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German Pages 123 Year 2003
THOMAS MOTSCH
Der straflose Notwehrexzess
Schriften zum Strafrecht Heft 140
Der straflose Notwehrexzess Analyse der ratio legis und Lösung der Erscheinungsformen des § 33 StOB unter besonderer Berücksichtigung neuerer Tendenzen
Von
Thomas Motsch
Duncker & Humblot . Berlin
Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 3-428-11082-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2002 von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis April 2002 berücksichtigt. Ich möchte die Gelegenheit ergreifen, an dieser Stelle meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, ganz herzlich zu danken für die mir zuteil gewordene wissenschaftliche Förderung, das mir entgegengebrachte Vertrauen und die Ermöglichung eines zügigen Fortgangs dieser Arbeit. Ferner gilt mein Dank Herrn Professor Dr. Henning Ernst Müller für die Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht unerwähnt sollen Herr Franz Ertl und Herr Jarno Pitl bleiben, welche die Arbeit im Hinblick auf die neue Rechtschreibung mit großer Sorgfalt und Mühe durchsahen und überarbeiteten. Vor allem aber danke ich Claudia Ertl für ihre besondere Unterstützung sowie meinen Eltern Rosemarie und Rudolf Motsch für die Möglichkeiten, die sie mir geschaffen und immer offen gehalten haben. Letzteren ist dieses Buch gewidmet. Regensburg, im November 2002
Thomas Motsch
Inhaltsverzeichnis Einführung .......... .. . . . ... . ....... . ... .. . . ... . ........... .... .. . .. ....... . . . .... . . ... ..
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J. Kapitel
Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung gemäß § 33 StGB I. Objektive Erscheinungsfonnen der Notwehrüberschreitung ..... . .......... . ....... 1. Intensiver Notwehrexzess .......... . ................... .... ........ . . .... ..... ... a) Exzess im Hinblick auf die Erforderlichkeit . . . . .. ... . . ... . ..... .. . . . .. .. .. ... b) Exzess im Hinblick auf die Gebotenheit .. . . . . ..... . .. ... . .... . ... .. ... . ... . .. aa) Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern . . .... . ....... .. ... . .. bb) Provozierter Notwehrexzess .... . ............ . . . . . .............. . . . . . ..... cc) Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess .. ... . . ............. .... ........ 2. Extensiver Notwehrexzess .... . . . . . . .... ......... . ... ... . .. .......... . . .. . . ...... a) Nachzeitig-extensiv . ..... .. . ..... . . .... . .. . . . . .... . .. ....... . ... . .... . ... . ... . b) Vorzeitig-extensiv.. . ....... . . . . . . . ..... . .. . . . . .. . . .. ... .. . .. . . . .. . ... ..... . . .. 3. Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess . . . .. . . . . . . ... 4. Räumlicher Notwehrexzess ... . . ... ............... ...... ............. .. . . .. . ..... 11. Subjektive Erscheinungsfonnen der Notwehrüberschreitung .............. .. .. .. ... 1. Bewusster Notwehrexzess ...... ... .. . . . ..... . .... .. .. .. ... .... ... ... . ..... . ..... . 2. Unbewusster Notwehrexzess .. . . . .. .. ........ . ... . . . .. . . .. .... . . . .. . .. . .. ... .... . a) Fahrlässiger Notwehrexzess .. . ..... .. . ....... . . .. . ... . ... ... . ... .. .... ..... ... b) Irrtum und Notwehrexzess . . ....... . ............ .. ............ . .. .. . .. .... . ... aa) Putativnotwehr und Exzess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Putativnotwehrexzess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung ... .. . . .. . . . ..... . .... . . . . .. ....... . III. Sonderfonn der Notwehrüberschreitung: Motivbündel von sthenischen und asthenischen Affekten . .. . .. .. . . . . ... .. ... ... . .. . .. . . .. . ... ...... ..... . . . ... .. ....... .. . . .
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2 . Kapitel
Erarbeitung eines allgemeinen und stimmigen Lösungskonzepts für § 33 StGB I. Grammatikalische, systematische und historische Auslegung .............. ... .....
1. Intensiver Notwehrexzess im Hinblick auf die Gebotenheit ............ . ........ a) Provozierter Notwehrexzess . .. .. .... . ........ ... . . . . ... . .. . .... . ... . ........ . . b) Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess . ... .... . .. . .. . . . . . . .. . .. .. . .. . .... . . c) Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern ..... . ...... . . ... . .. .. . .. . .
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Inhaltsverzeichnis
d) Zusammenfassung 2. Nachzeitig-extensiver Notwehrexzess ...................................... " ... . 3. Vorzeitig-extensiver Notwehrexzess ............................................. 4. Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess .............. 5. Räumlicher Notwehrexzess ...................................................... 6. Bewusster Notwehrexzess .. .... .. . . .. ..... .. .. . ...... .. ... .. ... .. . .. . .. .. ... .. ... 7. Putativnotwehrexzess ............................................................ 8. Motivbündel von sthenischen und asthenischen Affekten ....................... 9. Zwischenergebnis................................................................ 11. Teleologische Auslegung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansatz 1: Die Affekte ............................................................ a) Ausschluss der Einsichtsfähigkeit in das normgerechte Verhalten. ... .. .. . .. . b) Beweisregel für fehlende Fahrlässigkeit ...................................... c) Typisierte Erlaubnistatbestandsirrtumsregelung .............................. d) Wegfall des aktuellen Unrechtsbewusstseins und Theorie der Affektveranlassung ... .................................................... ............. ....... aa) Methodische Kritik ....................................................... bb) Ergebnisspezifische Kritik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums ....... . ...................... . ........ f) Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens. . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . .. . . . . . . . .. . . . . g) Zwischenergebnis ............................................................. 2. Ansatz 2: Die Verteidigung ...................................................... a) Darstellung des Erklärungsmodells ........................................... b) Kritik .......................................................................... c) Zwischenergebnis............................................................. 3. Ansatz 3: Der Angriff............................................................ a) Strafzweckmodelle ............................................................ aa) Roxin und Jakobs als erste Interpreten einer strafzweckorientierten, präventiven Deutung ......................................................... (1) Roxin ................................................................ (2) Jakobs................................................................ bb) Fischer als Interpret einer strafzweckorientierten, den Verlust des Strafrechtsschutzes problematisierenden Deutung ............................ b) Reaktionen und Tendenzen in Literatur und Rechtsprechung................. aa) Literatur .................................................................. bb) Rechtsprechung .......................................................... c) Zusammenfassung und bewertende Systematisierung der unterschiedlichen Ansätze innerhalb des gemeinsamen Strafzweckmodells ..................... d) Bewertung der Tauglichkeit des kriminalpolitischen Ansatzes für ein allgemeines und stimmiges Lösungskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bewertung des Grundmodells ............................................ bb) Bewertung der Bemessungsgrundlage für eine Zuständigkeitsverschiebung ...................................................................... IU. Konzeptdarstellung ..................................................................
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Inhaltsverzeichnis
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3. Kapitel Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB unter Anwendung des entwickelten Konzepts
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I. Bewusster Notwehrexzess .. . . . . .. . . . . . .. .. . . .. .. . . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Unbewusster Notwehrexzess ........................................................ 1. Fahrlässiger Notwehrexzess und Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung .... 2. Irrtum und Notwehrexzess ....................................................... a) Putativnotwehr und Exzess. .. . . . . . . . .. .. . . .. . . . .. . . . . . .. . . . . .. . . . . . . . . . . .. . . . . b) Putativnotwehrexzess ............... .. ........... .. ................ .. ......... III. Intensiver Notwehrexzess ........................................................... 1. Exzess im Hinblick auf die Erforderlichkeit ..................................... 2. Exzess im Hinblick auf die Gebotenheit ......................................... a) Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern ........................... b) Provozierter Notwehrexzess ................................................... aa) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur ........................ bb) Lösung nach dem Strafzweckkonzept ......................... .. ......... c) Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess ..................................... IV. Nachzeitig-extensiver Notwehrexzess .............................................. 1. Konzeptanwendung und normativer Vergleich von intensivem und nachzeitig-extensivem Exzess .................................................................. 2. Darstellung und Kritik der Lösung nach der h. M. ............................... 3. Zusammenfassung ................................................................ V. Vorzeitig-extensiver Notwehrexzess ................................................ VI. Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess ................. VII. Räumlicher Notwehrexzess ......................................................... VIII. Motivbündel von sthenischen und asthenischen Affekten .......................... IX. Exkurs: Analoge Anwendung des § 33 StGB auf andere Rechtfertigungsgründe ... 1. Beispiele ......................................................................... 2. Lösung ........................................................................... a) Rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB ................................... b) Festnahmerecht nach § 127 StPO ............................................. c) Defensiver Notstand nach § 228 BGB . . . . . . . .. . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . .. . .. . . ..
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Schlussbetrachtung ...................................................................... I. Ergebnisse des erarbeiteten Konzepts ............................................... 1. Ratio legis von § 33 StGB ........................................................ 2. Lösung der Erscheinungsformen des Notwehrexzesses .......................... 11. Versuch der Bestimmung der Rechtsnatur von § 33 StGB ..........................
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Literaturverzeichnis . .. .. . . . . . . . .. .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . .. .. . . . .. . . . . .. .. . . . . . .. . . . . . . . . .. 116 Sachwortverzeichnis ..................................................................... 121
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.F. Alt. Anm. Art. AT BayObLG BayObLGSt. Bd. BGB BGH BGHSt. BT-Ds. BVerfG BVerfGE bzgl. bzw. ders. d.h. dies. Diss. f. ff. Fn. FS GA GG Habil. h.M. Le.S. i.S. v. JA JR Jura JuS JW JZ
Kap.
anderer Ansicht alte Fassung Alternative Anmerkung Artikel Allgemeiner Teil Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Drucksachen des Deutschen Bundestags Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezüglich beziehungsweise derselbe das heißt dieselben Dissertation folgende folgende Fußnote Festschrift Goltdammer's Archiv für Strafrecht Grundgesetz Habilitation herrschende Meinung im engeren Sinne im Sinn von Juristische Arbeitsblätter Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristen Zeitung Kapitel
Abkürzungsverzeichnis LK MDR MSchrKrim m.w.N. NJW NK Nr. NStE NStZ OLO Prot. RO ROSt. RMilO Rn. S. sc. SK sog. SondA. f. d. StrRef. Sp. StOB StPO StV Teilbd. Urt. vgl. Vorbem. WaffO ZAkDR z.B. ZStW
Leipziger Kommentar Monatsschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nomos Kommentar Nummer Neue Entscheidungssammlung für Strafrecht Neue Zeitschrift für Strafrecht Oberlandesgericht Protokoll Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts Randnummer Seite scilicet Systematischer Kommentar sogenannt Sonderausschuss für die Strafrechtsreform Spalte Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Der Strafverteidiger Teilband Urteil vergleiche Vorbemerkung Waffengesetz Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
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Einführung "Unter den gesetzlich geregelten Fällen, in denen trotz tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Verhaltens keine Bestrafung eintritt, ist die Notwehrüberschreitung sicher der dunkelste." 1 Mit dieser bildhaften Formulierung bringt Roxin treffend zum Ausdruck, was sich binnen der letzten Jahrzehnte in der Strafrechtswissenschaft abgezeichnet hat, die sich mit dem Notwehrexzess (§ 33 StGB) beschäftigt: Die Norm des § 33 StGB gehört zu den am wenigsten aufgeklärten und zugleich am meisten umstrittenen Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs. Eine Bestandsaufnahme der Auffassungen, die in Literatur und Rechtsprechung zum Notwehrexzess vertreten werden, führt zu dem unbefriedigenden, weil nach wie vor Unsicherheit stiftenden Ergebnis, dass sich eine Vielzahl von Erklärungsversuchen gegenüberstehen, die in ihren Ansätzen teils grundlegend verschieden sind. Besonders deutlich wird dies bei der Frage, welche Rechtsnatur dem § 33 StGB zukommt: Während die h. M. den Notwehrexzess als Entschuldigungsgrund 2 einstuft, reichen die Interpretationen anderer Ansichten von der Einordnung als Strafausschließungsgrund, 3 aber auch als Sonderregelung gegenüber § 17 StGB 4 bis hin zur Charakterisierung als bloße Beweisregel 5 für den Ausschluss von Fahrlässigkeit. Diese Vielfalt divergierender Meinungen findet sich allerdings nicht nur bei der Suche nach der Rechtsnatur des § 33 StGB. Auch die sonstigen Fragen, welche die Notwehrüberschreitung aufwirft, werden von einer ebenso bunten Palette unterschiedlicher Antworten begleitet. So herrscht etwa erheblicher Streit darüber, wie die ratio des § 33 StGB zu verstehen ist oder wie - um nur zwei Problemfelder noch stellvertretend zu nennen - die Fälle der extensiven Notwehrüberschreitung sowie des Putativnotwehrexzesses zu lösen sind. Die Wissenschaft lässt damit insgesamt eine klare Linie bei der Behandlung des
§ 33 StGB vermissen. Die Meinungsvielfalt führt zu einer verwirrenden Situation,
die eindringlich verdeutlicht, dass es bislang noch nicht gelungen ist, mit der Norm des Notwehrexzesses sicher und widerspruchsfrei umzugehen. Der Grund dafür Roxin FS für Schaffstein S. 105. Vgl. vor allem: BGH NJW 1962 S. 308, 309; BGH GA 1969 S. 23,24 zu Nr. 3; BGH NStZ 1981 S.299 zu Nr. 3; BGH NStZ 1983 S. 117 zu Nr. 1; Jakobs AT 20/28 ff.; JeschecklWeigend AT § 45 112; Schmidhäuser Studienbuch 8/30; SchlSch-Lencknerl Perron § 33 Rn. 2; SK-Rudolphi § 33 Rn. 1; TröndlelFischer § 33 Rn.3; WesselslBeulke AT Rn. 446. 3 Vgl. Mayer AT S. 282f.; Fischer Diss. S. 80ff. 4 So Köhler AT S. 424. 5 Vgl. LK-Baldus 9. Auflage §53 Rn. 48; Schröder ZAkDR 1944 S.124. I
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Einführung
liegt darin, dass die Norm des § 33 StGB im Vergleich zu den anderen Vorschriften des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs befremdend und atypisch wirkt. Gerade die Formulierung der Rechtsfolge "so wird er nicht bestraft" ist ungewöhnlich und fügt sich nicht harmonisch in die allgemeine Strafrechtssystematik ein. Eine unzweifelhafte und eindeutige Zuordnung in die Kategorien "Rechtwidrigkeit", "Schuld" oder "Strafausschließungsgrund" ist nicht möglich; denn für diese Bereiche hat der Gesetzgeber die davon abweichenden Formulierungen auf der Rechtsfolgenseite "handelt nicht rechtswidrig", "handelt ohne Schuld" oder "ist straffrei" gewählt. Dies wohl gemerkt nicht aufgrund eines redaktionellen Versehens, sondern mit Vorbedacht, wie anlässlich des zweiten Strafrechtsreformgesetzes im Jahre 1975 aus den Ausführungen von Horstkotte, dem Vertreter des Justizministeriums, zu dem neu geschaffenen § 33 StGB, der den § 53 III StGB a. F. ablöste, herauszulesen ist: Seitens des Ministeriums sei "eine einigermaßen neutrale Formel, die weiterhin für alle mannigfaltigen Deutungen der Rechtsnatur des Notwehrexzesses Raum lässt", beabsichtigt worden, weil sich der Gesetzgeber "nicht ohne Not einmischen" wolle. 6 Diese Äußerung ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der damalige den Notwehrexzess betreffende § 53 III StGB in Bedeutung und Rechtsnatur schon sehr ungeklärt und umstritten gewesen ist. Die neue Fassung in Form des § 33 StGB sollte also daran nichts ändern, vielmehr ist mit der Wendung "wird nicht bestraft" - um es mit den Worten Roxins auszudrücken - ein "bewusstes Bekenntnis des Gesetzgebers zur Unentschiedenheit und Offenheit im Streit der Meinungen"7 abgegeben worden. Aber nicht nur die Formulierung auf der Rechtsfolgenseite, sondern auch der ambivalente Tatbestand vernebelt die Erklärung der Vorschrift. § 33 StGB besteht sowohl aus Elementen der Rechtswidrigkeit, indem das Überschreiten der Grenzen der Notwehr vorausgesetzt wird, als auch aus subjektiven Formulierungen wie "aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken", die eine Zugehörigkeit zur Schuldebene vermuten lassen. Wie diese Ambivalenz und Schnittmenge von Rechtswidrigkeits- und Schuldmomenten im Hinblick auf das Verständnis der Norm zu beurteilen ist, stellt den Norminterpreten vor ein weiteres Problem. So verwundert es auch nicht, wenn Mayer etwas abfällig über den Notwehrexzess, damals noch § 53 III StGB als sedes materiae, konsterniert feststellt: "Die Zurechnung, diese feinste Leistung der Strafrechtspflege, wird durch eine grobe Regel matt gesetzt", welche einen "plumpen Strafausschließungsgrund" darstelle. 8 Geilen spricht sogar von einer "atypischen und undifferenzierten Entschuldigungsmöglichkeit",9 während Schmidhäuser noch weiter geht und die Notwendigkeit der Norm überhaupt in Frage stellt. 10 SondA. f.d. StrRef. Prot. V S.1817. Roxin FS für Schaffstein S. 107. 8 Mayer AT S. 282 f. 9 Geilen Jura 1981 S.379. IO V gl. Schmidhäuser Studienbuch 8/31.
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Einführung
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Damit ist aufgezeigt, dass § 33 StGB eine Regelung beinhaltet, die einhergehend mit der Überfülle von grundlegenden Meinungsstreitigkeiten in der Wissenschaft als nicht umfassend geklärt und verstanden angesehen werden kann. Die vorliegenden Arbeit versucht, Licht in das vorhandene Dunkel eindringen zu lassen. Die vielfältigen Probleme, auf die man bei der Beschäftigung mit dem Notwehrexzess stößt, sollen einer in sich stimmigen und einheitlichen Lösung zugeführt werden, so dass am Ende ein klares und einleuchtendes Gesamtbild von § 33 StGB entstehen kann.
2 MOloch
1. Kapitel
Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung gemäß § 33 StGB Wer sich die gegenwärtige tatbestandliche Regelung über den Notwehrexzess vor Augen führt: "Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken", kann daraus eine Vielzahl heterogener Konstellationen ableiten, bei denen sich die Frage nach der Anwendbarkeit von § 33 StGB stellt. Diese Konstellationen, welche allgemein als "Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung" verstanden werden, gilt es im Folgenden aufzuzeigen, hinsichtlich ihrer Terminologie zu klären und beispielhaft zu veranschaulichen, um daran anschließend ein Konzept für deren Lösung zu erarbeiten.
I. Objektive Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung Die Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung lassen sich in eine Gruppe objektiver und eine Gruppe subjektiver Exzesskonstellationen aufteilen. Die objektiven seien zunächst dargestellt.
1. Intensiver Notwehrexzess Der intensive Notwehrexzess betrifft die Situation, in welcher der Täter im Rahmen einer vorliegenden Notwehrlage i. S. v. § 32 11 StGB, also innerhalb eines gegenwärtigen 1 und rechtswidrigen Angriffs, das Maß (die Intensität) der gemäß § 3211 StGB erforderlichen bzw. der gemäß § 32 I StGB gebotenen Verteidigung aufgrund Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschreitet. Die Motive "Verwirrung, Furcht oder Schrecken", welche für den Exzess ursächlich sein müssen, werden dabei allgemein als asthenische Affekte bezeichnet, weil sie auf dem Gefühl der Schwäche beruhen - im Gegensatz zu den nicht von § 33 StGB erfassten aggressiven, sthenischen Affekten wie Zorn, Wut, Kampfeslust, Rachsucht oder Empörung, die von Stärke des Gefühls zeugen. 2 I In Abgrenzung zum vorzeitig-extensiven Exzess sei, um Unklarheiten schon im Vorhinein auszuräumen, darauf hingewiesen: Für den Fall, dass der Angriff zwar tatsächlich noch nicht realisiert wurde, jedoch unmittelbar bevorsteht, ist von einer gegenwärtigen Attacke auszugehen (unstrittige Meinung - vgl. statt vieler: LK-Spendel § 32 Rn. 115; Wessels/Beulke AT Rn. 328), so dass deren sofortige Abwehr keinesfalls als Präventivnotwehr aufzufassen ist.
I. Objektive Erscheinungsfonnen der Notwehrüberschreitung
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a) Exzess im Hinblick auf die Erforderlichkeit
Der das Erforderlichkeitskriterium der Notwehr tangierende intensive Exzess kann durch den Einsatz eines für den Angreifer zu gefährlichen Mittels erfolgen (Variante 1) oder auch dadurch, dass eine an sich erforderliche Maßnahme zu intensiv angewandt wird (Variante 2).3 Beispiel 1 (für Variante 1): A will sich an seinem Erzfeind E rächen. Deshalb lauert er ihm nachts hinter einem Gebüsch versteckt auf, um ihn zu verprügeln. Als der dem A körperlich stark überlegene E an dem Gebüsch vorbei gegangen ist, springt A aus dem Hinterhalt heraus und schlägt wütend auf E ein. Für E wäre es ein leichtes, den Angriff durch Fausthiebe abzuwenden. Das überraschende plötzliche Heranstürmen des A löst jedoch bei E so große Verwirrung aus, dass er statt dessen zu seinem Messer greift und dem A einen tiefen, den Angriff beendenden Stich in die Brustgegend versetzt. 4
Beispiel 2 (für Variante 2): In einem verlassenen Park stürmt aus vollem Lauf der Räuber R auf den Profiboxer B zu, wobei R drohend einen Baseballschläger zur Schau stellt. Wegen dieser unerwarteten Situation ergreift B daraufhin so große Angst, dass er dem R mit voller Wucht einen tödlich wirkenden Schlag ins Gesicht versetzt. Dabei hätte ein wohl dosierter, das Leben des R nicht gefährdender Fausthieb in dessen Gesicht ausgereicht, um den Angreifer unschädlich zu machen. 5 b) Exzess im Hinblick auf die Gebotenheit
Das Hinausgehen über die Grenzen der Gebotenheit stellt ebenfalls eine - unter normativer, sozialethischer Würdigung - zu starke Verteidigung dar. Wegen ihrer besonderen Bedeutung soll hierbei auf die drei Varianten "Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern", "Provozierter Notwehrexzess" und "Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess" eingegangen werden. 6
2 V gl. dazu LK-Spendel § 33 Rn. 58. Zum Problem der tatsächlichen Feststellung von asthenischen Affekten i. S. v. § 33 StGB vgl. Diederich Diss. S. 182 ff. 3 V gl. zu dieser nuancierten Differenzierung innerhalb der Überschreitung des Maßes auch Kühl AT § 12 Rn. 135; NK-Herzog § 33 Rn.8. 4 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. III. 1. 5 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. III. 1. 6 Mit diesen sind die Hauptfälle der Restriktionsmöglichkeiten des Notwehrrechts im Rahmen der Gebotenheit genannt.
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1. Kap.: Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung
aa) Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern Liegt ein Angriff schuldloser Personen vor, hat sich die Verteidigung gemäß § 32 I StGB innerhalb der Grenzen der Gebotenheit zu halten. Geht die Abwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken darüber hinaus, ist die Konstellation "Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern" gegeben. 7 Beispiel 3:
Der querschnittsgelähmte Rentner R sitzt auf der Terrasse und genießt die Sicht auf seinen Garten, dem sein ganzer Stolz gilt. Plötzlich tauchen die achtjährigen Nachbarsjungen X und Y auf, klettern über den Jägerzaun und beginnen, die Blumen des R zu zertrampeln. Dies tun sie aus Rache gegenüber dem Rentner, dessen ständige Beschwerden die Eltern veranlasst haben, den Kindern das Fußballspiel im angrenzenden Garten zu untersagen. Nachdem tadelnde Worte nichts bewirkten, greift R voller Angst um die weitere Zerstörung seiner Beete zu dem neben ihm stehenden Bierkrug und wirft diesen auf die Kinder, um sie so zu vertreiben. Der Krug trifft den X am Kopf und hinterlässt eine gefährliche Wunde. 8 bb) Provozierter Notwehrexzess Charakteristisch für den provozierten Notwehrexzess ist diejenige Situation, in welcher der Täter, ausgelöst durch Verwirrung, Furcht oder Schrecken, das gebotene Notwehrrecht überschreitet, nachdem er zuvor den Angriff auf seine Rechtsgüter, gegen den er sich wehrt, selbst herausgefordert, provoziert hatte. Beispiel 4: 9
Als A von der Arbeit nach Hause kommt, überrascht er im Ehebett seine nur spärlich bekleidete Frau und deren Liebhaber L inflagranti. Voll des Zornes geht A mit geballten Fäusten und den Worten : "Ich schlag dich kaputt!" auf L zu, woraufhin ein Zweikampf entsteht. Im Laufe der Auseinandersetzung gerät L derart in Angst, dass er - anstatt sich auf eine mögliche sowie effiziente Passiv- und Schutzverteidigung zu beschränken - zum Angriff übergeht und dem A die auf dem Nachtkasten stehende Lampe auf den Kopf schlägt. 10
7 Es wird gemäß der herrschenden Auffassung davon ausgegangen, dass auch bei schuldloser Attacke ein notwehrfähiger Angriff vorliegt. Vgl. nur SK-Günther § 32 Rn. 28 m. w. N. 8 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 111. 2. a). 9 Leicht abgewandelt nach OLG Hamm NJW 1965 S. 1928. 10 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 111. 2. b).
I. Objektive Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung
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cc) Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess Ein außergewöhnlich krasser Notwehrexzess liegt vor, wenn der Täter aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken die Grenze der Verhältnismäßigkeit der gebotenen Notwehr in besonders hohem Maß überschreitet. BeispielS: Lehrer L will das ungebührliche Benehmen seines Schülers S mit einer leichten Ohrfeige quittieren. Als er dazu die flache Hand erhebt, greift der verwirrte S zu seinem Klappmesser und verpasst dem L einen tödlichen Stich in die Herzgegend. 11 2. Extensiver Notwehrexzess Der extensive Notwehrexzess 12 ist in den Begehungsformen "nachzeitig-extensiver Exzess" und "vorzeitig-extensiver Exzess" möglich. a) Nachzeitig-extensiv Wird die Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken derart überschritten, dass der Verteidiger nach dem nicht mehr gegenwärtigen, sondern schon beendeten Angriff, weiter die Rechtsgüter des "Angreifers" verletzt, stellt dies den Fall des nachzeitig-extensiven Notwehrexzesses dar. Das wesentliches Merkmal dieser Konstellation bildet das Zeitmoment: Ein Angriff liegt zwar vor, dessen Wirkung ist aber bei der "Gegenwehr" nicht mehr andauernd, sondern schon abgeklungen. Beispiel 6: A beabsichtigt, die an einsamer Stelle angetroffene und ihm verhasste Polizistin P aus Rache zu töten. Zuerst schlägt er sie brutal mit einem Schlagring nieder und geht dann dazu über, mit seinen Stiefeln auf ihren Kopf einzutreten. Der von großer Furcht ergriffenen P gelingt es mit letzten Kräften, ihre Dienstwaffe zu ziehen und einen Schuss in die Beine des A abzugeben. Getroffen stürzt A kampfunfähig zu Boden. Aus lauter Angst schießt P noch zweimal auf den am Boden liegenden A, der durch diese Schüsse schwer verletzt wird. 13 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 111. 2. c). Vereinzelt wird der Begriff "extensiver" Exzess - vgl. nur Fischer Diss. S. 22 m. w. N. - abgelehnt; inhaltlich ist diese Kategorie aber unbestritten, die Uneinigkeit somit nur terminologischer Natur. 13 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. IV. 11
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1. Kap.: Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung
b) Vorzeitig-extensiv l4
Unter die Kategorie "Vorzeitig-extensiver Notwehrexzess" oder als Synonym dafür "Präventivnotwehrexzess" werden diejenigen Konstellationen gefasst, bei welchen der Täter, bedingt durch Verwirrung, Furcht oder Schrecken, sich zeitlich zu früh, d. h. vor einem bevorstehenden rechtswidrigen Angriff zur Wehr setzt; die Verteidigung wird im Angriff gesucht. Beispiel 7: 15 Rocker R kündigt lauthals an, er werde seinen ungeliebten Widersacher W in blutiger Weise zusammenschlagen, sobald er seine Muskeln aufgewärmt habe. W, dadurch in panische Angst versetzt, holt aus Furcht zum Präventivschlag aus: Er stellt sich vor R, der gerade Lockerungsübungen vornimmt, und schlägt ihn mit einer Eisenkette nieder, ehe dieser zu seinem Angriff übergehen kann. 16
3. Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess Denkbar ist auch eine Koinzidenz von intensivem und extensivem Notwehrexzess: In einem solchen Fall geht der Täter aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken sowohl über die modale Begrenzung (ErforderlichkeitiGebotenheit der Verteidigung) als auch über die zeitliche Begrenzung (Gegenwärtigkeit des Angriffs) der Notwehr hinaus. Beispiel 8: 17 Die Polizistin P zielt nicht, obwohl dies zur Beendigung des Angriffes des A ausgereicht hätte, mit ihrer Dienstwaffe auf dessen Beine, sondern wegen ihrer Panik in den Bauchbereich und feuert noch dazu weitere Schüsse auf den kampfunfähig zu Boden gefallenen A ab. 18
4. Räumlicher Notwehrexzess Ein räumlicher Notwehrexzess liegt vor, wenn der gegenwärtig und rechtswidrig angegriffene Täter aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken nicht (oder nicht nur) den 14 Vereinzelt wird es abgelehnt, von einem .,vorzeitigen" Exzess zu sprechen: so LK-Spendei § 33 Rn. 10; insoweit herrscht aber nur Uneinigkeit über die Begrifflichkeit, die Kategorie als solche ist unbestritten. 15 Leicht abgewandelt nach Roxin FS für Schaffstein S. 111. 16 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. V. 17 Abwandlung zum Beispiel für den nachzeitig-extensiven Exzess [I. Kap. I. 2. a)]. 18 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. VI.
11. Subjektive Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung
23
Angreifer selbst verletzt, sondern (noch dazu) einen unbeteiligten Dritten ("drittwirkende Notwehr"). Die Überschreitung erfolgt damit in der Richtung, indem die Abwehr nicht (nur) den "Richtigen" trifft. Beispiel 9: 19
A will den B mit einem Messer verletzen. B trägt einen Revolver und verteidigt sich von Furcht durchsetzt mit einem - der Lage nach erforderlichen - Warnschuss. Dabei trifft die Kugel versehentlich den unbeteiligten und in der Nähe stehenden C tödlich. 20
11. Subjektive Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung Die Grenzen der Notwehr können im subjektiven Bereich bewusst oder unbewusst überschritten werden, je nachdem, ob in der Psyche des Täters ein kognitives Moment im Hinblick auf den Exzess vorherrscht.
1. Bewusster Notwehrexzess Beim bewussten Notwehrexzess weiß der Täter, dass er die Grenzen der Notwehr überschreitet. Beispiel 10:
Zwischen den Bauarbeitern A und B entwickelt sich an der gemeinsamen Arbeitsstätte heftiger Streit. Der als gewalttätig bel«mnte A schlägt den körperlich schwächeren B mit einem Kinnhaken zu Boden und kündigt an, dass das noch längst nicht alles war und er ihn jetzt erst richtig" verhauen" werde. Daraufhin dreht sich A um und läuft zu dem in der Nähe befindlichen Materiallager, um sich eine Schaufel zu holen, mit der er den B zu verprügeln beabsichtigt. Als sich A mit der aufgenommenen Schaufel dem B nähert, zieht B seine Pistole, die er seit einigen kleineren Reibereien mit A zur Vorsorge stets bei sich trägt. A lässt sich von der Waffe nicht abschrecken undforciert - sichtbar von Wut erfüllt - sein Tempo. B ist sich im Klaren, dass er den wenige Meter vor ihm stehenden A mit einem Schuss in die Beine zur Strecke bringen kann . Die besondere Dramatik der Situation versetzt ihn jedoch in solche Angst, dass er sich zu einem tödlichen Schuss in die Herzgegend hinreißen lässt. 21 19 20
21
Leicht abgewandelt nach Haft Fallrepetitorium Nr.332. Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. VII. Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. I.
1. Kap.: Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung
24
2. Unbewusster Notwehrexzess Beim unbewussten Notwehrexzess ist dem Exzedenten im Zeitpunkt der Tat nicht klar, dass er über die Grenzen der Notwehr hinausgeht. Als Varianten kommen in Betracht: "Fahrlässiger Notwehrexzess", "Irrtum und Notwehrexzess" sowie "Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung". a) Fahrlässiger Notwehrexzess
Beim fahrlässigen Notwehrexzess überschreitet der Täter versehentlich, d. h. ungewollt, die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken.
Beispiel 11: Nach dem Diebstahl eines wertvollen Diamantrings aus einem Schmuckgeschäft stößt der Täter T auf den Wachmann W. Um sich den Besitz an der Beute zu erhalten, bedroht T den W mit einem Totschläger, indem er sich die Waffe nach oben haltend auf ihn zu bewegt. W zieht sofort seine Dienstpistole, um einen Warnschuss abzugeben. Aus Angst vor dem sich immer schneller nähernden und aggressiv aussehenden T kann er seine Waffe nicht wie gewollt kontrollieren und trifft versehentlich die rechte Schulter des Angreifers. 22 b) Irrtum und Notwehrexzess
Ein Notwehrexzess kann auch in Kombination mit einem Irrtum auftreten. Dabei sind die Fallkonstellationen "Putativnotwehr und Exzess" sowie "Putativnotwehrexzess" zu unterscheiden. aa) Putativnotwehr und Exzess Zu den Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung gehört auch die Kombination "Putativnotwehr und Exzess". Damit sind die Konstellationen gemeint, bei denen ein Angriff auf den Täter tatsächlich vorliegt und der Täter objektiv die Grenzen der Notwehr im Maß oder der Zeit überschreitet, sich jedoch subjektiv hinsichtlich der ErforderlichkeitiGebotenheit der Verteidigung (Variante 1) bzw. der Gegenwärtigkeit des Angriffs (Variante 2) in einem Erlaubnistatbestandsirrtum befindet. Um hierbei die Bedeutung der Exzessnorm zu erkennen, muss das besondere Zusammenspiel von "Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuchs" und ,,§ 33 StGB" verständlich werden: Die Vorschrift des Notwehrexzesses entfaltet für solche Situationen keine sofortige Wirkung. Erst wenn sich nicht schon nach den allgemeinen 22
Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 11.1.
