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German Pages 67 [72] Year 1914
Der
römische Legionär und sein Gepäck (Mulus Marianus) Eine Abhandlung über den Mundvorrat, die Gepäcklast und den Tornister des römischen Legionars und im Anhang Erklärung der Apokalypse 6,6 von
Prof. Dr. Franz Stolle Oberlehrer am Wimpfeling-Gymnasium in SchletUtadt
Mit zwei Tafeln
Straßburg Verlag von Karl J. Trübner 1914
Druck von M. Da Hont Schauberg, Strasburg.
Von der Lagerstätte der capitolinischen Wölfin trottete einstens schwer beladen ein Maultier bis zu den Enden des Erdkreises, ganze Reiche zertretend und deren Trümmer zum Bau eines eisernen Weltreiches zusammenschleppend. Das eiserne Weltreich ist das römische und das an dessen Bau hervorragend beteiligte Maultier der römische Legionär. Ja, ein recht geplagtes und belastetes Maultier war der Legionär. Gibt es doch Nachrichten genug, in denen die Größe der ihm auf Märschen aufgebürdeten Last betont wird 1 ), keine, aus der mit Sicherheit zu schließen wäre, daß nichtrömische Soldaten ebensoviel zu tragen pflegten wie Legionare, wohl aber solche, in denen die Tatsache unterstrichen wird, daß nichtrömische Schultern solchen Lasten wie dem Gepäcke der Legionare nicht gewachsen waren 2 ). Die Legionare selber vergaßen, obwohl sie mit der Zeit den 'Affen' auf ihrem Rücken weniger unausstehlich empfanden, dabei doch keineswegs, wie er auf ungewohnten oder entwöhnten Schultern wuchtete. Hierfür ist nichts bezeichnender als eine Szene aus dem Aufstande der pannonischen Legionen (14 n. Chr.). Zu Nauportus reißen sie in ihrer Wut gegen den Lagerpräfekten, der den alten harten Felddienst wieder herzustellen suchte, diesen vom Wagen, beladen ihn mit „Gepäckbündeln" (sarcinae) und treiben ihn vor sich her, indem sie ihn höhnisch fragen, ob er so große Lasten und dabei so weite Märsche wohl gern ertrüge 3 ). Zwar hatte der große Reorganisator des römischen Militärwesens Marius, ein Mann, der als Bauernsohn von Kindheit an selber au große Bürden gewöhnt war und darum aus eigener Erfahrung wußte, wie schwere Lasten am ') Vgl. z. B. Cic. Tuscul. II 16, 3 7 ; Verg. Georg. III v. 343—48; Veget. 1 1 9 ; Joseph, de b. Jud. III 5 (6), 5 ; Tac. ann. I 2 0 ; Plut. Mar. c. 13; Caes. b. G. II 17, 2 - 3 ; Bell. Afric. 75, 3 usw. s ) Caes. b. civ. I 78,1. 3 ) Tac. ann. I 20. S t o l l e , Römischer Legionär.
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2 bequemsten zu tragen seien, einen neuen praktischeren 'Tornister' erfunden 1 ), aber die Traglast des Soldaten an sich nicht vermindert. Diese Last war und blieb immer noch so groß, daß ihre Träger „unter dem übermäßig schweren Bündel2)"„grätschbeinig" 3 ) ihres Weges wandelten. Und was den einzelnen Rücken einer ganzen Kompanie (centuria) zu viel war, das trug in geduldigem Trott unter einem dem Marianischen Tornister nicht unähnlichen Saumsattel (sagma) der arbeitliebende Säumer, nämlich das „Kompaniemaultier" (mulus centuriatusY). Kein Wunder, daß der allezeit rege Soldaten witz den Legionär nach dessen treuem Genossen aller Würden und Bürden umtaufte in Mulus Marianus'0). Sofort drängt sich jedem die Frage auf: WAS TRUG AN GEPÄCK DAS „MARIANISCHE MAULTIER"? In der Summe dessen, was der Legionär trägt, spielt nun sein Mundvorrat die Hauptrolle. Nun herrschte im römischen Heere, wie es für das dritte und vierte nachchristliche Jahrhundert direkt bezeugt wirdT die Sitte, daß bei „Expeditionen" 6 ) in Feindesland, natürlich solchen, die, was oft vorkam, längere Zeit dauerten und schwierig waren, der Legionär Proviant „gewöhnlich für 17 Tage" (decem et Septem, ut solent, dierum)7) aufschulterte. Diese „17 Tage" sind nichts anderes als ein trinundinum, d. h. in Wirklichkeit 16 Tage oder ein Zeitraum von zwei altrömischen achttägigen Wochen, in dem der dritte Markttag (nundinae)r d. h. der terminus ad quem, zwar mitgezählt, aber praktisch ') Vgl. unten S. 33 ff. ') Verg. Georg. III v. 347: iniusto sub fasce-, vgl. dazu Veget. 119. 3 ) Fest. p. 148 M.: varicosius, vgl. dazu unten S. 33. 4 ) Flav. Vopisc. vit. Aurelian, (script. hist. aug. XXVI) c. 7, 7. 5 ) Über den Namen vgl. Plut. Mar. c. 13; Fest. p. 24 M.; p. 148 u. 149 M.; Frontin. strategem. IV 1, 7 u. unten S. 33 f. 6 ) Vgl. unten S. 31. ') Vgl. Ael. Lamprid. vit. Alex. Sever. (script. hist. aug. XVIII) c. 47, 1; ebenso Ammian. XVII 9, 2.
