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German Pages 214 [226] Year 1957
DEUTSCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN INSTITUT FÜR ORIENTFORSCHUNG VERÖFFENTLICHUNG NR. 31
WALTER R Ü B E N
DER SINN D E S DRAMAS DAS S I E G E L U N D RÄKSHASA (MUDRÄRÄKSHASA)
19 5 6
AKADEMIE-VERLAG • BERLIN
Erschienen Im Akademie-Verlag GmbH., Berlin W 8, Mohrenstraße 39 Lizenz-Nr. 202 - 100/535/55 Satz, Druck und Bindung: IV/2/14 - V E B Werkdruck Gräfenhainichen - 532 Bestell- und Verlags-Nr. 2013/31 Preis: DM 27,— Printed in Germany
Inhalt Seite
VORWOBT
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VORGESCHICHTE D E R HANDLUNG DES DRAMAS
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D I E P E R S O N E N , D I E IM D R A M A A U F T R E T E N
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I. D I E H A N D L U N G D E S DRAMAS
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I . A k t : Cänakyas Ziele u n d Listen 9 I I . A k t : R ä k s h a s a s Mißerfolg u n d I r r t u m 34 I I I . A k t : Scheinbare S p a l t u n g zwischen C a n d r a g u p t a u n d C ä n a k y a 56 I V . A k t : Der Zwist zwischen M a l a y a k e t u u n d R ä k s h a s a b e g i n n t 78 V. A k t : M a l a y a k e t u r e c h n e t m i t R ä k s h a s a a b 95 VI. A k t : Räkshasas Freundschaftaopfer 118 V I I . A k t : R ä k s h a s a wird gewonnen 132 R ü c k b l i c k auf die H a u p t g e s t a l t e n des D r a m a s n a c h den indischen Moralbegriffen artha, dharma und käma 146 II. ABHANDLUNG ÜBER DAS DRAMA U N D SEINE GESCHICHTE
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A. Die D y n a s t i e n der N a n d a u n d M a u r y a
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B . Legenden ü b e r den S t u r z der N a n d a
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1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Die B r h a t k a t h ä (Somadeva u n d K s h e m c n d r a ) Da^akumäracarita und Avantisundarlkathä Harishenas Brhatkathäkoäa Öukasaptati Hemacandras Pariiishtaparvan Mahävamsatikä Pancatantra-Hitopadesa Merutungas Prabandhacintämani
153 159 163 164 165 168 170 171
C. D a s M u d r ä r ä k s h a s a des V i ä ä k h a d a t t a 1. 2. 3. 4. 5. 6.
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Anspielungen auf die d e m D r a m a v o r a n g e g a n g e n e H a n d l u n g Visäkhadattas Neuerungen Von V i i ä k h a d a t t a b e n u t z t e L i t e r a t u r (vor allem P a n c a t a n t r a ) Bhäsas Drama Pratijnäyaugandharäyana Visäkhadattas Drama Devlcandragupta D a s J ä t a k a des weisen O s a d h a k u m ä r a (Nr. 546)
D . Indische feudalistische E r l ä u t e r u n g s s c h r i f t e n zu V i s ä k h a d a t t a s D r a m a 1. J a g a d d h a r a 2. M a h ä d e v a s P r o s a e r z ä h l u n g 3. R a v i n a r t a k a u n d D h u n d h i r ä j a
172 175 177 180 185 188 . . . .
192 192 193 195
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Inhalt 4. 5. 6. 7. 8.
Ananta Bhatta Bikaner-Handschrift Haridäsa Trivandrum-Handschrift Weitere S c h r i f t e n : V i d y ä r ä j a , Alasingala, B h o j a , A b h i n a v a g u p t a , V i s v ä n ä t h a , D h a n i k a usw., U p ä d h y ä y a n i r a p e k s h ä
E . Moderne europäische u n d indische Bearbeitungen des D r a m a s
197 198 199 200 200 202
V E R Z E I C H N I S D E R A B G E K Ü R Z T E N U N D H Ä U F I G E R Z I T I E R T E N L I T E R A T U R 210
Vorwort Das Drama Mudräräkshasa oder „Das Siegel und Räkshasa", verfaßt von Visäkhadatta, gehört zu den sechs indischen Dramen, die 1827 nach der Sakuntalä (1789) zusammen in Europa bekannt wurden. Wegen seinem wichtigen historisch-politischen Inhalt wurde es schnell berühmt. Es ist von vielen Philologen und Historikern Indiens und Europas bearbeitet worden. Aber der eigentliche Sinn des Dramas, die Absicht, mit der sein Dichter es schrieb, ist noch nicht geklärt. Dabei war Visäkhadatta ein eigenartiger Dichter, ein gläubiger Sivait, der außergewöhnlich logisch dachte, sein Drama sehr genau aufbaute und in ihm eine Reihe ernster Probleme behandelte. In dieser Abhandlung werden also nicht die Probleme der Textkritik, der Chronologie, des historischen Wertes des Dramas oder seine zahlreichen noch nicht ganz geklärten inhaltlichen Einzelheiten behandelt, sondern das Problem seines Sinnes. Bei jedem Gedanken, bei jedem Abschnitt wird gefragt, warum der Dichter hier gerade dies geschrieben hat. Nachdem das Drama in dieser Weise Akt für Akt durchüberlegt worden ist, wird in einer kurzen Abhandlung über Quellen des Dichters gehandelt, dann über Werke, die noch im mittelalterlichen Indien zur Erläuterung des Dramas, insbesondere der Vorgeschichte seiner Handlung verfaßt wurden, und schließlich ganz knapp über neuzeitliche Behandlungen des Dramas, damit der Leser sieht, an welcher Stelle der Forschung die vorliegende Arbeit einsetzt. Diese Abhandlung ist leider sehr unvollständig, da manche Literatur nicht zu beschaffen war. Andererseits ist die Methode der Herausarbeitung des Sinnes der Dichtung einstweilen noch recht subjektiv. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, diese Aufgabe einmal in Angriff zu nehmen. Wenn das Drama bislang meist als historisches Gemälde und als verwickeltes Intrigenstück aufgefaßt wurde, für den Geschmack vieler Leser gar zu verwickelt, so soll die hier vorgelegte Behandlung zeigen, daß die reichlich kindliche Politik und die verzwickten Intrigen nicht das Wichtigste an ihm sind, daß der Dichter vielmehr sehr ernste Probleme wie das des Fatalismus in der Politik, das des schwierigen Verhältnisses von König und Minister, das des unbefriedigenden Widerspruchs von skrupelloser Despotenpolitik und sivaitischer Mitleidsreligion, das des Hindu und Barbaren (Nichthindu) usw. in den Gestalten seines Dramas darstellen wollte. Nachdem diese Fragen einmal angeschnitten sind, ist zu hoffen, daß künftige Bearbeiter des Dramas helfen werden, sie kritisch weiter zu klären.
Vorgeschichte der Handlung des Dramas Das Drama ist so verwickelt, daß schon der Sanskrit-Kommentar des Dhundhiräja dem Text eine lange Vorgeschichte in epischem Versmaß vorangestellt hat. Er fußte dabei auf Prosaerzählungen, die die Handlung des Dramas zugleich mit einer Vorgeschichte widergaben; in unserer Erläuterung ist insbesondere die des Mahädeva verwendet worden. Eine ganz kurze Vorgeschichte muß auch hier vorausgeschickt werden. Das Drama spielt in einer der berühmtesten Perioden der altindischen Geschichte. Im Jahre 326 v. u. Z. war Alexander der Makedone in den Nordwesten Indiens eingefallen. Er hatte dort im Panjab im König Porus, wie die griechischen Historiker ihn nennen, einen zeitweisen Freund und Bundesgenossen gefunden. Weiter im Osten, im Gangestal mit der Hauptstadt Pätaliputra, aber herrschte ein König, der in indischen Quellen Mahäpadmananda oder Dhanananda genannt wird. Er soll, wie man dem Alexander berichtete, durch ein gewaltiges Heer sehr mächtig gewesen sein, zugleich aber von niedrigem Stande, Sohn eines Usurpators. Zur Zeit des Seleukos, des Nachfolgers Alexanders, herrschte im Gangestal Candragupta aus der Dynastie der Maurya, der den Sohn jenes Mahäpadma, im Drama heißt er Sarvärthasiddhi oder kurz Nanda, gestürzt hat, und das dank der Hilfe seines geistlichen Beraters, des Brahmanen Cänakya. Dieser trug auch den Namen Kautalya und soll der indischen Tradition nach der Verfasser des uns glücklich erhaltenen altindischen Staatslehrbuches gewesen sein. Cänakya soll vom Nanda einst beleidigt worden sein; der König von niederem Stande stieß den Brahmanen, der in seinem Palast einen Ritus vollziehen sollte, von seinem Ehrensitz. Der Brahmane löste daraufhin seinen Haarschopf und schwur, ihn nicht eher aufzubinden, ehe er den Nanda samt seinen Erben vernichtet habe. Er t a t sich daraufhin mit dem jungen Candragupta zusammen, der ein unebenbürtiger Sohn des Nanda gewesen zu sein scheint und deswegen von Cänakya im Drama als vrshala = Südra angeredet wird, um ihn auf den Thron zu setzen. Er versprach aber, um sich militärische Hilfe zu sichern, einem König Parvata aus den Bergen des Himalaya, einem Nichthindu oder Barbaren, die Hälfte des Nandareiches. Diesen Parvata gelang es ihm dann nach dem Sieg umzubringen. Der Anspruch auf das halbe Reich ging damit auf Parvatas Sohn Malayaketu über, der aus der Stadt Pätaliputra entfloh. Mit Malayaketu verbündete sich jetzt Räkshasa, der treue Minister des ermordeten Nanda, der nur noch der Rache seines Herren an Candragupta und Cänakya lebte. Malayaketu und Räkshasa nahten mit einem starken Heer der Stadt Pätaliputra. In dieser Lage beginnt die Handlung des Dramas, und zwar damit, daß Cänakya einsieht, daß er die Herrschaft des jungen Candragupta nur dadurch sichern kann, daß er den einstweilen ihm noch feindlich gegenüberstehenden früheren Minister Räkshasa dafür gewinnt, auch bei Candragupta den Ministerposten zu übernehmen.
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WALTER
RUBEN
Er selber möchte sich dann sofort als Asket in das Dschungel zurückziehen. — In den folgenden Bemerkungen ist dieser Brahmane da, wo er als Person des Dramas auftritt, Cänakya genannt; Kautalya aber da, wo vom Verfasser des Staatslehrbuches die Rede ist.
Die Personen, die im Drama auftreten: Schauspieldirektor und Schauspielerin im Vorspiel König Candragupta Maurya, Sohn des Königs Sarvärthasiddhi der Nanda-Dynastie Cänakya, sein Berater Malayaketu, Prinz eines Berglandes, Sohn König Parvatas Räkshasa, sein Berater, früherer Minister des letzten Nanda, Sarvärthasiddhi Agenten Cänakyas: Bhäguräyana, jüngerer Bruder des Feldherrn Simhabala Vishnusarman, alias Jlvasiddhi, ein als Jainamönch verkleideter Brahmane Nipunaka, ein Yama-Sänger Siddhärthaka Samrddhärthaka Ein Mann mit einem Strick Räkshasas Agenten: Virädhagupta, ein Schlangenbändiger Stanakalasa, ein Barde Candraguptas Karabhaka, ein Bote Sakatadäsa, ein Schreiber Candanadäsa, ein Goldschmied Nebenpersonen: Candanadäsas Frau Vaihinari, Kämmerer Candraguptas Sonottarä, Türhüterin Candraguptas Ein Barde Candraguptas Särngarava, Schüler-Diener Cänakyas Jäjali, Kämmerer Malayaketus Vijayä, Türhüterin Malayaketus Bhäsvaraka, Diener Bhäguräyanas Priyamvadaka, Diener Räkshasas Türhüter Räkshasas c ist wie tsch, j ist wie dsch, s und sh sind wie sch zu sprechen.
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WALTER
RUBEN
Er selber möchte sich dann sofort als Asket in das Dschungel zurückziehen. — In den folgenden Bemerkungen ist dieser Brahmane da, wo er als Person des Dramas auftritt, Cänakya genannt; Kautalya aber da, wo vom Verfasser des Staatslehrbuches die Rede ist.
Die Personen, die im Drama auftreten: Schauspieldirektor und Schauspielerin im Vorspiel König Candragupta Maurya, Sohn des Königs Sarvärthasiddhi der Nanda-Dynastie Cänakya, sein Berater Malayaketu, Prinz eines Berglandes, Sohn König Parvatas Räkshasa, sein Berater, früherer Minister des letzten Nanda, Sarvärthasiddhi Agenten Cänakyas: Bhäguräyana, jüngerer Bruder des Feldherrn Simhabala Vishnusarman, alias Jlvasiddhi, ein als Jainamönch verkleideter Brahmane Nipunaka, ein Yama-Sänger Siddhärthaka Samrddhärthaka Ein Mann mit einem Strick Räkshasas Agenten: Virädhagupta, ein Schlangenbändiger Stanakalasa, ein Barde Candraguptas Karabhaka, ein Bote Sakatadäsa, ein Schreiber Candanadäsa, ein Goldschmied Nebenpersonen: Candanadäsas Frau Vaihinari, Kämmerer Candraguptas Sonottarä, Türhüterin Candraguptas Ein Barde Candraguptas Särngarava, Schüler-Diener Cänakyas Jäjali, Kämmerer Malayaketus Vijayä, Türhüterin Malayaketus Bhäsvaraka, Diener Bhäguräyanas Priyamvadaka, Diener Räkshasas Türhüter Räkshasas c ist wie tsch, j ist wie dsch, s und sh sind wie sch zu sprechen.
I. Die Handlung des Dramas I. Akt: Cänakyas Ziele und Listen Das D r a m a beginnt mit zwei sivaitischen Gebetsstrophen. Die erste, bei wörtlicher Übersetzung unverständlich, l a u t e t : „Wer ist diese Glückliche, die auf Deinem H a u p t e weilt ?" — „Mondsichel!" — „ I s t das etwa ihr N a m e ? " — „Das ist allerdings ihr Name, dieser erworbene. H a s t du ihn vergessen? aus welchem G r u n d e ? " — „Ich frage nach der Frau, ich frage nicht nach dem Mond!" — „Vijayä möge (sie) Dir sagen, wenn Dir der Mond keine Autorität ist!" — Die Hinterlist des Alldurchdringers, der den Götterstrom vor der Göttin abzuleugnen suchte, möge euch schützen. (1, l f f . = Vers 1. ed. Hillebrandt). Was bedeutet diese Strophe ? Siva trägt auf seinem H a u p t e sowohl die deutlich sichtbare Mondsichel als auch die vom Himmel herabströmende und in Sivas Haarschopf verborgene Gangä. Devl fragt voll Eifersucht nach dem Weibe (Gangä), das auf seinem H a u p t e ruhen darf (sie selber nur auf seinem Schoß!). Siva aber nennt ihr listig den männlichen Mond mit einer weiblichen Bezeichnung: die Mondsichel. Devi fragt, ob das der Name der F r a u ist (sie meint: der Gangä). Siva beteuert, dies sei die Bezeichnung 1 (eben die Mondsichel). Devi spricht nun einen unklaren Satz, sie frage (und dies Verbum Fragen k a n n mit dem doppelten Akkusativ der gefragten Sache und der gefragten Person verbunden werden) sie frage also nach der F r a u auf seinem H a u p t , nicht nach dem Mond, dessen Name Mondsichel ist. Siva aber mißversteht sie schlau: Du fragst nicht den Mond ? — Der Mond heißt hier indu (wörtlich Tropfen); indu bedeutet aber auch den Sorna, den altvedischen Somatrank sowohl wie den Mond; Sorna aber bedeutet auch Siva 2 , nämlich den Siva als Gatten der ü m ä (Sa-uma). Siva spielt also hinterhältig, weil er angeblich von Devi nicht gefragt wurde, den Gekränkten und schließt dies Gespräch a b : Wenn Du Soma-Siva nicht glaubst und eine Frau fragst, möge Dir doch die Göttin Vijayä 3 antworten! Damit h a t er endgültig die eifersüchtigen Fragen seiner Devi umgangen. Diese Strophe zeichnet meisterhaft eine eheliche Szene des großen Götterpaares, vor dem der Hindu f r o m m erschauert, das hier aber geradezu menschlich d a s t e h t , so menschlich, wie eben nur der Hindu sich seine höchsten Götter m a n c h m a l vorstellt 4 . Man denke etwa an denselben Gott und die Göttin in Kälidäsas Idyll ihrer 1
Bezeichnung = Name (näman), deuten Dhundhiräja, Telang usw. Z. B. Kathäs. 35, 101. 3 So hieß die Gattin Yamas, im Gefolge der Devi auftretend: P W s. v . ; E. W. Hopkins, Epic Mythology, Straßburg 1915, 116. 4 S. u. 82, 14ff. über Vishnus Erwachen. 2
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W a l t e r Rüben
aufkeimenden Liebe oder an einige Verse in der Anthologie des Häla 1 . Für uns ist es einstweilen noch schwer, genauer auszumalen, mit welchem Schmunzeln Visäkhadatta diese Strophe dichtete und der gebildete Hindu seiner Zeit sie aufnahm. Als erste Strophe unseres Dramas aber hat sie ihre besondere Bedeutung. Der Dichter betet, daß die Hinterlist des Gottes, die sich in dieser Eheszene erfolgreich zeigt, die Zuschauer des Dramas beschirmen möge, und es ist wohl kein Zweifel, daß er dabei an die Hinterlist gedacht hat, mit der im Drama der Staatsmann Cänakya seiner Sache zum Siege verhilft. Wenn schon der große Gott gelegentlich zu solcher Hinterlist greift, wie sollte sie dann einem Sterblichen verdacht werden ? Kälidäsa sprach etwas Analoges in seinem Idyll aus: Wenn schon der große Gott sich so feurig in die Göttin verliebte, wie sollte ein Mensch nicht der Leidenschaft verfallen? Es ist für den Europäer sehr schwer festzulegen, wie weit die Gleichsetfzung des Gottes mit dem Politiker nach der Absicht des Dichters gehen soll. Vielleicht ist gemeint: Die Hinterlist des allmächtigen Gottes möge Euch beschützen — und ebenso möge die List des gewaltigen Staatsmannes die Untertanen schirmen. Jedenfalls bekennt sich der Dichter mit diesem Gebet als Sivait 2 . Das ist festzuhalten, trotz seiner in dieser Strophe fast etwas zynischen Haltung. Mit einem häufig im Drama 3 wie in Spruchsammlungen vorkommenden sehr nüchternen „und auch" wird als zweite Gebetsstrophe eine Schilderung des tanzenden Siva, des Gottes von Chidambaram, angefügt: Schützen möge Euch der ,,Leid-Tanz" des Siva, des Besiegers der Dämonen von Tripura. Leidvoll 4 ist Sivas Tanz wohl, insofern er mit ihm den Grimm der Göttin bei einem Dämonenkampf besänftigen wollte, oder insofern er als nackter Verführer von Asketenfrauen, gereizt durch seine Verfluchung durch Asketen, lachend und weinend tanzt, insofern sein Tanz die Welt zertrampeln würde, würde er nicht, wie es der Dichter hier schildert, die K r a f t seiner stampfenden Füße, seiner wirbelnden Arme und seines feuerstrahlenden Auges hemmen. Da der Dichter später zweimal den Zorn Sivas mit dem des Cänakya vergleicht, ist anzunehmen, daß auch hier gemeint ist, daß der gleich am Anfang des 1. Aktes nach dem Vorspiel gewaltig aufbrausende Zorn des Ministers, rücksichtsvoll gegen die braven Untertanen, keine Sünde ist (wenn auch Cänakya als asketischer Brahmane eigentlich ständig ruhig sein sollte!), vielmehr heilsam für die Politik, wie Sivas verhaltener Grimm heilsam für den Lauf der Welt. Siva hat ja stets zwei Seiten als Liebender und als Zerstörender. Zugleich ist wohl angedeutet, daß Cänakya wie Siva seinem Zorn und dessen Äußerungen Schranken auferlegt; er könnte Räkshasa vernichten, tut es aber wohlweislich nicht 5 . 1 Vgl. Rüben 1954a 130ff. über f§iva und Pärvati. Häla, Gäthäsaptasati, ed. Pandurang Jäwaji, Bombay 1933, V, 55; V I I , 100. 2 Vii=äkhadatta = der von Visäkha (Skanda, £ivas Sohn) gegebene; sein Vater Bhäskaradatta hieß nach Bhäskara = Siva ( P W s. v.), sein Großvater nach Vatesvara, dem Herren der Feige, einem Namen Öivas ( P W ) . 3 'api ca' auch 31, 12; 42, 9 usw., C. Capeller, Kälidäsa's Sakuntalä, Leipzig 1909, S. X I : Kälidäsa vermied dies bei anderen Dichtern häufige Aneinanderreihen von Versen. 4 Dhu.: Mühevoll, gehemmt (ebenso Walimbe). — Zu Öivas tändava-Tanz vgl. Rüben 1939, 196. 6 Das Letztere meint Kaie.
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa"
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So erscheint in diesen beiden Gebetsstrophen Siva mit List und beherrschtem Grimm sozusagen als ein an den Himmel projizierter Cänakya, dieser Sieger im Drama. Im Vorspiel nennt der Schauspieldirektor zunächst den Titel des Dramas und den Namen des Dichters, seines Vaters und Großvaters. Dabei stechen die Titel des Großvaters (Sämanta, d. h. vasallartiger Fürst) und Vaters (Mahäräja) stark von dem Visäkhadattas: „Dichter" (kavi) ab. Der Schauspieldirektor lobt das Werk und mißt sich bei seinem Erfolg kein Verdienst zu. Dafür zitiert er eine Strophe, wie sie auch in Spruchsammlungen stehen könnte, daß die Saat sogar eines Toren auf einem guten Feld gedeiht; wenn Reis gute Ähren treibt, sei das kein Verdienst des Sämannes (2,1 ff., Vers 3, ed. Hillebrandt). Bei uns sagte man ähnlich: Die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln, um auszudrücken, daß landwirtschaftlicher Erfolg Glückssache sei; dies war ein Ausdruck des Pessimismus, der in einer langen Periode der Menschheit verständlich war, in der Wissenschaft noch nicht helfen konnte, dem Menschen die Angst vor den Launen der Natur auf diesem Gebiet der Produktion zu nehmen. Pessimismus belastete auch Visäkhadatta, wie sich immer wieder zeigen wird, so sehr er auch Cänakya von Fatalismus freihält. Damit ist eines der Hauptmotive dieses Dramas angedeutet. Hier freilich will er seinen Pessimismus nicht etwa bewußt herausstellen; nur unbewußt bricht seine weltanschauliche Grundhaltung in diesem Vers hervor. Insbesondere ist der Vers eine Schmeichelei des Schauspielers, der sich mit dem unbedeutenden Sämann vergleicht, den Zuschauern gegenüber, die er dem guten Acker gleichsetzt. Der Schauspieldirektor nähert sich seiner Wohnung und sieht Vorbereitungen wie zu einem Fest: Eine Frau zermahlt Parfüms, eine andere flicht Blumenkränze, eine dritte läßt dem Fallen des Stößels im Getreidemörser ein heiseres Stöhnen 1 folgen (2,5ff., Vers 4). Diese Schilderung ähnelt weitgehend der herzhafteren im Vorspiel des Dramas Mrcchakatikam, in dem aber der lustige Zug, daß der Schauspieldirektor seinen Hunger auf ein Frühstück betont, hinzukommt. Der Schauspieldirektor ruft dann seine Frau und redet sie dabei in einem doppeldeutigen Vers an als die kluge Hausfrau und zugleich als die Kennerin der Staatslehre: „Du tugendhafte (bzw. Du mit den sechs Arten der politischen Verfahren 2 ), Du Wohnsitz der Listen (bzw. der vier politischen Mittel: Übereinkommen, _Entzweiung, Gewalt und Bestechung 3 ), Du Grund der Festigkeit, Du Schafferin der drei Ziele der Menschheit (Gewinn, Liebe, R e c h t 4 ; bzw. in der Politik: Verminderung, Gleichgewicht, Vermehrung der Macht), 1
So deutet Kaie; aber Telang: Singsang; Walimbe: a sweet h u m ; Dhu. schweigt dazu. — Meint dieser Vers Arbeit von Sklavinnen? 2 Winternitz III, 211: Dies zeigt, daß nlti gleichsam die „Heldin" des Stückes ist(?). Der Vers ist von Hillebrandt 1908 ausführlich besprochen. — S. u. 164, 5 in Vers 135: Friede, Krieg, Feldzug, Haltmachen, Sieh-auf-einen-Freund-Stützen, Krieg mit einem und Friede mit einem anderen; Walimbe 29f. der Introduction nach K a u t . 3 upäya, s. Walimbe a. a. O. 4 Erlösung als viertes Ziel fehlt.
Walteb Ruben
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Du, Wissenschaft der Führung meines Hauses (bzw. „Staatslehre meines Hofes"), Du Lehrerin der Pflichten, komm herbei!" (2,13ff., Vers 5). Abgesehen von der Doppelsinnigkeit der Strophe, die auch der gebildete Zuschauer noch nicht gleich beim ersten doppeldeutigen Beiwort der ersten Verszeile gemerkt hat, freute es den Hinduhörer, die Bedeutung der Hausfrau als Leiterin des Mannes, als einer schlauen Beraterin hervorgehoben zu sehen, die in der indischen Männergesellschaft zweifellos weitgehend dem wirklichen Leben der Familie entsprach. Der Dichter aber hat die Frau hier im Vorspiel mit einer gewissen Absicht so gepriesen, hatte er ihr in seinem Drama selber doch kaum eine Rolle zugedacht. Da tritt als einzige Frau, d. h. als Hausfrau, abgesehen von Nebenrollen, von Dienerinnen der Könige, nur im VII. Akt die treue und gehorsame Gattin des Goldschmiedes auf, die nicht aktiv in die Handlung eingreift und ihrem Manne keinen Rat zu geben hat. Hier im Vorspiel aber läßt der Dichter es nicht mit dieser schmeichlerischen Strophe bewenden; seine wirkliche Meinung über die Frau wird vielmehr im anschließenden Dialog des Ehepaares angedeutet: Der Schauspieldirektor fragt seine Frau nach dem Grunde der Festvorbereitungen. Sie sagt, sie habe Brahmanen zur Bewirtung eingeladen, denn es stände eine Mondfinsternis bevor, so habe ein Mann (oder das Volk 1 ) der Stadt gesagt. Der Direktor versichert sie, er habe Astrologie sorgsam studiert, mit der Mondfinsternis sei sie betrogen 2 . Trotzdem möge sie die Brahmanen bewirten (3, 2ff.). Er läßt also die Hausfrau gewähren, auch wenn sie irrt und, ohne ihn zu fragen, Männer in ihr Haus eingeladen hat. Der Dichter deutet nicht an, daß ein Agent der Brahmanen ihnen diese Abfütterung durch die Frau erschlichen hat, aber er stellt hier die Frau eher als eigenmächtig und fromm-hereingefallen hin denn als schlauen Berater des Mannes, und er deutet hier zugleich eine gewisse Mißachtung des Volkes und seines Geredes an, während im Drama selber doch die großen Politiker auf die Stimmung des Volkes Rücksicht nehmen müssen 3 . Der Schauspieldirektor erklärt seiner Frau mit einem Vers die astrologische Situation: Der „grausam Zupackende mit seinem Banner" 4 wolle zwar gewaltsam den Mond überwinden, aber die Verbindung mit dem Merkur (Budha) schütze ihn. K a u m hat er den ersten Teil (!) des Satzes gesprochen, fragt hinter der Bühne eine zornige Stimme, wer dieser Tollkühne sei, der den Candra überwinden wolle, wo er, der Sprecher, doch da sei! 5 (3,12ff., Vers 6). Der zornige Sprecher hinter der Bühne hat eben das Wort Mond (candra) auf König Candragupta bezogen und die ersten Worte des Schauspieldirektors nicht auf 1
Dhu.: Ein Gerücht; Walimbe: Das Stadtvolk. Vgl. Öankaramiära zu VS II, 2, 20: Ein Astrologe lehrt eine Sonnen- und Mondfinsternis richtig, ein andermal falsch; dabei entsteht ihm beim drittenmal Zweifel an seinem eigenen Wissen. — In so später Zeit gab es also noch derartige Unsicherheit! 3 S. u. 5, 1611, 14, 3ff., Rüben 1954a 111, 1954c 240. 4 Auch in Mrcch. IV Vers 27 handelt es sich um den von Rähu gefaßten Mond im Vergleich mit dem gefangenen Aryaka; ähnlich Pratijnäyaugandharäyana S. 100. 6 Dieser Satz wird erst bei seiner Wiederholung (s. gleich) vollständig. S. u. II D 8 zu Kam. VIII, 80: Satz drückt Eifersucht aus. 2
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und R&kshasa"
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Rähu, den dämonischen Mondverfinsterer, den „grausamen Planeten mit seinem vom Kopf getrennten Leib" (ketu) 1 , sondern auf einen Feind Candraguptas, auf Malayaketu. Der Schauspieldirektor erkennt die Stimme als die Cänakyas, seine Frau erschauert bei diesem Namen, und der Schauspieldirektor erklärt (Vers), daß Kautalya ( = Cänakya) mit seinem krummen (kutila) 2 Meinen (d. h. mit seiner Schläue in der Politik), der mit seinem Zornesfeuer das Könighaus der Nandas verbrannt hat, seinen ersten Halbsatz, in dem weder der Name Rähu noch Merkur (Budha) vorkam, nicht astrologisch, sondern politisch aufgefaßt hat. Daher treten beide schnell ab (4, 2ff., Vers 7), vielleicht, um nicht von Cänakya als verdächtig verhaftet zu werden. Das Erschauern der Frau deutet ja die Furcht des Volkes vor dem gewaltigen, grimmigen Politiker sattsam an. Als ersten Satz des ersten Aktes wiederholt dann der jetzt auf der Bühne erschienene Cänakya seine eben vorher hinter der Bühne ausgerufene zornige Frage. Damit ist der Übergang vom Vorspiel zum Drama in üblicher Weise 3 geschickt gelöst und Cänakya gleich zu Anfang als der grimmige Beschützer des Königs Candragupta hingestellt, passend zur zweiten Gebetsstrophe über den grimmigen Siva, und im Gegensatz zu seinem Gegner Räkshasa, der im 2. Akt jammernd auftritt (41,9). Aber die Geschicklichkeit dieser Überleitung ist doch rein formal. Cänakya, ob nun im Königspalast als großer Minister oder in seiner ärmlichen H ü t t e als Brahmane und Lehrer lebend, hört die Worte von der Straße her und bricht in seinen Ruf aus. Als der große listenreiche Politiker aber hätte er eigentlich einen seiner zahlreichen Agenten auf die Suche nach den Königsfeinden aussenden müssen, statt seine Gedanken so laut auszurufen. Indessen wollte der Dichter keineswegs den Schauspieldirektor des Vorspiels in die Jahrhunderte zurückliegende Handlung des Dramas direkt einbeziehen, er wollte eben nur einen formalen, „geistreichen" Übergang schaffen. Cänakya wiederholt seine grimmige Frage mit zwei Versen, in denen er seinen Zorn mit einem Waldbrand vergleicht, der den Wald, d. h. die Dynastie der Nandas, verbrannt hat und in den jetzt jener vermeintliche Tollkühne wie eine Motte fliegen will (5,1 ff., Vers 8 und 9). Cänakya hat also die Worte des Schauspieldirektors falsch aufgenommen. Er hat dabei den eindeutigen Ausdruck „Merkur" ebenfalls anders aufgefaßt, vielleicht hat er Budha ( = Merkur) für Buddha (der Weise) aufgenommen und gehört: Aber die Verbindung mit dem Weisen, nämlich mit mir, mit dem weisen Cänakya, schützt ihn. Da könnte ein Kritiker einwenden: Wie kann der Dichter seinen Helden Cänakya mit einem solchen Mißverstehen, einem solchen Irrtum einführen ? Diesem Einwand tritt der Dichter, wie es scheint, sofort entgegen: 1
Vishnu hatte Rähus Kopf abgeschlagen. Dies ist eine Etymologie des Namens Kautilya. Vgl. Räkshasas Name in wörtlicher Bedeutung: 133, 13 (Vers 114). 3 Diese Art Überleitung heißt udghätyaka; Sähityadarpana b y Viswanath Kaviraja ed. 1828 (Edueation Press), 139 wird diese Stelle unseres Dramas dafür zitiert (Kaie). 2
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Cänakya ruft seinen Schüler Särngarava 1 und verlangt einen Sitz. Der Schüler weist ihm mit kaum spürbarem Vorwurf den rohrgeflochtenen Sitz, der in dem Raum beim Eingang des Hauses 2 bei ihm bereit steht, und Cänakya entschuldigt sich vor dem Schüler wegen seiner Zerstreutheit, er habe den Schüler nicht etwa mit der zum Lehrer dazugehörigen Ungezogenheit behelligen wollen, er sei nur mit Arbeit überlastet (5,1011.). Deswegen also, weil die Sorgen ihn belasten, ist er wohl auch durch diese Worte des Schauspieldirektors irregeführt worden. Nimmt man diese Deutung der kurzen Szene nicht an, wird unverständlich, mit welcher Absicht 3 der Dichter sie hier eingefügt hat, denn Cänakya fährt danach mit seinem Monolog fort, der seine Sorgen schildert, und der Schüler gilt für lange Zeit gleichsam als nicht anwesend. Er ist als vor der Tür abwartend vorzustellen, während Cänakya innerhalb der Tür seinen Gedanken nachgeht. Hervorzuheben ist aber auch, mit welcher offenen Freundlichkeit und mit welcher realistischen Kritik am Lehrerstand Cänakya, der Brahmane mit höchstem Ministerrang, sich vor seinem Schüler entschuldigt 4 . Die Schärfe der Ausbeutung der Brahmanenschüler wird schon in einigen Erzählungen der Chändogyaupanishad und des Mahäbhärata deutlich 5 , die die knappen Anweisungen der altbrahmanischen Lehrbücher über die Dienstpflichten der Schüler vortrefflich illustrieren. Die Szene zeigt nebenbei, wie schnell Cänakya seinen eben aufgeloderten Zorn meistern kann. Wieder Herr seiner Sinne, verfolgt er die Frage nach dem drohenden Angreifer des Candragupta nicht weiter, schickt keine Häscher nach dem Schauspieldirektor und seiner Frau aus, versenkt sich vielmehr in eine Überlegung seiner politischen Lage, die für den Zuschauer zugleich eine ausführliche Exposition bedeutet. Er überlegt, wie es komme, daß das Städtervolk bereits wüßte, daß Räkshasa sich zu Malayaketu begeben habe und mit dem und dessen barbarischen Bundesgenossen den König Candragupta angreifen wolle (5,16 ff.). Cänakya bezieht also die Stimmung des Stadtvolkes 6 in seine politischen Überlegungen ein, und Rücksicht auf das Volk wird sich uns im ganzen Drama — wie auch in anderen Werken der indischen Literatur 7 — als ein bezeichnender Zug des altindischen Despotismus zeigen. Aus dem Satz Cänakyas erfahren wir weiter, daß nicht nur Räkshasa über die Vernichtung des Nandas erzürnt ist (obgleich er später mehr jammernd als zürnend auftritt). Sondern auch von Malayaketu heißt es, daß er, der Sohn des Parvata, über die Ermordung seines Vaters ergrimmt und durch die Aussicht, mit Hilfe 1 Er ruft den Namen zweimal (nach Dhu. aus Zerstreutheit). So tut er regelmäßig: 20, 1; 21, 6; 22, 3; 24, 1; 32ff. Vgl. N S II, 1, 65: Ruf bei Eile wiederholt; Pänini VIII, 1, 8: Ein Vokativ am Anfange eines Satzes wird wiederholt, um Neid, Lob, Ärger, Tadel oder eine Drohung auszusprechen. 2 Walimbe denkt an den Eingang des Königspalastes. 3 Abgesehen v o m Gegensatz zu Räkshasa am Anfang des II. Aktes, s. d. 4 S. u. 22, 5f. über schlechte Schrift. Walimbe denkt an hochmütige Herablassung des Lehrers. 6 Ch. Up. IV, 10; Mbh I, 3, 19ff. 6 Dhu.: Das Volk liebt Räkshasa. 7 S. o. zu 3, 2ff.
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Räkshasas das ganze Nandareich zu gewinnen, aufgestachelt ist (während doch sein Vater Parvata als Teilhaber Candraguptas nur auf die Hälfte hatte hoffen können). Cänakya verfolgt den Schauspieldirektor wohl auch deswegen nicht weiter, weil er überlegt: Ich habe mein offen gegebenes Wort gehalten und das Nandahaus vernichtet; ich werde auch mit dieser jetzt dem Volk offenbar gewordenen Sache fertig werden (6,4ff.) und Räkshasas Pläne vereiteln, ohne mich um die Gerüchte im Volk sorgen zu müssen. Mein Zorn ist ja wie ein Waldbrand, der die Sprossen des Nandahauses vernichtete und die auf diesen Baumzweigen sitzenden Vögel, die Städter, bestürzt machte und von ihnen forttrieb 1 . Er hat mit der Asche der Verwirrung, die der Wind meiner Schachzüge dahintrug, die Waldbäume, die feindlichen Minister 2 , bestreut, und er ist nur aus Mangel an weiterem Brennstoff 3 , nicht aus Ermüdung verlöscht. Und die trauernd Brennenden, die mit geneigten Häuptern dastanden und in ihrem Mund das Wort „ P f u i ! " aus Furcht vor ihrem Despoten als ungeborenen Keim trugen, als sie sahen, wie er mich vom Ehrensitz verjagte, sie mögen jetzt sehen, wie ich den Nanda samt seiner Sippe gestürzt habe, wie der Löwe den Elefanten vom Berggipfel stößt (6,7ff., Vers 10 und 11). Cänakya vertraut also darauf, daß die von den Nanda unterdrückten Städter jetzt im allgemeinen mit Genugtuung auf ihn blicken, nachdem er sich an den Nanda gerächt hat 4 . Im Gegensatz zu ihm verherrlicht Räkshasa verständlicherweise die vergangene Dynastie der Nanda. Die Meinung des Dichters über die Nanda, geschweige die historische Wirklichkeit, kann der Historiker aus dem Drama nicht ersehen. Die Kenntnis der Vorgeschichte von der Beleidigung Cänakyas durch den Nanda, als er ihn vom Ehrensitz verwies, wird hier vorausgesetzt, wird ausführlich von Somadeva, Hemacandra usw. 5 erzählt. Obgleich ich mein Wort wahrgemacht habe, halte ich noch heute Candragupta zuliebe das Schwert in der Hand. Mit angespanntem Geiste verteile ich auf Feind und Freund die zwiespältige Frucht von Zorn und Liebe 6 (7,1 ff., Vers 12). Cänakya deutet hier an, daß er nicht auf die Dauer mit dem Schwerte das Ministeramt des Königs behalten möchte; am Schluß des Dramas wird er beides dem Räkshasa übergeben. Während in der Bhagavadagitä XVI,12 7 die Menschen getadelt werden, daß sie mit Liebe und Zorn ihren Zielen nachgehen, verteidigt im Mbh X I I , 97,29 ein Weiser wie Bhishma dem zweifelnden König Yudhishthira gegenüber den Kriegerstand und 1 2 3 4 6 6 7
So daß sie ihr Leben retteten. D h u . : Vakranäsa usw., s. u. 31, 8 (Vers 23). D h u . : Aber Malayaketu steht jetzt als Brennstoff bereit. Umgekehrt Räkshasa, s. u. zu 167, 2ff. S. u. I I B. D h u . : Strafe und Gnade; s. u. Cänakya im III. Akt, 88, 9ff. B h G II, 56; IV, 10; III, 37 usw., Mbh. X I I , 103, 23; 105, 5 usw.
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lehrt, daß der Held voll Liebe und Zorn kämpfen muß. Da stand der ruhe- und erlösungssüchtige Pessimist der Bhagavadgitä dem handlungsfreudigen Verteidiger des Adels gegenüber. Auf die Seite des letzteren stellt unser Dichter seinen Cänakya; aber der Kautalya des Arthasästra lehrte 1 , daß der König seine Leidenschaften, in erster Linie Liebe und Zorn, zu zügeln habe, wenn er nicht scheitern wolle, wofür er aus der Mythologie Beispiele anführte, die dann im Kämasütra wiederholt wurden 2 . Indessen besteht zwischen dem Cänakya des Dramas und dem Kautalya des Lehrbuches hier doch kein wesentlicher Unterschied, denn der Cänakya des Dramas hat bereits gezeigt, daß er seinen Zorn schnell beherrschen kann, und der Kautalya des Lehrbuches läßt seinen König sich bei aller Selbstzucht an den Frauen seines Harems freuen und gegen seine Feinde mit aller Energie kämpfen. Nur das Übermaß der Leidenschaften ist gefährlich; der König braucht nicht etwa ein Asket zu sein. Nach solchen allgemeinen Erwägungen, die durch die astrologischen Worte des Schauspieldirektors ausgelöst sind und den ersten Teil der Exposition des Dramas in Form eines Monologes, eines Bekenntnisses seiner im Grunde mehr egozentrischen als staatspolitischen Rachsucht bilden, geht Cänakya zur Überprüfung der Lage im einzelnen über. Das tut er mit einem überleitenden: „Oder vielmehr" 3 . Das ist der Stil eher eines Gelehrten, der eine Abhandlung schreibt, als eines Dichters, aber gerade damit wollte der Dichter den systematisch überlegenden Cänakya charakterisieren. Hatte er bisher im 1. Teil seines Monologes stolz von seiner gestillten Rache geredet, so spricht er im folgenden 2. Teil sachlich über das noch zu Tuende. Hatte er im Vers eben erklärt, er habe die Glücksgöttin im Maurya so fest verwurzelt wie eine Lotuspflanze im Teich, so verbessert er sich jetzt: Das Glück des Königs muß erst gefestigt werden! Das ist ein im Drama immer wieder hervorgehobener Gesichtspunkt 4 , wie denn die Festigung der Herrschaft eines neuen Despoten auch für Kautalya in seinem Lehrbuch und für Dichter wie etwa Kälidäsa im Raghuvamsa ein besonderes Problem darstellt 5 , war sie doch tatsächlich eine schwierige Aufgabe für den betreffenden Politiker. Räkshasa muß auf die Seite Candraguptas herübergezogen werden, soll dessen Herrschaft wirklich gesichert sein. Räkshasa aber ist dem Nanda treu. Cänakya hat daher den letzten Nanda, Sarvärthasiddhi, umbringen lassen, obgleich der auf den Thron bereits verzichtet hatte und als Büßer ins Dschungel 6 gegangen war. Daraufhin zeigte Räkshasa indessen noch größere Aktivität auf Seiten Malayaketus. Cänakya lobt ihn 7 wegen seiner seltenen Treue zu den Nanda, selbst nachdem der letzte Nanda getötet ist. (Vers:) Sonst folgen die Menschen aus Egoismus ihrem Herren solange er an der Macht ist 1 , oder mit der Hoffnung, daß er wieder zur Macht kommt, im Unglück. Selten findet 1 Kaut. 3, 1 ff.; vgl. 25, 11 und Kam. I, 55ff. Kaut. 129, lOff.: BhäradvSja für Liebe und Zorn. 2 K S I, 2, 40ff.; St. Konow, Kautalya Studies, Oslo 1945, 8ff. » atha v ä : 1 0 , 5 ; 4 1 , 1 4 ; 1 4 1 , 4 ; 1 4 2 , 1 ; 1 4 9 , 9 ; 1 5 1 , 3 ; 1 6 6 , 2 ; 1 6 6 , 4 ; 1 6 7 , 8 ; 1 7 7 , 7 ; 184, 2; 185, 1; 193, 13; 195, 10; 196, 10; 198, 4; 200, 5. 1 S. u. Vers 23. 6 Rüben 1947 150f. und 1948, 241 über Rghv. VIII, 10. 6 Rüben 1947, 179: Abdankung. ' Ähnlich Pratijnä. S. 28: Yaugandharäyana lobt seinen erfolgreichen Gegner.
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man die, die wie Rakshasa aus selbstloser Dankbarkeit noch ihren untergegangenen Wohltätern anhängen. Gerade er muß gewonnen werden. Was nützen denn zwar treue, aber dumme und feige Diener oder untreue, selbst wenn sie klug und mutig sind? Einsicht, K r a f t und Treue muß der wahre Fürstendiener besitzen, sonst ist er nichts als eine Haremsfrau (7,7ff., Vers 13 und 14). Abgesehen von diesem scharfen Hieb gegen die nutzlose, in Glück und Unglück mitzuschleppende Frau, der zu der Rolle der Frau des Schauspieldirektors paßt, handelt es sich hier um ein ernstes Problem. Kautalya 2 hat in seinem Lehrbuch sehr viel ausführlicher und inhaltsreicher erörtert, wen der Fürst als seine Ratgeber wählen soll, und dabei die Gesichtspunkte der Treue, Intelligenz und Ehrlichkeit, der Adligkeit, der Heldenhaftigkeit und, ob sie etwa dem König von Jugend an oder dem Herrscherhause schon durch Generationen verbunden sind, gegeneinander abgewogen und weise entschieden, daß der Herr die Diener je nach ihren Eigenschaften für die verschiedenen Aufgaben verwenden soll. Im Tanträkhyäyika werden ähnliche Gesichtspunkte in klugen Versen behandelt (I, 45ff.). Im Pancatantra wird im I. Buch ausführlich gezeigt, wie der Löwe sich im Stier einen ihm bisher völlig unbekannten und nach seiner Wesensart völlig Fremden als Ratgeber heranholt und damit gut fährt, wie er sich damit aber den angestammten, dem Charakter nach bösen Schakalminister zum Feinde macht, wie zwar der Stier ein klügerer und ehrlicherer Helfer ist als der gemeine Schakal, wie aber der Schakal k r a f t seiner Intelligenz und Skrupellosigkeit am Ende mit seinen gemeinen Intrigen siegt. Im I I I . Buch des Pancatantra endlich vertraut der Rabenkönig seinem treuen, klugen und tapferen Minister und siegt über den Eulenkönig, der auf seinen guten Ratgeber nicht hört. Dies Problem der Auswahl der Minister war also wesentlich für den altindischen Despotismus und ist auch eines der Hauptprobleme unseres Dramas, wie sich immer wieder zeigen wird. Der Dichter aber ließ hier schon am Anfang der Exposition den klugen, aber im Grunde sehr egoistischen Cänakya den treuen, selbstlosen 3 Rakshasa geradezu überschwenglich und pathetisch loben. Das hielt er f ü r notwendig, um es dem Zuschauer verständlich zu machen, daß der mit seinen Listen im Drama stets siegreiche Cänakya den dort stets unterliegenden Rakshasa trotz seinem ganz anderen, geradezu jämmerlichen Verhalten als seinen Nachfolger bei Candragupta wünscht und damit Recht behält. Ob dem Dichter diese seine Absicht gelungen ist, ist freilich erst am Ende des Dramas zu beurteilen. Aber das ist doch schon hier anzumerken, daß das Lob des Rakshasa aus dem Munde des ganz anders gearteten Cänakya nicht gerade sehr überzeugend wirkt. Und der Vergleich mit Kautalya zeigt: Visäkhadatta verwendet hier nur drei Begriffe. Davon entsprechen Einsicht und K r a f t dem, was von „Materialisten" im Kampf gegen Fatalismus als Intelligenz und Manneskraft (buddhi, paurusha) genannt wird 4 . Diesem bekannten Begriffspaar hat er den der Treue zugesellt, der in diesem Zusammenhang von „Materialisten" nicht angeführt zu werden pflegt. Das 1
Walimbe macht auf 120, 7ff. = Vers 108 aufmerksam. K a u t . 4. prak. 3 Freilich ist auch seine Verbohrtheit auf Rache noch über den Tod seines Herrengeschlechts hinaus in gewisser Weise egoistisch. 4 Darüber ausführlicher Rüben 1952 a 27 f. 2
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sieht so aus, als habe der Dichter den „Materialismus" verbessern 1 wollen. Wir müssen dabei aber bedenken, daß der altindische Materialismus uns nur in der Polemik der Gegner sichtbar wird. Den echten altindischen Materialismus kennen wir noch aus keinem Originalerzeugnis2. Cänakya überdenkt weiter, daß er inzwischen nicht untätig war. E r hat Parvata durch ein Giftmädchen umbringen lassen, aber das Gerücht ausgestreut, Räkshasa habe das getan, um Cänakya zu schädigen, denn der Tod Candraguptas oder Parvatas (eines der beiden Verbündeten) sei für Cänakya gleich schlecht (8,11 ff.). Das Giftmädchen 3 , das ursprünglich von der Nandapartei für Candragupta bestimmt war, half also dem Cänakya, Parvata zu beseitigen, dem er das halbe Reich der Nanda hatte versprechen müssen. Parvata und Candragupta gelten beide als Sieger über die Nanda und also als Werkzeuge für die Rache Cänakyas; Parvatas Ermordung kann also den uneingeweihten Untertanen gerüchteweise als Räkshasas Rache für den Sturz Nandas hingestellt werden. Dies Gerücht spielt später eine große Rolle 4 . Gleichzeitig hat Cänakya dem Malayaketu durch seinen Agenten Bhäguräyana zuflüstern lassen, Cänakya habe Parvata umgebracht; der junge Prinz flieht darauf voll Furcht vor dem Minister aus Pätaliputra. Bliebe er in der Stadt, würde Cänakyas Schandtat, der Mord des Verbündeten, offenbar geworden sein 5 . So aber vertraut das Volk dem Cänakya, und die Sache kommt nicht ans Tageslicht. Die beiden geflohenen Feinde, Malayaketu und Räkshasa, aber scheinen Cänakya im Vertrauen auf seine Intelligenz nicht bedrohlich 6 (8,14 ff.). Er hätte hinzufügen können, daß Bhäguräyana dem Malayaketu jetzt als zuverlässiger Freund erscheint, was sich im V. Akt als grundlegend wichtig herausstellen wird. Cänakya hat weiter Spione und Agenten angestellt, die sich auf die Kleidung, Sprache, den Wandel usw. der verschiedenen Gegenden verstehen 7 . Er läßt das Leben der in der Stadt gebliebenen Minister und Freunde der Nanda überwachen. Er läßt einige Große, wie Bhadrabhata, die sich mit CandraS. u. zu 169, 6 ff.: Kautalyas Skrupellosigkeit durch iSivaismus „verbessert". Abgesehen von dem Hylozoisten Uddälaka in Ch. Up. VI. 3 S. u. I I B 1: Hemacandra und I I E : Penzer. Bei Kaut, kommt kein Giftmädchen vor (Walimbe 32 (Introduction) und 23 (Notes)). — Vgl. poison damsel = F 582 (Motiv Thompsons); vielleicht ist die Vorstellung von dem Mädchen, das voll Schlangen steckt und ihren Werbern in der Brautnacht den Tod bringt, von einem zauberkräftigen Helfer aber harmlos gemacht wird, verwandt (F 582. 1; Grimms Märchen Nr. 217: Der dankbare Tote; Märchentyp 507 C nach Aarne-Thompson). Nach Krone 95 ist dies Märchen von Asien nach Europa gekommen (ähnlich: Thompson 1946, 52, weil die Tobias-Sage sehr alt ist; Tobias ist älter als unser Drama). 4 S. u. 131, 4ff. 6 Ähnlich s. u. 90, 5. Telang: Cänakya betont sein „gutes Gewissen" dadurch, daß er Malayaketu entkommen läßt. • Ähnlich 91, 2: bähyakopa. 7 Vgl. Das. 22: Prinzen lernen Sprachen; KS I, 3, 16 kalä 47: Sprachlernen. Kaut. 8, 8; Walimbe 30f. (Introduction). 1
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gupta zusammen erhoben haben, Unzufriedenheit mimen 1 . Gegen die Mörder, Giftmischer usw. des Feindes aber verwendet er erprobte Gegenspieler 2 . Insbesondere ist Cänakyas Schulfreund Vishnusarman, ein Kenner der Staatslehre und Astrologie, seit langem, als Jainamönch 3 verkleidet, Räkshasas Vertrauter 4 geworden und jetzt für eine große Aufgabe vorgesehen 5 . So hat Cänakya nichts verabsäumt. Einzig Candragupta hat ihm als Hauptminister die Regierungslast übertragen und lebt in Ruhe. Aber 6 nur ein arbeitsloses Königtum macht Freude. (Vers:) Mögen Menschen- und Elefantenfürsten 7 auch stark sein, wenn sie nur Selbsterworbenes verzehren, sitzen sie meist unglücklich da! (9, 4ff., Vers 15) 8 . Cänakya bedauert zunächst, einzig Candragupta in das diplomatische Spiel nicht mit einbezogen zu haben, erklärt dies dann aber für sachlich berechtigt. Wenn Fürsten nur Selbsterworbenes zu verzehren hätten, würden sie verhungern, ebenso die Prachtelefanten. Von ähnlichem Gesichtspunkt aus wird im Tanträkhyäyika I, 8—9 der elende, um einen Bissen bettelnde Hund dem würdigen Elefanten gegenübergestellt, der nur nach gutem Zureden Speise anzunehmen geruht, andererseits aber auch dem Manne, der das verzehrt, was er durch seine Intelligenz und K r a f t erworben hat. Diese Verse spricht im Fabelbuch der Schakal, der als Vertreter des aktiven, skrupellosen, am Ende triumphierenden und seinen König, den Löwen, völlig beherrschenden Ministers dargestellt ist. Sein maßloser Egoismus und seine Schlechtigkeit unterschieden ihn stark vom Cänakya des Dramas. Cänakya sagt dies hier wohl auch nur, weil er alleine ist, so offenherzig. Kautalya sagt es in seinem Lehrbuch nicht, denn in dem hält er die Fiktion aufrecht, daß der König es ist, der regiert. Der Vers dürfte aber die Ansicht des Dichters selber ausdrücken. Für dies Drama ist dieser Gegensatz des aktiven Ministers und des untätigen Königs wichtig, ist aber nicht etwa wie der des dummen und feigen Löwen im Fabelbuch, wie der des Haremslüstlings und Despoten Agnivarman im letzten Gesang des Raghuvamsa, des königlichen Lüstlings im Dasakumärararita VIII und ihresgleichen zu ihren aktiven Ministern tadelnd gemeint. Candragupta vielmehr vertraut dem Cänakya und hält sich in der Politik mit Recht zurück 9 ; Visäkhadatta gibt ihm durch den Mund des Cänakya recht, auch in diesem Vers. Der hier genannte Vishnusarman wird unter dem Namen Jivasiddhi als Jainamönch und Astrologe im IV. und V. Akt eine wichtige Rolle spielen, die Cänakya ihm also hier schon zugedacht hat. Mit der Nennung dieses wichtigen Agenten ist dieser Teil der Exposition und der Monolog abgeschlossen. 1
Walimbe 25 (Notes): Fachausdruck Kaut.'s. S. u. II. Akt: Räkshasas Intrigen. 3 Walimbe: Buddhistischer Mönch. Er heißt auch Indu^arman usw. 4 Ein Politiker aber sollte so leicht niemandem vertrauen, vgl. Rüben 1952 a 42 ff. 6 S. u. I V . - V . A k t ! 8 atha vä, s. o. zu 7, 7. 7 Hillebrandt: Löwen. Der Elefant erhält seine Nahrung vom Elefantenwärter, der Löwe aber jagt, und der Schakal lebt von seinen Überresten. Zum Vergleich Elefant-Fürst s. u. Vers 28, 32, 85 usw. 8 Hillebrandt 1908, 22 verweist auf Hit. etc. 9 S. u. Candragupta selber in 71, 13f. Er ist aber an Politik nicht uninteressiert, wie Walimbe 26 (Notes) meint. 2
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Nipunaka tritt auf mit einem Bild des Yama. Er rezitiert zwei Strophen darüber, daß Yama alleine zu verehren ist; verehrt man andere, nimmt er einem das Leben. Durch ihn, den Grausamen 1 , Verehrten, muß der Mensch leben; wer den Tod gibt, durch den, durch Yama, leben wir (10, 9ff., Vers 16 und 17). Daß es Agenten der Despoten in Verkleidung als kahlgeschorene oder flechtentragende Asketen gegeben hat, bezeugt u. a. Kautalya 7,16 ff. Bei der Auswertung dieser einzigartigen, religionsgeschichtlich wichtigen Szene 2 ist indessen gewisse Vorsicht geboten. Wenn ein Agent Cänakyas in dieser Rolle auftritt, muß es solche in Volksdialekten und Versen mit sehr grober Sprache für den Todesgott werbenden Wanderprediger aus offenbar nichtbrahmanischer Kaste gegeben haben, aber wir können mangels Vergleichsmaterial noch nicht ermessen, ob der Dichter sich nicht in Einzelheiten hier einen Witz erlaubt hat. Cänakyas Schüler, der vor der Tür wartet, spürt jedenfalls nichts Derartiges. Er verwehrt dem Yama-Sänger den Eintritt zu seinem Lehrer Cänakya. Wie dieser nur den Namen Cänakya hört, sagt er lachend, er wolle seinem eigenen „Bruder im Recht" (dharma) 3 das Recht lehren. Das ärgert den Schüler, der seinen Lehrer den höchsten Kenner des Rechts, ja allwissend nennt. Der Agent gibt ihm daraufhin gleichsam ein Rätsel auf: ob sein Lehrer auch wüßte, wer nicht auf die Seite des Mondes (candra) übergegangen sei? Der Schüler versteht dies nicht, der Schalk aber erklärt: Du kannst dies nur so verstehen, daß der Taglotus den Mond haßt (Vers) 4 . Aber für einen Kenner bedeutet dies mehr und ist nicht ungereimt. Da greift Cänakya ein, der alles mit angehört und verstanden hat, daß sein Agent Leute nennen kann, die nicht auf die Seite Candraguptas übergegangen sind; er läßt sofort seinen Mann eintreten (11, 5ff., Vers 18). Dessen Doppeldeutigkeit (Mond-Candragupta) erinnert an die Worte des ebenfalls von Cänakya belauschten Schauspieldirektors im Vorspiel. Der gläubige Schüler bleibt stillschweigend, offenbar ohne jedes Verständnis und voll Verwunderung über seinen Lehrer, der sich von einem solchen Kerl Recht beibringen lassen will, vor der Tür stehen. Cänakya lehrt ihn eben nichts an Geheimpolitik; er lehrt ihn überhaupt nicht, er benutzt ihn als Diener, wie es als Recht des Lehrers galt. Ob im folgenden tatsächlich von Recht (dharma) und nicht von Politik die Rede ist, ist nicht ohne weiteres klar; Recht ist ja mit Politik auch im Lehrbuch des Kautalya verbunden, und der Agent bringt dem Minister ja Material über Menschen, die von ihm politisch als Verräter und Verbrecher angesehen werden. Es mag aber auch sein, daß der Dichter diesen Agenten sich aus Witz als Rechtslehrer ausgeben läßt, diesen Todesprediger, der den Feinden seines Herren den Tod bringt. 1
Dhu.: So grausam wie Kautalya; darauf wird angespielt. Vgl. Winternitz III, 212 Anm. 1 über den Yama-Sänger. Walimbe 27 (Notes) nach Telang: Noch heute. In einer Santal-Erzählung zeigt ein Yogi Bilder (Rüben 1952b 88 Anm. 8). 3 Der mich selber als Rechtsbruder hat; Telang: Der mit mir beim selben Lehrer gelernt hat; Walimbe: spiritual brother. 4 S. u. 47, 7f. = Vers 40. Dhu.: Feinde Candraguptas ertragen seinen Aufstieg nicht. 2
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Cänakya erkennt Nipunaka beim Eintreten und fragt ihn ohne weiteres, ob das Volk Candragupta liebe. Nipunaka erklärt, daß Cänakyas Maßregeln das Volk für den König eingenommen haben, es gäbe aber noch drei Freunde Räkhasas in der Stadt, erstens den Jainamönch, der auf die Seite der Feinde "setzt (wie Cänakya diese Worte hört, wiederholt er sie in Gedanken voll Freude), Jivasiddhi, der auf Räkshasas Befehl hin jenes Giftmädchen dem Paravata zuführte 1 (14, 3ff.). Der Agent Cänakyas nennt als ersten „Feind" den Freund und Hauptagenten Cänakyas, Vishnusarman, der für eine große Aufgabe vorgesehen ist, und glaubt also das in der Stadt von anderen Agenten Cänakyas über Jivasiddhi ausgestreute Gerücht über das Giftmädchen 2 . Das paßt zu der Regel Kautalyas (8,14), daß ein Agent den anderen nicht kennen soll 3 . Cänakyas Freude wird nicht darauf zurückzuführen sein, daß er merkt, daß sein Agent Nipunaka seinen Agenten Jivasiddhi (eigentlich Vishnusarman) nicht erkannt hat oder daß der erste seiner „Feinde" sein eigener Agent ist 4 , der seine Rolle eben gut spielt. Vielmehr freut er sich, daß der Mönch, dessen Anblick nach indischem Aberglauben dem, der ihn als ersten sieht, ein böses Vorzeichen bedeutet, sich seinen Feinden zugewendet hat, diese also das Unglück treffen wird. Umgekehrt sieht Räkshasa am Ende des IV. Aktes 5 als ersten eben diesen Mönch und f a ß t das sofort und mit abergläubischem Recht als böses Omen auf; dieser Agent bringt ihm nach der Ansicht des Dichters tatsächlich Unglück. Ähnlich geht es dem Siddhärthaka am Anfang des V. Aktes. Der Dichter wird an solche omina geglaubt haben, obgleich es sich in diesen Fällen nicht um einen echten, sondern nur um einen Scheinmönch handelt. Als zweiten nennt der Agent den Schreiber Sakatadäsa 6 . Cänakya lacht in Gedanken zunächst über diesen „leichten Stoff" 7 , dann aber bedenkt er, daß auch ein gewöhnlicher Mensch nicht zu verachten ist und daß er diesem Schreiber seinen Agenten Siddhärthaka als scheinbaren Freund beigestellt h a t 8 (16, 4ff.). Also kannte der „allwissende" Cänakya diesen Feind schon vor dieser Nachricht seines Agenten, ähnlich wie den erstgenannten „Feind", den Mönch. Als dritten nennt der Agent den Gildenvorsteher der Goldschmiede Candanadäsa, den besten Freund Räkshasas; bei dem habe Räkshasa bei seiner 1
S. u. 24, l f f . S. o. 8, 12f., wo Jivasiddhi nicht genannt war. 3 S. u. die beiden Agenten im Vorspiel des V. Aktes. Hillebrandt 1908, 20 führt Rghv. usw. an. 4 Letzteres nimmt Dhu. an. Wenigstens in Hillebrandts Text freut Cänakya sich, ehe er den Namen gehört hat. Hillebrandt zitiert Telangs anders lautenden Text gar nicht. 5 S. u. 116, 9; auch dort wird Jlvasiddhis Name erst später genannt, beide Szenen sind analog gemeint. In Mrcch. V I I (zu Ende) sieht Cärudatta einen buddhistischen Mönch und biegt ihm aus, um das böse Omen zu vermeiden. 6 Telang: Schreiberkaste vor allem in Bengalen. 7 S. u. zu 24, 7ff. — Kaie, Walimbe und Hillebrandt 1908, 23 zitierten Parallelen zu Cänakyas Gedanken. 8 S. u. 22, 3 ff.: Siddhärthaka als Freund Öakatadäsas. 2
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Flucht aus der Stadt seine Frau gelassen. — Cänakya stimmt diesem Urteil über den Goldschmied in Gedanken zu 1 (16,9ff.). Diese wichtige Nachricht über diesen Gegner ist für Cänakya offenbar neu, der Agent hatte also recht, wenn er sich rühmte, er könne Cänakya noch etwas lehren! Cänakya fragt nach dem Beweis für diese Nachricht. Nipunaka weist ihm den Siegelring des Räkshasa vor. Cänakya triumphiert in Gedanken: Räkshasa selber ist einer geworden, der sich zu meinem Finger hingezogen fühlt 2 (16,13ff.). Der kluge Minister ist sicher, daß kraft seiner listigen Verwendung des Ringes der Gegner seinem Siegelring in die Hand Cänakyas folgen wird. Der Siegelring ist wegen seiner Bedeutung im Stück in den Titel des Dramas aufgenommen worden, er und Räkshasa, während der Sieger, Cänakya, darin nicht genannt wird. Auf Cänakyas Frage erzählt Nipunaka, wie er als Yama-Prediger wandernd in das Haus des Goldschmieds eintrat und aus einem Schlafzimmer ein neugieriger fünfjähriger Knabe herauskam. Im Zimmer jammerte eine Frau über sein Fortlaufen, und in der Tür zeigte sich eine Frau, die ihn zurückholte. Als sie sich mühte ihn zu fassen, fiel dieser für sie zu große Männerring von ihrem Finger auf die Schwelle und rollte ungesehen neben meinen Fuß. — Cänakya verspricht ihm baldige Belohnung und entläßt ihn (17, 3ff.). Nach der ausführlichen, sachlichen und zugleich stolzen Schilderung des Agenten wirkt Cänakyas Verabschiedung besonders kurz. Die Kürze soll wohl seine eilige Geschäftigkeit andeuten. Man kann sagen, daß der Yama-Sänger die Häuser so wichtiger Männer wie des Goldschmiedegildenmeisters vermutlich systematisch aufgesucht hat; trotzdem ist doch das Finden des Ringes Zufall. Zufall aber bedeutet dem frommen Hindu Schicksal, und deswegen ist der indische, im 'Fatalismus erzogene Zuschauer gegen Benutzung von Zufällen nicht so empfindlich wie der heutige europäische. Man muß aber auch betonen, daß hier die Größe Cänakyas vom Dichter daran gezeigt ist, wie schnell er diesen glücklichen Zufall für seine Pläne auszunutzen versteht. Andererseits hätte Räkshasas Frau den Verlust des Ringes sofort ihrem Gastgeber zumindest melden müssen, damit Räkshasa davon irgendwie unterrichtet würde. Da der Dichter darauf nicht hinweist, hat er diesen Gesichtspunkt vermutlich übersehen 3 . Mit dieser Meldung des Agenten ist der zweite Teil der Exposition abgeschlossen. In ihrem ersten Teil hatte Cänakya dem Zuschauer mitgeteilt, was er wollte und eingefädelt hatte; in diesem zweiten Teil hatte sein Agent ihm die letzten Neuigkeiten und den wichtigen Ring überbracht. Jetzt war alles bereit (und dem Zuschauer klar), daß Cänakya mit seiner Handlung beginnen konnte. Cänakya läßt sich von seinem Schüler Tintenfaß und ein Schreibblatt 4 bringen und überlegt, was er schreiben soll, denn mit dem Schreiben wird er S. u. I I D 8 zu Kam. VIII, 80: unparteilicher Satz. Ebenda: parteilicher Satz. 3 Mahädeva fügt (vielleicht aus solcher Überlegung heraus) in § 25 hinzu: Die Frau hat das Fallen des Ringes nicht bemerkt. Der Agent betont im Drama aber nur, daß sie das Rollen des Ringes zu seinem Fuß nicht beachtet hat. Den Verlust des Ringes mußte sie auf jeden Fall bald danach spüren. 4 Nicht Papier, vielleicht Birkenrinde oder Palmblatt (Walimbe). 1
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Räkshasa besiegen. Da tritt die Türhüterin Candraguptas mit dem Gruß: Sei siegreich! ein, und Cänakya nimmt dieses Wort als gutes Omen an 1 . Die Türhüterin meldet mit großer Höflichkeit 2 , daß Candragupta die Totenriten für Parvata vollziehen möchte und dessen Schmuck an würdige Brahmanen geben lassen würde. Cänakya gibt freudig seine Zustimmung, sagt aber, er würde selber ausgewählte tugendhafte Brahmanen zum Empfang des Schmuckes schicken (20,1 ff.). Hier wird das komplizierte Vertrauensverhältnis des sich sehr ergeben ausdrückenden 3 Königs und seines Ministers schon etwas deutlicher gemacht: Was Candragupta als frommer Mann möchte, paßt in Cänakyas Politik, „als hätte der König mit des Ministers Herzen R a t gehalten", wie Cänakya sagt 4 . Der König soll eben der Sitte gemäß Trauer um seinen Bundesgenossen zeigen, den angeblich Räkshasa ermorden ließ. Diese Szene mit dem Schmuck mußte hier stehen, wo Cänakya seiner List genaue Form geben und den Brief mit Räkshasas Siegel schreiben wollte. Den Schmuck baute Cänakya sofort in seine große Intrige zur Umgarnung Räkshasas ein; er hat wieder blitzschnell kombiniert und einen Zufall ausgenutzt. Es wird aber nicht etwa angedeutet, daß Candragupta seinem Minister mit dem Schmuckgeschenk 5 einen Hinweis für eine Intrige geben wollte; der König weiß ja von dem gefundenen Siegelring noch nichts 6 . Cänakya läßt seinen Schüler die drei Brüder Visrävasu usw. zur Entgegennahme des Schmuckes zu Candragupta schicken, dann aber zu sich bestellen (21,6ff.). Mit welcher Rolle in seiner Intrige der Minister die Brüder, die scheinbaren würdigen Brahmanen, beauftragte, wird hier nicht erzählt. Erst ganz am Ende des II. Aktes tritt der Schmuck in die Handlung ein. Dies Verfahren des Dichters sollte die Spannung erhöhen. Dieser Schmuck gibt Cänakya den Gedanken zum zweiten Teil seines beabsichtigten Schreibens. Für den ersten Teil fallen ihm jetzt die wichtigsten Bundesgenossen des Malayaketu ein, die (nach Nachrichten seiner Spione) dem Räkshasa am meisten befreundeten fünf Könige, nämlich (Vers): 1. Citravarman, der Kulüta-König, 2. Nrsimha von Malaya; 3. Pushkaräksha von Kaschmir, 4. Sindhushena von Sindh und 5. Meghäksha von Persien mit seiner großen Kavallerie 7 . Deren Namen schreibe er jetzt sicherlich auf; Citragupta, der Totenrichter, möge sie auslöschen 8 (21, l l f f . , Vers 19). Er will sie aufschreiben, tut es aber noch nicht. 1
Ähnlich 24, l l f f . Nach Walimbe heißt solch Omen patäkästhäna. „Der König legt beide Hände zusammen an den Kopf" usw. Vgl. Mrcch. IV, 486f., wo Maitreya Vasantasenä die Worte Cärudattas wiedergibt. 3 Dagegen spricht hier Cänakya zum Türhüter über vrshala. Walimbe betont, daß der König sogar in solchen ritualistischen Fragen Cänakyas Einverständnis nachsucht. 4 Walimbe: Hatte Cänakya gar schon vorher an Parvatas Schmuck gedacht? 6 Gegenstück: Malayaketu und Räkshasa, s. u. 44, 3ff. 6 Mahädeva erzählt in § 24 diese Schmuck-Episode vor Auftritt Nipunakas in § 25. 7 Kaie zitiert Rghv. IV, 62 für Reiterkampf der Perser. 8 Walimbe: Oder selbst der Todesgott kann nicht wagen, die Namen, die Cänakya zum Todesurteil niedergeschrieben hat, auszulöschen, d. h. zu retten. — Malayaketu läßt die Könige später töten: 153, 12 ff. 2
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Die Kulüta sollen die heutigen K u l u 1 im Kaschmirischen Himalaya sein; das Land der Malaya lag im Panjab bei Multan. Es handelt sich also um die Hauptkönige des indischen Nordwestens bis Persien. Man hat unter dem Perserkönig den Diadochen Seleukos verstehen zu müssen gemeint, unter dem Herren von Sindh aber dessen Zeitgenossen Sibyrtios, da beide in die Periode des Candragupta gehören 2 . Die im Drama angegebenen indischen Namen stören freilich dabei. Vielleicht waren die griechischen Namen in der indischen Tradition im Laufe der Jahrhunderte verlorengegangen. Ein König Meghäksha („Wolkenäugig") von Persien ist freilich einstweilen schwer vorstellbar. Sollte unser Dichter die Namen ebenso frei erfunden haben wie diese Bundesgenossen überhaupt ? Beweise für ihre historische Wirklichkeit oder sonstige indische Traditionen über sie sind noch nicht gefunden worden. Cänakya überlegt: Lieber soll jemand anders schreiben, damit alles im Dunkel bleibt. Er begründet das seinem Schüler damit, daß unfehlbar die Schrift von Gelehrten, selbst sorgfältige, schwer zu lesen ist. Der Schüler solle deswegen Siddhärthaka beauftragen, das Schreiben durch jenen Schreiber Sakatadäsa angeblich im Auftrag irgendeines Ungenannten ohne Absender und Empfänger abschreiben zu lassen und auf keinen Fall Cänakya als Auftraggeber zu nennen. Cänakya hält jetzt Malayaketu schon für besiegt (22, 3ff.). Den Inhalt des Schreibens 3 erfährt der Zuschauer erst im V. Akt. Besonders witzig 4 ist die auf Erfahrung beruhende Ausrede, nicht selber zu schreiben, die der Minister seinem Schüler erfolgreich aufbindet. Dagegen scheint es eine schwache Stelle des Dramas zu sein, daß Sakatadäsa, ein berufs- und kastenmäßiger Schreiber, bei einem solchen politischen Brief, dessen verklausulierte Sprache ihn jedem verdächtig machen mußte, nicht stutzig wird. Cänakya hat freilich den Siddhärthaka schon vorher sich um des Schreibers Freundschaft bewerben lassen 5 . Siddhärthaka bringt diesen Brief sofort 6 . Cänakya bewundert Sakatadäsas schöne Schrift, gibt Siddhärthaka jenen Siegelring Räkshasas zum Siegeln und beauftragt Siddhärthaka, zunächst auf dem Richtplatz Sakatadäsa (dessen Hinrichtung er gleich befehlen wird) dadurch von den Henkern zu befreien, daß er sie auseinanderjage, nachdem er mit ihnen ein Schließen des rechten Auges als Zeichen der Auslösung dieses abgekarteten Spieles verabredet habe. Sakatadäsa solle er dann zu Räkshasa führen, von ihm für diese scheinbare Befreiung seines Freundes, des Schreibers, ein Geschenk entgegennehmen und bei ihm zeitweilig in Dienst treten, bis sich die Feinde nahen 7 . Dann soll er tun, was Cänakya ihm ins Ohr flüstert8 (22,12ff.). Die Freude über die Schönheit der Schrift schauspielert Cänakya; dabei hat er nur den Schüler als verständnislosen Zuschauer. Er rechnet vielleicht damit, daß der Schüler dies weitererzählt. 1
2 Walimbe usw., Breioer 131 f. Breioer 128 nach Lassen. Nach Ms. B (Telang) flüstert Cänakya dem Schüler den Inhalt ins Ohr. E s gibt keine Regiebemerkung, daß Canakya selber den Inhalt aufgeschrieben habe. 4 S. o. 5, 15: Selbstkritik. Auf gute Schrift des königlichen Schreibers legt Kaut. 28, 4 Gewicht. 5 6 S. o. 16, 4ff. Walimbe: Diese Eile ist zeitlich unmöglich. 7 Bis sie sich Pätaliputra nahen, s. u. V. Akt. 8 S. u. zu 35, 4ff. und 65f. 3
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Wie Sakatadäsa in die Hände der Henker kam, wird erst im folgenden dem Zuschauer da mitgeteilt, wo Cänakya dazu den Befehl gibt. Seinem Agenten Siddhärthaka gegenüber hält der Minister sich mit keinen Erklärungen darüber auf. Siddhärthaka fragt als bloßes Werkzeug nicht. Er geht auch noch nicht, denn Cänakya hat ihn noch nicht entlassen. Die Henker müssen Siddhärthaka wohl kennen, sonst würden sie sich nicht so leicht ihr Opfer entreißen lassen. Auch dieser Zweig der Polizei ist nichts als ein Instrument 1 Cänakyas. Es handelt sich um despotische Justiz ohne Gericht. Cänakya befiehlt seinem Schüler (der inzwischen wieder vor der Tür gewartet hatte), den beiden Henkern Kälapäsika und Dandapäsika 2 als Befehl des Vrshala (Candraguptas) mitzuteilen, daß der Mönch Jivasiddhi, weil er auf Räkshasas Anordnung hin den König Parvata durch das Giftmädchen umgebracht hat 3 , aus der Stadt zu verjagen ist, wobei sein Verbrechen öffentlich ausgerufen und er gedemütigt werden soll 4 (24, lff.). Der Minister räumt hier dem angeblichen Mönch das Vorrecht der Brahmanen ein, daß sie nicht hingerichtet, sondern nur verbannt werden durften; im Mrcchakatikam befolgt der Despot den Vorschlag seiner Richter zu diesem Strafmaß gegen Cärudatta nicht und wird unter anderem deswegen gestürzt 5 . Andererseits wird in jenem Drama solch öffentliches Ausrufen des Verbrechens auf die Bühne gebracht. Durch die Verbannung erreicht Cänakya, daß sein Agent Jivasiddhi (Vishnusarman) als sein Feind und als Märtyrer erscheint, und erleichtert ihm damit den Zutritt zu Räkshasa, den er mithelfen soll zu umgarnen 6 . Cänakya bzw. Visäkhadatta folgt damit bei seinem wichtigsten Agenten dem uralten Schema der als Märchenmotiv berühmten „List des Zopyros" 7 . Cänakya läßt weiter durch seinen Schüler den Henkern befehlen, den Sakatadäsa, weil er angeblich ständig im Auftrage Räkshasas das Leben des Königs bedroht, zu pfählen und seine Frau ins Gefängnis zu werfen (24, 7ff.). Selbst wenn Cänakya bereits die Anweisung an Siddhärthaka gegeben hat, den unglücklichen Schreiber, den Gehilfen Räkshasas, den Henkern zu entreißen, ist solch ein Todesurteil ohne Gerichtsverhandlung ein Zeichen despotischer Willkür, allenfalls damit zu entschuldigen, daß Candraguptas Herrschaft erst ganz jung ist, also noch eine Art Kriegs- oder Ausnahmerecht, eine Einschüchterung der Städter von Pätaliputra notwendig war. Daß der unbedeutende 8 Schreiber der Sache Candraguptas gefährlich werden könnte, wenn er Räkshasa wieder diente, befürchtete Cänakya mit Recht offenbar nicht. Cänakya überlegt sorgenvoll, ob es ihm gelingen würde, Räkshasa durch diese eingefädelten Listen zu bekommen. Siddhärthaka beginnt bei seinem Schwei1 2 3 4 6 6 7 8
S. u. VI. A k t : Agenten als Henker. Dies können Eigennamen oder Beamtenbezeichnungen sein (Walimbe). S. o. 15, l l f f . Vgl. 32, 12ff.: Befehl ausgeführt. Rüben 1954c 238f. S. u. 116ff. Panc. III usw., s. Rüben 1954b 230. S. o. 16, 6.
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gen den Satz: Bekommen . . .; und Cänakya nimmt dies Wort wieder 1 als gutes Vorzeichen. Siddhärthaka vollendet: Bekommen habe ich den Befehl; ich werde gehen, ihn auszuführen. Cänakya gibt ihm Brief und Siegelring und entläßt ihn (24, l l f f . ) . Nur dieses guten Vorzeichens wegen hat der Dichter den Agenten bis zu diesem Zeitpunkt auf der Bühne warten lassen. Damit wird der Aberglaube des Cänakya für unseren Geschmack überbetont; ob der Dichter den Minister damit historisch richtig zeichnet, ist unklar. Als Siddhärthaka den Brief versiegelt hatte, wurde nicht angegeben, daß er das Siegel dem Minister zurückgegeben h a t t e ; jetzt aber wird in einer szenischen Bemerkung gesagt, daß Cänakya dem Siddhärthaka auch den Siegelring gibt. Was der Agent mit dem Ring tun sollte, hatte der Minister ihm sicher vorher mit ins Ohr geflüstert. Der Schüler meldet Cänakya, d a ß die Henker den Befehl des Königs auszuführen bereit sind. Cänakya läßt ihn den Goldschmied Candanadäsa holen. Sofort tritt dieser auf, sich in einem Vers eingestehend, daß selbst ein Unschuldiger, der zum grausamen Cänakya gerufen werde, voll Sorge sei, wieviel mehr er, der schuldig sei 2 . Er habe deswegen seine drei Diener (?) 3 angewiesen, falls sein Haus durchsucht werde, die Frau des Räkshasa fortzuschaffen (25,5ff., Vers 20). Die Schauspielerin hatte im Vorspiel bei Cänakyas Namen Furcht gezeigt 4 , und im V. Akt zeigt Räkshasa ganz ähnliche Furcht vor seinem ihn vorladenden Herren Malayaketu 5 . Andererseits heuchelt Cänakya vor Candanadäsa etwas später Mitleid mit dem verbannten Jivasiddhi 6 . Daß Furcht und Schrecken dies ganze Drama durchziehen, deutet schon die zweite Gebetsstrophe an Siva an. Der Dichter wollte eben im Sinne des altindischen Despotismus Unterwerfung unter den Willen der „mitleidlosen" Großen, der Könige und ihrer Minister, lehren, unter das, was Manu den „Stock" nannte 7 . Die beiden Fälle Jivasiddhis und Sakatadäsas werden hinter der Bühne abgetan. Aber Räkshasas Freund, den Goldschmied, bringt der Dichter ausführlich auf die Bühne. Cänakya bietet dem Goldschmied höflich 8 einen Sitz an. Der jedoch lehnt mit der Begründung ab, daß ungewohnte Höflichkeit größeres Leid der Dienerschaft erzeuge als Demütigung, und will sich auf den Boden setzen (26,8ff.). Candanadäsa möchte als ergebener Untertan und mit der Furcht des politischen Feindes Abstand wahren und nicht wahrhaben, daß er als Freund Räkshasas Umgang mit Ministern gewohnt sei. Er sagt das natürlich nicht, sondern 1
Ähnlich oben 20, 8. Walimbe: Diese Wiederholung wirkt ermüdend. Vers 20 (Walimbe: 21) ist bei Telang nicht als Vers erkannt oder gezählt. 3 Mit Namen Dhanasena usw. Walimbe: Nachbarn. Hillebrandt v. 1.: Freunde. 170, 9 wird Dhanasena usw. nicht genannt. 4 S. o. 4, 10. 6 S. u. 143, 9 und Vers 119 im V. Akt. 6 S. u. 32, 7. 7 Vgl. Manu über den danda: Rüben 1954b 174. 8 S. u. II D 8 über Kam. VIII, 80: hinterhältiger Satz. 2
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deutet nur an, daß Niedrige wie er sich in allzu großer Nähe der Großen geniert fühlen. Der Minister dagegen erklärt, das Zusammensitzen mit seinesgleichen sei für ihn, den Goldschmied, etwas ganz Gewohntes, und dieser gibt nach, obgleich er spürt, daß Cänakya mit diesen Worten irgend etwas habe andeuten wollen (27,3ff.). Cänakya hatte im Sinn 1 , daß der Goldschmied mit seinesgleichen, d. h. mit Ministern, nämlich mit seinem besten Freund, Rakshasa, ebenfalls zusammenzusitzen und Fragen der Politik sowohl wie der Familie zu besprechen pflegte, und er deutete mit seinen scheinbar höflichen Worten hinterhältig 2 an, daß er davon wisse und den Goldschmied als seinen Feind durchschaut habe. Das verstand der Goldschmied im einzelnen vielleicht nicht, obwohl er doch eine Haussuchung befürchtete. Vielleicht also befürchtete er diese nur aus einem allgemeinen Grund, daß etwa der neue König Geld brauche, nicht, weil dem Minister das Versteck der Frau des Rakshasa schon verraten sein könnte. Harmlos fragte der Minister zunächst, ob der Goldschmied auch die Früchte seiner Unternehmungen 3 anhäufe. Candanadäsa entgegnet schmeichlerisch, daß die Gnade Cänakyas die Kaufleute unbehelligt lasse. Der Minister fragt ungerührt und mit scheinbarer Selbstkritik 4 , ob das Volk durch die Fehler des neuen Königs nicht an die Vorzüge des vergangenen erinnert würde. Der Goldschmied hält sich die Ohren zu, spricht magische Sühneworte dafür, daß seine Ohren diese Unwahrheit haben anhören müssen, und versichert (Vers), das Volk freue sich überaus an dem König Candrasri (wörtlich: Mondherrlichkeit), wie die fleckenlose Herbstnacht an dem aufgegangenen Vollmond (27, 7ff., Vers 21) 5 . Soweit reicht das von Cänakya zielbewußt gelenkte Versteckspiel der beiden, das man als dichterische Widerspiegelung damaliger höflicher Unterhaltungseinleitungen verstehen muß. Die Sorge des Ministers um den Ruf seiner Regierung im Volk war echt, aber Nipunaka 6 hatte ihn gerade vorher über diesen P u n k t beruhigt, und daß er danach seinen Feind fragte, war nur ein Schachzug, um den Gegner bis zu diesem P u n k t zu bringen. Er knüpfte a n : Wenn dem so ist, nun, dann wünschen Fürsten für das Liebe, das sie dem Volke tun, ein Liebes an Gegengabe. Der Goldschmied meint sachlich zu sein, wenn er sofort nach der vom Minister geforderten Summe fragt (28,4ff.). Er wird, trotz aller Furcht vor dem kommenden Geldopfer, mit gewisser Erleichterung seine Vermutung, daß er nur zu solcher Erpressung zum Minister bestellt worden sei, bestätigt gefunden haben. 1
Aber Walimbe: So große Kaufleute müssen sitzen! Dhu.: Witz (narma). 3 Walimbe: Zinsen vom Wucher. 4 Walimbe sieht darin eine gemeine Fangfrage, der der Goldschmied schlau entgeht. 6 Vers 21 (Walimbe: 22), bei Telang wiederum nicht als Vers gedruckt. Über diese Schmeichelei s. u. zu 88, 9ff. « S. o. 14, 3ff. 2
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Cänakya aber weist ihn milde zurecht: Dies ist Candraguptas Reich, nicht das der Nanda. Der neue König freut sich einzig und allein am Wohlergehen seines Volkes, nicht an Geld wie der gierige alte (28, 8ff.). Mit diesen stolzen Worten zeigt er, daß seine eben geäußerte Selbstherabsetzung zum Vorteil der Nanda Schwindel war, nur ein Fischen nach Komplimenten, und das bei einem treuen Anhänger der Nanda. Damit ist freilich nicht gesagt, daß der historische Mauryakönig und sein Minister in Geldsachen humaner als die Nanda gewesen wären (die Maurya haben des Goldes wegen neue Kulte eingeführt, berichtet der große Grammatiker Patanjali) 1 , aber das Problem unvorhergesehener Freigebigkeit spielte nun einmal in einigen Sagen vom Untergang des letzten Nanda 2 eine entscheidende Rolle, und es gab Traditionen über die Geldgier der Nanda 3 . Candanadäsa dankt. Cänakya aber meint, er solle fragen, wie denn dieses Wohlergehen der Untertanen sich zeige! Und er antwortet selber: kurz damit, daß sie sich nicht gegen den König 4 betätigen. Candanadäsa fragt, welcher Unglückliche denn nach seiner Andeutung gegen den König aufträte. Cänakya: Als erster du! Candanadäsa fragt: Wie könnte Gras gegen Feuer auftreten? (28, lOff.) Er leugnet also im Grunde nicht, er tastet nur vorsichtig ab, was Cänakya gegen ihn vorbringen kann. Es ist fraglich, wieweit man das Gleichnis ausdeuten soll. Gewiß kann Gras dem Steppenbrand 5 keinen Widerstand entgegensetzen, aber nicht alles Gras verbrennt jedes Jahr. Manches Gras kann abwarten, bis der Brand vorüber ist, und unter dem Gras kann sich manches Tier in der Erde verbergen. Nicht Candanadäsa ist übrigens der, der gegen Candragupta kämpft, sondern Räkshasa und Malayaketu, die der Goldschmied sicher nicht mit dem schwankenden Gras vergleichen würde. Cänakya aber erklärt das jetzige 6 Verbergen von Räkshasas Frau als Widerstand gegen den König. Der Goldschmied leugnet, er sei dessen lügnerisch bezichtigt worden. Der Minister unterstellt, die feigen Anhänger des früheren Königs hätten ihre Angehörigen gegen den Willen mancher Städte in deren Häusern untergebracht und seien dann geflohen; nur das Verhehlen solcher Versteckten bringe jetzt Schuld (29, 9ff.). Man braucht die Leugnung des Goldschmieds nicht als bewußte Lüge aufzufassen, denn er ist ja überzeugt, daß seine Leute die Frau Räkshasas bereits aus seinem Hause fortgeschafft haben. Cänakya mußte dies aber als Lüge auffassen. Mit seiner Unterstellung baut er dem Candanadäsa eine goldene Brücke, daß er sein Leben rettet, und führt ihn gleichzeitig in Versuchung, von Räkshasa abzurücken. Er hoffte wohl kaum, Räkshasa durch die Frau wie durch einen Geisel gewinnen zu 1 Zu Pänini V, 3, 39 (D. D. Kosambi, Ancient Kosala and Magadha, J. Bombay Branch R A S X X V I I , 1951 180ff., 207), und Kautalya empfiehlt derartiges tatsächlich (Kaut. 90, 44ff.) 2 S. u. II B. S. u. zu 80, 2 ff. Anm. 1." 3 Ebenda; Telang 7: M. Müller, Goldstücker. 4 S. u. III. Akt: Cänakya verbietet Fest gegen Befehl des Königs. 5 S. o. Vers 10: Zorn ähnelt Waldbrand, verlischt, weil kein Brennstoff mehr da ist. Also zählte Candanadäsa nicht als würdiger Brennstoff. 8 Hillebrandt tilgte adya. Dhu.: Jetzt noch, wo Räkshasa sich mit unserem Feinde Malayaketu verbündet hat.
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können, sah vielmehr hier schon das künftige Verhalten des edlen Goldschmieds voraus. Candanadäsa gesteht jetzt, daß damals tatsächlich die Frau bei ihm war. Cänakya weist ihn auf den Widerspruch hin, daß er seine Beschuldigung erst als Lüge ausgegeben habe, jetzt aber eingestehe. Candanadäsa wehrt sich dagegen, er habe sich nur doppelsinnig 1 ausgedrückt: Die Frau war bei ihm, aber wo sie jetzt ist, will er nicht wissen (30, 3ff.). Der Dichter hat diese Szene breit ausgesponnen. Wichtig ist ihm, daß der biedere und zugleich schlaue Goldschmied nicht lügt, wenigstens nicht ausgesprochen, und daß er seine Doppelzüngigkeit eingesteht, daß aber auch ein Cänakya die volle Wahrheit aus ihm nicht herausfragen kann. Der fragt nämlich nicht systematisch weiter nach den Umständen des Weggangs der Frau, sondern droht (wohl mit einem Sprichwort): Auf Deinem Haupt windet sich eine Schlange, aber fern ist ein Hilfsmittel. — Candanadäsa ergänzt in Gedanken für sich (Vers): fern auf dem Himalaya ist das Heilkraut, aber die Schlange ist auf dem Haupte 2 (31,1 ff., Vers 22). Als Räma im Kampf vor Lanka verwundet wurde, holte Hanumän mit wunderbarer Geschwindigkeit vom Himalaya das Heilkraut 3 . Wer aber soll dem armen Goldschmied jetzt schnell genug Räkshasa oder Malayaketu als Retter aus der Ferne holen? Cänakya wollte weiter drohen: „Wie den Nanda Vishnugupta . . . " , aber er brach den Satz aus Scham ab und änderte ihn: Wie den Nanda (Vishnugupta), so wird Räkshasa den Candragupta fällen: Das meine nicht! (31, 6ff.). Um sich nicht, wie er begonnen hatte, selber zu loben (wobei Cänakya seinen anderen Namen Vishnugupta verwendete), veränderte er den Satz durch bloße Auslassung seines Namens ein wenig, so daß der Satz jetzt kein Subjekt enthält: Wer schlug dann aber Nanda ? Doch Cänakya! In dieser Form macht der Satz Schwierigkeiten, weswegen zwei sonst als schlecht geltende Manuskripte die Worte „Wie den Nanda" einfach gestrichen haben. Offenbar wollte der Dichter zeigen, daß Cänakya nun einmal recht hat, daß er zwar sein Selbstlob durch Fortlassung seines Namens abschwächt, aber nicht ausstreicht. — Einerseits vergleiche man damit, wie geschickt sein Gegenspieler Räkshasa im IV. Akt (115, 6) sein begonnenes Selbstlob in entsprechender Weise korrigiert, wie andererseits Candanadäsa das Selbstlob des Ministers an unserer Stelle aufnehmen wird (32,1), wie Räkshasa einen unvorsichtigen Satz in derselben Weise abbricht und ändert (48,11), und endlich, wie der wendige Cänakya noch in ein und derselben Szene schnell eine getroffene Anordnung widerruft (34,5). Solche Selbstverbesserungen bringen Leben in die Dialoge und zeigen zugleich realistisch Schwächen sogar bei den Haupthelden des Dramas. 1 väkchala. Telang, Kaie, Kanakalal: dishonesty in words. Vgl. N S I, 2, 11 ff.: Wortverdrehung, wenn man ein W o r t anders auffaßt, als es gemeint war. Walimbe: error of speech on m y part (Übersetzung), aber Doppelsinnigkeit (Anmerkungen). 2 Ist Vers 22 unecht? Die erste Vershälfte paßt nicht in den Zusammenhang: Oben donnert es, fern ist die Geliebte. Dhu.: prakshipta. Telang: Der Vers kommt auch in Sarasvatikanthäbharana p. 165 v o r ; vgl. Kanakalal S. 3 (samälocanä). S. u. zu Vers 99 (114, 9f.) und 46/47. 3 K a m . VI, 74 und 101.
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Cänakya fragt mit zwei Versen drohend, wer Candragupta die Macht 1 nehmen wollte, die doch der Nanda selbst mit Hilfe seiner klugen Minister Vakranäsa usw. nicht festhalten konnte? Wer reiße dem Löwen 2 den Zahn aus dem gähnenden Rachen ? — Candanadäsa aber muß für sich eingestehen, daß Cänakyas Prahlen, weil vom Erfolg gekrönt, strahlend und schön ist 3 (31, 8ff., Vers 23 und 24). Der Goldschmied soll mit dieser Anerkennung als gerecht, als objektiv gekennzeichnet werden. Wie Cänakya und Räkshasa erkennt er gute Seiten des Gegners an 4 . Hinter dem Vorhang wird eine Austreibung angedeutet. Cänakya sendet seinen Schüler, was los sei. Der meldet die schimpfliche Verbannung des Mönchs Jivasiddhi als Gegner des Königs auf dessen Befehl (32,2ff.). Durch die geschickte Regie des Cänakya wird dem Goldschmied das dem Feinde Candraguptas drohende Unheil vorgeführt und wird mit der Tat unterstrichen, was Cänakya eben drohend über die unerschütterliche Macht seines Königs gesagt hatte. Hier wird nicht erwähnt, daß Jivasiddhi dem Parvata das Giftmädchen zugeführt haben soll. Der Schüler vergißt wohl nur, dies wiederzugeben. Cänakya bedauert zunächst kurz den Mönch, dann aber bestätigt er, daß ihm als Verräter recht geschähe, und er ermahnt den Goldschmied, die Frau Räkshasas herauszugeben, um der mannigfachen Gnade des Königs teilhaftig zu werden. — Candanadäsa lehnt dies damit ab, daß er beteuert, er könne sie nicht geben, da sie nicht in seinem Hause sei. Hinter dem Vorhang wiederholt sich eine dumpfmurmelnde Austreibung. Cänakyas Schüler, wieder geschickt, meldet, Sakatadäsa werde als Gegner des Königs zur Pfählung geführt. Cänakya mahnt den Goldschmied dringender, durch Herausgabe der Frau des anderen sein Leben und das seiner eigenen Frau zu retten. — Candanadäsa aber erklärt jetzt, er würde auch die in seinem Haus befindliche Frau des Räkshasa nicht ausliefern, geschweige denn die nicht vorhandene (32, 7ff.). Auf die erste Drohung und Versuchung hin wiederholt der Schmied nur, was er vorher gesagt hatte. Auf die zweite, gesteigerte Drohung hin, wird er jetzt nicht etwa eingeschüchtert, sondern steigert seine Aussage und macht seine Treue zum geflohenen Minister ganz deutlich. Selbstverständlich weiß er bei dem nicht genügend funktionierenden Geheimdienst der Räkshasa-Partei 5 nicht, daß Cänakya die beiden Szenen der Verbannung und Hinrichtung ihm und dem Volk nur zur Einschüchterung vorgaukeln läßt; um so überzeugender ist seine Ehrlichkeit und selbstlose Unerschrockenheit. Cänakya fragt ihn, ob er tatsächlich dazu entschlossen sei. Candanadäsa bejaht. Cänakya bewundert ihn im stillen und vergleicht ihn bei sich (Vers) mit dem sagenhaft-aufopferungsvollen König ¡3ibi (33,8ff., Vers 25). 1 2 3 4 6
Örl, um die es sich auch in Vers 12, 35 und 58 handelt. S. u. Löwe in Vers 159. Vers 24 steht manchmal vor Vers 8. Nach Dhu. und Telang wird er hier wiederholt. S. o. 7, 13 und Vers 13, s. u. 33, lOff.: Cänakya; s. u. 60, 10 u n d 196, 12ii.: Räkshasa. S. o. Verlust des Ringes wurde nicht gemeldet; s. u. II. Akt: Däruvarman usw.
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Eine Taube flüchtete vor einem Falken zu König Sibi; der kaufte sie mit seinem eigenen Fleisch von dem Verfolger los 1 . So bietet der Goldschmied seinen Leib f ü r den der zu ihm geflüchteten Frau. Jeder wird es dem Minister hoch anrechnen, daß er den edlen Feind bewundert 2 . Aber zugleich ist zu bedenken, daß dessen Halsstarrigkeit Cänakya nicht schaden kann, vielmehr in seinen Plan gut hineinpaßt, also vielleicht sogar einberechnet war. Aber daß der Dichter diesen skrupellosen Intriganten auf den edlen Feind die Legende des sich für ein Tier selber schlachtenden Wunderkönigs anwenden läßt, ist eine sentimentale Übertreibung, die zum Charakter dieses kühl rechnenden Politikers nicht recht paßt. Anders ist es, wenn im VI. Akt der warmherzig fromme Rakshasa selber eben diesen seinen Freund, den Goldschmied, wegen dieser Tat mit Sibi vergleicht 3 . Es war als Beteuerung gemeint, daß der Dichter den Goldschmied, diese „bürgerliche" Figur des Dramas, von beiden Ministern in dieser Weise als übermenschlich edel charakterisieren ließ. Cänakya fragt dabei: Wer würde heutzutage (!) diese so schwere Tat vollbringen außer Sibi. Er wollte sagen: Wer würde sonst heute tun, was einst 4 Sibi t a t ? Im Epos ist diese Legende als eine Erprobung des Königs Sibi durch den Gott Indra erzählt, der die Gestalt des Falken angenommen hatte. Auch in unserem Drama handelt es sich um eine gestellte Szene und Erprobung. Um ganz sicher zu gehen, fragt Cänakya und bekräftigt Candanadäsa noch einmal seinen Entschluß. Da braust Cänakya zornig auf: Fühle den Zorn des Königs! Candanadäsa erklärt sich dazu bereit; Cänakya solle tun, was seines Amtes ist. Cänakya läßt seinen Schüler die beiden Henker rufen. Dann aber beruhigt er sich ebenso plötzlich, wie er eben aufgebraust ist, und läßt seinen Schüler den Stadtkommandanten auffordern, den Goldschmied samt Weib und Kind gefangen zu setzen 5 und sein Vermögen zu konfiszieren. Der König würde über ihn dann auf Cänakyas Bericht hin die Todesstrafe verhängen. Der Schüler führt den Goldschmied ab, der seiner Freude Ausdruck gibt, daß er nicht durch menschliche (eigene) Schwäche, sondern für seinen Freund zugrunde geht. — Cänakya triumphiert (Vers): Jetzt habe ich Räkshasa! Wie dieser (Candanadäsa) für jenen (Räkshasa) im Unglück sein Leben läßt, so wird jener sein Leben im Unglück für diesen hergeben (33,13ff., Vers 26). In der szenischen Bemerkung steht nicht, daß Cänakyas Zorn nur Verstellung war 6 , und doch kann es so gemeint sein. Ist der Zorn aber echt, so hat der Dichter die schnelle Selbstbeherrschung des eben aufgebrausten Ministers als bewunderungswürdig hinstellen wollen. Der Zorn ist nun einmal eine für Cänakya bezeichnende Eigenschaft nicht nur in diesem Drama, sondern in der indischen Tradition allgemein 7 . Cänakya hätte also anscheinend beinahe in seiner despotischen Justiz 8 den 1
Mbh III, 130 und 197; vgl. J. Hertel, Tanträkhyäyika, Leipzig-Berlin 1909, I, 138. S. o. 7, 13; 20, 15; 31, 8ff.; s. u. zu 35, 8. 3 S. u. 176, 8ff. = Vers 148; 191, 3: Vers 158. 4 Dhu.: I m Krtayuga. 6 S. u. VII. A k t : Sippenhaft. 6 So Walimbe. Aber dies steht auch nicht in 35, 9, s. d. ' S. o. Gebetsstrophe, s. u. I I B. 8 S. o. Justiz des Königs gegen Öakatadäsa usw. 2
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edlen Goldschmied hinrichten lassen. Solche Übereilung war einer der schlimmsten Fehler des altorientalischen Despotismus und wurde in alten Dichtungen wie der Ahikar-Geschichte kritisch behandelt, die manchmal auf den Untergang der Nandadynastie übertragen wurde 1 . Im Gegensatz zum Despoten der Ahikarlegende aber besinnt sich Cänakya rechtzeitig und läßt den Goldschmied gefangensetzen; jetzt hat er ihn in seiner Hand und damit auch Räkshasa, wie er weiß. Der Schluß des Dramas gibt ihm recht. Mit seiner schnellen Selbstbeherrschung hängt zusammen, daß er jetzt nicht mehr selber als Richter auftritt, sondern dem König das Richteramt zuweist. Das ist erstens gesetzlich richtig und zweitens für seinen Plan nützlich. Jetzt gewinnt er viel Zeit, bis dem feindlichen Goldschmied das Urteil gesprochen zu werden braucht. Merkwürdigerweise aber werden die Frau und der Sohn des Räkshasa hier und später nicht mehr erwähnt. Cänakya könnte doch nur bei hervorragend arbeitendem Spitzeldienst schon erfahren haben, daß sie aus dem Hause des Goldschmieds fortgeschafft worden sind. Also glaubt er dem Goldschmied vielleicht, daß sie nicht mehr bei ihm sind, und gibt sich in dieser Hinsicht geschlagen, forscht gar nicht nach ihnen. Im Verlauf der weiteren Handlung des Dramas spielen sie keine Rolle mehr, der Dichter läßt sie uns und Räkshasa aus dem Auge verlieren. Darin muß man einen dramaturgischen Fehler sehen. Der Goldschmied zeigt sich in dieser Szene als der edle, aufopferungsbereite Freund des Räkshasa. Wie er sich freudig für ihn opfert, so ist nach Räkshasas Worten im II. Akt (61,4) Sakatadäsa zu beneiden, weil er für seinen Herren Nanda sterben darf. Cänakya ist auch von Räkshasas selbstloser Freundestreue dem Goldschmied gegenüber überzeugt. So ist diese ganze Gruppe um Räkshasa als ungemein edle Gegnergruppe gekennzeichnet. Ihnen steht der skrupellose Cänakya als der siegreiche Held des Dramas gegenüber, der mit diesem Edelmut seiner Gegner für seine Intrige rechnet. Der Dichter läßt also gerade den gepriesenen Edelmut zur Niederlage des Räkshasa führen; diese Niederlage ist aber notwendig und führt nicht zum Untergang des Räkshasa, sondern zu seiner Erhöhung wider Willen. Der Edelmut wird also trotz der Niederlage am Ende belohnt. Das ist eine der Hauptlinien in der Entwicklung der dramatischen Handlung, an deren Klarstellung dem Dichter gelegen war. Auch der heutige Leser wird den Dichter wegen dieser wichtigen Linie lieben. Gemurmel hinter dem Vorhang. Der Schüler tritt ein und meldet, daß Siddhärthaka mit Sakatadäsa geflohen ist. Cänakya freut sich insgeheim über die Nachricht, spielt aber den Erstaunten und läßt voll Zorn dem Bhäguräyana befehlen, Sakatadäsa zu fangen 2 . Der Schüler geht und meldet, daß auch Bhäguräyana geflohen ist. Cänakya wünscht dem Bhäguräyana im stillen Glück, läßt aber voll Zorn seinen Schüler dem Bhadrabhata usw. befehlen, Sakatadäsa gefangenzunehmen. Der Schüler geht, kommt und meldet daß auch die Männer um Bhadrabhata geflohen sind. Cänakya wünscht ihnen insgeheim glückliche Reise, mit Worten aber tröstet er seinen Schüler mit einem Vers: die Geflohenen seien, etwas im Herzen tragend 3 , schon lange 1 2 3
S. u. II B : Sakatäla in Brhatkathä, Hemacandra, guk. T)hu.: Dies ist doppelsinnig. D h u . : Wieder doppelsinnig: Sie tragen etwas für oder gegen uns im Herzen.