11. Subjektive Erscheinungsformen der Notwehriiberschreitung
25
Regeln die Stratlosigkeit des Täters ergibt, kommt § 33 StGB zum Zuge. So gilt nach den allgemeinen Regeln: Stellt sich der Täter irrig Umstände vor, die - nur als wahr unterstellt - zu einer gerechtfertigten, also innerhalb der Grenzen von § 32 StGB befindlichen Handlung des Täters führen, scheidet - trotz der realiter rechtswidrigen Exzesshandlung - nach der Rechtsfigur des Erlaubnistatbestandsirrtums die Bestrafung aus vorsätzlicher Tat aus. 23 Gemäß § 16 12 StGB besteht jedoch ein Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit aufgrund fahrlässiger Tatbegehung und zwar für den Fall, dass der Irrtum über die einzuhaltenden Notwehrgrenzen verschuldet ist und das jeweilige Delikt eine Bestrafung wegen Fahrlässigkeit vorsieht. 24 Lassen nun die Fahrlässigkeitsregeln eine Strafbarkeit für diese Konstellation bestehen, 23 Die Konstruktion dieses nahezu einhellig vertretenen Ergebnisses, die Vorsatztat in solchen Irrtumsfällen nicht zu bestrafen, ist heftig umstritten. Als Überblick, vor allem aber wegen der späteren Bezugnahme auf diese Problematik, die insbesondere für die Behandlung des nachzeitig-extensiven Exzesses noch eine entscheidende Rolle spielen wird, hier nur so viel: Nach der Vorsatztheorie, die wegen der Existenz von § 17 StGB kaum mehr vertreten wird, stellt das Unrechtsbewusstsein einen Teil des Vorsatzes dar. Konsequenterweise liegt deshalb bei der irrtümlichen Annahme der Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes ein Tatbestandsirrtum vor, so dass § 16 I I StGB direkt Anwendung findet und den Tatvorsatz entfallen lässt (v gl. dazu LanglHinrichsen JR 1952 S. 184ff.; LK-Mezger 8. Aufl. Rn. 2b; Geerds Jura 1990 S. 421 ff.; Sch/Schröder 17. Auflage § 59 Rn. 76ff.; Nowakowski ZStW 65 S. 383). Nach der strengen Schuldtheorie wird der Erlaubnistatbestandsirrtum als ein Fall von § 17 StGB angesehen, so dass die Schuld des Täters entfällt (vgl. dazu LK-Schroeder § 16 Rn.47 ff.; Warda Jura 1979 S. 294). Für die eingeschränkte Schuldtheorie gilt: Der Irrtum über die Bedingungen eines Rechtfertigungsgrundes wird aus dem Anwendungsbereich des § 17 StGB herausgenommen und in der Rechtsfolge dem Tatbestandsirrtum gleichgestellt. Innerhalb dieser Erkenntnis sind die Vorgehensweisen unterschiedlich: Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen wendet § 16 I StGB direkt an, weil danach die Rechtfertigungsgriinde Bestandteile des Gesamtunrechtstatbestandes sind (vgl. dazu Kaufmann JZ 1954 S. 653; ähnlich Samson Strafrecht S. 122ff.). Nach der eingeschränkten Schuldtheorie i. e. S., welche die Rechtfertigungsgriinde nicht im Tatbestand verortet, ist nur für eine analoge Geltung des § 16 I 1 StGB Raum. Es entfällt der Vorsatz bzw. das Vorsatzunrecht bzw. das Handlungsunrecht (so im Großen und Ganzen die Rechtsprechung [BGHSt.2 S.234, 236; 3 S.8, 12; 17 S.87, 91; 31 S.264, 286f.; BayObLG NJW 1955 S. 1848] und ein großer Teil in der Literatur [vgl. statt vieler: Herzberg JA 1989 S.294; Köhler AT S. 326; Scheffler Jura 1993 S. 617; Schroth FS für Kaufmann S. 595]). Die rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie wendet § 16 I 1 StGB lediglich in seiner Rechtsfolge an: Der Vorsatz hat entsprechend dieser Auffassung eine Doppelfunktion: Er bildet im Bereich des Unrechtstatbestandes als Verhaltensform das Korrelat für die Schuldform, die von Vorwerfbarkeitserwägungen geprägt ist. Die vorsätzliche Tatbegehung entspricht deshalb dem Schuldtypus der "Vorsatzschuld". Daraus folgt: Die irrtümliche Annahme einer rechtfertigenden Sachlage betrifft zwar nicht den Tatbestandsvorsatz, schließt aber die Vorsatzschuld und damit eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Tat aus (vgl. statt vieler: Ebert AT S.140; Gallas FS für Bockelmann S. 155; MaurachiZipf AT § 37 I Rn. 19ff.; WesselslBeulke AT Rn. 478). 24 Es wird hier den Meinungen gefolgt, die - gleich in welcher Konstruktion - zur Rechtsfolge des § 16 12 StGB kommen. Für die Ansicht, welche § 17 StGB anwenden will, ergibt sich die Fahrlässigkeitspriifung in Ansehung des Irrtums ebenfalls; so muss der Irrtum unvermeidbar gewesen sein, damit § 17 StGB die Schuld ausschließt.
26
1. Kap.: Erscheinungsfonnen der Notwehrüberschreitung
weil die Fehlvorstellung bezüglich der Grenzen der Notwehr venneidbar war, erlangt § 33 StGB Bedeutung: Trotz Fahrlässigkeitsvorwurf kann sich bei Einschlägigkeit der Exzessnonn noch Stratlosigkeit für den Täter ergeben, wenn sein Irrtum durch Verwirrung, Furcht oder Schrecken bedingt war.
Beispiel 12 (für Variante 1): Der äußerst ängstliche Juwelier J will gerade sein Geschäft verlassen, um einige seiner Kostbarkeiten auf die Bank zu bringen. In diesem Moment tritt ihm der Landstreicher L mit einem Messer in der Hand schnellen Schrittes entgegen und ruft: "Geld oder Leben!" Dadurch stark erschrocken zieht J seine Pistole und feuert einen tödlich wirkenden Schuss auf L ab. Ein Drohen mit der Waffe, ein Warnschuss oder das Zielen auf die Beine hätte den Angriff des L sofort beendet. Aufgrund der angsterfüllten Gemütslage des J ist dieser aber - fahrlässig - in seiner Vorstellung davon ausgegangen, der Schuss ins Herz sei die einzige Möglichkeit gewesen, um sein Leben bzw. seinen Schmuck zu retten. 2S
Beispiel 13 (für Variante 2): Der im Ort als besonders aggressiv bekannte Karatekämpfer K hat es auf den Bürgermeister B abgesehen, der dessen Kampfschule schließen ließ. Deshalb passt er den B ab, als dieser gerade nach Dienstschluss das Gemeindehaus verlässt. Er versetzt ihm zunächst einen relativ harmlosen Hieb in den Bauch und kündigt an, ihn jetzt aus Rache gewaltig zu verprügeln. In seiner Verzweiflung tritt B mit seinem Fuß so heftig wie möglich gegen K. Dieser stürzt daraufhin zu Boden. B geht allerdings davon aus, dass der Profikämpfer sich gleich wieder erheben und ihm - noch mehr zum Zorn gereizt - schlimmere Schläge zufügen werde. In seiner Not und Angst schlägt er deshalb auf den unter sich liegenden K nochmals mit seinen Füßen ein, damit dieser sich nicht mehr erhebe. In Wirklichkeit aber waren die letzten Fußtritte nicht mehr nötig. Denn schon der erste machte den zu Boden gefallenen K kampfunfähig; er traf nämlich eine sensible Stelle, an welcher der Karatekämpfer jüngst operiert wurde, mit der Wirkung, dass K in den Zustand der Bewusstlosigkeit fiel. Nach den äußeren Umständen hätte B dies erkennen müssen, da K sich nach dem Faustschlag nicht mehr regte und seine Augen verdreht waren. 26 bb) Putativnotwehrexzess Stellt sich der Täter eine Notwehrsituation insoweit vor, als er von einem rechtswidrigen Angriff ausgeht, dieser jedoch realiter nie bestanden hat, und übertritt er 25 26
Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 11. 2. a). Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 11. 2. a).
11. Subjektive Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung
27
dann die Grenzen der vermeintlichen Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, ist von einem Putativnotwehrexzess zu sprechen. Dabei ist wiederum ein Exzess, sowohl was die Erforderlichkeit als auch die Gegenwärtigkeit betrifft, denkbar. Als entscheidender Unterschied zu den bereits dargestellten Kombinationen "Putativnotwehr und Exzess" sowie "extensiven Notwehrexzess" sei nochmals zur Deutlichkeit klargestellt, dass beim Putativnotwehrexzess objektiv ein rechtsgütergefährdendes Verhalten gegen den "Verteidiger" nie stattgefunden hat. 27 Beispiel 14:
Der Heimweg des furchtsamen F führt durch eine als besonders unsicher bekannte Gegend. Als plötzlich der gedrungen und zerbrechlich wirkende M mit erhobenen Armen vor F auftaucht, nimmt er irrig einen Angriff auf seine körperliche Unversehrtheit an. Er gerät in solche Angst, dass er sein stets bei sich geführtes Reizgasspray herausholt und dem M damit in die Augen sprüht. In Wahrheit wollte M nur um Hilfe bitten. Aber selbst bei einem wirklichen Angriffdes M hätte ein Wegstoßen ausgereicht, um diesen in die Flucht zu schlagen. 28 c) Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung
Schließlich kann ein Notwehrexzess aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken noch in der subjektiven Form auftreten, dass es beim Tater an jeglicher Überlegung bezüglich der Notwehrüberschreitung mangelt, er sich damit über die Qualität der Erforderlichkeit bzw. Gegenwärtigkeit seiner Handlung gar keine Vorstellung macht (sog. ignorantia facti). Beispiel 15:
Verbrecher V wurde beauftragt, den als ängstlich geltenden Geschäftsmann G umzubringen. Deshalb lauert V dem G in einer dunklen Tiefgarage auf Als sich G seinem geparkten Auto nähert, springt V aus dem Versteck und rennt, in der rechten Hand ein langschneidiges Küchenmesser haltend, auf G zu, um diesen zu töten. In Todesangst reagiert G nahezu reflexartig, ergreift seine stets mitgeführte Pistole und erschießt den Angreifer mit einem Treffer in die Herzgegend. Dabei handelte er aus dem bloßen panischen Furchtgefühl heraus, ohne sich überhaupt irgendwelche anderen Gedanken zu machen als die, irgendwie reagieren zu müssen. Ein Warnschuss oder das Zielen auf die Beine hätte jedoch ausgereicht, um den V unschädlich zu machen. 29 27 Eine begriffliche Vermengung mit dem extensiven Exzess trifft man bei Baumann/Weber/ Mitsch AT § 34 III Rn. 27 und Blei AT S. 211 an; zumindest unklar auch Gropp AT § 7 Rn. 88. 28 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 11. 2. b). 29 Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. 11. 1.
28
1. Kap.: Erscheinungsfonnen der Notwehrüberschreitung
III. Sonderfonn der Notwehrüberschreitung: Motivbündel von sthenischen und asthenischen Affekten Einen Sonderfall der Notwehrüberschreitung bildet derjenige Exzess, bei welchem der Täter neben den asthenischen Affekten "Verwirrung, Furcht oder Schrecken" auch noch von sthenischen Gemütszuständen beeinflusst wird, so dass ein innerseelisches Motivbündel das Hinausgehen über die Grenzen von § 32 StGB bewirkt. Beispiel 16: 30 Der angetrunkene Obdachlose 0 begegnet nachts auf der Straße den Raufbolden Sund M. Die beiden sind ebenfalls alkoholisiert und entschließen sich, den Obdachlosen "abzuziehen". Sie bauen sich in KaratesteIlung vor 0 auf und schubsen ihn kräftig zwischen sich hin und her. Zugleich verlangen sie von 0, sein Geld "herauszurücken". Als dieser sich weigert, verpasst ihm M eine kräftige Ohrfeige, die besonders schmerzhaft wirkt, da 0 seit einem Unfall druckempfindliche Metalleinsätze am Kiefer trägt. Jetzt entschließt sich 0 zur Verteidigung. Er holt sein Klappmesser und rammt es dem am nächsten stehenden S todbringend in die Brust, obgleich ein Drohen damit ausgereicht hätte, um Sund M zu vertreiben. Ein psychiatrisches Gutachten und die tatrichterliche Bewertung in der Verhandlung ergibt, dass neben dem asthenischen Affekt der Angst auch und maßgeblich Wut und ZornesauJwallung für die überzogene Abwehr ursächlich waren. 31
30 31
BGH NStZ-RR 1999 S. 264 nachgebildet. Zur Lösung dieses Falls vgl. 3. Kap. VIII.
2. Kapitel
Erarbeitung eines allgemeinen und stimmigen Lösungskonzepts für § 33 StGB Angesichts der bestehenden Meinungsvielfalt und der anzutreffenden Aporie bei § 33 StGB sollte das Bemühen einem allgemeinen und stimmigen Konzept gelten, welches die Eigenart der Exzessnorm als atypische und befremdende Vorschrift verständlich werden lässt und damit zugleich eine Rezeptur für die einheitliche und schlüssige Lösung ihrer zahlreichen Erscheinungsformen abgibt. Ein solches Konzept soll - allein an das positive Recht anknüpfend - mit Hilfe des ,,klassischen" Auslegungskanons erarbeitet werden. Wie sich zeigen wird, ist die getroffene gesetzliche Regelung in § 33 StGB mit ihren normativen Vorgaben geeignet, "aus sich heraus" alle sich stellenden Fragen zu beantworten.
I. Grammatikalische, systematische
und historische Auslegung
Bei der Begründung, welche der strittigen Exzesskonstellationen unter § 33 StGB zu subsumieren sind, stellt vor allem die Rechtsprechung, aber auch ein Teil der Literatur vornehmlich auf den Wortlaut, den geschichtlichen Hintergrund oder die systematische Stellung der Vorschrift ab. Wie maßgeblich und hilfreich ein solches Vorgehen für die Lösung der unterschiedlichen Erscheinungsformen der Notwehrüberschreitung ist, soll im Folgenden verdeutlicht werden. I
1. Intensiver Notwehrexzess im Hinblick auf die Gebotenheit Für die Fälle des intensiven Notwehrexzesses im Hinblick auf die Gebotenheit bereitet die Auslegung keine Schwierigkeiten. I Im Rahmen der grammatikalischen, historischen und systematischen Auslegung wird nur auf die problematischen Fallkonstellationen eingegangen. Eine solche Interpretation erübrigt sich bei den Erscheinungsformen "intensiver Exzess im Hinblick auf die Erforderlichkeit" und "unbewusster Exzess" in den Varianten "Fahrlässiger Notwehrexzess", "Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung" oder "Putativnotwehr und Exzess"; denn diese werden nach einhelliger Meinung evident von § 33 StGB erfasst und gehören zu dessen unbestrittenen Kembereich.
30
2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
a) Provozierter Notwehrexzess Die grammatikalische Interpretation legt eine Anwendbarkeit des § 33 StGB bei provoziertem Exzess nahe, solange durch die Provokation das Notwehrrecht nicht völlig ausgeschlossen, sondern nur eingeschränkt ist. 2 Denn dann liegt in dieser Einschränkung des Notwehrrechts, welche das Tatbestandsmerkmal der Gebotenheit fordert, die Grenze der durch Notwehr gerechtfertigten Verteidigung, so dass sich deren Überschreitung aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken ohne weiteres unter den Wortlaut von § 33 StGB subsumieren lässt. Andernfalls müsste die Norm die zusätzliche Formulierung enthalten: "Überschreitet der Täter unverschuldet die Grenzen der Notwehr ...". Dass dem Gesetzgeber insoweit keine Ungenauigkeit unterlaufen ist, mithin der Zusatz bewusst fehlt, verdeutlicht der systematische Vergleich mit der ähnlich gelagerten Vorschrift des § 35 StGB: Dort hat der Umstand, dass der Täter die Gefahrenlage selbst verursacht, in § 35 I 1 Alt. 1 StGB als Ausnahme zur grundsätzlichen Privilegierung gesetzlichen Niederschlag gefunden, so dass - argumentum e contrario - der Wortlaut von § 33 StGB, welcher eine solche Klausel nicht enthält, auch ernst zu nehmen ist. 3 Die grammatikalische und systematische Deutung erlauben demnach den Schluss, § 33 StGB auf provozierte Exzesse zu erstrecken.
b) Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit aus dem Wortlaut zu folgern ist, ob auch der außergewöhnlich krasse Notwehrexzess nach § 33 StGB eine Privilegierung erfahren darf, kann weitgehend ähnlich wie beim provozierten Exzess argumentiert werden: Die Vorschrift enthält keinen Ausschluss der Straffrei stellung bei besonders unverhältnismäßiger Notwehrüberschreitung. Vielmehr ist (wieder) zu beachten: Wenn § 32 StGB wegen des Erfordernisses einer gebotenen Verteidigung eine Grenze der Notwehrausübung im Sinne der Verhältnismäßigkeit anordnet, dann ist bei deren Überschreitung auch der Tatbestand von § 33 StGB erfüllt. Der Wortlaut steht damit der Geltung von § 33 StGB selbst bei besonders krassen Exzessen nicht entgegen.
2 Nach h. M. führt nur die Absichtsprovokation zu einer gänzlichen Versagung des Notwehrrechts. Vgl. zum Ganzen m. w. N.: Wessels/Beulke AT Rn. 347f.; LK-Spendel § 32 Rn. 281 ff. 3 Vgl. zur Argumentation mit § 35 StGB: Kühl AT § 12 Rn. 152; Roxin FS für Schaffstein S. 123; ders. AT § 22 Rn. 93; ders. NStZ 1993 S. 336; Sauren Jura 1988 S. 570; Wessels/Beulke AT Rn. 446.
I. Grammatikalische, systematische und historische Auslegung
31
c) Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern
Auch beim Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern gilt: Wenn der Umstand, dass ein Angriff von schuldlos handelnden Personen droht, zu einer Einschränkung von § 32 StGB führt,4 dann entspricht es der Wortwahl von § 33 StGB, die darüber hinaus gehende Verteidigung unter die Exzessnorm zu subsumieren. Die grammatikalische Auslegung erlaubt somit die Privilegierung nach § 33 StGB, wenn der Täter affektbedingt die Grenze der Gebotenheit gegenüber schuldlosen Angreifern übertritt. d) Zusammenfassung Der intensive Exzess in der Gebotenheit ist - unter grammatikalischer Würdigung - gleichermaßen wie der völlig unstrittige intensive Exzess in der Erforderlichkeit zu behandeln. Gibt es zwei Grenzen der Intensität der Verteidigung, einmal die Erforderlichkeit und einmal die Gebotenheit, dann liegt auch in beiden Fällen bei deren Überschreitung ein Exzess i. S. v. § 33 StGB vor.
2. Nachzeitig-extensiver Notwehrexzess Im (noch) überwiegenden SchrifttumS und in der Rechtsprechung 6 wird die Anwendbarkeit des § 33 StGB auf den nachzeitig-extensiven Exzess kategorisch mit der Begründung abgelehnt, die grammatikalische Auslegung lasse dies nicht zu. Einer solche Deutung des Wortlauts des Notwehrexzesses sind in neuerer Zeit gewichtige Stimmen in der Literatur entgegengetreten. 7 Vor allem bei Spendel findet sich eine besonders ausführliche und wortnahe Argumentation für die Einbeziehung des zeitlichen Exzesses unter die Formulierung 4 So die (noch) h. M.; vgl. statt vieler: RGSt. 27 S.44, 46; BGHSt.3 S. 217,218; Bitzilekis Diss. S. 115 f.; JeschecklWeigend AT § 32 11 I a; Lenckner GA 1968 S. 3 ff.; LK-Spendel § 32 Rn. 26; SK-Günther § 32 Rn. 28; TröndlelFischer § 32 Rn.4 - alle m. w. N. Eine im Vordringen befindliche a. A. verneint bei schuldloser Attacke das Vorliegen eines Angriffs: V gl. statt vieler m. w. N.: Hoyer JuS 1988 S. 95f.; Jakobs AT 12/16ff.; Renzikowski Diss. S. 283ff.; Schmidhäuser Lehrbuch 9/86; mit dieser Auffassung ist aber der Bereich der teleologischen Auslegung betroffen, so dass darauf an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden muss. Näher unten 2. Kap. 11. 3. d). 5 V gl. nur Geilen Jura 1981 S.379; JeschecklWeigend § 45 11 4; LacknerlKühl § 33 Rn. 2; MaurachlZipj AT § 43 III Rn. 27; Rudolphi JuS 1969 S. 463; Schmidhäuser Lehrbuch 11/27; SK-Rudolphi § 33 Rn. 2. 6 Vgl. RGSt.21 S.189, 190f.; BGHSt.27 S.336, 339; BGH NStZ 1983 S.453 sowie 1987 S. 20; BGH JR 1990 S. 378; BayObLGSt. 1952 S. 362 f. 7 Vgl. BaumannlWeberlMitsch AT § 23 Rn. 42; LK-Spendel § 33 Rn. 5 ff.; NK-Herzog § 33 Rn. 11; Sch/Sch-Lencknerl Perron § 33 Rn. 7; Roxin FS für Schaffstein S. 111 ff.; Timpe JuS 1985 S. 12\.
32
2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
von § 33 StGB: "Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr". So verstehe man zwar in seiner ursprünglichen Bedeutung unter Über-schreiten zunächst ein Hinaus-gehen in räumlicher Hinsicht; im übertragenen Sinne bedeute aber "Überschreiten" jede Form der "Aus-schreitung" ("Ex-zess"), damit auch ein Ausschreiten in der Zeit oder in der Ausübung eines Rechts. Wie es etwa möglich sei, örtlich eine Landesgrenze zu überschreiten, so auch zeitlich eine Frist ("Zeit-raum"), z. B. eine vereinbarte Mietdauer. Denn man werde "keine Bedenken tragen, von dem Mieter, der die Mietsache über die vereinbarte Mietdauer hinaus im Besitz hält, zu sagen, dass er ... die tatsächliche Mietzeit... ,über-schreitet'''. 8 Damit ist allerdings das Problem, ob auch speziell der nachzeitig-extensive Exzess unter § 33 StGB subsumiert werden kann, noch nicht gelöst, sondern nur allgemein begründet, dass ein Überschreiten in der Zeit grammatikalisch möglich ist. Die Definition des Überschreitens darf aber nicht allgemein vorgenommen werden, sondern sie bedarf stets des konkreten Bezugs zu einem Objekt, auf das die Überschreitung abstellt. Allein dieses Bezugsobjekt entscheidet, inwieweit ein Überschreiten denkbar ist, da dieses die Grenzen festlegt, über die hinausgegangen werden kann. Deshalb muss erst bestimmt werden, welcher abgrenzbarer Inhalt dem Bezugsobjekt, auf das sich die Überschreitung bezieht, zukommt. Sind dabei die Grenzen gefunden, so ist auch (und nur) deren Überschreiten möglich. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen: Ist das Bezugsobjekt ein Fluss, so sind dessen Grenzen räumlich, nämlich die Ufer; insoweit kann deshalb nur von einer räumlichen Überschreitung die Rede sein. Hat das Bezugsobjekt dagegen eine zeitliche Grenze zum Inhalt, wie etwa die Dauer eines Fußballspieles, kommt eine Überschreitung in temporärer Hinsicht in Betracht, nämlich bei Ablauf der 90 Minuten. Bezugsobjekt bei § 33 StGB ist die Notwehr, welche gemäß § 32 II StGB die Verteidigung gegen einen Angriff zum Inhalt hat. Damit stehen die Bezugsobjekte fest: Angriff und Verteidigung. Deren Grenzen ergeben sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut, sind aber in § 32 II StGB explizit aufgeführt: Die Verteidigung muss erforderlich, der Angriff gegenwärtig sein. Damit ist die Grenze hinsichtlich der Verteidigung modal und die Grenze hinsichtlich des Angriffs temporär. Diese zwei Grenzen können überschritten werden, so dass die Folgerung Lehnemanns genau den entscheidenden Punkt trifft: "Hat die Notwehr zwei Grenzen, eine im Maß und eine in der Zeit, so ist auch eine Überschreitung beider Grenzen möglich. "9 Ein extensiver Exzess fällt damit unter den Wortlaut des § 33 StGB. Dabei sind jedoch zwei Einschränkungen vorzunehmen: Zum einen ist es nötig, dass die Bezugobjekte mit ihren Grenzen realiter vorhanden sind, damit von deren Über-schreitung überhaupt die Rede sein kann. Denn ein Über-schreiten setzt voLK-Spendel § 33 Rn. 6. Lehnemann Diss. S. 9. Dass das Gesetz selbst von zwei Grenzen ausgeht, beweist auch die Formulierung im Plural bei § 33 StGB: "Überschreitet der Tater ... die Grenzen der Notwehr..." ; vgl. dazu auch Holzheid Diss. S. 28 und Diederich Diss. S. 90. 8
9
I. Grammatikalische, systematische und historische Auslegung
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raus, dass es überhaupt ein mit Grenzen versehenes Etwas gibt, über das hinausgegangen werden kann. Das bedeutet speziell für den Exzess in der Zeit: Nur wenn dessen Bezugsobjekt "Angriff" tatsächlich vorliegt, besteht die Möglichkeit der temporären Grenzüberschreitung. IO Dieses Erfordernis wird bei der nachzeitig-extensiven Notwehrüberschreitung erfüllt, weil dort eine Attacke im Sinn von § 32 11 StGB durch das spätere Opfer stattgefunden hat. Zum anderen muss beim nachzeitig-extensiven Exzess eine enge Bindung zum Bezugsobjekt bestehen, damit es sprachlich noch gerechtfertigt ist, von Über-schreiten zu reden. Das bedeutet: Zwischen Angriff und Exzesshandlung muss ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang vorherrschen, durch den eine gewisse Einheitlichkeit des Geschehens und ein Ineinanderübergehen von Angriff und Reaktion darauf vermittelt wird. Denn ohne einen solchen Zusammenhang breche - so Spendel- die Verknüpfung der Exzesstat mit dem Bezugsobjekt "Angriff" ab und es sei "nicht mehr von einer Über-schreitung, einer Über-reaktion, sondern von einer neuen und selbstständigen Aktion des bisher Angegriffenen und nunmehrigen Angreifers zu sprechen". Damit muss sich die zeitliche Über-schreitung der Notwehrgrenze noch als ,,kontinuierlicher, stetiger ,Über-gang' vom berechtigten zum rechtswidrigen Vorgehen" erweisen, "darf also nicht als abrupter, gesonderter ,Aus-gang' für einen von der Verteidigung abgehobenen widerrechtlichen Vorgang erscheinen", damit der Exzess als "Fortsetzung und Folge der Abwehr" wirkt und nicht als "Neubeginn eines (Gegen)Angriffs" einzustufen ist. II
Im Lichte der Wortauslegung wird somit die nachzeitig-extensive Notwehrüberschreitung, bei der eine Attacke - realiter - stattgefunden hat und ein zeitlicher Zusammenhang zwischen der Attacke und der Gegenreaktion vorliegt, von dem Wortlaut erfasst: "Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr". Abzulehnen ist die Auffassung der Rechtsprechung und der Literatur, welche einen Exzess in der Zeit für "begrifflich" 12 unmöglich hält. Dabei wird argumentiert: Eine zeitliche Überschreitung sei aufgrund des Wortlauts des § 33 StGB nicht denkbar, weil ein Notwehrrecht, das nach Beendigung eines Angriffs nicht mehr besteht, auch nicht mehr ausgeübt und dabei überschritten werden könne, der Notwehrexzess also immer eine wirkliche Notwehrlage voraussetze. 13 Dieser Begründungsversuch geht fehl, weil bei einer solchen Argumentation die Bedeutung und das Zusammenspiel von Bezugsobjekt und dessen Grenzen verkannt werden. Es kommt bei 10 Das gilt auch für den intensiven Exzess: Ohne realiter vorliegendem Bezugsobjekt "Verteidigung" ist ein Hinausgehen über deren Grenze nicht denkbar. 11 LK-Spendel § 33 Rn. 7. Genauso für diese temporäre Verknüpfung: Heberlein Diss. S.31; Fischer Diss. S.lOf.;Lehnemann Diss. S.ll;RoxinFS für Schaffstein S.118; Scholz Diss. S.39. 12 So ausdrücklich die Rechtsprechung in RGSt. 62 S. 76, 77. Sinngemäß ebenso: RGSt. 21 S.189, 190f.; BGHSt.27 S.336, 339; BGHNStZ 1983 S.453 sowie 1987 S.20; BGH JR 1990 S. 378; BayObLGSt. 1952 S. 362f.; Geilen Jura 1981 S. 379; Jescheck/Weigend AT § 45 II 4; Lackner/Kühl § 33 Rn. 2; Maurach/Zipj AT §43 III Rn. 27; Rudolphi JuS 1969 S.463; Schmidhäuser Lehrbuch 11/27; SK-Rudolphi § 33 Rn.2. 13 Vgl. zu dieser Ansicht in Rechtsprechung und Literatur Fn. 5f., insbesondere Fischer Diss. S.20.
3 Molsch
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der Beurteilung, wann ein "Überschreiten" i. S. v. § 33 StGB vorliegt, nicht auf das tatsächliche Recht zur Notwehr an, sondern nur auf deren Grenzen, welche erst durch das Bezugsobjekt "Notwehr(recht)" bestimmt werden; insoweit ist auch der Wortlaut des § 33 StGB eindeutig, wenn er von "Überschreiten der Grenzen der Notwehr" spricht. Diese Grenzen bestehen in der Erforderlichkeit/Gebotenheit der Verteidigung sowie in der Gegenwärtigkeit des Angriffs, so dass nur deren Überschreitung und gerade nicht das Recht zur Notwehr selbst, welches nur das Bezugsobjekt dazu bildet, für § 33 StGB maßgeblich ist. 14 Die noch h. M. lässt damit eine stringente Argumentation vermissen. Auch Roxin erhebt Zweifel: "Die Erwägung, dass man ein nicht vorhandenes Recht nicht überschreiten könne, führt irre; denn nach Überschreitung der Grenze ist weder beim intensiven noch beim extensiven Exzess in irgendeinem Sinne Notwehr gegeben."ls Schließlich bestätigt die historische Interpretation das hier gefundene Ergebnis der grammatikalischen Auslegung: Während die alte Fassung der Exzessnorm in § 53 III StGB als Bezugsobjekt nur die Verteidigung festsetzte, indem sie ein "Hinausgehen über die Grenzen der Verteidigung" formulierte, ist der neue § 33 StGB nicht so eng gefasst. Dieser enthält die weitere Formulierung "Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr", so dass gemäß der Legaldefinition in § 3211 StGB neben der Verteidigung als zweites Bezugsobjekt auch noch auf den Angriff abgestellt wird, dem ebenfalls eine Grenze innewohnt, nämlich in Form der Gegenwärtigkeit. 16 Unter grammatikalischer und historischer Auslegung ist § 33 StGB demnach auf den nachzeitig-extensiven Exzess anzuwenden. 3. Vorzeitig-extensiver Notwehrexzess Mit Rücksicht auf vorstehende Ausführungen führt die grammatikalische Auslegung im Hinblick auf den vorzeitig-extensiven Notwehrexzess zu folgender Konsequenz: Ist ein Angriff, wie für diese Konstellationen charakteristisch, noch nicht erfolgt,I7 fehlt es schon am tatsächlich vorliegenden Bezugsobjekt mit seiner Grenze in der Zeit. Besteht nämlich realiter kein Angriff scheidet auch ein Über-schreiten aus, wie es § 33 StGB fordert, da nichts vorhanden ist, über das hinaus-gegangen werden könnte. Dieses Ergebnis bekräftigt auch Spendei: "Von Über-schreitung eines Zeit-raumes spricht man nur bei längerem als nötigen und zulässigen Zeitaufwand, bei kürzerem oder geringerem dagegen von Unter-schreitung. Wenn jedoch ein Zeitablauf, während dessen ein Geschehen wie der Angriff andauert, noch gar 14 Aus diesem Grund ist auch der Auffassung Fischers Diss. S.20f. zu widersprechen, der - wie die (noch) h. M. - ebenfalls nicht auf die Grenzen des Notwehrrechts, sondern auf das Bestehen des Notwehrrechts abstellt und nur deshalb statt von Überschreiten von Anrru:lj3ung des Notwehrrechts beim extensiven Exzess sprechen kann. 15 Roxin FS für Schaffstein S. 112. 16 Ähnlich Sch/Sch-LencknerIPerron § 33 Rn.7. 17 Also nicht gegenwärtig i. S. v. § 32 II StGB.
I. Grammatikalische, systematische und historische Auslegung
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nicht begonnen, die Attacke also noch gar nicht eingesetzt hat, dann ist der Ausdruck Über-schreitung der Zeit bereits sprachlich vollends unangebracht."18 Der vorzeitig-extensive Exzess unterfällt somit aufgrund der grammatikalischen Auslegung nicht dem Anwendungsbereich des § 33 StGB.
4. Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess Das Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess lässt sich unter den Wortlaut der Exzessvorschrift subsumieren. Es ist gleich, ob der Täter alternativ oder kumulativ einen intensiven und/oder extensiven Exzess begeht. Denn unter grammatikalischer Betrachtung überschreitet der Exzedent in beiden Fällen "die Grenzen der Notwehr" i. S. v. § 33 StGB. Für eine Beschränkung der Privilegierung des § 33 StGB auf lediglich eine Exzessform, d. h. nur auf einen intensiven oder extensiven Exzess, hätte die Norm lauten müssen: "Überschreitet der Täter eine Grenze der Notwehr ... "
5. Räumlicher Notwehrexzess Teilweise wird in der Literatur vertreten, es liege sprachlich nahe, den räumlichen Notwehrexzess unter den Wortlaut des § 33 StGB zu fassen. Untermauert wird diese Aussage mit der Begründung, die ursprüngliche Wortbedeutung des Überschreitens beruhe auf einer räumlichen Vorstellung. 19 Entscheidend kann jedoch nicht die allgemeine, von § 33 StGB losgelöste ursprüngliche Wortbedeutung sein, sondern nur der Umstand, ob das Bezugsobjekt " Notwehr" eine räumliche Grenze aufweist. Ausdrücklich ergibt sich eine solche aus § 32 11 StGB nicht; die Grenzen "gegenwärtig" und "erforderlich" sind nur zeitlich und modal. Aber auch aus den Merkmalen "Angriff" und "Verteidigung" lässt sich eine räumliche Grenze nicht entnehmen. Denn sie besagen nur, dass ein Angriff abgewehrt werden darf; nicht aber, was gilt, wenn dabei Dritte verletzt werden. Deshalb weist Roxin auch zutreffend darauf hin, dass der Wortlaut des § 33 StGB selbst keine Anhaltspunkte dafür gibt, ob der räumliche Exzess unter die Vorschrift des § 33 StGB zu fassen ist. 20
6. Bewusster Notwehrexzess Zu den meisterörterten inhaltlichen Auslegungsproblemen der Exzessvorschrift gehört die Frage, ob nur die unbewusste oder auch die bewusste Notwehrüberschreitung von Strafe freigestellt wird. Dabei geht es um die Beantwortung einer Kardi18 LK-Spendel § 33 Rn. 10; ähnlich auch Diederich Diss. S.139f., Holzheid Diss. S.23 und Scholz Diss. S. 33. 19 So LK-Spendel § 33 Rn. 16; ähnlich v.Hippel Strafrecht 11 S. 198. 20 Vgl. Roxin FS für Schaffstein S. 124.
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nalfrage, deren Lösung sich als weichenstellend für die Sinnfindung von § 33 StGB erweisen wird. Denn bei den nachfolgenden Untersuchungen über die verschiedenen Ansätze im Hinblick auf die ratio der Exzessnorm kommt dieser Problematik vielfach zentrale Bedeutung zu, so dass auf diesen Themenkreis näher einzugehen ist. 21 Die Rechtsprechung erstreckt seit eh und je den Anwendungsbereich des § 33 StGB nicht nur auf den unbewussten, sondern auch auf den bewussten Notwehrexzess. 22 Dem folgt überwiegend die Literatur,23 während eine Mindermeinung eine Restriktion auf die unvorsätzliche Notwehrüberschreitung vornimmt. 24 Die h. M. hat die besseren Argumente. Der Wortlaut des § 33 StGB differenziert auf subjektiver Ebene nicht zwischen bewusster und unbewusster Notwehrüberschreitung, was den Schluss zu ziehen nahe liegt, dass ein Hinausgehen über die Grenzen der Notwehr dann auch in jeder subjektiven Weise, demnach sowohl vorsätzlich als auch unvorsätzlich, erfolgen kann. Die historische Auslegung bekräftigt dieses Ergebnis, den vorsätzlichen Exzess ebenso wie den unvorsätzlichen Exzess zu privilegieren. Denn die Gleichbehandlung beider Exzessformen wurde bei der Änderung des § 53 III StGB a. F. in den jetzigen § 33 StGB expressis verbis vom Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht: Das Bundesjustizministerium hatte zwei Formulierungen für den neuen § 33 StGB vorgelegt. Die erste entsprach der heutigen Fassung, die zweite wählte dagegen folgenden Wortlaut: "Überschreitet der Täter, ohne dies zu erkennen, die Grenzen der Notwehr ... " und setzte in der Rechtsfolge fest: "Erkennt er die Überschreitung, so kann die Strafe nach § 64 I gemildert werden."25 Dieser Gesetzesvorschlag, der nur eine fakultative Strafmilderung für den vorsätzlichen Exzess vorsah und gerade keine zwingende Straffreiheit, wurde aber nach eingehender Diskussion in einer Grundsatzabstimmung verworfen. 26 Damit ist der eindeutige gesetzgeberische Wille freigelegt: Die Strafbefreiung soll auch dem vorsätzlichen Exzedenten zugute kommen. Festzustellen ist daher, dass die grammatikalische und vor allem diese ausdrück1ich bestätigende historische Auslegung ergeben, § 33 StGB sowohl auf den bewussten wie auch unbewussten Exzess anzuwenden. 21 Vor allem der Ansatz, der maßgeblich auf die Affekte bei der Ergründung des telos der Norm abstellt, ist damit angesprochen. V gl. dazu unten 2. Kap. 11 1. 22 Vgl. nur RGSt. 21 S. 189, 191; RG JW 1935 S.431; BGHSt. 39 S. 133, 139; BGH NStZ 1987 S. 20; BGH NStZ 1989 S.474, 475; BayObLGSt. 1951 S.362, 363. 23 Vgl. statt vieler: Jakobs AT 20/30; LK-Spendel § 33 Rn. 52ff.; MaurachlZipj AT § 34 III Rn. 30; Roxin FS für Schaffstein S.107ff.; Sauren Jura 1988 S.569; TröndlelFischer § 33 Rn.2. 24 Vgl. Aschermann Diss. S.133; Ballin Diss. S.58; Binding Handbuch I S. 753; Frister Die Struktur des voluntativen Schuldelement S. 231 f.; LK-Baldus 9. Auflage § 53 Rn.43; Schröder ZAkDR 1944 S. 123 f.; Sch/Sch-LencknerIPerron § 33 Rn. 6; Welzel Strafrecht S. 88 f. 25 SondA. f. d. StrRef. Prot. V S. 1821. 26 SondA. f.d. StrRef. Prot. V S.1817ff.