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nicht mitzurechnen ist; ähnlich wie unser „alle 8 Tage" nicht 8, sondern 7, internundinum (sc. tempus d. h. während einer 9tägigen Zeit) nicht 9, sondern 8 und französisch quinze jours nicht 15, sondern 14 Tage (vgl. unser „alle 14 Tage") bedeutet Das Aufkommen der Sitte, dem Legionär Mundvorrat gerade für 16 Tage aufzubürden, reicht in eine Zeit zurück, wo die Römer noch die achttägige Woche hatten, die schon am Ende des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts durch die siebentägige ersetzt ist 1 ), denn daß man nach 200 n. Chr. die nicht mehr übliche Woche von 8 Tagen wieder aus der Rumpelkammer hervorgeholt hätte, um sie alö Frist für Proviantlieferungen zu verwenden, ist weniger erklärlich als daß ein tief und fest eingewurzelter Brauch noch lange Zeitströmungen trotzt, die ihn wegzuspülen drohen. Zumal ein recht tief eingewurzelter; denn schon Cicero, der in seinem cilicischen Prokonsulat (51—50 v. Chr.) als Leiter einer mehrmonatigen Expedition die Belastung der Soldaten aus pflichtmäßiger Beobachtung kannte, schreibt Tuscul. II 16, 37, daß der Legionär auf dem Marsche „Mundvorrat für mehr als einen halben Monat zu tragen" (qui labor, quantus agminis, ferre plus dimidiati mensis cibaria) habe. Den Inhalt seiner Worte will nun Cicero keineswegs, wie Schneider S. 282 a. 0. und andere, um ein unbequemes Zeugnis zu beseitigen, interpretieren, „nur als einen Ausnahmefall", nur als etwas betrachtet wissen, was nur gelegentlich einmal in einem besonders gearteten Falle vorkomme, sondern, wie der sie belebende Zusammenhang klipp und klar beweist, gerade als etwas, was durch Übung zur Gewohnheit wird. Selbstverständlich hat er mindestens 16 Tage und länger dauernde Expeditionen im Auge, da es ja bei kürzeren (vgl. z. B. Caes. b. G. VI 33,4) Verrücktheit gewesen wäre, dem Soldaten mehr als nötig aufzubürden, Expeditionen aber, die weniger als 16 Tage dauerten, waren gewiß seltener als die andern. Cicero spricht also a. 0. wirklich von einem „regelmäßigen Brauche" und zwar einem Brauch, der längst vor ihm bestand, will er doch weder sich seinen Lesern als Reorganisator des Militärwesens, wozu er auch nichts taugte, vorstellen noch ihnen ') Dio XXXVII18,1—2. 1*
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Neues mitteilen, sondern nur längst Bekanntes in Erinnerung bringen. Es ist ihm ferner daran gelegen, den Eindruck von der Länge der Zeit, für welche der zu tragende Proviant bemessen war, und damit von der Größe der zu leistenden Arbeit (qui labor, quantus agminis) möglichst zu vertiefen, daher bedient er sich aus rhetorischem Grunde mit Absicht eines schwankenden Ausdrucks, welcher der Phantasie genug Spielraum läßt, denn „mehr als einen halben Monat" (plus dimidiati mensis) gestattet die Zeit über 14 bzw. 1 4 1 h bzw. löVa Tage 1 ) je nach Geschmack und Belieben mehr oder weniger auszudehnen. Tatsächlich meint Cicero ja doch eine wie nach unten, so auch nach oben genau abgegrenzte Zeit, und zwar platterdings kaum etwas anderes als das trinundium, dessen zwei Wochen (16 Tage) oder 17 Tage (in römischer Zählweise) stets „mehr als einen halben Monat" (14 bzw. 14 V2 bzw. 15 1 /2 Tage) ausmachen. Es war also nicht nur in der römischen Kaiserzeit, sondern auch lange vorher „regelmäßiger Brauch", daß der Legionär bei längeren Expeditionen auf dem Marsche Mundvorrat für 16 Tage trug. Oberst Stoffel 2 ) freilich (vgl. Schneider a.O. S.282) schilt denjenigen General, der Soldaten ihr Getreide für 16 Tage (leur blé pour 16 jours) tragen ließe, einen Narren (fou)3). Das Getreide wäre auf S a u m t i e r e (sur les bêtes de sommé) geladen worden. Möglich, daß der Legionär davon ein Quantum gewöhnlich für ein oder zwei Tage oder in Ausnahmefällen für eine längere Zeit (habituellement pour un ou deux jours ou, dans des circonstances exceptionelles, pour un temps plus long) getragen hätte. Und damit hätte Stoffel, wie Schneider a. 0. glaubt, „den Nagel auf den Kopf getroffen". Um Stoffels jeglichen Beweises bare Behauptungen zu stützen, beruft sich Schneider auf Josephus. „Wir besitzen", sagt er a. 0. S. '282, „ein vollgültiges Zeugnis aus dem Altertum, das merkwürdiger Weise den Gelehrten ganz entgangen ist, worin geschrieben ') Im vorjulianischen Kalender sind 4 Monate 31, 7 M. 29 und 1 M. 28 Tage lang. 2 ) Delbrück, Gesch. der Kriegsk. Erster Theil S. 421 schließt sich Stoffel an. 3 ) Was würde Stoffel wohl zu Nissens Ansicht gesagt haben? Vgl. unten S. 52 Anm. 1.
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steht, daß die Römer auf drei Tage Proviant bei sich tragen. Es heißt bei Josephus Bell. Jud. III 5, 5: f] bk Xomri qpdXarf (' imreiq . . . . eiq TÖV Hrjva und solche Stellen, wie Caes. b. G. I 5 , 3 : triam mensum molita cibaria sibi quemque domo efferre iubent (sc. Helvetii) und hierbei zu berücksichtigen, daß Livius nicht vom einzelnen Soldaten (miles) spricht, sondern wie sonst so überaus häufig das Wort miles k o l l e k t i v im Sinne von eocercitus, der Gesamtheit der milites, gebraucht. Ferner braucht ferre, d. i. „tragen, b r i n g e n " , nicht zu verwechseln mit portare, baiulare und ctxOoqpopeiv (vgl. z. B. Yeget. de re milit. I 19 u. Gell. Y 3, 1 —2), an sich noch keineswegs „tragen mit seinem Körper oder auf der Schulter" zu bedeuten, obschon diese Bedeutung (Dig. L 16, 235) nicht ausgeschlossen ist. Menstruum, d.i. das Monatliche, ist das dem H e e r e „für einen Monat" oder rund 30Tage g e l i e f e r t e Getreide (vgl. oben S. 8 f.), der Anteil des einzelnen am menstruum des Heeres kann natürlich auch menstruum heißen. Livius will also schlecht und recht nur sagen, daß der Konsul das gesamte menstruum, statt wie so häufig einen Teil davon in Magazinen (horrea) zurückzulassen, von seinem H e e r e mit sich führen (bringen) ließ, und setzt als bekannt voraus, was gewohnheitsgemäß war. Es widersprach aber der Gewohnheit und zudem ist es sachlich höchst unwahrscheinlich, daß der einzelne Legionär neben seinen Waffen, Kleidern und Geräten (t>asa) noch eine so große Last wie 4 modii = 35,02 Liter = 8 3 % röm. Pfund = 27,287 km oder weit über einen halben Zentner Weizen aufschulterte. Selbst angenommen, daß das menstruum in 22 Zwieback-, 3 Brot- und 7 Weizenportionen bestanden hätte, würde der Mundvorrat immer noch 21,888 kg gewogen haben. Ebenso würde die Annahme, daß der einzelne Helvetier 90 Tagesportionen Mehl, d. h. wenn man die Portion kleiehaltigen Weizenmehls zu 2 1 /a röm. Pfd. = 818 g schätzt, gegen 225 röm. Pfd. = 73,676 kg auf seinem Rücken keuchend geschleppt hätte, eine Narrheit sein; denn der Ausdruck efferre verbietet sie zwar an sich noch nicht, gebietet uns aber auch nicht, verrückte und närrische Gedanken zu äußern. Wir dürfen mithin getrost die Ansicht aussprechen, daß der einzelne Legionär des J . 169 v. Chr.
