  32 Abs.  2a GWB ist möglich, wobei unter teleologischen Gesichtspunkten Letztere vorzugswürdig ist, da sie den Vermögensinteressen der geschützten Marktteilnehmer zugutekommt.

C. Kontrolle einseitiger Gestaltungsmacht gem. §  315 Abs.  3 BGB am Beispiel von Energiepreisen Auch im Verhältnis zwischen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle direkt oder analog §  315 Abs.  3 BGB und den Vorgaben des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts besteht ein inhaltlicher Gleichklang der materiellen Kontrollmaßstäbe. 84 §  315 Abs.  3 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass die Richtigkeitschance des vertraglichen Einigungsprozesses gestört ist, wenn eine Partei ein vertraglich eingeräumtes Recht zur Bestimmung des Vertragsinhalts hat.85 Zur Kompensation der fehlenden Zustimmung des Vertragspartners zum späteren Inhalt der Leistungsbestimmung greift deshalb eine gerichtliche Billigkeitskontrolle. 86 Anders als die wettbewerbsrechtliche Preiskontrolle knüpft §  315 Abs.  3 BGB in direkter Anwendung nicht an eine tatsächlich bestehende oder künstlich geschaffene Machtposition an. Gleichwohl verfolgt die Vorschrift dasselbe Ziel, einseitige Preissetzungsspielräume eines überlegenen Vertragspartners wirksam zu kontrollieren. 87 §  315 Abs.  3 BGB dient damit der Sicherung material-faktischer Vertragsfreiheit vor einer unangemessenen Ausbeutung. Die Anwendungsbereiche zwischen der wettbewerbsrechtlichen und der privatrechtlichen Preiskontrolle können sich überschneiden (Idealkonkur82 

Säcker, ZWeR 2008, 348, 352. Alexander, Schadensersatz und Abschöpfung, S.  437 ff. 84  Säcker, ZNER 2007, 114, 115; Wielsch, JZ 2008, 68, 70; a. A. Baur/Henk-Merten, Entgeltfindung unter Kontrahierungszwang, S.  28 f.; BerlKommEnR/Mohr, §  29 GWB Rn.  45 ff. 85  Säcker, RdE 2006, 65, 68; siehe auch Bachmann, Private Ordnung, S.  217. 86 Staudinger/Rieble, §  315 BGB Rn.  32; Erman/Hager, §  315 BGB Rn.  1; MünchKomm­ BGB/Würdinger, §  315 BGB Rn.  4. 87  Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1869. 83 Siehe

824 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften renz).88 Aus diesem Grunde benötigen beide Kontrollarten einen praktikablen und systemkonformen Maßstab zum Schutz der einseitiger Preissetzungsmacht ausgelieferten Partei.89 Ein solcher liegt im wettbewerbsanalogen Preis begründet.

I. Billigkeitskontrolle von Energiepreisen 1. Problemstellung Für AGB hat die Billigkeitskontrolle des §  315 Abs.  3 BGB ihre praktische Relevanz verloren, da der Gesetzgeber mit §  9 AGBG a. F.90 und jetzt mit den §§  307 ff. BGB eine normative Grundlage für eine Inhaltskontrolle von Preisanpassungsklauseln anhand des übereinstimmenden Maßstabs der Angemessenheit geschaffen hat. Nach zivilistischem Verständnis hat das Kriterium der Angemessenheit in §  307 BGB seine Grundlage nicht in ökonomischen Effizienz­ erwägungen, wie dies zuweilen behauptet wird,91 sondern in einem Verständnis des Vertrages als Instrument beiderseitig materialer Selbstbestimmung.92 Eine ökonomische Analyse kann aber dazu beitragen, diejenigen Situationen zu ermitteln, die einer rechtlichen Überprüfung und Korrektur bedürfen.93 Sie kann diesen Maßstab jedoch nicht durch eine Interessenabwägung anhand allgemeiner Wohlfahrtsgesichtspunkte ersetzen; denn auch wenn eine Person vielleicht der (wohlfahrtsökonomisch gesehen) „cheaptest cost avoider“ sein mag,94 kann sie durch eine vertragliche Regelung doch unangemessen in ihrer Selbstbestimmung beeinträchtigt sein. Das Wettbewerbsrecht trägt dieser Erkenntnis durch die Unterscheidung des Tatbestands wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen in Art.  101 Abs.  1 AEUV (Schutz materialer Freiheit) und Art.  101 Abs.  3 AEUV (ausnahmsweise Zulässigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen aufgrund wohlfahrtsökonomischer Effizienzwirkungen) Rechnung. Demgegenüber ist §  315 BGB für die zivilrechtliche Kontrolle von Energiepreisen immer noch bedeutsam,95 und zwar sowohl im Rahmen seiner unmittelbaren Anwendung bei Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung als auch analog als 88  Insbesondere die analoge Anwendung des §  315 Abs.  3 BGB auf wirtschaftliche Machtpositionen umfasst Sachverhalte, die wir oben im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen Folgevertragsproblematik behandelt haben. 89  Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1869. 90 Vgl. das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen v. 9.12.1976, BGBl. I, 3317. 91  Vgl. etwa MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 BGB Rn.  40 ff. 92  Säcker, ZWeR 2008, 348, 359. 93  Es gilt insoweit Vergleichbares wie zum „more economic approach“; siehe oben Teil 5 B. 94 MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 BGB Rn.  42. 95  Die Energiepreise sind – anders als die Netzentgelte – nicht (mehr) sektorspezifisch reguliert, sondern unterfallen der allgemeinen „Preiskontrolle“ nach Wettbewerbs- und Privatrecht; vgl. Markert, in: FS Säcker, 2011, S.  845 ff.

C. Kontrolle einseitiger Gestaltungsmacht gem. §  315 Abs.  3 BGB

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Monopolpreiskontrolle.96 Dies basiert zum einen auf dem Umstand, dass die AGB-Inhaltskontrolle die eigentlichen Hauptleistungspflichten – also nicht Nebenabreden wie Preisanpassungsklauseln97 – kontrollfrei stellt, zum anderen auf den schon beschriebenen rechtspraktischen Defiziten der wettbewerbsrechtlichen Preiskontrolle.98 2. Preiskontrolle direkt/analog §  315 Abs.  3 BGB Energielieferverträge enthalten im Zeitpunkt ihres Abschlusses regelmäßig eine feste Preisregelung, etwa in Form eines Verweises auf ein aktuelles Preisblatt. Da es sich um Dauerschuldverhältnisse handelt, besteht das sachlich unabweisbare Erfordernis, den Preis an veränderte Gegebenheiten anpassen zu können; denn dieser kann nur in Abhängigkeit von Beschaffungspreisen, Knappheitssituationen, öffentlichen (Konzessions-)Abgaben oder Umweltauflagen kalkuliert werden.99 Es entspricht deshalb dem wohlverstandenen Interesse beider Vertragspartner, dass langfristige Energielieferverträge Preisanpassungsklauseln enthalten, auf deren Grundlage die Leistungen an veränderte Gegebenheiten angepasst werden können, sei es durch eine Preisanhebung oder durch eine Preissenkung.100 Entsprechende Klauseln können auf Indizes oder auf das jeweils aktuelle Preisblatt des Versorgers Bezug nehmen, das nach einem im Voraus festgelegten Modus zu berechnen ist.101 Im Hinblick auf die rechtliche Überprüfung der Energiepreise unterscheidet der VIII. Zivilsenat des BGH zwischen dem Anfangspreis, bei dem eine direkte Anwendung des §  315 Abs.  3 BGB schon bei einer formal-privatautonomen Vereinbarung ausscheiden soll, und der Kontrolle späterer Anpassungen der Preise durch das Versorgungsunternehmen.102 Folge dieser Sichtweise ist eine gespal96 Dazu

Büdenbender, Fernwärmepreise, S.  13. Qualifizierung von Preisanpassungsklauseln als Preisnebenabreden BGH v. 15.7.2009 – VIII ZR 225/07, BGHZ 182, 59 Rn.  18; BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993 Rn.  22; BGH v. 14.7.2010 – VIII ZR 246/08, NJW 2011, 50 Rn.  29. 98  Beispiele: Einschränkung der materiellen Tatbestände durch Spürbarkeits- und Erheblichkeitserfordernisse, Anwendung eines Vollkosten- anstatt eines Effizienzkostenansatzes, keine Erstreckung auf Folgeverträge, Verzicht auf Beweiserleichterungen. 99  Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1861. 100 So Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1861. 101  Strohe, NZM 2007, 871, 872. 102  BGH v. 28.3.2007 – VIII ZR 144/06, NJW 2007, 1672 (Strom); BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 36/06, NJW 2007, 2540 (Gas). Anders der BGH-Kartellsenat, vgl. BGH v. 18.10.2005 – KZR 36/04, NJW 2006, 684 –Stromnetznutzungsentgelt I (MVV) mit Anm. Säcker, RdE 2006, 65 ff. Hiernach soll §  315 BGB nicht nur auf später geänderte Entgelte anwendbar sein, sondern auch auf anfänglich vereinbarte Netzentgelte. Die Entscheidung ließ allerdings offen, ob §  315 BGB auf die anfänglichen Entgelte direkt oder analog anzuwenden sein sollte (dazu Markert, ZNER 2006, 138). Mit zwei Urteilen vom 7.2.2006 erachtete der Kartellsenat des BGH §  315 BGB ebenfalls für anwendbar, wenn die Netznutzung begonnen wird, ohne dass eine Einigung über die Höhe der Netzentgelte vorliegt. Die Lücke, die der Vertrag hinsicht97 Zur

826 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften tene Anwendung des §  315 BGB analog auf den Anfangspreis, sofern die Voraussetzungen der Monopolpreiskontrolle vorliegen, und direkt auf spätere Preis­erhöhungen.103 Darauf werden wir noch zurückkommen. 3. AGB-Kontrolle von Preisanpassungsklauseln in Sonderverträgen Die Auseinandersetzungen zwischen Versorgungsunternehmen und Kunden verlagern sich zunehmend auf die Inhaltskontrolle der in den AGB für Sonderkunden enthaltenen Preisanpassungsklauseln nach §  307 Abs.  1 BGB; 104 denn anders als bei Tarif- bzw. Grundversorgungskunden105 gelten die gesetzlichen Preisanpassungsklauseln für Sondervertragskunden gem. §   5 Abs.   2 Strom­ GVV/GasGVV nicht zwingend,106 sondern müssen vertraglich vereinbart werden. Insoweit greift eine der Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts nach §  315 Abs.  3 BGB vorgelagerte Prüfung, ob eine Anpassungsklausel überhaupt AGB-wirksam vereinbart ist. Darüber hinaus müssen Preisanpassungsklauseln als Nebenabreden der Inhaltskontrolle nach §  307 Abs.  1 und 2 BGB genügen.107 Der BGH leitete früher aus der ratio des §  310 Abs.  2 BGB, wonach ein Schutz der Sonderkunden über den gesetzlich vorgesehenen Schutz für Tarifkunden (StromGVV/GasGVV) hinaus nicht erforderlich sei, eine Leitbildfunktion der GVV-Regelungen für alle Energielieferverträge mit Verbrauchern ab, also auch für Verträge mit Sondervertragskunden, die auf die Auslegung des §  307 BGB ausstrahlen sollte. Aus diesem Grunde sah er Energielieferverträge mit Sondervertragskunden, die wortgleich die GVV-Vorschriften übernahmen, als vereinbar mit der AGB-Inhaltskontrolle an.108 Demgegenüber hat der EuGH entschieden, dass eine Preisanpassungsklausel in einem Sondervertrag auch dann, wenn die entsprechenden Regelungen wortgleich aus den GVVen übernommen wurden, wegen der unterschiedlich strukturierten Verträge – einerseits privat­ lich der Regelung der Netzentgelte aufweise, sei am besten über ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht für den Netzbetreiber zu schließen, welches der Billigkeitskontrolle nach §  315 BGB unterliege; vgl. BGH v. 7.2.2006 – KZR 8/05, NJW 2006, 915 – Stromnetznutzungsentgelt II. 103  Strohe, NZM 2007, 871, 872. 104  BGH v. 17.12.2008 – VIII ZR 274/06, NJW 2009, 578 – Regionalgas Euskirchen; Markert, in: FS Säcker, 2011, S.  845. 105  Tarifkunden i. S. der bis zum Jahr 2006 geltenden AVBEltV/AVBGasV bzw. Grundversorgungskunden im Sinne des §  36 EnWG i. V. mit der StromGVV/GasGVV; siehe die Stromgrundversorgungsverordnung (StromGVV) v. 26.10.2006, BGBl. I S.  2391; Gasgrundversorgungsverordnung (GasGVV) v. 26.10.2006, BGBl. I, S.  2391. 106  Büdenbender, NJW 2009, 3125, 3126; Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  150 und 152; siehe zur unionsrechtlichen Transparenzkontrolle auch der gesetzlichen Preis­ erhöhungsregelungen in den GVVen gem. Art.  3 Abs.  3 RL 2009/72/EG Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1866; Markert, ZNER 2013, 257, 258. 107  Dazu ausführlich Markert, in: FS Säcker, 2011, S.  845, 854 ff. 108  BGH v. 15.7.2009 – VIII ZR 56/08, NJW 2009, 2667 – Gasag I, LS 2.

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autonom vereinbarte Sonderkundenverträge, andererseits zwar zivilrechtliche, aber gesetzlich vorstrukturierte Grundversorgungsverträge109 – nicht von der AGB-Missbrauchs- und Transparenzkontrolle gem. der RL 93/13/EG freigestellt sei.110 Die Anwendung der AGB-Kontrolle ist insbesondere für die Rechtsfolgen relevant, da §  306 Abs.  1 und 2 BGB beim Verstoß einer Klausel gegen die Regeln der AGB-Kontrolle von deren Unwirksamkeit ausgehen. Eine geltungserhaltende Reduktion ist insoweit ebenso unzulässig wie eine ergänzende lückenschließende Vertragsauslegung.111 Kritisch zu würdigen ist deshalb die vom BGH zwischenzeitlich gewählte Fristenlösung, wonach der bei Nichtigkeit einer Preisanpassungsklausel gem. §  812 Abs.  1 BGB bestehende Rückforderungsanspruch des Kunden auf drei Jahre begrenzt und auf der Grundlage der vor drei Jahren geforderten Preise berechnet werden sollte.112 Eine Anpassung ist jedoch – sofern ein Vertrag vom Versorger infolge der Nichtigkeit der Klausel ausnahmsweise nicht erfüllt werden kann – nach §  306 Abs.  3 BGB in Verbindung mit den gesetzlich normierten Regelungen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu erwägen.113 Wir müssen diese Fragen hier nicht weiter behandeln, sondern wenden uns der Preiskontrolle direkt und analog §  315 Abs.  3 BGB zu.

II. Gleichklang der Kontrollmaßstäbe und -methoden 1. Monopolpreiskontrolle Die materiellen Parallelen zwischen der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle nach §  315 Abs.  3 BGB und der wettbewerbsrechtlichen Missbrauchskontrolle gem. den §§  19 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB werden besonders deutlich bei der sog. Monopolpreiskontrolle,114 auch wenn diese im Energiesektor aufgrund fehlender marktbeherrschender Stellungen der lokalen Energieversorger mittlerweile nur noch eine begrenzte praktische Relevanz hat.115 Hiernach ist §  315 Abs.  3 BGB analog auf Fallkonstellationen anzuwenden, in denen der Verhandlungsmechanismus nicht rechtlich, sondern faktisch aufgrund der Marktmacht 109 

Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht, S.  154. EuGH v. 21.3.2013 – Rs. C-92/11, BB 2013, 852 – RWE Vertrieb; dazu Säcker/Mengering, BB 2013, 1859 ff. 111  EuGH v. 15.3.2012 − Rs. C-453/10, NJW 2012, 1781 Rn.  30 – Perenicˇová und Perenicˇ; EuGH v. 14.6.2012 − Rs. C-618/10, NJW 2012, 2257 Rn.  62 f. – Banco Español de Crédito SA. 112  BGH v. 14.3.2012 – VIII ZR 113/11, BGHZ 192, 372; wie hier Markert, ZNER 2013, 257. 113 Dazu Säcker/Mengering, BB 2013, 1859, 1862 ff., wobei eine solche Situation in der Rechtswirklichkeit derzeit wohl nicht anzutreffen ist. 114  Büdenbender, Fernwärmepreise, S.  13; Kronke, AcP 183 (1983), 113, 141. 115 Vgl. zur Marktabgrenzung im Energiesektor BerlKommEnR/Mohr, §   29 GWB Rn.  71 ff. 110 

828 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften eines Vertragspartners aufgehoben ist.116 In beiden Fallgestaltungen geht es somit um die Kontrolle von privaten Machtpositionen, seien sie vertraglich eingeräumt oder faktisch begründet. Zugleich handelt es sich um Folgeverträge im wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Sinne. Aus diesem Grunde wäre es wertungswidersprüchlich, wollte man hier unterschiedliche Kontrollmaßstäbe zur Anwendung bringen. Denn die wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe sind letztlich nur sondergesetzliche Ausprägungen der allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätze von Angemessenheit und Billigkeit.117 Da es sich bei §  315 BGB um eine vertragsrechtliche Norm handelt, wohingegen die §§  19 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB sonderdeliktsrechtliche, wenn auch zugleich Verbotsgesetze i. S. des §  134 BGB darstellende Regelungen sind, wird die analoge Anwendung des §  315 Abs.  3 BGB bei einem einseitig-faktischen Leistungsbestimmungsrecht auch nicht durch die wettbewerbsrechtliche Preiskontrolle verdrängt.118 Eine analoge Anwendung des §  315 Abs.  3 BGB ist aber nicht notwendig, wenn ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht vorliegt. In diesem Fall kann §  315 Abs.  3 BGB unmittelbar angewandt werden.119 2. Kontrolle rechtlicher Bestimmungsmacht Auch im unmittelbaren Anwendungsbereich des §  315 Abs.  3 BGB ist von einem Gleichklang der Bewertungsmaßstäbe zwischen privatrechtlicher Billigkeitskontrolle und wettbewerbsrechtlicher Preishöhenkontrolle auszugehen. Dies hat der BGH in seiner Entscheidung „Stromnetznutzungsentgelt V“ zum Verhältnis zwischen Billigkeits- und Ex-ante-Preiskontrolle zu Recht klargestellt.120 Der Gleichklang der Bewertungsmaßstäbe folgt aus der Ausgestaltung der §§  19, 29 GWB als gesetzliche Verbote im Sinne des §  134 BGB bzw. aus den entsprechenden regulierungsrechtlichen Schutz- und Verbotsgesetzen. Hiernach begründet eine missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht, die sich in antikompetitiv überhöhten Preisen äußert, nicht nur Ansprüche auf deliktischen Schadensersatz, sondern auch die Teilnichtigkeit der überhöhten Preisab116  BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 36/06, NJW 2007, 2540 Rn.  33 (für den Bereich der Gasversorgung); BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189 (Entgelte für die Benutzung der Eisenbahninfrastruktur). Siehe zur Fortgeltung der Monopolpreiskontrolle analog §  315 Abs.  3 BGB trotz §  29 GWB aufgrund der – vermeintlich – unterschiedlichen Verteilung der Beweislast und der unterschiedlichen Rechtsfolgen Metzger, ZHR 172 (2008), 458, 472 ff.; Büdenbender, Preiskontrolle von Fernwärmeverträgen nach §  315 BGB, S.  62; ders., Fernwärmepreise, S.  13 f. 117  Ebenso zum Eisenbahnregulierungsrecht Otte, LMK 2012, 327729. 118  Säcker, RdE 2006, 65, 70; BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 36/36, RdE 2007, 258, 260 Rn.  18. A. A. die sog. Verdrängungsthese von Ehricke, JZ 2005, 599; Kühne, RdE 2005, 241 ff. 119  Otte, LMK 2012, 327729. 120  Siehe BGH v. 15.5.2012 – EnZR 105/10, NJW 2012, 3092 Rn.  36 – Stromnetznutzungsentgelt V.

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rede, die durch ergänzende Vertragsauslegung auf ein angemessenes wettbewerbsanaloges Niveau zurückzuführen ist. Ein unterschiedlicher Wertungsmaßstab kann auch nicht aus dem Schutz­ zweck der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen abgeleitet werden; 121 denn diese schützen ebenso wie §  315 GWB primär die individuellen Marktteilnehmer vor einer Ausbeutung aufgrund privater Machtstellungen.122 Nur ausnahmsweise werden Wettbewerbsbeschränkungen aus überindividuell-objektiven Gründen erlaubt, wenn diese im langfristigen Wohl aller Verbraucher liegen und den Wettbewerb auf dem relevanten Markt nicht nachhaltig schädigen (Paradigma: Art.  101 Abs.  3 AEUV). In diesem Fall liegt auch nach allgemeinem Privatrecht keine unangemessene bzw. unbillige Beeinträchtigung der individuellen Selbstbestimmung vor; denn was das Wettbewerbsrecht erlaubt, kann das Privatrecht nur noch aus anderen Gesichtspunkten untersagen.123 3. Keine Unterscheidung zwischen Anfangspreis und Preiserhöhungen Allerdings soll §  315 Abs.  3 BGB nach der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats des BGH nicht auf den vereinbarten Anfangspreis, sondern nur auf spätere Preiserhöhungen anwendbar sein.124 Eine Preisanpassungsklausel muss hiernach (nur) das vertragliche Äquivalenzverhältnis wahren und darf dem Verwender nicht die Möglichkeit geben, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.125 Eine solche Sichtweise schließt eine Als-ob-Wettbewerbsbetrachtung weitgehend aus, da sie das ggf. überhöhte Ausgangspreisniveau als Maßstab für die späteren Preiserhöhungen hinnimmt. Dies verkennt die oben herausgearbeiteten inneren Voraussetzungen einer vertraglichen Einigung. Hiernach ist entscheidend, ob beide Vertragsparteien die Chance auf einen selbstbestimmten Vertragsschluss hatten. An diesem Maßstab müssen sich auch die Anfangspreise im Sinne der Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats messen lassen. Entscheidend ist, ob die Preise durch einen von Selbstbestimmung getragenen Konsens der Parteien festgelegt oder faktisch einseitig vorgegeben wurden, zum Beispiel durch Verweis auf ein Preisblatt.126 121  So aber für die Eisenbahnregulierung BGH v. 18.10.2011 – KZR 18/10, NVwZ 2012, 189, 190 f. Rn.  17; dagegen Otte, LMK 2012, 327729. 122  A. A. mit Blick auf Energie-Netzentgelte Kling, ZHR 177 (2013), 90, 127. 123  Otte, LMK 2012, 327729. 124  BGH v. 28.3.2007 – VIII ZR 144/06, NJW 2007, 1672 (Strom); BGH v. 13.6.2007 – VIII ZR 36/06, NJW 2007, 2540 (Gas). 125  BGH v. 28.10.2009 – VIII ZR 320/07, NJW 2010, 993 Rn.  25. 126  Im letztgenannten Fall sieht der Kartellsenat des BGH die Anwendung des §  315 BGB eröffnet, da es ansonsten zu einer künstlichen Aufspaltung eines von Vertragsbeginn an geltenden Mechanismus komme; vgl. BGH v. 18.10.2005 – KZR 36/04, NJW 2006, 684, 685 Rn.  10; zust. Wielsch, JZ 2008, 68 f.; a. A. auf der Grundlage einer nicht überzeugenden formalen Betrachtung BGH v. 28.3.2007 – VIII ZR 144/06, NJW 2007, 1672, 1674 Rn.  17; siehe auch die Darstellung bei Markert, in: FS Säcker, 2011, S.  845 ff.