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Zum Hauptargument der Gegenauffassung, eine bewusste Notwehrüberschreitung lasse sich denknotwendig nicht mit den in § 33 StGB angeführten Affekten vereinbaren, weil ein homogenes Nebeneinander logisch ausgeschlossen sei,27 ist anzumerken: Dieser Vorwurf vermag nur prima facie, nicht aber bei genauerer Betrachtung zu überzeugen. Denn zu dieser Einschätzung gelangt nur, wer lediglich an die Fälle denkt, bei denen der Täter blitzschnell, nahezu reflexartig, und noch dazu in größter Todesgefahr reagieren muss. Dort wird ein Bewusstsein vom Exzess zugegebenermaßen kaum vorliegen. 28 Solche Situationen, bei denen der Täter - ohne sich überhaupt eine vertiefte Vorstellung machen zu können -, einfach nur das erst beste Verteidigungsmittel wählt, sind aber nicht die einzigen, die unter § 33 StGB fallen. So kann sich zwischen die Extreme "Tatbegehung bei vollem und kühlem Bewusstsein" und "Tatbegehung ohne Exzessbewusstsein wegen extrem hoher asthenischer Gemütsbewegung" sehr wohl ein in der Mitte liegendes Stadium einfügen, bei welchem der Täter von asthenischen Affekten bestimmt ist, gleichwohl aber weiß, was er tut. Die Affekte müssen ihm nicht unweigerlich das Bewusstsein von der Überschreitung nehmen; vielmehr beeinflussen sie oft nur die Motivation des Täters, ob seine Abwehr in den Grenzen von § 32 StGB erfolgt oder darüber hinausgeht. Verwirrung, Furcht oder Schrecken verdrängen nicht zwangsweise das Bewusstsein von der Grenzüberschreitung, sondern können dieses bestehen lassen und ihre Wirkung erst insoweit entfalten, als sie lediglich die Motivation zur Grenzeinhaltung zurückdrängen; der Tater lässt sich bei der Entscheidung, pro oder contra legern zu handeln, vielmehr aufgrund der besonderen Gefühlslage zur Grenzüberschreitung hinreißen. Eine solche Wirkungsweise der Affekte reicht für § 33 StGB auch aus; sie müssen lediglich so beschaffen sein, dass sie kausal für den Exzess sind, was sich aufgrund der Formulierung in § 33 StGB "aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken" ergibt. In eben diesem Rahmen halten sich dann auch die Affekte, wenn sie die Entscheidung des Täters zum Exzess bewirken anstatt zur Abwehr im Rahmen der geforderten Grenzen. In Anlehnung an Spendel29 soll diese Situation durch ein Beispiel verdeutlicht werden, das zwar § 35 StGB betrifft, aber auf § 33 StGB, was das Problem "Bewusstsein und Affekt" angeht, übertragen werden kann.
Sohn S hängt Jreischwebend mit seinem Vater V. der sich unter ihm befindet, an der Steilwand eines Berges, wobei beide nur durch ein Seil, das an einem Haken im Gestein angebracht ist, Jestgehalten werden. Angesichts des Gewichts von V und S zusammen droht das Seil sich samt Haken vom Berg zu lösen. Der über dem V hängende S weiß, dass die einzig mögliche Rettung darin besteht, das Seil unter ihm zu kappen, weil es sein Gewicht allein noch zu halten vermag. Aus Todesangst, aber 27 V gl. Schmidhäuser Lehrbuch 1l/26; SchISchräder 17. Autl. § 53 Rn.48; Sch/Sch-Lenckner/Perron § 33 Rn. 6. 28 Es sei denn man nimmt dort ein von Roxin konstruiertes, aber sehr umstrittenes schattenhaftes "Mitbewusstsein" an; vgl. ausführlich dazu Roxin ZStW 78 S. 248 ff. im Rahmen der Rezension zu Platzgummer Die Bewusstseinsform des Vorsatzes. 29 V gl. LK-Spendel § 33 Rn. 54.
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
sehr wohl im Wissen um die tödlichen Konsequenzen tür seinen Vater, trennt er die Verbindung zu ihm.
Hier wird man kaum ernsthaft bestreiten können, dass eine Parallelität von Angst und Bewusstsein um die konkrete Lage nicht möglich ist. Deshalb ist nicht einzusehen, warum diese Situation nicht auch im Rahmen von § 33 StGB gegeben sein kann. Auch hier schließt dementsprechend die extreme Gemütslage eine Kenntnis vom Hinausschreiten über das Notwehrrecht nicht aus, sondern beeinflusst nur die Wahl der Reaktionsmittel. Der Notwehrexzedent kann - um die Formulierungen von Welzel und Spende1 zu zitieren - aus Angst zwar "nur noch rot sehen, aber er sieht"30 oder "halb irre" sein vor Furcht, aber deswegen nicht unbedingt "ganz von Sinnen".31 Diese Feinheiten möglicher Exzessformen müssen stets berücksichtigt werden. Dann gelangt man auch nicht zu der nur auf den ersten Blick einleuchtenden These, Affekte und bewusster Exzess seien nebeneinander stets unmöglich. Als Kritik könnte man zwar anführen, die hier vorgenommene Differenzierung sei zu theoretisch; dem wäre aber zu entgegnen, dass gerade die Praxis zu einer Einbeziehung beider Exzessformen unter § 33 StGB zwingt. Denn in vielen Situationen, in denen schnell reagiert werden muss und noch dazu starke Gemütszustände in Form von asthenischen Affekten das Innere dominieren, ist in der Praxis eine Unterscheidung von vorsätzlichem und unvorsätzlichem Notwehrexzess oftmals vollends unmöglich. Ob die Affekte den Ausschlag gaben, trotz des Wissens um die Überschreitung dennoch die exzessive Verteidigung zu wählen, oder dieses Wissen ganz ausgeschlossen haben, wird sich später im Prozess nicht mehr rekonstruieren lassen. Der Richter würde vor eine unlösbare Aufgabe gestellt, wenn er hierbei zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit unterscheiden müsste. 32 Deshalb verwundert auch die Äußerung von Schwarzhaupt nicht, einem Vertreter der Strafrechtskommission, wenn er feststellt, "wie hoffnungslos es für ein Gericht sei, sich in solche differenzierte Einzelheiten hineinzubegeben."33 In der Konsequenz kann das aber nur zur der von Roxin erkannten pragmatischen Lösung führen: "Da die gesetzgeberische Entscheidung für die Straffreistellung des durch asthenische Affekte beeinflussten Täters sinnvollerweise nicht von Grenzziehungen abhängen kann, die schon theoretisch haarfein und sehr umstritten, praktisch aber gänzlich undurchführbar sind, ist es eine ehrliche und zweckmäßige Lösung, die Möglichkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit einzuräumen, auf eine irreale Abschichtung aber zu verzichten und den (mehr oder weniger) bewussten und unbewussten Notwehrexzess gleich zu behandeln."34 Diesem Ergebnis steht schließlich noch folgender axiologischer Befund Jakobs unterstützend zur Seite: Derjenige Exzedent, welcher das zur Verteidigung erWetzel Vom Bleibenden und Vergänglichen S.187 Fn.45 a.E. LK-Spendel § 33 Rn. 54. 32 Wegen der Affekte würde diese Entscheidung noch schwieriger sein als sie es schon bei der Abgrenzung der bewussten Fahrlässigkeit vom dolus eventualis ist. 33 SondA. f. d. StrRef. Prot. V S. 1820. 34 So Roxin FS für Schaffstein S. 109; ähnlich auch Stratenwerth AT § 9 Rn. 93. 30
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I. Grammatikalische, systematische und historische Auslegung
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forderliche Maß erst gar nicht beurteile, stehe in der Wertung häufig demjenigen gleich, der aus dem gewonnenen Urteil keine Konsequenzen für die Gestaltung seiner Abwehr ziehe. 35 Damit unterstreichen auch praktische Argumente, was die Auslegung zu Tage gefördert hat: § 33 StGB ist sowohl auf die bewusste wie auch unbewusste Notwehrüberschreitung anzuwenden. 36
7. Putativnotwehrexzess Für den Putativnotwehrexzess gilt hinsichtlich der grammatikalischen Auslegung dasselbe wie beim Präventivnotwehrexzess: Fehlt realiter das Bezugsobjekt ,,Angriff" mit dessen Grenze in der Gegenwärtigkeit, so kann mangels Anknüpfungspunkt von einer Über-schreitung begrifflich nicht die Rede sein. 37 Der Putativnotwehrexzess lässt sich somit nicht unter den Wortlaut von § 33 StGB subsumieren.
8. Motivbündel von sthenischen und asthenischen Affekten Überschreitet der Tater aus einem Motivbündel von asthenischen und sthenischen Affekten heraus die Grenzen der Notwehr, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis bzw. in welchem Rang diese Motivationen zueinander stehen müssen, damit noch eine Privilegierung nach § 33 StGB in Frage kommt. Die grammatikalische und historische Auslegung hilft dabei nur begrenzt weiter. Als unbestrittenes und unzweifelhaftes Ergebnis steht fest, dass die asthenischen Affekte neben den sthenischen zumindest irgendeine Form der Kausalität für die Notwehrüberschreitung des Taters vermitteln müssen; deren Wirkung auf den Täter als rein zufallige Begleiterscheinung gegenüber allein ursächlichen aggressiven Gefühlen kann deshalb nicht genügen. Das bedingt der Vergleich von § 53 III a. E, bei welchem die Präposition "in" Verwirrung, Furcht oder Schrecken gewählt wurde, mit § 33 StGB n. E, der einen Exzess "aus" Verwirrung, Furcht oder Schrecken fordert. Denn mit dieser formulierungsmäßigen Änderung sollte nach dem Willen des Gesetzgebers gerade das Erfordernis eines inneren Zusammenhangs zwischen Affektgenese und Tat klargestellt und somit der Streit hinsichtlich der alten Fassung dahingehend aufgelöst werden, dass neben aggressiven Motiven das lediglich beVgl. Jakobs AT 20/30. Die Rechtsprechung RGSt. 56 S. 33f.; RGSt.21 S. 189, 191; RG JW 1935 S.431; BayObLGSt. 1949 S. 326, 364 formuliert ohne eigentliche Begründung, indem sie apodiktisch anführt: "Es ist nicht zulässig, innerhalb der als Bestürzung, Furcht oder Schrecken zu bewertenden Geistesverfassung zu unterscheiden, ob der in Notwehr Handelnde noch fahig ist zu erwägen, welche Maßnahmen zur Abwehr erforderlich sind und welche darüber hinausgehen." 37 V gl. oben 2. Kapitel 1.3. 35
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
gleitende Vorhandensein asthenischer Affekte nicht ausreiche. Vielmehr sei deren kausale Wirkung für die Notwehrüberschreitung unabdingbare Voraussetzung für eine Privilegierung. 38 Damit ist aber nicht geklärt, in welchem Rang sthenische und asthenische Affekte zueinander stehen müssen. Genügt schon unter- bzw. gleichgeordnete (Mit)Kausalität von Verwirrung, Furcht oder Schrecken oder haben diese gegenüber den Gefühlen wie Zorn, Hass oder Kampfeslust eine Dominanz aufzuweisen, damit § 33 StGB einschlägig ist? Für den Überhang asthenischer Affekte dürfte wohl die Absicht des Gesetzgebers sprechen, die alte Vorschrift durch die neue erkennbar zu "verschärfen".39 Für die reine (Mit)Ursächlichkeit lässt sich dagegen anführen, dass bei der Kausalitätsfrage allgemein Mitbestimmung für Ursächlichkeit genügt. 40 Damit treffen hinsichtlich der Frage über die Kausalitätsqualität der asthenischen Motive gegenüber den sthenischen Gefühlen zwei gegenläufige Indizien aufeinander, so dass die grammatikalische und historische Auslegung insoweit keine Klarheit schafft. 41
9. Zwischenergebnis Als Ergebnis der bisherigen Auslegung ist zusammenzufassen: Der bewusste Notwehrexzess, der intensive Notwehrexzess im Hinblick auf das Gebotenheitskriterium, der nachzeitig-extensive Notwehrexzess sowie das Zusammentreffen von intensivem und extensivem Notwehrexzess unterfallen dem § 33 StGB, während nach der Wortlautinterpretation der vorzeitig-extensive Notwehrexzess und der Putativnotwehrexzess nicht unter die Vorschrift subsumiert werden können. Für den räumlichen Exzess gibt die grammatikalische und systematische Deutung keinen eindeutigen Aufschluss darüber, ob der Anwendungsbereich von § 33 StGB eröffnet ist. Gleiches gilt für den Notwehrexzess innerhalb eines Motivbündels von sthenischen und asthenischen Affekten im Hinblick auf die Frage, von welcher graduellen Beschaffenheit die Kausalität der asthenischen Gefühle im Vergleich zu den aggressiven, sthenischen Motive zu sein hat.
38 Vgl. BT-Ds. V/4095 S. 15. Was den Streit zur alten Gesetzeslage betrifft, vgl. Jüttner Diss. S. 23; Lange Diss. S. 24; Lehnemann Diss. S. 20; LK-Jagusch 8. Auflage § 53 Rn. 7 b; Mezger/ Blei AT S. 237; Paul Diss. S.42; Weil Diss. S. 30 Rn. 51. 39 Das deutet Heuchemer JA 1999 S. 384 an. 40 Vgl. dazu LK-Spendel § 33 Rn.71. 41 Deshalb rankt sich darum auch offener Streit: Für bloße Mitkausalität: RG JW 1935 S.431; BGHSt. 3 S.194, 198; BGH NStZ 1987 S.20; BGH StV 1999 S.145, 147; BGH NStZRR 1999S.264, 265; LK-Spendel §33 Rn. 71; NK-Herzog §33 Rn. 23; SK-Rudolphi §33 Rn.3. Für überwiegende Kausalität: Sch/Sch-Lenckner/Perron § 33 Rn. 5; Roxin FS für Schaffstein S. 121 f.; Tröndle/Fischer § 33 Rn. 3. Vermittelnd Otto Jura 1987 S. 606: Die Affekte müssten wesentlich mitbestimmend, nicht aber notwendig dominierend sein.
11. Teleologische Auslegung
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11. Teleologische Auslegung Mit der bisherigen Auslegung ist nur ein vorläufiges Resultat erreicht, welches sich nicht für sämtliche strittigen Exzesskonstellationen als genügend aussagekräftig erweist. Ein abschließendes Verständnis von § 33 StGB setzt voraus, dass zusätzlich im Rahmen einer teleologischen Auslegung der Sinn der Exzessnorm ermittelt wird. 42 Damit bei der Suche nach der ratio legis ein Widerspruch zu den besonderen gesetzlichen Vorgaben des § 33 StGB gar nicht erst aufkommen und ein Konzept entstehen kann, das möglichst wenig Kritik erlaubt und das "Dunkel" um § 33 StGB erhellt, soll folgende Prämisse der teleologischen Auslegung vorangestellt werden: Dem Norminterpreten ist es verwehrt, seine eigenen Vorstellungen an das Gesetz, das es auszulegen gilt, heranzutragen; vielmehr muss der Sinngehalt der Vorschrift und die Erkenntnis für den Norminterpreten aus der Vorschrift selbst und deren spezifischen Struktur im Gesamtgefüge des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs erwachsen. Ein solches methodologisch an sich selbstverständliches Vorgehen ist hier zu betonen, da in der Literatur - teils ausdrücklich teils zwischen den Zeilen oder als eine Art sachgedankliches Mitbewusstsein - andere Wege zur Sinnfindung von § 33 StGB eingeschlagen werden: Die ratio legis wird nicht immer allein mit reiner Orientierung am Gesetz zu bestimmen versucht, sondern vielmehr ruht bei der Lösungsfindung oftmals das Augenmerk auf der Problematik, inwieweit das zu findende Ergebnis mit dem jeweils vom Interpreten bevorzugten Verständnis der strafrechtlichen Kategorien wie "Schuld" oder "Strafausschließungsgrund" harmoniert. 43 Mit anderen Worten: Die befremdend und atypisch wirkende Norm des § 33 StGB wird dem jeweilig bestehende Bild von Schuld oder Strafausschließungsgrund angepasst bzw. darin eingepasst. Eine derartige Methode läuft aber leicht Gefahr fehlzugehen und setzt sich zwangsläufig erheblicher Kritik aus. Denn die Dogmatik zur Schuld selbst wie auch deren Konkurrenz zum Strafausschließungsgrund liegt auf einem äußerst umstrittenen und ungeklärten Terrain mit zahlreichen, teils völlig divergierenden Grundüberzeugungen. Sollte nun die jeweils eigene Überzeugung davon zum Ausgangspunkt für die Deutungsfindung des § 33 StGB gemacht werden, ist zum einen eine Vielzahl von völlig unterschiedlichen Lösungsmethoden vorprogrammiert,44 zum anderen wird innerhalb dieser Lösungsmethoden die Kritik nicht erst bei der Deutung des § 33 StGB selbst ansetzen, sondern schon vorher beim 42 Engisch Einführung S. 70 formuliert dies allgemein so: Primäre Aufgabe der Auslegung ist es, "den Sinn der Rechtsvorschrift zu erfassen". 43 So explizit das Vorgehen Aschermanns Diss. S. 103 f., der - als Basis - seine eigene Überzeugung vom richtigen Schuldbegriff der Erklärung des § 33 StOB zugrunde legt. 44 Darin liegt der Hauptgrund für die enorme Meinungsvielfalt zu § 33 StOB. Vgl. dazu Kaufmann JZ 1967 S. 553, der treffend formuliert: " ... und wenn man dann noch weiter fragt, was denn Strafe und was die Schuld eigentlich ist, ja ob es so etwas wie Schuld in der Wirklichkeit überhaupt gibt, - und wenn es sie gibt, ob sie unserer Erkenntnis hinreichend zugänglich ist - dann sieht man sich einer kaum noch entwirrbaren Vielzahl von Stimmen gegenüber."
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
jeweiligen Verständnis der Schuld bzw. des Strafausschließungsgrundes. Deshalb empfiehlt sich ein solches Vorgehen nicht. 45 Vielmehr muss der Sinn der Exzessnorm allein aus den spezifischen legislatorischen Vorgaben und der Struktur des § 33 StGB im Vergleich zu anderen Normen des Allgemeinen Teils verifiziert werden. Nur wenn das Gesetz insoweit keine zufrieden stellende Lösung bietet, darf und muss bei der Interpretation auf Gesichtspunkte zurückgegriffen werden, die sich nicht aus der Norm selbst ergeben. Dies wird sich aber - soviel sei vorweggenommen - nicht als nötig erweisen, da allein der spezifische Inhalt von § 33 StGB über den Sinn der Norm Aufschluss gibt. Dieser enthält - mit seiner Verknüpfung zu § 32 StGB - als besondere Merkmale die Affekte (Verwirrung, Furcht, Schrecken), die Verteidigung und den Angriff, bei welchen die teleologische Auslegung im Folgenden ansetzt. 1. Ansatz 1: Die Affekte Ein isoliertes und alleiniges Abstellen auf die asthenischen Affekte ist nicht in der Lage den legislatorischen Grund für die Privilegierung des Täters nach § 33 StGB zu erklären. Zu diesem Ergebnis der teleologischen Auslegung werden die nachfolgenden Untersuchungen führen, die sich mit den Ansätzen der vornehmlich älteren, vereinzelt neueren Literatur beschäftigen, welche die Ursache für die Straffreiheit des im Notwehrexzess handelnden Täters maßgeblich auf die in § 33 StGB genannten Affekte zurückführen. Dabei sind unterschiedlich nuancierte Differenzierungen innerhalb dieses gemeinsamen Ausgangspunktes vorzufinden. a) Ausschluss der Einsichtsfähigkeit in das normgerechte Verhalten Nach Lobe ergibt sich die Straffreiheit des Notwehrexzesses i. S. v. § 33 StGB (§ 53 III StGB a. E) aus der Besonderheit, dass der Täter "im Zustand dieser Affek-
te 46 das erforderliche Maß nicht zu beurteilen vermag". 47 Etwas vorsichtiger, aber im Ergebnis ähnlich erklärt Baumann: Das Verhalten des Täters sei "entschuldbar und menschlich verständlich", da "oft Schrecken und der stark zum Durchbruch kommende Lebenswille des Überfallenen die Erkenntnis in das Übermaß der Verteidigungshandlung hindern". 48 Schmidhäuser bewegt sich ebenfalls in diese Richtung, kommt dabei aber zu einem radikaleren Schluss. Auch für ihn ergibt sich die Erklärung der Norm aus den 4S Die Tatsache, dass der Gesetzgeber mit seiner Formulierung auf der Rechtsfolgenseite " ... wird er nicht bestraft" die Rechtsnatur des § 33 StGB bewusst offen ließ und damit kein Bekenntnis abgab, ob die Norm im Bereich "Schuld" oder "Strafausschließungsgrund" anzusiedeln ist, bestärkt noch dazu die Berechtigung dieses Vorgehens. 46 Gemeint sind Verwirrung, Furcht oder Schrecken. 47 LK-Lobe 8. Auflage § 53 Rn.7. 48 V gl. Baumann AT S. 310.
11. Teleologische Auslegung
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Affekten. Diese würden jedoch im Ergebnis sogar dazu führen, dass die Vorschrift des Notwehrexzesses überflüssig werde. Denn es müsse beachtet werden: Ein homogenes Nebeneinander von sinnhafter Notwehrüberschreitung und affektbeladener Gemütslage sei logischerweise ausgeschlossen, so dass eine derartige Annahme gekünstelt und rein konstruiert sei; deshalb entfalle die Möglichkeit eines bewussten Notwehrexzesses nach § 33 StGB. Ist sich der Täter dagegen der Überschreitung nicht bewusst, handelt er also in der irrigen Annahme, zur Abwehr des Angriffs müsse er (und also auch dürfe er) so handeln, dann komme es aufgrund des vorliegenden Erlaubnistatbestandsirrtums wegen § 16 12 StGB nur auf einen möglichen Fahrlässigkeitsvorwurf an. Dafür sei aber lediglich die negative Seite der Fahrlässigkeit gegeben; die positive fehle, welche die Fähigkeit voraussetze, dass der Täter in seiner psychischen Konstitution zumindest erkennen konnte, den Angriff mit einem weniger schweren Mittel abzuwehren. Diese Voraussetzung der potentiellen Vermeidbarkeit sei bei lebensnaher Betrachtung praktisch stets ausgeschlossen, wenn Verwirrung, Furcht oder Schrecken vorliegen, so dass ein Fahrlässigkeitsvorwurf immer ausscheide. Damit ergibt sich für Schmidhäuser die Straflosigkeit des Affekttäters wegen seiner psychischen Konstitution schon nach den allgemeinen Regeln, ohne dass § 33 StGB (§ 53 III StGB a. E) Bedeutung erlangt. 49 Diesem von Schmidhäuser postulierten Ansatz erwächst schon eine dem Ergebnis inhärente Kritik, welches nicht nur Zweifel an seiner Lösung aufkommen lässt, sondern aus dem sich sogar eo ipso die Untauglichkeit seines Konzepts ergibt. Denn die am Ende übrig bleibende Schlussfolgerung der Theorie, dass § 33 StGB eine überflüssige Norm sei, spricht für sich allein gegen dessen Erklärungsansatz. Sie bestätigt nämlich nur die Hilflosigkeit, die bei der Sinnfindung der Vorschrift entstanden und nicht ausgeräumt ist. Die gesetzliche Regelung kann nicht mit dem einfachen Hinweis auf ihre Überflüssigkeit abgetan werden, nur weil ihre Bedeutung für sich allein nicht offenbar wird. Vielmehr müsste dieses Resultat und noch dazu das von Schmidhäuser offen gelassene, sich aber nach seinem Modell stellende Folgeproblem, in welcher Beziehung dann der § 33 StGB zu § 20 StGB steht, den Aufschluss geben, dass das gefundene Ergebnis nicht richtig sein kann. Denn man wird davon ausgehen können, "dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift etwas sagen wollte, was sich nicht schon von selbst verstand"50 und nicht eine neben § 20 StGB unnötige Norm geschaffen hat. 51 Bei näherer Betrachtung fällt auch auf, weshalb ein unbefriedigendes Ergebnis am Ende stehen bleibt: Der Ausgangspunkt von Schmidhäuser, wie auch von Lobe und Baumann, beruht auf einer fragwürdigen Grundüberzeugung, durch welche die Ungereimtheit am Ende ausgelöst wird. Denn die Affektgenese schließt gerade nicht zwangsläufig die Fähigkeit zu sinnbewusstem (oder potentiell sinnbewusstem) 49
Vgl. Schmidhäuser Lehrbuch 11/26.
so Roxin FS für Henkel S. 190 Rn. 68.
SI Vgl. bzgl. dieser mit §20 StGB operierenden Begründung auch Duo Jura 1987 S.607; Roxin FS für Henkel S. 190 Rn. 68; Rudolphi JuS 1969 S. 462.
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
Handeln aus. 52 Deswegen kann auch dem in unbewussten Exzess handelnden Täter die grundsätzliche Möglichkeit, die Grenzüberschreitung erkennen zu können, zugesprochen werden. Ob sie dann wirklich vorliegt, muss eine genaue Einzelbetrachtung ergeben; ein genereller Ausschluss der Einsichtfähigkeit und somit der Fahrlässigkeit ist nicht anzunehmen, soweit dieses Ergebnis auf der Überzeugung und Gleichung beruht: Wenn schon asthenische Affekte den bewussten Exzess ausschlössen, dann müssten sie entsprechend auch beim unbewussten Exzess die negative Seite der Fahrlässigkeit ausschließen. Denn schon die Bedingung dieser These von Schmidhäuser hat sich als nicht nachvollziehbar erwiesen, weshalb auch dessen Schlussfolgerung mit demselben Makel behaftet ist. 53 § 33 StGB ist deshalb nicht überflüssig; er beansprucht Geltung für den bewussten Exzess einerseits wie auch für den unbewussten Exzess andererseits, soweit die Fahrlässigkeitsstrafbarkeit gern. § 16 1 2 StGB wegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums im Raum steht. Zugleich erklärt sich mit diesem Ergebnis dann auch die Notwendigkeit und das Verhältnis von § 33 StGB im Vergleich zu § 20 StGB vollends befriedigend. Hierzu ist der Ansatz von Schmidhäuser nicht in der Lage. Fazit: Die ratio des § 33 StGB kann nicht mit einer durch asthenische Affekte hervorgerufenen mangelnden Einsichtsfähigkeit in das eigene Handeln gedeutet werden. 54
b) Beweisregelfür fehlende Fahrlässigkeit Schröder55 bewegt sich bei der Sinnfindung des § 33 StGB (§ 53 III StGB a. F.) auf ähnlichem Terrain wie Schmidhäuser und Lobe. Er argumentiert aber nicht mit derselben radikalen Konsequenz wie diese und geht einen vorsichtigeren Weg, der ihn nicht der gleichen grundlegenden Kritik aussetzt. Zwar bilden auch bei Schröder die asthenischen Affekte den Ausgangspunkt für die Erklärung der Privilegierung des § 33 StGB. Er schließt jedoch ein gemeinsames Vorliegen von affektbestimmtem Handeln und zugleich gegebener absichtlicher Notwehrüberschreitung nicht vollends aus, sondern hält dies zurückhaltender für lediglich kaum denkbar. Er ist der Auffassung, dass bei unabsichtlicher affektbedingter Notwehrüberschreitung die Einsicht, das Übermaß der Handlung zu erkennen, nur in der Regel nicht vorliegt, die Möglichkeit dazu aber durchaus bestehen kann. Ausgehend von dieser Grundeinstellung kommt er zu folgender Erkenntnis über die Bedeutung des heutigen § 33 StGB: Die Norm beanspruche keine Geltung für die absichtliche Notwehrüberschreitung;56 für die unabsichtliche dagegen habe sie nur die Funktion, den Richter der schwierigen Prüfung zu entheben, die wegen § 16 12 StGB in Betracht kommt, 52 V gl. oben 2. Kapitel I. 6., wo mittels Auslegung dargelegt wurde, dass ein Nebeneinander von Affekten und bewusstem Exzess möglich ist. 53 Im Ergebnis ebenso: Rudolphi JuS 1969 S.462; Otto Jura 1987 S. 607. 54 Eine ausführlichere Darstellung der Argumente, die den Ansatz Schmidhäusers oder Lobes als untauglich erscheinen lassen, findet sich bei Fischer Diss. S.47 ff. 55 Schröder ZAkDR 1944 S. 123 f.
H. Teleologische Auslegung
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ob ein sich auf die Erforderlichkeit der Verteidigung beziehender Erlaubnistatbestandsirrtum vermeidbar gewesen wäre. 57 Damit sei die Vorschrift ihrem Sinngehalt nach als eine "unwiderlegbare Präsumtion fehlender Fahrlässigkeit (Erkennbarkeit) in den Fällen von Bestürzung, Furcht oder Schrecken" zu interpretieren; 58 also als Beweisregel und Vermutung "des Inhalts; dass bei Vorliegen der genannten Affekte eine Fahrlässigkeit bezüglich der Notwehrüberschreitung ausgeschlossen sein soll. ,,59 Schon die erste Prämisse dieses Erklärungsmodells, die gesetzliche Regelung sei nur auf die unabsichtliche Notwehrüberschreitung anzuwenden, erweist sich mit Hinweis auf die vorangegangenen Ausführungen als kritikwürdig. Mit dieser Prämisse wird aber auch die auf ihr basierende und entwickelte Regelvermutung in Frage gestellt, nach der die Affekte zu einem generellen Ausschluss von Fahrlässigkeit führen sollen. Denn nur von der - hier abgelehnten - Grundüberzeugung heraus, bewusster Exzess und § 33 StGB würden nicht zusammenpassen und seien so gut wie unmöglich, wird man eine Regelmäßigkeit von der Unvermeidbarkeit irrtumsbedingter Notwehrüberschreitung ableiten können. Vor allem ergibt sich die Untauglichkeit des von Schröder entwickelten Modells aufgrund folgender Erwägungen: Einerseits bleibt mit Hilfe der Konstruktion einer unwiderleglichen Präsumtion fehlender Vermeidbarkeit konsequenterweise unklar, warum die Beweisregellediglich für die Fälle einer Notwehrüberschreitung gelten soll, während für andere psychisch gleich gelagerte Situationen wie beispielsweise die des § 34 StGB eine solche Fiktion vom Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen ist. 60 Andererseits löst ein solches Vorgehen nicht auf, weshalb die Fiktion nicht auch im Rahmen sthenischer Affekten anzuwenden ist, bei denen sich im gleichen Maße das Problem der Vermeidbarkeit des Erlaubnistatbestandsirrtum stellen würde. Hingewiesen sei zudem auf die vom RG 61 vorgenommene Feststellung: "Ein Rechtsatz, dass eine Fahrlässigkeit straflos bleibe, wenn sie auf Verwirrung, Furcht oder Schrecken zurückzuführen sei, ist unbekannt." Insgesamt vermag das Erklärungsmodell damit nicht zu überzeugen, bei welchem die Affekte den Ausschlag für eine unwiderlegliche Beweisregel fehlender Fahrlässigkeit geben. 62
56 Für die seltenen Fälle, dass trotz absichtlicher Überschreitung der Notwehrgrenzen dennoch ein asthenischer Affekt vorliege, sei dies im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen. 57 Vgl. Schröder ZAkDR 1944 S. 123f.; Sch/Schröder 17. Auflage § 53 Rn. 36. 58 Schröder ZAkDR 1944 S.124. 59 Sch/Schröder 17. Auflage § 53 Rn. 36. 60 Mit derselben Argumentation Fischer Diss. S. 62f.; Rudolphi JuS 1969 S. 462. 61 RGSt. 54 S. 36, 37. 62 Vgl. zum Ganzen auch Fischer Diss. S. 61 ff.
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c) Typisierte Erlaubnistatbestandsirrtumsregelung Eine Weiterentwicklung der Konzeption von Schröder findet sich in jüngerer Zeit bei Frister: 63 § 33 StGB stelle eine Beweisregel für das Vorliegen eines auf die Erforderlichkeit der Verteidigung beziehenden Erlaubnistatbestandsirrtums dar. In Erweiterung zu Schröder beschränke sich diese Beweisregel, welche als unwiderlegliche Vermutung ausgestaltet sei, nicht auf das Vermeidbarkeitsurteil, sondern gelte auch und vor allem für die Fragestellung, ob und inwieweit der Verteidiger andere, mildere und gleich sichere Verteidigungsmöglichkeiten erkannt hat. Sinn und Vorteil dieser Deutung bestünden darin, den Richter von der schwierigen Aufgabe zu entheben, die innere Vorstellung und das Wissen des Täters insofern auszuleuchten, ob tatsächlich die Voraussetzungen für einen Erlaubnistatbestandsirrtum im Hinblick auf das Erforderlichkeitskriterium gegeben waren oder andernfalls ein bewusster Exzess vorlag. 64 Deshalb stelle § 33 StGB für das Verhältnis "bewusste und unbewusste Notwehrüberschreitung" auch und vor allem eine (unwiderlegliche) Vermutung dar, dass ein im asthenischen Affekt begangener Exzess ein unbewusster ist. 65 Dabei beruhe die Grundlage für diese Vermutung auf der Annahme, das Erleben des Täters sei wegen der asthenischen Affekte so eingeengt, dass es nur um die Abwehr der Gefahr ginge. Dieses Bestreben motiviere grundsätzlich nur zur Wahl eines sicheren Verteidigungsmittels, nicht aber zu einer über die Anwendung des mildesten sicheren Mittels hinausgehenden "Verteidigung". Es sei zwar theoretisch möglich, dass der Täter einen bewussten Exzess begeht, indem er trotz der Einengung seines Erlebens auf Bestrebung zur Gefahrenabwehr im Ergebnis noch durch andere, auf zusätzliche Verletzung des Angreifers gerichtete Motive bestimmt wird, diese seien aber in der Praxis sehr seltene Fälle, so dass sie um den Vorteil einer typisierenden Regel willen vernachlässigt werden könnten. 66 Einem solchen Modell sind erhebliche Bedenken entgegenzuhalten. Zunächst steht wieder das Verhältnis "asthenische Affekte und bewusster Exzess" in Frage. Wenn sich nach Frister die Grundlage für den Schluss auf eine Beweisregel aus der Überzeugung ergibt, Fälle der bewussten Notwehrüberschreitung gepaart mit asthenischen Affekten seien so gut wie nicht denkbar, so widerspricht das dem bisher herausgefundenen Ergebnis, wonach Verwirrung, Furcht oder Schrecken die Möglichkeit eines bewussten Exzesses gerade nicht ausschließen. Abgesehen davon rückt noch ein anderer Grund in den Mittelpunkt, der Fristers Modell in Frage stellt: Es besteht kein Bedürfnis, eine Typisierung obigen Formats festzusetzen. Denn der angebliche Vorteil, um dessen willen die (laut Frister) seltenen Fälle der bewussten Notwehrüberschreitung auszuklammern sind, stellt sich nicht als solcher heraus. Der Typisierung bedarf es nicht, hinter welcher der Zweck stehen soll, den Richter 63
64 65 66
V gl. Frister Die Struktur des Vgl. Frister Die Struktur des Vgl. Frister Die Struktur des V gl. Frister Die Struktur des
voluntativen Schuldelernents S. 229 ff. voluntativen Schuldelernents S. 230f. voluntativen Schuldelernents S. 231. voluntativen Schuldelernents S. 231 f.