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keinen Deut mehr als das übliche Quantum d. h. die aus seinem halben menstruum Weizen bereiteten cibaria trug, die andere Hälfte der menstrua dagegen, wie gewöhnlich, auf den Rücken der Saumtiere (iumenta) oder in Wagen weiter befördert wurde. Liv. perioch. 57, wo erzählt wird, wie der jüngere Scipio Africanus vor Numantia die verlotterte Disziplin wiederherstellt, steht geschrieben: militem cotidie in opere habnit et tri(jinta dierum frumentum ac septenos vallos ferre cogebat. Dies ist der Livius-Text leider in der gekürzten und verballhornten Gestalt, wie sie seine Benutzer und Ab- und Ausschreiber bieten. Wie größere Texte manchmal durch geistloses Exzerpieren in ihrem Sinne entstellt werden können, lehrt drastisch ein Vergleich von Cäsars commentarii de bello Gallico mit Oros. VI 7—11. Nun legt schon ein äußerliches Zusammenstellen der Worte: militem . . triginta dierum frumentum.. . ferre mit Liv. XLIII 1, 8 u. XLIV 2, 4 (oben S. 15 f. zitiert) den Verdacht nahe, daß Livius nur so viel behauptet habe, daß das Heer (miles = exercitus), in seiner Disziplin gebessert, wiederum, wie üblich, sein menstruum selber weiter beförderte und zu Mundvorrat verarbeitete, während es vorher das staatlich gelieferte Getreide versilberte und dafür aus Bequemlichkeit nach Bedarf von Marketendern üppige Speisen kaufte (vgl. dazu Polyaen. VIII16, 2; Plut. apophth. Scip. min. 16; Appian. Iber. 85; Frontin. strateg. IV 1, 1—2; Valer. Max. II 7, 1; Flor.-II 18, 9 u. Veget. de re milit. III 10), der Exzerptor daher die Worte miles und ferre mißverstanden und dann in Livius' Worte den Unsinn hineininterpretiert habe, als ob jeder einzelne Soldat {miles) sein ganzes menstruum auf seinen Schultern getragen hätte. Der Verdacht wird durch Frontin. IV 1, 1, eine Stelle, die, gleichviel ob unmittelbar oder mittelbar, höchstwahrscheinlich auf Livius zurückgeht, zur Gewißheit erhoben, denn es heißt Frontin. IV 1, 1: quibus (sc. militibus) cum frequens iniungeret iter, portare complurium dierum cibaria imperabat (sc. Seipid). Der einzelne Soldat trug also Mundvorrat nur für „mehrere Tage", d. h. schwerlich für 16, geschweige denn für 30 Tage. In Caes. b. civ. I 7 8 , 1 : dierum XXII S t o l l e , Römischer Legionär.
ab Herda
frumenta 2
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iussi erant efferre ist, wie sich aus inneren Gründen ergibt, (vgl. Mensel in der 11. Aufl. der erklärenden Kraner-Hofmannschen Ausgabe von C. Julii Caesaris commentarii de hello civili, Berlin 1906 S. 100 u. 304 und vor allem Groebe bei Drumann, Geschichte Roms 2. Aufl. Bd. III S. 734 f.), die Ziffer „XXII" ein — Schreibfehler. Meusel liest „VII", Groebe „VIII". Obwohl wir in der Sache Groebe zustimmen, daß bei Cäsar a. 0. nur von 8 Tagen die Rede sein könne, lesen wir aus paläographischemx) Grunde „Villi", weil aus dieser Ziffer leichter „XXII" verlesen werden konnte, d. h. der Schreibfehler verständlicher wird, meinen aber mit „9 Tagen" (vgl. oben S. 2 f., vgl. Pseudo-Verg. moret. v. 79—80: nonisque diebus Venales olerum fasces portabat in urbem; Varro rer. rustic. II 1, 1 usw.) dasselbe wie Groebe, nämlich eine römische Woche, die „neuntägig" heißt, in Wirklichkeit aber nur 8 Tage dauert. Bs gibt mithin kein einwandfreies Beispiel für die Annahme, daß der Legionär an Getreidenahrung in Ausnahmefällen sogar mehr als den aus zwei römischen Scheffeln Weizen wie üblich zubereiteten Mundvorrat d. h. mehr als 11,369 kg getragen hätte2). Sie wird noch unwahrscheinlicher, wenn sich nachweisen läßt, daß n e b e n Getreide (Weizen) noch andere Nahrungsmittel in Frage kommen. Gewiß, Getreide ist die e r s t e , ist Hauptnahrung für den Soldaten wie überhaupt für den schwer arbeitenden Menschen, im Altertum noch mehr als heutzutage. So soll der deutsche Soldat täglich im Kriege 750 g3), im Frieden vom Quartiergeber 1000 g Brot 3 ) (Roggenbrot) bekommen, der römische erhält 3 1 7 /s6 röm. Pfd. = 1137 g d. h. 387 g bzw. 137 g Brot mehr als der deutsche; der schwerarbeitende, beinschellentragende Arbeitssklave z. B. bei Cato (de agricult. c. 56) bekam täglich im Winter 4 röm. Pfd. = 1310 g, im Sommer 5 röm. Pfd. = 1637 g Brot. Zudem ist das römische Brot Weizenbrot, das nahrhafter ist als Roggenbrot. Getreide allein ohne andere Zugabe vermag in der Tat für die Dauer 1) Verwechslung von II mit V oder X ist ein sehr häufiger Fehler. *) Vgl. unten S. 52 Anm. 1. 3 ) Vgl. Lehnerts Handbuch für die Truppenführer § 364 u. § 468.