830 Teil 10:  Wertungsharmonisierende Interpretation der Preiskontrollvorschriften Sofern man in diesen Fallkonstellationen §  315 Abs.  3 BGB nicht zur Anwendung bringen will, ist der Anfangspreis jedenfalls nach §  138 Abs.  1 BGB einer rechtlichen Kontrolle zu unterziehen, wofür keine anderen Maßstäbe und Methoden als bei §  315 BGB gelten.127 4. Kontrollmethoden Ebenso wie bei den §§  19, 29 GWB gibt es auch bei §  315 BGB verschiedene Methoden zur Ermittlung des Als-ob-Wettbewerbspreises. Möglich ist etwa eine Vergleichsmarktbetrachtung, sofern die in Rede stehende Leistung in einer Wettbewerbssituation erbracht wird.128 Fehlt es – wie dies zum Beispiel bei der Versorgung von Haushaltskunden mit Energie der Fall sein kann – an einer derartigen Wettbewerbssituation, kann der wettbewerbsanaloge Preis auf der Grundlage einer internen Kostenkontrolle ermittelt werden. Danach muss das Entgelt den Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung zuzüglich einer angemessenen Verzinsung entsprechen.129 Zum Nachweis hat das Versorgungsunternehmen unter angemessener Berücksichtigung seiner Geschäftsgeheimnisse seine Kalkulation offen zu legen.130 Das entspricht inhaltlich dem Effizienzkosten- und Gewinnspannenbegrenzungskonzept des §  29 Satz 1 Nr.  2 GWB.131 5. Darlegungs- und Beweislast Die zivilrechtliche Billigkeitskontrolle des §  315 BGB unterscheidet sich in ihrer Anwendung durch die Rechtsprechung von der wettbewerbs- und regulierungsrechtlichen Verhaltenskontrolle vor allem im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast. Während bei §  315 BGB die rechtlich oder im Rahmen der sog. Monopolpreiskontrolle faktisch preisbestimmende Partei grundsätzlich die volle Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit des geforderten Prei-

127 

II. 5.

Das gilt auch für die noch zu behandelnde Darlegungs- und Beweislast; siehe Teil 10 C.

128  Wielsch, JZ 2008, 68, 71; Fitzner/Klinger, N&R 2007, 167, 168; Lohse, in: FS Kreutz, 2010, S.  715, 732 mit Fn.  142; Langen/Bunte/Lücke, §  29 GWB Rn.  54. Die Anwendung des Vergleichsmarktkonzepts gem. §  19 Abs.  2 Nr.  2 Hs.  2 GWB wird vom VIII. Zivilsenat des BGH nicht grundsätzlich, aber fallbezogen aufgrund der vermeintlich nicht gegebenen praktischen Handhabbarkeit abgelehnt, vgl. BGH v. 19.11.2008 – VIII ZR 138/07, RdE 2009, 54, 60 Rn.  48 ff.; siehe auch Dreher, ZNER 2007, 103, 110. In solchen Fällen kann das in §  29 Satz 1 Nr.  2 GWB normierte Gewinnspannenkonzept zur Konkretisierung der „Billigkeit“ herangezogen werden, vgl. Dreher, a. a. O., 113; zu §  19 Abs.  2 Nr.  4 GWB a.F. auch Markert, RdE 2009, 60, 62 f. 129 Langen/Bunte/Lücke, §  29 GWB Rn.  5 4. 130  Zu den sich daraus ergebenden Problemen siehe Säcker, RdE 2006, 65, 72 f. 131 Ebenso Wielsch, JZ 2008, 68, 70 f.

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ses trägt,132 muss im Wettbewerbs- und Regulierungrecht der Geschädigte die von ihm behauptete Missbräuchlichkeit des Verhaltens des Normadressaten beweisen.133 Den Beklagten trifft hier aber eine sekundäre Darlegungslast, wenn der Anspruchsteller die relevanten Kostengrößen und Gewinnmargen nicht kennen kann. Nur eine solche Interpretation gewährleistet, dass die wettbewerbs- und regulierungsrechtliche Missbrauchskontrolle ihrer durch die Ausgestaltung als gesetzliches Verbot verdeutlichten Aufgabe gerecht werden kann, einen wirksamen Individualschutz zu gewährleisten.134

132  BGH v. 18.10.2005 – KZR 36/04, NJW 2006, 684, 686 Rn.  19; Säcker, RdE 2006, 65, 70 f. Etwas anderes gilt – wie oben gesehen –für die Netzkosten; siehe Teil 9 D. VIII. 1. 133 Langen/Bunte/Lücke, §   29 GWB Rn.  5; Bechtold, §  29 GWB Rn.  2; Beckmerhagen/ Stadler, ET 1+2/2007, 115, 123 f. 134  Ein den Erlass einer Auskunftsverfügung i. S. des §  59 Abs.  1 Nr.  1 GWB rechtfertigender Anfangsverdacht liegt bei Anwendung des §  19 Abs.  1, Abs.  2 Nr.  2 GWB in einer „sehr großen Abweichung“ von den Vergleichstarifen anderer Unternehmen; vgl. OLG Düsseldorf v. 20.5.2010 – VI-2 Kart 9/09, BeckRS 2010, 18157, unter 2.4.

Teil 11

Wesentliche Ergebnisse 1. Das Privatrecht basiert auf der Idee individueller Selbstbestimmung. Diese findet ihren zentralen rechtlichen Ausdruck im Grundsatz der Privatautonomie, der den Bürgern die Befugnis einräumt, ihre Rechtsverhältnisse grundsätzlich nach dem eigenen Willen zu gestalten. In einer arbeitsteiligen Wirtschaftsordnung vollzieht sich der Erwerb von Gütern allerdings zumeist nicht durch eigene Arbeit, sondern durch den Abschluss von Austauschverträgen mit anderen Bürgern. Dies begründet die Notwendigkeit, konfligierende Interessen in einen sachgerechten, der Idee beidseitiger Selbstbestimmung verpflichteten Ausgleich zu bringen. Demgemäß kann der Grundsatz der Vertragsfreiheit nach seiner inneren Funktion nicht der formal-individuellen Selbstverwirklichung einer Vertragspartei dienen, sondern muss dazu beitragen, die beidseitigen Freiheitssphären in einen „angemessenen“, „billigen“, „kompetitiven“ Ausgleich zu bringen. Die Vertragsfreiheit ist bei einem solchen Verständnis kein Instrument zur rechtlichen oder faktischen Ausbeutung von Marktteilnehmern durch wirtschaftlich, intellektuell oder situativ mächtige Privatrechtssubjekte, sondern ein solches zur material-chancengleichen Selbstverwirklichung. 2. Die chancensichernde und machtbegrenzende innere Funktion des Vertrages kann durch Gemeinwohlerwägungen überlagert sein, die den Interessen einer Vertragspartei einen normativ gesicherten Vorrang vor denjenigen der anderen Partei einräumen. Im Vertragsrecht werden derartige Modifizierungen des individuellen Interessenausgleichs zuweilen damit gerechtfertigt, dass Verträge einem übergeordneten Gerechtigkeitsideal verpflichtet seien, wobei sich dieses Ideal bei näherem Hinsehen oft nur als Chiffre für ein bestimmtes rechtspolitisches Sozialmodell entpuppt. Im Rahmen wirtschaftlicher Sachverhalte wird eine staatliche Einflussnahme auf individuelle Vertragsrechtsbeziehungen auch damit begründet, dass die Leistung einer Vertragspartei im allgemeinen 106 wirtschaftlichen Interesse liege oder zur Daseinsvorsorge gehöre (Art.   Abs.  2 AEUV). Auch Aspekte wie ein Institutionenschutz oder die Rechts­ sicherheit werden zur Begrenzung individueller Rechte herangezogen. Das zentrale ökonomische Argument für die Einschränkung privatautonomer ­ Handlungsbefugnisse ist schließlich die Beförderung der allgemeinen oder ab­ strakt-verbraucherbezogenen Wohlfahrt (Art.  101 Abs.  3 AEUV). Aus zivilistischer Sicht können all diese überindividuell-objektiven Gesichtspunkte dazu herangezogen werden, private Sonderinteressen und die daraus resultierenden

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wirtschaftlichen Machtpositionen zu Lasten anderer Marktteilnehmer zu legitimieren. Sie sind deshalb kritisch auf ihre sachliche Rechtfertigung zu hinterfragen. Diese bestimmt sich nach der Wirtschaftsverfassung und den diese ausformenden Vorschriften. 3. Die Europäische Union basiert auf der auch für ihre Mitgliedstaaten verbindlichen Wirtschaftsverfassung der sozialen Marktwirtschaft. Diese statuiert im wirtschaftlichen Bereich einen Vorrang des individuellen Interessenausgleichs vor einer überindividuell-objektiven Marktsteuerung. Die Systemgarantie für eine freiheitliche Marktwirtschaft ergibt sich de lege lata aus der Verbürgung eines Systems unverfälschten Wettbewerbs, wie es im Protokoll Nr.  27 zum AEU-Vertrag über den Binnenmarkt und den Wettbewerb normiert ist. Eingriffe in dieses System bedürfen deshalb einer Rechtfertigung durch ausreichend gewichtige Gemeinwohlbelange und müssen zudem verhältnismäßig sein. Das ist etwa der Fall, wenn die Einschränkung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit einzelner Marktteilnehmer dem dauerhaften Wohl aller Verbraucher dient und den freien Wettbewerbsprozess auf dem betreffenden Markt nicht vollständig eliminiert, wie dies Art.  101 Abs.  3 AEUV als Freistellungsnorm für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen verallgemeinerungsfähig normiert. 4. Bei Verträgen über Massengüter ist eine wesentliche Voraussetzung material-chancengleicher Vertragsfreiheit die Sicherung des Wettbewerbs auf der Marktgegenseite durch das allgemeine Wettbewerbsrecht sowie die wettbewerbsanaloge Regulierung der Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen. Nach ihrer Zielsetzung haben die dort normierten Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen einen rechtstatsächlichen und einen normativen Bezug auf das System des Privatrechts und damit gleichsam „dienenden Charakter“ (Mestmäcker). So entsteht ein wirtschaftlicher Wettbewerb nicht durch staatliche Planung, sondern durch den Gebrauch privatrechtlicher Handlungsfreiheiten, die wiederum die Wettbewerbsprozesse in Gang setzen und in Gang halten. Die sich aus diesen Prozessen herausbildenden Marktpreise dienen als „Signalsystem“ für die Koordinierung individueller rechtsgeschäftlicher Freiheiten (Eucken). Die Marktpreise können ihre systemrelevante Aufgabe jedoch nur dann erfüllen, wenn die Rechtsordnung den Wettbewerb wirksam vor Verfälschungen schützt. Hierzu dienen de lege lata die Vorschriften des Wettbewerbs- und des Regulierungsrechts. Da wirtschaftliche Macht nicht per se gut oder schlecht, sondern ein ambivalentes Phänomen ist (Säcker), stellt sich die komplexe Folgeaufgabe, kompetitive von antikompetitiver Macht zu unterscheiden (Hoppmann). Hierzu muss die Rechtsordnung auf die Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften zurückgreifen. Diese geben freilich je nach wettbewerbspolitischer Grundausrichtung unterschiedliche Antworten auf die Frage nach der Freiheit, Wirksamkeit, Funktionsfähigkeit oder Effizienz des wirtschaftlichen Wettbewerbs. Ein Ausgleich wirtschaftlicher Freiheiten kommt

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deshalb nicht ohne normative Werturteile aus, die dem Primat der Selbstbestimmung der Marktteilnehmer verpflichtet sind. 5. Demgegenüber ist die Wohlfahrtsökonomie durch eine eindimensionale Ausrichtung auf die statischen Wohlfahrtskriterien der allokativen und produktiven Effizienz im Sinne „ökonomischer Gemeinwohlkriterien“ geprägt. Sie wurde deshalb von Mestmäcker zutreffend als „legal theory without law“ bezeichnet. Zwar basiert die neoklassische Wettbewerbstheorie mit dem methodologischen Individualismus und der Präferenzautonomie annahmegemäß auf den Handlungsfreiheiten der Individuen. Normativ erklärt sie jedoch allein die Maximierung der Wohlfahrt zum Ziel der Wettbewerbspolitik, weshalb die Freiheit nicht als individuelles Recht der Bürger, sondern lediglich als funk­ tional-modell­hafte Zuweisung ohne eigenständigen Wert fungiert. Folgerichtig dienen der Wohlfahrtsökonomie auch die Institute der Privatautonomie und der Vertragsfreiheit nur als Mittel zum Zweck eines wohlfahrtsökonomischen Optimums. Eine solche Sichtweise kann zu Zielkonflikten mit einer sozialen, dem fairen Ausgleich privater Interessen verpflichteten Marktwirtschaft führen. Wie die Theorien der Workable Competition nachgewiesen haben, begegnet die Neoklassik darüber hinaus durchgreifenden methodischen Bedenken, da sie von dem unrealistischen Konzept der vollkommenen Konkurrenz und damit von der allgemeinen Machtlosigkeit der Marktteilnehmer ausgeht. Eine solch atomistische Konkurrenz ist jedoch weder tatsächlich nachweisbar noch auf der Grundlage eines dynamischen Wettbewerbsverständnisses normativ wünschenswert. 6. Vor diesem Hintergrund sind auch die Post Chicago Economics, die ihrerseits dem „more economic approach“ der EU-Kommission zugrunde liegen, Bedenken ausgesetzt. Diese Denkrichtung bildete sich in den 1980er Jahren in Kritik des rigiden methodischen Ansatzes der bis dato herrschenden Chicago School heraus. Auf normativer Ebene plädieren Vertreter von „Post Chicago“ weiterhin für eine vorrangige Ausrichtung der Wettbewerbspolitik an wohlfahrtsökonomischen Effizienzerwägungen, unter weitgehender Negierung des rechtlichen Primats material-chancengleicher Freiheit. Auch die verwendeten Modellanalysen können nicht überzeugen. Zwar betonen Vertreter der Post Chicago Economics die überragende Bedeutung dynamischer Effizienzen in Form von Innovationen und Investitionen. Ihre wettbewerbstheoretischen Analysen sind jedoch weiterhin statischer Natur, da sich die im Zeitablauf ergebnisoffenen Wettbewerbsprozesse nach derzeitigem Stand der Erkenntnis nicht modellhaft abbilden lassen. Zentrale Beurteilungskriterien sind stattdessen die Auswirkungen eines Verhaltens auf die ausgebrachten Preise und Mengen. Die komplexen empirischen Modellrechnungen setzen außerdem die Kenntnis der relevanten Daten voraus, was sich in der Wirklichkeit – wie die Neue Institutionenökonomik überzeugend betont – kaum realisieren lässt. Aus diesem Grunde sind wohlfahrtsökonomisch inspirierte Handlungsempfehlun-

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gen für Gesetzgebung und Rechtsprechung zwar nicht per se als untauglich zu verwerfen. Man muss sich jedoch ihrer begrenzten theoretischen Aussagekraft ebenso bewusst sein wie ihrer normativen Implikationen, die in der Wettbewerbsrechtsordnung nur ausnahmsweise zum Tragen kommen, etwa direkt/ analog Art.  101 Abs.  3 AEUV. 7. Aus Sicht der geltenden Wirtschaftsverfassung kommt deshalb der Wettbewerbs- und Gesellschaftstheorie des Ordoliberalismus weiterhin eine zentrale Bedeutung zu, da sie es am ehesten vermag, die Einsichten der Ökonomie mit den Anforderungen an eine freiheitliche, rechtssichere und justiziable Rechtsordnung zu verbinden. Ebenso wie die Systemtheorie Hoppmanns stellt der Ordoliberalismus die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Individuen ins Zentrum seiner Überlegungen. Allerdings plädiert er nicht für eine weitgehende Zurückhaltung des Staates gegenüber wirtschaftlichen Machtpositionen, also im Ergebnis für eine formal verstandene Privatautonomie, sondern für eine wirksame Kontrolle wirtschaftlicher Machtpositionen anhand des juristischen Maßstabs des Als-ob-Wettbewerbs. Bei näherem Hinsehen lässt sich dabei eine Entwicklung von den frühen Vertretern des Ordoliberalismus hin zu seinen späten Protagonisten ausmachen, die mit einer stärkeren Betonung des ethischen Eigenwertes der Freiheit, aber auch der dynamischen Funktionen des Wettbewerbs einherging. Anders als es dem Ordoliberalismus von seinen Kritikern vorgeworfen wird, tritt er in seiner späten Version gerade nicht für eine generelle Eliminierung wirtschaftlicher Machtpositionen ein. Vielmehr erkennt er die Notwendigkeit zeitlich begrenzter kompetitiver Machtpositionen für Innovationen und Investitionen an. 8. Indem der Ordoliberalismus der wirtschaftlichen Freiheit einen normativen Eigenwert zuerkennt, ergibt sich für ihn das bereits angesprochene Folgeproblem des Ausgleichs entgegenstehender wirtschaftlicher Freiheit. In einer dem normativen Individualismus verpflichteten Rechtsordnung handelt es sich dabei um kein tatsächliches, durch eine „fachmännische Kosten-Nutzen-Analyse“ (von Weizsäcker) zu lösendes Problem, sondern um eine Wertungsfrage. Bei der Behandlung von Austauschverträgen ergibt sich der zutreffende Maßstab aus dem Grundsatz material-chancengleicher Vertragsfreiheit, der bei wirtschaftlichen Sachverhalten durch die spezifischen Wertungen des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts zu konkretisieren ist. Deren Aussagegehalt bestimmt sich wiederum – und so schließt sich der Kreis – unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse der Ökonomie. 9. Die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen dienen dem übereinstimmenden Zweck, einen material-chancengleichen Interessenausgleich der Bürger zu gewährleisten. Nur ausnahmsweise ist eine Wettbewerbsbeschrän101 kung aus überindividuell-ökonomischen Gründen (direkt/analog Art.   Abs.   3 AEUV) oder aus daseinsvorsorge-gemeinwohlinduzierten Gesichtspunkten (Art.  106 Abs.  2 AEUV i. V. m. den entsprechenden Regelungen des

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Regulierungsrechts) zulässig. Der drittschützende Normzweck der Kartellund Missbrauchsverbote wurde vom deutschen Gesetzgeber im Rahmen der 7. GWB-Novelle durch den deliktischen Haftungstatbestand des §  33 Abs.  1, 3 GWB bestätigt. 10. Das in Art.  101 Abs.  1 AEUV bzw. in §  1 GWB normierte Kartellverbot untersagt wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, die eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit anderer Marktteilnehmer bezwecken oder bewirken, sofern diese nicht ausnahmsweise durch überindividuellwohl­fahrtsökonomische Gründe im langfristigen Wohl aller Verbraucher freigestellt sind (Art.  101 Abs.  3 AEUV, §  2 GWB). Das Kartellverbot schützt damit auch die Vertragsfreiheit vor den nachteiligen Außenwirkungen kollusiver Wettbewerbsbeschränkungen. Kontrollmaßstab ist eine Situation wie bei wirksamem Wettbewerb (Als-ob-Wettbewerb). Eine derart auswirkungsbezogene Sichtweise bedeutet nicht, dass die Einschränkung der unternehmerischen Selbstständigkeit der kartellierten Unternehmen als juristisches Tatbestandsmerkmal zur Erfassung besonders gravierender Wettbewerbsbeschränkungen sowie zur Abgrenzung multilateraler von unilateralen Wettbewerbsbeschränkungen entbehrlich wäre. Unternehmen werden ihre wirtschaftliche Handlungsfreiheit auf der Grundlage ihrer Wirtschaftspläne nur dann privatautonom einschränken, wenn sie sich dadurch einen Zugewinn an antikompetitiver Marktmacht erwarten. Das Recht gegen Wettbewerbsbeschränkungen kann deshalb bereits die Aufgabe unternehmerischer Selbstständigkeit als tatbestandsmäßig ansehen, sofern eine solche nach wirtschaftshistorisch bestätigter Erfahrung zu missbilligten Drittwirkungen führt. Aus juristischer Sicht handelt es sich um einen abstrakten Gefährdungstatbestand. Auch das Verbot bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen dient als konkreter Gefährdungstatbestand dem Schutz der Wettbewerbsfreiheit der Marktteilnehmer. Aufgrund der Ambivalenz wirtschaftlicher Macht ist bei den dort betrachteten unternehmerischen Verhaltensweisen aber eine nähere Analyse ihrer rechtlichen und ökonomischen Wirkungen notwendig. 101 11. Da die bezweckte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art.   Abs.  1 AEUV bzw. §  1 GWB ein abstrakter Gefährdungstatbestand ist, kommt es bei ihr auf keine quantitative Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes im Sinne tatsächlich nachgewiesener Drittwirkungen an. Erachtet man das Verbot bewirkter Wettbewerbsbeschränkungen als konkreten Gefährdungstatbestand, sind auch hier keine spürbaren Auswirkungen auf die Handlungsfreiheiten anderer Marktteilnehmer nachzuweisen. 12. Das in Art.  102 Satz 2 lit. a AEUV und den §§  19 Abs.  2 Nr.  2, 29 GWB normierte Verbot von Ausbeutungsmissbräuchen will die Vertragspartner marktbeherrschender Unternehmen vor unangemessenen, antikompetitiven Entgelten und Geschäftsbedingungen schützen. Es dient damit ebenfalls dem Schutz der material-chancengleichen Individualfreiheit der von einer Wettbe-