H. Teleologische Auslegung
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bei der Prüfung zu entlasten, ob nun wirklich ein sich auf die Erforderlichkeit beziehender Erlaubnistatbestandsirrtum oder dagegen eine bewusste Grenzüberschreitung vorliegt. 67 Denn dadurch, dass man § 33 StGB uneingeschränkt sowohl auf den unbewussten wie auch bewussten Exzess Anwendung finden lässt, ergibt sich für beide Fälle, einmal, dass der Täter irrig die Voraussetzungen des § 32 StGB annimmt und einmal, dass er im Bewusstsein darüber hinweggeht, eine Straflosigkeit, solange nur Verwirrung, Furcht oder Schrecken vorherrschen; insoweit ist für den Richter die exakte Erkundung des Täterwissens nicht entscheidend. In Zweifelsfallen kann er von der einen oder anderen Exzessform ausgehen, ohne dass dies zum Nachteil des Täters erfolgt. Es wäre also nur umständlich, auf eine Beweisregel zuzugreifen, die dem Strafgesetzbuch im Allgemeinen Teil grundsätzlich fremd ist. Dies gilt um so mehr, als der Gesetzgeber eine Berücksichtigung des bewussten Notwehrexzesses ausdrücklich beabsichtigte, indem er sich in einer Grundsatzabstimmung gegen die Restriktion auf den unbewussten Exzess entschieden hat. 68 Die Notwendigkeit des Umwegs Fristers in Form einer Vermutungsregelung leuchtet deshalb nicht ein. 69 Aber auch die Tragweite der von Frister entwickelten Theorie ist zu begrenzt. Sie verkennt die anderen möglichen Situationen der unbewussten Notwehrüberschreitung, die neben dem Exzess im Erlaubnistatbestandsirrtum möglich sind: Einerseits die der ignorantia facti, bei denen sich der Täter über die Qualität, mithin über die Erforderlichkeit seiner Verteidigungshandlung, gar keine Gedanken macht und ohne große Reflexion das erst beste Verteidigungsmittel wählt, andererseits die der ungewollten Tatbegehung, also der reinen Fahrlässigkeit. 70 Für diese beiden Fälle passt seine Regel nicht, weil sie allein auf die Konstellationen zugeschnitten ist, bei denen der Täter entweder vorsätzlich die Grenzen der Notwehr überschreitet oder dies unbewusst in Gestalt eines Erlaubnistatbestandsirrtums tut. Damit erweist sich die Regel vom typisierten Erlaubnistatbestandsirrtum aber nicht nur als nicht notwendig, sondern noch dazu als unvollständig, weil sie diesen differenzierten Möglichkeiten der unbewussten Exzessbegehung nicht gerecht wird. 67 Hier wird schon nicht eindeutig klar, warum diese Typisierung als Erleichterung für den Richter nur oder gerade für § 33 StGB gilt, zumal der Richter auch in anderen Fällen ohne eine solche Regel oftmals vor die schwierige Aufgabe gestellt wird, das Innere des Täters zu erforschen. 68 V gl. SondA. f. d. StrRef. Prot. V S. 1817 ff. bzw. oben 2. Kap. I. 6. Der Gesetzgeber wollte damit diese Fälle berücksichtigen und gerade nicht vernachlässigen, wie es Frister tut. Ihm war es wichtig, dass § 33 StGB für beide subjektiven Varianten gilt. Deshalb kann, wie es Roxin angesprochen hat, "der Spieß umgedreht werden": Weil es für den Richter oft zu schwer wäre zu erforschen, ob der Exzess bewusst oder unbewusst erfolgte, soll § 33 StGB beide Formen umfassen und so den Richter entlasten. 69 Sie ließe sich nur aus der Überzeugung erklären, dass sich bewusster Exzess und asthenische Überschreitung zusammen völlig ausschließen; ein Ergebnis, dem widersprochen wird (vgl. 2. Kap. I. 6.). Erkennt Frister Fälle des bewussten Notwehrexzesses an - auch wenn sie nur selten sind -, so braucht bzw. darf er - angesichts des Gesetzgeberwillens - nicht die Konstruktion einer unwiderleglichen Vermutung wählen. 70 Vgl. oben 1. Kapitel 11. 2. a) und c).
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StOB
Noch ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt ist besonders zu beachten: Die Deutung des § 33 StGB als typisierte Erlaubnistatbestandsirrtumsregelung gibt keinen zufrieden stellenden Aufschluss, weshalb die Exzessnorm nicht auch auf Exzesse innerhalb sthenischer Affekte Anwendung findet. In beiden Fällen ergibt sich nämlich dieselbe Erkenntnisschwierigkeit, ob ein Erlaubnistatbestandsirrtum im Hinblick auf die Erforderlichkeit wirklich anzunehmen ist. Damit bleiben Unstimmigkeiten bestehen. Das zeigt sich auch bei der Anwendung seiner Theorie für die speziellen Fälle des extensiven Exzesses. Es wird nicht verständlich, warum Frister die Vermutungsregelung des § 33 StGB lediglich für den intensiven Exzess gelten lässt, nicht aber - was angesichts der ratio konsequent wäre - auch für die extensive Notwehrüberschreitung. Denn in beiden Fällen stellt sich für den Richter innerhalb des subjektiven Bereichs gleichermaßen das Problem, das Wissen und das Bewusstsein des Täters auszuleuchten. Eine unterschiedliche Geltung der Norm bei intensivem und extensiven Exzesses führt damit zu einem logischen Bruch. 71 Insgesamt kann es deshalb als nicht überzeugend angesehen werden, § 33 StGB als typisierte Erlaubnistatbestandsirrtumsregelung aufzufassen. d) Wegfall des aktuellen Unrechtsbewusstseins und Theorie der Affektveranlassung Aschermann begründet sein Verständnis von § 33 StGB auf der Basis eines generellen Konzepts zur Lösung von Affekttaten im Allgemeinen, wobei das Konzept ausschließlich vom reinen Willensschuldbegriff72 geprägt ist. § 33 StGB sei wegen der Motivationen wie Verwirrung, Furcht oder Schrecken ein dazu spezieller Affekttatbestand, der sich nahtlos in sein allgemeines Modell einfüge. 73 Sein Ansatz: Zuallererst sei zu klären, welchen Einfluss Affekte im Allgemeinen auf die Tat hätten. Dabei komme man zu dem Ergebnis, dass der Täter trotz Affektgenese konstitutionell schuldfähig sei bzw. bleibe; die normpsychologische Gemütslage würde die Schuldfähigkeit weder ausschließen noch beeinträchtigen. 74 Die Affekte würden dagegen - und darauf komme es an - einen Wegfall des aktuellen Unrechtsbewusstseins des Täters im Tatzeitpunkt bewirken, so dass eine Tatzurech71 Eine Begründung dafür findet sich bei ihm nicht; diese Ungereimtheit ist auch von Sch/Sch-Lenckner/Perron § 33 Rn. 2 gesehen und bemängelt worden. 72 Den Willensschuldbegriff definiert Aschermann Diss. S.46 so: "Allein die ... freie Entscheidung gegen das für sich selbst als gültig wissende, rechtlich Richtige (= Oemeinschaftsnorm), mithin der in dieser Weise selbst begründete Selbstwiderspruch kann Inhalt strafrechtlicher Schuld sein. Dabei ist es gerade die in der konkreten Normorientierung enthaltene Selbstbestimmung des jeweiligen Subjekts, die die Entscheidung gegen das Recht als freie Entscheidung erscheinen lässt. Zugleich ist es allein dieser aktuelle Prozess der in der widerrechtlichen Entscheidung liegenden Selbstbegründung eines Selbstwiderspruchs, der den Vorwurf schuldhaften Verhaltens gegenüber dem Täter zu rechtfertigen vermag ... " Zur Vertiefung vgl. Aschermann Diss. S. 43 ff. 73 Vgl. insgesamt dazu Aschermann Diss. S. 85 ff. 74 Vgl. Aschermann Diss. S. 103 ff.
II. Teleologische Auslegung
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nung im Rahmen eines tatbezogenen Schuldvorwurfes ausscheide. Eine Zurechnung und somit eine Strafbarkeit sei aber dennoch möglich, wenn ein Schuldzusammenhang zwischen der Tat und einem schuldhaften Vorverhalten bestünde. Ein solcher Zusammenhang liege vor, falls der Täter an der Entstehung des späteren Affekts ursächlich und beteiligt war, indem er sich zu diesem entschieden hat (sogenannte "entscheidungsgetragene Affekte"). Dann sei eine freiverantwortliche Entscheidung zum Unrecht gegeben; denn zu diesem Zeitpunkt der Affektingangsetzung hätte die Möglichkeit einer Normretlexion bestanden, womit der entscheidende Anknüpfungspunkt zur (nicht vorwerfbaren) Affekttat hergestellt und damit auch eine Zurechnung erlaubt sei. Zugleich werde dadurch der Maxime entsprochen, dass sich die Vorwerfbarkeit der Tat nur aus dem reinen Willensschuldbegriff erklären könne und dürfe. Eine Zurechnung bei sogenannten "entscheidungslosen Affekttaten" verbiete sich dagegen; bei diesen liege ein unverschuldeter Affekt vor, da der Täter sich nicht im Vorfeld zum Unrecht entschieden habe und es somit auf der Basis eines reinen Willensschuldbegriffs an einem vorwerfbaren Verhalten fehle. 75 Auf der Grundlage dieses allgemeinen Affektmodells erkläre sich nun der spezielle Affekttatbestand des § 33 StGB von selbst. Denn diese Norm des Notwehrexzesses enthalte ausnahmslos entscheidungslose, mithin fremd veranlasste Affekte, weil allein die Angriffs situation die Gemütszustände der Verwirrung, Furcht oder Schrecken auslösen würden. Als entscheidungslose Affekte würden die in § 33 StGB genannten Zustände somit zugleich auch unverschuldete Affekte darstellen, so dass mangels Anknüpfungspunkt an ein vorwerfbares Vorverhalten eine Zurechnung der späteren ohne Unrechtsbewusstsein begangenen Affekttat nicht möglich sei. 76 Die Straffreistellung nach § 33 StGB beruht nach Aschermann demnach auf dem affektbedingten Wegfall des aktuellen Unrechtsbewusstseins sowie der mangelnden Zurechnungsmöglichkeit wegen entscheidungsloser Affektgenese. So begrüßenswert die zweite Säule im Ansatz von Aschermann ist, indem er bei der Erklärung des § 33 StGB auch auf den Angriff des Opfers abstellt, 77 seiner Theorie kann insgesamt nicht gefolgt werden, da sie nicht in der Lage ist, ein in sich geschlossenes Verständnis der Vorschrift - wie es sich aus dem Gesetz selbst ergibt - zu begründen. Bedenken ergeben sich hauptsächlich aus zwei Gründen: Zum einen, weil die Lösung des § 33 StGB auf der Basis eines allgemeinen von Aschermanns eigenem Schuldverständnis geprägten Modell unternommen wird, zum anderen, weil die Prämisse, die Affekte würden das aktuelle Unrechts bewusstsein ausschließen, beim Notwehrexzess nach § 33 StGB nicht restlos einzuleuchten vermag.
75 76 77
ist.
Vgl. Aschermann Diss. S.llOff. Vgl. Aschermann Diss. S.129f. Später wird sich zeigen, dass der Sinn und Zweck des §33 StGB darin vorrangig zu finden
4 MOl,eh
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StOB
aa) Methodische Kritik Aschennann setzt sich erheblicher Kritik aus, wenn er (neben weiteren anderen) vor allem mit der entscheidenden Arbeitshypothese operiert, das Fundament zur Erklärung der Exzessvorschrift müsse der reine Willensschuldbegriff bilden. Hieran schließen sich Zweifel doppelter Art an: Die Nonn des § 33 StGB darf nicht aus einer Grundsichtweise und Grundüberzeugung von der eigenen Schuldtheorie heraus gedeutet werden, weil damit weder der Wille des Gesetzgebers noch der Sinn der Vorschrift zu ergründen ist. 78 Ließ doch der Gesetzgeber deren Rechtsnatur und somit die Entscheidung, wie § 33 StGB strafrechtsdogmatisch einzuordnen ist - sei es im Bereich der Schuld oder als Strafausschließungsgrund - wohlwissend offen. Der Gesetzgeber gab gerade kein Bekenntnis zu einem bestimmten Schuldbegriff ab, vielmehr wollte er sich nicht in dogmatische Probleme einmischen und diese offen lassen. Die Vorgehensweise, dass die ratio der Vorschrift nicht aus einer bestimmten Schuldtheorie heraus entwickelt werden kann und darf, sondern das Vorhaben "Sinnfindung von § 33 StGB" als alleinigen Ausgangspunkt den Gesetzeswortlaut nehmen muss, ergibt sich daraus zwingend. Nur das Gesetz darf den Interpreten zum Sinn seiner selbst führen. 79 Schritte dagegen, die eine Deutung vom spezifischen Wortlaut des § 33 StGB losgelöst zuallererst auf der Basis eines eigenen Schuldverständnisses vornehmen, bedingen, dass schon ab initio die falsche Richtung eingeschlagen wird. Deshalb geht Aschennann, indem er den umgekehrten einschlägt, auch den falschen Weg; nach ihm erklärt sich das Gesetz nicht unmittelbar von selbst, sondern erst ein vorpositiver Lösungsansatz auf der Basis eines eigenen Schuldkonzepts. Ferner ist der Ansatz Aschennanns nicht geeignet, dem Ziel zu entsprechen, ein Ergebnis zu liefern, das möglichst wenig Kritik eröffnet. Ausgehend von einem - noch dazu nicht gängigen - Schuldbegriff, begibt sich Aschennann in den - für die Deutung von § 33 StGB - "verhängnisvollen Strudel" verschiedenster Ansichten über das Verständnis von Schuld. 80 Kaufmann fonnuliert treffend: " ... und wenn man dann noch weiter fragt, was denn Strafe und was die Schuld eigentlich ist, ja ob es so etwas wie Schuld in der Wirklichkeit überhaupt gibt, - und wenn es sie gibt, ob sie unserer Erkenntnis hinreichend zugänglich ist - dann sieht man sich einer kaum noch entwirrbaren Vielzahl von Stimmen gegenüber."81 In der Konsequenz kommen die Grundfeste des Modells Aschennanns mitsamt seiner speziell darauf aufbauenden Erklärung von § 33 StGB zu Fall, wenn man nur an diesem sehr umstrittenen Ausgangspunkt, wie die Schuld zu verstehen ist, ansetzt. 82 Vgl. dazu schon oben 2. Kap. 11. Erst dann kann auch eine dogmatische Einordnung angestrengt werden. 80 Vgl. zum unterschiedlichen Schuldverständnis WesselslBeulke AT Rn. 396ff. m. w. N. 81 Kaufmann JZ 1967 S. 553. 82 Dies soll hier nicht geschehen. Einerseits, weil es den Rahmen sprengen und nicht mit dem Zweck der Arbeit, die andere Schwerpunkte setzt, harmonieren würde, andererseits, weil 78
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11. Teleologische Auslegung
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bb) Ergebnisspezifische Kritik Nach dieser allgemeinen Kritik an Aschermanns Vorgehen schließt sich im Speziellen die Frage an, ob der These seines Modells zuzustimmen ist, dass bei den Affekten im Rahmen von § 33 StGB das Unrechtsbewusstsein notwendigerweise entfallt. Die Antwort lautet: nein. Sowohl im Ansatz als auch in der Argumentation sind Bedenken anzubringen. Aschermann gelangt zu seiner Überzeugung nur deshalb, weil er die Ergebnisse, die er aus seinem allgemeinen Affektmodell gewonnen hat, auf den dazu speziellen Affekttatbestand des Notwehrexzesses überträgt. Kann aber daraus gefolgert werden, dass - wenn bei allgemeinen Affekttaten das Unrechtsbewusstsein fehlen sollte - auch bei dem speziellen Affekttatbestand des Notwehrexzesses ein solches nicht gegeben ist? Muss nicht bei der Entwicklung einer Theorie, die sich nicht der Kritik aussetzen will, "zu frei schwebend" und ohne Rückhalt am Gesetz zu sein, erst der spezielle besondere Umstände beinhaltende Affekttatbestand des § 33 StGB verständlich werden? Muss nicht zuerst dort das Vorhandensein eines möglichen Unrechtsbewusstseins geprüft werden, bevor man das aus einem allgemeinen Affektmodell entwickelte mangelnde Unrechtsbewusstsein auf spezielle Fälle überträgt, zumal allein der spezielle Affekttatbestand des § 33 StGB im Unterschied zum allgemeinen Affektmodell Aschermanns positiv rechtlich verankert ist? Es ist methodologisch bedenklich, ausgehend von nicht positiv rechtlichen Erkenntnissen, die noch dazu sehr umstritten sind, den positiv rechtlich fixierten § 33 StGB zu deuten. Deshalb verwundert es nicht, dass die von Aschermann entwickelten Ergebnisse nicht mit den gesetzlichen Vorgaben des § 33 StGB harmonieren. Zwar mag es möglich sein, dass die Affekte - wie im Rahmen seines allgemeinen Affektmodells - auch bei den speziellen Fällen des Notwehrexzesses einen Wegfall des aktuellen Unrechtsbewusstseins bewirken - gedacht sei nur an die Notwehrkonstellationen, in denen blitzschnelles, nahezu reflexartiges Handeln noch dazu bei drohender Todesgefahr gefordert ist. 83 Diese Situationen, die man beim ersten Nachdenken über die Fälle des Notwehrexzesses meist vor Augen hat und in Aschermanns Modell passen würden, sind aber nicht die einzigen, die sich unter § 33 StGB subsumieren lassen. 84 So hat schon der BGH festgestellt, dass auch ein lang geahntes und gefürchtetes Ereignis, das den Tater bei Eintritt seelisch überwältigt, ausreicht, um unter die Vorschrift des Notwehrexzesses zu fallen. 85 Hier wird man eher die "richtige" Erklärung der Schuld angesichts der mangelnden Zuordnung durch den Gesetzgeber nur schwerlich Aufschluss geben kann. 8l Aber auch das ist keineswegs gesicherte Erkenntnis. So nimmt Roxin (ZStW 78 S.275 oder FS für Schaffstein S. 109) in diesen Fällen oftmals eine Art "schattenhaftes Mitbewusstsein" bei der Tatbegehung an. Vgl. diesbezüglich auch Platzgummer Die Bewusstseinsform des Vorsatzes S. 92 ff. 84 An diese allein dürfte wohl Aschermann gedacht haben, wenn er die Norm von einem allgemeinen Konzept heraus erklärt, bei dem es regelmäßig um äußerst hochgradige Affekte geht. 85 Vgl. BGHSt.3 S.194, 197. 4*
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
von einem Unrechtsbewusstsein ausgehen können. Zumindest die Rechtsfigur vom sachgedanklichen Mitbewusstsein könnte in diesen Fällen stärker Zuspruch gewinnen, nachdem der Täter genügend Zeit zum Reflektieren hatte, auf den Angriff vorbereitet war und etwaige Reaktionsmöglichkeiten vorweg durchdenken konnte. Auf diese schwierige und sehr umstrittene Problematik des unterschwelligen Mitbewusstseins vom Unrechtsgehalt der Tat braucht hier aber nicht näher eingegangen werden,86 weil noch andere Situationen einer Notwehrüberschreitung zu beachten sind, bei denen die Theorie Aschermanns nicht passt: Die Fälle der bewussten Notwehrüberschreitung. In diesen Fällen wird keiner behaupten, dass der Täter, der sich trotz Affekt im Klaren ist, die Grenzen der Notwehr zu überschreiten, nicht auch das Bewusstsein besitzt, damit gegen das Recht zu verstoßen. Wie die Affekte in eben diesen Situationen nicht das Wissen um die Grenzüberschreitung nehmen, so nehmen sie ihm auch nicht das Bewusstsein vom verübten Unrecht. Diese Tatsache, dass der bewusst im Exzess handelnde Täter auch zugleich Bewusstsein vom Unrecht besitzt, bezweifelt Aschermann auch nicht, sieht sein Konzept aber dadurch nicht gefährdet, weil es mit diesem Aspekt nicht konfrontiert werde; denn er hält eine (unrechts)bewusste Notwehrüberschreitung bei gleichzeitigem Vorliegen von asthenischen Affekten für unmöglich. 87 Zu diesem - hier abzulehnenden - Ergebnis gelangt er aber nur, weil er die Besonderheiten des § 33 StGB im Vergleich zu seinem allgemeinen von hochgradigen Affekten ausgehenden Modell nicht berücksichtigt. So müssen die asthenischen Affekte im Rahmen von § 33 StGB lediglich so stark sein, dass sie für die Grenzüberschreitung kausal sind; dies zeigt die Formulierung in § 33 StGB: "aus" Verwirrung, Furcht oder Schrecken. Es reicht somit, dass die besondere Gemütslage eine so große Störung des psychologischen Prozesses bewirkt, dass die Fähigkeit, das Geschehen richtig wahrzunehmen und zu verarbeiten, erheblich reduziert ist. 88 Damit genügt eine Zurückdrängung des Unrechtsbewusstseins in der Form, dass die Entscheidung zu einem Handeln contra oder pro legern wegen der Affekte so beeinflusst wird, dass man sich trotz des Wissens um das Unrecht seiner Tat eher als sonst zu einem gesetzwidrigen Verhalten hinreißen lässt. Es ist ausreichend, dass die Hemmschwelle zur Unrechtsentscheidung sinkt, eine völlige Verdrängung des Unrechtsbewusstseins muss nicht unweigerlich gegeben sein. Im Ergebnis geht es deshalb nur um einen flexiblen Limitierungsgedanken, was die psychische Situation des Täters betrifft. Solange das Unrechtsbewusstsein nur reduziert ist und die äußersten Grenzen der Affektkausalität für die Überschreitung noch eingehalten sind, ist eine Parallelität von bewusstem Exzess und asthenischen Affekten sehr wohl möglich. Diese für den Notwehrexzess spezifische Feinheiten verkennt Aschermann. Sein allgemeines Affektmodell im Format eines AIles-oder-Nichts-Prinzips, was die Affekte und das Unrechtsbewusstsein angeht, kongruiert deshalb nicht mit dem besonderen Affekttatbestand des § 33 StGB. 86 Insoweit sei zum vertieften Studium auf Platzgummer Die Bewusstseinsform des Vorsatzes und Roxin ZStW 78 S. 248 ff. verwiesen. V gl. auch Jakobs AT 8/13 m. w. N. 87 Vgl. Aschermann Diss. S. 133. 88 Vgl. dazu Sch/Sch-LencknerIPerron § 33 Rn. 3; BGH NStE § 32 Nr. 30.
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Schließlich sei noch ein weiterer die Unstimmigkeit offenbarender Gesichtspunkt erwähnt: Aus dem Modell erklärt sich nicht, warum § 33 StGB nur asthenische Affekte enthält und gerade nicht auch sthenische. So müsste das Unrechtsbewusstsein entsprechend der Argumentationslinie Aschermanns auch bei sthenischen Affekten wie Hass, Wut oder Rachsucht entfallen; zugleich wären diese Affekte dann gleichermaßen entscheidungslose, sollten sie durch einen Angriff entstanden sein. Hierin ist ein Makel in der Schlüssigkeit zu sehen, der nur dadurch aufzuheben wäre, dass die spezielle Norm mit Rücksicht auf ein allgemeines vorpositives Modell als überflüssig abgeurteilt würde. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. 89 e) Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums Inhaltlichen ähnlich wie Aschermann, in der dogmatischen Konstruktion aber anders, vertrat Bockelmann zeitweise eine Auffassung, die eine Parallele zu § 17 StGB zieht: Bei der Norm des Notwehrexzesses soll es sich in Wirklichkeit um eine allgemeine Entschuldigung wegen Verbotsirrturns handeln, der stets als unvermeidbar, in jedem Fall aber als verzeihlich betrachtet werden könne, weil er durch die im Gesetz genannten asthenischen Affekte verursacht werde. 90 Dem ist zu entgegnen: Die Affekte müssen nicht unweigerlich zu einem Wegfall bzw. hier zu einem Nichtaufkommen des Unrechtsbewusstseins führen. Vielmehr sind Fälle denkbar, bei denen der Täter um das begangene Unrecht weiß, nämlich wieder beim bewussten Exzess. Auf diese Situationen passt eine Regelung i. S. v. § 17 StGB nicht, wie bereits eingehend dargestellt wurde. Aber selbst wenn man § 33 StGB nicht als solch allgemeine Regel ansieht, sondern nur für den ganz bestimmten Fall, in dem tatsächlich ein Verbotsirrtum vorliegt, die Bedeutung zumessen wollte, dass in solchen Fällen die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrturns unwiderlegbar präsumiert sei,91 wäre eine derartige Interpretation äußerst fraglich. Denn die Ungereimtheiten, warum dies nur für Grenzüberschreitungen im asthenischen und nicht auch im sthenischen Affekt der Fall sein soll oder nicht auch bei anderen RechtfertigungsgfÜnden so vorgesehen ist, bleiben bei einer solchen Deutung weiter bestehen. Bockelmann hat diese Auffassung in der dritten Auflage seines Lehrbuches wieder verworfen.92 f) Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
Eine Reihe von Autoren nimmt eine Einordnung der Exzessvorschrift auf der Ebene "Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens" vor. Die Motivation zu gesetzV gl. dazu schon oben 2. Kap. 11. 1. a) und b). So noch Bockelmann AT I. Auflage S. 116. 91 So Jescheck/Weigend AT § 45 11 3, der bzgl. der ratio des § 33 StGB ansonsten als Anhänger der nachfolgenden Theorie Rudolphis anzusehen ist. 92 Vgl. Bockelmann AT 3. Auflage S. 132. 89
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
mäßigem Handeln werde aufgrund der durch den Angriff ausgelösten Affekte wie Verwirrung, Furcht oder Schrecken so erschwert, dass die Anwendung dieses Rechtsinstituts gerechtfertigt sei. Die Rechtsordnung übe im Hinblick auf die Enttäuschung der Erwartung zu normtreuen Verhalten wegen der besonderen Ausnahmesituation, mit welcher der Täter beim Notwehrexzess konfrontiert sei, insoweit Nachsicht, als sie auf einen Schuldvorwurf verzichte. Kühl konstatiert insoweit lapidar, dass die Schuld unter dem Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit ausgeschlossen sei. 93 Ähnlich heißt es bei Tröndle/Fischer: Es könne dem Täter nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn er rechtswidrig angegriffen in asthenische Affekte gerät und dabei das gebotene Maß überschreitet. 94 Etwas präziser, doch immer noch sehr allgemein geht Blei vor, nach dem die Ursache für die Nichterhebung des Vorwurfes aus der besonderen psychischen Ausnahmesituation des Täters resultiere. 95 Hirsch führt aus, die Fähigkeit des Täters, sich auch in der Ausnahmesituation in den Grenzen zulässiger Verteidigung zu halten, sei in der Regel beeinträchtigt, und kommt deshalb zu dem Schluss, dass dadurch der Schuldgrad herabgesetzt werde und deshalb die Vorwerfbarkeit geringer wiege. 96 Bockelmann nähert die Vorschrift dem § 35 StGB an und spricht schließlich ausdrücklich von "Unzumutbarkeit".97 Schließlich sei noch Welzel erwähnt: Er verweist darauf, dass trotz Vorliegens begründeter Schuld nicht notwendig auch ein Schuldvorwurf erhoben werden müsse; auf diesen könne die Rechtsordnung aus verschiedenen Gründen verzichten. Ein solcher Grund sei § 33 StGB, da diesem eine außergewöhnliche Motivationslage zugrunde liege, in der die normgemäße Willensbildung erschwert und damit zugleich das "Dafürkönnen" vermindert sei. Obgleich neben dem Unrecht noch Schuld bestünde, übe der Gesetzgeber in einer solchen Situation Nachsicht und verzichte auf Bestrafung.98 Dieses mit jeweils unterschiedlichem Argumentationsaufwand dem Grunde nach gemeinsame Vorgehen, eine Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens anzunehmen, unterliegt Kritik. Ist dem die Notwehr überschreitenden Täter tatsächlich ein gesetzmäßiges Handeln deshalb unzumutbar, weil er von asthenischer Gemütslage beherrscht ist? Wie bereits aufgezeigt, kann auch bei Affekten wie Verwirrung, Furcht oder Schrecken durchaus das Bewusstsein und die Erkenntnis gegeben sein, dass ein Exzess in der Verteidigung begangen wird. Warum sollte dann dem Täter in diesen Fällen, in denen er sich im Klaren ist, über die Grenzen der Notwehr hinauszugehen, allein wegen der in § 33 StGB genannten Gefühle ein normgemäßes Verhalten unzumutbar sein? Kann er doch wohlwissend auch bei normgemäßem Verhalten seine Rechts93 Vgl. LacknerlKühl Vor § 32 Rn. 30f. 94
Vgl. TröndlelFischer § 33 Rn. 3.
95 Vgl. Blei AT S. 21l. 96 Vgl. LK-Hirsch 9. Auflage Vorb. § 51 Fn. 172. 97 Vgl. Bockelmann AT ab 3. Auflage S.126. 98 Vgl. Welzel Vom Bleibenden und Vergänglichen S.183.
11. Teleologische Auslegung
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güter verteidigen, ohne eigene Opfer eingehen zu müssen. 99 Beim bewussten Exzess ist damit in keinem Fall von einer Unzumutbarkeit auszugehen. Vielmehr werden die Fähigkeit und Motivation zu gesetzmäßigen Handeln aufgrund der Affekte nur eingeschränkt bzw. zurückgedrängt, weswegen der Täter sich lediglich leichter zum nonnwidrigen Verhalten hinreißen lässt. Ferner gibt eine solche Lösung keinen Aufschluss, warum § 33 StGB eine Beschränkung auf asthenische Affekte enthält. So müsste konsequenterweise auch bei sthenischen Affekten Unzumutbarkeit gegeben sein, da diese die psychische Ausnahmesituation in gleicher Weise begründen. Schließlich vennag der Ansatz "Unzumutbarkeit nonngemäßen Verhaltens" die spezifische Besonderheit des § 33 StGB nicht zu erklären: Es "müsste von diesem Ansatz aus unverständlich bleiben, warum das Gesetz nur bei der Notwehrüberschreitung der Bestürzung, Furcht oder Schrecken Rechnung trägt, nicht aber in anderen Lebenssituationen, in denen der Täter den gleichen Affekten und Trieben ausgesetzt ist."!(JO
g) Zwischenergebnis Die Untersuchung ergibt, dass der Ansatz, welcher die in § 33 StGB genannten Affekte thematisiert und darin die ratio legis der Exzessnonn erkennen will, nicht in der Lage ist, ein zufrieden stellendes und überzeugendes Ergebnis zu liefern. Vor allem vennochten die bisherigen Erklärungsversuche nicht plausibel machen, weshalb eine dem § 33 StGB entsprechende Vorschrift gerade nicht bei anderen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen anzutreffen ist und warum die Exzessvorschrift eine Restriktion gerade auf asthenische Motive enthält. Vielmehr könnten ihre Lösungen auch für andere Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sowie für sthenische Affekte gelten, so dass die Eigentümlichkeit von § 33 StGB mit dem Abstellen auf die Affekte "Verwirrung, Furcht oder Schrecken" nicht zu enthüllen ist.
2. Ansatz 2: Die Verteidigung Die Erkenntnis, dass der ausschlaggebende Grund für die gesetzliche Privilegierung des § 33 StGB nicht allein bei den Affekten gefunden werden kann, veranlasste einen namhaften Kreis von Autoren, welche die wohl (noch) h. M. verkörpern, bei der Suche nach dem Telos der Nonn neben der seelischen Gemütslage entscheidend auf die Verteidigungshandlung als Anknüpfungspunkt abzustellen. 101 Vgl. Fischer Diss. S. 70ff. Rudolphi JuS 1969 S. 462. 101 So anknüpfend an Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 156ff.; Kern ZStW 64 S. 266ff.; Küper JZ 1968 S. 658; Noll ZStW 68 S. 187 f. als maßgeblicher "Architekt" dieser Auffassung Rudolphi JuS 1969 S.461 f.; ders. ZStW78 S.80ff.; ders. SK §33 Rn. 1 mit seiner Gefolgschaft: JeschecklWeigend AT § 45 II 2; LK-Spendel § 33 Rn. 39 ff.; Sch/Sch-LencknerlPerron § 33 Rn.2 und Sch/Sch-LencknerVorbem. §32ff. Rn.lll; OttoJura 1987 S.607; Sauren Jura 1988 S.569; Triffterer AT S. 127; WesselslBeulke AT Rn. 446. Ähnlich auch Diederich Diss. S. 55 ff. 99
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
a) Darstellung des Erklärungsmodells Nach der h. M. - Rudolphi kann als deren entscheidender Wegbereiter bezeichnet werden - beruhe die Straffreiheit gemäß § 33 StGB auf einer doppelten Schuldminderung, welcher der Gesetzgeber insoweit Rechnung trage, dass er von der Erhebung eines an sich möglichen Schuldvorwurfes absehe (Theorie der doppelten Schuldminderung). Die erste Schuldminderung ergebe sich aus den in § 33 StGB genannten Affekten. Diese und damit zusammenhängend der oftmals durch sie tangierte Selbsterhaltungstrieb würden regelmäßig die Fähigkeit zu sinngemäßer Selbstbestimmung herabsetzen und deshalb ein nonngetreues Verhalten als weniger zumutbar erscheinen lassen als in nonnalen Lebenssituationen. \02 Zusätzlich an diese Schuldminderung müsse noch kumulativ eine weitere treten, damit ersichtlich wird, warum die Vorschrift gerade für die Fälle der Notwehrüberschreitung gewählt wurde. Hierfür wird als Lösung ein Spezifikum der Notwehr angeführt, das zwar primär nur das Unrecht der Tat betrifft, mittelbar aber Einfluss auf den Schuldgehalt entfalte, weil es sich darauf automatisch niederschlage: Die Verteidigung des bedrohten Rechtsguts. Diese soll zum einen eine Minderung des Erfolgsunrechts bewirken: Dadurch, dass der Täter das Maß der erforderlichen Verteidigung überschreitet, werde sein Handeln zwar nicht gerechtfertigt; dennoch nehme die materielle Unrechtsschwere seiner Tat ab, da ein rechtswidriger Angriff abgewehrt und damit eo ipso ein dem Erfolgsunwert gegenüberstehender Erfolgswert geschaffen werde. Damit könne zwar nicht der Erfolgsunwert der Tat gänzlich aufgewogen werden, diesem Umstand sei aber insoweit Bedeutung beizumessen, als das Erfolgsunrecht im Vergleich zu "normalen" Taten, d. h. ohne dass ein Angriff inhärent ist, geringer ins Gewicht falle. Zumindest müsse die Quantität des Erfolgsunrechts um das Maß, was als Verteidigung erlaubt war, sinken. 103 Zum anderen reduziere sich auch das Handlungsunrecht, da die Notwehrüberschreitung "als Akt der Selbsterhaltung und der Rechtsverteidigung ... nicht allein auf die rechtswidrige (weil zur Verteidigung nicht mehr erforderliche) Verletzung eines fremden Rechtsgutes gerichtet ist, sondern zugleich vom Willen getragen ist, die angegriffenen Rechtsgüter vor Schaden zu bewahren und das Recht gegen Unrecht zu verteidigen."I04 Damit unterscheide sich wiederum die Tat in Ansehung zu einer äußerlich entsprechenden, aber nicht im Rahmen einer Verteidigung begangenen Handlung. \05 102 Vgl. NK-Herzog § 33 Rn. 5; Kaufmann Unterlassungsdelikte S. 158; Kühl AT § 12 Rn. 129; Sch/Sch-Lenckner Vorbem. § 32 ff. Rn. 111; Noll ZStW 77 S. 17; Rudolphi JuS 1969 S.462; ders. ZStW 78 S. 85; LK-Spendel §33 Rn. 40. 103 Vgl. Rudolphi JuS 1969 S. 462; ders. ZStW 78 S. 85; Sch/Sch-Lenckner Vorbem. § 32 ff. Rn. 111; LK-Spendel § 33 Rn. 39; Wessels/Beulke AT Rn. 446. 104 Rudolphi JuS 1969 S.462.