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weit besser den Hunger zu stillen als jeder andere Nahrungsstoff, wie z. B. Fleisch allein es vermöchte. Dessen waren sich schon die Alten wohl bewußt; vgl. z. B. Caes. b. Gall. VII 17, 3, wo erzählt wird, daß bei der Belagerung von Avaricum der Mangel an Mundvorrat so groß geworden sei, daß die Soldaten mehrere Tage hindurch kein Getreide gehabt und nur mit Fleisch notdürftig ihren Hunger hätten stillen können, b. civ. I 48, 5—6, wo die Not des cäsarischen Heeres bei Ilerda damit begründet wird, daß Getreide ihm völlig gefehlt habe und Yieh, welches wenigstens (nach dem Getreide) der nächste Bückhalt gegen Mangel hätte sein können (pecora, quod secundum poterat esse inopiae subsidium), zu weit von ihm entfernt gewesen wäre, b. civ. I 52, 2—4, Sallust lug. c. 90 (vgl. dazu Caes. b. G. VI 22, 1 u. IY 1, 8) und Veget. de re milit IV 7, wo vom Fleisch gesagt wird, daß es nur eine „Beihilfe" (admtniculum) zum Getreide sei, damit dieses ja genüge (ut adminiculo carnis frumenta sufficiant). Kein Wunder, daß die alten Klassiker, wenn sie gelegentlich die römische Heeresverpflegung berühren, meist nur des Getreides, seltener des Fleisches, sehr selten anderer Nahrungsstoffe gedenken. Diese Tatsache darf uns aber nicht zu dem Schlüsse verleiten, als ob dem römischen Soldaten Fleisch nur ausnahmsweise, jedenfalls nicht regelmäßig geliefert worden wäre. Denn es ist nicht denkbar, daß der Legionär, wenn ihm Weizenbrot allein gewöhnlich als Nahrung gedient hätte, täglich 173 g oder sogar 400 g Brot weniger als der Sklave, überhaupt weniger Nahrung als z. B. der deutsche Soldat erhalten haben sollte. Denn die dem deutschen Soldaten durch Quartiergeber gelieferte Portion z. B. kann, die an Gewicht niedrigsten Sätze angenommen, bestehen aus 1000 g Brot (Roggenbrot), 150 g Speck, 125 g Graupe, 25 g Salz und 15 g Kaffee, d. h. zusammen aus 1315 g solcher Nahrung, die den Wert von 1137 g Weizenbrot um ein Beträchtliches übersteigt Wenn nun in manchen Stellen zwar nur Getreide, aber dabei das Getreide nicht ausdrücklich als alleinige Soldatennahrung genannt ist, so ist durch sie Fehlen von Fleisch noch nicht bewiesen. Es würde z. B. sehr verkehrt sein zu schließen, daß im römischen Heere 2*
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jedesmal, wenn als dessen Teile bloß Legionen angegeben werden, dann Hilfstruppen gefehlt hätten, denn in den Augen des Römers galten die Legionen als Kern, die Hilfstruppen als „Stütze" (adminiculum) des Heeres (Veget. II 2: legionibus Semper auxilia tarn quam levis armatura in acie iungebantur, ut in his proeliandi magis adminiculum esset quam principale subsidium), galt die „Stütze" des Kernes so wenig, daß römische Schriftsteller, wie Appian (b. civ. II 70) sagt, „die Stärke der Bundesgenossen (cTumuaxiKd = socii, auxilia) nicht genau, zum Teil gar nicht angeben", d. h. die „Stütze" durch die Erwähnung des Kerns als mitgenannt betrachten. Wie die Legion zu ihren Hilfstruppen, so verhält sich Getreide zum Fleisch, d. h. wie der Kern zu seiner „Stütze", das Fleisch ist ja, wie Yegez (milit. IY 7) ausdrücklich bemerkt, nur eine „Beihilfe" oder „Stütze" (adminiculum) des Getreides. Daher dürfen wir in den Stellen, wo schlecht und recht nur die Hauptnahrung des Soldaten angegeben ist, deren Stütze, das Fleisch, ruhig als miterwähnt ansehen. Ohne Zweifel ist unter gewöhnlichen Verhältnissen Fleisch dem Soldaten r e g e l m ä ß i g und wohl auch t ä g l i c h verabreicht worden. Die im Jahre 360 n. Chr. erlassene Verordnung im Cod. Justin. II 37 (38), 1 beruft sich auf die „wiederholte Gewohnheit" (repetita consuetudo), daß zurzeit der Expedition die römischen Soldaten abwechselnd „an einem Tage Speck (lardum1)), 2 an zwei Tagen Hammelfleisch" ) (uno die lardum, biduo carnem vervecinam), d. h. täglich Fleisch zu genießen pflegten, ') „Laridum" oder „lardum" ist jede Art von eingesalzenem und aufbewahrtem Schweinefleisch, Speck, gepökeltes Fleisch. Vgl. Becker, Gallus III S. 349 f. 2 ) Über Schweine- und Schafzucht vgl. die zerstreuten Notizen bei Forbiger, Handbuch der alten Geographie von Europa. 2. Aufl. Hamburg 1877 S. 99, S. 245, S. 383 usw.; über die Bedeutung des Schweines bei den Römern insbesondere noch Becker, Gallus III 349 f. Schweine- und Hammelfleisch waren bei der Blüte, in der im Altertum die Schweine- und ganz besonders die Schafzucht standen, das billigste und am leichtesten zu beschaffende Fleisch. Das Schwein lieferte das beste Dauerfleisch, und für die Heere war es, um Schlachtvieh zu haben, bequemer und b i l l i g e r Hammel mitzuführen als z. B. Rindvieh. Daher spielen in dem bekannten Opfer der suovetaurilia Schwein und Schaf die erste Rolle.