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werbsbeschränkung negativ betroffenen Marktteilnehmer. Als Kontrollmaßstab dient eine Situation wie bei wirksamem Wettbewerb (Als-ob-Wettbewerbs). Hiernach dürfen die von einem marktbeherrschenden Unternehmen geforderten Entgelte nicht ungünstiger sein als die hypothetischen Wettbewerbspreise. Das sind diejenigen Preise, die sich am Markt durchsetzen ließen, wenn das Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung für seine Leistungen hätte, sondern den Preis im Rahmen funktionierenden Wettbewerbs mit anderen Anbietern bilden müsste. Ebenso wie beim Kartellverbot beinhaltet das Konzept des Als-ob-Wettbewerbs keinen empirisch-ökonomischen Maßstab, sondern „das allgemeine Leitbild freien und lauteren Wettbewerbs“ (Fikentscher). Da es sich um einen juristischen Kontrollmaßstab handelt, der nur bei besonderen Gefährdungslagen für die Selbstbestimmung der Marktteilnehmer zur Anwendung kommt, greift ebenso wie beim Kartellverbot kein Erheblichkeitskriterium. 13. Die Netzsektoren Energie, Telekommunikation und Eisenbahnen sind aufgrund spezifischer Marktversagensgründe besonders zu regulieren. Die Regulierungsbedürftigkeit resultiert vor allem aus dem Charakter der Netze als natürliche Monopole bzw. aus strukturellen/rechtlichen Marktzutrittsschranken, die zu dauerhaft-unangreifbaren marktmächtigen Stellungen führen. Die wettbewerbsfördernde Regulierung will diese Marktversagensgründe durch sektorspezifische Ex-ante- und Ex-post-Verhaltenspflichten sowie ergänzend durch Strukturmaßnahmen ausgleichen. Sie bezieht sich nach dem disaggregierten Regulierungsansatz nicht auf den gesamten Sektor, sondern vornehmlich auf die Netzebene, die als Wirtschaftsfaktor kompetitiv neutralisiert werden soll, um hierdurch einen wirksamen Wettbewerb auf den potenziell wettbewerbsfähigen vor- und nachgelagerten Märkten zu ermöglichen. Vor allem im Telekommunikationssektor ist aufgrund der besonderen technischen Dynamik in Teilen auch ein Infrastrukturwettbewerb der Netze denkbar. Eine sektorspezifische Regulierung kann zusätzlich aus Gemeinwohlerwägungen wie dem Schutz der Umwelt oder der Sicherstellung einer flächendeckenden und erschwinglichen Grundversorgung der Bürger geboten sein. Diese Gemeinwohlziele stehen nicht zwangsläufig im Gegensatz zum Ziel der Wettbewerbsförderung. Vielmehr gilt in den Netzwirtschaften ein Primat der Verfolgung von Gemeinwohlzielen über den Wettbewerb, gemäß der schon von Adam Smith betonten „invisible hand“. Solange deshalb eine Grundversorgung (ein „Universaldienst“) der Bürger mit daseinsnotwendigen Netzgütern und -dienstleistungen über den Markt möglich ist, gibt es keine Rechtfertigung dafür, diese hoheitlich anzuordnen. 14. Das Regulierungsrecht ist nach seiner historischen Entwicklung und normativen Grundidee als besonderes Wettbewerbsrecht einzustufen (Regulierungswettbewerbsrecht). Es hat insoweit keine eigene Teleologie, sondern orientiert sich am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs als Kern der Wettbewerbs­

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orientierung (Säcker). Daneben treten mit zunehmender praktischer Bedeutung anderweitige Regulierungsziele wie die Sicherung einer umweltverträglichen, sicheren und preisgünstigen Versorgung der Allgemeinheit mit netzbasierten Gütern und Dienstleistungen. Während die ersten beiden Regelungskomplexe im (Energie-) Umweltschutzrecht und im Energierecht im engeren Sinne normiert sind, enthalten das (Energie-)Wettbewerbsrecht und das (Energie-)Vertragsrecht Vorschriften zur Sicherung der Vertragsfreiheit der Verbraucher. Soweit die Netzinfrastruktur ein stabiles natürliches Monopol darstellt oder – wie im Telekommunikationssektor – eine marktmächtige Stellung auf einem regulierungsbedürftigen Markt begründet, sie aber für die Erbringung von Diensten auf den vor- und nachgelagerten Märkten notwendig ist, ist die Regulierung des Netzzugangs das zentrale Element zur aktiven Ermöglichung eines wirksamen Wettbewerbs. Hierzu sehen alle Regulierungsgesetze Zugangsansprüche von Wettbewerbern zu den Netzen vor. Diese werden ergänzt durch eine Entgeltregulierung am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs, der sektorübergreifend durch das aus der TK-Regulierung bekannte Konzept der Kosten effizienter Leistungsbereitstellung konkretisiert wird. Dieses Konzept entspricht nach seinem Inhalt den unbestimmten Rechtsbegriffen des Energiewirtschaftsrechts sowie des Eisenbahnregulierungsrechts. 15. Das Wettbewerbsrecht und die Regelungen der wettbewerbsfördernden Regulierung der Netzwirtschaften sind dem Privatrecht zuzuordnen, soweit sie die materiale Selbstbestimmung der Marktteilnehmer auf von Vermachtung betroffenen Güter- und Dienstleistungsmärkten sichern. Hierin liegt die zentrale Aufgabe des Privatrechts, die keiner zusätzlichen Legitimation durch überindividuelle Gesichtspunkte bedarf. Daneben treten im Regulierungsrecht objektiv-gemeinwohlinduzierte Zielkomplexe wie der Umweltschutz oder die Versorgungssicherheit, die insoweit dem öffentlichen Recht zugehören (vgl. Art.  106 Abs.  2 AEUV). Auch Art.  101 Abs.  3 AEUV ist nach seinem richtig verstandenen Regelungsgehalt dem öffentlichen Recht zuzuordnen. 16. Für die Durchsetzung der drittschützenden Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts sieht die Rechtsordnung sowohl öffentliche als auch private Rechtsbehelfe vor. Wie der EuGH in seiner Rechtsprechung zur Einsichtnahme Privater in Kronzeugenunterlagen bekräftigt hat, gilt de lege lata ein Primat des „private enforcement“ gegenüber dem „public enforcement“. Der Privatkläger fungiert deshalb nicht als „private attorney general“, sondern wahrt seine eigenen Freiheits- und Vermögensinteressen. Die öffentlich-rechtlichen Handlungsbefugnisse und Sanktionen haben anders als nach der ursprünglichen Konzeption als „Wettbewerbspolizeirecht“ nur eine die private Rechtsdurchsetzung unterstützende, dienende Funktion. Hinzu treten spezifische öffentlich-rechtliche Sanktionszwecke wie eine Bestrafung von Wettbewerbsverletzern.

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17. Mit dem objektiv drittschützenden Zweck der Normen gegen Wettbewerbsbeschränkungen korrespondiert regelmäßig eine subjektive deliktische Anspruchsberechtigung der von einer Wettbewerbsbeschränkung beeinträchtigten Personen nach den §§  33 GWB, 32 EnWG, 44 TKG und 823 Abs.  2 BGB. Zu den anspruchsberechtigten Personen zählen auch Folgevertragspartner, die mit einem Wettbewerbsverletzer einen Vertrag geschlossen haben, dessen Inhalt durch die Wettbewerbsbeschränkung negativ beeinflusst wird. Diese sind nicht darauf verwiesen, ihren Schaden im Wege der Kompensation in Geld zu liquidieren. Sie können vielmehr im Wege der dogmatisch vorrangigen Naturalrestitution die Anpassung des (Dauerschuld-)Verhältnisses an wettbewerbsanaloge Bedingungen verlangen. Auf dieser Grundlage haben Folgevertragspartner für die Vergangenheit einen Anspruch auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Beträge. Für die Zukunft schulden sie nur noch den wettbewerbsanalogen Preis. Allerdings setzt eine derartige deliktsrechtliche Vertragsanpassung nicht nur den Nachweis eines schuldhaften Handelns des Wettbewerbsverletzers voraus. Dieser kann dem Folgevertragspartner auch entgegenhalten, dass er den Schaden auf die nachfolgenden Marktstufen weitergereicht habe („passing-on defense“). Beide Einwände werden vermieden, wenn sich der Folgevertragspartner auf die Teilnichtigkeit der wettbewerbsbeschränkenden (Entgelt-)Vereinbarung beruft, da für diese nur die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Wettbewerbsregeln erforderlich ist. 18. Da die Vorschriften gegen Wettbewerbsbeschränkungen die Marktteilnehmer vor den negativen Drittwirkungen antikompetitiver Verhaltensweisen schützen, sind sie als Verbotsgesetze im Sinne von §  134 BGB anzusehen. Als Rechtsfolge greift im Interesse der Drittbetroffenen keine Gesamtnichtigkeit des Vertrages, mit der Folge, dass die bereits erbrachten Leistungen zurück abzuwickeln sind, sondern die Teilnichtigkeit allein der wettbewerbsbeschränkenden Klausel. An ihre Stelle tritt im Wege ergänzender Vertragsauslegung gem. §  157 BGB eine angemessene Regelung, die die Vertragspartner in Kenntnis der Unwirksamkeit der Klausel zur Sicherung eines material-chancengleichen Interessenausgleichs getroffen hätten. Als Maßstab fungiert bei preisbezogenen Wettbewerbsverstößen der hypothetische Wettbewerbspreis, der anhand der normativen Vorgaben des sektorspezifischen Regulierungsrechts konkretisiert werden kann. Auch aus diesem Grunde ist es nicht zulässig, den angemessenen Preis durch einen Erheblichkeitszuschlag auf den gerade noch zulässigen Preis anzuheben. Es gilt vielmehr ein Wertungsgleichklang zwischen den Kontrollmaßstäben des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts sowie des allgemeinen Vertragsrechts, im Sinne eines kompetitiven Vertragsrechts (Säcker). 19. Wettbewerbsbeschränkende Klauseln in Folgeverträgen mit Direktabnehmern sind nicht nur gesetzeswidrig im Sinne von §  134 BGB, sondern auch sittenwidrig gem. §  138 Abs.  1 BGB. Verstößt ein Verhalten gegen die drittschützenden Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts, beein-

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trächtigt es zugleich den wirtschaftlichen ordre public im Sinne von §  138 Abs.  1 BGB. Auf eine subjektiv-verwerfliche Gesinnung kommt es nicht an. Auch fordert der Sittenwidrigkeitstatbestand nicht notwendig eine Gesamtnichtigkeit des Rechtsgeschäfts. Bei teleologischer Auslegung greift vielmehr ebenso wie bei §  134 BGB ein (ungeschriebener) Normzweckvorbehalt, wonach nur die wettbewerbsbeschränkende Klausel teilnichtig ist. Die Lücke ist durch eine ergänzende Vertragsauslegung am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbspreises zu schließen. 20. Zwischen den Vorschriften des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts sowie der zivilrechtlichen Billigkeitskontrolle direkt oder anlog §  315 Abs.  3 BGB besteht ebenfalls ein inhaltlicher Wertungsgleichklang. §  315 BGB trägt dem Umstand Rechnung, dass die Richtigkeitschance des vertraglichen Einigungsprozesses gestört ist, wenn eine Partei ein vertraglich eingeräumtes Recht zur Bestimmung des Inhalts von Vertragspflichten hat. Zur Kompensation der fehlenden Zustimmung des Vertragspartners greift deshalb eine gerichtliche Billigkeitskontrolle. Die Rechtsprechung wendet §  315 Abs.  3 BGB analog auf Monopolstellungen im Bereich der Daseinsvorsorge an, auf deren Grundlage eine Vertragspartei ein faktisches Leistungsbestimmungsrecht hat. In diesem Fall wird der Wertungsgleichklang mit dem Wettbewerbs- und Regulierungsrecht besonders deutlich, da diese Rechtsgebiete wirtschaftliche Machtpositionen idealkonkurrierend am Maßstab des Als-ob-Wettbewerbs kontrollieren.

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Sachverzeichnis Abgestimmte Verhaltensweisen 456, 478, 692, 697 Abgrenzung öffentliches Recht/ Privatrecht 639 ff. – Institutsschutz (siehe Institut) – Interessentheorie 643 – materielle Tatbestände/Rechtsbehelfe, Unterscheidung 651 – Regulierungsrecht 649 – Subjektions-/Subordinationstheorie 642 – Subjektstheorie 640 – Subjektstheorie, modifizierte 641 – Wettbewerbsrecht 644 Abstellungsverfügungen 659, 726, 788, 823 Abzahlungsgesetz 145 Acquis Communautaire 768 Aggregate 248 Allgemeine Geschäftsbedingungen/AGB 161 ff. – AGB-Gesetz 162 f. – Angemessenheitskontrolle 142 – Folgeverträge (siehe ebd.) – GWB (1958) 164 – Ignoranz, rationale (siehe Neue Institutionenökonomik) – Inhaltskontrolle 16 f., 111, 450, 497, 768, 792, 825 f. – Kartellverordnung (siehe ebd.) – Macht, wirtschaftliche (siehe Macht) – Massenvertrag 162, 180, 192 – Monopolstellung 162 f. – Preisanpassungsklauseln 111, 824 ff. – Preiskontrolle (siehe ebd.) – Reduktion, geltungserhaltende 790 ff., 827 – Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über mißbräuchliche

Klauseln in Verbraucherverträgen (AGB-Richtlinie) 171 – Selbstbestimmung, Schutz der (siehe Selbstbestimmung) – Sittenwidrigkeit 162 – Teilnichtigkeit 786, 813, 827 – Transparenzkontrolle 815, 827 – Treu und Glauben 162, 792 – Vertragsauslegung, ergänzende (siehe Vertragsauslegung) – Verwender 162, 829 – Wettbewerbsrecht 826 Allokation 43, 48, 114, 213, 221 f., 237, 243, 254, 257 ff., 271 ff., 319, 336 Als-ob-Wettbewerb 64, 124, 196, 363, 377, 457 ff., 487 ff., 500 f., 616, 620, 729, 801, 830, 836 ff. – Ausbeutungsmissbrauch, Verbot (siehe ebd.) – Kartellverbot (siehe ebd.) – Kontrollmaßstab 363, 487, 491 f., 616 ff., 815, 823, 827 ff. – Kosten, effiziente 496, 618 ff., 792 – Maßstab, juristischer 489, 501, 837 – Maßstab, ökonomischer 489, 501, 837 – Preiskontrolle 83 f., 377, 407, 450, 494, 525, 816, 823 ff. – Regulierungsrecht, Konkretisierung durch 823 ff. – Verzinsung des Kapitals, angemessene 490 f., 618 f., 623 – Wettbewerbsbeschränkung (siehe ebd.) – Wettbewerbspreis, hypothetischer 487 ff. Alte Institutionenökonomik 397 Ancilliarisches Wettbewerbsverbot (siehe Wettbewerbsverbot) Anfechtung/Anfechtbarkeit, von Willenserklärungen 141, 751, 789 f.

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Sachverzeichnis

Angreifbare Märkte (siehe contestable markets) Anreize, ökonomische 622 ff. – Anreizsystem 319 – Restriktionen (siehe ebd.) – Sanktionssystem 249, 512 Anreizregulierung 624 ff., 651, 794, 797 Äquivalenzprinzip 141, 185 – formell 141 – materiell 185 Arbeitsrecht 109, 144, 224, 638, 643 – Fürsorgepflicht, des Arbeitgebers 144 – Tarifvertrag 159, 473 Arbeitsteilige Wirtschaftsordnung (siehe Wirtschaftsverfassung) Arrow-Unmöglichkeitstheorem 46 As-efficient-competitor-Test 542 Asymmetrische Regulierung (siehe Regulierung) Auktion (siehe Ausschreibung) Ausbeutung 28, 31, 112, 151, 174 f., 196, 202, 279 ff., 302, 381, 407, 416, 418, 420 f., 442, 450, 466, 479 ff., 595, 647, 649, 823 – Aneignung der Kooperationsrendite, einseitige 207, 407 – Ausbeutungsmissbrauch (siehe ebd.) – externe Effekte (siehe ebd.) – Gruppenwohl 38, 175, 202 – Legitimation des Vertrages, innere 43, 49, 173, 201 ff., 206, 458, 815 – Schutz vor 31, 38, 112, 202, 279, 501 Ausbeutungsmissbrauch 479 ff. – Als-ob-Wettbewerb (siehe ebd.) – Behinderungsmissbrauch, Abgrenzung zum 481 ff. – Drittwirkungen, negative 484 – Erheblichkeit (siehe Spürbarkeit) – exploitative abuse 486 – Gefährdungstatbestand 460 ff., 479 ff., 490 ff., 633, 729, 744 ff. – Kontrollmaßstab 487 ff. – Marktmachtmissbrauch (siehe ebd.) – Methodenpluralität 492 ff. – Normzweck 486 ff. – Spürbarkeit (siehe ebd.) – Unsicherheitsfaktor 497 f.

– Verbot, gesetzliches 494, 663, 736, 753, 762 – Wertungsgleichklang mit regulierungsrechtlicher Entgeltkontrolle 494 ff. – Wettbewerbsbeschränkung (siehe ebd.) – Wettbewerbspreis, hypothetischer (siehe Als-ob-Wettbewerb) Ausnahmebereiche 51, 123, 211, 326, 329, 548 ff. – natürliche 211 – politische 211 Ausschreibung 123, 525, 556, 576 ff. – Chicago School of Economics (siehe ebd.) – competition for the field 575 f., 580 – erneuerbare Energien (siehe ebd.) – Konzessionen (siehe Konzessionsvertrag) Außenhandel 114, 152, 232 Außenseiter 152, 158 f., 371 Austauschgerechtigkeit (siehe iustitia commutativa) Austauschvertrag (siehe Vertrag) Austrian School (siehe Österreichische Schule) Bahnbrecher (siehe wirksamer Wettbewerb) Bahnreform 120, 562 Bedarfsmarktkonzept (siehe Marktabgrenzung) Bedürfnisse 11, 30, 43, 110, 241, 244 ff., 273 Begrenzte Information (siehe Informa­ tion) Begrenzte Kapazität zur Informationsverarbeitung 401 ff. Behavioral Law and Economics (siehe Verhaltensökonomik) Behinderungsmissbrauch 481 ff., 526 – Anwendungsbereich 483 f. – Ausbeutungsmissbrauch, Abgrenzung zum 481 ff. – Erheblichkeit (siehe Spürbarkeit) – Marktmachtmissbrauch (siehe ebd.) – Methodenpluralität 492 ff. – Normzweck 481 f.

Sachverzeichnis

– Spürbarkeit (siehe ebd.) – Verbot von Behinderungsmissbräuchen als abstrakter Gefährdungstatbestand 481 f. Behinderungswettbewerb 158, 812, 819 Beihilfen 91 f., 98, 119, 322 Benrather Tankstellenfall 158 f., 371, 812, 819 Benzinkonvention 158 f. Bereicherungsrecht 677, 756, 787, 805 Bertrand-Nash-Annahme 593 Beseitigungsanspruch, wettbewerbsrechtlicher 673 f., 675, 737, 757 Bestreitbare Märkte (siehe contestable markets) Betroffener, von einem Wettbewerbsverstoß/Betroffenheitskriterium 503, 730, 742 f., 744 f. – Courage-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – drittschützende Wirkung des Wettbewerbsrechts 478, 662 – Folgevertragspartner als Betroffene 679, 688 ff., 727 f., 748 ff., 755 f. – Konkretisierung des wettbewerbsrechtlichen Schutzgesetzerfordernisses 742 ff. – ORWI-Entscheidung des BGH (siehe Bundesgerichtshof) – Schadensersatzanspruch (siehe ebd.) – Wettbewerbsrecht, deutsches 730 ff. – Wettbewerbsrecht, europäisches 676 ff. Bewirkte Wettbewerbsbeschränkung 464 ff. – konkreter Gefährdungstatbestand 464 ff., 836 Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung 461 ff. – abstrakter Gefährdungstatbestand 470, 484, 778 Billigkeitskontrolle 32, 160, 193, 499, 636, 658, 815, 823 ff. – AGB-Kontrolle, Verhältnis zur 826 – Als-ob-Wettbewerb (siehe ebd.) – Anfangspreis 825 ff. – Bestimmungsmacht, faktische 161, 814 – Bestimmungsmacht, rechtliche 828 f. – Billigkeit des Preises 791, 824 ff.

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– Darlegungs- und Beweislast 830 f. – direkte oder analoge Anwendung im Wettbewerbsrecht 824 ff. – Energiepreise (siehe Energie) – Gestaltungsmacht, einseitige 823 ff. – Grundversorgungskunden 826 – Individualschutz 418, 831 – Kontrolle eines Leistungsbestimmungsrechts auf Billigkeit 147, 160, 815, 826 f., 840 – Kontrollmaßstab 815, 817, 823, 827 ff., 836 – Kontrollmethoden 830 – Monopolmissbrauch 161, 163 – Monopolpreiskontrolle 824 ff. – Preisanpassungsklauseln 824 ff. – Preiserhöhungen 829 – Sondervertragskunden 826 – Stromnetznutzungsentgelt V-Entscheidung des BGH (siehe Bundesgerichtshof) – Tarifkunden 826 – Wertungsgleichklang, mit dem Wettbewerbs- und Regulierungsrecht 147, 685, 804, 815, 817, 821 Binnenmarkt 91 ff., 172, 189, 296 Böhm, Franz 367 ff. – Konzept der Privatrechtsgesellschaft 381 ff. – Ordnung der Wirtschaft 376 ff. – Problem der privaten Macht 370 f. – Unterscheidung früher und später Böhm 367 ff. – Wettbewerb und Monopolkampf 370 ff. Bottleneck, monopolistisches 592, 594, 622 Bounded rationality (siehe Neue Institutionenökonomik) Breitbandkabel 77, 119 Bündeltheorie (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Bundesgerichtshof, Entscheidungen – Caroline von Monaco 723 – Familienzeitschrift 733 – Niederbarnimer Wasserverband 125, 654

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– ORWI 478 f., 670 ff., 695, 737 ff., 741 ff., 755, 804 – Stromnetznutzungsentgelt V 495 f., 825 f. – Subunternehmer II 465, 818 f. Bundeskartellamt (siehe Wettbewerbsbehörde) Bundesverfassungsgericht – AGB 111 – Bürgschafts-Rechtsprechung 27, 111, 143, 183 ff. – Handelsvertreter-Beschluss 111, 185 – Inhaltskontrolle, von Preisanpassungsklauseln in Erdgas-Sonderkundenverträgen 111 – Lissabon-Urteil 100 – Mitbestimmungsurteil 105 Bürgerliches Recht (siehe Privatrecht) Capture theory of regulation (Interessengruppentheorie) 212 Ceteris-paribus-Annahme 243, 285 Chancengleichheit 36, 118, 136, 173, 196, 204, 206, 224, 360, 380, 383, 388, 435 ff., 481 ff., 486 ff., 502, 540 ff., 611 ff., 637 ff., 676 – Selbstbestimmung (siehe ebd.) – Vertragsfreiheit 224, 363, 442, 496 – Wettbewerbsfreiheit 94, 110, 134, 149, 151, 166, 224, 302, 322 ff. Cheapest Cost Avoider 824 Chicago Boys 396 Chicago School of Economics 329 ff., 525 – Approximationshypothese 334 – as efficient competitor test (siehe ebd.) – Ausschreibung 525 – Grundannahmen 332 f. – Monetarismus 395 – Regulierungstheorie, normative (siehe Regulierungstheorie) – survival of the fittest 334 – US-Antitrustrecht 292, 329, 341, 667 – Vertragsfreiheit, formales Verständnis 337 f. – wirtschaftliche Macht, positive Einschätzung 336 – Wirtschaftsverfassung, Unvereinbarkeit mit 336