11. Teleologische Auslegung
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Am Ende müsse dann stehen: Nachdem Schuldgehalt und konstitutives Unrecht miteinander korrelieren, bewirke die vorliegende Unrechtsminderung schließlich automatisch eine Herabsenkung der Schuld. 106 Deshalb sei es gerechtfertigt, bei einer Kumulation von schuldsenkenden Faktoren wie den Affekten und der mittelbar auf die Schuld Wirkung entfaltenden Unrechtsminderung von der Erhebung eines Vorwurfes abzusehen; die Strafwürdigkeitsgrenze sei nicht mehr erreicht. 107 b) Kritik
Angesichts der Tatsache, dass die Theorie der doppelten Schuldminderung der (noch) h. M. entspricht und sich in der jüngeren Literatur die Tendenzbewegung in eine davon abweichende Richtung abzeichnet, soll diese maßgeblich Rudolphi zuzuschreibende Theorie anhand einer ausführlichen Untersuchung auf ihre Stichhaltigkeit geprüft werden. Dabei wird sich zeigen, dass der h. M. nicht gefolgt werden kann. Zunächst soll das Problem in den Mittelpunkt gestellt werden, ob tatsächlich das Unrecht der Tat des Exzedenten durch dessen Verteidigungshandlung reduziert wird. Damit ist die zweite Säule der Theorie von Rudolphi angesprochen. 108 Sauren, grundsätzlich ein Befürworter des obigen Ansatzes, äußert Zweifel, dass die Verteidigung wirklich zu einer Minderung des Erfolgsunrechts führt, weil es nur zu einer Reduktion des Handlungsunrechts komme. 109 Er begründet diese nicht im Ergebnis, aber in der Argumentation zumindest teilweise dem Modell Rudolphis gegenläufige Ansicht aus seiner dogmatischen Grundüberzeugung heraus, wonach "schon ein Rechtfertigungsgrund in seiner Gesamtheit kein dem Erfolgsunwert gegenüberstehenden Erfolgswert bewirken könne, da die Rechtfertigung nur eine ausnahmsweise Inkaufnahme des in einer Rechtsgutverletzung liegenden Erfolgsunwertes durch die Rechtsordnung darstelle." 110 Aber selbst wenn man diese Ansicht aufgrund einer abweichenden Einschätzung von der Funktion und Stellung der Rechtfertigungsgründe ablehnt, vermag die Gleichung, dem Erfolgsunwert stehe als schuldmindemdes Pendant ein beachtlicher Erfolgswert zur Seite, nicht zu überzeugen. Die "tatsächliche Rechtfertigung einer tatbestandlichen Handlung" und "Nicht-Rechtfertigung wegen Grenzüberschreitung i. S. v. § 33 StGB" sind auf zwei getrennt nebeneinander liegenden strafrechtlichen Ebenen angesiedelt, die nicht miteinander "verrechnet" werden können. Allein das Hinausgehen über die Grenzen von § 32 11 So auch Sauren Jura 1988 S.569f. Vgl. Sch/Sch-Lenckner Vorbem. § 32 ff. Rn. 111; Rudolphi ZStW 78 S. 84. 107 So Jescheck/Weigend AT § 45112 oder Rudolphi JuS 1969 S. 462, nach dem es damit an einer "strafrechtlich relevanten Schuld fehle". 108 Die erste, wonach die Affekte zu einem Schuldminus führen, ist nicht zu bestreiten. 109 Dies allein solle jedoch noch für eine Schuldminderung ausreichen, so dass im Ergebnis Konformität mit Rudolphis Ansatz gegeben ist. 110 Sauren Jura 1988 S. 569; vgl. ebenso Hirsch Die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen S. 245 ff.; ders. FS für Bockelmann S. 100; ders. ZStW 94 S. 261. 105 106
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
StGB führt für sich zu einer strafbarkeitsbegründenden (tatbestandlichen und nicht gerechtfertigten) Handlung, ohne dass dafür - auf der Unrechtsebene - eine Berührung, ein Kontaktpunkt oder eine Berücksichtigung der zumindest teilweise gerechtfertigten Tat hereinspielt. Diese bleibt auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit im Hinblick auf den strafbaren Unrechtsgehalts der Exzesstat außen vor. Zur Verdeutlichung dieser nicht einfachen Argumentationslinie soll Frister angeführt werden, der - damit übereinstimmend - erkennt, "dass eine, Verrechnung' von beeinträchtigtem und erhaltenem Interesse nach der Struktur der Notrechte unserer Rechtsordnung nur insoweit möglich ist, als diese Interessen nicht nebeneinander bestehen können." Dies gelte um so mehr, wenn man bedenkt, dass eine "nicht erforderliche Verteidigungs- oder Abwehrhandlung von unserer Rechtsordnung selbst dann als rechtswidrig bewertet wird, wenn das geschützte Interesse um ein vielfaches wertvoller ist als das beeinträchtigte." 111 Damit wird auch der oft zitierte Satz von Jakobs verständlich, der den Problemkomplex knapp und präzise auf den Punkt bringt: "Da die Abwehr nicht erforderlich ist, wird der Erfolg ,umsonst' herbeigeführt." 112 Schließlich ist noch die Kritik von Roxin beachtenswert, der zwar eine Unrechtsminderung für gegeben hält, es jedoch als bedenklich, ja unbegründet ansieht, dass diese den Ausschlag für die Strafbefreiung liefern kann. Denn eine Argumentation in Unrechtsquantitäten als Ergebnis einer grundlegenden und allgemeinen Theorie müsse unzweifelhaft zu einem Wertungswiderspruch im Vergleich zu anderen Taten führen. In vielen Situationen könne der intensive Exzess auch unter Abzug dessen, was erlaubt gewesen wäre, ein höheres Unrechtsmaß aufweisen als eine andere Tat, die ohne eine - unrechtsmindernde - Verteidigung einhergeht. \13 Es sei nur an eine Gegenüberstellung von bestimmten Verhaltensweisen im extensiven 114 und intensiven Exzess gedacht: In Fällen, bei denen der Täter auf eine relativ harmlose und leicht abzuwehrende Attacke den Angreifer aus Angst äußerst schwer verletzt oder gar zu Tode bringt, ist der materielle Unrechtsgehalt der Tat viel größer als in Lebenssachverhalten, bei denen der Überfallene in fortdauernder Furcht dem abgeschlagenen Gegner unmittelbar nach Beendigung seines Angriffs noch einen folgenlosen Schlag versetzt. Freilich handele es sich hier - das gibt Roxin zu - nur um eine Einzelfallbetrachtung, die anders ausfallen könnte; wenn man sich aber darauf einließe, auf das Gewicht des Unrechts abzustellen, dann müsse man auch von der Möglichkeit des fragwürdigen Ergebnisses ausgehen, dass die schlimmsten Folgen des intensiven Exzesses allemal, harmlosere Konsequenzen von extensiven Exzessen dagegen niemals durch § 33 StGB begünstigt werden könnten. Das wäre nicht einzusehen, weshalb auch eine Lösung, die mit Unrechtsschweren operiert, ausscheiden müsse. 115 Frister Die Struktur des voluntativen Schuldelements S. 227 inklusive Fn. 206. Jakobs AT 20/28 Fn.44. 113 Roxin FS für Schaffstein S. 115. 114 Dort liegt keine Verteidigung mehr vor, da der Angriff nicht gegenwärtig ist. 115 Vgl. Roxin FS für Schaffstein S. 115. 111
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11. Teleologische Auslegung
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Da damit die These von der Minderung des Erfolgsunrechts nicht mehr aufrecht erhalten werden kann, schließt sich die Frage an, ob die Straffreistellung des Täters nach § 33 StGB mit der Minderung des Handlungsunrechts zu deuten ist. Dagegen ist anzuführen: Ware das verminderte Handlungsunrecht tragender Grund für die Privilegierung, so hätte der Gesetzgeber konsequenterweise die Strafbefreiung für sämtliche Rechtfertigungsgründe anordnen müssen, da dann bei allen Rechtfertigungsgründen wegen der stets geforderten Verteidigungshandlung eine Unrechtsreduzierung vorliegen würde. 116 So beispielsweise für § 34 StGB: Auch dort ist es leicht möglich, dass der Täter aufgrund von Schrecken die Rechtsgüter falsch abwägt und damit über die Grenzen hinausgeht. In diesen Situationen wäre aber das Handlungs- und sogar das Erfolgsunrecht - sollte man auf dessen Reduzierung trotz obiger Argumentation beharren - gleichermaßen vermindert. In diesem Zusammenhang ist noch folgender Gesichtspunkt zu würdigen, den Heuchemer und Hartmann entwickeln: Im Hinblick auf die besonderen, bei Rudolphi aus dem Rechtsbewahrungsinteresse zu folgernden Verteidigungsbefugnissen wäre dem Exzedenten nach § 34 StGB zumindest eine "um die aus dem wegfallenden Rechtsbewahrungsinteresse herrührenden Befugnisse auf der Ebene des Rechtfertigungsgrundes verminderte Überschreitung zuzubilligen, also im Ergebnis eine solche Überschreitung zu entschuldigen, die keinen außerverhältnismäßigen Schaden anrichtet. Das jedenfalls ist die Konsequenz einer Argumentation in fassbaren, beinahe messbaren Unrechtsquantitäten. ,,117 Ein solches Hantieren mit verschiedenen Unrechtsmengen würde dann aber zu einem bloßen Zahlenspiel, bei dem am Ende nur Unklarheiten und verwischte Konturen blieben. Der Versuch einer Quantifizierung kaum quantifizierbarer Unrechtsgrößen würde in konsequenter Übertragung auf alle anderen Rechtfertigungsgründe zu einem Chaos führen. Als grundsätzliche Kritik am Modell von Rudolphi sei noch auf ein weiteres Problem hingewiesen, welches das gewonnene Ergebnis der Theorie der doppelten Schuldminderung in Frage stellt. Es bleibt danach - wie schon bei Ansatz 1 - ungeklärt, warum der Gesetzgeber im Hinblick auf die Strafbefreiung eine Restriktion gerade auf asthenische Affekte vorgenommen hat. Was die Unrechtsminderung angeht, macht es keinen Unterschied, ob der Täter von asthenischen oder sthenischen Gemütszuständen determiniert ist. Die Unrechtsminderung ist eben nicht nur der Tat im asthenischen Affekt wesensimmanent. 118 So mindert auch der hasserfüllte Exzedent das Unrecht der Tat; zudem wird auch bei sthenischen Affekten die Bestimmung zu selbstmotiviertem Handeln und damit die Schuld in gleicher Weise herabgesetzt, so dass - nach der Theorie der doppelten Schuldminderung - konsequen116
Vgl. dazu auch Fischer Diss. S. 76; Roxin FS für Schaffstein S. 115f.; Timpe JuS 1985
S.119.
Vgl. HeuchemerlHartmann JA 1999 S. 168 Fn.28. So auch HeuchemerlHartmann JA 1999 S. 168; Roxin AT § 22 Rn. 72; Timpe JuS 1985 S.118f. 117
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
terweise auch der aus Wut oder Hass agierende Exzedent in den Genuss von § 33 StGB kommen müsste. c) Zwischenergebnis Das Modell von Rudolphi und damit der Ansatz der (noch) h. M., welcher neben den Affekten auf die Verteidigung als maßgebliches Kriterium für die Erklärung der ratio legis des § 33 StGB abstellt, ist - wie schon der die Affekte thematisierende Erklärungsversuch - nicht in der Lage, ein zufrieden stellendes und stimmiges Ergebnis frei von Ungereimtheiten abzugeben. Vor allem erklärt dieser Ansatz die Eigentümlichkeit der Exzessnorm nicht, da ihm keine überzeugende Antwort auf die Fragen zu entnehmen ist, warum § 33 StGB nur asthenische Affekte enthält und weshalb im Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs keine dem § 33 StGB entsprechende Normen für andere Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe existieren. 3. Ansatz 3: Der Angriff Da die bisherigen Versuche fehlgeschlagen sind, die Exzessvorschrift mit den Tatbestandsmerkmalen der Affekte und/oder der Verteidigungshandlung überzeugend zu erklären, bleibt zu prüfen, inwieweit das Tatbestandsmerkmal "Angriff" über die ratio legis des § 33 StGB Aufschluss gibt. a) Strafzweckmodelle In der Literatur sind in neuerer Zeit Theorien entwickelt worden, die den Angriff des Opfers gegen den Notwehrexzedenten thematisieren. Der Angriff soll unter strafzweckorientierten Gesichtspunkten den Ausschlag für das Verständnis von § 33 StGB geben. In diese Richtung zeichnet sich verstärkt ein Trend ab, der es als fraglich erscheinen lässt, ob das bisherige Modell Rudolphis von der doppelten Schuldminderung noch als herrschende Auffassung bezeichnet werden kann. aa) Roxin und Jakobs als erste Interpreten einer strafzweckorientierten, präventiven Deutung Roxin und Jakobs haben auf der Suche nach der Bedeutung von § 33 StGB Pionierarbeit für eine neuartige Vorgehensweise geleistet, welche den Sinn der Exzessnorm mit strafzweckorientierten, präventiven Gesichtspunkten deutet.
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(1) Roxin
Roxin sieht den Grund für die Privilegierung des § 33 StGB in der mangelnden präventiven Bestrafungsnotwendigkeit, zu welcher der Angriff des Opfers und die asthenischen Affekte führen würden. Ein strafbewehrtes Einwirken und somit eine Einschüchterung des Täters sei aus spezialpräventiven Gesichtspunkten nicht erforderlich; denn derjenige, welcher das Gesetz nur deswegen übertritt, weil er Opfer eines rechtswidrigen Angriffs geworden und mit Angst versehen ist, könne noch mit guter Berechtigung als sozial integrierter Bürger angesehen werden. Er hätte nur aufgrund einer aggressiven Rechtsgütergefährdung von fremder Seite den kühlen Kopf verloren und stünde damit nicht als gefährlich für die Gesellschaftsordnung dar. 1l9 Genauso fehle es an dem Bedürfnis einer Strafandrohung in generalpräventiver Hinsicht: Ein "Schwächedelikt", wie es § 33 StGB voraussetzt, stelle die Autorität der Strafgesetze nicht in Frage; es motiviere nicht zur Nachahmung für den Fall der Straflosigkeit. Deshalb könne auf die Statuierung eines Exempels in der Öffentlichkeit mittels Strafbewehrung verzichtet werden. Der Täter erschüttere nicht den Rechtsfrieden, nachdem der ursprüngliche Angreifer und damit das spätere Opfer an den eigenen Rechtsguteinbußen zum überwiegenden Teil "selbst schuld" ist. 120 Aus generalpräventiven Gründen werde endlich auch plausibel, weshalb § 33 StGB nur asthenische und gerade keine sthenische Affekte beinhalte. Die Differenzierung hätte einen guten Sinn, da aggressive Motivationen generell weit gefährlicher wären als die auf Schwäche beruhenden asthenischen Affekte. Mit Rücksicht auf die Verhinderung der für die Rechtsordnung drohenden Gefahren einer zunehmenden Selbstjustiz, welche mit aggressiven Affekten oftmals einhergehen würden, müssten solche Gemütszustände wie Rachsucht, Wut oder Hass unbedingt, d. h. auch mit dem Mittel und dem Preis der Strafe eingedämmt werden. Verwirrung, Furcht oder Schrecken seien dagegen milder zu beurteilen, weil durch sie eine Nachahmung kaum zur Disposition stünde. 121 Dieser Befund bestätige sich auch bei vertiefter Betrachtung der spezifischen Merkmale der Notwehr, auf die § 33 StGB Bezug nimmt. Die Privilegierung sei nur logische Fortsetzung der Sonderbehandlung, die der Notwehr nach § 32 StGB schon im Vergleich zu anderen Rechtfertigungsgründen zu Teil kommt. So sei der Angegriffene bei Ausübung seines Verteidigungsrechts grundsätzlich nicht an das Prinzip der Güterabwägung gebunden; er könne gemäß dem Motto "Recht braucht Unrecht nicht zu weichen" Schäden bewirken, die erheblich größere Ausmaße annehmen dürfen als das verhütete Unheil. Übertritt der Exzedent diese weit gezogenen Grenzen, billige das der Gesetzgeber zwar nicht und gestehe deshalb dem nun zum Opfer gewordenen ehemaligen Angreifer ein Verteidigungsrecht dagegen zu. Von einer 119
120 121
Vgl. Roxin FS für Schaffstein S. l16f.; ders. AT § 22 Rn. 69; ders. ZStW 96 S. 656. Vgl. Roxin FS für Schaffstein S. 117; ders. FS für Henkel S. 189. Vgl. Roxin FS für Henkel S.189.
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
Bestrafung der NotwehTÜberschreitung dürfe aber abgesehen werden: "So wie bei der Notwehr mehr als sonst gerechtfertigt werden kann, kann auch mehr verziehen werden."122 (2) Jakobs
Auch für Jakobs ergibt sich die Privilegierung nach § 33 StGB aus Strafzweckerwägungen. Es fehle wegen der besonderen Konstellation, welche die Exzessnorm zum Gegenstand habe, an dem generalpräventiven Bedürfnis gegen den Delinquenten mittels Strafe vorzugehen. Zu diesem kriminalpolitisch geprägten Ergebnis gelange man, wenn der Zweck der Generalprävention mit der spezifischen Situation des § 33 StGB abgeglichen wird. Die Generalprävention im positiven Sinne sei maßgeblich determiniert von der Aufgabe, eine bestimmte von der Gesellschaft geschaffene Ordnung zu stabilisieren, die Erwartungen zu garantieren, "deren Enttäuschungsfestigkeit die societas zu ihrem Erhalt braucht" sowie die Rechtstreue mit dem verfolgten Ziel einzuüben, die allgemeine Normanerkennung zu erhalten. 123 Dieser Bereich sei immer dann tangiert, wenn der Täter ein von der Rechtsordnung geschütztes Gut verletzt. Denn damit werde ein Widerspruch zu den integritätsbestimmenden Normen gesetzt und die Erwartung der Rechtsordnung zu gesetzmäßigem Verhalten enttäuscht, weswegen diese Enttäuschung durch Strafe kompensiert und damit das Vertrauen der Gesellschaft auf die Normbefolgung wiederhergestellt werden müsse. Deshalb hätte Strafe nur die Funktion einer kontrafaktorischen Normstabilisierung. 124 An dieser Stelle zeige sich der konkrete Bezug zu § 33 StGB. Bei der Exzesstat liege zwar eine Normverletzung vor, der Präventionsmechanismus mittels Strafe werde aber bei Situationen, welche die Exzessnorm umschreibe, nicht ausgelöst: Denn aufgrund des vorhergegangenen Angriffs des Opfers komme es zu einer Zuständigkeitsverschiebung für die Rechtsgutbeeinträchtigung. Der von der Rechtsordnung missbilligte Normwiderspruch sei wegen des Angriffs vorrangig dem An122 Roxin FS für Schaffstein S. 116. Insgesamt fügt sich damit eine solche kriminalpolitische Deutung der Exzessvorschrift nahtlos in das von Roxin vertretene funktionale Schuldmodell ein. Dieses ist zweistufig konzipiert: Zuerst müsse für eine Schuldfeststellung im Sinne der überkommenen Schuldlehre das Kriterium des "Anders-Handeln-Können" bzw. diesem ähnlich die "normative Ansprechbarkeit" vorliegen; diese Stufe werde als "Strajbegründungsschuld" verstanden. Als zweiter Schritt folge die entscheidende Frage, ob unter kriminalpolitischen Gesichtspunkten das Bedürfnis nach Sanktion besteht. Dies beurteile sich nach Strafzweckerwägungen, insbesondere den Erfordernissen der Spezial- und Generalprävention. Damit befinde man sich auf der zweiten, der Schuld im Sinn von "Anders-Handeln-Können" nachgelagerten Stufe, die als "Verantwortlichkeit" bezeichnet wird. Auf dieser Systemebene entfalte § 33 StGB seine Wirkung, indem wegen des Angriffs und der ängstlichen Gemütsbewegungen eine präventiv motivierte Strafbewehrung nicht in Frage komme. Vgl. zu dieser Konzeption Roxin FS für Henkel S.181. 123 Vgl. Jakobs Schuld und Prävention S. 24. 124 Vgl. Jakobs Schuld und Prävention S. 20.
11. Teleologische Auslegung
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greifer zuzurechnen; dieser hätte sich dessen Folgen selbst zuzuschreiben. 125 Im Ergebnis könne damit der Widerspruch zu den integritäts begründenden Normen auf den Angreifer abgewälzt werden. Dies gelte jedoch nur unter zwei Bedingungen: Zum einen "darf die Handlung des Taters keine drastisch deliktische Züge tragen"; 126 darin nämlich liege der generalpräventiv relevante Grund, weshalb der Exzess nur aus Schwächegefühlen wie Verwirrung, Furcht oder Schrecken heraus begangen sein darf. Denn für sthenische Affekte hätte jeder schon als Garant einzustehen, ohne dass die Belastung des Opfers wegen seines Vorverhaltens mit der Zuständigkeit für solche Tatantriebe noch diskutabel wäre. 127 Zum anderen käme eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers nur dann in Betracht, wenn dieses auf seine eigene schuldhafte Urheberschaft an der Lage verwiesen werden könne. Nur wenn der Angriff neben der Rechtswidrigkeit auch noch in schuldhafter Form erfolge, würde die überzogene Abwehr den "Richtigen"128 treffen und nur so könne man zu dem präventiv gebotenen Ergebnis gelangen, dass eine Zurechnung bei Verletzung unbeteiligter Dritter ausscheidet. 129 Die Kernthese von Jakobs lautet demnach: "Wenn der schuldhaft Angegriffene den kühlen Kopf verliert, ohne dass sein Verhalten drastisch deliktische Züge trägt (also bei Verwirrung etc.), so muss sich der Angreifer die Folgen selbst zuschreiben", 130 weswegen eine Bestrafung für die Rechtsgutverletzung durch den Täter aus generalpräventiven Gründen entfallen könne. 131 bb) Fischer als Interpret einer strafzweckorientierten, den Verlust des Strafrechtsschutzes problematisierenden Deutung Auch Fischer erklärt die Exzessvorschrift im Lichte kriminalpolitischer Überlegungen. Die StraffreisteIlung gemäß § 33 StGB (§ 53 III StGB a. E) resultiere aus dem besonderen Umstand, dass das Opfer wegen seines verübten rechtswidrigen Angriffs den Schutz der Rechtsordnung verwirke, welcher mittels Strafe hergestellt werde. Dies sei Ergebnis nachfolgenden Vergleichs und rechtspolitischer Abwägung: Überschreitet der Täter in Situationen, die nicht zu denen des Notwehrexzesses geVgl. Jakobs Das Schuldprinzip S. 30ff.; ders. Schuld und Prävention S. 23. Jakobs AT 20/28. 127 So eine Ergänzung der Auffassung Jakobs durch Timpe JuS 1985 S. 119. 128 Jakobs Das Schuldprinzip S. 30 ff. 129 Vgl. Jakobs AT 20/28. 130 Jakobs AT 20/28. 131 Ebenso wie bei Roxin kongruiert eine solche Deutung mit der eigenen Auffassung von Jakobs vom Verständnis der Schuld. Diese sei ausschließlich nach general präventiven Sanktionserfordemissen bestimmt, wobei als Bewertungsgrundlage die Zuständigkeit für den Rechtskonflikt fungiert; deshalb entfalle bei mangelndem Bedürfnis nach Generalprävention notwendigerweise auch die Schuld. Vgl. dazu Jakobs Schuld und Prävention S. 1 ff.; ders. AT 17/18ff. 125
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
hören,132 die ihm wegen der Bedrohung seiner Rechtsgüter zustehende Verteidigungsbefugnis aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, reagiert die Rechtsordnung mit einer Sanktion, weil das Interesse des affektbedingt handelnden Täters an Strafverzicht das vorrangige Interesse des Opfers an strafrechtlichem Schutz nicht beseitigen könne, war das Opfer doch unschuldiger und sozusagen "unbeteiligter" Dritter, während der Delinquent zwar affektbedingt, nichtsdestotrotz rechtswidrig und schuldhaft gehandelt habe. Deshalb sei eine Interessenverschiebung zu Lasten des Verletzten nicht angemessen. 133 Anders gestalte sich vorstehende Interessenabwägung bei den Konstellationen des Notwehrexzesses. Dort verursache der Verletzte aufgrund des verübten Angriffs selbst seine eigene Rechtsgutbeeinträchtigung; es liege an ihm, der Gefahr einer affektbedingten Überschreitung vorzubeugen, indem er den Angriff unterlässt. Damit sei das Opfer im Vergleich zu unbeteiligten und unschuldigen Dritten nicht so dringend auf Strafrechtsschutz angewiesen. Vielmehr sei es wegen der Tatsache, dass es nicht nur Mitschuld an der Verletzung trägt, SOndern die Verletzung noch dazu rechtswidrig und somit in verbotener Weise verursacht hat, unangebracht, bei der Interessenabwägung zu einem Strafrechtsschutz des Angreifers auf Kosten des Exzedenten zu gelangen, indem letzterer bestraft wird. 134 b) Reaktionen und Tendenzen in Literatur und Rechtsprechung Der neue Ansatz, statt der Verteidigungshandlung und/oder der Affekte den Angriff als entscheidenden Bezugspunkt festzusetzen und damit die Exzessnorm aus Strafzweckgesichtspunkten heraus zu deuten, erhält vor allem in jüngster Zeit immer mehr Zuspruch. aa) Literatur So lehnt sich Hardtung in seiner Ausdrucksweise stark an Roxin und Fischer an, indem er erklärt, dass der Angreifer im Gegensatz zu anderen Gefahren "selbst schuld" an seinen Schäden sei, da er den Täter durch seinen rechtswidrigen und somit sorgfaltswidrigen Angriff in die Affekte getrieben hätte, weswegen es legislatorisch angebracht sei, dem Exzedenten seine bestehende, aber verminderte Schuld durch StraffreisteIlung nachzusehen. 135 Genauso spricht sich Schroeder in diesem Zusammenhang mit Verweis auf Roxin aus. Er sieht den Grund für die Privilegierung darin, dass der Angreifer die Grenzüberschreitung zum überwiegenden Teil Beispielsweise die des § 34 StGB. Vgl. Fischer Diss. S. 94 f. 134 Vgl. Fischer Diss. S. 94f. Systematisch sei die Nonn der Notwehrüberschreitung nach Fischer als persönlicher Strafausschließungsgrund zu charakterisieren - mit dem Argument, eine solche Deutung lasse sich nicht auf der Ebene der Schuld lokalisieren. Vgl. dazu Fischer Diss. S.45 ff. 135 Vgl. Hardtung ZStW 108 S.51. 132 \33
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selbst verschuldet habe. 136 Vornehmlich kriminalpolitische Aspekte rückt auch Wolter in den Mittelpunkt: "Die präventiv motivierte Entscheidung, bis zu welchem Punkt die verhaltensdeterminierende Kraft strafrechtlicher Normen und ihre generalpräventive Wirksamkeit aufrechterhalten werden soll", sei bei § 33 StGB derart ausgefallen, dass wegen der Unrechtsminderung, der Affekte und des Angriffs von einer Bestrafung abgesehen werden könne. I37 Mit Jakobs stimmen Timpe, Heuchemer und Hartmann vollständig überein. 138 Lesch beurteilt die These von Jakobs, nach der die Entschuldigung ausgeschlossen sei, wenn der Verteidiger unter generalpräventiven Gesichtspunkten für den Konflikt (mit)zuständig ist, quasi mit denselben Worten wie dieser: "Die Straflosigkeit ... beruht auf der zutreffenden Erwägung, dass es Sache des Angreifers wäre, die Herbeiführung einer Situation zu vermeiden, in der es nach aller Erfahrung leicht zu Kurzschlussreaktionen kommt, die dann zwangsläufig auf den Angreifer selbst zurückfallen. Unter diesen Umständen muss der Übergriff des Verteidigers, der gleichsam noch mit einem Bein auf dem Boden steht, allemal als entschuldigt gelten, während eine aggressive Empörung wider die Anmaßung des Angreifers dafür, jedenfalls nach dem Willen des deutschen Strafrechtsgesetzgebers, nicht genügt."139 Ähnlich formuliert Alwart: Richtig sei, "dass die Entschuldigung nach § 33 StGB auf der Möglichkeit beruht, das Opfer der Abwehr gerade auf seine eigene schuldhafte Urheberschaft an der Lage zu verweisen, so dass die Anwendung der Vorschrift ausgeschlossen bleibt, wenn der schuldhafte Angriff nicht als alleinige oder doch zumindest vorrangige Konfliktursache herausgestellt werden kann." 140 Zu resümieren bleibt: Eine Reihe von überwiegend neueren Autoren stellt maßgeblich auf den Angriff als entscheidendes Kriterium für die Interpretation des § 33 StGB ab. Inhaltlich wird weitgehend den Auffassungen von Roxin und Jakobs zugestimmt, indem teilweise sogar wortgleich auf deren Argumente Bezug genommen ist. Damit liegt in jüngster Zeit eine deutliche Neuorientierung im Lösungsansatz zu § 33 StGB vor.
Vgl. Schroeder JuS 1980 S. 341. Wolter GA 1996 S. 213. Dieser Erkenntnis, dass präventive Aspekte die Straffreiheit der Exzessvorschrift begründen, haben sich auch nicht die Vertreter der Theorie von der doppelten Schuldminderung verschlossen. So urteilt Rudolphi in SK § 33 Rn. 1, dass eine Bestrafung weder aus general- noch spezialpräventiven Erwägungen geboten sei, oder Spendel in LK § 33 Rn.41 nimmt die Gleichung Roxins auf: "Wie bei der Notwehr als Kampf um und für das Recht gegen das Unrecht mehr erlaubt ist als bei einem sonstigen Eingriff, so ist bei ihrer Überschreitung eher auch mehr entschuldigt als bei einem anderen Übergriff." Freilich fußt deren Begründung dafür auf anderen Argumenten (vor allem auf der Verteidigung); dennoch bekräftigen sie damit die Berechtigung, die Straffreiheit kriminalpolitisch zu deuten. 138 Timpe JuS 1985 S.117ff.; HeuchemerlHartmann JA 1999 S.165ff. 139 Lesch StV 1993 S.583. 140 Alwart JuS 1996 S. 954. 136
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
bb) Rechtsprechung In jüngerer Zeit hat auch der BGH Stellung zur ratio des § 33 StGB bezogen. In einer viel beachteten Entscheidung 141 wird zuerst die neue Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht, dass die Exzessvorschrift weit auszulegen sei und deshalb selbst dann Anwendung finden könne, wenn die asthenischen Affekte weder die alleinige noch überwiegende Ursache für die Überschreitung gewesen sind, solange sie nur gegenüber sthenischen Gefühlsregungen mitursächlich wären. Damit erteilt der BGH nicht nur dem psychologisierenden Ansatz eine Absage, der die asthenischen Affekte als maßgeblich für die Privilegierung erachtet, sondern er schließt sich - nahezu en passant - auch der Auffassung an, die den Angriff zum entscheidenden Bezugspunkt nimmt, wenn er zur Bekräftigung der Erkenntnis, dass § 33 StGB weit auszulegen sei, formuliert: "Dies entspricht nicht nur dem Gesetzeswortlaut (,aus ... Furcht'), sondern auch dem Sinn der Vorschrift, soweit sie dem Umstand Rechnung trägt, dass der Angreifer die ihn treffenden Folgen überzogener Abwehr selbst und alleine verantworten muss, wenn er durch sein Handeln einen jener Affekte (Verwirrung, Furcht oder Schrecken) ausgelöst hat, die den Angegriffenen über die Grenzen der Notwehr hinausgehen ließen."142 Darin kann erstmalig ein zumindest vorsichtiges Bekenntnis zum Ansatz von Jakobs (vorrangige Zuständigkeit des Angreifers) gesehen werden, zumal das Gericht auf Jakobs ausdrücklich verweist. 143 Das steht in Einklang mit dem Trend der Literatur, den Sinn des § 33 StGB aus Strafzweckerwägungen abzuleiten. c) Zusammenfassung und bewertende Systematisierung der unterschiedlichen Ansätze innerhalb des gemeinsamen Strafzweckmodells Die Bestandsaufnahme sämtlicher Erklärungsversuche, die den Angriff als maßgebliches Kriterium thematisieren, hinterlässt folgendes Bild: Die jüngeren Interpretationen der Exzessvorschrift in Literatur und Rechtsprechung greifen im Wesentlichen - wenn nicht sogar wortgleich - auf die Argumentation von Roxin, Jakobs oder Fischer zurück. Sie bestätigen die Berechtigung der Strafzweckmodelle und verkörpern damit zugleich die in diese Richtung wieder verstärkt aufkommende Tendenz. Neben dem gemeinsamen Abstellen auf den Angriff und auf Strafzweckgesichtspunkte fällt die Argumentation von Roxin, Jakobs und Fischer in den Einzelheiten 141 142
BGH NStZ-RR 1999 S. 264; BGH StV 1999 S. 145. BGH NStZ-RR 1999 S. 264,265. Vgl. zur noch engeren, traditionellen Ansicht: BGH
NStZ 1995 S.76f. 143 Eine weitgehend ähnliche Bekundung jener Sichtweise findet sich in der Judikatur in dieser Deutlichkeit nur bei RMilG 10 S.282f.: Es erscheine "billig, die Verantwortung für die Überschreitung der Grenzen der erforderlichen Verteidigung nicht dem in Aufregung befindlichen Angegriffenen, sondern dem Angreifer zur Last zu legen."
11. Teleologische Auslegung
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unterschiedlich akzentuiert aus. Während Roxin eher allgemeine kriminalpolitische Erwägungen und Topoi wie "mangelnde Erschütterung des Rechtsfriedens" , "kein Reiz zur Nachahmung" oder "soziale Integration des Täters" leiten, lokalisiert und konkretisiert Jakobs genau die mangelnde präventive Bestrafungsnotwendigkeit, indem er auf die vorrangige Verantwortlichkeit des Opfers abstellt und diese zum Kernpunkt für die Deutung von § 33 StGB macht. Fischer dagegen konzentriert sich allein auf das Problem "Verwirkung des Strafrechtsschutzes durch den Angriff", ohne dass dabei das Stichwort "Prävention" überhaupt fällt. 144 Diese unterschiedlich nuancierten Vorgehensmethoden mit ihren eigenen Schwerpunktsetzungen innerhalb der gemeinsamen kriminalpolitischen Deutung von § 33 StGB erweisen sich aber nicht notwendig als divergent; vielmehr ergänzen sie sich eher, als dass sie einander widersprechen. So nähert sich Fischers Begründung stark an die von vorrangiger Zuständigkeit des Angreifers geprägte Theorie von Jakobs an, wenn es heißt: "Die Versagung des Strafrechtschutzes sei insoweit begründet, als das Opfer aufgrund des rechtswidrigen Angriffs die eigene Verletzung selbst veranlasst habe, obgleich es in dessen Hand gelegen habe, der Rechtsgutverletzung durch Unterlassen der Attacke vorzubeugen."145 Ähnliche dem Ansatz von Jakobs entsprechende Gedanken finden sich gleichfalls bei Roxin, auch wenn dieser als Kernstück seiner Argumentation stärker auf allgemeine Erwägungen der Strafzwecklehre und die Position des Täters abhebt und damit andere Schwerpunkte setzt. So ist nahezu am Rande seiner Argumentation und als beiläufige Bekräftigung seiner Ansicht die grundsätzliche Übereinstimmung mit Jakobs nicht zu verkennen, wenn es bei ihm heißt: "Er (sc. der Täter) erschüttert den Rechtsfrieden nicht, weil er der ursprünglich Angegriffene und der Angreifer an der Grenzüberschreitung zum überwiegenden Teil selbst schuld ist." 146 Dieser bei Roxin etwas versteckte Satz lautet beinahe genauso wie bei Jakobs. Damit konkretisiert auch Roxin seine allgemeinen Strafzweckerwägungen: Der Grund für die Privilegierung beruhe auf der Chance, die Konfliktzuständigkeit weg vom Opfer hin zum Angreifer zu verschieben. Aber selbst vermeintlich offenkundige Differenzen zwischen Roxin und Jakobs erweisen sich bei näherer Betrachtung nicht als solche. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich die Auffassungen beider zur Qualität der Prävention näher betrachtet, die für § 33 StGB von zentraler Bedeutung ist: Während Jakobs allein generalpräventive Aspekte für die Deutung des Notwehrexzesses anerkennt, führt Roxin daneben auch spezialpräventive Überlegungen ins Feld, worin allgemein eine Meinungsverschiedenheit zwischen beiden ausgemacht wird. Dem ist aber in Wirklichkeit nicht so: Denn bei Roxin nimmt die Spezialprävention nur eine untergeordnete, keinesfalls konstitutive Rolle ein, d. h. sie soll die Argumentation verstärken, solange sie mit der Generalprävention kongruiert. Besteht aus generalpräventiven 144 Vgl. Fischer Diss. S. 94 f. 145 146
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Fischer Diss. S. 94 f. Roxin FS für Schaffstein S. 1 17.