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und rein nichts spricht gegen die Annahme, daß Fleisch wenigstens schon im 2. Jahrh. v. Chr. ebenso wie in der Kaiserzeit tägliche Soldatenspeise gewesen sei, bestand doch die Sitte, in Militärmagazinen auchFleisch, besonders Schweinespeck (laridum), aufzubewahren, bereits in polybianischer Zeit (150 v. Chr.), wie Polyb. II 15, 3 beweist, wo mitten in der Beschreibung von Gallia Cisalpina und dessen Schweinereichtum beiläufig vermerkt wird, daß Schweinefleisch auch für die Heere in Magazinen niedergelegt würde. Ganz im Sinne dieser Sitte handelte Decimus Brutus, als er nach Besetzung von Mutina (43 v. Chr.) die Lebensmittel der Bewohner mit Beschlag belegen, die vorhandenen Zugtiere aber schlachten und ihr Fleisch für den Fall einer längeren Belagerung einsalzen (erapixeue) ließ (Appian. b. civ. III 49). Casars Notiz b. G. Y I I 56, 5: frumentumque in agris et pecoris copiam nactus repleto his rebus exercitu bestätigt, daß Getreide und Fleisch zusammen Soldatennahrung gewesen ist. Sogar die strengsten Wiederhersteller römischer Manneszucht, wie der jüngere Scipio (134 v. Chr.) und Metellus (109 v. Chr.) entzogen ihren Soldaten zwar alles, was üppig und unnütz erschien, untersagten ihnen aber keineswegs den Fleischgenuß, nur verboten sie anderes als „ t r o c k e n g e s c h m o r t e s oder g e s o t t e n e s " (assa elixave)1) Fleisch zu essen1). Scipio gestattete jedem einen Kochtopf, ein Trinkgeschirr und dazu — noch einen Bratspieß bei sich zu führen, doch wohl in der Meinung, daß der beim Schmoren, Sieden und Wärmen des Fleisches verwendete Bratspieß ebenso notwendig und nützlich sei wie ein Trinkgeschirr und nicht etwa bloß an Fest- und Geburtstagen, sondern regelmäßig, wie es der tägliche Fleischgenuß mit sich bringt, gebraucht werden sollte. Bei aller Strenge war Metellus, als einmal das Getreide knapp war, doch einsichtig genug, täglich an das Heer Yieh zum Schlachten zu verteilen (Sallust. Jug. 90) d. h. ihm sogar frisch geschlachtetes und gekochtes Fleisch zu gönnen. Es ist also nicht daran zu zweifeln, daß der römische Soldat ') Vgl. Appian. Iber. c. 85; Polyaen. VIII16, 2; Frontin. strategem. IV 1, 2 zu assus und elixus u. Forcellini Tot. Latin. Lex. unter diesen Wörtern. „Gesotten' : (elixum) ist besonders das Schweinefleisch.
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vom zweiten vorchristlichen Jahrhundert an gewöhnlich jeden Tag zum Brot (bzw. Zwieback) auch Fleisch bekam, d. h. solche Nahrung, die dem Körper das für die Dauer nicht zu missende Fett zuführte. Was sonst noch an Nahrungsmitteln gewöhnlich den Heeren geliefert wurde, scheint nicht viel gewesen zu sein. Salz, dessen Mangel sehr schwer empfunden wird und wie z. B. von den jüngst in Adrianopel durch die Bulgaren belagerten Türken empfunden worden ist, hat natürlich in keiner Weise gefehlt (vgl. Veget. de re milit. III 9; Plin. n. hist XXXI 7, 87—89; Plut. Grass, c. 19; Caes. b. civ. II 37, 5). Der alte Cato (de agricult. c. 57) gab seinen Sklaven jährlich je einen modius Salz, so daß auf den halben Monat oder rund 16 Tage 8 cyathi — 16 ligulae (Schöpflöffel) = 0,365 Liter, an Gewicht nahezu ein röm. Pfd. = 327 g, auf den Tag eine ligula = 0,0456 Liter, an Gewicht etwa 3 Ii uncia = rund 21 g Salz herauskommt. Mehr als 21 g Salz täglich dürfte wohl auch der Legionär nicht erhalten haben. An Zugemüse, insbesondere Hülsenfrüchten (legumina), haben die Soldaten für gewöhnlich nichts empfangen; sie scheinen diese Nahrungsmittel nur dann, wenn Not eintrat, aushilfsweise genommen oder aufgesucht zu haben. Wenigstens geht aus den Worten Cäsars b. civ. III 47, 7: Non illi hordeum (Gerste, aus der Graupe und Grütze gemacht wird, für den Soldaten Not- und Strafkorn) cum daretur, non legumina recusahant; pecus vero . . . magno in honore habebant, wie Langen S. 10 sagt, hervor, „daß sie wohl geneigt gewesen wären, dieselben zurückzuweisen, wenn eben nicht der Mangel sie genöthigt hätte, auch die von ihnen wenig geschätzten Nahrungsmittel zu verwenden". Zugemüse war zudem nicht, wie heutzutage, so notwendig, denn 1137 g röm. Weizenbrot haben mindestens so viel Nahrungswert, wie ihn z. B. in der deutschen Kriegsportion darstellen: 250 g Hülsenfrüchte oder an deren Stelle 125 g Graupe oder Grütze u n d 750 g Roggenbrot zusammen. Doch hat K ä s e (über K. vgl. Plin. n. h. XI 41, 237—242; Martial. epigr. XIII 30—33; Yarr. rer. rust. II 11, 3—4; Becker, Gallus III S. 361) dem Soldaten nicht mißfallen, denn Spartianus erzählt in seiner vita Hadr.