Common European Sales Law (siehe Kaufrecht) Common Frame of Reference 79, 170 Competition for the field (siehe Ausschreibung) Competition within the field (siehe Infrastrukturwettbewerb) Competition within the field of service (siehe Dienstewettbewerb) Consumer welfare standard (siehe Wohlfahrtstandard) Contestable markets 152, 310, 406, 500, 570 ff., 585 ff. – Märkte, bestreitbare 310, 571, 573, 588 – Regulierungsansatz, disaggregierter (siehe ebd.) – Regulierungstheorie 572 ff. – Wettbewerbstheorie 572 ff. Courage-Entscheidung (siehe Europäischer Gerichtshof) Daseinsvorsorge 53 ff., 116 ff. – Eisenbahnen (siehe ebd.) – Energie (siehe ebd.) – Grundrechte (siehe ebd.) – Regulierungsverantwortung (siehe ebd.) – Rekommunalisierung (siehe ebd.) – Telekommunikation (siehe ebd.) Dauerschuldverhältnis 661, 751, 755, 803 f., 807 f., 825 Deliktsrecht 727 ff., 748 ff., 755 De-minimis-Bekanntmachung 431, 467 ff. – der Kommission 467 ff. – des Bundeskartellamts 466 ff. Demokratie 79, 218, 381 – Demokratisierung, der Gesellschaft 34 – Demokratisierung, des Rechts 34 – Grundgesetz (siehe ebd.) Deregulierung 52, 329, 549, 562, 589 – Abgrenzung zur Privatisierung 549 – Monopole, staatliche 331, 363 Dienstewettbewerb 557, 579 ff. Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse 39, 50 ff., 647 Dilemmathese 324, 439

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Disaggregierter Regulierungsansatz 573 ff., 587 ff. Discovery Orders (siehe Schadensersatzanspruch) Diskriminierungsverbot 168 f., 615, 793 ff., 802 ff. – im Eisenbahnrecht 802 ff. – im Energierecht 793 ff. – im Privatrecht 168 f. – im Telekommunikationsrecht 797 ff. – im Wettbewerbsrecht 479 ff. Dispositives Recht 14 ff., 141 f., 195, 202 – Leitbildfunktion 14 ff., 195, 202 Distribution 257, 274, 458 Dritter Weg (siehe Ordoliberalismus) Drittwirkung/drittschützende Wirkung 138, 150, 156 f., 184, 260, 454, 459 ff., 466, 775, 778, 786, 812 Drohung 570 DSL (Digital Subscriber Line, digitaler Teilnehmeranschluss) 518 f., 581 Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts – Beseitigungsansprüche 673 ff., 737, 757 – Durchführungs-Verordnung (EG) Nr. 1/2003 663 – Klagen, defensive 68, 660 f. – Klagen, offensive 67 f., 660 f. – private enforcement (siehe ebd.) – public enforcement (siehe ebd.) – Regulierungsrecht 66 ff., 603, 631, 652, 658 ff., 683 – Schadensersatzanspruch (siehe ebd.) – Unterlassungsansprüche 737 – Vertrag, durch 174, 338, 400 – Wettbewerbsrecht 66 ff., 85 f., 453, 463, 651 f., 658 ff., 696 ff. Dynamische Theorie des Wettbewerbs 231 ff., 276 ff., 301, 312, 315 f., 342, 436, 530 Ebenbürtigkeitsklausel 188 Economies of scale (siehe Größenvorteile) Economies of scope (siehe Verbundvorteile) Effects based approach 424, 427, 432, 434, 436, 461

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Effektivität 58, 332, 368, 629, 710, 718 – Effektivitätsgrundsatz 511, 680, 686, 691, 708, 761, 769 Effet utile 108, 769 Effizienz 271 ff., 280 ff., 303 ff., 342, 530 f. – allokative 215, 243, 272 ff., 283, 311, 335, 523, 582 – Analyse 278, 428, 502 – Begriff, ökonomischer 271 f. – dynamische 276 ff., 337, 342, 345, 530 f. – efficiency defense (siehe Fusion) – Effizienzverteidigung 429, 485, 502, 514 – Einrede 273 – Freistellung, einer Wettbewerbsbeschränkung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – Gesamtwohlfahrtstandard (siehe Wohlfahrtstandard) – Kaldor-Hicks-Effizienz (siehe Kaldor-Hicks-Kriterium) – kompetitive 235, 335, 494 – Konsumentenwohlfahrtstandard (siehe Wohlfahrtstandard) – Pareto-Effizienz (siehe Pareto-Kriterium) – produktive 28, 215, 226, 265, 269, 274 ff., 283, 311, 335, 388, 429, 444, 470, 531, 566, 618 – statische 222, 227, 272, 278, 530 ff., 567, 621 – trade-off, Modell von Williamson 226 ff., 265, 269, 618 – normative 272 – positive 272 – Vorteile 215, 226, 266, 269, 270 ff., 407, 418, 423, 465, 470 ff., 485, 528, 775 Eigengesetzlichkeit des Rechts gegenüber der Wirtschaft 218 ff. Eigenkapitalverzinsung, angemessene (siehe Preis) Eigennutzentheorem 49, 246, 251 f., 400, 403 – Gruppen, Anwendung auf 251 – Individuen, Anwendung auf 251 – Marktprozesse, Anwendung auf 251 – Verhalten, altruistisches 252 – Verhalten, boshaftes 252

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– Verhalten, schädigendes 252 Einseitige Gestaltungsmacht 159 ff., 823 ff. – Billigkeitskontrolle 160, 636, 658, 823 ff. – Monopolpreiskontrolle 824 ff. – Preis-freibleibend-Klausel 160 Eisenbahnen 61 f., 82, 116, 520, 561 ff., 599 ff., 606, 635, 746, 802 – Anreizregulierung (siehe ebd.) – Bahnreform 1994 120, 562 – Daseinsvorsorge 5, 30, 53 ff., 83, 116 ff., 561 – Deutsche Bahn 561 f., 601 – dritte AEG Novelle 564 – Effizienzkostenansatz 568, 618 ff., 748, 830 – Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung (EIBV 2005) 564 – Eisenbahninfrastrukturpaket (2001) 563 f. – Eisenbahnraum, einheitlicher europäischer 565 – Entgeltregulierung, Netz (siehe ebd.) – Infrastrukturebene 65 – KeL, Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung 273, 496, 619 ff. – Liberalisierung des Eisenbahnsektors (siehe Liberalisierung) – Monopol, natürliches (siehe Monopol) – Netzzugang, durch zivilrechtlichen Vertrag (siehe Zugang, Infrastruktur) – Netzzugang, verhandelter 563, 612 – Price-Cap-Regulierung, im Eisenbahnrecht 569, 624 ff. – Schienenbahn 520 – Schienennetz/Schienenwege 120 f., 520, 561 ff., 574, 586, 606, 622, 746 – Serviceeinrichtungen 62, 502, 564, 601, 622, 630 – Steuerungsebene 600 – Trassenpreise 520 – Unbundling (siehe ebd.) – Verkehrsebene 600 – Verkehrsleistungen 41, 520, 563, 600 ff. – Vollkostenregulierung 567 – Wettbewerb, intermodaler 568, 590 Elektrizität (siehe Energie)

Empfehlungen der Kommission 599, 630, 673 f. Energie – Anreizregulierung (siehe ebd.) – Ausschreibungsmodell 556, 576 – Billigkeit, der Preise (siehe Billigkeitskontrolle) – Daseinsvorsorge 5, 30, 53 ff., 83, 116 ff. – Direktvermarktung 123, 556, 610 – Elektrizität (Strom) 515 f. – Energiepreis 346, 499, 551, 823 ff. – Energieversorgung 53, 83, 125 ff., 550 ff. – Entgelte, für Netzzugang 553, 564 f., 578 f., 584, 624 f. – erneuerbare Energien (siehe ebd.) – Gas 41, 516 f., 586, 596 – Methodenregulierung 553, 628 – Mindesteinspeisevergütung, garantierte 555, 610, 623 – Netzzugang 533, 542, 552 ff., 563, 579, 584, 587, 603 ff., 611 ff., 793 ff. – Netzzugang, verhandelter 553, 563, 612 – Quersubventionierung (siehe ebd.) – Tarifeinheit im Raum 550, 557 – third party access (siehe Zugang, Infrastruktur) – Unbundling (siehe Entflechtung) – Verbändevereinbarungen 553 – Versorgungsgebiete, geschlossene 550 f. – vertikale Integration der Netzbetreiber 333, 528, 533, 550, 583, 596 Energiewende 54, 77, 122, 554 Enforcement (siehe Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts) Engpass 65, 244, 532, 598, 614 – Knappheitssituation 244, 285, 825 – Netzengpassregulierung 65 Entflechtung 28, 65, 126, 533, 554, 569, 611, 631 – missbrauchsunabhängige 28, 307 – Regulierungsrecht 611, 631, 649 – strukturelle Separierung 581 Entgeltregulierung, Netze 615 ff., 797 ff. – Als-ob-Wettbewerb (siehe ebd.) – Anreizregulierung 538, 567 f., 603, 622 ff., 659, 794 ff. – Cost-plus-Regulierung 380, 623

Sachverzeichnis

– Erheblichkeitszuschlag 494 ff., 629 f., 791 ff., 801 ff. – Kosten, effiziente 496, 566 f., 618, 622 – Verzinsung des Eigenkapitals, angemessene 491, 581, 618 f., 623, 830 Entmachtungsinstrument, Wettbewerb als (siehe Ordoliberalismus) Ergänzende Vertragsauslegung (siehe Vertragsauslegung) Erheblichkeit, der Wettbewerbsbeschränkung (siehe Spürbarkeit) Erneuerbare Energien 41, 123, 544, 554 ff., 576 ff., 610 – Ausschreibung 123, 556, 576, 578, 610 f. – Direktvermarktung 123, 556, 610 – Einspeisevergütungen 555, 610 – Förderhöhen, Ausschreibung der 123, 611 – Umweltschutzregulierung 534, 608, 650 Essential facilities 311, 526, 585, 592, 614 f., 814 Eucken, Walter 354 ff. – Freiheitskonzept, objektives 364 ff. – Freiheitskonzept, subjektives 364 ff. – Nationalökonomie, Grundlagen der 355 ff. – Ordnungsökonomik, Begründung der 354 – Wirtschaftspolitik, Grundsätze der 358 ff. EU-Kommission (siehe Wettbewerbsbehörde) Europäische Menschenrechtskonvention 115 Europäische Union, Vertrag 93 ff., 113 ff. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft 92 Europäischer Gerichtshof, Entscheidungen – Albany 473 – Cadillon/Höss 467 – Continental Can 100 – Courage 421, 475 ff., 632 f., 659 f., 676 ff., 695, 714, 718, 737, 744, 747, 749 ff., 776 ff., 809 – Donau Chemie 660, 702, 708, 713, 778, 786, 809 – EnBW 715 f.

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– L’Oréal/De Nieuwe Amck 467 – Lancôme/Etos 467 – Manfredi 660, 679, 684 ff., 705, 714, 718, 723, 742, 758, 768 ff., 782, 809 – Maschinenbau Ulm 467 – Otis 693 ff. – Pfleiderer 702 ff., 717, 721 – Société de Vente de Ciments et Betons 688 f., 770 – TeliaSonera 485 – T-Mobile-Netherlands 692 – Völk/Vervaecke 467 Europäisches Privatrecht 189 f. European Advisory Group on Competition Policy (EAGCP) 423 ff. Existenzvernichtung 159 Experimentelle Ökonomik 411 Exploitative abuse (siehe Ausbeutungsmissbrauch) Ex-post-Kontrolle 155 ff., 628 ff., 795 f., 799 – Kontrollmaßstäbe 616 ff. – Kontrollmethoden 616 ff. – Kostenkontrolle 493 f., 617, 622, 629 – Price-Cap-Regulierung (siehe ebd.) – Rate-of-Return-Regulierung 627 – Revenue-Cap-Regulierung 625 f., 794 – Zeitpunkt 627 ff. Externalitäten (siehe externe Effekte) Externe Effekte 533 ff. – Ökonomie 282, 333, 533 f. – Privatrecht 533 f. – Wettbewerbsrecht 406, 439, 533 f. Fernabsatz 171 Fernwärme 82 f. Folgenberücksichtigung, bei Interpreta­ tion 433 Folgeverträge 70 ff., 475 ff., 748 ff., 752 ff. – Anfechtbarkeit, relative 789 – Anpassungslösung, deliktische 755, 772 – Anpassungslösung, vertragsrechtliche 751, 787, 809 f., 899 – Ausführungsverträge, Abgrenzung 1, 72, 749, 752 – Begriff 70 ff. – Betroffener (siehe ebd.)

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– Courage-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – deutsches Recht 762, 765, 773 ff. – Flexibilität 766 – Gemeinwohl 766 – Gesamtnichtigkeit 477, 754, 760, 761, 765, 766, 785 ff., 787 f., 798, 803 f., 822 – Idealkonkurrenz, mit deliktischen Rechtsbehelfen 490, 513, 756 ff., 784 – Inhaltskontrolle, nach deutschem Recht 773 ff. – Inhaltskontrolle, nach Unionsrecht 767 ff. – Institutsschutz (siehe Institut) – Justiziabilität 219, 777 – Kartellverbot (siehe ebd.) – Lauterkeitsrecht 770 – Manfredi-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – Missbrauchsverbot (siehe ebd.) – mittelbare 759 – Nichtigkeit, deutsches Recht 662 f., 777 – Nichtigkeit, Unionsrecht 662 f., 687 ff. – Normzweckvorbehalt 783 ff. – passing-on-defense (siehe passing-on) – Rechtsfolgen wettbewerbsbeschränkender Folgeverträge 782 ff. – Rechtssicherheit 777 – Rechtswidrigkeitszusammenhang 776 – Reduktion, geltungserhaltende 790 ff., 827 – Regulierungsrecht 793 ff. – Teilnichtigkeit 786 ff. – Teilnichtigkeit, absolute 789 – unmittelbare 754, 767, 769, 777 ff. – Verbot 775 ff. – Verträge, horizontale 770, 779 – Verträge, vertikale 475, 479, 770, 779 – Vertragsauslegung, ergänzende (siehe Vertragsauslegung) – Vorhersehbarkeit 729, 777 f. – Wettbewerbsrecht 760 ff. – Wirksamkeit, von Folgeverträgen 782 ff. Follow-on-Klagen 660, 676, 684, 697 Freiheit 18 ff., 47, 74, 190 ff., 240, 303, 322 ff., 346 ff., 450, 475, 611 – formale 74 ff.

– Freiheitstest (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – individuelle 9 f., 18, 182, 191, 225, 240 f., 321, 349 – materiale 74 ff., 657 – Materialisierung, des Vertragsrechts (siehe Vertragsfreiheit) – Möglichkeit zum Handeln 224 – Paradoxon der Freiheit (siehe ebd.) – Präferenzautonomie (siehe Präferenzen) – Privatautonomie (siehe ebd.) – Vertragsfreiheit (siehe ebd.) – Wettbewerbsfreiheit (siehe ebd.) – Zwang, Fehlen von 224 Freiheitskonzepte 364 ff. – Freiheitskonzept, objektives 364 ff. – Freiheitskonzept, subjektives 364 ff. Freiheitsorientierte Wettbewerbstheorie 209, 415 – Harmoniethese (siehe ebd.) – Wettbewerb als ergebnisoffener Prozess 48, 209, 230, 415, 446 Freiheitsparadoxon (siehe Paradoxon der Freiheit) Freiheitsschutz 170, 227, 237, 239, 255, 303 ff., 445, 638 Freistellung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Fremdbestimmung 91, 111, 135, 186, 194, 389, 513, 656 Funktionsfähiger Wettbewerb (siehe workable competition) Fusion 269, 278, 303, 307 f., 310 f., 340, 423, 436, 449, 711, 730 – efficiency defense 273, 332 – Fusionskontrolle 81, 303, 307 f., 310 f., 423, 449, 730 Gas (siehe Energie) Gefährdungstatbestand 460 ff., 481 ff., 501, 613 ff., 729, 744, 776, 778, 821 – abstrakter 470, 481, 484, 778 – Ausbeutungsmissbrauch (siehe ebd.) – konkreter 461 ff. – Wettbewerbsbeschränkung, bewirkte (siehe ebd.)

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– Wettbewerbsbeschränkung, bezweckte (siehe ebd.) Gegengewichtige Marktmacht (countervailing power) 152 Gegengiftthese (siehe workable competition) Gegenstandstheorie (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Geldbußen 697 ff. – Abschöpfung 503, 588, 668, 682, 699 f., 719, 726, 823 – Freiheit des Wettbewerbs 698 ff. – Kronzeugen, Reduzierung bei (siehe Kronzeugen) – Prävention 698 ff. – public enforcement 697 ff. – Repression 698 ff. – Wiedergutmachung/Kompensation 698 ff. Geltungserhaltende Reduktion 790 ff., 827 Gemeinde (siehe Kommune) Gemeinsamer Referenzrahmen (siehe Common Frame of Reference) Gemeinschaftsethik 13 Gemeinwirtschaft 154 f., 650 Gemeinwohl 7 ff., 36 ff., 63, 539, 608 ff., 644 – Begriff 37 – Ebene, normative 38 ff. – Ebene, überpositive 38 ff. – Gemeinwohlverständnis, gestuftes 48, 455 – Verhältnis Gemeinwohl und Individualwohl 36 ff. – Verständnis, freiheitliches 47 – Verständnis, ökonomisches 43 ff. Gemeinwohlorientierte Regulierungsinstrumente 608 ff. – Marktzutrittsregulierung 608, 650 – Netzsicherheitsregulierung 122, 608 f., 650 – Umweltschutzregulierung 534, 608, 650 – Universaldienstregulierung 122, 608 f., 650 – Vergabe knapper Güter 122, 608 ff., 650 Genossenschaft 148, 167, 378

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Gerechtigkeit 18 ff., 175 ff., 190 ff. – allokative 113 – Austausch (siehe iustitia commutativa) – Bedarf 21 – Besitzstand 21 – Chancengleichheit 12, 118, 380 ff., 541, 637 f. – materiale 13, 34, 111, 173, 194 f. – objektive Äquivalenz, der Parteivereinbarung 195 – prozedurale 196, 200 – subjektive Äquivalenz, der Parteivereinbarung 183, 195 – Verfahren 21 – Verteilung (siehe iustitia distributiva) – Vertrag (siehe Vertragsgerechtigkeit) – Zugang (siehe ebd.) Gericht der Europäischen Union – CDC Hydrogen Peroxide 713 ff. – EnBW 715 ff. Gesamtgläubiger (siehe Schadensersatzanspruch) Gesamtschuldner (siehe Schadensersatzanspruch) Gesamtschuldnerinnenausgleich 723 ff., 740 Geschäftsfähigkeit, wirtschaftliche 187 Geschäftsgrundlage 808, 827 Gesellschaft – Dienstleistungsgesellschaft 34 – Gesellschaftsrecht 36, 110, 134, 177, 224, 631, 681 – Industriegesellschaft 34, 169, 233 – Risikogesellschaft (siehe ebd.) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen 106, 819 – Entstehung 347 ff. – Ordoliberalismus (siehe ebd.) Gesetzliches Verbot 3, 141, 494, 663, 736, 753, 762, 773, 780 f., 784, 794, 797, 801, 831 – Abschreckung 698 ff., 719 ff., 788, 792, 823 – Anfechtbarkeit 789 f. – Eisenbahnregulierungsrecht 747 – Energiewirtschaftsrecht 745 – Folgeverträge (siehe ebd.)

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– Gesamtnichtigkeit 760 ff., 786 ff., 797 f., 803 f., 817 – Inhaltskontrolle, von Verträgen 23, 27, 70, 75, 115, 418, 421, 464, 476, 752 ff. – Kartellverbot, deutsches 765 f. – Kartellverbot, unionsrechtliches 760 ff. – Manfredi-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – Missbrauchsverbot, deutsches (siehe Missbrauchsverbot) – Missbrauchsverbot, unionsrechtliches (siehe Missbrauchsverbot) – Normzweckvorbehalt 778 f., 783 ff., 822, 840 – Praktikabilität 511, 611, 788 – Rechtsfolgen 778 f., 782 ff., 786 ff., 797, 802, 822 – Rechtssicherheit 767 ff., 777 ff. – Reduktion, geltungserhaltende (siehe ebd.) – Schranke der Vertragsfreiheit, äußere 141 – Teilnichtigkeit, als Regelfall 786 ff. – Teilnichtigkeit, Einwände gegen 788 ff. – Teilnichtigkeit, halbseitige 792 – Telekommunikationsrecht 746 – Telos, der Verbotsnorm 781, 783 – Vertragsauslegung, ergänzende (siehe Vertragsauslegung) – Vertragsfreiheit, innere Schranken (siehe Vertragsfreiheit) – Wettbewerbsrecht, deutsches 494, 663, 736, 753, 762, 773, 781 – Wettbewerbsrecht, europäisches 762, 773 Gewährleistungsverantwortung des Staates 43, 116 ff. – Regulierungsverantwortung für Netzebene (siehe Regulierungsverantwortung) – Rekommunalisierung (siehe ebd.) Gewerbefreiheit 104, 109, 132, 137, 148 ff., 158, 224, 349, 387, 818 – subjektive 151, 154 – Wettbewerbsverbot, ancilliarisches (siehe Wettbewerbsverbot) – Wirtschaftsverfassung (siehe ebd.)