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fortgewesen, und auch die, die noch blieben, könnten ruhig fortzugehen wünschen, wenn nur sein, Cänakyas, Verstand, der sich durch den Sturz der Nanda als stark, stärker als hundert Heere, erwiesen habe, ihn nicht verlasse (35, 4ff., Vers 27). Daß Bhäguräyana, Bhadrabhata usw. aus der Stadt fliehen und sich zur feindlichen Partei als Agenten Cänakyas begeben sollten, war im I. Akt von Cänakya nicht ausdrücklich angeordnet worden; vermutlich hat er diese Anordnung dem Siddhärthaka unter anderem ins Ohr geflüstert 1 . Den Schüler weiht Cänakya nicht etwa in seine Intrigen ein. Ihm und dem Volk muß dies wie eine verzweifelte Massenflucht vorkommen. Vor ihm, der ihn schon oben 2 für allwissend erklärt hat, aber brüstet Cänakya sich ungeniert seines einzig wichtigen Verstandes. Auf ihn allein verläßt er sich. Er gibt eben nichts auf das Schicksal, das sonst in der frommen indischen Literatur dem Verstand in dieser Hinsicht gegenübergestellt zu werden pflegt. Cänakya spricht hier seinen Stolz offen aus, sieht er doch, daß seine List sich bereits erfolgreich zu entwickeln begonnen hat. Er hat schon alle Trümpfe in der H a n d ; freilich kann der Zuschauer einstweilen nur einen Teil von ihnen übersehen. Offen sagt Cänakya, daß er die Entflohenen wieder wird einfangen lassen. Bei sich aber droht er in Gedanken dem „schlimmen" Räkshasa in einem Vers: er werde ihn bald für seinen König k r a f t seines Verstandes in Fesseln legen wie einen wilden, stolzen, einsamen, brünstigen Elefanten im Wald (36, 12ff., Vers 28). Bei sich also nennt Cänakya hier den Räkshasa „schlimm'' wie vorher laut den widerspenstigen Goldschmied 3 . Ein Vergleich des großen Gegners mit dem WaldElefanten ist im Drama mehrfach zu belegen 4 . Damit schließt der I. Akt. Cänakya ist sich seines Sieges zuversichtlich bewußt. Er ist grimmig und stolz wie am Anfang des Aktes. Aber er weiß nicht, was Räkshasa jetzt im einzelnen an Schachzügen unternehmen wird. Cänakya fragt ihn also in Gedanken: Wohin wirst Du jetzt gehen? Damit mischt der Dichter ein Körnchen Zweifel und Unsicherheit in die Siegesbewußtheit des Ministers 5 , damit bringt er den Zuschauer in Spannung. Damit leitet er zugleich zum nächsten Akt über, der bei Räkshasa spielt und dem Zuschauer dessen Gedanken und Pläne darlegen wird. 1
S. S. 3 S. 4 S. 5 S. lassen. 2
3
o. o. o. o. u.
Ruben,
23, 14. 12, 3. 34, 2. Vers 15; s. u. Vers 32, 78, 85 und 165. Akt VII, Vers 169 und 160: Cänakya zu Räkshasa: D u hast uns nicht schlafen
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II. Akt: Räkshasas Mißerfolg und Irrtum Der II. Akt, der Räkshasa behandelt, ist in Form und Inhalt dem I. Akt, der Cänakya schildert, analog. Einer der Agenten Räkshasas, Virädhagupta 1 , tritt als Schlangenbändiger 2 verkleidet auf; die Szene spielt einstweilen auf der Straße vor Räkshasas Hause. Virädhagupta spricht Sanskrit, ist also von gebildetem Stand; als Schlangenbändiger aber spricht er öffentlich Dialekt (Mahäräshtri), als solcher nennt er sieh Jlrnavisha (der mit altgewordenem, abgenutztem, aufgelöstem, verdautem Gift). Er beginnt mit einem doppeldeutigen Vers: Diejenigen, die sich auf die Angemessenheit in der Lehre (der Schlangenbändigung) je nach den Erfordernissen verstehen, die den Zauberkreis ziehen, die imstande sind, die Zaubersprüche zu bewahren, die gehen mit der Schlange um. In anderer Deutung: Die, die sich auf Logik in der Staatslehre verstehen, die in der Außenpolitik den Kreis der Nachbarfürsten ziehen, die den R a t der Fürsten geheimhalten, die dienen dem Fürsten (38, lff., Vers 29). Der Gaukler ist auf der Bühne allein, spricht diese Strophe also als eine Art Anpreisung seiner Kunst zum Anlocken von Schaulustigen hinter der Bühne. Dies setzt er im folgenden fort; er fingiert dabei Unterredner hinter der Bühne 3 , wie es die Art im Bhäna ist, einer volkstümlichen Art Schauspiel, in dem nur ein einziger Schauspieler auftritt 4 . Der zweite, politische Sinn des Verses ist natürlich nicht für das Volk gemeint, allenfalls für Räkshasa in seinem Hause. So stellt er sich jemandem als Schlangenbändiger vor, und als der erklärt, er möchte auch mit Schlangen spielen und als seinen Beruf den des Fürstendieners angibt, meint der Agent: Spielst du denn etwa nicht mit einer Schlange ? Er unterstreicht das mit einem Vers: Ein Schlangenfänger, der sich nicht auf Zaubersprüche und Heilpflanzen versteht, einer, der einen brünstigen Elefanten besteigt, und ein Fürstendiener gehen unweigerlich zugrunde (38, 4ff., Vers 30). Auch im Tanträkhyäyika I, Vers 26 5 , werden die Fürsten mit Schlangen verglichen : wegen ihrer Grausamkeit, ihrer krummen Wege und weil sie mit R a t bzw. mit Zaubersprüchen (doppeldeutiges Wort!) gelenkt werden müssen. Dieser Vers wird dort von dem guten Schakal gesprochen, der den bösen Schakal vom Königsdienst abhalten will. Im Drama paßt diese Ansicht, soweit sie auch in Indien mit Recht verbreitet gewesen sein mag, nicht auf Cänakya im Verhältnis zu dem edlen Candragupta, wohl aber auf Räkshasa im Verhältnis zum unverständigen Malaya1
Sein Name ist 48, 1 genannt. In Parle. I I I Vers 70 wird ein Schlangenbändiger neben einem Astrologen (s. u. Ende des IV. Aktes), einem Arzt usw. als Agent aufgeführt, und zwar der erste für Spionage im Land des Feindes, letzterer im eigenen (auf die Stelle machte Hillebrandt 1908, 20 aufmerksam). 8 Nach Walimbe heißt dies äkäsabhäshita. 4 Ähnlich 70, 6ff. - Vgl. Konow 1920, § 26. ® Hillebrandt 1908, 23, meint wohl diesen Vers. 2
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k e t u 1 ; es ist indessen nicht angedeutet, daß dieser Schlangenbändiger und Agent Räkshasas so zu unterscheiden vermocht hätte. Die Strophe kennzeichnet aber treffend gleich zu Anfang des I I . Aktes die Lage bei Räkshasa im Gegensatz zu der des I. Aktes bei Cänakya. Wenn es am Ende des Verses heißt, daß solch Fürstendiener unweigerlich zugrunde geht, so ist das eine düstere Voraussage für Räkshasa 2 . Der Mann hinter der Bühne hat, das zeigt der Dialog, den ersten Vers des Schlangenbändigers nur als Anpreisung, nicht aber in seiner Doppeldeutigkeit verstanden. Das ist um so auffallender, als am Ende des Verses Schlange und Fürst ausdrücklich und nicht etwa mit einem einzigen doppelsinnigen Wort genannt sind, freilich in einem Kompositum und im Singular, so daß er offenbar verstanden h a t : Sie dienen dem Schlangenfürsten (der Schlangenbändiger würde mit solchem Wort die Größe und Gefährlichkeit seiner Schlange betonen). Ein zweiter Unsichtbarer möchte die Schlangen sehen. Der Gaukler meint, das ginge nicht auf der Straße, wohl im nächsten Haus. Er hört, daß das dem Minister Räkshasa gehört und für seinesgleichen nicht zugänglich ist. Er entgegnet aber, daß ihm der Zugang dank der Gunst seiner Art des Lebensunterhaltes offenstehe (39, 4ff.). Der Angeredete versteht: Der Schlangenbändiger darf in jedes Haus eintreten, aber der Schalk deutet gleichzeitig dem, der hinter seine Maske sieht, an, daß sein Agentenberuf ihn gerade in dieses Haus zu gehen verpflichtet. Er sieht sich vorsichtig um und, als er sich allein weiß, fährt er in Sanskrit in Prosa und Versen fort: Wo ich Candragupta von Cänakyas Geist unterstützt (oder gar: gemeistert) gesehen habe, erscheint mir Räkshasas Mühe nutzlos. Wenn ich aber auf Malayaketu als den von Räkshasas Geist Unterstützten sehe, meine ich Candragupta bereits gestürzt zu sehen. (Vers): Das Glück der Maurya scheint sicher fest gebunden durch den Strick des Verstandes Cänakyas, und zugleich herabgerissen von den Händen, von den Listen Räkshasas. Beim Kampf dieser beiden großen Politiker, dieser guten Freunde ihrer Fürsten, erscheint das Glück zweifelhaft. (Vers): Während die Minister wie Elefantenbullen im Dschungel kämpfen, leidet die Glücksgöttin, erschreckt durch das Hin und Her, wie eine Elefantenkuh durch das Fehlen der Entscheidung (40, 6ff., Vers 31 und 32). Der Dichter erhöht die Spannung dadurch, daß er den Kampf der beiden Könige, der wesentlich auf den Ministern beruht, als noch ungewiß hinstellt, und das, nachdem der I. Akt gerade mit der nur ganz wenig erschütterten Siegeszuversicht des Cänakya geschlossen hatte. Aber der Zweifelnde ist hier ein Agent Räkshasas. Cänakyas Agenten Nipunaka und Siddhärthaka haben dagegen im I. Akt nicht an ihrem Herren gezweifelt. Deswegen spürt der Zuschauer hier schon, daß Räkshasas Partei die schwächere ist. » Der Dichter glaubt an die im alten Indien üblich gewesene Irrlehre, daß die großen Männer die Geschichte machen. Das zeigt das Drama auf Schritt und Tritt. Dieser Agent des Räkshasa ist im Glauben an seinen Auftraggeber wankend geworden, weil er gerade eben in Pätaliputra das Wirken Cänakyas gesehen hat. Er ahnt noch 1 2 3*
S. u. 41, 15ff.: Vers 34: däsya. S. u. 143, 14. Aber nach Kaie für Cänakya, den der Schlangenbändiger haßt.
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nicht, daß seine Voraussetzung nicht zutrifft, daß nämlich Malayaketu sich bald nicht mehr auf die Stütze seines Thrones, auf Räkshasa, verlassen wird, daß also der Kampf der beiden vermeintlich gleichstarken Minister unter ungleichen Verhältnissen ausgetragen wird. Trotzdem ist schon sein Schwanken ein böses Zeichen für die Sache seines Herren. Diesen humorvollen Monolog des Gauklers kann man dem Vorspiel des I. Aktes mit dem Schauspieldirektor an die Seite stellen, obgleich er vom Dichter nicht als Vorspiel des II. Aktes bezeichnet ist. Räkshasa tritt jetzt (auf einem anderen Teil der Bühne), in seinem Zimmer sitzend, auf, von einem Diener begleitet, in Sorgen versunken, weinend: Schlimm, ach schlimm! lautet sein erstes Wort (41, 8f.). So beginnt der II. Akt und Räkshasas Rolle in scharfem Gegensatz zu Cänakyas zornigen Worten zu Anfang des I. Aktes. Mit demselben Ausruf beginnt Räkshasa aber auch seinen Auftritt im VI. Akt (s. u. 165, 2), und mit dem kurzen „Schlimm!" beginnt er mehrfach seine Antworten im folgenden Dialog mit dem Schlangenbändiger im II. Akt 1 , und ebenso tut sein alter Kämmerer (77, 3). Räkshasa tritt zunächst ähnlich wie Cänakya im I. Akt mit einem langen Monolog vor den Zuschauer, und zwar wie jener mit mehreren Versen. Er klagt, daß er schlaflos Tag und Nacht in Sorge ist, seit das Schicksal das große Geschlecht der Nanda, das mit Politik und K r a f t seine Feinde niedergeworfen hatte, ebenso wie das der Vrshni grausam gestürzt h a t ; daß seine Malerei gleichsam ohne Wand ist (41, 10ff., Vers 32). Wie eine Malerei ohne Wand, ohne Unterlage, so ist seine politische Überlegung (das Wort: „Buntes-Werk-Schaffen" meint wohl beides) 2 , weil die Nanda, f ü r die er wirken möchte, nicht mehr sind. Daß die Nanda alle ihre Gegner zur Ruhe gebracht hatten, bedeutet, daß sie „Weltherrscher" (wenigstens des Gangestales) waren, wie es in der Tradition überliefert ist) 3 . Ebenso ist die Berufung auf das grausame Schicksal für ihn bezeichnend und stellt ihn als Fatalisten in Gegensatz zum Cänakya des Dramas und zum Kautalya des Staatslehrbuches. Wie im Monolog des Cänakya im I. Akt enthält der erste Teil des Monologs des Räkshasa eine Schilderung seiner eigenen Lage als einer Art Exposition. Insbesondere ist es indessen eine Selbstbemitleidung, die bei einem Cänakya undenkbar wäre. Der Vergleich der gestürzten Nanda und Vrshni bedarf einer Erläuterung. Im Mahäbhärata XI, 25, 39ff. 4 verfluchte die greise Heldenmutter Gändhäri nach der großen Schlacht Krshna, weil er es zugelassen hat, daß die Pändava und Kaurava sich trotz ihrer Vetternschaft gemordet haben; er habe eben den Untergang der Kuru gewollt. Deshalb solle er seine eigenen Verwandten (die Vrshni) umbringen und vereinsamt sterben. Krshna antwortete: Ich weiß, daß die Vrshni durch das Schicksal zugrunde gehen werden, sie werden sich selber umbringen, da kein anderer es vermöchte . . . Kautalya 3, 13 dagegen, der nicht an das Schicksal glaubt, führt an 5 , daß der Vrshni-Stamm durch seinen Übermut 6 gegen Dvaipäyana zugrunde 1 2 8 4 6
55, 2; 55, 9; 56, 2. Dhu.: vicitrapaurushavyäpära: Betätigung seiner mannigfachen Mannheit. S. u. zu 80, 2 und II A. Den Fluch will Utanka in Mbh X I V , 53 wiederholen. 9 Konow 1945, 10. harsha.
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gegangen ist, jeder Fürst solle deswegen seine Sinne im Zaum halten. Ebenso wird ausführlicher im buddhistischen J ä t a k a 454 erzählt 1 : Krshnas Prinzen verkleideten einen Jüngling als schwangere Frau, führten ihn zu Kanhadipäyana und fragten ihn, was diese Frau gebären würde. Der Weise entgegnete: Einen Akazienknorren, der Euren Stamm vernichten wird. So geschah es wunderbarerweise. Im Mahäbhärata XVI, l f f . wird dies als Verspottung der drei Weisen Visvämitra, Kanva und Närada erzählt 2 . Kautalya folgte hier also einer ähnlichen Tradition wie die Buddhisten. Visäkhadatta führt leider keine Einzelheiten an, aber es ist nicht so aufzufassen, daß er in diesem Vers der Auffassung Kautalyas hätte widersprechen wollen. Das Schicksal der Vrshni wurde ja (nach Hindu-Auffassung) durch den Fluch der Gändhäri gelenkt, und dies wirkte sich in der übermütigen Handlung der Prinzen aus. Wieweit der Dichter aber Räkshasa hier die Parallele ziehen lassen wollte, ist unklar : Meinte er, daß auch die Nanda verflucht worden waren, also wie Krshna eine Sünde begangen oder zugelassen hatten? Oder ist nur die (vermeintliche) Tüchtigkeit und der unverdiente Untergang das Gemeinsame für beide? Es ist aber im Mahäbhärata nicht einmal so, daß die Vrshni alle ihre Feinde niedergeworfen hätten. Besiegt wurden im Mahäbhärata die Kaurava als Feinde der Pändava. Krshna stand dabei auf Seite der siegreichen Pändava, sein Stamm, die Vrshni, aber war nicht dabei; Krshna kämpfte allein auf der Seite der Pändava. Dagegen kämpften die „Hirten" Krshnas, die Näräyana 3 , auf Seiten der besiegten Kaurava, wobei das Verwandtschaftsverhältnis der Näräyana und Vrshni freilich leider noch nicht geklärt ist. Es scheint also, als habe Visäkhadatta den Vergleich der Vrshni und Nanda selber nicht sehr genau genommen. Daß er damit aber Räkshasa als einen nicht sehr guten Kenner der Mythologie habe hinstellen wollen, ist sonst im Drama nicht angedeutet und bei dem allgemeinen Lob, das Räkshasa sogar von seinem Feind Cänakya erntet, nicht gerade wahrscheinlich. Räkshasa beteuert dagegen, nicht weil er die Treue zu den Nanda vergessen habe, nicht weil er durch sinnliche Ziele verblendet sei, nicht weil er Furcht um sein Leben habe, auch nicht weil er nach einer Stellung verlange, sei er Sklave eines Feindes geworden und grüble ständig über Politik, sondern nur, damit sein zum Himmel eingegangener König durch den Tod seiner Feinde gerächt werde (41, 15ff., Vers 34). Räkshasa ist sich also bewußt, daß er als Berater Malayaketus auf die Seite Parvatas, des verstorbenen Feindes der Nanda, des ermordeten Verbündeten Candraguptas übergegangen ist. Seine Nanda-Dynastie lebt nicht mehr; er hat kein positives Ziel mehr für seine Politik, nur das negative, reichlich egozentrische der Rache, indem er den einen Feind seines Nanda den anderen umbringen lassen will. So hält er, meint er, dem Nanda die Treue; so handelt er nicht aus Eigennutz (er spricht da geradezu mit der frommen Ausdrucksweise der Bhagavadgitä von der Verblendung durch die Ablenkung auf die Sinnesgegenstände und steht im Gegensatz zu Cänakya). Während er seinen verstorbenen König hier als Gott im Himmel be1
U n d Jätaka 530. Ruben 1943, 2 4 I f . 3 Mbh V, 7.
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WAITER
BUBEN
zeichnet und damit wieder in scharfem Gegensatz zu Cänakya steht, der Candragupta durchweg als vrshala, als Südra, bezeichnet, bekennt er sich als „Sklaven" seines Feindes: So drückt ihn das Elend der Verlassenheit. Er hat so wenig Hoffnung mehr wie ein Sklave, der in Indien freilich nicht so bedingungslos zum Eigentum, zum stimmlosen Vieh seines Herren wird wie in unserer Antike 1 . Dieser jammernde Räkshasa steht hier am Anfang des II. Aktes mit seinem bloß negativen Ziel dem Cänakya des I. Aktes mit seiner Zuversicht auf die Sicherung der Herrschaft der Maurya gegenüber. In diesem Vers aber liegt schon für den Kenner, daß dieser einsichtige, treue Mann nicht auf die Dauer Sklave des Feindes seines früheren Herren bleiben kann, d a ß also Cänakya ihn seinem Plan gemäß auf seine Seite herüberziehen wird. Daß Räkshasa auf die Seite des Feindes des Nanda übergegangen ist, das wird der Jainamönch als Cänakyas Agent am Ende des IV. Aktes (119, 7f.) als entscheidenden Trumpf gegen ihn ausspielen, und im VI. Akt (165,17) wird Räkshasa zeigen, daß er diesen seinen Fehler begriffen hat. Räkshasa blickt in die Luft, weint und spricht zwei Verse an die Glücksgöttin Sri: Warum bist du vom edlen Nanda zum Maurya übergegangen und nicht mit dem Nanda zusammen untergegangen? Warum bist du, Unedle, statt zu einem adligen König zum unadligen Maurya gegangen? Liegt es in deiner Natur, die du auf dem raumentsprossenen 2 Lotus schwankst? Der Geist der Frauen ist abgeneigt, die Tugenden der Männer zu erkennen. — Unerzogene! Ich werde dir deine Lust nehmen, indem ich ihre Grundlage ausrotte (42, 3ff., Vers 35 und 36). Der weinende Minister sieht im Luftraum über sich geradezu leibhaftig die Glücksgöttin auf dem Lotus schweben und macht ihr schwere Vorwürfe, daß sie das adlige Nandahaus dem unadligen Candraguptas zuliebe aufgegeben hat. Wenn auch einem Zweige der zwiespältigen indischen Tradition nach die Maurya vielleicht teilweise als Kshatriya galten 3 , so wurde Candragupta doch von anderen sicher als Südra 4 eingeschätzt. Mehr Historisches ist dieser Stelle des Dramas nicht zu entnehmen, sie paßt aber zu Cänakya, der Candragupta im Drama durchweg den vrshala nennt. Zu Anfang des I I I . Aktes (72, 3ff.) wird Candragupta in seiner Weise die Sri anreden, im VI. Akt 5 noch einmal Räkshasa. Daß die Glücksgöttin im König wohnt und unbeständig ist, war nun einmal ein üblicher fatalistischer topos der indischen Dichtung und Mythologie 6 . Das Bemerkenswerte an dieser Stelle aber ist, daß Räkshasa zunächst jammert, wie es für Fatalisten paßt, daß er sich nach den zwei Versen indessen zu dem kurzen Prosa-Schlußsatz aufrafft und dem Glück droht, ihm entgegenzuarbeiten. Wie mancher Fromme der Urgemeinschaft seinen unfolgsamen Fetisch prügelt, wie noch eine spät-feudalistische Krshna-Mystikerin ihren 1
Vgl. G. F . Iljin, Die B e s o n d e r h e i t e n der Sklaverei im a l t e n Indien. Sowjetwissenschaft, Gesellschaftswissenschaftliche Abteilung 1955, 1, 90ff. I l j i n h a t zwar Pick, Breioer usw. n i c h t b e n u t z t , h a t die philologischen Schwierigkeiten des K a u t . usw. n i c h t b e h a n d e l t , sieht aber im ganzen richtiger als seine Vorgänger. 2 ä k ä i a liest H i l l e b r a n d t . Telang, K a i e usw. lesen k ä s a : Die D u wie die Spitzen der käsaB l u m e n schwankst. 3 B h a r g a v a 27 ff. 4 Vgl. W a l i m b e 15f. (Notes) über vrshala. 6 S. 165, 2ff. = Vers 136. 6 H i l l e b r a n d t 1908, 23: ähnlich P a n c . I I I , 153 usw.; Walimbe zitiert R g h v . usw.
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Gottesknaben schlug 1 , so droht dieser Fatalist seiner Glücksgöttin. I m Grunde ist er eben nach des Dichters Absicht ein aktiver Mann, nur jetzt im Unglück zum Fatalismus geneigt. In sein Verhältnis zur Göttin spielt aber auch seine Verachtung des „Unverstandes" der Frauen hinein, und damit wird er in gewissem Sinne ein Gegenstück zum Schauspieldirektor des Vorspieles 2 . Er verehrt die Göttin, aber widersetzt sich ihr. Damit wird der Minister an seine eigene Frau erinnert: Er überlegt: Mein Weib und Kind habe ich deswegen bei Candanadäsa gelassen, damit die Parteigänger Nandas, die jetzt immer noch von ihm leben, nicht daran irre werden, daß ich Pätaliputra weiter im Auge behalte. Um Mörder und Giftmischer gegen Candragupta einzusetzen, und um das Volk 3 durch Flüsterpropaganda zu gewinnen, habe ich dem Sakatadäsa einen großen Schatz hinterlassen. Um den Gegner auszuspionieren und zu spalten, habe ich Jivasiddhi usw. in Tätigkeit gesetzt (42, 15ff.). Hier beginnt analog dem Monolog des Cänakya im I. Akt ein neuer Teil der Exposition, die Darlegung des vom Minister bisher Getanen. Neu ist für die Zuschauer, daß Sakatadäsa nicht nur der Schreiber Räkshasas ist, sondern auch sein Geheimagent und Verteiler seiner Bestechungsgelder. Daß Rakshasa sein Weib in der Stadt des Feindes zurückließ und allein floh, bedarf ja dringend einer Erklärung. Der Zuschauer aber weiß bereits, daß der Schreiber Sakatadäsa gefangen und dabei vermutlich sein Vermögen (samt dem Schatz Räkshasas) konfisziert worden ist, wenn auch Cänakya von jenem Schatz des Rakshasa anscheinend keine Nachricht erhalten hatte. Damit hatte Rakshasa nicht gerechnet, und das war seine erste Niederlage in diesem Drama, die er Cänakyas gutem Geheimdienst und schnellem Zugreifen verdankt. Vom Ertappen der Mörder und Giftmischer werden wir erst später in diesem Akt erfahren. Noch soll ja die endgültige Niederlage Räkshasas nicht als feststehend gelten; das erhöht die Spannung. Wohl aber weiß der Zuschauer bereits, daß Jivasiddhi ein Hauptagent Cänakyas ist, dem Rakshasa zu seinem Unglück vertraut 4 . Die Beobachtung des Candragupta und die Spaltung des Königs und Ministers, die Räkshasa beabsichtigt, kann ihm also nicht mehr gelingen. Hervorzuheben ist noch, daß Räkshasa sich auch klar darüber ist, daß er das Volk in Pätaliputra für sich gewinnen muß. Aber das dafür bestimmte Geld ist bereits verloren. Während Cänakya im I. Akt seine Listen gelingen sieht, sieht hier der Zuschauer, daß Räkshasas Listen bereits jetzt im wesentlichen mißlungen sind. Räkshasa faßt seine Unternehmungen mit einem Vers zusammen: Nanda, der Kinderliebe, hatte Candragupta aufgezogen und ist an ihm zugrunde 1
Rüben 1954c 308. Solche Herabsetzung der Frau ist aber auch sonst üblich; Walimbe zitiert Mrech. 3 Textvariante: krtya: Bearbeitbar; dazu Walimbe nach Kaut. S. u. zu 61, l f . über den Mörder Däruvarman und Öakatadäsas Geld. 4 S. o. 10, 1 ff.: Räkshasa traut ihm schon lange. S. u. 116, 4ff. seinen Auftritt im IV. Akt. Er ist eben erst aus der Stadt verbannt worden. Wieviel Zeit zwischen dem I. und II. Akt verstrichen ist, wird nicht gesagt. Nach Dhruva S. 190 sind es zwei Wochen zwischen Vollund Neumond. 2
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gegangen wie an einem Tigerjungen. Candragupta treffe ich mit dem Pfeil meines Verstandes — wenn das Schicksal ihn nicht schirmt (43,4ff., Vers 37). Dieser Monolog des Ministers schließt mit einer gewissen Zuversicht. Aber der Fatalismus des Räkshasa behindert immer wieder seine Tatkraft; im Grunde glaubt er nicht sehr ernsthaft an Erfolg, und er hat damit recht, wie der Zuschauer jetzt schon spürt. Der greise Kämmerer Malayaketus, Jäjali, tritt auf und besingt in einer Strophe eines kurzen Monologs das Greisenalter: Durch das Alter hat das Recht meine Leidenschaft besiegt und in mir Fuß gefaßt, so daß die Gier es nicht mehr besiegen kann, trotz aller ihrer Anstrengungen, wie der Maurya durch die Politik Cänakyas den Nanda besiegt und in der Stadt F u ß gefaßt hat, so daß Räkshasa trotz aller Anstrengungen ihn 1 nicht besiegen kann (43, 8ff., Vers 38). Mit einem ähnlichen Preis des Alters wird zu Anfang des III. Aktes (70, lff.) der greise Kämmerer Candraguptas auftreten, aber ohne den hier sorgsam durchgeführten Vergleich mit dem politischen Geschehen. Es ist für uns fast unglaublich, daß der Kämmerer Malayaketus, dieser greise, langjährige Beobachter der dynastischen Politik des damaligen Nordindien die Lage zuungunsten seines eigenen Königs so genau verstand. Liegt das daran, daß er Cänakya einst zu Parvatas Zeiten als Bundesgenossen schätzen lernte ? Er hat jedenfalls seinen jungen Prinzen Malayaketu oder dessen Minister nicht gewarnt. Er schwieg als Despotendiener. Der Dichter zeigt nur, daß selbst am Hofe des Malayaketu solch Pessimismus zu finden war, eben bei solchen abgeklärten Greisen. Der Greis ist aber nicht etwa nach Absicht des Dichters durch seine lange Lebenserfahrung so weise, sondern durch das Aufhören der Leidenschaften, die selbst einem Räkshasa bei all seiner Klugheit den klaren Blick trüben (aber niemals dem Cänakya!). Das Ideal der Loslösung von Leben, Kämpfen und Leiden beherrschte eben Visäkhadatta wie die meisten seiner Zeitgenossen. Und die Worte dieses „Weisen" zeigen den Zuschauern gleichzeitig prophetisch den Sieg Cänakyas an. Der Dichter schuf sich aber eine Gelegenheit, dies Ideal des Weisen auch in der Partei Candraguptas in der Gestalt von dessen Kämmerer anzubringen — und in gewissem Sinne auch darin, daß Cänakya selber sich nach Durchführung seiner List am Ende des Dramas aus der Politik gänzlich zurückziehen möchte. Dann erst begrüßt der Kämmerer den Minister, wird aufgefordert sich zu setzen und überbringt ihm einen Schmuck des Malayaketu, den dieser ihm als Geschenk sendet, weil er es nicht mit ansehen kann, wie Räkshasa immer noch um seinen Nanda trauert und auf allen Schmuck verzichtet (43, 14ff.). Im I. Akt 2 hatte Candragupta den Schmuck des Parvata bei dessen Totenritus an Brahmanen gegeben, insofern ist hier wieder eine Szene des II. Aktes einer des I. Aktes analog. Der Schmuck des Parvata sowohl wie dieser des Malayaketu werden sich im Verlauf der Handlung als verhängnisvoll für Räkshasa herausstellen 3 . Sie sind also parallel gemeint, aber die Unterscheidung des pietätvollen Candragupta 1 2 3
Wegen der Kunst Cänakyas: Dhu. S. o. 20, llff. S. u. 64, 12ff.
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und des hier den Cänakya von seiner Pietät abbringenden (also unsympathischen) Malayaketu ist dem Dichter vermutlich ebenso wichtig gewesen. Rakshasa läßt dem Malayaketu antworten, daß er bei der Parteinahme für ihn die Vorzüge seines verstorbenen Herren vergessen habe; aber er beteuert in einem Vers, er werde nicht den geringsten Schmuck anlegen, solange er nicht den Feind restlos vernichtet und Malayaketus Thron im Palast von Pätaliputra aufgerichtet habe (44, 8ff., Vers 39). D a ß Rakshasa die Tugenden seines Nanda vergessen habe, ist bloß eine bewußte Lüge, eine Schmeichelei für Malayaketu, und doch ist er damit vermutlich in den Augen des Dichters den Nanda untreu geworden. Cänakya würde seinem Candragupta gegenüber nie zu solcher schmeichlerischen Lüge greifen und hat es auch nicht nötig. Damit wird Rakshasa scharf charakterisiert, aber auch mit der folgenden Beteuerung, gegen die er wenige Minuten später verstößt, als er den Schmuck anlegt! Während Cänakya in der Wut seiner Rache seinen Haarknoten löst und das Wort hält, daß er es erst nach dem Sieg wieder binden wird, hält Rakshasa hier sein Wort nicht; er hat es also nur in edler Aufwallung der Gefühle gegeben, zeigt sich dann aber unfähig, es zu halten. Sein Wort nicht zu halten, gilt indessen in der altindischen Ethik als einer der schwersten Fehler 1 . Der Kämmerer schmeichelt: Unter Eurer Führung ist der Sieg für den Prinzen Malayaketu leicht, daher nehmt den Schmuck, den ersten Gunstbeweis des Prinzen. Rakshasa: Weder Euer noch des Prinzen Wort darf man mißachten, also gebt den Schmuck. Er legt ihn an, der Kämmerer geht (45, lff.). Wie eben vorher 2 der Schlangenbändiger, so meint hier der weise Kämmerer noch, daß Malayaketu sich von Rakshasa führen läßt. Unter dieser falschen Voraussetzung (eben gerade hat Malayaketu Rakshasa verführt, sein Wort zu brechen!) wäre freilich ein Sieg Räkshasas möglich. Rakshasa aber dürfte sich als Politiker durch solche Illusionen nicht so siegessicher machen lassen und sein eben gegebenes Wort brechen; würde etwa ein Cänakya dem R a t eines Kämmerers folgen? Rakshasa läßt sich aber im IV. Akt auch von Sakatadäsa sehr schnell zum Falschen umstimmen 3 . Während Candragupta Parvatas Schmuck in einer frommen Handlung fortgab, handelt Malayaketu unfromm. Er verträgt es nicht, daß Rakshasa aus Treue zu seinem toten Herren trauert; das empfindet er wohl als Vorwurf, zumal er selber für Parvata noch keine Totenriten vollzogen hat. Er will also eifersüchtig Rakshasa von seiner frommen Haltung abbringen. Sein Handeln ist vom Minister ungewollt, ist zufällig wie das des Candragupta für Cänakya; aber während Cänakya den Zufall sofort für seine List verwendet, bricht Rakshasa sein Wort, gibt seinem ungeliebten neuen Herren in sklavischer Gesinnung nach und fällt damit noch im II. Akt herein, indem er den Schmuck an Siddhärthaka, Cänakyas Agenten, weitergibt und damit unbewußt dem Feind in die Hände arbeitet. So sind die beiden Sshmuckszenen in mancher Hinsicht analog und zugleich in bezeichnender Weise für beide Parteien verschieden. 1 2 a
Vgl. Ruben 1954b 195 über Räma. S. o. 40, 7. S. u. 111, 9.
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Räkshasa läßt seinen Diener Priyamvadaka nachsehen, ob jemand am Tor wartet und ihn zu sprechen wünscht. Der Diener findet den Schlangenbändiger, der bittet, seine Schlangen dem Minister zeigen zu dürfen. Bei dieser Nachricht zuckt das linke Auge des Ministers, was als böses Vorzeichen gilt 1 ; er läßt deswegen den Gaukler mit einer Bezahlung abfertigen. Der aber bittet den Diener, dem Minister ein Schreiben mit einem Präkrt-Vers zu bringen, da er auch ein Dichter sei. Räkshasa liest: Nachdem die Biene den Saft der Blume restlos zu ihrem eigenen Wohl getrunken hat, wirkt sie für andere, was sie wieder von sich gibt 2 . Er versteht, daß der Gaukler in der „Blumenstadt" Kusumapura-Pätaliputra gesammeltes Material an ihn weitergeben möchte, und merkt, daß er, durch die Geschäfte unaufmerksam geworden, den Agenten Virädhagupta vergessen hat. Er läßt ihn als „guten Dichter" hereinbitten (45, 8ff., Vers 40). In dieser Szene wird Räkshasas Fleiß in seinen Amtsgeschäften, sein üblicher Aberglaube, sein schnelles Verstehen der gleichnishaften Sprache, und sein Verbergen seiner Geschäfte vor seinem Diener gezeichnet. Mit einer ebenfalls ein Blumenbeispiel verwendenden mehrdeutigen Strophe verschaffte sich im I. Akt Vers 18 der Agent Cänakyas in seiner Verkleidung als Yama-Sänger Zutritt zu Cänakya, obgleich dessen Schüler, uneingeweiht wie Räkshasas Diener, ihn abwehren wollte, nicht etwa Cänakya selber, wie es hier Räkshasa tut. Cänakya erkannte seinen Agenten sofort, ohne Selbstvorwürfe, obgleich er sich eher als Räkshasa hätte mit Überlastung entschuldigen können. Er hatte sich mit ihr vor seinem Schüler zu Anfang des I. Aktes (5,15) in sehr charakteristischer Weise entschuldigt, aber beim Beginn jener Szene mit dem Yama-Sänger Nipunaka haben nur einige Handschriften 3 etwas Entsprechendes. Der Dichter hat sicher auch in dieser Hinsicht einen Gegensatz der beiden kämpfenden Minister in diesen beiden analogen Szenen des I. und II. Aktes herausarbeiten wollen und dementsprechend bei Räkshasa im IV. Akt (100,4f.) noch einmal eine solche Entschuldigung beim Auftreten seines Agenten Karabhaka eingeführt. Der Schlangenbändiger tritt näher und bewundert dabei in Gedanken mit einem Vers in Sanskrt den Minister, aus Furcht vor dessen Sich-Erheben die Glücksgöttin zwar den linken Arm um des Maurya Hals legt, aber auch nur lose, während sie die Rechte immer wieder auf den Schoß fallen läßt, obgleich sie sie mit K r a f t 4 auf seine Schulter gelegt hat, wobei sie ihr Gesicht von seinem abwendet, sie preßt also auch jetzt noch ihre rechte Brust nicht etwa selig gegen seine 5 (48, 4ff., Vers 41). Sri möchte Candragupta verliebt umarmen, wagt es aber nicht, sondern blickt besorgt auf Räkshasa, er könnte sich zu Taten aufraffen. Räkshasa hatte der Sri 1
Als erstes Schlangen, zu sehen, galt als schlimmes Vorzeichen; Telang vergleicht Mrcch. I X Vers 12. 2 Hillebrandt 1908, 20 vergleicht Kam. X I I , 26; 48: Spione trinken die Meinung der Welten. Walimbe erklärt den Doppelsinn. 3 Hillebrandt ed. S. 14 v. 1. 8, von Dhu. als Lesart angemerkt. 4 Walimbe: under compulsion (reluctantly). 6 Dhu.: Die Brustwarze platt drückend. Das Schmuckmittel ist kävyalinga, vgl. Mammafca X , 114.
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ihre Wankelmütigkeit vorgeworfen 1 , und der Schlangenbändiger hatte ihr Schwanken festgestellt 2 . Jetzt, beim Anblick des Räkshasa, sieht er sie auf dem Schöße des Candragupta gleichsam vor sich in einer leidenschaftlichen Pose, die wir uns an den vielen Plastiken etwa der Päla-Periode, die die Umarmung eines Buddha und seiner Tärä darstellen, vor Augen führen können — nur ist bei denen nicht dies furchtsame Zaudern des Weibes dargestellt. Der Agent Räkshasas kann nicht leugnen, d a ß Candragupta bereits den Thron in Pätaliputra innehat, aber er hofft noch auf eine Unternehmung des Ministers, während der Zuschauer doch den Fatalismus Räkshasas, der sein Handeln behindert, deutlich gesehen hat. Räkshasa möchte ihn mit Namen anreden, Virädha . . ., verbessert sich aber sofort 3 und sagt: Gewachsen (virüdha) 4 ist Dein Bart. Er entläßt dann seine Diener, da er sich jetzt mit den Schlangen vergnügen würde (48, l l f . ) . Der Minister ist äußerst zerstreut, darf er doch vor seinen Leuten nicht zeigen, daß er den Agenten kennt. Das mit dem Bart ist ihm nicht gut geglückt, und er hat vergessen 5 , daß er den Agenten wegen seiner Dichtkunst, nicht wegen seiner Schlangen vorgelassen hat. Er hat sogar vergessen, daß ihm eben bei der Nachricht von den Schlangen das Omen begegnet ist. Er mag sich vor sich selber damit entschuldigen, daß sein Agent in Wirklichkeit gar kein Schlangenbändiger ist, sondern als Dichter vorgelassen wird, aber er spricht hier wieder von den Schlangen, mißachtet also das erhaltene Omen, und dabei spürt jeder indische Zuschauer, daß sich das für ihn verhängnisvoll auswirken muß. Die verhängnisvolle Zerstreutheit ist also vom Dichter bewußt eingeführt worden und Räkshasa damit zugleich wiederum kritisch charakterisiert und in Gegensatz zu Cänakya gestellt. Räkshasa beginnt wieder über das Elend derjenigen zu jammern, die noch von der Treue zum alten Nanda leben. Sein Agent, der mit ihm in Sanskrit spricht, muß ihn mit Hoffnung auf baldigen Erfolg trösten. Räkshasa fragt nach seinen Mördern und Giftmischern. Der Agent beginnt seine Erzählung mit der einstigen Belagerung von Pätaliputra durch Candragupta und seine Bundesgenossen, die Saka, Yavana, Kiräta, Kamboja, Perser, Bählika usw. Da zieht Räkshasa sein Schwert, r u f t : Wer wird die Lotusstadt belagern, solange ich noch da bin! und befiehlt in einem Vers, die Truppen zur Verteidigung und zum Ausfall bereitzuhalten. Als der Agent ihn darauf hinweist, daß er von der Vergangenheit spricht, schämt sich Räkshasa 6 und gedenkt in einem Vers der alten Zeiten, als Nanda ihn noch an die gefährlichsten Stellen des Schlachtgetümmels schickte (49, lff., Vers 42 und 43). Der Minister erlebt das Vergangene als Gegenwart 7 , und er braust auf, ähnlich wie Cänakya bei der Überleitung vom Vorspiel zum I. Akt und so, wie es die Sri 1
S. o. 42, 4ff., Vers 35f. S. o. 41, l f . = Vers 31. 3 S. o. 31, 6: Cänakya. 4 So Walimbe u n d Kaie (prarüdha). Telang lehnt Dhu.'s D e u t u n g als gezwungen ab. Virädha, auf den B a r t bezogen, b e d e u t e t : Gekommen bist d u u m deinen B a r t . 6 So urteilt schon T e l a n g : blunder, aber nicht des Dichters. 6 S. u. I I D 8 zu K a m . V I I I , 80: Reue. ' Der Agent h a t t e das Präsens v e r w e n d e t . 2
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gemäß dem Vers des Schlangenbändigers von Räkshasa befürchtet. Aber dies Aufbrausen ist irrtümlich (darin dem des Cänakya in gewisser Weise ähnlich) und klingt in wehmütiger Erinnerung ab (darin dem des Cänakya entgegengesetzt). Das Zücken des Schwertes ist hier so illusorisch wie das im VI. Akt 1 . Daß hier die Saka genannt werden, ist als Anachronismus angesehen worden 2 . Sie traten erst später in Indien auf. Die Yavana, hier vielleicht Griechen, Truppenreste Alexanders, werden sonst im Drama nicht dem Heer von Parvatas Sohn Malayaketu zugesellt; ebensowenig die Kiräta, Bergstämme des Himalaya, die Kamboja aus dem nördlichen Panjab, und die Männer aus Balkh. Malayaketu hat also nach des Dichters Absicht einige Bundesgenossen seines Vaters verloren. Es ist auch anachronistisch, wenn hier Elefanten, Reiterei und Fußtruppen, aber keine Kriegswagen als Truppenteile aufgeführt werden, wie sie zur Zeit der Nanda noch üblich waren 3 . Der Agent erzählt weiter: Der König Sarvärthasiddhi verließ die belagerte Stadt durch einen unterirdischen Gang 4 , weil er das Gemetzel der Belagerung aus Rücksicht auf sein Stadtvolk nicht ertragen konnte, und zog sich in einen Asketenhain zurück 5 ; vom Herren verlassen, wurden seine Truppen schwankend; daraus, daß die Siegesrufe (beim Einzug Candraguptas) verboten wurden, und aus anderen Kühnheiten, konnte man auf die Anwesenheit von Parteigängern der Nanda in der Stadt schließen; um den Nanda wieder auf seinen Thron zu bringen, verließet Ihr durch jenen Gang die S t a d t ; das Giftmädchen, das Ihr dem Candragupta bereitet hattet, tötete den armen Parvata . . . (51, 3ff.). Wieder ist hier Rücksicht auf das Volk betont! Zur Flucht aus einer Festung durch einen unterirdischen Gang riet schon Kautalya 6 . Daß die Truppen eine Schlacht aufgeben, wenn ihr König gefangen ist, ist bezeichnend für das alte Indien. Das Heer löste sich also auf, aber viele Parteigänger Nandas blieben in der Stadt und folgten der Aufforderung, beim Einmarsch des Siegers nicht in den üblichen, vom Feind befohlenen Jubel auszubrechen. Räkshasa hat vorher erklärt, daß er seine Familie in der Stadt gelassen habe, damit die Städter der Überzeugung bleiben, daß er den Kampf nicht aufgibt 7 . Er gebraucht dabei denselben Ausdruck wie hier: sie sollen nicht locker werden. Wer aber gab die Anweisung, den befohlenen Jubel nicht auszuführen? Candragupta schreibt dies unter anderem im I I I . Akt dem Räkshasa zu 8 , aber Cänakya bezweifelt dort allgemein, was Candragupta anführt, also vielleicht auch diese Aussage. An unserer Stelle kann man auch verbinden: nachdem Eure Anwesenheit durch diese Anweisung erschlossen war, verließet Ihr die Stadt. Räkshasa unterbricht ihn: Wie wunderbar! (Vers:) Mit dem Giftmädchen, das nur ein einziges Mal jemand töten konnte, wollte ich Candragupta treffen, 1
S. u. 176, lOff. Telang Introd. X X V I I I . 3 S. u. II A. 4 S. u. 57, 9ff. 6 S. o. 7, 11. • Kaut. 1 6 8 - 1 7 0 , 53 f. 7 8 S. o. 42, 17f. S. u. 92, 5 = Vers 79. 2
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tötete aber zum Vorteil des Verbrechers Cänakya Parvata, wie Karna mit seiner Wunderwaffe Arjuna töten wollte, aber zum Vorteil Krshnas den Sohn der Hidimbä traf (51, 10ff., Vers 44). Karna ist eine der tragischen Gestalten des Mahäbhärata. Sein Hauptfeind ist Arjuna, sein eigener Bruder, aber beide kennen sich nicht. Sie sind Rivalen im Wettstreit um die Hand der Draupadi, Karna wird von Draupadi verschmäht (I, 187) und schwört ihm den Tod (III, 257). Dafür hebt er die ihm von Indra gegebene Wunderlanze auf, die nur ein einziges Mal unfehlbar trifft. Selbst als seine Mutter ihn über seine Brüder aufklärt, bleibt er bei seinem Haß gegen Arjuna (V, 145f.). In der großen Schlacht schickt der König Yudhishthira in seiner Not Arjuna gegen Karna, aber Krshna rät davon ab, da Karna noch seine Wunderwaffe habe; es sei besser, den riesigen, dämonartigen Ghatotkaca, den Sohn der Riesin Hidimbä, gegen Karna zu senden (VII, 173). So wird Ghatotkaca durch Karnas Lanze erschlagen (179), und später gelingt es Arjuna, wiederum dank einer List des Krshna, den Karna zu töten (VIII, 91). Karna war zwar eine Inkarnation des Sonnengottes (1,111), aber er kämpfte auf Seiten der Kaurava, die Inkarnationen der bösen Dämonen waren, und mußte deswegen mit ihnen ausgerottet werden. Das war der Zweck, weswegen Vishnu als Krshna auf Erden geboren wurde. Zudem war Karna durch seinen eigenen Lehrer Räma dazu verflucht worden, daß seine Waffe ihn im Ernstfalle im Stich lassen würde; Karna hatte sich ihm gegenüber nämlich fälschlich als Brahmanen ausgegeben (VIII, 42). Und ein anderer Brahmane hatte ihn verflucht, weil er ihm, wenn auch unwillentlich, seine Opferkuh getötet hatte (ebd.). Wie oben bei den Vrshni erhebt sich die Frage, wieweit der Dichter den Minister Rakshasa den Vergleich zwischen sich und Karna ausdeuten lassen wollte. Karna kämpft gegen seine Brüder, Rakshasa gegen seine Nanda, die ihm rechtmäßig durch Candragupta repräsentiert sein sollten. Er kämpft gegen Cänakya wie Karna gegen Arjuna. E r mag seinen Verstand für eine Art Wunderwaffe halten, aber hier handelt es sich um das gegen Candragupta gemeinte Giftmädchen. Wie Krshna listig die Waffe Karnas gegen Ghatotkaca, der zu Karnas Partei gehörte, richtete, so Cänakya das Giftmädchen gegen Parvata, dessen Sohn später mit Rakshasa eine Partei bildete. Wenn Rakshasa hier auch mit hilflosem Staunen von einer „wunderbaren" Fehlleitung seines Giftmädchens spricht, ohne Cänakya zu erwähnen, so meint er doch sicher nicht, daß er unter einem Fluch zu leiden habe, und ganz sicher nicht, daß seine Partei der Nanda dämonisch, die Mauryas dagegen göttlichen Ursprungs und als Sieger für den Weltlauf notwendig sei. Rakshasa und der Dichter haben also wie bei den Vrshni den Vergleich nicht für alle Einzelheiten gemeint. Aber die Zusammenstellung des „Verbrechers" 1 Cänakya mit dem listigen Krshna mag vom Dichter mit gewisser Betonung gemeint sein, zumindest ist sie sachlich weitgehend berechtigt 2 . Sein Agent tröstet ihn damit, so sei nun einmal der Lauf des Schicksals, und fährt fort: Malayaketu, erschreckt, floh; Parvatas Bruder Vairodhaka wurde in Vertrauen gewiegt, Cänakya berief Zimmerleute, um für den Einzug Candraguptas in Nandas Palast (dessen Zeit Astrologen auf Mitternacht festlegten) einen Ehrenbogen zu errichten; sie aber hatten unter Däruvarmans 1 2
hataka, s. 76, 1 usw., s. u. S. 46 Anm. 1. Vgl. Rüben 1954b 187. Der sivaitische Dichter tadelt den vishnuitischen Krshna.
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Führung schon einen gebaut und mit „Vorrichtungen" versehen. Cänakya 1 lobte Däruvarman und versprach ihm baldigen angemessenen Lohn 2 . Räkshasa befürchtete dagegen, Cänakya würde Däruvarman für seine Voreiligkeit und Liebe zu seinem König strafen, hatte er doch in Verblendung seines Geistes 3 zu früh von dem Tor gesprochen (52, lff.). Der Dialog steckt hier voll Doppeldeutigkeiten, die der Zuschauer in den Worten des Agenten zunächst nicht merken kann. Räkshasa erkennt aber in Däruvarman einen seiner Agenten, der Candragupta durch geeignete „Vorrichtungen" am Ehrentor töten soll. Cänakya durchschaute sofort Däruvarmans Übereifer und Liebe zu seinem Herren, nämlich zu König Sarvärthasiddhi, bestrafte ihn aber nicht etwa, wie Räkshasa fürchtet, sondern versprach ihm nur baldigen angemessenen Lohn, d. h. den Tod, aber nicht durch den Henker! Cänakya wird es so einrichten, d a ß Däruvarmans List zu Candraguptas Nutzen ausfällt, ihn aber doch am Ende die Strafe trifft. Räkshasa ist also nicht imstande, Cänakyas List zu durchschauen, er ist vielmehr ängstlich für die Seinen. — Dem Text ist nicht zu entnehmen, ob Cänakya wirklich den Astrologen glaubte (wie Räkshasa im IV. Akt) 4 , oder sie f ü r seine Zwecke zu lenken verstand. Der Agent fährt fort: Cänakya ließ den Einzug auf Mitternacht festsetzen und vorher Vairodhaka und Candragupta ihr Weltreich teilen. — Räkshasa sieht ein, daß Cänakya dadurch den Verdacht, er habe Parvata wegen der an ihn abzutretenden Reichshälfte ermorden lassen, von sich abgelenkt hat. — Der Agent: Vairodhaka wurde mit Schmuck und Blumenkränzen so sehr behängt, daß niemand ihn mehr erkennen konnte; er wurde auf Candraguptas Elefantenkuh gesetzt und ritt so dem Tor entgegen, wo Däruvarman (der weder Candragupta noch Vairodhaka kannte) für ihn als vermeintlichen Candragupta alles vorbereitete und der Elefantentreiber Barbaraka, der ebenfalls im Dienste Räkshasas stand, sein Schwert gegen den vermeintlichen Candragupta zücken wollte. Dies war im goldenen Stab des Sonnenschirms verborgen, und er ließ den Stab des Sonnenschirmes deswegen herab. Da fürchtete die Elefantenkuh, er würde gegen ihre Scham schlagen und ging schneller, so daß der fallende Torbogen nicht Vairodhaka, geschweige Candragupta, sondern Barbaraka traf. Däruvarman aber, der zur Strafe für das Fallen des Torbogens für sein Leben fürchtete, sprang hinauf, riß den Eisenkeil heraus, der der Kern jener Vorrichtung war, und erschlug mit ihm Vairodhaka. Däruvarman aber wurde von dem Fußvolk, das Vairodhaka voranschritt, mit Erdklumpen gesteinigt (53, 5£E.). Der Dichter schildert lebhaft und ausführlich 5 die Versuche der beiden Mörder im Dienste Räkshasas und, wie sie endeten. Ob Räkshasa ihnen alle Einzelanweisungen gegeben hatte, wird nicht gesagt. Cänakya hat das Vorhaben des Zimmermannes durchschaut und statt Candragupta Vairodhaka aus dem Wege räumen lassen, so 1
v a t u ähnlich hataka (s. o. S. 45 Anm. 1). Belege bei Telang. Ähnlieh 19, 6: übliche Floskel. Noch merkt man die Doppeldeutigkeit nicht. 3 S. u. 165, 17: Räkshasa über Malayaketu Verblendung. 4 S. u. 116, 4ff.: Räkshasa befragt den Astrologen. 6 Vgl. Mrcch. II. A k t : KarnapQraka erzählt der Vasantasenä von dem wildgewordenen Elefanten. 2
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daß nach Parvata jetzt auch dieser Anwärter auf die Hälfte des Nanda-Reiches beseitigt ist. Durch die Aktion des zweiten Agenten, des Elefantentreibers, der Cänakya offenbar unbekannt war, wäre der Anschlag des Zimmermannes beinahe gescheitert, aber der Zufall (der fromme Hindu würde sagen: das Schicksal) oder seine Schuld beim Hantieren mit dem Dolch ließ ihn umkommen. So weiß denn auch Rakshasa nur weinend zu sagen, daß das Schicksal ihn, seine Partei, geschlagen habe. Was den Arzt Abhayadatta, den dritten Agenten und Giftmischer Räkshasas angeht, so berichtet der Schlangenbändiger zunächst, er habe alles getan, worauf Rakshasa erfreut fragt: Dann ist also Candragupta tot? Virädhagupta aber entgegnete: Durch das Schicksal ist er nicht getötet. Er reichte zwar Candragupta Gift in einer Arzenei, aber Cänakya erkannte es daran, daß das Goldgefäß, in dem die Arzenei war, sich verfärbte, zwang den Arzt von der Medizin zu trinken, und der starb (56, 3ff.). Räkshasas freudige Frage ist nicht am Platze, denn der Agent hätte doch einen solchen Erfolg wie die Vergiftung Candraguptas sofort und ohne lange gefragt zu sein, berichtet. Der Minister ist also weltfremd, und der Wunsch ist allzusehr der Vater seines Gedankens. — Schon Kautalya schrieb vor, daß man dem König in Speisen verabreichtes Gift an Verfärbung metallener Gefäße erkennen könne, und daß der Arzt samt dem Koch erst von Medizinen kosten müssen, ehe sie sie dem König geben 1 . Rakshasa betrauert den großen Gelehrten und fragt nach dem Bettbereiter Pramodaka. Der hat von Rakshasa viel Geld 2 bekommen, h a t kostspielig gelebt, ist über die Herkunft seines Geldes gefragt worden, hat sich dabei in Widersprüche verwickelt und ist auf Cänakyas Befehl unter Martern hingerichtet worden (56,13ff.). Auch dies Leben über seine Verhältnisse wird von Kautalya schon als verdächtigendes Motiv bei der Beobachtung armer Leute angeführt 3 . Obgleich Cänakya als der Richter des Mörders angeführt ist, gibt Rakshasa wieder dem Schicksal die Schuld an seiner Niederlage. Rakshasa fragt dann nach den Männern um Bibhatsa, die in einem unterirdischen Gang bereitstehen sollten, um den schlafenden Candragupta zu ermorden. Antwort: Cänakya betrat Candraguptas Schlafraum vor dem König, sah sofort, daß Ameisen Speisereste aus einer Wandritze trugen und erkannte, daß hinter der Wand Menschen steckten, ließ das ganze Haus abbrennen, und die Mörder, vom Rauch geblendet, kamen um (57, 9fL). Diese Agenten waren nicht so glücklich wie die fünf Pändava im Epos, die in einem Haus mit Lackwänden verbrannt werden sollten, davon rechtzeitig erfuhren, sich einen unterirdischen Gang graben ließen, das Haus selber abbrannten und entkamen 4 . Dementsprechend soll der König sich seinen Harem mit solchen unter1 2 3 4
Kaut. 18, 21 f. und 25; vgl. Kam. III, I5ff., V I I , 27. S. o. 43, 1: von Rakshasa bei Öakatadäsa deponiert. Kaut. 81, 2: ativyayakartr ähnelt mahatä vyayena in Mudrä. 57, 4 f. Mbh'l, 144 ff.
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irdischen Gängen 1 bauen lassen, schrieb Kautalya vor 2 . Aber dies Merkmal der Ameisen hat sich Visäkhadatta anscheinend selber erdacht. Der Dichter gefiel sich hier in der breiten Erzählung einer langen Motivkette von dem Reitelefanten, der seinen Gang beschleunigte, vom einstürzenden Tor, vom gereichten Gift, vom Bettbereiter, von der Schar der Mörder, die im Schlafgemach lauern, und von Cänakya als dem überaus klugen Helfer, der alle Gefahren von seinem Herren und Schützling abwendet. Ähnlich ist die Motivkette in dem Märchen vom Getreuen Johannes, dessen ältester Beleg in Somadevas Kathäsarisägara 28,113ff. gefunden worden ist 3 . Da rettet der treue Freund seinen Prinzen vor Gefahren, deren Urform noch nicht feststeht, aber in einer modernen indischen Fassung handelt es sich ebenfalls um einen tückischen Elefanten, allgemein um ein Tor, um gereichtes Gift und ein Abenteuer im Schlafgemach. Der Prinz ist auf Brautfahrt, und man kann dabei auf das Giftmädchen hinweisen, das Candragupta bestimmt war, und zwar ebenfalls von Räkshasa, und das ebenfalls von Cänakya abgewehrt wurde, aber freilich schon früher. Die Braut, der böse Anstifter, der Helfer und die Reihe der Gefahren sind also erstaunlich ähnlich, und es liegt deswegen nahe anzunehmen, daß ein Märchen dieser Art schon zur Zeit Visäkhadattas in Indien mündlich umlief und vom Dichter für diesen weitschweifigen Bericht des Agenten ausgenutzt wurde. Freilich kann man einwenden, daß die Reihe der Gefahren für einen in einen Palast einziehenden Fürsten naturgegeben ist, also vom Dichter auch unabhängig vom Märchen erfunden worden sein kann. Solange keine älteren Belege des Märchens oder wesentlich mehr neuindische Belege gefunden und mit ihrer Hilfe die Urform des Märchens rekonstruiert worden ist, ist eine wissenschaftliche Entscheidung dieser Frage unmöglich. Aber umgekehrt anzunehmen, daß dies Drama auf die Ausgestaltung des Märchens gewirkt habe, ist nicht ratsam, denn das kunstvolle Drama ist wohl kaum populär genug gewesen, um auf die Volksliteratur einzuwirken. Daß im Drama alles rational zugeht, im Märchen aber das Wunder einen breiten Raum einnimmt, spricht weder für noch gegen einen Zusammenhang. Visäkhadatta als Kenner der Staatslehre konnte ja gar nicht anders, als alles Märchenhafte und Wunderbare auszuschalten. Kautalya behandelt in einem besonderen Kapitel solche Listen: Wenn der Feind einen Tempel betritt, soll man auf ihn einen Stein durch Auslösen einer Maschinerie herabfallen lassen 4 , oder einen Querbalken 5 . Ein König soll nachts durch einen unterirdischen Gang in das Schlafgemach seines Feindes eindringen und ihn erschlagen 6 usw. Er soll ihn in einem Lackhaus verbrennen 1 , Mörder in einem unterirdischen Gang ihm in seinen Vergnügungsstätten auflauern lassen 8 . Aber Kautalyas Listen passen im einzelnen nicht so genau zu Visäkhadattas Schilderung wie die des Märchens; aber auch nicht die des J ä t a k a 338 von dem Prinzen, der seinen Vater ermorden möchte, und zwar durch Gift beim Mahle und durch sein Schwert beim Empfang, auf der Palasttreppe und im Schlafgemach. 1
S. o. 51, 6 surungä. Kaut. 17, 2; vgl. G. Roth, Mohanagrha, in Asiatica, Leipzig 1954, 535ff., bes. 538ff. » S. u." II C 3. 4 Kaut. 168, 2; darauf verweist Raghavan Notes X V I I I , Walimbe 31ff. (Introduction). 6 Kaut. a. a. O. 4. 6 Ebd. 63; Raghavan a. a. O. X I X . 7 Kaut. a. a. O. 65. 8 Ebd. 66. a
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Rakshasa klagt wieder über das Schicksal, das dem bösen Candragupta Glück bringt; (Vers) es hat das Giftmädchen gegen Parvata gelenkt, Räkshasas Mörder und Giftmischer getötet und seine Anschläge zu des Maurya Vorteil gewendet (58, 9ff., Vers 45). Hatte Rakshasa seinen Monolog im Anfang des Aktes noch mit einiger Zuversicht abgeschlossen, so sieht er jetzt durch den Bericht seines Agenten, daß das eingetreten ist, was er dort 1 befürchtet hatte, daß nämlich das „Schicksal" seinen Feind beschirmt (in Wirklichkeit ist es Cänakya). Sein Agent ermahnt ihn mit zwei Strophen, nicht abzulassen, denn nur Niedrige stehen von Unternehmungen aus Furcht vor Hindernissen ab, nur Mittlere geben bei Hindernissen auf, aber Hochgemute führen ihr Unternehmen selbst bei ständigen Rückschlägen durch, und zu denen gehörst Du! 2 — Die Schlange Sesha trägt geduldig die Erde, und die Sonne eilt rastlos dahin; die zu preisenden Männer geben nicht wie elende Männer Unternommenes auf, sondern führen es zu Ende, das ist das einzige Gelübde der G u t e n 3 (59, 5ff., Vers 46 und 47). Diese beiden Strophen gehören vielleicht ursprünglich in die Sammlung des Bhartrhari 4 , deren Datierung freilich ebenso fraglich ist wie die unseres Dramas. Die Anrede am Schluß findet sich in den Bhartrhari-Handschriften nicht; damit hat der Dichter oder ein späterer Abschreiber sie eben ins Drama eingefügt. — Ein Lob der Sonne, die nicht müde wird bei ihrem Lauf, ist schon in der berühmten alten Legende des Sunahsepa 5 ausgesprochen, in der sie dem Rohita von Indra als Vorbild des Wanderns hingestellt wird. — Eine solche Ermahnung zum Durchhalten wäre bei einem Cänakya nicht notwendig und aus dem Munde eines Spions geradezu undenkbar. Cänakya entgegnet, daß der Agent ja mit eigenen Augen sähe, daß Unternommenes von ihm fortgeführt werde, und bittet um Fortsetzung des Berichts. Der Agent meldet, daß von da an Cänakya die Parteigänger Räkshasas in der Stadt tausendmal so sorgfältig untersucht 6 und gefaßt hat. Zunächst ist der Mönch Jivasiddhi verbannt worden. Das findet Rakshasa noch erträglich, denn, da er keine Familie hat, drückt ihn der Verlust seines Platzes 7 nicht. Als er aber als Grund der Verbannung hört, Jivasiddhi habe auf Räkshasas Anweisung hin dem P a r v a t a das Giftmädchen zugeführt 8 , lobt er 9 in Gedanken in einem Vers Cänakya, daß er die Schande des Mordes von sich auf Rakshasa abgewälzt und zugleich den Prätendenten für die 1
S. o. 43, 4ff. Vers 46 gleicht Bhartrhari 277. Hillebrandt 1908, 22 vergleicht 46 mit Kam. X I , 57 usw., Walimbe S. 71 der Notes verweist auf Kälidäsa. Kaie meint, Bhartrhari habe aus unserem Drama entlehnt. 3 Vers 47 gleicht Bhartrhari 232, die letzte Zeile ähnelt Kathäs. 18, 188cd. 4 Telang X X V I f . Vers 47 fehlt in einigen Hss., aber Kosambi reiht unsere beiden Verse auch bei Bhartrhari unter die bezweifelten. 6 Ait. Br. VII, 15, 5. 6 60, 2; s. u. zu 68, 5ff. ' Dhruva: Verbannung; Walimbe: Veränderung des Ortes. 8 S. o. 24, 4f. 9 S. o. zu 31, 8ff. 2
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Hälfte des Reiches beseitigt hat. Sein Samenkorn der Politik trage ihm viele Früchte (59,15ff., Vers 48). Räkshasa zeigt wenig Trauer über die Verbannung dieses seines scheinbaren Parteigängers, dem er doch vertraute 1 . Es klingt und soll so klingen, als ob er ihn nicht kannte. Ein Agent soll ja den anderen nicht kennen. Cänakya hatte das Gerücht von Parvatas Ermordung durch den Mönch auf Räkshasas Anordnung hin mittels des Giftmädchens ausgestreut 2 , und das so glaubwürdig, daß sein eigener Agent, der Yama-Sänger, ihm im I. Akt den Mönch als Zuführer des Mädchens an Cänakya verriet 3 ; ein Agent Cänakyas kennt eben tatsächlich den anderen nicht. Dementsprechend hat denn auch Räkshasas Spion Virädhagupta dies Gerücht für wahr genommen und meldet dem Räkshasa jetzt von der Verbannung seines Mitagenten, des Mönchs. Räkshasa aber tritt hier diesem Gerücht, dieser Verleumdung seiner selbst nicht etwa entgegen, sondern preist nur bei sich Cänakyas Schläue. Sein Scharfsinn im Durchschauen Cänakyas ist anzuerkennen, aber daß er nur mit dem Lob seines Feindes reagiert, ist wenig glaubhaft. Der Dichter wollte eben, daß dies Gerücht im V. Akt unbestritten bis zu Malayaketu dringen sollte. Räkshasas Lob Cänakyas verdeckt hier also das Fehlen einer Rechtfertigung des Ministers vor seinem Agenten. Daß Räkshasa eine Richtigstellung jenes Gerüchtes vergessen oder aus Sorglosigkeit übergangen oder gar aus einem besonderen Grunde vermieden habe, hätte der Dichter irgendwie deutlich machen müssen. Der Spion meldet weiter: Ferner ist Sakatadäsa gepfählt worden, weil er das Leben Candraguptas dadurch bedroht habe, daß er Däruvarman usw. in Tätigkeit gesetzt habe, wie öffentlich ausgerufen wurde (61, lf.). Cänakya hatte freilich damals die Begründung mit Däruvarman usw. nicht mit ausrufen lassen 4 , und auch der Yama-Sänger hatte ihn nicht deswegen, sondern ohne Begründung angezeigt 5 . Von diesem Mordanschlag wollte oder konnte der Dichter eben im I. Akt Cänakya und seinen Mann noch nicht sprechen lassen. Woher Räkshasas Spion dies aber weiß, ist im Drama nicht klargestellt. Räkshasa beweint den Schreiber und beneidet ihn zugleich, daß er das Glück hatte, für seinen Herren Nanda sterben zu dürfen, während er, Räkshasa, noch nach dem Untergang der Nanda weiterleben müsse (61, 3fE.). Dieser Agent gilt als tot, deshalb darf der Minister sich zu ihm bekennen. Räkshasa wird hier vom Dichter als ähnlich edel und selbstlos hingestellt wie der Goldschmied Candanadäsa bei seiner Verhaftung im I. Akt, der sein Leben gern für seinen Freund hingibt 6 . Wieder mahnt ihn der Agent, daß er die Unternehmung seines Herren zu Ende führen müsse. Räkshasa hält ihm einen Vers entgegen, daß er nur deswegen nicht als Undankbarer seinem Herren ins Jenseits folge, weil er seinen 1
S. o. 10, 3: Nach der Meinung Cänakyas, die wohl der des Dichters entspricht. S. o. 8, 13: Jivasiddhi nicht erwähnt; s. u. I I C 1 Abschnitt f. a S. o. 15, 7ff. 1 S. o. 24, 7ff. 6 S. o. 16, 4ff. Cänakya und sein Agent waren sich damals noch nicht darüber im klaren, daß Öakatadäsa mit Räkshasas Geld solche Mörder warb (s. o. S. 39 zu 42, 15ff.). 6 S. o. 34, 9f.; s. u. Räkshasa im V I . - V I I . Akt. 2
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Wunsch zu leben auf die Sache seines Herren stütze 1 . Der Agent aber verändert die Worte dieses Verses ein wenig und meint, daß Rakshasa seinem Herren gerade aus Dankbarkeit nicht ins Jenseits folge, eben weil er dessen Sache als Grund habe, nicht seinen eigenen Wunsch zu leben (61, 6 ff., Vers 49 und 50). Wie man auch die Einzelheiten dieser Stelle textkritisch beurteilen mag, der Agent ist von Räkshasas früheren Worten, er sähe ja, daß er, Rakshasa, nicht aufgäbe, nicht überzeugt, aber mit Unrecht, denn Rakshasa kämpft bei all seinem Fatalismus und Pessimismus mit Zähigkeit weiter, freilich ohne Erfolg. Auf Räkshasas Wunsch hin berichtet der Spion weiter: Als Candanadäsa von all diesem hörte, ließ er Räkshasas Gattin fortschaffen (61,13f.). Diese Begründung widerspricht der, die der Goldschmied selber am Beginn seines Auftretens im I. Akt angegeben hatte, Räkshasas Frau solle aus seinem Hause fortgebracht werden, sobald Cänakya sein Haus durchsuchen lasse 2 . Eine Haussuchung wurde indessen später von Cänakya nicht angeordnet, nur eine Vermögenskonfiskation 3 . Aber in jener Szene des I. Aktes hatte der Goldschmied dem Cänakya bereits angegeben, die Frau Räkshasas sei schon nicht mehr bei ihm 4 . Von der Verbannung des Mönchs und der Pfählung des Schreibers erfuhr der Goldschmied andererseits allem Anschein nach erst während seiner Unterredung mit Cänakya 5 , also nachdem er die Anweisung an seine Freunde gegeben hatte, Räkshasas Frau gegebenenfalls zu entfernen. Man hat also nur die Wahl, entweder dem Dichter oder dem Spion hier den Vorwurf einer gewissen Ungenauigkeit zu machen. Rakshasa bewundert, daß der Goldschmied gegen Cänakya zu handeln gewagt hat; Virädhagupta aber erklärt die Freundespflicht für wichtiger als das Handeln gegen Cänakya. Er berichtet, wie der Goldschmied gefangen wurde. Räkshasa tadelt ihn, daß er mit Befriedigung erzählt habe, wie der Goldschmied sein, Räkshasas Weib, fortschaffte. Er hätte sagen sollen: Gefesselt ist durch Cänakyas Räkshasa samt Weib und Sohn! (62, 2ff.). Nicht nur aus Sentimentalität ist hier der Dialog breit geführt, sondern weil dem Zuschauer angedeutet werden soll, daß Cänakya recht hatte, wenn er kurz vor Schluß des I. Aktes nach dem Abführen des Goldschmiedes in seinem kurzen Monolog triumphierend ausrief: „Jetzt ist Räkshasa gefaßt!" 6 Freilich ahnt Räkshasa noch nicht, in welcher Form er später gefesselt werden wird, daß nämlich auch die Gefangennahme des Goldschmieds ein wesentliches Glied in der Kette der Listen Cänakyas darstellt. Mit dieser ahnungsvollen Besiegelung des Schicksals des Räkshasa schließt dieser Teil des II. Aktes ab, der dem letzten Teil der Exposition im I. Akt entspricht: Nach dem Monolog folgt in beiden Akten der Bericht eines Agenten über die letzten Ereignisse, dort des Yama-Sängers, hier des Schlangenbändigers. Beide Minister 1 2 3 4 6 6 4»
S. S. S. S. S. S.
u. o. o. o. o. o.
Vers 52 (64, 2f.). 26, l f . 34, 6. War etwa die Konfiskation als mit Haussuchung verbunden gemeint? 30, 9ff. 32, 5ff. 35,1.
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reagieren auf die Berichte ihrer Erfolge bzw. Mißerfolge in sie charakterisierender entgegengesetzter Art und Weise. — Nachdem so im Hauptteil des II. Aktes die Exposition beendet ist, folgt im kurzen Schlußteil erst die eigentliche Handlung. Ein Diener meldet die Ankunft Sakatadäsas. Räkshasa kann es kaum glauben. Sein Spion kann es nur mit dem Schicksal erklären, das ihn für eine Aufgabe erhalten hat. Sakatadäsa spricht zunächst zwei Strophen in Gedanken, eine über sich, eine über Räkshasa: Ich habe den Pfahl gesehen, der wie der Maurya auf der Erde fest F u ß gefaßt h a t ; ich habe den Armesünderkranz getragen, der wie des Maurya Glück meinen Sinn quält; ich habe die Trommeln gehört, die furchtbar waren wie die Umzingelung meines Herren, aber mein Herz ist nicht gebrochen, weil es, meine ich, hart geworden ist durch die ersten Schläge. — Aber da ist Räkshasa, der seine Treue nicht verloren hat, selbst wenn die Nanda nicht mehr sind, und der die Sache seines Herren fortführt, der der höchste Maßstab 1 aller Treuen auf Erden ist (62,12 ff., Vers 51 und 52). Während der Spion, der eben fälschlich Sakatadäsas Tod gemeldet hat, vor Ratlosigkeit Fatalist wird und das Fatum zur Entschuldigung seines eigenen Versagens benutzt, sieht der vom Pfahl Gerettete im Minister noch den aktiven, ungebrochenen treuen Diener der Nanda-Sache. Irrt auch er? Er ahnt ja nicht, daß er als Glied in der Kette der Listen Cänakyas befreit und zu Räkshasa gebracht worden ist, um Cänakyas Agent Siddhärthaka bei ihm einzuführen; er weiß auch nicht, daß Räkshasa die letzten Zeiten fast allen Mut verloren hat. Der Zuschauer aber merkt immer deutlicher Cänakyas schrittweises Vordringen und den Zerfall der Sache Räkshasas. Räkshasa umarmt den Freund, fragt, und Sakatadäsa stellt ihm Siddhärthaka als Retter vor (64, 4ff.). Cänakya umarmt keinen seiner Agenten. Der Dichter hält es nicht für notwendig, auszumalen, daß Cänakyas Agent Siddhärthaka sein Handeln, sein Verjagen der Henker usw. dem Räkshasa und Sakatadäsa irgendwie mit Lügen zu erklären hatte. Der vom Pfahl Gerettete hat in seiner Freude anscheinend auf dem langen, sicher mehrtägigen Weg zu Räkshasa danach gar nicht gefragt. Schlimmer ist, daß auch ein Politiker wie Räkshasa nicht fragt und damit auf den Agenten seines überlegenen Feindes (wie auf alle seine Listen) hereinfällt. Bildet er sich etwa ein, Siddhärthaka sei einer der vielen im Volk, die noch an den Nanda hängen und bereit sind, dafür sogar gegen den Henker gewaltsam vorzugehen ? Räkshasa schenkt Siddhärthaka den Schmuck, den er trägt; Siddhärthaka denkt jetzt an Cänakyas Anweisung und bittet, da er hier keine Bekannte hätte, den kostbaren Schmuck versiegeln und einstweilen 2 im Schatzhaus des Ministers deponieren zu dürfen. Als Sakatadäsa dies Verwahren durchzuführen beginnt, sieht er das Siegel mit Räkshasas Namen und zeigt es heimlich Räkshasa. Der erinnert sich, daß er es seiner Frau gelassen hat, fragt, und Siddhärthaka gibt an, den Ring an der Tür des Goldschmieds gefunden zu haben. Räkshasa gibt zu, daß das paßt. Siddhärthaka fragt frech 3 , 1
So Walimbe und Kaie, aber Dhu. und Dhruva: der an der Spitze steht. Dhu.: Bis ich das Heerlager verlassen werde, s. u. 121. 3 S. u. seine Frechheit in 138, 1. Telang: U m weitere Einzelheiten über Räkshasas Familie zu erfahren. Ähnlich Kaie, Walimbe. 2
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was da passe. Rakshasa antwortet, daß man Ringe an den Türen Reicher finde (64,11 ff.). Die Belohnung durch den Schmuck hatte Cänakya in seiner Klugheit vorausgesehen und dem Siddhärthaka befohlen, zeitweilig bei Rakshasa in Dienst zu treten 1 ; die späteren Listen hatte er ihm ins Ohr geflüstert. Das sieht beinahe so aus, als habe Cänakya damals im I. Akt von diesem Deponieren des Schmuckes und dem Zeigen des Siegels vor dem Wunsch, bei Rakshasa in Dienst zu treten, nichts gesagt; aber es ist nicht wahrscheinlich, daß Siddhärthaka diese wichtigen Schritte aus Eigenem unternommen hätte. Eher dürfte Cänakyas Anweisung im I. Akt vom Dichter ohne diese Einzelheiten und also nicht ganz genau in Übereinstimmung mit dieser Szene des I I . Aktes verfaßt worden sein. Es steht aber nirgends, daß Siddhärthaka das Schmuckkästchen wirklich in Räkshasas Schatzkammer deponiert habe; zu Anfang des V. Aktes trägt er es vielmehr fort, ohne daß auf die Deponierung Bezug genommen würde. Also wollte er nur eine Gelegenheit finden, den Siegelring vor den Augen Räkshasas zu verwenden und ihm listig in die Hand zu spielen. Wieder fragt Rakshasa nicht weiter nach der Herkunft des Ringes und geht damit in die Schlinge Cänakyas. Er äußert sogar unbedacht, daß diese Angabe des Siddhärthaka passe, und möchte diese Unvorsichtigkeit dann mit schneller Gefaßtheit dahin gutmachen, daß er allgemein von den Reichen spricht. Dabei paßt es doch durchaus nicht, daß man einen Siegelring mit dem Namen des Ministers vor einem Goldschmiedhaus findet! Rakshasa hätte jetzt zumindest sofort einen Agenten nach Pätaliputra aussenden müssen, um nach seiner Frau zu suchen und herauszufinden, wieso sie den Ring verloren hat. Er weiß zwar von der Verhaftung des Goldschmieds, aber auch von dem Verbergen seiner Frau, durfte also nicht in Untätigkeit verfallen, dürfte sich nicht mit Siddhärthakas kurzer Erzählung zufrieden geben. Er und Sakatadäsa bilden sich wohl ein, Siddhärthaka hätte den Namenszug auf dem Siegel nicht gelesen; hätte er ihn gelesen, meinen sie, hätte er dies sofort dem Rakshasa gemeldet. Sie halten Siddhärthaka eben für ehrlich. Auch sein Freund, der Schreiber, der sich schon im I. Akt als politisch ahnungslos erwiesen hat, als er bedenkenlos Cänakyas verdächtigen Brief schrieb, begeht jetzt einen Fehler: E r weist Siddhärthaka darauf hin, daß sein Siegelring den Namen des R l kshasa trägt (66, 6ff.). Damit macht er Räkshasas letzte Bemerkung, solche Ringe finde man bei Reichen, diese Entschuldigung des unbedachten „Dies paßt", zunichte und müßte eigentlich Siddhärthaka, wenn dieser nicht als Agent schon längst alles wüßte, stutzig machen: Wieso kam der Ring des Ministers vor des Goldschmieds Tür? Den Ring brachte zwar der Yama-Sänger Nipunaka dem Cänakya, aber Cänakya muß dem Siddhärthaka wohl im I. Akt seine Bewandtnis mit ins Ohr geflüstert haben, sonst hätte der hier ja nicht von dem Goldschmied reden können. Andererseits braucht Siddhärthaka hier nicht weiter nach den Zusammenhängen zwischen Rakshasa, seinem Ring und dem Goldschmied zu fragen, denn das gehört sich wohl für einen so niedrig Stehenden bei einem Minister nicht. Jedenfalls werden Räkshasa und sein Sakatadäsa hier bei Siddhärthakas Schweigen nicht stutzig. 1
S. o. 23, lOff.
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Sakatadäsa bittet Siddhärthaka, Räkshasa den Siegelring gegen ein wertvolleres Geschenk abzutreten. Siddhärthaka entgegnet höflich, er fühle sich schon dadurch belohnt, d a ß der Minister den Ring annähme (66,6ff.). Er meint wohl doppelsinnig, es sei seine Aufgabe, den Ring in die Hand des Ministers zurückzuspielen. Räkshasa soll nach Cänakyas Absicht vermutlich nicht auf denVerdacht verfallen, mit seinem Siegelring sei inzwischen Mißbrauch getrieben worden; er ahnt ja nichts von Cänakyas Brief, den Sakatadäsa ahnungslos geschrieben hat und Siddhärthaka jetzt bei sich trägt und zusammen mit dem versiegelten Schmuck im rechten Moment des V. Aktes gegen ihn ausspielen wird: Dann soll Räkshasa sich nicht damit entschuldigen können, er habe das Siegel nicht in seinem Besitz und habe Brief und Schmuck also auch nicht versiegeln können. Räkshasa betraut Sakat-adäsa mit dem Siegelring und setzt ihn damit als seinen vertrauten Schreiber ein (der er schon früher gewesen war, er erkannte den Ring ja sofort). Siddhärthaka aber bittet den Minister noch um eine Gunst, bei ihm in Dienst treten zu dürfen, da er gegen den verbrecherischen Cänakya gehandelt habe. Räkshasa erklärt, er käme damit seinem eigenen Wunsche zuvor, und befiehlt Sakatadäsa, Siddhärthaka sich ausruhen zu lassen. Beide treten ab (66,10ff.). Damit hat Siddhärthaka Cänakyas Anweisung durchgeführt; Räkshasa ist von einem gefährlichen Agenten Cänakyas mehr umgeben. Über die Art der Stellung Siddhärthakas bei Räkshasa wird nichts Näheres 1 gesagt. Die Handlung des II. Aktes hat hiermit begonnen, aber Räkshasa handelt, ohne zu merken, daß er dabei von Cänakya geleitet wird. Räkshasa fragt Virädhagupta als Schluß seines Berichtes über die Vorgänge in Pätaliputra, ob die Untertanen Candraguptas auf die Einflüsterungen Räkshasas eingingen. Virädhagupta bestätigt: Sicherlich, sie tun es je nach ihrem Vorrang. Es kommt daher, daß seit Malayaketus Flucht Candragupta den Cänakya quält, Cänakya aber allen Schein fahren läßt, Befehle Candraguptas bricht und ihn seinerseits quält. Das entspricht meiner Beobachtung (67, lOff.). Virädhagupta ist ein schlechter Spion auch in dieser Frage. Im I. Akt ist dem Zuschauer von solchem Streit des Königs und Ministers nichts angedeutet worden, im Gegenteil hatte Cänakya Candraguptas Vorschlag des Totenritus für Parvata warm begrüßt. Ebensowenig ist im I. Akt von willigem Aufnehmen der Flüsterpropaganda 2 durch das Volk die Rede. Es ist richtig von Räkshasa, nach diesem wichtigen P u n k t zu fragen, denn die Stimmung im Volk ist für den Politiker von großer Bedeutung, und er meinte ja, Jivasiddhi hätte vor seiner Verbannung auf Spaltung im Lager des Feindes hingearbeitet, aber nach Dhundhiräjas Kommentar fallen Räkshasa und sein Spion hier auf die „Flucht" Bhadrabhatas usw., des scheinbar Unzufriedenen, aus Pätaliputra herein, die in Wirklichkeit Agenten Cänakyas sind 3 und bei Malayaketu ihre geheime Aufgabe haben. So haben Candragupta und Cänakya vielleicht auch inzwischen ein Gerücht ihrer Unstimmigkeit miteinander in Umlauf gebracht, um Räkshasa und seine Spione zu täuschen. Der Dichter aber 1 2 3
Kaie: Scheinbar hatte er die privaten Angelegenheiten Räkshasas zu ordnen. Hillebrandt 1908, 21 Anm. 1 hat Stellen über upajäpa gesammelt. S. o. 36, l f f .
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wollte hier wohl zugleich den Zuschauer ein wenig täuschen, damit die Spannung erhöhen und die Handlung des I I I . Aktes mit jenem Zwist zwischen König und Minister vorbereiten. Räkshasa greift diese Nachricht voll Freude auf und schickt den Spion in seiner Verkleidung als Schlangenbändiger wieder nach Pätaliputra zum Stanakalasa, einem seiner Agenten, der als Barde am Hof fungiert, damit der mit seinen Strophen Candragupta gegen Cänakya aufstachelt 1 und den Erfolg aber durch einen gewissen Karabhaka meldet (68,5ff.). Damit wird deutlich zum I I I . Akt übergeleitet, in dem der gespielte Zwist Cänakyas und seines Königs und die Arbeit jenes Barden auf die Bühne gebracht wird. Während Cänakya darauf hinarbeitet, Räkshasa für Candragupta zu gewinnen und dafür dem Malayaketu zu entfremden, ist der Wunschtraum, Cänakya und Candragupta zu entzweien, dem Räkshasa durch den Irrtum seines Spions als schon bestehende Wirklichkeit bestätigt worden; er wendet damit seine Aktivität in eine Richtung, die ihm Cänakya letzten Endes, und im I I I . Akt deutlich greifbar, vorschreibt. Diese Vorstellung beherrscht von jetzt an das ganze Planen Räkshasas, führt ihn zur Niederlage und hält ihn ab, anderen Plänen nachzugehen. Er klammert sich an diesen Plan, weil er erfahren hat, daß Cänakya seine Mörder usw. abwehrt und in Zukunft noch aufmerksamer abwehren wird 2 . Ein Diener meldet Räkshasa, daß jemand dem Sakatadäsa drei Schmuckstücke anbietet; Räkshasa möge sie ansehen. Der Minister findet sie wertvoll und weist Sakatadäsa an, sie zu kaufen (68,11 ff.). Wieder ist es unvorsichtig von Räkshasa, daß er nicht nach der Herkunft dieses kostbaren Schmuckes und seines Verkäufers fragt. Ein kostbarer Schmuck mußte auffallen; Räkshasa und Sakatadäsa müßten jedem Richter geradezu als Hehler eines Verbrechens erscheinen; wenigstens ist es im alten Indien ein weitverbreitetes Märchenmotiv gewesen, daß Helden wegen eines zufällig in ihren Besitz gelangten kostbaren Schmuckstückes von der Polizei ergriffen und dem Tode nahegebracht werden 3 . Und in der Tat dient dieser Schmuck später im V. Akt als ein schweres Indizium gegen Räkshasa. Der Zuschauer ahnt hier, daß es sich um den Schmuck des Parvata handelt, den Cänakya im I. Akt die drei Brahmanen oder Brüder hat entgegennehmen lassen 4 und die in seinen Listen ihre Rolle zu spielen haben. Ausgesprochen wird es aber in dieser ungemein kurzen Szene nicht, was wohl die Spannung erhöhen soll. Räkshasa schickt sich an, Karabhaka nach Pätaliputra zu senden. Er wünscht, die Spaltung zwischen Candragupta und seinem Minister möge eintreten. Er beschließt diesen Akt mit einem Vers: Candragupta ist Weltherrscher geworden, Cänakya denkt lächelnd daran, daß er ihn dazu gemacht hat; den König, der sein Ziel erreicht hat, und den anderen, der sein Wort wahrgemacht hat, wird zwangsläufig ihr Erfolgreichsein voneinander trennen (69,5ff.). 1 2 3 4
Dies geschieht 83, 3 ff. Dhu. verweist dazu auf 60, 2 ; s. o. zu 59, 15ff. Rüben 1 9 5 2 a 68f. S. o. 20, 8ff.
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Cänakya wollte N a n d a stürzen und Candragupta auf den Thron setzen. Er h a t sein Wort gehalten. Aber Iläkshasa weiß nicht, d a ß Cänakya seine Aufgabe erst dann f ü r voll erfüllt hält, wenn er ihn, Räkshasa, f ü r Candragupta gewonnen hat, d a ß also die Interessengemeinschaft Cänakyas und seines Königs noch weiter währt. Er verrechnet sich also auch in diesem entscheidenden P u n k t , und das dürfte einem großen Politiker nicht passieren. Seine verhängnisvolle falsche Analyse der Lage seiner Gegner f u ß t dabei auf der ähnlich falschen Analyse, die ihm eben sein Agent auf Grund angeblicher Beobachtung entwickelt hat. Die darauf gegründete Politik m u ß fehlschlagen. Räkshasas Zuversicht am Ende des II. Aktes ist also nicht berechtigt, während es die des Cänakya am Ende des I. Aktes ist. I n dieser Weise ist vom Dichter durch den ganzen II. Akt hindurch das Versagen Räkshasas und seiner Agenten dem erfolgreichen Handeln Cänakyas u n d seiner Agenten im I. Akt bewußt gegenübergestellt. Der I I I . Akt zeigt d a n n wiederum weiteres Gelingen der Listen Cänakyas in Pätaliputra. Die kunstvolle Parallelisierung des I. und II. Aktes usw. scheint eine Eigenart unseres Dichters zu sein, denn sie findet sich nicht im Mrcchakatikam, in Kälidäsas oder Bhäsas Dramen.
III. Akt: Scheinbare Spaltung zwischen Candragupta und Cänakya Candraguptas Kämmerer beginnt einen Monolog mit einer Strophe darüber, daß das Alter in ihm die Gier besiegt h a t ; die Sinne, die früher die Gier geweckt und genährt haben, arbeiten nicht mehr recht, die Glieder verlieren ihre Schärfe (Spannkraft), ganz vergebens verzehrt sich die geschlagene Gier (70, l f f . = Vers 54). Dieser Kämmerer ist so altersabgeklärt wie der des Malayaketu zum Anfang des II. Aktes 1 ; dies ist traditionsgemäß der Charakter des Kämmerers, der im Drama zu den (in bezug auf die Liebe) „neutralen" Personen gerechnet wird 2 . Aber Candraguptas Kämmerer vermeidet hier noch 3 jede Anspielung auf die Politik seines Herren, während Malayaketus Kämmerer sie pessimistisch-kritisch betrachtet. Bis in die beiden greisen und stillen Kämmerer hinein zeichnet der Dichter eben den Unterschied der beiden Parteien. Im Laufe des Aktes zeigt der Kämmerer aber, d a ß er noch gar nicht so abgeklärt ist, wie er hier zu sein meint. Der Kämmerer r u f t den Palastdienern den Befehl des Königs zu, Candragupta möchte die Stockwerke des Palastes Sugänga jetzt bei Gelegenheit des Mondfestes schön geschmückt sehen. Der Kämmerer mimt als Antwort eines Unsichtbaren, d a ß der König offenbar das Verbot des Festes nicht kenne. Der Kämmerer entsetzt sich über solchen Ungehorsam der „vom Schicksal Geschlagenen", der ihnen den Tod bringen wird, und fordert in einer Strophe, Wedel a n die bekränzten und mit Räucherwerk d u f t e n d gemachten Säulen zu hängen und die Erde, die vom langen Tragen des Thrones gleichsam ohnmächtig geworden ist, mit Sandelwassersprengen zu beleben (70,6ff., Vers 55). 1 2 3
S. o. 43, 8ff. D h u . w e i s t d a r a u f h i n ; K o n o w 1920, 16. A b e r s. u . 95, l f f .
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Cänakya wollte N a n d a stürzen und Candragupta auf den Thron setzen. Er h a t sein Wort gehalten. Aber Iläkshasa weiß nicht, d a ß Cänakya seine Aufgabe erst dann f ü r voll erfüllt hält, wenn er ihn, Räkshasa, f ü r Candragupta gewonnen hat, d a ß also die Interessengemeinschaft Cänakyas und seines Königs noch weiter währt. Er verrechnet sich also auch in diesem entscheidenden P u n k t , und das dürfte einem großen Politiker nicht passieren. Seine verhängnisvolle falsche Analyse der Lage seiner Gegner f u ß t dabei auf der ähnlich falschen Analyse, die ihm eben sein Agent auf Grund angeblicher Beobachtung entwickelt hat. Die darauf gegründete Politik m u ß fehlschlagen. Räkshasas Zuversicht am Ende des II. Aktes ist also nicht berechtigt, während es die des Cänakya am Ende des I. Aktes ist. I n dieser Weise ist vom Dichter durch den ganzen II. Akt hindurch das Versagen Räkshasas und seiner Agenten dem erfolgreichen Handeln Cänakyas u n d seiner Agenten im I. Akt bewußt gegenübergestellt. Der I I I . Akt zeigt d a n n wiederum weiteres Gelingen der Listen Cänakyas in Pätaliputra. Die kunstvolle Parallelisierung des I. und II. Aktes usw. scheint eine Eigenart unseres Dichters zu sein, denn sie findet sich nicht im Mrcchakatikam, in Kälidäsas oder Bhäsas Dramen.
III. Akt: Scheinbare Spaltung zwischen Candragupta und Cänakya Candraguptas Kämmerer beginnt einen Monolog mit einer Strophe darüber, daß das Alter in ihm die Gier besiegt h a t ; die Sinne, die früher die Gier geweckt und genährt haben, arbeiten nicht mehr recht, die Glieder verlieren ihre Schärfe (Spannkraft), ganz vergebens verzehrt sich die geschlagene Gier (70, l f f . = Vers 54). Dieser Kämmerer ist so altersabgeklärt wie der des Malayaketu zum Anfang des II. Aktes 1 ; dies ist traditionsgemäß der Charakter des Kämmerers, der im Drama zu den (in bezug auf die Liebe) „neutralen" Personen gerechnet wird 2 . Aber Candraguptas Kämmerer vermeidet hier noch 3 jede Anspielung auf die Politik seines Herren, während Malayaketus Kämmerer sie pessimistisch-kritisch betrachtet. Bis in die beiden greisen und stillen Kämmerer hinein zeichnet der Dichter eben den Unterschied der beiden Parteien. Im Laufe des Aktes zeigt der Kämmerer aber, d a ß er noch gar nicht so abgeklärt ist, wie er hier zu sein meint. Der Kämmerer r u f t den Palastdienern den Befehl des Königs zu, Candragupta möchte die Stockwerke des Palastes Sugänga jetzt bei Gelegenheit des Mondfestes schön geschmückt sehen. Der Kämmerer mimt als Antwort eines Unsichtbaren, d a ß der König offenbar das Verbot des Festes nicht kenne. Der Kämmerer entsetzt sich über solchen Ungehorsam der „vom Schicksal Geschlagenen", der ihnen den Tod bringen wird, und fordert in einer Strophe, Wedel a n die bekränzten und mit Räucherwerk d u f t e n d gemachten Säulen zu hängen und die Erde, die vom langen Tragen des Thrones gleichsam ohnmächtig geworden ist, mit Sandelwassersprengen zu beleben (70,6ff., Vers 55). 1 2 3
S. o. 43, 8ff. D h u . w e i s t d a r a u f h i n ; K o n o w 1920, 16. A b e r s. u . 95, l f f .
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Der Kämmerer mimt hier im Anfang des I I I . Aktes eine Unterhaltung wie der Schlangenbändiger zu Anfang des II. Aktes 1 . Er fungiert als Bote seines Königs ähnlieh dem Kämmerer Malayaketus im II. Akt 2 . Er ordnet das festliche Schmücken des Palastes an. Das Fest dürfte das beim Neu- oder Vollmond des Herbstmonats K ä r t t i k a 3 begangene Fest sein. In diese friedliche, freudige Szene bricht die verblüffende Nachricht hinein, daß das Fest verboten ist, ohne daß der König es weiß. Der Kämmerer weist solchen ungewohnten, undenkbaren Ungehorsam mit wenigen Worten ab und meint, alles in Ordnung gebracht zu haben. Er ist eben ein Greis, findet keinen weiteren Widerstand und spart sich die Mühe, nachzufragen, wer denn mit welcher Begründung das Fest abzusagen gewagt habe. Der Dichter will den Zuschauer hier noch im unklaren lassen, er soll die Bedeutung dieses Ungehorsams noch nicht ermessen, er soll nur irgendwie spüren, daß in Candraguptas Herrschaft etwas nicht klappt und damit das politische Spiel des Maurya und des Cänakya gefährdet erscheint. Der Dichter hat hier eine Episode 4 eingefügt, die den glatten Verlauf der Handlung hemmen oder wenigstens solchen Anschein erwecken soll. Das erhöht die Spannung. Da der Dichter Räkshasa am Ende des II. Aktes von einem Zwist zwischen Candragupta und seinem Minister hat sprechen lassen, ahnt der gewitzte Zuschauer, daß jener Zwist mit diesem Verbot des vom König gewünschten und an sich im Jahreskalender astrologisch verankerten, üblichen Festes zusammenhängen könnte, aber der Dichter bekräftigt diese Vermutung zunächst nicht. Der Kämmerer hört von den Unsichtbaren, daß sie sich beeilen, und treibt sie seinerseits zu Eile an, denn der König nahe schon. Er schildert ihn mit einer Strophe: Mit selbstsicheren Gliedern hat sein Vater 5 die Last der Erde lange getragen; jetzt ist der junge König entschlossen, sie auf sich zu nehmen; er ist klug, denn er läßt sich lenken, und strauchelt daher auch nicht 6 , noch trägt er an ihr schwer (71,5ff., Vers 56). Wenn er jetzt die Herrschaft übernimmt, liegt darin irgendwie, daß Candragupta sich auch von Cänakya selbständig machen will, und das muß der Zuschauer einem Vertrauten des Königs wie dem Kämmerer glauben. Der gebildete Zuschauer wußte damals wohl kaum aus älterer Tradition, daß Cänakya sich von der Regierung zurückzog 7 , sobald er Candragupta auf den Thron gesetzt hatte. Vielmehr mochte der Zuschauer dafür eine Bestätigung heraushören, was der Dichter am Ende des vorigen Aktes dem Räkshasa durch seinen Spion über die Kluft zwischen Candragupta und Cänakya hatte melden lassen und worauf Räkshasa seinen Plan aufbaute, obgleich der Kämmerer hier nichts von einer Spaltung zwischen König und Minister sagt. 1
S. o. 38, Iff. S. o. 43, 8ff. 3 S. u. 73, 4: Herbst. Telang 18 (Notes): Vollmond Asvina nach Dhu. 175 (s. u. zu 116, 13ff.). Raghavan X X I (Notes): Kaumudijägara (dazu s. J. Meyer, Trilogie altindischer Mächte und Feste der Vegetation, Zürich-Leipzig 1937, Bali 194). Kaie folgt Telang. Walimbe: Vollmond Asvina oder Kärttika. Dhruva 190: Vollmond Kärttika. Vielleicht ist das BaliFest beim Neumond des Kärttika gemeint, das auch KaumudI genannt wird (Meyer a. a. O. 9, 193ff., s. u. Anm. zu 74, 6fl.). 4 prakarl nach Dhu., Konow 1920, 19. 6 Der Nanda. 8 Nach Hillebrandts Text. 7 S. u. I I C 2: Eine Neuerung VisäkhadaUas. 2
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Damit schließt dieser Monolog des Kämmerers, den man als eine Art Vorspiel des I I I . Aktes auffassen kann, obgleich er nicht als solcher bezeichnet ist. Er steht dem Monolog des Schlangenbändigers im Anfang des I I . Aktes parallel, und solche Parallelität im Aufbau der Akte ist nun einmal eine Besonderheit unseres Dichters. Der Inhalt dieses Vorspieles kann als Darlegung der neuen Lage gekennzeichnet werden. Der Zuschauer muß erfahren, daß es jetzt Herbst ist. Das ist für den Fortgang der Handlung wesentlich. Er muß auch dahin geführt werden zu merken, daß zwischen Cänakya und Candragupta etwas nicht zu klappen scheint. In Mahädevas Kathä § 31 wird der Kämmerer und sein Monolog nicht erwähnt, ja, kommt der Kämmerer überhaupt nicht vor, obgleich er durch den ganzen Akt hindurch immer wieder spricht und vom Dichter mit viel Sorgfalt und Liebe und Humor gezeichnet wird, statt dessen wird erzählt, daß Cänakya dem König insgeheim sagte, er müsse jetzt eine Zeitlang allein ohne ihn auskommen (Worte, die teilweise dem folgenden Monolog Candraguptas entnommen sind) 1 , er solle auch einen Verstoß gegen seine, Cänakyas, Anweisungen schauspielern; damit würden sie ihr großes Werk vollenden. Von einer solchen Besprechung muß der Zuschauer in der Tat hören, nur erfährt er nicht, welche Einzelheiten des Scheinzwistes dabei verabredet wurden. In dem Brief, den Cänakya im I. Akt mit Räkshasas Siegel siegelte und dessen Inhalt der Zuschauer erst später im IV. Akt erfahren wird, ist von Cänakyas Absetzung durch Candragupta die Rede. Diese mußte also gemimt werden, ehe dieser Brief Malayaketu in die Hände gespielt wurde. Mahädeva erzählt dann von der Anordnung des Festes, von der Freude des Volkes und von seinem Verbot. Candragupta tritt mit einem Monolog auf; er klagt. Grund zur Unlust sei das Königsein für den, der beim Streben nach Erfüllung der Königspflichten von anderen abhängig sei. Das erläutert er in einer Strophe: Das Verfolgen seiner Ziele macht ihn schlaff in der Durchsetzung der Ziele anderer; verzichtet er auf die eigenen, so ist er als Herrscher erfolglos; soll er die Ziele der anderen den eigenen vorziehen, ist er abhängig; wer aber abhängig ist, wie kann solch ein Mensch Freude kosten? (71,11 ff., Vers 57). Candragupta bestätigt damit scheinbar, was der Kämmerer gesagt hatte, daß der König von jetzt an allein Herr sein wolle. Freiheit 2 wurde den Mitgliedern der herrschenden Schichten, Kshatriya sowohl wie Brahmanen, als Ideal gepriesen, Gehorsam und Dienen dagegen den Südra als religiöse Pflicht auferlegt. Räkshasa hatte dementsprechend zu Anfang seines Monologs im I I . Akt bedauernd von seinem Sklaventum 3 bei Malayaketu gesprochen. Cänakya aber würde seine Lage nie so auffassen. Er hatte seinen Monolog im I. Akt vielmehr damit abgeschlossen, daß er nur d e n König für glücklich erklärte, der die Last der Regierung auf andere abgewälzt hat 4 . Malayaketu indessen wird danach streben, sich von Räkshasas Bevormundung, wie er sie empfindet, zu befreien. Wie aber ist die Lage Candraguptas, und wie empfindet er sie ? Seinen Wunsch, für Parvata die Trauerriten zu vollziehen, hatte Cänakya sich sofort zu eigen 1 2 3 4
S. u. Über S. o. S. o.
72, die 42, 10,
8ff. Freiheit s. Hillebrandt 1908, 17: Patanjali zu Pänini I, 4, 23 värtt. 15. 1. 5ff., Vers 15.