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(Script, hist. aug. I) c. 10, 2 von Kaiser Hadrian, daß dieser nach dem Beispiele des Scipio, des Metellus und des Trajanus öffentlich auch „Lagerspeisen" (tibi castrenses), d. i. Speck, K ä s e und Soldatenlimonade „gern" genossen habe (cibis etiam castrensibus in propatulo libenter utens, hoc est larido, caseo et posca). Das Quantum Käse wird nicht angegeben, doch kann es nicht groß gewesen sein. Bewilligen wir, damit der Scherz nicht fehle, dem Soldaten täglich z. B. ein Mainzer Käschen. Warum soll nicht so ein Mainzer Käschen sein Yorbild im „Lagerkäse" der einstigen großen römischen Garnison in Mainz gehabt haben? So ein trockenes Mainzer Käschen wiegt durchschnittlich gerade etwa 1 uncia = 27 g und 16 Käschen für die 16tägige Marschperiode ergeben 16 unciae = l ' / s libra (röm. Pfund.) = 436 g Belastung. Der Käse war (Apul. metam. I 18: caseurn cum pane propere ei porrigo) und ist die beste Zutat zum Brot bzw. Schiffszwieback (buccellatum) besonders beim Frühstück (Martial. epigr. XIII 31). Damit ist erschöpft, was wir über die Speisen des Legionars wissen. Was die G e t r ä n k e betrifft, so ist trotz Langen gar nicht daran zu zweifeln, daß die Soldaten r e g e l m ä ß i g , ich sage nicht täglich, W e i n erhielten und zwar in der Kaiserwie republikanischen Zeit. Langen S. 11 ist der Ansicht, daß in der republikanischen Zeit den Truppen kein Wein geliefert worden wäre, Senn Sallust (Jug. c. 44, 5) berichte bei der Schilderung der Zügellosigkeit des Heeres, welches Metellus von Spurius Albinus empfing, „daß die Soldaten ihre Beute gegen Wein bei den Marketendern umtauschten". Sallust. Jug. c. 44, 5 lautet: pecoris et mancipiorum praedas certantes agere eaque mutare cum mercatoribus vino advectitio et aliis talibus, praeterea frumentum publice datum vendere, panem in dies mercari. Es würde sehr verkehrt sein, aus Sallusts Worten zu schließen, daß die Soldaten gewöhnlich kein Brot, sondern Getreide gegessen hätten, und ebenso verkehrt ist Langens Folgerung, daß den Truppen gewöhnlich überhaupt kein Wein gegeben worden wäre, denn Sallust will nur bemängeln, daß die Soldaten sich nicht mit dem gewöhnlichen Mundvorrat begnügten, sondern etwas Besseres
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z. B. statt des Kommißweines, der ja kein Wein erster Güte gewesen sein wird, „ i m p o r t i e r t e n " (advectitium) Wein genießenwollten. Auch das, was Spartianus von Pescennius Niger erzählt (vit. Pesc. Nig. c. 7, 7—8), beweist nichts für Langen; denn Nigers Verhalten gegen seine Soldaten ist eine Ausnahme, wie er sie zwang, obwohl römische Soldaten g e w ö h n l i c h neben Zwieback auch Brot bekamen, nur mit Zwieback zufrieden zu sein (vit. Pesc. N. c. 10, 4), ebenso wollte er, sei es aus Strenge, sei es aus Geiz und Knauserei, sie zwingen, als sie von ihm den (gewöhnlichen) Wein begehrten (cum apud Aegyptum ab eo limitanei vinum peterent), darauf zu verzichten, mit der höhnischen Antwort: Nilum habetis et vinum quaeritis? Langen hat nicht bedacht, 1.) daß es sehr auffällig sein müßte, wenn den Soldaten, während selbst z. B. Catos Sklaven jährlich mindestens 7 amphorae = rund 184 Liter Wein erhielten (Cato, De agricult. c. 57), Bacchus' Gabe versagt worden wäre, und 2) daß die von ihm übersehene kaiserliche Verordnung des J. 360 n. Chr. (Cod. Justin. X I I 37 (38), 1) sich auf die „wiederholte Gewohnheit" beruft, daß die Soldaten „an einem Tage Wein, am andern Tage Essig" (uno die vinum, alio die acetum) zu empfangen pflegten. Mit der kaiserlichen Verordnung steht im Einklang Veget. de re milit. III 3: Frumenti vero et aceti vel vini nec non etiam salis omni tempore necessitas declinanda (vgl. Treb. Poll. vit. tyrann. triginta c. 18, 9; Plut. Ant. 45 u. Caes. 41). Die Soldaten erhielten also zu jeder Zeit gewöhnlich Wein {vinum) und Essig (acetum, vgl. außer den angeführten Stellen Spart, vit. Pesc. Nig. c. 10, 3; Jul. Capit. vit. Gord. c. 28, 2; Treb. Poll. vit. Claud. c. 14, 3), Essig, um sich daraus die poscaein kühlendes Gemisch aus Wasser und Essig, die sogen. Soldatenlimonade, zu bereiten; sie empfingen Wein und Essig regelmäßig und zwar abwechselnd an einem Tage Wein, am andern Essig. Von anderen Getränken ist nichts bekannt. Wie groß war nun das Tagesquantum an Wein bzw. Essig? Das Weinquantum scheint gerade einen sextarius = 0,547 Liter = rund unsern Schoppen oder soviel wie das Trinkgeschirr des Legionars faßte, an Ge') Spart, vit. Hadr. c. 10, 2 vgl. mit Vulc. Gallic. vit. Avid. Cass. c. 5, 2; ferner Plaut. Asin. I 3, 13; mil. glor. III 2, 23; Suet. Vitell. c. 12.