Grenzkosten 284, 335, 361, 403, 530 f., 597, 618, 621 Größenvorteile 310, 315, 527, 544, 574, 600 ff. Grünbuch der Kommission zu Schadensersatzklagen bei Verletzungen des EU-Wettbewerbsrechts (2005) 669 ff. Grundfreiheiten 80, 92, 97 f., 113 ff., 544, 648, 820 – Binnenmarkt (siehe ebd.) – Dienstleistungsverkehrsfreiheit 562 – Kapitalverkehrsfreiheit 97, 210 – Ordnung, marktwirtschaftliche (siehe Wirtschaftsverfassung) – Privatrecht, Wirkungen im 80 – Rechte, subjektive 114 – Wirtschaftsverfassung (siehe ebd.) Grundgesetz 13, 104 ff., 109, 118, 120, 190, 522, 543, 562 – Daseinsvorsorge, Güter der 116 ff. – Demokratiegrundsatz 79, 218 – Eisenbahnen 41, 120, 562 f. – Energie 126 f. – Gemeinwohl (siehe ebd.) – Gerechtigkeit (siehe ebd.) – Gewährleistungsverantwortung des Staates (siehe ebd.) – Grundversorgung (siehe ebd.) – Ordnung, verfassungsmäßige 106, 111, 513 – Rechtsstaatsgrundsatz 217 f., 416, 434, 500, 511, 723, 819 – Regulierungsverantwortung für die Netzebene (siehe Regulierungsverantwortung) – Sozialstaatsgrundsatz 34, 113, 187 – Telekommunikation 41, 118 ff., 558 – Universaldienst (siehe Grundversorgung) – Wettbewerb/Wettbewerbsordnung 117 f., 133 f., 193, 199, 346 f., 359 ff., 390 f., 453, 657, 818 – wirtschaftspolitische Neutralität (siehe Wirtschaftsverfassung) – wirtschaftspolitische Offenheit (siehe Wirtschaftsverfassung) Grundrechte 93, 97 f., 104 ff., 112, 115, 183 f., 638, 683, 728

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– Abwehrrechte 105, 514, 659, 731 – Ausbeutung, Schutz vor (siehe Ausbeutung) – Berufsfreiheit 98, 109, 112, 115, 154, 541, 818 – Bürgschaftsentscheidung des BVerfG (siehe Bundesverfassungsgericht) – Chancengleichheit, materiale 118, 638 – Charta der Grundrechte der EU 97 f., 103, 115, 190 – Daseinsvorsorge (siehe ebd.) – Drittwirkung, mittelbare 30 – Drittwirkung, unmittelbare 184 – Eigentumsfreiheit 15, 98, 112, 115, 541 – Eigentumsordnung der EU-Mitgliedstaaten 98 – Freiheitsrechte 103 f., 107, 110 – Gleichheitssatz 20, 322 – Grundgesetz (siehe ebd.) – Handelsgesellschaften 104 – Handlungsfreiheit, allgemeine 37, 109, 541 – Institutsgarantie 111, 505 – Koalitionsfreiheit 104 – Marktwirtschaft, soziale (siehe Wirtschaftsverfassung) – Materialisierung 110 f., 128, 186 – Menschenwürdegarantie 41, 109, 168, 190, 193 – Ordnung, marktwirtschaftliche 97, 365, 368 f., 374, 394 – Privatautonomie (siehe ebd.) – Schutzpflichten, des Staates 183 – Solidarität 79, 93, 115, 165, 184, 190 – Unternehmerfreiheit 98, 115 – Verhältnismäßigkeit (siehe ebd.) – Vertragsfreiheit 36 ff. – Wertmaßstäbe, objektive 183 ff. – Wettbewerb als Institution 178 – Wettbewerbsfreiheit 94, 110 – Wissenschaftsfreiheit 109 Grundversorgung 52 f., 116, 119, 122, 543, 545, 608 ff., 826 f., 837 – Eisenbahnen 116 ff. – Energie 116 ff. – Telekommunikation 116 ff. Gruppenfreistellung 310, 471 f., 663, 665 f. – konstitutive Wirkung 665

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– Legalausnahme, System der 664 ff., 675, 725 – Technologietransfervereinbarungen 663, 431 – Wettbewerbsbeschränkung (siehe ebd.) Gute Sitten (siehe Sittenwidrigkeit) GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) – GWB (1958) 33, 164 – 2. GWB-Novelle 307 – 6. GWB-Novelle 3, 494, 663 f., 674 f., 736, 762, 782 – 7. GWB-Novelle 3, 81, 454, 469, 503, 663, 674 f., 730, 737, 742, 745, 773, 836 – 8. GWB-Novelle 83, 123, 125, 487, 494, 653 f., 673, 675 f., 726 Harmoniethese 177, 325 Harvard School of Economics 290 ff., 304, 332, 336, 339 f., 344, 433 – industrial organization 290 ff., 314, 332 – Marktstruktur-Marktverhalten-Marktergebnis-Paradigma 291, 293, 296, 304, 306, 311 f., 314, 323, 326 – Industrieökonomik, traditionelle 290 ff. Haustürwiderruf 171 Hierarchische Organisation (siehe Neue Institutionenökonomik) Historische Schule der Nationalökonomie 24, 150, 154, 250, 255, 355, 358 Historizismus, nationalökonomischer (siehe historische Schule der Nationalökonomie) Hold-up (siehe Neue Institutionenökonomik) Homo oeconomicus 137, 233, 240, 243, 248, 249 ff., 282, 285, 321, 341, 400, 408 ff. Horizontale Wettbewerbsbeschränkung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Hypothetischer Wettbewerbspreis (siehe Als-ob-Wettbewerb) Idealkonkurrenz, zwischen vertraglichen und deliktischen Rechtsbehelfen 756 ff. Identifizierende Preis- und Marktinformationssysteme 158

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Imperfections (Unvollkommenheitsfaktoren) 289 f., 295, 301 Individualismus – methodologischer 49, 243, 247 ff., 255, 259, 265, 336, 345, 438 f., 834 – normativer 49, 109, 247 ff., 265, 390, 835 Individualschutz 56 ff., 75, 77, 134, 177 f., 217, 367, 376, 407, 418, 422, 446, 454, 486, 511, 682, 718 f., 725, 731, 736 ff., 743 f., 759, 785 f., 800, 820, 831 – Institutsschutz (siehe Institut) Individualwohl 36 ff., 55 Industrial Organization (siehe Harvard School of Economics) Industrialisierung 12, 140, 162, 232 Information 401 f., 537 f. – begrenzte 401 ff. – Framing (siehe Neue Institutionenökonomik) – information overload (siehe Verhal­ tens­ökonomik) – Markttransparenz (siehe ebd.) – Oligopol (siehe ebd.) Infrastruktur 575, 587 ff., 595 f. Infrastrukturwettbewerb 62 f., 525, 527, 559, 575 f., 579 ff., 585, 590, 602, 620 Inhaltskontrolle 23, 27, 70, 75, 111, 115, 159, 161, 176, 183, 187, 190, 204, 464, 476, 495, 662, 752 ff., 813, 815, 818, 820, 824, 826 – allgemeine Geschäftsbedingungen (siehe ebd.) – Billigkeit, Kontrolle eines Leistungsbestimmungsrechts auf (siehe Billigkeitskontrolle) – Schutzpflicht des Staates für einen angemessenen Interessenausgleich (siehe Grundrechte) – Sittenwidrigkeit (siehe ebd.) – Vertragsparität, gestörte (siehe ebd.) – Vertragsrecht (siehe ebd.) – Wettbewerbsrecht (siehe ebd.) Innenausgleich, zwischen Anspruchsberechtigten 806 ff. Innovationen (siehe Effizienz, dynamische) Institut/Institution 56 ff., 132 f., 175, 196 f. – Gemeinwohl (siehe ebd.)

– Individualschutz (siehe ebd.) – Institutsschutz 36, 56 ff., 175 ff., 367, 381 ff., 479, 502 – Schutzfunktionen, überindividuelle 56 ff. – Verständnis, ökonomisches 56 f. – Verständnis, rechtliches 56 f. Institutionenökonomik (siehe Neue Institutionenökonomik) Integration – europäische 92 – soziale 92 ff. – vertikale 533 – wirtschaftliche 92 ff. Interdependenz der Ordnungen (siehe Ordoliberalismus) Interessenausgleich 19 ff., 31, 36 f., 80, 130, 136, 163, 175, 185, 195 ff., 201, 206, 227, 237, 442, 452, 486, 488, 507, 613, 637, 644 f., 656, 664, 706, 804, 815, 823, 832 Investitionen (siehe Effizienz, dynamische) Industriefolgegesellschaft 169 Invisible hand of the market (unsichtbare Hand des Marktes) 46, 66, 221, 235, 236, 242, 318, 324 Iustitia commutativa 109, 223 Iustitia distributiva 138, 223 Justiziabilität (siehe Rechtsstaatsprinzip) Kaldor-Hicks-Kriterium 261 ff. – Effizienz, allokative (siehe Effizienz) – Effizienz, produktive (siehe Effizienz) – Kosten-Nutzen-Analyse 47, 211, 261, 274, 419, 438, 447 – Nutzenvergleich, interpersoneller 45, 47, 257, 262, 264 – Umverteilung 47, 168, 261, 266, 268 f., 281, 283, 699 – Vermögensmehrungsprinzip 262 Kampfpreise (siehe predatory pricing) Kapitalmarktrecht 413 – Individualschutz (siehe ebd.) – Institutsschutz (siehe Institut) Kapitalverzinsung 408, 491 f., 496, 567, 792, 798, 801 f.

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– Eigenkapitalverzinsung 408, 491 f., 567, 802 – Fremdkapitalverzinsung 496, 798 Kartell (siehe Kartellverbot) Kartellfrage 148 ff. – Behandlung wirtschaftlicher Macht 81, 147 ff., 229, 293, 348, 819 – historische Entwicklung 147 ff. – Rechtsprechung des Reichsgerichts 148 ff. Kartellprozesse (siehe Kartellverbot) Kartellrecht (siehe Wettbewerbsrecht) Kartellverbot 496, 662, 664, 763 ff. – Als-ob-Wettbewerb (siehe ebd.) – Begriff, des Kartells 1, 58 f. – Betroffene 419, 454, 464, 478, 515 f., 671 f., 690, 708, 724, 734 f., 744, 767, 771 – deutsches Recht 765 ff. – Drittwirkungen, negative 156, 463, 484, 660, 689, 749, 775 – europäisches Recht 763 ff. – Freistellung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – Gegenstandstheorie 157, 459, 759 – Kartellprozesse, defensive 66 f., 660 f. – Kartellprozesse, offensive 660 f. – Kontrollmaßstab 487 ff., 616 ff., 743, 827 ff. – Kontrollmethode 493, 830 – Legalausnahme/-freistellung 39, 51 f., 423, 646, 664 f., 675, 725 – Leistungswettbewerb (siehe Ordoliberalismus) – Mittelstandskartelle 675 – Nichtleistungswettbewerb (siehe Ordoliberalismus) – Normadressaten 491, 541, 763, 791 – Rechtsfolgen 475, 652, 675, 691, 737 ff., 764 ff., 768, 782 ff. – Selbstständigkeitspostulat (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – Tatbestand 455 ff., 763 ff. – Verhaltensweise, abgestimmte 456, 478, 692, 697 – Wettbewerbsbeschränkung (siehe ebd.) Kartellverordnung 155 ff. – allgemeine Geschäftsbedingungen 157 – Missbrauchskontrolle 155 ff.

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– Recht, subjektives 157 Kartellverordnung (1923) 155 ff. Kartellzwang 149, 157, 812 – äußerer 812 – innerer 149, 157, 812 Katallaxie 319 Kategorischer Imperativ 9, 12, 359 Kaufrecht 79, 171 f., 208 – Gewährleistung 171, 191, 208 – Sachmängel 208 – Vorschlag der Kommission für ein gemeinsames europäisches Kaufrecht (Common European Sales Law) 172 f. Klagebefugnis 216, 479, 504, 511, 634, 669, 673 ff., 695, 738 ff., 744, 805 – bei passing on defense 739 ff. – im Eisenbahnregulierungsrecht 746 ff. – im Energiewirtschaftsrecht 745 f. – im Telekommunikationsrecht 746 – im Wettbewerbsrecht 673 ff., 737 ff. – Kartellbetroffener, mittelbar 738 Klassenrecht 143 Klassisch-liberale Wettbewerbstheorie 231 ff. – Einordnung, historische 231 ff. – Preismechanismus (siehe Markt) – Smith, Adam 231 ff. – System der natürlichen Freiheit 233 ff. Klimaschutz 77, 132, 135 Knappheit, ökonomische Annahme 138, 221 ff., 234 ff., 244 ff., 250 Kollektivklagen 216, 419, 673 ff., 805 – 8. GWB-Novelle (siehe GWB) – Empfehlung der Kommission (siehe ebd.) – kartellrechtliche 216, 673 – opt-in 419, 805 – privatrechtliche 419, 805 – Unterlassungsklagengesetz 673 ff. Kommerzialisierung 263 Kommission (siehe Wettbewerbsbehörde) Kommune 53, 119, 123 ff., 537, 654 – Kommunalaufsicht 124, 654 – Rekommunalisierung (siehe ebd.) – Selbstverwaltung, kommunale 127 ff. – Unternehmen, im Sinne des Wettbewerbsrechts 647

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Kompetitives Vertragsrecht 2, 134, 206, 758, 767, 811 ff. Konkurrenz 282, 288, 294, 351 – Außenhandelskonkurrenz 152 – Außenseiterkonkurrenz 152 – Grundsatz der echten Konkurrenzfreiheit 152 – Konkurrenz, monopolistische 288 ff., 306 – Konkurrenz, unvollkommene 288 ff. – Konkurrenz, vollkommene 28, 282, 227, 230 f., 242, 274, 280, 282 ff., 288 ff., 294 ff., 301, 309, 333 ff., 400, 530 f., 621 – Konkurrenz, vollständige 24, 28, 164, 351 ff. Konkurrenzklausel (siehe Wettbewerbsverbot) Konsequentialistische Wettbewerbstheorie 209 Konsumentenrente 69, 267 ff., 340 Kontrahierungszwang 604 Konzept der Nutzenmaximierung (siehe Eigennutzentheorem) Konzept der optimalen Wettbewerbsintensität 303 ff. – Kritik 307 f. – Relevanz, wettbewerbspolitische 307 f. – Zielkonflikt zwischen Freiheitsschutz und Effizienzorientierung 303 ff. Konzessionsvertrag 124, 127, 537, 596, 648 – Auswahlverfahren, wettbewerbliches 128, 653 – Eigenbetrieb 124, 126 – Eigengesellschaft 126 – Gemeinden 127 f., 537 – Kaufpreis 126 – Rekommunalisierung (siehe ebd.) – Vergütung, wirtschaftlich angemessene 126, 593 – Wegenutzungsvertrag 124, 126 f., 537 Kooperationsdividende 406 Kooperationsversagen 215 Kosten 618 ff., 493 – effiziente 618 ff. – Kostenkontrolle 493, 622 ff. – Kosten-Kosten-Schere 583 – Kostenmodell, analytisches 617

– Kosten-Nutzen-Analyse 47, 211, 261, 274, 419, 438, 447 Krise des Sozialschutzes 169 Krise des Vertragsrechts 161, 169 Kronzeugen 696 ff. – CDC Hydrogen Peroxide-Entscheidung des EuG (siehe Gericht der Europäischen Union) – Donau-Chemie-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – EnBW-Entscheidung des EuG (siehe Gericht der Europäischen Union) – EnBW-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – Follow-on-Klagen (siehe ebd.) – Geldbußen, Reduzierung von 700 ff., 724, 791 – Geschäftsgeheimnis 714 ff. – Kronzeugenunterlagen, Einsicht in 696 ff. – Pfleiderer-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – Primat des private enforcement (siehe private enforcement) – Privilegierung 696 ff. – Rechtssicherheit 701 – Richtlinie Schadensersatzklagen (siehe ebd.) – Schadensersatzklagen Drittbetroffener 697, 724 – Transparenz 701, 710 ff. – Transparenz-VO 710, 713, 716 f. – Vertraulichkeit 701 f., 708, 711, 719 Ladder of investment 580 ff., 584 Laesio enormis (siehe Preiskontrolle) Laissez-faire (siehe Liberalismus) Land der Kartelle, Deutschland 149, 336 Langfristige Lieferverträge 159, 598, 819 Lauterkeitsrecht 1, 56, 58 ff., 174, 375 f., 512, 668 – Abgrenzung zum Wettbewerbsrecht/ Kartellrecht 58 – subjektive Anspruchsberechtigung negativ Betroffener 511 ff., 732, 743, 752 Law and Economics (siehe ökonomische Analyse des Rechts)

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Legalausnahme 39, 51 f., 423, 646, 664 f., 675, 725 – Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse als Legalausnahme 51 – im Kartellverbot (siehe Kartellverbot) Leiden des Privatrechts 811 ff. Leistungswettbewerb (siehe Ordoliberalismus) Leitbildfunktion 17, 195, 202, 649, 826 – Grundversorgungsverordnung (GVV) 826 – Vertragsrecht, dispositives 16 Leitlinien der Kommission – Freistellungsleitlinie 427, 464, 471, 474 – Fusionsleitlinie 273, 310, 429, 449, 663, 674, 711, 730 – Horizontalleitlinie 430 f. – Technologietransfervereinbarungen 431, 663 – Vertikalleitlinie 425 f., 431 – zur Anwendbarkeit von Art. 81 auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit 214, 271, 427, 429 – Zusammenschlüsse, horizontale 214, 271, 429 Level playing field 35, 133, 595, 630 Liberalisierung 54, 547 ff. – Eisenbahnsektor 561 – Energiesektor 550 – Telekommunikationssektor 556 Liberalismus 36, 137, 221, 348, 393 ff. – laissez-faire 315, 327, 329, 337, 348, 354, 360 f., 396 – Manchesterkapitalismus 393 – Marktfundamentalismus 393 – Neoliberalismus 393 – Ordoliberalismus (siehe ebd.) – Paläoliberalismus 393 – Radikalliberalismus 393 – Turbokapitalismus 393 Lissabon 96 ff. – politische Stärkung sozialer Ziele durch Lissabon-Vertrag 102 f. – Schutz des Wettbewerbs durch Lissabon-Vertrag 91, 99 ff. – Urteil des BVerfG (siehe Bundesverfassungsgericht)

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– Vertrag 91 ff., 96 ff. Macht 22 ff., 80, 147 ff., 206, 229 ff., 278, 284, 288 ff., 315 ff., 336, 339 ff., 346 ff, 430, 570 ff., 735, 811 ff., 823 ff. – antikompetitive 346 ff., 339 ff. – Aufgreiftatbestand zur Rechtskontrolle 284 – Gestaltungsmacht, einseitige 159, 823 ff. – Interessenausgleich, vertraglicher (siehe Vertrag) – kompetitive 310, 339 ff., 378, 811 ff. – Machtbegriff, kausaler 23 ff. – Machtbegriff, modaler 23, 25 ff. – Machtlosigkeit, relative 56, 77, 227, 347 – politische 26 f. – private 23, 27 ff. – Unabhängigkeit, gegenseitige 21, 56, 77, 227, 347, 442, 452, 758 – Wahlfreiheit 21, 77, 115, 224, 227, 323, 420, 450 ff. – wirtschaftlich Schwächere 136, 143 f., 241, 813 – wirtschaftliche 12, 19, 23, 28 f. Manchesterkapitalismus (siehe Liberalismus) Markt 60, 68, 131, 213 ff., 221 ff., 234 f., 280 ff., 315 ff., 356, 426 f., 435 ff., 440 ff., 548 ff., 587, 596 ff. – Bestreitbarkeit 310, 571 ff., 588 – contestable markets (siehe ebd.) – market for lemons (siehe Neue Institutionenökonomik) – Marktabgrenzung (siehe ebd.) – Marktanteil 28, 284, 300, 313, 431 f., 471, 532 – Marktergebnis 60, 78, 218, 230, 235, 292, 296 ff. – Marktformen 356 – Marktgegenseite 68, 486 – Marktmechanismus auf idealen Märkten 257 ff. – Marktphasen (Heuss) 296, 317 – Marktstruktur (siehe ebd.) – Markttest 223, 297, 305, 309 ff. – Marktverhalten 282 ff. – Marktversagen (siehe ebd.)

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– marktverschließende Wirkung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – Marktverschluss 152 – Offenhaltung, der Märkte 76, 113, 214, 310 ff., 320, 435 ff., 480, 499 f. – Ordnung, spontane 222, 319, 347 – Preismechanismus, des Marktes 131 ff., 222, 234 ff., 352, 361 – Preissystem, des Marktes (siehe Preis) Marktabgrenzung 132, 297, 309, 493 – Bedarfsmarktkonzept 132 – Kosten- und Gewinnkontrolle, interne 493 f. Marktbeherrschung 178, 310, 336, 425, 613, 667 Marktformen 356 f. – Monopol (siehe ebd.) – Oligopol (siehe ebd.) – Teilmonopol 356 – Teiloligopol 356 – vollständige Konkurrenz (siehe Ordoliberalismus) Marktfundamentalismus (siehe Liberalismus) Marktkomplementäres Recht 34, 88, 442 Marktkonstitutives Recht 34, 88 Marktmacht 23, 278, 284, 570 ff., 574 f., 735 – beträchtliche 82, 431, 547, 560, 579, 594, 605, 614, 797, 799, 801 – oligopolistische 147, 168, 178 – unilaterale 429, 666, 815 Marktmachtmissbrauch 23, 71, 100 f., 147, 300, 407, 424, 429, 432, 449, 479 ff., 582, 608 ff., 616, 663, 735 f., 744, 760 ff., 781, 794, 795, 827 – Ausbeutungsmissbrauch (siehe ebd.) – Behinderungsmissbrauch (siehe ebd.) – Ex-ante-Missbrauchskontrolle 628 ff. – Ex-post-Missbrauchskontrolle 628 ff. Marktordnungsrecht 134 Marktprozesstheorie 322 Marktregulierung 60 f., 77, 212, 363, 524, 560, 580 – Marktverhaltensregulierung 560 – Marktversagensregulierung 29, 36, 61, 77, 80, 211 ff., 213 ff., 522, 539 ff., 545, 548 ff., 558 ff., 569 ff., 608 ff.

– Marktzutrittsregulierung (siehe Zugangsregulierung) Marktstruktur 430 – atomistische 226, 282 f., 397, 444 – Marktstruktur-MarktverhaltenMarkt­ergebnis Paradigma (siehe Harvard School of Economics) – oligopolistische 164, 178, 571 – polypolistische 282, 289, 307, 353 Markttransparenz 35, 164, 286, 289, 298, 313 – Oligopol (siehe ebd.) – Preismeldestellen 298 Marktversagen 213 – juristische Sicht 217 – ökonomische Sicht 213 – regulierte Märkte 548 ff., 569 ff., 608 ff. – Wettbewerbsrecht, allgemeines 80, 211 ff., 522 ff. – Wettbewerbstheorie (siehe ebd.) Marktwirtschaft 21, 58, 93 ff., 107 f., 280 f. – freie 93 ff., 662 – offene 76, 101 ff. – soziale 42, 78, 91, 96 ff., 101, 107 ff., 189, 207, 217, 224, 392 ff. Marktzutritt, Schranken 97, 113, 292, 313, 315, 330 ff., 523 ff., 532 ff., 559, 571 ff., 595, 619, 837 Massenvertrag (siehe allgemeine Geschäftsbedingungen) Menschenrechte 34, 115, 172, 373 Menschenwürde 53, 107, 354, 358, 361 Merkantilismus 231 ff. Miete 79, 135, 144, 146 – Mieterschutz, sozialer 146 – Mietrecht 144, 166, 176 Missbrauchsaufsicht 28, 51, 124, 311, 488, 490, 499 ff., 621, 799 Missbrauchsverbot 81, 153, 155, 736, 760 ff., 795 f., 799 ff. – deutsches 762 – Marktmacht (siehe ebd.) – Schutzgesetz 727 ff. – unionsrechtliches 760 – Verbot, gesetzliches 730 ff. – Vertragsfreiheit 198, 224, 236, 486, 611 Mixed Economy 167 f. Monetarismus (siehe Chicago School)

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Monopol 153, 288, 526 ff., 827 – künstliches 461 – Monopolgewinne 240, 278, 300, 491, 577, 592 – Monopolistentest, hypothetischer 591 – Monopolkampf 5, 152, 367 ff. – Monopolmissbrauch 153 f., 161, 163 – Monopolpreiskontrolle (siehe Billigkeitskontrolle) – natürliches 23, 63, 78, 83, 90, 121, 193, 198 f., 326 f., 527 ff., 574 ff., 579 f., 589, 592, 597, 611, 625 – Wohlfahrtswirkungen, negative 529 f. Monopolistisches Bottleneck 576, 592, 594, 622, 629 Monopolpreiskontrolle (siehe Billigkeitskontrolle) More economic approach 75, 420 ff. – Bilanzierung von Wettbewerbsbeschränkungen und Effizienzen 424, 429 – competitive harm 424 f. – effects based approach (siehe ebd.) – efficiency defense/Effizienzverteidigung 273, 429, 485, 502, 514 – Effizienz, Ausrichtung des Wettbewerbsrechts 39 f., 76, 320, 415, 419, 421, 440 – form based approach 424, 434 – Gesamtwohlfahrtstandard (siehe Wohlfahrtstandard) – Justiziabilität (siehe Rechtsstaatsprinzip) – Konsumentenwohlfahrtstandard (siehe Wohlfahrtstandard) – Kritik 433 ff. – Leitlinien, der Kommission (siehe ebd.) – Macht, wirtschaftliche 430 – Marktstruktur, Relevanz der 430 – Post Chicago School (siehe Wettbewerbstheorie) – Prioritätenmitteilung der Kommission zu Behinderungsmissbräuchen (siehe ebd.) – Rechtssicherheit 432 – Systematisierung 433 ff.