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
Gründen eine Bestrafungsnotwendigkeit, nicht aber in spezialpräventiver Hinsicht, so geben erstere Aspekte den Ausschlag. Dieser Mechanismus wird bei Roxin im Rahmen seiner Lösung der speziellen Erscheinungsformen des Notwehrexzesses erkennbar. Während er beim intensiven oder extensiven Exzess die Bestrafungsnotwendigkeit sowohl mit general- als auch spezialpräventiven Argumenten begründet, weist er für die Fälle der Putativnotwehr oder der Verletzung unbeteiligter Dritter der Generalprävention den Vorrang zu, die dort - im Gegensatz zur Spezialprävention - eine Strafbewehrung fordert. Insoweit ist die Übereinstimmung mit Jakobs - wenn auch auf unterschiedlichem Wege - voll umgesetzt. Zuletzt sei noch die Ähnlichkeit der Auffassungen beider Autoren an der Beurteilung der Gefühle "Verwirrung, Furcht oder Schrecken" festgestellt: Sowohl für Roxin als auch für Jakobs ergibt sich der Grund für die Restriktion auf asthenische Affekte allein aus generalpräventiven Erwägungen. Roxin beurteilt aggressive Affekte "generell weit gefährlicher" 147 als asthenische, nach Jakobs würde der Exzess bei sthenischen Affekten "drastisch deliktische Züge"148 annehmen. Diese Formulierungen beschreiben nur mit unterschiedlichen Worten ein und dieselbe Grundüberzeugung: Die Gemeinschaftsordnung kann unter generalpräventiver Betrachtung Handlungen aus sthenischen Affekten wie Wut, Hass oder Kampfeslust nicht dulden, so dass nur bei den Gefühlen der Schwäche wie Verwirrung, Furcht oder Schrecken für eine Privilegierung Platz ist. Damit steht fest: Die verschiedenen Ausführungen von Roxin, Jakobs und Fischer, die eine Deutung unter kriminalpolitischer Bestimmung vornehmen, können quasi eklektisch gesammelt und aneinander gereiht werden zur Bildung des gemeinsamen strafzweckorientierten Nenners, dass die Privilegierung des § 33 StGB auf dem Angriff des Opfers und damit verbunden auf dessen vorrangiger Zuständigkeit für die Rechtsgutverletzung beruht. Eine wirkliche Spaltung innerhalb der Anhängerschaft der Strafzweckmodelle, die sich auch im Ergebnis, d. h. auf die Entscheidung für oder wider die Privilegierung nach § 33 StGB niederschlägt, kristallisiert sich nur bei der Frage nach der Qualität des Angriffs heraus. Innerhalb des gemeinsamen kriminalpolitischen Ansatzes wird die Bemessungsgrundlage für die Zuständigkeitsverschiebung der Rechtsgutverletzung weg vom Täter hin zum Opfer different gesehen. Muss die Attacke schuldhaft sein oder genügt allein die Rechtswidrigkeit des Angriffs, um den Verletzten auf seine eigene Urheberschaft am Konflikt verweisen zu können? Für Schuldhaftigkeit sprechen sich ausdrücklich Jakobs 149 und mit ihm Timpe, Lesch, Alwart und Heueherner aus. 150 Nur bei schuldhaftem Angriff könne eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers am Konflikt erwachsen. Roxin FS für Schaffstein S. 117. Jakobs AT 20/28. 149 Vgl. Jakobs AT 20/28. 150 Vgl. Timpe JuS 1985 S. 119; Lesch StV 1993 S.583 ; Alwart JuS 1996 S. 954; Heuchemer JA 2000 S. 385. 147 148
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Entsprechend der Gegenauffassung reicht die Rechtswidrigkeit bzw. die damit verwirklichte Sorgfaltswidrigkeit hinsichtlich des Angriffs aus, weil dadurch schon eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers ermöglicht l51 respektive der Strafrechtsschutz verwirkt werde. 152 Als Vertreter dieser Ansicht ist wohl auch Roxin zu nennen. Ganz eindeutig und ausdrücklich ergibt sich dessen Bekenntnis dazu nicht. Seine Überzeugung wird erst aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung offenbar. Grund für die Schwierigkeit einer evidenten Zuordnung ist der etwas missverständliche und schon mehrmals zitierte Satz: " ... er (sc. der Täter) bringt ebenso wenig eine Erschütterung des Rechtsfriedens mit sich, weil der Täter der ursprünglich Angegriffene und der Angreifer an der Grenzüberschreitung selbst schuld ist." 153 Heißt das, dass zwangsläufig auch der Angriff selbst schuldhaft erfolgen muss, damit der Angreifer als "selbst schuld" an seiner Lage bezeichnet werden kann? Wird ein solches Ergebnis dadurch impliziert? Mit Rücksicht auf die gesamten Ausführungen von Roxin zum Notwehrexzess 154 und im Hinblick auf seine Grundüberzeugung, dass für einen Angriff gemäß § 32 StGB gerade keine schuldhafte Attacke vorliegen muss, um ein Notwehrrecht zu erhalten,155 muss die Antwort wohl nein lauten. "Selbst schuld" ist nicht streng terminologisch strafrechtlich zu verstehen, sondern vielmehr als "selbst ursächlich" und damit "selbst verantwortlich", wozu ein rechtswidriger Angriff genügt. Bei anderen Vertretern des Strafzweckmodells findet sich ebenfalls eine ähnliche Mehrdeutigkeit in der Formulierung, die sich aber im Gegensatz zu Roxin nicht immer aus einer bewertenden Gesamtschau heraus auflösen lässt. Die Fronten sind oftmals nicht deutlich definiert, was das Problem betrifft, ob der Angriff rechtswidrig oder auch schuldhaft zu sein hat. Dies rührt daher, dass die Anhänger, die Rechtswidrigkeit genügen lassen, auf die Frage nicht kritisch eingehen, ob der Angriff im Rahmen von § 33 StGB nicht auch schuldhaft sein muss, um eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers zu begründen. Von diesen wird sub specie des § 33 StGB jenes sich innerhalb der Strafzwecklehre stellende Problem schlichtweg ohne Begründung übergangen; es fehlt an einer klärenden Auseinandersetzung mit der insbesondere von Jakobs vertretenen Auffassung, die einen schuldhaften Angriff fordert. 156 Deshalb verwundert es auch nicht, dass oftmals ein mehrdeutiger ("Schlinger" -)Kurs hinsichtlich dieser Thematik eingeschlagen ist, der keine klare Festlegung enthält. Die Rechtsprechung argumentiert beispielsweise, "dass der Angreifer So Hardtung ZStW 108 S. 51; ähnlich Otto Jura 1987 S. 607. So speziell Fischer Diss. S.95. 153 Roxin FS für Schaffstein S.117. 154 Roxin spricht stets von einem rechtswidrigen und nie schuldhaften Angriff, wenn er die Privilegierung des § 33 StGB wegen mangelnder präventiver Bestrafungsnotwendigkeit erklärt. 155 Vgl. nur Roxin AT § 15 Rn. 14ff. 156 Der Grund dafür dürfte darin zu sehen sein, dass sich das Problem "rechtswidriger oder schuldhafter Angriff" schon bei § 32 StGB stellt und dort problematisiert wird. Im Rahmen von § 33 StGB wird wohl deshalb, weil dieser auf die Notwehr Bezug nimmt, auf eine nochmalige Problematisierung verzichtet. 151
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2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
die Folgen selbst und alleine verantworten muss". 157 Alwart führt aus, dass es "Sache des Angreifers sei, die Verletzung zu vermeiden", 158 ohne dabei eine offene Beschaffenheitsangabe über den Angriff selbst abzugeben, was jedoch für die Zuständigkeitsbemessung an der Rechtsgutverletzung unabdingbar ist. Nach dieser Systematisierung können die unterschiedlichen Ansätze innerhalb des gemeinsamen Strafzweckmodells wie folgt zusammengefasst werden: Einigkeit besteht, dass der tragende Grund für die Privilegierung des § 33 StGB auf dem Angriff des Opfers beruht, welcher die vorrangige Zuständigkeit des Opfers an der erlittenen Rechtsgutbeeinträchtigung bewirkt, weshalb unter generalpräventiver Betrachtungsweise auf die Bestrafung des Exzedenten verzichtet werden kann, solange dieser nur aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken handelte. Diese Ansicht kann als das wesentliche "Grundmodell" aller kriminalpolitischen Ansätze bezeichnet werden. Innerhalb dieses Grundmodells herrscht allein Uneinigkeit über die Bemessungsgrundlage für eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers. Ob dafür ein rechtswidriger Angriff ausreicht oder dieser auch schuldhaft sein muss, ist umstritten.
d) Bewertung der Tauglichkeit des kriminalpolitischen Ansatzes für ein allgemeines und stimmiges Lösungskonzept Das Grundmodell der Ansätze innerhalb des gemeinsamen Strafzweckmodells wie auch der Streit um die Bemessungsgrundlage sind auf ihre Tauglichkeit für ein allgemeines und stimmiges Konzept zu untersuchen. aa) Bewertung des Grundmodells Eine Interpretation von § 33 StGB, die beanspruchen will, dessen ratio stimmig, umfassend und möglichst frei von Kritik zu erklären, hat notwendigerweise folgenden drei Prämissen standzuhalten: Die Bedeutung der Norm muss sich aus dem Gesetz selbst ergeben. Sie muss offenbaren, weshalb eine gleichgeartete Regelung nicht auch bei anderen Rechtfertigungs- oder Entschuldigunsgründen vorgesehen ist - und schließlich auch aufzeigen, warum die Vorschrift eine Beschränkung gerade auf asthenische Motivationen enthält. Die bisherigen Ansätze, die entweder psychologisierend auf die Affekte oder - die Unrechtsquantitäten abwiegend - auf die Verteidigungshandlung Bezug nehmen, werden diesen Forderungen nicht in allen Punkten gerecht. Erst mit der Entwicklung eines von Strafzweckgesichtspunkten geprägten Modells ist eine den genannten Prämissen genügende Deutung von § 33 StOB gelungen. Im Rahmen des Exzesses ist es allein das Spezifikum des Angriffs, welches den 157 158
RGH NStZ-RR 1999 S.264, 265. Alwart JuS 1996 S. 954.
H. Teleologische Auslegung
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besonderen Unterschied zu anderen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen bewirkt. Denn ein solches Merkmal setzt allein die Notwehr voraus. Weiter kann lediglich aus kriminalpolitisch motivierten Präventionserwägungen plausibel werden, weshalb sthenische Affekte nicht in § 33 StGB genannt sind. Diese Begründung für den Sinn einer solchen Differenzierung fehlt bei den Ansätzen I und 2. Damit erfüllt das Strafzweckmodell von Roxin und Jakobs im Ergebnis schon zwei der drei Prämissen. Aber auch der verbleibenden aufgestellten Forderung, die eine Interpretation strikt orientiert am und aus dem Gesetzeswortlaut heraus postuliert, wird durch deren kriminalpolitisch beeinflusste Theorie Genüge getan. Zwar könnte man an dieser Stelle grundsätzlich Bedenken hegen, weil die Erklärungen von Roxin und Jakobs unübersehbar von deren Verständnis funktionaler an präventiven Aspekten ausgerichteter Schuld geprägt sind. Dennoch kann ihnen nicht der Vorwurf gemacht werden, sie hätten lediglich ihre eigene Schuldauffassung an das Gesetz herangetragen und diesem bei der Auslegung starr aufoktroyiert, ohne die legislatorischen Vorgaben des § 33 StGB unabhängig davon selbst sprechen zu lassen. 159 Denn stets wird die Deutung von Roxin und Jakobs gemäß den hier genannten Erfordernissen aus den Besonderheiten und Eigentümlichkeiten des Wortlautes und der Struktur von § 33 StGB im Vergleich zu anderen ähnlich gelagerten Normen entwickelt. Das verdeutlicht und beweist die Bezugnahme auf den Angriff und die asthenischen Affekte. Dies herausgearbeitet zu haben, darin liegt das besondere Verdienst von Roxin und Jakobs. Selbst bei Abspaltung der Norm von deren Schuldverständnis oder Ablehnung ihres funktionalen Schuldbegriffs kann die Erklärung des Notwehrexzesses aus präventiven Gründen unverändert stehen bleiben. Ihre Überzeugung vom Verständnis der Schuld ist gerade nicht unablässliche Bedingung für deren Interpretation von § 33 StGB. Insgesamt kommt damit den Strafzweckmodellen allein die Qualität zu, den Sinn der Exzessnorm aus den Besonderheiten des Wortlautes und der Struktur von § 33 StGB zu erklären und zugleich auf die von anderen Deutungen stets offen gelassene Frage Antwort zu geben, weshalb die Privilegierung nicht auch bei anderen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründen vorgesehen ist und warum sie nur bei asthenischen Affekten gilt. Damit sind die Voraussetzungen für eine stimmige Interpretation erfüllt. Dennoch lehnt Aschermann das Ergebnis von Jakobs und Roxin ab. 160 Seine Kritik zielt zum einen darauf, dass der präventive Wirkungszusammenhang zu unaufgehellt sei und es an der Bestimmbarkeit von Abgrenzungskriterien für ein Präventionsurteil fehle,161 zum anderen moniert er, dass sich eine Bestrafung, die von kriminalpolitischen Erwägungen determiniert ist, nicht mit dem reinen Willensschuld\59 Diese Kritik trifft insbesondere Aschermann; vgl. 2. Kap. H. I. d).
\60 Er ist der einzige, der ausführlich eine Ablehnung des Strafzweckmodells zu begründen versucht. Ansonsten ergibt eine Analyse der Literatur den Befund, dass die Vertreter eines anderen Ansatzes sich lediglich auf ihr eigenes Modell konzentrieren, ohne eigentliche Kritik an der Strafzwecktheorie anzubringen. \6\ Vgl. Aschermann Diss. S.79ff.
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begriff vereinbaren lasse. 162 Zu letzterem Gesichtspunkt führt er aus, dass es nicht angehen könne und verfassungsrechtlich nicht vertretbar wäre, mittels Strafzweckerwägungen den Täter zum Objekt der Verbrechensbekämpfung zu machen; dies sei aber der Fall, wenn die Strafe nicht an der persönlichen Tatschuld, sondern an Aspekten außerhalb davon, insbesondere an dem Maßstab der Prävention gemessen werde. 163 Die Kritik von Aschermann geht ins Leere, soweit sie sich darin erschöpft, die grundsätzliche Berechtigung eines generalpräventiven Schuldverständnisses zu widerlegen. Denn auf diesen Einwand muss sich das Strafzweckmodell nicht einlassen: Die Strafzeckmodelle setzen keine zwingende Zuordnung der Norm zu einem gewissen Schuldverständnis voraus, sondern sind davon unabhängig. Die gesetzlichen Vorgaben der Exzessnorm und gerade nicht die Zugrundelegung eines bestimmten Schuldverständnisses haben die ratio legis von § 33 StGB als kriminalpolitisch geprägte Norm zu Tage gefördert. 164 Der telos der Exzessnorm ergab sich in vorliegender Arbeit ohne Bekenntnis zu einem bestimmten Schuldbegriff. Wenn Jakobs und Roxin ein solches im Anschluss an die Erkenntnis über die ratio ableiten, richtet sich Aschermanns Kritik damit nur dagegen, nicht aber gegen die ratio selbst, die insoweit von der Schuldzuordnung abgespalten ist. Aber auch wenn man den Ausführungen von Aschermann - unabhängig von seiner angeführten schuldspezifischen Kritik - eine allgemeine Ablehnung gegen die Berechtigung von Strafzweckgesichtspunkte bei der Sanktionsverhängung entnimmt, steht seine Auffassung im Widerspruch zur legislatorischen Wirklichkeit. Eine andere als strafzweckorientierte Deutung lässt § 33 StGB nicht zu, ohne dass Ungereimtheiten blieben. 165 Die Differenzierung im Gesetz zwischen asthenischen und sthenischen Affekten ist nicht nur Indiz, sondern deutlicher Hinweis auf die Richtigkeit einer kriminalpolitischen Lösung. Die Notwehrexzessnorm ist zwangsläufiger Ausdruck präventiver Entscheidungsmotivation des Gesetzgebers. Ferner ist der Einfluss generalpräventiver Aspekte auf die Strafverhängung auch sonst dem Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuchs nicht unbekannt: Der gesetzliche Niederschlag und die dortige "Verarbeitung" kriminalpolitischer Gesichtspunkte wird neben § 33 StGB in besonders ausgeprägter Form auch bei der Vorschrift über den entschuldigenden Notstand deutlich: Wenn § 35 12 Alt. 2 StGB von einer Entschuldigung bei Personen absieht, die in einem besonderen Rechtsverhältnis stehen (z. B. Feuerwehrleute, Polizisten, Rettungskräfte), so spiegelt dies folgende generalpräventiv bedingte Ursache wieder: Solchen Personen, die nicht wie andere durch ZuVgl. Aschermann Diss. S.43ff. V gl. Aschermann Diss. S. 81 ff. Ähnliche Kritik am generalpräventiven Schuldverständnis findet sich bei Diederich Diss. S. 30 ff. 164 Vgl. dazu nochmals oben: Die Prämisse, dass sich die Deutung von § 33 SIGB aus dem Wortlaut der Exzessnorm ergeben müsse und nicht nur unter der Voraussetzung eines bestimmten Schuldverständnisses möglich sein darf, wurde von den Strafzweckmodellen erfüllt. 165 Vgl. nur die Mängel der Ansätze 1 und 2. 162
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11. Teleologische Auslegung
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fall in Notsituationen geraten, muss zum Wohl der Gemeinschaft das Ertragen von eigenen Rechtsgutverletzungen eher abverlangt werden. Umgekehrt formuliert heißt das: Von ihnen wird wegen ihrer spezifischen Funktion die Normbefolgung mehr (d. h. auch unter der Gefahr und dem Eintritt eigener Rechtsgutbeeinträchtigung, soweit dies noch zumutbar erscheint) erwartet. Es wird nur entschuldigt, "solange die Ordnung dies verträgt". 166 Deshalb kann nur ein derartig präventives Verständnis von § 35 StGB (d. h. der unterschiedliche Einfluss der Gemeinschaftserwartung gegenüber dem Einzelnen als Faktor für Strafe) verständlich machen, warum die gleiche psychische Lage des "Normalbürgers" und - beispielsweise - die des Rettungsmannes nicht zur sei ben Entschuldigung nach § 35 StGB führt. 167 Damit widerlegt der faktische Einzug kriminalpolitischer Erwägungen in den Allgemeinen Teil des Strafgesetzbuches die kategorische Forderung Aschermanns, dass solche Aspekte über die Straffreiheit oder Strafbegründung nicht bestimmen dürfen. Die Funktion der Prävention als strafbefreiender l68 Faktor hat sogar das BVerfG I69 befürwortet und gefordert: Es könne nicht gerechtfertigt sein, selbst für den Fall, der Täter handele schuldhaft, diesem gegenüber "mit der schärfsten der Gesellschaft zu Gebote stehenden Waffe, dem Strafrecht, vorzugehen", wenn "Kriminalstrafe ... unter keinem Aspekt (Vergeltung, Prävention, Resozialisierung des Taters) eine adäquate Sanktion" wäre. Schließlich trifft auch der Vorwurf Aschermanns nicht zu, Strafzweckgesichtspunkte wären für die Sanktionsverhängung zu konturlos, beliebig und ohne feste Kriterien. Mit dem maßgeblichen Abstellen auf die Zuständigkeit, d. h. die Verantwortlichkeit für den Konflikt, wird dieser Gefahr entgegengewirkt. Die zugegebenermaßen allgemeinen und abstrakten Präventionskriterien wie "Erschütterung des Rechtsfriedens", "kein Reiz zur Nachahmung" oder "Integration in die Gesellschaft" werden durch den Faktor "Zuständigkeit" genau konkretisiert; der Mangel an Bestrafungsnotwendigkeit wird damit nachvollziehbar. 170 Die Richtigkeit und Berechtigung dieser Vorgehensweise, Prävention konkret nach der Zuständigkeit für die Rechtsgutverletzung zu bewerten, bezeugt nicht nur § 33 StGB, sondern verdeutlicht auch die Vorschrift über den entschuldigenden Notstand besonders nachhaltig. Gemäß § 35 12 Alt. I StGB gilt die Exkulpation des im Notstand befindlichen Täters grundsätzlich nicht, wenn er die Gefahr selbst verursacht hat. Damit wird offen auf Präventionsgesichtspunkte und das dahinterstehende Zuständigkeitskriterium abgehoben, wie Jakobs 171 überzeugend erklärt: Beim entschuldigenden NotJakobs Schuld und Prävention S. 21; vgl. zum Ganzen auch Roxin ZStW 96 S. 655 f. Vgl. dazu Jakobs Schuld und Prävention S. 21. 168 Um diese für den Tater günstige Form handelt es sich bei § 33 StGB. 169 BVerfGE 32 S. 32, 98. 170 Der Vorteil dieses Kriteriums der Zuständigkeit wird sich vor allem noch bei der Lösung der einzelnen Erscheinungsformen des Notwehrexzesses zeigen. Denn die Flexibilität von Verantwortlichkeitsfaktoren ermöglicht ein jeweils individuelles Urteil in Ansehung der speziellen Fälle des § 33 StGB. 171 Vgl. insoweit Jakobs Schuld und Prävention S. 22. 166 167
2. Kap.: Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
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stand bestehe die Situation, dass einer der Beteiligten von der Rechtsordnung enttäuscht werden muss, entweder der Täter, der davon ausgeht, dass er nicht zur Preisgabe höchster Güter gezwungen werden könne, oder das Opfer, das die Unversehrtheit seiner Rechtsgüter beansprucht. Die Entscheidung würde davon abhängen, welche Erwartungsenttäuschung das Rechtsvertrauen weniger stört. Bei Verursachung der Notlage durch den Täter falle das Urteil zu dessen Lasten aus: "Die Bereitschaft, unter Verzicht auf eine strafrechtliche Sanktion sich mit der Definition als zufälliges Unrecht zu begnügen, lässt nach, wenn der Zufall bei nicht ordnungsgemäßem Verhalten auftritt. Auch auf verbotenem Terrain gibt es eine Garantie vor Enttäuschungen, aber im Zweifelsfall eine gegenüber dem erlaubten Terrain schwächere, und der Notstandstäter, der die Lage verursacht hat, d. h. durch rechtswidriges Verhalten in die Lage geraten ist, hat sich die Schwächung seiner Position und damit den Verlust der zu Solidarität erforderlichen Gleichheit selbst zuzuschreiben."172 Mehr Verantwortung für einen Konflikt bedingt deshalb auch vorrangige Zuständigkeit, weshalb - wie es § 35 12 Alt. 1 StGB festsetzt - eine Entschuldigung aus präventiven Gründen insoweit nicht erlaubt ist. Der entschuldigende Notstand bestätigt damit die Berechtigung, die präventive Bestrafungsnotwendigkeit nach Zuständigkeitskriterien zu bestimmen. Die allgemeine Ablehnung von Aschermann gegen die kriminalpolitische Deutung von § 33 StGB vermag deshalb nicht zu überzeugen und steht noch dazu im Widerspruch zum Gesetz. bb) Bewertung der Bemessungsgrundlage für eine Zuständigkeitsverschiebung Allein eine Frage gilt es noch zu beantworten: Wie beschaffen muss der Angriff des späteren Opfers sein? Dieses Problem ist die zwangsläufige Fortsetzung und der logischer Ausfluss des viel diskutierten Streits, ob im Rahmen von § 32 StGB der Angriff nicht nur rechtswidrig, sondern zugleich auch schuldhaft zu sein hat, damit überhaupt eine Notwehrlage ausgelöst wird. Ein ausführliches und vertieftes Eingehen auf diesen Themenkomplex kann hier nicht erfolgen; das würde die Schwerpunkte vorliegender Arbeit verschieben. 173 Wegen des Überhangs dieser Notwehrproblematik in den § 33 StGB darf dennoch eine Beschäftigung damit nicht völlig ausgespart bleiben. Zumindest sollen ein Einblick in das Problem - vor allem unter Berücksichtigung der Jakobs Schuld und Prävention S. 22f. Insoweit sei auf die zahlreiche Literatur und Rechtsprechung dazu verwiesen: Vgl. pro Rechtswidrigkeit statt vieler: RGSt. 27 S.44, 45f.; BGHSt. 3 S. 217,218; Hirsch FS für Dreher S. 215 ff.; Jescheck/Weigend AT § 32 II 1 a; Lackner/Kühl § 32 Rn. 2; LK-Spendel § 32 Rn. 26; NK-Herzog § 32 Rn. 5; Roxin AT § 15 Rn. 18 ff. Vgl. pro Schuld statt vieler: Frister GA 1988 S. 305; Hoyer JuS 1988 S. 95f.; Jakobs AT 12/16ff.; Krause FS für Bruns S. 83f. 172 173
11. Teleologische Auslegung
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Besonderheiten des § 33 StGB - sowie eine Streitentscheidung erfolgen, welche für die Anwendung des Strafzweckkonzepts und damit für die Lösung der verschiedenen Erscheinungsformen des Notwehrexzesses erforderlich ist. 174 Der neuralgische Punkt besteht - wie bei § 32 StGB - darin, ob im Hinblick auf § 33 StGB tatsächlich nur ein schuldhafter Angriff eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers zu begründen vermag. Die Lösung hängt entscheidend von der Perspektive ab: Steht der Täter oder das Opfer im Mittelpunkt der Privilegierung von § 33 StGB? Versteht man die Konsequenz der Straffreiheit vornehmlich als Verlust des Strafrechts schutzes für das Opfer, ist ein schuldhafter Angriff zu fordern; denn dann geht es vor allem um eine Pönalisierung und Sanktion gegenüber dem Opfer, die ohne Schuld nicht möglich ist. Die Straffreiheit wäre insoweit nur indirekter Ausfluss des Strafrechtsschutzverlustes des Opfers. Anders gestaltet sich die Situation, wenn man diese Gesichtspunkte in den Hintergrund stellt und dafür die Position des Täters in den Vordergrund rückt. Dies geschieht dadurch, dass man die Straffreiheit allein auf diesen bezieht und sie damit als direkten Ausdruck folgender rein generalpräventiv motivierter Erwägung ansieht: Das Opfer begibt sich wegen seines rechtswidrigen Angriffs auf verbotenes Terrain. Es bedroht in aggressiver Weise die geschützten Rechtsgüter Dritter und zieht deren Inhaber in einen Konflikt, dem diese ohne die Attacke nicht ausgesetzt gewesen wären. Wenn nun die Verteidigung über das in § 32 StGB beschriebene Maß hinausgeht, handelt der Täter zwar ebenfalls rechtswidrig; dazu konnte es aber nur wegen der verbotenen und sorgfaltswidrigen Veranlassung des Angreifers und der asthenischen, auf Schwäche beruhenden Affekte des Angegriffenen kommen. Das heißt: Der "aggressiven" Rechtswidrigkeit des Angreifers steht eine Rechtswidrigkeit des Täters gegenüber, die auf dem Gefühl der Schwäche beruht und nur durch den Angreifer - verbotenerweise - ausgelöst wurde. Damit liegt keine Gleichrangigkeit in der Zuständigkeit für die eingetretene Rechtsgutverletzung 174 Es handelt sich bei dem Streitpunkt um eine Differenz, die sich in der Regel nicht stellt; in den meisten Fällen wird der rechtswidrige Angriff auch schuldhaft sein. Wenn dem aber nicht so ist, ergibt sich folgende Konsequenz für § 33 StGB: Für diejenigen, welche Rechtswidrigkeit genügen lassen, kommt ein straffreier Notwehrexzess in Frage (regelmäßig in der Form der Überschreitung der Gebotenheitsgrenze, bei welcher die mangelnde Schuld des Angreifers dann festzumachen wäre). Nach der Gegenansicht scheidet § 33 StGB jedoch aus, weil ohne Schuld eine vorrangige Zuständigkeit nicht zu begründen sei. Bevor nun eine Entscheidung dieser im Ergebnis sich auswirkenden Meinungsverschiedenheit unternommen wird, sei vorweggeschickt: Eine unbedingte Richtigkeit bei der Lösung dieses Problems kann nicht beansprucht werden. Denn dafür wäre ein nachhaltiges und umfassendes Einsteigen schon auf der Ebene von § 32 StGB unverzichtbar. Für das Ziel der Arbeit ist das aber nicht notwendige Voraussetzung. Es geht bei dem Streit keineswegs um Differenzen bezüglich der Bestimmung der grundlegenden Wesensmerkmale der ratio selbst, sondern nur darum, wie innerhalb der gemeinsamen Grundüberzeugung vom telos des § 33 StGB das Zuständigkeitskriterium zu bemessen ist. Die nachfolgende Lösung gibt die Überzeugung des Verfassers wieder, eine abweichende Meinung ist mit Verweis auf die Argumente der Gegenansicht zur Qualität des Angriffs mit guten Gründen vertretbar, ohne dass dadurch die ratio der Notwehrexzessvorschrift in ihren Grundfesten tangiert wäre.
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2. Kap. : Erarbeitung eines Lösungskonzepts für § 33 StGB
mehr vor. Der Angreifer kann als überwiegend verantwortlich dafür bezeichnet werden. 175 Ein Zuständigkeitsunterschied ist gegeben, ohne dass ein schuldhafter Angriff seitens des Opfers dafür nötig wäre. 176 Aus dieser allein auf der Unrechtsebene befindlichen und den Angreifer thematisierenden Sicht ist die Konzeption des § 33 StOB zu verstehen. Die Straffreiheit soll weniger den Angreifer durch Verlust des Strafrechtsschutzes belasten als vielmehr dem Täter zugute kommen. 177 Das Augenmerk vorrangig auf die nachteiligen Konsequenzen für das Opfer infolge des strafrechtlichen Schutzverlustes zu richten und deshalb einen schuldhaften Angriff zu fordern, macht bei § 33 StOB unter generalpräventiver Betrachtung auch keinen Sinn: Der Angreifer wird oft unerkennbar schuldlos sein. 178 In diesen Situationen, in denen die Schuld des Opfers am Angriff dem Täter im Verborgenen bleibt, kann der künftige, potentielle Exzedent die differenzierten Anforderungen der Rechtsordnung an schuldhafte und rechtswidrige oder nur rein rechtswidrige Angriffe nicht erfüllen. Von Strafrechtsschutzgesichtspunkten beeinflusste Präventionsziele, sich gegen einen rechtswidrig und schuldlos Angreifenden anders zu verteidigen als gegen eine rechtswidrige und schuldhafte Attacke, werden zweifelhaft, wenn deren Befolgung durch den Täter mangels Erkennbarkeit der Schuld des Angreifers nicht realisierbar ist. Es ist daher abzulehnen, dass ein Umstand, der außerhalb der möglichen Einflussnahme des Täters liegt, für dessen Straffreiheit entscheidende Wirkung entfaltet. Deshalb muss die Unrechtskomponente des Angriffs und damit der Unrechtsüberhang des Angreifers im Vordergrund stehen und gegenüber dem Strafrechtsschutzinteresse des Opfers, selbst wenn dieses nicht schuldhaft handelte, insoweit Vorrang beanspruchen, als dass eine Straffreistellung auch bei schuldloser Attacke gerechtfertigt ist. Die Richtigkeit eines solchen Ergebnisses belegt auch der Wortlaut: § 33 StOB nimmt Bezug auf § 32 StOB. Dieser fordert in seinem zweiten Absatz nur einen rechtswidrigen, nicht aber schuldhaften Angriff. Da zwischen Rechtswidrigkeit und Schuld im Allgemeinen Teil strikt unterschieden wird,179 ist der gesetzgeberische Standpunkt deutlich. Eine davon abweichende Auffassung läuft Oefahr, gegen Art. 103 II 00 zu verstoßen. 180 175 So auch Hardtung ZStW 108 S. 51 Fn.101.
176 Damit wird auch der normative Unterschied von § 32 StGB zu § 228 BGB gewahrt: Wegen des rechtswidrigen und damit sorgfaltswidrigen Angriffs ist eine Verantwortlichkeitsdifferenzierung im Vergleich zu den gefahrlichen Sachen nach § 228 BGB gegeben, die es erlaubt, dem Verteidiger schärfere Rechte gegenüber dem defensiven Notstand zuzubilligen. Deshalb kommt es bei dieser Lösung, welche die Schuld des Angreifers ausspart, gerade nicht zu der kritisierten Nivellierung von § 228 BGB und § 32 StGB. Vgl. dazu auch Hardtung ZStW 108 S. 51 Fn. 101. 177 Natürlich bedingen sich diese zwei Seiten und korrelieren miteinander; dem steht aber eine Schwerpunktsetzung innerhalb der einen Seite unter Zurückdrängung der anderen Seite nicht entgegen. 178 Z. B. bei äußerlich nicht ersichtlicher Geisteskrankheit; oder es liegt die Situation vor, dass die Minderjährigkeit des Angreifers - noch dazu im Rahmen blitzschnellen Handelns - wegen des erwachsenen Aussehens nicht offenkundig werden konnte. 179 Vgl. nur § 34 StGB und § 35 StGB.
III. Konzeptdarstellung
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Angesichts dieser grammatikalischen und der davor erörterten normativen Aspekte ist die Rechtswidrigkeit des Angriffs ausreichende Grundlage, um eine überwiegende Zuständigkeit des Opfers im Vergleich zum Täter zu begründen.
III. Konzeptdarstellung Allein kriminalpolitische Strafzweckerwägungen ermöglichen eine widerspruchsfreie Deutung der Exzessnorm. Den Ausschlag für die Privilegierung des Exzesstäters nach § 33 StGB gibt der rechtswidrige Angriff durch den von der Notwehrüberschreitung Betroffenen. Denn aufgrund seines rechtswidrigen Angriffs ist das Opfer für die erlittene exzessive Rechtsgutverletzung im Vergleich zum Täter vorrangig zuständig, so dass unter generalpräventivem Blickwinkel von der Bestrafung des Exzedenten abgesehen werden kann. 181 Diese Erkenntnis, welche die teleologische Auslegung ans Licht brachte, schafft die Grundlage für das Konzept zur Lösung der verschiedenen Erscheinungsformen des Notwehrexzesses, indem innerhalb der Fallkonstellationen geprüft wird, ob dort die vorrangige Verantwortlichkeit für die Exzesstat auf das Opfer "abgeladen" werden kann. Die Ergebnisse der grammatikalischen, systematischen und historischen Auslegung zu den einzelnen Erscheinungsformen des Notwehrexzesses sind bei der Konzeptanwendung - wo möglich - ergänzend heranzuziehen und zu berücksichtigen. Denn nur wenn diese in Einklang mit dem Resultat der teleologischen Auslegung und nicht in unlösbarem Widerspruch dazu stehen, kann von einer umfassenden und stimmigen Lösung der Exzesskonstellationen die Rede sein.