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gemacht, hatte ihn nur, vielleicht ohne daß Candragupta das merkte, für seine Intrigen ausgenutzt und Parvatas Schmuck durch seine Agenten in Räkshasas Hände gespielt. Hatte also Candragupta Grund, sich als abhängig von seinem Minister zu fühlen, wie es nach diesem Vers in dieser Szenenfolge dem Zuschauer erscheint ? Der Name Cänakya ist hier von Candragupta nicht gebraucht worden, und er kann auch seine eigenen Ziele in diesen Worten den Interessen der Untertanen statt den Racheinteressen Cänakyas entgegenstellen 1 . Er mag auch noch daran denken, wie er lange Zeit für seinen Teilhaber, für Parvata, mitzusorgen hatte. Der Dichter hat den Vers sicher absichtlich unklar gelassen, so allgemein, daß der Zuschauer irregeführt werden sollte, daß er nur ganz abstrakt auf eines der Hauptthemen dieses Dramas hingewiesen wurde: Wie sollen der ideale König und sein Minister zueinander stehen? Candragupta beklagt sich weiter in einer Strophe über die Glücksgöttin, die vor dem harten König zurückschreckt, beim weichen nicht bleibt, weil sie fürchtet, bei ihm von einem anderen erobert zu werden. Sie haßt die törichten und liebt auch die restlos gelehrten Könige nicht. Sie fürchtet die Helden und lacht über die Feigen. Wie eine Hetäre, die stolz geworden ist, ist sie schwer zu behandeln (72, 3ff., Vers 58). Der Harte wird seinem Volk verhaßt und dadurch geschwächt oder gar gestürzt. Diese Begründung schenkte der Dichter sich. Der Gegensatz des harten und weichen Despoten und die Notwendigkeit, beide Extreme zu vermeiden, spielt auch in Kautalyas Staatslehre und in anderen politischen Schriften eine Rolle 2 , diesen P u n k t konnte der Dichter beim gebildeten Zuschauer, der im Despotismus lebte, als bekannt voraussetzen. Daß die Göttin aber wie den Toren, so auch den restlos Gelehrten nicht mag, den über allzuviel Theorie zum Handeln Unfähigen, das paßt zwar zu Cänakyas Selbstkritik, was die unleserliche Schrift der Gelehrten angeht 3 , war aber von Kautalya meines Wissens nicht gesagt worden. Man mag dabei auch daran denken, wie in Dandins Dasakumäracarita ein Verführer einen jungen König warnt, nicht alle vier Wissenschaften (Philosophie, Theologie, Ökonomie, Politik) zu studieren, die doch Kautalya für notwendig erklärte 4 . Das Glück verläßt den Helden, der sein Leben aufs Spiel setzt, wie den Feigen. Es ist unberechenbar und nicht mit einseitigen Morallehren zu erzwingen. Es ist wie eine launische Buhlerin. Dieser Vers ist bei all seiner Lebensweisheit geradezu humorvoll im Ausdruck, und er ist in Form und Inhalt ganz anders als Räkshasas Jammern über die Unbeständigkeit der Glücksgöttin bei seinem ersten Auftreten 5 . Räkshasa hatte die Göttin auf dem Lotusthron angebetet, Candragupta aber fühlt sich als ihr Liebhaber und Herr und weiß sehr gut, welche Schwächen man als solcher nicht haben darf. Cänakya aber sah seine Aufgabe darin, die Glücksgöttin mit dem jungen König fest zu verbinden, sie in ihm, wie den Lotus im Teich, fest verwurzeln zu lassen 6 , 1
So deutet Dhu. Kaut. 4. adhyäya 11, Manu VII, 103; Mallinätha zu Rghv. IV, 8 zitiert Kam. Vgl. H. Lüders, Eine arische Anschauung über den Vertragsbruch, S B A W 1917, X X V I , 358ff. 3 S. o. 22, 5. 4 Rüben 1952a 26. 6 S. o. 42, 4ff. 6 S. o. 7, 3ff. 2
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ohne nach dem Charakter dieses Weibes zu fragen. Der Dichter war kein Freund der Frauen, wie sich schon im Vorspiel gezeigt h a t ; so läßt er seine Helden sich zur Glücksgöttin verschieden einstellen, aber nie mit echter Liebe. Candragupta wird jetzt in Prosa sachlich: Cänakya hat mich angewiesen, eine Zeitlang selbständig zu handeln und einen Streit mit ihm zu spielen. Das erscheint mir wie Sünde. Aber in Wirklichkeit bin ich ja immer selbständig dadurch, daß mein Geist durch Cänakyas Lehren geschult ist. Er erläutert das wieder in einer Strophe: Gut handelnde Schüler werden nicht gestraft, ausschweifende fühlen die Strafe; Zucht liebende sind stets ohne Strafe; sie gehen ja auch nicht einen Fußbreit aus den Freiheiten heraus (72,8 ff., Vers 59). Die Notwendigkeit der Zucht für den König hatte Kautalya stark betont: Sie ist notwendig für die Ausübung der Regierung und das Wohl des Reiches. Nach dem Unterricht in der Jugend soll auch der König stets mit solchen Männern umgehen, die durch ihr Wissen ehrwürdig sind, um die Zucht zu stärken. Ist der König durch Wissen in Zucht, liebt er auch die Zucht der Untertanen. Zucht ist nur durch Zügelung der Leidenschaften möglich 1 . Mit epischen Beispielen zügelloser Könige unterstreicht Kautalya diese Lehre, die im Despotismus der altindischen Sklavenhaltergesellschaft und des Feudalismus zweifellos von großer Bedeutung war. Sie machte verständlich, was Visäkhadatta dem Candragupta hier in den Mund legte. Jeder wußte damals, daß die Despoten im allgemeinen von ihren Ministern gelenkt wurden; das hatte der Schlangenbändiger am Anfang des II. Aktes f ü r Candragupta und Malayaketu ausgesprochen 2 . Candragupta, den Cänakya regelmäßig einen Vrshala (Südra) nennt, blickt zu seinem Minister aber als zu seinem geistlichen Lehrer voll Einsicht in die Notwendigkeit auf und nennt ihn regelmäßig ärya, Herr. In seiner geradezu urtümlich dialektischen, einsichtsvollen Unterwerfung unter die Lenkung durch seinen Lehrer, ein Gehorsam, der auch in anderen Versionen der Candragupta Legende betont wird 3 , sieht er seine Freiheit. In diesem König idealisierte der Dichter den klugen, ergebenen Schüler, wie ihn sich jeder Brahmane wünschte. Für unseren Geschmack ist die Idealisierung freilich nicht recht gelungen, eher übertrieben und unglaubwürdig; aber was das damalige „gebildete" Publikum dazu zu sagen hatte, ist nicht überliefert; nur, daß das Stück als Ganzes bewundert wurde, ist aus der bloßen Tatsache seiner Verbreitung über ganz Indien abzulesen. Brahmanen sorgten durch Abschriften dafür und interpretierten es für die „Gebildeten". In die Massen des Volkes ist die Dichtung aber wohl kaum gedrungen. Volkserzählungen sind ja anscheinend von ihm nicht angeregt worden. Candragupta läßt sich vom Kämmerer, der ihn nebenbei gar nicht begrüßt hat, zum Palast Sugänga führen und besingt die Schönheit des Herbstes in drei Strophen. 1. Die Himmelsgegenden sind wie die Flüsse nach der Regenzeit ruhig geworden, die Wolkenfetzen sind wie Sandbänke, rings sind sie voll singender Vögel und nachts sind sie voll Sterne, wie die Flüsse voll Lotusse. 2. Der Herbst erzieht gleichsam die Welt, bringt die Flüsse in ihr Bett zurück, läßt die Reisrispen sich neigen und nimmt den Pfauen ihren Stolz. 3. Der 1 2 3
Kaut. 2—3. S. o." 40, 5ff. S. u. II B.
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Herbst führt die Gangä zum Meer, dem Herren aller Flüsse, wie eine Liebesbotin die junge Frau zum Gatten, wobei sie sie unterwegs über dessen viele ärgerliche Liebschaften beruhigt (73, 1 ff., Vers 7, 8 und 9). Dhundhiräja verweist hier auf die späteren Worte des Cänakya, daß der Herbst die Zeit für Kriegsunternehmungen ist, nicht für F e s t e I n der Tat ist die Trockenheit der Wege usw. dafür günstig. Aber in Candraguptas lyrischen Strophen ist auf seine Kriegsbereitschaft keine Anspielung zu finden. Der Dichter hat diese Naturschilderung aber auch sicher nicht nur um ihrer selbst wegen oder, um Candraguptas lyrische Natur darzustellen, eingefügt. Vermutlich soll als Folie für die ganz entgegengesetzte folgende Szene des Zwistes zwischen König und Minister die selbstbeherrschte, geradezu heitere und ruhige Haltung des innerlich erregten, sich nur ungern in die befohlene Rolle des Zankenden fügenden Königs deutlich gemacht werden. Es ist ja anzunehmen, wenn es auch nicht gesagt wird, daß Candragupta jetzt schon von dem wohl verabredeten Verbot des Festes weiß. Darüber soll er gleich den Zornigen spielen. Damit das natürlich herauskommt, betont er erst einmal seine Naturfreude. Dabei spielt in die zweite Strophe der Gedanke der Zucht hinein 2 , der ihn gerade beschäftigt. In der dritten aber klingt Visäkhadattas Herrenmoral an, seine Geringschätzung der Frau, die dem Haremsherren nachläuft, zugleich ein Nachklang von Candraguptas heiterer Betrachtung der Glücksgöttin 3 . Herbst (sarad) ist femininum, also der Liebesbotin des vielbegehrten Männchens vergleichbar; die Flüsse sind für die Hindus sämtlich Göttinnen, also Frauen, die alle dem Ozean, ihrem Haremsherren, zustreben. In der Regenzeit traten sie über die Ufer, grollten eifersüchtig; jetzt hat Frau Herbst sie beruhigt. In der ersten Strophe ist aber ein auf Candraguptas Lage bezüglicher Sinn hinter der Herbstschilderung noch nicht aufgespürt. Die drei Verse geben zugleich ein wenig Lokalkolorit: Der König steht auf einem Stockwerk des Palastes, der den Namen Sugänga trägt, und blickt auf die Gangä herab. Pätaliputra lag ja an ihrem Südufer 4 . Es ist Herbst, die ruhige Zeit ist vorbei, kriegerische Ereignisse stehen bevor, die Staatslenker drängen auf Entscheidung 5 . Damit endet der Monolog des Königs, der seinen Charakter zeichnet und damit den großen Monologen des Cänakya und des Räkshasa im I. und II. Akt parallel gestellt ist, nämlich anschließend an die kurzen Vorspiele als jeweils erster Teil einer Exposition der jeweiligen Lage. Candragupta sieht sich um und fragt, wieso die Stadt keinen Festschmuck angelegt hat, obgleich er den Befehl dazu hat ausrufen lassen. Der Kämmerer bestätigt, es sei ausgerufen. Er verwahrt sich auch aufgeregt dagegen, daß der Befehl des Königs nicht befolgt worden sei. Der König vermißt in seiner Strophe auf den Straßen die von Witzbolden verfolgten Hetären und die 1
S. u. 89, 6ff. Dhu.: Darfti liegt angeblich eine Andeutung, daß Candragupta wohl erzogen ist, Malayaketu aber getadelt und Räkshasa sein Stolz genommen werden wird. 3 Dhu.: Darin ist angeblich angedeutet, daß Cänakyas Klugheit den wie ein Ozean tiefen Candragupta alle seine Ziele erreichen läßt. Vgl. Kälidäsa, Mälavikägnimitra, V. Akt, Vers 95 (ed. Bollensen). 1 Telang X X I diskutiert dies. 5 So ist Dhu.'s Anregung weiter zu führen. 2
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ehrbaren Bürger, die bei solchem Fest bedenkenlos 1 mit Frauen scherzen, mit ihrem Reichtum miteinander wetteifernd (74,6ff., Vers 63). Candragupta erwartete scheinbar, vom Palast aus den zügellosen Festtrubel zu sehen, und spielt den Enttäuschten, dessen Befehl nicht gehorcht wird. Den Palast hat man also schon in aller Eile geschmückt, aber die Stadt folgt noch dem Verbot des Festes. Candragupta zwingt den Kämmerer, sich deutlich zu erklären, und fragt schließlich selber, ob etwa Cänakya es war, der das Fest verboten hat. Der Kämmerer gibt es zu. Candragupta läßt ihn den Minister holen (75, 3ff.). Der König weiß also wohl schon vom Verbot. — Der Kämmerer windet sich als typischer Höfling, aber ohne die Würde eines weltüberlegenen Abgeklärten. Ein Kämmerer ist auch im I I . Akt 2 Bote des Königs. Cänakya tritt auf, er sitzt zornig nachdenkend in seinem Haus und spricht einen Monolog von drei Versen: I. Räkshasa meint: Wie ich, Cänakya, beleidigt 3 , die Stadt verließ und den Maurya-vrshala auf den Thron setzte, so will er, Räkshasa, dem Maurya-Monde sein Glück rauben. Mit diesem Entschluß will er meinen Verstand übertrumpfen 4 . 2. Steh' ab davon! Nanda war übermütig und überließ die Regierung schlechten Freunden; Candragupta ist anders, und Du bist anders als ich, bloß die Feindschaft gegen einen König ist das Gemeinsame, wenn Du mir nachahmst. — Aber ich brauche mir nicht allzuviel Sorgen zu machen. 3. Von meinen Dienern 5 ist Parvatas Sohn umgeben, Späher wie Siddhärthaka sind eingesetzt, jetzt mache ich einen Scheinstreit und spalte Räkshasa von unserem Feind durch meinen Geist, ich, Kenner der Spaltung (75,17ff., Vers 6 4 - 6 6 ) . Ich, Cänakya, vom Nanda gekränkt, ging aus der Stadt und stürzte aus Rache Nanda. Räkshasa will das nachahmen, aber er hat nur das Ziel, nämlich den Kampf gegen einen König, mit mir gemeinsam, nicht den Verstand. Mein Verstand hat alles für die Spaltung Räkshasas und Malayaketus vorbereitet, fehlt nur noch der scheinbare Spalt zwischen Candragupta und mir. So überlegt grimmig Cänakya in einer Art Fortsetzung seines Monologes zu Anfang des I. Aktes. Er war sich darüber klar 6 , daß Räkshasa draußen zusammen mit Malayaketu leichter zu überwinden war, als wenn er in der Stadt geblieben wäre. Cänakya war so sehr voll Stolz und Zuversicht, daß hier kein Wort der Hochachtung gegen Räkshasa fällt, den er doch wegen seines politischen Verstandes zu seinem Nachfolger machen will! Nannte er ihn dort im I. Akt doch den Brhaspati unter den Ministern 7 . Es ist, als ob der Zorn ihn jetzt blind gemacht hat und er nur den Gegner in Räkshasa sieht. Er hat ja auch vermutlich Räkshasa mit in die Zahl der „schlechten Freunde" eingeschlossen, denen 1 Dhu.: Weil der König es erlaubt; s. o. Meyer (s. o. zu 70, 6ff. Anm. 3) 5: Schilderung des Treibens auf der Straße nach Bhavishyottarapuräna 140, 14ff. 2 S. o. 43, 9ff. 3 Dadurch, daß Nanda ihn vom ersten Platz verwies: Dhu., s. vi. I I B. 4 E r kann kein Haus bauen, er kann nur eines zerstören, zitiert Dhu. als Sprichwort, um Räkshasa gegen Cänakya herabzusetzen. 6 Bhäguräyana usw.: Dhu. 6 S. u. 90, lOff. ' S. o. 7, 13, Vers 14.
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Nanda die Regierung anvertraute. Dem Goldschmied gegenüber aber betonte Cänakya, daß die Nanda gute Berater hatten wie Vakranäsa usw. 1 . Seine Ansichten über Räkshasas Tüchtigkeit schwanken also je nach Stimmung und Lage. Damit wollte der Dichter Cänakya wohl charakterisieren. Nun ist es richtig, daß Cänakya den Nanda und also auch Räkshasa im ersten Waffengang bereits besiegt hat und daß er ihn im jetzt begonnenen zweiten ebenfalls besiegen wird, er also dem Räkshasa weit überlegen ist. Sein Stolz ist also berechtigt, und, da keine Person des Dramas diesen Monolog hört, bedeutet dieser Vers kein häßliches Selbstlob. F ü r den kommenden Kampf braucht der Dichter Cänakya nun einmal in zorniger Stimmung, und so stellt er ihn mit diesen drei Strophen in deutlichen Gegensatz zu Candragupta mit seinen drei Strophen der idyllisch-heiteren Herbstschilderung, zu seinen voraufgegangenen drei Strophen über den braven Schüler und seine Freiheit, und zu den drei Strophen des Kämmerers über sein Alter und Candraguptas Jugend zu Anfang des Aktes. Im einzelnen wird nicht angedeutet, daß Cänakya inzwischen über die Pläne Räkshasas etwas Neues erfahren hätte, so daß sein Zorn neu entfacht worden wäre; und es ist auch nicht erklärt, wieso Cänakya auf den Gedanken kam, die Spaltung Malayaketus-Räkshasas durch die parallele Scheinspaltung seiner und Candraguptas herbeiführen zu können, obgleich diese Berechnung richtig ist und, wie jener Brief zeigen wird, zum Erfolg beigetragen h a t ! Räkshasas Irrtum über den Zwist Candragupta-Cänakyas wird ihn im IV. Akt zum Beginn der Kriegshandlungen treiben, mit dem Malayaketu als Draufgänger sofort einverstanden ist, und wird Malayaketu mißtrauisch machen gegen Räkshasa. Andere Listen 2 Cänakyas sind eingefädelt, u m Malayaketu und Räkshasa endgültig auseinanderzubringen. Monolog des Kämmerers: Schlimm ist der Dienst! Der Diener muß den König, seinen Freund (Minister), seinen Liebling und andere fürchten, die als Schmarotzer 3 im Palast Gnade gefunden haben. Die Klugen erkennen mit Recht das Dienen als Hundeleben, müht sich der Diener doch aus Niedergeschlagenheit mit hündischem Aufblicken und Zustimmen um einen Bissen (77, 3ff., Vers 67). Der greise Kämmerer zeigt sich wiederum als gar nicht abgeklärt, eher ernüchtert und geknickt. Er leidet unter dem Zwist des Königs und Ministers 4 , muß aber zum König halten, obgleich er ihm nicht in allem recht geben kann, wie sich später zeigen wird 5 . Zu Anfang des I. Buches des Tanträkhyäyika 6 vergleicht der böse Schakal den Diener, der seinem König nur um sein täglich Brot dient, mit einem Hund, der sich mit Schweifwedeln, mit Auf-dem-Rücken-winden um einen Bissen müht. Er stellt ihn dem ehrgeizigen Königsdiener gegenüber, der für seine Freunde etwas erreichen 1
S. o. 31, 8ff. Siddhärthaka usw. sind dafür eingesetzt, erklärt Dhu. mit Recht zu Vers 66 (bzw. 13 seiner Zählung). 3 vita; vgl. Walimbe nach Sähityadarpana. 4 S. o. 70, 6ff. 6 S. u. 95, 3ff. 6 Tantra. I Vers 8. Vers 9 ist oben zu Vers 15 im I. Akt angeführt worden. Hillebrandt 1908, 23 zitiert den Vers als Hit. II, 37; Mbh. X I I , 119, 1; Manu IV, 6. 2
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und seinen Feinden schaden will, also eine hohe Stellung anstrebt. Visäkhadatta aber legt dem „abgeklärten" Kämmerer hier eine Verurteilung des Königsdienstes im allgemeinen in den Mund 1 , die zur Idealisierung der Freiheit im 1. Vers des Candragupta oben gut paßt und sachlich im altindischen Despotismus leicht verständlich ist. Unser jammernder Kämmerer beklagt sich, jener skrupellos-egoistische Schakal des Pancatantra aber verachtet den unterwürfigen Fürstendiener. Dasselbe Faktum ist von zwei verschiedenen Seiten gesehen, vom gebrochenen und vom strebenden Fürstendiener. Kautalya sieht dagegen in seinem Staatslehrbuch den Diener nur von der Seite des Fürsten, also ganz anders, nämlich vor allem mit Mißtrauen. Der Kämmerer kommt vor Cänakyas Haus und schildert dies prächtige Haus des großen Ministers des Weltherrschers mit einem Vers: Da liegt ein Steinsplitter zum Zerkleinern des Kuhdungs 2 , da ist der Haufe der gesammelten Opferspreu, da ist das Haus mit seinem vom trocknenden Brennstoff 3 niedergedrückten Dach und seinen alten Mauern (77, 3ff., Vers 68). Mit diesem Vers drückt der Kämmerer, der durchaus nicht als dumm geschildert wird, und der Dichter, der Cänakya bewundert, anscheinend nicht etwa Ironie aus 4 , sondern Hochachtung für Cänakya, der trotz seiner hohen Stellung arm geblieben ist, der „nichts annimmt, der geschickt im Handeln und ein echter brahmanischer Gelehrter ist." 5 Der Kämmerer überlegt: Mit Recht ist die Majestät Candragupta für Cänakya nur ein vrshala. (Vers:) Wenn unermüdlich selbst an sich wahrredende Männer aus Elend in ihrer Geschäftigkeit nicht vorhandene Tugenden der Fürsten preisen, dann ist nur die Gier daran schuld; für den Gierlosen ist ja der Herrscher wie ein Grashalm,ein Gegenstand der Mißachtung (78,1 ff., Vers 69). Dieser Kämmerer spricht hier wie oben er selber und der Kämmerer Malayaketus asketisch von der Gier 6 . Wenn er aber selber wirklich von Gier frei ist, wieso ist ihm sein Herr denn mehr als dem Cänakya? Wie ängstlich ist er, als er hört, daß jemand dem Königsbefehl bei der Vorbereitung des Festes zu trotzen wagt, und wie windet er sich, ehe er dem König gesteht, daß Cänakya das Fest verboten hat! Noch am Ende des Aktes wird er selber schmeichlerisch dem König sagen, was er nicht denkt! 7 Wenn dagegen Cänakya Candragupta ständig mit vrshala anredet, so liegt darin wohl eine gewisse Mißachtung (oder besser: Betonung der eigenen Überlegenheit), aber keine asketische Erhabenheit über irdische Ziele. Cänakya will ja seine persönliche leidenschaftliche Rache am Nandahause krönen durch Besiegung Räkshasas. Er kriecht nicht vor dem Maurya, den er selber zum König gemacht hat und jetzt auf dem Thron sichern will. Er braucht nicht vor seinem ergebenen Schüler zu 1
Telang verweist dazu auf Bhartrhari, Kaie auf Manu IV, 6: sevä svavrttir äkhyätä. S. u. 97, 2ff.: Klage des Dieners, und 143, 9ff.: Furcht sogar Käkshasas. 2 Der ist zum Brennen getrocknet. 3 Vermutlich Kuhdung, kein Holz. 4 So meinen Telang, Kaie, Walimbe. 6 So Dhu. 8 S. o. 43, lOff., 70, 5. 7 S. u. zu 95, 9f.
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knien. Der Kämmerer hat also mit diesem Vers, in dem er die Schar der gemeinen Hofschranzen sich und Cänakya gegenüberstellt, im Grunde nicht recht 1 , wenn es auch richtig ist, daß der arm gebliebene Brahmane Cänakya den auf den größten Thron Indiens gelangten Maurya als vrshala bezeichnet. Zugleich liebt er ihn ja wie einen Sohn und Schützling. Der Dichter hat also hier den Kämmerer als guten Alten hingestellt, der sich über sich und Cänakya Illusionen macht und sich fälschlich mit Cänakya auf gleiche Stufe stellt. Der Kämmerer sieht voll Furcht Cänakya an und vergleicht ihn in einem Vers mit dem Sonnengott: Er übertrifft dessen Macht durch die seine, denn er lenkt die Welt derart, daß er Nanda unter- und Maurya aufgehen läßt, und das gleichzeitig, während jener doch Schnee und Hitze nur nacheinander zu Fall bringt (78, 6ff., Vers 70). Der Kämmerer ist wiederum nicht abgeklärt, sondern ängstlich wie die Frau des Schauspielers im Vorspiel. Der Kämmerer bittet Cänakya im Namen des Königs zu ihm, falls er damit seine Geschäfte nicht unterbricht. Cänakya fragt, ob man dem König etwa sein Verbot des Festes gemeldet habe. Der Kämmerer gesteht es durch Schweigen ein. Cänakya stellt fest, daß die Umgebung des Königs gegen ihn, Cänakya, Partei ergreift. Er läßt sich vom Kämmerer zum Palast Sugänga führen (78,11 ff.). Der Kämmerer spricht hier ergeben und blumenreich, ganz anders, als es Candragupta ihm aufgetragen hatte 2 , vergleichbar der Ausdrucksweise der Türhüterin, die Candragupta im I. Akt zu Cänakya gesendet hatte 3 . Der Kämmerer tritt also als ängstlicher Höfling auf, der die Auseinandersetzung zwischen König und Minister fürchtet und sich aus ihr heraushalten möchte. Er sagt denn auch nicht, wer das Festverbot dem König verraten hat, vermeidet es freilich auch, auf Cänakyas Frage hin ausgesprochen zu lügen. Wieder zeigt er wenig Abgeklärtheit und wirkt eher komisch. Wäre ein Parteigänger Räkshasas zugegen, so hätte dieser daraus, daß Cänakya sofort weiß, um was es sich bei dem König handelt, vielleicht geschlossen, daß Cänakya hier mit Candragupta ein abgekartetes Spiel treibt. Ein solcher Parteigänger Räkshasas ist aber nicht auf der Bühne, nicht einmal Cänakyas Schüler, und der greise Kämmerer sieht in Cänakyas Frage in seiner Furcht wahrscheinlich nur den menschlichen Scharfblick des Ministers. Dieses Eindruckes sicher, spricht Cänakya hier nicht etwa unvorsichtig. Der Dichter wollte aber vielleicht auch andeuten, daß der Kämmerer den Eindruck bekommen sollte, Cänakya sei sich seiner Schuld, gegen den Wunsch des Königs verstoßen zu haben, so sehr bewußt, daß er sofort weiß, was Candragupta von ihm wolle. In dem Wort „Umgebung des Königs" liegt ein Hinweis auf den Barden, den der Dichter dem „gebildeten" Zuschauer gibt, ohne damit sagen zu wollen, daß Cänakya jetzt schon gegen den Barden Verdacht hegt. Cänakya entlastet nur Candragupta und schiebt die Schuld am Zwist auf die Hofschranzen. Freilich ist dieser Vorwurf gegen des Königs Umgebung nicht ernst gemeint, ist doch der Zwist des Königs und Ministers nur gespielt. 1 2
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S. u. 95, Iii.: E r fällt auf den geschauspielerten Zwist herein. 3 S. o. 20, 11. S. o. 75, 15.
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Cänakya sieht Candragupta auf dem Thron und denkt (Vers): Der Thron ist von den schlechten Nanda verlassen, er ist von dem Stier (vrsha) unter den Königen, von vrshala, besetzt, und er ist geschmückt mit einem würdigen Fürsten; diese drei Vorzüge des Thrones verdreifachen meine Freude (80, 2ff., Vers 71). Der Zuschauer soll durch diesen Vers in seiner Überzeugung gefestigt werden, daß Cänakyas Zorn in der vorangegangenen und folgenden Szene nur Verstellung ist. Wenn er hier die Nanda tadelt, weil sie königliches Verhalten vernachlässigt hätten, so ist das ebenso der Tradition entsprechend, wie wenn Räkshasa im II. Akt betont, daß sie mit Politik und K r a f t ihre Feinde niedergeworfen hatten 1 . Er begrüßt den König; der König fällt ihm grüßend zu Füßen. Cänakya hebt ihn auf und spricht eine prunkvolle Segensstrophe: Vom Himalaya, der kalt ist durch den Sturzregen des auf ihn herniederfallenden Götterstromes, und vom Ufer des südlichen Meeres, das von bunten Perlen glänzt, kommende Fürsten mögen sich zu Hunderten vor dir angstvoll neigen, und stets mögen die Innenseiten der Zehen 2 deiner Füße trächtig sein mit den Strahlen der Juwelen ihrer Diademe (80, 8ff., Vers 72). Candragupta fühlt sich als ergebener Schüler und vergißt im Augenblick, daß er als angehender Selbstherrscher, der auf Cänakya zornig zu sein hat, ihm nicht zu Füßen fallen dürfte. Da Cänakya vom Kämmerer begleitet ist, der seinen Gegensatz zu Candragupta in der Frage des Festes für echt halten soll, und auch andere die Szene belauschen mögen, um Räkshasa zu berichten, spricht er vielleicht in seinem Segenswunsch für den Weltherrscher so pathetisch und unpersönlich. Dafür könnte man anführen, daß Cänakya in der zweiten Hälfte seines Verses nur etwas poetischer und geschraubter ausdrückte, was der Kämmerer schlichter gesagt hatte, als er Cänakya eben vorher den Wunsch des Königs, ihn zu sehen, überbracht hatte 3 . Dies Ausmalen der fußfälligen Verneigung der Unterkönige war eben ein übliches höfisches Motiv. Cänakya fragt nach der Begrüßung, weswegen er gerufen sei. Candragupta entgegnet, er möge ihn durch seinen Anblick erfreuen 4 . Lächelnd weist Cänakya das ab: Nicht ohne Grund ruft ein Herr seinen Beauftragten. Candragupta fragt nun nach dem Grund für das Verbot des Festes. Cänakya: Also soll ich getadelt werden. Candragupta: Nein, sondern aufklären 5 . Cänakya: Hat sich der Schüler nicht der Wünsche derer anzunehmen, denen er Aufklärung schuldet? Candragupta: Gewiß, indessen tust du doch nie etwas ohne Grund. Cänakya: Freilich, nicht einmal im Schlafe. Candragupta: Eben der Wunsch, den Grund zu hören, öffnet mir den Mund. Cänakya: Die Staatslehre lehrt: Erfolg hängt vom König, vom Minister oder von beiden ab 6 , in 1
S. o. 41, 10. Die Nanda waren wegen ihrer Geldgier verrufen (s. o. zu 28, 8ff. Anm. 3). Ähnlich Rghv. VI, 19. 3 S. o. 78, 13ff. 4 S. u. 144, 8f. Typische Begrüßung. 6 Dhruva: to prefer that request; Kale: to make a respectful representation, ähnlich Walimbe. « Kathäs. 15, 58f. 2
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unserem Falle von mir, wozu also bemühst Du Geist und Stimme mit Fragen! (80,16ff.). Candragupta ist zaghaft, also reizt Cänakya ihn immer mehr. Er will nicht aufklären, sondern nimmt sich das grundsätzliche Recht, Aufklärung zu verlangen, bis er den König durch den letzten, geradezu seine Eigenliebe kränkenden Satz zum Zorne, wohlgemerkt zum gespielten Zorn, bringt. Dabei doziert er als Lehrer der Staatslehre über König und Minister, nur ist im uns erhaltenen Lehrbuch des Kautalya davon meines Wissens nicht die Rede. Da singen hinter der Bühne zwei Barden je zwei Strophen: 1. Sivas wunderbarer Leib erhellt den Raum durch seine Asche, überstrahlt die Schönheit von Kasa-Grasbüscheln; quält 1 die wolkendunkle Elefantenhaut mit den Strahlen des Mondes; trägt die weiße Schädelkette wie den Mondglanz; die Schönheit seines Lächelns 2 ist wie ein (Strich dahinfliegender) Wildgänse; diesem Leibe des Gottes gleicht der Herbst mit seinen Wildgänsen, die wie die Schönheit des Lächelns sind, der Herbst möge Euch das Leid nehmen (82,7 ff. = Vers 73). Der Herbst als Jahreszeit des Krieges möge Euch von dem Leid, daß Rakshasa in den Dienst Malayaketus getreten ist 3 , befreien. Der Herbst mit den dahinfliegenden Gänsen, den klaren Mondnächten, dem weißen Kasa-Gras wird, wenn es auch im einzelnen kaum durchzuführen ist 4 , mit der Gestalt des Siva als des triumphierenden Tänzers verglichen, der den elefantengestaltigen Dämon Nila erschlagen, ihm seine Haut abgezogen hat und sie mit beiden erhobenen Händen wie ein geblähtes Segel hinter sich spannt, während der Mond auf seinem Haupte die dunkle Wölbung der Haut überstrahlt; der Name Nila bedeutet dunkelblau. Der Mythos spielt in Benares, die Gestalt ist oft plastisch dargestellt worden 5 . 2. Lange schützen möge Euch der Blick Vishnus, der sein Schlangenlager und Schlangenkopfkissen verlassen möchte, wobei sein herwärts gewendeter Blick vom Abbrechen des Schlafes noch rot ist, träge vom kürzlichen öffnen der Augen, sich noch nicht auf den Glanz der Juwelenlampen richtet, träge ist in seiner Betätigung und tränt mit dem Gähnen und Gliederrecken (82,13 ff. = Vers 74) 6 . Nach Siva wird Vishnu angerufen, und zwar als der gewaltige Gott, der die Regenzeit über geschlafen hat und jetzt erwacht (wie es beim Deotthan-Fest gefeiert zu werden pflegt). 7 Die Schilderung Vishnus ist wohl kaum komisch gemeint, sondern ist eher so realistisch, wie es eben Hindus sich bei ihren Göttern erlauben 8 . Für sie war ein irdischer Despot bei seinem Erwachen mit all seinen menschlichen Schwächen noch fürchterlich, wieviel mehr ein Gott; dabei bedenke man, daß einerseits das Dhu.: Indem er ihre Bläue besiegt. Lachen gilt nach Dichterübereinkunft als weiß (Walimbe). 3 So deutet Dhu. 4 Dhu. führt es für das Lächeln durch, sagt aber, es sei allgemein durchzuführen. Telang sieht die Schwierigkeit. 6 Rüben 1939, 206. 6 Vers 74 ist auch im Sarasvatlkanthäbharana erhalten (Kanakalal 3 der samälocanä nach Telang S. I I der Critical Notice, wo S. 121 statt S. 129 verdruckt ist). 7 Vgl. Rüben 1939, 237f. und 1943, 1 4 6 f . ; Vishnus Erwachen ist a m l l . K ä r t i k (Walimbe). 8 S. o. 1. Gebetsstrophe am Anfang des Dramas. 1
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Erwachen des Gottes von den Brahmanen jeden Tag im Tempel mit seinem Idol gespielt wurde, daß andererseits der Dichter Sivait war und in der ersten Strophe des Barden seinen Siva frommer und völlig kritiklos hatte besingen lassen im Gegensatz zu dieser Strophe über Vishnu, den Konkurrenten Sivas. Die „Toleranz" des Barden, beide Götter zu besingen, ist also nicht ganz echt 1 . Zugleich wollte der Barde vielleicht seinen königlichen Herren analog Vishnu erwachen lassen, und zwar aus seiner Untätigkeit, aber dabei dachte er wohl nicht an seine Bevormundung durch Cänakya (wenigstens konnte Candragupta das im einzelnen nicht heraushören, und auch Cänakya nicht), sondern nur allgemein, wie der Kämmerer im Anfang des Aktes an den kommenden Beginn der Selbstherrschaft Candraguptas 2 . Der zweite Barde sang: 1. Der Schöpfer hat aus irgendeinem Grund irgendwelche (Wesen) zu Schätzen gleichsam des Übermaßes an Macht gemacht. Wie die Sieger aus eigener K r a f t über die brünstigen Elefantenherdenherrscher, die stolzen Löwen, sich keinen Zahn ausbrechen lassen, so ertragen Könige, Weltherrscher deinesgleichen, kein Brechen ihrer Befehle. 2. Durch Genuß von Schmuck usw. wird ein Herr noch kein Herr; vielmehr wird der, der wie du seinen Befehl nicht umgehen läßt, Herr genannt 3 (83,3ff. = Vers 75 und 76). Dieser zweite Sänger ist zweifellos der Scheinbarde Stanakalasa, der Agent R ä kshasas 4 , der Candragupta mit dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit gegen Cänakya aufhetzen soll. E r spricht seine sehr deutliche Sprache, die besonders in diesem Augenblick des verbotenen Festes von jedem verstanden werden mußte. E s ist aber nicht angedeutet, ob der Barde sah, daß Cänakya die Strophen mithörte, für den sie natürlich nicht gemeint waren. Aus irgendeinem, dem kleinen Menschen nicht verständlichen Grunde, hat der Schöpfer die Könige geschaffen. Darin liegt vielleicht: Hat er gerade dich, den Südra, zum erfolgreichen Usurpator gemacht. Zumindest ist dein Despotentum gottgewollt und unverletzlich. Der Untertan soll nicht nach den Gründen fragen! Auch ein Cänakya nicht. Cänakya überlegt, daß der erste Barde seine Herbstschilderung fromm mit Gebeten verbunden hat, der zweite aber ein Agent Räkshasas sein muß. — Candragupta läßt seinen Kämmerer den Barden 100 0 0 0 5 Goldstücke für diese Strophen geben, Cänakya hindert ihn voll Zorn bei dieser falsch angebrachten Verschwendung. Candragupta erklärt daraufhin, sein Königtum sei gar keines, sei vielmehr ein Gefängnis. E r will selbständig sein; Cänakya ist damit zufrieden 6 , er will ebenfalls selbständig sein (83,11 ff.). Candragupta hat sein Riesengeschenk an die beiden Barden vielleicht (gespielt) als Herausforderung an Cänakya gemeint (wenn er nämlich die Rolle des 2. Barden durchschaut hat); Cänakya widerspricht seinem Befehl — und er wird, scheint es, Vgl. Vishnu-Hymnus Kälidäsas: Rüben 1947, 180ff.; s. u. Schlußvers des Dramas. S. o. 71, 7ff., Vers 56. 3 Zu 2) s. u. I I D 8 zu K a m . VIII, 8 0 : Politisch absichtsvoller Satz. 4 S. o. 68, 6. 6 Mahädeva: 10000. Vgl. die Anekdoten märchenhafter Freigebigkeit gegenüber Dichtern im Bhojaprabandha. • Dhu.: Denn wir täuschen Räkshasa. 1
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tatsächlich nicht ausgeführt, obgleich doch Candragupta von jetzt an selbständig regieren, Cänakya aber sein eigenes Leben als Brahmane 1 führen will. Die Konsequenzen in dieser Hinsicht zu ziehen, vergessen die beiden geflissentlich, und der Zuschauer bzw. Räkshasas Agenten übersehen das in der Erregung des folgenden Dialoges. Eine szenische Bemerkung darüber, daß Candragupta dem Minister „zornig" entgegnet, steht nur in einigen Handschriften, fehlte also vielleicht im Original; damit sollte Candragupta dann von seinem Minister unterschieden werden. H ä t t e Cänakya diesen Agenten seines Feindes nicht sofort verhaften und unschädlich machen und Candragupta vor ihm warnen müssen ? Kann man ihn und den Dichter so verstehen, daß Cänakya jetzt nicht mehr Minister ist, nicht mehr regiert und Candragupta seinem Unheil überläßt ? Wollte Cänakya, daß der Barde dem Räkshasa über seine Amtsentsetzung Nachricht zukommen ließe ? Diese Fragen lassen sich aus dem Text nicht ohne weiteres beantworten, auch nicht aus der Prosa Mahädevas. Der König kommt auf das Fest zurück und fragt nach dem Erfolg, den Cänakya mit seinem Verbot bezweckte. Cänakya fragt nach dem Zweck der Veranstaltung des Festes zurück. Candragupta führt als solchen eben den Gehorsam gegen seinen Befehl an 2 . Cänakya begründet das Verbot dagegen zunächst mit seinem Wunsch, dem Befehl des Königs entgegenzutreten. Er begründet dies mit einer Strophe: Wenn Dein Befehl von hundert gebeugten Fürsten bis zu den Ufern der vier Ozeane hin wie ein Kranz unverwelkter Blumen auf den Häuptern getragen wird, bei mir aber ins Wanken gerät, so verkündet er damit, daß dein Herrschertum durch Zucht geschmückt ist (84, 9ff., Vers 77). Vielleicht, um scheinbar Cänakya nicht die Erlaubnis zum Rückzug in sein Brahmanenleben geben zu müssen, auf jeden Fall, um einen Streit zu mimen, fragt Candragupta nach dem Festverbot, und Cänakya, der zunächst Aufklärung verlangt, statt sie zu geben 3 , begründet es mit dem Grundsatz der Erziehung, der freilich den eigenen Gedanken Candraguptas in seinem Monolog am Anfang des I I I . Aktes 4 entspricht, uns indessen nicht recht einleuchtet (deswegen das Verbot des Volksfestes?), der aber für Räkshasa und seine Agenten ausgesprochen wurde: Sie sollten Cänakyas Herrschsucht falsch einschätzen, daß nämlich der junge, erfolgreiche König sie nicht länger ertragen würde. Candragupta, der eben verkündet hat, er werde selber die Geschäfte in die Hand nehmen, empört sich aber durchaus nicht, geht auf diese Worte seines Lehrers vielmehr gar nicht ein. Er ist ja mit ihnen herzlich einverstanden und spielt seine unfreiwillige Empörerrolle hier nicht ganz folgerichtig. Candragupta fragt vielmehr nach dem weiteren Zweck des Festverbotes. Cänakya läßt von seinem Schreiber Acala das Dokument über Bhadrabhata usw. kommen und verliest es (oder läßt es nach einigen Handschriften den König lesen) 5 ; es ist eine Liste hoher Beamter, die die Sache Candraguptas verlassen 1
Dhu.: Mit Opfern usw. avyäghäta; aber Dhu.: Die Qual, die durch das Nichtbefolgen (vyäghäta) des Befehls erzeugt ist, war mein Ziel, sagt Candragupta voll Ironie. — Mahädeva zitiert Frage und Antwort zu wörtlich, um den Sinn klarzustellen. 3 In Übereinstimmung mit 81, lOff. 4 S. o. 72, 8ff. 5 Dhu.: Weil geheim. 2
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haben. Der König fragt nach den Gründen ihrer Unzufriedenheit. Cänakya f ü h r t an: Der Aufseher der Elefanten, Bhadrabhata, und der Pferde 1 , Purushadatta, kümmerten sich um Frauen, Trunk, Jagd 2 , aber nicht um ihre Ämter, wurden von mir abgesetzt und erhielten nur ihren Lebensunterhalt 3 , wurden von Malayaketu aber für seine Elefanten und Pferde eingesetzt. Hinguräta, der Neffe deines Obertorwächters, und Balagupta, dein entfernter Verwandter, waren zu gierig und unzufrieden mit ihren Gehältern. Räjasena, dein eigener Prinzenerzieher, hat von dir viele Schätze, Elefanten und Pferde erhalten und ist geflohen, damit man sie ihm nicht wieder nimmt. Bhägurayäna, der jüngere Bruder deines Feldherrn Simhala, mit Parvata befreundet, riet Malayaketu zu fliehen und floh selber, als du Candanadäsa usw. festnahmst, zu ihm, um sich seinen Lohn in Form des Ministeramtes zu holen. Rohitäksha, Sohn des Mälavakönigs, und Vijayavarmä, Haupt eines Kriegerstammes, flohen zu Malayaketu, weil sie nicht ertrugen, daß du ihren Verwandten soviel gabst (85, 7ff.). Natürlich erwähnt Cänakya hier nicht, daß dies alles in seinem eigenen Auftrag geschehen ist, daß also diese Begründungen alle falsch sind, ist doch Bhäguräyana schon lange als Agent Cänakyas bei Malayaketu tätig gewesen 4 . Ob Candragupta in alles eingeweiht ist, wird nicht angedeutet. Der Zuschauer aber ersieht daraus, daß Malayaketu in seiner Einfalt sehr wichtige Posten des Ministers, Elefanten- und Pferdeverwalters, die für die Heere Altindiens grundlegend waren, an Agenten Cänakyas vergeben hat. Nach der „Flucht" dieser Herren ist also ein Protokoll angelegt worden, eine Liste. Cänakya läßt sie jetzt aus dem Büro des Schreibers holen und verliest sie. Sie enthält die Begründungen, die ja erlogen sind, nicht. Cänakya tut zunächst, als brauchte er die Liste, als wüßte er nicht alle Namen auswendig oder als müßte er den König durch das Dokument von der Wahrheit der Anklage überzeugen. Dann aber gibt er die Begründungen selber, zeigt sich also als ausgezeichnet unterrichtet. Hier tun wir einen Einblick in die altindische Verwaltung 5 . Mahädeva erwähnt dies Dokument nicht, gibt aber an, inwiefern dies eine zweite Begründung für Cänakyas Festverbot ist: Diese Männer, zu Malayaketu übergegangen, zeigen ihm unsere Schwäche an 6 , so daß er uns mit Heeresmacht angreift; also ist jetzt keine Zeit für Feste, sondern für Kampf! 7 Im Drama aber ist die scheingelehrte Auslassung Cänakyas so lang ausgesponnen, daß nur ein sehr gebildeter Zuschauer am Ende noch an den Ausgangspunkt, die Frage nach dem weiteren Grund des Festverbotes, gedacht haben wird. Den Dichter hat offenbar diese logisch-politische Geistreichelei, diese Freude Cänakyas am Lügen gefreut, vermutlich auch den Zuschauer. Candragupta fragt, warum Cänakya nichts unternommen hat, wenn er doch die Gründe der Unzufriedenheit dieser Männer kannte. Ob aus Unfähigkeit 1
Zu diesen beiden Ämtern vgl. Kaut. 47 f. Über diese drei Laster (samt Würfeln) vgl. Rüben 1947, 164ff. 3 Sie hatten also kein eigenes Vermögen, etwa Grundbesitz. Vgl. Megasthenes über die Kshatriyas bei Kosambi (s. o. zu 28, lOff. Anm. 1) 198. 1 S. o. 9, 1. 6 Im prak. 28 des Kaut, über die königliehen Schreiben fehlt ein solches Dokument. 6 Das steht im Drama nicht. 7 Das steht im Drama s. u. 89, 6f, 2
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oder mit Absicht? Die Absicht möchte er wissen. Cänakya: Höre zu und bedenke es wohl! Candragupta: Beides tue ich; sprich! (88, lff.). Candragupta wundert sich nicht über das Wissen seines Ministers, er hält ihn auch nicht für unfähig zu handeln, er tadelt ihn auch nicht, er bittet nur wie oben um Aufklärung, und Cänakya beginnt, ihn wie ein Lehrer den Schüler zur Aufmerksamkeit zu mahnen, und der Schüler erklärt sich dazu bereit. Vom Streit der beiden ist hier nicht mehr viel zu spüren. Cänakya doziert: Unzufriedene Untertanen behandelt man mit Zweierlei, mit Gnade oder Ungnade. Bhadrabhata und Purushadatta wieder in ihre Ämter einzusetzen, wäre Gnade gewesen, aber die hätte die Wurzel des Königtums, die Elefanten und Pferde, vernichtet. Hinguräta und Balagupta wären auch unzufrieden, selbst wenn sie das ganze Königreich empfingen, wozu also Gnade ? Räjasena fürchtete für sein Geld, Bhäguräyana für sein Leben, wo war da Raum für Gnade? Ebensowenig bei Rohitäksha und Vijayavarmä, den überaus stolzen. Soweit über die erste Möglichkeit, nun über die zweite. Hätte ich Ungnade, Strafe gegen unsere früheren Anhänger angewendet, wo doch unsere Herrschaft erst ganz jung ist, hätten die früheren Parteigänger der Nanda zu uns kein Vertrauen gefaßt (88, 9ff.). Ein entsprechendes Kapitel in Kautalyas Lehrbuch über die gnädige oder ungnädige Behandlung Unzufriedener ist mir nicht bekanntgeworden 1 , und auch in dem Kapitel über die „Befriedung" eines neu eroberten Landes 2 vertritt Kautalya nicht den Gesichtspunkt, den Cänakya hier über die Gefahr des Abschreckens der neuen Untertanen anführt. Da betont Kautalya nur mehrfach, daß der Eroberer durch seine Tugenden die Fehler seines Vorläufers überstrahlen soll; in diesem Sinne hatte Cänakya dem Goldschmied gegenüber im I. Akt betont, daß der Maurya nicht geldgierig ist wie der Nanda 3 , und hatte der Goldschmied selber schmeichlerisch von Candraguptas Tugenden gesprochen 4 , ohne freilich seine alten Könige, die Nanda, schlecht zu machen. Visäkhadatta ging hier also über die Lehren Kautalyas hinaus, wie es sein Drama erforderte (einen ähnlichen Gedanken äußert später Malayaketu!) 5 . Aber die grundsätzliche Rücksicht auf das Volk ist ihm mit Kautalya gemeinsam. Cänakya fährt fort: Wo Malayaketu in dieser Weise Diener unserer Seite aufgenommen hat, der Unterweisung durch Räkshasa geneigt ist, ein größeres Barbarenheer um sich gezogen hat, wegen der Ermordung seines Vaters zürnt und uns angreifen will, ist jetzt die Zeit für Unternehmungen, nicht für Feste, ist die Festung zu verstärken, und daher habe ich das Fest verboten (89, 5ff.). Die ersten Worte sind absichtlich ohne Namensnennung unklar gelassen: Malayaketus Fall ist vorbereitet durch die Einschleusung unserer Agenten. Aber hier, vor den Ohren solcher Agenten Räkshasas wie des Barden, ist nicht der Ort davon zu reden. Der Herbst galt nach dem Aufhören der hinderlichen Regenzeit als die Zeit der Kriege, wie es etwa ein Dichter wie Kälidäsa naiv aussprach 6 . Aber schon Kautalyas 1 2 3 4
Walimbe zitiert Kaut. I, 4, 11: Der Strenge stößt das Volk ab (s. o. zu 72, 4ff., Vers 58). Kaut. 176, 5 ff. S. o. 28, 8f. 11 S. o. 28, 2f., Vers 21, S. u. 135, 1, « Rghv. IV, 24.
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Lehre war wesentlich komplizierter 1 . Es kommt auf den Gegner an, ob es notwendig ist, seine Ernte der Regenzeit, des Winters oder des Frühjahrs zu vernichten, ob sein Land heiß oder kalt ist usw. Dementsprechend führt Cänakya hier nicht (wie oben der Barde) die Herbstzeit als solche an, sondern, daß Malayaketu bereitsteht. Candragupta entgegnet, er habe noch viel zu fragen. Cänakya meint, er habe auch viel zu sagen . . . (89, 9ff.). So geht das Gespräch wieder wie zwischen Lehrer und Schüler hin und her, aber Candragupta wendet nichts gegen Cänakyas Auskunft über seine bisherige Politik ein. Candragupta f r a g t : Warum hast du Malayaketu entweichen lassen, der doch die Ursache allen Ungemachs ist ? Cänakya: Es gab zwei Wege: Gewalt oder, ihm das halbe Reich zu geben. Bei Gewalt wäre uns die Schuld an Parvatas Ermordung und Undankbarkeit nachgewiesen worden. Bei Abgabe des halben Reiches an Malayaketu hätte uns die Ermordung Parvatas nicht genützt, uns nur den Vorwurf der Undankbarkeit eingebracht (90, lff). Der König hat an eine wichtige Frage gerührt. Er hatte mit Parvata einen Vertrag auf gemeinsame Eroberung eines Landes geschlossen derart, wie Kautalya ihn in einem Kapitel seines Buches behandelt 2 , hatte dabei aber mit Kautalya im Sinne, den Teilhaber zu übervorteilen. Kautalya freilich rät in diesem Kapitel nicht, den Teilhaber nach errungenem Sieg zu ermorden. Die Ermordung Parvatas gelang, aber sein Bruder trat an seine Stelle. Auch der wurde ermordet, so blieb Malayaketu. Den zu morden wagte Cänakya nicht, er ließ ihn nur einschüchtern und fliehen, denn, sagte er sich, selbst wenn er mit Räkshasa zusammen gegen uns geht, kann ich ihn mit meinem Verstände abwehren, aber wenn ich ihn ermorden lasse, wird auch meine Ermordung Parvatas offenbar, und die Schande kann ich nie abwaschen 3 . Diese Gedanken, die er im I. Akt in seinem Monolog zweifellos ehrlich ausgesprochen hatte, wiederholte er hier in nur wenig unschuldigerer Form vor dem König, als wenn keine Lauscher Räkshasas da wären, unbekümmert um sie. Es handelt sich also um eine aufrichtige Belehrung des Königs über die Motive des Ministers, nicht mehr um den Scheinzwist. König und Minister sind sachlich geworden. F ü r den Dichter handelt es sich aber darum, daß er dem Zuschauer sein Drama, seine Erfindung möglichst einleuchtend darstellen will. Soweit bis heute die Quellen für dies Drama und die Zeitgeschichte Candragupta-Kautalyas bekannt sind, ist Parvatas Ermordung nicht von alter Tradition überliefert gewesen, auch die des Vairodhaka und der Kampf mit Malayaketu samt der Gewinnung des Räkshasa, also der eigentliche Vorwurf des Dramas, sieht nach eigener Erfindung des Visäkhad a t t a aus 4 . Nun hat er im IV. Akt dem Räkshasa in den Mund gelegt, wie der Dramatiker dem Politiker im Ausdenken der Handlung gleiche 5 , im V. Akt einen Vergleich des Politikers mit dem Logiker oder Disputanten 6 , im VI. Akt dem Samrddhärthaka einen Vergleich des schlechten Politikers und des schlechten Dichters 7 . Visäkhadatta war also stolz auf den logischen Aufbau seiner dramatischen Hand1 2 3 4 6 6
Kaut. 1 3 5 - 1 3 6 , 3 4 ö . Kaut. 108. adhyäya, I S . S. o. 9, 3ff. S. u. I I C 2. S. u. 98, 13ff., Vers 89. S. u. 141, 10ff., Vers 117,
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lung, deswegen teilte er durch Cänakyas Mund dem Zuschauer genau mit, warum er Malayaketu aus der eroberten Stadt fortließ: Ihm schien der daraus sich ergebende Kampf leicht und erfolgreich zu beenden, ein Thema, an dem sein Cänakya die Schärfe seines poltischen Verstandes zeigen sollte und an dem zugleich Visäkhadatta die Kunst seiner Erfindung sich bewähren lassen wollte. Zu Visäkhadattas Freude am logischen Denken gehört auch der logische Aufbau seines Dramas und jedes einzelnen seiner Akte. Zugleich charakterisierte er in dieser Szene das Verhältnis des vertrauensvollen und nichtsahnenden Königs zu seinem Lehrer und Minister. Candragupta fragt weiter, warum Cänakya Räkshasa erst in der Stadt hat gewähren und dann entkommen lassen. Antwort: Räkshasa ist seinem Herren treu, wohnt lange in der Stadt, genießt das restlose Vertrauen der Nandaanhänger, die seine Tugenden kennen, er besitzt Verstand und T a t k r a f t ; mit Männern und Geld versehen, könnte er innerhalb der Stadt gewaltigen Aufruhr erregen, aber fern der Stadt wäre der von ihm erregte Kampf nicht schwer niederzuschlagen (90, 8 ff.). Visäkhadatta hat da Cänakyas Handlung mit einer wichtigen politischen Beurteilung der Lage begründet. Kautalya ist sich der Wichtigkeit der Unzufriedenheit des Volkes und drohender Aufstände stets bewußt gewesen 1 , und auch dieser Gesichtspunkt des Visäkhadatta, dies Abwägen von innerem Aufruhr gegen äußeren Kampf, ist bei ihm belegt 2 . — Auch hier mag noch gelten, daß Cänakya diese politische Begründung seiner Handlungen dem Räkshasa gern zu Ohren kommen lassen wollte, damit er sich schon halb verloren vorkäme. Candragupta fragt, warum Cänakya Räkshasa nicht noch in der Stadt bearbeitet hätte. Antwort: Ich habe ihn doch mit meinen Mitteln aus der Stadt getrieben, wie man einen Pfeil aus der Wunde zieht (91, 4ff.). Bisher hat weder Cänakya (etwa im Monolog des I. Aktes) eine seiner diesbezüglichen Maßnahmen angeführt, noch hat Räkshasa selber (etwa in seinem Monolog des II. Aktes) genauer die Umstände, derentwegen er die Stadt verlassen hat, angegeben, noch ging Virädhagupta 3 auf sie ein. Insofern muß der Zuschauer Cänakyas Worte hier hinnehmen, wie Candragupta es tat. Candragupta fragt, warum Cänakya sich des Räkshasa nicht mit Gewalt bemächtigt hat. Antwort, teilweise in einem Vers: Bei Anwendung von Gewalt würde entweder Räkshasa selber zugrunde gehen, und dann verlöre Candragupta einen so wertvollen Mann, oder Räkshasa würde des Maurya Truppen zugrunde richten. Wie ein Elefant des Waldes 4 müsse er mit List geleitet werden (91, 7ff., Vers 78). Diese Antwort setzt voraus, daß Candragupta über Cänakyas Plan, ihm Räkshasa als Nachfolger im Ministeramt zu gewinnen, im Bilde ist. Es ist aber unverständlich, daß Cänakya nicht darauf Rücksicht nimmt, dies vor Räkshasa geheimzuhalten; denn alle von Cänakya angelegten Listen würden ihr Ziel verfehlen, wenn Räkshasa 1 2 3 4
Rüben 1954 b 162. Walimbe 35f. der Introduction zitiert Kaut. 128, 3 = 143, 34. S. o. 51, 7f. S. o. Vers 28: Elefant.
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jetzt schon durch seine Agenten von diesem Anschlag Cänakyas erfahren und darüber Malayaketu benachrichtigen würde. Andererseits aber soll Räkshasa von dem scheinbaren Zwist des Königs mit seinem Minister erfahren, und im IV. Akt wird ihm tatsächlich von dieser gereizten Aussprache ein ausführlicher Bericht gegeben werden, aber von diesem wichtigen Punkt der Gewinnung Räkshasas für den Maurya wird dabei merkwürdiger- und bezeichnenderweise keine Rede sein. Die Handschriften geben keinen Anlaß, hier diese Sätze zu streichen. Man kann daher nur dem Dichter aus ihnen einen gewissen Vorwurf der Unbedachtsamkeit machen. Dhundhiräja und Mahädeva gehen auf diese Schwierigkeiten nicht ein. Candragupta gesteht, daß er Cänakya mit Reden nicht gewachsen ist, und lobt Räkshasa als auf alle Fälle preiswerter . . . Cänakya ergänzt: Als mich! Warum aber ? — Candragupta (Vers:) Räkshasa ist nach Eroberung der Stadt, solange er wollte, geblieben und hat uns damit den Fuß auf die Kehle gesetzt 1 , hat den Siegesruf für unsere Truppen unterbunden 2 usw. und hat klug unser Denken verwirrt, so daß wir denen unter uns nicht trauen, denen wir vertrauen sollten (91, 14ff., Vers 79). Candragupta geht jetzt eifrig auf Cänakyas List ein und stellt Räkshasa, der ja sein Minister werden soll, über Cänakya. Er hat (das soll nach dem Kommentator in dem „usw." liegen) das Giftmädchen vorbereitet und die Fallen im Tor und im Palast gelegt, er hat bewirkt, daß wir (meint der Kommentator) Jivasiddhi, Bhäguräyana usw., denen wir vertrauen sollten, haben gehen lassen. — Psychologisch ist es gut gespielt, wie der König aus dem Eingeständnis seiner rednerischen Unterlegenheit heraus ohne sachlichen Zusammenhang aus dem vorher Gesagten in Unwillen ausbricht. Er fühlt sich gleichsam durch Cänakyas Argumente geschlagen, aber nicht überzeugt: Den Räkshasa hatte Cänakya fassen müssen 3 ; da er es nicht gekonnt hat, ist Räkshasa der überlegene von den beiden. Cänakya fragt lachend, ob dieses tatsächlich Räkshasas Taten seien? Wenn ja, dann sei er überzeugt, daß Räkshasa ihn, Candragupta, wie den Nanda stürzen und Malayaketu auf den Thron setzen würde (92, 8ff.). In den Worten „wie den N a n d a " liegt angeblich eine Andeutung, daß Cänakya sich für erfolgreicher als Räkshasa hinstellen möchte 4 . Und er hat recht, denn gerade Cänakya war es, der das Giftmädchen zum Nutzen der Maurya gelenkt, Bhäguräyana als Agent auf die feindliche Seite gebracht hat usw., was er freilich dem Candragupta nicht verraten kann, besonders nicht in diesem Augenblick vor den Ohren von Agenten Räkshasas. Candragupta wendet denn auch ein, daß jemand anders, nicht Cänakya, dies alles zustande gebracht hat. Da gerät Cänakya in hellen Zorn: Du Eifersüchtiger! (Vers:) 1. Nachdem ich öffentlich den furchtbaren, bis zur Vernichtung des ganzen Feindesgeschlechts währenden Schwur getan hatte, bei dem ich mit zornbebenden Fingern meine Haarflechte löste, — durch wen 1
Der Unterworfene liegt auf dem Rücken. S. o. 51, 3ff. 3 So deutet Dhu. 4 So deutet Dhu.—Mahädeva S. 28, 7 — 8 ändert den Text des Dialoges (Mudra. 92, 9—11), so daß er leichter zum Folgenden paßt. Die Stelle ist im Drama noch unklar. 2
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sonst sind die Nanda, die stolzen Herren von 99 hundert mal zehn Millionen Goldstücken 1 , diese Reihenhelden, wie Vieh geschlachtet vor den Augen Räkshasas ? 2. Auch jetzt noch sind die Flammen des Leichenfeuers der Nanda, die von dem Strom ihres Markes duften und die (Geier und Schakale, die) Bewohner der Leichenstätte erfreuen, nicht erloschen; sie zeigen den Kreis der Himmelsrichtungen, deren Sonnenglanz vom Rauch verdunkelt ist, gleichsam bewölkt; dieser Rauch aber ist die Geierschar, die mit lange Zeit beweglosen Flügeln im Luftraum kreisend einen Kreis bilden (92,12ff., Vers 80 und 81). So lange brennendes Feuer entsendet nämlich keinen Rauch mehr, so bilden die Geier ihn gleichsam 2 . — Cänakya erinnert im Zorn an sein einst gegebenes Wort, an seinen Fluch, der Jahren seines Lebens die Richtung gegeben hat und eines der Hauptmotive seiner Sage bildet, er droht aber auch damit, daß die Leichenfeuer der Nanda noch nicht erloschen sind, daß sie noch fortbrennen, daß das Morden, der Kampf noch weitergeht. Cänakya stellt sich stolz und grimmig als die treibende Kraft der letzten Zeiten, und als die der nächsten schweren Zeiten hin. Die beiden kunstvoll pathetischen Verse mit den grausigen Schilderungen des Viehabschlachtens und der Leichenfeuer sind vom Standpunkt der altindischen Poetik gut gelungen, spiegeln aber keinen echten, lodernden Zorn wider, sondern gekünstelten, obgleich man das ihrem Wortlaut noch nicht abgewinnen kann. Nichts deutet nämlich darauf hin, daß der Dichter sie absichtlich, um die Unechtheit des Zornes zu zeigen, so ausgefeilt habe. Candragupta nennt jetzt das Schicksal als die Kraft, die die Nanda vernichtet hat. Cänakya hält ihm entgegen, daß nur Unwissende das Schicksal verantwortlich machen (93, 8f.). Der König antwortet damit auf die Frage seines Ministers, wer es außer ihm gewesen sei, der die Nanda stürzte. Cänakya aber befindet sich in Übereinstimmung mit Kautalya, wenn er es ablehnt, sich auf das Schicksal zu berufen: Nur schwache Könige entschuldigen ihre Unfähigkeit mit Fatalismus 3 . Und in der T a t weiß ja gerade Candragupta ganz genau, was er alles seinem Lehrer zu verdanken hat. Hier freilich spricht er für die Ohren der Agenten Räkshasas, der selber in seiner Not immer wieder fatalistische Entschuldigungen sucht, sich also zu diesem Fatalismus mimenden Candragupta hingezogen fühlen wird. Es war aber ein besonders raffinierter Zug des Dichters, daß er kurz vor Ende des Dramas dem Cänakya selber diese Worte seines Königs in Gegenwart Räkshasas in den Mund legte 4 . Candragupta schlägt zurück: Wissende sind nicht ruhmredig! Cänakya im Zorn: Du willst auf mich steigen 5 , wie auf einen Diener! (Vers:) Meine Hand möchte die gelöste Haarflechte noch einmal lösen, mein F u ß möchte noch 1
Telang: Ähnlich heißt es im Kathäs. 4, 95: 99mal zehn Millionen. So deutet Dhu. 3 Rüben 1954c 148; Kaut. 96, 13 (ähnlich adhy. 109, 33 und K S VI, 1, 10; Mbh X I I , 139, 82): Der Gegner sei daivapramäna, aber (Kaut. 96, 6) der König sei purushakärakäryapradhäna, sei vor allem darauf aus, durch seine Manneskraft zu wirken. Vgl. ebd. 97, 6—15 über daiva und mänusha. Vgl. Rüben 1952a 27ff. 4 S. u. 193, 7. 6 D. h. verächtlich machen: Dhu. 2
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einmal einen Schwur besteigen 1 . Das Feuer meines Zornes, das wegen der Vernichtung der Nanda erloschen ist, entflammst du wieder, weil die Zeit dich zwingt (93, 10ff., Vers 82). Die Gefahr der Ruhmredigkeit liegt bei Cänakyas Stolz nahe, ist er ihr doch im I. Akt in der Unterredung mit dem Goldschmied nur kaum entgangen 2 . Um so besser kann er jetzt den Zornigen spielen, überzeugend geradezu. Vom Nochnichtbinden der gelösten Haarflechte und vom Feuer seines Zornes sprach Cänakya drohend vom Beginn des I. Aktes an 3 , und er erwähnte da auch, daß dieses Feuer mangels Brennstoff, mangels Überlebender der Nanda, zur Ruhe gekommen ist 4 . Insofern spricht er hier seine wirklichen Gefühle aus. Aber, wenn er die Schuld an Candraguptas aufreizenden Reden, an seiner (gespielten) Verblendung, am Ende der „Zeit" zuschreibt, so verfällt er damit scheinbar dem Fatalismus, den er gerade eben abgelehnt hat. Er ersetzt den Vorwurf, daß Candragupta unwissend sei (da nur Unwissende Fatalisten seien) durch die Erklärung, das Schicksal treibe Candragupta zu seinen Vorwürfen. Damit will er wohl, wie eben sein König, den Lauschern Räkshasas etwas zum Hinterbringen liefern. Damit deutete der Dichter dem gebildeten Zuschauer aber zugleich an, daß Cänakya hier schauspielert, sowohl den Fatalismus wie den heftigen Zorn 5 . Cänakya droht hier mit einem leicht möglichen erneuten Schwur, aber er verschwört sich nicht wirklich. Auch ein in Verstellung gegebenes Wort hätte er ja wahr machen müssen. Candragupta befürchtet in Gedanken, der Zorn seines Lehrers könnte echt sein, und schildert ihn in einer Strophe: Er 6 brennt gleichsam mit seinem roten Blick, der ausgedörrt 7 ist durch das Fortwaschen der reinen Tränen, die sich aus seinen vor Zorn aufgesperrten Lidern 8 ergossen haben. Dabei ist der Rauch gleichsam in Gestalt der gerunzelten Brauen entstanden. Ich meine, die Erde, die sich dabei des beim Tändavatanz das Grauen spielenden Siva erinnert, zittert und erträgt kaum das Aufstampfen seines Fußes (94,1 ff., Vers 83). Dieser Vergleich des zornigen Cänakya mit dem grausig tanzenden Siva bestätigt die Deutung des Eingangsgebetes des Dramas. Die Schilderung des rotglühenden, trockenen Auges usw. ist wieder sehr kunstvoll, aber als heimliche, nicht geäußerte, nur gedachte furchtsame Empfindung des Königs und Schülers ist sie äußerst unrealistisch. Solche Poesie unterbricht die Prosa, die sozusagen dem Dichter allzu lebensecht und „gewöhnlich" erschienen ist. Cänakya bricht seinen verstellten Zorn ab: Genug des Redestreites. Wenn du Räkshasa für gewichtiger als mich hältst, so gib ihm dieses Schwert. Er legt sein Schwert ab und droht: Räkshasa, das also ist dein hoher Verstand, mit 1
Dhu.: Tun (zu Vers 80). S. o. 31, 6. 3 S. o. 5, 3ff. 4 S. o. 6, lOff. 6 Walimbe hält anscheinend den Zorn für echt. 6 Neutrum: Es brennt, dort ist ein Feuer kraft seines Blickes. ' Dhu.: rüksha; aber Telang: Verschleiert von Tränen. 8 Telang: Auf seinen Lidern; aber Dhu.: ata eva. 2
Der Sinn des Dramas „ D a s Siegel und Rakshasa"
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dem du den meinen besiegen willst. (Vers:) Den dem Cänakya untreu gewordenen Maurya werde ich (denkst du) leicht besiegen! So wendest du deinen Verstand jetzt an. Wahrlich, die Spaltung wird ganz und gar, Schurke, zu deinem Nachteil auslaufen. — Dann geht er ab. — (94, 7ff., Vers 84). Nach allen Handschriften spricht Cänakya die letzten drohenden Worte an Rakshasa bloß für sich. Er weiß durch die beiden Strophen des zweiten Barden von Räkshasas Absicht, Candragupta gegen ihn aufzuhetzen. Aber er weiß auch schon, daß sein begonnener Scheinzwist mit Candragupta Räkshasas Niederlage herbeiführen wird. Er hat Candraguptas heimliche Angst bemerkt, h a t deshalb seinen Zorn schnell eingeschränkt, und wartet die Annahme seiner Abdankung durch den König nicht erst ab. Candragupta beauftragt seinen Kämmerer, das Volk zu benachrichtigen, d a ß er jetzt die Regierung selber führt, ohne Rücksicht auf Cänakya. Der Kämmerer sieht die Abdankung Cänakyas als ernst an, will aber dem König dafür keine Schuld beimessen; er zitiert dafür in Gedanken einen Vers: Es ist die Schuld des Ministers, wenn der König falsch handelt 1 . Wenn ein Elefant 2 als böse getadelt wird, trifft die Schuld den unklugen Treiber 3 (95, lff., Vers 85). Dem Kämmerer fällt zunächst auf, daß der König von Cänakya spricht, ohne dessen Namen den Titel Minister beizufügen; also ist er abgesetzt 4 . Der weise Kämmerer sieht anscheinend ein, daß Candragupta ohne Cänakya verloren ist. Sein Vers könnte beinahe im I. Buch des Pancatantra stehen, wo der Schakal gemäß der Tendenz des Buches seinen Despoten, den Löwen, völlig in der Hand h a t und sich selber die Schuld beimißt, als er durch den Stier aus seiner Stellung beim Löwen verdrängt worden ist (dort handelt der Löwe freilich objektiv richtig, nur falsch im Sinne des Schakals). Der Schakal zitiert dann auch einen Vers, der dem des Kämmerers inhaltlich ähnelt 5 . Dem König sagt der Kämmerer, d a ß er glücklicherweise jetzt wirklich zur Majestät geworden ist. — Candragupta denkt, daß Cänakyas Wunsch Erfüllung finden möge, wo dort jetzt ihr Zwist so aufgefaßt würde (95, 8ff.). Der Kämmerer, der die ganze Zeit geschwiegen hat, sagt auch jetzt dem König nur eine Schmeichelei, verstößt also wieder gegen seine „Abgeklärtheit" 6 . Der König nimmt sie ohne Antwort hin, zufrieden mit dem erwünschten Eindruck des Scheinkampfes auf den Kämmerer, der ihm hier gleichsam die Schar der Höflinge und das Volk verkörpert. Candragupta läßt sich, da er vom sinnlosen 7 Streit Kopfschmerzen bekommen habe, in sein Schlafgemach führen. Dabei denkt er die Strophe: Mein Geist, der nur auf Befehl des Lehrers seine Autorität übersprang, ist auf dem 1
Oder: Ihn schlecht behandelt. Elefant, s. o. Vers 28. 3 Hillebrandt 1908, 23: Hit. etc. 4 S. u. 141, 5; 151, 12. Im Mrcch. enthält ein Henker dem Cärudatta den Ehrentitel ärya vor, der andere aber tadelt ihn deswegen (X, 106ff.). 5 Tantr. I, 57; vgl. 79. 6 S. o. zu 78, l f f . Aber nach Walimbe ist das die ernsthafte Meinung des Kämmerers. ' Wörtlich: Trocken. 2
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Wege, sich in ein Erdloch zu begeben. Die, die in Wahrheit ihren Lehrer nicht ehren, denen müßte die Scham ihr Herz sprengen (95, 12ff., Vers 86). Der Kopfschmerz des Königs mag echt sein; er dient zugleich als Überleitung zum IV. Akt, der mit Räkshasas Kopfschmerzen beginnt. Der König möchte sich vor Scham wie eine Maus verkriechen, das denkt er auf dem Wege in sein Gemach. Dabei hat der Dichter wohl kaum daran gedacht, wie Sita und nach ihrem Vorbild die Sakuntalä des Kälidäsa in ihrer Not die Erde baten, sie in sich aufzunehmen 1 . Candragupta hat aus dem Munde seines Kämmerers erfahren, daß die List des Scheinzwistes gelungen ist; auch die Agenten Räkshasas werden an den Zwist glauben und ihre falschen Schlüsse ziehen. Damit hat Cänakya sein Spiel schon so gut wie gewonnen. Er selber aber ist bereits abgetreten, ehe er diese Bestätigung durch den Kämmerer erfahren h a t ; er bedarf ihrer in seiner Siegeszuversicht nicht. Hatte der II. Akt mit Räkshasas Zuversicht in bezug auf die Spaltung Candragupta-Cänakya geschlossen, so hat der I I I . Akt seinen Irrtum dargestellt. Der IV. Akt aber wird die von Cänakya eingefädelte Spaltung zwischen Räkshasa und Malayaketu zeigen. König und Minister hatten sich scheinbar des Festes wegen entzweit. Ob es jetzt stattfindet oder nicht, wird nicht gesagt. Der König hat Kopfschmerzen bekommen. Damit wird von der Frage des Festes abgebogen. Vielleicht will Candragupta durch die Kopfschmerzen, die er nur vorgibt, verbergen, daß er das Fest zwar nicht stattfinden lassen, dem Cänakya aber auch nicht offen folgen will. Vielleicht hat der Dichter auch vergessen, die Frage zu überlegen. Weder Dhundhiräja noch Mahädeva (der diese Szene gar nicht wiedergibt) haben diese Schwierigkeit behandelt. Jedenfalls ist diese Schlußszene ein kurzes Abklingen des aufgeregten und aufregenden Aktes. IV. Akt: Der Zwist zwischen Malayaketu und Räkshasa beginnt Der IV. Akt ist der mittelste des Dramas mit der entscheidenden Wendung, der Spaltung von Malayaketu und Räkshasa, die Cänakya hervorgerufen hat. Der Akt ist parallel zum I I I . mit der Scheinspaltung Candraguptas-Cänakyas aufgebaut. Auch er beginnt wie alle Akte mit einer Art Vorspiel eines in einem Volksdialekt sprechenden Agenten mit burleskem Ton. Karabhaka kommt aus Pätaliputra zurück. Er beginnt seinen kurzen Monolog mit einer Strophe, daß nur der schwere Befehl eines Herrn den Diener treibt, 100 Meilen hiji und zurück zu gehen (97, 1 ff., Vers 87). Karabhaka war am Ende des II. Aktes von Räkshasa ausgesandt worden, um über den Erfolg der Aktion des Scheinbarden im I I I . Akt zu berichten. So sind diese Akte vom Ende des II. bis Anfang des IV. miteinander verbunden. Der Kämmerer Candraguptas hatte im III. Akt sehr ernsthaft und berechtigt über die Schwere des Fürstendienstes geklagt, insofern er zwischen dem König und seinem Minister eine allzu schwere Stellung hatte 2 , aber dieser Diener Räkshasas ist ohne solchen triftigen Grund bloß über die körperliche Anstrengung des Dienstes unwillig, und das wirkt komisch 3 . Er hat eine, wie er meinen muß, günstige Botschaft zu 1
Rüben 1954a 114. S. o. 77, 3; 95, 6f.; s. u. 127, 14f.: Bhäguräyanas Klage. 3 Vgl. die Klage des Vidüshaka im II. Akt der ¡Sakuntalä über die Strapazen der königlichen Jagd. 2
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Wege, sich in ein Erdloch zu begeben. Die, die in Wahrheit ihren Lehrer nicht ehren, denen müßte die Scham ihr Herz sprengen (95, 12ff., Vers 86). Der Kopfschmerz des Königs mag echt sein; er dient zugleich als Überleitung zum IV. Akt, der mit Räkshasas Kopfschmerzen beginnt. Der König möchte sich vor Scham wie eine Maus verkriechen, das denkt er auf dem Wege in sein Gemach. Dabei hat der Dichter wohl kaum daran gedacht, wie Sita und nach ihrem Vorbild die Sakuntalä des Kälidäsa in ihrer Not die Erde baten, sie in sich aufzunehmen 1 . Candragupta hat aus dem Munde seines Kämmerers erfahren, daß die List des Scheinzwistes gelungen ist; auch die Agenten Räkshasas werden an den Zwist glauben und ihre falschen Schlüsse ziehen. Damit hat Cänakya sein Spiel schon so gut wie gewonnen. Er selber aber ist bereits abgetreten, ehe er diese Bestätigung durch den Kämmerer erfahren h a t ; er bedarf ihrer in seiner Siegeszuversicht nicht. Hatte der II. Akt mit Räkshasas Zuversicht in bezug auf die Spaltung Candragupta-Cänakya geschlossen, so hat der I I I . Akt seinen Irrtum dargestellt. Der IV. Akt aber wird die von Cänakya eingefädelte Spaltung zwischen Räkshasa und Malayaketu zeigen. König und Minister hatten sich scheinbar des Festes wegen entzweit. Ob es jetzt stattfindet oder nicht, wird nicht gesagt. Der König hat Kopfschmerzen bekommen. Damit wird von der Frage des Festes abgebogen. Vielleicht will Candragupta durch die Kopfschmerzen, die er nur vorgibt, verbergen, daß er das Fest zwar nicht stattfinden lassen, dem Cänakya aber auch nicht offen folgen will. Vielleicht hat der Dichter auch vergessen, die Frage zu überlegen. Weder Dhundhiräja noch Mahädeva (der diese Szene gar nicht wiedergibt) haben diese Schwierigkeit behandelt. Jedenfalls ist diese Schlußszene ein kurzes Abklingen des aufgeregten und aufregenden Aktes. IV. Akt: Der Zwist zwischen Malayaketu und Räkshasa beginnt Der IV. Akt ist der mittelste des Dramas mit der entscheidenden Wendung, der Spaltung von Malayaketu und Räkshasa, die Cänakya hervorgerufen hat. Der Akt ist parallel zum I I I . mit der Scheinspaltung Candraguptas-Cänakyas aufgebaut. Auch er beginnt wie alle Akte mit einer Art Vorspiel eines in einem Volksdialekt sprechenden Agenten mit burleskem Ton. Karabhaka kommt aus Pätaliputra zurück. Er beginnt seinen kurzen Monolog mit einer Strophe, daß nur der schwere Befehl eines Herrn den Diener treibt, 100 Meilen hiji und zurück zu gehen (97, 1 ff., Vers 87). Karabhaka war am Ende des II. Aktes von Räkshasa ausgesandt worden, um über den Erfolg der Aktion des Scheinbarden im I I I . Akt zu berichten. So sind diese Akte vom Ende des II. bis Anfang des IV. miteinander verbunden. Der Kämmerer Candraguptas hatte im III. Akt sehr ernsthaft und berechtigt über die Schwere des Fürstendienstes geklagt, insofern er zwischen dem König und seinem Minister eine allzu schwere Stellung hatte 2 , aber dieser Diener Räkshasas ist ohne solchen triftigen Grund bloß über die körperliche Anstrengung des Dienstes unwillig, und das wirkt komisch 3 . Er hat eine, wie er meinen muß, günstige Botschaft zu 1
Rüben 1954a 114. S. o. 77, 3; 95, 6f.; s. u. 127, 14f.: Bhäguräyanas Klage. 3 Vgl. die Klage des Vidüshaka im II. Akt der ¡Sakuntalä über die Strapazen der königlichen Jagd. 2
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bringen, sollte sich also über den Erfolg seines Herren und seiner Sendung freuen, t u t es indessen nicht. So stellt der Dichter wiederum die siegreiche Seite Cänakyas der schwachen Seite Räkshasas gegenüber. Karabhaka sucht und findet Räkshasas Haus und läßt sich durch den Türhüter melden. Der aber rät ihm zur Geduld, da der Minister, überarbeitet, schlaflos an Kopfschmerz leidet und noch im Bett liegt. Karabhaka sieht das ein (97, 5ff.). Der Türhüter hält den Ankommenden zurück wie Cänakyas Schüler den YamaSänger im I. Akt und der Diener Räkshasas den Schlängenbändiger im II. Akt. Es war eben Sitte, den Zutritt zu hohen Herrschaften zu erschweren (s. u. Vers 90). Wenn Karabhaka hier dem Türhüter offen seinen Namen und seine Ankunft aus Pätaliputra sagt, so ist auch dieser Bruch des Geheimnisses des Rakshasa vielleicht als Charakterisierung des schlechten, unwilligen Agenten gemeint. Cänakyas Schüler, der bei ihm die Rolle des Türhüters spielt, wird zumindest von Cänakya und seinen Agenten in ihre Politik nicht eingeweiht. Vielleicht ist der Agent hier aber auch nur leichtsinnig. Er heißt Karabhaka = Kamel. Denselben Namen trägt ein Bote der Königin an den König im II. Akt der Sakuntalä 1 , war also in Wirklichkeit oder dichterischer Fiktion üblich für eilende Boten. Unser ärgerlicher Bote aber macht einen Witz und stellt sich dem Türhüter als Karabhaka, der wie ein Kamel aus Pätaliputra eilend gekommen ist, vor. H a t er also nur, um diesen Witz anzubringen, unerlaubterweise seinen Namen verraten? Karabhaka sollte auch wohl mehr auf seine schleunige Zulassung zum Minister drängen, wenn er von der Wichtigkeit seiner Aufgabe überzeugt wäre. Andererseits dürfte ein Minister sich bei so wichtigen Agenten niemals verleugnen lassen. Ein Cänakya würde ja auch nie müde werden oder an Kopfschmerzen leiden, allenfalls sein König Candragupta, wie z. B. am Ende des I I I . Aktes. In Mahädevas Prosaerzählung fehlt diese Dienerszene, fehlt aber auch der folgende Monolog Räkshasas, der an der Stelle der längeren Monologe Cänakyas, Räkshasas und Candraguptas im I., II. und I I I . Akt steht. Auf der Bühne erscheint Räkshasa in seinem Bett mit Sakatadäsa auf einem Sitz. Der Minister überlegt bei sich in zwei Strophen: 1. Wenn ich überlege, wie wenig ich das Schicksal meistern kann, wie angeboren schlau aber der Geist Cänakyas ist, verbringe ich die Nächte schlaflos (98, 7ff., Vers 88). Räkshasa grübelt (im scharfen Gegensatz zu Cänakya) erfolglos über den üblichen Gegensatz von Schicksal und politischem Verstand, wie er sagt. Saktadäsa wird erst später erwähnt 2 und bleibt solange stumm 3 . 2. Im Anfang entwirft er einen Plan im kleinen, wünscht dann, daß er wächst, läßt die geheime Frucht der ausgetragenen Samen sprießen, überlegt im Geiste und vollendet die Handlung. — Das ist die mühsame Arbeit des Dichters oder oder meinesgleichen (98, 13ff., Vers 89). Der Dichter wird dem Politiker und beide werden dem Gärtner verglichen. Visäkhadatta preist in dieser Weise seine aufgewandte Mühe durch den Mund des 1 2 3
Ed. Capeller 25, 6; ed. Böhtlingk 29, 15. S. u. 109, 5. S. u. 111, 3.
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Ministers 1 , er war stolz auf den ausgeklügelten Aufbau der Handlung seines Dramas 2 . Der Poetiker Vämana hat später in etwas beschränkterem Sinne gelehrt, daß der Dichter außer dem Leben die Wissenschaften, und unter anderen Wissenschaften auch die Staatslehre kennen muß, um die Handlung richtig zu führen und Stoff und Krummheit der Intrigen aus ihr zu lernen 3 . Er hat gelegentlich die Staatslehre des Kamandaka erwähnt 4 . Bei einem so politischen und angeblich historischen KautalyaDrama wie dem des Visäkhadatta ist Kennerschaft des Kautalya und seines Lehrbuches eine Selbstverständlichkeit; einem Dichter, der wie unserer aus einer Familie von Staatsmännern stammte, lag sie besonders nahe. Daß der Dichter das Leben und die Wissenschaft kennen muß, ist aber auch eine Forderung der heutigen realistischen Kunstrichtung. Der Minister grübelt, ob Cänakya durch List gewonnen werden könnte; der Torhüter tritt gleichzeitig mit dem Gruß: Siegreich sei der Minister! ein. Beides verbindet sich in Räkshasas Gedanken zu einem Satz: Cänakya sei siegreich, gewonnen werde der Minister. Dies nimmt Räkshasa, dem dabei das linke Auge als böses Omen zuckt, als unumgängliche Voraussage der Zukunft (99, 3ff.). Räkshasa grübelt, ob er Cänakya von Candragupta loslösen und gewinnen könnte; das ist politisch ganz ausgeschlossen, wie der Zuschauer weiß; und dementsprechend erfährt Räkshasa durch das Omen, daß es umgekehrt kommen wird (d. h. er, Räkshasa, mit Candragupta versöhnt werden wird). Bis zum Ende des IV. Aktes aber handelt Räkshasa, als wenn er diese Voraussage nie erfahren hätte. In einigen Handschriften steht hier noch ein Satz, d a ß Räkshasa sich entschließt, trotz dem Omen seinen Weg weiter zu gehen. Das ist für einen so abergläubischen Mann wie Räkshasa eine unwahrscheinliche Äußerung. Sie entspricht zwar seiner Handlungsweise, braucht aber deswegen als weder echt noch als unecht anerkannt zu werden. Warum der Dichter den Minister in dieser Weise an dieser Stelle hat warnen lassen, ist noch unklar. So erscheint diese Szene einstweilen als Spielerei mit zwei Sätzen. Aber vielleicht sollte Räkshasa das Wort, das mit „gewonnen werden" übersetzt ist, nur als „betrogen werden" verstehen, so daß nur der Zuschauer, der Cänakyas Plan kennt, den wahren Sinn des Vorzeichens versteht. Diese Sätze sind ein Gegenstück zu Cänakyas ähnlichem, aber Sieg verheißenden Vorzeichen im I. Akt 5 . Der Türhüter meldet Karabhaka. Räkshasa läßt ihn eilig eintreten. E r erkennt ihn, erinnert sich aber wegen der Fülle der Geschäfte nicht der dem Karabhaka gestellten Aufgabe (99, 8ff.). Warum der Torhüter den Karabhaka gerade jetzt nicht mehr länger warten läßt, wird nicht gesagt. Man kann doch wohl kaum annehmen, daß er den (doch bloß gedachten) Monolog des Ministers gehört hat und meint, er sei jetzt wach und empfangsbereit. Der Dichter hat sich hier den Übergang leicht gemacht (s.u. zu 111,11 £E.). Er braucht eben inzwischen Zeit für Räkshasas Monolog. Wenn Räkshasa jetzt den 1
S. o. Vers 48 und 108 (121, 3f.): Politik-Pflanze. Walimbe 38 (Introduction) über die Termini des Verses. 2 S. o. zu 90, l f f . 3 Vämana I, 3, 3; lOf. 4 Vämana S. 36, 15 (ed. Capeller). 6 S. o. 20, 6ff.; vgl. 24, 11 iE.
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Boten eilig vor sich läßt, bekommt man den Eindruck, daß Räkshasa sich der Wichtigkeit dieses Agenten bewußt ist, und könnte darin geradezu einen Vorwurf an den zögernden Torhüter sehen. Wenn Räkshasa dann aber über Karabhakas Aufgabe nachdenken muß, so ist das ein Zug, der bei Räkshasa bei der Begegnung mit dem Schlangenbändiger ähnlich auftrat 1 , bei Cänakya und dem Yama-Sänger aber nur in wenigen Handschriften steht und daher als unecht angesehen wird 2 , also den Unterschied der beiden Minister kennzeichnet. Nur in der ersten Szene mit seinem Schüler verweist Cänakya kurz auf sein Vielbeschäftigtsein als Entschuldigung. An dieser Stelle des IV. Aktes braucht der Dichter diese Begründung, um während des Nachdenkens des Ministers eine Szene zwischen dem Prinzen Malayaketu und Bhäguräyana einzuschieben 3 , die jetzt von einem Diener angekündigt werden. Dabei dauert das sinnende, schweigende Dasitzen des Ministers vor seinem Boten freilich für unseren Geschmack viel zu lange. Diener zum Volk: Macht Platz! (Vers:) Geschweige nahezutreten, sogar das Sehen der Menschengötter (der Könige) aus strahlendem Geschlecht ist für Arme schwer wie das der Götter (deren Sitz der herrliche Götterberg ist) (100, 7ff., Vers 90). Malayaketu ist noch nicht auf der Bühne, und Räkshasa gilt noch als fern, nur dadurch ist es verständlich, daß der königliche Diener dem Volk einen so kritischen Vers zuzurufen wagen konnte, und das im Dienst! Aus dem lauschenden Volk auf der Straße hat ihn sicher keiner dem Despoten angezeigt. Man könnte freilich darauf hinweisen, daß es sich um den Diener eines Barbarenfürsten handelt, der im indischen Volk keinen Anhang hatte; aber davon ist im Vers selber nicht die Rede. Es ist aber auch zu bedenken, daß ein indischer Despot vielleicht gar die Betonung des ungeheuren Abstandes seiner Majestät vom armen Volk als richtig hingenommen und im Vers nichts Aufreizendes, sondern eher etwas das Volk Ernüchterndes empfunden hätte. Der Diener spricht Mägadhi, eine Sprache besonders verächtlicher Menschen. Der Diener gibt auf Anfrage Unsichtbarer die Auskunft, Malayaketu komme, Räkshasa wegen seiner Kopfschmerzen zu besuchen (100,12ff.). Wie der Kämmerer im Anfang des I I I . Aktes mimt hier der Diener eine Unterhaltung zur Klärung der Lage. Im I I I . Akt ließ der König Candragupta seinen Minister, obgleich er ihn als Lehrer hochverehrt, scheinbar grollend zu sich rufen, s t a t t zu ihm zu gehen. Hier im IV. Akt aber kommt der Prinz liebevoll besorgt 4 , aber zugleich (was der Zuschauer noch nicht weiß!) durch Bhäguräyana schon bedenklich gemacht, zu seinem Minister, den er bereits aufhört zu verehren. So stellt der Dichter dem scheinbar entzweiten Paar König-Minister im I I I . Akt das tatsächlich sich entzweiende Paar im IV. Akt kunstvoll gegenüber. Malayaketu betritt mit Bhäguräyana und seinem Kämmerer die Bühne und beginnt in Gedanken einen Monolog: Zehn Monate ist es her, daß ich meinem Vater die Totenwasserspende nicht dargebracht habe. Ich hatte ja versprochen, daß ich (das Folgende in zwei Versen:) sie darbringen würde, wenn die Frauen 1 2 3 4
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S. o. 47, 10. Dhu.: pätha. So Dhu. ' S. o. 44, 3ff.: Er schenkt ihm Schmuck.
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der Feinde so jammern würden, wie die meines Vaters bei seinem Tode. Ich muß die Last auf mich nehmen und entweder dem Kampfweg des Vaters (in den Tod) folgen oder statt meiner Mutter die Feindesfrauen weinen lassen (101, 4ff., Vers 91 und 92). Die ersten Totenopfer, sei es das für den Toten als einzelnen, sei es das für die Ahnenschar im Augenblick seiner Aufnahme in sie, wurden bis zu einem Jahr nach dem Tode und manchmal bei besonderer, freudiger Gelegenheit dargebracht 1 . Malayaketu hat also auf den Sieg als solche Gelegenheit gewartet. Jetzt, es ist ja Herbst, will er sich aufraffen zum Kampf und, wenn notwendig, zum Tod, wie sein Vater für den Thron von Magadha gefallen ist. Malayaketu als hitziger, streitbarer Jüngling, steht hier einerseits im Gegensatz zu Candragupta, der die Totenriten für Parvata, seinen Kampfgefährten, bereits im I. Akt vollzogen hat 2 , andererseits zu Cänakya, der sich gleich zu Anfang des I. Aktes rühmen konnte, er habe die Gesichter der Frauen der Feinde finster gemacht 3 und habe sein gegebenes Wort gehalten 4 . Der Zuschauer weiß schon, daß Malayaketu weit davon entfernt ist, sein Wort wahrmachen zu können, der königliche Jüngling steht also als zwar im üblichen Adelssinne „edel" empfindend, aber leichtfertig da. Dieser Monolog des Prinzen steht ferner dem Monolog des Königs Candragupta im I I I . Akt gegenüber: Beide fürstlichen Gegenspieler werden durch die unterschiedlichen Monologe bei ihrem ersten Auftreten deutlich charakterisiert! Malayaketu läßt durch seinen Kämmerer den ihm folgenden Königen sagen, daß er allein Räkshasa mit seinem unerwarteten Besuch erfreuen möchte. Der Kämmerer entläßt die Könige kurz und ohne die von Malayaketu gegebene Begründung; er meldet dann den Vollzug des Befehls und schildert in einem Vers, wie die Könige teils ihre Rosse herumreißen, teils langsam ihre Elefanten wenden, alle aber dem Befehl des Königs gehorchen. Malayaketu entläßt danach auch den Kämmerer (102, 3ff., Vers 93). Malayaketu hat also ein glänzendes Gefolge von Königen 5 ; der Zuschauer erfährt dadurch von seiner Macht. Im folgenden muß er aber mit Bhäguräyana, dem Agenten Cänakyas 6 , allein sein. Der Kämmerer gibt die höflichen Worte des Prinzen an sein Gefolge in geradezu grober Weise weiter (also umgekehrt wie Candraguptas Kämmerer als Bote an Cänakya) 7 und freut sich dann daran (und meint den Prinzen damit zu erfreuen), wie die Könige dem Befehl sofort gehorchen. Wie am Ende des I I I . Aktes der greise Kämmerer dem Candragupta schmeichelt, daß ihm jetzt gehorcht würde 8 , so tut dieser hier dem Malayaketu, aber in kindlicher oder gar kindischer Weise dasselbe. Das Thema des Despotengehorsams ist hier also wiederum angerührt, aber zugleich für den Kenner 1 A. Hillebrandt, Ritualliteratur. Vedische Opfer und Zauber, Grundr. d. indo-arischen Philologie und Altertumskunde III, 2, 1897 S. 90f.; Dhu.: pitrdäna ohne Einzelheiten. 2 S. o. 20, llff. 3 S. o. 6, 8, Vers 10. 4 S. o. 7, 1 usw. 6 anuyäyino räjänah; ebenso 142,2f und 144,13. In der Öakuntalä entläßt der König am Ende des I. Aktes sein Gefolge: anuyätrika (14,22, ed. Capeller). 6 S. o. 9, 1: E r trieb ihn aus Pätaliputra; 35, llff.: E r floh scheinbar aus der Stadt. 7 S. o. 78, 13ff. (höflich) gegen 75, 15 (Befehl des Königs). 8 S. o. 95, 9f.
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angedeutet, daß dieser Gehorsam nicht gut ausgehen wird, denn es wird dem Cänakya gelingen, Malayaketu und seine hier noch gehorsamen Könige in tödliche Feindschaft zu versetzen. Malayaketu fragt Bhäguräyana, was es bedeute, daß Bhadrabhata usw. ihm gegenüber betont haben, daß sie sich nicht durch Rakshasa, sondern durch seinen Heerführer Sikharasena an ihn wenden. Sie trennten sich von Candragupta, der in der Hand des bösen Ministers sei, und kämen zu ihm wegen seiner anziehenden Eigenschaften (103, 4 ff.). Diese Unterhaltung findet unterwegs statt. Sie steht der Unterhaltung Candraguptas mit seinem Kämmerer im III. Akt gegenüber 1 . Malayaketu merkt nicht, daß Bhadrabhata usw. in Cänakyas Auftrag den Keim der Feindschaft gegen Rakshasa in seine Brust gesenkt haben. Deswegen haben sie auch betont, daß Candragupta in der Hand des „bösen Ministers" ist, das geht gegen Cänakya, aber irgendwie wohl auch gegen Räkshasa, den Minister Malayaketus 2 . Malayaketu fragt in dieser Lage nicht den betroffenen Räkshasa, sondern den unerkannten Agenten Cänakyas, Bhäguräyana, traut also dem übermenschlich edlen Räkshasa zu wenig. Bei solchem psychologischen, höchst politischen Mißgriff muß seine Politik scheitern! Gewiß hatte der altindische Despot allerhand Gründe, seiner Umgebung voll Mißtrauen gegenüberzutreten. Aber seinem Hauptminister mußte er vertrauen, sonst war die politische Führung des Staates unmöglich. Mißtrauen und Vertrauen waren übliche Sehlagworte der damaligen politischen Diskussion, aber ein derartig völliges Mißtrauen, wie es Malayaketu hier gegen seinen Minister betätigt (während er dem Agenten Cänakyas, dem Bhäguräyana, vertraut!), entspricht der Irrlehre des Prinzenverführers im Dasakumäracarita, der die Lehre Kautalyas in jeder Hinsicht zu verzerren und in Mißkredit zu bringen sucht 3 . Freilich hätte es nahegelegen, daß Bhadrabhata usw. dem Malayaketu erklärt hätten: Wir kommen zu dir, dem Beispiel folgend, das Räkshasa uns gegeben hat, als er aus Pätaliputra entwich und sich dir anschloß. Daß sie nicht so sprachen, mußte dem Prinzen auffallen; es sollte ihm nach Cänakyas Absicht auffallen. Bhäguräyana erklärt, daß man sich einem Eroberer durch seinen Freund anschließt 4 ; Räkshasa aber sei (nach Einschätzung von Bhadrabhata usw.) nur ein Feind Cänakyas, nicht Candraguptas (also kein zuverlässiger Bundesgenosse Malayaketus). Sollte Cänakya sich als Sieger gebärden und Candragupta ihn entlassen, würde Räkshasa sich mit Candragupta als dem Nandasproß vertragen, Candragupta ihn aber als ererbten Minister annehmen. Malayaketu sieht das ein (103, 9ff.). Bhäguräyana weiß offenbar schon, daß bei dem Scheinzwist im III. Akt Cänakya den Candragupta durch den stolzen Hinweis auf seine Leistung gereizt hat und scheinbar seines Amtes enthoben wurde 5 . Zugleich soll (nach Cänakyas Anweisung) 2 So betont Dhu. S. o. 73, l f f . Vgl. Rüben 1952 a 42 ff. 4 Hillebrandt 1908, 15: Dies ist ein Zitat aus K a u t . 92, 1, nur steht vijigishu statt räjan (Malayaketu ist j a noch kein König, sondern nur Prinz), und neben ätmasampanna fehlt dravya- und prakrtisampanna; Hillebrandt schreibt äirayanlya statt ä^rayet, wie Telang mit K a u t , liest, ohne diese v. 1. Telangs zu erwähnen. 6 S. o. 92, 13ff. 1
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Malayaketu sich nicht mehr dem erfolgreichen und selbstbewußt auftretenden Räkshasa unterordnen. Bhäguräyana weiß weiter, daß Malayaketu bald von dem Scheinzwist erfahren wird, und er malt ihm jetzt schon eine Versöhnung Candraguptas mit Räkshasa aus, die tatsächlich eintreten wird, die von Cänakya gewünscht wird und von jetzt an dem Malayaketu als gefährliche Möglichkeit stets vor Augen schwebt. Da auch dieser königliche Jüngling sie sofort als passend anerkennt, wird zugleich der Zuschauer über die Rechtlichkeit dieser Absicht Cänakyas beruhigt. Damit ist Räkshasa dem Malayaketu als unzuverlässig erwiesen. Der Prinz ist von dieser Entdeckung offenbar so erschüttert, daß er auf jede weitere Diskussion dieses Punktes verzichtet und sich ohne weiteres zu Räkshasa führen läßt, vermutlich jetzt nicht mehr zu einem Höflichkeitsbesuch, sondern mit der Absicht, sich über seine Treulosigkeit Gewißheit zu verschaffen. Diese kurze Unterredung zwischen dem Prinzen und Malayaketu ist in Mahädevas Erzählung fast als einziger Inhalt des III. Aktes wiedergegeben, und zwar beinahe wörtlich, dabei fehlt aber jede Andeutung, bei welcher Gelegenheit die Unterhaltung stattfand 1 . Daß Candragupta nicht ein Usurpator, sondern der rechtmäßige Erbe des Nandathrones ist, insofern er von den Nanda abstammt 2 , diese für den Verlauf der Handlung grundlegende Auffassung wird hier vorausgesetzt, war also vermutlich zu Visäkhadattas Zeiten jedem Gebildeten geläufig. Malayaketu und Bhäguräyana treten in Räkshasas Haus, dem gerade eingefallen ist, daß Karabhaka Nachricht von dem Barden bringen sollte. Malayaketu beschließt, dieses Gespräch heimlich zu belauschen. (Vers:) Die Minister reden ja aus Furcht anzustoßen anders vor ihren Königen, anders in offenen Gesprächen mit den Ihrigen (104, 6ff., Vers 94). Es ist nicht ganz glaubhaft, daß der Prinz mit seinem Ratgeber unbeobachtet und unangemeldet in das Haus des Räkshasa eindringen konnte, aber dem Dichter lag nun einmal daran, die beiden Unterredungen, die des Räkshasa mit seinem Agenten Karabhaka und die des Malayaketu mit Cänakyas Agenten Bhäguräyana gleichzeitig auf die Bühne zu bringen. Er übertrumpfte damit kunstvoll solche Szenen Kälidäsas wie etwa die, wie Urvasi mit ihrer Freundin die Unterredung des Purüravas mit seiner Gemahlin und seinem Brahmanen belauschte 3 . Daß orientalische Despoten ihren Ministern mißtrauten, ist bekannt und oft genug berechtigt gewesen. Hier zeigt sich, daß Cänakyas List nicht nur Räkshasa, sondern bereits auch Malayaketu zu umgarnen begonnen hat. Der Prinz meint wohl, schlau zu handeln, und ahnt nicht, daß er ein Spielball in Cänakyas Hand ist. Das Mißtrauen des Prinzen ist hier ja durchaus nicht angebracht. Räkshasa hat kein Geheimnis vor Malayaketu, er ist der Edelmut selber; er ist seinem Prinzen treu; er wird ihn zwar verlassen, aber nur durch das Mißtrauen des Malayaketu, das Cänakya zu wecken verstanden hat, von ihm verstoßen. Wäre das nicht, hätte Malayaketu dem Räkshasa vielleicht bis zum Sieg vertrauen können. Der Dichter will hier nicht etwa das Mißtrauen des jungen Prinzen gegen den redlichen Räkshasas gerechtfertigt sehen. Gerade die Kompliziertheit dieser Lage reizte ihn zum Abfassen dieser 1 2 8
Es fehlt auch jenes Zitat aus Kaut. S. u. I I C 1 Abschnitt a. Vgl. Rüben 1954a 121 ff.