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– Verbraucherschaden, als Tatbestandsmerkmal 428 – Weißbuch über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung von Art. 85 und 86 EGV (siehe ebd.) – Wettbewerbsbeschränkung (siehe ebd.) – Wohlfahrtstandards (siehe ebd.) Münztelefone 119 Multiple Damages 721 ff. Nachahmer (siehe wirksamer Wettbewerb) Nachtwächterstaat 140, 393 Nationalökonomie (siehe Volkswirtschaft) Natürliches Monopol (siehe Monopol) Nebenbedingungen (siehe Restriktionen) Neoklassische Wettbewerbstheorie (Neoklassik) 43, 240 ff., 523 – Ceteris-paribus-Annahme (siehe ebd.) – Effizienz, allokative (siehe Effizienz) – Effizienzkonzepte 271 ff., 280 ff. – Eigennutzentheorem (siehe ebd.) – Entscheidungskosten, Fehlen von 253 – Gewinnmaximierung 250, 275, 283 f. – Gleichgewichtsmodelle 243, 277, 316, 334 – Gleichgewichtstheorie 230, 240 ff., 274 – Grundstruktur, theoretische 242 ff. – homo oeconomicus (siehe ebd.) – Individualismus, methodologischer (siehe Individualismus) – Information, vollkommene 240, 253 – Informationsverarbeitungskapazität, vollkommene 253 – Ressourcen, Knappheit der 244 – Konkurrenz, vollkommene 282 – Marktformen (siehe ebd.) – Marktransparenz, vollkommene 282, 286, 289 – Marktstruktur, atomistische (siehe Marktstruktur) – Nutzenmaximierung 250 ff., 285, 403 – Opportunitätskosten (siehe ebd.) – Partialanalyse 243 – Präferenzautonomie (siehe Präferenzen) – Präferenzordnung 253 f.

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– Preistheorie 235, 280 ff., 332 ff., 350, 447, 570, 591 – Rahmen, institutioneller 240 ff. – Rationalitätsannahme (siehe Rationalität) – Restriktionen (siehe ebd.) – Totalanalyse 243 – Wohlfahrtsökonomie (siehe ebd.) Neoliberalismus 367, 393 ff. Netz – Begriff 62 – Eisenbahnnetze 82, 520, 534 ff., 561, 599 – Energienetze 61 f., 125, 515 f., 537, 550 ff., 577, 578, 596, 626 – Fernleitungsnetz, Gas 517 – Festnetz, Telekommunikation 518 f., 548 ff., 575, 590, 599 – Hochspannungsnetz, Strom 596 – Höchstspannungsnetz, Strom 516, 596 – Infrastruktur 62, 518, 521, 528, 544, 547, 560, 566, 579 f., 589, 594, 597, 600, 611 ff., 639, 838 – Mitteldrucknetz, Gas 517 – Mittelspannungsnetz, Strom 517 – Mobilfunknetz, Telekommunikation 518 f., 576 – Netzanschluss 587 – Netzzugang (siehe Zugang, Infrastruktur) – Niederdrucknetz, Gas 517 – Niederspannungsnetz, Strom 517, 595 – Telekommunikationsnetze 63, 219, 518, 595, 598 f., 605, 614, 797, 799 – Übertragungsnetz, Strom 517, 596 f. – Verteil(er)netz 517, 587 Netzbetreiber 121 ff., 519, 520, 536 ff., 551 ff., 579 ff., 590 ff., 603 ff., 612 ff., 631, 794 ff. Netzebene 122 ff., 548, 569, 575, 611 Netzsektoren 82, 515 ff. – Regulierungsgründe, ökonomische 521 ff. – Regulierungsgründe, rechtliche 539 ff. – technische Grundlagen 515 ff. Netzwerkeffekte 534 ff., 591 f., 595 – Eisenbahn 534 f. – Telekommunikation 534 f.

Netzwirtschaften (siehe Netzsektoren) Netzzugang (siehe Zugang, Infrastruktur) Netzzusammenschaltung (siehe Zusammenschaltung) Neue Industrieökonomik 293 f. Neue Institutionenökonomik 48, 346 ff., 396, 526 f. – Austauschvertrag (siehe Vertrag) – Begriff 48, 397 – bounded rationality 333, 401 f. – economic analysis of law 331 – framing 656 – hierarchische Organisation 369, 399 – hold up 533, 535 ff. – Ignoranz, rationale 131, 216, 673 – Information, begrenzte (siehe Information) – Informationsasymmetrie 247, 330, 617 f., 624 ff., 668 – Institution, Begriff (siehe Institut/ Institution) – institutionelle Rahmenbedingungen des Marktgeschehens 228, 439 f. – konsensbasierte Erklärung des Wettbewerbsrechts 406 ff. – Konstitutionenökonomik/konstitutionelle Ökonomik/Constitutional Economics 267, 288, 362, 397, 406 – market for lemons 405, 407 – Modifizierung der neoklassischen Modellannahmen 400 ff. – Neue Politische Ökonomie/Public Choice Theory 212, 288, 339, 397, 400 – Ökonomische Analyse des Rechts/ Law and Economics (siehe ebd.) – Ordnungsökonomik/Ordnungstheorie 393, 397, 452, 525 – Prinzipal-Agenten-Theorie/Principal-Agent-Theory/Agency-Theory 247, 391, 397, 400 – Rationalität, eingeschränkte (siehe Verhaltensökonomik) – Schleier des Nichtwissens (siehe ebd.) – Transaktionskosten (siehe ebd.) – Transaktionskostenökonomik 288, 397, 400 f., 419, 578 – Trittbrettfahrer 216

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– Verfügungsrechte, Theorie der/ Property Rights 288, 397, 399, 400 f., 406 – Verhalten, opportunistisches 216, 404 ff., 442, 523, 533, 535 ff. – Verhaltensökonomik (siehe ebd.) – Verhaltensökonomik 408 ff. – Vertragstheorie/ökonomische Theorie der Verträge 399 – Vertragsversagen (siehe Vertrag) – Wettbewerbsrecht 398 – Wettbewerbsrecht, konsensbasierte Erklärung 406 ff. Neue Politische Ökonomik (siehe Neue Institutionenökonomik) Neuklassisches Wettbewerbsverständnis (siehe Wettbewerbsfreiheit, Konzept der) Nichtigkeit 677, 687, 777, 786 ff., 789 – Folgeverträge (siehe ebd.) – Kartelle (siehe Kartellverbot) – Missbrauch, von Marktmacht (siehe Marktmachtmissbrauch) – private enforcement (siehe ebd.) – Rechtsfolgen 71, 605, 652, 702, 762, 764, 766, 773, 787 ff., 809, 818, 822 ff. – Sittenwidrigkeit (siehe ebd.) – Verbot, gesetzliches (siehe ebd.) Nichtleistungswettbewerb (siehe Ordoliberalismus) Non-Dilemma-These 325 Normative Regulierungstheorie (siehe Regulierungstheorie) Nutzenmaximierung, Konzept der (siehe Eigennutzentheorem) Nutzenmessung (siehe Nutzenvergleich) Nutzenvergleich 45, 47, 256 f., 262, 264 – interpersoneller 47, 257, 262, 264 – Kaldor-Hicks-Kriterium (siehe ebd.) – kardinaler 256 f. – Nutzenfunktion, interdependente 252 ff. – ordinaler 256 – Pareto-Kriterium (siehe ebd.) – Utilitarismus (siehe ebd.) Obligierungsgründe 34, 669

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Offenhaltung der Märkte (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Öffentliche Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts (siehe Public Enforcement) Öffentliche Güter 116, 140, 258 Öffentliche Ordnung (siehe ordre public) Öffentliches Recht – Abgrenzungstheorien (siehe Abgrenzung öffentliches Recht/Privatrecht) – Einordnung des Regulierungsrechts 637 ff., 649 ff. – Einordnung des Wettbewerbsrechts 637 ff., 644 ff. – Wettbewerbsrecht als Bestandteil der öffentlichen Ordnung der Union 685 – Wirtschaftstätigkeit der öffentlichen Hand 647 ff. Ökonometrische Methoden 293, 341, 346, 436, 448, 493 Ökonomie – normative 44 – Ökonomik (siehe ebd.) – positive 44 – Wirtschaftswissenschaften 5 Ökonomik 5, 229, 245, 329 – Neue Institutionenökonomik (siehe ebd.) Ökonomische Analyse des Rechts 218, 228, 242, 412, 505, 824 Ökonomisches Prinzip 250 – Effizienz (siehe ebd.) – Prinzip der sparsamen Ressourcenverwendung 272 – Rationalität (siehe ebd.) – Wirtschaftlichkeit 250 Österreichische Schule 230, 260, 315, 317, 322, 734 – Ordnung (siehe ebd.) – pattern prediction 320 – Vertragsfreiheit (siehe ebd.) – Wissensproblem 317 ff., 440 Oligopol 35, 307, 356 Opportunistisches Verhalten (siehe Neue Institutionenökonomik) Opportunitätskosten 245 Ordnung – Ausbeutung (siehe ebd.)

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– Gruppenwohl 38, 84, 175, 202, 204, 442 – Ordnungsfunktion, des Vertrags 17, 56, 133, 174 f., 183, 187, 198, 374 – Ordnungsökonomik (siehe Neue Institutionenökonomik) – Ordnungsprinzip 183, 238, 359, 370, 376, 379, 388, 392, 497 – Ordoliberalismus (siehe ebd.) – private Regeln (siehe ebd.) – Selbstbestimmung (siehe ebd.) – überindividuelle Zwecke 6, 14, 25, 36, 43, 50, 55, 87 f., 136 ff., 515, 647 Ordnungsökonomik (siehe Neue Institutionenökonomik) Ordoliberalismus 346 ff., 525 – Als-ob-Wettbewerbsprinzip (siehe Als-ob-Wettbewerb) – Dritter Weg 356 – Entmachtungsinstrument, Wettbewerb als 282 ff. – Freiheitsverständnis, chancengleiches 383 ff. – historische Entwicklung 347 ff. – institutionelles Verständnis von Wettbewerb 388 ff. – Interdependenz der Ordnungen 25, 48, 226, 233, 322, 359, 364, 371, 390, 522, 644 – Konkurrenz, vollständige 24, 351 ff. – Leistungswettbewerb 29, 158 f., 351 ff. – Macht, wirtschaftliche (siehe Macht) – Marktwirtschaft, soziale (siehe Wirtschaftsverfassung) – Nichtleistungswettbewerb 225, 371 ff., 388 ff., 447 – Offenhaltung der Märkte 76, 214, 310 ff., 437, 480, 499 f. – Ordnung (siehe ebd.) – Ordo, Begriff des 358 – Privatrechtsgesellschaft 383 ff. – Schiedsrichter, Verbraucher als 35, 416 – Spielregeln 207, 349, 352, 362, 372, 374, 385, 387, 397 – Wettbewerbsordnung, Prinzipien der 362 ff. – Wettbewerbsrecht (siehe ebd.)

– Wettbewerbsschutz zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht 374 ff. Ordre public 39, 142, 153 f., 159, 510, 685, 772, 812, 818 ff. – Regulierungsrecht, Verstoß gegen 824 ff. – Reichsgericht, Rechtsprechung des (siehe ebd.) – Wettbewerbsrecht, Verstoß gegen 818 ff. – wirtschaftlicher ordre public 159, 819, 840 ORWI-Entscheidung (siehe Bundesgerichtshof) Pacta sunt servanda 17, 151, 187, 457 Paläoliberal (siehe Liberalismus) Pandektenwissenschaft 140 Paradoxon der Freiheit 9, 132, 238, 246, 364 Pareto-Kriterium 256 ff. Passing-on 72, 672, 695, 756, 804, 806 ff. – Begriff 2 – passing-on defense 2, 4, 669 ff., 680 ff., 705, 720, 739 ff., 758, 772, 777, 787 Paternalismus 35, 170, 540 – Gleichgewicht (siehe Wohlfahrtsökonomie) – Marktmechanismus auf idealen Märkten 257 – Pareto-Effizienz (siehe Pareto-Kriterium) – pareto-optimal 45, 257 ff., 274, 280 f., 522, 539, 545 – pareto-superior 10, 248, 257 f. Pauschalreisen 171 Per-se-rule (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Per-se-Schutzgesetz 176, 743, 745 f., 770 Planwirtschaft 222, 376, 381, 396 Positive Regulierungstheorie (siehe Regulierungstheorie) Post Chicago Economics 213, 228, 266, 291, 339 ff., 425, 427, 433, 436 f. – Kritik 341 f. – Macht, wirtschaftliche (siehe Macht) – more economic approach (siehe ebd.)

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– Public Choice Theory (siehe Neue Institutionenökonomik) – Sammelbecken verschiedener Denk­ richtungen 339 ff. – US-amerikanisches Antitrustrecht 341 ff. Post, deutsche 556 f. Postreformen 558 ff. Präferenzen – Eigennutzentheorem (siehe ebd.) – individuelle 207, 246, 253 – kollektive 246 – Nutzenfunktion 252 ff. – Präferenzautonomie 10, 14, 75, 240, 245 ff., 287, 440 f., 834 – Restriktionen, Abgrenzung zu 14, 49, 244, 247, 251 ff. Prävention 219, 510, 674, 682 ff., 698 ff., 788 Predatory pricing 158 – Behinderungsmissbrauch (siehe Missbrauch) – Gefährdungstatbestand, abstrakter (siehe Gefährdungstatbestand) – Kosten, dauerhaft nicht beeinflussbare 150 – Preisniveau 150, 479, 625, 829 Preis – antikompetitiv überhöhter 2 f., 23, 26, 73, 81, 84, 150, 289, 407, 460, 480, 485, 489, 496, 588, 616, 680, 692, 748 ff., 767, 777, 780, 787, 805, 815, 828 – Eigenkapitalverzinsung, angemessene 408, 492, 567 – Energiepreise (siehe Energie) – Entgeltregulierung, Netze (siehe ebd.) – gerechter (siehe Preiskontrolle) – Informationssystem 237 – Kosten, effiziente 618 ff. – Kostenpreise 235 – Marktpreis 131 f., 234 ff., 263 f., 384, 389 – natürlicher 234 ff. – Preis-freibleibend-Klausel (siehe einseitige Gestaltungsmacht) – Preis-Kosten-Schere 574 – Preisregulierung 380, 494 ff., 550, 804

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– Preissystem/Preismechanismus des Marktes 207, 222, 237, 354, 361 f. – Preistheorie, allgemeine 235, 280 ff., 291, 320, 329, 333 f., 342, 447, 570 – Preiswettbewerb 286, 316 – Produktionsfaktoren 43, 114, 221 f., 235, 243 f., 273, 274 – wettbewerbsanaloger Preis 132, 488, 492 ff., 496 f., 629, 751 f., 756, 788 f., 791, 623 f., 830 Preiskontrolle 124, 321 ff., 380, 407, 450, 489, 494, 498 f., 525, 816, 823 ff., 827 ff. – iustum pretium 142 f., 195 – laesio enormis 142, 816 – Regulierungsrecht 494, 615 ff. – Wettbewerbsrecht 487 ff., 494 ff. – Wucher 142 f. Preismechanismus des Marktes (siehe Markt) Pre-trial discovery 671 Price-Cap-Regulierung 569, 620, 624 f. Primat der Ökonomie 389 Primat rechtlich formaler Freiheit 136 ff. Principal-agent-Problematik (siehe Neue Institutionenökonomik) Prinzip der sparsamen Ressourcenverwendung (siehe ökonomisches Prinzip) Prioritätenmitteilung der Kommission zu Behinderungsmissbräuchen 430 Privatautonomie 14 ff., 163 ff., 201 ff. – formale 114, 141, 147, 166, 173, 185, 239 f., 321, 328, 338, 393, 406, 476, 508, 612 – materiale 38, 203, 217, 224, 249, 407, 450 f. – Schutz der Privatautonomie 201 ff. – Selbstbestimmung (siehe ebd.) – Vertragsfreiheit (siehe ebd.) Private Attorney General 509 f., 667, 838 Private Durchsetzung des Wettbewerbsund Regulierungsrechts (siehe private enforcement) Private enforcement 66 f., 658 ff., 662 ff., 667 ff., 676 ff., 696 ff., 718 ff. – Ashurst-Studie 667 ff. – Bereicherungsklagen 677, 756, 787, 792, 805

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– Beseitigungsklagen 633, 652, 661, 674 f., 737, 757, 759 – Beweislast 471, 651, 669, 671, 682, 705, 715, 720 f., 741, 756, 807, 809, 830 ff. – Courage Entscheidung (siehe Europäischer Gerichtshof) – Deliktsrecht (siehe ebd.) – Entwicklung des private enforcement 662 ff. – Folgeverträge, Nichtigkeit von (siehe Folgeverträge) – Gesamtschuldnerinnenausgleich (siehe ebd.) – Informationsasymmetrie (siehe Neue Institutionenökonomik) – Kartellprozesse (siehe Kartellverbot) – Kartellverbot (siehe ebd.) – Kostenrisiko 651, 668 – Manfredi Entscheidung (siehe Europäischer Gerichtshof) – Marktmachtmissbrauch (siehe ebd.) – multiple damages (siehe ebd.) – Nichtigkeit, von Verträgen 71, 477, 660, 687, 689, 690, 751, 786, 803 f. – öffentliche Hand 693 ff. – Otis Entscheidung (siehe Europäischer Gerichtshof) – passing-on defense (siehe passing-on) – Primat des private enforcement 718 ff. – Regulierungsrecht 718 ff. – Richtlinie Schadensersatzklagen (siehe ebd.) – Rückforderung überzahlter Beträge 756, 827 – Schadensersatzklagen 673, 676, 679, 680, 684 ff., 700 – Schiedsspruch-Aufhebungsklagen 67 f. – Sittenwidrigkeit (siehe ebd.) – T-Mobile-Netherlands Entscheidung (siehe Europäischer Gerichtshof) – Unterlassungsklagen 633, 652, 661, 675, 737 – Vertragsrecht (siehe ebd.) – VO Nr. 1/2003 (siehe Verordnung) – Vorschlag Richtlinie Schadensersatzklagen (siehe Richtlinie Schadensersatzklagen) – Wettbewerbsrecht 658 ff.

– Zielkonflikte zwischen Private und Public Enforcement 696 ff. Private Regeln 37, 175, 202 – Ausbeutungsverbot 175, 204 – Legitimation durch Gruppenwohl 202 – Legitimation durch Zustimmung 174 f., 201 f. – private Ordnung (siehe Ordnung) Privatisierung 54, 658 ff. – Eisenbahn 54, 561 – Energie 54, 550 – Regulierungsrecht als Privatisierungsfolgenrecht 83, 121 – Telekommunikation 54, 556 – Wettbewerbsrecht 658 ff. Privatrecht 29 ff., 74 ff., 87 f., 170 ff., 189, 201 ff., 374, 637 ff., 653, 811 ff. – Abgrenzungstheorien (siehe Abgrenzung öffentliches Recht/Privatrecht) – dispositives 16, 30, 141 ff., 400, 405 – Einordnung des Regulierungsrechts 649 ff. – Einordnung des Wettbewerbsrechts 644 ff. – Freiheit 18 ff., 74 ff., 131 ff., 190 ff., 240 f., 337 f., 346 ff., 435 ff., 611 f. – Gleichheit 136 ff. – Konstitutionalisierung des Privatrechts 80, 184, 190 – Menschenbild 140, 167 – Ordnungsfunktion 17, 56, 133, 152, 174 f., 183, 187, 198, 374 f., 450 – Ordnungsmodelle 19, 106, 120, 359 – Selbstbestimmung, Schutz der (siehe Selbstbestimmung) – Solidarität 79, 93, 115, 165, 172 f., 184, 190 – Sozialmodelle (siehe ebd.) – überindividuell-objektive Zwecke 36, 50, 55, 75, 87 f., 91, 136 ff., 202, 303, 512, 729 – Wirkungen, institutionelle 133 – zwingendes 29 ff., 202 Privatrechtsgesellschaft (siehe Ordoliberalismus) Privatrechtsordnung 7 ff., 29, 36, 54, 109, 114, 140, 193, 198, 227 f., 261, 287, 366, 374, 385, 390, 406, 441 f., 452, 506

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Produzentenrente 116, 269 ff. Protection of competition (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Public Choice Theorie (siehe Neue Institutionenökonomik) Public Enforcement 66 f., 658 ff., 696 ff., 725 f. – Geldbußen (siehe ebd.) – Regulierungsrecht 658 ff. – Sicherung der materialen Selbstbestimmung 540 ff., 725 ff. – Verfügungen 487, 560, 581, 594, 599, 634, 652, 659, 726, 730 f., 758, 788, 799, 823 – Wettbewerbsrecht 658 ff. – Zielkonflikt, mit private enforcement 696 ff. Punitive damages (siehe Strafschadensersatz) Querschnittsklausel, AEU-Vertrag 472 ff. Quersubventionierung 550 ff., 580, 610, 616 Rational-Choice-Modell (siehe Rationalität) Rationalität 252, 344 – beschränkte/eingeschränkte Rationalität (siehe Verhaltensökonomik) – Gewinnmaximierung 250, 275, 283 f., 344 – homo oeconomicus (siehe ebd.) – individuelle Rationalität 252 f. – neoklassisches Paradigma 252 f. – Nutzenmaximierung 250, 251 f., 403 f., 411 f., 414 – Rational-Choice-Modell 49, 240, 250 – rationales Desinteresse 191, 538, 719, 804 f. – Rationalitätsannahme 252 ff., 344, 400 f. – REMM-Hypothese 250 – Restriktionen (siehe ebd.) – Wirtschaftlichkeit 250 Recht – Legitimität 31, 45 – Zweckmäßigkeit 44, 179

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Rechtfertigung von Wettbewerbsbeschränkungen 39, 95, 429, 466, 470 ff., 491, 645 Rechtsbehelfe im Wettbewerbsrecht – Beseitigungsansprüche 633, 652, 661, 674 f., 730, 737, 757, 759 – deliktische 421, 604, 611, 688, 727, 756 ff., 760, 771 ff., 778, 788, 803, 804 ff. – Harmonisierung 804 ff. – Schadensersatzanspruch, wettbewerbsrechtlicher (siehe ebd.) – Unterlassungsansprüche 633, 652, 661, 673 ff., 737 – vertragliche 453, 649, 749, 783 Rechtsgeschäft 17, 129 ff., 181, 821 Rechtsökonomie 288, 408 Rechtsparadigma (siehe Sozialmodelle) Rechtssicherheit (siehe Rechtsstaatsprinzip) Rechtsstaatsprinzip 219, 777 ff., 818 – Bestimmtheit 219 – Einzelfallgerechtigkeit 218, 461 – Justiziabilität 170, 219, 304, 341, 346, 358, 416, 436, 461, 729, 772, 777 ff., 789 – Normenklarheit 219 – Rationalität (siehe ebd.) – Rechtsbegriffe, unbestimmte 219 f. – Rechtssicherheit 36, 170, 172, 198, 218 f., 341, 346, 448, 469, 500, 503, 701, 729, 777 ff., 789 – Vertrauensschutz 17, 21, 130, 172, 468 f. – Vorhersehbarkeit 172, 219, 249, 358, 416, 434, 461, 729, 777 ff., 789 Regulierte Selbstregulierung 26, 117 Regulierung – Anbieter von – Ausnahmebereiche (siehe ebd.) – Begriff 59 ff. – capture theory of regulation (siehe ebd.) – hierarchisches System 212 – Nachfrager nach 212 – regulatory capture 212 f. – asymmetrische 549, 593 ff. – disaggregierte 573 f., 575, 587 ff., 593, 611, 613 f., 630 – gemeinwohlorientierte 63, 608 ff. – sektorspezifische (siehe ebd.)