Vgl. zum Ganzen Roxin AT § 15 Rn. 17. Zur terminologischen KlarsteIlung: Wenn im Folgenden anstelle von "vorrangiger Zuständigkeit" von "vorrangiger Verantwortlichkeit" die Rede ist, ist damit die vorrangige Zuständigkeit wegen rechtswidrigen, nicht notwendig schuldhaften Angriff gemeint. 180 181
3. Kapitel
Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB unter Anwendung des entwickelten Konzepts Mit Hilfe des erarbeiteten allgemeinen Konzepts - im Folgenden auch als "Strafzweckkonzept" bezeichnet - können die speziellen Erscheinungsformen des § 33 StGB einer adäquaten Lösung zugeführt werden. Dabei wird das Konzept nicht isoliert angewandt. Vielmehr sollen daneben auch andere Auffassungen und Gesichtspunkte beleuchtet werden, die für eine möglichst umfassende Lösung relevant sind und neue Erkenntnisse im Vergleich zu den bisherigen Ausführungen bringen. Insbesondere soll der Vorzug des hier entwickelten Strafzweckkonzepts gegenüber dem Ansatz der h. M. von der doppelten Schuldminderung auch im Rahmen der einzelnen Erscheinungsformen des Notwehrexzesses herausgearbeitet werden. 1
I. Bewusster Notwehrexzess Da sich die Privilegierung gemäß § 33 StGB nach der vorrangigen Zuständigkeit des angreifenden Opfers an der Rechtsgutverletzung bestimmt, hängt die Straffreiheit des Täters nicht maßgeblich von dessen subjektivem Wissen um die Grenzüberschreitung ab. Denn der Verantwortlichkeitsunterschied an der Rechtsgutbeeinträchtigung wird allein durch den objektiven, rechtswidrigen Angriff des Opfers bewirkt, ohne dass dafür maßgeblich eine besondere subjektive Einstellung des Täters hinzu treten müsste. Das Bewusstsein, über die Grenzen der Notwehr hinauszugehen, lässt deshalb die Zurechnung zum Betroffenen unberührt, solange nur astheniI Bei der Lösung der einzelnen Konstellationen des Notwehrexzesses innerhalb der Konzeptanwendung ist zu beachten: Die objektiven und subjektiven Erscheinungsfonnen zu § 33 StGB kommen stets in Kombination miteinander vor; d. h. jede Fonn des objektiven Exzesses weist notwendig eine subjektive Verbindung des Täters dazu auf. So wird die Überschreitung der Notwehr im Rahmen aller objektiven Konstellationen entweder bewusst, also vorsätzlich, oder unbewusst, also fahrlässig, ohne jegliche Überlegung oder im Zusammenhang mit einem Irrtum, erfolgen. Der Übersichtlichkeit willen kann eine Darstellung aller denkbaren objektiven und subjektiven Fälle zu § 33 StGB im Einzelnen nicht vorgenommen werden. Vielmehr sollen an dieser Stelle diejenigen Erscheinungsfonnen, welche das Innere des Taters betreffen, sozusagen "vor die Klammer" gezogen werden, in der sich die objektiven Fälle von § 33 StGB befinden. Dadurch kann - trotz getrennter Darstellung - die Verknüpfung der objektiven und subjektiven Tatelemente hergestellt und deren Kombination problemlos ausgeführt werden, indem man die jeweiligen Ergebnisse hinsichtlich der Anwendbarkeit der Notwehrexzessnonn miteinander abgleicht.
11. Unbewusster Notwehrexzess
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sche Affekte den Täter zum Exzess hinreißen. Eine solche strafzweckorientierte, präventive Deutung bestätigt damit, was die grammatikalische, systematische und historische Auslegung schon aufgedeckt haben: § 33 StGB ist auf die bewusste Notwehrüberschreitung anwendbar. 2 Zur Bekräftigung dieses Ergebnisses sei noch folgendes Argument von Jakobs bedacht, welcher einen nonnativen Vergleich zum unstreitig unter § 33 StGB fallenden unbewussten Exzess 3 zieht: "Ob der Abwehrende in seinem Affekt das erforderliche Maß der Abwehr nicht erst beurteilt oder aber aus dem gewonnenen Urteil keine Konsequenzen für die Gestaltung der Abwehr zieht, wird häufig gleich zu bewerten sein, ja selbst die Irrtumsvariante kann - etwa bei egoistischer Konzentration des Abwehrenden auf seine Güter - an sich eher belasten", was nachfolgendes Beispiel verdeutlichen soll: "Wer in Furcht aufgrund einer plötzlichen, mit Faustschlägen erfolgenden Attacke besonders heftig zurückschlägt, damit (bewusst) der Angreifer nicht nur jetzt, sondern auch für alle Zeiten friedlich bleibt, steht demjenigen gleich, der blindlings (unbewusst) mehr unternimmt, als zur Beseitigung der gegenwärtigen Gefahr erforderlich ist. "4 Damit scheidet im Beispiel 10 5 für B die Anwendbarkeit von § 33 StGB wegen dessen Bewusstseins vom Exzess nicht aus.
11. Unbewusster Notwehrexzess Beim unbewussten Notwehrexzess ist zwischen den verschiedenen Varianten "Fahrlässiger Notwehrexzess", "Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung" sowie "Irrtum und Notwehrexzess" zu differenzieren.
1. Fahrlässiger Notwehrexzess und Notwehrexzess ohne jegliche Überlegung
Für die beiden Konstellationen, in denen der Tater entweder versehentlich die Grenzen der Notwehr überschreitet 6 oder - ohne sich überhaupt irgendwelche Ge2 So die h. M.: RGSt.21 S. 189, 191; 56 S. 33,34; BGH NStZ 1987 S. 20; 1989 S.474f.; BGHSt. 39 S. 133, 139; Blei AT S. 212; Jakobs AT 20/30; JeschecklWeigend § 45 113; Lacknerl Kühl § 33 Rn. 1; LK-Spendel § 33 Rn. 52 ff.; MaurachlZipj AT § 34 III Rn. 30; Müller-Christmann JuS 1989 S. 719; ders. JuS 1994 S. 650; Roxin FS für Schaffstein S. 107 ff.; Rudolphi JuS 1969 S. 463; Sauren Jura 1988 S. 570; Stratenwerth AT § 9 Rn. 93; Tröndlel Fischer § 33 Rn.3; a. A.: LK-Baldus 6. Auflage § 53 Rn. 43; Binding Handbuch 1 S.753; Schmidhäuser Lehrbuch 11/26; Sch/Sch-LencknerIPerron § 33 Rn. 6; Schröder ZAkDR 1944 S. 123; Welzel Strafrecht S. 89. 3 Dazu gleich im Anschluss. 4 Jakobs AT 20/30. 5 1. Kap. 11. 1. 6 V gl. 1. Kap. 11. 2. a).
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
danken über die Qualität seiner Verteidigung zu machen - einfach aus dem reinen Angstgefühl heraus 7 einen Exzess begeht, gilt das zum bewussten Exzess Gesagte entsprechend: In jedem Fall liegt die überwiegende Verantwortlichkeit für die eingetretene Rechtsgutverletzung beim Angreifer, weil dieser aufgrund seiner verbotenen Attacke die Rechtsgutbeeinträchtigung selbst ausgelöst und begründet hat. Unter generalpräventiven Aspekten besteht deshalb die Möglichkeit eines Sanktionsverzichts, ohne dass es neben Verwirrung, Furcht oder Schrecken noch auf eine sonstige subjektive Beziehung des Täters zur Tat ankommt. Damit fallen die fahrlässige und gedankenlose Exzessbegehung in den Risikobereich des Attackierenden und aus dem Verantwortungsbereich des Exzedenten. Dieses Ergebnis entspricht der in Literatur und Rechtsprechung unbestrittenen Auffassung. 8 Für die fahrlässig bzw. gedankenlos agierenden Täter Wund G in den Beispielen 11 und 15 9 ist § 33 StGB damit anwendbar. 2. Irrtum und Notwehrexzess Bei der Lösung von Irrtumsfällen, die objektiv durch eine Überschreitung der Notwehrgrenzen gekennzeichnet sind, müssen die Tatformen "Putativnotwehr und Exzess" sowie "Putativnotwehrexzess" auseinander gehalten werden. 10
a) Putativnotwehr und Exzess Wird bei der Konstellation "Putativnotwehr und Exzess" § 33 StGB relevant, weil sich der Erlaubnistatbestandsirrtum als vermeidbar herausstellt und somit wegen § 1612 StGB eine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Raum steht, 11 ist die Privilegierung der Exzessnorm anzuwenden. Denn für den Irrtum des Täters, an dem der Vorwurf und damit die Strafbarkeit ansetzt und der zur exzessiven Rechtsgutverletzung führt, ist das Opfer aufgrund seines rechtswidrigen Angriffs vorrangig verantwortlich. Mit anderen Worten: Der Verletzte hat die Desorientierung des Täters durch den Angriff erst ausgelöst und das noch dazu in aggressiver und verbotener Form, so dass die Fehlvorstellung des aus Schwäche handelnden Täters, welche die Grenzüberschreitung und damit die Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen bewirkt hat, zum überwiegenden Teil auf das Konto des zuerst Attackierenden geht. Unter generalpräventiven Gesichtspunkten erlaubt das einen Strafverzicht zugunsten des Exzedenten. Vgl.1.Kap.II.2.c). Vgl. RGSt. 21 S.189, 191; BGH NStZ 1987 S.20; BayObLGSt. 1951 S.362, 364; NK-Herzog § 33 Rn. 24; SK-Rudolphi § 33 Rn.4; Tröndle/Fischer § 33 Rn. 3; Kühl AT § 12 Rn. 148 m.w.N. 9 1. Kap. 11. 2. a) und 2. c). IO Zur Terminologie und zum begrifflichem Inhalt: V gl. 1. Kap. 11. 2. b aa) bzw. bb). 11 Vgl. zum Wirkungsmechanismus "Putativnotwehr und Exzess" ausführlich oben I. Kap. 11. 2. b) aa). 7
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11. Unbewusster Notwehrexzess
Auf die subjektive Beziehung des Täters zum Exzess kommt es deshalb auch für diese Konstellation nicht an. Damit steht den Tätern J und K in den Beispielen 12 und nach § 33 StGB offen.
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die Exkulpation
b) Putativnotwehrexzess Entsprechend der grammatikalischen Auslegung lässt sich der Putativnotwehrexzess nicht unter den natürlichen Wortsinn von § 33 StGB subsumieren. 13 Damit stellt sich die Frage, ob wenigstens eine analoge Anwendung - hier zulässigerweise in bonam partem - in Betracht zu ziehen ist. Schröder favorisiert ein derartiges Vorgehen: " ... ob der Angegriffene sich tatsächlich in Notwehr befindet oder es nur irrtümlich annimmt, seine , Geistesverfassung , (sc. des Täters), die psychische Beeinflussung seines Handeins durch Bestürzung, Furcht oder Schrecken, ist ganz die gleiche ... Das Entscheidende ist nicht die objektive Situation, sondern der durch den tatsächlichen oder vermeintlichen Angriff hervorgerufene Affekt und seine Ursächlichkeit für das Handeln des Täters, eine Tatsache, die zum mindesten die analoge Anwendung des § 53 III StGB auch in den Fällen der Putativnotwehr rechtfertigen würde." 14 Einem solchen psychologisierenden Verständnis der Vorschrift über den Notwehrexzess kann angesichts des in dieser Arbeit entwickelten Konzepts nicht gefolgt werden. Es kommt nicht ausschließlich auf die Affektbestimmtheit des Täters, sondern vielmehr darauf an, die Verantwortungsbereiche von Täter und Opfer abzustecken. Nur wenn der Verletzte im Vergleich zum Täter an der Rechtsgutbeeinträchtigung überwiegend selbst zuständig ist, kann die Verantwortung weg vom Exzedenten und hin zum Opfer verschoben werden. Für eine solche Verlagerung des Rechtskonflikts in den Organisationskreis des Betroffenen genügt aber nicht allein jede naturalistische Kausalität seitens des Opfers an der Rechtsgutverletzung. Vielmehr setzt die Privilegierung nach § 33 StGB einen rechtswidrigen, tatsächlichen und damit zurechenbaren Angriff voraus. Sollte ein solcher auf Seiten des Verletzten nicht vorliegen, trifft die überzogene Abwehr nicht den "Richtigen" .15 Ganz im Gegenteil: Die affektbedingte Desorientierung des Täters geht das Opfer nichts an; es ist dafür nicht verantwortlich, so dass unter generalpräventivem Blickwinkel der Strafrechtsschutz für solche Personen dem Interesse des Exzesstäters an Strafverzicht vorgeht. Deshalb gilt: Ist das Opfer nur in der Vorstellung des Täters als rechtswid1. Kap. 2. a) aa). V gl. dazu ausführlich oben 2. Kap. I. 7.: Wenn es schon am Bezugsobjekt für die in Frage kommenden Grenzüberschreitung fehlt, weil ein Angriff realiter nie bestanden hat, so kann mangels eines solchen Anknüpfungspunktes von einer "Über"-schreitung nicht die Rede sein. 14 Schröder ZAkDR 1944 S. 125; ders. SchiSchröder 17. Auflage § 53 Rn. 6; ebenso im Ergebnis: Coenders JW 1925 S. 963; Aschermann Diss. S. 139. 15 Vgl. dazu Jakobs AT 20/33; HeuchemerJA 1999 S.725; TimpeJuS 1985 S.121 f. 12
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6 Motsch
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
riger Angreifer zu qualifizieren, bedarf es seitens der Gemeinschaft derselben Obhut vor Rechtsgutverletzungen wie jeder andere Dritte. 16 Der Putativnotwehrexzess muss demnach unter Strafe gestellt werden, so dass eine analoge Anwendung des § 33 StGB ausscheidet. 17 Zu diesem Ergebnis zwingt auch der Vergleich der Putativnotwehr mit dem Putativnotwehrexzess: Geht der Täter irrig von einem Angriff aus und hält er - diesen als wahr unterstellt - die Grenzen der Erforderlichkeit und/oder Gegenwärtigkeit ein, tritt trotz Erlaubnistatbestandsirrtums Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tatbegehung ein, wenn die Fehlvorstellung bezüglich des Angriffs vermeidbar war. 18 Würde nun der - so gesehen - strafbare Täter in der eben beschriebenen Situation noch dazu die Grenzen der Intensität der Verteidigung oder der Zeit überschreiten,19 würde bei analoger Geltung des § 33 StGB dagegen eine Straffreistellung des Täters stattfinden. Dies hätte im Vergleich zur Putativnotwehr eine axiologisch unbegründbare Privilegierung von (Putativ-)Exzesstaten zur Konsequenz, welche weit gefährlicher sind als (Putativ-)Begehungsweisen innerhalb der durch § 32 StGB festgesteckten Grenzen. 20 Im Beispiel 14 21 steht deshalb eine Strafbefreiung nach § 33 StGB analog für F nicht zur Disposition. Von der gemeinsamen Überzeugung, die Exzessnorm grundsätzlich nicht auf den Putativnotwehrexzess Anwendung finden zu lassen, werden in der Literatur teilweise zwei Ausnahmen gemacht. So will Rudolphi den Geltungsbereich von § 33 StGB für den Putativnotwehrexzess (analog) eröffnen, wenn der Irrtum über das Vorliegen des Angriffs unvermeidbar ist. Dabei erfolgt die Argumentation (wieder) mit Unrechtsquantitäten und (wieder) im Vergleich zur maßvollen, die Grenzen des § 32 StGB einhaltenden Notwehr: Bei der Form der Putativnotwehr, in welcher der Täter - unverschuldet - einem Irrtum über den Angriff unterliegt und in seiner vermeintlichen Abwehr die Notwehrgrenzen einhält, ergebe sich Straffreiheit, weil das vorhandene Erfolgsunrecht nicht als personales Unrecht zugerechnet werden könne. Das Handlungsunrecht fehle völlig, da nach der eingeschränkten Schuldtheorie bei Irrtum über das VorhandenV gl. dazu Roxin AT § 22 Rn. 95; ders. FS für Schaffstein S. 120. So auch die h. M. in Rechtsprechung und Literatur. Vgl. statt vieler: RMilG 1 S.69, 71; RG 21 S.189; 54 S.36; 61 S. 216; BGH NJW 1968 S.1885; BGH NStZ 1983 S.453; Fischer Diss. S. 96; Jescheck/Weigend AT §45 H4; LK-Spendel §33 Rn.32; Vogt Jura 1981 S.384; Wessels/Beulke AT Rn. 448. 18 So die Rechtsfolge gemäß § 1612 StGB. Eine Exkulpation dieses Fahrlässigkeitsvorwurfes wegen § 33 StGB scheidet aus; denn die Abwehr des vermeintlichen Angriffs erfolgt innerhalb der Grenzen von § 32 StGB, so dass gerade kein Exzess vorliegt. 19 Also im Fall des Putativnotwehrexzesses. 20 Vgl. dazu auch Oetker JW 1925 S. 962; Rudolphi JuS 1969 S. 464. 21 1. Kap. H. 2. b) bb). 16
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11. Unbewusster Notwehrexzess
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sein von Rechtfertigungsgründen der Vorsatz und bei Unvenneidbarkeit der Fehlvorstellung auch die sich wegen § 16 12 StGB stellende objektive Fahrlässigkeit entfalle. "Für den Putativnotwehrexzess folgt daraus, dass dem Täter jedenfalls der Erfolgsunwert, der bei Einhaltung der zur Abwehr des venneintlichen Angriffs erforderlichen Verteidigung eingetreten wäre, nicht als Unrecht personal zugerechnet werden kann. Das dem Täter personal zurechenbare Unrecht seiner Tat ist also beim Putativnotwehrexzess in ähnlicher Weise wie bei der echten Notwehrüberschreitung gemindert, wenn sein Irrtum über das Vorliegen einer Notwehrlage unvenneidbar war. "22 Dieses Ergebnis von Rudolphi ist logische Konsequenz seiner Methode, § 33 StGB mit dem Abwiegen und "Verrechnen" von Unrechtsmengen zu erklären. Um den Teil, um welchen das Erfolgsunrecht bei strafloser, weil gerechtfertigter Verteidigungshandlung entfallen wäre,23 soll auch das (vorhandene) Erfolgsunrecht des Putativnotwehrexzesses gemindert sein, was eine Privilegierung erlaube. Dieser Schlussfolgerung kann aber - schon mit Hinweis auf die allgemeine Kritik zu seinem Modell der doppelten Schuldminderung - nicht gefolgt werden. Eine "Verrechnung" des nicht zurechenbaren Erfolgsunwerts bei Putativnotwehr als Minus zum zurechenbaren Erfolgswert beim Putativnotwehrexzess scheitert daran, dass allein letzterer zurechenbarer Erfolgsunwert die (volle) Strafbarkeit begründet, ohne dass es auf die Unrechtsqualität der Putativnotwehr ankommt. Insoweit liegen Putativnotwehr und Putativnotwehrexzess genauso wie rechtmäßige Notwehr und Notwehrüberschreitung auf zwei selbständigen Unrechtsebenen, die eine "Verrechnung" nicht zulassen. Der Unterschied im Erfolgsunwert zwischen Putativnotwehr und Putativnotwehrexzess macht damit allein und ausschließlich die Strafbarkeit aus. 24 Ferner thematisiert eine solche Lösung zu sehr den Exzedenten und vernachlässigt den Schutz des Opfers durch die Gemeinschaft. Es kann aus generalpräventiven Gründen nicht angehen, dass Umstände, welche außerhalb der Einflusssphäre des vom Exzess Betroffenen liegen,25 über den Verlust der strafrechtlichen Obhut der Gemeinschaft für das Opfer entscheiden. Vielmehr gilt nach der ratio legis von § 33 StGB: Unabhängig davon, ob der Irrtum über den Angriff verschuldet war oder nicht, solange nicht wegen eines (tatsächlichen) rechtswidrigen Angriffs eine vorrangige Zuständigkeit des Opfers an der Rechtsgutverletzung auszumachen ist, darf eine StraffreisteIlung des Täters mit der negativen Konsequenz, dass das Opfer seinen Strafrechtsschutz verliert, nicht erfolgen. 26 Nur für den bestimmten Fall, dass das Opfer den Angriff absichtlich simuliert und den Täter damit bewusst in einen Irrtum versetzen will,27 soll nach Roxin und Jakobs 22 Rudolphi JuS 1969 S.464; ders. SK § 33 Rn.6; ähnlich Blei AT S. 212; BaumannlWeberl Mitsch AT § 23 Rn. 47; Sch/Sch-LencknerIPerron § 33 Rn. 8; TröndlelFischer § 32 Rn. 27. 23 Hier bei unvermeidbarer Putativnotwehr. 24 Vgl. zu dieser komplizierten Problematik nochmals ausführlich oben 2. Kap. 11. 2. b). 25 Hier die Unvermeidbarkeit des Irrtums seitens des Täters. 26 Ebenso Heuchemer JA 1999 S. 725; Roxin AT § 22 Rn. 96; Timpe JuS 1985 S. 122. 27 Beispielsweise um den Exzedenten zu erschrecken.
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
von der Notwendigkeit einer wirklichen rechtswidrigen Attacke als Voraussetzung für die Zuständigkeitsverschiebung eine Ausnahme gemacht werden. 28 Ein solches Vorgehen erscheint bedenklich, weil damit die dem Gesetz entspringenden Kriterien, wann aus präventiven Gründen auf Strafe verzichtet werden darf, aufgegeben werden. Die überwiegende Zurechnung der Rechtsgutverletzung würde schon allein aufgrund des bewussten Vorspiegelns eines Angriffs erfolgen, ohne dass dieser - wie es § 33 StGB voraussetzt - tatsächlich und rechtswidrig vorliegt. Das Opfer begibt sich mit seinem "Schauspiel" zwar auf geschmackloses, nicht aber tatbestandliches und verbotenes Terrain. Dennoch erlaubt eine normative Betrachtungsweise für diesen Sonderfall ausnahmsweise eine Zurechnung der Rechtsgutverletzung zum Opfer, wie Roxin und Jakobs überzeugend begründen: 29 Durch den Scheinangriff hätte das Opfer - wie bei einem wirklichen rechtswidrigen Angriff - die Exzessentwicklung in missbilligenswerter Weise selbst ausgelöst. Das Schutzbedürfnis des Opfers sei damit im Vergleich zu "normalen", d. h. völlig "unbeteiligten" Putativangreifer, welche eine Täuschung über den Angriff nicht beabsichtigen, weit geringer. Außerdem dürfe der nur zum Schein Angreifende einem echten Angreifer gleichgestellt werden - wollte er doch schließlich ein solcher auch sein. Deshalb sei es bei fingierten Angriffen unter generalpräventiver Sichtweise angebracht, die Straffreiheit des Täters dem Opferschutz vorgehen zu lassen. Zur Bekräftigung dieses Befundes formuliert Jakobs treffend: Es "geht ... um die Wirklichkeit der Bedingungen der Zurechnung zum Eingriffsopfer, nicht um die Wirklichkeit einer geschaffenen Notwehrlage"; "wer den Schein einer Notsituation zurechenbar schafft und dann bei der gegen ihn gerichteten Abwehr behandelt wird, als habe er eine wirkliche Notsituation geschaffen, hat damit nicht eine Sonderbehandlung zu tragen, sondern die Konsequenzen seines Täuschungsmanövers, durch das er den Angreifer in eine unterlegene Stellung gebracht hat. "30 Damit sei schließlich auch der Rechtspraxis ein Dienst erwiesen, wie Roxin erkennt: Lässt sich im Fall des vorzeitigen Exzesses nicht mit hinreichender Sicherheit für den Richter klären, ob der Angriff3l wirklich ernst gemeint war oder nur zum Schein erfolgte, so spiele das - sollte man den Präventivnotwehrexzess 32 unter § 33 StGB fallen lassen - für die Straffreiheit des Ex28 Vgl. Jakobs AT 20/33; Roxin AT § 22 Rn. 96; ders. FS für Schaffstein S. 120; ähnlich Diederich Diss. S. 150f. und Fischer Diss. S.97. 29 Nicht im Ergebnis, aber in der Konstruktion ergeben sich bei beiden Unterschiede: Roxin wendet wegen der wertenden Vergleichbarkeit § 33 StGB analog an, während für Jakobs die Vorschrift direkte Geltung erlangt, weil ein Scheinangriff ein wirklicher Angriff im Sinn von § 32 StGB sei und nicht nur ein Putativangriff (v gl. dazu Roxin AT § 22 Rn. 96 und Jakobs AT 20/33). 30 Jakobs AT 11/9. Die Gegenansicht bei LK-Spendel § 33 Rn. 33, die eine Sanktions notwendigkeit fordert, weil selbst ein fingierter Angriff den Täter nicht "von der Pflicht zu einer rechtmäßigen Reaktion und von der Strafe für eine rechtswidrige" entbinde, verkennt, dass mit einer solchen Argumentation auch nicht der "normale" Notwehrexzess straflos sein dürfte. Denn auch dort ist trotz des rechtswidrigen Angriffs des Opfers dem Täter von der Rechtsordnung auferlegt, nicht über die Notwehrgrenzen hinauszugehen. 31 Z. B. beim Griff zum Messer.
III. Intensiver Notwehrexzess
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zedenten keine Rolle, da sich jedenfalls in beiden Alternativen die Privilegierung des Täters ergeben würde. 33 Insgesamt ist deshalb festzustellen: Der Putativnotwehrexzess wird entsprechend dem erarbeitenden Strafzweckkonzept weder direkt noch analog von § 33 StGB erfasst - es sei denn, das Opfer fingierte den Angriff. 34
BI. Intensiver Notwehrexzess Bei der Lösung des intensiven Notwehrexzesses ist zwischen den Varianten "Exzess im Hinblick auf die Erforderlichkeit" und "Exzess im Hinblick auf die Gebotenheit" zu unterscheiden. 1. Exzess im Hinblick auf die Erforderlichkeit
Die intensive Notwehrüberschreitung im Hinblick auf das Erforderlichkeitskriterium stellt den klassischen Fall von § 33 StGB dar. Nach dem Strafzweckmodell gestaltet sich die Lösung dieser Konstellation unproblematisch: Durch das Hinausgehen über die Grenzen der erforderlichen Verteidigung begeht der Exzedent zwar Unrecht. Als dafür vorrangig zuständig ist jedoch das Exzessopfer anzusehen, wenn dieses mittels aggressivem und rechtswidrigem Angriff die Überschreitung überhaupt erst verursacht hat. Eine Strafbewehrung des Täters kann deshalb unter generalpräventiven Strafzweckerwägungen entfallen. Die anderen Ansätze, welche das hier zugrunde gelegte Strafzweckmodell nicht vertreten, gelangen zu demselben - unbestrittenen - Ergebnis: § 33 StGB ist auf den intensiven Exzess anwendbar. 35 Damit sind die Beispiele 1 und 2 36 derart zu lösen, dass der jeweilige Exzedent 37 gemäß § 33 StGB nicht bestraft wird.
Vgl. dazu unten 3. Kap. V. Vgl. Roxin FS für Schaffstein S.120 Fn. 72. 34 Für den Sonderfall der Angriffssimulation ist ausnahmsweise ein schuldhaftes Angriffsverhalten des Opfers zu fordern, da keine Aktion auf rechtswidrigem Boden vorhanden ist, welche auch ohne Schuld des Attackierenden eine Zuständigkeitsverschiebung erlauben würde. 35 Vgl. statt vieler: Jakobs AT 20/31; Kühl AT § 12 Rn. 135; LK-Spendel § 33 Rn. 2; MüllerChristmanns JuS 1989 S. 718; NK-Herzog §33 Rn. 9; Roxin AT §22 Rn. 84; SK-Rudolphi §33 Rn.2; WesselslBeulke Rn.446. 36 1. Kap. I. 1. a) und b). 37 Im Fall 1 der E, im Fall 2 der B. 32 33
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
2. Exzess im Hinblick auf die Gebotenheit Der Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern, der provozierte Notwehrexzess sowie der außergewöhnlich krasse Notwehrexzess bilden die zentralen Fälle der intensiven Notwehrüberschreitung in Bezug auf die Gebotenheitsgrenze.
a) Notwehrexzess gegenüber schuldlosen Angreifern Überschreitet der Täter die Grenze der Verteidigung, die gegenüber schuldlos Attackierenden geboten ist, ergibt sich nach dem Strafzweckkonzept eine Privilegierung für den Exzedenten. Denn für die Begründung der vorrangigen Konfliktzuständigkeit des Opfers am Verletzungserfolg genügt schon die Rechtswidrigkeit seines Angriffs. Ein darüber hinausgehendes schuldhaftes Angriffsverhalten des Attackierenden ist dafür nicht zwingend. 38 Deshalb entfällt unter generalpräventiver Betrachtung auch bei Exzessen gegenüber schuldlosen Angreifern die Notwendigkeit, den Exzedenten zu bestrafen, so dass § 33 StGB auch für diese Konstellationen einschlägig ist. Damit liegt zugleich Übereinstimmung mit dem Ergebnis der grammatikalischen Auslegung vor, welche das hier gefundene Ergebnis bekräftigt und bestätigt. Demzufolge gilt für Beispiel 3: 39 Exzedent R ist gemäß § 33 StGB von Strafe freizustellen.
b) Provozierter Notwehrexzess Die Meinungen zur Lösung der Konstellation des provozierten Notwehrexzesses bewegen sich auf einem kontrovers diskutierten, weiten Feld. Dies rührt daher, dass schon die verschuldete Notwehr, welche der Überschreitung zugrunde liegt, einen sehr umstrittenen Problemkomplex darstellt. Darauf kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden; vielmehr soll der Exzess im Vordergrund stehen und das diesem vorgelagerten Problem der provozierten Notwehr nur insoweit aufgegriffen werden, als das für § 33 StGB unerlässlich ist. aa) Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Die Rechtsprechung vertrat anfangs eine strenge Position und versagte die Berufung auf § 33 StGB, wenn der Exzedent den Angriff gegen sich selbst "durch eigenes, grob missbilligenswertes Vorverhalten" ausgelöst hat. 40 Das wurde mit der vielzitierten Formulierung begründet: Die Exzessvorschrift könne "ihrem Wesen nach immer nur ein schuldhaftes Verhalten ergreifen, das ausschließlich mit der unmittelVgl. oben 2.Kap.II.3.d)bb). 1. Kap. I. 1. b) aa). 40 BGH NJW 1962 S. 308, 309; dem folgend OLG Hamm NJW 1965 S. 1928 f. 38
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baren Abwehr des Angriffs zusammenhängt. Sie darf nicht zur Ausräumung eines vorwerfbaren Verhaltens herangezogen werden, das bereits vor Eintritt der Notwehrlage eingesetzt hat."41 Diese Rechtsprechung stieß auf starke Ablehnung im Schrifttum. Kritisiert wurde vor allem, dass der Wortlaut von § 33 StGB eine solche Einschränkung nicht erlaube. 42 Der Druck der sich gegen eine solche Lösung aussprechenden Stimmen veranlasste schließlich die Judikatur, eine derart weite Restriktion von § 33 StGB aufzugeben und eine engere Linie einzunehmen, wonach auch bei schuldhaft provozierter, also vorwerfbarer Notwehrlage, Raum für die Anwendung von § 33 StGB sein soll. Gleichwohl erfolgte das Einlenken nicht mit voller Konsequenz: Eine Einschränkung von § 33 StGB sei weiterhin vorzunehmen, "wenn der Täter sich planmäßig in eine tätliche Auseinandersetzung mit seinem Gegner eingelassen hat, um unter Ausschaltung der für die Konfliktlösung zuständigen und erreichbaren Polizei den Angriff mit eigenen Mitteln abzuwehren und die Oberhand über seinen Gegner zu gewinnen", und insoweit selbst "Krieg" mit den Widersachern austrägt. 43 Am Ende steht somit die Formel für den provozierten Exzess: Vorwerfbares Vorverhalten, welches den späteren Angriff hervorruft, bleibt für die Privilegierung nach § 33 StGB außer Betracht, es sei denn, dieses war auf eine planmäßige Auseinandersetzung, mithin auf Krieg gerichtet. Die überwiegende Literatur begrüßt zwar die Abkehr von der alten Rechtsprechung, das Einlenken des BGR geht ihr aber nicht weit genug. Sie lehnt die Ausnahme ab, dem Exzedenten die Privilegierung des § 33 StGB bei planmäßigem "Sicheinlassen" in die tätliche Auseinandersetzung mit dem Gegner zu verwehren. Dabei beruft sich die Literatur vornehmlich auf den eindeutigen Wortlaut der Exzessnorm, der eine solche Einschränkung nicht zulasse. 44 Vor allem aber stößt die Argumentation des Gerichts auf Kritik, weshalb § 33 StGB bei planmäßigem "Sicheinlassen" in den Konflikt nicht anzuwenden sei. Der BGR hatte nämlich zur Begründung ausgeführt, dass in solchen Situationen die eigentliche Ursache für die Notwehrüberschreitung nicht in einer durch den rechtswidrigen Angriff ausgelösten, auf asthenischen Affekten beruhenden Schwäche des Angegriffenen liege, sondern in dem vor Eintritt der Notwehrlage gefassten, auf sthenischen Affekten beruBGH NJW 1962 S. 308, 309; ebenso OLG Hamm NJW 1965 S. 1928 f. Vgl. Müller-Christmann JuS 1994 S. 651; LK-Spendel § 33 Rn. 74; Rudolphi JuS 1969 S.461; Roxin AT § 22 Rn. 93 sowie dazu ausführlich oben 2. Kap.l.l. a). 43 BGHSt. 39 S.133, 140; bestätigt in NJW 1995 S.973; dem Aufsehen erregenden Urteil liegt der sogenannte "Bordell-Fall" zugrunde. Das Gericht hatte folgenden vereinfacht dargestellten Sachverhalt zu beurteilen: Skinheads drohten, das Etablissement des Angeklagten zu verwüsten. Anstatt die Polizei zu verständigen, trat der Bordellbesitzer den Rechtsradikalen, die sich unweit von seinem Bordell aufhielten, mit einer Schrotflinte entgegen und forderte sie auf "abzuhauen". Es entwickelte sich eine Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und einem Skinhead. Auf den Angriff des Skinheads reagierte der Angeklagte mit einem - nicht gebotenen - tödlichen Schuss aus der Schrotflinte. 44 So z. B. Roxin NStZ 1993 S. 336. 41
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
henden Entschluss, den "Krieg" mit dem Gegner selbst auszutragen. 45 An dieser Begründung des Gerichts wird kritisiert, dass sie einen unzulässigen Wechsel in der Argumentationsebene vollzieht: Es gehe mit einer derartigen Argumentation nicht mehr - wie bei der vorausgegangenen älteren Rechtsprechung - um die Begründung für eine Einschränkung des tatbestandlich gegebenen § 33 StGB, sondern vielmehr um die Begründung für einen tatbestandlichen Ausschluss von § 33 StGB, indem eine Konstruktion gewählt werde, bei welcher schon die gesetzlichen Voraussetzungen der Exzessnorm mangels asthenischer Affekte nicht vorliegen würden. 46 Aber selbst wenn man sich auf den Wechsel in der Argumentationsebene einließe, könne die Auffassung des BGH nicht überzeugen. Die Berechtigung eines solchen Vorgehens, nicht die asthenischen Motive im Exzesszeitpunkt, sondern die den Täter davor bestimmenden sthenischen Affekte zum Anknüpfungspunkt zu machen und darauf die Strafbarkeit zu stützen, begründet der BGH nicht. Dieser Weg wäre allenfalls über die aktuell sehr umstrittene Rechtsfigur der actio libera in causa denkbar. Dabei käme zur dogmatischen Begründung die vom BGH im Rahmen der actio libera in causa regelmäßig angewandte Vorverlagerungstheorie in Frage,47 solange nicht die Strafbarkeit wegen Straßenverkehrsdelikten im Raum steht. 48 Hiergegen wendet sich aber die Literatur: Die Vorverlagerungstheorie sei beim Notwehrexzess nicht anwendbar. Denn die actio praecedens, der Entschluss zum Krieg führen, könne den Tatbestand der in Frage stehenden Norm nicht erfüllen. Eine vorsätzliche täterschaftliche Zurechnung des exzessiven Verletzungserfolges über das davor liegende planmäßige ,,sicheinlassen" in den Konflikt komme nicht in Betracht. Dafür fehle dem Exzedenten die Tatherrschaft über die Herbeiführung der im Tatzeitpunkt nach § 33 StGB straffreien Notwehrüberschreitung. Denn diese liege beim Opfer, weil es eigenverantwortlich entscheide, ob es auf das provokante Vorverhalten mit einem notwehrfahigen Angriff reagiere oder nicht. Auch mit Hilfe einer Vorverlagerungskonstruktion im Rahmen der actio libera in causa könne damit kein Ausschluss des Tatbestandes von § 33 StGB begründet werden, so dass selbst dann eine Sanktion des Exzedenten nicht in Frage komme, wenn man auf das Verhalten des Täters vor Exzessbegehung strafbarkeitsbegründend abstellt. 49 Insgesamt lehnt demnach die überwiegende Literatur die Ausnahme der Rechtsprechung ab, dem Exzedenten § 33 StGB zu verwehren, falls er sich planmäßig in den Konflikt mit dem späteren Opfer eingelassen hat. Der Umstand der schuldhaften 45 Vgl. BGH NStZ 1993 S. 333,334. 46 So Roxin NStZ 1993 S. 336; Müller-Christmann JuS 1994 S. 652. 47 Vgl. BGHSt. 17 S. 259; 333; BGH NStZ 97 S. 230. 48 Bei Straßenverkehrsde1ikten will der 4. Strafsenat (BGHSt.42 S. 235) die actio 1ibera in
causa nicht mehr anwenden. Nach dem 3. Strafsenat (JR 1997 S. 391) wird jedoch jenseits der Straßenverkehrsdelikte an dieser Rechtsfigur festgehalten. Vgl. zum Ganzen Wessels/Beulke AT Rn.415 m. w. N. 49 Dazu eingehend Drescher JR 1994 S. 424; Renzikowski FS für Lenckner S. 259 ff.; Rudolphi JuS 1969 S.465. Drescher JR 1994 S.425f. schlägt deshalb bei planmäßigem "Sicheinlassen" in den Konflikt eine Ausnahme vom Simultanitätspririzip vor, sieht darin aber auch die Gefahr eines Verstoßes gegen Art. 10311 GG.