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Belauschungsszene, die man sich mit den kunstvollen Gesten der altindischen Schauspielkunst lebhaft illustriert denken muß. Der Dichter läßt dabei die beiden Paare auf ihren beiden Teilen der Bühne sich zunächst mit je einer Frage und Antwort je zweimal unterhalten. Das ist eine formalistische Spielerei als Einleitung des großen Dialoges und Botenberichtes, der dem des Yama-Sängers im I., des Schlangenbändigers im II. und Cänakyas im I I I . Akt gegenübersteht und mit Freude vom Dichter durch das Belauschen komplizierter als jene und damit des IV. Aktes und Höhepunktes der Handlung „würdig" gestaltet wurde. Räkshasa fragt, ob sein Unternehmen gelungen ist. Karabhaka bejaht. Malayaketu fragt Bhäguräyana, um was es sich handle. Dieser betont, die Handlungen von Ministern seien undurchdringlich, noch unklar, manmüsse aufmerksam lauschen (105, 6 ff.). Der Dichter will Bhäguräyana Gelegenheit geben, im Prinzen das Mißtrauen gegen die undurchsichtigen Machenschaften des Ministers zu steigern. Er sagt nicht, d a ß er die Angelegenheit nicht kennte. Er lügt also auf keinen Fall. Ob Cänakya von Karabhakas Arbeit wußte, ist auch nicht angedeutet. Vielleicht ließ er ihn absichtlich entkommen, um Räkshasa in Sicherheit und Zuversicht zu wiegen. Karabhaka berichtet über die Gelegenheit f ü r den Barden Stanakalaia, Candragupta aufzustacheln beim Mondfest, das Candragupta angeordnet hatte, um dem über den Untergang der Nanda unglücklichen Volk eine Freude zu bereiten (105, 11 ff.). Diese wichtige politische Begründung für die glanzvolle Abhaltung des Festes hatte Candragupta im III. A k t 1 nicht dem Verbot des Cänakya, das aus gutem politischen Grund erfolgte 2 , entgegengehalten. Der Bote berichtet also nicht nur Tatsachen, sondern im selben Atem eigene Vermutungen; er ist eben ein schlechter Bote, der zum Mißerfolg der Politik seines Herren beiträgt. — Candragupta hätte sich hier auf Kautalya berufen können, der in seinem Lehrbuch Kap. 176,11 dem König rät, in einem neu eroberten Land die Feste des Volkes fromm zu feiern. Räkshasa reagiert nur mit einem Klagevers: Was ist ein Mondfest, ohne Dich, Nanda, Du Königsmond, selbst wenn ein Mond da ist, der die Freude des Nachtlotus ist?! (107, 3ff., Vers 95). Wenn der Dichter den Minister hier in sein gewohntes Jammern verfallen läßt, so wohl, damit Malayaketu ihm wegen seiner Treue zum Nandahaus (und damit gegebenenfalls zu Candragupta) immer mehr mißtraut. Der Kommentator sieht hier im „Mond" wiederum eine Anspielung auf Candragupta, ohne freilich die Worte „Freude des Nachtlotus" 3 auf ihn beziehen zu können. Karabhaka berichtet von Cänakyas Verbot, das dem Wunsch des Volkes entgegenstand, und von Stanakalasas Strophen. Räkshasa lobt den Barden; die Saat der Spaltung müsse unfehlbar aufgehen 4 , denn (Vers:) auch ein gewöhnlicher Mann erträgt nicht auf einmal die Störung seines Vergnügens, wieviel 1 2 3 4
S. o. 84f. J e t z t ist die Zeit f ü r K r i e g ! 89, 6f. Nachtlotus, k u m u d a , vgl. W. R a u , L o t u s b l u m e n , in Asiatica, Leipzig 1954, 505 ff. H i l l e b r a n d t 1908, 24: Ähnlich ist R g h v , X I I , 69,
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weniger ein mächtiger F ü r s t ! — Malayaketu stimmt zu und wiederholt die Strophe (107, 7ff., Vers 96). Räkshasa geht nicht auf die Stimmung des Volkes ein, sondern nur auf die Spaltung, die ei- wie früher falsch einschätzt. Aber Malayaketu gibt ihm recht, läßt sich also auf den von Cänakya gewünschten Weg führen, sich in seinen Wünschen nicht von irgend jemand, auch nicht von Räkshasa, behindern, der das nebenbei gar nicht versucht. K a r a b h a k a berichtet weiter, wie Candragupta, durch das Nichtbefolgen seines Befehls erzürnt, Räkshasas Tugend ausführlich pries, Cänakya aber absetzte. Malayaketu sieht dabei bereits die Wendung Candraguptas zu Räkshasa hin, u n d Bhäguräyana bestärkt ihn darin durch den Hinweis auf die Absetzung Cänakyas (108, 4ff.). Der Scheinzwist beginnt, die von Cänakya beabsichtigten Folgen zu zeigen. Räkshasa entgegnet in diesem Teil der Unterhaltung nichts, er meint eben, die Spaltung (Candragupta-Cänakyas) sei sein W e r k ; bei Malayaketu aber wächst das Mißtrauen gegen ihn. Räkshasa fragt, ob es auch andere Gründe f ü r den Zorn Candraguptas gäbe. Malayaketu wundert sich über diese Frage; Bhäguräyana aber erklärt, die endgültige Spaltung Candraguptas und Cänakyas könne nur aus einem gewichtigen Grund erfolgen, denn Cänakya handle nicht aus nichtigem Grund und Candragupta sei d a n k b a r und gebe die E h r f u r c h t vor seinem Lehrer nicht leicht auf (108, 10fl.). Während eben vorher die beiden Lauscher in dieser kunstvoll gebauten Szene einen Satz des K a r a b h a k a glossiert haben, t u n sie es jetzt bei dem Satz des Räkshasa, der als Frage durchaus berechtigt ist. Zugleich erläutert der Dichter hier dem Zuschauer seine F ü h r u n g der großen Unterredung im I I I . Akt, in dem der Scheinzwist mit dem an sich nicht sehr wichtigen Fest begonnen, dann aber zu einer großen politischen Auseinandersetzung über den Wert und die Leistungen Cänakyas und R ä k s h a s a s geführt hatte. K a r a b h a k a berichtet, daß Candragupta zürnt, weil Cänakya Malayaketu und Räkshasa h a t entkommen lassen. Räkshasa ist froh, d a ß Sakatadäsa bald wieder mit seiner Familie vereint und Candanadäsa befreit sein wird, denn jetzt wird Candragupta in seiner Hand-sein 1 . — Malayaketu versteht dies nicht. Bhäguräyana erklärt ihm: Wenn Candragupta von Cänakya getrennt ist, ist es unbedingt leicht, ihn zu entthronen (?) (109, 3ff.). Hier weichen die Handschriften bedeutend voneinander a b ; einige lesen: Räkshasa sieht im E n t t h r o n e n 2 Candraguptas keinen Zweck. Dhundhiräja erläutert dies: Für Räkshasa ist die Hauptsache der Nutzen f ü r seine Freunde Sakatadäsa und Candanadäsa. — Vielleicht ist das Wort, das mit Entthronen (im Sinne Räkshasas) übersetzt ist, im Sinne Bhäguräyanas mit Erretten zu übersetzen: R ä k s h a s a will angeblich Candragupta aus der H a n d Cänakyas erretten. Wörtlich heißt es nur „herausreißen". 1
S. o. 17, 3: Cänakya sagte: Räkshasa ist in meiner H a n d . u d d h a r a n a = 113,9. D h r u v a : set him aside; K a i e : uprooting C a n d r a g u p t a ; W a l i m b e : extermination. 2
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa"
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Räkshasa fragt, wo Cänakya jetzt sei. Karabhaka: In Pätaliputra. Räkshasa: Ist er nicht als B üßer in den Wald gegangen ? Hat er keinen neuen Schwur getan? Karabhaka: Es heißt, er wird gehen. Räkshasa, erregt, zu Sakatadäsa: Das paßt nicht! (Vers:) Er, der die Kränkung des indragleichen Nanda nicht hinnahm, der sollte die Kränkung seines eigenen Geschöpfes, des Maurya, ertragen? — Malayaketu fragt, was Räkshasa sich davon verspräche, wenn Cänakya in den Wald ginge oder wieder schwöre? Bhäguräyana: Sobald Cänakya vonCandragupta getrennt ist, steht es für Räkshasa günstig (110,3ff.). Räkshasa ist auf dem richtigen Wege! Er ist eben ein großer Politiker, will der Dichter andeuten. Er will nicht nur zornige Worte berichtet hören, sondern sehen, daß Cänakya Folgerungen zieht. Cänakya aber hatte im I I I . Akt keinen neuen Racheschwur geleistet 1 . — Malayaketu versteht indessen die Wichtigkeit des Gesichtspunktes des Räkshasa nicht und lenkt nach dem Willen des Dichters das Gespräch in nebensächliche Bahnen. Und Bhäguräyana entgegenet nichtssagend, ausweichend, offenbar froh, daß Malayaketu in seiner politischen Unerfahrenheit der Wahrheit des Scheinzwistes nicht auf die Spur kommt, während es dem Räkshasa bei seiner großen politischen Erfahrung beinahe gelingt. Sakatadäsa bittet Räkshasa, nicht irrig zu überlegen, es passe schon! Candragupta, vor dem die Könige sich neigen, könne den Widerspruch gegen seinen Befehl nicht ertragen; Cänakya aber, der nur durch Schicksalsmacht seinen Schwur erfüllt sah, schwöre voll Furcht vor der Zukunft nicht wieder, mag er auch grollen, denn er habe bei seinem Zauber die Schwierigkeit der Erfüllung gesehen. — Räkshasa stimmt dem kurz zu und entläßt Sakatadäsa und Karabhaka (111, 3ff.). Sakatadäsa ist vom Dichter in diese Szene eingefügt, nur um an dieser kurzen Stelle Räkshasa von seinem berechtigten Verdacht der Wahrheit abzubringen. Sakatadäsa hat den Scheinzwist nicht mehr in Pätaliputra erlebt, er, dieser politisch ahnungslose 2 Schreiber, spricht also nur seine Vermutungen aus, und die sind falsch. Cänakya fühlt sich nicht als Günstling des Schicksals, er ist kein Fatalist; er ist nicht ängstlich geworden, sondern unbändig stolz auf die Erfüllung seines Schwurs. Wenn er nicht noch einmal im I I I . Akt schwört, so deswegen, weil er bei dem scheinbaren Charakter des Zwistes keinen Grund zu schwören hat und Candragupta, der anfing, Cänakyas Zorn für echt zu halten, nicht noch mehr erschrecken will. Er droht also nur mit einem neuen Schwur, ohne ihn auszusprechen (und nebenbei sollte man erwarten, daß Karabhaka davon seinem Auftraggeber berichtet hätte!). Räkshasas besorgte Frage war politisch richtig. Cänakya hatte aber nicht vorausgesehen, daß Räkshasa so klug überlegen würde. Er hat diesem Fall nicht vorgebeugt. Er hat Pätaliputra nicht verlassen, obgleich er angeblich sein Amt niedergelegt hat. Sakatadäsa aber bringt Räkshasa von seinem berechtigten Skrupel ab, er rettet damit, ohne es zu wollen, die Politik des Cänakya, die hier beinahe gescheitert wäre. In der Denkweise des Dichters ist Sakatadäsa hier das Werkzeug in der Hand des Schicksals, das dem Cänakya zu Hilfe kommt, und das im entschei1 2
S. o. 93,12. S. o. zu 22, 3ff.
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denden Augenblick, als Malayaketu von Räkshasa getrennt werden soll. Daß der Dichter tatsächlich einen solchen fatalistischen Zug in die Politik Cänakyas hineinbringen wollte, ist nicht zu bezweifeln. Wenn Sakatadäsa hier auf die Zauberei des Cänakya anspielt, so ist das für die Rekonstruktion der Vorgeschichte der Handlung wichtig 1 . Nach dem Kommentar hatte er im Hause des Nanda-Ministers Sakatäla heimlich einen Zauber ausgeübt, um innerhalb von sieben Tagen Nanda samt seinen Nachkommen zu vernichten. Der Dichter setzt voraus, daß der Zuschauer diese Legende in irgendeiner Form kannte. Räkshasa läßt sich durch diese falschen Erwägungen seines Schreibers sofort umstimmen. Er vertraut eben seinem treuen Anhänger mehr, als er dürfte. Der Dichter, der Räkshasa kurz vorher als klugen Politiker hinstellen konnte, mußte ihn im Verlaufe der Handlung Fehler über Fehler machen lassen, weil er ihn von Cänakya besiegen lassen wollte. Der Minister hat den Bericht seines Agenten über die Ereignisse des III. Aktes gehört, meint von ihm nichts mehr erfahren zu können und entläßt Sakatadäsa mit dem Auftrag, dafür zu sorgen, daß Karabhaka sich ausruht. Der Dichter will im folgenden eben den Minister alleine dem Prinzen Malayaketu gegenüberstellen. Sachlich hätten Sakatadäsa auf der einen und Bhäguräyana 2 auf der anderen Seite den Gang der folgenden Unterredung des Ministers und des Prinzen nicht gestört; der Dichter hat eben den Dialog dieser beiden allein für dramatisch wirkungsvoller gehalten. Die Lage ist ähnlich der im III. Akt bei der analogen Auseinandersetzung zwischen Candragupta und Cänakya, wo er den Kämmerer als Boten des Königs wenigstens als stumme Person auf der Bühne hinnahm. Räkshasa äußert seinen Wunsch, den Prinzen zu sehen. Da tritt der Prinz mit demselben Wunsch hervor und erkundigt sich nach kurzer Begrüßung nach dem Kopfweh. Räkshasa: Wie kann mein Kopfschmerz erträglich sein, solange Dein Prinzentitel noch nicht durch den Oberkönigstitel überdeckt ist ? Malayaketu fragt zurück, wie lange er mit seinen Truppen noch auf ein Unglück (oder einen Fehler, eine Blöße) des Gegners warten soll, wo Räkshasa ihm doch den Erfolg als leicht versprochen hat (111,11 ff.). Da kein Diener, auch wohl nicht mehr der Türhüter vom Anfang des Aktes auf der Bühne ist 3 , spricht Räkshasa seinen Wunsch zu sich selber, aber unrealistischerweise laut 4 . Er möchte wohl dem Prinzen von dem Zwist in Pätaliputra Kenntnis geben und ihn zum Kriegsbeginn auffordern. Dementsprechend lenkt er bei der Antwort nur die Frage nach seinem Kopfweh sofort auf die brennende Frage der Eroberung des Thrones über. Malayaketu andererseits fragt sofort nach einer Blöße des Feindes, auf die er, Räkshasa und seine ganze Partei offenbar schon lange warten. Er hat eben ja den Bericht über die neue Blöße des Feindes, den Zwist, belauscht und möchte schnell zur Sache kommen. Vermutlich wird Räkshasa ihn schon des öfteren darauf aufmerksam gemacht haben, daß man auf einen günstigen Augenblick warten müsse. — Hier ist vom Herbst als günstiger Jahreszeit keine Rede, nur von „Unglück", vyasana, Fehler, Blöße des Feindes, einem wichtigen Punkt der politischen Berechnungen, dem Kautalya sein ganzes VIII. Buch gewidmet hat. 1 2 3 4
S.u. H C 1. E r bleibt auf der B ü h n e bis 116, 3. S. u. 116, 4: E r r u f t Diener. S . o . zu 99, 8 ff. ü b e r R ä k s h a s a u n d seinen T ü r h ü t e r .
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Diese kurze Begrüßungsszene, die Räkshasa überrascht zeigt, recht frostig verläuft und in gegenseitigem Auffordern, sich zu setzen, besteht, steht in deutlichem Gegensatz zu der Begrüßungsszene im I I I . Akt, in der König Candragupta seinem Lehrer Cänakya zu Füßen fällt 1 , obgleich er einen Zwist mit seinem Lehrer zu mimen vor hat. Räkshasa: Jetzt gilt es nicht mehr zu warten, sondern zum Siege aufzubrechen, denn ein Unglück des Feindes ist beobachtet worden, und zwar das „Unglück des Ministers", Cänakya ist abgesetzt. — Malayaketu schätzt dagegen das „Unglück des Ministers" als nichtig ein (112, 7fE.). Kautalya beginnt das erste Kapitel seines VIII. Buches über das „Unglück" mit der Diskussion, ob das „Unglück des Ministers" schlimmer ist oder das „Unglück des Königs" 2 . Er führt dabei als die ältere Ansicht eines Bhäradväja an, daß der Minister für den R a t , für die Geschäfte der Steuer und des Heeres usw. usf. ausschlaggebend ist, sein Unglück also schlimmer als das des Königs ist. Aber Kautalya hält dem entgegen, daß der König entscheidend ist, denn er kann den „unglücklichen" Minister durch einen anderen ersetzen, er ist es ja, der Minister usw. einsetzt und alle politischen Maßnahmen veranlaßt. Der Dichter läßt hier Räkshasa auf dem Standpunkt des Bhäradväja, Malayaketu aber auf dem des Kautalya stehen. Er selber aber hat in der Gesamtlage seines Dramas die Wichtigkeit des Ministers betonen wollen, also letzlich an Bhäradväjas Lehre geglaubt, und sein Cänakya befolgt dessen Lehre durchweg, nicht die des Kautalya an dieser Stelle seines Staatslehrbuches. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß der historische Kautalya-Cänakya, der Minister des Maurya, selber sich zwar der entscheidenden Wichtigkeit des Ministers bewußt war, sein Lehrbuch aber so geschrieben hat, als wäre der König, eben sein junger Candragupta, die entscheidende Figur im Königreich; das mußte er als Ideologe des Despotismus den Untertanen gegenüber tendenziös betonen. Hier ist das Paar der Unterredner im IV. Akt ebenso wie das des I I I . Aktes 3 auf ein Kernproblem des Dramas gekommen. Räkshasa entgegnet, d a ß manchmal bei einigen Königen das „Unglück des Ministers" kein Unglück sein mag, daß das aber für Candragupta nicht zuträfe. — Malayaketu dagegen meint, daß das gerade bei Candragupta zuträfe, denn dessen Untertanen seien durch Cänakyas Fehler enttäuscht, würden also durch dessen Absetzung noch mehr f ü r Candragupta gewonnen, als sie schon vorher waren (112, 13ff.). Räkshasa ist zu bescheiden, um die höhere Bedeutung des Ministers vor dem Despoten durchweg zu behaupten, spürt aber wohl in Malayaketu dessen persönliche Eifersucht auf die Macht im Staate. Aber er ahnt nicht, was Bhäguräyana dem Prinzen eingeflüstert hat. Räkshasa meint es wirklich und hat recht zu behaupten, daß für den Candragupta des Dramas ein solches „Unglück des Ministers" entscheidend wichtig wäre. Malayaketu aber meint, dahinter einen anderen Sinn fühlen zu können, daß nämlich Räkshasa sich über Cänakyas Absetzung freue, denn jetzt 1
S. o. 80, 9ff. Darauf m a c h t e Walime 36 (Introduction) a u f m e r k s a m . Vgl. K a m . X I I I , 18 ff. 3 S. o. zu 83,11 ff. über das Widersprechen des Ministers Cänakya gegen seinen König Candragupta. 2
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sei für ihn selber der Ministerplatz bei Candragupta frei geworden. Daher meint Malayaketu jetzt erst recht, daß die Untertanen dem Candragupta ergeben und jetzt noch ergebener geworden sind, denn sie haben schon Räkshasa als Nachfolger Cänakyas im Sinn. Seine lauernden Worte treffen — was die Treue Räkshasas zu ihm angeht — völlig daneben, beruhen auch nicht etwa auf besonderen Informationen, die der Prinz (außer den Sticheleien Bhäguräyanas) erhalten haben könnte. Der Dichter charakterisiert ihn mit diesen Worten vielmehr als politisch unklug und letztlich von Cänakya beeinflußt. Richtiger mag sein, daß Candragupta das Volk durch das Mondfest für sich gewinnen wollte 1 und daß Cänakya durch Abstellen von Ärgernissen die Städter für Candragupta zu gewinnen begonnen hat 2 , selbst wenn das Lob Candraguptas im Munde des Goldschmieds nur Schmeichelei und Lüge wurde 3 . Räkshasa widerspricht: Zweierlei Art sind die Untertanen. Nur die Anhänger Candraguptas werden durch Cänakyas Fehler abgestoßen, nicht die Anhänger Nandas. Diese sehen vielmehr, daß Candragupta, undankbar, sein väterliches Nandahaus vernichtet hat, und warten nur auf deinesleichen, um sich ihm anzuschließen. Dafür bin ich selber ein Beispiel (113, 5ff.). Wie Cänakya im I I I . Akt den Candragupta mit den zweierlei Arten der Behandlung der unzufriedenen Untertanen wissenschaftlich-systematisch belehrt hat 4 , so hier im IV. Akt Räkshasa seinen Prinzen über die zwei Arten der Untertanen. Er ist ja ebenso gelehrt wie Cänakya und wird hier, wie jener dort, recht haben. Über das wichtige Zahlenverhältnis der beiden Gruppen der Untertanen zerbricht er sich aber nicht den Kopf. Malayaketu fragt, ob es noch andere Gründe gäbe, jetzt anzugreifen. Räkshasa erklärt diesen Grund für den wichtigsten, denn Candragupta habe alles Cänakya überlassen und sei dadurch blind gegenüber dem Weltlauf geworden (Vers:) 5 . Ein Fürst ohne Minister ist wie ein Säugling ohne die Brust der Mutter; unwissend über den Lauf der Welt, kann er sich keinen Augenblick bewegen. — Malayaketu freut sich insgeheim, daß sein eigener Erfolg (wie er meint) nicht derartig von seinem Minister abhängt, und fragt, ob das „Unglück des Ministers" eindeutig den Sieg verheiße. Räkshasa bejaht das, denn (Vers:) du bist stark, die Stadt ist den Nanda zugeneigt, Cänakya ist abgesetzt, und Maurya ist als König neu 6 , ich bin selbständig — oder vielmehr (fügt er schnell bescheiden hinzu) bin dir ergeben im Raten der Wege usw., also liegt nur dein Befehl zwischen uns und unseren Zielen (113,12ff., Vers 100 und 101). 1
S. o. 106,7ff. S. o. 14, 8f. 3 S. o. 28, 2f., Vers 21. 1 S. o. 88,9ff. 5 Vers 99 ist vermutlich ein Zitat aus Tantr. I, 64, oder ist aus unbekannter Quelle in beide Texte eingedrungen. Der Vers paßt hier inhaltlich neben dem folgenden nicht gut: Die Glücksgöttin verläßt einen von beiden, wenn Minister und König allzuhoch sind; als Weib trägt sie die Bürde beider nicht. — Der Vers fehlt in mehreren guten Handschriften und steht in anderen an anderer Stelle. Vgl. den unechten Vers 22 (31,3ff.). Umgekehrt urteilt Hillebrandt 1908, 28 (im Anschluß an Speyer). 8 D . h. ungefestigt. 2
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Malayaketu antwortet auf Räkshasas Belehrung nicht, er glaubt ihm eben nicht, daß er den Nanda anhängt und deswegen treu zu ihm und nicht zu Candragupta hält. Er glaubt auch nicht an die Wichtigkeit Cänakyas für Candragupta und möchte weitere Gründe zum Beginn des Angriffs bekommen. Räkshasa indessen ahnt von diesen mißtrauischen Gedanken seines Prinzen nichts und wiederholt sein Argument in zwei Versen. Wenn er dabei meint, Candragupta sei dem Weltlauf gegenüber blind, so widerspricht er dem Urteil des Cänakya, Candragupta verstehe sich gut auf den Weltlauf 1 . Der Dichter ist aber sicher der Meinung Cänakyas, nicht Räkshasas, die mehr dessen Wunsch als guter Kenntnis der Tatsachen entspringt. Malayaketu hält sich zwar innerlich für selbständig und bildet sich darauf etwas ein, erliegt aber dennoch Räkshasas Begeisterung. Diese beruht indessen auf lauter falschen Einschätzungen der Städter, des Cänakyas und Malayaketus. Seine eigene Wichtigkeit aber scheut er sich auszusprechen, bricht vielmehr mitten im Satz ab und führt ihn mit einer Wendung, die seine Rolle verkleinert, weiter. Ein ähnliches Abbrechen aus Scham hatte der Dichter im I. Akt Cänakya in den Mund gelegt 2 . Er wollte ja beide Minister als ähnlich wichtig, ebenbürtig hinstellen (und sie sind auch gleich abergläubisch). Malayaketu: Wenn du die Zeit für den Angriff siehst, wozu warten? (Vers:) Meine Elefanten werden das Wasser des Son-Flusses trinken, die hohen das des hochufrigen, die Brunstsaft-triefenden das des wasserströmenden, die dunklen das des dunkelwaldigen, die Bienen-umsummten das des wellengeschwätzigen, . . . (Vers:) Die Stirnbuckel meiner Elefanten werden die Stadt bestürmen wie wassersprengende Wolkenkränze das Vindhyagebirgen... Er geht mit Bhäguräyana fort (115, 9ff., Vers 102 und 103). Malayaketu setzt mit seinen beiden kriegsbegeisterten Versen (die den beiden Versen Candraguptas und Cänakyas am erregten Ende ihrer lange Prosa-Unterredung im I I I . Akt gegenüberstehen) 3 , die beiden Verse Räkshasas fort, ohne die Unterredung sachlich weiterzuführen; er erkennt vielmehr in dem einleitenden Prosasatz Räkshasa als seinen ausschlaggebenden Berater an, schiebt ihm geradezu die Entscheidung zu, und das, obgleich er sich auf seine Selbständigkeit soviel einbildet. Er ist eben ein ausgesprochenes Gegenstück zu Candragupta, der in der einsichtigen Unterordnung unter seinen weisen Lehrer seine Freiheit gepriesen hatte; Malayaketu ist ein kriegerischer Jüngling ohne politischen Verstand. Räkshasa aber ist jetzt durch Cänakyas Intrigen selber verblendet und läßt den Prinzen kriegerisch rasen, meint gar, ihn richtig gelenkt zu haben. Und doch verlassen ihn die Sorgen nicht. Alleine steht er auf der Bühne und ruft, wer als Diener da sei; er läßt den Diener einen Astrologen, der offenbar am Tor zu warten pflegt, holen. Der Diener meldet den Jainamönch als Astrologen, und Räkshasa fühlt Unbehagen, denn, zuerst einen Mönch zu sehen, bedeutet ein böses Omen 4 , wie er sich selber eingesteht. Er läßt ihn, als er seinen Namen gehört hat, aber dennoch vor sich kommen, nur soll er erst sein ekles Aussehen 5 ablegen (116, 4ff.). 1 3 4 6
S. o. 21,2. 2 S. o. 31,6. Belege bei Telang. S. o. 92, 3ff. Belege bei Telang. Vermutlich ging er nackt. Walimbe: Geschoren, schlechte Kleider.
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Jivasiddhi, der als Jainamönch verkleidet und für Cänakya als Agent arbeitende Brahmane Vishnusarman, der Astrologie studiert 1 hat, der dem Parvata das Giftmädchen zugeführt hat 2 , deswegen (wie man dem Räkshasa gemeldet hat) als Parteigänger der Nanda aus Pätaliputra verjagt wurde 3 und für Räkshasa, wie dieser meint, gearbeitet hat 4 , steht jetzt an Räkshasas Tür als Astrologe 5 bereit; er ist ihm schon lange bekannt und vertraut 6 . Wenn er ihn also trotz seines „ekelerregenden" Jainamönchtums (Visäkhadatta hat offenbar die Jaina gehaßt, die teilweise nackt gingen) vorläßt, so, weil er ihm vertraut. Man erwartet freilich, daß dies Vertrauensverhältnis bei der Begegnung irgendwie zum Ausdruck käme, aber es zeigt sich in der Unterhaltung nicht. Der Kommentator geht wohl zu weit, wenn er meint, es sei mit dem Namen Jivasiddhi = Lebensvollendung angedeutet, daß später Malayaketu Räkshasa töten will, Bhäguräyana das aber listig verhütet und dem Räkshasa sein Leben rettet. Jivasiddhi spricht hier MägadhI, die Sprache der Verachteten, obgleich er ein gebildeter Brahmane ist. Diese Sätze sind ein bezeichnendes Gegenstück zu denen im I. Akt 7 , in denen Cänakya gemeldet wird, daß ein Jainamönch zum Feind übergegangen ist, so daß Cänakya sich freut; dann wird sein Name Jivasiddhi genannt, und Cänakya erkennt in ihm seinen Agenten. Daß Räkshasa einen Astrologen ruft, steht auch dazu im Gegensatz, daß Cänakya sich im I I . Akt 8 scheinbar auf Astrologen beruft, als er Candraguptas Krönung festsetzt, während er vermutlich in Wirklichkeit alles listig selber vorbereitet und die Astrologen gelenkt und vorgeschoben hat. Der Mönch tritt mit einer Strophe auf: Nehmt die Lehre der Arhat an, der Ärzte gegen die Krankheit Verblendung, die lehren, was zuerst hart, dann glücklich ist. — Räkshasa bittet ihn, einen für sein Unternehmen günstigen Tag zu überlegen. Der Scheinastrologe sinnt nach und erklärt, er habe schon überlegt: Bis zum folgenden Mittag sei der Tag, ein Vollmondstag, für Räkshasa, der von Norden nach Süden aufbreche, ungünstig (Vers). Räkshasa, der die Einzelheiten anscheinend nicht versteht, fragt: Also ist der Tag ungünstig? Der Astrologe entgegnet mit zwei Versen: Der Tag zähle nur ein Viertel soviel wie das Mondhaus und ein Vierundzwanzigstel der Konstellation. Er solle mit der Macht des Mondes gehen 9 , um langes Leben zu erlangen. — Räkshasa empfiehlt dem Astrologen, sich mit anderen Astrologen noch einmal zu beraten. Jivasiddhi lehnt das ab und erklärt, nach Hause gehen zu wollen. Räkshasa fragt, ob er erzürnt sei. Jivasiddhi: Nicht ich, der Mönch! Räkshasa: Wer sonst ? Jivasiddhi: Die erhabene Astrologie (oder: das Schicksal) 10 , weil du die eigene Partei verlassen hast und der anderen Partei dienst (116,13ff., Vers 104—107). a S. o. 9,10f. S. o. 15,9ff. S. o. 24,4ff.; 60,6; 32,5f. 4 S. o. 43,2. 5 S. o. S. 34 Anm. 2 des II. Aktes. 6 S. o. 1 0 , 1 - 3 . ' S. o. 15, 7ff. 8 S. o. 52,5 ff.; Kautalya glaubte nicht an Astrologie: Rüben 1954c 150. 9 Dhu.: Mit Candragupta! Ein versteckter R a t zur Versöhnung. 10 krtänta bedeutet beides. Dhu.: Astrologie. Über Fatalismus s. zu 193,7. Nach Hille brandt ist die ganze Antwort svagata, nach einigen Ms. nur das Wort: „Das Schicksal". 1
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Im Astrologischen weichen die Handschriften ab, und ich vermag weder die Einzelheiten genau zu übersetzen 1 noch herauszulesen, ob etwa der Scheinastrologe dem fragenden Minister schein wissenschaftlichen Unsinn vorsetzt. Er hat jedenfalls den fatalistischen Minister mit den Angaben, der Tag sei ungünstig, aber der Tag zähle nicht viel, so unsicher gemacht, daß Rakshasa andere Astrologen mit heranziehen möchte. Rakshasa hat eben dem Prinzen Malayaketu als unzweifelhaft vorausgesagt, daß der Sieg sicher sei. Der Prinz ist daraufhin in helle Kriegsbegeisterung ausgebrochen. Im scharfen Gegensatz dazu steht diese finstere Szene, in der der große Politiker sich R a t bei einem Astrologen sucht und nicht ahnt, daß er dabei wiederum einem Agenten seines Gegners, einem gelehrten Astrologen, in die Hände gefallen ist, der in Cänakyas Auftrag mit ihm sein Spiel treibt. Leider verstehen wir die Einzelheiten dieses Spieles noch nicht. Der Scheinastrologe lehnt Beratung mit Kollegen ab, vielleicht, damit sein Spiel, sein Unsinnsgerede nicht offenbar wird. Der Minister dagegen fürchtet, ihn durch Ungläubigkeit gekränkt zu haben. Der Agent antwortet doppelsinnig: Nicht ich, aber die Astrologie zürnt dir, weil du meine Voraussage mißachtest und dich einer anderen unterordnen willst. So soll Rakshasa es verstehen; aber der Agent will gleichzeitig sagen: Nicht ich, sondern das erhabene Schicksal zürnt dir, weil du die eigene Partei der Nanda (und ihres Erben Candragupta) aufgegeben hast und dem Feind, dem Barbaren Malayaketu, dienst. Diese zweite Bedeutung seiner Antwort ist im Herzen des Astrologen verborgen, wie der Kommentator anmerkt. Dieser Akt spielt also an einem Vollmondstag; nach dem Kommentar sind zwei Monate seit dem Vollmondstag des Festes im I I I . Akt verstrichen 2 ; inzwischen haben die beiden Minister die Grundlage der Spaltung gelegt. Solange hätte also Karabhaka gebraucht, um die Nachricht von dem Scheinzwist Candraguptas mit Cänakya aus Pätaliputra zum uns einstweilen unbekannten Aufenthaltsort Malayaketus und Räkshasas zu bringen. Der Astrologe geht ab. Rakshasa fragt seinen Diener, welche Tageszeit es sei; der antwortet: Die Sonne will untergehen 3 . Rakshasa erhebt sich von seinem Sitz und beschließt diesen Akt mit einem Vers: Die Bäume der Wälder eilen m i t 4 den Schatten ihrer Blätter weit und schnell voran, angestrahlt und ihre Treue zur eben aufgegangenen Sonne verratend. Wenn die Sonnenscheibe aber am Rande des Untergangsberges hängt, wenden sie sich ab. Meistens verlassen die Diener, selbst die liebenden, den Herren, dessen Macht wankt (120, lff., Vers 108). Der Tag neigt sich dem Ende zu, und Rakshasa sieht im Untergang der Sonne gleichsam den Untergang eines Herren. Bei Sonnenaufgang im Osten fallen die 1
Noch Dhu.'s Kommentar! Walimbe: Vollmondstag ist von Mittag an günstig usw. Dhu. bei Telang S. 175; er setzt den III. Akt in Asvin (Sept.-Okt.), den IV. in Märgasirsha (Nov.-Dez.). Dhruva 190: III. Akt Vollmond Kärttika (Okt.-Nov.), IV. wie Dhu. 3 Ahnlich 117,6 in der Zeitangabe des Astrologen. 4 Nicht gehen die Schatten selber. Das entspricht VS V, 2, 19: tamas ist keine Realität und hat keine Bewegung. Der Kommentator ¡Sankaramisra führt dazu an, die Vorstellung, der Schatten bewege sich, könne das Gegenteil zu besagen scheinen. I m Sämkhya gilt tamas bekanntlich als Realität, als guna der Materie. 2
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Schatten der Bäume weit und schnell nach Westen, also in der Richtung des Weges, den die Sonne gehen will. Die Bäume eilen gleichsam mit ihren Schatten ihrem Herren, der sie anstrahlt und den sie lieben (beides liegt in demselben Wort), als Vorläufer voran. Anders ist es abends: Die Sonne neigt sich nach Westen, die Schatten aber gehen jetzt nach Osten, also in umgekehrter, der Sonne abgewendeter Richtung. Räkshasa sieht die mythologische Erdscheibe mit dem Aufgangsberg am Ostrand und dem Untergangsberg am Westrand plastisch vor Augen, sieht die Sonne und die Schatten der Bäume. Und er schließt an diese Weltbetrachtung üblicherweise eine menschliche: So eilen die Diener vor dem aufsteigenden Herren freudig voran, aber sie trennen sich von dem im Abstieg befindlichen, selbst wenn sie ihn an sich lieben. Räkshasa nennt hier keine Namen und ist sich über die Nutzanwendung dieser moralischen Naturbetrachtung offenbar selber nicht ganz im klaren, aber der Zuschauer spürt, daß Räkshasas Worte sich geradezu prophetisch auf ihn selber und auf seinen Herren Malayaketu, aber auch auf seine Nanda, beziehen, die er, obgleich er sie liebt, verlassen hat und verlassen wird, sobald sie im Abstieg waren oder sein werden 1 . Der Astrologe hatte schon vom Sonnenuntergang als einer günstigen Zeit für seine Unternehmen gesprochen. Es ist jetzt tatsächlich Sonnenuntergang, und der aus seiner Siegeszuversicht durch den feindlichen Astrologen-Agenten in Zweifel gestürzte Minister sieht die Welt wieder mit der Wehmut, die für ihn in diesem ganzen Drama bezeichnend ist. Dieser Vers hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem 62. des Bhartrhari: Daß die Freundschaft der Schlechten wie der Schatten des Vormittags erst schwer, dann schwindend; die Freundschaft der Guten aber wie der Schatten des Nachmittags, leicht, dann wachsend ist. — Die Ähnlichkeit der beiden Verse reicht aber nicht aus, erst um zu beweisen, daß ein Dichter den anderen gekannt und nachgeahmt hätte 2 . Im I I I . Akt hatte Cänakya am Ende voll gespieltem Zorn und zugleich voll Siegeszuversicht gegenüber Räkshasa die Bühne verlassen, und Candragupta war schließlich mit seinem greisen, müden Kämmerer, der die Politik des Königs für verfehlt hielt, alleine geblieben; sein Kopf schmerzte ihm von dem gemimten Zwist, und er rechtfertigte sich vor sich selbst nur mit dem Gehorsam, den er seinem Lehrer leistete. Im IV. Akt dagegen ist es der Herr, der junge Prinz Malayaketu, der in trügerischer Siegeszuversicht die Bühne verläßt, trügerisch, weil er Räkshasas auf falschen Voraussetzungen begründeter, kurzlebiger Zuversicht glaubte. Zurück aber blieb der müde, seine Umklammerung durch die Agenten Cänakyas noch nicht ahnende, aber an seiner eigenen Zuversicht irre gewordene Minister, der in der Abenddämmerung aus der Natur geradezu die eigene Niederlage, die kommende Untreue gegen seinen Prinzen herausliest. So schließt der I I I . Akt mit dem heftig gemimten Scheinzwist von Herr und Minister umgekehrt analog zum IV. Akt mit dem noch nicht laut gewordenen tatsächlichen Widerspruch zwischen Herr und Minister. In Mahädevas Prosaerzählungen ist am Ende des III. Aktes nur kurz erwähnt, daß Karabhaka den Scheinzwist an Räkshasa berichtet; dann folgt die obige Unterredung Malayaketus und Bhäguräyanas, und danach folgt der kurze Hinweis, daß 1 2
Vgl. Räkshasa über ¡Sakatadäsa, s. u. 149,5 ff. Hillebrandt 1908, 27 meint, Bhartrhari habe den Gedanken von Viiäkhadatta entlehnt.
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Malayaketu den Bericht über die Spaltung hörte, dadurch in seinem durch Bhäguräyana geweckten Bedenken bestärkt wurde, aber sein Mißtrauen dem Rakshasa nicht zeigte, sondern sich ihm gegenüber wie früher benahm. Von der Reichhaltigkeit des Dramas ist also gar nichts übrig geblieben. Wenn der A k t mit Sonnenuntergang endet, so müßte er nach der Aktdauer wenig vorher, also etwa am Nachmittag begonnen haben. Im Aktbeginn heißt es aber, daß Rakshasa noch mit Kopfweh im Bett liege, da er die Nacht sorgenvoll durchwacht habe 1 . Das sieht eher nach einer etwas späten Morgenstunde aus. Daß nämlich ein Brahmane wie Rakshasa sich etwa in der Mittagszeit zum Schlaf niederlegt, ist nicht anzunehmen, da Schlaf am Tage für Brahmanen geradezu als Sünde galt. Der Dichter hat also die Handlung eines ganzen Tages des Ministers gekürzt und unwichtige Dinge wie Einnehmen von Mahlzeiten und Geschäfte, die nicht direkt mit der Handlung des Dramas zusammenhängen, beiseite gelassen. Der Akt schließt mit der Szene des Astrologen; im Anfang des V. Aktes wird er bald wieder auftreten; damit hat der Dichter wieder eine Art Überleitung geschaffen, ähnlich wie mit Karabhaka zwischen dem II. und IV. Akt, dem Kopfweh Candraguptas im III. und dem Räkshasas im IV. Akt, dem Abgang Siddhärthakas und Sakatadäsas im I. und ihrer Ankunft im II. Akt usw.
V. Akt: Malayaketu rechnet mit Rakshasa ab Der V. Akt hat eine merkwürdige Stellung und Komposition. Der I. und III. A k t hatten in Pätaliputra, der II. und IV. hatten im Lager Malayaketus gespielt. Dabei waren der I . — I I I . Akt die Hinführung zum zentralen IV. Akt des Dramas gewesen. Den drei ersten Akten entsprechen die drei letzten Akte, der V . — V I I . , als Auslauf der Haupthandlung des Dramas, als Folge des zentralen IV. Aktes mit dem Beginn der Spaltung von Prinz und Minister. Der I V . — V I I . Akt aber sind so aufgeteilt, daß der IV. und V. im Heerlager Malayaketus und der VI. und VII. in Pätaliputra spielen, also nicht abwechselnd den Ort wechseln wie der I . — I V . Akt. — Weiter ist der V. Akt wie alle bisher besprochenen Akte in gewisser bewußter Parallelität zum vorangegangenen, also zum IV. Akt disponiert. Zugleich aber ist er auch als eine Art Gegenstück zum III. Akt gemeint, nämlich mit der offen ausbrechenden Feindschaft des Prinzen Malayaketu seinem Minister gegenüber als Gegenstück zum Streit (wenn er auch nur fingiert ist) des Königs Candragupta mit seinem Minister. Darauf ist im folgenden zu achten. Der V. Akt beginnt mit einem Vorspiel 2 , das als solches bezeichnet ist, formal aber mit seinem Dialog dem Dialog am Anfang des IV. Aktes ähnelt, der ebensowenig als Vorspiel bezeichnet ist wie der fingierte Dialog am Anfang des III. Aktes. Zugleich knüpft dies, sicher komisch gemeinte Vorspiel mit dem Jaina-Mönch an das Ende des IV. Aktes an, das aber einen düsteren Charakter gehabt hatte. Siddhärthaka mit einem versiegelten Brief und Schmuckkasten: Wie wunderbar: (Vers:) Die Liane der Politik Cänakyas, begossen von den Krügen Zeit und Ort, die die Wassergüsse des Verstandes enthalten, wird schwere 1
S. o. 98,2ff.
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Oder Zwischenspiel; dessen Definition nach S ä h i t y a d a r p a n a bei W a l i m b e .
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Malayaketu den Bericht über die Spaltung hörte, dadurch in seinem durch Bhäguräyana geweckten Bedenken bestärkt wurde, aber sein Mißtrauen dem Rakshasa nicht zeigte, sondern sich ihm gegenüber wie früher benahm. Von der Reichhaltigkeit des Dramas ist also gar nichts übrig geblieben. Wenn der A k t mit Sonnenuntergang endet, so müßte er nach der Aktdauer wenig vorher, also etwa am Nachmittag begonnen haben. Im Aktbeginn heißt es aber, daß Rakshasa noch mit Kopfweh im Bett liege, da er die Nacht sorgenvoll durchwacht habe 1 . Das sieht eher nach einer etwas späten Morgenstunde aus. Daß nämlich ein Brahmane wie Rakshasa sich etwa in der Mittagszeit zum Schlaf niederlegt, ist nicht anzunehmen, da Schlaf am Tage für Brahmanen geradezu als Sünde galt. Der Dichter hat also die Handlung eines ganzen Tages des Ministers gekürzt und unwichtige Dinge wie Einnehmen von Mahlzeiten und Geschäfte, die nicht direkt mit der Handlung des Dramas zusammenhängen, beiseite gelassen. Der Akt schließt mit der Szene des Astrologen; im Anfang des V. Aktes wird er bald wieder auftreten; damit hat der Dichter wieder eine Art Überleitung geschaffen, ähnlich wie mit Karabhaka zwischen dem II. und IV. Akt, dem Kopfweh Candraguptas im III. und dem Räkshasas im IV. Akt, dem Abgang Siddhärthakas und Sakatadäsas im I. und ihrer Ankunft im II. Akt usw.
V. Akt: Malayaketu rechnet mit Rakshasa ab Der V. Akt hat eine merkwürdige Stellung und Komposition. Der I. und III. A k t hatten in Pätaliputra, der II. und IV. hatten im Lager Malayaketus gespielt. Dabei waren der I . — I I I . Akt die Hinführung zum zentralen IV. Akt des Dramas gewesen. Den drei ersten Akten entsprechen die drei letzten Akte, der V . — V I I . , als Auslauf der Haupthandlung des Dramas, als Folge des zentralen IV. Aktes mit dem Beginn der Spaltung von Prinz und Minister. Der I V . — V I I . Akt aber sind so aufgeteilt, daß der IV. und V. im Heerlager Malayaketus und der VI. und VII. in Pätaliputra spielen, also nicht abwechselnd den Ort wechseln wie der I . — I V . Akt. — Weiter ist der V. Akt wie alle bisher besprochenen Akte in gewisser bewußter Parallelität zum vorangegangenen, also zum IV. Akt disponiert. Zugleich aber ist er auch als eine Art Gegenstück zum III. Akt gemeint, nämlich mit der offen ausbrechenden Feindschaft des Prinzen Malayaketu seinem Minister gegenüber als Gegenstück zum Streit (wenn er auch nur fingiert ist) des Königs Candragupta mit seinem Minister. Darauf ist im folgenden zu achten. Der V. Akt beginnt mit einem Vorspiel 2 , das als solches bezeichnet ist, formal aber mit seinem Dialog dem Dialog am Anfang des IV. Aktes ähnelt, der ebensowenig als Vorspiel bezeichnet ist wie der fingierte Dialog am Anfang des III. Aktes. Zugleich knüpft dies, sicher komisch gemeinte Vorspiel mit dem Jaina-Mönch an das Ende des IV. Aktes an, das aber einen düsteren Charakter gehabt hatte. Siddhärthaka mit einem versiegelten Brief und Schmuckkasten: Wie wunderbar: (Vers:) Die Liane der Politik Cänakyas, begossen von den Krügen Zeit und Ort, die die Wassergüsse des Verstandes enthalten, wird schwere 1
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Oder Zwischenspiel; dessen Definition nach S ä h i t y a d a r p a n a bei W a l i m b e .
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Frucht des Erfolges tragen. — Ich gehe nun also nach Pätaliputra mit Brief und Kasten, versiegelt mit Räkshasas Ring (121, lff., Vers 108). Der Dichter gibt sich hier nicht die Mühe, zu schildern, in welcher Stellung Siddhärthaka seit dem Ende des II. Aktes Räkshasa diente 1 und wie er seinem neuen Herren gegenüber seinen Aufbruch nach der Stadt des Feindes verheimlichen konnte. I n dem „nun also" soll liegen, daß sein Gehen eine Lüge ist 2 . Wenn in dem Vers Zeit und Ort (die der Politiker nach Kautalyas Lehre ständig wohl bedenken muß) als Krüge des Verstandeswassers bezeichnet werden, so ist das so schwer verständlich 3 , daß man hier vielleicht von humorvoller Ausdrucksweise sprechen kann. Die folgende Szene ist ja eine Art Rüpelszene der beiden in verschiedenen Dialekten redenden Agenten Cänakyas im Feindesland. Er sieht einen Jaina-Mönch und empfindet ihn als böses Omen gegen sein Gehen (122, lff.). Er schreckt vor dem Jaina zurück wie oben R ä k s h a s a D a er aber zunächst noch gar nicht wirklich nach Pätaliputra gehen will, sondern vorerst seinen besonderen Zweck hat, wie sich bald zeigen wird, ist ihm dies Omen angenehm 5 ; einige Handschriften 6 lesen: das Omen, „das ich durch ein Sühnemittel schnell wieder gut mache", indem er etwa in die Sonne, diese reine Gottheit, sieht. Auch dies ist vermutlich komisch gemeint. Da der Dichter an omina glaubt, sollte der Zuschauer empfinden, daß die Reise des Siddhärthaka nicht gelingen wird. Tatsächlich gelingt sie doch, aber er erhält vorher die Prügel einer gerichtlichen Tortur, die ihm also durch das Omen angekündigt sind, das demgemäß in der Absicht des Dichters ein echtes Omen ist. Jivasiddhi betritt mit einem Gebetsvers die Bühne: Wir verneigen uns vor den Arhat, die kraft der Tiefe ihrer Einsicht auf übermenschlichen Wegen Vollendung in der Welt finden. — Er spricht Siddhärthaka daraufhin an, daß er im Begriff stehe, eine Meeresüberquerung anzutreten, das verrate der wegweisende Vogel und der Brief in seiner Hand (122, 3ff., Vers 109). Siddhärthaka verbirgt Brief und Schmuckkasten nicht etwa, er will sie sehen lassen (s. u.). Der Mönch neckt ihn deswegen und deutet den Kasten als Vogelbauer, in dem Schiffer einen Vogel (Krähe) mitzunehmen pflegten, die, wenn das Schiff auf hohe See verschlagen war, die Küste anfliegen und damit dem Schiff den Weg weisen sollten 7 . Vielleicht ist der Schmuck im Kasten als Vogel, als wegbereitendes Bestechungsmittel gemeint, der Brief aber als die Fracht des Schiffers. Dieser Dialog des scheinbar überrumpelten Ausreißers Siddhärthaka und des Mönchs, der wie ein allwissender Jaina-Heiliger, ein Arhat, auftritt, ist sicher komisch gemeint. Siddhärthaka gibt sich überführt und fragt den Mönch, ob der Tag günstig für seinen Aufbruch sei oder nicht. Der lacht: Nach dem Haarschneiden fragst 1
S. o. 67, 3f. So nach Dhu. 3 Eher könnte man denken, daß der Verstand Zeit und Ort verwendet. 4 S. o. 116,9. 6 So deuten Dhu. und Telang. 6 Hillebrandt verweist auf Gau. Dh. S. 23,22. 7 I m Baverujätaka (Nr. 339) und Nr. 384. Vgl. R. Fick, Die sociale Gliederung im nordöstlichen Indien zu Buddha's Zeit, Kiel 1897, 173: Disäkäka. 2
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du, ob das Sternbild dafür günstig ist! — Siddhärthaka drängt noch einmal, er würde gegebenenfalls umkehren. Jivasiddhi aber klärt ihn auf, daß man jetzt das Lager Malayaketus nur mit einem gesiegelten Schein verlassen darf 2 , denn man sei in der Nähe von Pätaliputra. Er solle sich vor den Grenzbeamten hüten, daß sie ihn nicht gefangen setzen. Siddhärthaka bittet ihn um seinen Segen. Der Mönch gibt ihn ihm und erklärt ihm gleichzeitig, er gehe jetzt zu Bhäguräyana, um sich ein Siegel geben zu lassen (123, 5ff.). Siddhärthaka, der in Räkshasas Nähe gedient hat, muß von dieser kriegsnotwendigen Verfügung wissen, aber ihm liegt gar nichts am Gehen, an einem Paß, er will vielmehr beim Weggehen mit seinem Brief auffallen und gefangengenommen werden, wie sich zeigen wird. Er geht also nicht etwa mit dem Mönch zu Bhäguräyana wegen eines Siegels, sondern die beiden Agenten Cänakyas trennen sich, sobald sie die Bühne verlassen haben. Sie haben sich gegenseitig nicht als Agenten desselben Herren erkannt; sie spielen dabei nicht etwa nur die Nichtsahnenden, denn es ist ja kein Beobachter aus der Partei Räkshasas in der Nähe. Siddhärthaka nennt dem Mönch sogar seinen Namen und gibt sich als Diener Räkshasas aus (er w i l l ja auffallen und ausgefragt werden, s. u.), ohne damit freilich auf den Mönch Eindruck zu machen. Der Mönch spricht nicht davon, aber seine Absicht (s. u.) ist ebenfalls wie die Siddhärthakas, von den Beamten Bhäguräyana-Malayaketus verhört zu werden. Auch er will nicht etwa wirklich das Lager verlassen, denn seine Aufgabe ist bei Malayaketu noch nicht erfüllt. Er rät hier dem Siddhärthaka nicht mit astrologischem R a t , sondern praktisch mit Hinweis auf die Polizei; er sieht ja, daß Siddhärthaka, der darin skrupellos wie Cänakya-Kautalya ist, im Grunde nichts von Astrologie wissen will. Auch dieser Teil der Szene ist wieder voll Humor. Siddhärthaka fragt den Mönch stolz aufbrausend, ob er nicht wisse, daß er, Siddhärthaka, der Diener Räkshasas sei und also kein Siegel brauche; und der Mönch antwortet aufbrausend zornig, ob du Diener eines Räkshasa oder Pisäca bist, du brauchst ein Siegel. Dabei verulkt Siddhärthaka den Mönch, der doch eben in bezug auf seine Reiseabsicht seine „Allwissenheit" gezeigt hat, damit, daß er ihn, den berühmten Ministerdiener, nicht kennt; der Mönch aber erlaubt sich, den mächtigen Minister wegen seines Namens Räkshasa-Dämon zu verulken, als könne der ihm, dem allmächtigen Heiligen, nichts anhaben. Im folgenden wird er sogar tiefe Feindschaft gegen Räkshasa mimen. Der Mönch gehört also zum Durväsas-Typ des reizbaren Heiligen, fern von buddhistischer Ruhe 2 . Darauf fragt Siddhärthaka ihn bestürzt, ob er ihm etwa böse sei, und ahmt damit unwissentlich die ähnlich ängstliche Frage Räkshasas an den Mönch am En de des IV. Aktes nach. In der Frage liegt aber zugleich gespielte Furcht, der Heilige könnte ihn anzeigen. Der Mönch (als Hasser Räkshasas) gibt ihm aber seinen Segen. Der Zuschauer hat also manches zu lachen, aber er sieht auch, wie zwei gefährliche Agenten ihre Schläge gegen Räkshasa vorbereiten, ohne freilich die einzelnen Schachzüge des beginnenden V. Aktes bereits wissen zu können. Mit dem Abgang der beiden endet dies lustige und zugleich düstere Vorspiel. 1 2
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Vgl. Mbh III, 15,19: Pässe in. der Festung Dväravatl beim Kampf gegen Öälva. Vgl. Euben 1954a 119.
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In der Prosaerzählung Mahädevas wird dies Vorspiel nicht erwähnt, sondern nur in dem kurzen § 35 das Verbot des Gehens und Kommens erwähnt, und das mit der Begründung, daß Agenten des Cänakya keine Gelegenheit bekommen sollen, Zwiespalt im Heer des Prinzen zu säen. Bhäguräyana betritt mit einem Diener die Bühne und bewundert in Gedanken die bunte Politik Cänakyas, (Vers:) bald läßt sie ihr Ziel (wie eine Knospe) aufbrechen, bald ist sie tief (undurchschaubar), weil der Zugang zu ihr fehlt; bald ist sie vollgliedrig, bald mager (in bezug auf die Erkennbarkeit ihrer Ziele), bald sieht man ihren Keim (wie ein Samenkorn) vergehen, bald sie viele Früchte bringen. Sie gleicht in ihrer Buntheit dem Schicksal (127, lff., Vers 110). Bhäguräyana, dem Cänakya die wichtige Aufgabe zugeteilt hat, Malayaketu zu lenken, der also in vieles eingeweiht sein muß, beginnt seinen ersten Auftritt mit diesem Eingeständnis, wie sehr er an den Maßnahmen seines Auftraggebers herumraten muß; sie bleiben ihm im Grunde unverständlich wie das Schicksal, sagt der Dichter, indem er die Begriffe Schicksal und Menschenverstand (Cänakyas Politik), die in der indischen religiösen Spekulation des Fatalismus contra Freidenkertum immer wieder als Gegensatzpaar verstanden werden, im Vergleich einander geradezu gleichsetzt, ist doch das Schicksal für den Dichter als Sivaiten nichts anderes als Sivas undurchschaubarer, despotisch-launischer Wille, und hat er doch den listigen und zornigen Siva in den beiden Gebetsstrophen zu Anfang mit Cänakya in Parallele gestellt. Wie Siva k r a f t des Schicksals die Welt lenkt, so Cänakya k r a f t seines Verstandes die Politik. Man vergleiche diesen kunstvollen Vers über die keimende und fruchttragende Pflanze der unverstehbaren Politik Cänakyas mit dem simplen Vers des Siddhärthaka im Vorspiel dieses Aktes über die Liane der Cänakyaschen Politik und die Töpfe, die sie begießen, und man erfaßt den Unterschied des Bhäguräyana, des hochgestellten gebildeten, Sanskrit sprechenden Agenten an der Seite des Prinzen, und des Siddhärthaka, des Mahäräshtri redenden, rüpelhaften Agenten, der sich mit dem Schreiber der Gegenpartei anzufreunden hatte. Bald werden beide Agenten einander gegenübertreten, um ihre Rollen zu Ende zu spielen. Bhäguräyana läßt sich vom Diener einen Stuhl hinstellen, da er in der Nähe des Prinzen bleiben muß. Siegel Begehrende sollen ihm vorgeführt werden. Allein gelassen, beklagt er, daß er den Prinzen Malayaketu, der mit Liebe an ihm hängt, betrügen muß. (Vers:) Nicht sorgt sich um seine Familie, um Scham, um Ruhm oder Stolz, wer seinen Leib aus Gier nach vergänglichem Geld an den Reichen verkauft hat. Er führt dessen Befehle aus, überlegt nicht mehr, ob sie gut oder schlecht sind, er ist ja abhängig von anderen (127, 6ff., Vers 111). Der Prinz hat Bhäguräyana mit seinem Siegel betraut, aber er möchte ihn trotzdem stets in seiner Nähe wissen, so liebt er ihn. Dabei soll Bhäguräyana ihn betrügen. Und er tut es, weil er abhängig ist. Als abhängig hatte Candragupta sich empfunden, aber hatte die Abhängigkeit von seinem Lehrer als Freiwilligkeit verstanden, und das mit Recht 1 . Er ist ja nicht derart wirklich abhängig, wie es ein Bhäguräyana 1
S. o. 71,13ff.
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ist, ein Agent, der sich aus Armut an den Geldgeber Cänakya verkauft hat. Dieser Agent ist beinahe wirklich ein Sklave seines Herren, während Rakshasa sich nur mit übertriebenem Pathos als Sklaven des Malayaketu bezeichnet hatte 1 . Bhäguräyana wirft sich Gier nach dem vergänglichen Geld vor. Das sind asketische Worte, die er teilweise mit dem greisen Kämmerer des Malayaketu gemeinsam h a t 2 und die an Gedanken des Dichters Bhartrhari erinnern 3 . Auch Samrddhärthaka, ein anderer Agent Cänakyas, wird im VI. Akt dies Problem anrühren 4 . So hat der Dichter hier Bhäguräyana durch Gegenüberstellung mit anderen Hauptfiguren seines Dramas charakterisiert. Es liegt aber auch nahe, bei ihm an die beiden Henker im letzten Akt des Dramas Mrcchakatikam zu denken, die den unschuldigen Cärudatta zur Richtstätte führen, ihm aber versichern, daß sie an dem Justizverbrechen unschuldig sind 5 . Als Candäla müssen sie dem König gehorchen, aber gerade diesen verachteten Candäla legte der große Dichter Südraka solche menschlichen Worte in den Mund, die bei ihnen im Kastenstaat durchaus berechtigt sind. Der Bhäguräyana des Visäkhadatta aber sieht sich selbst als schuldig, weil er sich verkauft hat. Er sagt zwar, er habe nur seinen Leib verkauft, aber er gesteht gleich, daß er auch sein Gewissen verloren hat, und das alles wegen der Geldgier. Leider sagt er nicht: aus Armut 6 . Das wäre gesellschaftskritisch, während der Dichter ihn nur asketisch-fromm sprechen und denken läßt. Während im IV. Akt Karabhaka über die körperliche Beschwerlichkeit des Fürstendienstes, im I I I . Akt der Kämmerer Candraguptas über seine höfische Schwierigkeit geklagt hatte, klagt hier ein so gebildeter Mann wie Bhäguräyana über die notwendige Gewissenlosigkeit des Despotendienstes. Darin liegt eine großartige Steigerung. Dabei ist es aber bezeichnend, daß der Dichter dem Agenten kein politisches Bewußtsein in den Mund legt: Er sagt nicht, daß sein Betrug an dem Prinzen politisch notwendig, also gerechtfertigt ist. Das paßt dazu, daß im Grunde sowohl Cänakya wie Rakshasa, Malayaketu wie Candragupta aus Eigennutz, aus dynastischem und egoistischem Interesse handeln. So großartig also auch der Dichter diese Selbstkritik des Agenten gemeint hat, so wenig ist dem heutigen Literaturkritiker die Pflicht abgenommen, neben die guten auch die schlechten Seiten dieses Monologes zu stellen. Dieser Monolog des Agenten steht schließlich in gewisser Parallele zu dem des Cänakya am Anfang des I. Aktes. Nach dem Vorspiel folgt in beiden Akten eine kurze Stuhlszene mit einem Diener, dann ein Monolog mit Selbstbesinnung. Der Zuschauer soll damit gleichsam den Beginn der von Cänakya im I. Akt eingefädelten Tragödie des Rakshasa als Neuanfang erleben. Malayaketu tritt mit einer Türhüterin auf, er ist unterwegs zu Bhäguräyana. Er überlegt in Gedanken seine Unschlüssigkeit in bezug auf Räkshasa. (Vers:) 1
S. o. 42, 1 = Vers 34. S. o. 4 3 , 1 3 ; s. u. 135, Vers 116; 149,8, Vers 121. 3 Vgl. Ruben 1954b 239f. und D. D. Kosambi, The Quality of Renunciation in Bhartrhari's Poetry, The Bharatiya Vidya 5 & 6 1946, 49 ff. 4 S. u. 1 6 3 , 7 0 . 6 Vgl. Ruben, The Mrcchakatikam, Oriens I, 1, 74ff., bes. 92. 6 Vgl. über die Armut im Mrcch.: Ruben 1954c 238f. 2
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Wird er aus Treue zu den Nanda sich mit Candragupta versöhnen oder diese Treue brechen und mir sein Wort halten? Meine Gedanken drehen sich wie auf einer Töpferscheibe (128, 3ff., Vers 112). Infolge von Bhäguräyanas Einflüsterungen, die auf der durchaus realen Politik Cänakyas fußen, erkennt der Prinz an seinem eigenen Zweifel den Gewissenskonflikt des Räkshasa, der zwar jetzt noch nicht eigentlich lebendig ist, durch Cänakyas Machenschaften aber für Räkshasa am Ende quälend werden wird. Noch meint Räkshasa ja, es gäbe für ihn nur eines, die Treue zu den Nanda, die ihn zur Rache an Cänakya und Candragupta verpflichte. Ihretwegen hat er sich zum Sklaven des Prinzen gemacht 1 , ihretwegen dem Prinzen sein Wort gegeben, daß er ihn zum Siege und auf den Thron in Pätaliputra führen wird 2 . Räkshasa schwankt noch nicht in seiner Treue zu Malayaketu und seinem gegebenen Wort. Er ist sich des Konfliktes seiner Pflichten, den Malayaketu durch Bhäguräyana schon sieht, noch nicht bewußt. Dieser Monolog des Prinzen mit seinen Skrupeln steht dem Monolog des Königs Candragupta im I I I . Akt mit seinen Skrupeln über sein Verhältnis zu Cänakya gegenüber. Die Unsicherheit des Prinzen ist zugleich die Fortsetzung seiner von Bhäguräyana im Anfang des IV. Aktes genährten Zweifel an Räkshasa. Malayaketu läßt sich den Weg zu Bhäguräyana weisen und schickt seine Türhüterin fort, um ihm von hinten die Augen zuzuhalten. — In diesem Augenblick meldet ein Diener dem Bhäguräyana den Jainamönch, und dieser läßt ihn vor sich kommen, erkennt in ihm einen Freund Räkshasas und fragt ihn, ob er nicht etwa in dessen Auftrag fortgehen wolle? (128, 10ff.). Malayaketu benimmt sich wie ein Jüngling bei seinem Mädchen oder gar umgekehrt; so töricht liebevoll hat ihn Bhäguräyana zu machen verstanden 3 , der doch deswegen zugleich an Gewissensbissen leidet. UrvasI hielt einst so ihrem Purüravas die Augen zu, Pärvati dem Siva 4 . Aber der Prinz kommt nicht zur Verwirklichung seiner Absicht. Er wird durch die Umstände, durch den Zufall, letztlich durch Cänakyas Führung der Intrige dazu getrieben, wieder wie im IV. Akt den Lauscher zu spielen. Ihm, dem Mißtrauischen, liegt diese Rolle ja. Andererseits wissen weder Bhäguräyana noch Jivasiddhi, daß der Prinz sie belauscht; keiner der beiden Agenten Cänakyas hat diese Lauscherszene etwa inszeniert. Die beiden kennen auch einander nicht, Bhäguräyana hält den Mönch nach seiner Beobachtung in den letzten Zeiten vielmehr für einen Freund Räkshasas. Vermutlich hält andererseits Jivasiddhi den Bhäguräyana für den Freund Malayaketus und teilt ihm deswegen im folgenden mit, was der Prinz nach Cänakyas Anweisung erfahren soll. Da sie sich nicht als Agenten Cänakyas erkennen, sprechen sie nicht offen miteinander; deswegen ist Malayaketus Belauschen für ihn selber ohne Erfolg, im Gegenteil, macht ihn beeindruckt durch die Agenten seines Feindes. Der Mönch verwehrt sich entschieden dagegen und erklärt, er ginge dahin, wo auch nicht einmal der Name Räkshasas genannt würde. Bhäguräyana wundert sich über diesen Groll trotz der Freundschaft des Mönchs mit Rä1 s 8 4
S. o. 42,1. S. o. 112,5. So deutet Dhu.; Kaie: kindisch. Vgl. Rüben 1954 a 125.
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kshasa und fragt nach dem von jenem begangenen Fehler. Der Mönch leugnet jeden Fehler Räkshasas, schämt sich angeblich eigener Tat wegen. Das reizt die Neugier Bhäguräyanas und des lauschenden Prinzen. Der Mönch zögert, gibt aber zu, daß es kein Geheimnis sei, nur unerzählbar. Da verweigert Bhäguräyana ihm, wenn er schweigt, das Siegel; und damit meint der Mönch, das Drängen des Beamten weit genug getrieben zu haben, und beginnt zu erzählen (129, 6fE.). Der Mönch gibt eine Antwort, die zur Frage nicht paßt, um anzudeuten, daß er nach Pätaliputra ins Feindesland gehen will, wo man Räkshasas Namen nicht nennt, aber Bhäguräyana geht auf diese Anspielung nicht ein, er läßt sich zunächst noch nicht reizen. Er drängt zunächst mit anständiger Zurückhaltung den Mönch nicht einmal, sein Geheimnis preiszugeben, drängt ihn erst, als er scheinbar nur aus Scham nicht über seinen eigenen Fehler sprechen will. Andererseits hatte der Mönch ihn damit geradezu gereizt, daß er gestanden hatte, es handele sich nicht um ein Geheimnis, trotzdem wolle er nicht reden. Sobald er die Neugierde des Beamten schließlich geweckt hat, fügt er sich scheinbar dem Drängen, da er angeblich sonst kein Siegel bekommen würde (an dem ihm in Wirklichkeit gar nichts gelegen ist). Der „Mönch" provozierte eine Erpressung, die der „Vertraute" des Prinzen in sehr spielerischer Form ausführt. Er müßte doch im Interesse des Prinzen auf die Andeutungen des Mönchs mit aller Sorgfalt und Dringlichkeit eingehen, handelt es sich doch um einen Verdacht gegen des Prinzen Minister. Aber Bhäguräyana will in diesem Akt bewußt die Handlung gegen Räkshasa nicht auf die Spitze treiben, weil Cänakya ihm diese Taktik befohlen hatte (s. u.). Der edle Goldschmied hatte sich im I. Akt von Cänakya nicht erpressen lassen; Räkshasa wird am Ende im VII. Akt Cänakyas Erpressung unterliegen. JTvasiddhi läßt sich hier schnell, Siddhärthaka wird sich gleich durch Prügel erpressen lassen. An solchen Variierungen eines Themas hatte der Dichter wohl seine Freude, vermutlich auch der indische Zuschauer. Die Szene, wie der Prinz im folgenden von Räkshasas scheinbarer Feindschaft gegen ihn hört, ist ein Gegenstück zu der Szene im I I I . Akt, in der Candragupta durch seinen Kämmerer von Cänakyas scheinbarer Widersetzlichkeit unterrichtet wird, zugleich ist sie eine Fortführung der Einflüsterung Bhäguräyanas über Räkshasas Untreue im IV. Akt. Ich war einst in Pätaliputra Räkshasas Freund, als er Parvata durch das Giftmädchen umbringen ließ. Dies hört der lauschende Malayaketu mit Tränen. Der Mönch fährt fort: Ich wurde von Cänakya als Räkshasas Freund mit Schande verbannt. J e t z t aber t u t der geschickte Politiker Räkshasa etwas, was mich ins Jenseits befördert. Bhäguräyana entgegnet, er habe vielmehr gehört, Cänakya habe Parvata getötet, um ihm nicht die Hälfte des Reiches geben zu müssen. Der Mönch leugnet das, Cänakya kenne nicht einmal den Namen des Mädchens. Bhäguräyana gibt ihm das Siegel und sagt, er solle den Prinzen unterrichten (131, 4fT.). Der Mönch erfüllt hier seine von Cänakya gestellte große Aufgabe 1 : Er soll Malayaketu mit Räkshasa verfeinden und sorgt dafür, daß dem Prinzen die Lüge 1
S. o. 10,3.
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zugetragen wird, Räkshasa habe seinen Vater Parvata umgebracht. Er, als Freund Räkshasas, will dafür als glaubwürdig gelten, und, wie der Kommentar meint, ist im Satz des Mönchs zu ergänzen: . . . als er Parvata durch meine, seines Freundes Hand umbringen ließ. — Da er eben versichert hat, nicht Räkshasa, sondern er selber habe etwas Gemeines begangen, nimmt er die Schuld für diese Tat mit scheinbarem Edelmut auf sich. Man bedenke dabei, daß er sich jetzt selber dem Sohn des von ihm ermordeten Parvata ausliefert, also durch dies Geständnis auf dessen edle Dankbarkeit spekuliert. Malayaketu wird dementsprechend zu Tränen gerührt, denkt aber in seinem Kummer nicht daran, den Mönch als Zeugen gegen Räkshasa oder gar als Mitwisser und Mörder zu verhaften. Der Mönch deutet weiter ein Vergehen Räkshasas an, das ihm, dem Mönch selber, das Leben kosten wird. Dhundhiräja meint, es sei ein dem Mord Parvatas ähnliches „Festhalten" Malayaketus gemeint 1 . Telang weist auf Räkshasas angeblichen Verrat an Malayaketu hin. Aber es ist einstweilen unklar, inwiefern der das Leben des Mönchs bedroht (würde ihn als Mitwisser des Verrates die verdiente Todesstrafe, die der Prinz gegen den Minister verhängen würde, treffen ?) und wieso der Mönch trotzdem vorher von der Schuldlosigkeit Räkshasas sprechen konnte. Es bedarf auch noch der Erklärung, wieso Bhäguräyana, der doch als des Prinzen Siegelbewahrer dazu verpflichtet wäre, auf diese Anspielung gar nicht eingeht, sondern darauf zurückkommt, daß nicht Räkshasa, sondern Cänakya der Mörder Parvatas gewesen sein soll. Das hatte er ja noch in Pätaliputra in Cänakyas Auftrag dem Malayaketu zugeflüstert, um ihn aus der Stadt zu vertreiben 2 . Wenn der Mönch darauf entgegnet, daß Cänakya noch nicht einmal den Namen des Giftmädchens kenne, so mag das in bezug auf den Namen keine Lüge sein, ist aber nicht entscheidend. Der Mönch vermeidet damit nur, eine Unwahrheit zu sagen. — Bhäguräyana, der nicht weiß, daß der Prinz lauscht, gibt ihm jetzt das Siegel, damit er das Lager verlassen kann, und sendet ihn zum Prinzen. Er hätte den Mönch als Zeugen gleich verhaften lassen sollen, überläßt das aber auch nicht dem Prinzen selber, sondern gibt dem Mönch mit dem Siegel die Möglichkeit, sich davonzumachen. Glaubt er vielleicht, daß der von Räkshasa enttäuschte Mönch in Pätaliputra für Cänakya nützlich sein wird ? In der Prosaerzählung Mahädevas wird der Inhalt dieser Szene teilweise wörtlich wiederholt, nur freilich nicht in der Form der Belauschungsszene, sondern als Bericht Bhäguräyanas an den Prinzen. Malayaketu tritt hervor. (Vers:) Ich habe gehört, was der Freund meines Feindes über diesen gesagt h a t 3 und was meine Trauer verdoppelt. — Der Mönch, zufrieden darüber, das der Prinz alles belauscht hat, geht ab (133, 3ff., Vers 113). Weder der Prinz noch Bhäguräyana halten ihn. Der Dichter deutet aber nicht an, daß Bhäguräyana jetzt etwa Cänakyas List durchschaut und seinen Agenten erkannt habe. Der Dichter läßt also den jungen, unerfahrenen Prinzen dem Jainamönch, den 1
Kaie: Räkshasa wird keinen Erfolg haben und Jlvasiddhi mit sich in das Verderben reißen; Walimbe: Räkshasa plant, mich als Mitwisser aus dem Wege zu räumen. 2 S. o. 9,1. s Dhu. und Kanakalal: Was mein Freund (Jlvasiddhi) über meinen Feind (Räkshasa) gesagt hat. Telang: Was der Freund (Räkshasa) meines Feindes (Candragupta) über diesen gesagt hat; ähnlich Dhruva, Kaie und Walimbe.
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa"
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er zum ersten Male sieht, ohne weiteres glauben, und stellt ihn damit in Gegensatz zu Räkshasa, der dem Mönch, obgleich dieser sich schon lange an ihn als scheinbarer Freund herangemacht hat, in der Astrologenszene nicht glaubt. Dem Räkshasa als dem klugen Politiker legt der Dichter das Mißtrauen gegen die Jaina bei, das er wohl selber fühlte; den Prinzen aber läßt er beim ersten Anblick des Mönchs keine Furcht wegen dieses ungünstigen Omens ausdrücken. Der Prinz meint, dank dem Belauschen die volle Wahrheit erfahren zu haben. Er unterliegt den Intrigen der Agenten Cänakyas, die alle darauf hinauslaufen, ihn mit Räkshasa zu entzweien; was Bhäguräyana angefangen hatte, setzte der Mönch fort. Der voreilige, hitzige Prinz zweifelt an dem edlen Räkshasa, aber nicht an den Agenten, am Jainamönch oder Bhäguräyana. Es ist klar, daß ein so leichtfertiger Prinz scheitern muß. Während Visäkhadatta den als Jainamönch Jivasiddhi verkleideten Brahmanen Vishnusarman als Hauptbelastungszeugen gegen Räkshasa und als Hauptagenten Cänakyas auftreten läßt, läßt Südraka im Mrcchakatikam einen buddhistischen Mönch als entscheidenden Helfer des fälschlich des Mordes angeklagten Cärudatta auftreten. Der eine Dramatiker mag die Jaina nicht, der andere liebt die Buddhisten. Der Dichter des Dramas Prabodhacandrodaya haßt beide. Für den objektiven Charakter dieser Sekten läßt sich daraus allerdings direkt nichts entnehmen. Malayaketu. (Vers:) Meinen Vater, der dich, beruhigt, für seinen Freund hielt und dir alle Aufgaben des Vertrauensseligen überließ, hast du getötet; daher heißt du mit Recht Räkshasa (133, 9 = Vers 114). Von diesem Vertrauen Parvatas zu Räkshasa ist aus alter Tradition nichts bekannt 1 . Es scheint auf den ersten Blick so unwahrscheinlich, daß man versucht sein könnte, durch eine leichte Textänderung (freilich gegen alle Handschriften) den Sinn zu ändern: Du hast meinen Vater getötet, der ich (!) dir alle Geschäfte anvertraute und, beruhigt, Dich für meinen Freund hielt 2 . Aber auch dann bleibt der Sinn problematisch, denn Räkshasa soll Parvata ja noch in Pätaliputra umgebracht haben, wo seine Freundschaft mit Parvata nicht unwahrscheinlicher erscheint als die mit Malayaketu. Malayaketu kann ihn aber nur einen Teufel nennen, wenn er den Mord zur Zeit jenes Vertrauens beging, nicht, als er noch der Feind Candraguptas, Cänakyas und Parvatas (also auch Malayaketus) war. Man kann also einstweilen nur hinnehmen, daß hier eine Anspielung auf etwas vorliegt, was Mähadeva in § 15 ff. seiner Prosaerzählung folgendermaßen wiedergibt: Räkshasa mimte nach der Niederlage der Nanda Ergebenheit zu Candragupta und Freundschaft mit P a r v a t a ; er führte das für Candragupta berechnete Giftmädchen in den Palast; dort sah Parvata es als erster, ergriff es und starb an ihm. Parvata Räkshasa hatte das ganze Nandareich angeboten, um ihn gegen Candragupta zu gewinnen, und hat ihn, der ihm vertraute, getötet. Malayaketu aber meinte, Räkshasa sei ein wirklicher Freund Parvatas gewesen 3 . Wegen dieses Verrats am Vater nennt der Prinz den Minister einen wahren Räkshasa, also einen menschenfressenden Dämon. Das ist bei dem edlen Räkshasa völlig unangebracht. Woher er seinen unglücklichen Namen trägt, 1 S. u. I I C 1 Abschnitt f. — Dhu.: D a v o n erfährt man aus dieser Strophe; Cänakya hat Parvata dann durch das Versprechen der Hälfte des Reiches gekauft. Telang, Dhruva, Kanakalal, Walimbe schweigen. Kaie folgt Dhu. 2 vrtter statt vrttim. 3 S. u. 151, 14; 153,2.
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ist noch nicht geklärt, aber Cänakya trägt mit Recht seinen Namen Kautilya, die Krummheit, die Listigkeit, wie schon im Vorspiel vom Schauspieldirektor angedeutet ist 1 . Malayaketu bewegt sich hier dank seinem Irrtum (der auf Cänakyas List beruht!) in so niedrigen Gedanken wie Cänakyas Agent Jlvasiddhi, der im Vorspiel des V. Aktes eben neben Räkshasas Namen witzig und scheinbar zornig den der dämonischen Pisäca gesetzt hatte 2 . Bhäguräyana gedenkt jetzt der Anweisung Cänakyas, dafür zu sorgen, daß Räkshasa am Leben erhalten bleibt. Er bittet also den Prinzen, Platz zu nehmen, und hält ihm einen Vortrag, daß es jetzt nicht um Gefühle ginge wie bei gewöhnlichen Menschen, sondern um das Erreichen von Zielen durch wissenschaftliche politische Überlegungen, durch Abwägen, wer Freund, wer Feind, wer neutral 3 sei. Räkshasa habe damals Parvata für gefährlicher als Candragupta gehalten und, um dem Nanda Sarvärthasiddhi den Thron zu erhalten, so gehandelt. Darin läge kein Fehler. (Vers:) Die Politik macht aus Freunden Feinde und umgekehrt, und läßt einen Mann schon bei Lebzeiten wiedergeboren werden 4 , d. h. vergessen, was er früher getan hat. Bis zum Sieg solle er Räkshasa stützen. — Der Prinz sieht das ein und fügt hinzu: Würde er Räkshasa töten, würde er seine Untertanen stutzig machen und den Sieg gefährden (133, 14ff., Vers 115). Cänakya hat vorausgesehen, daß Malayaketu so gereizt und daß dadurch Räkshasas Leben gefährdet werden würde, den Cänakya doch als seinen Nachfolger ausersehen hat. Bhäguräyana verwendet daher die kühle Wissenschaft als Beruhigungsmittel für den gelehrigen Prinzen, der, so hitzig er durchweg auftritt, schnell begreift und Bhäguräyanas Argumentation noch verstärkt. Freilich wird er noch im selben Akt (in bezug auf seine fünf verbündeten Fürsten) vergessen, was er hier richtig hervorgehoben hat, daß er jetzt, kurz vor der entscheidenden Schlacht, gegen seinen bisherigen Freund nicht mit Gewalt vorgehen darf. Bhäguräyana beginnt hier, als wollte er einen gelehrten Vortrag über Staatslehre halten, wie es etwa Cänakya dem Candragupta gegenüber im I I I . Akt und Räkshasa dem Malayaketu gegenüber im IV. Akt getan hatten. Er biegt aber schnell ins Zynische ab: Was gilt in der schnell sich ändernden Politik, was ein Mann gestern gesagt oder getan h a t ! Räkshasa mag also erst deines Vaters Feind gewesen sein, er wurde, ehe er ihn ermordete, sein Freund und dann, als er Pätaliputra verlassen mußte, wieder dein Freund, insofern du ihn für deine Geschäfte jetzt benötigst. Nach dem Sieg magst du ihn als Feind behandeln. Ein Diener meldet, man habe einen Mann mit einem Brief gefangen, der kein Siegel bei sich habe. — Siddhärthaka wird gefesselt vorgeführt u n d denkt (Vers): Verehrung unserer Mutter, der Herrentreue, die zu den Tugenden hinführt, von den Sünden aber abwendet 5 (135, 3ff., Vers 116). 1
2 S. o. 4,11. S. o. 126,2. Kaut. 97: Drei wichtige Glieder des aus zehn. Königen bestehenden „Kreises" der Außenpolitik. 4 Wie in einer Wiedergeburt wird er gänzlich verändert. Vgl. Anfang von J ä t . 482: Der Kaufmann ist durch Verarmung schon in diesem Leben gleichsam ein anderer geworden. 6 Walimbe: Die einen zu Tugenden führt und gegen Fehler indifferent macht. — Kaie: Die (alles Befohlene) zu Tugend macht und uns blind gegen Sünden macht. — Dhruva: Die unseren Blick von Verdiensten und Fehlern einer Aufgabe abwendet. 3
Der Sinn des D r a m a s „ D a s Siegel u n d R ä k s h a s a "
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Während Cänakyas Agent, der gebildete Bhäguräyana, am Anfang des Aktes sein Gewissen in seinem Dienst gespürt 1 und sich wegen seines Dienertums bedauert hatte, beruhigt Siddhärthaka, der andere, ungebildetere Agent Cänakyas, sich hier damit, daß er sein Dienerverhältnis als Treue zum Herren, als Tugend bezeichnet, die (vielleicht ist gemeint:) des Herren Tugenden herausstreicht, seine Fehler aber unbeachtet läßt. Vor ihr beugt er sich verehrungsvoll wie der Mensch vor seinem Gotte. Gerade eben hatte Bhäguräyana betont, daß Moral und Politik sich zu widersprechen pflegen 2 und es nur auf den Zweck ankomme. Dieser geschickte, aber sensible Agent hoher Bildung ist also sicher vom Dichter mit Absicht dem simplen und treuen Siddhärthaka vom niederen Stande gegenübergestellt worden, um das Problem der Freiheit und Abhängigkeit vielseitig zu beleuchten, ist es doch eines der grundlegenden Punkte dieses Dramas 3 . Bhäguräyana fragt ihn, und Siddhärthaka nennt sich Diener Räkshasas; er habe wegen der Dringlichkeit seiner Aufgabe versäumt, sich ein Siegel geben zu lassen. Bhäguräyana fragt, was diese Aufgabe sei, deretwegen er die Vorschrift des Königs verletze; da läßt sich der Prinz durch Bhäguräyana Siddhärthakas Brief geben und öffnen (136, lff.). Bhäguräyana und Siddhärthaka erkennen sich so wenig wie die beiden Agenten im Vorspiel des Aktes 4 ; Siddhärthakas zeitweiliger Dienst bei Räkshasa muß also so unauffällig gewesen sein, wie sein Geheimdienst bei Cänakya seinen beiden Mitagenten gewesen ist. — Seine Entschuldigung mit der Dringlichkeit der Geschäfte erinnert an Räkshasa und Cänakya, die beide ähnliche Entschuldigungen verwendeten 5 . Man denkt dabei auch an die Richter im Mrcchakatikam, die den Fall des Samsthänaka damit aufzuschieben suchen, daß sie erklären, sie seien mit Arbeiten überlastet 6 . Der Zuschauer aber freut sich hier an der ersten Lüge Siddhärthakas. — Der Prinz ist ungeduldig und unterbricht das von Bhäguräyana begonnene Verhör. Damit nimmt er es dem Agenten Siddhärthaka ab, jetzt schon gegen seinen zeitweiligen Herren Räkshasa mit eigenen Worten aussagen zu müssen, was doch eine moralisch anrüchige Sache wäre. Bhäguräyana liest: Jemand schreibt von irgendwo an jemand. Durch Absetzen unseres Gegners hat der Worthaltende Worthalten gezeigt. Jetzt möge er auch die erfreuen, mit denen er früher Vereinbarungen getroffen hat. Dann werden sie ihre Stütze vernichten und zu ihm übergehen. Zur Erinnerung: Einige von ihnen wünschen Geld und Heer, einige Land. Der gesandte dreifache Schmuck ist angekommen. Mit dem Brief wird etwas geschickt. Mündliches 7 durch Siddhärthaka (136, 12ff.). Das bedeutet: durch Absetzung Cänakyas hast du, Candragupta, mir Wort gehalten, halte es jetzt auch den fünf Barbarenkönigen, denen du Geld, Elefanten und 1
S. o. 127,14ff., Vers I I I . S. o. Vers 115. 3 S. gleich 139,9: M a l a y a k e t u . 4 S. o. 125,5. 6 S. o. 5, 15: C ä n a k y a ; 47,10: R ä k s h a s a . 6 R ü b e n (s. o. S. 99 A n m . 5) 91. 7 v ä c i k a m . Vgl. K a u t . 28, 24: v ä c i k a m a s y e t i : Mündliche N a c h r i c h t z u s a m m e n m i t diesem Schreiben. 2
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Land des Malayaketu versprochen hast. Den Schmuck, den du mir durch drei Brahmanen geschickt hast, habe ich erhalten und sende dir Schmuck zurück. Siddhärthaka weiß Einzelheiten, die in dem Brief, um keine Namen zu nennen, nicht geschrieben worden sind. Cänakya hatte diesen Brief im I. Akt schreiben lassen, als er das Siegel Räkshasas in Händen hatte, als er drei Brahmanen zu Candragupta geschickt hatte, damit sie Parvatas Schmuck entgegennähmen und an Räkshasa verkauften, und als ihm klar war, daß Siddhärthaka für die „Rettung" des Schreibers Sakatadäsa von Räkshasa einen Schmuck als Lohn bekommen würde, den er samt dem Brief bei sich tragen und sich dann rechtzeitig verhaften lassen sollte. Soweit hatte Cänakya schon im I. Akt alles richtig vorausberechnet; er hatte aber nicht ahnen können, daß der Schmuck, den Räkshasa dem Siddhärthaka geben würde, eben der ist, den Räkshasa kurz vorher von Malayaketu erhalten h a t t e 1 ; er hatte nicht berechnet, daß Räkshasa aus Trauer um den Nanda keinen Schmuck trug; daran hätte ein Teil seines Planes scheitern und ein Satz des Briefes, der mit seinem „etwas" freilich sehr vorsichtig formuliert ist, unrichtig werden können. Es wäre ja z. B. möglich gewesen, daß Räkshasa zu Siddhärthaka ebenso wie Cänakya zum Yama-Sänger gesagt hätte: Deinen Lohn wirst du bald erhalten! 2 Da hat wieder einmal 3 der Zufall dem Cänakya geholfen, und das lag sicher in der Absicht des Dichters, wie sich am Ende des Dramas zeigen wird 4 . Der Prinz versteht den Brief nicht. Bhäguräyana fragt Siddhärthaka, der zuerst behauptet, nicht zu wissen, wessen Brief das ist, aber danach auf die Frage, von wem das Mündliche seiner Botschaft gehört werden soll, antwortet: „Von Euch", dem Prinzen und Bhäguräyana, und schließlich sogleich fortfährt, von ihnen gefangen, sei er verwirrt und wisse nicht, was er rede (137, 7ff.). Das ist eine Ulkszene: Siddhärthaka lügt zunächst aufreizend 5 mit seiner Leugnung, dann spricht er die Wahrheit, die den Hörern unverständlich bleiben muß, wie er wohl weiß 6 ; und schließlich setzt er diese Antwort „von Euch", fort, verbessert sie gleichsam zu „von Euch gefangen" 7 und spielt den Dummen. Bhäguräyana läßt ihn, erzürnt, zum Prügeln hinausführen, und dabei wird zunächst das Schmuckkästchen gefunden. Bhäguräyana findet Räkshasas Siegel; der Prinz merkt, daß dieser Kasten als Geschenk den Brief begleiten sollte, findet in ihm den eigenen Schmuck, den er Räkshasa gesandt hatte, und schließt, daß er für Candragupta bestimmt sei (138, 4ff.). Der Prinz schließt so scharf, weil der königliche Schmuck nur an einen König geschickt werden kann 8 . Aber er erkennt nicht etwa, daß das ganze ein abgekartetes Spiel zu seinem Verderben ist. Was Bhäguräyana dabei denkt, wird nicht gesagt. 1
S. o. 44,3ff. u n d 6 4 , l l f . S. o. 19,6. 3 S. o. 17f.: Ring; 20: Candraguptas Trauerfeier. 4 S. u. 193,7. 6 S. o. 66,4: Seine Frechheit. • Dhu.: Diese Worte enthalten eine heimliche Absicht. 7 So deutet Dhu.: Aus Angst vor Schlägen. 8 So deutet Dhu. a
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Bhäguräyana läßt das Prügeln fortsetzen, um den Zweifel zu entscheiden. Endlich erklärt Siddhärthaka sich bereit zu reden, bittet aber erst um Gnade. Malayaketu gewährt sie ihm, da er ja abhängig sei (139, 3ff.). Damit berührt Malayaketu den wichtigen Punkt der Verantwortlichkeit des Unfreien, den Siddhärthaka, Bhäguräyana usw. bereits von verschiedenen Seiten angesehen hatten 1 . Als Diener ist der gestehende Verbrecher straffrei. Der Prinz handelt dann später auch wohl nach seinem Wort, zumindest scheint Siddhärthaka am Ende straflos auszugehen; er wird jedenfalls frei und gelangt nach Pätaliputra 2 . Siddhärthaka „gesteht", daß Räkshasa ihn mit folgender Botschaft an Candragupta geschickt habe: Die fünf Barbarenkönige Citravarman usw. 3 , meine Freunde, haben mit dir einen Vertrag geschlossen. Die ersten drei begehren Malayaketus Land, die letzten beiden seine Elefanten und seinen Schatz. Wie du mir zuliebe Cänakya entlassen hast, so tu', was sie begehren. — Malayaketu überlegt, daß deswegen also die fünf Könige so an Räkshasa hängen, und läßt den Minister kommen (140, 1 ff.). Woher der Prinz weiß, daß die fünf Barbarenkönige Räkshasa besonders lieben 4 , ist nicht gesagt. Die Tatsache ist jedenfalls auch Cänakya schon im I. Akt bekannt gewesen 5 . Sollte der Dichter sich hier geirrt und angenommen haben, diese Tatsache sei im Drama dem Malayaketu vorher irgendwie mitgeteilt worden ? Er läßt Räkshasa kommen, ohne seinen Namen mit seinem Titel zu schmücken — ähnlich Candragupta nach der scheinbaren Absetzung Cänakyas im I I I . Akt 6 . Räkshasa grübelt in seinem Zimmer: Unser Heer ist durch das des Candragupta vergrößert, aber mein Geist sieht nicht klar (Vers): Das Erkenntnismittel (das Vorhandensein von Rauch), das im Subjekt des Schlusses sicher vorkommt (das bei jenem Hügel sicher erkannt ist), das mit ständiger Begleitung versehen ist (überall wo Rauch ist, ist auch Feuer), das sich im positiven Beispiel findet (wie z. B. in der Küche) und nicht im negativen (wie z. B. in Teichen), solch Erkenntnismittel dient zum Beweis (dort bei jenem Hügel ist Rauch, also ist dort auch Feuer). Wenn ein (Erkenntnismittel) aber selber erst zu beweisen ist (wenn es) beiden (den positiven und negativen Beispielen) gleicht, und wenn es dem positiven Beispiel widerspricht, dann führt dessen Verwendung zur Niederlage des Argumentierenden — oder (dieselben Worte nicht logisch, sondern politisch verstanden): Das Mittel (der Politik des Cänakya), das für das Ziel (die Sicherung der Herrschaft des Candragupta) beschlossen ist, das mit der Folge (mit der Ausrottung der Nanda) verbunden ist, das bei der eigenen Partei (bei Bhäguräyana, Bhadrabhata usw.) gesichert ist, aber nicht bei der Gegenpartei (Malayaketu usw.), solch Mittel dient dem Erfolg. Was aber selber fraglich ist (ob nämlich unser durch Bhadrabhata usw. verstärktes Heer), das deswegen für beide Parteien gleich (günstig) erscheint, tatsächlich sogar für die Partei (des Malayaketu) 1 2 3 4 5 6
S. S. S. S. 8. S.
o. u. o. u. o. o.
zu 135, 10f., Vers 116. 156ff., V I . A k t . 21, 14ff. zu 142, 3ff. 21, 12f. zu 95, l f f .
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(mit dem Heeresteil des Bhadrabhata usw.) widerspruchsvoll ist (unser Ziel verwirklichen wird), wenn man ein solches fragliches Mittel verwendet, führt es zur Niederlage des Herren (141, 8ff., Vers 117). Dieser doppeldeutige Vers ist in bezug auf seine logische Deutung klar, in bezug auf die Politik ist aber auch dem indischen Kommentator die wörtliche Deutung nicht völlig gelungen 1 ; er ist vom Dichter also vielleicht gar nur logisch gemeint, obgleich am Ende die Niederlage des Herren als das eigentliche Subjekt des Satzes, die des Disputanten dagegen nur als Vergleichsobjekt erscheint. Räkshasa scheint den Überläufern Bhadrabhata usw. im Grunde nicht recht getraut zu haben 2 . So sehr das für seinen Scharfsinn spricht, hätte er daraus als Politiker Folgerungen ziehen müssen. Was die Logik angeht, so folgt Visäkhadatta hier dem üblichen Schulbeispiel des mittelalterlichen indischen Schlusses: Dort auf dem Hügel ist Rauch, wo Rauch ist, ist auch Feuer wie in der Küche, aber nicht auf dem Teich. Also ist bei jenem Hügel Feuer. Er fügt dann eine Lehre der sogenannten Scheingründe an, die in verschiedenen Formen in verschiedenen Schulen gelehrt wurde. Er hat anscheinend drei Scheingründe gekannt, von denen der eine darin besteht, daß der Grund ebenso fraglich ist wie die Behauptung, der zweite darin, daß der Grund zweifelhaft, mehrdeutig ist, insofern er mit positiven wie negativen Beispielen belegt werden kann, der dritte aber falsch ist, insofern er gerade mit negativen Beispielen belegt werden kann. Diese Dreiergruppe wird ähnlich mit dem Logik-Kapitel des Mediziners Caraka 3 , in einem Verszitat bei dem Vaiseshika-Philosophen Prasastapäda 4 , vielleicht schon in einem Satz des Vaiseshikasütra 5 und schließlich im Logik-Kapitel des Poetikers Bhämaha 6 gelehrt, war also zeitweise ziemlich verbreitet, während etwa gleichzeitig andere Schulen vier 7 , f ü n f 8 oder gar vierzehn 9 Scheingründe aufzählten. Räkshasa hatte am Ende des IV. Aktes dem Prinzen erklärt, sein Sieg sei zweifellos sicher 10 ; er hatte dann aber sofort nach einem Astrologen gefragt, eben weil er sich nicht so sicher war, wie er tat. J e t z t versucht er, sich mit logisch-politischer Überlegung klar zu werden. Der Dichter stellt dabei den Politiker zum Logiker in Parallele, wie er ihn oben mit dem Dramatiker, also mit sich selber, verglichen hatte n , und das wiederum durch den Mund des Räkshasa. Ihn schildert er eben als Theoretiker im Gegensatz zum schnell entschlossenen Cänakya, der sich immer seiner Sache sicher ist, und der dabei recht hat, während Räkshasa unterliegt, weil er an entscheidenden Stellen unvorsichtig handelt. Trotzdem verteilt der Dichter anscheinend seine Sympathien möglichst gleichmäßig auf diese beiden Typen Politiker. 1
Kaie, Dhruva, Kanakalal, Walimbe deuten s t a t t auf Politik auf Heer, und das Wort f ü r Wort. 2 So Kaie. 3 Caraka I I I (vimänasthäna) 8, 57 (aber in 58 f ü g t er atltakäla ähnlich NS hinzu). 4 Prasastapäda 100, Vers 1 (ed. in VS). 6 VS I I I , 1, 15. 6 Bhämaha V, 21; 5 2 - 5 4 . 7 Prasastapäda 116ff. 8 NS I, 2, 4ff. 9 Dignäga bei Vidyäbhüshana, Indian Logic: Mediaeval School, Calcutta 1909, 93f. 10 S. o. 115,3. 11 S. o. 99,2.
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Oder vielmehr: Wir sind vergrößert durch Männer, deren Gründe für ihre Abneigung gegen Candragupta uns bekannt sind und die früher schon unserer Einflüsterung gefolgt sind. Ich darf nicht zweifeln (142, lf.). Wie Cänakya sich in seinem ersten Monolog mit einem „oder vielmehr" selber verbessert hatte 1 , als er seine Pläne überlegte, so hier Räkshasa: Beide Minister gehen systematisch überlegend vor. Aber Räkshasa irrt, wenn er meint, die Beweggründe solcher Männer wie Siddhärthaka, Bhäguräyana, Bhadrabhata usw. zu kennen. Dieser zweifelsvolle Monolog des Räkshasa steht dem des zornigen Cänakya im I I I . Akt gegenüber 2 . Räkshasa läßt durch seinen Diener den Königen jetzt, da sie nahe der feindlichen Stadt sind, die Marschordnung mitteilen. (Vers:) Er selber will mit den Khasa und Mägadha die Vorhut bilden; die Mitte sollen die Gandhärer und Yavana, die Nachhut die Saka, Cedi 3 und die Hüna bilden. Die Kulüta usw. sollen stets um Prinz Malayaketu bleiben (142, 2ff., Vers 118). Er selber führt also seine Landsleute aus Magadha; die fünf Barbarenkönige, mit denen er sich besonders verbunden fühlt 4 , sollen den Prinzen schützen. — Daß Räkshasa die Marschordnung in dieser Weise festgelegt hat, ist für das Folgende wichtig. Es ist aber nicht verständlich, daß irgendein Diener so wichtige Befehle mündlich zu übertragen hat! Die Türhüterin des Prinzen r u f t Räkshasa zu ihm. Da er vom Prinzen dessen Schmuck erhalten hat, darf er nicht ungeschmückt vor ihm erscheinen; er läßt also einen Diener eines der am Ende des I I . Aktes gekauften Schmuckstücke holen 5 , legt es an und geht zum Prinzen (142,10ff.). Den Schmuck des Prinzen hatte er an Siddhärthaka als Lohn gegeben 6 , war dann also wieder schmucklos geblieben, weil ihm das wohl zu seiner Trauer um den Nanda paßte. Er machte sich hier aber keine Sorgen darüber, ob der Prinz sich darum kümmern könnte, daß er nicht den prinzlichen Schmuck trägt. Statt dessen fragt der kluge Cänakya im I I I . Akt den ihn zum König rufenden Kämmerer nach dem Grund für dieses Rufen aus. Unterwegs überlegt er: Ein Amt ist auch für den Schuldlosen etwas Besorgniserregendes. (Vers:) Den Diener befällt Angst vor dem Herrn; dann vor dem, der dem Herren nahesteht; daher 7 ist ein Amt eine Quelle des Hasses Böser; der Gang Hochgestellter bewirkt entsprechenden Sturz (143, 9ff., Vers 119). Dieser Vers des Ministers, der zu seinem Prinzen geht, ähnelt weitgehend dem des Kämmerers des Candragupta im I I I . Akt auf seinem Wege zu Cänakya, der die Ängste des Fürstendieners schildert 8 . Er ähnelt aber auch dem weit schlichteren des Goldschmieds, der zu Cänakya gerufen ist 9 , nur hatte dieser guten Grund, sich vor 1
S. o. zu 7,7ff. S. o. 76f. 3 v. 1. Clna. Vgl. Walimbe über diese Völker; Kaie zitiert dazu Telang. 4 S. o. zu 140, l f f . 6 S. o. 68, l l f f . 6 S. o. 64, 12. ' So Dhu.; Dhruva: Außerdem; Kaie: Ferner. 8 S. o. zu 77, 4ff., Vers 67. 8 S. o. zu 25,12f., Vers 20. 2
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dem Minister zu fürchten, und fühlte sein schlechtes Gewissen. Räkshasa ist sich aber keines solchen Grundes bewußt; er hat im IV. Akt von dem Mißtrauen des Prinzen noch nichts gespürt. Er ist sich nur im allgemeinen unsicher und bestätigt damit, was der Schlangenbändiger vom Fürstendienst gesagt hatte 1 . Räkshasa tritt zum Prinzen und denkt in einem Vers: da steht er, seinen reglosen Blick auf die Fußspitze gerichtet, ohne sie zu sehen mit seinem leeren 2 Blick, das Gesicht mit der Hand stützend, gebeugt durch die Schwere der Pflichten (143, 15ff., Vers 120). Cänakya, von seinem König gerufen, näherte sich ihm im I I I . Akt ganz anders, freudig und stolz 3 , obwohl er wußte, daß er einen Scheinkampf ausfechten sollte. Räkshasa aber ahnt noch nicht, daß der Prinz wegen des Verdachtes auf ihn selber so niedergedrückt dasitzt. Seine Haltung erinnert an die Walthers von der Vogelweide, der über die Not seines deutschen Vaterlandes grübelt, aber auch an die des Denkers in der Mitte des jüngsten Gerichts, wie es Michelangelo an die Stirnwand der Sixtinischen Kapelle malte. Nur hüte man sich, diesen hitzigen, mißtrauischen Prinzen eines indischen Bergvolkes, einen Barbaren, mit diesen beiden Großen auf eine Stufe zu stellen. Nach kurzer Begrüßung fragt Räkshasa nach dem Grund, ihn zu rufen. Der Prinz: Ich bin erregt, weil ich dich lange nicht sah (144, 6ff.). Dieser Gesprächsanfang ähnelt fast Wort für Wort dem des Cänakya mit Candragupta im I I I . Akt (nur fehlt etwas, was dessen stolzer Siegesstrophe entspräche), aber auch dem des bösen Schakals mit dem Löwen im I. Buch des Tanträkhyäyika 4 , war also übliche höfische Floskel, wobei hinter des Prinzen Worten stecken k a n n : Ich weiß schon lange nicht, was du treibst 5 ! Räkshasa hat jedenfalls etwas Derartiges gespürt: Räkshasa: Diesen Tadel habe ich mir dadurch zugezogen, daß ich mit der Marschordnung beschäftigt war. Der Prinz fragt, und der Minister wiederholt seinen obigen Befehlsvers. Der Prinz erschrickt in Gedanken, daß gerade die fünf „Verräter" ihn umgeben sollen. Er fragt, ob Boten nach Pätaliputra gingen oder von dort kämen. Räkshasa: Das ist vorbei; in fünf Tagen werden wir selber dorthin gelangen. Prinz in Gedanken: Ich verstehe! (144,10ff.). Räkshasa meint: Wir werden in fünf Tagen Candragupta besiegen; der Prinz aber „versteht": „Ich werde mich in fünf Tagen mit Candragupta dort vereinigen" 6 . Sein Mißtrauen ist schon unausrottbar geworden. Was hier beginnt, ist ein Gegenstück zu der Szene im I I I . Akt, in der König Candragupta seinen Minister Cänakya zur Rechenschaft zog und dieser mit wissenschaftlicher Gründlichkeit (aber auch mit Lügen) seine Politik rechtfertigte. Der Prinz fragt, warum er diesen Boten geschickt hat. Räkshasa erkennt Siddhärthaka u n d fragt ihn, was das bedeute. Siddhärthaka entschuldigt sein 1 2 3 4 5 6
S. o. zu 39, 2f., Vers 30. Dhu.: frei von cittavrtti (Fluktion des Denkens); Walimbe: Von Betätigung des Geistes. S. o. 80, 2ff. Tantr. 11,14; 27,1. Ähnlich spricht der König mit Gämanicanda in Jätaka 257. Dhu.: Dein Sehen verwundet mich jetzt, ist der versteckte Sinn. Ahnlich Walimbe. So Dhu. und Walimbe.