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– symmetrische 549, 593 ff., 598 f. – wettbewerbsfördernde 43, 66, 82 ff., 204, 217, 419, 526, 540 f., 547, 557, 575, 585, 588, 611 ff., 657, 749, 798 – Regulierungsbasis 211 – Regulierungsinstrumente (siehe ebd.) – Regulierungsmanagement 213 – Regulierungsrecht (siehe ebd.) – Theorie, normative (siehe Regulierungstheorie) – Theorie, positive (siehe Regulierungstheorie) Regulierungsbehörden – ACER 554 – Bundesnetzagentur 63 f., 82, 341, 544, 554, 558, 565, 580, 599 – Kommission 75, 82 ff. – RegTP 558 Regulierungsermessen 599, 630 Regulierungsgründe 64 f., 77, 521 ff. – externe Effekte (siehe ebd.) – Gemeinwohl (siehe ebd.) – hold-up 535 ff. – Marktzutrittsschranken, qualifizierte 526, 532 – Monopol, natürliches 521 ff. (siehe auch ebd.) – Netzwerkeffekte (siehe ebd.) – normative 539 ff. – ökonomische 521 ff. – Selbstbestimmung, materiale (siehe ebd.) – Integration, vertikale (siehe Unternehmen) – Verhalten, opportunistisches 404, 523, 535 ff. Regulierungsinstrumente 211, 607 ff., 650 – gemeinwohlorientierte 608 ff. – wettbewerbsorientierte 611 ff. Regulierungsrecht – Eisenbahnsektor 61 f., 82, 520, 561, 599 ff., 606, 635, 746, 802 – Energiesektor 61 f., 82, 515 f., 550 ff., 596 f., 603 f., 632 f., 745, 793 ff. – Gemeinwohlorientierung 608 ff. – Marktregulierung 60

– Telekommunikationssektor 60, 82, 517 ff., 556 ff., 580, 598, 605, 634, 746, 797 ff. – Wettbewerbsorientierung 5, 65, 121, 348, 539, 619, 649 ff. – Wirtschaftsregulierung 60, 164 Regulierungstheorie – normative 211 ff. – positive 211 ff. Regulierungsverantwortung 122 ff., 543 – Daseinsvorsorge (siehe ebd.) – Energie 116 ff., 125 – Gewährleistungsverantwortung (siehe ebd.) – Grundrechte (siehe ebd.) – Netzebene 122 – Schienenverkehr 116 ff. – Telekommunikation 116 ff. Regulierungsverfügung 560, 594, 599, 799 Regulierungsziele 485, 539, 544, 613, 636, 650 f. Reichsgericht, Rechtsprechung des – Benrather-Tankstellen-Entscheidung 158 f., 371, 812 – Billigkeitskontrolle 824 ff. – Gewerbeordnung 145 ff., 150, 152, 373 – Kartellfrage 148 ff. – Kartellverordnung 158 ff. – Monopolmissbrauch 161 – Rabattvereinbarungen des Börsenvereins der deutschen Buchhändler 148 ff. – Sächsisches Holzstoffkartell 148 ff. – Sittenwidrigkeit (siehe ebd.) – Verbot, gesetzliches (siehe ebd.) Reichskaligesetz 152 f. Reichtumsmehrungsprinzip 262 Rekommunalisierung 123 ff., 537, 593, 653 – Daseinsvorsorge (siehe ebd.) – Energienetze 122, 125 – Wasserversorgung 123 Rent seeking 223 Resale 582 ff. Restriktionen 14, 49, 244 ff., 249 ff., 329, 342, 355, 403, 413 – Anreize, äußere 251 – homo oeconomicus (siehe ebd.) – Knappheitsbedingungen 49, 244 – Nebenbedingungen 250, 252

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– Optimierung unter Restriktionen 250 – Präferenzen, Abgrenzung zu 14, 49, 244, 247, 251 ff. – Sanktionen 49, 249 Richtigkeitskontrolle von Verträgen (siehe Vertragsfreiheit) Richtlinie Schadensersatzklagen 217, 670 ff., 676 – Anspruchsberechtigung 675 – Ashurst-Studie (siehe private enforcement) – Betroffene 671, 675 – Beweismittel, Zugang zu 670 – Grünbuch Kommission 669 – Kronzeugenunterlagen (siehe Kronzeugen) – ORWI-Entscheidung des BGH (siehe Bundesgerichtshof) – passing-on defense (siehe passing-on) – Schaden 670 ff. – Verjährung 672 – Vorschlag Kommission 670 ff. – Weißbuch Kommission 669 Risikogesellschaft 169 Römisches Recht 140, 145 Ross-und-Reiter-Problem 695 Rückerstattungsverfügung 487 Rückholung von Staatlichkeit (siehe Rekommunalisierung) Rule of Reason (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Safe-harbour-Regelung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Sammelklagen (siehe Kollektivklagen) Schadensersatzanspruch, bei Wettbewerbsbeschränkungen 406, 475, 477 ff., 633, 652, 661, 668 f., 673, 677, 680 ff., 691 f., 699, 734 – Abschreckung 674, 698 ff., 719, 788, 792, 823 – Als-ob-Wettbewerb (siehe ebd.) – Anspruchsberechtigte 681, 686, 748, 806 ff. – Anspruchsgrundlage, Eisenbahnrecht 746 ff. – Anspruchsgrundlage, Energiewirtschaftsrecht 745 f.

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– Anspruchsgrundlage, Telekommunikationsrecht 746 – Anspruchsgrundlage, Wettbewerbsrecht 478, 663, 731 ff., 739, 742 ff. – Äquivalenz 680, 686, 718 – Berechnung 85, 266, 669, 672, 680 f., 684, 686, 695, 721, 750 – Betroffener/Betroffenheitskriterium (siehe ebd.) – Beweiserleichterung 671, 702 – discovery orders 701 – Effektivität 680, 686, 691, 708 f., 718, 733, 768 ff. – EuGH, Entscheidungen (siehe ebd.) – Folgevertragspartner (siehe Betroffener, von einem Wettbewerbsverstoß) – Follow-on-Klagen (siehe ebd.) – Gesamtgläubiger 807, 808 ff. – Gesamtschuldner 672, 723 ff., 740 – Gewinn, entgangener 681, 806 – Kausalität, haftungsausfüllende 741, 755 – Kollektivklagen (siehe ebd.) – Kompensation 700, 707, 723, 751, 777, 839 – Kronzeugen, Privilegierung von (siehe Kronzeugen) – mittelbar Kartellbetroffene, Klagebefugnis 687, 738 f. – multiple damages (siehe ebd.) – Naturalrestitution 750, 755, 777, 839 – Nichtigkeit von Folgeverträgen, Verhältnis zu 690, 751, 803 f. – ORWI-Entscheidung des BGH (siehe Bundesgerichtshof) – passing-on defense (siehe passing-on) – Prävention (siehe ebd.) – Preisüberhöhung 259 f., 492, 809 – Richtlinie Schadensersatzklagen (siehe ebd.) – Schaden 670 ff. – Schutzgesetzerfordernis (siehe Schutzgesetz) – Stand-alone-Klagen 660, 720, 722 – Strafschadensersatz 686, 722 – Tatbestandswirkung 676, 694, 707, 720, 746 – Vermutung Schaden 672, 741 f., 804 f.

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– Verschulden 737, 744, 749, 755 ff., 772, 774, 779, 787, 805 ff. – Wettbewerbspreis, hypothetischer (siehe Als-ob-Wettbewerb) Schiedsspruch 68 Schienenbahnen (siehe Eisenbahnen) Schlafmützenkonkurrenz 310 Schleier des Nichtwissens 13, 49, 406 Schutz des Schwächeren im Privatrecht 34, 144 Schutzgesetz 478, 551, 663, 731 ff., 743, 745, 747, 762, 770, 784, 802 – Betroffener/Betroffenheitskriterium (siehe ebd.) – Courage-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – deliktsrechtliches 455, 477, 658, 699, 727 ff., 749, 755 ff., 771, 777, 803 – deutsches Recht 727 ff. – Eisenbahnregulierungsrecht 746 f. – Energiewirtschaftsrecht 745 – Folgevertragspartner, als deliktsrechtlich Betroffene 748 ff. – Institutionenschutz, Vorrang des 732 – Kartellverbot (siehe ebd.) – Manfredi-Entscheidung des EuGH (siehe Europäischer Gerichtshof) – Missbrauchsverbot (siehe ebd.) – mittelbar Betroffene, von Wettbewerbsbeschränkung 738 f. – ORWI-Entscheidung des BGH (siehe Bundesgerichtshof) – Per-se-Schutzgesetz (siehe ebd.) – Regulierungsrecht 744 ff. – restriktive Interpretation 730 ff. – Schutzbereich, objektiver 512 ff., 743 – Schutzbereich, subjektiver 730, 743 – Telekommunikationsrecht 746 – Unionsrecht 727 ff. – unmittelbar Betroffene, von Wettbewerbsbeschränkung 752 ff. – Wettbewerbsrecht 730 ff. Schutzzwecke 418 ff., 728 ff. – Privatrecht 129 ff., 196 ff. – Regulierungsrecht 547 – Wettbewerbsrecht 418 ff. – geschützter Personenkreis 502 f.

– personalistischer Schutzzweck des Wettbewerbsrechts 514 Second-best, Theorie des 294 ff. Selbstbestimmung 7 ff., 77, 109 ff., 136 ff., 194, 204 f., 388 ff., 435 ff., 481 ff., 540 ff., 644 ff., 725 ff. – chancengleiche 142, 196, 204 ff., 215, 302, 324, 384, 388 ff., 404, 421, 444, 487, 514, 612, 636, 655, 729, 753, 793, 815 – formale 136 ff. – materiale 192, 240, 259, 268, 453, 485, 502, 540, 659, 674, 733, 759, 782, 821 – Privatrechtsordnung 7 ff., 109 ff., 193, 227 – Regulierungsgrund (siehe ebd.) – Sozialmodelle (siehe ebd.) – Verfassungsrecht 109 ff. – Wettbewerbsrecht, Schutzzweck (siehe ebd.) – Wirtschaftsverfassung 87 ff. Selbstgesetzgebung 8 f. Selbstständigkeitspostulat (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Selbstverantwortung 8, 15, 171, 183, 193, 198 Sektorspezifischen Regulierung – Ausschreibungswettbewerb 576 ff., 620 – Domestizierung von Marktmacht, durch intermodalen Wettbewerb 574 ff. – Domestizierung von Marktmacht, durch potentiellen Wettbewerb 570 ff. – Infrastrukturwettbewerb der Netze 575 ff., 633, 837 – Ladder-of-Investment Theorie (siehe ebd.) – Theorie der Constable Markets 570 ff. – Wettbewerb in Netzen 579 ff. Simulationsmodelle 278, 448 Sittenwidrigkeit 816 ff. – Gesamtnichtigkeit 477, 813 f., 817, 822 – Gute Sitten 17, 39, 153, 159, 197, 809, 812, 818 ff., 822 – Inhaltskontrolle 418, 815, 818, 820 – Kartelle 816 ff. – Normzweckvorbehalt, ungeschriebener 783 ff., 822, 840 – objektiver Tatbestand 821 ff. – ordre public (siehe ebd.)

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– ordre public, wirtschaftlicher (siehe ordre public) – Rechtsfolgen 822 – Rechtsprechung des Reichsgerichts (siehe ebd.) – Subunternehmer II-Entscheidung des BGH (siehe Bundesgerichtshof) – Teilnichtigkeit 822 – Verbot, gesetzliches 822 – Wettbewerbsverbote 816 ff. – Wucher 142, 817 Skaleneffekte 597, 602 Solidarität, vertragliche 165, 184 Sozialautonomie 163 ff. Soziale Marktwirtschaft (siehe Wirtschaftsverfassung) Sozialmodell 18 ff., 87 ff. – Begriff 22 f. – Daseinsvorsorge (siehe ebd.) – Gerechtigkeit, soziale 22, 33, 166, 189 – Gleichheit, formale 12, 33, 136 f., 170 – kollektivistisches 378 – Macht, private (siehe Macht) – marktkomplementäres Recht 88 – marktkonstitutives Recht 88 – Rechtsentwicklung 23 – Rechtsparadigma 22, 165 – Rechtsvereinheitlichung, europäische 129, 171 – zwingendes Recht (siehe ebd.) Sozialmodelle des Privatrechts 87 ff. Sozialrecht 97, 144 Sozialstaat 22, 34, 79, 183 – Grundgesetz (siehe ebd.) – soziale Verantwortung 79, 107, 172, 390 – soziales Privatrecht 33 f., 88 – Sozialstaatsprinzip 34, 107, 111, 128, 183 ff., 189 Spieltheorie 293 – Gefangenendilemma 411, 697 – more economic approach (siehe ebd.) – strategisches Verhalten 339, 536 Spill-over-Effekte 92 f. Spürbarkeit, einer Wettbewerbsbeschränkung 310, 466 ff., 496, 660 – Ausbeutungsmissbrauch 479 ff. – Behinderungsmissbrauch 481 ff. – de-minimis 431, 468 f.

– – – – –

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Erheblichkeit 468, 494 ff. Kartellverbot 466 materielle 467 quantitatives Kriterium 463, 466 Wettbewerbsbeschränkung, bewirkte (siehe ebd.) – Wettbewerbsbeschränkung, bezweckte (siehe ebd.) – zwischenstaatlicher Sachverhalt (siehe ebd.) SSNIP-Test 591 Staatsversagen 212, 259, 368, 378, 380, 539, 589 Stand-alone-Klagen 660 Steuerungskrise des Rechts 170 Strafschadensersatz 686, 722 Straftatbestände 66 f., 668, 785 Strategisches Verhalten (siehe Spieltheorie) Streuschäden 673 f., 719, 809 Strom (siehe Energie) Stromnetznutzungsentgelte (siehe Energie) Strukturelle Separierung (siehe Entflechtung) Subjektive Anspruchsberechtigung 511, 513, 752, 743, 752 Subjektives Recht 173, 771 – Institutsschutz (siehe Institut) – Kartellverordnung (siehe ebd.) – primäre subjektive Rechte 505, 730 – sekundäre subjektive Rechte 504 f. Submissionsbetrug 779 f. Subsidiarität 185, 383, 630 Subventionen 223, 232, 267, 542 Suchkosten (siehe Transaktionskosten) Sunk Costs 411, 571 f., 573 Survival of the fittest 334 Symmetrische Regulierung (siehe Regulierung) Syndikat 150 f., 155 f. System der natürlichen Freiheit (siehe klassisch-liberale Wettbewerbstheorie) System unverfälschten Wettbewerbs (siehe Wirtschaftsverfassung) Systemtheoretisches Wettbewerbsverständnis (siehe Wettbewerbsfreiheit, Konzept der)

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Tarifvertrag (siehe Arbeitsrecht) Tauschfreiheit 223 Täuschung 192, 201, 780 Teilnehmeranschlussleitung (TAL) 518 f., 528, 549, 599 Telekommunikation 517, 556, 580, 598, 605, 634, 746, 797 – 3-Kriterien-Test 292, 535, 560, 593 f., 599 – Begriff 61, 82, 517 – Bitstrom 519 – Daseinsvorsorge 116 ff. – Deutsche Telekom AG 544, 558, 634 – Deutsche-Bundespost 118, 556 f. – Diensteebene 65, 536, 548, 575 ff. – Dienstewettbewerb 557, 579 ff. – DSL (siehe ebd.) – Entgeltregulierung, Netze (siehe ebd.) – Gewährleistungsverantwortung, Staat (siehe ebd.) – Infrastrukturebene 65, 517 f. – Infrastrukturwettbewerb (siehe ebd.) – Internet 539, 548, 581 – KeL/Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung 84, 273, 496, 567, 619 ff., 801 – ladder of investment (siehe ebd.) – Liberalisierung (siehe ebd.) – Line-Sharing 519 – Märkteempfehlung der Kommission 532, 630 – Marktregulierung (siehe ebd.) – Mehrwertdienste 518, 561 – Monopol, natürliches (siehe Monopol) – Netz- und Dienstemonopol 558 – Netzzugang (siehe ebd.) – NGA-Networks 548 – Postreform I – III (siehe Postreform) – Regulierung, asymmetrische (siehe Regulierung) – Regulierung, symmetrische (siehe Regulierung) – Regulierungsermessen (siehe ebd.) – Regulierungsverfügung (siehe ebd.) – Remedies 670 – Resale 580, 582 f. – Tarifeinheit im Raum 557

– Teilnehmeranschlussleitung (TAL; siehe ebd.) – Telekommunikationsdienste 118, 518, 556, 586 f., 609, 634, 653, 799 – Terminierung (siehe ebd.) – Universaldienst 52 ff., 116 ff., 122, 543 ff., 608 ff., 650 – VDSL (siehe ebd.) – Vectoring/VDSL-Vectoring (siehe Vectoring) – Zuführung 518 – Zusammenschaltung, Netze 535, 586 f., 595 Terminierung 63, 518, 549 Third party access (siehe Zugang, Infrastruktur) Total welfare standard (siehe Wohlfahrtstandart) Trade off 226 f., 618 – Kaldor-Hicks-Kriterium (siehe ebd.) – Modell von Williamson 265, 269 – Zielkonflikt (siehe ebd.) Transaktionskosten 288, 397, 399 ff., 578 Transparenz 178, 307, 564, 629, 701 – allgemeine Geschäftsbedingungen (siehe ebd.) – Markttransparenz 35, 164, 178, 282, 286 ff., 298, 313 Transparenzverordnung 710, 713, 716 f. Trittbrettfahrer (siehe Neue Institutionenökonomik) Turbokapitalismus (siehe Liberalismus) Typenfreiheit 16 Übermaßverbot 40 Umweltschutz 41, 91, 93, 95, 416, 442, 448, 472, 534, 543 f., 608, 610, 650 f., 655, 838 Unbundling (siehe Entflechtung) Ungleichgewicht 19, 34, 145 ff., 160, 177, 180, 186, 196, 204, 206, 222, 508, 540, 649, 656, 814 – Kompensation vertraglicher Ungleichgewichte 145 ff. Unionsrecht 85, 113, 666, 760, 763, 767, 773 Universaldienst (siehe Grundversorgung) Unmöglichkeitstheorem (Arrow) 46, 281

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Unterlassungsanspruch, wettbewerbsrechtlicher 217, 633, 652, 661, 673, 675, 737, 746 Unternehmen – Gegenbegriff zum Verbraucher im Privatrecht 68 f. – marktbeherrschende 76, 311, 332, 424, 582, 588, 613, 767 – öffentliche 52, 54, 117, 120, 322 – Rekommunalisierung (siehe ebd.) – Unternehmensbegriff, funktionaler 51, 647 – Unternehmenskaufvertrag 466, 661 – vertikal integrierte 121, 533, 552 f., 564, 568, 618, 631 Utilitarismus 155, 256 VDSL 518, 548 Vectoring 518 f., 548, 581 Veil of ignorance (siehe Schleier des Nichtwissens) Verbotsgesetz (siehe gesetzliches Verbot) Verbraucher 68 ff., 428 f., 475 f. – acquis 173 – Begriff 68 – Effizienz (siehe ebd.) – Folgevertragspartner 70, 688 ff., 748 ff., 767 ff. – Kartellverbot, Freistellung vom (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – Marktgegenseite 1, 68 ff. – Privatrecht 68 ff., 439 – Regulierungsrecht 70 – Unternehmer, Gegenbegriff im Privatrecht 68 f. – Verbraucherschutz 70, 200, 321, 448, 504, 511 f., 554, 646, 729 – Wettbewerbsrecht 70 – Wohlfahrtstandard (siehe ebd.) Verbraucherschaden 424 f., 428 ff., 477 f., 546 Verbraucherschutz (siehe Verbraucher) Verbraucherwohlfahrt 279, 345, 415 f., 421, 425, 428, 432, 435, 439, 440, 443 ff., 476, 484, 502, 505 Verbrauchsgüterkauf 171, 201 – Richtlinie 201, 171