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wicht ein röm. Pfd. = 327 g betragen zu haben1); das Essigquantum muß geringer gewesen sein, umso viel geringer, daß der Zusatz von Wasser zum Essig einen Schoppen Limonade ergab. Was trug nun an Getränk der Legionär? Vulcacius Gallicanus erzählt in seiner vit. Avid. Cass. (script. hist aug. VI) c. 5, 3 von Avidius Cassius, daß dieser Mann, der bald gierig nach Speise und Wein, bald Abstinenzler in beiden war und wegen seiner strengen Disziplin sich gern Marius nennen hörte (c. 3, 4 u. § 8), jeden Luxus streng bestraft und seine Soldaten gehindert habe, irgend etwas anderes als Speck, Zwieback und Essig während einer Expedition zu tragen (praeter laridum ac bucceUatum atque acetum militem in expeditione portare prohibuit). Dieses Beispiel, ein offensichtlicher Ausnahmefall, beweist z.B. nicht, daß die Soldaten gewöhnlich weder Brot noch Hammelfleisch noch Wein getragen hätten, ist aber gerade eine Bestätigung dafür, daß die Soldaten auf dem Marsche überhaupt Getränk bei sich trugen. Für wie viele Tage? ist damit nicht beantwortet Wir werden, da kein anderer Flüssigkeitsbehälter als das einen sextarius (Schoppen) fassende Trinkgeschirr des Soldaten erwähnt wird, annehmen dürfen, daß der Legionär gewöhnlich jeden Tag nur einen Schoppen Wein oder Limonade mit sich führte, denn abgesehen von Märschen in Wüsten und wasserarmen Gegenden, wo besondere Maßregeln für Zufuhr von Wasser usw. (vgl. Sallust. Jug. c. 75) getroffen wurden, war es sonst durchaus nicht nötig, den Bücken des Legionars übermäßig mit Getränk zu belasten, war doch, wenn Wein und Essig einmal ausging, der „Wein" in den Flüssen und Bächen usw. der beste „eiserne Bestand". Das Gesamtgewicht dessen, was der Legionär außer®) Kleidung und Waffen trug, wird von Yeget. I 19 auf 60 röm. Pfd. = 19,647 kg angegeben. Pondus quoque, sagt Yegez a. 0., baiulare usque ad LX libras et iter facere gradu militari frequentissime cogendi sunt iuniores, quibus in arduis expedüionibus necessitas inminet annonam (Mundvorrat) ') Vgl. dazu Cato, De agricult. c. 57; Plaut, mil. glor. III 2, 40: Ibi erat bilibri» aula sie propter eados, wo die bilibris aula einen Sextarius-Topf bedeutet, Becker, Gallus III 401—03. Zu bilibris vgl. das erste Kapitel im Anhang. «) Vgl. unten S. 52 Anm. 1.
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pariter et armaportandi. In den 60 röm. Pfd. ist das Gewicht des eigentlichen Mundvorates (annona, cibaria) an Speise und Getränk wie des zum Tragen des Mundvorrates nötigen Tornisters und derEß- und Trinkgeschirre inbegriffen 1 ). Wir haben bisher ermittelt, daß der Legionär am ersten der 16 Marschtage trägt: 3 4 1 3 / i 8 röm. Pfd. Zwieback, Brot und Weizen, 1 röm. Pfd. Salz, IVb röm. Pfd. Käse und 1 röm. Pfd. Wein bzw. Limonade. Diese Teilposten ergeben zusammen 38 1 /is röm. Pfd., so daß 60—38' /is = 21 17 /is röm. Pfd. = 7,185 kg übrig bleiben, in denen das Gewicht des Fleisches, des Tornisters und der Geschirre (vasa) stecken muß. Die Fleischportion des Legionars muß an Gewicht leichter gewesen sein als z. B. die heutige Kriegsportion (375 g frisches oder gesalzenes Fleisch oder 200 g geräuchertes Fleisch, Fleischwurst, Dauerwurst, Speck, Fleischkonserven), ja noch leichter als die heutige dem Soldaten von Quartiergebern zu reichende Fleischportion (250 g rohes Fleisch oder 150 g Speck), denn sonst bliebe zu wenig Gewicht übrig für die Geschirre und den Tornister, der allein etwa so viel wie z. B. das Schweizer Tragreff ohne Biwakdecke, d. h. gegen 3,50 kg oder 10a/3 röm. Pfd. gewogen haben kann. Von der preußischen Militär-Reorganisationskommission (vgl. E. von Cosel, Geschichte des preuß. Staates u. Volkes. Leipzig 1872. Fünfter Bd., S. 71) wurde im J. 1807 außer Zugemüse und IVa Pfund = 701,56 g (1 preuß. Pfd. früher = 467,71 g) Brot eine tägliche Portion von „"ta Pfund" = 155,9 g Fleisch als ausreichend angesehen. Nach einer Verordnung Friedrichs des Großen erhielt im Siebenjährigen Kriege der Soldat wöchentlich nur dreimal je 1/a Pfund = 233,855 g Fleisch, was auf jeden der 7 Wochentage verteilt eine Tagesportion von 100,223 g Fleisch ergeben würde. Nun war das römische Kommißfleisch „trocken gebraten" (assa) oder „in Wasser gesotten" (elixa), d. h. lange haltbares Dauerfleisch, und bei gleichem Nährwert viel leichter als rohes Fleisch, und bei g l e i c h e m Nährwert ist im Gewicht eine Portion Hammelfleisch (caro vervecina), „trocken gebraten", schwerer als eine Portion Speck oder eingepökeltes Schweinefleisch (laridum), ') Vgl. m e i n L a g e r u. Heer der R ö m e r S. 35 f. u. S. 38 f. und unten S. 52 Anm. 1.