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Rakshasa"
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„Ausplaudern des Geheimnisses" mit den Prügeln. Rakshasa erklärt, Siddhärthaka habe gelogen; wer täte das bei Prügeln nicht! (145, 5 ff.). Der Prinz entgegnet diesem trefflichen, menschlichen Argument des Rakshasa nichts; dieser P u n k t gilt damit als abgetan, Brahmanen durften freilich wegen ihrer Empfindlichkeit nicht gefoltert werden, aber im Drama Mrcchakatika wurde dem verarmten Cärudatta mit Prügeln gedroht 1 . Kautalya t r a t für Tortur, Yäjnavalkya für Ordale ein 2 . Der Prinz läßt Rakshasa den Brief vorlegen. Der Minister erklärt ihn (mit Recht!) für eine List des Feindes. Der Prinz läßt den Schmuck vorlegen. Rakshasa erklärt, er habe ihn dem Siddhärthaka einmal geschenkt (ohne von Sakatadäsas Rettung zu erzählen). Bhäguräyana wirft, um den Prinzen gegen den Minister aufzubringen, ein, wie er den Schmuck seines Herren habe weiterschenken können. Die mündliche Botschaft des Siddhärthaka leugnet Rakshasa. Das Siegel können Schurken nachmachen, sagt er (146, 8ff.). Bis hierhin sieht das Verhör für Rakshasa noch einigermaßen günstig aus. Er durchschaut dank seiner Klugheit wenigstens das Grundsätzliche, daß es sich um feindlichen Betrug handelt. Beim Siegel freilich irrt Rakshasa; es ist nicht gefälscht. Hier hätte er gestehen sollen, daß es einige Zeit in fremden Händen war, zumindest in denen Siddhärthakas und Sakatadäsas; beide hält er ja noch für ehrliche Freunde, und von Cänakyas Benutzung des Siegels weiß er noch nichts und errät sie auch noch nicht. Damit verpaßt er den letzten Moment, sich durch Aufdeckung der Wahrheit vor dem Prinzen als unschuldig zu erweisen. Daß er den Schmuck des Prinzen weiterverschenkt hat, zeigt wohl, daß er ihm tatsächlich nicht unbedingt anhängt; einen Schmuck seines Nanda hätte er sicher behalten 3 . Bhäguräyana holt aus Siddhärthaka heraus, daß Sakatadäsa den Brief geschrieben hat. Das erschüttert Rakshasa so, daß er sich mit Sakatadäsa identifiziert. Der Prinz will den Schreiber kommen lassen. Bhäguräyana aber überlegt richtig: Die Agenten Cänakyas werden nichts behaupten, was sich nicht erweisen läßt. Daher rät er dem Prinzen: Sakatadäsa wird vor Rakshasa nichts eingestehen, also solle man nur seine Handschrift mit der des Briefes vergleichen (147, 9if.). Bhäguräyana hat also inzwischen erraten, daß Siddhärthaka, nicht aber Sakatadäsa ein Agent Cänakyas ist. Würde der Schreiber jetzt aussagen, daß er den Brief einst in Pätaliputra geschrieben hat (soweit kombiniert Bhäguräyana) 4 , so käme Cänakyas List ans Licht und Rakshasa wäre gerettet und bliebe der vertraute Ratgeber des Prinzen. I n diesem entscheidenden Augenblick gelingt es dem klugen Bhäguräyana, die Sache seines Herren ins rechte Gleis zu bringen, indem er ein Verhör des Schreibers verhütet. Rakshasa durchschaut die Lage immer noch nicht genügend und besteht daher nicht darauf, daß Sakatadäsa selber ihm gegenübergestellt wird; er schweigt. Siddhärthaka spricht in dieser Szene weiter nicht mehr. 1
Mrcch. I X , Vers 36. H. Losch, Die Yäjnavalkyasmrti, Leipzig 1927, S. X X X und X X X I I I . 3 Nach Walimbe ist dies tatsächlich unverständlich, wie Rakshasa so handeln konnte. — Rakshasa war in Trauer und schätzte vermutlich deswegen den Schmuck nicht hoch. 4 Nach Dhu. 2
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Er macht sich also wohl mit Bhäguräyanas Duldung aus dem Staube. Wenn eben Malayaketu von ihm gesagt hatte 1 , daß er in Gegenwart seines Herren Räkshasa nicht aussagen wird, so konnte jetzt Bhäguräyana daran anknüpfen und den Prinzen überzeugen, daß Sakatadäsa ebensowenig vor Räkshasa aussagen wird. Bhäguräyana rät, auch den Ring mit dem Siegel Räkshasas bringen zu lassen. Die Türhüterin geht und bringt beides. Der Prinz sieht die Gleichheit der Schrift. Räkshasa denkt: Die Schrift beider Schreiben stimmt überein, aber der Schreiber ist doch mein Freund, was nicht zum Schreiben stimmt. (Vers:) Er hat wohl die Treue zu seinem Herren vergessen, an Weib und Kind gedacht 2 , gierte nach vergänglichen Dingen, nicht nach ewigem Ruhm (148, 10ff., Vers 121). Räkshasa überzeugt sich anscheinend nicht selbst von der Gleichheit der Schrift, glaubt vielmehr dem Prinzen, aber er verliert den Glauben, das Vertrauen zu seinem treuen und treu gebliebenen Schreiber. Es ist fast unverzeihlich, daß er nicht darauf besteht, ihn selber in einem Kreuzverhör auszufragen. Aber er hat ja schon am Ende des IV. Aktes nach der finsteren Szene mit dem Astrologen in Sonnenuntergangsstimmung über die Untreue der Fürstendiener geklagt 3 , damals noch ganz allgemein. Er hat dann eben im V. Akt, wie er meint, mit eigenen Augen gesehen, wie „sein Diener" Siddhärthaka durch Prügel zum Abfall von seiner Sache gebracht worden ist. Schon bei dem hat er, vielleicht, um ihn nicht noch weiterer Tortur auszusetzen, auf eingehenderes Fragen nach den näheren Umständen des Briefes verzichtet. Er ist jetzt anscheinend müde, gibt seine Sache schon verloren 4 und meint, das Umfallen seiner Agenten verstehen zu können. Aus Schwäche irrt er in beiden Fällen, er, der doch nach des Dichters Absicht ein großer Politiker sein soll. Er spricht hier asketische Gedanken aus, wie es auch die beiden Kämmerer Candraguptas und Malayaketus t u n 5 ; aber seine Gedanken berühren sich auch mit denen Bhäguräyanas im V. Akt 6 , nur läßt dieser zuverlässige Agent Cänakyas sich durch seine moralischen Bedenken nicht von der restlosen Durchführung seiner politischen Aufgabe abhalten. Das Übereinstimmen der beiden Schriften steht mit dem Nichtübereinstimmen von Sakatadäsas Schreiben und seiner Freundschaft mit Räkshasa in Widerspruch, stellt Räkshasa (mit Recht)! fest, und dieser Widerspruch wird von ihm nicht durch genauere Untersuchung des Falles einer Lösung zugeführt, sondern stürzt ihn (nur) in Zweifel. Darüber reflektiert er hier wie ein Logiker. Schon oben hatte er als Logiker die politische Lage zu analysieren getrachtet 7 . Gewiß soll ein Wissenschaftler (und der Politiker soll ein Staatswissenschaftler sein, meint Visäkhadatta) logisch überlegen, aber die Form dieser Überlegungen Räkshasas in diesem aufregenden Augenblick wirkt doch reichlich unrealistisch. 1
S. o. 146,1. Nach Mahädeva 33, 13f. hätte Bhäguräyana dies erwogen, nicht Malayaketu. Sie sind von Cänakya gefangengesetzt: 24, 9. 3 S. o. 120,7ff., Vers 108. 4 S. o. 143,11 ff., Vers 119. 6 S. o. 43, Vers 38, und 70, Vers 54. « S. o. 127, 7ff. ' S. o. 141, l l f f . , Vers 117. 2
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Rakshasa"
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Die indischen Logiker der alten Zeit unterschieden mehrere Arten des Zweifels; dieser, auf dem Widerspruch zweier Beobachtungen beruhende, ist wohl erst von dem Buddhisten Dignäga klar definiert worden 1 . Er überlegt weiter: Oder vielmehr 2 : Wie kann man da zweifeln? (Vers:) Der Siegelring ist an seiner Hand, Siddhärthaka ist sein Freund, er hat den Brief erwiesenermaßen geschrieben. Offenbar hat er sich, sein Leben zu retten 3 , mit dem Feind zusammengetan, der im Spalten scharf ist, und hat elend gehandelt (149, 10ff., Vers 122). Sakatadäsa ist zwar von Siddhärthaka „gerettet" worden, aber sein Weib und Kind sind inCänakyas Gefängnis. Siddhärthaka ist, wie Rakshasa sieht, von Cänakya mißbraucht, und ebenso, meint er, auch Sakatadäsa. Rakshasa ist hier endlich insofern auf dem richtigen Wege, als er sieht, daß hinter allem Cänakya steckt, der tatsächlich auf Spaltung aus ist. Aber er sagt (und erkennt wohl) noch nicht, daß es sich Cänakya um die Spaltung zwischen Malayaketu und Rakshasa handelt; er denkt vielleicht nur an die Spaltung zwischen Räkshasa und Sakatadäsa, vielleicht auch Siddhärthaka. Und er ist völlig im Irrtum (dank Cänakyas List), wenn er an seinem Freund und Sakatadäsa irre geworden ist, ja, durch logische Überlegung darüber sicher geworden zu sein meint. Dabei wollte der Dichter wohl nicht andeuten, daß alle Logik irreführt, sondern nur, daß Räkshasa von falschen Voraussetzungen ausgehend irren muß, daß er von Cänakya irregeleitet wird. Der naheliegende Gesichtspunkt, der Freund habe seines lieben Lebens wegen die Treue gebrochen, war von Räkshasa in bezug auf sich selber und die Nanda mit Recht abgestritten worden 4 . Der Prinz fragt Räkshasa, ob er eines der drei Schmuckstücke trüge, deren Empfang er in dem Brief bestätige. Dabei erkennt er den Schmuck als den seines Vaters; seine Türhüterin bestätigt das, vor Rührung weinend. Räkshasas Versicherung, er habe den Schmuck gekauft, dringt nicht durch. Der Prinz weint: (Vers) Dies, Vater, ist dein Lieblingsschmuck, mit dem du strahltest wie der Herbstmond mit den Sternen. — Räkshasa merkt jetzt, daß Cänakya ihn auch mit diesem Schmuck betrogen hat, daß die Kaufleute seine Agenten waren 5 . — Der Prinz glaubt nicht an den Kauf des Schmuckes seines Vaters. Oder vielmehr 6 : (Vers) Freilich, Candragupta hat ihn dir verkauft, und ich war der Preis! — Räkshasa denkt (Vers:) Brief, Ring, Sakatadäsas Freundschaftsbruch, Candraguptas Verkauf des Schmuckes wird mir niemand glauben. Besser ein Eingeständnis als ordinärer Wortwechsel (150, 3ff., Vers 123—125). Alle Indizien sprechen gegen Räkshasa. Entscheidend war der Schmuck Parvatas, den Cänakya im Grunde nur durch Zufall, durch Candraguptas eigenen pietäts1
viruddhävyabhicärin: H. N. Bandle, Indian Logic in the Early Schools, London 1930, 403; N S Anm. 65; aber Bhämaha IV, 17 und Dandin 111,139 sind anders. 2 S. o. zu 7,7. 3 Dhu.: Er war zwar in Sicherheit, aber seine Familie war gefangen. Räkshasa merkt also noch nicht, daß Öakatadäsa den Brief noch in Pätaliputra geschrieben hat. 4 S. o. 41,16, Vers 34. 5 Nach einigen Handschriften sagt er das laut. 6 S. o. 7,7. Rüben,
Sinn des Dramas
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vollen Einfall in die Hände gespielt bekommen hat. Daß Malayaketu in seinem Mißtrauen, dessen Keim Bhäguräyana in ihn gelegt hat, jetzt endgültig befestigt ist, kann niemand wundern. Cänakyas List soll als gelungen dastehen. Auch Räkshasas Zusammenbrechen soll verständlich erscheinen und soll seiner Größe keinen Abbruch tun. Sein letzter Grund ist, daß jeder weitere Streit ordinär, wörtlich dörfisch, rusticus 1 wäre. Indessen hätte Räkshasa auf Sakatadäsas Verhör bestehen müssen, denn nur er konnte bezeugen, daß Räkshasa den Schmuck wirklich gekauft hat 2 , nur er konnte die Wahrheit über den Brief berichten, den er unter verdächtigen Umständen in Pätaliputra schon eigentlich gar nicht hätte schreiben sollen. Freilich hätte Bhäguräyana durch Tortur sein Zeugnis vielleicht aus der Welt schaffen können, aber auch Bhäguräyana fürchtete ja dies Verhör und umging es listig. Da war also eine Möglichkeit der Rettung, die der angeblich so kluge Minister versäumt hat. Er vertraute ja dem ehrlichen Schreiber nicht mehr. Daß der junge Hitzkopf Malayaketu diesen Fehler in der Prozeßführung (wenn man hier von einer solchen einmal reden will) übersehen hat, ist psychologisch glaubhafter. Der Verzicht Räkshasas auf Selbstverteidigung und seine Bereitschaft zum Geständnis ähneln teilweise dem Verhalten Cärudattas in der Gerichtsszene des Dramas Mrcchakatikam 3 . Auch da ist ein Schmuck das entscheidende Indizium. Auch da handelt es sich um die komplizierte Geschichte zweier hin und her geschobener Schmucke; auch da muß eine Frau, die Mutter der Hetäre, die Echtheit anerkennen. Auch da handelt es sich um Mordverdacht, während der Mörder (dort der böse Königsschwager, hier Cänakya und sein Agent Jivasiddhi) die Anklage bewirkt. Auch da ist die Drohung mit Tortur wichtig. Auch da wird der Verzicht auf Verteidigung als „edler" Charakterzug hingestellt. Aber dort hat der unschuldig angeklagte Kaufmann einen triftigen Grund zu schweigen; würde er vor Gericht reden, würde die Flucht des Hirten Äryaka aufgedeckt werden, dem Cärudatta zum Thron verhelfen, durch den seine Partei den König Pälaka stürzen will. Insofern ist jene Szene dem Südraka besser gelungen als diese dem Visäkhadatta. Da glaubt Cärudatta, seine Geliebte sei ermordet; hier glaubt Räkshasa seine Freunde hätten ihn verlassen. Es sieht so aus, als stammten beide Dramen aus einer Zeit und Gegend, in der das Thema der Gültigkeit des Indizienbeweises und der Tortur umstritten und deswegen von zwei Dichtern in zwei inhaltlich ganz verschiedenen Dramen im selben ablehnenden Sinne behandelt worden sei. In beiden können die Richter kein Recht finden. Der Prinz will Räkshasa etwas fragen und redet ihn als Herr a n ; Räkshasa aber lehnt diese Anrede ab, er sei ihrer nicht mehr würdig (151, 12f.). Dies ist eine rückverweisende Anspielung darauf, daß Candragupta im I I I . Akt von dem „abgesetzten" Cänakya ohne denselben Titel „ H e r r " gesprochen hatte 4 . Malayaketu fragt. (Vers:) Der Maurya ist der Sohn deines Herren, ich bin der Sohn deines Freundes 5 . Er gibt dir Geld, mir dagegen gibst du, ständig unter1
2 8
grämya; Telang: Nicht gewichtig; Kaie: churlish.
S. o. 68, llff.
Darauf verwies schon ganz kurz Kaie 44 (Notes). Vgl. Mändavya in Mbh. I. 107 f. und Jätaka 444. 1 S. o. 95,3. 5 S. o. 133, lOf.: Parvata hielt sich eine Zeitlang für Räkshasas Freund.
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s t ü t z t ; dort bist du Sklave, wenn auch Freund genannt, hier bist du Herr. Welche Gier nach noch mehr hat dich ehrlos gemacht? — Rakshasa antwortet mit genau demselben Vers unter sinngemäßer Vertauschung der ersten und zweiten Person (151,14 fE., Vers 126). Er meint: Eben diese Gründe können mich nicht zu der vermeintlichen Ehrlosigkeit treiben, gerade sie zeigen, daß ich, wenn nicht töricht, dann ehrlich bin. Aber diese Argumentation ist (so wenig Malayaketu ihr glaubte) für den Zuschauer nicht überzeugend. Daß Candragupta der legitime Nachfolger der Nanda ist, ist später wohl im Grunde das entscheidende Argument dafür, d a ß Rakshasa auf seine Seite übergeht. Rakshasa selber hatte zu Anfang gedacht, daß sein Dienst bei Malayaketu ihm als Sklaverei erscheint 1 . H a t er das etwa jetzt vergessen? Nur das ist richtig, daß ihn keine Gier nach Geld treibt; das hatte ejr ebenfalls von Anfang an gesagt 2 , das hatte Cänakya von ihm gesagt 3 , und das glaubt ihm der Zuschauer, aber nicht Malayaketu, der an ihm ja gerade den Schmuck seines Vaters gefunden hat. Der Prinz weist denn auch auf Brief und Schmuck hin, und Rakshasa kann nur weinend das Schicksal als schuldig hinstellen. (Vers:) Ich bin nur ein verächtlicher Diener, aber meine guten Herren 4 haben mich wie ihre Söhne gehalten. Indessen werden die Könige, die Richter der Erde 4 , vom Schicksal vernichtet, das die Bemühungen der Menschen zunichte macht (152, 5ff., Vers 127). Einige Handschriften fügen hinzu: Dies ist das Werk des Schicksals, nicht Cänakyas. Das ist hier sachlich nicht angebracht und widerspricht dem, daß Rakshasa eben vorher Cänakyas Hand beim Verkauf des Schmuckes erkannt hatte 5 , ebenso auch bei dem Schreiben Sakatadäsas 6 . Rakshasa weiß also, daß Cänakya ihn überwunden hat, aber er gebraucht als typischer Fatalist (so wie Kautalya es bei Fatalisten tadelt) das Fatum als Ausrede zur Entschuldigung der selber begangenen Fehler. Der Prinz braust auf: Auch jetzt noch fatalistische Ausreden statt des Geständnisses der eigenen Geldgier! (152,11 f.). Der Prinz hat recht, den Fatalismus abzulehnen, aber er irrt sehr mit seiner Anklage. Er ist allenfalls damit entschuldbar, daß Rakshasa sich nicht sachlich verteidigt. Aber im Grunde schildert der Dichter hier einen Fall, der für die orientalischen Despoten typischen und schon Jahrhunderte vor Visäkhadatta in weit verbreiteten Erzählungen angeklagten Voreiligkeit, deren bekannteste die des Ahikar 7 ist. Er legt deswegen dem unschuldig angeklagten Rakshasa kein Geständnis in den Mund, ebenso wie es Südraka im Mrcchakatika bei Cärudatta vermeidet; er hatte oben nur angedeutet, daß Rakshasa unter Umständen zu einem Geständnis aus Vornehmheit 8 bereit wäre. 1
S. o. 42,1, Vers 34. S. o. 41, 15, Vers 34. a S. o. 8, l f f . , Vers 13. 4 Nach Walimbe: Die Nanda. 6 S. o. 151,1. 6 S. o. 150,1. 8 ' S. u. I I B 1. S. o. 151, 11. 2
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Der Prinz fährt fort (Vers:) Du hast das Giftmädchen zugerüstet und meinen dir vertrauenden 1 Vater ermordet; du hast es jetzt unternommen, mich zu verkaufen wie rohes Fleisch, um des Feindes Minister zu werden (153, Iii., Vers 128). Malayaketu führt den für sein Empfinden schwersten Vorwurf (das Giftmädchen) jetzt erst als allerletzten an. Das ist dichterische Steigerung und vielleicht psychologisch richtig. Er spielt gleichzeitig darauf an, daß Räkshasa (wörtlich: menschenfressender Dämon) ihn verkauft hat für den von Candragupta empfangenen Schmuck 2 . Das ist sehr ungerecht gegen Räkshasa, der bereit sein wird, seinen eigenen Leib als Preis für das Leben seines Feundes Candanadäsa herzugeben 3 . Cänakya bezieht dies in seine Berechnungen von Anfang an mit ein; er beurteilt Räkshasa und den Prinzen richtig, Malayaketu aber beurteilt Räkshasa falsch. Räkshasa beteuert seine Unschuld an Parvatas Tod und weist auch daran die Schuld dem Schicksal zu. Der Prinz fragt: Und nicht dem Jivasiddhi? Räkshasa erkennt jetzt auch in ihm den Agenten Cänakyas: Meine Feinde haben mir mein Herz geraubt! Er schweigt (153, 5ff.). Er meint, sein Freund sei bestochen worden, aber erkennt nicht, daß Cänakya ihm seinen Agenten zum „Freunde" bestimmt hat. Sein letzter Gedanke soll wohl andeuten, daß am Ende des Dramas sein Herz tatsächlich bei Candragupta sein wird. Wenn Räkshasa hier nicht Cänakya des Mordes an Parvata bezichtigt, so kann es bedeuten, daß er aus Edelmut seinen Feind Cänakya nicht anklagen will 4 , es kann sich aber auch nur um seinen üblichen Fatalismus handeln, zumal er die Einzelheiten darüber, wie Cänakya Jivasiddhi zum Mord verwendete, nicht weiß. Er hielt ja eben noch Jivasiddhi für seinen Freund und ahnt nicht, daß gerade Jivasiddhi am Anfang des Aktes Malayaketu eingeflüstert hat, Räkshasa sei Parvatas Mörder gewesen, er aber als Räkshasas Freund dabei nur sein Instrument 5 . Jivasiddhi hat sich inzwischen aus dem Staube gemacht, Malayaketu hat ihn nicht festhalten lassen (offenbar, weil er als Diener Räkshasas für seine Handlung nicht verantwortlich zu machen ist) 6 , aber Räkshasa besteht in seiner Verzweiflung auch gar nicht erst auf einem Verhör dieses gefährlichen Jainamönches und Astrologen, mit dem er am Ende des IV. Aktes jene finstere Szene gehabt hatte. Der Prinz läßt dem Heerführer Sikharasena befehlen, von den fünf „verschworenen" Königen sollen die ersten drei, die nach seinem Lande begehren, in einer Grube mit Staub bedeckt, die anderen beiden, die seine Elefanten und sein Gold wollen, von einem Elefanten zertrampelt werden. Räkshasa aber läßt er gehen, denn er selber sei kein Räkshasa, der das Vertrauen bricht. (Vers:) Cänakya und Candragupta zusammen mit Räkshasa sei er imstande auszurotten, so wie schlechte Politik die drei Ziele (Gewinn, Lust, Recht) ausrottet (153, 12ff., Vers 129). 1 2 3 4 6 6
S. o. zu 133, 9ff., Vers 114. S. o. 151, 5f., Vers 124. S. u. 180, 13. So Dhu. S. o. 131, 5f. S. o. 139,9: Malayaketus Urteil über Siddhärthaka.
D e r Sinn des D r a m a s „ D a s Siegel u n d R ä k s h a s a "
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Voreilig läßt der Prinz seine mächtigsten Bundesgenossen ermorden, weil letztlich Cänakya sie ihm durch seine Agenten und den Brief als Verschwörer hinstellte, obgleich der Prinz doch kurz vorher noch verstanden hatte, daß er seine Anhänger wie Räkshasa nicht töten dürfe, wolle er nicht seine Untertanen stutzig machen 1 . Er überlegt jetzt in seinem Zorn nicht, was die Soldaten der ermordeten Könige tun werden, die doch aus fernen Ländern ihm zu Hilfe gekommen sind. Er fragt niemand, weder Räkshasa noch Bhäguräyana, der ihm freilich auch jetzt keinen guten R a t mehr gegeben hätte. Bhäguräyana ist zufrieden, daß dem Räkshasa wenigstens kein Leid geschieht. Der Prinz irrt aber gewaltig, wenn er sich den dreien, Candragupta samt beiden Ministern, für überlegen hält, und verwendet in seiner W u t ein unglückliches Beispiel 2 , in dem er sich selber mit der „schlechten Politik", die drei Gegner aber mit Gewinn, Lust und Recht vergleicht 3 . Daß der Prinz sich dabei selber der „schlechten Politik" verglichen haben sollte, die in ihrem Bereich alles Gute ausrottet, ist freilich höchst unwahrscheinlich. Der Prinz aber drängt, indem er auf Bhäguräyanas Einflüsterungen horcht, Räkshasa geradezu in die Arme Candraguptas und ist damit selber ein Werkzeug der Politik des Cänakya. Freilich folgt Räkshasa dieser bitteren Empfehlung Malayaketus nicht; dazu bedarf es im VII. Akt eines besseren Anwaltes, bedarf es der Worte Cänakyas. Aber da der Prinz ihn selber zu Candragupta schickt, ist es bei Räkshasa kein Wortbruch, wenn er am Ende wirklich zu Candragupta übergeht 4 . Der Prinz will keine weitere Zeit verlieren und befiehlt den Aufbruch des Heeres zur Belagerung der Stadt. (Vers:) Die von den Hufen der Pferde aufgewirbelten Staubsäulen, welche Wangen und Haare der Frauen der Gauda 5 bedecken und deren Wurzeln durch den Brunstsaft der Elefanten abgeschnitten sind, sollen auf das Haupt der Feinde fallen. — Er geht mit den Seinen ab (154, 9ff., Vers 130). Schon am Ende des IV. Aktes hatte der junge Prinz mit kriegerischem Eifer in zwei bombastischen Versen 6 von seinem künftigen Angriff geschwärmt, ohne bisher einen Erfolg errungen zu haben. Ähnliche Erfolglosigkeit des Großsprecherischen spürt der Zuschauer bei diesem Vers, der kunstvoll die Staubsäule ausmalt, wie sie über dem Heere schwebt, vor ihm gleichsam vorauseilt und auf das Feindesvolk niederfällt, weil sie wie ein Baum gefällt wird, wenn von den Kriegselefanten in ihrer brünstigen Wut Saft zu Boden tropft und weiteres Aufsteigen der Staubwolke unterbindet. Mag der Jüngling ein kriegseifriger Dichter sein, ein Politiker und Feldherr ist er nicht. Räkshasa, allein gelassen, klagt: Ich bringe meinen armen Freunden, den Königen Citravarman usw. Unglück, nicht den Feinden. Was tun? (Vers:) Ginge ich in den Büßerwald, käme ich nicht zur Ruhe. Soll ich dem Nanda in den Tod folgen, solange mein Feind lebt? Das wäre weibisch. Soll ich 1
S. o. 135, l f . D h u . : Mit dem Beispiel zeigt er seine eigene Schlechtigkeit. 3 I m einzelnen: I s t R ä k s h a s a = d h a r m a , C ä n a k y a = a r t h a u n d C a n d r a g u p t a = k ä m a ? 4 Vgl. den V i d ü s h a k a in Mrcch. I I I , der im Halbschlaf den Dieb a u f f o r d e r t , den S c h m u c k der V a s a n t a s e n ä zu n e h m e n (Zeile 180ff.). 5 G a u d a reicht v o n Bengalen bis Orissa. 6 S. o. 115, l l f f . , Vers 102f. 2
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kämpfend fallen ? Das wäre passend, wenn mein Herz nicht voll Dankbarkeit den Freund Candanadäsa zu befreien begehrte und mich zurückhielte 1 (155, 6ff., Vers 131). Wie im IV. Akt auf Malayaketus Verse Räkshasas Zweifel und seine Szene mit dem Astrologen gefolgt war, so hier seine verzweifelte und zugleich mannhafte Überlegung, die bereits zum nächsten Akt überleitet, in dem er Candanadäsa zu retten sucht. Damit tut er das, was Cänakya vorausgesehen und gewollt hatte. Räkshasas Überlegung ist wieder gründlich und systematisch 2 (freilich nicht in eigentlich logische Formen gekleidet) 3 : Er darf weder tatenloser Asket werden (wie es der letzte Nanda getan hatte 4 und wie Räkshasa es von dem „abgesetzten" Cänakya erwartete 5 ), noch wie eine Witwe dem Gatten auf den Scheiterhaufen folgen, noch in der Schlacht fallen. Er hat noch etwas zu t u n : Er muß seinen Freund retten, und das wird ihm am Ende gelingen. Dieser Aktschluß steht andererseits dem des I I I . Aktes gegenüber, in dem der Minister zornig abgegangen war, dann aber der König Candragupta, müde mit Kopfschmerzen und mit unguter Erinnerung an den eben ausgefochtenen Scheinstreit Ruhe suchte, zugleich aber diejenigen bedauerte, die mit ihrem Lehrer in echten Streit geraten — eben, so wie es hier der junge Prinz getan hat.
VI. Akt: Räkshasas Freundschaftsopfer Ist der IV. Akt der zentrale Akt des Dramas und war der V. Akt ein Gegenstück zum III., so ist der VI. Akt zwar einerseits eine Fortsetzung des V. (insofern Räkshasa Schritt für Schritt von Cänakyas Agenten gelenkt und Candragupta zugeführt wird), andererseits aber auch ein Gegenstück zum II. Akt mit dem großen Klagemonolog des Räkshasa und mit seinem Dialog mit seinem Agenten, dem Schlangenbändiger. Vorspiel Siddhärthaka tritt, geschmückt und froh, auf, und spricht eine Siegesstrophe: Siegreich ist Krshna, der Kesin erschlug; siegreich ist Candragupta, der wie der Mond die Blicke der Guten erfreut; siegreich ist Cänakyas Politik, die die Feinde niederschlug, sobald er das Heer zum Sieg gerüstet hatte (156, lff., Vers 132). Die Siegesstrophe zeigt an, daß Malayaketu inzwischen geschlagen ist. Ausführlicher wird das in der folgenden Szene berichtet werden. Siddhärthaka ist aus seinem Verhör und aus dem Lager Malayaketus entkommen 6 , von Candragupta mit Schmuck 1
So nach Hillebrandts Text. Anders Dhu., Telang, Kaie, D h r u v a , W a l i m b e : Das ist u n p a s s e n d ; mein Herz würde mich zurückhalten, wenn es nicht u n d a n k b a r würde. 2 S. u. R ä k s h a s a s ähnlichen Vers a m E n d e des V I . Aktes. 3 Dies E r k e n n t n i s v e r f a h r e n ist eine Art parisesha, Ausschluß der verschiedenen Möglichkeiten, VS I I , 1, 27; vgl. R ä n d l e (s. o. S. 113 A n m . 1) 152. 4 S. o. 7, 11; 51,6. 5 S. o. 110,5. 6 S. o. 148,2.
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kämpfend fallen ? Das wäre passend, wenn mein Herz nicht voll Dankbarkeit den Freund Candanadäsa zu befreien begehrte und mich zurückhielte 1 (155, 6ff., Vers 131). Wie im IV. Akt auf Malayaketus Verse Räkshasas Zweifel und seine Szene mit dem Astrologen gefolgt war, so hier seine verzweifelte und zugleich mannhafte Überlegung, die bereits zum nächsten Akt überleitet, in dem er Candanadäsa zu retten sucht. Damit tut er das, was Cänakya vorausgesehen und gewollt hatte. Räkshasas Überlegung ist wieder gründlich und systematisch 2 (freilich nicht in eigentlich logische Formen gekleidet) 3 : Er darf weder tatenloser Asket werden (wie es der letzte Nanda getan hatte 4 und wie Räkshasa es von dem „abgesetzten" Cänakya erwartete 5 ), noch wie eine Witwe dem Gatten auf den Scheiterhaufen folgen, noch in der Schlacht fallen. Er hat noch etwas zu t u n : Er muß seinen Freund retten, und das wird ihm am Ende gelingen. Dieser Aktschluß steht andererseits dem des I I I . Aktes gegenüber, in dem der Minister zornig abgegangen war, dann aber der König Candragupta, müde mit Kopfschmerzen und mit unguter Erinnerung an den eben ausgefochtenen Scheinstreit Ruhe suchte, zugleich aber diejenigen bedauerte, die mit ihrem Lehrer in echten Streit geraten — eben, so wie es hier der junge Prinz getan hat.
VI. Akt: Räkshasas Freundschaftsopfer Ist der IV. Akt der zentrale Akt des Dramas und war der V. Akt ein Gegenstück zum III., so ist der VI. Akt zwar einerseits eine Fortsetzung des V. (insofern Räkshasa Schritt für Schritt von Cänakyas Agenten gelenkt und Candragupta zugeführt wird), andererseits aber auch ein Gegenstück zum II. Akt mit dem großen Klagemonolog des Räkshasa und mit seinem Dialog mit seinem Agenten, dem Schlangenbändiger. Vorspiel Siddhärthaka tritt, geschmückt und froh, auf, und spricht eine Siegesstrophe: Siegreich ist Krshna, der Kesin erschlug; siegreich ist Candragupta, der wie der Mond die Blicke der Guten erfreut; siegreich ist Cänakyas Politik, die die Feinde niederschlug, sobald er das Heer zum Sieg gerüstet hatte (156, lff., Vers 132). Die Siegesstrophe zeigt an, daß Malayaketu inzwischen geschlagen ist. Ausführlicher wird das in der folgenden Szene berichtet werden. Siddhärthaka ist aus seinem Verhör und aus dem Lager Malayaketus entkommen 6 , von Candragupta mit Schmuck 1
So nach Hillebrandts Text. Anders Dhu., Telang, Kaie, D h r u v a , W a l i m b e : Das ist u n p a s s e n d ; mein Herz würde mich zurückhalten, wenn es nicht u n d a n k b a r würde. 2 S. u. R ä k s h a s a s ähnlichen Vers a m E n d e des V I . Aktes. 3 Dies E r k e n n t n i s v e r f a h r e n ist eine Art parisesha, Ausschluß der verschiedenen Möglichkeiten, VS I I , 1, 27; vgl. R ä n d l e (s. o. S. 113 A n m . 1) 152. 4 S. o. 7, 11; 51,6. 5 S. o. 110,5. 6 S. o. 148,2.
Der Sinn des D r a m a s „ D a s Siegel u n d R a k s h a s a "
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belohnt worden 1 und hat eine neue Aufgabe erhalten (s. gleich), für die er jetzt irgendwo unterwegs ist. Diese Siegesstrophe am Aktanfang charakterisiert die neue Lage und zeigt den Triumph der Sache Cänakyas in starkem Gegensatz etwa zum Zweifel des Schlangenbändigers am Anfang des I I I . Aktes 2 . Siddhärthaka war in der ersten Strophe des V. Aktes schon sehr zuversichtlich gewesen 3 , aber jetzt ist der Sieg wirklich errungen. Dieser VI. Aktanfang steht aber auch in scharfem Gegensatz zum Ausgang des V. Aktes, in dem Malayaketu noch in höchster Erregung seine Siegeszuversicht ausgesprochen h a t t e 4 . In der Strophe wird zunächst der Sieg Krshnas über Kesin gefeiert; Kesin war ein Dämon in der Gestalt eines umgehenden Pferdes, der die Hirten im Dschungel erschreckte. Krshna stieß ihm seinen Arm ins Maul und zerriß ihn 5 . Das ist ein Sieg übermenschlicher Manneskraft. Daneben wird Candragupta gestellt; er siegte ohne Schwertstreich, aber man pflegt ja den Sieg eines Heeres dem König zuzuschreiben, selbst wenn er während der Schlacht ruhig in seinem Palast weilt 6 bzw. nur wie Candragupta mild (wie der Mond) seine braven Untertanen anstrahlt. Cänakyas Sieg aber war wieder anders: Er hat sein Heer gerüstet, ehe es indessen zum Schlagen kam, hatte er bereits durch seine Politik das Heer des Feindes gespalten und zersprengt 7 . Diese Art Sieg stellt der Dichter offensichtlich als den höchsten der drei hin. Wenn dies wegen dem geringen, unausgesprochenen, aber darin enthaltenen Tadel an Krshnas roher Heldentat unglaubhaft erscheinen sollte, so ist darauf hinzuweisen, daß Visäkhadatta Sivait war, also gegen den vishnuitischen Helden Krshna nicht restlosen Respekt zu zeigen brauchte 8 . Siddhärthaka sagt, er suche seinen alten Freund Samrddhärthaka; da komme er ihm gerade entgegen. Samrddhärthaka tritt auf. (Vers): Ohne unsere lieben Freunde freut uns kein Fest. Ich habe gehört, daß Siddhärthaka aus dem Lager des Malayaketu gekommen ist, und suche ihn. Da kommt er! — Beide begrüßen sich (156, 6ff., Vers 133). Vermutlich trat der eine Agent von rechts, der andere von links auf, jeder zunächst mit einem kurzen Monolog. Diese Begegnung der beiden Freunde erscheint uns als ziemlich zufällig. Der Dichter hätte leicht Siddhärthaka zum Hause seines Freundes gelangen lassen können. Aber er wollte wohl andeuten, daß die Freundschaft beide zusammenführt, und gegen Verwendung des Zufalls sind indische Dichter nun einmal nicht so empfindlich wie unsere. Vermutlich wirkte dieser Anfang des Siegesaktes, dies Vorspiel der beiden Agenten Cänakyas auch humorvoll, ähnlich, und doch im einzelnen ganz anders als das Vorspiel des V. Aktes mit Siddhärthaka und Jivasiddhi, aber auch das des II., in dem der Schlangenbändiger einen Dialog mimt. 1 2 3 4 6 6 7 6
S. u. 159,2. S. o. 40,6ff. S. o. 121, 3f., Vers 108. S. o. 154, 9ff., Vers 130. R u b e n 1943, 118 ff. R . Garbe, Die Sämkhya-Philosophie, Leipzig 1917, 227. D a s ist in D h u . ' s T e x t u n d C o m m e n t a r deutlicher gesagt. S. o. Vishnus Schlaf, 82, 14ff., Vers 74.
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Siddhärthaka entschuldigt sich, er habe das Haus des Freundes noch nicht aufsuchen können, weil Cänakya ihn sofort mit einer guten Botschaft zu Candragupta geschickt und der ihn gnädig beschenkt 1 habe. Auf die Frage des Freundes hin gibt er ihm die gute Botschaft wieder, sie ist ja kein Staatsgeheimnis. Als Malayaketu Räkshasa entließ und die fünf Könige Citravarman usw. töten ließ, verließen ihn die übrigen Könige voll Furcht und zogen in ihre Heimat, da er unüberlegt handle. Bhadrabhata, Bhäguräyana usw. aber nahmen Malayaketu gefangen. — Samrddhärthaka fragt, wieso diese Männer, die doch Candragupta gehaßt hätten, wie die Personen eines Dramas eines schlechten Dichters am Anfang anders gehandelt hätten als am Ende? Siddhärthaka: Verehrung der Politik des Cänakya, deren Lauf unerhört ist wie der Gang des Schicksals 2 (158, 6ff.). Um unter anderem diesen Bericht über die Ereignisse seit dem V. Akt anzubringen, hat der Dichter sehr geschickt dies Vorspiel eingefügt. Samrddhärthaka weiß, obgleich er Cänakyas Agent ist, nichts Wesentliches von Bhadrabhatas Verhalten, ganz zu schweigen vom Volk. Auch Siddhärthaka dürfte kaum etwas Genaueres davon wissen, und er bricht das Fragen seines Freundes vorsichtig ab: Was gehen uns die Einzelheiten der unerforschlichen Politik unseres Herren an? Samrddhärthaka hatte schon beim Fragen versichert, er möchte die gute Botschaft nur hören, wenn es erlaubt sei. Hier ist offenbar die Grenze dessen erreicht, was der Öffentlichkeit, ja was einem Agenten Cänakyas zu hören gut ist. Samrddhärthaka vergleicht hier die politisch Handelnden (Bhadrabhata usw.) den Gestalten eines Dichters. Die Gestalten eines guten Dramas zeigen Konstanz der Charaktere, meint der Dichter. I n der Tat sind ja Bhadrabhata usw. von Anfang bis Ende treue Agenten Cänakyas, was Samrddhärthaka freilich nicht weiß. Auch ein Räkshasa macht im Drama nach des Dichters Absicht also nicht etwa eine Entwicklung durch, sondern behält durchweg seinen edlen Charakter 3 . Dem Räkshasa hatte der Dichter den Vergleich des Dichters mit dem Politiker in den Mund gelegt 4 . Siddhärthaka aber stellt hier (wie oben Bhäguräyana) 5 die schlaue, unverständliche Politik neben das unfaßbare Schicksal. So stehen hier zwei Lieblingsgesichtspunkte des Dichters nebeneinander. Gerade den eingeweihten Agenten Cänakyas läßt er die Politik da, wo sie geheim bleiben soll, neben das Schicksal stellen. Samrddhärthaka fragt ungeduldig: Weiter, weiter! Siddhärthaka: Cänakya griff mit dem Heer an, da, wo (Vers:) die Elefanten brüllen und die Rosse, deren Köpfe 6 aus Furcht vor Peitschenschlägen zittern, den Siegesruf hören und sich sammeln. Samrddhärthaka: Das mag sein, aber wie ist der öffentlich abgesetzte Cänakya wieder zum Minister geworden? Siddhärthaka: Du bist sehr dumm, daß du Cänakyas Verstand, den Räkshasa nicht begriff, verstehen willst (161, 1 ff., Vers 134). 1 2
S. o. 156,1.
So Dhu. mit vielen Mss., aber Hillebrandt: Lauf der Gangä. Vgl. die erste Gebetsstrophe des Dramas: Selbst Devi erkennt die Gangä bei ihren Irrweg durch Sivas Haarschopf nicht. 3 Vgl. Rüben 1954a, 7 usw. über Entwicklung von Sakuntalä, PärvatI, Siva. 4 6 6 S. o. 99,2. S. o. 127,5. Ist im Sanskrit uttaranga oder uttaränga gemeint? Telang: Wogend; ähnlich Walimbe. Vgl. Pischel § 83.
Der Sinn des Dramas „ D a s Siegel und Raksliasa"
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Samrddhärthaka geht über die erste Zurechtweisung seines Freundes hinweg und drängt auf schnellere Erzählung mit einem „Weiter, weiter!", wie es in Dialogen wie z. B. Räkshasas und Karabhakas im IV. Akt üblich ist 1 . Ihn interessiert auch die begeisterte, kunstvolle Siegesschilderung seines Freundes wenig, und schon wieder stellt er eine unpassende Frage und muß sich eine Zurechtweisung gefallen lassen. Auch der Zuschauer, der die Geschichte kennt, will hier nicht allzulange aufgehalten werden und freut sich über diese humorvolle Lösung dieses Dialoges der beiden Agenten Cänakyas, die sich zanken und sich doch so gut verstehen. Samrddhärthaka fragt, wo Räkshasa jetzt weilt. Siddhärthaka: In jenem Durcheinander entkam er aus dem Lager und machte sich auf den Weg nach Pätaliputra 2 , von dem Agenten Undura 3 verfolgt, vermutlich aus Liebe zu Candanadäsa. Samrddhärthaka: Dann wirst du die Befreiung des Goldschmieds erleben! Siddhärthaka: Weit gefehlt! Du und ich sollen ihn auf Cänakyas Befehl jetzt hinrichten (162, 5ff.). Das also ist der Auftrag, mit dem der eine Agent den anderen aufsuchte, nicht aus alter Freundschaft. Samrddhärthaka, der von dem Auftrag nichts weiß, hat durch seine Frage nach Räkshasa den Lauf des Gesprächs dahin gelenkt, und er, der bisher von seinem Freund zurechtgewiesen wurde, ist diesmal der schlauere, der die Befreiung des Goldschmieds voraussieht. Freilich kann ihn Siddhärthaka hier wieder zurechtweisen, denn er meint ja, der Goldschmied müsse jetzt sterben. Aber am Ende behält Samrddhärthaka recht. Leider gibt er für seine Meinung keine Gründe an. Er kann ja genauso wenig oder noch weniger als Siddhärthaka wissen, weshalb Cänakya gerade sie beide mit der Hinrichtung beauftragt h a t 4 . Vermutlich hat er wie das Volk, dessen Stimme er in diesem Vorspiel ist, gewisse Sympathien für den edlen Goldschmied und große Hochachtung vor der Tätigkeit Räkshasas, der den Freund befreien will; darauf deutet das Folgende hin: Samrddhärthaka, zornig: H a t etwa Cänakya keine anderen Henker, daß er uns diese Schandtat aufbürdet ? Siddhärthaka: Wer, dem sein Leben lieb ist, wird Cänakyas Befehl trotzen? Komm, zieh dich als Henker an! — Beide gehen ab (163, 7ff.). So endet dies Vorspiel, das in der Prosaerzählung fehlt, wieder mit einer Zurechtweisung des einen Agenten durch den anderen. Samrddhärthaka hatte sich einen Augenblick zornig gegen den Mordbefehl aufgebäumt. Er brauste dabei ganz anders auf, als etwa Bhäguräyana, der nur über sein ehrloses Los als Knecht grübelt 5 . Aber er gab schnell nach. Ihm ist eben sein Leben lieb. Auch der Kämmerer hatte im I I I . Akt denselben Ausdruck gebraucht: Wer, dem sein Leben lieb ist, würde deinem Befehl trotzen, Candragupta! 6 Samrddhärthaka hätte sich das Aufbrausen sparen können, wenn er — wie der Zuschauer — Cänakyas List gekannt, wenn er seinem Herrn vertraut hätte, denn, würde ein Cänakya tatsächlich den edlen Goldschmied umbringen ? So ist der immer wieder zu weit gehende und doch schlaue Samrddhä1 2 3 1 6 6
S. o. 106f. S. u. zu 167, 2ff. über einen hier nicht wiedergegebenen Satz Samrddhärthakas. Telang, Walimbe: Udumbara. Das wird erst 194, 3 ff. angedeutet. S. o. 127, U f f . S. o. 75,12.
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rthaka in dieser kurzen, aber lebhaften Szene des Vorspiels trefflich und humorvoll gezeichnet, und zugleich erfährt der Zuschauer, was seit dem V. Akt auf dem Schlachtfelde geschehen ist, und was sich um Räkshasa und seinen besten Freund, den Goldschmied, anspinnt. Ein Mann tritt auf mit einem Strick in der Hand. (Vers:) Siegreich ist die Politik Cänakyas, der Strick zum Fesseln der Feinde, aus den sechs Strängen (oder Methoden der Politik) fest gefügt, mit der Schlinge der Listen (oder Mittel) an der Spitze (164, 4ff., Vers 134). Räkshasa, dieser Held, ist mit dem Schwert in der Hand im Anmarsch, um Candanadäsa zu befreien. Gegen ihn verwendet Cänakya eine neue List und diesen Agenten, der wiederum (wie oben Siddhärthaka) mit einer Siegesstrophe beginnt und in ihm die Politik Cänakyas mit einem Stricke (wie er ihn zu besonderer Verwendung, s. gleich, in der Hand hält) vergleicht. Auch der Schauspieldirektor hatte die Begriffe der Methoden und Mittel der Politik durch Doppelsinnigkeit in seinen Vers hineingebracht 1 . Diese Wiederholung wirkt etwas ärmlich. Mit einem Strick in der Hand denkt man sich den Todesgott Yama. Hier ist der von Undura angegebene Ort, wo ich nach Cänakyas Befehl Räkshasa erwarten soll. Da kommt er, sein Gesicht verhüllt. Ich verstecke mich hinter dem alten Baum (164, 7 ff.). Wie im Vorspiel ein Agent von rechts, einer von links aufgetreten war und zunächst mit einem Monolog begonnen hatte, so hier wohl der Mann mit dem Strick und Räkshasa. Räkshasa jammert: Ach! (Vers:) Die Glücksgöttin ist wie eine von ihrem Halt sich lösende schlechte Liane zu einem anderen Geschlecht übergegangen. Ihr folgten die Untertanen, die stets anderen nachgehen. Auch wir Autoritäten haben, da unsere Manneskraft erfolglos blieb, die Bürde abgeworfen. Was sollen sie tun? Leibesglieder ohne Kopf bleiben nicht lange aufrecht (165, 2ff., Vers 136). Wie bei seinem ersten Auftreten im II. Akt beginnt Räkshasa hier mit einem Monolog des Jammerns 8 . Wie dort klagt er die Glücksgöttin, dies schlechte wankelmütige Weib, an 3 . Damals hoffte er noch, ihren neuen Liebhaber erledigen zu können. J e t z t ist sie endgültig zum Maurya übergegangen. Ihr sind die Massen gefolgt, die angeblich nicht selbständig denken und keine eigenen Wege gehen (wie so „große Männer" wie Räkshasa usw.). Daß die Diener ihren Herren im Untergang zu verlassen pflegen, hatte er schon am Ende des IV. Aktes voll Wehmut ausgesprochen 4 . Daß er selber den Kampf aufgegeben hat, ist ein klarer Selbstvorwurf. Und doch empfindet er seinesgleichen mit Stolz als Führer der Massen, als Kopf des „kopflosen" Volkes. In diesem Vergleich liegt wohl eine Erinnerung an die uralte, von Europa bis Indien verbreitete Geschichte, die bei uns aus der römischen Geschichte als Parabel des Menenius Agrippa bekannt ist 5 . 1
S. o. 2, 13ff., Vers 5. S. o. 41,9ff., Vers 33f. 3 S. o. 42, 4ff., Vers 35f. 4 S. o. 120,7ff., Vers 108. 6 Vgl. R ü b e n 1954b, 74,76, u n d H . Gombel, Die F a b e l „ V o m Magen u n d den Gliedern" in der Weltliteratur, Halle 1934. a
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Rakshasa betont hier, daß die Maurya nach den Nanda ein anderes Geschlecht 1 sind. Cänakya und seine Partei dagegen betonen, d a ß Candragupta aus der Familie der Nanda ist 2 , und auch die Nandaanhänger in der Stadt glauben daran 3 , wie sogar Rakshasa an anderer Stelle Candragupta als bösartigen Sohn Nandas hinstellte 4 . Der Dichter hat diese Frage also nicht ganz klar behandelt 5 . Was aber für Rakshasa daran wichtig ist, sagt er im folgenden: (Vers:) Du hast den edel geborenen Weltherrscher verlassen und bist schnell zum Vrshala gegangen wie eine unerzogene 6 Vrshalafrau. Bei ihm bist du fest geworden (165, 8ff., Vers 137). Auf die niedrige Herkunft des Maurya hatte er auch im Monolog des I I . Aktes hingewiesen 7 . Er gebraucht den Ausdruck vrshala in Übereinstimmung mit Cänakya. Aber Cänakya sieht in dieser Abstammung keinen Grund für die Illegitimität des Candragupta. Andererseits hatte Cänakya im Anfang des I. Aktes festgestellt, daß die Herrschaft Candraguptas noch nicht gefestigt ist, solange Rakshasa noch nicht für ihn gewonnen ist 8 . Räkshasa selber erklärt dagegen jetzt Candraguptas Glück für gesichert. (Vers:) Nach des Nanda unwürdigem Tode, mühten wir uns für Parvata, dann für dessen Sohn vergeblich. Das Schicksal haßt die Nanda. — Wie unfähig ist dieser Barbar, (gut und böse) zu unterscheiden. (Vers:) Ich halte meinen gestorbenen Herren die Treue bis zum Tode; werde ich mich da mit ihren Feinden vertragen? Das hat der Barbar mit seinem die Wirklichkeit nicht unterscheidenden Verstände nicht begriffen. Oder vielmehr 9 : Es ist das Schicksal, das seinen Geist geschlagen hat, daß er alles falsch sieht (165, 12ff., Vers 138 und 139). In seiner tiefen Not versinkt Rakshasa in finsteren Fatalismus, und doch ist er unterwegs, um nach besten Kräften noch seinen Freund zu befreien. Er ist also bei all seinem theoretischen Fatalismus aktiv. Und sein Fatalismus hindert ihn auch nicht, etwas (zumindest für den Dichter) entscheidend Wichtiges als erster zu sehen oder wenigstens auszusprechen: Malayaketu ist ein Barbar (in dem Sinne, in dem die alten Griechen von Barbaren sprachen), ein Mleccha, kein Hindu und spricht eine fremde Sprache (freilich nicht im Drama!). Er stammt aus den Bergen, ist also wohl mongolischen Blutes, Tibeter oder dergleichen. Als solcher, sagt der Dichter durch den Mund Räkshasas, der ihm treu gedient hat, ist er ohne Verständnis für das Wirkliche 10 . Er kann nicht unterscheiden, welcher Mensch gut und böse ist. Er verkennt Räkshasa vollständig. In Wirklichkeit hatte freilich Malayaketu recht: Räkshasa wird sich mit Candragupta aussöhnen, aber das weiß Räkshasa hier noch 1
gotra. S. u. 195, 15; s. o. 104, 2: Bhäguräyana; 128, 6: Malayaketu. 3 S. o. 113, 7f. J S. o. 43, 3f. 5 S. u. I I C 1 Abschnitt a. 6 So auch 42, 14. ' S. o. 42, 10f., Vers 36. 8 S. o. 7,7. 9 S. o. zu 7, 7. Vgl. Hillebrandt 1908, 23. 10 vastu. 2
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nicht, nur der Zuschauer weiß es. Und der Barbar hat diese richtige Erkenntnis nicht etwa aus eigenem Geiste, sondern eingeflüstert durch Cänakyas Agenten. Cänakya ist es allein, der Räkshasa erkannt hat. Dieser Standpunkt Räkshasas: Der Barbar kann den Hindu nicht verstehen, ist aber wieder durch Fatalismus getrübt: Das Schicksal hat den Barbar verblendet. Es soll also doch wohl nicht in der Natur jedes Barbaren liegen, daß er die Treue eines Hinduministers nicht schätzen kann, sondern das Schicksal scheint ihn in einem gewissen Zeitpunkt verblendet zu haben 1 — und der Zuschauer weiß: Das vermeintliche Schicksal war in Wirklichkeit wieder einmal die Politik Cänakyas, die mit Hilfe Bhäguräyanas das Mißtrauen gegen Räkshasa dem jungen Prinzen Malayaketu eingeflüstert hat. So ist freilich Räkshasa die erste Gestalt im Drama, die den stolzen „nationalen" Gedanken (soweit man von national im alten Indien sprechen kann) äußert, aber er tut es in verwirrter Form, und gerade diese Verwirrung mit Fatalismus ist für den Dichter bezeichnend, wie sich am Ende zeigen wird. Auch jetzt gehe ich eher unter, als daß ich mich mit Candragupta vertrage. Oder vielmehr 2 : Mag mich die Schande der Treulosigkeit treffen, nicht aber die der Überlistung durch den Feind (166, 3ff.). Lieber will ich Malayaketu mein Wort nicht halten, als überlistet 3 werden. Was soll das Überlisten aber hier bedeuten ? Er weiß doch noch nicht, daß Cänakya ihn durch List, durch Candanadäsa als Köder mit Candragupta versöhnen will. Der alte indische Kommentator will verstehen: Oder vielmehr will ich mich eher irgendwann durch Schicksalswege mit Candragupta verbinden als durch meinen Feind Cänakya betrogen werden und dadurch das Leid meines besten Freundes Candanadäsa erleben 4 . — Daß Räkshasa so zwischen Candragupta und Cänakya unterschied, ist möglich, da Räkshasa noch an Cänakyas Absetzung glauben mußte. Daß das Überlisten mit Candanadäsa zusammenhängt, ist naheliegend. Räkshasa wollte also nicht dank Cänakyas Listen von Malayaketu vernichtet werden, sondern seinen Freund, den Goldschmied, retten, und sei es um den Preis, Malayaketu und den Nanda sein Wort zu brechen und sich mit Candragupta auszusöhnen. Damit ist er innerlich schon dazu bereit, wohin Cänakya ihn von Anfang des Dramas an bringen wollte. Räkshasa sieht sich weinend um und betrachtet die Stätten, (Vers:) wo der Nanda reitend Bogen schoß, wo er stand, und wo er mit Königen redete, ohne diese machen die Stätten (ihn) traurig. — Dort ist ein alter Hain, dort werde ich irgendwoher etwas über Candanadäsa erfahren (166, 5 f¥., Vers 140). Räkshasa wird wieder sentimental wie im Anfang seines Monologes. In dem Hain alter Bäume werden sich andere müde Wanderer einfinden, darauf rechnet er. In den schattigen Hainen um die Städte herum rastete man ja gerne. Im Gehen grübelt er: Ohne daß die Menschen ihr Hereinbrechen merken, wechseln Glück und Unglück. (Vers:) Früher schritt ich langsam (würdevoll), von tausend Königen umgeben aus der Stadt, und die Leute zeigten auf mich 1
Hillebrandt 1908, 23: Ähnlich Panc. III, 183. Vgl. auch Kathäs. 5,2 (s. u. I I B 1); s. u.53, 3. S. o. 7,7. 3 S. u. 189, 8ff., Vers 157: Er sah endlich ein, daß er überlistet war. 4 Telang usw. diskutierten dieses Problem nicht. Kaie: Schlimmstenfalls ist Räkshasa zum Vertrag mit Candragupta bereit, aber unabhängig von Cänakya. 2
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m i t den Fingern wie auf den lieben Mond. J e t z t flüchte ich eilig wie ein Dieb in diesen Hain in derselben Stadt (167, 2ff., Vers 141). Diese wehmütige Erinnerung des Besiegten steht in scharfem Gegensatz zu Cänakyas stolzem Vers im I. Akt: „Ich wurde einst mit Schande vom Nanda vor den Augen der Städter verjagt, aber sie sehen mich jetzt als Besieger der N a n d a . " 1 Sie paßt aber als Selbstbemitleidung zur Feststellung des Samrddhärthaka, der zu Siddhärthaka fragend gemeint h a t t e 2 : Also kehrt der Minister Rakshasa, der entschlossen war, das Nandakönigtum zurückzuführen, als er auszog, erfolglos zurück! Oder vielmehr: Die, durch deren Gnade dies war, die sind nicht mehr. Ach, wie häßlich ist der alte Hain. (Vers:) Der Palast verfallen wie eine Familie 3 , die Großes geleistet h a t ; der Teich trocken wie das Herz eines Freundes, dessen Freund unterging; die Bäume ohne Frucht wie die Politik durch widriges Schicksal; die Erde mit Gras bedeckt wie der Verstand eines Toren mit schlechtem Einfluß (167, 8ff., Vers 142). Mit dem Anblick des alten Hains verquickt er seine Gedanken über die untergegangenen Nanda, seinen eigenen Herzenskummer, seine erfolglose Politik und Malayaketus Irreführung durch Bhäguräyana, meint der alte Kommentator. Selbst wenn Einzelheiten im Text hier schlecht überliefert sind, mag die Deutung richtig sein, sogar die Einbeziehung Bhäguräyanas. Dessen Einfluß auf den Prinzen wird der Minister gemerkt haben, auch wenn er seine Agentenrolle nicht durchschaute. (Vers:) Die Äste sind von scharfen Beilen abgehauen, sie hängen erschöpft herab, sie seufzen mit dem ständigen Gurren der Tauben, die Schlangen aber seufzen voll Mitleid mit ihren altgewohnten Freunden und verbinden gleichsam ihre Wunden mit ihrer abgestreiften Haut (167, 14ff. = Vers 143). Der Kommentator 4 deutet bei diesem Vers keinen tieferen menschlichen Sinn der Naturschilderung an. Dachte Rakshasa etwa an die verwundeten Nandaanhänger der eben stattgehabten und verlorenen Schlacht, ohne zu ahnen, wie unblutig sie dank Cänakyas Politik verlaufen war? Die armen (Vers:) Bäume zeigen ihre innere Vertrocknung, tragen die Qual des Wurmfraßes, sind häßlich, weil ihr Schatten fehlt, sind in Not getaucht und sind gleichsam zum Leichenplatz aufgebrochen (168, 3 ff. = Vers 144). Niemand bewässert den Hain mehr, er vertrocknet, die Blätter sind abgefallen, er gibt keinen Schatten mehr und verliert damit den Reiz für den Wanderer. Die alten Bäume sind voll Leid (wie die Verwandten der Nanda) und sind gleichsam um deren Leichenfeuer herum versammelt, als wenn die toten Nanda in eben jenem Hain zum Verbrennen aufgebahrt wären 5 , deutet der alte Kommentator. Rakshasa setzt sich auf einen Stein und hört Siegesmusik. (Vers:) Dieser ohrenzerreißende, von den Palästen widerhallende Lärm der Trommeln, 1
S. o. 6,13ff., Vers 11. S. o. 163, l f f . 3 kula, Dynastie (Walimbe), vamsa (Kanakalal). 4 Ebensowenig Telang usw. — Kanakalal: Der bekümmerte Rakshasa bittet um Mitleid (samavedana?) für irgendeinen überaus geliebten Freund. 5 Dhruva, Walimbe: Die Bäume rüsten sich gleichsam für ihren eigenen Leichenbrand. Kanakalal: Sie wollen gleichsam den Herren, den Nanda, in den Tod folgen. 2
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Hörner usw. eilt gleichsam neugierig, die Weite der Welt zu sehen. — Ich merke, er verrät die Zufriedenheit des Königsgeschlechtes — ach nein, des Mauryageschlechts über Malayaketus Gefangennahme. — (Vers:) Es hat mich das Glück des Feindes hören lassen, hat es aufführend sehen lassen und jetzt m ü h t das Schicksal sich, es mich fühlen zu lassen (168, 8ff., Vers 145 und 146). Räkshasa leidet in seiner Not und Trauer unter dem Lärm schon, ehe ihm klar wird, daß er den Sieg der Feinde, der neuen Dynastie, die er noch nicht als Könige anerkennen will, verkündet. Aber das Schicksal zwingt ihn, das Glück des Feindes zu hören. Es hat ihm mit dem Verfall der Nandagärten und den trauernden Bäumen gleichsam in einem Schauspiel die Macht der neuen Herren vorgeführt. Es zwingt ihn jetzt bei seinem Unternehmen, bei der Befreiung des Freundes, die Macht des Candragupta (am eigenen Leibe, wie wir sagen) zu fühlen. Damit endet der lange Monolog. Der Mann t u t jetzt so, als ob er sich erhängen wolle. Räkshasa eilt zu ihm und fragt ihn mitleidig, was er da tue. — Das, was seinesgleichen, leidend unter dem Untergang seines Freundes, tun müsse. — Räkshasa sieht im Elend des Mannes ein Gegenstück zu dem eigenen. Er fragt ihn nach seinem Leid, wenn es nicht ein Geheimnis oder allzuschwer zu erzählen ist (169, 6ff.). Diese Begegnung des Ministers, der ein verwegenes Abenteuer begonnen hat, mit einem Leidenden, sein Mitleid, seine Hilfsbereitschaft erinnern sehr an die ähnlichen Fälle im Dasakumäracarita, in dem es den zehn Prinzen regelmäßig so zu gehen pflegt. Insbesondere trifft dort Prinz Pushpodbhava einen Mann, der sich selbstmörderisch von einem Felsen herabstürzt, weil er seine verlorene Frau nicht wiederfinden kann 1 . In diesem „ R o m a n " handelt es sich dem Dichter Dandin durchweg um eine Verquickung von kautalyaschem Zynismus mit sivai tischer Mitleidsreligion 2 . Die Ähnlichkeit zwischen „ R o m a n " und Drama ist also nicht zufällig, sondern wesentlich. Nur: Hier ist der „Leidende" ein Agent des Cänakya, wie der Zuschauer weiß. Das Mitleid des Helden ist zwar trotzdem echt, aber für den Zuschauer nicht eigentlich rührend. Cänakya ist dagegen nicht mitleidig. Er hat nicht etwa nur keine Gelegenheit, sich im Drama mitleidig zu betätigen, sondern Räkshasa nennt Cänakyas Politik „mitleidslos" 3 , Candanadäsa nennt Cänakya ebenso 4 , die Schauspielerin zittert im Vorspiel bereits beim bloßen Hören seines Namens 5 , und alle drei haben sachlich offenbar nach Absicht des Dichters und der Tradition recht. Auch Samrddhärthaka hatte Siddhärthaka im Vorspiel dieses Aktes um Auskunft gebeten, „falls er es hören dürfe" 6 , und ähnlich hatte Bhäguräyana den Jainamönch nach dem Grund seines Fortgehens aus dem Lager gefragt, indessen „wenn es geheim ist, möge es so bleiben" 7 . Aber Räkshasa fügt zu dieser, wie es scheint, allgemeinen Höflichkeitsformel hinzu: und wenn es dir keine allzuschwere Last ist. Das zeigt sein echtes Mitgefühl. 1
Das. pürvapl. IV. Vgl. Rüben 1952a, 44fi. 3 S. o. 41,11; vgl. 62,2. 4 S. o. 25,12. 6 S. o. 4, 10. 6 S. o. 159,4. ' S. o. 130,8. 2
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Der Mann: Weder dies noch das, aber ich kann keine Zeit verlieren. Rakshasa zu sich: Dieser Mann tadelt mich, daß ich wie ein Fremder teilnahmslos beim Elend meines Freundes bin (170, 3ff.). Der Mann zeigt eine Ungeduld, die Rakshasa als Vorwurf empfinden muß, hat er sich doch schon lange selber Vorwürfe gemacht, daß er den Untergang Nandas überlebt h a t 1 ; jetzt aber versäumt er vielleicht die Rettung Candanadäsas durch Umhersitzen und Reden. Der Mann läßt sich drängen wie Jlvasiddhi im V. Akt 2 . Der Mann erzählt: Der hiesige Goldschmied Jishnudäsa, mein Freund, will den Scheiterhaufen besteigen. Um die schlimme Nachricht seines Todes nicht zu hören, kam ich zu diesem alten Hain, mich zu erhängen. Rakshasa, der weiß, daß Jishnudäsa Candanadäsas Freund ist, fragt nach Jishnudäsas Grund. (Vers:) Unheilbare Krankheit, unabwendbarer Zorn des Königs, unglückliche Liebe oder Untergang eines Freundes wie bei dir? 3 Der Mann hat die drei ersten Gründe in eingeworfenen Antworten abgelehnt, den letzten aber nicht (170, 8ff., Vers 147). Selbstmord ist Sünde 4 , wird aber wegen unheilbarer Krankheit oder großer Sünde 5 in einem Puräna erlaubt 6 . Jainas durften sich zu Tode fasten. Fromme Frauen sollten ihrem Mann in den Tod folgen (sati). Gelegentlich soll das auch bei einem um sein Weib trauernden König vorgekommen sein 7 . Gläubiger setzten sich vor dem Haus ihres Schuldners zum Verhungern nieder 8 . Fromme ließen sich vom Wagen des Gottes Jagannäth in Purl zermalmen 9 . König Vikrama hat der Legende nach seinen Kopf mehrfach aus Mitleid mit Unglücklichen der großen Göttin opfern wollen. Daß in unserer Szene ein Mann sich erhängen will, weil sein Freund sich verbrennen 1 0 will, weil wiederum dessen Freund sterben muß, diese Kette von Selbstmorden wirkt indessen auf uns eher erheiternd, nur freilich nicht auf Rakshasa. Der Zuschauer weiß, daß alles nur List Cänakyas ist, und freut sich, wie geschickt sein Agent mit den Gefühlen Räkshasas umspringt. Da Cänakya ahnte, d a ß Rakshasa die Freunde Candanadäsas wie Jishnudäsa kennt, muß er seinen Agenten als Freund des Freundes des Goldschmiedes ausgeben und diese Todesserie erfinden. Rakshasa denkt daran, daß Jishnudäsa Candanadäsas Freund ist, und fragt nach Einzelheiten von Jishnudäsas Leben. Der Mann sträubt sich wieder zu erzählen, um keine Zeit zu verlieren. Rakshasa drängt. Der Mann beginnt: Hier lebt Candanadäsa . . . Rakshasa denkt bei sich: Da hat das Schicksal mir das Tor zur Weihe meines Unterganges geöffnet. — Der Mann: Jishnu1
S. o. 41,15ff., Vers 34. S. o. 129, 6ff. 3 Vers 147 ist von Telang erkannt, aber nicht gezählt. Bei Walimbe usw. Vers 16. 1 Vgl. W. Gampert, Die Sühnezeremonien in der altindischen Rechtsliteratur, Prag 1939, 91 usw. 6 Vgl. Rüben 1952b, 96. Dagegen Gampert a . a . O . 209; aber 257: Tödlich ausgehende Sühnen. 6 Vgl. Rüben 1947, 180. ' Rghv. VIII, 72; 9 2 - 9 5 . 8 dharnS, präyopavesa; Gampert a. a. O. 258; vgl. R. Heber's Leben und Nachrichten über Indien, Berlin 1831, I, 396 über Selbstmord durch Ertränken in Benares. 9 Rüben 1954b, 323. 10 Gampert a. a. O. 91 Anm. 2 zitiert Hillebrandt über den freiwilligen Feuertod. 2
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däsa hat gemäß seiner Freundesliebe dem Candragupta sein Geld als Preis für die Befreiung Candanadäsas angeboten. — Räkshasa preist in Gedanken Jishnudäsa. (Vers:) Um Geld töten Väter Söhne und Söhne Väter 1 , geben Freunde Freundschaft auf. Du aber warst bereit es für den Freund in der Not zu geben. Du bist zwar nur ein Kaufmann, aber bei dir ist Geld sinnvoll (172, 9ff., Vers 148). Ob Jishnudäsa tatsächlich so edel gehandelt oder der Agent dies nur vorgebracht hat, um Räkshasa in seiner edelmütigen, opferbereiten Stimmung zu bestärken, ist einstweilen für den Zuschauer nicht zu entscheiden. Aber wenn Räkshasa hier den Jishnudäsa lobt, daß er, obgleich ein Kaufmann (und alle Kaufleute gelten als geldgierig), sein Geld für den Freund herzugeben bereit war, so steht er damit in gewissem Gegensatz zu Malayaketu, der ausgerechnet dem edlen Räkshasa vorwarf, er habe ihn um einen Schmuck an Candragupta verkauft. 2 Der brahmanische Minister Räkshasa ist mit einem Goldschmied befreundet und urteilt über diesen Kaufmann günstig, ganz im Gegensatz zu Kautalya, der in den Kaufleuten Diebe sah, die sich nur nicht Diebe nennen, Dornen, gegen die der Staat geschützt werden müsse 3 . Kautalyas Ideal war ja ein König, der handwerkliche Produktion und Handel weitgehend in eigene Hände nehmen sollte, im Kaufmann also den Konkurrenten sah. In Visäkhadattas feudalistischen Kreisen war das offenbar anders geworden, denn nicht umsonst ist Candanadäsa von ihm so edel gezeichnet, wie Cärudatta und sein Freund Rebhila von Südraka in seinem Drama Mrcchakatika. Der Mann: Candragupta aber wollte kein Geld, denn Candanadäsa sei gefangen, weil er Räkshasas Frau nicht verriet. Wenn er sie nicht ausliefere, müsse er sterben. So sei er zum Richtplatz befohlen. Jishnudäsa aber habe die Stadt verlassen, um zu sterben. Candanadäsa sei noch nicht hingerichtet, er werde wieder und wieder gefragt, verweigere die Herausgabe der Frau, und so würde der Tod hinausgeschoben. — Räkshasa preist den Goldschmied in Gedanken (Vers:) Durch Schutz deines Schützlings häufst du dir Ruhm, wie er dem Sibi erwuchs, und dabei bist du ohne Freund (175, lff., Vers 149). Ein Maurya ist kein Nanda und nimmt kein Geld zum Loskauf; das h a t t e schon Cänakya dem Candanadäsa gegenüber voll Stolz im I. Akt betont 4 . Der Dichter läßt also hier den Agenten Cänakyas ganz mit dessen Worten, mit dessen Gedanken sprechen und die gute Rechtspflege der Maurya (an der wir Heutigen übrigens zweifeln müssen!) 5 bestätigen. Bei seinem Verhör hatte bereits Cänakya im I. Akt in Gedanken den Goldschmied lobend neben Sibi gestellt 6 , diese Idealgestalt der brahmanischen und buddhistischen Mitleidsreligion 7 . Der Dichter läßt also beide Minister einer Ansicht sein, sich gegenseitig bestätigen, daß dieser Candanadäsa überaus edel ist. Aber Räkshasa stellt, 1 Hillebrandt 1908, 24: Ähnlich P a n c . V, 69. Über das Geld u n d seine Macht vgl. R ü b e n 1954c, 151 (Lakshmana) u n d 158 (Arjuna). 2 S. o. 153,4. 3 K a u t . 76, 83. 4 S. o. 28, 8f. 6 S. o. 24, 7ff. 6 S. o. 33, l l f . , Vers 25; s. u. 191, Vers 158. 7 S. o. zu 169, 6ff.
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scheint es 1 , den Goldschmied noch über Sibi, den mythischen König, insofern sein Freund im Gefängnis ganz allein ist. — Im VII. Akt sieht man, wie Candanadäsa zum Richtplatz geführt, aber ihm die Möglichkeit, durch Verrat der Ministerfrau sein Leben zu retten, gegeben wird 2 . Rakshasa: Eile und rette Jishnudäsa vom Feuertod, ich rette Candanadäsa. Er zieht sein Schwert. (Vers:) Dies Schwert strahlt wie der wolkenlose Himmel, seine Haare sträuben sich gleichsam im Glauben an den Kampf, mit meiner Hand ist es gut Freund geworden, meine Feinde haben im Kampf seine Schärfe gesehen, — oder vielmehr: Meine Freundesliebe zwingt mich zum Wagnis (176, 10ff., Vers 150). Alles Jammern ist fort, Rakshasa zeigt Mannesmut, Tatkraft. Er vertraut seinem Schwert, dem erprobten Kampfgefährten und ist bereit, gegen die ganze Mauryamacht zu kämpfen (wie der Kommentar betont) — „oder vielmehr" 3 , er ist sich bewußt, daß es sich nicht um gewöhnlichen Kampf, sondern daß es sich um etwas Tollkühnes handelt. „Tollkühnheit ist Handeln ohne Rücksicht auf Heil oder Nichtheil", fügt der Kommentar hinzu. Das soll hier sicher nicht bedeuten: ohne Rücksicht auf Gut oder Böse, sondern auf Leben oder Tod. Im II. Akt hatte Rakshasa bereits einmal sein Schwert gezogen 4 . Sein Agent hatte ihm damals von der einstigen Belagerung von Pätaliputra erzählt, und der Minister hatte das mit lebhafter Einbildungskraft als gegenwärtig aufgefaßt und war in kämpferische Haltung geraten. So illusorisch sein damaliges Schwertzücken war, so illusorisch ist das jetzige, weiß der Zuschauer, denn, wie soll Rakshasa etwas ausrichten, wenn Cänakya jede seiner Bewegungen kennt und durch seine Agenten lenken läßt! Der Mann fragt: Herr, wo ich von Candanadäsas Rettung höre, zweifle ich: Bist du Rakshasa, der Minister? — Rakshasa bejaht: Ich bin der Unedle, der mit Recht rakshasa, Dämon, heißt. Der Mann fällt ihm zu Füßen, aber Rakshasa heißt ihn zu Jishnudäsa eilen und ihm melden, d a ß Rakshasa Candanadäsa retten wird (177, 8ff.). Rakshasa nennt sich hier unedel, wie er es bereits Malayaketu gegenüber getan hatte 5 , und er nennt sich zerknirscht selber einen Teufel, wie es als Witz der JainaAstrologe einmal angedeutet hatte 6 , als Ernst Malayaketu 7 . Warum aber entreißt Cänakyas Agent hier dem Minister das Geheimnis seines Namens ? Die Folge ist, daß Rakshasa sofort mit im Grunde unvorsichtiger Offenheit dem Jishnudäsa seinen Namen und seine Absicht berichten läßt. Dem Cänakya kann an diesem Geständnis nichts gelegen sein. Der Mann endlich braucht diese Bestätigung nicht, zumindest deutet er im Vorausgegangenen nirgends einen Zweifel an der Identität Räkshasas an. Der Dichter aber wollte wohl mit diesem Auftritt Räkshasas Charakter mit einem weiteren Zuge zeichnen: Sein Mitleid mit dem Selbst. 1 2 3 4 6 6 7
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Nach Dhu. gegen Hillebrandt. S. u. 182,7. S. o. zu 7,7. S. o. 50, 3ff. S. o. 151, 13. S. o. 126,2. S. o. 154,6.
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mörder, den er gerettet zu haben meint, und seine Zuversicht treiben ihn zu dieser Offenheit mitten im Lager des Feindes. Er will kein Zurück mehr. Er will auch keine List, kein Versteckspielen mehr, wie er gleich aussprechen wird. Er will Kampf mit dem Schwert. Und der Mann, dieser Agent Cänakyas, stellt sich mit der Frage als Unwissenden und politisch Ahnungslosen, als Harmlosen und zugleich als ergebenen Anhänger Räkshasas hin. Er gewinnt damit noch mehr als bisher Räkshasas Vertrauen. Räkshasa wiederholt die Strophe über sein Schwert. Da fällt ihm der Mann wieder zu Füßen und berichtet: Als der Verbrecher Candragupta den edlen Sakatadäsa zur Hinrichtung führen ließ, wurde er von irgend jemandem befreit. Der König ließ dafür die Henker hinrichten. Daher töten jetzt die Henker den Verurteilten, sobald sie jemand mit einem Schwert kommen sehen, schon auf dem Wege zum Richtplatz. Sehen sie dich, beschleunigst du den Tod Candanadäsas. Er geht ab (178, 7ff.). Der Agent warnt Räkshasa vor seinem tollkühnen Unternehmen mit einer überzeugenden Begründung, denn Räkshasa weiß ja von Sakatadäsas Rettung sogar mehr, als der Mann hier erzählt, wird ihm also vertrauen. Außerdem redet der Mann jetzt von Candragupta als Verbrecher — das hatte er vor Räkshasas Namensnennung vermieden 1 ! — und nennt Sakatadäsa edel, ganz als wenn er zur Partei der Nanda gehört 2 . Räkshasa hält den Mann daher nicht etwa zurück, fragt ihn nicht, warum er seinen Namen wissen wollte, er läßt ihn vielmehr zu Jishnudäsa eilen und ahnt nicht, daß der Agent zu Cänakyas anderen Agenten geht, um über Räkshasa zu berichten. Die „Henker" Candanadäsas würden ihren Häftling sicher nicht beim bloßen Anblick des Räkshasa mit seinem Schwert getötet haben, aber der Agent will oder soll verhüten, daß der Minister sich tollkühn selber gefährdet. Er soll auf sein Schwert verzichten. Aber was soll er statt dessen tun? H a t Cänakya auch das vorausberechnen können, wozu Räkshasa sich jetzt am Aktschluß entscheiden wird ? Der Zuschauer soll das wohl annehmen. Damit schließt dieser Dialog, der das Wichtigste des VI. Aktes ausmacht (wie es auch in den anderen Akten zu sein pflegt) und der insofern an den großen Dialog des II. Aktes erinnert, als gerade da dem Räkshasa von seinem Agenten über Candanadäsas Gefangennahme und Sakatadäsas Führung zum Richtplatz berichtet wurde. Weder aus jenem Bericht, noch aus diesem Bericht des Agenten des Cänakya im VI. Akt erfährt Räkshasa die Wahrheit, handelt also dort wie hier unter der geheimen Führung Cänakyas. Es folgt dort wie hier ein kurzer Monolog Räkshasas als Aktschluß 3 . Räkshasa, allein: Ach, schwer ist Cänakyas Politik zu durchschauen. (Vers:) Wenn Sakatadäsa mir nach des Feindes Absicht zugeführt wurde, warum wurden dann die Henker getötet? Dann wäre (diese Rettung) nicht künstlich. Wie nun könnte er einen solchen Brief vorführen ? So zweifelt mein Verstand und sieht keine Entscheidung (180, lff., Vers 151). 1
S. o. 175, 2. Das betont Dhu. 3 I. A k t : C ä n a k y a s Monolog, I I . A k t : R ä k s h a s a s Monolog, I I I . A k t C a n d r a g u p t a s , I V . bis V I I . A k t R ä k s h a s a s Monolog als A k t s c h l u ß . 2
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Räkshasa ist schon während seines Verhörs durch Malayaketu an Sakatadäsa und Siddhärthaka irre geworden 1 und kommt jetzt zu dem wichtigen Eingeständnis, daß er Cänakyas Politik nicht durchschaut. Der Zuschauer weiß sogar, daß er durch sie schon so gut wie völlig besiegt ist. Er versucht, durch systematische Überlegung klarer zu sehen: Hätte Cänakya Sakatadäsa absichtlich zu mir gelangen lassen, dann hätte Candragupta die Henker nicht hingerichtet. Das ist nun freilich ein schlechter Anfang der Überlegung, ein falscher Schluß, denn der dem Räkshasa als mitleidlos und grausam bekannte Cänakya konnte sehr wohl die Henker töten lassen, selbst wenn sie nur seine List ausgeführt hätten, ja vielleicht gerade dann, um nämlich Mitwisser zu beseitigen. Ferner ist die Hinrichtung der Henker nur von dem Mann, von Cänakyas Agenten, hier berichtet worden, so daß der Zuschauer nicht unbedingt wie Räkshasa daran glaubt, sich vielmehr dem gläubigen Minister für überlegen hält. Sollte ein so edler König wie Candragupta so zornig gehandelt haben, wie der Mann berichtete? Der Bericht des Mannes lautet: „Das Feuer des Zornes, das angefacht war durch den Betrug an der Hinrichtung des edlen Sakatadäsa, wurde g»löscht durch das Wasser des Todes der Henker." Diese blumenreiche Phrase sticht von der sonst sachlichen Redeweise des Mannes ab und zeigt damit wohl dem Zuschauer an, daß es sich hier um Dichtung, Erdichtung 2 handelt. Nur dem erregten, mitleidigen, verwirrten Räkshasa fällt es nicht auf. Ihn wollte der Dichter auch in dieser Szene als Edlen charakterisieren, der gar nicht auf den Gedanken kommt, die Henker könnten unschuldig hingerichtet worden sein. Räkshasa überlegt weiter: Wenn die Henker hingerichtet wurden und Sakatadäsa mir nicht listig zugeschoben wurde, woher kam dann der gemeine Brief ? Gerade über Sakatadäsas treuen Charakter und den mit ihm im Widerspruch stehenden Brief hatte Räkshasa schon im V. Akt durch systematische Überlegung Klarheit zu bekommen gesucht und war zum Mißtrauen gegen den Schreiber gekommen 3 . Damals hatte er sich geirrt. Jetzt bleibt er voll Zweifel 4 . Das paßt zu seinem etwas kindlichen Charakter besser als das vorangegangene entschiedene Mißtrauen gegen den Schreiber. Zu einer vollen Anerkennung der Unschuld seines Freundes kann der Dichter ihn aber hier nicht gelangen lassen 5 . Für sein weiteres Handeln ist diese Frage übrigens zunächst belanglos. Nach dieser zweifelnden Überlegung entscheidet er: (Vers) Jetzt ist nicht der Augenblick für das Schwert, das zeigt die Hinrichtung der Henker. Politik führt erst nach Ablauf gewisser Zeit zu Erfolg; was könnte sie jetzt nützen! Untätigkeit ist falsch, denn der liebe Freund ist in furchtbares Unglück gestürzt, das ich verschuldet habe. Ich weiß: Ich biete meinen Leib als Kaufpreis für ihn an! (180, 6ff. = Vers 152). Weder seine geplante Tollkühnheit, noch List, noch Untätigkeit helfen, nur das Selbstopfer. Damit entscheidet sich der gutherzige Minister, dem Sibi nachzueifern, dem er selber seinen edlen Freund Candanadäsa an die Seite gestellt hatte 6 , darin 1 2 3 4 6
S. o. 149,6ff. Wahrscheinlich ist dies eine Erfindung des Agenten: Kaie. S. o. 149, 5ff. Vgl. N S I, 1, 23: Zweifel aus vipratipatti: Meinungsverschiedenheit. 6 Erst 194, 5ff. S . o . 176,8f.; 191,2f.
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in Übereinstimmung mit Cänakya 1 . In dieser letzten Minute, wo der Freund schon zum Richtplatz geführt wird, bleibt ihm keine andere Wahl. Er denkt dabei sicher nicht mehr daran (wie es der Zuschauer tut), daß gerade ihm, dem Treuen, sein zeitweiliger Herr, der ungerechte Barbar, der Prinz Malayaketu, vorgeworfen hatte, er verkaufe seinen, des Prinzen, Leib 2 an Candragupta für Schmuck und Ministerposten. Er sagt nicht, wie er seinen Leib verkaufen will, noch wem. Der Dichter ließ dies wohl absichtlich offen. Der Kommentar freilich deutet: Er will sich als Sklave an Candragupta 3 verkaufen. Räkshasa aber denkt jetzt nicht darüber nach, was Candragupta mit ihm tun wird. Er ahnt selbstverständlich nicht, daß Candragupta ihn zum Minister machen wird. Er kümmert sich nicht darum, daß er auf diese Weise sein Leben verlieren könnte. Er sieht nur eines vor sich, den Freund, und bietet sich als Opfer für ihn an, will selber in seiner Hoffnungslosigkeit sterben, hingerichtet werden 4 , damit der edle Freund leben kann. Wenn er sagt: Meinen Leib will ich verkaufen, so liegt darin vielleicht zugleich eine Anspielung darauf, daß er sein Herz, das den Nanda treu ergeben bleibt, dem-Feind nicht verkaufen wird. Dem Malayaketu hatte er sich eine Zeitlang mit schlimmem Mißerfolg als Sklave 5 , d. h. als Minister, ergeben. Daß er das bei Candragupta wiederholen müßte, das liegt ihm noch fern. Sein Herz für Candragupta zu gewinnen, das ist die schwere Aufgabe, die dem Cänakya im VII. Akt noch obliegt. Damit leitet diese Strophe zum folgenden Akt über. Zugleich muß man bei dieser Strophe auf Räkshasas Abschlußstrophe des V. Aktes zurückblicken, denn auch dort hatte er mit ähnlicher Logik überlegt und drei Möglichkeiten des Handelns verworfen, um dann nach Ausschluß dieser Möglichkeiten zur Entscheidung über das einzig richtige Handeln zu gelangen. Dort hatte er auf diese Weise geschlossen, daß ihm nichts anderes übrig bliebe, als den Freund und Goldschmied zu retten. Hier findet er durch ähnlich scharfes, schnelles logisches Überlegen den einzigen Weg zur Rettung des Freundes. Der Dichter stellt damit den Minister als scharfsinnig und als logisch geschult hin, er will ihn ja trotz aller Niederlagen im Verlaufe des ganzen Dramas immer wieder als den großen Politiker hinstellen, und ein solcher ist nun einmal nach seiner Vorstellung dem Logiker innerlich verwandt 6 . Aber der Zuschauer sieht, daß Räkshasa stets durch Cänakyas List geleitet ist, ohne es zu merken. Insofern besteht seine Größe allenfalls in der Einsicht, sich in das Unvermeidliche zu schicken. Von einer schöpferischen Politik Räkshasas kann bei der ganzen Anlage des Dramas keine Rede sein. VII. Akt: Räkshasa wird gewonnen Der VII. und letzte Akt des Dramas ist einerseits eine unmittelbare Fortsetzung des VI., insofern Räkshasa seine Absicht ausführt, seinen Freund zu retten. Andererseits ist der VII. Akt ein Gegenstück zum I., wie der V. dem I I I . und der VI. dem II. gegenüberzustellen ist. 1
2 S. o. 33,12. S. o. 153,4. In 190, 10 gibt er sich Cänakya gefangen. 4 S. u. 190, lff., Vers 157. s S. o. 42, 1, Vers 34 und 152, 1, Vers 126; vgl. Bhäguräyana in 127, 15: Ich habe als Diener des Fürsten den Leib verkauft. 6 S. o. zu 141,10££,. Vers 117. 3
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in Übereinstimmung mit Cänakya 1 . In dieser letzten Minute, wo der Freund schon zum Richtplatz geführt wird, bleibt ihm keine andere Wahl. Er denkt dabei sicher nicht mehr daran (wie es der Zuschauer tut), daß gerade ihm, dem Treuen, sein zeitweiliger Herr, der ungerechte Barbar, der Prinz Malayaketu, vorgeworfen hatte, er verkaufe seinen, des Prinzen, Leib 2 an Candragupta für Schmuck und Ministerposten. Er sagt nicht, wie er seinen Leib verkaufen will, noch wem. Der Dichter ließ dies wohl absichtlich offen. Der Kommentar freilich deutet: Er will sich als Sklave an Candragupta 3 verkaufen. Räkshasa aber denkt jetzt nicht darüber nach, was Candragupta mit ihm tun wird. Er ahnt selbstverständlich nicht, daß Candragupta ihn zum Minister machen wird. Er kümmert sich nicht darum, daß er auf diese Weise sein Leben verlieren könnte. Er sieht nur eines vor sich, den Freund, und bietet sich als Opfer für ihn an, will selber in seiner Hoffnungslosigkeit sterben, hingerichtet werden 4 , damit der edle Freund leben kann. Wenn er sagt: Meinen Leib will ich verkaufen, so liegt darin vielleicht zugleich eine Anspielung darauf, daß er sein Herz, das den Nanda treu ergeben bleibt, dem-Feind nicht verkaufen wird. Dem Malayaketu hatte er sich eine Zeitlang mit schlimmem Mißerfolg als Sklave 5 , d. h. als Minister, ergeben. Daß er das bei Candragupta wiederholen müßte, das liegt ihm noch fern. Sein Herz für Candragupta zu gewinnen, das ist die schwere Aufgabe, die dem Cänakya im VII. Akt noch obliegt. Damit leitet diese Strophe zum folgenden Akt über. Zugleich muß man bei dieser Strophe auf Räkshasas Abschlußstrophe des V. Aktes zurückblicken, denn auch dort hatte er mit ähnlicher Logik überlegt und drei Möglichkeiten des Handelns verworfen, um dann nach Ausschluß dieser Möglichkeiten zur Entscheidung über das einzig richtige Handeln zu gelangen. Dort hatte er auf diese Weise geschlossen, daß ihm nichts anderes übrig bliebe, als den Freund und Goldschmied zu retten. Hier findet er durch ähnlich scharfes, schnelles logisches Überlegen den einzigen Weg zur Rettung des Freundes. Der Dichter stellt damit den Minister als scharfsinnig und als logisch geschult hin, er will ihn ja trotz aller Niederlagen im Verlaufe des ganzen Dramas immer wieder als den großen Politiker hinstellen, und ein solcher ist nun einmal nach seiner Vorstellung dem Logiker innerlich verwandt 6 . Aber der Zuschauer sieht, daß Räkshasa stets durch Cänakyas List geleitet ist, ohne es zu merken. Insofern besteht seine Größe allenfalls in der Einsicht, sich in das Unvermeidliche zu schicken. Von einer schöpferischen Politik Räkshasas kann bei der ganzen Anlage des Dramas keine Rede sein. VII. Akt: Räkshasa wird gewonnen Der VII. und letzte Akt des Dramas ist einerseits eine unmittelbare Fortsetzung des VI., insofern Räkshasa seine Absicht ausführt, seinen Freund zu retten. Andererseits ist der VII. Akt ein Gegenstück zum I., wie der V. dem I I I . und der VI. dem II. gegenüberzustellen ist. 1
2 S. o. 33,12. S. o. 153,4. In 190, 10 gibt er sich Cänakya gefangen. 4 S. u. 190, lff., Vers 157. s S. o. 42, 1, Vers 34 und 152, 1, Vers 126; vgl. Bhäguräyana in 127, 15: Ich habe als Diener des Fürsten den Leib verkauft. 6 S. o. zu 141,10££,. Vers 117. 3
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Der I. Akt besteht aus zwei Hauptteilen: Auf das Vorspiel folgt zunächst die Exposition, die aus Cänakyas großem Monolog und Dialog mit seinem Agenten, dem Yama-Sänger besteht, dann ein zweiter großer Dialog Cänakyas mit dem Goldschmied. Im ersten Dialog hatte Cänakya erfahren, daß der Goldschmied Räkshasas Weib bei sich verbirgt; damit hatte Cänakya seinen Plan, Räkshasa durch den Goldschmied zu fangen, gefaßt. Im zweiten Dialog ging Cänakya sofort ans Werk und ließ den Goldschmied gefangen setzen. Im VII. Akt nun folgt auf einen vorspielartigen Monolog des einen Henkers zunächst eine große Szene, die den Goldschmied und seine Rettung zeigt (damit wird die im zweiten Dialog des I. Aktes begonnene Handlung des Goldschmieds abgeschlossen) ; darauf folgt eine große Szene des Cänakya, Räkshasa und Candragupta, mit der die in dem ersten Teil des I. Aktes eingeleitete Handlung des Dramas als Ganzes abgeschlossen wird. Auf den IV. Akt als Mittelpunkt des Dramas folgen also der V., VI. Akt und die erste und zweite Szene des VII. Aktes, die dem III. und II. Akt und der zweiten und ersten Szene des I. Aktes gegenüberstehen. Der Dichter hat also die Symmetrie der Akte in seinem Drama genau durchgeführt, und das mit Absicht, denn er hätte ja leicht etwa die Henkerszene durch einen Augenzeugen berichten lassen und dem VII. Akt eine andere Form geben können. Zugleich ähnelt der VII. Akt mit seinen beiden Szenen auffällig dem letzten (zehnten) Akt des Mrcchakatikam; dort folgt auf die Henkerszene 1 und die Rettung des Unschuldigen eine politische Szene des Dramenabschlusses mit allgemeinen Belohnungen. Ein Candäla-Henker tritt auf: Aus dem Weg, geht fort! (Vers:) Wenn ihr euer Leben, eure Macht, Sippe und Frau retten wollt, vermeidet wie Gift Vergehen gegen den König. (Vers:) Den Verbrecher treffen Krankheit und Tod, aber der Verbrecher gegen den König tötet seine ganze Sippe. — Seht hier Candanadäsa mit Weib und Kind! (181 ff., Vers 153 und 154). Bhäguräyana hatte geklagt, daß der Fürstendiener keine Rücksicht auf seine Sippe, seinen R u h m usw. nehmen darf 2 . Zu dieser Angst vor dem Despoten passen diese Worte des Henkers aus niedrigster Kaste einigermaßen: Verbrecher (gegen Eigentum, gegen Kastentabus usw.) büßen mit Krankheit und Tod, wer sich aber gegen den König vergeht, der macht seine ganze Sippe mitbüßen. Einerseits liegt dem eine uralte, magische Vorstellung zugrunde: Sünde zieht Krankheit nach sich 3 . Andererseits lehrten schon in indoiranischer Urgesellschaft richtende Priester, daß der Fürst eines Stammes, wenn er sein Wort bricht, seine Verwandten magisch mitschuldig macht. Diese magische Rechtsvorstellung ist im alten Indien der Sklavenhalterzeit insofern lebendig erhalten worden, als brahmanische Rechtsgelehrte wie Manu lehrten, ein falscher Zeuge erschlüge seine eigenen Verwandten. Hier ist nicht mehr vom Fürsten die Rede 4 . Inzwischen war ja an die Stelle der Stammesfürsten der Despot der Sklavenhaltergesellschaft getreten, und der haftet seinen versklavten 1
Auf sie verweist Kaie 53 (Notes). S. o. 127, 14, Vers 111. 3 Manu VIII, 108: Wenn in sieben Tagen ein Zeuge erkrankt oder einer seiner Verwandten stirbt, hat er gelogen. — Sünden erzeugen Epidemien: Caraka (Dasgupta, A History of Indian Philosophy, vol. II, Cambridge 1932, 408f.). 4 H. Lüders, Eine arische Anschauung über den Vertragsbruch, S B W A 1917, X X V I . 2
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Untertanen nicht mehr, weder mit seinem eigenen Heil noch mit dem seiner Dynastie. J e t z t aber galt oft genug praktisch, wenn auch nicht juristisch, Sippenhaft: Der Despot hielt sich, wenn er wollte und konnte, nicht nur an den, der seine Gebote verletzte, sondern an seine Sippe. Das ist es, was der Henker in erster Linie dem Volk zu bedenken gibt. Dabei ist aber daran zu erinnern, daß Sippenhaft im folgenden nicht in Frage kommt. Candanadäsas Weib und Kind werden nicht hingerichtet, nur in tiefes Elend gestürzt und wollen wohl auswandern. Der Zuschauer sieht, daß der Henker den Goldschmied (aber nicht etwa dessen Familie!) hinrichten soll, daß der VII. Akt unmittelbar an den VI. anschließt. Dann ist ihm aber auch klar, daß dieser Henker gar kein echter Candäla ist, sondern einer der beiden Agenten Cänakyas, Siddhärthaka oder Samrddhärthaka, die ja mit dieser Hinrichtung beauftragt waren 1 . Der Zuschauer wird sich dabei nicht darüber wundern, daß dieser Henker Mägadhi, die Sprache der Verworfenen, spricht, denn ein Agent muß ja, wie Kautalya ausdrücklich hervorgehoben hat, die Dialekte der verschiedenen Gegenden beherrschen 2 . Vorher hatten diese beiden Agenten Mahäräshtri gesprochen. Der Candäla fingiert einen Redenden hinter der Bühne: Du fragst, ob er befreit werden könnte? Woher denn? J a , wenn er die Frau des Räkshasa auslieferte ! — Das wird er nicht tun, wo er doch die zu ihm Geflüchtete in Schutz genommen hat? J a , dann werdet ihr eben seinen Heilsgang sehen (182, 4ff.). Mit dieser vorspielartigen Szene, die in der Kathä nicht erwähnt wird, beginnt der Akt. Ein Dialog wird gemimt wie im Schlangenbändiger-Monolog als Einleitung des II. Aktes, aber ohne Lustigkeit, darin eher dem dialogischen Monolog des Kämmerers als Einleitung des III. Aktes vergleichbar. Der Henker betont die Unerbittlichkeit des Despotengerichts, selbst wenn die Stimme des Volkes den selbstlos schuldig gewordenen Goldschmied gern frei sähe. Mit einem ähnlichen Auftritt zweier Henker beginnt auch der letzte Akt des Mrcchakatikam, aber dort zeigen sie ein wärmeres Mitgefühl für den unschuldig zum Tode verurteiltenCärudatta und schieben die Schuld auf ihren Despoten. Dabei ist dann freilich zu bedenken, daß es sich in unserem Drama um zwei Agenten Cänakyas handelt, die wissen, daß Räkshasa naht, die sein Auftreten im nichtsahnenden Volk vorbereiten und ihn selber geradezu provozieren wollen. Sie dürfen auf keinen Fall betonen, daß Candragupta ein mitleidsloser Despot wäre 3 , der einen Candanadäsa nicht zu schätzen wüßte. Freilich sollen sie wohl gleichzeitig dem eben erst unterworfenen Volk Respekt vor der neuen Macht beibringen. Der merkwürdige Ausdruck „Heilsgang" soll nach dem Kommentator bedeuten, daß der edle Hingerichtete für seine Güte zum Himmel aufsteigen wird, zugleich aber insgeheim andeuten, daß Räkshasa kommen und ihn befreien wird. Mit dem zweiten Henker tritt Candanadäsa, den Pfahl tragend 4 , mit Weib und Kind auf. Er klagt: (Vers) 5 Verehrung dem Schicksal, das uns, die wir 1
2 S. o. 163,5ff. Kaut. 8,8. S. o. die Ankündigung, daß Malayaketu schwer zu sprechen, ist (100, 10f., Vers 90). 4 Ähnlich Cärudatta im X . Akt des Mrcch. — Dies Tragen des Pfahles wurde noch 1732 beobachtet: G. A. Francken, Der königlich Dänischen Missionarien aus Ostindien eingesandter ausführlichen Berichten Dritter Theil, Halle 1735, 490. 5 Von Telang nicht gezählt. Nach einigen Hss. spricht die Frau des Goldschmiedes. 3
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jeden Bruch der Sitte fürchteten, den Tod des Räubers beschert. — Oder vielmehr 1 : Es gibt keinen Unterschied für die Verwerflichen zwischen Lauen und anderen; (Vers:) Wenn ein Jäger 2 die holden Gazellen, die Fleisch aufgeben und nur von Gras leben, tötet, wen soll man da anklagen! (183, 4ff., Vers 155 und 156). Candanadäsa beginnt seinen Monolog, der, wie üblich, den kommenden Dialog einleitet, mit Fatalismus, aber dann wendet er sich scharf und verbittert zu Zynismus : Zwischen gutem und bösem Lebenswandel ist kein wirklicher Unterschied. Der Dichter will zeigen, daß man es einem als unübertrefflich edel bekannten Manne in dieser Lage, wo er gerade wegen seines persönlichen Edelmutes durch die politische Macht zu schmählichem Tode verurteilt ist, nicht verübeln kann, wenn er an aller Gerechtigkeit zweifelt. Der Goldschmied Visäkhadattas ähnelt damit etwa einem Yudhishthira oder einem Lakshmana, die beide in den großen Epen bei all ihrer idealen Moralität in der äußersten Not zweitweilig ungläubig werden und (wie sonst die Materialisten) Gott und seine Gerechtigkeit leugnen 3 . Solche edlen Menschen haben ein gewisses Recht dazu, aber nicht die gewöhnlichen Untertanen, meinten die epischen Barden und unser dramatischer Dichter zur Belehrung der Ungläubigen und Lauen. Zugleich weiß der Zuschauer bereits dank der Kunst des Dichters, daß der Goldschmied befreit werden wird, daß also das Gute am Ende doch belohnt wird, daß Candragupta und sein Minister durchaus gerecht sind, daß also die Verzweiflung des Goldschmieds letzten Endes unnötig, wenn auch im Augenblick verständlich ist. In dieser Lage darf er das Schicksal anklagen; um so frommer wird er durch seine Befreiung, und der Zuschauer durch dieses moralisierende Drama werden. E r 4 klagt: Freund Jishnudäsa, warum antwortest Du nicht? Oder vielmehr: Schwer findet man Menschen, die auch in dieser Lage sich noch sehen lassen. Unsere Freunde kehren um und folgen uns nur mit dem Blick, Tränen vergießend 5 (184, 5ff.). Es sieht demnach so aus, als ob Jishnudäsa tatsächlich zum Feuertode schreitet, zumindest ist er nicht unter den Mitleidigen, die dem Goldschmied das letzte Geleit bis an die Grenze des Hinrichtungsplatzes geben. Der Goldschmied und sein Weib wissen dies aber nicht von Jishnudäsa. Wieder geht der Klagende vom Fragen, vom freilich schon verzweifelnden Zweifeln an dem Freund, scharf zum Pessimismus über. Daß Freunde in der Not schwer zu haben sind, hatten auch die Henker und Cärudatta im Mrcchakatika voll Bitterkeit festgestellt 6 . Es war auch einer der ersten Punkte gewesen, die Cänakya im I. Akt betonte, um die Treue Räkshasas hervorzuheben 7 . Räkshasa aber wird seine Treue gleich bewähren, sie ist ja eines der Hauptthemen des Dramas. Sie steht noch höher als die des Jishnudäsa, sie ist aktiv, sie hilft. 1
S. o. 7,7. J ä g e r sind etwa die v e r a c h t e t e n wilden Dschungelbewohner oder A r i s t o k r a t e n . W e r ist hier angeklagt? 3 R ü b e n 1954c, 151. 4 Oder sie, s. o. S. 134 A n m . 5. 6 Von den nutzlosen T r ä n e n der Zuschauer spricht a u c h C ä r u d a t t a in Mrcch. X , Vers 6. « Mrcch. X , Vers 15f. ' S. o. 8 , 1 0 . . Vers 13. 2
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Die Henker: Wir sind angelangt, schick' Deine Familie heim! Candanadäsa tut so. Aber seine Frau möchte ihn in den Tod begleiten, und erst der Hinweis auf die Hilflosigkeit ihres Sohnes bringt sie davon ab. Der Sohn fällt dem Vater zu Füßen und bittet um seinen letzten Rat, was er, der Vaterlose, tun soll. Candanadäsa: Wohnt in einem Lande, das frei von Cänakya ist 1 . Der Pfahl ist errichtet. Die Frau ruft um Hilfe. Candanadäsa: Die Nanda, die sich der Elenden erbarmten, sind im Himmel, was rufst Du 2 ? — Die Henker fassen ihn bereits, da bittet er, seinen Sohn noch einmal umarmen zu dürfen. Ihn tröstet er: Ich sterbe für meinen Freund! Die Frau ruft noch einmal um Hilfe, und es kommt Räkshasa (185, 5ff.). Vergleicht man diese Abschiedszene des unschuldig verurteilten Goldschmieds von Weib und Kind mit der analogen Szene im letzten Akt des Mrcchakatika, so bietet sich dort zunächst der kleine Sohn den beiden Henkern als Ersatz für seinen Vater an. Die Henker betonen dabei, daß nicht sie, sondern der Despot mit seinem Befehl für diesen Justizmord verantwortlich ist. Cärudatta aber freut sich über die Liebe seines Söhnchens. Statt von der Frau Cärudattas wird sein Sohn von seinem Freund Maitreya begleitet, der nun sein Leben für das des Cärudatta anbietet. Es folgt dann die ergreifende Szene mit dem edlen Sklaven Sthävaraka und seinem bösen Herrn Samsthänaka, auf die noch zurückzukommen ist; und danach bietet Cärudattas Sohn sich noch einmal als Opfer für seinen Vater an, was der Bösewicht Samsthänaka so zu wenden sucht, daß Cärudatta zusammen mit seinem Sohn hingerichtet werden solle. Um ihn zu retten, rät Cärudatta, sein Sohn solle noch heute mit seiner Mutter in eine Einsiedelei eilen 3 . Maitreya aber, aktiver als Candanadäsas Freund Jishnudäsa, verspricht, das Kind zu seiner Mutter zu bringen; er will dann freilich durch Selbstmord dem Freunde folgen 4 . Cärudatta aber versichert die Henker, er fürchte nicht den Tod, sondern die Schande 5 . Die Szene ist im Mrcchakatikam breiter, reicher und wesentlich wärmer ausgemalt als im Mudräräkshasa. Bei Südraka packen die beiden Henker den Verurteilten nicht so einfach, sondern würfeln, wer von beiden dies böse Amt diesmal übernehmen soll, und sie beeilen sich dabei durchaus nicht, denn, sagt der eine, mein Vater meinte immer, vielleicht kauft noch einer den Verurteilten los, vielleicht kommt plötzlich ein neuer König usw. Und tatsächlich wird ja Cärudatta später durch eine Rebellion gerettet. Visäkhadatta hat als etwas Neues (falls er jünger als Südraka ist) nur den Zug der Sati hereingebracht, daß die Frau in dieser Szene auftritt und dem Manne in den Tod folgen will, wovon sie sich aber schnell abbringen läßt. Im Mrcchakatika ist dagegen nur in einigen Handschriften eine Szene eingeschoben, in der Cärudattas Frau sich den Tod geben will, aber in letzter Minute gerettet wird. Candanadäsas Frau ruft um Hilfe, und beim zweitenmal kommt tatsächlich der Retter. Der Zuschauer hat den Eindruck einer gewissen Kausalität, und der Dichter glaubte vielleicht an eine gewisse magische Wirkung des Rufens der frommen Frau. Im Mrccha1 2 3 4 6
S. o. 129, 6f.: Jivasiddhi möchte in ein Land ohne Räkshasa. I)hu.: Rufe nicht die Henker an! Mrcch. X , Vers 32. Mrcch. X , 261 ff. Ebd. X , Vers 33.