III. Intensiver Notwehrexzess
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Angriffsprovokation, insbesondere auch das planmäßige ,,sicheinlassen" in den Konflikt, sei vielmehr derart zu handhaben: Führt das Vorverhalten zu einer Versagung des Notwehrrechts nach § 32 StGB - so gemäß herrschender Auffassung bei Absichtsprovokation -, kann § 33 StGB nicht Platz greifen. Bewirkt dagegen die Provokation nur eine Einschränkung des Notwehrrechts, steht also noch ein Verteidigungsrecht zu, so könne das insoweit noch vorhandene Notwehrrecht auch überschritten werden. Denn dann liege ein Hinausgehen über die Gebotenheitsgrenze vor, mithin ein intensiver Exzess, bei welchem - gestützt auf den Wortlaut - kein Anlass bestünde, dem Exzedenten § 33 StGB zu verwehren. 50 Damit gilt nach überwiegender Auffassung in der Literatur: Solange das Vorverhalten, insbesondere auch das planmäßige "Sicheinlassen" in den Konflikt nicht als eine das Notwehrrecht ausschließende Absichtsprovokation gewertet werden kann, findet § 33 StGB auch für provozierte Exzesse Anwendung. 51 bb) Lösung nach dem Strafzweckkonzept Der Literatur ist uneingeschränkt zuzustimmen, dass § 33 StGB nur dann Anwendung erlangen kann, wenn die Provokation das Notwehrrecht nicht völlig beseitigt. Denn bestand nie ein Notwehrrecht, weder in der Gegenwart (intensiver Exzess) noch in Vergangenheit oder Zukunft (extensiver Exzess), ist auch ein Exzess denknotwendig ausgeschlossen. § 33 StGB setzt die Möglichkeit eines erlaubten Agierens in Notwehr voraus, indem es das Hinausgehen darüber zum Bezugspunkt nimmt. Problematisch sind deshalb nur die Fälle, bei denen dem Exzedenten ein Notwehrrecht trotz Provokation verbleibt. Bei der Betrachtung der Argumente, welche Literatur und Rechtsprechung zu deren Lösung anführen, fällt auf: Das überwiegende Schrifttum beruft sich ausschließlich auf den Wortlaut, der eine Einschränkung des § 33 StGB bei provozierter Notwehrlage verbiete und hält jeder davon abweichenden Ansicht einen Verstoß gegen Art. 103 II GG vor. Das allein überzeugt aber ohne Eingehen auf den Sinn der Norm nicht genügend. Immerhin wäre eine teleologisch zu fordernde tatbestandsimmanente Einschränkung des § 33 StGB denkbar, welche nicht zu einer unzulässigen Analogie führen würde. Die Argumentation der Literatur ist zumindest sehr dünn. Die Rechtsprechung lässt eine tragfähige Begründung vermissen, warum § 33 StGB nicht anzuwenden ist, wenn sich der Exze50 Vgl. statt vieler: Arzt JZ 1994 S. 314ff.; Jescheck/Weigend AT § 45 II 5; Kühl AT § 12 Rn. 152; MaurachlZip[ AT § 34 III Rn. 30; NK-Herzog § 33 Rn. 25; Roxin FS für Schaffstein S. 122; Sauren Jura 1988 S.570; SK-Rudolphi § 33 Rn. 5. Geht man - wie LK-Spendel § 33 Rn. 74 - davon aus, dass wegen der Eigenverantwortlichkeit des Angreifers selbst bei Absichtsprovokation dem Exzedenten ein Notwehrrecht gewährt wird, muss § 33 StGB konsequenterweise auch Anwendung finden, falls innerhalb der beabsichtigten Notwehrlage eine Grenzüberschreitung erfolgt (ähnlich auch Renzikowski FS für Lenckner S. 264 f.). 51 Im Bordell-Fall konnte dem Täter keine Absichtsprovokation zur Last gelegt werden (vgl. dazu Müller-Christmann JuS 1994 S. 652; Lesch StV 1993 S. 582), so dass nach der h. M. in der Literatur der Exzedent in den Genuss von § 33 StGB gekommen wäre.
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
dent planmäßig in den Konflikt mit dem Opfer einlässt. Sie geht dabei eher ergebnisorientiert und gefühlsmäßig als dogmatisch stringent vor. Sowohl Literatur als auch Judikatur hinterlassen damit eine nicht zufrieden stellende bzw. nur bruchstückhafte Erklärung, wie die Konstellationen des provozierten Exzesses zu behandeln sind, bei denen ein Notwehrrecht erhalten bleibt. Das Strafzweckkonzept bietet dagegen eine umfassende und schlüssige Lösung. Danach ist für die Privilegierung des Exzedenten maßgeblich, inwieweit sein missbilligenswertes Verhalten im Vorfeld des Exzesses die Zuständigkeit für den späteren Konflikt und damit für die Rechtsverletzung ausgestaltet. Mit anderen Worten: Darf das Opfer aufgrund seines Angriffs noch als überwiegend verantwortlich für die überzogene Abwehrreaktion und damit für den Verletzungserfolg angesehen werden, wenn der Täter seinerseits die Attacke gegen sich selbst vorwerfbar provoziert hat und deshalb für die Überschreitung (mit)ursächlich gewesen ist? Die Frage ist entsprechend der ratio legis von § 33 StGB zu bejahen, solange die Herausforderung zum Angriff nicht rechtswidrig war. Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Zwar agiert der Provokateur aufgrund seines sozialethisch zu beanstandenden Vorverhaltens vorwerfbar, eine Haupt- oder gleichrangige Verantwortlichkeit gegenüber dem angreifenden Opfer lässt sich damit aber nicht begründen. Denn auch wenn sich der Exzedent mittels seiner Provokation von einem gänzlich unbeteiligt attackierten Tater unterscheidet und insoweit im Unterschied zu diesem für die Rechtsgutbeeinträchtigung (mit)ursächlich ist, erreicht er dadurch dennoch nicht dieselbe Verantwortlichkeits stufe wie das Opfer kraft seines rechtswidrigen Angriffs. Während nämlich letzteres rechtswidrig aggressiv handelt und somit in einer Art, für welche die Gesellschaftsordnung grundsätzlich Bestrafung vorsieht, schlägt beim Exzedenten nur der Vorwurf eines lediglich sozialethisch missbilligenswerten Benehmens zu Buche, mit dem kein Tatbestand und deshalb auch keine Strafbewehrung verknüpft ist. Trotz Annäherung an die Hauptzuständigkeit des Opfers bewegt sich die fahrlässige Provokation noch auf einer im Vergleich zur Verantwortlichkeit des betroffenen Exzesssubjekts normativ darunter liegenden Stufe. Das Mindestmaß für ein Gleichordnungsverhältnis ist beim Provokateur nicht erfüllt; es bleibt in Ansehung des Verletzungserfolgs wegen Überwiegens des rechtswidrigen Angriffs seitens des Opfers gegenüber dem nur sozial unadäquaten (Vor-)Verhalten seitens des Täters selbst für den Fall der Notwehrprovokation bei dem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen beiden Stufen. 52 Aus diesem Grund wird auch verständlich, warum § 33 StGB keine dem § 35 I 2 Alt. 1 StGB entsprechende Klausel enthält, wonach bei Verursachung bzw. Provokation der Notwehrlage die Privilegierung ausgeschlossen ist. Beim entschuldigenden Notstand liegen die Umstände nämlich anders. Was die Verantwortlichkeit des Täters und des Opfers an dem Konflikt "Gefahrenlage" be52 Ähnlich Jakobs AT 12/49ff., 20/34; Roxin FS für Schaffstein S. 124; im Ergebnis ebenso Lesch StV 1993 S.583.
IH. Intensiver Notwehrexzess
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trifft, geht § 35 11 StGB von einer Gleichordnung aus. Beide geraten beim entschuldigenden Notstand regelmäßig per Zufall in die NotsituationY Hat dagegen der Täter die Gefahrensituation kausal oder vorwerfbar verursacht, 54 so ist er dafür in stärkerem Maße verantwortlich als das Opfer; denn dann ist der Konflikt nicht mehr rein zufälliger Natur. Es liegt keine Gleichordnung vor, sondern der Gefahrverursacher ist vielmehr für die eingetretene Rechtsgutverletzung vorrangig zuständig. Ein solcher Notstandstäter bedarf deshalb - obgleich dessen psychische Verfassung dieselbe sein wird wie ohne Gefahrverursachung - aufgrund präventiver Erfordernisse einer Strafbewehrung, weswegen auch die Klausel des § 35 I 1 Alt. 1 StGB die Entschuldigung bei Gefahrverursachung einschränkt. 55 Es hat somit seinen guten Grund, dass § 33 StGB im Unterschied zu § 35 StGB keine Klausel zur Restriktion der Straffreiheit bei provozierter Notwehrlage vorsieht. Letztlich liegt deshalb - wenn auch ohne nähere Begründung - die Literatur mit ihrem Beharren auf den Wortlaut von § 33 StGB im Ergebnis richtig. Eine Einschränkung wegen Provokation ist im Gegensatz zu § 35 StGB nicht angebracht - selbst dann nicht, wenn der Exzedent sich planmäßige in eine tätliche Auseinandersetzung einlässt, solange damit nur kein rechtswidriges, sondern lediglich sozialethisch vorwerfbares Vorverhalten gegeben ist. Im Beispiel 4 56 gelangt deshalb der Exzedent L, der nicht absichtlich, sondern nur sozialethisch vorwerfbar die eigene Rechtsverletzung verursacht hat, in den Genuss der Privilegierung von § 33 StGB.
c) Außergewöhnlich krasser Notwehrexzess Nach dem Strafzweckkonzept wird der außergewöhnlich krasse Notwehrexzess nicht von der Privilegierung des § 33 StGB erfasst. Ein keineswegs selbstverständliches Ergebnis; liegen doch Faktoren vor, welche grundsätzlich eine Zuständigkeitsverschiebung gestatten: Der Exzedent wehrt sich gegen einen rechtswidrigen Angriff. Dennoch kann daraus keine Straffreiheit nach § 33 StGB abgeleitet werden, wenn die Notwehrüberschreitung völlig außer Verhältnis zur Gefahr der drohenden Attacke steht. 57 Denn ein solcher Exzess bricht aus dem Verantwortlichkeitsmodell, wie es bisher die Privilegierung begründete, aus. Steht der Angriff in keinem Verhältnis mehr zur Notwehrüberschreitung, kann er auch nicht mehr zum wesentlichen Man denke nur an den klassischen Fall: "Das Brett des Kameades". Über die Beschaffenheit der Verursachungshandlung herrscht Streit; vgl. nur LK-Hirsch § 35 Rn. 50 m. w. N. 55 Diesen subtilen Unterschied zwischen § 35 StGB und § 33 StGB verkennt Drescher IR 1994 S. 426; sie will gerade wegen der vermeintlichen Wertungs gleichheit beider Normen für den Fall der vermeidbaren Angriffsprovokation § 33 StGB genauso wie § 35 StGB einschränken. 56 1. Kap.l.I. b)bb). 57 Man denke nur daran, dass relativ harmlosen Angriffen (z. B. einer Ohrfeige) mit schlimmsten (gar tödlichen) Verletzungen begegnet wird. 53 54
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
Anknüpfungspunkt für die vorrangige Verantwortlichkeit an der Rechtsgutverletzung gemacht werden. Vielmehr wird der Angriff im Vergleich zum krassen und weit überproportionalen Abwehrverhalten eine nahezu vernachlässigenswerte Größe. Vor allem darf der kriminal politische Hintergrund des § 33 StGB nicht aus den Augen verloren werden: Die Straffreiheit des Notwehrexzesses hängt von der präventiven Bestrafungsnotwendigkeit ab. Damit ist die Privilegierung nur möglich, soweit sie general präventiv noch zu rechtfertigen ist. Eine extrem unverhältnismäßige Überziehung bewegt sich aber außerhalb des generalpräventiv Erträglichen: Wie soll der Bevölkerung plausibel gemacht werden, dass jemand, der mit einer nicht erforderlichen Tötung auf eine leichte Körperverletzung (z. B. Ohrfeige) reagiert, strafrechtlich verschont bleibt? Das wäre im Lichte der Generalprävention, in dem die Exzessvorschrift zu sehen ist, nicht zu dulden, so dass für außergewöhnlich krasse Exzesse eine Strafbefreiung des Exzedenten nach § 33 StGB nicht angebracht ist. 58 Problematisch an diesem Ergebnis ist, dass es nicht mit der Wortlautauslegung des § 33 StGB harmoniert, welche eine Ausnahme der Strafbefreiung für besonders krasse Exzesse gerade nicht nahe legt. 59 Dennoch kann damit allein die Anwendbarkeit der Privilegierung nicht begründet werden. Denn die Beschränkung auf verhältnismäßige und damit der Ausschluss von extrem unangemessenen Verteidigungsreaktionen ist mit Rücksicht auf die ratio legis der Exzessnorm als evident tatbestandsimmanentes Merkmal von § 33 StGB aufzufassen, so dass eine Verstoß gegen Art. 103 11 GG nicht in Frage steht. Der Täter S in Beispiel 5 60 kommt somit nicht in den Genuss der Privilegierung von § 33 StGB.
IV. N achzeitig-extensiver Notwehrexzess Seit eh und je entzündet sich heftiger Streit um die Frage, ob der nachzeitig-extensive Notwehrexzess unter § 33 StGB zu subsumieren ist. 61 Es handelt sich hierbei 58 So im Wesentlichenfakobs AT 20/29; Kühl AT § 12 Rn. 150; NK-Herzog § 33 Rn. 14; Roxin AT § 22 Rn. 79; a.A. ohne Begründung Tröndle/Fischer § 33 Rn. 3. Hinsichtlich der Grenzziehung, wann eine strafbare außergewöhnlich krasse oder nur eine straflose "normale" Notwehrüberschreitung vorliegt, vgl. den Lösungsversuch von Diederich Diss. S. 73 ff., wobei zu berücksichtigen ist, dass diese vornehmlich dem Ansatz der doppelten Schuldminderung folgt. 59 V gl. oben 2. Kap.!. I. b). 60 I. Kap.!. I. b)cc). 61 Dafür: BaumannlWeberlMitsch AT § 23 Rn.41 f.; Beulke Jura 1988 S.643; Blei AT S. 211; Haft AT S.139; Hauf AT S.62; HeuchemerlHartmannJA 2000 S.167ff.; Hoyer AT S.108;fakobs AT 20/31; Köhler AT S. 424; Müller-Christmann JuS 1989 S. 719; Roxin FS für Schaffstein S. 111 ff.; ders. AT § 22 Rn. 88; Sch/Sch-LencknerIPerron § 33 Rn. 7; LK-Spendel § 33 Rn.4ff.; Ouo § 14 Rn.20ff.; ders. Jura 1987 S.605 f.; Timpe JuS 1985 S.120f.; WesselslBeulke AT Rn. 447. Dagegen: Ebert AT S. 98; EserlBurkhard Strafrecht ll A Rn. 41; Frister Die Struktur des vo1untativen Schu1de1ements S.233; Geilen Jura 1981 S.379; Gropp AT §7 Rn. 85ff.; feschecklWeigend AT § 45 II4; KohlrauschlLange § 53 Anm. X; Kühl § 12 Rn. 141 ff.; Lacknerl
IV. Nachzeitig-extensiver Notwehrexzess
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um ein zentrales Problem der NotwehIiiberschreitung von enormer praktischer Relevanz, das die h. M., welche die Theorie der doppelten Schuldminderung vertritt, zu Lasten, das hier entwickelte Konzept zu Gunsten des Exzedenten löst. Im Folgenden sollen beide Wege untersucht werden. Gerade die Konstellation des nachzeitig-extensiven Exzesses wird sich dabei als besonders geeignet herausstellen, den Vorzug und die Berechtigung des Strafzweckmodells gegenüber dem Ansatz der (noch) h. M. aufzuzeigen. Denn die Theorie der doppelten Schuldminderung ist bei der Lösung des nachzeitig-extensiven Exzesses unter wertender Betrachtung nicht schlüssig und erweist sich noch dazu für den häufigen Fall, dass mit dem nachzeitig-extensiven Exzess ein Erlaubnistatbestandsirrtum einhergeht, als widerspIiichlich.
1. Konzeptanwendung und normativer Vergleich von intensivem und nachzeitig-extensivem Exzess Nach dem hier vertretenen Strafzweckkonzept erfolgt die rechtliche Würdigung der nachzeitig-extensiven NotwehIiiberschreitung in gleicher Weise wie beim intensiven Exzess. In beiden Konstellationen bedingt die rechtswidrige Attacke eine gegenüber dem Täter vorrangige Zuständigkeit des Opfers an der exzessiven Rechtsgutverletzung. Es macht deshalb nach dem Strafzweckkonzept keinen Unterschied, ob die NotwehIiiberschreitung in der Zeit oder Intensität erfolgt, solange sie nur durch einen verbotenen Angriff ausgelöst wurde, der es rechtfertigt, den in Verwirrung, Furcht oder Schrecken handelnden Exzedenten zu privilegieren. Baldus 62 lehnt eine solche Erstreckung der Exzessnorm auf den nachzeitig-extensiven Exzess kategorisch ab: Es bestünde "kein Anlass die Anwendung dieser groben Regel über das durch den Wortlaut des Gesetzes unmittelbar Gebotene hinaus auszudehnen." Ähnlich formuliert die Rechtsprechung: Eine Überschreitung der Notwehr komme schon "begrifflich nicht in Frage", wenn - wie im Fall des extensiven Exzesses - "überhaupt keine Notwehr mehr" vorliege.63 Eine solche Argumentation mit dem Wortlaut der Exzessnorm überzeugt nicht. Wie die grammatikalische Auslegung ergeben hat,64 ist eine zeitliche Grenzüberschreitung nach dem Wortlaut nicht nur möglich, sondern gleichermaßen wie das Hinausgehen im Maß der Verteidigung von § 33 StGB vorausgesetzt und angezeigt.
Kühl § 33 Rn. 2; LK-Baldus 9. Auflage § 52 Rn.45; MaurachlZipj§34 III Rn.27; Rudolphi JuS 1969 S. 461 ; Sauren Jura 1988 S. 571; Schmidhäuser Studienbuch 8/29; SK-Rudolphi § 33 Rn. 2; Stratenwerth AT § 9 Rn. 93; TröndlelFischer § 33 Rn. 2; Welze! Strafrecht S. 89; Wesseis AT 27. Auflage Rn.447 f.; RGSt. 21 S. 187, 189; 54 S. 36, 37; 61 S. 216,217; 62 S. 76,77; 63 S. 215, 223; BGH NJW 1968 S. 1885; BGH StV 1987 S. 60; BayObLG JR 1952 S. 113; OLG Frankfurt GA 1970 S. 286. 62 LK-Baldus 9. Auflage § 53 Rn. 42. 63 So RGSt. 62 S. 76, 77. 64 Vgl. oben 2. Kap. I. 2.
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StOB
Dieses Ergebnis der Wortlautinterpretation bestätigt die Lösung des Strafzweckkonzepts, den Exzess in der Zeit und Erforderlichkeit gleich zu behandeln. Ein solches Ergebnis wäre zudem auch unter normativen Gesichtspunkten schlüssig, wenn es - wie Blei ausführt -, "unter keinem denkbaren Blickwinkel einen Unterschied macht, ob die Grenzen einer rechtmäßigen Notwehrhandlung in der Intensität oder in der Dauer überschritten werden. "65 Eine derartige Wertungsgleichheit beider Exzessformen wird von einigen Stimmen in der Literatur abgelehnt: Nach Rudolphi, dem Begründer der Theorie von der doppelten Schuldminderung, fehle es schon unter Unrechtsgesichtspunkten an einer normativen Homogenität von intensivem und extensivem Exzess. Beim nachzeitigextensiven Exzess sei das volle personale Unrecht verwirklicht, da der Täter nicht zugleich einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff abwehre, während beim intensiven Exzess das Unrecht weniger sei, da die dort vorliegende Verteidigungshandlung zu einer Unrechtsminderung führe. 66 Einer derartigen Argumentation von Rudolphi mit Unrechtsquantitäten ist folgender Vergleich von intensivem und extensivem Exzess entgegenzuhalten, der dessen Rechnung bzw. "Verrechnung" mit Unrechtsquantitäten insgesamt nicht aufgehen lässt: Ob jemand mit einem Schlag sich doppelt so heftig verteidigt als erforderlich (intensiver Exzess) oder aber nach einem den Angriff beendenden maßvollen Hieb noch einen weiteren folgen lässt (extensiver Exzess), ergibt bei jeweils selben Kraftaufwand die gleiche Unrechtsgewichtung. Oft sind vielmehr "zwei maßvolle Hiebe sogar harmloser und leichter verzeihlich als ein einziger maßloser exzessiver Schlag."67 Die allgemeine Begründung von Rudolphi, dass der intensive Exzess weniger Unrecht aufweise als der extensive und deshalb nur ersterer die Privilegierung nach § 33 StGB erfahren darf, leuchtet demnach nicht vollends ein. Sauren und Geilen 68 machen den normativen Unterschied zwischen intensiver und extensiver Notwehrüberschreitung an einem anderen Punkt fest. Es fehle mangels gegenwärtigen Angriffs beim Hinausgehen über die temporäre Limitierung von § 32 StGB an der "Dramatik der Situation", die nur der intensiven Notwehrüberschreitung wesensimmanent sei. Aber auch das ist nicht einzusehen. Für den unbewusst-extensiven Exzess ergibt sich das evident, wenn der Täter das Ende des Angriffs nicht erkennt und in vermeintlicher Verteidigung handelt. Dann liegt nämlich psychisch dieselbe (dramatische) Situation wie beim intensiven Exzess vor, weil der Exzedent irrig von der Gegenwärtigkeit des Angriffs auf sich selbst ausgeht. Aber selbst beim bewusst-extensiven Exzess ist die Dramatik des Geschehens nicht völlig auszuschließen, solange das Überschreiten der Gegenwärtigkeitsgrenze noch - wie Blei AT S. 211. Vgl. Rudolphi JuS 1969 S.463. 67 Roxin AT § 22 Rn. 88; eine fast identische Argumentation findet sich bei Sch/Sch-LencknerlPerron § 33 Rn. 2 und WesselslBeulke AT Rn. 447, die auf das Beispiel abstellen: "Fußtritte auf den am Boden liegenden Angreifer". Es könne keinen Unterschied machen, ob der Notwehrübende einmal zu fest zutritt oder mehrmals nacheinander. 68 Sauren Jura 1988 S.571; Geilen Jura 1981 S.379. 65
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IV. Nachzeitig-extensiver Notwehrexzess
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für die Privilegierung nach § 33 StGB nötig - im unmittelbar räumlichen wie zeitlichen Zusammenhang mit dem Angriff steht. Für diesen Fall besteht nämlich durchaus die Möglichkeit, dass trotz Ende des Angriffs dessen Folgen in der Psyche des Täters noch fortwirken und sein Verhalten (mit)bestimmen. Die affektive Ausnahmesituation endet nicht notwendig mit dem abgewehrten Angriff: Ist der Täter aufgrund der Attacke - auch wenn sie nicht mehr besteht - innerlich immer noch verwirrt bzw. angsterfüllt und überschreitet er deswegen die zeitliche Notwehrgrenze, erfolgt die nicht mehr gegenwärtige Rechtsgutverletzung durchaus noch im Rahmen des durch den Angreifer ausgelösten dramatischen Geschehens. 69 Insgesamt weisen damit der intensive und extensive Exzess unter nonnativen Gesichtspunkten keinen Unterschied auf, der eine differenzierte Handhabe hinsichtlich der Straffreistellung nach § 33 StGB gebieten würde. Dieses Ergebnis der wertenden Gegenüberstellung beider Exzessfonnen korreliert mit der Lösung des hier vertretenen Strafzweckmodells. § 33 StGB ist deshalb auch dann anzuwenden, wenn der Täter aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken über die zeitliche Grenze der Notwehr hinausgeht.
Der Exzedent Paus Beispiel 6 70 kommt somit in den Genuss der Privilegierung von § 33 StGB.
2. Darstellung und Kritik der Lösung nach der h. M. Entsprechend der (noch) h. M., welche den Ansatz der doppelten Schuldminderung zur Lösung der Exzessfälle vertritt, findet § 33 StGB auf den nachzeitig-extensiven Exzess keine Anwendung - ein nach den bisherigen Untersuchungen bedenkliches Ergebnis. Dem Täter in einem solchen Fall die Privilegierung des § 33 StGB zu versagen, widerspricht dem Wortlaut der Exzessnonn und dem Resultat eines etwaigen nonnativen Unrechtsvergleichs mit der intensiven Notwehrüberschreitung. Obwohl darauf zunehmend in der Literatur hingewiesen wird und deshalb eine strafzweckorientierte Lösung, welche beide Exzessfonnen konfonn behandelt, immer mehr Zuspruch erlangt, hält die h. M. an der Theorie der doppelten Schuldminderung und dem Ausschluss der Straffreiheit bei extensivem Exzess dennoch fest. Dabei beruft sie sich - trotz der Kritik - weiterhin beharrlich auf das Argument, dass mangels Verteidigungshandlung beim nachzeitig-extensiven Exzesses - im Unterschied zur intensiven Notwehrüberschreitung - keine Unrechtsminderung vorliege, weshalb eine Privilegierung auch nicht in Frage komme. Das Argument der Unrechtsminderung hat sich schon im Rahmen der allgemeinen teleologischen Auslegung als nicht stichhaltig erwiesen. Aber selbst wenn man sich auf diese Begründung einlässt und deren Richtigkeit unterstellt, überzeugt der darauf basierende ge69 Vgl. zustimmend: Kühl AT § 12 Rn. 143; Müller-Christmann JuS 1989 S. 718; Roxin AT §22 Rn. 89. 70 1. Kap. I. 2. a).
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StGB
nerelle Ausschluss der Privilegierung des § 33 StOB für den nachzeitig-extensiven Exzess nicht. Zumindest bei den wohl am häufigsten auftretenden Konstellationen, in denen die nachzeitige Notwehrüberschreitung mit einem Erlaubnistatbestandsirrtum zusammenfällt, kann die Strafbewehrung nicht auf die fehlende Unrechtsminderung gestützt werden. Vielmehr wird in diesen Situationen die kategorische Forderung der (noch) überwiegenden Auffassung, den nachzeitig-extensiven Exzess wegen der mangelnden Unrechtsminderung aus dem Anwendungsbereich von § 33 StOB herauszunehmen, ad absurdum geführt. Darauf weisen Trüg und Wentzell 71 in ihrer gemeinsamen Rezension einer BOH-Entscheidung 72 hin, die genau den Sachverhalt zu beurteilen hatte, bei dem ein Erlaubnistatbestandsirrtum mit dem nachzeitig-extensiven Exzess kollidierte. 73 Der dem BOH zur Entscheidung vorliegende Sachverhalt, welcher für Trüg und Wentzell den Anstoß gab, entgegen der Lösung der h. M. die Oleichbehandlung von intensivem und nachzeitig-extensivem Exzess zu postulieren, lag wie folgt:
Beim Kaufhausdetektiv A entsteht der - am Ende sich bestätigende - Verdacht, ein "Kunde ", das spätere Opfer 0, habe CDs in seiner Kleidung verborgen und wolle damit, ohne zu bezahlen, das Geschäft verlassen. Daraufhin stellt A den 0 zur Rede, um die Angelegenheit aufzuklären. 0 verweigert jedoch jegliche Kooperation; vielmehr versucht er, die Flucht zu ergreifen. A nimmt sofort die Verfolgung auf Es gelingt ihm, den 0 von hinten anzuspringen und auf den Boden zu reißen, wo er ihn - den Arm um dessen Hals gelegt - im "Schwitzkasten " festhält. Auf die Aufforderung des A, ein Zeichen der Aufgabe zu geben, reagiert 0 nicht. Deshalb setzt der Detektiv den Griff am Hals des "Kunden", der 13 kg schwerer sowie 13 cm größer und damit dem A körperlich klar überlegen ist, weiter fort, um das Entkommen des 0 mit dem vermuteten Diebesgut sowie die dafür nötigen Befreiungsschläge des 0 zu verhindern. Alsbald trifft die Polizei ein. Nach Entlassung des 0 aus dem Würgegriff muss sie den Tod des Diebes feststellen . Ein Gutachten ergibt: Nach zwei Minuten der Strangulation war der Dieb in den Zustand der Bewusstlosigkeit gefallen; die darüber hinausfortgesetzte Umklammerung hatte schließlich bewirkt, dass A erstickte. Die rechtliche Würdigung dieses Lebenssachverhalts würde nach dem Ansatz der h. M. von der doppelten Schuldminderung derart ausfallen: Eine Bestrafung des A wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StOB)74 kommt nicht in Betracht. Zwar ist die Tat des A nicht gerechtfertigt, weil mit Eintritt der Ohnmacht von 0 kein gegenwärtiger Angriff auf das Eigentum bzw. den Besitz des Kaufhausinhabers an den CDs mehr vorlag und somit dem A der anfänglich gegebene Rechtfertigungsgrund der Nothilfe (§ 32 II Alt. 2 StOB) mangels Fortbestehens des Angriffs durch 0 71 72
Trüg/Wentzell Jura 2001 S. 32 ff.
BGH NJW 2000 S. 1348.
73 Dieselbe Konstellation in der Form "Parallelität von Erlaubnistatbestandsirrtum und nachzeitig-extensiven Exzess" findet sich auch in BGH NStZ 2002 S. 141. 74 Es sei hier der Übersichtlichkeit willen nur auf die Tatbestände eingegangen, welche auch der BGH als maßgeblich für seine Entscheidung zugrunde legte: § 227 StGB und § 222 StGB; deshalb bleiben die §§ 223; 224 I Nr. 5; 239 I, IV; 240; 221 I, III StGB außen vor.
IV. Nachzeitig-extensiver Notwehrexzess
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nicht mehr zur Seite stand. Jedoch unterlag der Detektiv einem Erlaubnistatbestandsirrtum: Er verkannte die Ohnmacht des "Kunden" und würgte diesen in der Vorstellung weiter, 0 wolle jederzeit und nach Möglichkeit mit den CDs die Flucht ergreifen. Diese irrtümliche Wahrnehmung des Geschehens als wahr unterstellt, würde dazu führen, dass die Körperverletzung mit Todesfolge nach § 32 11 Alt. 2 StGB gerechtfertigt wäre; denn dann hätte eine gegenwärtige Attacke auf die Rechtsgüter des Kaufhausinhabers noch vorgelegen. Nach der überwiegend in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Meinung erfahrt ein solcher Erlaubnistatbestandsirrtum folgende Lösung: § 16 I StGB ist analog anzuwenden, woraus resultiert, dass bei A der Vorsatz hinsichtlich der Körperverletzung mit Todesfolge entfällt und deshalb auch mangels Vorsatzunrecht eine Strafbarkeit nach § 227 StGB nicht Platz greifen kann.75 Gemäß § 16 I 2 StGB stünde noch § 222 StGB als Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit in Rede. Es darf nämlich davon ausgegangen werden, dass der Irrtum des A über das Fortbestehen des Angriffs durch 0 als vermeidbar zu erachten war; denn die dyspnoischen Atembewegungen des Diebes und die Frage eines zum Tatort hinzu gekommenen Beschäftigten, ob der 0 noch Luft bekomme, hätte A zum Anlass nehmen müssen, die Wirkung des gefährlichen Würgegriffs zu überprüfen, insbesondere zu kontrollieren, ob überhaupt noch Fluchtgefahr seitens des "Kunden" bestand. Der Tatbestand der fahrlässigen Tötung lag somit vor. Es wäre jedoch an eine Strafbefreiung nach § 33 StGB zu denken. Denn A überschritt die zeitliche Grenze des Nothilferechts aus Furcht. 76 Nach dem Ansatz der doppelten Schuldminderung fällt aber der nachzeitig-extensive Exzess nicht in den Anwendungsbereich von § 33 StGB, so dass es danach bei der Strafbarkeit des Detektivs gemäß § 222 StGB bleiben müsste. Dieses Ergebnis bedarf angesichts der spezifischen Gegebenheiten des vorliegenden Lebenssachverhalts einer eingehenden Untersuchung. Vor allem soll geprüft werden, ob das gefundene Resultat den Anspruch einer überzeugenden und adäquaten Lösung rechtfertigen kann. Es sei vorweggenommen: Die Forderung der h. M., § 33 StGB nur auf den intensiven, nicht aber auch auf den nachzeitig-extensiven Notwehrexzess anzuwenden, ist unter dogmatischer Würdigung ebenso wie mit dem Argument der Unrechtsminderung für die Konstellation, dass Erlaub75 So die Lösung der eingeschränkten Schuldtheorie i. e. S. Die andere weit verbreitete Meinung in der Literatur, welche der rechtsfolgenverweisenden eingeschränkten Schuldtheorie anhängt, kommt zu einem Ausschluss der Vorsatzschuld und wendet § 16 I StGB nur in seinen Rechtsfolgen an. Auch danach würde eine Strafbarkeit wegen § 227 StGB ausscheiden. Die Vorsatztheorien und die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen würde § 16 I StGB direkt anwenden und zu einem Vorsatzausschluss kommen. Allein die strenge Schuldtheorie würde es für den Fall der Vermeidbarkeit des Irrtums bei einer Strafbarkeit wegen Körperverletzung mit Todesfolge belassen. 76 Von diesem asthenischen Gemütszustand ist auszugehen. Das liegt nicht nur nahe, vielmehr ist es geradezu evident: Denn A würgte deshalb, weil er die Flucht des robusten und ihm körperlich bei weitem überlegenen 0 sowie - um die Flucht zu ermöglichen - dessen tätlichen Angriff auf sein Wohlbefinden befürchtete; anders Mitsch JuS 2000 S. 851, dem aus diesem Grund nicht gefolgt wird.
7 Motsch
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3. Kap.: Lösung der Erscheinungsformen von § 33 StOB
nistatbestandsirrtum und nachzeitig-extensiver Exzess zusammenfallen, nicht aufrecht zu halten. Bei der Frage nach der Strafbarkeit des A gemäß § 227 StGB zeigt sich ein dogmatisch äußerst bemerkenswertes Phänomen, das die Untauglichkeit des Lösungsansatzes der h. M. zu Tage fördert: Innerhalb der Taterfüllung der Körperverletzung mit Todesfolge unterlag der Detektiv nicht nur subjektiv einem Erlaubnistatbestandsirrtum, sondern zugleich verwirklichte er auch objektiv einen nachzeitig-extensiven Notwehrexzess. Noch dazu beruhte die Ursache für den Exzess und für den Irrtum auf ein und demselben asthenischen Gefühl: Die Angst des A bewirkte die Fehlvorstellung, dass 0 noch flüchten wolle, und damit zugleich auch den Exzess in der Zeit. Das bedeutet, wie Trüg und Wentzell treffend erkennen: "Derjenige Täter, der in einem nachzeitig-extensiven Notwehrexzess handelt und sich wegen der ashtenischen Motive irrt, befindet sich eo ipso in einem Erlaubnistatbestandsirrtum.'