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Verbundvorteile 226, 276, 332, 527 f., 580, 598, 601 Verfassung – Europäische Grundrechtecharta 41, 80, 97 f., 103, 115 f. – Grundgesetz (siehe ebd.) – Marktverfassung 116, 131, 164 – Privatrecht, Verhältnis zu 109 ff. – Sozialverfassung 88, 116 Verfügungsrechte (siehe Neue Institutionenökonomik) Vergleichsmarktmethode (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Verhaltensmodell – homo oeconomicus (siehe ebd.) – Verhaltensökonomik (siehe ebd.) Verhaltensökonomik 408 ff. – Ankereffekte 411 – availability bias 410 – Behavioral Law and Economics 408 f., 413, 416 – Besitzeffekte (endowment effects) 411 – bounded willpower 410 – Daumenregeln 403, 410 – framing effects 411 – hindsight bias 410 – hyperbolisches Diskontieren 410 – information overload 410 – Information, eingeschränkte 401 ff., 410 ff. – Informationsverarbeitung, eingeschränkte 401 ff., 410 ff. – Nutzenmaximierung 250 ff., 285, 403, 411, 414 – opportunistisches Verhalten 404, 523, 535 ff. – over-confidence bias 410 – Rationalität, beschränkte 402, 404 – Rationalität, eingeschränkte 253, 399 – self-serving bias 410 – Spieltheorie (siehe ebd.) – sunk cost fallacy 411 – Verhaltensanomalien 409 ff. – Verhaltensmodell (siehe ebd.) – Verlustaversion 411 Verhältnismäßigkeit 40, 88, 540, 630, 783 Verhandlungskosten (siehe Transaktionskosten)

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Verjährung 669, 672 Vermögensmehrungsprinzip (siehe Kaldor-Hicks-Kriterium) Verordnung – gegen den Missbrauch privater Machtstellungen (siehe Kartellverordnung [1923]) – (EG) Nr. 1/2003 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln 50, 423, 469, 471, 646, 652, 659 f., 663 ff., 666 f., 674, 693 f. Verschulden 669, 689, 737, 744, 749, 755, 756 f., 772, 774, 779, 787, 805 ff. Versicherungsvertragsgesetz 146 Verteilungsgerechtigkeit (siehe iustitia distributiva) Vertikale Integration 333, 528, 533, 550, 583, 596 – von Energieversorgungsunternehmen 533 ff., 550 ff., 596 – von Telekommunikationsunternehmen 598 f., 556 ff. Vertikale Wettbewerbsbeschränkung ­(siehe Wettbewerbsbeschränkung) Vertrag – Amsterdam, Vertrag von 93 – Außenschranken 141, 162 – Austauschvertrag, vollentgeltlich schuldrechtlicher 15, 134, 207 – Bestimmtheit 159, 219 – Bindung 15, 17, 32, 68, 80, 199, 201 – Chancengleichheit 12, 118, 380, 382, 385, 638 – Effizienz (siehe ebd.) – essentialia negotii 161, 814 – Gleichgewicht 145 ff., 165, 196 – Gleichheit 165 – Hauptleistungspflichten 2, 65, 195, 798, 825 – Inhaltskontrolle (siehe ebd.) – Innenschranken 162 – Interessenausgleich, intersubjektiv richtiger 20 f., 181, 200, 206, 233, 507, 815 – Interessenausgleich, vertraglicher 53, 197, 486, 613

– kompetitives Vertragsrecht (siehe Vertragsrecht) – Lissabon, Vertrag von (siehe Lissabon) – Ordnungsfunktion 17, 56, 133, 152, 174 f., 183, 187, 198, 374 f., 450 – pacta sunt servanda (siehe ebd.) – Rechtsquelle 181 – Richtigkeit, materiale 173, 175 ff. – Richtigkeit, objektive 176, 179 ff., 182, 194, 196 f. – Richtigkeit, prozedurale 196, 508 – Richtigkeitsgewähr, subjektive 181 ff., 196 ff. – Schwächeren, Schutz des 34, 143 f., 241, 418, 439, 441, 555, 768 – Selbstbestimmung (siehe ebd.) – Solidarität, vertragliche 165 – Sozialmodell (siehe ebd.) – Verhandlungsmacht, strukturell ungleiche (siehe Vertragsparität) – Vertragsfreiheit (siehe ebd.) – Vertragsgerechtigkeit (siehe ebd.) – Vertragslücke (siehe Vertragsauslegung) – Vertragsparität, gestörte (siehe ebd.) – Vertragssystem, formales 141 – Vertragssystem, materiales (materielles) 141 – Vertragstheorie (siehe ebd.) – Vertragsuntreue 180 – Vertragsversagen 191, 337, 399 – wettbewerbsbeschränkender 2, 70 ff., 142, 733 – wirtschaftliche Macht (siehe Macht) Vertragsauslegung 16, 501, 787 ff., 790 ff., 804, 817, 822, 827 – ergänzende 16, 790 ff., 822, 829, 840 – Vertragslücke 16, 501, 791, 822 Vertragsfreiheit 190 ff., 236 f., 337, 486, 611 – Abschlussfreiheit 15 – dualistische Ansätze 190 ff. – formale 18, 74, 192, 337 – Formfreiheit 15 – Gesellschaftsordnung 179, 346, 364, 507 – Inhaltsfreiheit 15 ff., 141, 185 – innere Schranken 36, 821

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– Materialisierung, des Vertragsrechts 74, 110, 128, 173, 237, 509 – materielle 18, 74, 196 ff., 224 f., 611 – monistische Ansätze 190 ff. – Präferenzautonomie (siehe Präferenzen) – Richtigkeitskontrolle, von Verträgen 194 ff. – unangemessene Vertragsbedingungen 163, 489 – unbillige Vertragsbedingungen 16 – Vertragsbegründungsfreiheit 15 – Vertragsgestaltungsfreiheit 15 Vertragsgerechtigkeit 18 ff., 36, 183 ff., 190 ff., 196 ff. – iustitia commutativa (siehe ebd.) – iustitia distributiva (siehe ebd.) – materiale 173, 186 – prozedurale 173, 196 ff., 198 ff. Vertragsmechanismus 31, 179, 190, 194, 208, 477 – subjektive Richtigkeitschance des Vertragsmechanismus 181 ff. Vertragsparität, gestörte 186 f., 200, 258, 453, 497 – Bürgschaftsentscheidung 27, 111, 185 ff., 363 – Fallgestaltung, typisierende 187 f. – Handelsvertreterbeschluss 111, 185 – Interessenausgleich, offensichtlich unausgewogener 188 – Massenverträge 162, 180, 192 – Schutzpflicht des Staates 30, 109, 121 – Unterlegenheit, strukturelle 187 – Vertragskontrolle, sozialstaatlich motivierte 34, 184 Vertragsrecht 32, 141 f., 161 f., 169 f., 812 – dispositives 141 f. – kompetitives 812 ff. – Krise des Vertragsrechts (siehe ebd.) – Vertragsrechtsordnung 130 ff. – zwingendes 450 Vertragstheorie 129 ff. – Informationsmodell 34 – ökonomische 210 – Paternalismus (siehe ebd.) – rechtliche 136 ff.

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– Selbstbestimmung, material-chancengleiche (siehe Selbstbestimmung) – überindividuell-objektive Zwecke (siehe Privatrecht) – überindividuelle Gerechtigkeit 175 ff. – Verhältnis zwischen Vertragsfreiheit und Vertragsgerechtigkeit 190 ff. – Wettbewerbswirtschaft, Bezug zur 130 ff. Vertrauen – Grundsatz 468 f. – Haftung 34 – Schutz 17, 21, 130, 172, 468 f., 771 Verwaltungsakt 605, 607, 640, 652, 664 Vivento-Defizit 151 VO Nr. 1/2003 (siehe Verordnung) Volkswirtschaft 69, 89, 151, 222, 238, 243, 254, 273, 280 ff., 337, 384, 498 Vollkommene Konkurrenz (siehe Neoklassische Wettbewerbstheorie) Vollständige Konkurrenz (siehe Ordoliberalismus) Vorabentscheidung, EuGH 666, 677, 702 Vorhersehbarkeit (siehe Rechtsstaatsprinzip) Vorleistungsebene 797 Vorleistungsentgelt 801 Vorleistungsmarkt 613 Vorleistungsregulierung 584, 613 Vorrang des Unionsrechts 108, 350, 666 – Kartellverbot (siehe ebd.) – Missbrauchsverbot (siehe ebd.) – VO Nr. 1/2003 (siehe Verordnung) Vorteilsabschöpfung 726, 823 Wasser – Abwasser 82, 123 f. – Trinkwasser 82 – Wasserversorgung 82, 123 ff., 537, 654 Wegfall der Geschäftsgrundlage (siehe Geschäftsgrundlage) Weißbuch der Kommission über die Modernisierung der Vorschriften zur Anwendung der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (1999) 422 f. Weißbuch der Kommission über Schadenersatzklagen wegen Verletzung

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des EG-Wettbewerbsrechts (2008) 669 ff. Welfarismus (siehe Wohlfahrtsökonomie) Werturteil – Werturteilsbasiertheit der Rechtswissenschaft 252, 260 – Werturteilsbasiertheit der Wettbewerbstheorie 50, 225, 251 f., 267, 364 – Werturteilsstreit 255, 394 Wettbewerb – Allokationsfunktion 222 – Antriebsfunktion 152, 305, 450 – Bahnbrecher (Arndt) 299 ff., 317 – Effizienzen (siehe ebd.) – Entdeckungsverfahren 48, 214, 222, 317, 319, 321, 350, 446, 657 – Entmachtungsfunktion (siehe Wettbewerbsfunktionen) – Innovationen 276 ff. – Investitionen 219, 277 ff., 437, 531 f., 536, 571, 580 ff., 585, 595 ff., 621 – juristisches Verständnis 348, 416 – Nachahmer (Arndt) 214, 299 ff. – offene Märkte 101 f., 352, 362 – ökonomisches Verständnis 218 ff. – Ordnungsfunktion 374 f., 450 – Pionierunternehmer 214, 310 – potenzieller 83, 372, 570, 588, 612, 614 – Prozess, dynamischer 301 f. – System unverfälschten Wettbewerbs (siehe Wirtschaftsverfassung) – Transaktionskosten (siehe ebd.) – Verbraucherschutz (siehe Verbraucher) – Wettbewerbsfreiheit (siehe ebd.) – Wettbewerbsfunktionen (siehe ebd.) – Wettbewerbsintensität 303 ff. – wirtschaftlicher 131, 217 Wettbewerbsbehörde – Bundeskartellamt 346, 702 ff., 707, 710 – Kommission/EU-Kommission 172, 209, 349, 433, 472, 681 Wettbewerbsbeschränkung 66, 435 ff., 449 ff., 638 ff., 659 ff., 817 ff. – Abwägung marktbezogener Freiheiten 435 ff. – Als-ob-Wettbewerb (siehe ebd.) – Außensicht 744

– außerwettbewerbliche Belange/Ziele 95, 472 f., 485 – Begriff 66 f. – Betroffene (siehe ebd.) – bewirkte (siehe bewirkte Wettbewerbsbeschränkung) – bezweckte (siehe bezweckte Wettbewerbsbeschränkung) – Bündeltheorie 466 – Drittwirkungen, negative 138, 156, 463, 484, 660, 689, 749, 755 ff. – effects based approach (siehe ebd.) – Effizienzverteidigung (siehe Effizienz) – Freiheitstest 446 – Freistellung 70, 215, 426 f., 429, 440, 470 ff., 665 – Gefährdungstatbestand (siehe ebd.) – Gegenstandstheorie 157, 459, 759, 774 – Gruppenfreistellung 310, 471 f., 663 ff. – Haupttäter 460, 784 – horizontale 3, 431 f., 675, 770, 780 – Innensicht 57, 744, 759 – Justiziabilität (siehe Rechtsstaatsprinzip) – kollusive 215, 306, 456, 461 – Kosten- und Gewinnkontrolle, interne 493 f., 815 – Leistungswettbewerb (siehe Ordoliberalismus) – marktabschließende/marktverschließende Wirkung 152, 432, 484 – materielle 776 – Monopol, künstliches 461 – more economic approach (siehe ebd.) – natürliche 326 – Nichtleistungswettbewerb (siehe Ordoliberalismus) – Offenhaltung der Märkte 76, 113, 214, 310, 312, 320, 435 ff., 480, 499 f. – per se rule (siehe Wettbewerbsbeschränkung) – protection of competition 428, 657 – Rechtfertigung, einer tatbestandlichen 95, 429, 401, 470 ff. – Rechtssicherheit (siehe Rechts­staats­ prinzip) – regulierte Netzsektoren 61, 63 – rule of reason 43, 436, 665, 772

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– Safe-harbour-Regelung 436, 464, 471, 664 f. – Selbstständigkeitspostulat 359 f., 469 f., 692, 770 – Sittenwidrigkeit (siehe ebd.) – Spürbarkeit (siehe ebd.) – unilaterale 147, 157, 450, 460 – Unwirksamkeit 665, 677, 679, 691, 727 ff., 762, 773 ff., 789, 793, 822 – Verbot 73, 95, 451, 455 ff., 645 – Vergleichsmarktmethode 492 ff., 617, 629, 817 – vertikale 71, 342, 427, 431 f., 460, 675, 676, 779 – Vorhersehbarkeit (siehe Rechts­staats­ prinzip) – wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung 50, 147, 157 ff., 450, 465, 473, 660, 662, 675, 733 ff. Wettbewerbsfördernde Regulierung 82, 611 ff. – Entflechtungsregulierung 6, 43, 65, 611, 631 – Entgeltregulierung (siehe ebd.) – Zugangsregulierung (siehe ebd.) Wettbewerbsfreiheit, Konzept der 214, 316, 322 ff., 353 – Freiheitsverständnis, formales 322 ff. – Innovationen (siehe Wettbewerb) – Wettbewerb, dynamischer 28, 286, 302, 316, 342 – Neoklassik 315 f. – Systemtheorie 239, 315 f., 322 ff., 330, 449 Wettbewerbsfunktionen 22 ff. – Allokation 43, 114, 213, 221 f., 257 ff., 273 ff., 297, 335 f., 427, 523, 538, 539, 577 – Anpassung 98, 221 f., 305, 334, 376 – Ausgleich 220 ff. – Effizienz (siehe ebd.) – Entdeckung 214, 320, 350, 389, 416 – Entmachtung 238, 366, 376, 382, 384 – Fortschritt 223 – Freiheit 224, 226 ff. – gesellschaftliche 224 ff. – Information 220 ff. – Lenkung 222, 305 – ökonomische 221 ff.

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– Verteilung 223, 305, 450 – Zielkonflikte zwischen Freiheits- und Wohlfahrtsfunktionen 226 f. – Zuteilung 221 f. Wettbewerbsleitbilder 208 f. – freiheitsorientierte 209 f. – more economic approach (siehe ebd.) – wohlfahrtsökonomische 209 f. Wettbewerbspolitik 207 ff. – Vertragsrecht, marktbezogenes 1, 46, 207 – Wettbewerbsleitbilder (siehe ebd.) Wettbewerbspreis (siehe Als-ob-Wettbewerb) Wettbewerbsprozess 132 f., 315 Wettbewerbsrecht 207, 359, 406, 418 ff., 502, 608, 644 ff., 655, 665, 674, 685, 730 ff., 760 – Ausbeutungsmissbrauch, Verbot (siehe ebd.) – Behinderungsmissbrauch, Verbot (siehe ebd.) – Durchsetzung, dezentrale 665 f. – Effizienz (siehe ebd.) – Entlastungsfunktion, zugunsten des Privatrechts 421 – Fusionskontrolle (siehe Fusion) – Gerechtigkeit (siehe ebd.) – individuelle Freiheit 60, 225, 321 – Kartellrecht (siehe ebd.) – Konkurrenzelement 215, 454 – Kooperationselement 215, 405, 447, 454 – Schutzobjekt 209, 729 – Schutzzweck, personalistischer 513 ff. – Schutzzwecke (siehe ebd.) – überindividuelle Ziele 226 – Verbot, gesetzliches (siehe ebd.) – Verbraucherschutzrecht, konstitutives 171, 454, 508, 758 – Vermachtung, Schutz vor 226, 440 – Verständnis, ökonomisches 218 ff. – Verständnis, juristisches 348, 416 – Wettbewerb (siehe ebd.) – Wettbewerbspolitik, praktizierte 207 f. – Wohlfahrt 44, 206, 226, 240 ff., 254 ff., 266 ff., 329 ff., 450 – Zielsetzung, bipolare 226 Wettbewerbstheorie 206 ff.

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– Austrian School (siehe Österreichische Schule) – Chicago School (siehe ebd.) – Harvard School of Economics (siehe ebd.) – klassische Wettbewerbstheorie (siehe ebd.) – Wettbewerbsfreiheit, Konzept der (siehe ebd.) – Marktprozesstheorie (siehe ebd.) – neoklassische Wettbewerbstheorie (siehe ebd.) – Neue Industrieökonomik (siehe ebd.) – Neue Institutionenökonomik (siehe ebd.) – Neue politische Ökonomie (siehe Neue Institutionenökonomik) – Ordoliberalismus (siehe ebd.) – Post Chicago Economics (siehe ebd.) – Spieltheorie (siehe ebd.) – wirksamer Wettbewerb (siehe ebd.) – Wohlfahrtsökonomie (siehe ebd.) – workable competition (siehe ebd.) Wettbewerbsverbot – ancilliarisch 151 – Eingriff in subjektive Gewerbefreiheit 151, 154 – Konkurrenzklausel 154 – Rechtsprechung des Reichsgerichts (siehe Reichsgericht) – wirtschaftlicher ordre public (siehe ordre public) Wettbewerbsverletzung (siehe Wettbewerbsbeschränkung) Willenserklärung – Anfechtung 141, 216, 751, 780, 790 – Drohung 192 – Irrtum 141, 192, 201, 338, 780 – Täuschung 192, 201, 780 – Willensmängel 257, 790 Wirksamer Wettbewerb (effective competition) 298 ff. Wirtschaftlich Schwächere (siehe Macht) Wirtschaftliche Macht (siehe Macht) Wirtschaftsformen (siehe Marktformen) Wirtschaftsrecht – mixed economy (siehe ebd.) – Sozialmodell (siehe ebd.)

Wirtschaftsverfassung – Binnenmarkt (siehe ebd.) – Deutschland 103 ff. – Europäische Gemeinschaften 93 ff. – Europäische Union 91 ff. – Gemeinwohl 93 f., 101, 112, 116 – Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers 106, 108, 111, 513 – Gewerbeordnung (1869) 145, 152, 373 f. – Grundfreiheiten (siehe ebd.) – Grundgesetz (siehe ebd.) – Grundrechte (siehe ebd.) – Individualprinzip 107 – Lissabon, Urteil des BVerfG (siehe Bundesverfassungsgericht) – Lissabon, Vertrag von (siehe Lissabon) – Marktöffnung 548 ff. – Marktwirtschaft, soziale 107 ff. – Mitgliedstaaten, der EU 92 ff. – offene Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb 101 f. – ökonomisches Verständnis 89 ff. – Ordnung, marktwirtschaftliche 97, 365, 368 f. – Primat des Rechts 208, 346, 358 – Privatautonomie (siehe ebd.) – Protokoll Nr. 27 zum Vertrag von Lissabon über den Binnenmarkt und den Wettbewerb 41, 75, 91, 99 ff., 113, 456, 475, 481, 485, 648, 662 – rechtswissenschaftliches Verständnis 89 ff. – Selbstbestimmung (siehe ebd.) – Sozialmodell (siehe ebd.) – Sozialpolitik 84, 395 – Sozialprinzip 107 – System unverfälschten Wettbewerbs 95, 97, 128 – Umweltpolitik 93 – Wettbewerbsrecht 96 ff., 128 – Wirtschafts- und Währungsunion 93, 102, 108 – Wirtschaftsordnung, arbeitsteilige 14, 15, 18, 207, 389 – wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes 42, 87, 105 f., 107 – wirtschaftspolitische Offenheit des Grundgesetzes 104 ff.

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– Zentralverwaltungswirtschaft (siehe Planwirtschaft) Wissenschaftsfreiheit (siehe Grundrechte) Wissensproblem 317 ff. Wohlfahrtsökonomie 254 ff., 329, 523 – Allokation knapper Ressourcen 273 ff. – Distribution 257, 274 – Freiheitsziel, Verhältnis zum 255, 259 – Hauptsatz, erster 258, 281 – Hauptsatz, zweiter 258 – homo oeconomicus (siehe ebd.) – Individualismus, methodologischer (siehe ebd.) – Kaldor-Hicks-Kriterium (siehe ebd.) – Knappheit der Ressourcen 49, 243, 244 ff., 274 – Marktversagen 213 ff., 259 – neoklassische Wettbewerbstheorie (siehe ebd.) – Pareto-Kriterium 256 ff. – Problemstellung 254 ff. – Theorie, normative 272 f. – Theorie, positive 272 f. – utilitaristische 256 – Wohlfahrtstandard (siehe ebd.) Wohlfahrtstandard 266 ff. – Gesamtwohlfahrtstandard 267 – Konsumentenwohlfahrtstandard 268 – Verteilungseffekte 189, 266 Wohlmeinender Planer 345 Workable competition 288 ff. – Gegengiftthese 290, 295 – imperfections (siehe ebd.) – industrial organization (siehe Harvard School of Economics) – Konzept der optimalen Wettbewerbs­ intensität (siehe ebd.) – Macht als ambivalentes Phänomen 23, 278, 288 ff., 353 f., 397, 441, 744, 810 – monopoly elements 289 – Second-best-Lösung 294 ff. – Theorie der Effective Competition (siehe wirksamer Wettbewerb) Würde des Menschen (siehe Menschenwürde) X-Ineffizienz 275, 530

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Zentralverwaltungswirtschaft (siehe Planwirtschaft) Zielkonflikte 218, 226 f., 303, 543, 696 ff. Zivilrechtliche Rechtsbehelfe 632 ff. – im Eisenbahnregulierungsrecht 635 f. – im Energiewirtschaftsrecht 632 ff. – im Telekommunikationsrecht 634 f. Zugang, Infrastruktur 584 ff. – Anspruch auf physischen Netzanschluss 587 – Begriff 585 ff. – contestable marktes (siehe ebd.) – disaggregierter Regulierungsansatz (siehe ebd.) – Durchleitung 552 ff., 579, 586 – Ermittlung der zu regulierenden Infrastrukturen 590 ff. – essential facilities (siehe ebd.) – hit-and-run entry 572, 588 – Nachahmer 214, 299 ff., 310, 317 – Netzzugang, durch zivilrechtlichen Vertrag 608 – Nutzungsrecht 584, 590 – Regulierung, symmetrische (siehe ebd.) – third party access 551 – Wettbewerbsförderung in wettbewerbsfähigen Marktstufen 585 ff. – Zugang als Anspruch auf Netznutzung 585 f. – Zugangsbedingungen 532, 538, 553, 605, 612 Zugangsregulierung 611 ff. – Monopol, natürliches (siehe Monopol) – Schutz durch abstrakte Gefährdungstatbestände 613 f. – Zugangsanspruch 615 – Zugangsverpflichtete 613 – Zweck 611 Zugangsvereinbarung 586, 605 Zünfte 12, 237 Zusammenschaltung 535, 586 f., 595 – Netzzusammenschaltung 535 – Zusammenschaltungsverpflichtung 535 Zusammenschluss, von Unternehmen (siehe Fusion) Zwingendes Recht 15, 17, 145, 176, 197 Zwischenstaatlicher Sachverhalt 805