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katika aber gedenkt Cärudatta immer wieder der Vasantasenä, die er schon im Himmel wähnt, und nach seiner letzten Strophe an sie 1 tritt sie als Retterin auf. In Mahädevas Kathä wird statt dieser Szenen nur kurz erwähnt, daß Räkshasa dazu kam, wie die von Cänakya dazu befohlenen Siddhärthaka und Samrddhärthaka in der Verkleidung der Henker den Goldschmied zum Richtplatz führten, wie Candanadäsa jammerte, sein Weib, Kind und andere tröstete, von den Henkern geschmäht (!) wurde, aber entschlossen war, für den Freund sein Leben wie einen Grashalm wegzugeben. Das ist eine nicht ganz genaue Wiedergabe unserer Szene. Räkshasa: Frau, sei ohne Furcht! Feldherr, töte ihn nicht! (Vers:) Ich sah den Untergang meines Herren, als wäre es mein Feind; ich war bei der Not meiner Freunde, als wäre es ein Fest; ich bin der Täuschung unterlegen; hängt den Totenkranz jetzt mir um! (189, 8ff., Vers 157). Räkshasa redet anscheinend die Henker, um sie zu gewinnen, als einen Feldherrn an 2 (den gut verkleideten Siddhärthaka erkennt er nicht) und gibt für sein Selbstopfer eine Begründung, die gewöhnliche Candäla-Henker nicht hätten verstehen können. Er hat als Minister der Nanda und als Freund der ihm vertrauenden Anhänger versagt; er hat sich täuschen lassen, was ihm schändlicher erscheint als sein Wort zu brechen 3 . Er hat verspielt und will sterben. Das ist aber nicht die Haltung des Sibi, das ist im Grunde gar kein Selbstopfer für einen Freund aus altruistischem Edelmut, das ist Egoismus, der zu der Handlungsweise Räkshasas durchweg paßt, so sehr Visäkhadatta ihn auch zu idealisieren suchte. Diese Worte sind nur dem Candanadäsa verständlich und vielleicht auch nur für ihn gemeint. Mit ihm spricht der Minister auch im folgenden zunächst allein. Goldschmied: Was ist das? Räkshasa: Ich mache einen Teil deiner Wohltat gut. Goldschmied: Damit machst du meine Tat zunichte! Räkshasa: Die Welt ist auf eigenen Vorteil aus! (190, 5ff.). Dieser Dialog zeigt beide Freunde, so sehr sie sich füreinander zu opfern bereit sind, im Grunde als Egoisten 4 . Es ist ein Wettstreit uneigennützig-eigennütziger Aufopferungen, zutiefst bezeichnend für Hinduethik, die im alten Buddhismus usw. auf eigene Erlösung ausgeht und Wohltun weniger aus Mitleid mit Unglücklichen als aus Streben nach eigenem Heil preist. Räkshasa befiehlt dem Henker, dem schuftigen Cänakya zu melden: (Vers) Derjenige, für den dieser Goldschmied im jetzigen schlimmen Weltalter die Tat des Sibi 5 und das edle Leben der Buddhas 6 übertrumpfte und dein Feind wurde, der bin ich. — Der eine Henker übernimmt es, Cänakya die Gefangennahme Räkshasas zu melden, der andere soll im Baumesschatten mit dem Goldschmied warten (190,10ff., Vers 158). Räkshasa tritt als Herr auf, wie er es gewohnt ist, und spricht offen als Feind Cänakyas (nicht Candraguptas!). Dabei sollte man erwarten, daß Räkshasa sich Ebd. X , 343. Hillebrandt: lectio difficilior. Telang, Dhu. usw.: Pfähler. 3 S. o. 166, 3ff. 4 Walimbe: Der Goldschmied möchte das Leben Räkshasas für die Rache der Nanda erhalten. Das steht aber nicht im Text. 6 S. o. 176, 8 usw. 6 Telang X X I V f . : Damals war der Buddhismus noch nicht verfallen. 1
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Candragupta, nicht dem Cänakya, ergibt, denn er muß doch meinen, daß Cänakya seines Ministeramtes enthoben ist. Das war ihm im IV. Akt von seinem Agenten gemeldet worden (108, 5ff.). Er hatte zwar ein wenig an der Nachricht gezweifelt (110, 3ff.), aber Sakatadäsa hatte ihm seinen Zweifel ausgeredet (111, 3ff.); Räkshasa hatte das angenommen (111,9), und hatte die Nachricht anMalayaketu weiter übermittelt (112, 11). Dementsprechend hatte er im VI. Akt sich selber versichert, daß er an keine Aussöhnung mit Candragupta denke; (166, 3 ff.) (ohne dabei Cänakya zu erwähnen; aber ein Übereinkommen mit Candragupta konnte nur wegen Cänakyas Absetzung in Frage kommen!), hatte er beim Siegeslärm nur die Maurya-Dynastie, nicht Cänakya erwähnt (169, lf.), und dementsprechend hatte auch Cänakyas Agent im Hain vor der Stadt im VI. Akt nur Candragupta als den Richter über den Goldschmied und als den Hinrichter der Henker des entlaufenen Sakatadäsa erwähnt (174f., 179), nicht Cänakya. Trotzdem hatteRäkshasa freilich am Ende des VI. Aktes über die Undurchsichtigkeit der Politik Cänakyas geklagt, der Sakatadäsa entlaufen und den belastenden Brief schreiben ließ (180, 1), aber dies hatte Cänakya ja längst vor seiner Amtsentsetzung veranlaßt. Entweder also ist Räkshasas Staunen über Cänakyas Tüchtigkeit so groß, daß er auch jetzt noch ihm, nicht dem König sein Leben anbietet (mit dem König will Räkshasa ja nichts zu tun haben! Cänakya, meint er vielleicht, kann die Hinrichtung des Goldschmieds trotz seiner Absetzung noch verhindern); oder der Dichter hat hier ein kleines Versehen begangen, das zumindest dem Kommentator 1 nicht aufgefallen ist, aber auch nicht Mahädeva beim Nacherzählen. Die Henker, die ja als Agenten Cänakyas längst über die Lage unterrichtet sind, mimen keine Zweifel an Räkshasas Worten, sondern verhaften ihn ohne Wortwechsel. Der Goldschmied ist gerettet. In Südrakas Drama versucht in einer besonders ergreifenden Szene der Sklave Sthävaraka unter eigener Lebensgefahr, Cärudatta zu retten. Er enthüllt den Henkern und dem Volk den Mord, den er selber bezeugen kann; aber sein Herr, der böse Königsschwager, argumentiert, sein Sklave verleumde ihn aus Rache, weil er ihn geprügelt habe. Er zeigt die Striemen, und die Henker sind überzeugt. Erst danach rettet Vasantasenä den Kaufmann. Ein Henker verläßt mit dem Goldschmied und seiner Familie die Szene. Der andere geht mit Räkshasa zu Cänakyas Haus und läßt ihm, dem Donnerkeil, der den Steinhaufen der Nandadynastie zermalmte und die Mauryadynastie fest gründete, ihm, der das angehäufte Recht der Städter darstellt, melden, daß Räkshasa, der Minister, dessen Verstand und Kraft durch die Fessel der Politik Cänakyas gezügelt sind, gefangen ist (191, 10ff.). Der „Henker" spricht hier zwar in Prosa und in seinem Dialekt, aber so bildreich und so konzentriert kann nur ein Gebildeter sprechen. Die Art, wie Räkshasa verhaftet wurde, ist sehr milde, aber diese Worte sind für ihn hart. Räkshasa leidet unter ihnen, aber schöpft keinen Verdacht gegen den angeblichen Henker. — Der Goldschmied tritt nicht mehr auf. Cänakya tritt, durch den Vorhang oder ein Gewand verhüllt, auf, nur sein Gesicht ist sichtbar: Sprich! (Vers:) Wer hat das flammende Feuer in den 1
phu., Telang, Walimbe usw.; aber s. auch oben zu 166,3ff.
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Zipfel seines Gewandes geknotet 1 , den Wind mit Stricken zum Stehen gebracht, den Löwen im Käfig gefangen und den Ozean mit all seinen Ungeheuern durchschwömmen 2 ? Henker: Du mit deiner klugen Politik! — Cänakya: Nein, nein; sage: Das Schicksal, das den Nanda feindlich war (192, 7ff., Vers 159). Cänakya, verhüllt 3 , spricht zunächst nur mit seinem Agenten, und der Zuschauer meint, einen unbändigen Stolz herauszuhören, wenn nicht gar ungehöriges Selbstlob. Aber dessen hat sich Cänakya nur im I I I . Akt im gespielten Zorn Candragupta gegenüber ganz bewußt schuldig gemacht 4 , während er dem Goldschmied gegenüber im I. Akt sein Selbstlob mitten im Satz abbrach, wo doch der Goldschmied sich sogar eingestehen mußte, daß er allen Grund zum Stolz hätte 5 . So wendet denn Cänakya auch hier das Gespräch so, daß nicht er selber, sondern das Schicksal der Sieger ist, und das ist — so scheint es wenigstens zunächst — nicht etwa gespielte Bescheidenheit 6 . Der sivaitische Dichter hat es ja nach seiner Weltanschauung, die im Sinne aller indischen Religionen fatalistisch ist, so eingerichtet, daß der Zufall oder, wie er glaubt, das Schicksal dem Agenten Cänakyas erst den Siegelring Räkshasas in die Hände gespielt 7 , ihm, Cänakya, selber dankCandraguptas Frömmigkeit den Schmuck Parvatas zuspielt 8 , den Schmuck Malayaketus rechtzeitig zu Räkshasa gelangen läßt 9 , und endlich Sakatadäsa im rechten Augenblick Räkshasas berechtigte politische Bedenken zerstreuen läßt 1 0 . Ohne diese Reihe von Zufällen hätte Cänakyas Politik im Drama nicht siegen können. Den Siegelring und Parvatas Schmuck versteht Cänakya sofort für sich zu benutzen. Den Schmuck Malayaketus verwendet Cänakyas Agent geschickt in seiner Intrige. Sakatadäsas Reden aber sind von Cänakya oder seinen Agenten nicht einberechnet gewesen, sind reiner Zufall, Glück oder Schicksal. Als Candragupta im III. Akt in dem gespielten Zank mit Cänakya nicht ihm, seinem Minister und Lehrer, sondern dem Schicksal das Verdienst am Gelingen zuwies, und als Cänakya diesen Fatalismus schroff abwies u , mochte der Zuschauer über die eigentliche Absicht des Dichters noch im unklaren sein. Er mochte noch so bleiben, als Cänakyas Agent, Jivasiddhi, als Astrologe (aber eben nur als Scheinastrologe) dem Räkshasa sein Geschick entgegenhielt 12 ; jetzt aber, wo Cänakya selber jene Worte seines Schülers Candragupta aus dem I I I . Akt fast wörtlich wiederholt, 1
Wie man mit Juwelen tat, statt Taschen (Kathäs. 54,105f.). Mrcch. I X , 20: Richter: E s wäre wie das Wägen des Himalaya, das Durchschwimmen des Ozeans, das Fassen des Windes, wenn man Cärudatta beschuldigen wollte. 3 Dhruva: Er ist noch in seinem Kriegsgewand, er kommt gerade aus der Schlacht. 4 S. o. 92, 14ff. 5 S. o. 32,1. 6 Walimbe: Nicht ernst zu nehmen, vielleicht sarkastisch gemeint; Cänakya ist kein Fatalist. — Kaie: Cänakya sagt dies gegen seine Überzeugung, um die Größe Räkshasas zu verherrlichen und seine Diener mit seiner Größe zu beeindrucken. — Kanakalal, Dhruva, Wilson, Dhu. schweigen dazu. Telang verweist auf die Parallele im III. Akt (s. gleich!), ohne aber den Sinn zu erläutern. ' S. o. 17, l f f . 8 S. o. 20, l l f f . 9 S. o. 44, 3ff. und zu 136, 12ff. 10 S. o. zu 111, 3ff. 11 S. o. 93,8ff. " S . o . 119,7. 2
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muß der Zuschauer meinen, sich über die Absicht des Dichters und Cänakyas im klaren zu sein; ja, er sollte nach des Dichters Absicht von der Schicksalsmacht an sich überzeugt sein, so daß Räkshasa, der von Anfang an als Fatalist auftritt, bis zum Schluß im letzten Vers am Ende des Dramas mit seinem Fatalismus recht behält 1 . Diese Unterhaltung des verborgen bleibenden Cänakya ist scheinbar nicht für die Ohren Räkshasas berechnet, den Vers konnte er ja auch gar nicht richtig verstehen, ahnte er doch nicht, daß Cänakya ihn wie den Löwen, den Wind usw. einfangen und gewinnen wollte. Diese Unterredung fehlt bei Mahädeva. Sie hat aber noch eine andere Seite. Räkshasa bewundert in Gedanken Cänakya, die Mine aller Wissenschaften, dessen Vorzüge er nur aus Neid nicht anerkennen wollte. Cänakya bewundert in Gedanken Räkshasa, der seinem Verstand und Candraguptas Heer viel zu schaffen gemacht und ihm Schlaflosigkeit bereitet hat (193, 8ff., Vers 160 und 161). Beide Rivalen (jeder beherrscht eine Seite der Bühne) 2 denken in Sloken, in denen Cänakya seine Schlaflosigkeit eingesteht (wie ja auch Räkshasa im IV. Akt durch Schlaflosigkeit zu Kopfweh kam, sogar auf der Bühne!), Räkshasa sich selber aber Neid vorwirft (während in jenem gespielten Zwist Cänakya dem Candragupta Neid vorgeworfen hatte) 3 . Weder Candragupta noch Räkshasa aber sind in Wirklichkeit oder im Laufe des Dramas kleinlich neidisch aufgetreten. Daß Cänakya den Räkshasa hoch schätzt, ist für den Zuschauer nicht neu; bei Räkshasa aber sieht er jetzt den entscheidenden Wandel von Haß gegen Cänakya zu Hochachtung, und der schien dem Dichter wohl nur über diese Selbstkritik verständlich zu sein, die für unser Empfinden nicht berechtigt, geschweige notwendig ist. I n allen Handschriften und bei Mahädeva steht hier erst Räkshasas, dann Cänakyas Gedanke 4 . Danach sieht es so aus, als habe Cänakyas unmittelbar vorhergehendes Bekenntnis zum Fatalismus Räkshasa gewonnen; Räkshasa muß es gehört haben; er hat ja auch das Gesicht des im übrigen „verborgenen" Cänakya gesehen und erkannt. Cänakyas „Verbergen" war also nur gespielt, und zwar jener fatalistischen Unterhaltung wegen, die Räkshasa offenbar mit anhören sollte, um gewonnen zu werden. Danach erscheint nun freilich Cänakyas Stellung zum Fatalismus wiederum in anderem Licht; er bleibt innerlich bei seiner Ablehnung des Glaubens an das Schicksal, wie er sie in jenem Scheinzwist mit Candragupta in Übereinstimmung mit dem Staatslehrbuch 5 des Kautalya vertreten hatte; nur äußerlich mimt er hier einmal Fatalismus seinem hochverehrten Gegner zuliebe. Der fatalistische Dichter hat also den antifatalistischen Cänakya-Kautalya nicht seines traditionellen Charakters entkleidet, läßt ihn im Drama siegen, deutet aber im Verlauf des ganzen Dramas durch die Einführung der Zufälle seine gegenteilige Ansicht an und stellt den Fatalisten Räkshasa als idealen Minister hin. 1
S . u . 202,6, Vers 172. S. o. Vorspiel des VI. Aktes. 3 S. o. 92,13. 4 Hillebrandt hat dies umgekehrt, weil ja Cänakya verborgen sei. Hillebrandt hat also die im folgenden analysierte Feinheit-Szene nicht bemerkt. 6 Kaut. 97, 13 und adhyäya 109, 33. 2
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Cänakya tritt jetzt erst ganz hervor und begrüßt Räkshasa mit der Anrede Minister, die Räkshasa voll Scham zurückweist, weil er von Henkershänden besudelt sei (193, 11 ff.). Räkshasa erwähnt hier nicht, daß er selber sich, als Malayaketu ihn als Verräter hinstellte, den Ehrentitel ärya abgesprochen hatte 1 , wie ja auch Candragupta nach jenem Scheinzwist diesen Titel Cänakyas bei seiner Entlassung aus dem Amt fortgelassen hatte 2 . Räkshasa redet seinerseits Cänakya hier nicht mit seinem Ministertitel an, er hält ihn ja für abgesetzt. Cänakya klärt Räkshasa auf: Der Henker ist der dir bekannte Siddhärthaka, der auch Sakatadäsa jenen Brief schreiben ließ; beide „Henker" sind Männer des Königs. Räkshasa wird so erst einmal über die Treue Sakatadäsas beruhigt. (Vers:) Bhadrabhata usw., der Brief, Siddhärthaka, jener Schmuck, dein Freund, der Jaina, der Traurige im alten Park, das Elend des Goldschmieds, all dies ist meine — nein, des Vrshala Politik, um mit dir, Weiser, in Verbindung zu treten. — Sieh', da kommt er. — Räkshasa weiß nichts zu erwidern (194, 4ff., Vers 162). Cänakya spricht hier nicht mehr vom Schicksal, er mißt sich vielmehr zunächst selber alles Verdienst zu, verbessert seinen Satz aber wieder, wie er es im I. Akt dem Goldschmied gegenüber getan hatte 3 . Diese Wiederholung bei den beiden Unterredungen mit der Gegenpartei legt den Gedanken nahe, daß nach des Dichters Absicht Cänakya sich nicht zweimal verspricht, sondern eher beide Male ein Versehen schauspielert. Vielleicht wollte er dem Gegner zunächst durch seine Leistung, dann durch seine „Bescheidenheit" Eindruck machen, und der Dichter benutzt die Gelegenheit, Cänakya Räkshasa gegenüber ein wenig herabzusetzen 4 . Noch hat aber Cänakya Räkshasa nicht ganz überwunden, noch nicht gewonnen! Mahädeva fügt hinzu, daß Räkshasa eigentlich Candragupta gar nicht sehen wollte. Candragupta tritt mit großem Gefolge auf; er überlegt: Cänakya hat ohne Kampf gesiegt, ich bin gleichsam beschämt. (Vers:) Ohne Schuß zum Ziel gelangt, gelobe 5 ich gleichsam mit Schmerz, die Pfeile im Köcher ruhen zu lassen. Oder vielmehr 6 (Vers:) Auch mit entspanntem Bogen kann ich siegen; schlafe ich, wacht doch mein Lehrer (195, 5ff., Vers 163 und 164). Candragupta ist zunächst beschämt, dann aber mit seiner bescheidenen Rolle als Schüler Cänakyas durchaus zufrieden. Der Krieger beugt sich hier der Weisheit des Diplomaten und verzichtet auf die Ausübung seines Handwerks. Das ist eine kluge Haltung, die der des Malayaketu entgegengesetzt ist, aber der des Kautalya und Manu nahekommt. Krieg läßt sich bei geschicktem politischem Verhalten vermeiden und sollte seiner Unsicherheit wegen vermieden werden 7 . Cänakya stellt Räkshasa dem König als seinen angestammten Hauptminister vor. Räkshasa merkt, daß er jetzt durch Cänakya an Candragupta gebunden ist (195,13ff.). 1 2 4 5 6
S. o. 151,13; vgl. 148,3. 3 S. o. 95, 1 ff. S. o. 31, 6. Räkshasa verspricht sich freilich ähnlich, s. o. 115, 6. Das Folgende ist schlecht überliefert. S. o. zu 7, 7. ' Manu VII, 198f.; Kaut. 100, l f .
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Cänakya hatte eben vorher dem Räkshasa erklärt, daß das Ziel aller seiner Politik die Verbindung Räkshasas mit Candragupta ist 1 . Räkshasa hatte dem nichts entgegnen können; erfühlt sieh als Gefangener und hatte nur gedacht: Wie wird der Verlauf der weiteren Ereignisse sein? Ich kann nichts tun als zusehen! Auch jetzt sagt er nichts, braucht nichts zu sagen, denn zunächst muß er dem König das Wort lassen. Candragupta begrüßt ihn mit fast denselben Worten, wie er eben Cänakya begrüßt hatte, nur sagt er statt: „Candragupta verneigt sich, ärya, vor dir", „Candragupta begrüßt dich, ärya!" (196, 2). Räkshasa ist ja nicht sein Lehrer, Cänakya, dem er sich im III. Akt beinahe zu Füßen geworfen hatte 2 . Das vermeidet er hier; dort war er wohl im Bewußtsein, mit seinem Lehrer einen Streit mimen zu müssen, unbewußt, gleichsam aus schlechtem Gewissen, besonders ergeben gewesen. Räkshasa denkt: Das ist also Candragupta, (Vers) von dem als Kind die Welt schon seine kommende Größe wußte, der langsam zur Macht gelangt ist wie ein Elefant zur Führung seiner Herde (196, 3ff., Vers 165). Er hat ja Nanda, Parvata und Malayaketu überwunden. Von Candraguptas auffallender Kindheit berichtet die brahmanische Tradition 3 . Cänakya hatte des öfteren Räkshasa mit einem wilden Elefanten 4 verglichen, der klug zu gewinnen ist. Räkshasa begrüßt Candragupta in üblicher Weise mit „Sei siegreich, König". Candragupta entgegnet: (Vers) Was habe ich etwa nicht schon siegreich gewonnen, wo mein Lehrer in der politischen Überlegung und der ärya beim Handeln wacht? Räkshasa denkt: Der Kautilyaschüler berührt (oder: streichelt 5 ) mich als Diener. Oder vielmehr 6 , das ist nur Candraguptas Höflichkeit, aber mein Neid deutet falsch. Jedenfalls verdient Cänakya seinen Ruhm, denn: (Vers) Einen rechten Fürsten führt auch ein törichter Minister zu Ruhm, aber bei einem schlechten stürzt auch ein kluger wie ein Baum an einem Ufer (196, 6ff., Vers 166 und 167). Diese Stelle ist schwer zu verstehen: Mahädevas kurze Prosa hilft uns hier nicht, er zitiert nur den Schlußvers Räkshasas. Candragupta nennt in seinem Vers keinen Namen: Wer ist sein Lehrer und der ärya? Ist der „Lehrer" Cänakya oder ist er beides oder ist Räkshasa gemeint? 7 Räkshasa hört zunächst das sicher richtige heraus, er selber sei angeredet, Candragupta, der treue und schlaue Schüler Cänakyas, nehme ihn als seinen Minister an (so, wie Cänakya es eben als Absicht Candraguptas berichtet hatte). Dann aber meint er bescheiden, sich verbessern zu müssen: Nur aus Neid gegen Cänakya habe er den König falsch verstanden, der aus Höflichkeit gegen ihn, den gefangenen Räkshasa, vermieden habe, Cänakyas Namen zu nennen. 1
S. o. 195,2, Vers 162. S. o. 80,9. Vgl. J a n a k a zu Yäjnavalkyas Füßen in Brh. Up. IV, 2, 1. Mahädeva: Räkshasam pranipapäta( ?). 3 S. u. II B : Hemacandra 190ff. usw. 4 S. o. 37, 4, Vers 28 usw. 6 Walimbe: behandelt. 8 S. o. 7,7. ' Walimbe: Lehrer ist Cänakya, ärya ist Räkshasa. — Kaie: ärya ist Cänakya, the other ist Räkshasa. — D h r u v a : ärya ist Cänakya. 2
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Dem Cänakya gebühre ja sein Platz. Denn, begründet er mit einem, wie es scheint unlogischen Gedankensprung: Candragupta ist ein guter Herrscher; mein Fürst, Malayaketu, der nach Sieg dürstete, aber war schlecht. Neben ihm mußte ich stürzen, wie bei ihm selbst der klügste Minister scheitern müßte. Neben Candragupta aber könnte auch ich mit meinem geringen Verstand Bestand haben. — So verstanden, bedeutet diese wichtige Stelle, daß Rakshasa begonnen hat, Candragupta zu verehren und sich mit dem Gedanken, ihm zu dienen, vertraut macht, ja, dies als Glück zu empfinden beginnt, aber in seiner Bescheidenheit diese Wandlung als Fehler, als Mißgunst gegen Cänakya auslegt, den er ebenfalls zu bewundern gelernt hat. Infolge dieses inneren Kampfes und Zweifeins äußerst er sich auf Candraguptas Vers hin gar nicht. Bei Candragupta aber ist die Frage, warum er sich so unklar ausgedrückt hat, verständlich. Er durfte sich keine Absage holen. Er sah ja nicht, daß Rakshasa von ihm schon beeindruckt war. In dieser peinlichen Lage bricht Cänakya das Schweigen mit einem ganz neuen Vorstoß, der aber von ihm von Anfang an schon vorbereitet war und ihm als Minister zustand, dem der König, wie üblich, dies politisch schwierige Gespräch überließ. Minister Räkshasa, möchtest du Candanadäsa das Leben erhalten ? Du nimmst mein Schwert, mein Amt nicht, hilfst also Candragupta nicht; daher zweifle ich an deinem Wunsch. Hier schieben einige Mss. ein: Räkshasa schweigt, Cänakya: (Vers) Ich gehe in den Asketenwald, nachdem ich dich zum Minister gemacht habe; Candragupta möge wie Indra 1 die Welt genießen (197, 3ff., Vers 168). Cänakya tritt hier geradezu als Erpresser auf. In dem fraglichen Vers deutet er an, daß Räkshasa nicht glauben solle, er verdränge ihn aus einem Amt, das er von sich aus aufgeben wolle. Räkshasa erklärt sich für unwürdig des Amtes. Cänakya aber: (Vers) Sieh dir die Elefanten an, deren Rückenwirbel geschwollen sind, die baden, fressen, schlafen und entbehren, samt den Pferden, die durch ständiges Reiten und Zügeln abgefallen sind und das durch deine, du Kluger, Manneskraft, der du den Stolz stolzer Feinde brichst. — Oder vielmehr 2 : Nimmst du mein Schwert nicht, rettest du Candanadäsa nicht (197, 13ff., Vers 169). Cänakya deutet an, daß Räkshasa mit Klugheit und K r a f t dem Heer Candraguptas lange zu schaffen gemacht hat, aber er spricht wahrheitsgemäß und stolz nicht von blutigen Kämpfen, sondern nur von langen Märschen und ständiger Kampfbereitschaft. Cänakya erklärt Räkshasa also für ebenso würdig des Ministeramtes wie sich selber. Vom Sieg zu reden vermeidet er. Damit aber Räkshasa nicht darauf zu sprechen komme, bricht er diesen P u n k t ab und kommt lieber auf seine Erpressung zurück. Räkshasa: Verehrung der Freundesliebe, die mich zu allem bereit macht! Was gibt es sonst für einen Weg ? — Cänakya wünscht freudig Candragupta Glück; er gibt Räkshasa sein Schwert. — Candragupta dankt Räkshasa höflich für seine Güte (198, 6ff.). 1 2
Vgl. Mrcch. X , Vers 48: Aryaka hat wie Indra das Königtum des Feindes erobert. S. o. 7, 7.
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Damit ist das Ziel Cänakyas erreicht; man kann sicher sein, daß nicht nur Candanadäsa von der Hinrichtung, sondern auch sein treuer Freund Jishnudäsa rechtzeitig vom Freitode gerettet worden sind. Beide werden samt Sakatadäsa durch Räkshasa gute Anhänger Candraguptas werden. Jivasiddhi, Bhäguräyana, Bhadrabhata usw. werden für den Maurya und für Räkshasa weiter arbeiten. N u r Malayaketus Lage ist im VI. Akt noch nicht geklärt; deswegen die folgende Szene: Ein Mann meldet: Bhadrabhata, Bhäguräyana usw. haben Malayaketu gefesselt gebracht. Was soll geschehen ? — Cänakya verweist den Mann an den neuen Minister Räkshasa. Räkshasa staunt innerlich über Cänakya, bittet dann aber den König um das Leben des Prinzen. Candragupta schaut auf Cänakya. Der verkündet dem Manne, auf Räkshasas R a t hin ließe Candragupta dem Malayaketu sein väterliches Reich (198, 11 ff.). Cänakya also ist doch in diesem Augenblick noch der entscheidende Minister, aber er schenkt dem Feind nicht nur das Leben, um das Räkshasa gebeten hatte, sondern auch seinen Thron. Candragupta hat sich von seinem großen Lehrer noch nicht frei gemacht, obgleich doch Räkshasa schon das Schwert des Ministers in Händen hat. Noch vertraut der König offenbar dem neuen Minister, der eben noch seinen Feinde Malayaketu beraten hat und ihn jetzt befreien will, nicht genügend. Die Frage ist ja auch vom politischen Standpunkt nicht einfach. Die Staatslehre lehrt, daß man vom Feind keinen Rest übrig lassen soll, erläutert Dhundhiräja. Aber: Dieser erste Wunsch Räkshasas ist zu ehren, sagt Cänakya 1 . Es ist aber nicht überliefert, daß Malayaketu von seinen Bergen aus noch einmal gegen Magadha vorgestoßen wäre. Seine Hauptverbündeten, die fünf Barbarenfürsten, hat er selber hinrichten lassen, hat also keine Hoffnung, einen neuen Fürstenbund zustande zu bringen. Um aber auch innerlich Malayaketu an den künftigen Minister Räkshasa zu binden, läßt Cänakya ihn in dieser Weise wissen, daß Räkshasas R a t Candragupta zu seiner Gnade bewogen hat. Diese Szene hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der im letzten Akt des Mrcchakatika, in der der böse Königsschwager, der Mörder der Vasantasenä und Verderber Cärudattas, der Gegner des Helden und insofern dem Malayaketu als Gegner Candraguptas vergleichbar, gefangen vor Cärudatta geführt wird. Cärudatta ist eben zum Fürsten gemacht worden und glaubt selbst noch nicht recht an seine Macht, läßt dann aber aus Edelmut den Bösewicht frei. Im Mrcchakatikam ist die Szene viel belebter und reicher; nicht nur Sarvilaka, der neue Minister, sondern auch das Volk und Vasantasenä fordern den Tod des Bösen, und Cärudatta steht in jenem Drama als der Verzeihende ganz anders da als in unserem Drama Räkshasa. Als der Diener fortgehen will, gibt ihm Cänakya noch einen Befehl an den Stadthauptmann mit, den, wie er sagt, der König zu Räkshasas Freude gegeben hat, daß nämlich der Goldschmied Candanadäsa zum sreshthi (Großkaufmann) in allen Städten der Erde ernannt wird und außer Pferden und Elefanten alle Bande gelöst werden sollen — oder vielmehr 2 : Unter Räkshasa braucht man auch diese nicht mehr, deswegen (Vers:) sollen außer Zugtieren alle Bande gelöst werden; nur er selber binde, da er sein Wort wahr gemacht habe, seine Haarflechte wieder (200, lff., Vers 170). 1
Ähnlich spricht Öarvilaka in Mrcch. X, 505f. zu Carudatta.
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S. o. 7, 7.
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa"
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Nach einem Siege empfahl Manu eine Art allgemeiner Amnestie 1 . Hatte Cänakya die Schlacht vermieden und Candragupta eben seine Zufriedenheit darüber geäußert, so drückt hier Cänakya unbegrenzte Friedenshoffnung aus. Das war offenbar ein in Indien wichtiges Thema, das unter anderem dem Epos Mahäbhärata zugrunde liegt 2 . Cänakya bleibt auch hier der selbständige Lenker der Politik und ehrt den Goldschmied, vor dem er von Anfang an 3 Hochachtung empfunden hatte. Räkshasa würde ja für seinen Freund noch nicht so weitgehend eintreten. In einer Stadt gab es mehrere srcshthis, die unter einem sreshthi zu stehen pflegten 4 ; ein sreshthi des ganzen Reiches, bzw. der ganzen Erde ist uns aber sonst unbekannt. Ein sreshthi stand dem König nahe, saß in seiner täglichen Versammlung, aber seine Rechte und Pflichten sind im einzelnen noch nicht erkannt. Diese Ehrung ist ähnlich der des buddhistischen Mönchs im Mrcchakatika, der Vasantasenä das Leben gerettet hat. Da er Mönch bleiben will, wird er, und dabei geht die Ehrung auf Sarvilaka zurück (Cärudatta wäre wie Räkshasa dazu zu bescheiden), zum „Hausherrn" (kulapati) aller Klöster der Erde ernannt, was auch immer das für ein märchenhaftes Amt gewesen sein mag; die erdweite Bedeutung dieses Amtes ist jedenfalls so phantastisch wie die des Erdsreshthi Candanadäsa. Cänakya fragt, was er (dem Candragupta und Räkshasa) noch Liebes tun kann. Candragupta: (Vers) Räkshasa ist mein Freund, meine Herrschaft ist gesichert, die Nanda sind ausgerottet. Was gibt es da noch Liebes zu tun ? Räkshasa (in einem Vers) (für sich 5 ): Die Bäume, die ich mit eigenen Händen begoß, mußte ich fällen; die Liebe zu den Nanda berührt mein Herz, aber ich bin Diener ihrer Feinde. Das Schwert muß ich nehmen, um die Freunde zu treffen. Die Wege des Schicksals sind undurchsichtig. — L a u t 6 : (Vers) Die Erde, vom Untersinken bedroht, hat sich einst zu Vishnu in seiner Eberinkarnation geflüchtet, von Barbaren bedroht, in seine Arme, in die des zum König gewordenen Gottes; dieser Candragupta 7 mit seinen glücklichen Verwandten und Dienern möge die Erde lange beschützen (201, lff., Vers 171—173). Candragupta gilt hier als Menschwerdung Vishnus; dieselbe Anschauung findet man z. B. in Java wieder, wo der König Erlanga sich als Vishnu auf dem göttlichen Vogel Garuda in Stein hauen ließ 8 . Die Verbeugung vor Vishnu in dieser Schlußstrophe ist mit dem Sivaimus des Dichters zu vereinen 9 , denn auch die Sivaiten erkannten Vishnu an, nur eben nicht als den allerhöchsten Gott. 1
Manu VII, 201. Oder Amnestie bei Geburt eines Prinzen: Rghv. III, 20 (Kaie). 3 Vgl. Rüben 1954b, 179f. S. o. 33, lOff. 4 Vgl. I. Fiser, The Problem of the setthi in Buddhist Jätakas, Archiv Orientälni X X I I , 1954, 238ff., 253: Im Jätaka 546 ernennt der König den Kaufmann, den Vater des weisen Knaben, zum Herren der anderen sreshthi. 5 In manchen Mss. steht dieser Vers schon vorher; er paßt hier nicht mehr sehr gut, insofern Räkshasa auch innerlich auf die Seite Candraguptas gegangen sein dürfte. 6 Hillebrandt läßt Cänakya diesen Vers sprechen. 7 Oder Rantivarman oder dgl. Namen. 6 Abb.: A. K. Coomaraswamy, Geschichte der indischen und indonesischen Kunst, Leipzig 1927, Abb. 360. 9 S. o. 82, 13ff. Barde besingt Vishnus Erwachen neben Sivas Triumph. 2
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R ü b e n , Sinn des Dramas
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Ein ähnlicher Abschluß üblicher A r t 1 findet sich im Mrcchakatika, eingeleitet durch die Frage des Sarvilaka, die der obigen von Cänakya entspricht, und von Cärudatta mit drei Strophen beantwortet: 1. alle meine Ziele sind erreicht, 2. die Wege des Schicksals sind unberechenbar und 3. die Erde möge gedeihen. Räkshasa bleibt bis zum Ende des Dramas der Fatalist, der er von Anfang an war, und sein nur für sich gedachter Vers zeigt keine Begeisterung für die ihm neu übertragene Sache. Er spricht dann aber den entscheidenden Gedanken aus, daß Indien von Barbaren bedroht war und von Candragupta gerettet ist. Parvata war ein König aus den Bergen, ein Barbar, und fünf Barbarenfürsten waren seine Beschützer. Candragupta Maurya aber war historisch der Hindukönig, der Nordindien gegen Alexander und seine ersten Nachfolger geeinigt hat 2 . Zugleich ist Candragupta der Name des Begründers der Guptadynastie, der vermutlich ebenfalls ein nationalindischer König war, der auf lange Zeiten der Fremdherrschaft der Saka, Kushan usw. folgte 3 , und unser Drama gehört vermutlich zu den Werken, die eine Art Anknüpfung der Guptadynastie an das Mauryatum darstellen. Durch diese letzten Worte sollte vielleicht auch Candragupta I., der Begründer der Guptadynastie, geehrt werden, wenn nämlich das Drama zur Zeit seines zweiten Nachfolgers Candraguptas II. entstand, wofür sich immer mehr Indologen ausgesprochen haben 4 .
Rückblick auf die Hauptgestalten des Dramas nach den indischen Moralbegriffen artha, dharma and käma Die führende Gestalt des Dramas ist Cänakya. Er ist die legendenumwobene Figur der altindischen Tradition, der Verfasser des alten Staatslehrbuches. Der Dichter hat ihn der Tradition gemäß als den skrupellosen, schlauen Politiker hingestellt, als den Typ des geradezu macchiavellistischen Diplomaten, als den Verfechter des artha, des praktischen Gewinnes im Leben, insbesondere in der Politik. Er ist weiter der Gelehrte, der humane Lehrer seines ihm als Türhüter usw. dienenden Schülers, und zugleich der gewissenhafte, treue Lehrer und Leiter des jungen Königs Candragupta. Er ist tüchtig und zugleich großsprecherisch. Er ist abergläubisch, aber nicht fromm, sondern bewußt antifatalistisch. Er wird aus seinem brahmanischen Gelehrtenleben durch eine Beleidigung des Nanda herausgerissen und gerät damit für kurze Zeit in die ganz große Politik Nordindiens hinein. Er nimmt an ihr, da er nun einmal der gelehrte Staatswissenschaftler ist, mit außergewöhnlichem Erfolg teil und zieht sich dann wieder in seine Beschaulichkeit 5 zurück. Er ist also kein eigentlicher Minister, kein praktischer Berufsdiplomat, sondern ein Gelehrter vom Brahmanenstand, leicht reizbar, heftig aufbrausend, und nur aus seinem Grimm zeitweilig politisch aktiv. Aber er hat nicht etwa das große politische Ziel, Nordindien gegen die Diadochen zu einen oder auch, ganz 1
Bharataväkyam. Adv. Hist. 68. 3 Ebd. 144; L. de La Vallee Poussin, Dynasties et Histoire de l'Inde depuis Kanishka jusqu'aux invasions musulmanes, Paris 1935, 30. 4 S. u. I I C 5: Devlcandragupta, Konow 71 usw. 6 In tapovana (Asketenhain) ähnlich Sarvärthasiddhi. Sollte darin eine Anspielung auf moksha, Erlösung, das vierte der menschlichen Ziele, stecken? Auch Räkshasa hatte überlegt, ob er in den Asketenwald gehen sollte: 155, 8, Vers 131. 2
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Ein ähnlicher Abschluß üblicher A r t 1 findet sich im Mrcchakatika, eingeleitet durch die Frage des Sarvilaka, die der obigen von Cänakya entspricht, und von Cärudatta mit drei Strophen beantwortet: 1. alle meine Ziele sind erreicht, 2. die Wege des Schicksals sind unberechenbar und 3. die Erde möge gedeihen. Räkshasa bleibt bis zum Ende des Dramas der Fatalist, der er von Anfang an war, und sein nur für sich gedachter Vers zeigt keine Begeisterung für die ihm neu übertragene Sache. Er spricht dann aber den entscheidenden Gedanken aus, daß Indien von Barbaren bedroht war und von Candragupta gerettet ist. Parvata war ein König aus den Bergen, ein Barbar, und fünf Barbarenfürsten waren seine Beschützer. Candragupta Maurya aber war historisch der Hindukönig, der Nordindien gegen Alexander und seine ersten Nachfolger geeinigt hat 2 . Zugleich ist Candragupta der Name des Begründers der Guptadynastie, der vermutlich ebenfalls ein nationalindischer König war, der auf lange Zeiten der Fremdherrschaft der Saka, Kushan usw. folgte 3 , und unser Drama gehört vermutlich zu den Werken, die eine Art Anknüpfung der Guptadynastie an das Mauryatum darstellen. Durch diese letzten Worte sollte vielleicht auch Candragupta I., der Begründer der Guptadynastie, geehrt werden, wenn nämlich das Drama zur Zeit seines zweiten Nachfolgers Candraguptas II. entstand, wofür sich immer mehr Indologen ausgesprochen haben 4 .
Rückblick auf die Hauptgestalten des Dramas nach den indischen Moralbegriffen artha, dharma and käma Die führende Gestalt des Dramas ist Cänakya. Er ist die legendenumwobene Figur der altindischen Tradition, der Verfasser des alten Staatslehrbuches. Der Dichter hat ihn der Tradition gemäß als den skrupellosen, schlauen Politiker hingestellt, als den Typ des geradezu macchiavellistischen Diplomaten, als den Verfechter des artha, des praktischen Gewinnes im Leben, insbesondere in der Politik. Er ist weiter der Gelehrte, der humane Lehrer seines ihm als Türhüter usw. dienenden Schülers, und zugleich der gewissenhafte, treue Lehrer und Leiter des jungen Königs Candragupta. Er ist tüchtig und zugleich großsprecherisch. Er ist abergläubisch, aber nicht fromm, sondern bewußt antifatalistisch. Er wird aus seinem brahmanischen Gelehrtenleben durch eine Beleidigung des Nanda herausgerissen und gerät damit für kurze Zeit in die ganz große Politik Nordindiens hinein. Er nimmt an ihr, da er nun einmal der gelehrte Staatswissenschaftler ist, mit außergewöhnlichem Erfolg teil und zieht sich dann wieder in seine Beschaulichkeit 5 zurück. Er ist also kein eigentlicher Minister, kein praktischer Berufsdiplomat, sondern ein Gelehrter vom Brahmanenstand, leicht reizbar, heftig aufbrausend, und nur aus seinem Grimm zeitweilig politisch aktiv. Aber er hat nicht etwa das große politische Ziel, Nordindien gegen die Diadochen zu einen oder auch, ganz 1
Bharataväkyam. Adv. Hist. 68. 3 Ebd. 144; L. de La Vallee Poussin, Dynasties et Histoire de l'Inde depuis Kanishka jusqu'aux invasions musulmanes, Paris 1935, 30. 4 S. u. I I C 5: Devlcandragupta, Konow 71 usw. 6 In tapovana (Asketenhain) ähnlich Sarvärthasiddhi. Sollte darin eine Anspielung auf moksha, Erlösung, das vierte der menschlichen Ziele, stecken? Auch Räkshasa hatte überlegt, ob er in den Asketenwald gehen sollte: 155, 8, Vers 131. 2
Der Sinn des D r a m a s „ D a s Siegel u n d R ä k s h a s a "
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abgesehen von den fremden Eroberern eines Teiles Indiens, das Ziel, ein Großreich, das Magadha eines cakravartin, eines „Weltherrschers" zu schaffen, sondern er ist ein gewaltig zürnender Brahmane, der sich in Candragupta einen Rächer sucht und ihm dafür ein Königreich verspricht. Er ist also ein Brahmane, Gelehrter und Egoist, unfromm-antifatalistisch, skrupellos in seiner politischen Moral und unbeherrscht aufbrausend, wenn auch wiederum sich notfalls bewundernswert schnell beherrschend. Er ist der typische gefürchtete Brahmane, den die indische Brahmanenschaft in der mythologischen Gestalt des Durväsas 1 immer wieder auftreten ließ, der reizbare Brahmane, den das Volk und die Herrscher mit Demut und Furcht zu behandeln haben, dessen Fluch sie fürchten müssen, in diesem Drama insbesondere als Politiker dargestellt. Neben diesem Vertreter des artha steht sein junger König und Schüler, Candragupta. Er ist am artha, an der Politik, am praktischen Erfolg, am Regieren sehr wenig beteiligt; das überläßt er seinem Lehrer. Gewiß ist er bereit, als Feldherr für seine Sache in die Schlacht zu ziehen, und bedauert es ein wenig, daß sein Lehrer ihm das Kämpfen unnötig macht. Aber auch in diesem Falle beruhigt er sich schnell in seiner untergeordneten Rolle und verzichtet auf politische Betätigung. Er ist dagegen pietätvoll sogar gegen seinen Gegner Parvata und vollzieht für ihn die Totenriten. Er sorgt für die Einhaltung der üblichen religiösen Feste, wie das Mondfest des I I I . Aktes. Und er ist, wie alle frommen Hindu, ein gläubiger Fatalist, trotz der gegenteiligen Ansicht seines Lehrers. Er ist also ein Mann des dharma, des Rechts (so unvollkommen auch diese Übersetzung des Wortes dharma ist) und der Frömmigkeit. Beim religiösen Fest erwartet er aber auch, die Liebesfreuden der Städter zu sehen, ihre Hemmungslosigkeit. Und Cänakya meint gerade in bezug auf ihn, daß ein König nicht ohne Lust leben und seine Herrschaft genießen solle. Der Dichter hat neben den König nur eine Türhüterin und keine Königin oder Geliebte gestellt; immerhin hat er in seiner zurückhaltenden Weise den König auch als Typ des Genießers, als Mann des käma, hinzustellen gesucht, freilich als einen, der sich als ergebener Schüler seines politischen Lehrers 2 aufs äußerste zu beherrschen weiß. Dem Candragupta steht Malayaketu gegenüber als der Typ des unbeherrschten Prinzen, als der Barbar, dessen Vater sich von dem Giftmädchen des Räkshasa verführen ließ, der es (auf die Einzelheiten geht der in erotischen Dingen schweigsame Dichter nicht ein, aber s. u. Mahädeva usw.) aus Gier (käma) ergriff, ehe es Candragupta, dem es zugeführt wurde, berühren konnte. Malayaketu aber schiebt im Gegensatz zu Candragupta die Totenriten für seinen Vater immer weiter hinaus. Er ist also ein Mann des käma (der Gier), unfromm-pietätlos (ohne dharma) und politisch töricht (ohne artha). Neben ihm steht Räkshasa. Er ist der betonte Fatalist, der auch das Schlußgebet spricht. Er ist der ausgesprochen Mitleidige, wie er dem scheinbaren Selbstmörder begegnet. Er opfert sich für seinen Freund, den Goldschmied; wie dieser Goldschmied sich für Räkshasa opfert und deswegen mit dem frommen Sibi, dem Ideal der Selbstlosigkeit, verglichen wird, so kann auch Räkshasa als ein moderner Sibi gelten. Seine Frömmigkeit und Rechtlichkeit, sein dharma, ist also vielseitig hervorgehoben. 1 2
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Zu D u r v ä s a s vgl. R ü b e n 1954a 119. Vgl. K a u t . 3 : Sinnesbeherrschung.
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Der Dichter deutet bei ihm auch etwas von Liebe (käma), und zwar Familienleben an. Räkshasa läßt seine Frau und seinen Sohn, also das Teuerste, was er hat, in der Stadt des Feindes, damit das Volk an seine Rückkehr glaubt; er sorgt sich später im Verlaufe der Handlung freilich mit keinem Wort um sie. Das war also das Ideal der Familienliebe, wie es der Dichter meinte: Der Politiker und Diener seines Fürsten ist bereit, auch seine Familie zu opfern. Aber nicht, daß er sie nicht liebte; er ließ seiner Frau ja seinen Ring zum Trost (wie Dushyanta seinen Ring der Sakuntalä ließ). Räkshasa ist schließlich auch der Mann des artha, wenigstens preist Cänakya ihn von Anfang bis Ende als den großen Staatsmann, der allein die Politik des Großreiches Magadha lenken kann, der ihm das Leben durch seine Anschläge schwer gemacht hat und der in Zukunft dem Reich Kriege ersparen wird. Räkshasa steht also dem Cänakya nach der Absicht des Dichters als der bessere gegenüber, als der allseitige, alle drei menschlichen Ziele, artha, dharma, und käma berücksichtigende Politiker und Mensch, während Cänakya nur Vertreter des artha ist, ohne Liebe, ohne Familie und ohne Religion, Mitleid, Fatalismus, Selbstaufopferung oder bedingungslose Sittlichkeit. Die übrigen Gestalten des Dramas handeln nicht „unabhängig", sondern sind Agenten ihrer Herren. Dies gilt auch von Candanadäsa, dem Goldschmied, der einzigen „bürgerlichen" Figur des Dramas, die mit großer Liebe als liebender Familienvater und treuer, zuverlässiger Freund des Ministers neben Räkshasa gestellt ist. Bei Bhäguräyana, Siddhärthaka usw. reizte den Dichter das Problem des Fürstendieners, den er in ihnen in verschiedenen Typen dargestellt hat, gebildet und ungebildet, skrupellos und unter Gewissensbissen leidend, unbedingt treu und zweifelnd, geschickt und ungeschickt. Sind aber dem Dichter diese seine Gestalten wirklich gelungen ? Räkshasas politische Intelligenz (buddhi) wird gepriesen, aber sie bewährt sich nicht, kann sich nicht bewähren, da er dem Cänakya unterliegen muß; alle seine Anschläge gehen fehl. Räkshasas Tapferkeit (paurusha) wird gepriesen, aber auch sie bewährt sich nicht; im II. Akt wirkt sie geradezu ein wenig komisch, wenn auch rührend; und seine Tollkühnheit in den beiden letzten Akten ist gar keine Tapferkeit, sondern ist eine Torheit, provoziert und abgestellt durch Cänakya und dementsprechend auch ohne Erfolg. Räkshasas betonte Treue (bhakti) zu seinem Nanda ist schließlich im Grunde höchst zweifelhaft; er muß sich vorwerfen lassen, daß er die Sache Magadhas an Barbaren verraten hat. Er geht vom Nanda zu Parvata und dann zu Malayaketu über, ohne diesem sein Wort zu halten und läßt sich am Ende zum Dienst bei seinem Feinde Candragupta erpressen 1 . Ist Candragupta dem Dichter gelungen? Zumindest hat sein Candragupta mit dem der Geschichte, mit dem siegreichen Feldherrn und Usurpator gar nichts mehr gemein. Aber auch ohne Rücksicht auf die Geschichte, die der Dichter nicht mehr kannte, nicht entfernt so gut wie wir heute, ist dieser ergebene Schüler des Brahmanen auf dem Thron höchst unglaubwürdig. Unter den altindischen Despoten hat es Lüstlinge gegeben, die auf die Regierung verzichteten, aber auch Schwächlinge, die sich aus der Politik zurückhielten; vielleicht sogar Einsichtige, die das Regieren 1
Vgl. Hemacandra V I I (s. u. I I B): Nanda erpreßte Kalpaka, daß er sein Minister wurde.
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lieber weitgehend tüchtigen Ministern überließen, nämlich solchen, die die Interessen des Despoten mit Geschick vertraten. Aber derartig sich aus Klugheit unterordnende, uneigennützig Große wie dieser Candragupta müssen erst einmal historisch belegt sein, ehe man diesen Typ gläubig hinnehmen kann. Und Cänakya? Außer Legenden wissen wir so gut wie nichts von seinem Leben. Sein Staatslehrbuch — falls es wirklich sein Werk ist — zeigt ihn als ein Genie mit allumfassendem Wissen und klugem Urteil, soweit es der damalige Despotismus zuließ. Der Tradition nach leitete er die Regierung bis zur Geburt des Enkels Candraguptas. Der kurzweilig aufleuchtende Komet, wie ihn Visäkhadatta hinstellt, ist also allem Anschein nach dessen Erfindung und unglaubhaft, eben eine Verkörperung des Durväsas-Typus, kein lebender Mensch. Man kann also die Gestalten des Dramas nur als Typen, als bewußt konstruiert auffassen. Der Dichter war eine Art Gelehrter, ein Dramatiker, der sich den Aufbau jeden Aktes sehr genau überlegte, der den Dichter, Politiker und Logiker in Parallele stellte. Er hat nicht als Realist lebendige Menschen, nicht als Historiker überlieferte Gestalten der Geschichte dramatisch verwendet, sondern er wollte im Interesse seines ererbten Politikerstandes das Ideal eines allseitig vollendeten Ministers, des Räkshasa, dem einseitig praktischen und unfrommen Typ des Cänakya gegenüberstellen und seinem idealen Minister den idealen ergebenen König an die Seite geben. Die Gestalten des Dramas sind also so kunstvoll und systematisch geschaffen wie die einzelnen Akte. Die Politik, die der Dramatiker darstellt, ist eine aus dem Lehrbuch erlernte Intrigenpolitik „Großer Männer"; sie ist nicht aus dem Leben, aus der altindischen Geschichte oder aus der feudalistischen Gegenwart des Dichters entnommen. Sie spiegelt die indische Wirklichkeit nicht richtig wider, sondern verzerrt, einseitig mit den Augen des Gelehrten gesehen, der die damals allgemein übliche Irrlehre der „Großen Männer", der idealen, schlauen und zugleich frommen Minister und der zugleich klugen und ergebenen, überaus bescheidenen Könige vertrat. Visäkhadattas Drama ist ein ungemein sorgfältig gebautes Tendenzstück. Der Dichter hat es dabei dank seiner Intelligenz, seines Fleißes und seiner Sprachkraft verstanden, ein spannendes Drama zu schreiben, das durch die Jahrhunderte hindurch großen Anklang gefunden hat. Diese Typen von politischen Personen gefielen dem gebildeten Publikum; der Dichter hat offenbar ausgesprochen, was gewisse hohe und einflußreiche Kreise des mittelalterlichen Indien für recht hielten. Leider können wir diese Kreise einstweilen noch nicht genauer bezeichnen. Den Frieden erhalten, selbstlosen Kaufleuten in Freundschaft helfen, die Despoten in ihrer Macht einschränken, die Politik den großen Fachleuten überlassen, als Politiker edle, aufopferungsbereite, treue Männer einsetzen, beleidigten Brahmanen gegen ungebildete Despoten zur Rache verhelfen, selbst durch Sturz solcher Despoten und unter Einsetzung verständiger Usurpatoren niederen Standes — das gefiel vielen Indern, und das in ihrem hoffnungslosen Despotismus mit Recht. Heutigen Ansprüchen kann diese politische Lehre freilich nicht mehr genügen; seinerzeit aber hat das Drama jahrhundertelang in Nord- und Südindien eine bedeutende Rolle in Kreisen der Gebildeten gespielt; volkstümlich ist es aber seinem Wesen nach nicht.
II. Abhandlung über das Drama und seine Geschichte Um die Leistung des Dichters würdigen und seine dichterische Absicht besser verstehen zu lernen, ist es notwendig, folgende mit einander zusammenhängende Fragen mehr oder wenig ausführlich zu behandeln: Was ist am Ende des 4. Jahrhunderts in Nordindien beim Beginn der Mauryadynastie wirklich geschehen? Was wurde zur weit späteren Zeit des Dichters darüber erzählt ? Wie hat der Dichter die auf ihn gekommene Tradition behandelt? Wie wurde das Drama bis heute behandelt ? So mangelhaft auch einstweilen das betreffende historische und literarische Material ist, das uns vorliegt, muß man eine Beantwortung dieser Fragen versuchen.
A. Die Dynastien der Nanda und Maurya An einigermaßen historischen Quellen kommen für uns 1. griechisch-römische und 2. indische in Betracht. Diodor und Curtius Rufus1 schöpften in der ersten und zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts u. Z. ungefähr dieselben Nachrichten aus den uns verlorengegangenen Alexanderhistorikern und berichteten, daß Alexander im Jahre 326 v. u. Z. im P a n j a b erfuhr, daß im Gangestal die „östlichen" wohnten, ein mächtiger Staat unter einem König Xandrames (Diodor) 2 oder Agrammes 3 (Curtius). Sein gewaltiges Heer umfaßte 200000 Fußsoldaten, 20000 Reiter, 2000 Kriegswagen und 3000 Elefanten (4000: Diodor). Er war indessen verachtet, weil sein Vater ein Barbier 4 gewesen sein soll; durch die Gunst der Königin hochgekommen, ermordete der Barbier seinen König und dessen Thronerben; sein Sohn, der damalige König, aber schlug nach seinem niedriggeborenen Vater und war im Volk unbeliebt. Plutarch5 wiederholte diese Nachrichten um das J a h r 100 u. Z. in teilweise etwas kürzerer Form: Der König war wegen seiner niedrigen Herkunft und seines schlechten Charakters verachtet und wäre für Alexander deswegen leicht zu besiegen gewesen. Seine Fußsoldaten waren 200000, seine Reiter 80000, seine Kriegswagen 8000 und seine Kriegselefanten 6000. Plutarch berichtet weiter, Andrakottos (Candragupta) sei in seiner Jugend in Alexanders Heerlager gewesen und hätte dort obige Äußerung getan, daß Alexander jenen östlichen König hätte leicht besiegen können. 1
Diodor X V I I , 93; Rufus I X , 2; Lassen II, 210f., McCrindle 221f„ 281f.; Breioer 248; Raghavan 7 8 f. 2 Xandrames klingt nach indisch Candramäs, Mond; aber Lassen II, 211 Anm. 1 lehnt dies ab; es muß ein Name Mahäpadmas oder Dhananandas sein. 3 Agrammes erläuterte Lassen II, 210 Anm. 2 als agrima, an der Spitze stehend. 4 S. u. B 5, S. 165 Anm. 7: Hemacandra. 5 Plutarch, Leben Alexanders 62; Lassen a. a. O.; Raghavan 79; McCrindle 310.
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Im 3. J a h r h u n d e r t u. Z. erzählte Justinus1 weit ausführlicher: Sandracottus, von niederer H e r k u n f t , habe einst König N a n d r u s 2 beleidigt, sei zum Tode verurteilt, entflohen, und auf der Flucht habe er sich u n t e r einem Baum zum Schlafen gelegt. Da habe ein riesiger Löwe ihm den Schweiß abgeleckt. Dies galt als Omen, d a ß er König werden würde. Mit R ä u b e r n stürzte er die bestehende Regierung. Nach Alexanders Tode habe er dann den Aufstand der Inder gegen die Griechen geleitet, und wieder habe ein wunderbarer Elefant ihm geholfen. Der Befreier des Volkes wurde aber später zum Despoten. Etwas jünger als J u s t i n d ü r f t e das Vishnupuräna3 sein, das als erstes P u r ä n a die alten epischen S t a m m b ä u m e bis in historische Zeiten fortsetzt, d. h. bis zum Anfang der Gupta. Auf die Sisunäga-Dynastie von Magadha folgte die der N a n d a . Der letzte Sisunäga war Mahänandi; dessen Sohn, Mahäpadma, der erste Nanda, wurde von einer Südra-Frau geboren. Geizigen Charakters, h a t er die Kshatriya ausgerottet, wie Parasuräma. Mit den N a n d a k a m e n die Kshatriya zu ihrem Ende. Von da an waren die Könige Südra, unrechtlich. Mahäpadma wurde H e r r der ganzen Erde. Er h a t t e acht Söhne, Sumälya usw., die nach ihm regierten. Diese Nava-Nanda wurden durch einen Brahmanen K a u t i l y a ausgerottet, der den Candragupta zum König machte, so d a ß von da an die Maurya regierten. Alexander k o m m t hier nicht vor, umgekehrt K a u t a l y a nicht bei Griechen und Römern. Im Bhägavata-Puräna X I I , 1, l f f . wird dies fast wörtlich wiederholt 4 . I m Manjusrimülakalpa 5 , einem noch kaum verständlich gemachten buddhistischen Text, der etwa u m 800 u. Z. verfaßt zu sein scheint, folgt auf einen König Sürasena (den man mit Virasena des Täranätha, Bhadrasena der birmesischen Buddhisten und Mahänandi des Vishnupuräna gleichgesetzt h a t ) 6 N a n d a (der also Mahäpadma N a n d a wäre). Er h a t t e ein großes Heer. Durch Magie gewann er die Hilfe eines Dämons 7 . I m Volk galt er als „ H a u p t der Niedrigen" 8 . E r war ursprünglich Minister und wurde König. Zu seiner Zeit gab es argumentierende Brahmanen, die nach Erfolg gierten, in Magadhas H a u p t s t a d t . Von diesen Eingebildeten 9 war der König umgeben; ihnen gab er Geld . . . Damals lebte Vararuci 1 0 , der überaus Liebende. Der 1 Lassen II, 207f.; McCrindle 327f.; Bhargava 121 f.; Breioer 240. — Diesen seit Wilson 27 ff. herangezogenen Stellen der Alten fügte Breioer 248 ff. aus „Apollonius von Tyana I, 31" Nachrichten, die er aus Megasthenes übernommen haben soll, über Candragupta hinzu, „und zwar ohne Nennung des Sandrakottus". Er verschweigt hier, daß es sich um Nachrichten über den König Phraotes von Taxila handelt. Zwei Jahre vorher hatte Breioer in ZDMG 93, 1939, 289 ff. Phraotes genannt und ehrlich angemerkt, daß die Vermutung, Philostratos habe in seinem Leben des Apollonius von Tyana I I (nicht I, wie oben angegeben), 30ff. auf Phraotes übertragen, was Megasthenes von Sandrakottos erzählt habe, durch weitere Untersuchungen erst zu erweisen ist (293). 2 Allgemein angenommene Konjektur Gutschmidts statt Alexandrus. 3 Zitiert von Dhu. (ed. Telang S. 15); vgl. Wilson 14f.; Turnour L X X I X ; Raghavan 64; Pargiter. 4 Wilson 14; Turnour L X X I X . 6 Jayaswal; Raghavan 72. • Jayaswal 14. 7 S.u. B 2: Avantisundarlkathä; vgl. Kathäs.5, 45ff.: V a r a r u c i s D ä m o n ( s . u . S. 156 Anm. 4). 8 S. o. Diodor usw. 9 So urteilt der Buddhist über Brahmanen. 10 S . u . Kathäs. 2, 30fE.
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König aber machte sich den Ministern 1 verhaßt. Dann wurde er sehr krank und starb. Ein anderer seiner Freunde war Pänini 2 . Auf ihn folgte Candragupta und Bindusära. Dessen Minister war Cänakya, der durch seinen Zorn berüchtigte Brahmane, der in der Gewalt seines Zornes die Menschen ihres Lebens beraubte und drei Regierungen hindurch Böses t a t 3 . Neben solchen literarischen Quellen gibt es leider keine Inschriften dieser Könige. Aber es gibt einen Versuch, ihnen gewisse Münzen zuzuweisen 4 . Damals kannte man in Indien noch keine Münzen mit Namensinschriften, wohl aber mit allerhand eingestanzten Symbolen, deren Sinn freilich einstweilen nur recht zweifelhaft gedeutet werden kann. Vergleicht man diese griechischen und indischen Nachrichten, so ist sicher, daß Candragupta-Sandrakottos auf Mahäpadma-Xandrames folgte, daß letzterer unbeliebt und niedriger Herkunft war und daß er ein großes Heer und ein großes Reich hatte, das vermutlich das mittlere Gangestal umfaßte. Man kann noch darauf verweisen, daß Kautalya selber im Schlußvers seines Staatslehrbuches betont, daß er dies Buch verfaßt habe, der die Staatswissenschaft und das Schwert und die den Nanda gehörende Erde mit Zorn in kurzer Zeit herausgezogen habe 5 . Er meint offenbar, daß er den Nanda die Herrschaft entrissen, dazu kriegerisch das Schwert gezückt und die Staatslehre aus dem Zustand der Verwirrung, der durch die Polemik der Interpreten entstanden war, gerissen habe. Kämandaki, der späte Nachahmer Kautilyas, hat in der Einleitung seines Nitisära Kautilva gepriesen 6 , daß er durch seinen Zauber 7 wie durch einen Donnerkeil den schöngipfligen Berg der Nanda von der Wurzel aus umstürzte und, ganz alleine wirkend, durch die Macht seines Rates dem Candragupta die Erde brachte. Im Milindapanha endlich wird auf die große Schlacht zwischen den Nanda und ihrem Heerführer Bhadrasäla einerseits, Candragupta und Cänakya andererseits hingewiesen. In jener Schlacht gingen viele Menschen zugrunde 8 . Dies sind einige uns erhaltene spärliche Reste mehr oder weniger historischer Traditionen, die es von jenen wichtigen Ereignissen im indischen und griechischrömischen Altertum gab. 1
S. u. Brhatkathä (B 1) über Sakatäla. S. u. Kathäs. 4, 20ff. (B 1: Brhatkathä). 3 Vers 455, d. h. Mahäpadma, Candragupta und Bindusära? Nach Täranäthas Geschichte des Buddhismus war er der Minister Candraguptas und Bindusäras (V. Smith, Oxford History of India, Oxford 1928, 75). Dies widerspricht dem Mudräräkshasa. 4 D. D. Kosambi, Chronological Order of the Punch-marked Coins I, J. Bombay Branch R A S N S 2 4 - 2 5 , 1 9 4 8 - 1 9 4 9 , 33ff. s Winternitz 111,520 zitiert H. Jacobi, SBAW 1912, 877f.; Konow 1945, 3. - sastra und sästra sind auch in Mbh. X I I , 107,21, Hitopadesa Einl. Vers 6 und Ravinartaka (s. u. D 3) Vers 16 zusammengestellt. 6 Zitiert von Dhu. (ed. Telang S. 15); Wilson 4 leugnet dies irrtümlich gegen Wilford. 7 S. o. Mudrä. 111, 7; s. u. C 1 Abschnitt e S. 173 Anm. 11. 8 Raghavan 72 nach SBE X X X V I , 147 f. 2
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B. Legenden über den Sturz der Nanda 1. D i e B r h a t k a t h ä 1 ( S o m a d e v a u n d
Kshemendra)
Die B r h a t k a t h ä soll die Quelle f ü r Visäkhadattas Drama gewesen sein 2 , gibt Dhanika an, der gegen Ende des 10. J a h r h u n d e r t s u. Z. in Mälva 3 seinen gelehrten K o m m e n t a r zum Dasarüpa, einem berühmten H a n d b u c h der Dramatik, schrieb. Ob diese Nachricht richtig ist, ist schwer zu prüfen. Die B r h a t k a t h ä , die uns nicht erhalten ist, soll etwa dem 3. J a h r h u n d e r t v. u. Z. angehören 4 , wäre also eine fast mit den Ereignissen Candraguptas gleichzeitige Quelle. I n zwei kaschmirischen der drei bisher aufgefundenen späten Bearbeitungen der B r h a t k a t h ä , in Somadevas Kathäsaritsägara u n d in Kshemendras Brhatkat h ä m a n j a r l , ist in der langen Einleitung die betreffende Geschichte des Grammatikers Vararuci u n d seiner Erlebnisse am Nandahofe bis auf Candragupta überliefert, nicht aber in der dritten, der nepalesischen. Aus diesem Befunde allein 5 ist über die Echtheit dieser Geschichte nichts zu erschließen. Die Einzelheiten der Geschichte sind bei Visäkhadatta bald in Übereinstimmung mit dieser, bald nicht. Zweifellos h a t der Dichter den ihm überkommenen Stoff (woher auch immer er ihn übernommen hat) weitgehend geändert. Auch dieser Vergleich beweist also nichts f ü r die Beziehung zwischen B r h a t k a t h ä und Mudräräkshasa. Ein Vers bei Somadeva 6 ähnelt einem des D r a m a s ; ein anderer Vers des Dramas 7 ist auch in der 48. Geschichte des Papageienbuches überliefert, die auf die Nanda-Geschichte der B r h a t k a t h ä zurückgehen könnte. Bei Visäkhadattas Anspielung auf den von Cänakya verwendeten Zauber zitiert der K o m m e n t a t o r Dhundhiräja zwei Verse angeblich aus der B r h a t k a t h ä 8 . Sie gleichen wörtlich den Versen des Kaschmirers Kshemendra in seiner Nacherzählung der B r h a t k a t h ä aus dem X I . J a h r h u n d e r t u. Z. I, 2, 216f.; aber daran, d a ß sie der B r h a t k a t h ä gehörten, m u ß man zweifeln, denn die B r h a t k a t h ä soll nicht in Sanskrit, sondern in Paisäci und in Prosa verfaßt gewesen sein. D h u n d h i r ä j a h a t beide Verse vermutlich von Dhanika (s. o.) entlehnt, der sie am Ende des ersten pariccheda dort zitiert, wo er die B r h a t k a t h ä als Quelle unseres Dramas angibt. Bei einem Nordinder wie Dhanika ist es verständlich, d a ß er diese kaschmirische Version der B r h a t k a t h ä zitiert, nicht bei dem Südinder Dhundhiräja. Freilich ist Dhanika 150 J a h r e älter als Kshemendra, so d a ß diese beiden Verse nachträglich in den T e x t des Dhanika eingeschoben sein können 9 . Andererseits k a n n ein Vers wie jener dem D r a m a und dem Papageienbuch gemeinsame s t a t t aus der B r h a t k a t h ä aus altindischer Spruchweisheit in beide Texte 1
Über Dhu. s. u. Anm. 8; Wilson 15ff.; Turnour L X X I X f . ; Bhargava 119 ff.; Raghavan
64 ff. 2
Bhargava 27; Konow 71 bezweifelt dies nach Dhruva X I X f . Bhatt 192; Renou § 1581. 4 Renou § 1821; Rüben 1954b, 197f. 5 Aber s . u . B 2: Avantisundarlkathä. 6 Kathäs. 5, 2 ähnlich Mudrä. 166, 2; fehlt nach Kshemendra I, 2, 127; aber auch ähnlich Pancatantra III, Vers 183, also vielleicht sprichwörtlich zu verstehen. ' Mudrä. I, Vers 14. 8 Dhu. ed. Telang S. 15. S. u. S. 173 Anm. 12. 9 Dhruva X I X f . ; dies braucht aber nicht auch für die Angabe, die Brhatkathä sei die Quelle des Mudrä, zu gelten. 3
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gelangt sein. Er ist im Papageienbuch auf den Nandaminister Sakatäla, im Drama auf Räkshasa bezogen; Räkshasa ist aber wohl erst von Visäkhadatta an Sakatälas Stelle gerückt worden (s. u.). Dhanikas Behauptung läßt sich also einstweilen weder beweisen noch widerlegen. Da aber Visäkhadatta eine Geschichte vorsaussetzt, die weit mehr enthielt als die oben angeführten historischen Quellen berichten, und da wir keine Form der Geschichte kennen, die sicher älter als das Drama Visäkhadattas wäre, so mag uns vorläufig die späte, etwa dem X.—XI. Jahrhundert u. Z. zuzuweisende, sich aus den bei Somadeva und Kshemendra zu findenden Gemeinsamkeiten ergebende kaschmirische Geschichte als Ersatz der noch nicht wieder aufgefundenen, über ein Jahrtausend älteren der Brhatkathä, dienen: Vararuci 1 lebte nach dem frühen Tode seines Vaters aus der Familie der Kätyäyana mit seiner Mutter in Kausämbi. Einst wollten zwei Brahmanen bei ihnen übernachten. Da verkündeten Trommeln eine Tanzaufführung. Vararuci ging zuschauen und versprach seiner Mutter, ihr die Vorführung samt Text zu wiederholen, und die Mutter erklärte den beiden Brahmanen, er könne einmal Gehörtes behalten 2 . (Somadeva 3 : Sie prüften das durch Vorsprechen einer ganzen Lehre der Phonetik und gingen zur Vorführung mit). Der eine, Vyädi, erzählte dann 4 , er und sein ihn begleitender Bruder Indradatta seien Vollwaisen, die einst den Lehrer Varsha in Pätaliputra (auf einen (Traum) befehl des K u m ä r a 5 hin) aufsuchen wollten (der im Volk als Tor galt, dessen Haus verfiel) 6 und dessen (verhärmte) Frau (während er in Trance dasaß) erzählte 7 , Varsha sei dumm und arm; er sei der ältere Bruder des klugen und reichen Upavarsha 8 ; dessen Frau habe ihm einst einen häßlichen Kuchen 9 gegeben, um sich damit von den üblen Folgen des Badens 1 Kathäs. 2, 30ff.; Kshem. I, 2, U f f . ; s. o. A : Manjusrlrriülakalpa. Vgl. Penzer. S . u . 2: Avant isundarikathä. 2 Motiv D 1910: Magic memory. 3 Somadeva ist der bessere und ausführlichere Erzähler; was bei Kshem. fehlt, steht im folgenden in Klammern; dies kann aber, wie die Avantisundarikathä andeutet, alt sein. * Kathäs. 2,41 ff.; Kshem. I, 2, 20ff.; Benfey I. 122ff.; über die Grammatiker. Winternitz III, 392; 410; Liebich, Zur Einführung in die einheimische Sprachwissenschaft; Renou § 1520ff.; Lüders, SBAW 1930, bzw. Philologica Indica, Güttingen 1940, 659ff.; Bhavishyapuräna III, 2,20—35 schreibt phantastisch über Vyädi, Pänini, Vararuci (drei Vettern aus Mathurä), die zu Candragupta nach Magadha gingen; Pänini wurde von den Schülern des Kanabhuj (Vaiseshika-Philosoph) besiegt, kasteite sich am Kedära (Olivas Heiligtum im Himalaya) und erhielt die Grammatik. — Bhimavarman vonUjjayinl wurde als Mahänandin von Magadha wiedergeboren und wurde Kätyäyanas Schüler. Durch dessen Lehre wurde er vom Öüdratum frei. — Patanjali, der Vishnuit, wurde von Kätyäyana, dem Verehrer der Devi, besiegt, ging zur Vindhyaväsini und erhielt von ihr Wissen, womit er Kätyäyana besiegte; er verfaßte das Mahäbhäshya und wurde durch die mäyä des Vishnu ein Langlebiger (cirajivin). — Noch so spät (im 18. Jh. u. Z.?) gab es also Trümmer der alten Grammatikertradition. 6 Skanda, Aiyanar, der als Lehrer der Grammatik galt. Vgl. Lüders, SBAW 1930, 536. 6 Arm, aber gelehrt wie etwa Raikva der Ch. Up. (H. Lüders, Philologica Indica, Göttingen 1940, 361ff.). 7 Kathäs. 2, 54ff.; Kshem. I, 2, 24ff. 8 Namen jüngerer Brüder begannen manchmal mit Upa-, vgl. Rüben 1943, 248. 9 Vgl. Penzer I, 13—15 über solche Kuchen.
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in Kälte (und Hitze) zu befreien. Deswegen habe sie mit ihrem Manne geschimpft; Varsha habe dann Kumära verehrt und von ihm alle Wissenschaften erhalten, aber mit der Auflage, sie nur einem mitzuteilen, der sie bei einmaligem Hören behielte. Vyädi bat nun Vararucis Mutter, daß sie ihnen diesen begabten Jüngling mitgäbe. (Ihr hatte einst eine himmlische Stimme geweissagt, d a ß alles so kommen würde). Die beiden Brahmanen gingen also mit Vararuci zu Varsha (und Vararuci behielt alles nach einmaligem, Vyädi nach zweimaligem und Indradatta nach dreimaligem Hören) Vararuci heiratete Varshas Tochter Upakosä 2 . (Die Zahl der Schüler Varshas aber wurde groß, und seine Frau schickte einen von ihnen, den) Pänini, der besonders dumm war, (fort 3 . Der ging in den Himalaya, büßte und) erhielt durch Sivas Gnade 4 eine neue Grammatik. (Er besiegte dann in einer siebentägigen Diskussion Vararuci) 5 , und so verdrängte Sivas Grammatik die des Indra. Vararuci ging nun ebenfalls in den Himalaya und, während daheim seiner Frau nachgestellt wurde, sie aber wunderbar treu blieb 6 , erhielt Vararuci von Siva die(selbe neue) Grammatik (und konnte die des Pänini vervollständigen. Er lehrte sie Varsha) 7 . Vyädi und Indradatta aber sollten ihrem Lehrer Varsha 10 8 Millionen Goldstücke als Lehrergeschenk geben und dachten deswegen an Nanda 9 , den Besitzer von 99 mal 10 Millionen 10 ; sie nahmen Vararuci mit und trafen den König (im Heerlager bei A y o d h y ä ) n . Gerade da starb Nanda. Indradatta aber ließ durch seine Yogakunst seine Seele in den Leib des Königs eingehen 12 . Vararuci bat nun den wiederbelebten Schein-Nanda um das Gold, und der ließ den Minister des Nanda, Sakatäla, zahlen. Dieser ahnte sofort etwas von der Wahrheit, (nahm den kleinen Sohn des Nanda, Candragupta, s. u., in seinen Schutz) und ließ alle Leichen verbrennen 1 3 , auch die des Indradatta. (Vyädi, der dem Indradatta seinen Leib nicht erhalten konnte, warnte dann den Schein-Nanda vor Sakatäla, der Candragupta als Nandasohn auf den Thron setzen wolle; der Schein-Nanda solle sich daher Vararuci als Minister 1
E s folgt in Kathäs. 3,4ff. und Kshem. I, 2, 37ff. die Geschichte der Gründung von Pätaliputra; vgl. Raghavan S. 1 der Notes. S. u. B 5 S. 165 Anm. 5: Hemacandra. 2 Kathäs. 4, Iii.; Kshem. I, 2, 69ff. 3 Kathäs. 4, 20ff.; Kshem. I, 2, 7 1 0 . ; s. o. A : Manjusrimülakalpa. 4 Motiv J 1116: Foolish person becomes clever. Vgl. die Kälidäsa-Legende bei Winternitz III, 41. 5 Umgekehrt bei Kshem. 6 Kathäs. 4, 29ff.; Kshem. I, 2, 75ff.: Geschichte der Upakosä; Penzer I, 42ff.; Handwörterbuch des Deutschen Märchens, hrsg. v. L. Mackensen, II, Berlin 1934—1940, 222 Anm. 25: Motiv K 1210ff., 1218, 1; Suk. 33. ' Kathäs. 4, 87ff.; Kshem. I, 2, 111 ab ganz kurz. 8 Kshem. I, 2,112: 14 mal 10 Millionen. 8 Vgl. Geschenk für Kautsa im Rghv. (Rüben 1948, 240f.); Tutiname 6: Derwisch zum indischen Kaiser. 10 Kathäs. 4, 95; Kshem. I, 2, 113; s . u . Mtidrä. 93, 1; Kommentar zu Kämandaki I, 4; Raghavan I l f . der Notes. S. u. S. 168 Anm. 2. 11 In der Stadt Pratishthäna: Kshem. I, 2, 114. 12 Motiv E 725; Penzer I, 37 Anm. 1. 13 Motiv E 721. 1. 2. 3. — Der Nanda sollte leben, bis Candragupta erwachsen sei.
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nehmen; und Vyädi brachte Varsha das Gold) 1 . Der Scheinnanda ließ Sakatäla samt seinen 100 Söhnen in einen ausgetrockneten Brunnen werfen (weil er einen noch lebenden Brahmanen, Indradatta, verbrannt habe) und ließ ihnen täglich nur einen Topf (Grütze und einen mit Wasser) reichen. Die Söhne überließen alles Essen dem Vater als ihrem Rächer und starben dahin. (Der König aber zog mit Vararuci in seine Hauptstadt.) Der Schein-Nanda geriet mit der Zeit in die Gewalt der Lüste, und Vararuci holte sich Sakatäla als Helfer im Ministeramt aus dem Brunnen 2 . Die Eifersucht und Bosheit des Schein-Nanda wandte sich einmal sogar gegen den klugen und treuen Vararuci, der auf dem Porträt einer der Königinnen ein Muttermal in der Gegend des Gürtels ergänzte, das er kraft seiner Intuition „erschaut" hatte 3 . Der König befahl Sakatäla, Vararuci zu töten, der aber verbarg ihn in seinem Hause, weil er ihn nicht zu töten vermochte, (aus Dank und um ihn sich zu verpflichten). Vararuci zeigte dem Sakatäla damals einen Dämon 4 , der in seiner Gewalt stand und dem Sakatäla unmöglich gemacht hätte, ihn zu töten. Dieser Dämon 5 fraß jede Nacht einen Stadtwächter, und Nanda beauftragte Vararuci, die Städter zu schützen. Vararuci traf so den Dämon, der fragte ihn, welche Frau der Stadt sehr schön sei, und Vararuci entgegnete lachend: Dem Liebenden erscheint jeweils seine Geliebte als die schönste. Daraufhin gab sich der Dämon zufrieden und wurde sein Freund 6 . Der Schein-Nanda hatte einen Sohn Hiranyagupta 7 . Dieser übernachtete einst auf der Jagd auf einem Baum. Ein Bär flüchtete zu ihm, von einem Löwen verfolgt 8 . Der Prinz schlief ein, der Löwe forderte von dem Bär, er solle ihm den Prinzen herabwerfen, der aber behütete ihn. Dann schlief der Bär ein, der Prinz aber warf ihn dem Löwen hinunter. Der Bär verfluchte den Prinzen, er solle wahnsinnig werden. Der Schein-Nanda erinnerte sich der Klugheit Vararucis. Sakatäla brachte ihn vor den König, Vararuci erkannte sofort durch seine Intuition die Ursache der Krankheit in des Prinzen Betrug an seinem Freund 9 , dem Bären. Der Prinz wurde gesund, Vararuci ging heim und fand seine Frau und seine Mutter tot. Er zog sich in einen Büßerhain zurück. 1
V y ä d i wird bei K s h e m . I, 2, 128 später Asket. K a t h ä s . 5, l f f . ; K s h e m . I , 2, 127ff.; s. u. B 4: ä u k a s a p t a t i ; vgl. Suk. 9. - E s folgt die Geschichte der Zeichensprache: K a t h ä s . 5, 8ff.; K s h e m . I, 2, 132ff.; s. u. H e m a c a n d r a V I I über K a l p a k a ; vgl. Vierzig Vezire (Penzer V I , 249). — E s f o l g t : Fisch lacht ü b e r F r a u : K a t h ä s . 5, 19ff.; K s h e m . I , 2, 137ff.; Motiv D 1281, N 456, K 1321. 3 K a t h ä s . 5, 28ff.; K s h e m . I, 2, 155ff.; zur I n t u i t i o n (pratibhä) vgl. R ü b e n , Die Theorien der I n d e r über das dichterische Schaffen, OLZ X X X I I , 1929, 618 ff. 4 S. o. S. 151 A n m . 7: N a n d a s D ä m o n . 6 K a t h ä s . 5, 49ff.; K s h e m . I , 2, 184ff. Vgl. J ä t a k a 535: Paris-Urteil, Mbh. I I I , 312 u n d 178ff. (Penzer I, 151n), X I I I , 124. ¡3uk. 30: zwei D ä m o n e n fragen Müladeva. Motiv H 543. D a s a k u m . 215: D ä m o n f r a g t : R ü b e n 1952a, 56. 6 E s folgt die Geschichte eines v e r l e u m d e t e n , verurteilten u n d g e r e t t e t e n Ministers: K a t h ä s . 5, 59 ff.; K s h e m . I, 2, 167 ff. ' K a t h ä s . 5, 79ff,; K s h e m . I, 2, 191ff.; Penzer I, 54 A n m . 1. 8 Vgl. Motiv J 685. 1: Mann, B ä r u n d Löwe in B r u n n e n ; B 447: B ä r h i l f t . 9 m i t r a d r o h a . Vgl. U n d a n k b a r e r Mensch: H a n d w ö r t e r b u c h a. a. O. I, 374; vgl. B e n f e y , I, 208f.: Ähnliche buddhistische Geschichte n a c h Schiefner, usw.; zum B ä r vgl. R ü b e n 1939, 260 f. 2
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Sakatäla 1 aber (sann auf den Tod Nandas. Er) sah einst Cänakya die Erde aufgraben, um Graswurzeln auszuroden, weil das Gras seinen Fuß verletzt hatte. Dieser zornige und erbarmungslose Brahmane 2 erschien ihm für seine Zwecke geeignet. Er lud ihn zu einem Totenritus 3 in den Nandapalast ein (er sollte dort an der Spitze der anderen speisen. Der Nanda war damit einverstanden. Cänakya setzte sich demgemäß auf den ersten Platz, aber der Brahmane Subandhu 4 beanspruchte ihn für sich. Sakatäla benachrichtigte den König 5 , der entschied für Subandhu 6 .) Cänakya löste seine Haarflechte (und schwur, in sieben Tagen den Nanda zu schlagen.) Sakatäla führte ihn heimlich in sein Haus, dort schuf Cänakya eine Zaubergestalt 7 , die den Nanda (mit Fieber) 8 tötete. (Sakatäla tötete dann Hiranyagupta und) machte Candragupta zum König 9 . (Er machte Cänakya zu seinem Minister) und zog ins Dschungel. Vergleicht man diese Erzählung mit den mehr historischen Quellen, so ist nicht viel Gemeinsames nachzuweisen. Der Schein-Nanda jammert einmal, daß er, der doch eigentlich der Brahmane Indradatta ist, zum Südra geworden ist 10 . Die Nanda gelten hier eben wie im Puräna als Südra. Von Alexander und den Griechen ist aber keine Rede mehr. Candragupta kämpft nicht mehr. Er wird von Sakatäla (oder Cänakya) zum König gemacht. Sakatäla, der Minister, ist im Grunde die Hauptgestalt geworden; er durchschaut den Betrug, die Unterschiebung des falschen Nanda, und bringt den erbberechtigten Prinzen Candragupta zur Macht. Von dem großen Heer der Nanda ist nicht mehr die Rede, statt dessen von ihrem großen Schatz. Ein großes stehendes Heer war ja nur bei einem beträchtlichen Schatz, bei geregeltem Staatshaushalt möglich, und was Kautalya in seinem Staatslehrbuch in dieser Hinsicht — und in vielen anderen! — schildert, ist vermutlich Widerspiegelung des Nandastaates. Cänakya tritt hier (wie im Puräna) auf, aber nur als Zauberer, der dann Minister wird. Er wird von Sakatäla als sein Werkzeug benutzt und in die Intrige eingeführt. Sakatälas Verhältnis zu Cänakya und Vararuci bildet das eine Hauptproblem der Erzählung. Das andere bildet der König. Hier ist nicht von einer Usurpation durch den Nanda (also durch Mahäpadma oder seinen Vater) die Rede, sondern eher von einem König Nanda, der eine Art Scheintod erlitt (wenn man das Märchenhafte einmal rational deutet) und dabei vielleicht seinen Charakter änderte. Er wird damit sehr freigebig (oder vielleicht eher leichtsinnig) und wird später böse, eifersüchtig 1
K a t h ä s . 5, I 0 8 f f . ; K s h e m . I, 2, 213ff. Vgl. Durväsas, s. o. V. A k t S. 97 A n m . 2. 3 Vgl. Vet. X I X . Beim T o t e n r i t u s ißt ein B r a h m a n e s t a t t d e m Totengeist Opferspeise. 4 S. u . H a r i s h e n a . 5 H a t S a k a t ä l a den S u b a n d h u u n d den K ö n i g a u f g e s t a c h e l t ? 6 K s h e m . I, 2, 214f. ist zu k u r z . Vgl. D a s a k u m . 261, 12: Klage eines Ministers: K ö n i g erl a u b t anderem, meinen Sitz einzunehmen. 7 k r t y ä , vgl. R u b e n 1943, 206; vgl. die gauri v i d y ä : K a t h ä s . 107, 105. 8 F i e b e r d ä m o n : R u b e n 1943, 196; vgl. K a t h ä s . 7 1 , 2 1 6 : Mit drei K ö p f e n (dies Fieber k a n n ich bei W . Kirfel, Die dreiköpfige G o t t h e i t , B o n n 1948 n i c h t finden) u n d m i t drei F ü ß e n . D e n Zauber e r w ä h n t auch K ä m a n d a k i u n d M u d r ä . 111, 7. 9 K s h e m . 1, 2, 217: C ä n a k y a m a c h t e C a n d r a g u p t a , den Sohn des f r ü h e r e n N a n d a , z u m König. 10 K a t h ä s . 4, 114; K s h e m . I , 2, 121. 2
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und voreilig, wie es für die Despoten des alten Orient typisch war. Deswegen wird auf ihn das altorientalische Motiv des Ahikar-Romans 1 übertragen, und das gleich zweimal: Zunächst verurteilt er vorschnell Sakatäla, dann Vararuci zum Tode, und beide Male werden die unschuldigen, voreilig Verurteilten bei seiner Reue in einer Notlage wieder als Minister eingesetzt. Vararuci verdrängt erst Sakatäla, rettet ihm aber das Leben; und danach rettet jener ihm sein Leben, bis Vararuci als Asket fortzieht. Der große, berühmte Grammatiker ist eben in dieser Geschichte noch größer als der kluge Minister Sakatäla. Zweifellos unhistorisch ist in dieser Erzählung das Zusammentreffen der Grammatiker Pänini, Vararuci (der fälschlich Kätyäyana gleichgesetzt ist), Varsha usw. in einer Generation 2 . Höchst problematisch ist die Zeichnung des Cänakya. Er ist nicht als Politiker, geschweige als Staatsgründer und Leiter des Candragupta dargestellt, vielmehr nur als Zauberer, als zornig und erbarmungslos. Er gehört damit zum Typ solcher Brahmanen wie Durväsas, der ebenfalls als gefährlich reizbar gilt, besonders, wenn er nicht mit demutvoller Gastlichkeit aufgenommen wird; dann flucht er schnell und unheilvoll. Dieser Brahmanentyp ist uns seit dem Mahäbhärata, also etwa seit der Zeit der Brhatkathä gut bekannt 3 . In ähnlicher Weise aber wird Kautalya auch im Manjusrimülakalpa geschildert 4 , und bei Buddhisten ist eine Parteinahme für Asoka und gegen Kautalya ohne weiteres verständlich. Die Brhatkathä nun ist vermutlich sivaitisoh oder kuberaitisch gewesen; ihr Dichter, Gunädhya, stand also dem Zynismus des Kautalya kritisch, anscheinend noch viel kritischer als Visäkhadatta in unserem Drama und Dandin im Dasakumäracarita gegenüber, und diese Erzählung der Brhatkathä ist als geradezu parteilich gegen Kautalya einzuschätzen. Visäkhadatta, der Sivait, hat ihm, wenn er seinen Stoff tatsächlich aus der Brhatkathä entlehnt haben sollte und wenn die Erzählung der Brhatkathä in der des SomadevaKshemendra einigermaßen echt erhalten ist, aus Kenntnis des Staatslehrbuches des Kautalya heraus weit gerechter gegenübergestanden. Dasselbe gilt auch für den Sivaiten Dandin in seinem Dasakumäracarita. Visäkhadatta und Dandin sind aber sicher älter als Kshemendra und Somadeva, die erst etwa um 1050 u. Z. gedichtet haben 5 ; sie bezeugen also, daß diese Erzählung älter sein muß, wenn sie auch nicht für die Brhatkathä selber und für die Form der Geschichte im 3. Jahrhundert v. u. Z. beweisend sein können. Daß derartig verwickelte Erzählungen in so alte Zeit versetzt werden können, darf man, wenn man die Brhatkathä mit ihrer sehr komplizierten Handlung vergleicht, nicht bezweifeln. Das schließt freilich nicht aus, wenn unser Material sich vermehrt haben sollte, danach zu streben, mit Hilfe höherer Textkritik nach einfacheren Formen und damit nach Quellen unserer Erzählung zu suchen; m a n kann ja annehmen, daß es damals nicht nur buddhistische und sivaitische Gegner des Kautalya und seiner skrupellosen Politik 1
Vgl. Cirakärin in Mbh. X I I , 266; Hertel 245 zitiert Chauvin. Vgl. Raghavan S. IV der N o t e s ; s. o. S. 154 Anm. 4. 3 S. o. S. 157 Anm. 2. Vgl. Ruben 1954b 113: Brahmane, wenn gekränkt, bewirkt Rebellion des Volkes. 4 S. o. A; vgl. Ruben 1954b 171f. 6 Renou § 1824f.; Winternitz I I I , 318f. 2
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gegeben hat, sondern auch Anhänger, so daß das Vorhandensein anderer, für ihn parteilicher Erzählungen schon für solche frühe Zeit vor unserem Drama anzunehmen ist. 2. D a s a k u m ä r a c a r i t a u n d
Avantisundarikathä
Nicht weniger problematisch als die Brhatkathä ist das Dasakumäracarita des Dandin. Es ist möglich, daß der Dichter zu seinem Buch an sich ähnlich wie Visäkhadatta durch die Brhatkathä angeregt worden ist 1 . Er hat ferner die Staatslehre des Kautalya ganz ähnlich wie Visäkhadatta mit Sivaismus zu verquicken gestrebt. Und er hat endlich die Handlung seiner Erzählung in die Zeit des Candragupta Maurya verlegt, denn er schreibt an einer Stelle über die Staatslehre: „Diese ist jetzt von dem Lehrer Vishnugupta für den Zweck des Maurya in 6000 sloken-Umfang zusammengefaßt worden" 2 und an einer anderen Stelle behauptet er, daß es ein vom Maurya den Kaufleuten gewährter Wunsch sei, daß sie bei Verbrechen wie denen, die ein gewisser Arthapati in der Erzählung begangen hat (Diebstahl eines wunderbaren Geldsäckels), nicht ihres Lebens beraubt werden sollen 3 . Diese beiden Angaben passen auf den ersten Blick freilich nicht dazu, daß der Held des Buches aus der Dynastie von Magadha, aus Pätaliputra stammt, aber durchaus kein Maurya oder Nanda ist; sein Vater Räjahamsa ist vielmehr ein historisch nicht belegter König von Magadha. Weitere Vorfahren des Königs werden in der Einleitung des Buches nicht aufgeführt — aber dieser erste Teil des Buches ist in der uns vorliegenden Form längst als unecht erkannt. 1954 ist aber eine angeblich echte Fassung des ersten Teiles der Dichtung veröffentlicht worden 4 , aus der einiges für unser Problem zu entnehmen ist. Da wird z. B. der Stammbaum der Dynastie in den Rahmen der puranischen Tradition folgendermaßen eingebaut: Als ältester König von Magadha, d. h. dem Großreich, das in späterer Zeit unter Nanda, Maurya und Gupta etwa das ganze Gangestal umfaßte, wird Brhadratha in Kusumapura (Pätaliputra) genannt und als sein Nachkomme Ripunjaya (mit der Variante Puramjaya 5 ). Ripunjaya ist nach Das. 170, 1 der Vater Räjahamsas und Großvater des Helden der Dichtung, Räjavähana. Brhadratha nun ist nach den Puränen der älteste König Magadhas gewesen, der noch vor dem Kali-Weltalter lebte, und Ripunjaya (mit der Variante Puramjaya) der letzte dieser Dynastie. Er wurde von seinem Minister getötet, der dann mit seinem Sohn die Dynastie der Pradyota begründete 6 . Von diesem Ripunjaya also sollen die Könige von „Magadha" der Dichtung abstammen, während die Pradyota als Könige von Ujjayinl nach Ermordung des Vltihotra eingeführt werden. Die Vitihotra waren nach den Puranen wiederum eine alte Dynastie von Ujjayinl 7 . 1
Rüben 1952a; Renou § 1835f. 3 Dasakum. 256; Vishnugupta = Kautalya. Ebd. 114. 4 Avantisundarl, nach einer lückenhaften und fehlerhaften Handschrift gedruckt. Oft hilft der Av. Su. Kathäsära. 6 Av. Su. 178, 17; sSra öl. IV. 17; Puranjaya: ebd. äl. 65; BhSg. Pur. X I I , 1, 2. 6 Rapson in Cambridge History of India vol. I, Cambridge 1922, 310. ' Ebd. 316. 2
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WALTER
RUBEN
Auf die üblichen fünf Pradyotakönige von UjjayinI folgen dann in unserer Dichtung 1 und in den Puranen die zehn Saisunäga (nach Dandin: Saisunäbha) von Girivraja: Sisunäbha, Käkavarman, Kshemavarman, Kshatraujäh, Bimbisära, Ajätasatru, Darsaka, Udäyi, Nandivardhana und Mahänandi. Auf diesen folgt sein Sohn von einer unebenbürtigen Frau, Mahäpadma, als erster der Nanda, auf ihn folgen seine acht Söhne; diese aber wurden von Cänakya gestürzt, der Candragupta Maurya auf den Thron setzte. Auf ihn folgen Bindusära, Asoka usw. bis auf die Saka, Yavana, Turushka, Murunda und die elf Mauna wie in den Puränen. Die Dynastie unserer Dichtung regierte also in Kusumapura oder Pätaliputra als eine, und zwar als die älteste der Dynastien von Magadha, die inzwischen nach den Puranen durch die ebenfalls zu Magadha gerechneten Herren von UjjayinI und dann durch die von Girivraja längst erledigt war, bei Dandin aber als die mächtigste Dynastie ganz Indiens dasteht. Um dies Bild zu gestalten, brauchte er nur ganz wenig von der üblichen Tradition abzuweichen. In diese Abfolge der Magadha-Dynastien ordnete der Dichter die Handlung folgendermaßen ein: Nach dem Dasakumäracarita hatte der König Räjahamsa drei Minister: Dharmapäla, Padmodbhava und Sitavarman 2 . Der zweite von ihnen (der uns hier allein angeht) hatte zwei Söhne, Susruta und Padmodbhava. Der letztgenannte war im Handel geschickt und zog schon als Jüngling übers Meer 3 . In der Ferne heiratete er die Tochter eines Kaufmannes, hatte von ihr einen Sohn, Pushpodbhava, und dieser wurde nach allerhand Abenteuern einer der Minister des Prinzen Räjavähana 4 . Pushpodbhava hatte als einer der zehn „Prinzen" dieses Buches sein besonderes Abenteuer, ein Kapitel, in dem sein kaufmännischer Charakter ihn von den anderen Prinzen stark abhebt, und zwar in „unedlem" Sinne 5 . All dies steht in dem unechten ersten Teil des Dasakumäracarita. In der Avantisundarl nun erzählt König Räjahamsa seiner Gattin die Geschichte jenes Ministers Padmodbhava ausführlich: Von Manu s t a m m t e I k s h v ä k u , v o n i h m N ä b h ä g o ' r i s h t a 6 , von dem B h a l a n d a n a 7 (der K a u f m a n n s h e r r 8 ) (wie in der p u r a n i s c h e n Tradition). E i n e r seiner N a c h k o m m e n war P o t a p a , der in den P u r a n e n n i c h t g e n a n n t ist 9 . Dieser lebte bei C a n d r a g u p t a M a u r y a , den C ä n a k y a 1
Av. Su. 184, 1 — 185,5. Dies S t ü c k fehlt im Sära. Dabei ist der Vers, der C a n d r a g u p t a e r w ä h n t (IV, 62) u n d etwa Av. Su. 183, 10 stehen k ö n n t e , verstellt. 2 Av. Su. 175,12; Sära IV, 2: M a t i s a r m a n , D h a r m a p E l a u n d P a d m o d b h a v a . 3 Da£. 4. 4 Das. 17 ff. s D a s . 35 ff. 6 Av. Su. 175,18: N ä b h E d e s h t h a . — Manu V a i v a s v a t a h a t t e n e u n Söhne, I k s h v ä k u usw., als siebenten N ä b h E g ä r i s h t a : Kirfel, W., D a s P u r ä n a p a n c a l a k s h a n a , B o n n 1927, 299,2 ( = Mbh. I, 70, 14 cd, ed. S u k t h a n k a r ) ; v. 1. N ä b h ä g o ' r i s h t a in L, V ä ; NEbhagodishta in K ü (ebd. 279, 23, 1). 7 B h a l a n d a n a : Kirfel a. a. O. 303, 24, 3. Dessen Sohn P r ä m s u : E b d . 304,24,4. S a r a : B ä landana. 8 Vgl. Kirfel a . a . O . 3 0 7 , 4 0 ; N ä b h ä g E r i s h t a h a t t e zwei Vaisya-Söhne, die B r a h m a n e n wurden. 9 BhBlandana, der K a u f m a n n s h e r r h a t t e einen „ a n d e r e n " N a c h k o m m e n , P o t a p a m i t N a m e n : Sära sl. 5, d. h. er war nicht sein direkter N a c h k o m m e , da sonst die Chronologie unmöglich wäre. P o t a p a fehlt auch im Mark. PU. (s. u.).
Der Sinn des D r a m a s „ D a s Siegel u n d R s k s h a s a " I I B 2
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auf den T h r o n gebracht h a t t e (s. o.). E r zeigte einst d e m K ö n i g eine P e r l e n k e t t e , die 100000 W e r t war. Der König wollte sie a m n ä c h s t e n Morgen k a u f e n . Der K a u f m a n n , e i n v e r s t a n d e n , ging aus d e m P a l a s t u n d w u r d e auf der Straße, n a c h d e m er Betel des Königs zu sich gen o m m e n h a t t e (infolge der Hitze), o h n m ä c h t i g . E i n e H e t ä r e holte ihn in ihr H a u s , pflegte ihn liebevoll. D a f ü r gab er ihr die Perlenkette, legte sie auf d e n R a n d des B e t t e s u n d ging heim. Sie meinte, er h a b e sie vergessen, s a n d t e sie ihm, er aber s a n d t e sie ihr m i t vielem anderen Schmuck zurück. Sie legte die K e t t e an, ging z u m P a l a s t , der König e r k a n n t e die K e t t e , ließ voll Zorn P o t a p a k o m m e n u n d f r a g t e ihn n a c h der einzigartigen P e r l e n k e t t e . Der K a u f m a n n g e s t a n d alles u n d bot d e m K ö n i g a n d e r e n S c h m u c k an. D e r aber z ü r n t e . P o t a p a ließ sich nicht verwirren, sondern erzählte ihm, die P e r l e n k e t t e sei doch n u r ein kleines Geschenk, m a n solle m i t seinen Geschenken zwar n i c h t p r a h l e n , aber er h a b e einst a m Meeresufer einem durch Schicksalsmacht m i t einer goldenen K e t t e gefesselten Unschuldigen all sein H a b u n d Gut geschenkt, d a n n auf Reisen n a c h d e m Süden ( D r a m i l a p a t t a n a ) usw. viele Schätze verdient u n d sei so zu i h m g e k o m m e n . — B e s c h ä m t u m a r m t e Candrag u p t a P o t a p a u n d g e w ä h r t e seinetwegen den K a u f l e u t e n auf der ganzen E r d e 18 Privilegien (auf die D a n d i n später anspielte, s. o. S. 159 A n m . 3). P o t a p a aber gab all seine H a b e f o r t u n d b ü ß t e , u m einen Sohn zu b e k o m m e n . I h m n a h t e sich eines Tages ein Geist (guhyaka) in B r a h m a n e n g e s t a l t u n d offenbarte i h m i m A u f t r a g e K u b e r a s , des Gottes der Schätze, folgendes: Auf B r h a d r a t h a folgte R i p u n j a y a , auf Vltihotra P r a d y o t a usw. bis auf M a h ä n a n d i n (s. o.). U n t e r dessen H e r r s c h a f t w u r d e ein T a n z d r a m a a u f g e f ü h r t . D e m sahen zwei Schatzgeister, „Muschelhorn" u n d „ L o t o s " zu. „ L o t o s " w u r d e v o n einem Zauberer g e b a n n t 1 , aber gegen ein Versprechen wieder freigelassen. E r w u r d e v o n jener u n e b e n b ü r t i g e n F r a u als P r i n z M a h ä p a d m a („Großer L o t o s " ) geboren. E r r a u b t e (als König) allen K s h a t r i y a ihr L e b e n u n d zugleich alles Gold 2 . D a m a l s h a t t e ein sohnloser B r a h m a n e K a l ä p i n i m L a n d e der U t k a l a eine Tochter K ä r t y ä yanl, die sein Opferfeuer bedienen m u ß t e u n d v o m F e u e r g o t t 3 geschwängert w u r d e . D a r a u f hin verstieß der V a t e r sie. Sie wollte sich im V i n d h y a in einem F e u e r t ö t e n , aber der F e u e r g o t t b r a c h t e sie zur Godävarl, wo sie Vararuci gebar. Als er f ü n f J a h r e alt war, k a m e n Vyäli u n d I n d r a d a t t a , zwei W a n d e r b e t t l e r , zur H ü t t e seiner M u t t e r . V a r a r u c i s c h a u t e gerade einer P a n t o m i m e zu, k a m langsam heim, f ü h r t e sie den G ä s t e n vor, diese s t a u n t e n ü b e r seine G e d ä c h t n i s k r a f t u n d erzählten ihre Geschichte: Vyäli war v o n seiner M u t t e r v e r w ö h n t , v o n seinem V a t e r deswegen g e t a d e l t u n d u n u n t e r r i c h t e t gelassen. E r heiratete. E i n s t lackierte er seiner F r a u die Fußsohlen, als ein Bettler k a m . Dieser lächelte seiner F r a u zu u n d sie ihm. Gefragt, erzählte sie voll Scham, sie sei im vergangenen L e b e n eine Maus gewesen u n d sei, u m j e n e m Manne auf einer W a l l f a h r t folgen zu k ö n n e n , heimlich in seinen K r u g geschlüpft, sei von einem Adler g e p a c k t u n d in die Gangä fallen gelassen. E r sei (hier ist eine Lücke im T e x t ) a n d e m W a l l f a h r t s o r t gestorben, sie aber aus Liebe zu ihm, u n d d a f ü r seien sie als B r a h m a n e n wiedergeboren. D a r a n h a b e n beide sich erinnert u n d sich zugelächelt. Vyäli w e i n t e ; der B e t t l e r a b e r , u m ihn zu verwirren, ging in die Leiche (wessen? der F r a u ? ) ein, belehrte ihn ü b e r die Religion u n d b e k e h r t e ihn z u m A s k e t e n t u m . Weil Vyäli aber die Wissenschaft n i c h t k a n n t e , w u r d e er in einer Asketenv e r s a m m l u n g als d u m m e r Yogi verlacht. E r empfing d a n n v o m G o t t e K u m ä r a die Anweisung, einen zu suchen, der ein-einziges-Mal-Gehörtes b e h a l t e n k ö n n e , u n d m i t i h m U p a v a r s h a 4 aufzusuchen. I n Vararuci h a t t e er diesen Gedächtnisherren g e f u n d e n . I n d r a d a t t a war Schüler Gopälakas in K ä m p i l y a , verliebte sich in dessen schöne T o c h t e r Virüpä („die H ä ß l i c h e " ) , aber der Vater wollte sie n u r d e m geben, der die vier Veden u n d ihre sechs Hilfswissenschaften k a n n t e . D a a u c h sie ihn liebte, entschloß I n d r a d a t t a sich, 1
S. o. K a t h ä s . 5, 45 ff.: Vararucis D ä m o n . S. o. S. 155 A n m . 10 über den Schatz des Königs. 3 F e u e r , dieser G o t t des H e r d - u n d Opferfeuers, schwängerte die T o c h t e r des H a u s e s . Dies alte Motiv t r i t t z. B . in Mbh. I I , 31 u n d X I I I , 2 bei der Prinzessin v o n MahishmatI a u f . Vgl. Winternitz I , 336 (393 der englischen Ausgabe). * Av. Su. 181,5 = Sara IV, 36. N a c h der B r h a t k a t h E : V a r s h a ! 2
11 Rüben, Sinn des Dramas
Walter Rüben
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alles Wissen zu erwerben, verehrte Subrahmanya und erfuhr von ihm dasselbe wie Vyäli. Beide sehen in Vararuci den Einmalhörer, der Upavarshas Lehre empfangen und ihnen damit zu ihr verhelfen soll. Seine Mutter hatte vorher schon vom Feuergott die Bestätigung dessen erhalten 1 . So kamen die drei zum Lehrer. Die Leute wunderten sich, daß Bettler nach dessen Haus fragten 2 . Seine Frau weinte, als sie sie ansprachen, und bat sie, sie nicht zu verspotten. Upavarsha kam dann mit dem Pflug auf der Schulter (also als armer, selber pflügender Bauer) nach Hause, fragte nach dem Einmalhörer und erzählte: Varsha ist mein älterer Bruder, ein Gelehrter, ich bin Bauer. Die Frau des Älteren meinte einst, sie möchte auch im nächsten Leben nicht die Frau eines Toren werden. Sie lud mich dafür zu einem Gelübde ein, bei dem einem Toren ein Kissen gegeben wird. Ich nahm es. Meine Frau schalt mich, ich weinte und ging aus Scham in einen Tempel Kumäras, lebte dort so lange, bis von mir gesäte Hirse reif geworden war; als ich sie opferte, aß ein Stier sie, und ich lebte noch einmal ebensolange dort, bis Kumära mir erschien, mir meine Zunge mit einem Meißel bearbeitete und mir etwas mit seinem Munde in den Mund warf. E r befahl, nur einem Einmal-Gehörtes-Behaltenden seine Wissenschaft mitzuteilen. Jetzt lernte Kätyäyana nach einmaligem, Vyäli nach zweimaligem und Indradatta nach dreimaligem Hören 3 . Die drei suchten nun nach einem Lehrergeschenk; Upavarsha bat nämlich um ein ganz wenig Gold, weil er seine Tochter verheiraten wollte. Sie gingen, da es auf der ganzen Erde kein Gold mehr gab (Mahäpadma hatte es ja eingezogen, s. o.), zu Mahäpadma mit ihrer Bitte. E r bot gerade in einer Versammlung von Gelehrten seine Tochter demjenigen, der ihm nur ein bißchen Gold brächte. Da bot ihm einer ein Körnchen Gold und erklärte, auf die Frage des Königs, wegen seiner Liebe zur Prinzessin habe er geweint, seine Mutter meinte, er, der Wahnsinnige, wüßte doch, daß der König alle Schatzbesitzer getötet habe, auch seinen Vater. Da sie aber um das Leben ihres Sohnes fürchtete, holte sie aus dem Grabe seines Vaters ein bißchen Gold. Vor Freude darüber, daß er die Welt allen Goldes beraubt habe, hauchte der König sein Leben aus. Kraft seines von Vyäli gelernten Yoga ließ Indradatta seine Seele in die Leiche des Königs eingehen. Auf diese Weise König geworden, stellte er Kätyäyana zufrieden. Sein Leib wurde von Minister Aryaka verbrannt. Indradatta genoß das Nandareich und des Königs Harem gleichsam als König. Virüpä hörte davon und wurde zur Hexe (yakshl). Die beiden anderen (Vyäli und Vararuci) gingen, wohin sie wollten. „Lotos" aber ging (aus der Leiche des Königs) zu Kubera und wurde von ihm verflucht: Weil er (als König Mahäpadma) dem bedürftigen Kätyäyana seinen Wunsch nicht erfüllt und seinen Schatz nicht geziemender Weise 4 angesammelt hatte, sollte er wieder als Mensch geboren werden. E r wird (sagte der Guhyaka zum büßenden Kaufmann, s. o.) dein Sohn Padmodbhava („der Lotosgeborene") werden, wird nach seiner Rückkehr aus dem Büßerwald Genosse (Minister) des Ripunjaya (Puranjaya) werden und am Ende sein Menschentum wieder verlieren. Mahäpadma lebte 88 Jahre. Seine acht Söhne hat Cänakya, durch den Minister Aryaka erzürnt, ausgerottet und Candragupta erhoben. Auf ihn folgten Bindusära usw. (s. o.). Dann verschwand der Geist. „ L o t o s " wurde als Padmodbhava jener Sohn des Kaufmannes Potapa und wurde als solcher einer jener drei Minister deines Schwiegervaters Ripunjaya (des Vaters des Räjahamsa, der all dies seiner Frau erzählte).
Wieviel Stoff dieses Textes Dandin aus der Brhatkathä entlehnt hat, ist einstweilen nicht sicher auszumachen. Die große Rolle Kuberas paßt zur Brhatkathä, deren Held Naravähanadatta nach eben jenem Gott der Schätze benannt ist. Auch der Humor der Erzählung könnte noch den der Brhatkathä widerspiegeln. Ferner 1 2 8 4
Av. Su. 181, 16f. = Av. Su. 181, 21 f. = Av. Su. 182,15 f. = Vielmehr mit Gold
Sära IV, 42 ähnlich Kathäs., aber gegen Kshem., s. o. Sara I V , 44 ebenfalls nur wie im Kathäs. Sära IV, 54 ebenfalls nur wie im Kathäs. vom Leichenplatz (?).
Der Sinn des D r a m a s ,,Das Siegel u n d R a k s h a s a " I I B 3
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ist die unverschämt erfundene Genealogie 1 des Kaufmanns Potapa, die direkt auf die Ikshväku-Dynastie und Manu zurückgeht, hervorzuheben, denn die Brhatkathä gehört vermutlich gewissen Kaufmannskreisen. Aus dem Schicksal des Schatzgeistes Padma wird witzig der habgierige Charakter des Königs Mahäpadma und das Zusammenraffen seiner Schätze hergeleitet. All das paßt zusammen und deutet darauf hin, in seinem Inhalt etwas Einheitliches und Besonderes zu erkennen, das letzten Endes auf die alte Brhatkathä zurückgehen könnte. 3. H a r i s h e n a s
Brhatkathäkosa
In diesem Werk 2 , das 931/32 u. Z. verfaßt ist, hat der jinistische Verfasser in der 157. Erzählung über Sakatäla, Nanda, Vararuci, Indradatta usw. ganz ähnlich der „Brhatkathä" berichtet, in der 143. aber anders: Nanda hatte drei Minister: Kavi, Subandhu 3 und Sakatäla. Kavi heiratete eine Schwester Cänakyas. Einst erhoben sich die Grenzkönige, aber Kavi kaufte sie durch Geld. Nanda wurde über den Verlust zornig und ließ Kavi und seine Söhne in einen trockenen Brunnen werfen. . . (wie es in der „Brhatkathä" von Sakatäla erzählt wurde). Kavi überlebte darin drei Jahre. Die Grenzkönige belagerten Pätaliputra, Nanda ließ Kavi holen und wieder in sein Amt einsetzen. Kavi sann Rache, fand Cänakya, der Gras rodete, und erreichte, daß Nanda an Brahmanen Kühe vergab, Cänakya dazu kam und vom ersten auf den letzten Platz gedrängt, schließlich gar hinausgeworfen wurde. Er schwor, die Nanda auszurotten, und rief aus: Wer das Nandareich wünscht, komme zu mir! Einer trat neben ihn, mit ihm zog er sich auf eine Insel im Meer zurück, machte von dort aus ein Bündnis mit einem Bergkönig, vernichtete mit dessen 1 I h r f r o m m e s Gegenstück findet sich im M ä r k a n d e y a p u r ä n a K a p . 113ff.: N ä b h ä g a sah einst die schöne Tochter eines i m T e x t n a m e n l o s bleibenden Vaisya u n d verliebte sich in sie. Sein V a t e r überließ die E n t s c h e i d u n g darüber, ob die H e i r a t e r l a u b t sei, rshis. Diese verlangten, d a ß er erst eine K s h a t r i y a t o c h t e r n e h m e n müsse, d a n n als zweite F r a u die Tochter des Vaisya heiraten dürfe. N ä b h ä g a aber ergriff das M ä d c h e n m i t Gewalt. I h r V a t e r w a n d t e sich a n seinen V a t e r Dishti als K ö n i g ; dieser schickte sein H e e r gegen den u n g e h o r s a m e n Sohn, aber selbst der V a t e r k o n n t e ihn n i c h t zwingen. D a d u r c h w u r d e N ä b h ä g a z u m Vaisya u n d m u ß t e als solcher v o n L a n d w i r t s c h a f t u n d H a n d e l leben. Seinen S o h n B h a n a n d a n a s a n d t e seine M u t t e r als Welteroberer aus. E r erhielt d a r a u f h i n v o m königlichen Asketen Nlpa alle Waffen u n d eroberte sich das Reich seiner V e t t e r n V a s u r ä j usw. Sein V a t e r N ä bhäga aber lehnte es ab, die H e r r s c h a f t über das Reich des Vaiäya zu ü b e r n e h m e n . Indessen erklärt N ä b h ä g a s F r a u , weder sei er ein (geborener) Vaisya, noch s t a m m e sie a u s VaisyaS t a n d e . I h r V a t e r sei eigentlich ein König gewesen, der wegen der Schlechtigkeit seines F r e u n d e s v o n einem Asketen, einem Sohne Cyavanas, verflucht, als Vaisya wiedergeboren worden sei u n t e r der Bedingung, er würde wieder K s h a t r i y a werden, sobald seine T o c h t e r von einem K s h a t r i y a g e r a u b t würde. Sie selber sei eine einstmals verfluchte A s k e t e n t o c h t e r , als Vaisyatochter wiedergeboren, aber mit der Bedingung, sie w ü r d e d u r c h ihren Sohn wieder eine K s h a t r i y a f r a u ' werden. T r o t z d e m n a h m N ä b h ä g a die H e r r s c h a f t n i c h t a n , überließ sie vielmehr dem B h a n a n d a . Dessen Sohn w u r d e V a t s a p r i , der einen D ä m o n b e k ä m p f t e ( K a p . 116). N a c h ihm regierte sein Sohn P r ä m s u (117), dessen Sohn P r a j ä t i usw. Die bis K a p . 128 b e h a n d e l t e n Könige dieser D y n a s t i e sind im B r a h m ä n d a - u n d V ä y u p u r ä n a k u r z a u f g e f ü h r t (Kirfel a. a. O. 304, 24, 4 - 12). 2 3
Ii»
D a s Folgende n a c h R a g h a v a n 73 — 75; vgl. R e n o u § 2421. S u b a n d h u k o m m t a u c h in der B r h a t k a t h ä vor (s. o.).
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W a l t e r Ruben Hilfe den N a n d a und setzte jenen Mann auf den Thron. Er tötete Subandhu und zog sich nach vielen J a h r e n als Asket in den Süden zurück.
Das Ahikar-Brunnen-Motiv ist also von Harishena in zwei Erzählungen auf Sakatäla und Kavi angewendet. Seine Abhängigkeit von der Tradition, die auch bei Somadeva, Kshemendra und bei Dandin aus der B r h a t k a t h ä zu stammen scheint, ist deutlich. Wenn s t a t t dem Totenritus ein Kuhschenken eingeführt ist, t u t es dieselben Dienste. Merkwürdig ist, d a ß Candragupta nicht genannt ist, wohl aber der Bergkönig, der dem P a r v a t a des Visäkhadatta entspricht. Die Art, wie Cänakya nach einem Thronerben sucht, sein Ausruf, k o m m t in Ananta B h a t t a s Vorgeschichte des Mudräräkshasa (s. u.) sehr ähnlich vor. Dies und die Gestalt des P a r v a t a weisen darauf hin, d a ß Harishena unserem D r a m a irgendwie nahesteht, und vermutlich die Gestalt des Bergkönigs aus ihm entlehnt hat, gibt es doch einstweilen keine ältere Erwähnung dieses Bergkönigs vor dem D r a m a . 4. S u k a s a p t a t i Dieselbe Tradition liegt ferner in zwei Erzählungen des Papageienbuches vor, dessen ausführlichere Version erst nach dem 12. J a h r h u n d e r t u. Z. verfaßt zu sein scheint 1 , das aber bereits von Hemacandra (s. u.) zitiert wird 2 . I . 3 Nanda war Weltherrscher, und alle Fürsten zahlten ihm d a n k der Klugheit des Sakatäla Tribut. F ü r Sakatäla wird hier 4 derselbe Vers angeführt wie im Mudräräkshasa 8, 7 ff. f ü r Räkshasa. Der Minister verwies es dem König, das Recht zu vernichten und alle Welt ihrer Habe zu berauben. Dafür ließ der Tor von König ihn samt seinen Söhnen in einen Brunnen werfen. Das Gerücht von seinem Tode hörte der König von Vangäla und sandte seine Leute mit zwei Stuten zum Nanda mit der Frage, welche älter, welche jünger sei. Niemand w u ß t e eine Antwort. Um einer Demütigung zu entgehen, sandte Nanda einen Häscher, ob von Sakatälas Familie noch einer im Brunnen sei. So wurde Sakatäla gerettet und löste die Frage sofort: Er ließ die Pferde abhetzen und d a n n loslassen: Da zeigte sich, welches die Mutter, welches die Tochter war, an ihrem zärtlichen Verhalten. — Weiter sandte der König von Vangäla einen gleichmäßigen Stab und fragte nach seinem Anfang und Ende. Der Minister legte ihn in Wasser; das Ende senkte sich. Der habgierige Charakter der Nanda wird hier stärker kritisiert als in den anderen Versionen. Die Klugheitsproben des Ministers sind f ü r den Erzähler, dem witzigen Charakter des Papageienbuches entsprechend, die Hauptsache. Diese Erzählung ist deswegen mit R e c h t in den Kreis der zahlreichen Erzählungen von „klugen Rätsellösern" 5 gestellt worden. Eine späte Version dieser Geschichte ist in der altgudscheratischen Fassung der „72 Erzählungen des Papageien" aus dem J a h r e 1730/1 bekanntgeworden 6 : 1
Renou § 1832; Rüben 1954b 257. J. Hertel, Das Paiicatantra, Leipzig 1914, 235. 3 ¡Sukasaptati 48f. (simplicior), 58 (ornatior); letztere Fassung ist kürzer und erwähnt z. B. nicht, daß der feindliche König von Vangäla war. 4 Nur in simplicior. 5 J a n de Vries, FFC 73, 1928, bes. S. 393. 8 Hertel, J. Indische Märchen, Jena 1925, 321 f. 2
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa" I I B 5
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Der König Nanda t a t nicht, was sein Minister Sakdäl wollte, obgleich er wußte, daß er klug war. Aus Furcht, der allzu kluge Minister würde ihn töten, warf er ihn in einen Brunnen . . . dann löste der Minister die Frage nach den beiden Stuten. 2. 1 Der Papagei sagte zum Mädchen: Geh' (zum Geliebten). Dies ist kein Fehler, wenn du nur beim Nahen eines Herzeleids das Leid beruhigen kannst wie Sakatäla. Wie Sakatäla das Leid, das aus 2 dem Sterben seiner Familie erstand, beruhigte, nachdem er mit Hilfe 3 des Cänakya das Nandahaus ausgerottet hatte, so — damit bricht dies Fragment ab. Vermutlich war erzählt, wie schlau Sakatäla es verstand, Cänakya in den Nandapalast zu locken und dort durch Nanda beleidigen zu lassen. 5. H e m a c a n d r a s
Parisishtaparvan
In der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts u. Z. 4 verfaßte der Jaina Hemacandra seine „Weltgeschichte" mit dem Anhang der Jaina-Kirchengeschichte, in deren 6. Kapitel er die Gründung Pätaliputras 5 durch König Udäyin, dessen Ermordung und die magische Königswahl des Nanda, des Sohnes einer Hetäre und eines Barbiers 6 , im Jahre 408 v. u. Z. erzählte. Diese Nachricht bestätigt in gewisser Weise die griechische des Diodor und Rufus, selbst wenn sie an die 1000 Jahre jünger ist. Dies muß daher zur Zeit Alexanders bereits in Nordindien erzählt worden sein, braucht deswegen freilich noch nicht die historische Wahrheit zu sein 7 . I m J ä t a ka 463 meint der weise Schätzer eines geizigen Königs, er müsse von einem Barbier abstammen. Solche Vorstellung war also weiter verbreitet und nicht auf die Nandatradition beschränkt. Im 7. Kapitel erzählt Hemacandra von dem Minister Kalpaka, den Nanda mit seinen Söhnen in den Brunnen werfen ließ, weil er von einem gestürzten verleumderischen Minister erfahren hatte, Kalpaka wolle ihn vom Throne stoßen. Als die Grenzfürsten angriffen, holte man den Minister wieder aus dem Brunnen usw. usf. — Hier ist also das Schicksal des Sakatäla der „ B r h a t k a t h ä " auf Kalpaka übertragen. Im 8. Kapitel 8 ist von sieben weiteren Nanda die Rede, deren Minister Söhne jenes Kalpaka waren, und von dem neunten Nanda, dessen Minister Sakatäla, ebenfalls ein Nachkomme Kalpakas, war. Sakatäla war ein Gegner Vararucis, den der König reich zu beschenken pflegte, bis Sakatäla dem König betrügerisch einflüsterte, daß Vararuci keine eigenen Gedichte vortrüge, sondern landläufige. Der Minister 1
Suk. 63 simplicior. I m Text steht hier der D a t i v statt des Ablativs. 3 parávat im Sinne von dvärena. 4 Renou § 2415; W. Schubring, Die Lehre der Jainas, Berlin-Leipzig 1935, 34: zwischen 1216 und 1229 samvat. Raghavan 75—78. 6 anders als in der Brhatkathä, s. o. S. 155 Anm. 1. 6 VI, 231 ff. Der königliche Elefant nahm ihn auf seinen Rücken, das königliche R o ß wieherte usw. S. u. Merutunga in B 8. Über den Barbier s. u. D 6: Haridäsa; Lassen II, 211 glaubte der Legende nicht, weil sie nur von Griechen bezeugt sei. 7 S. o. S. 150 Anm. 4; s. u. B 6 zu Ende über die Morieis. 8 In Jacobis Ausgabe ist im Appendix S. 2—12 die Geschichte nach Devendrás Kommentar z. Uttarädhyayana II, 17 wiedergegeben und auf Leumann verwiesen, der die Fassung Hemacandras auf Avaáya Niryukti X V I I , 32f. zurückgeführt hat. 2
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entlarvte weiter Vararuci, der durch eine Maschine vortäuschte, daß ihm die Gangä täglich einen Sack voll Geld spendete. Vararuci verleumdete daraufhin fälschlich den Minister beim König als Verräter; infolgedessen ließ sich Sakatäla von seinem eigenen Sohn köpfen. Sein Sohn, Sriyaka, wurde nach ihm Minister und ließ durch eine Hetäre Upakosä Vararuci zum Trinken verführen, so daß der auf diese Weise entehrte Dichter sich auf Anraten von Brahmanen durch Trinken flüssigen Bleis entsühnen wollte und starb. Hemacandra, der Jaina 1 , machte also parteilich aus der wegen ihrer Keuschheit berühmten Frau Upakosä des Vararuci eine Hetäre und stellte auch den Dichter selber als verkommen dar. Wenn die Gangä ihm gemäß der Brhatkathä regelmäßig 100 Goldstücke gab 2 , so stellte Hemacandra dies als Schwindel hin. Danach beginnt Hemacandra die Geschichte des Cänakya 3 : Sein Vater war ein brahmanischer Laienanhänger der Jaina. Er wurde mit Zähnen geboren, und das deuteten Jainamönche auf künftiges Königtum; um das zu vermeiden 4 , schlug sein frommer Vater ihm die Zähne aus. Cänakyas Frau wurde einst von reichen Verwandten wegen ihrer Armut verspottet. Cänakya begab sich daraufhin zu Nanda, um reich zu werden, setzte sich im Audienzsaal auf den ersten Platz, der der Thron des Nanda war, stellte seinen Wassertopf auf den zweiten, legte seinen Stab auf den dritten usw., bis eine Dienerin ihn schalt und mit dem Fuße stieß. Er schwor, die Nanda zu entwurzeln, und suchte dafür einen Mann. In einem Dorfe der Pfauenzüchter des Nanda war gerade eine Frau schwanger; deren Sohn ließ er sich dafür versprechen 5 , daß er der Frau ihr Schwangerschaftsgelübde erfüllte. Sie wollte den Mond trinken, und er ließ sie den sich auf dem Wasser spiegelnden Mond in einem Topf trinken. Daher nannte man den Sohn Candragupta. Cänakya wanderte weiter, um Schätze zu suchen. Candragupta aber spielte in seinem Dorf mit den Kindern König, ließ sich von ihnen wie von Elefanten und Pferden tragen, und als Cänakya auf seiner Wanderschaft ihn um eine Gabe bat, „schenkte" der „König" ihm die Kühe des Dorfes. Dies war ein Vorzeichen für das künftige Königtum des Knaben, und Cänakya nahm ihn mit sich. Durch Zauber hatte er sich Geld verschafft, belagerte mit Truppen Pätaliputra, wurde geschlagen und hörte nach allerhand Abenteuern auf der Flucht, wie eine Alte ihn tadelte, er hätte erst das umliegende Land erobern, dann die Stadt angreifen sollen. Cänakya ging mit Candragupta in die Berge und verbündete sich mit Parvata, dem er das halbe Reich der Nanda versprach. Dann eroberten die drei erst eine Stadt und dann Pätaliputra. Nanda floh, seine Tochter aber heiratete aus Liebe Candragupta. Beim Teilen der Schätze des Nanda ergriff Parvata die Hand eines von Nanda aufgezogenen Giftmädchens und mußte sterben. So wurde Candragupta alleiniger König, und Cänakya half ihm regieren. Nach Candraguptas Tod wurde Bindusära König. Bei ihm verleumdete ein Mann mit Namen Subandhu, den Cänakya zum 1 äakatäla tritt als Freund der Jaina auch in Merutungas Prabandhacintämani auf (übers, v. 0. H. Tawney, Calc. 1901, 193). 2 Kshem. I, 2, 129; Kathäs. 4, 137. 3 Hem. VIII, 194ff. Vgl. Jacobi Appendix 1 3 - 1 9 : Devendra. 4 D a alle Könige böse sind: Rüben 1954b 134 (buddhistisch) und 181 (Yudhishthira). 5 Vgl. Rüben 1952b 88: ¡Sunahsepa usw. Wird der Sohn in eine Art Sklaverei verkauft? Das wäre in Kautalyas Staat strafbar gewesen (Kaut. 65, 1).
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Mitminister gemacht hatte, seinen Wohltäter. Cänakya entging dies nicht. Er legte magisch vergiftete Essenzen sorgfältig verschlossen in einen großen Korb und zog als Jainamönch davon. Subandhu vermutete in dem wohl verschlossenen Korb Reichtümer, roch die Düfte der Essenzen und wäre daran gestorben, wenn er nicht ebenfalls Jainamönch geworden wäre. In dieser hier stark gekürzt wiedergegebenen jinistischen Erzählung ist Sakatäla nicht mehr derjenige, der Cänakya zum Handeln treibt, sondern es ist Cänakyas eigene Armut, die seine Frau bitter empfindet und ihn auf seine Laufbahn bringt. Wenn in den älteren Texten Cänakya seinen Zorn und seine Erbarmungslosigkeit durch Ausroden des Grases gezeigt hatte, so ist es bei Hemacandra ein Weber, der Wanzen ausrottet und deswegen von Cänakya ausersehen wird, Räuber im Reich des eben zur Herrschaft gelangten Candragupta auszurotten Parvata und das Giftmädchen 2 erinnern stark an das Drama Mudräräkshasa und können, was die Chronologie beider Texte angeht, aus ihm direkt oder indirekt stammen. Wie dem auch sei, stellt diese Erzählung eine stark jinistisch gefärbte fromme Version der Tradition dar, die entfernt noch mit der der Brhatkathä zusammenhängt, aber bei der Zeichnung Cänakyas auf ganz andere, uns einstweilen unbekannte Quellen zurückgeht. Dabei ist weiter auf die Dorfszene des Knaben Candragupta hinzuweisen, wie er König spielt. Dies Motiv dürfte mit nordwestindischen Überlieferungen zusammenhängen, letztlich mit der Kyrossage 3 . In der persischen Fassung der Sage bei Firdewsi können die Zieheltern des bei Hirten aufwachsenden Kyros nicht mit dem ungebärdigen Kind fertig werden und geben das Kind zurück an Piran; im Griechichen des Herodot verrät das Kind seine aristokratische Abstammung dadurch, daß es sich nicht dem Kind eines Adligen unterordnen will. Somadeva erzählt eine ähnliche Geschichte 4 : Hirtenknaben wählen sich einen König. Ein Brahmanensohn erweist dem Erwählten keine Ehrfurcht, und dieser läßt ihm zur Strafe einen Fuß abhauen. Der Vater des Opfers beklagt sich beim König des Landes (dem berühmten Udayana), der aber bestraft den despotischen Hirtenknaben nicht. Da scheint eine sehr alte Tradition bis zu Hemacandra zu reichen 5 . Bemerkenswert ist auch der Hinweis auf die Pfauenzüchter als Eltern des Candragupta, denn die Mauryadynastie leitete nach einigen Quellen ihre Abstammung von einem Pfauenklan her 6 . 1 2
Hem. V I I I , 340 ff. Zum Giftmädchen vgl. Raghavan S. X I V f . der Notes; er verweist auf Penzer II, 275ff.
usw. 3
Darauf, auf Herodot I, 114, verwies Geiger 42 und Breioer ZDMG 93, 1939, 291. Kathäs. 18, 28ff. — Motiv F 612. 2: strong hero kills playmates (Kyros ist nicht gemeint!). — Jacobi (ed. Hemacandra S. 57) verweist nach Tawney auf Vikrama u n d Ardschi Bordschi. 6 Und bis auf die Mahävamsatikä; Mudrä. 196, 4. 6 mayüra, s. u. B 6 zu Ende. 4
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6. M a h ä v a m s a t i k ä Ungefähr in dieselbe Zeit wie Hemacandras jinistisches Werk gehört ein buddhistisches, der Kommentar zum Mahävamsa, zur buddhistischen Kirchengeschichte. Auch inhaltlich berühren sich beide 1 . Nanda und seine neun Brüder stammten von dem Magadhakönig Käläsoka, aber von einer unebenbürtigen Mutter. Sie schlössen sich einer Räuberbande an und eroberten mit ihr Pätaliputra. Sie regierten der Reihe nach, zusammen 22 Jahre. Der letzte hieß Dhanananda, weil er so gierig war und gewaltige Schätze von 80 mal zehn Millionen 2 sammelte und vergrub. Candragupta stammte von den Maurya. Diese waren Säkya, die nach Zerschlagen dieses Stammes in den Himalaya flüchteten und sich dort eine Stadt bauten 3 , deren Dachziegel wie Pfauenfedern gelegt waren; danach nannten sie sich Maurya 4 . Cänakya stammte aus einer Brahmanenfamilie der Stadt Takshasilä 5 . Seine Mutter weinte, weil er, wie seine Zähne zeigten, König werden würde. Da zerschlug er sich selber seine Zähne 6 . Davon wurde er, der schon an sich häßlich war, noch häßlicher. Dann ging er zu Dhanananda, um zu disputieren. Dhanananda hatte nämlich seine Habgier aufgegeben und beschenkte gelehrte Brahmanen. Cänakya setzte sich in der Almosenhalle auf den Ehrensitz des Hofbrahmanen, aber Dhanananda verjagte ihn von dort. Cänakya fluchte ihm: Möge die Erde ihre Gaben für ihn zurückhalten 7 ! Er flüchtete dann vor dem Zorn des Königs in stille Räume des Palastes und gewann dort 8 den Prinzen P a r v a t a 9 mit dem Versprechen der Herrschaft. Beide flohen in den Vindhya. Durch Zauber schaffte er sich einen Schatz. Er suchte sich einen zweiten Mann 10 , der für Herrschaft bestimmt war, und traf Candragupta. Candraguptas schwangere Mutter, eine Königin der Maurya-Stadt, war wegen des Angriffs eines feindlichen Königs nach Pätaliputra geflüchtet, hatte das Neugeborene bei einer Viehhürde niedergelegt, und ein Stier mit Namen Mond (candra) hatte es beschützt. Ein Hirte nahm das Kind an, nannte es Candragupta (vom Mond beschützt) und machte es zum Hirten. Dann nahm ein Jäger den jungen Hirten in sein Dorf. Dort spielte Candragupta „König" u , ließ „Verbrechern" Hände und Füße abschlagen und ließ sie wieder anwachsen. Cänakya kaufte ihn von dem Jäger für 1000 Geldstücke, nahm ihn mit sich und hängte ihm und Parvata je eine kostbare Kette um den Hals. Aus Träumen beider ersah er, daß Candragupta, nicht Parvata, König werden 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Turnour X X X V I I I f f . , Bhargava 105ff., Raghavan 68—71. S. o. S. 155 Anm. 10: Brhatkathä. Lassen II, 111, Anm. 2, verweist dazu auf Csoma in As. Res. X X , 83. S. o. S. 167 Anm. 6. S. u. Haridäsa in C 6. S. o. Hemacandra. Nichts von Ausrotten der Nanda! Nicht in den Bergen. S. o. Hemacandra und Harishena. Magere Begründung für diesen wichtigen Schritt. S. o. S. 166: Hemacandra,
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würde. Er befahl einst Parvata, dem schlafenden Candragupta die Kette abzunehmen, ohne sie zu zerschneiden, aber er vermochte es nicht. Danach gab er Candragupta den entsprechenden Befehl, und Candragupta schlug dem Parvata den Kopf ab 1 . Erfreut über diesen unbedingten Gehorsam des Jünglings lehrte er ihn die Wissenschaften. Als Candragupta herangewachsen war, sammelte Cänakya ein Heer, aber das Volk erhob sich und zerschlug seine Macht. Im Lande umherirrend, hörten beide die Belehrung eines Knaben durch eine Alte: Cänakya hätte erst die Grenzfestungen, dann die Hauptstadt angreifen sollen 2 . Die beiden folgten diesem Rat, eroberten langsam das Land und Pätaliputra und töteten Danananda. Nach der Geburt Bindusäras wird angemerkt, daß nicht Nandas Leib wiederbeseelt wurde, wie die Hindu-Autoritäten (die Brahmanen!) behaupten, sondern Candragupta, und zwar durch einen Dämon Devagarbha. Der Hofpriester merkte es, und Bindusära tötete mit eigener Hand den Schwindler. In dieser Periode des indischen Feudalismus lebte also diese Sage in verschiedenen Formen bis Ceylon hin. Sakatäla und die Grammatiker sind aus ihr verschwunden wie lange vorher Alexander. Cänakya und Candragupta sind zwei Wunderkinder. Parvata spielt nur eine kurze Rolle und beginnt sie am Nandahofe. Die Unterschiebung des Scheinnanda wird abgelehnt. Die Erzählung wird witzlos, nicht besonders fromm und nicht ausgesprochen buddhistisch, aber die Träume der beiden Jünglinge müssen wahr werden. Bei der Maurya-Stadt pflegt man auf die Nachricht im Mahäparinirvänasütra zu verweisen, daß es Moriyas in Pippalivana gab 3 , ferner auf die Morieis, die die Griechen erwähnten 4 . Damit scheint es einleuchtender 5 , daß die Maurya-Dynastie eine vermutlich irgendwie totemistische Klangrundlage hatte, als daß sie von Pfauenzüchtern oder, wie manche noch spätere Quellen behaupten, von einer unaristokratischen Königin Murä 6 abstammen. Damit entfällt dann aber auch die Legende von dem Barbier als dem Ahnherren der Nanda, selbst wenn sie von Indern und Griechen bezeugt ist 7 : dies war eben nur eine Legende, die von gewissen Gegnern der Nanda-Maurya verbreitet wurde, die in ihnen keine Kshatriya anerkennen wollten. Da die Säkya Kshatriya waren, waren es vermutlich auch die Maurya, und in der Tat wird dies in manchen Quellen bezeugt 8 . Es haben eben nicht alle Inder an das Südratum der Nanda-Maurya geglaubt. 1
Das Giftmädchen fehlt hier, das sonst den Parvata tötet. S. o. Hemacandra. 3 Bhargava 28; Raghavan 72; E. Waldsehmidt, D a s Mahäparinrivänasütra, Teil III, Berlin 1951, 448. I m Sanskrit ist statt von Moriya von einem mänava die Rede. 4 Lassen II, 205 Anm. 4 nach Euphorion, der auf Megasthenes fußen soll: Ein indisches Volk in hölzernen Häusern (also vermutlich in der Waldregion des Himalaya); Breioer 244. 6 Aber Lassen II, 205f. meint: Die Herleitung der Maurya von Buddha und seinen Säkya sei erst zu Asokas Zeit als Ehrung ersonnen. 6 S. u. Mahädeva in C 2. Murä wird auch im Kommentar zum Vishnupuräna erwähnt. ' S. o. Hemacandra. 8 Bhargava 27 f. 2
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7. P a n c a t a n t r a - H i t o p a d e s a Neben diesen mehr oder weniger ausführlichen Erzählungen stehen einzelne Erwähnungen und Anspielungen unseres Themas, von denen nur einige wenige hier angeführt seien. Im Pancatantra wird in einigen Versionen 1 ein Vers überliefert, daß für die Klugheit der Klugen in dieser Welt nichts unerreichbar ist, wie die Nanda, mit dem Schwert in der Hand, durch die Klugheit des Cänakya geschlagen wurden. Dieser Vers ist so allgemein gehalten, daß über sein Alter und seinen Quellenbezug noch kaum Besonderes ausgesagt werden kann. Anders steht es mit dem Vers: Durch listige Briefe und Geldausgaben möge man den Großen, der ein Parteigänger des Feindes ist, schlechtmachen, wie Räkshasa durch Vishnugupta (angeschwärzt und besiegt wurde) 2 : Dieser Vers, der in anderen Versionen des Pancatantra nicht vorkommt, ist schon aus solchem textkritischen Grund als spät zu erkennen; dazu kommt, daß sein Inhalt so gut zum Mudräräkshasa paßt, daß er eben aus diesem Drama, nicht aus den uns bisher bekanntgewordenen anderen Darstellungen unseres Themas stammen dürfte. Daß Visäkhadatta umgekehrt diesen Vers oder eine derartige Überlieferung vorgefunden und für sein Drama benutzt habe, ist bei der verhältnismäßigen Einheitlichkeit der Überlieferung der oben behandelten Texte höchst u nwahrscheinlich. Im Hitopadesa, einer ebenfalls sehr jungen Form des Pancatantra, lautet ein Vers: Innerlich schlecht, stets beherrscht, allen Schaden des Königs anrichtend wahrlich ist Sakuni und Sakatära; beide sind dafür Beispiele 3 . Sakatäla richtete den Nanda zugrunde; er war von ihm in den Brunnen geworfen und wieder befreit worden, hatte dann trotz seinem Haß mit voller Beherrschtheit den Ministerposten angenommen, um den Nanda zu töten. In den eben mitgeteilten Texten wird er freilich nicht in dieser Weise verurteilt. Es mag aber eine derartig eingestellte Tradition als Quelle unseres Verses gegeben haben. Neben Sakatäla wird hier Sakuni gestellt, der aus dem Mahäbhärata bekannte König der Gandharer, der dem Duryodhana den R a t gab, die Pändava durch Spielen zu verderben, da sie im Kampf nicht überwunden werden können 4 , und dann Yudhishthira im Spiel besiegte; er war eben ein Kenner der Würfel 5 . Von diesem Sakuni wird nun in zwei Handschriften des Hitopadesa ganz ähnlich wie oben von Sakatäla erzählt 6 , daß Duryodhana seinen Schwiegervater, den Gandharakönig Subala, mit den Seinen in einer Grube gefangensetzte, daß dieser dem Sakuni, seinem Sohn, das spärliche Essen als seinem Rächer überließ und ihm befahl, aus seinen Knochen Würfel zu machen, die ihm Erfolg bringen würden. — Duryodhana aber ließ einst sein Wasser ab unter einem Feigenbaum, sah ein Feigenkernchen darin schwimmen und lachte (oder lächelte), daß aus diesem Kern ein großer 1 2 8 4 6 6
Vers 47; Benfey V Vers 38 (Bd. II, 338). Panc. I I I Vers 138. ed. Lassen II, 97. Mbh. II, 48. Ebd. 60 ff. Hertel 242 ff.
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Baum wachsen würde. Zwei Frauen lachten mit. Der König warf sie dafür ins Gefängnis. Sakuni erfuhr durch die Würfel die näheren Umstände und schickte die Frauen mit deren Kenntnis zum König. Der fragte, wer sie belehrt habe, und holte den klugen Sakuni aus dem Loch heraus und machte ihn zu seinem Minister 1 . Aus Rache nahm Sakuni den Posten an und richtete Duryodhana durch böse Ratschläge zugrunde. Wenn im Epos Sakuni dem Duryodhana zum Würfelspiel mit dem frommen Yudhishthira riet und ihn besiegte, so hat er damit letzten Endes dem Duryodhana einen schlechten Dienst getan. Um den verhängnisvollen, berüchtigten Sakuni, der den Pändava so viel Leid brachte und auch Duryodhana schließlich ins Verderben stürzte, ein wenig zu rechtfertigen, wurde also auf ihn in gewissen Kreisen das Sakatäla-Ahikar-Motiv übertragen. In einem anderen Vers des Hitopadesa 2 wird berichtet, daß Cänakya den Nanda durch Verwendung von Mördern und Boten erschlagen habe. Über diesen P u n k t der Tötung des Nanda gehen unsere Quellen sonst allzu kurz hinweg, so daß wir diesen Vers noch nicht in die Geschichte der Überlieferung einbauen können.
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Prabandhacintämani
Im Jahre 1306 u. Z. hat der Jaina Merutunga seine Anekdotensammlung verfaßt 3 , in der Nanda von Pätaliputra ebenfalls ganz kurz behandelt wird. Er starb unerwartet, ein Brahmane ließ seine Seele in die Leiche eingehen, ein anderer Brahmane kam und begann den Veda zu rezitieren. Darauf ließ der wiederbelebte König ihm durch den Schatzmeister 10 Millionen Goldstücke auszahlen. Der Hauptminister wunderte sich über die Veränderung des früher sparsam gewesenen Königs, verhaftete den Brahmanen und ließ den Leib des anderen Brahmanen verbrennen, so daß der „ N a n d a " weiter regierte. Weiter wird 4 von dem Prinzen Nandivardhana von Kusumapura ( = Pätaliputra) erzählt, wie er in fremde Länder ging und vor eine Stadt kam, deren König gerade gestorben war, ohne einen Erben zu hinterlassen. Der königliche Elefant wählte auf magische Weise nicht den Prinzen, sondern den Träger seines Sonnenschirmes als neuen König der S t a d t ; dieser erklärte dem Prinzen, er wäre jetzt zwar König, aber der Prinz sei sein Herr. Der Sonnenschirmträgerkönig war unwürdig, unterdrückte sein Volk. Davon wurde der Prinz mager. Der böse König aber erklärte ihm, Gott habe das böse Volk durch ihn strafen wollen, sonst hätte er den Elefanten den Prinzen zum König wählen lassen. Dadurch wurde der Prinz wieder wohlgenährt. Diese törichte und das Despotentum scheinfromm rechtfertigende Geschichte zeigt, daß die Anektode der magischen Königswahl, wie sie Hemacandra vom König Nanda erzählt hatte, hier auf den Prinzen Nandivardhana übertragen ist, also irgendwie noch in dieser späten Zeit zur Tradition der Nanda gehört. 1 2 3
4
Ähnlieh ist die Episode bei J a g a d d h a r a (s. u. D l ) . H i t . III, 60. Transl. T a w n e y C a l c u t t a 1901, 170; R e n o u § 2417.
S. 180f.
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C. Das Mudraräkshasa des Visakhadatta 1. A n s p i e l u n g e n auf d i e d e m D r a m a v o r a n g e g a n g e n e
Handlung
Läßt sich in dieser Weise die Überlieferung über Nanda, Candragupta, Cänakya usw. trotz vieler Unterschiede und Gegensätze doch einigermaßen übersehen, so gilt es jetzt, Visäkhadattas Form der Darstellung mit der Tradition in Verbindung zu setzen. Zunächst seien die Anspielungen im Drama, die auf die Vorgeschichte hinweisen, besprochen; die Handlung des Dramas selber mit der Figur des umworbenen Räkshasa spielt ja in den oben behandelten Texten keine Rolle. a) Was das Verhältnis des Candragupta und damit der Mauryadynastie zu seinem Vorgänger und der Nandadynastie angeht 1 , so wird Candragupta als Nachkomme des Nanda bezeichnet 2 , der sein väterliches Haus (kula) restlos vernichtet hat 3 , und Räkshasa gilt als sein vom Vater her ererbter Minister 4 . Andererseits klagt Räkshasa, daß die königliche Glücksgöttin zum „Maurya aus niedrigem Geschlecht" (kula) übergegangen sei 5 ; zu einem anderen „gotra" 6 ; während Nanda aristokratisch war, ist Candragupta nur ein Südra (vrshala) 7 . Da im damaligen brahmanischen Nordindien durchweg vaterrechtliche Erbfolge galt, war für den Stand des Sohnes nur der Vater, nicht die Mutter ausschlaggebend, wie in mehreren Texten ausdrücklich versichert ist 8 . Wenn Candragupta also ein Sohn des Nanda ist, muß er zum selben gotra, zum selben kula gehören. Dazu paßt die Tradition, daß schon die Nanda Südra waren, und der Umstand, daß Candragupta im Drama durchweg als vrshala angesehen wird. Während also an den oben angeführten Stellen Cänakya, Räkshasa, Bhäguräyana und Malayaketu Candragupta als Sohn des Nanda anerkennen, betont Räkshasa nur an den zuletzt angeführten Stellen den Unterschied des aristokratischen Nanda und des niedrigen Maurya. Der Dichter hat also dem edlen Räkshasa als Zeichen der Treue zu seinem alten Herren diese Worte in den Mund gelegt, die den Nanda über den Maurya stellen. Um diesen Widerspruch, der eher psychologisch zu erklären ist, sachlich zu erklären, hat der Kommentator Dhundhiräja einen Interpretationsversuch unternommen : Räkshasa nennt einmal Nanda den, der seine Söhne liebte 9 . Das deutet er so: Nanda liebte seine Söhne, sogar den aus niedrigerem „Acker", den Maurya. Der „Acker" des Mannes ist seine Frau. Nanda soll eben, wie Dhundhiräja in seiner Vorgeschichte des Dramas erwähnt, eine Frau Murä aus dem Südrastamme gehabt haben und von ihr den Candragupta, dessen Dynastie nach seiner Mutter Maurya geheißen habe. Diese neue Ableitung des Namens der Maurya, die in den oben mitgeteilten Texten nicht vorkommt, wohl aber in mehreren der weiter unten zu behandelnden 1
Vgl. die Übersicht bei Raghavan S. V i f . der Notes. Nandänvaya: 1 0 4 , 2 (Bhäguräyana); 1 2 8 , 6 (Malayaketu). Vgl. Räkshasa 1 5 1 , 1 4 : Mauryo 'yam svämiputrah. 3 113, 7. 4 paitriko 'mätyamukhya: 195, 15 (Cänakya). 6 kulahina: 42, 11. 6 165, 3. 7 165, 9f. 8 Vgl. Rüben 1954a 111 Anm. 35. * 43, 4: ishtätmaja; Dhu.: Er liebte auch den Maurya von der Mutter niedrigen Standes. 2
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späten Texte, die ausdrücklich auf dem Drama fußen, tritt also neben 1. die Überlieferung der Pfauenleute und 2. die des Barbiers, der der Grund für die Niedrigkeit der Nanda-Maurya gewesen sein soll 1 . Die Behauptung vom Barbier und die von der niedrigen Mutter Murä schließen sich gegenseitig aus, und es bleibt als die wahrscheinlichste Theorie die ethnische der Maurya. Visäkhadatta aber war kein Historiker und hat die Maurya nicht ethnisch neben die Nanda gestellt, sondern hat Candragupta zum Sohne des Nanda gemacht, wie es die Griechen und die „Brhatk a t h ä " lehrten. b) Wenn Rakshasa den hohen Adel der Nanda hervorhob, so hat Cänakya auf seine alt bezeugte Geldgier und seinen großen Schatz angespielt 2 . Er hat ferner Vakranäsa als einen der früheren tüchtigen Minister Nandas genannt 3 , der in unserer sonstigen Überlieferung nicht vorkommt, wohl aber kommt im I I I . Buch des Pancatantra ein Vakranäsa als einer der unfähigen Minister des Rabenkönigs vor 4 . c) Rakshasa erwähnt einmal, daß die Welt schon bei dem Knaben Candragupta seine spätere Erhebung (zum König) merkte 5 . Das wird eine Anspielung auf die letztlich auf die Kyrossage zurückgehende Kinderszene des „Königsspiels" sein 6 , könnte freilich auch auf das Vorzeichen des den Knaben schirmenden Stieres der buddhistischen Tradition oder des Löwen bei Justinus bezogen werden. d) Die entscheidende Szene, wie Cänakya vom Ehrensitz verstoßen wurde, erwähnt Cänakya sowohl wie Rakshasa 7 . Sein Schwur und sein Lösen der Flechte werden ebenfalls von Cänakya gleich in der Exposition des I. Aktes erwähnt 8 . Er erinnert sich auch einmal daran, daß er damals die Stadt Pätaliputra verließ, um sich am Nanda zu rächen 9 . e) Sakatadäsa erinnert Rakshasa daran, daß Cänakya beim Zaubern einsah, wie schwierig sein Fluch zu erfüllen war 1 0 . Auf diesen Zauber, mit dem Cänakya den Nanda stürzte, spielte Kämandaki an 1 1 , und die „Brhatkathä" gab an, daß es sich um einen Fieberdämon handelte. Dhundhiräja zitiert dazu aus der „ B r h a t k a t h ä " zwei Sloken und fügt einen Prosasatz hinzu, daß Sakatära der Freund Cänakyas, Bhadrasarman, in der Verkleidung als Jainamönch gewesen sei 12 . Dhundiräja erläutert jene Worte Sakatadäsas damit, daß Cänakya heimlich im Hause des Sakatäla eine Zaubergestalt geschaffen und Nanda samt Söhnen in sieben Tagen getötet habe. In seiner einleitenden Vorgeschichte aber hat Dhundhiräja an der betreffenden Stelle nichts von dem Zauber vermerkt 1 3 , wohl aber hat Ravinartaka 1 4 behauptet, 1 2 3 i 5 6 7 8 9 10 11 12 13 11
S. o. II B, S. 169 Anm. 3ff. S. o. Brhatkathä; Mudrä. 28, 9 und 93, 1. Mudrä 31, 8. Tanträ. 129ff.; s. u. C 3. Mudrä. 196, 4. S. o. Hemacandra. Mudrä. 6, 14 (Cänakya) und 110, 10 (Rakshasa). Mudrä. 6, 4 f . Ebd. 76, 3f. Ebd. 111, 7, diskutiert von Raghavan S. 12 der Introduotion. S. o. Kam. in A, S. 152 Anm. 7; darauf verwies Hillebrandt 1908, 15. ed. Telang S. 15, in Wirklichkeit gleich Kshemendra I, 2, 216f., s. o. II, S. 153 B Anm. 8. Vers 53ff., ed. Telang S. 6. Vers 167f.; vgl. Raghavan S. 61 der Introduction.
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daß Indusarman (den oben Dhundhiräja Bhadrasarman nannte) einen Fieberdämon gegen die Nandakönige schuf, als Cänakyas Zauber ausgab und durch eigenen Zauber zur Ruhe brachte; und Mahädeva hat in seiner Prosaerzählung § 13 erzählt, wie Räkshasa von Cänakya einen Zauber befürchtete, aber auf Jivasiddhi, den Jainamönch, als Gegenzauberer vertraute, woraufhin Jivasiddhi einen Zauber schuf, tat, als käme er von Cänakya, und ihn vernichtete. Auch in diesem Punkt paßt also das Drama zur „Bhrhatkathä", und die Späteren haben ihn phantasievoll und möglichst genau zu dem Drama passend ausgeschmückt. f) Malayaketu wirft dem Räkshasa vor, sein Vater Parvata habe ihm vertraut und ihm alle Aufgaben anvertraut, er aber habe ihn ermordet 1 . Dhundhiräja erklärt: Aus dieser Stelle erkennt man, daß zuerst zwischen Räkshasa und Parvata große Freundschaft bestand, daß dann erst Cänakya durch Versprechung der Hälfte des Nandareiches Parvata von Räkshasa getrennt und für seine eigenen Zwecke ausgenutzt hat. Man könnte versucht sein, dazu auf die buddhistische Erzählung zu verweisen, daß Cänakya den Parvata am Hofe des Nanda getroffen und gewonnen habe. Dort ist indessen von solcher Freundschaft keine Rede. Nach Mahädevas Prosaerzählung § 15—18 2 aber handelt es sich um weit spätere Zeiten, als nämlich die Nanda besiegt waren und Räkshasa, um sie zu rächen, sich an Candraguptas Hofe aufhielt, sich unterwarf und heimlich Parvata von Candragupta abzuspalten suchte. Parvata ging verräterischerweise darauf ein. Cänakya merkte alles. Räkshasa fragte damals den Jainamönch nach einem Mittel, Candragupta zu töten, und dieser Agent Cänakyas schuf und gab ihm das Giftmädchen, das Räkshasa dann den beiden Königen zuführte. Parvata ergriff es gierig als erster und mußte sterben. Daraufhin entfloh Räkshasa, um nicht als Mörder Parvatas gerichtet zu werden, aus Pätaliputra. Dies kehrt auch ganz kurz bei Ravinartaka 3 und Dhundhiräja 4 in der Vorgeschichte wieder. Mahädeva, Dhundhiräja und Ravi haben also anscheinend den kurzen Satz des Dramas nach bestem Können ergänzt, und Mahädevas Deutung scheint recht einleuchtend zu sein. In den oben behandelten anderen Quellen kommt Räkshasa und also auch dieser P u n k t gar nicht vor. Diese wenigen Stellen zeigen, daß Visäkhadatta eine Quelle kannte, die der „Brhatkathä" tatsächlich, wie es die Überlieferung will, sehr ähnlich gewesen sein muß, ihr zumindest nicht widersprochen hat. Man muß freilich die zahlreichen Unterschiede des Dramas von der „Brhatkathä" und den anderen Texten bei dieser Annahme als Erfindungen des Dichters betrachten. Ob man dazu berechtigt ist, muß eine Übersicht über diese Punkte zu zeigen versuchen. 1
Mudrä. 133, 10f., kurz angedeutet von Raghavan S. X I V der Notes. S. o. II. Akt 59, 15ff. Diskutiert von Raghavan 12f. der Introduction; Ravinartaka 232ff. und Dhu. erzählen ähnlich. 3 Aber nach Ravinartaka 243 führte Räkshasa das Giftmädchen zu Cänakya, um es Candragupta zuzuleiten. Cänakya aber erklärte, Parvata sei sein verehrter Freund und solle es bekommen. 4 Vers 65f. (Telang S. 7). 2
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2. V i s ä k h a d a t t a s N e u e r u n g e n Visäkhadatta behandelt in seinem Drama nicht etwa die ganze lange Erzählung, wie sie üblich war, sondern nur die kurze Episode, wie Cänakya nach dem Sieg über Nanda dessen Minister Rakshasa für Candragupta gewann, um dann selber von der Politik zurückzutreten. Dagegen lehrte die buddhistische Tradition im Manjusrlmülakalpa und in der Mahävamsatikä und die jinistische des Hemacandra, daß Cänakya nicht nur Candraguptas, sondern auch Bindusäras Minister blieb. Visäkhadatta konnte sich für seine Fassung der Darstellung anscheinend nicht auf Tradition berufen, und daß er die historische Wirklichkeit widerspiegelt, ist nicht zu erweisen 1 . Im Gegenteil: Da sein Hauptthema die Gewinnung des Räkshasa durch Cänakya und das Gegenüberstellen dieser beiden Ministertypen, des skrupellosen und des frommen, ist, so ist wahrscheinlich, daß hier eine wichtige Neuerung des Dichters vorliegt. Sein Drama sollte politische Moral lehren, und dafür brauchte er die beiden grundverschiedenen Minister. Cänakya fand er vor, Räkshasa aber hat er anscheinend selbständig eingeführt. Räkshasa steht so ziemlich an der Stelle des Sakatäla der älteren Tradition, hat aber mit dessen Charakter nichts gemein. Sakatäla beschirmte nach der „Brhatkathä" Candragupta gegen den Schein-Nanda und verwendete Cänakya als sein Werkzeug. Er war von dem Schein-Nanda schwer gekränkt und unschuldig ins Gefängnis geworfen worden, wobei seine Söhne jämmerlich umkamen. Er haßte also den Nanda und stürzte ihn. Das alles hat mit Räkshasas Treue zum Nanda gar nichts zu tun. Vielmehr hat Visäkhadatta Sakatälas Gestalt und die mit ihm zusammenhängenden Grammatiker fortgelassen und statt dessen Räkshasa erfunden, zugleich aber auch alle Intrigen Cänakyas gegen Räkshasa: den Siegelring, den Brief, die beiden Schmucke und alle seine Agenten. Cänakya hat er zwar aus der Tradition übernommen, aber seinen Charakter hat er ebenfalls in manchen Zügen neu gestaltet. Sein Cänakya ist nicht der Zauberer, das Werkzeug Sakatälas, sondern der große Staatsmann, der Verfasser des Staatslehrbuches. Dies Werk hat der Dichter zweifellos studiert, er hat es bewundert und hat seinen Verfasser in einer Weise verherrlicht, wie es in der Legende nicht der Fall war. Er hat damit aller Wahrscheinlichkeit nach die Legende berichtigt, hat aber nicht etwa eine richtigere Überlieferung als die der uns vorliegenden Texte benutzt. Denn in der späteren buddhistischen und jinistischen Überlieferung ist Cänakya zwar wie im Drama eine selbständige Führerpersönlichkeit, aber 1. kann dies vielleicht auf einen Einfluß des in Indien weit verbreiteten Dramas zurückgeführt werden, 2. ist der Minister dort nicht auf Grund seines Lehrbuches geschildert, sondern als Feldherr. Der Dichter hat aber nicht nur seine Intrigen und seinen Agentenapparat nach Angaben des Lehrbuches neu ersonnen, sondern auch den Charakter des Mannes als Antifatalist 2 und als kluger Politiker, der dem zweifelhaften Krieg mit seinen blutigen Schlachten die friedlichen, listigen Mittel der Politik vorzieht 3 , 1 Aber man beachte die Meinung von Lassen I I , 211, daB die Angaben des D r a m a s zwar nicht als rein historisch betrachtet werden dürfen, jedoch nicht ganz erdichtet sein können. — Die Historiker versuchen aus dem D r a m a möglichst viel herauszuholen, die Literaturhistoriker sind dagegen. 2 K a u t . 97, 6ff. usw. 3 Vgl. K a u t . 97, 3.
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richtig nachgezeichnet. Seinen Zorn und seine Erbarmungslosigkeit hat er dagegen wieder aus der Überlieferung übernommen. Wenn auch bei ihm Cänakya im wesentlichen aus Eigensucht, aus gekränktem Stolz handelt, so paßte ihm das in seine moralische Absicht: Er wollte ja trotz aller Hochachtung Cänakya nicht als den größeren der beiden streitenden Minister hinstellen, sondern im Grunde mehr als Folie für den frommen Räkshasa benutzen. Candragupta ist in der „Brhatkathä" anscheinend nicht ausführlich dargestellt worden; seine Ergebenheit dem Cänakya gegenüber ist in der spätbuddhistischen Tradition an Beispielen wie dem Köpfen des Parvata gezeigt, könnte hier aber eben aus chronologischen Gründen auf das Drama zurückgeführt werden, wenn auch die Einzelheiten im Drama ganz anders sind. Der Dichter hat an diesem königlichen Schüler sein Ideal des lenkbaren, frommen Königs darstellen wollen, um demütige Verehrung des Lehrers, des guru, zu lehren, wie es seit König Janakas Fußfall vor dem Brahmanen Yäjnavalkya in der Brhadäranyaka-Upanishad IV einerseits, dem Preis des mächtigen Hofpriesters im Aitareya-Brähmana VIII, 24 andererseits, in Indien üblich war. Vom Nanda kann man sich im Drama kein richtiges Bild machen, denn Räkshasa verherrlicht ihn, Cänakya tadelt ihn. Der Name des letzten Nanda, Sarvärthasiddhi, und sein Schicksal, wie er im Asketenwald ermordet wurde, ist vermutlich ebenfalls vom Dichter erfunden worden. Sein Name, „der, dem alles gelingt", ist geradezu ironisch erfunden. Parvata kam in der Tradition nur von Harishena an vor, also zeitlich erst nach Visäkhadatta. Die Darstellung seiner Ermordung durch das Giftmädchen sieht bei Hemacandra aus, als sei sie vom Drama beeinflußt. Seine Köpfung in der buddhistischen Mahävamsatikä geschieht so früh, daß er gar nicht mehr zum Sieg über Nanda kommt. Daß diese Version alt ist im Kern, ist unwahrscheinlich, denn, wenn man die Parvata-Gestalt als alt erweisen will, kann man sich nur auf die des Porus berufen, die von einigen Historikern der des Parvata gleichgesetzt wird 1 . Porus' Ermordung läßt sich aber weder mit der im Drama noch mit der in jener buddhistischen Tradition irgendwie vergleichen. So scheint diese Gestalt von Visäkhadatta erfunden worden zu sein. Das gilt auch von seinem Bruder Vairodhaka und seinem Sohn Malayaketu. Der Dichter brauchte diesen, um Candragupta einen Gegenspieler gegenüberstellen zu können, dem frommen und weisen Hindukönig den pietätlosen, hitzigen, unverständigen Barbarenjüngling. Da Visäkhadatta Candragupta als Sohn und berechtigten Erben des Nanda hinstellte, konnte er ja keinen Nanda dem Maurya als moralisch schlechter gegenüberstellen. Der Dichter aber folgte hier insofern wieder dem Staatslehrbuch des Kautalya, als der einem König, der kein Heer hat, riet, Räuber, Dschungelstämme und Barbaren (mleccha) zu sammeln 2 . Erfindungen des Dichters sind weiter die höchst lebendigen Gestalten wie der als Jainamönch verkleidete Brahmane Vishnusarman-Jivasiddhi, der aufopferungsbereite Goldschmied Candanadäsa, der Schreiber Sakatadäsa, der Agent Siddhärthaka, der Yamasänger, der Scheinbarde, der Schlangenbändiger, die fünf Bar1
S. u. E : CHI, Breioer, Tarn. Raghavan S. X I I der Notes spricht gegen diese Gleichsetzung. 2 Kaut. 118, 46.
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barenfürsten, Bhäguräyana, Bhadrabhata usw. Eine Erfindung ist weiter das Giftmädchen, freilich nicht diese Gestalt als solche; die entsprang vielmehr der indischen Phantasie schon offenbar in sehr früher Zeit, und die Griechen haben sie schon mit Alexander dem Makedonen zusammengebracht: Er sollte durch ein solches Mädchen vergiftet werden 1 . Wenn sie also in unserem Drama mit Parvata zusammengebracht ist und in der uns erhaltenen Tradition dieser Legende sonst vor Visäkhadatta und Hemacandra nicht auftritt, so muß doch die Möglichkeit offen gelassen werden, daß sie schon zu Alexanders Zeiten mit dem letzten Nanda irgendwie zusammenhing 2 . Visäkhadatta hat also eine Fülle von Gestalten in die Legende eingefügt und ein moralisches Tendenzstück 3 geschrieben. Er wollte die Fragen des Fatalismus, der Skrupellosigkeit der Politik, des Mitleids, der Schwierigkeit des Fürstendienstes, des Edelmutes des Goldschmieds, der Probleme des Vertrauens von Fürst und Minister, der dem Volk unverständlich bleibenden Geheimpolitik der „großen Männer", der Kontinuität der Dynastie des Despoten und der Minister, ja sogar das Problem des Hindu- und des Barbarenfürsten behandeln. Dafür hat er die Gestalt des Cänakya gebraucht, seine Legende benutzt, wenigstens teilweise, sie aber ganz wesentlich neu ausgestaltet. 3. V o n V i s ä k h a d a t t a b e n u t z t e L i t e r a t u r (vor a l l e m
Pancatantra)
Außer der Cänakya-Tradition („Brhatkathä") und dem Lehrbuch des Kautalya 4 hat unser Dichter vielleicht Anregungen durch Südrakas Drama Mrcchakatikam erhalten. Darauf weisen das Vorspiel des I. Aktes, die Anklagen Räkshasas im V. Akt und der Weg zur Richtstätte des Candranadäsa im VII. Akt, aber auch die Gestalt des edlen Kaufmanns, besonders hin. Im II. Akt deutet die Erzählung des Agenten des Räkshasa, wie Candragupta allen seinen Anschlägen beim Einzug in den Palast von Pätaliputra entging, darauf hin, daß der Dichter einem Märchen vom Typ des getreuen Johannes 5 gefolgt ist, oder vielleicht einer seiner Vorformen, denn dies Märchen ist nach Ansicht einiger 6 in seiner heutigen komplizierten Gestalt erst im X I . Jahrhundert u. Z. in Südungarn entstanden. Aber, wenn dem so ist, gab es in Indien vorher schon verschiedene Varianten eines Märchens vom „verdächtigen Lebensretter" 7 , in denen (wenn man von heutigen Märchen zurückschließen darf) vom Elefanten, giftigen Essen, Gebäudeeinsturz und einer Gefahr im Schlafgemach usw. 8 die Rede war. 1
S. u. E : Penzer. S. o. Diodor, Rufus, Hemacandra usw. über den Barbier. 3 S. o. Rückblick nach dem VII. Akt. 4 Hillebrandt 1908 und Walimbe haben das meiste Material gesammelt. 6 Grimm Nr. 6; Märchentyp 516. 6 E. Rösch, Der getreue Johannes, FFC 77, Helsinki 1928, 197—9. Dagegen K . K r o n e , Übersicht über einige Resultate der Märchenforschung, FFC 96, 1931, 82ff.: Das komplizierte Märchen ist sehr alt. D e m stimmt Stith Thompson, The Folktale, N e w York 1946, 112 zu. Der bisher älteste Beleg im Kathäs, 28, 113ff. = Kshem. VII, 8, 143ff., ist weit jünger als unser Drama. 7 Rösch a. a. O. 146ff.; Benfey I, 416ff.; Penzer III, 28; Rüben 1952b 89. 8 Rösch a. a. O. 123ff., 89ff. 2
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Schwer zu beurteilen ist es, ob Visäkhadatta das Pancatantra benutzt hat. Abgesehen von dem oben bereits angemerkten Vers, der in beiden Werken übereinstimmt 1 , handelt es sich im Drama um mehrere auch im Pancatantra behandelte politische Probleme. Im I. Buch des Pancatantra wird in seiner Rahmengeschichte die Spaltung von Freunden dargelegt, ganz ähnlich wie im Drama. Bei einer Vergleichung entspräche Cänakya dem die Spaltung hervorrufenden bösen Schakal, Malayaketu dem Löwen und Räkshasa dem Stier. Aber der hitzige Prinz ist als Charakter ganz anders als der feige Löwe. Der Stier ist nicht mit dem treuen, mitleidigen und doch zugleich listenreichen Räkshasa auf eine Stufe zu stellen. Dem Schakal handelt es sich darum, den Stier, den Pflanzenfresser, also diesen den Raubtieren, Löwe, Schakal usw. artfremden Eindringling von seinem Posten zu verjagen und sogar zu töten, während Cänakya den Räkshasa wohl dem Malayaketu, dem Barbaren, der einen Räkshasa nicht zu würdigen weiß, abspenstig machen, zugleich aber für seine eigene Partei gewinnen will. Dies I. Buch des Pancatantra endet mit dem Triumph des bösen, egoistischen Schakals, der seinen Herren, den feigen und dummen Löwen gängelt, über den anständigen, klugen Stier; es endet äußerst pessimistisch mit dem Sieg des Bösen. So sah offenbar das Volk auf den Hof, wo finstere Mächte ihr Spiel trieben. In der persischen Übersetzung wurde dies geändert und ein besonderes Kapitel eingefügt, in dem der böse Schakal seiner Strafe zugeführt wird. Könnte es nun nicht auch bei Visäkhadatta so sein, daß er den Cänakya, das Gegenstück zum Schakal, zwar skrupellos und egoistisch, aber doch so politisch klug und dem Candragupta treu hinstellte, daß er Cänakya sofort nach Erlangung des Zieles und Festigung der Herrschaft des Maurya auf allen persönlichen Ehrgeiz verzichten und als namenlosen Asketen ins Dschungel ziehen ließ und damit den Endmißklang nach Art des Pancatantra verbesserte? Er hat ja in ähnlicher Gesinnung die Lehre des Kautalya „verbessert" und sivaitische Mitleidsreligion mit ihr verquickt. Dies Abtreten des Politikers als Asket sieht nach Widerspruch zur Tradition, nach Erfindung des Dichters aus und wurde vielleicht gerade für diesen weltanschaulichen Zweck erfunden. Im III. Buch des Pancatantra wird in der Rahmengeschichte, die vom Kampf der Eulen und Krähen erzählt 2 , als politisches Problem das Verhältnis des Königs zum Minister, als eines der von Visäkhadatta behandelten 3 Hauptprobleme unseres Dramas dargestellt, und zwar steht dort dem am Ende siegreichen Rabenkönig, der seinem klugen Minister vertraut, der unterliegende Eulenkönig, der dem R a t seines klugen Ministers nicht folgt, gegenüber. Unter den Eulenministern erscheint ein gewisser Vakranäsa (Krummnase), ein bei Eulen durchaus angebrachter Name; in unserem Drama hieß einer der tüchtigen Minister des Nanda so 4 , also ein Minister der unterliegenden Partei wie im Pancatantra. In der Tradition vor Visäkhadatta 1
Mudrä. 114, 9, Vers 99. Vgl. Kaut. 135/6, 31: A m Tage tötet die Krähe die Eule, nachts die Eule die Krähe. Mbh X , 1: Aävatthäman beobachtet nachts die Eule, die die Krähen tötet. Kämandaki I X , 40; X V , 37; Jätaka 226 und 270. 3 Nicht das Ahikar-Problem der älteren Tradition. 4 Mudrä. 31, 8. 2
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ist er nicht nachweisbar. Dieser Vakranäsa erzählt seinem König im Pancatantra unter anderem die Geschichte des gütigen Königs Sibi 1 , auf die in unserem Drama (aber nicht in der Cänakya tradition) öfter angespielt wird 2 . Der Rabenkönig folgt als „unwissendes Kind", wie er selber sagt, gerne dem R a t des „vom Vater her auf sein Wohl bedachten" Ministers 3 , im Drama stellt Cänakya den Rakshasa dem Candragupta als den vom Vater ererbten vertrauenswürdigen Minister vor 4 . Auch dieser Punkt gehört zu den Neuerungen Visäkhadattas. Aber auch die Unterschiede zwischen Fabelbuch und Drama sind hervorzuheben. Im Pancatantra I I I ist das Hauptthema, d a ß der Eulenkönig dem mit der altberühmten „Zopyros-List" zu ihm übergelaufenen Rabenminister nicht hätte trauen dürfen; das wird im 1. Vers ausgesprochen, und dementsprechend wird am Schluß zu Vorsicht geraten. Eine abgeschwächte Form einer „Zopyrus-List" kommt im II. Akt des Dramas bei Siddhärthaka vor, der zu Rakshasa überläuft und angeblich wegen der Befreiung des Sakatadäsa von der Hinrichtung nicht wieder zu Candragupta zurück kann. Aus der älteren Cänakya-Tradition stammt dies Motiv offenbar nicht. Jener Rabenminister aber entspricht sonst dem Cänakya, auf den Visäkhadatta eine solche Prügelknabenrolle mit Recht nicht übertragen mochte. Der kluge Eulenminister, der die „Zopyruslist" des Rabenministers als einziger sofort durchschaut, mit seinem klugen R a t beim König aber nicht durchdringt, geht mit den Seinen fort und überläßt die törichten Eulen samt ihrem König dem Verhängnis der Rache der Raben. Er entspricht sonst dem Rakshasa, aber der wird von dem Prinzen Malayaketu nach voreiligem Urteil verjagt und geht fort, nicht um sein Leben zu retten, sondern um seinen gefangenen Freund, dem Goldschmied, das Leben zu erhalten, und zwar um den Preis des eigenen Lebens. Rakshasa gleicht damit dem Sibi, nicht aber jener Eulenminister. Visäkhadatta hat in Rakshasa eben eine Idealgestalt sivaitischer Selbstopferfreudigkeit hingestellt, eine moralische Haltung, die etwa in den Legenden um König Vikrama, aber nicht im Pancatantra üblich ist, das weltanschaulich dem Kautalya nahesteht, den Visäkhadatta ja verbessern wollte. Im Pancatantra I I I handelt es sich als ein wichtiges Problem um die Frage des königlichen Ministerrates. I m R a t der Raben dringt der kluge, vom Vater ererbte Minister durch, weil der König einsichtig und folgsam ist. Im R a t der Eulen aber folgt der König törichterweise der Mehrheit, die sich im Gegensatz zum einzig klugen Minister befindet. Auf Anraten des klugen Ministers schickt der Rabenkönig sogar seinen versammelten R a t fort, ehe der väterliche Minister ihm zur ZopyrosList rät, denn ein R a t bei weniger als sechs Ohren wird fruchtbar 5 . — Zu Anfang des Pancatantra I I I raten die Alten dem Rabenkönig, sich nach dem Staatslehrbuch zu richten und schleunigst seinen R a t zusammenzurufen, damit er sich nach deren Mehrheit richten könne. Der betreffende Satz im Fabelbuch ist fast wörtlich aus 1 2 3 4 6
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7. Sehaltgeschichte. Mudrä. 33, 12, Vers 25; 176, 8, Vers 149; 191, 5, Vers 158. Tanträ. 115, 18 f. Mudrä. 195, 15. Tanträ. 115, 17.
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dem Lehrbuch des Kautalya entlehnt 1 . Später aber entläßt derselbe Rabenkönig die Mehrzahl seiner Räte und hört nur auf einen Minister. Damit polemisiert das Pancatantra geradezu gegen Kautalyas vorgetragene Lehre vom Mehrheitsbeschluß 2 . In unserem Drama wird dagegen überhaupt kein Rat zusammengerufen, weder auf Seiten Candraguptas noch Malayaketus, sondern in beiden Lagern tritt nur je ein einziger Minister auf. Das lag in der Linie der Cänakya-Legende, entsprach aber auch der Weltanschauung des Visäkhadatta, die politische, historische Geschehen auf „große Männer" zurückführt. Man könnte dies so deuten, daß Visäkhadatta hier über das Pancatantra noch hinausging und dessen Richtung folgte, wenn es hier von Kautalya abwich. Er hat dann bei diesem wichtigen Problem des Pancatantra III Kautalya „verbessert" und sogar durch völliges Fortlassen der Ratsversammlungen das Pancatantra noch „verbessert" 3 , wie er Kautalyas Politik allgemein durch Sivaismus „verbesserte" und die Kritik am Schakal des Pancatantra I durch den Idealismus Räkshasas „verbesserte". Wenn man in dieser Weise Fabelbuch und Drama vergleicht, so ist zumindest deutlich, daß beide in einigermaßen ähnliche Gesellschaften gehören, in denen annähernd dieselben Probleme diskutiert wurden. Da das Pancatantra schon in der Mitte des VI. Jahrhunderts u. Z. ins Persische übertragen wurde, muß es eine geraume Zeit vorher schon verfaßt und in Indien berühmt geworden sein. Wenn Visäkhadatta schon zur Zeit des Candragupta II. um 400 u. Z., geschweige, wenn er später gelebt haben sollte, ist es durchaus möglich, daß er das Pancatantra gekannt hat, von diesem bedeutenden Werk beeindruckt war und sich seiner iivaitischen Einstellung entsprechend, aber auch als Verfechter eines Despotismus, in dem der Erste Minister die entscheidende Rolle spielen sollte, gelegentlich gegen das Pancatantra aussprechen mußte, das Despoten und Minister im I. Buch vom Blickpunkt des unterdrückten Volkes aus beide kritisierte. Nicht endgültig geklärt ist schließlich das Verhältnis Visäkhadattas zu Bhäravi und Mägha 4 , zu Bhartrhari 5 und Ratnäkara 6 . 4. ' B h ä s a ' s ' D r a m a P r a t i j n ä y a u g a n d h a r ä y a n a — S e i n g e g e b e n e s W o r t und Yaugandharäyana Das Pratijnäyaugandharäyana bedarf im Zusammenhang des Mudräräkshasa einer besonderen Erörterung 7 . Vergleicht man zunächst in großen Zügen beide Dramen, so ist das Bhäsa-Drama weit primitiver in Sprache, Technik und Inhalt. Auch bei Bhäsa handelt es sich aber um zwei streitende Könige und ihre beiden Minister, die durch Listen die Ziele ihrer Herren zu verwirklichen streben. Auch hier 1 Kaut. 11, 63f.; Tanträ. 1 0 9 , 5 ; darauf wies schon J . H e r t e l , Tanträkhyäyika, Leipzig 1909, I, 145 hin. 8 So schon Hertel a. a.. O. II, 117 Anm. 5. 3 Zugleich verarmt, denn das Problem des Mehrheitsbeschlusses ist als wichtig zu diskutieren. 4 Dhruva S. X f . ; Walimbe S. 3 f. der Introduction. 5 S. o. Vers 46 des Dramas; Dhruva S. X X . 6 Konow 70 nach Jacobi gegen Dhruva. 7 Kurze Hinweise bei Konow, Wintemitz (s. u. E) und Renou § 1861.
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kommt es im letzten Akt zur Aussprache zwischen den beiden Ministern. Der eine ist vom anderen besiegt worden, ist in des anderen Hand und verteidigt in lebhafter Diskussion seine und seines Herren Sache. Auch in diesem Drama handelt es sich, wie schon der Titel ausdrückt, um eine pratijnä, ein Wort, das der eine der Minister gibt und hält. Aber damit sind auch die Gemeinsamkeiten oder Ähnlichkeiten beider Dramen schon im wesentlichen erschöpft. Dem stehen große Unterschiede gegenüber: Der Inhalt des Bhäsa-Dramas ist eine Liebesgeschichte, und Politik spielt in ihm im Gegensatz zu Visäkhadattas Drama keine irgendwie nennenswerte Rolle. Es handelt sich um den aus der altbuddhistischen Literatur, aber auch aus der Brhatkathä (hier als Vater des H a u p t helden Naravähanadatta!) wegen seiner Liebensabenteuer bekannten König Udayana von Kausämbi. Er leitete sich von den Helden des Mahäbhärata her, von den Pändava, und, ob und wie er wirklich gelebt hat, ist einstweilen nicht ausgemacht 1 . Das Drama behandelt folgendes: Sein Hauptgegner war der nach puränischer Tradition damals größte Herrscher Nordindiens, Pradyota von Ujjayini. Diesem gelang es, Udayana listig zu fangen: Er ließ einen hölzernen Elefanten 2 machen, verbarg in ihm Krieger und ließ durch Agenten Udayana in das Dschungel in die Nähe des angeblichen Riesenelefanten locken; Udayana hatte nämlich die merkwürdige Jagdleidenschaft, ganz alleine Elefanten durch Spielen seiner Wunderlaute zu fangen. Dabei wurde er selber überwältigt und gefangen nach Ujjayini geschleppt. Dort wurde er Lautenlehrer der Prinzessin Väsavadattä, beide verliebten sich, und König Udayana entführte dank der listigen Vorbereitungen, die sein treuer Minister Yaugandharäyana getroffen hatte, die Geliebte. Der Vater der Prinzessin gab seine Einwilligung zur Heirat. Es handelt sich also im Gegensatz zum Mudräräkshasa um eine private Angelegenheit Udayanas, nicht etwa um eine politisch notwendige Eheschließung. Es kämpfen zwei Könige, der hitzige, unüberlegte Udayana, der trotz Warnung zu jenem merkwürdigen Elefanten in das Dschungel geht, nur von wenigen begleitet, von denen einer vom Feinde heimgeschickt wird, um die Nachricht zu hinterbringen; die anderen fallen um ihren König. Ihm steht Pradyota gegenüber, dessen Leuten die Gefangennahme gelingt, der den Gefangenen ehrenvoll und menschlich behandeln läßt, der gerade einen Freier für seine Tochter sucht, der ihr Udayanas Laute übergeben läßt und schließlich die Entführung als legale Eheschließung anerkennt. Mit dem Gedanken, seine Tochter dem gefangenen Udayana zu geben, beschäftigt er sich schon vorher (II. Akt) 3 und berät die Frage mit seiner Frau, ohne freilich dort schon zu einer Entscheidung zu kommen. Wer von den beiden Königen am Ende als der Sieger dasteht, ist nicht ganz klar, denn zumindest hat keiner eine entscheidende Niederlage erlitten. Udayana war zwar gefangen, ist aber entkommen; Pradyota, der zunächst zwar siegreich war, hat seine Tochter mit dem Gefangenen verloren; und dieser Verlust schadet ihm politisch so wenig, wie dem Udayana die Entführung der Prinzessin politisch nützt. Diese Frage hat der Dichter gar nicht berührt; er hat auch nicht etwa den einen König 1
N. N. Ghosh, A n Early History of Kausämbi, Allahabad 1935, lOff.: z. Z. Buddhas. Vgl. Rüben 1954b 183: „trojanisches Pferd". 3 Aber er veranstaltete nicht die List mit dem hölzernen Elefanten, wie in der Brhatkathä, um Udayana mit seiner Tochter zu verbinden. 2
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als den Held, den anderen als seinen bösen Gegenspieler hinstellen wollen. Bei einem Vergleich unserer Dramen müßte man den unüberlegten Udayana allenfalls Malayaketu gegenüberstellen, dann aber Pradyota dem Candragupta als Sieger, und beides paßt nicht. Wie steht es ferner mit den beiden Ministern ? Yaugandharäyana ist, wie der Titel anzeigt 1 , die Hauptgestalt. Das Drama beginnt damit, daß Yaugandharäyana von dem hölzernen Elefanten durch seinen Spion zu spät erfährt 2 ; der König ist bereits am Vortage gefangen worden, während der Minister erfährt, die Jagd solle am nächsten Tage stattfinden. Das ist ein Fehler, wie er Cänakya und seinen Spionen nicht widerfährt. Yaughandharäyana gibt dann sein Wort, den König zu befreien. Im dritten Akt arbeitet er als Verkleideter in der Stadt des Feindes an der Befreiung. Da erst erfährt er durch den Vidüshaka 3 , daß Udayana sich in Väsavadattä verliebt hat und nur mit ihr gemeinsam nach Kausämbl heimkehren will. Wieder erfährt Yaugandharäyana eine wichtige Sache später, als es in seine Pläne paßt; und wieder gibt er sein Wort, nicht nur seinen Herren, sondern auch dessen Geliebte heimzuführen. Die Befreiung Udayanas und die Entführung der Väsavadattä gelingen, aber dabei wird Yaugandharäyana selber gefangen 4 ; dies ist sein dritter Fehler im Drama, dem Dichter erwünscht, weil er so die Minister der beiden Könige zusammenbringen und die Rechtslage diskutieren lassen konnte. Pradyotas Minister Bharatarohaka 5 tritt nur im IV. Akt in dieser Diskussion auf: ist er dort der Sieger über Yaugandharäyana? Das kann man nicht sagen, denn König Pradyota willigt in die Ehe und ehrt den gefangenen Yaugandharäyana mit einem goldenen Gefäß als Geschenk. Yaugandharäyana steht also am Ende als derjenige da, der seinem Herren die Geliebte verschafft hat, als der Erfolgreiche, sein Gegenspieler Bharatarohaka aber als der nur vorübergehend 6 Erfolgreiche. Man kann daher die beiden Minister des Bhäsa nicht den beiden des Visäkhadatta an die Seite stellen 7 . Bhäsa hat das gegnerische Paar nicht so wie Visäkhadatta mit verschiedenen Charakteren 8 ausgestattet und zwischen ihnen kein lebhaftes, geschweige politisches Intrigenspiel stattfinden lassen 9 . Für Visäkhadatta war das Verhältnis des Despoten zum Minister ein großes Problem, nicht so für Bhäsa. Beide Könige Bhäsas haben ihre Ziele und Wünsche, und ihre Minister sind dazu da, sie auszuführen und die dafür notwendigen Listen zu erfinden und in die Tat umzusetzen. Bhäsa hat aber dies Herr-und-Diener-Verhältnis nicht etwa vielseitig beleuchtet oder gar denkerisch angefaßt wie Visäkhadatta. Nur Pradyota erwähnt einmal, daß sein Gegner Udayana der berühmte A u c h Räkshasas N a m e erscheint im Titel des Dramas. Dies fehlt in der B r h a t k a t h ä . 3 Eine komische Figur fehlt in der B r h a t k a t h ä ; dort dringt Y a u g a n d h a r ä y a n a bis in den H a r e m der Prinzessin. 4 A u c h die Gefangennahme fehlt in der B r h a t k a t h ä . 5 E r fehlt in der B r h a t k a t h ä . 6 D u r c h U d a y a n a s und Y a u g a n d h a r ä y a n a s Gefangennahme. ' E t w a Y a u g a n d h a r ä y a n a dem Räkshasa (s. o. A n m . 1 : Titel) oder C ä n a k y a (wegen dem Enderfolg) ? 8 P r o b l e m : Politik u n d Mitleid. 9 Y a u g a n d h a r ä y a n a rechnet nicht mit Bharatarohaka bei der Vorbereitung seiner List. 1
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Held, dessen Minister aber der Kluge ist 1 , eine sehr primitive Aufgabenteilung. Und bei Dienern unterscheidet er ebenso naiv zwischen dem, der seinen Herren wirklich liebt und dem, der von seinem Herren nur gekauft ist; nur der erstere, der seinem Herren dankbar ist, wird schwierige Aufgaben lösen, der zweite wird das Schicksal als Ausrede verwenden und entweder Mißerfolg haben oder nicht 2 . Zwischen beiden Ministern kommt es im letzten Akt zu jener Aussprache 3 ; diese aber ist für die Handlung belanglos. Der König Pradyota weiß von ihr nichts, kümmert sich nicht um sie, zeigt vielmehr dem gefangenen Yugandharäyana seine Gnade und erklärt sich einverstanden mit der Entführung. Diese Aussprache zeigt also nur, daß beide Minister ihren Herren treu ergeben sind, die Wünsche und Handlungen ihrer Herren für berechtigt halten und als rechtlich vertreten. Dabei tritt Yaugandharäyana als der in Versen redende und, man hat den Eindruck, nach Absicht des Dichters im Grunde triumphierende auf, während Bharatarohaka hier nur in Prosa spricht und, obgleich er äußerlich als der Sieger dasteht, doch nur in der Verteidigung ist. Das ist freilich nicht seine Schuld, denn er kann nicht wissen, daß sein Herr sich die Entführung inzwischen als zufriedenstellend überlegt hat. Aber auch Yauhandharäyanas Triumph in der Verteidigung seiner Sache steht hier auf schwachen Füßen. Er hat zwar recht, wenn er anführt, daß Pradyota mit seiner Elefantenlist den Streit der Könige begonnen hat 4 , und daß Udayana die Entführung nicht als beleidigenden Mädchenraub, sondern als regelrechte Eheschließung gemeint hat 5 . Aber dann führt er an, daß Pradyota dem Udayana gegenüber zu Dank verpflichtet ist, weil er ihm gegen seinen wildgewordenen Elefanten geholfen habe, so daß der Hof von Ujjayini weder Schande (mit dem Elefanten nicht fertig zu werden) noch Verluste an Menschenleben davongetragen habe 6 . Dabei hat er, wie der Zuschauer sich erinnert, selber mit Hilfe seiner Agenten jenen königlichen Elefanten in Raserei versetzt 7 ; das gehörte ganz wesentlich zu seinem Befreiungsplan. Im Vergleich zu Visäkhadatta hat Bhäsa also weder seine beiden Könige, noch die beiden Minister als problematische Charaktere einander gegenüberzustellen vermocht. Es handelt sich bei ihm auch nicht um so große Themen wie Fatalismus (obgleich Yaughandharäyana einmal das Schicksal als mächtiger als den wachsten Politiker preist) 8 , geschweige die Frage der Niedrigkeit des Barbaren 9 . Keine Spaltung wird als diplomatisches Mittel versucht. Die Bedeutung des Volkes tritt nicht hervor (nur hebt Pradyota einmal hervor, daß das Volk Udayana liebt) 10 . Das Problem des „großen Mannes" wird nur einmal gestreift, als Yaugandharäyana nicht alleine die Aufgabe der Befreiung seines Herren übernehmen will, sondern fordert, 1
Akt II, Vers 9, S. 57. Dies fehlt in der Brhatkathä. Akt I, Vers 3, S. 6f.; s. o. Kaut. 3 Sie fehlt in der Brhatkathä. 4 Akt IV, Vers 17, S. 120. 5 Vers 18. 6 Vers 19. 7 III. Akt, S. 90; dies fehlt in der Brhatkathä. 8 S. 18, 3. 9 Pulinda helfen in der Brhatkathä, aber nicht im Drama: Kshem. II, 2, 62f. = Kathäs. 12, 45f.; Kshem. 162 = Kathäs. 13, 38ff.; Kathäs\ 13, II. 10 S. 61, 2; dies merkt auch Kathäs. 12, 35 an. 2
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daß der ganze Kreis der Berater und Freunde des Königs zusammenwirkt 1 , und das, als Udayana den aus dem Dschungel entlassenen Begleiter gerade zu Yaugadharäyana alleine als seinen Befreier aussendet. Man sieht also, daß Bhäsas Interesse an Politik äußerst gering ist. Bhäsa hat, falls er wirklich der Verfasser dieses Dramas war, diesen Stoff (wie Visäkhadatta) aus der Brhatkathä übernommen, aber stark umgestaltet (falls wir die Brkatkathä richtig rekonstruieren) 2 . In ihr spielte Bharatarohaka gar keine Rolle und gab Yaugandharäyana sein Wort nicht einmal, geschweige zweimal. Es ist für unsere Zwecke nicht notwendig, einen Vergleich des stark abweichenden Ablaufs der Handlung im Drama und in der Erzählung im einzelnen durchzuführen. Nur das braucht hervorgehoben zu werden, daß gerade die Momente, die in den beiden Dramen des Bhäsa und Visäkhadatta zu einer vergleichenden Betrachtung reizen, eben das Gegenspiel der beiden Minister, die Gefangennahme des einen und die Diskussion der beiden im letzten Akt, und endlich das Motiv des Wortgebens, in der rekonstruierten alten Erzählung nicht vorkommen. Dies dürften also von Bhäsa der Erzählung hinzugefügte Momente sein. Da nun das erst vom Dramatiker erfundene zweimalige Wortgeben Yaugandharäyanas künstlicher anmutet als Cänakyas einmaliges, altüberliefertes, möchte ich eher annehmen, daß, wenn überhaupt, dann Bhäsa von Visäkhadatta angeregt wurde als umgekehrt. Zur Entscheidung dieser Quellenfrage ist auch das dichterische Niveau beider Dichter zu vergleichen. Bei Visäkhadatta ist deutlich, daß es sich um einen höchst eigenartigen, gelehrten, logisch arbeitenden Dichter handelt. Bei Bhäsa ist es ganz anders. Er hat der Erzählung anscheinend den ganzen dritten Akt hinzugefügt, der sehr merkwürdig und witzig ist (wenn wir auch den Witz großenteils noch nicht verstehen) 3 . Yaugandharäyana arbeitet hier gemäß seinem Vorsatz nicht alleine, sondern weilt mit R u m a n v ä n 4 und Vasantaka, zwei anderen Getreuen Udayanas, heimlich in Ujjayinl. Yaugandharäyana ist als Irrer verkleidet, Rumanvän als buddhistischer Mönch und Vasantaka als frommer Bettler; er spielt zugleich die Rolle des Vidüshaka, der komischen Figur. Diese drei treffen sich zu geheimer Beratung in einem Sivatempel. Fast die Hälfte des Aktes reden sie ihrer Verkleidung gemäß offenen Unsinn, der vermutlich einen heimlichen Sinn hatte; dann erst gelingt es ihnen, an stillem Ort unter sich zu beraten (sonst würde der Zuschauer ja gar nichts von ihren Plänen verstehen!). Der Akt endet mit einer Prügelszene des „irren" Yaugandharäyana. Kann uns schon dieser Akt trotz allem Witz nicht befriedigen, so ist es auffallend, daß Udayana und Väsavadattä in dem ganzen Drama überhaupt nicht auftreten. Pradyota, der große König, ist einmal geradezu komisch hingestellt, wie er die Nachricht von der Gefangennahme Udayanas gar nicht fassen kann 5 . In der anschließenden Unterhaltung mit seiner Frau über die Möglichkeit 1
S. 36, l f . ; vgl. Kshem. II, 2, 59: Zusammenwirken der sahäya in der N o t ; nichts Entsprechendes in Kathäs. 12, 34ff. 2 Kshem. II, 2, 31 ff.; Kathäs. 12, 9ff. Über die buddhistische Version s . u . S. 190 Anm. 4. 3 Darum bemüht sich Ganapati Shastri in seinem Kommentar. Nichts ist davon in der Brhatkathä. 4 Rumanvän bleibt in Kausämbi: Kathäs. 12, 39. Bei Kshem. II, 2, 59 wird dies nicht erwähnt, aber auch hier ist nur Vasantaka der Begleiter Yaugandharäyanas. 6 S. 56; fehlt in Brhatkathä.
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der Verheiratung der Tochter wirkt das königliche Paar durchaus kleinbürgerlich 1 . Die Minister haben, wie gesagt, keine Charaktere, die einen Eindruck hinterließen. Kurz, Visäkhadattas Drama mag ein wenig unmenschlich 2 , allzu politisch sein; Bhäsas Drama aber hat allzuwenig Probleme, bleibt zu sehr bei dem überlieferten anekdotischen Liebesstoff und bleibt allzu primitiv in der Ausgestaltung der Akte und Szenen. Dieser Unterschied im Niveau zusammen mit der Wiederholung des Wortgebens scheint mir wieder dafür zu sprechen, daß, wenn einer, dann Bhäsa der Nachahmer ist, nicht Visäkhadatta. Bei Bhäsa ist längst aufgefallen, daß er erstens einen Vers mit Kautalya gemeinsam hat, freilich nur einen Vers, der nicht etwa von Staatslehre handelt, sondern Truppen vor der Schlacht rezitiert werden soll, um sie zu selbstlosem Kampf für ihren Herren aufzurufen 3 . Den Vers mag Bhäsa aus Kautalya entnommen haber, oder er mag damals weiter verbreitet gewesen sein 4 . — Weiter tadelt der Poetiker Bhämaha die Art, wie Udayana sich von dem hölzernen Elefanten übertölpeln ließ; er könnte damit auf Bhäsas Drama anspielen 5 ; das paßt insbesondere zu einem Satz des Dramas, der in der Brhatkathä unseres Wissens nicht stand 6 , wenn auch nicht zu allen Vorwürfen Bhämahas im einzelnen 7 . Wenn richtig ist, daß Bhämaha heute allgemein in d a s letzte Viertel des VII. Jahrhunderts u. Z. versetzt wird, müßte Bhäsa etwas älter, Visäkhadatta noch älter sein, und in der Tat nimmt man ja mehrfach an, daß er unter Candragupta II. um 400 u. Z. gewirkt hat. Bhäsa könnte dann sein Drama, dessen Stoff er wie Visäkhadatta der Brhatkathä entnahm, in einigen Einzelheiten von Visäkhadatta angeregt, geschrieben haben, vielleicht gerade, um dessen allzuernst-politischem Drama, in dem die Könige neben ihren Ministern stark zurücktreten, ein Liebesdrama eigenmächtiger Despoten und ihrer treuen, listenreichen und sogar mit Waffen selber kämpfenden Minister 8 entgegenzustellen. I n dieser Weise sollten die indischen Völker im allgemeinen ihre Herren sehen 9 . Visäkhadattas Schilderung aber paßte nur für einen kleinen, vermutlich hochgestellten Kreis der indischen Gesellschaft, der in den Ministern die treibende K r a f t in der Politik und Geschichte sehen wollte und sollte
5. V i s ä k h a d a t t a s D r a m a D e v i c a n d r a g u p t a Um des Dichters Charakter und Absicht zu verstehen, ist es nützlich, unser Drama mit Visäkhadattas anderem Drama, dem Devicandragupta zu vergleichen, das 1
Fehlt in Brhatkathä. Nach Renou § 1861 ist Pratijnäyaugandharäyana menschlicher als Mudräräkshasa. 3 Bhäsa, IV. Akt Vers 3 gleicht Kaut. 150/2, 36. 4 Das letzte Versviertel findet sich auch bei Vämana V, 2, 30 (Konow). 5 Bhämaha IV, 40 ff. 6 Bhämaha IV, 44 paßt zu Pratijnayau. 25, 4ff. (fehlt Kathäs. 12, 20f. oder Kshem. II, 2, 42f.). — Bhämaha IV, 41: Sälankäyana paßt zu Pratijnäyau. S. 28, 50 und 55 (Brhatkathä fehlt er). 7 Vgl. die Note S. 80 bei Bhämaha. 8 Yaugandharäyana ist damit in Gegensatz zu Cänakya und Rakshasa gestellt. ' S. u. Devicandragupta, S, 187 Anm. 3, 2
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bisher leider nur aus wenigen Zitaten bekanntgeworden ist. Dies behandelt den Beginn der Herrschaft Candraguptas II. aus der Guptadynastie 1 . Dieser Candragupta h a t t e einen älteren Bruder R ä m a g u p t a , der als König von einem Sakakönig besiegt wurde u n d ihm in der Friedensverhandlung seine Königin Dhruvadevi abzutreten versprechen mußte. Der Ministerrat drängte den König, diese entehrende Bedingung anzunehmen. Das Drama beginnt damit, daß Candragupta im Heerlager sinnt, wie er die Lage retten kann. Da bringt eine Dienerin der Königin deren Kleid und Schmuck einer Hetäre, die gerade bei ihm weilt, als Zeichen ihrer Gnade und Zuneigung (bzw. Eifersuchtsfreiheit). Das bringt Candragupta auf den entscheidenden Gedanken: Er verkleidet sich als die Königin und eine kleine Truppe als ihre Frauen, u m sich so dem Saka als Königin übergeben zu lassen. I m II. Akt spricht er sich mit seinem älteren Bruder aus; die Königin hört alles mit an. Sie gewinnt höchste Achtung für Candragupta, ja vielleicht mehr als nur Achtung, und Verachtung f ü r den König. I m I I I . Akt wird berichtet, daß Candragupta den Saka erstochen hat. I m IV. und V. Akt wird Candragupta, den die Königin jetzt offenbar liebt, wie er sie, seinem Bruder verdächtig. Im VI. und VII. spielt er offenbar einen Verrückten, u m an seinen Bruder heranzukommen; er ermordet ihn, heiratet die Königin und besteigt den Thron. Wieweit der Dichter hier die geschichtlichen Ereignisse treu wiedergibt, ist noch umstritten 2 . Eine Reihe der Motive des Dramas gehört offenbar zum reichen Schatz indischer Erzählungsliteratur. Der Stoff ist grauenvoll: Brudermord, Heirat der Schwägerin, der Witwe des älteren Bruders usw. Ausgelöst wird die grausige Folge von Ereignissen durch einen siegreichen Saka-Fürsten, also einen Barbaren, der die F r a u des besiegten Königs für sich, f ü r seinen Harem verlangt. Ein solcher Sieger wird in der Staatslehre des K a u t a l y a als ein „dämonischer" Sieger bezeichnet, im Gegensatz zu einem rechtlichen, der sich mit einem Tribut des Besiegten begnügt 3 . W e n n der Dichter Candragupta sich als Frau verkleiden und den Barbaren ermorden läßt, so ähnelt das der berühmten epischen Geschichte 4 des Pandava-Helden Bhima, der sich als D r a u p a d ! verkleidet und zum Stelldichein mit dem wild verliebten, tugendlosen Kicaka ging und ihn ermordete. Diese epische Episode ist von Dandin im Dasakumäracarita nachgeahmt worden 5 : Ein Prinz liebt eine Kaufmannstochter und geht in dem Kleid ihrer vertrauten Freundin mit ihr zu dem Vetter des Königs, einem berüchtigten Ehebrecher, der dem Mädchen nachstellt; er ermordet ihn und heiratet das Kaufmannsmädchen. Es ist also durchaus nicht 1 Vgl. V. Raghavan, The Social Play in Sanskrit, The Indian Institute of Culture, Basavangudi, Bangalore, Transaction No. 11, 1952, S. 7ff.; ders. Journal of the Benares Hindu University II, 1937 — 8, 23ff. — Walimbe S. 5 d. Introduction: Ein Ms. in Gujerat gefunden. Renou § 1869. 2 Avd. Hist. 148f. läßt die Frage offen. Walimbe 5f.: Dr. S. K. Aiyangar hält das Drama für zuverlässig. 3 Kaut. 162, 11 ff.; vgl. Raghuv. X V I I , 76; IV, 43. 4 Mbh. Virätaparvan 13 ff. 1 Rüben 1952a 60ff.
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unmöglich, daß Viáákhadatta sich durch die Draupadi-Geschichte oder eine ihrer Varianten anregen ließ. Wenn der Dichter Candragupta danach seinen älteren Bruder ermorden, Dhruvadevi heiraten und den Thron besteigen ließ, so mag er dabei an die berühmte Episode am Affenhof in Kishkindhä, wie sie im IV. Buch des Rämäyana erzählt wird, gedacht haben. Välin, der Affenkönig, kehrte von einem Kampf mit einem Dämon nicht heim; sein jüngerer Bruder Sugrlva bestieg den Thron. Da aber erschien wider Erwarten der totgeglaubte ältere Bruder, stieß den jüngeren, Sugriva, vom Thron, nahm die Herrschaft und behielt Sugrlvas Weib, Rumä, in seinem Harem; Sugrlva aber besiegte später mit Rämas Hilfe Välin und bekam jetzt seine Rumä wieder, dazu aber auch die Frau des älteren Bruders, Tärä, und gerade sie tritt im Epos als eine starke und kluge Frau auf 1 . Viáákhadatta hätte also diese epische Episode als Rechtfertigung für seinen Candragupta anführen können, der seinen älteren Bruder erschlug und dessen Weib nahm. Wer weiß, ob er nicht in seinem Drama gelegentlich darauf anspielte. Im Drama raten die Minister dem König, seine Frau dem Sieger auszuliefern. Ganz alleine unternimmt Candragupta eine tollkühne Tat, um diesen schmählichen R a t zum Guten zu wenden. Man denkt dabei daran, daß im Mudräräkshasa gar kein R a t der Minister zusammentritt, daß dort die beiden Minister Cänakya und Räkshasa alleine handeln, daß im Pañcatantra I I I der Mehrheitsbeschluß des Rates ebenfalls verurteilt wird, im Kautaliya aber der Mehrheitsbeschluß als zu befolgen hingestellt worden war 2 . Viáákhadatta hat also in bezug auf dies Problem in beiden Dramen dieselbe Einstellung. Aber in diesem Drama Devicandragupta hat er, soweit wir bis heute aus den Fragmenten ersehen, keine Minister als die leitenden Persönlichkeiten eingeführt, sondern hat Candragupta selbständig und ungeheuer kühn siegreich werden lassen; erst im Handstreich gegen den Barbaren, dann in der Beseitigung seines eigenen älteren Bruders. Dieser Candragupta II. ist also im Charakter ganz anders gezeichnet als Candragupta Maurya in unserem Drama. Gerade darin aber muß man wohl eine Absicht des Dichters sehen. Man könnte meinen, er habe erst im Mudräräkshasa nach seiner eigenen Überzeugung den Minister als alleine leitend, den König als folgsam, lenkbar und sich bescheidend dargestellt, habe dann am Hofe Candraguptas I I . seine Ansicht ändern müssen und das neue Drama zur Ehrenrettung des Königs 3 als des allein Aktiven geschrieben, und, weil dies im Grunde nicht seiner Meinung entsprach und von ihm nur künstlich und unecht vertreten wurde, die Tatkraft des jungen Fürsten und die Grausigkeit seiner Handlungen so übertrieben. Man könnte aber ebensogut umgekehrt dies Drama des siegreichen, märchenhaft heldischen, skrupellosen Candragupta I I . für ein unreifes, noch reichlich grausliches Jugendwerk erklären, über das der Dichter in seinem Mudräräkshasa hinausgewachsen sei. Einstweilen sind unserer Phantasie, was die Chronologie angeht, keine Schranken gesetzt, aber daß die beiden Dramen des Dichters sich widersprechen und verbessern sollen, daran kann wohl keiner zweifeln. 1 s 3
Rüben in ZDMG 100, 304 ff. S. o. I I C 3, S. 180 Anm. lff. S. o. P r a t i j ñ a y a u ; S. 185 Anm. 9.
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Daß sie aber beide von demselben Dichter stammen, daran ist wohl auch nicht zu zweifeln. Gerade die Gemeinsamkeit dieser Probleme des Verhältnisses des Ministers zu seinem König und des Ministers zum Ministerrat sprechen dafür. Dazu kommt, daß in beiden Dramen der böse Gegenspieler ein Barbarenkönig ist, der wegen seinem Unrecht unterliegt. Dazu kommt aber auch folgendes: Im I. Akt des Devicandragupta folgt auf eine lange Exposition am Ende der Beginn der Handlung, ausgelöst dadurch, daß der Prinz Candragupta zufällig in den Besitz des Kleides und Schmuckes der Königin kommt. Das erinnert durchaus an die Disposition des I. Aktes des Mudräräkshasa, in dem Cänakya nach der langen Exposition zufällig in den Besitz des Siegelringes des Räkshasa gelangt, der ihm den Weg zeigt, wie er seine Handlung einzufädeln hat. Das Drama des Candragupta II. hilft uns also tatsächlich zum besseren Verständnis des Dramas des Candragupta Maurya, wenn es auch zugleich neue Rätsel aufgibt 1 . 6. D a s J ä t a k a d e s w e i s e n O s a d h a k u m ä r a (Nr. 546) Das 546. J ä t a k a ist eine lange Geschichte von zwei sich bekriegenden Königen und ihren beiden Ministern. Es steht also stofflich unserem Drama, dem des Bhäsa und dem Pancatantra I I I , nahe. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind zu untersuchen. Die Geschichte des weisen Osadhakumära läßt sich in fünf Abschnitte unterteilen, von denen nur die beiden letzten für unser Thema wichtig sind. Im I. Abschnitt handelt es sich um die Jugendgeschichte des Weisen. Der König Videha (er trägt den Namen seines Volkes) in der Stadt Mithilä hatte vier Ratgeber: Senaka usw. Der König träumte von einem fünften Minister, der die vier überragen sollte, und fand ihn schließlich nach allerhand Weisheitsproben in dem Kaufmannssohn Osadha. Unter den Proben findet sich eine Variante des Salomonsurteils 2 und anderer berühmter Geschichten. Der weise Knabe bestand die Probe siegreich gegen die Umtriebe der vier Minister, aber unterstützt von der Königin Udumbarä. Zum Schluß veranstaltet der König einen Redewettkampf zwischen dem Knaben und Senaka usw. über die Frage, ob ein Weiser oder ein Mächtiger den Vorrang verdienen. Das erinnert an Diskussionen wie die im Staatslehrbuch des Kautalya darüber, ob ein dummer aristokratischer oder ein kluger Prinz unedler mütterlicher Abstammung vorzuziehen sei 3 . Osadha spricht für die Weisheit, Kautalya aber für edle Abkunft. Der II. Abschnitt handelt von der klugen Brautwahl des 16jährigen Osadha. Er findet eine kluge, sparsame, tüchtige und ihm sklavisch ergebene Frau dadurch, daß er im Hause eines verarmten Kaufmannes 4 eine Tochter wählt, die fast aus nichts ein Mahl hervorzaubern kann. Das Thema ist in Indien mehrfach variiert worden und ähnelt teilweise Märchen vom Typ des Königs Drosselbart 5 . 1 E s gab vielleicht auch ein Räma-Drama des Visäkhadatta: Dhruva S. X I I zitiert einen Vers daraus aus dem Saduktikarnämrta. Renou § 1869 erwähnt Zitate aus einem galanten Stück (Abhisärikä bandhitaka) des Dichters. 2 Vgl. Rüben 1944, 13 Anm. 48. 3 Kautalya 122/3, 27 — 29. Vgl. Sanatkumäras Lehre in Chänd. Up. VII, 8, 1, daß ein Starker hundert Gelehrte zittern macht. 4 Also seiner eigenen Kaste. 6 Vgl. Rüben 1952a, 55f.; Winternitz 112f.; Eberhard, W. und Borataw P. N., Typen türkischer Volksmärchen, Wiesbaden 1953, Typ. 367,
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Im III. Abschnitt intrigiert Senaka mit seinen Helfern gegen den weisen jungen Mann weiter und versucht ihn durch Unterschieben königlichen Schmuckes beim König zu verleumden, was an Joseph erinnert, der Benjamin seinen goldenen Becher unterschob, ein altorientalisches Motiv des Ahikar-Äsop-Kreises1. Osadha muß fliehen, aber seine kluge Frau läßt den König die Wahrheit erfahren. Eine Gottheit legt dem König eine Rätselfrage vor, seine vier bösen Ratgeber vermögen sie nicht zu beantworten, der König läßt daher Osadha suchen und holen, und der beantwortet die Frage spielend. Auch dies Motiv des vom König in der Not wieder begünstigten Verleumdeten stammt aus dem Ahikar-Kreis2. Dabei diskutieren die vier bösen Minister mit dem weisen Osadha vor dem König über die Frage, ob und wie ein Ratsbeschluß geheimgehalten werden soll und kann. Hier tritt Osadha für absolute Geheimhaltung ein, ähnlich etwa wie Kautalya. I V . A b s c h n i t t : Osadha ist j e t z t der erste Minister des Königs Videha u n d bereitet die S t a d t Mithilä f ü r eine mögliche Belagerung vor, versendet gleichzeitig vorsorglich a n 101 umliegende Könige Geschenke u n d l ä ß t sich bei ihnen seine Geheimagenten einnisten. Sein Spion, ein Papagei, berichtet i h m v o n Kriegsabsichten des Königs C ü l a n l b r a h m a d a t t a der P a n c ä l a in der S t a d t K ä m p i l y a . Dessen listiger Minister K e v a t t a wollte ihn zum H e r r e n ganz I n d i e n s m a c h e n . E r beriet sich d a r ü b e r m i t seinem König ganz allein in einem P a r k , aber Osadhas P a p a g e i belauschte sie. Sogar K a u t a l y a berichtete w a r n e n d , m a n h a b e gehört, d a ß Papageien u n d Starenweibchen geheime B e r a t u n g e n gesprengt h ä t t e n 3 . K e v a t t a wollte, d a ß sein K ö n i g erst einen feindlichen König d u r c h D r o h u n g als Helfer gewinnen, m i t dessen H e e r einen zweiten d r o h e n d gewinnen sollte, d a n n einen d r i t t e n usw., bis er die 101 Könige ringsherum sich u n t e r w o r f e n h ä t t e . Dies ist ein Vorgehen, das K a u t a l y a d e m j e n i g e n riet, der die W e l t h e r r s c h a f t gewinnen wollte 4 . K e v a t t a riet weiter, der Videha sollte d a n n alle 101 Könige zu einem Siegesfest einladen, bewirten, vergiften. Der K ö n i g ging auf diesen R a t ein, K e v a t t a u n t e r w a r f i h m alle 101 Könige, aber er w a r n t e seinen H e r r e n einzig vor Mithilä u n d Osadha als unbesiegbar. Osadha aber verhinderte, d u r c h seine A g e n t e n , d a ß K e v a t t a die 101 Könige vergiftete. E r ließ seine L e u t e nämlich bei dem F e s t den E h r e n s i t z f ü r ihren K ö n i g b e a n s p r u c h e n . Sie w u r d e n höhnisch abgewiesen, b e g a n n e n Streit u n d vernichteten dabei die vergiftete Speise. Dieser Streit erinnert a n die K r ä n k u n g C ä n a k y a s d u r c h N a n d a , als er v o m E h r e n s i t z v e r s t o ß e n w u r d e 6 . Aber die U n t e r schiede sind n i c h t zu übersehen: I m J ä t a k a h a n d e l t es sich n i c h t u m die K r ä n k u n g eines B r a h m a n e n (und nicht e t w a u m den weisen Osadha). W ü t e n d über die V e r h i n d e r u n g seines Anschlages b e f a h l der P a n c ä l a den 101 Königen den K a m p f gegen Osadha u n d den Videha. E r b e n a h m sich dabei so hitzig u n d unüberlegt wie in unserem D r a m a e t w a M a l a y a k e t u , der m i t seinen B a r b a r e n gegen C ä n a k y a zog. Vergeblich w a r n t e K e v a t t a seinen H e r r e n , f ü g t e sich i h m d a n n aber u n d b e g a n n m i t d e m Heere die Belagerung. I n der belagerten S t a d t aber erschreckte Osadha erst den K ö n i g Videha aus erzieherischen G r ü n d e n u n d versprach i h m d a n n Hilfe u n d Sieg. Der erste Angriff w u r d e abgeschlagen. O s a d h a m a c h t e die Anschläge, der S t a d t das Wasser abzuschneiden u n d sie a u s z u h u n g e r n , zunichte. E r h a t t e j a in m ä r c h e n h a f t e r Weise f ü r die Belagerung vorgesorgt. Schließlich zeigte 1
Vgl. R ü b e n , W., Die Philosophen der U p a n i s h a d e n , B e r n 1947, 102. S. o. iSakatära. — Die letzte F r a g e m e i n t einen B e t t e l a s k e t e n , der lästig u n d doch beliebt ist. Vgl. dazu K ä . Sü. I , 2, 48; P a ñ c . I, ed. Kielhorn 1896, ál. 156; Sarv. Daré. Samgr. I , 3 5 f . ; P a t a ñ j a l i M a h ä b h ä s h y a I I , 194, 17f.; R ü b e n 1954c, 287. 3 K a u t a l y a 11, 4. Vgl. J ä t a k a 127: P a p a g e i als B o t e ; J ä t a k a 145, á u k a s a p t a t i usw. 4 K a u t a l y a 174/75, 78f. 5 S. o. B r h a t k a t h ä usw. 2
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er dem K e v a t t a in einer persönlichen Begegnung seine geistige Überlegenheit. K e v a t t a zeigte sich dabei geradezu geldgierig, aber Osadha h a t t e ihn richtig eingeschätzt, spielte i h m einen k o s t b a r e n S c h m u c k in die H ä n d e u n d t r i u m p h i e r t e . Osadha s a n d t e d a n n einen listenreichen R a t g e b e r , A n u k e v a t t a , aus. E r w u r d e v o n den Vidcha als scheinbarer V e r r ä t e r aus der S t a d t gejagt, ging scheinbar zu d e n P a n c ä l a über, spielte d o r t den Märtyrer, wie es in der sogenannten Zopyros-List üblich ist u n d im D r a m a etwa bei S i d d h ä r t h a k a v o r k o m m t 1 . E r erlangte d a d u r c h beim P a n c ä l a eine Stellung ähnlich der B h ä g u r ä y a n a s bei M a l a y a k e t u . E r wies d e m König n a c h , d a ß die 101 Könige u n d sogar K e v a t t a v o n Osadha Geschenke ang e n o m m e n h a t t e n , m a c h t e sie i h m d a d u r c h v e r d ä c h t i g wie im D r a m a S i d d h ä r t h a k a dem M a l a y a k e t u R ä k s h a s a u n d die f ü n f B a r b a r e n . E r schüchterte ihn d a d u r c h ein u n d riet i h m zu nächtlicher F l u c h t . E r ließ einige T r u p p e n des P a n c ä l a in einem hoffnungslosen Angriff u n t e r g e h e n u n d floh mit dem R e s t . U m g e k e h r t reizen im D r a m a C ä n a k y a s A g e n t e n M a l a y a k e t u zum Angriff. Y. A b s c h n i t t : E i n J a h r später sann K e v a t t a auf R a c h e an Osadha. E r beredete den P a n c ä l a , den Yideha d a d u r c h in seine Gewalt zu b e k o m m e n , d a ß er ihn d u r c h seine Tochter, Prinzessin Pancälacandi, u n d ein Heiratsversprechen in seine S t a d t lockte. Diese U n t e r r e d u n g f a n d ganz geheim s t a t t . N u r ein Vogelweibchen e r f u h r v o n dem Anschlag. Der K ö n i g h a t t e es an seinem B e t t ( K a u t a l y a e m p f a h l verschiedene Vögel f ü r den H a r e m des Königs, weil sie zurückschrecken, w e n n sie Schlangengift riechen, das das Leben des Königs b e d r o h t ) 2 . D a v o n b e r i c h t e t e n Osadha seine Agenten. K e v a t t a k a m n a c h Mithilä u n d b o t d e m Videha die Pancälaprinzessin a n . Osadha wich einer U n t e r h a l t u n g m i t dem als Werber g e k o m m e n e n K e v a t t a a u s 3 . D a r a n m e r k t e der Videha zwar, d a ß Osadha mit d e m Angebot nicht e i n v e r s t a n d e n war, er f r e u t e sich aber t r o t z d e m aus sinnlicher Gier auf die neue F r a u . Senaka u n d seine F r e u n d e rieten zur H e i r a t . Osadha aber w a r n t e den König vor ihr als einer List des Feindes. Der K ö n i g meinte indessen, er würde v o n Osadha tyrannisiert u n d befahl, Osadha hinauszuwerfen. Der Weise ging sofort u n d entschloß sich, d e m König t r o t z seiner Torheit weiter zu dienen. E r s a n d t e seinen P a p a g e i aus, das Vogelweibchen des P a n c ä l a auszuhorchen, u n d e r f u h r so v o n d e m Anschlag. E r s a n n als treuer Diener auf R e t t u n g seines H e r r e n lind beschloß, vor i h m n a c h P a n c ä l a zu gehen u n d die R e t t u n g vorzubereiten. Zur Reise erwirkte er die E r l a u b n i s des Königs. E r b a u t e d a n n dort f ü r seinen König einen P a l a s t m i t unterirdischem Gang z u m P a l a s t des P a n c ä l a u n d einem a n d e r e n zum Ganges. D o r t stellte er eine F l o t t e f ü r die Heimreise bereit u n d errichtete Stationen entlang der Straße f ü r die Landreise. Als d a n n sein König k a m u n d der P a n c ä l a ihn f a n g e n wollte, r e t t e t e er seinen K ö n i g d u r c h den einen Gang, e n t f ü h r t e die Prinzessin d u r c h den anderen, v e r h e i r a t e t e das P a a r u n d b r a c h t e es sicher heim. E r n a h m den P a n c ä l a gefangen, zwang ihn zur U n t e r w e r f u n g u n d erzählte den 101 Königen, wie er sie vor der V e r g i f t u n g g e r e t t e t h a t t e . Der P a n c ä l a gab i h m eine reiche Mitgift f ü r seine Tochter m i t , beschenkte den Weisen, u n d die Hochzeit wurde gefeiert.
Dieser V. Abschnitt ähnelt der berühmten Geschichte des Königs Udayana von Kausämbi (s. o.). König Pradyota von Ujjayini wollte ihn unterwerfen, fing ihn auf der Elefantenjagd, ließ durch ihn seine Tochter unterrichten, die jungen Leute verliebten sich. Udayanas Minister Yaugandharäyana aber rettete seinen gefangenen Herren und entführte ihn mit der Prinzessin. — In buddhistischer Tradition 4 wird 1
S. o. I I . A k t u n d P a n c a t a n t r a I I I . K a u t a l y a 17, 11. 3 Vgl. dagegen die wichtige U n t e r r e d u n g Cänakyas m i t R ä k s h a s a u n d die Y a u g a n d h a r ä y a n a s m i t B h a r a t a r o h a k a in den beiden letzten A k t e n beider D r a m e n . 1 K o m m , zu D h . P . 2 1 - 2 3 (Ghosh., N . N., E a r l y H i s t o r y of K a u s ä m b i , Allahabad 1935, 13ff.). 2
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa" I I C 6
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erzählt: Pradyota wollte von dem gefangenen Udayana einen Elefantenzauber erfahren und ließ deswegen seine Tochter, hinter einem Vorhang, den Zauber lernen. Sie verliebten sich gegen den Willen Pradyotas. Der Unterschied legt es nahe anzunehmen, daß der buddhistische Verfasser des J ä t a k a die Geschichte eher in der Fassung Bhäsas oder seine Quelle gekannt h a t als in jener buddhistischen. Da dies Drama chronologisch so unsicher ist wie dies J ä t a k a , ist über die Abhängigkeit beider Texte einstweilen nichts Sicheres auszumachen. Ebenso schwierig ist es, über das Abhängigkeitsverhältnis von Mudräräkshasa, Pancatantra I I I und I und dem IV. Abschnitt des 546. J ä t a k a zu urteilen. Die Ähnlichkeit ist deutlich: Zwei Könige und ihre Minister kämpfen miteinander. Im Drama wird eine Belagerung vermieden, im Pancatantra I I I endet sie mit Eroberung. Die Zopyros-List ist im J ä t a k a und Pancatantra ausgeprägter als im Drama. Das Problem des Rates, insbesondere der Mehrheit der Stimmen ist im Pancatantra ausgesprochen, im J ä t a k a nur kurz angedeutet, insofern die vier Ratgeber des Videha falsch raten, richtig dagegen der eine Weise. Im Drama agiert nur je ein Minister. Das Geheimhalten des Rates spielt nur im J ä t a k a eine Rolle und ist hier durch die Vögel märchenhaft ausgestattet. Das Motiv, daß der König seinem Minister nicht gehorchen will, liegt auch im J ä t a k a vor, ist aber nicht entfernt so ausführlich behandelt wie im Drama. Geschenke als belastende Argumente bei einer Verleumdung spielen im Drama und J ä t a k a eine ähnliche Rolle. Aber die Charaktere von Königen und Ministern sind in den Werken sehr verschieden. Osadha müßte Cänakya, Kevatta, Räkshasa, Candragupta Videha, Malayaketu Pancäla entsprechen. Osadhas Weisheit ist so wenig fromm buddhistisch, daß sie der des Cänakya in gewissem Sinne ähnlich ist, nur fehlt ihr die Wissenschaftlichkeit. Die Hitzigkeit des Pancäla ähnelt der Malayaketus (s. o.). Aber Räkshasa ist anders als K e v a t t a : Er ist fatalistisch, sentimental und selbstlos, während Kevatta von Osadha einen Schmuck aus Gier annimmt und von Fatalismus und Sentimentalität frei ist. Ebensowenig kann man Candragupta mit Videha vergleichen, denn Candragupta mißtraut Cänakya nie, erkennt neidlos seine Größe an, folgt ihm bedingungslos, während Videha immer wieder lieber seinen vier bösen Ratgebern als Osadha traut, ihn verfolgt, in Ungnade fallen läßt und im Gegensatz zu Candragupta einer neu angebotenen Frau entgegenfiebert, obgleich er doch eine so gute Frau wie Udumbarä hat. Man wird urteilen, daß das J ä t a k a und das Drama nicht in historischer Abhängigkeit voneinander stehen, daß sie vielmehr nur beide in ähnlicher Weise das für das alte Indien wichtige Thema des Kampfes zweier Könige durch die Listen ihrer Minister behandeln. Statt also die schwierige Frage des chronologischen Verhältnisses von Drama, J ä t a k a und Pancatantra zu erörtern, wird man sich klarmachen, daß es in verschiedenen Literaturgattungen mehrfach behandelt wurde. I m J ä t a k a verurteilt der buddhistische Verfasser dabei beide Könige und den einen Minister, während er Osadha zum makellosen Ideal der Weisheit erhebt. In Pancatantra I I I ist ebenfalls einer der beiden Minister als weit überlegen hingestellt, und sein kluger König folgt ihm, während die beiden Gegner, König sowohl wie Minister, ihre Fehler machen. Im Drama sind beide Minister als große Männer hingestellt, die über ihre Könige teils herrschen und dann siegen, teils nicht herrschen und dann samt ihrem Herren unterliegen. I m Pratijnäyaugandharäyana sind beide Minister Handlanger ihrer Könige, der eine mit Erfolg, der andere ohne. I n Pancatantra I verurteilt das
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Volk sowohl König wie Minister. Im Devicandragupta endlich feiert Visäkhadatta König Candragupta und läßt ihn ohne Minister allein siegen. So haben die Verfasser der verschiedenen Werke ihre politische Ansicht in verschiedenen Arten bei dem ähnlichen Problem des Königs und seines Vezirs zum Ausdruck gebracht. Beim Jätaka wäre noch anzumerken, daß es wenig buddhistische Frommheit verrät 1 , und unter anderem die kluge Frau beim König sowohl wie bei seinem weisen Minister eine beträchtliche Rolle spielen läßt, hierin wiederum unterschieden vom Mudräräkshasa, Pancatantra III, I und Pratijnäyaugandharäyana. Das Jätaka exemplifiziert das Verhältnis des Königs zum Minister am Streit zwischen Videha und Pancäla, zwei alten Völkern, die in der Tradition oft zusammen genannt wurden. Historisch braucht Osadha so wenig zu sein wie Kevatta.
D. Indische feudalistische Erläuterungsschriften zu Visäkhadattas Drama 1. J a g a d d h a r a Unter dem Namen des Jagaddhara, eines Kommentators des 14. Jahrhunderts u. Z., ist eine Einleitung oder Vorgeschichte unseres Dramas in Prosa überliefert, deren Sanskrit freilich für den Kommentator nicht gut genug sein soll 2 . Da heißt es: Im Mondgeschlecht gab es den König Nanda und seinen Minister Sakatära. Zwei fremde Brahmanen kamen zu Nanda, um Geld; er starb gerade, einer trat in Nandas Leiche ein, Sakatära merkte, daß der König überaus freigebig geworden war, und ließ alle Leichen verbrennen. Der Schein-Nanda zürnte deswegen Sakatära und vernichtete dessen Familie (ein Brunnen wird nicht erwähnt). Es folgt eine Episode vom lachenden Nanda und seiner Frau, die sich weitgehend mit der oben 3 über Sakuni in einer Handschrift des Hitopadesa mitgeteilten Geschichte deckt. Auf diese Weise wurde Sakatära vom König wieder als sein Minister eingesetzt. Sakatära suchte einen Rächer. Nanda befahl ihm, einen Brahmanen für seinen Totenritus zu bestellen. Sakatära fand Cänakya, wie er das Gras ausrottete und fand ihn gerade wegen seiner Häßlichkeit 4 geeignet, denn Nanda würde ihn vom Ritus wegjagen. So geschah es. Cänakya leistete seinen Schwur. Sakatära zog sich als Asket in das Dschungel zurück. Cänakya vernichtete die neun Nanda und unternahm es, dem Candragupta, einem Schwager des Nanda, die Herrschaft zu geben. Das ist eine Partei. Die andere ist aber Malayaketu mit dem Minister Räkshasa, der versprochen hat, ihn als König zu salben. Dieser Jagaddhara hat die übliche Sakatäla-Sage mit den Grammatikern Vyädi usw. gekannt, das Ahikar-Motiv verwässert, und zum Schluß ganz eilig Räkshasa und Malayaketu eingeführt. Sakatära läßt er ebenso eilig abtreten. 1 Reste buddhistischer Staatslehre z. B. Jät. 424: Zehn Tugenden des Königs, vier Zeichen guter Regierung usw. Jät. 545, Kap. v o m Königshof: Verse über Tugenden des Fürstendieners. 2 Raghavan 52fE.; bes. Anm. 14. 3 S. o. B 7. 4 S. o. Mahävamsatikä: Zähne; s. u. 4: Ananta Bhatta, S. 198 Anm. 3.
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Volk sowohl König wie Minister. Im Devicandragupta endlich feiert Visäkhadatta König Candragupta und läßt ihn ohne Minister allein siegen. So haben die Verfasser der verschiedenen Werke ihre politische Ansicht in verschiedenen Arten bei dem ähnlichen Problem des Königs und seines Vezirs zum Ausdruck gebracht. Beim Jätaka wäre noch anzumerken, daß es wenig buddhistische Frommheit verrät 1 , und unter anderem die kluge Frau beim König sowohl wie bei seinem weisen Minister eine beträchtliche Rolle spielen läßt, hierin wiederum unterschieden vom Mudräräkshasa, Pancatantra III, I und Pratijnäyaugandharäyana. Das Jätaka exemplifiziert das Verhältnis des Königs zum Minister am Streit zwischen Videha und Pancäla, zwei alten Völkern, die in der Tradition oft zusammen genannt wurden. Historisch braucht Osadha so wenig zu sein wie Kevatta.
D. Indische feudalistische Erläuterungsschriften zu Visäkhadattas Drama 1. J a g a d d h a r a Unter dem Namen des Jagaddhara, eines Kommentators des 14. Jahrhunderts u. Z., ist eine Einleitung oder Vorgeschichte unseres Dramas in Prosa überliefert, deren Sanskrit freilich für den Kommentator nicht gut genug sein soll 2 . Da heißt es: Im Mondgeschlecht gab es den König Nanda und seinen Minister Sakatära. Zwei fremde Brahmanen kamen zu Nanda, um Geld; er starb gerade, einer trat in Nandas Leiche ein, Sakatära merkte, daß der König überaus freigebig geworden war, und ließ alle Leichen verbrennen. Der Schein-Nanda zürnte deswegen Sakatära und vernichtete dessen Familie (ein Brunnen wird nicht erwähnt). Es folgt eine Episode vom lachenden Nanda und seiner Frau, die sich weitgehend mit der oben 3 über Sakuni in einer Handschrift des Hitopadesa mitgeteilten Geschichte deckt. Auf diese Weise wurde Sakatära vom König wieder als sein Minister eingesetzt. Sakatära suchte einen Rächer. Nanda befahl ihm, einen Brahmanen für seinen Totenritus zu bestellen. Sakatära fand Cänakya, wie er das Gras ausrottete und fand ihn gerade wegen seiner Häßlichkeit 4 geeignet, denn Nanda würde ihn vom Ritus wegjagen. So geschah es. Cänakya leistete seinen Schwur. Sakatära zog sich als Asket in das Dschungel zurück. Cänakya vernichtete die neun Nanda und unternahm es, dem Candragupta, einem Schwager des Nanda, die Herrschaft zu geben. Das ist eine Partei. Die andere ist aber Malayaketu mit dem Minister Räkshasa, der versprochen hat, ihn als König zu salben. Dieser Jagaddhara hat die übliche Sakatäla-Sage mit den Grammatikern Vyädi usw. gekannt, das Ahikar-Motiv verwässert, und zum Schluß ganz eilig Räkshasa und Malayaketu eingeführt. Sakatära läßt er ebenso eilig abtreten. 1 Reste buddhistischer Staatslehre z. B. Jät. 424: Zehn Tugenden des Königs, vier Zeichen guter Regierung usw. Jät. 545, Kap. v o m Königshof: Verse über Tugenden des Fürstendieners. 2 Raghavan 52fE.; bes. Anm. 14. 3 S. o. B 7. 4 S. o. Mahävamsatikä: Zähne; s. u. 4: Ananta Bhatta, S. 198 Anm. 3.
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Rakshasa" I i D 2
2. M a h ä d e v a s
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Prosaerzählung
Man nimmt an, daß Mahädeva um 1600 u. Z. in Südindien am Hofe von Tanjur gelebt hat 1 . Er hat die Vorgeschichte und die Handlung des Dramas nacherzählt, und zwar in sehr einfacher Art, ohne sich auf eine tiefere Deutung der Absichten der Politiker und ihrer Agenten einzulassen. Dabei ist bereits eine Reihe kleinerer Abweichungen der Prosaerzählung vom Drama festgestellt worden 2 . In der Vorgeschichte heißt es: Sarvärthasiddhi hatte von seiner Kshatriya-Frau Sunandä neun Söhne, von einer Tochter eines Wagenlenkers (Südra-Frau) Murä 3 aber nur einen; alle wurden durch die Magie eines Asketen 4 geboren, und zwar die neun ähnlich wie Duryodhana und seine Brüder im Mahäbhärata I, 115 aus einem Fleischklumpen 5 (die Nanda waren ja Gegner ihrer Neffen ähnlich wie die Kaurava Gegner der Pandava im Epos). Bei der Geburt half der Minister Rakshasa weise. Alle zehn Brüder wurden verheiratet, und der Sohn der Murä (Maurya) bekam 100 Söhne, alle gleich tüchtig wie der Vater. Ihr jüngster war Candragupta. Die neun Nanda waren eifersüchtig auf die Maurya und umgekehrt. Maurya hetzte die Nanda gegeneinander als Thronerben auf, während Rakshasa die Herrschaft der Nanda zu sichern strebte; er machte Maurya zum Feldherrn. Er und die Nanda lockten schließlich Maurya und seine 100 Söhne in eine unterirdische Halle, die sie verschlossen. Maurya und seine 99 Söhne verhungerten, damit Candragupta als einziger Überlebender sie rächen sollte. Da brachte ein Gesandter eines anderen Königs einen Löwen in einem Käfig: man sollte ihn herauslassen, ohne den Käfig zu öffnen. Rakshasa und die Nanda, ratlos, holten Candragupta, dies Rätsel zu lösen; er sah, daß der Löwe aus Wachs und durch eine Maschinerie bewegt war und holte ihn durch Schmelzen heraus. Die Nanda gaben ihm aber nicht, wie versprochen (Wortbruch ist ein schwerer Fehler!), das Feldherrnamt seines Vaters, das schien ihnen zu gefährlich, sondern das Amt des Aufsehers über die Speisehalle. Als solcher sah Candragupta einst den Cänakya, wie er das Gras ausrottete und gerade Candragupta suchte 6 , weil er hungrig war. Candragupta fühlte sich durch seine Anrede vrshala (Südra) geehrt, erzählt ihm seine ganze Leidensgeschichte, und führt ihn in die Speisehalle. Nach dem Essen solle er ihn in seinem Hause aufsuchen. Cänakya setzte sich auf den goldenen Sessel, der für den Brahmanen bestimmt war, der alle Wissenschaften wußte. Die Nanda verspotteten ihn als bartlosen Jüngling und glaubten nicht an seine Gelehrsamkeit. Vertrieben, tat er seinen üblichen Schwur, ging zu Candragupta und versprach ihm das Königtum. 1
Raghavan 8. Raghavan 11—15; s. o. C 1: Zauber, Parvatas Freundschaft mit Rakshasa. 3 süta bei Mahädeva, südra bei Ravinartaka, Vers 9 (s. u. D 3). 4 Vgl. die Zeugung Hamas und seiner Brüder im Rämäyana. 6 Auf Duryodhana verwies schon Lassen II, 206 Anm. 3. 6 Cänakya stellt sich in dieser südindischen Erzählung als Südinder vor (aber in der Mahävamsatlkä ist er aus Taxila). 2
18 Rüben, Sinn des Dramas
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Er holte seinen Freund Indusarman (bzw. Vishnusarman des Dramas) und besprach mit ihm alles Notwendige. Dann ging er zum Barbarenkönig Parvata, erzählte ihm alles und versprach ihm das halbe Nandareich. Dieser folgte ihm in der Hoffnung auf das ganze Reich. Indusarman befreundete sich als Jaina Jivasiddhi mit Räkshasa, der sich von dem Jaina Hilfe gegen den Zauber des Brahmanen Cänakya versprach; und der Jaina tat, als wehrte er einen Zauber Cänakyas ab. Als der Tag der Schlacht herankam, bewog er heimlich alle Heerführer der Nanda, sich vorsichtig zurückzuhalten. Als Parvata und Cänakya mit ihrem großen Barbarenheer die Stadt Pätaliputra belagerten, machten daher nur die neun Nanda mit Räkshasa und wenigen Soldaten einen Ausfall, und die Nanda wurden getötet 1 . Räkshasa tat, als ergäbe er sich Candragupta und gewann heimlich Parvata, indem er ihm das ganze Nandareich versprach. Cänakya spürte Räkshasas Verrat, blieb ein paar Tage mit dem Heer außerhalb der Stadt und beobachtete Räkshasa. Räkshasa bat Jivasiddhi um ein Mittel, Candragupta zu töten; dieser schuf das Giftmädchen, und Räkshasa führte es den beiden Königen zu. Parvata ergriff es voll Gier zuerst und starb qualvoll. Cänakya überredete Candragupta, keinen Arzt zu rufen, denn so würde er Parvatas Hälfte des Nandareiches gewinnen. Aus Furcht vor Strafe entlief Räkshasa, nachdem er König Sarvärthasiddhi aus Pätaliputra in einen Asketenhain hatte fliehen lassen, Däruvarman usw. angewiesen hatte, Candragupta zu töten, Sakatadäsa eine große Geldsumme hinterlassen und seine eigene Familie bei Candanadäsa untergebacht hatte. Cänakya gab Bhäguräyana dem Malayaketu bei, damit er ihn aus der Stadt fortführte, indem er ihm angab, Cänakya habe Parvata getötet und trachte nach seiner Hälfte des Nandareiches. Vairodhaka aber, Parvatas Bruder, blieb auf Betreiben Cänakyas mit dem Anspruch auf jene Hälfte des Reiches in Pätaliputra. Räkshasa machte sich an Malayaketu, der inzwischen umgekehrt war, heran, klagte Cänakya des Mordes an Parvata an und gewann den Prinzen als Verbündeten gegen Candragupta. Er rückte mit seinen fünf Barbarenfürsten gegen Magadha vor. Cänakya aber entledigte sich Vairodhakas und zugleich all der Agenten, die Räkshasa angestellt hatte, Däruvarman usw. (wie es im II. A k t dem Räkshasa erzählt wird). — Damit beginnt Mahädeva dann die Nacherzählung der Handlung der sieben Akte des Dramas. Mahädevas Erzählung unterscheidet sich in einigen wichtigen Fragen von der uns bekanntgewordenen älteren Tradition. Er hat im Sinne Visäkhadattas Sakatäla fortgelassen und Räkshasa von Anfang an an seine Stelle als Nandaminister gestellt. Dabei hat er aber die Gefangensetzung Sakatälas und seiner Söhne nicht auf Räkshasa übertragen; das war unmöglich, weil Räkshasa ja nicht wie jener die Absicht haben konnte, den letzten Nanda (hier Sarvärthasiddhi) zu stürzen und sich dafür Cänakya als Werkzeug seiner Rache auszuwählen. Er hat statt Räkshasa Candragupta verwendet und dessen Vater, den Maurya, gefangensetzen lassen. Candragupta 1
Sarvärthasiddhi überlebt die Schlacht in seinem Palast.
Der Sinn des Dramas „Das Siegel und Räkshasa" I I D 3
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als Sohn, wenn auch als unebenbürtiger, des letzten Nanda und zugleich als Feind der Nanda, war dafür sehr geeignet. Dadurch aber mußte Mahädeva eben Candragupta zu der treibenden Persönlichkeit machen, der sich den Cänakya, den erbarmungslosen, für seine Rache gewinnt. Mahädeva läßt Candragupta in dieser Rolle zwar von Anfang an als ergebenen Schüler Cänakyas auftreten, aber es läßt sich trotzdem nicht leugnen, daß diese Neuerung des Erzählers im Drama keine Stütze findet und die Gewichte der Personen ein wenig verschiebt. Neu ist bei ihm weiter, daß Parvata von Anfang bis Ende als unehrlicher Bundesgenosse des Candragupta hingestellt wird; das Drama gab für diese Auffassung wiederum keinen Anhalt. Der Prosaerzähler hat also Candragupta nicht nur a's energischer und treibender, sondern auch als unschuldiger hingestellt, als es der Dichter des Dramas gemeint hatte. Er hat auch Cänakyas Hauptagent Jivasiddhi zu entschuldigen gesucht, insofern er das Giftmädchen zwar schafft, aber nur auf Bitten des Räkshasa, und Räkshasa selber das Mädchen dem Parvata zuführen läßt, wenn er es auch Candragupta zuleiten möchte. Ferner steht Räkshasa im Anfang der Erzählung als dem Maurya und seinen Intrigen mehrfach unterlegen da. Der Nacherzähler hat ihn eben nicht so geliebt wie der Dramatiker. Mahädeva war also nicht etwa ein bloßer philologisch getreuer Nacherzähler, der aus den Anspielungen des Dramas und der Überlieferung heraus die Handlung des Dramas nacherzählt und seine Vorgeschichte rekonstruiert hätte; er war in solchen Punkten ein wenig selbständiger Dichter. Er ist nach unserem heutigen Wissen auch der erste, der den Namen der Mauryadynastie von Murä 1 ableitet, also einstweilen der Erfinder dieser Etymologie, und das beinahe 2000 Jahre nach dem Beginn dieser Dynastie. Und den Anfang der Geschichte hat er nach epischem Muster mit Magie und Wundern der Geburt der Helden des Epos ausgemalt. 3. R a v i n a r t a k a und D h u n d h i r ä j a Mahädevas Prosaerzählung ist vermutlich von Ravinartaka, einem Tänzer, in Südindien um 1660 u. Z. herum in Verse gebracht worden, und zwar mit geringen Abweichungen 2 und nur sehr kurzer Behandlung der sieben Akte. Er läßt z. B. Maurya als ersten aller Söhne Sarvärthasiddhis geboren werden (15). Der König ließ ihn in allen Wissenschaften außer der Theologie unterrichten (16), machte ihn aber nur zum Heerführer, nicht zum Thronerben (25f.), was der beleidigte Maurya als Sklaventum auffaßte (27). Ravi hat hier die Tradition verändert, um Candraguptas Anspruch auf die Herrschaft zu festigen. Dementsprechend versichert er, daß Maurya die tatsächliche Macht innehat, weil die neun Nanda nur abwechselnd je ein J a h r lang regierten, das Feldherrntum Mauryas aber dauernd war (56f.). Auch Dhundhiräja (Vers 31) und Kanakalal (Vers 4) erwähnen die Erstgeburt Mauryas, aber nur kurz. Ravi gibt an, daß Cänakya von Pätaliputra 100 Meilen nach Norden ging, um den Kiräta-Fürsten (194) Parvata zu treffen (178), und daß Parvatas Heer nach Süden 1 S. o. Ende von A 6; s. u. Haridäsa und Komm, zu Vi. P u . : Lassen II, 206 Anm. 3; Lassen nennt diese Angabe eine spätere Dichtung. 2 Raghavan 51, 3f. stellt er Abweichungen vom Drama zusammen. Konow 72 schreibt fälschlich Ravikartana. Nach Vers 3 hat Ravi eine Prosaerzählung in Verse gebracht; in 352 gloken.
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zog (186). Ebenso ging Räkshasa 100 Meilen (264) und vereinigte sich mit Malayaketu. — Ravi hat also bei Parvata eher an einen König Nepals (wie Jacobi 1889) als des Panjab (etwa Porus wie Breioer usw.) gedacht. Er wird davon ausgegangen sein, daß der Scheinastrologe Räkshasa gegenüber am Ende des IV. Aktes vom Marsch nach Süden spricht (s. o. 117, 5). Zu Anfang des II. Aktes gibt Räkshasa an, daß es Bhäguräyanas R a t an Malayaketu war, dem Räkshasa den Schmuck des Prinzen zu senden (Vers 301). Das ist aber im Drama, bei Mahädeva § 29 oder bei Dhundhiräja im Kommentar zu dieser Stelle nicht gesagt worden. Mahädevas Erzählung ist dann 1713 u. Z. von Dhundhiräja, dem Kommentator des Dramas, der in der Umgegend von Kumbakhonam im Distrikt Tanjur lebte, für seine in Sloken verfaßte Einleitung zu seinem Kommentar benutzt worden 1 . Auch seine Erzählung weicht von der Mahädevas, abgesehen davon, daß sie sehr viel kürzer ist, nur in Kleinigkeiten ab: Dhundhiräja (Vers 23) beginnt mit einem Zitat aus dem Vishnupuräna 2 , daß die Nanda das Ende des Kshatriyastammes bedeuten, u n d er erwähnt (24) bei Sarvärthasiddhi, daß er 900 mal 10 Millionen 3 besaß. (Die Brhatkathä hatte 99 mal 10 Millionen Goldstücke genannt.) Er nennt die Minister Vakranäsa und Räkshasa, die Königinnen Sunandä und Murä (die Tochter eines vrshala, 27), die wunderbare Geburt der Söhne Candragupta usw., aber er übergeht, wie Maurya die Nanda untereinander aufhetzte. Er spricht von dem unterirdischen Gemach und dem Wachslöwen des „Königs von Simhala" (Ceylon: 37) 4 und versichert, daß die Nanda trotz Candraguptas Hilfeleistung ihn umbringen wollten (43). Nach seinem Schwur verließ Cänakya die Stadt und Candragupta folgte ihm heimlich (55f.); das hatte Mahädeva zu erwähnen vergessen. Er nennt dann erst Indusarman (58) und danach Parvata (59). Bei der Schlacht erwähnt er Indusarmans List nicht (61 ff.) und läßt unmittelbar nach der Niederlage Sarvärthasiddhi aus der Stadt fliehen (64f.). Räkshasa übergibt Candragupta die Stadt, heuchelt Freundschaft (65), zeigt dem Maurya ein zauberisch erzeugtes Giftmädchen, aber Cänakya tötet mit ihr listig Parvata (66); hier ist nicht Indusarman der Zauberer und nicht Räkshasa derjenige, aus dessen Händen Parvata das gefährliche Mädchen nimmt. Cänakya schüchterte durch geeignete Personen heimlich Malayaketu ein, so daß er die Stadt verließ (67) (dabei ist Bhäguräyana nicht genannt). Cänakya zog aber noch nicht in die Stadt ein, weil in ihr noch viele Anhänger Nandas waren (68). Räkshasa wies Däruvarman usw. an (69) (wobei Sakatadäsa nicht erwähnt ist), Cänakya aber spürte alles. Er bewog Vairocaka (sie!), Parvatas Bruder, bei Candragupta zu bleiben, leugnete seine Schuld an Parvatas Tod und machte ihn gierig auf die Hälfte des Reiches (72f.), Cänakya ließ Sarvärthasiddhi im Asketenwald umbringen (74), was Mahädeva zu erwähnen vergessen hatte. Als er dies erfuhr, ging Räkshasa zu Malayaketu und gewann ihn mit dem Hinweis darauf, daß Candraguptas Herrschaft noch unsicher ist (76), die Städter noch an den Nanda und Räkshasa hängen (77), er das ganze Reich gewinnen würde (78) und 1
Übersetzt von Wilson 19 ff. Raghavan 2. Telang S. 15 zitiert Dhu. das Vi. Pu., Brhatkathä. 3 Wilson dachte an so viele Soldaten. 4 Ravi, Vers 85: König von Valka (Vanga nach der Konjektur von S. Ch. Law); Vers 104: Vanga. 2
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Cänakya mit dem Giftmädchen Parvata der Hälfte des Reiches wegen ermordet habe (79). So sicherte sich Räkshasa die Hilfe des Barbarenfürsten (81). Damit beginnt das Drama. Ein Vergleich Dhundiräjas und Mahädevas zeigt, daß in dieser Erzählung außer den anfangs erwähnten beiden Zitaten keine andere Quelle benutzt ist, daß also der Kommentator die Prosaerzählung seines Tanjurer Landsmannes nur wenig verändert hat, offenbar, weil er dem Drama besser gerecht werden wollte. Seine Verserzählung kann also nicht herangezogen werden um zu beweisen, daß es damals in Südindien neben Mahädevas Prosa andere Texte oder gar eine besondere Tradition gegeben habe, aus der Mahädeva, Ravi Nartaka oder Dhundhiräja selbständig geschöpft hätten. Mahädevas historischer Quellenwert wird durch Dhundhiräja nicht erhöht. Dasselbe gilt für Ravi Nartaka. 4. A n a n t a
Bhatta
Etwa zur Zeit Ravi Nartakas verfaßte im nördlichen Südindien, in Punyastambha an der Godävari, der Gelehrte Ananta Bhatta 1 , ein bekannter Kommentator, eine kurze Prosaerzählung als Einleitung zu unserem Drama, die nur die Vorgeschichte enthält. Er folgt im wesentlichen der Erzählung Jagaddharas aus dem 14. Jahrhundert, erlaubte sich aber viele Freiheiten. König Nanda, Sudhanvan genannt, hatte neun Söhne, Udagradhanvan usw. von seiner Hauptkönigin Ratnävali 2 , und Candragupta von einer Sklavin. Die neun Brüder waren auf den zehnten eifersüchtig. Es folgt eine Variante der oben aus dem Hitopadesa und Jagaddhara angeführten Episode des lächelnden Königs, seiner lächelnden Dienerin Sumangalä und des Durchschauens des Lächelns des Despoten durch einen Brahmanen Subuddhisarman. Es folgt die uns aus der Sukasaptati 49 bekannte Episode der Klugheitsprobe: Fremde Könige senden einen Holzstab; die Dienerin holte jenen Brahmanen, und er fand heraus, welches das Ende und der Anfang des Stabes waren. Dieser Brahmane war ein Freund des Kaufmanns Candanadäsa; er wurde jetzt Minister des Nanda und bekam den Namen Räkshasa wegen seines furchtlosen Kämpfens. Danach starb der König, aber der brahmanische Yogi Suvidya kam mit zwei Schülern Susila und Bahusruta nach Kusumapura (Pätaliputra), um Geld für ein Geschenk an seinen Lehrer NUakantha in Nepal zu erbitten. Er ließ seine Seele in die Leiche Nandas eintreten und einem der Schüler das Geld bewilligen. In dieser bekannten, auch bei Jagaddhara vorkommenden Episode ritt Räkshasa aus, die verlassene Leiche des Yogi zu finden, ließ sie verbrennen, erkannte den einen Schüler, der bei der Leiche Wache hielt, als den Bittsteller, ließ beide Schüler in die Gangä werfen, und der „König" zürnte deswegen Räkshasa und begünstigte Vakranäsa als Minister. Räkshasa ging zu Parvatakesvara als dessen Minister. Sakatära aber, der in einem Heerlager gewesen war, kehrte auf seinen Ministerposten zurück (so daß Vakranäsa aus der Erzählung verschwinden kann). 1 2
Raghavan l f . , 56ff.; Dhruva S. X I X nennt ihn Anant Kavi. Sie wird auch von Haridäsa genannt, s. u. D 6.
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WALTER
BUBEN
Sakatära und Nanda waren einst auf der Jagd. Der Minister fand auf einem Stein als Inschrift den auch im Pancatantra vorkommenden Vers 1 von der Glücksgöttin, die entweder den König oder seinen Minister fallen läßt, wenn beide zu hoch sind, und einen zweiten Vers; auch der König las die Verse gegen den Willen des Ministers, und Sakatära brachte ihn auf der Stelle um 2 . Der Thronerbe Udagradhanvan erfuhr später durch einen Spion von diesem Mord und ließ Sakatära samt seinen sechs Söhnen in einem Keller gefangensetzen; nur der jüngste Sohn, Vikatära, überlebte dies, und wurde von dem mitleidig gewordenen König und Räkshasa (der hier plötzlich wieder auftritt) befreit. Er holte als seinen Rächer zu einem Totenritus den 80jährigen, häßlichen Vishnugupta, Sohn Sivaguptas, der Zucker auf Gras streute, um es auszurotten, weil es seinen Vater am Fuß verletzt habe. In der Annahme, daß der König den häßlichen Brahmanen verjagen werde 3 , setzte Vikatära ihn zum Totenritus ein (von ihm hört man nichts weiter). Cänakya tat seinen berühmten Schwur und fragte ähnlich wie in Harishenas Darstellung, ob einer das Nandareich wolle, und Candragupta, ein Sohn des Nanda Sudhanvan, schloß sich ihm samt Bhäguräyana usw. an. Sie verbündeten sich mit Parvatakesvara. In der Schlacht fielen die Nanda. Sarvärthasiddhi, der Sohn des Vaterbruders des Königs, ging in den Asketenwald. Räkshasa verabredete sich mit Parvatakesvara. Er sandte das Giftmädchen gegen Candragupta, aber Cänakya sorgte, daß Parvata getötet wurde. Man sieht, wie wenig derartigen „Gelehrten" historische Treue galt. Elemente uns bekannter älterer Erzählungen werden mit uns noch unbekannten zu neuen Erzählungen zusammengestellt. 5. B i k a n e r - H a n d s c h r i f t Zwei Handschriften von Ananta Bhattas Erzählung sind in der Bibliothek von Bikaner, der Rajputenstadt in der Wüste Thar, gefunden worden. Eben dort ist auch eine Handschrift einer kurzen anonymen Erzählung der Vorgeschichte des Mudräräkshasa gefunden worden, die in noch phantastischerer Weise Namen und Stoffe durcheinanderwirft 4 . In Pätaliputra herrschte Citrasena, ein Nanda aus dem Sonnengeschlecht 5 . Von seiner Frau Sumati bekam er Virasena, von RambhavatI aber Sarvärthasiddhi 6 , der sich in den Asketenwald zurückzog. Virasena hatte von Mädri drei Söhne: Sürasena, Satyavrata und Srutadhvaja; von Mägadhi ebenfalls drei: Nala, Karna und Bhima; von Caidyä den Räma, Hariscandra und Dlrghäyus; von einer südindischen Prinzessin, die als Sklavin an seinem Hof lebte 7 , schließlich Candragupta. 1
Mudrä. 114, 9, Vers 99. S. u . T r i v a n d r u m - M s . in D 7. I n J ä t a k a 415 bringt ein Sklave seinen König ähnlich b e i m B a d e n u m . 3 S. o. J a g a d d h a r a , S. 192 A n m . 4. 4 R a g h a v a n 2, 60 ff. 5 Aber n a c h J a g a d d h a r a (s. o.) aus d e m Mondgeschlecht. 6 Virasena u n d S a r v ä r t h a s i d d h i werden a u c h in dem T r i v a n d r u m - M s . g e n a n n t . 7 Man d e n k t an Mälavikä, die gefangene Vidarbhaprinzessin als Geliebte des K ö n i g s Agnimitra v o n Vidisha in K ä l i d ä s a s D r a m a . 2
Der Sinn des D r a m a s „ D a s Siegel u n d R a k s h a s a " I I D 6
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Virasena besiegte unter anderen Parvatesvara, der auch Mahäkäya, König der Perser (Pärasika) heißt. Sein Sohn war Malayaketu. Virasena wurde von seinem Minister Vairocana so ähnlich getötet, wie es eben Ananta Bhatta von dem Schein-Nanda und Sakatära erzählt hat. Auf Virasena folgte Sürasena. Gegen ihn verbündete Candragupta sich mit Parvatesvara. Ein Schafhirt, der den Mord des Virasena mit angesehen hatte, erzählte Sürasena alles. Dieser begünstigte daraufhin Rakshasa und ließ Vairocana samt Familie ins Gefängnis werfen, in dem bis auf den Jüngsten alle umkamen. Diesen ließ der König bei einer Krankheit frei und machte ihn zu seinem Gärtner, dann zum Aufseher der Geschenke und endlich zum Aufseher der Speisungen. Für ein Neumondfest sollte er einen Brahmanen einladen und gedachte eines häßlichen, reizbaren Naishthika Brahmanenschülers, der gerade Gras ausrottete usw. Es lohnt sich nicht, die Einzelheiten dieses Wirrwarrs von epischen Heldennamen Räma, Karna usw. zu entwirren. Man denke aber daran, d a ß nach dem Manjusrimülakalpa Sürasena der Vater des Nanda ist, also dem Mahänandin, dem Vorgänger des Mahäpadma entspricht, und daß nach Täranätha Virasena an Stelle Sürasenas genannt wird (s. o.). Hier könnte also in diesem offenbar sehr späten Anonymus noch ein Rest alter Tradition durchschimmern. 6. H a r i d ä s a In einer bengalischen Ausgabe unseres Dramas 1 mit dem noch undatierten Kommentar eines Haridäsa Siddhäntavägisabhattäcärya wird einleitend erzählt: Der Südra Mahäpadma Nanda hatte neun Söhne von Ratnävali 2 und den Candragupta von der Barbiersfrau Murä, dieser war der älteste, beste, aber verachtet. Mahäpadma ernannte seinen Vetter Visvaketu zum Gouverneur in der Nordwestprovinz, während dessen Sohn Malayaketu in Pätaliputra blieb. Mahäpadma hatte drei Minister: Räkshasa, Vakranäsa und Sakatära. Sakatära verbrannte einen Lebenden, den er für tot hielt, und wurde dafür samt Familie in einem Keller gefangengesetzt; er allein blieb am Leben und wurde vom mitleidigen König wieder als Minister eingesetzt. Sakatära traf den häßlichen Cänakya aus Taxila, der Gras mit Buttermilch ausrottete, das ihn am Vorabend seiner Hochzeit gestochen und die Hochzeit verhindert hätte. Sakatära 3 lud ihn wegen seiner Häßlichkeit zum Totenritus ein; Nanda warf ihn hinaus, Cänakya tat seinen Schwur und fragte, wer das Königtum wollte. Candragupta trat zu ihm, Bhadrabhata usw. verbanden sich den beiden, und sie suchten Parvatesvaras Hilfe. Cänakya tat einen Zauber, durch den er die Nanda in sechs Monaten vernichtete. In dieser vermutlich recht jungen Geschichte taucht ein Barbier wie bei Diodor und Hemacandra wieder auf 4 , aber nicht als Vater des Maurya, sondern verquickt mit der Murä, die bei Mahädeva zum ersten Male als Mutter des Maurya belegt zu 1 2 3 4
N a k i p u r 1922 n a c h R a g h a v a n 62 f. S. o. D 4 : A n a n t a B h a t t a . R a g h a v a n schreibt hier V i k a t ä r a . S. o. B 5.
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sein scheint. Eine im einzelnen freilich abweichende Dreizahl von Ministern des Nanda wird bei Harishena erwähnt: Kavi, Subandhu und Sakatäla. Taxila als Heimat des Cänakya wird auch in der buddhistischen Mahävamsatikä erwähnt. Die Geschichte des geldsuchenden Brahmanen Vyädi usw. ist fortgelassen; dadurch wird Saktäras Bestrafung (wegen der verbrannten Scheinleiche) unverständlich. Es handelt sich also auch hier um ein sorglos zusammengewürfeltes Durcheinander von Elementen, die aus den verschiedensten Quellen zu stammen scheinen.
7. T r i v a n d r u m - H a n d s c h r i f t In einer anonymen und undatierten Handschrift unseres Dramas aus Trivandrum in Südindien ist nach dem Text eine Nachschrift erhalten, die auffallend an die Einleitung des oben erwähnten nordindischen Bikaner-Manuskriptes erinnert 1 . Virasena hatte von der Kekaya-Prinzessin Manjukesi die drei Söhne Bhima, Bharata und Bhänudatta; von der Kosala-Prinzessin Subhadrä den Surasena 2 , Drdhasena und Vikramaketa; von der Paurava-Prinzessin Bhänumati den Subähu, Sushena und Susarman; von der Rüpalä (schöngestaltig ?) aber den Candragupta. Dann folgen die beiden Verse, die oben bei Ananta Bhatta erwähnt wurden. Endlich wird wie in der Bikaner-Handschrift mitgeteilt, daß Virasenas jüngerer Bruder Sarvärthasiddhi war. Bei den drei Königinnen aus Kshatriya-Adel denkt man an den epischen König Dasaratha, dessen Frauen eine Kosala-Prinzessin, eine Kekaya-Prinzessin (wie hier Mutter Bharatas, des Bruders des Räma) und Sumiträ, die Tochter seines Priesters Vämadeva waren. 8. W e i t e r e S c h r i f t e n : Vidyäräja, Alasingala, Bhoja, A b h i n a v a g u p t a , Visvänätha, Dhanika usw., U p ä d h y ä y a n i r a p e k s h ä Ein Vidyäräja hat eine undatierte Versnacherzählung des Dramas geschrieben, die in einer Handschrift in Lahore (Panjab) erhalten ist 3 . Eine andere Nacherzählung, verfaßt von einem Alasingala Äcärya ist in Maisur 1880 gedruckt worden unter dem Titel Cänakya tamtra camatkära 4 . Um 1000 u. Z. zitierte König Bhoja, freilich ohne seine Quelle zu nennen, zwei Verse unseres Dramas in seiner Poetik, dem Sarasvatikanthäbharana 5 , die wegen ihrer vielen Beispiele geradezu eine Anthologie genannt werden kann. Damals zitierte auch Abhivagupta Mudräräkshasa 24,4f. und 24,11 ff. zu Bharatas Dramatik 19,33 und 22,58. Um 1300 u. Z. hat Visvanätha Kaviräja das Mudräräkshasa in seinem Lehrbuch der Poetik und Dramatik zitiert 6 . 1 2 3 4 5 6
Raghavan 55 f., 60. S. o. Bikaner-Ms. Raghavan 3. Konow 72. Telang S. I I ; Kanakalal, s. o. zu I. Akt Vers 22; III. Akt Vers 74, S. 82, 13. Sähityadarpana, ed. 1828, S. 139, s. o. zu Mudrä. 4, 2 fi.
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Dem Dhanika, dem Verfasser des Kommentars zum Dasarüpa, verdanken wir die umstrittene Nachricht, daß Visäkhadatta den Stoff für sein Drama der Brhatkathä entnommen hat 1 . Ein Grahesvara aus Tirbhukti, ein Vatesvara und ein Bhäskara haben weitere Kommentare zum Mudräräkshasa geschrieben 2 , ein Anonymus eine Vorgeschichte des Dramas in Prosa 3 . Der undatierte anonyme Kommentar zu Kämandakis Staatslehrbuch NItisära 4 , die Upädhyäyanirapekshä, bezeugt die Beliebtheit unseres Dramas, insofern es in ihm zu einem Vers des Kämandaki sechsmal zitiert wird. In dem Vers VIII, 80 heißt es, daß der König eine Äußerung, die politisch absichtsvoll, eifersüchtig, unparteiisch, parteilich, hinterhältig und zweifelhaft (oder reuevoll) ist, als solche erkennen muß. Für jede dieser sechs Arten von Äußerungen zitiert der Kommentator eine Stelle aus unserem Drama: 1. „Politisch absichtsvoll" ist es, wenn der Scheinbarde und Agent Räkshasas im III. Akt den Candragupta gegen Cänakya aufzustacheln sucht 5 . Der König muß solche Reden als auf einer Absicht, wie in diesem Falle der Spaltung beruhend, durchschauen. 2. „Eifersüchtig" ruft Cänakya am Ende des Vorspiels des I. Aktes aus: Wer will, solange ich lebe, Candragupta überwinden? 6 3. „Unparteiisch", sine ira et studio (icchädvesharahitam) stellt Cänakya bei sich fest, daß der Goldschmied der allerbeste Freund des Räkshasa sein muß, wenn er ihm seine Frau anvertraut 7 . 4. „Parteilich" ist es, wenn Cänakya gleich danach, als sein Agent ihm Räkshasas Ring gegeben hatte, in Gedanken feststellte, daß Räkshasa selber sich zu seiner, Cänakyas, Hand hingezogen fühlt 8 . 5. „Hinterhältig" bittet Cänakya den Goldschmied, sich zu setzen, da er, der Goldschmied, gewöhnt sei, mit seinesgleichen (mit Ministern, nämlich mit Räkshasa) zusammenzusitzen 9 . 6. Statt „zweifelhaft" liest der Kommentator „reuevoll" und zitiert dazu Räkshasa, der bei der Erwähnung der Belagerung der Stadt mit gezücktem Schwert aufspringt, dann aber, als er hört, daß es sich um eine längst vergangene Belagerung handelt, sich schämt 1 0 . Diesen Ausdruck „sich schämt" verwendet der Kommentator, deutet aber gleichwohl diese ganze Stelle als „reuevoll", nahm also Scham und Reue im selben Sinne. 1
S. o. B 1. Dhruva S. X V I I I f . nach Hillebrandt 1912, S. V; m. W. noch nicht herausgegeben. 3 Dhruva S. X I X . 4 Kämandaki: Renou § 1599: 8. Jh. u. Z. 5 Mudrä. 83, 9f., Vers 76, 2. Vers des 2. Barden; das letzte Versviertel weicht beträchtlich ab. 6 Mudrä. 4, 7 f.; „kathaya" fehlt im Zitat wie in 3, 15f. 7 Mudrä. 16, 12f. 8 Mudrä 17, 2f.; „vaktavyam" fehlt wie in b Bi (Hillebrandt Note 6). 9 Mudrä. 26, 8 - 2 7 , 5; vgl. die vv. 11. S. 26 Nr. 26, 28; S. 27 Nr. 14, 17 bei Hillebrandt. 10 Mudrä. 50, 3— 10 mit vielen Abweichungen. 2
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D h u n d h i r ä j a , der K o m m e n t a t o r des Dramas, h a t an diesen Stellen keine Bemerkungen solcher Art. Er h a t diesen K o m m e n t a r des Staatslehrbuches offenbar nicht gekannt. Aber es ist auch fraglich, ob diese Stellen aus dem Drama hier mit Recht herangezogen worden sind. Nur im ersten Fall hört der König überhaupt die Worte u n d m u ß ihre tiefere Absicht erkennen, wenn er nicht scheitern will. I n den fünf anderen Fällen kann davon gar keine Rede sein. In ihnen ist zwar das Drama einigermaßen richtig verstanden, aber aus den Zitaten ergibt sich kein neues, tieferes Verständnis der Szenen. Es ist deutlich, d a ß das D r a m a von diesem späten Staatslehrer als lebendiges, eindrucksvolles Beispiel politischen Verhaltens aufgefaßt und ausgenutzt wurde. Das besagt aber nicht, d a ß der Dichter sein Drama als Lehrstück der Staatslehre geschrieben h a t 1 . Die angezogenen Stellen sind ja wahrhaftig nicht die wichtigsten des Dramas.
E. Moderne europäische und indische Bearbeitungen des Dramas Wenn m a n die oben angeführten noch undatierten Schriften beiseite läßt, so ist die jüngste unter ihnen, der große K o m m e n t a r des Dhundhiräja, im Anfang des 18. J a h r h u n d e r t s verfaßt, in dessen letztem J a h r z e h n t der englische Orientalist William Jones in Calcutta die Asiatische Gesellschaft und die Zeitschrift Asiatic Researches begründete und in ihr 2 die grundlegende historische Feststellung traf, d a ß der Sandrakottos der Griechen der Candragupta Maurya der Inder war. Er berief sich dabei auf ein schönes Gedicht Somadevas und ein Drama über die Krönung Candras. Seine indischen Gewährsmänner h a t t e n dabei den Kathäsaritsägara 3 des Somadeva und das Drama Candräbhisheka im Auge, das angeblich mit unserem Drama ein Ganzes bildet 4 . Jones schenkte eine Handschrift des Dramas der Royal Society in London 5 . Es handelt sich indessen in Wirklichkeit u m das Werk eines Bänesvara B h a t t a , der sonst u n b e k a n n t ist, aber jünger als Visäkhadatta sein soll; es ist meines Wissens bis heute nicht herausgegeben 6 . I m nächsten Band jener Zeitschrift nahm Colonel Wilford 7 das Thema auf und behandelte jenes Drama als ersten Teil unseres Mudräräkshasa. I m I X . Band k a m er auf das Thema zurück, offenbar, ohne unser Drama selber in die H a n d bekommen zu haben. So urteilte der Sekretär der Asiatischen Gesellschaft in Calcutta, H. H. Wilson, über seine beiden Vorgänger 8 . I m J a h r e 1831 erst ist unser Drama in Calcutta gedruckt worden 9 , aber 1827 schon veröffentlichte Wilson ebendort die erste Über1 2 3 4 6 6
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2nd mit 9
Die
So meinte Hillebrandt 1908. As. Res. IV p. 11 nach Wilson 3. Nach Windisch I, 25f. in seiner Rede vom 28. II. 1793. S. o. B 1: Brhatkathä. S. u., S. 203 Anm. 2: von Bohlen II, 414. Fr. Adelung, Bibliotheca Sanscrita, St. Petersburg 1837, 324f. Konow § 1 1 1 ; Raghavan, Walimbe usw. erwähnen dies nicht. Vgl. Windisch 115f. über seine unwissenschaftliche Arbeitsweise. Wilson 3 f. — Ein Historiker Indiens wie James Mill, The History of British India, ed. London 1820, I, 138f. benutzt Jones und Milford; er hat unser Drama aber nicht der altindischen Literatur (II, 44ff.) behandelt. Nach Adelung a. a. O. bereits 1811 und 1832. Windisch 38 kritisiert ihn deswegen nicht. Ausgabe hat nur eine Sanskritübersetzung der Präkrits.
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D h u n d h i r ä j a , der K o m m e n t a t o r des Dramas, h a t an diesen Stellen keine Bemerkungen solcher Art. Er h a t diesen K o m m e n t a r des Staatslehrbuches offenbar nicht gekannt. Aber es ist auch fraglich, ob diese Stellen aus dem Drama hier mit Recht herangezogen worden sind. Nur im ersten Fall hört der König überhaupt die Worte u n d m u ß ihre tiefere Absicht erkennen, wenn er nicht scheitern will. I n den fünf anderen Fällen kann davon gar keine Rede sein. In ihnen ist zwar das Drama einigermaßen richtig verstanden, aber aus den Zitaten ergibt sich kein neues, tieferes Verständnis der Szenen. Es ist deutlich, d a ß das D r a m a von diesem späten Staatslehrer als lebendiges, eindrucksvolles Beispiel politischen Verhaltens aufgefaßt und ausgenutzt wurde. Das besagt aber nicht, d a ß der Dichter sein Drama als Lehrstück der Staatslehre geschrieben h a t 1 . Die angezogenen Stellen sind ja wahrhaftig nicht die wichtigsten des Dramas.
E. Moderne europäische und indische Bearbeitungen des Dramas Wenn m a n die oben angeführten noch undatierten Schriften beiseite läßt, so ist die jüngste unter ihnen, der große K o m m e n t a r des Dhundhiräja, im Anfang des 18. J a h r h u n d e r t s verfaßt, in dessen letztem J a h r z e h n t der englische Orientalist William Jones in Calcutta die Asiatische Gesellschaft und die Zeitschrift Asiatic Researches begründete und in ihr 2 die grundlegende historische Feststellung traf, d a ß der Sandrakottos der Griechen der Candragupta Maurya der Inder war. Er berief sich dabei auf ein schönes Gedicht Somadevas und ein Drama über die Krönung Candras. Seine indischen Gewährsmänner h a t t e n dabei den Kathäsaritsägara 3 des Somadeva und das Drama Candräbhisheka im Auge, das angeblich mit unserem Drama ein Ganzes bildet 4 . Jones schenkte eine Handschrift des Dramas der Royal Society in London 5 . Es handelt sich indessen in Wirklichkeit u m das Werk eines Bänesvara B h a t t a , der sonst u n b e k a n n t ist, aber jünger als Visäkhadatta sein soll; es ist meines Wissens bis heute nicht herausgegeben 6 . I m nächsten Band jener Zeitschrift nahm Colonel Wilford 7 das Thema auf und behandelte jenes Drama als ersten Teil unseres Mudräräkshasa. I m I X . Band k a m er auf das Thema zurück, offenbar, ohne unser Drama selber in die H a n d bekommen zu haben. So urteilte der Sekretär der Asiatischen Gesellschaft in Calcutta, H. H. Wilson, über seine beiden Vorgänger 8 . I m J a h r e 1831 erst ist unser Drama in Calcutta gedruckt worden 9 , aber 1827 schon veröffentlichte Wilson ebendort die erste Über1 2 3 4 6 6
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So meinte Hillebrandt 1908. As. Res. IV p. 11 nach Wilson 3. Nach Windisch I, 25f. in seiner Rede vom 28. II. 1793. S. o. B 1: Brhatkathä. S. u., S. 203 Anm. 2: von Bohlen II, 414. Fr. Adelung, Bibliotheca Sanscrita, St. Petersburg 1837, 324f. Konow § 1 1 1 ; Raghavan, Walimbe usw. erwähnen dies nicht. Vgl. Windisch 115f. über seine unwissenschaftliche Arbeitsweise. Wilson 3 f. — Ein Historiker Indiens wie James Mill, The History of British India, ed. London 1820, I, 138f. benutzt Jones und Milford; er hat unser Drama aber nicht der altindischen Literatur (II, 44ff.) behandelt. Nach Adelung a. a. O. bereits 1811 und 1832. Windisch 38 kritisiert ihn deswegen nicht. Ausgabe hat nur eine Sanskritübersetzung der Präkrits.
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Setzung 1 . Ihr gab er eine gelehrte Einleitung und Anmerkungen bei. Im 2. Band 2 der von ihm unter dem Titel „Indische Bibliothek" veröffentlichten Abhandlungen ging August Wilhelm von Schlegel auf das Drama und seine historischen Probleme ein. 1833 wurde ein Teil des Dramas von O. Wilmans in dem „Magazin für die Literatur des Auslandes", Nr. 55/56, unter dem Titel „Der König und sein Minister; Scenen aus einem indischen Drama" ins Deutsche übersetzt. Vier Jahre später, 1837, druckte G. Turnour in seinem Buch „The Mahäwanso" 3 die Einleitung Wilsons größtenteils wieder ab und fügte aus der Mahävamsatlkä das oben ausgewertete Material hinzu. Es war also Interesse an der Geschichte Indiens, das diese Pioniere der Indologie bewegte, nämlich das Herausarbeiten des Berührungspunktes indischer unbekannter mit bekannter griechischer Geschichte. Die Hauptarbeit leistete dabei Wilson. Er zog die Zeugnisse des Vishnu- und Bhägavata-Puräna, die Brhatkathä (in der Version Somadevas) 4 , die Vorgeschichte des Dhundhiräja, die Nachrichten des Diodor, Rufus, Justin und Plutarch (dazu Arrian und Strabo, die für unsere Zwecke nichts hergeben) heran und übersetzte das Drama und diese Zeugnisse ins Englische. Der nächste Höhepunkt der Erforschung unseres Dramas nach Wilson war Chr. Lassen, der Schüler A. W. v. Schlegels, im II. Band seiner Indischen Altertumskunde, 1852, 2. Aufl. 1874. Inzwischen hatte Wilson seine Übersetzung des Vishnupuräna herausgebracht (1840) 5 und damit die philologische Grundlage für die Erforschung der brahmanischen Chronologie gelegt 6 . Ferner hatte E. A. Schwanbeck in seinem Buch „Magasthenis Indica", Bonn 1846 (angeregt von A. v. Schlegel) 7 die Fragmente dieses hellenistischen Berichterstatters gesammelt und damit das Studium der griechischen Quellen zur indischen Geschichte wesentlich gefördert. Weiter hatte Körösi Csoma, der Ungar, den tibetischen Buddhismus und seine kanonische Literatur von 1832 an zu erschließen begonnen 8 , was Turnours Arbeiten nützlich ergänzte. Und für seine zweite Auflage konnte Lassen auch auf die 1864 erschienene Arbeit von A. Weber über Cänakya und seine „SpruchWeisheit" benutzen, so daß dieser Politiker aus seiner legendischen Verhüllung als historische Persönlichkeit herauszutreten begann 9 . Ausgerüstet mit diesem wichtigen Material konnte Lassen in seiner Darstellung der Geschichte des alten Indien ein weit besseres, ausführlicheres und richtigeres 1
2. Aufl. 1835, 3. Aufl. 1871 als Band X I der Works by the late H . H . W i l s o n (Windisch 38). II, 2, S. 151 (Adelung a. a. O. 324). Windisch 79. Adelung zitiert weiter eine Abhandlung im Asiat. Journal 1828, 585—595. — P. von Bohlen, Das alte Indien, mit besonderer Rücksicht auf Ägypten, Königsberg 1830, II, 414 nennt unser Drama zusammen mit dem Candräbhisheka nach Wilson und Schlegel. — Vgl. Windisch 81 über Schlegels Zitat aus dem Mudräräkshasa zur Festlegung der Lage Pätaliputras. 3 Nach Windisch 117 f. ein Markstein in der Geschichte der Päli-Philologie. 4 Analysiert 1823 von Wilson (Adelung 298). 5 Wilson gab 1840 seine Übersetzung des Vi. Pur., Burnouf gleichzeitig seine des Bhäg. Pur. heraus: Windisch 41. 1839 hatte Brockhaus in Leipzig den Kathäs. herausgegeben. 6 Benfeys Indienartikel in der Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste von Ersch und Gruber (1840) (Windisch 158ff.) zitiert Lassen in diesem Zusammenhang nicht. 7 Windisch 156. Lassen II, 210 Anm. zitiert Schwanbeck. 8 Windisch 131. Lassen II, 111 Anm. 2 zitiert ihn. 9 Windisch 51. Lassen II, 213 Anm. 1 zitiert ihn und auch den Beginn der Ausgabe des Kämandaki. 2
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Bild d e r Nanda und Maurya 1 geben als seine Vorläufer. Er lehnte die Ableitung der Maurya von der Murä ab, ebenso die von den Morieis (dies sei erst eine dem Buddhisten Asoka zuliebe erfundene Herleitung vom Stamme der Säkya) 2 und befürwortete die Abstammung der Maurya von jenem Barbier (wobei er damals noch fälschlich betonen mußte, daß er in der indischen Tradition nicht erwähnt würde!) 3 . Er setzte das Drama mit Wilson erst ins X. Jahrhundert u. Z. 4 , identifizierte den Perserkönig Meghäkhya (oder Meghäksha) des Dramas mit Seleukos oder vielmehr dessen Titel megas (!) basileus 5 , sah in Parvata einen König von Malaya 6 und meinte, im Drama seien „sicher Bruchstücke wahrer Geschichte enthalten" 7 . Er erzählte dementsprechend den Inhalt des Dramas, ohne auf den tendenziösen Charakter der Dichtung und ihr Verhältnis zur Tradition einzugehen. A. Weber hat im selben J a h r in seinen „Akademischen Vorlesungen über indische Literaturgeschichte" (Berlin 1882) wohl Candragupta, die Grammatiker Vyädi usw. am Nandahofe usw. erwähnt 8 , aber nicht unser Drama. Ebensowenig ist M. Müller 1859 auf das Mudräräkshasa eingegangen, ausführlich aber auf die Grammatiker 9 ; ihn interessierte die alte, die vedische Literatur. Aber 1870 erschien in Kalkutta eine neue Ausgabe des Dramas durch Täränätha Tarkavächaspati (neu 1926). Von da an wurde das Studium des Dramas den Studenten in Bombay usw. zur Pflicht gemacht. Um sie für die Examina vorzubereiten, wurden immer neue Ausgaben mit englischen Übersetzungen und erläuternden Anmerkungen herausgegeben 10 . 1873 veröffentlichte Damaru Vallabha Panta of Nepal das Drama mit Phundhiräjas Kommentar in Calcutta. 1874 erschien die italienische Ubersetzung Marazzis; 1880 wurde Alasingalas Inhaltsangabe herausgegeben 11 ; 1881 gab Jibänanda Vidyäsägara den Text neu heraus 12 , 1882 erschien zum erstenmal Ravi Nartakas Nacherzählung des Dramas 1 3 , 1883 eine Hindu-Übersetzung unseres Dramas von Hariscandra in Benares, und 1884 14 wurde der Text des Dramas erstens mit Dhundhiräjas Einleitung und Kommentar und zweitens kritisch von K. Tr. Telang herausgegeben. Telang schickte eine gelehrte Introduction mit sehr viel Literaturangaben voran, in der er Wilsons späte Datierung des Dramas mit guten Gründen ablehnt. Er zeigte ferner 1 5 , daß das Drama imDasarüpa und im Sarasvatlkanthäbharana, zwei späten 1
Lassen I, A n h a n g S. X X X V I I I n a c h Wilsons V i s h n u p u r ä n a . Lassen I I , 205 f. 3 E b d . I I , 210f. 4 E b d . 211 A n m . 2. 5 E b d . 217. 6 E b d . 214 A n m . 1: I m m i t t l e r e n H i m a l a y a . ' E b d . 211. 8 Weber 199f. 9 M.Müller, A H i s t o r y of Ancient Sanskrit L i t e r a t u r e , L o n d o n , 2. Aufl. 1860, 239ff.; vgl. Windisch 277, 280. 10 S. u. zu K a i e 1900. 11 Beide A n g a b e n n a c h K o n o w 72. la E b d . — Zu A n f a n g s t e h t eine K u r z f a s s u n g von A n a n t a B h a t t a s Vorgeschichte der H a n d l u n g des D r a m a s , s. o. — 1911 u n d 1915 in Calcutta neu herausgegeben v o n A. Yidyabhushana und N. Vidyaratna. 13 I n C a n n a p u r a : K o n o w 72. 14 2. Aufl. 1893; 6. Aufl. 1918 rev. b y V. S. Ghate. 15 S. I I f. u n d X V I I I f. 2
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Werken der Poetik des X.—XI. Jahrhunderts zitiert wird. Aus der Lesart des Königsnamens Avantivarman (statt Candragupta) im Schlußvers des Dramas schließt er dann, daß das Drama ins VII. J a h r h u n d e r t u. Z. gehören könnte 1 . Er verweist auf Gemeinsamkeit mit Bhartrhari 2 , versucht, die barbarischen Bundesgenossen Malayaketus zu identifizieren und behandelt das Datum usw. des Kommentators. Lassen scheint er nicht gekannt zu haben. In seinen nicht weniger gelehrten Anmerkungen führt er vor allem aus anderer klassischer Sanskritliteratur Parallelen zum Wortverständnis an, identifiziert die Metra usw. Telangs Ausgabe ist noch heute wichtig. 1886 schrieb dann der Schweizer Linguist und Indologe Fr. Haag eine Abhandlung über unser Drama 3 . Im selben J a h r übersetzte L. Fritze das Drama in der Reclam-Serie ins Deutsche, 1888 übersetzte V. Henry es ins Französische 4 . Im selben J a h r versuchte H. Jacobi, das Drama astronomisch in das IX. Jahrhundert u. Z. zu datieren 5 . 1890 behandelte S. Lévi es in seinem Werk ,,Le Théâtre Indien". Er hat sehr richtig betont 6 , daß die Geschichtsforschung aus dem Drama nichts herausziehen kann und daß die Politik, wie der Dichter sie darstellt, einen wirklichen Staatsmann nur lächeln läßt. Er hat aber auch feinsinnig herausgehoben, daß Visäkhadatta trotz allem ein Dichter war, den er mit keinem geringeren als Corneille vergleicht, insofern er es verstanden hat, die undramatische Politik der Handlung dadurch zu beleben, daß er dem Zuschauer in den beiden Ministern Männer mit rührenden und interessierenden Charakteren und Gefühlen zeigt. Er hat weiter darauf hingewiesen, daß Visäkhadatta sich von Südraka und seinem Mrcchakatika hat begeistern lassen. 1890 erschien ferner in Bombay eine Marathi-Übersetzung des Dramas von P. Vaman Shastri Islampurkar unter dem Titel „Arya Chänakya". Im nächsten J a h r 1891 gab H. Jacobi den Text des Hemacandra heraus, wies in seiner Einleitung darauf hin, daß Hemacandra seine Darstellung aus älteren Jainaschriften entnommen hat (dabei verwendete er Leumanns Materialsammlungen) und schlug vor, Parvata mit Parba, dem 11. König der Kiräta-Dynastie von Nepal 7 zu identifizieren, der nach buddhistischer Tradition 8 etwa in die Zeit Candraguptas gehören könnte, insofern der 7. König dieser Dynastie zu Buddhas Zeit, der 14. aber zu Asokas Zeit gelebt haben soll. 1896 bearbeitete McCrindle unsere griechisch-römischen Quellen und legte ihre Übersetzung vor. Im Anhang behandelte er die historischen Fragen Candraguptas (405f.). 1900 wurde das Drama in Allahabad von Dhruva in Sanskrit und Englisch herausgebracht und in Bombay von Kaie. Dhruva hatte von 1884 an an einer Gujerati-Übersetzung des Dramas gearbeitet, die 1889 erschien. 1923 erschien die 2. Auflage seiner Sanskritausgabe in Poona 9 , in der er bereits Hillebrandts Ausgabe 1 2 3 4 6 6 7 8 8
S. X X . S. X X V I f. Gelobt v o n H i l l e b r a n d t 1905 (s. u.), 429. W i n d i s c h 381. K o n o w 72. D a r ü b e r u n d ü b e r w e i t e r e L i t e r a t u r vgl. W i n t e r n i t z I I I , 210. L é v i S. 2 2 5 - 2 2 8 . S. o. R a v i n a r t h a k a in D 3. B a u d d h a P ä r v a t i y a V a m s ä v a l i ( I n d . A n t . X I I I , 412): J a c o b i 58 A n m . 1. 3. Aufl. P o o n a 1930.
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benutzen konnte, die er unter die Telangs stellte. Er verwendete außerdem Ausgaben von Täränätha, Kaie, Abhyankar und Ray 1 . Er setzt die zweite Hälfte des VI. Jahrhunderts u. Z. als die des Dramas an (wegen der Hunnenkämpfe und Avantivarmans) 2 , er hält die Handlung des Dramas für historische Tatsache 3 (weil der Name Räkshasa nicht erfunden worden sein kann), zerlegt in einem Anhang B das Drama vom Standpunkt der Hindu-Dramatik in alle 64 kanonischen Teile usw. — Kales Ausgabe 4 ist keine eigentlich wissenschaftliche Leistung, ist vielmehr als Examenshilfe für Studenten gemeint und druckt deswegen am Ende die Examensfragen der Bombayer Universität über unser Drama von 1871 —1896 ab. Kaie folgt weitgehend Telang und Dhundhiräja. — 1903 erwähnte H. Oldenberg unser Drama allzukurz in „Die Literatur des Alten Indien" 5 . Epochemachend waren dann A. Hillebrandts Arbeiten über das Drama. Er hatte sich schon 1885® damit beschäftigt, in Indien, besonders in Benares, alle erreichbaren Handschriften des Dramas studiert (insbesondere auf ihre mehr oder weniger genaue Wiedergabe der Dialekte hin), teilweise solche, die Telang nicht hatte benutzen können, und 1905 eine Abhandlung vor allem der Präkrit-Verse veröffentlicht 7 . 1908 zeigte er, daß Visäkhadatta das Staatslehrbuch des Kautalya tatsächlich benutzt und manchmal wörtlich zitiert hat. Er kannte dies Lehrbuch damals freilich nur aus einer Münchener Handschrift. Herausgegeben wurde der Text erst 1909 von Shamashastri in Mysore. Damit begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Behandlung unseres Dramas. Hillebrandt setzte das Drama zeitlich vor Bhartrhari und das Tanträkhyäyika und mutmaßlich in die Zeit Candraguptas des II., der 375 u. Z. den Thron bestieg. Den Zweck des Dramas sah er darin, eine anschauliche Darstellung der Politik zu geben. 1912 erschien endlich Hillebrandts kritische Ausgabe des Dramas, die neben Telangs stark abweichender Ausgabe bis heute maßgebend ist. 1905 hatte W. Geiger in seiner Behandlung der buddhistischen Chroniken 8 Turnours Arbeit fortgesetzt. Er verwies auf volkstümliche Motive in der Überlieferung der Buddhisten. 1908 hatte J . Hertel die oben behandelten Abschnitte aus Hemacandra in deutscher Übersetzung vorgelegt, und im selben J a h r hatte V. Smith in der 2. Auflage der Early History of India die historischen Probleme unseres Dramas behandelt, ohne wesentliche neue Gesichtspunkte beizubringen. 1913 behandelte Pargiter nach Wilson die Dynastien der puranischen Tradition grundlegend neu 9 . An V. Smith schloß sich Shamashastri in der Einleitung zu seiner Übersetzung des Kautillya 1914 an 1 0 . Hillebrandts Datierung des Dramas in die Zeit Candra1
S. I V und V I der Introduction. S. X . 3 S.XYI. 4 3rd. rev. ed. Bombay 1916. 6 Stuttgart-Berlin, 253, 282. 6 Besprechung der Telangschen Ausgabe in der ZDMG 39, 107ff. ' Zur Kritik des Mudrârâkshasa, N G G W 1905, 429ff. 8 Geiger 42 f. » F. E. Pargiter, The Puräna-Text of the Dynasties of the Kali-Age, Oxford 1913. 10 Kautilya's Arthaéâstra, transi. Dr. R. Shamashastry, Mysore 1929, 3. Aufl., S. X I X (1. Aufl. 1914). 2
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guptas II. nahm K. P. Jayasval 1913 auf 1 . Er behandelte 1915 und 1917 die historischen Fragen der Nanda 2 . 1918 gab Saradaranjan R a y das Drama in Calcutta mit englischer Übersetzung und Anmerkungen neu heraus. 1920 erschienen zwei sorgfältig gearbeitete Werke: der I I I . Band der Winternitzschen Geschichte der indischen Literatur, und im selben J a h r St. Konows Das Indische Drama. Die Datierung auf die Zeit Candraguptas II. wird von beiden befürwortet. Winternitz weist außer dem Tanträkhyäyika und Mrcchakatika auf Beziehungen zum Pratijnäyaugandharäyana des Bhäsa 3 hin, ohne freilich auf Einzelheiten einzugehen, und erkennt, daß das meiste des Dramas vom Dichter erfunden sein muß 4 . 1921 wurde Ravinartakas Verserzählung erneut mit einer bengalischen Übersetzung herausgebracht 5 . 1922 erschien der I. Band der Cambridge History of India 6 . In ihm behandelte J . Charpentier die Probleme der Nanda vom Standpunkt der Jaina, die über die N a n d a verhältnismäßig günstig urteilen; T. W. Rhys Davids behandelte im Buddhismus-Kapitel Candragupta und Megasthenes, W. Hopkins im Kapitel über die Sütras die Abstammung Candraguptas von der Murä, E. J . Rapson im PuränaKapitel das Südratum Mahäpadmas unter Berufung auf Jayasval, E. R. Bevan behandelte Alexander und verstand unter Porus einen Paurava, vor allem aber schrieb F. W. Thomas über Candragupta nach Lassen, Jayasval, Jacobi usw. und meinte, Porus könnte vielleicht mit dem Parvata des Dramas (dessen historischen Wert er nicht bezweifeln zu brauchen erklärt) gleichgesetzt werden (471), oder einer seiner Nachfolger habe an Candraguptas Unternehmen teilgenommen. Die Forschung wurde durch diesen Band also nicht vorwärtsgetrieben. J . Jolly erklärte merkwürdigerweise in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Arthasästra des Kautalya 1923 seinen Verfasser für eine möglicherweise ebenso „mythologische" Gestalt wie den Rakshasa des Dramas Mudräräkshasa, weil die Griechen ihn nicht erwähnen und Hemacandra über ihn Wundergeschichten erzählt. 1923 erschien ferner Dhruvas Ausgabe des Dramas in zweiter Auflage (s. o. 1900). Im Jahre 1924 erschien N. M. Penzers Neuausgabe der Tawneyschen Übersetzung des Somadewa mit wichtigen Anmerkungen. Er hat freilich P a r v a t a ohne Anführung von Gründen „ziemlich sicher" mit Porus gleichgesetzt 7 , aber anregend ist unter anderem sein Hinweis 8 , daß die Vergiftung Parvatas durch das Giftmädchen und die Rettung Candraguptas durch Cänakya vor dieser Gefahr 9 eine Parallele in den mittelalterlichen Versionen der Geschichte hat, wie Alexander durch Aristoteles 1
Winternitz III, 210. I B O R S Sept. 1915 und Dez. 1917. 3 So auch Konow 70. Bhäsas Drama war 1912 von Ganapatishastri veröffentlicht worden. 4 Ungenau Winternitz 212: Candragupta war ein am Hofe der Nanda lebender Jüngling niederer Herkunft, und Malayaketu war ein Sproß aus dem Hause der Nanda. 6 S. o. 1882 die erste Ausgabe. ' Ancient India, ed. E . J. Rapson, Cambridge 1922. 7 Penzer II, 283 unter irrtümlicher Berufung auf Lassen und Jacobi. 8 Ebd. II, 275 — 313. Er folgt einer Abhandlung von Hertz, Die Sage vom Giftmädchen, Abh. Bayr. Ak. d. W. X X 1893. 9 S. o. Mudrä. 8, l l f f . , Hemacandra. 2
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von einem Giftmädchen gerettet wurde, daß ihm ein indischer König oder eine Königin sandte. Worauf diese beiden Traditionen Indiens und Europas zurückgehen, vielleicht gar auf eine Geschichte, die in der Zeit Alexanders und Candraguptas in Indien entstand, das ist noch ein ungelöstes Problem. Im selben Jahr 1924 veröffentlichte A. B. Keith in Oxford sein „The Sanskrit Drama". Er setzt unser Drama (S. 204ff.) nach Jacobi in das I X . Jahrhundert u. Z., obgleich er ein älteres Datum für möglich (wenn auch einstweilen unbewiesen) erklärt. Er erklärt weiter (208) gegen Levi die Maximen der Politik im Drama für so typisch indisch, daß sie dem Drama einen Kontakt mit der Wirklichkeit geben. So leicht ist aber Levis Urteil nicht zu entkräften. 1925 streifte J. J. Meyer unser Drama in der Einleitung zu seiner Übersetzung des Lehrbuches des Kautalya 1 . 1931 schlug S. Srikanthasastri, der an einer KanadaAusgabe des Dramas arbeitete, im Gegensatz zu Jacobis Datierung des Dramas vor, es in das Jahr 397 u. Z. zu versetzen; Charpentier aber wollte es in die etwas spätere Zeit des Skandagrupta versetzen; dies hatte er schon 1923 vorgeschlagen2. 1934 gab K . P. Jayaswal den Manjusrimülakalpa, diese spätbuddhistische Geschichte mit wichtigen Anmerkungen heraus. 1935 veröffentlichte P. L. Bhargava sein Buch „Candragupta und Maurya", in dem er auch auf die historischen Fragen unseres Dramas einzugehen hatte; er betonte, daß nach buddhistischen Texten wie Divyävadäna usw. die Maurya-Könige Bindusära und Asoka als Kshatriya anerkannt wurden, und das in Übereinstimmung mit späteren Inschriften. Er verteidigte die Moriya-Ableitung des Namens Maurya und lehnte die von der Murä ab 3 . 1937 veröffentlichte Kanakalal Sarma in Benares seine unkritische Ausgabe unseres Dramas. Er setzte es in das V I I . — I X . Jahrhundert u. Z., gab die Vorgeschichte der Handlung zunächst in Prosa nach Ananta Bhatta (S. 8—21, ohne aber dessen Namen zu nennen), dann ganz kurz nach Dhundhiräja usw. (21 f.) in Prosa und endlich in 73 selbstgemachten blöken (S. 23—28), ebenfalls ungefähr nach Dhundhiräja. Dabei zieht der böse Nanda Cänakya beim Totenritus selber an den Haaren (Vers 59). Kanakalal gibt jeder Seite des Dramas einen ausführlichen Kommentar in Sanskrit bei und fügt eine Hindu-Übersetzung des Dramas an. 1941 erschien B. Breioers „Alexanders Bund mit Porus" 4 , in dem er ohne Anführung von Beweisen Parvata mit Porus gleichsetzte, obgleich Porus in Wirklichkeit durch Eudamos (und ohne ein Giftmädchen) ermordet worden war 5 ; Breioer sucht mit Phantasie die widerstreitenden Angaben des Dramas und der Griechen zu versöhnen. Er meint von Visäkhadatta: „ W i r können nämlich annehmen, daß er sein Stück nicht erfunden hat, darauf legt ein indischer Dichter keinen besonderen Wert, im Gegenteil, . . . " (126); auch bei ihm zeigt sich da, daß die Historiker trotz aller Warnung der Kenner der Literatur aus dem Drama allzu viel für die lückenhaft bekannte alte Geschichte herauszuholen versuchen. Das altindische Buch vom Welt- und Staatsleben, Hannover 1925. Srikanthasastri, Date of the Mudräräkshasa, Ind. Hist. Quarterly V I I , 1931, 163 ff. ; Jarl Charpentier ebd. 629. 3 Bhargava 27ff. 4 S. o. I I A , S. 151 A . 1 über Apollonius von Tyana. 6 Breioer 159 ff. 1
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Durch neues Material bereicherte die Forschung V. Raghavan 1 im Jahre 1946. Er gab Mahädevas Prosaerzählung heraus, übersetzte sie und fügte Einleitung und Anmerkungen mit vielen Nachrichten über Ananta Bhatta usw. hinzu. Er hatte bereits 1937/38 die Fragmente des Devlcandragupta-Dramas gesammelt und behandelt2. Dies sind ohne Zweifel nach Hillebrandt die wichtigsten Beiträge zum Studium des Visäkhadatta. Auf Raghavan beruft sich in seiner kommentierten Ausgabe und Übersetzung unseres Dramas R. S. Walimbe, aber auch auf Arbeiten von R. S. Pandit und S. Ray und sein eigenes Buch: Mudräräkshasa, a critical study. Walimbe schrieb für Examinanden und hat alle Dialekte durch Sanskrit ersetzt. Er erklärte den Dichter irrtümlich für einen realistischen Schilderer der altindischen Wirklichkeit, betonte aber in seinen Anmerkungen mehrfach mit Recht den Fatalismus des Rakshasa. 1948 schrieb Dr. Devasthali ein Buch über unser Drama, das leider noch nicht verwertet werden konnte. 1950 hat E. Waldschmidt die üblichen griechischen und indischen Nachrichten über Candragupta usw. zusammengestellt3, dabei auch unser Drama herangezogen und erwähnt, daß „man" Parvata mit Porus identifiziert hat. 1951 hat W. W. Tarn dies sogar als „üblicher Weise angenommen" bezeichnet4. 1952 setzte Buddha Prakash König Porus mit Parvataka, die Paurava mit den Parvataka gleich, konnte indessen die Widersprüche, daß im Drama Parvata durch das Giftmädchen des Cänakya, Porus aber nach griechischer Tradition durch Eudamos ermordet wurde, nicht bereinigen. In der Advanced History of India 5 ist man aber 1953 über diese Gleichsetzung stillschweigend hinweggegangen und hat Porus als Paurava oder Puru wiedergegeben. Andererseits hat L. Renou 1954 in Übereinstimmung mit Lévi, Winternitz usw. noch einmal betont®, daß aus dem Drama für die Geschichtsforschung nicht viel zu entnehmen ist. In diesem Kapitel sind leider längst nicht alle Werke über unser Drama zusammengetragen worden; eine echte bibliographische Arbeit ist mir augenblicklich nicht möglich. Das Drama ist eben so bedeutend, daß es immer wieder herangezogen werden mußte. Aber die Hauptlinie der Forschung von Wilson und Lassen über Telang, Lévi und Hillebrandt zu Raghavan und der starke Gegensatz zwischen den Erforschern der politischen und literarischen Geschichte Indiens dürfte deutlich geworden sein. 2. Aufl. 1948. S. o. I I C, S. 186 Anm. 1: Raghavan. 3 E . Waldschmidt, Geschichte des indischen Altertums, Bruckmanns Weltgeschichte, Geschichte Asiens, München 1950, 49 f. 4 The Greeks in Bactria and India, Cambridge 1951, 46. e Adv. Hist. S. 65. — Über die Fragen der Grammatiker Varsha usw. am Nandahofe ist zu erwähnen: V. S. Agrawala, India as known to Pänini, Lucknow 1953, 462ff. « Renou § 1867. 1
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Sinn des Dramas
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Verzeichnis der abgekürzten und häufiger zitierten Literatur
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Raghavan, s. o. Mahädeva. Rghv.: Raghuvamäa, ed. W. L. Sastri Pansikar. Bombay 1917. R ä m . : Rämäyana. Ravinartaka, Chänakya-Kathä, with a Bengali Translation by Satish Churn Law. Calcutta 1921. Renou, L., et Filliozat, J . , L'Inde Classique tome I I . Paris-Hanoi 1953. Rösch, E . , Der getreue Johannes. F F C 77, Helsinki 1928. Ruben, W. 1939: Eisenschmiede und Dämonen in Indien. Leiden. 1943: Krishna. Istanbul. 1947 — 48: Kälidäsas Raghuvamsa, Annales de l'Universitee d'Ankara. 1952: Über die Literatur der vorarischen Stämme Indiens. Berlin. 1952 a : Die Erlebnisse der zehn Prinzen. Berlin. 1954a: Kälidäsas mythologische Frauengestalten: Sakuntalä, UrvasI und Pärvatl. Mitt. d. Inst. f. Orientforschung I I , 1. b : Einführung in die Indienkunde. Berlin, c : Geschichte der indischen Philosophie. Berlin. Öakuntalä, Kälidäsa's, her. v. C. Capeller. Leipzig 1909. Öukasaptati, textus simplicior, v. R . Schmidt. Leipzig 1893. textus ornatior, v. dems. München 1898. Tanträkhyäyika, her. J . Hertel. Berlin 1910. Telang: Mudräräkshasa with the Comm of Dhu. Bombay 1884. Thompson, St., The Folktale, New York 1946. Turnour, G., The Mahäwanso, vol. I , Ceylon 1837. Vämana's Lehrbuch der Poetik, her. C. Capeller. J e n a 1875. V S : Vaiäcshikasütra (Vaiseshikadarsane Prasastapädabhäshyam). Benares 1923. Walimbe, R . S., Mudräräkshasa. Poona o. J . (nach 1946). Wilson, H. H., Select Specimens of the Theatre of the Hindus, transl. from the original Sanscrit, vol. I I I . Calcutta 1827. Windisch, E . , Geschichte der Sanskrit-Philologie und indischen Altertumskunde. Straßburg 1917-1920. Winternitz, M., Geschichte der indischen Literatur 1909—1920.
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WALTER
RUBEN
Die Erlebnisse der zehn Prinzen Eine Erzählung Dandins (Veröffentl. d. Inst. f. Orientforschung, H e f t 11) 1952 • 90 Seiten • 4» • DM 6,—
Die oft übersetzte und doch bislang nicht verstandene klassische indische Erzählung Dandins wird auf die Stellung des Dichters zu den Angehörigen der verschiedenen Kasten, auf seine Weltanschauung und auf seine geschichtliche Stellung hin untersucht. Dabei wird das Werk dem I n h a l t , der Form und der Weltanschauung nach in die Entwicklung der indischen Literatur, Philosophie u n d Religion eingereiht und die Eigenart des Dichters herausgestellt.
Uber die Literatur der vorarischen Stämme Indiens (Veröffentl. d. Inst. f. Orientforschung, H e f t 15) 1952 • 134 Seiten • 4° • DM 10,—
Die bisherigen Darstellungen der indischen Literaturgeschichte beginnen mit den vedischen Hymnen der Arier. Der Verfasser versucht in diesem Buch Material für ein voranzustellendes neues Kapitel der Literaturgeschichte herauszuarbeiten. I n Indien gibt es Millionen Menschen in Dschungelstämmen, die bereits vor den Ariern in Indien lebten. Deren heutige Geschichten, Lieder, Rätsel und Tanzspiele helfen uns, die Literatur solcher Stämme in den langen Zeiten vor den Ariern zu rekonstruieren. Sie illustrieren nicht nur die primitive Gesellschaft der Stämme, sondern zeigen auch, wie der Mensch auf sie reagiert, z. B. auf ein sehr altertümliches Verhältnis, in dem der Knecht gleichzeitig Schuldner u n d künftiger Schwiegersohn ist. Von da lassen sich viele Linien zur späteren indischen Literatur ziehen.
Beginn der Philosophie in Indien (Philosophische S t u d i e n t e x t e ) 338 Seiten • 8" • Ganzleinen DM 12,—
Dieser Band, dessen Herausgober Herr Professor Dr. Rüben ist, zeigt die Anfänge der Philosophie in Indien. Mit dem Zerfall der Gentilgesellschaft, der vom Zerfall der alten Mythologie begleitet ist, entsteht noch vor 600 v. u. Ztr. der erste Materialismus in Indien in der Form des Hylozoismus des Uddälaka. Gegen ihn stellt sich der Idealismus in Form des Pantheismus der Upanishaden. Das Ringen beider Richtungen beherrscht die Geschichte der indischen Philosophie bis heute.
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B E R L I N
FRIEDRICH
WELLER
Zum mongolischen Tanjur (Berichte üb. d. Verhandig. d. Sachs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 97, H e f t 2) 1949 • 36 Seiten • 8° . D M 4 , 7 5
Über den Quellenbezug eines mongolischen Tanj urtextes (Abhandlung d. Sachs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 45, H e f t 2) 1950 • 54 Seiten • 116 Seiten faksimil. Originalt. • 4° • DM19,80
Tibetisch-sanskritischer Index zum Bodhicaryävatära Teil I (Abhandig. d. Säehs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 46, H e f t 3) 1952 • IV, 304 Seiten • 4» • DM 31,— Teil I I (Abhandig. d. Sachs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 47. H e f t 3) 1955 • I I , 307 Seiten • 4° - DM 19,50
Zwei zentralasiatische Fragmente des Buddhacarita (Abhandig. d. Sachs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 46, H e f t 4) 1953 • 26 Seiten • 4 Abb. • 2 Taf. • 4" • DM 7,50
Versuch einer Kritik der Kathopanisad (Veröffentlg. d. Instituts f. Orientforschung, H e f t 12) 1953 • 230 Seiten • 4» • DM 32,—
Zum Blockdruckfragmente des mongolischen Bodhicaryävatära der Berliner Turfansammlung (Abhandig. d . D t . Akad. d. Wiss. z.Berlin, Klasse f. Sprachen, Literatur u n d Kunst, Jahrg. 1954, H e f t 2) 1955 • 32 Seiten • 4° • DM 4,—
Die Legende von Sunahsepa im Aitareyabrahmana und Sankhayanasrautasutra (Berichte üb. d. Verhandig. d. Sachs. Akad. d. Wiss. z. Leipzig, phil.-hist. Klasse, Bd. 102, H e f t 2) 91 Seiten • 8° • DM 6
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