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,gesotten". Wir halten uns in den Grenzen der Wahrscheinlichkeit, wenn wir 84 scripula = 31ls unciae = '/»4 libra (r. Pfd.) = 95,51 g Speck (laridum) als tägliche Portion ansetzen. Es ist nun weiter anzunehmen, daß z. B. Julian bei seinem oben S. 15 von uns erwähnten 20tägigen Marsche seinen Soldaten ebenso und noch weit eher als der knauserige Avidius Gassius, der sie „Zwieback, Speck (laridum) und Essig tragen" (portare) ließ (vgl. oben S. 25 f.), Fleisch gegönnt, aber um nicht ihre Last über das übliche Gewicht des 16 tägigen Mundvorrates zu erhöhen, analog den 20 Zwiebackportionen statt 5 Speck- und 11 Hammelfleischportionen sie ebenso, wie es Avidius Cassius tat, nur Speck und zwar 20 Speckportionen habe tragen lassen; es würde dann die Jolianische und wohl überhaupt die römische Hammelfleischportion an Gewicht gleich nk Speckportion d. h. 616 siliquae = 102s/s scripula - 4 ä / i 8 unciae - "/«ie libra = 116,424g schwer gewesen sein. Im Nährwert stehen in der Tat 95,51 g Speck und 116,424 g trocken gebratenes Hammelfleisch einander gleich, ähnlich wie im Nährwert die vom Quartiergeber dem deutschen Soldaten zu reichenden 150 g Speck und 250 g rohes Fleisch einander gleich sind, und entsprechen reichlich den 155,9 g der im J. 1807 vorgeschlagenen Portion (rohen) Fleisches. Das Gesamtfleisch für 16 Marschtage hat hiernach ein Gewicht von 55/s röm.Pfd. = 1,910 kg, so daß fürGeschirre und Tornister noch ein sehr wahrscheinliches Gewicht von 21 17 /w — 5 l ä / i 8 = 161/» röm. Pfd. = 5,278 kg herauskommt Nach unsern Feststellungen beträgt nun die Gesamtmasse und das Gesamtgewicht des Mundvorrates für eine 16tägige Marschperiode: 34 13 /is 5»/js 1®/18 1 1
röm. Pfd.=11,369 kg Brot, Zwieback u.Weizen, „ „ - 1,910 „ Fleisch, „ „ = 0,436 ,, Käse, „ „ = 0,327 „ Salz, „ „ = 0,327 „ Wein oder Limonade
In Summa 438/s röm. Pfd. = 14,369 kg Mundvorrat (cibaria)1). ') Nicht ohne Interesse ist es, die römische mit der deutschen Kriegsportion zu vergleichen. Es soll im Kriege täglich bekommen:
"Wollte nun jemand glauben, das „arme Maultier" hätte bloß am ersten von den 16 Tagen bis rund 44 röm. Pfd. Proviant getragen, da es sich ja stetig Tag um Tag durch „Fressen" seine Last leichter gemacht hätte, so würde er sich irren. Denn dem römischen Soldaten wurde gewöhnlich, nur wenn er in Feindesland marschierte, zugemutet, Proviant für 16 Tage mitzuschleppen (vgl. mein .„Lager und Heer der Römer" S. 35 f.), in Feindesland aber wurde so weit als möglich zur grausigen Wahrheit das von dem alten Cato geprägte Wort: „Der Krieg ernährt sich selbst" (Liv. XXXIV 9, 12). In Feindesland wurde an Getreide, Vieh, Futter und sonstiger Nahrung weggenommen, was irgendwo und irgendwie zu finden war, weggenommen, nicht bloß um den Feind zu schädigen, sondern auch um den mitgebrachten, stets sich vermindernden Proviant zu ergänzen und so auf Fälle, wo einmal (vgl. z. B. Caes. b. G. I 16, 1—5; 23, 1 u. § 3) die a) 1137 g 569 g 117 g
der römische Soldat: Weizenbrot o d e r Zwieback, Hammelfleisch (trocken gebraten) o d e r 96 g Schweinespeck (laridum),
27 g Käse, 327 g Wein oder Limonade (posca), 21 g Salz
b) der deutsche Soldat: 750 g Brot (Roggenbrot) o d e r 500 g Zwieback, 375 g frisches o d e r gesalzenes Fleisch, 200 g geräuchertes Fleisch, Fleischwurst, Dauerwurst, Speck, Fleischkonserven, 125 g Reis, Graupe, Grütze o d e r 250 g Hülsenfrüchte oder 150 g Gemüsekonserven, 25 g gebrannten Kaffee o d e r 3 g Tee mit 17 g Zucker
25 g Salz Im Feindesland wird, wenn angängig, die Kriegsportion erhöht oder durch Zutat von Getränken, Zigarren usw. ergänzt (vgl. Felddienst-Ordnung § 315 Anm.). Die römische Kriegsportion ist an Nährwert (vgl. C. E. Bock, Das Buch des gesunden und kranken Menschen; König, Chemie der menschl. Nahrungs- u. Genußmittel) nicht schlechter, eher besser als die deutsche, jedenfalls enthält die römische die zur Ernährung erforderlichen Stoffe an Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten in reichlich genügendem Maße.
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Getreideaach- und -zufuhr nicht zur richtigen Zeit eintrat, gut vorbereitet zu sein. So verwies z. B. Cäsar, als er von Vesontio gegen Ariovist marschierte, seine Soldaten, die ob der Getreidenachfuhr sehr besorgt waren, auf die Äcker, wo „es schon reifes Getreide gäbe" (Cäs. b. G. I 40, 10), und ließ überhaupt, wo es nur immer möglich war, ohne Erbarmen auf den Feldern des Feindes das Getreide (vgl. z. B. Caes. b. G. IV 19, 1; IV 32, 1 u. § 4 usw.) abmähen und stets „Getreide holen" (Caos. b. G. IV 32, 2; VI 36, 11; 39, 1; VII 16, 3; 64, 2; 73, 1; VIII 7, 7; 10, 1), und der Konsul Sulpicius marschierte i. J. 200, ohne das mitgenommene Getreide anzugreifen (frumentum, quod ex hibernia extulerat, integrum vehens), weil die Äcker dem Soldaten Getreide genug unterwegs böten (Liv. XXXI 33,4). Doch war dabei im allgemeinen die römische, ganz besonders aber die Cäsarische Heei-esleitung vorsichtig genug, sich nicht ganz auf die etwa in Feindesland auftreibbaren Nahrungsmittel zu verlassen, denn die Verpflegung der Soldaten wurde von ihr — Ausnahmen bestätigen die Regel — sehr gewissenhaft besorgt. Unvorsichtigkeit konnte sich bitter rächen; das mußte Julian im J. 358 n. Chr. erleben, als er gegen die Chamaven ziehend seine Soldaten weniger als das übliche Quantum Getreide für 16 Tage tragen ließ, in der Hoffnung, das Fehlende durch das auf den chamavischen Äckern zu mähende Getreide ergänzen zu können, er sah sich aber in dieser Hoffnung gründlich getäuscht, er fand, da das Getreide noch nicht reif war, auf den Feldern und auch sonst nichts an Nahrungsmitteln (Ammian. XVII 9, 2—3). In den meisten Fällen jedoch dürfte es wirklich römischen Heeren geglückt sein, aus dem feindlichen Lande ausreichend Nahrungsmittel herauszupressen, um den dicken „Affen" auf dem „Maultier'1 vor Entfettung zu schützen'). Es hat daher der Legionär auf dem Marsche außer der Mühe, schweren Proviant zu tragen, sogar noch dazu die Mühe, stets Getreide zu holen, zu mähen, zu dreschen, zu mahlen und zu Brot und Zwieback zu verbacken1). ') Dies müssen wir im Auge behalten, wenn wir verstehen wollen, warum der siebentägige Marsch Cäsars von Vesontio gegen Ariovist nicht mehr als „60" röm. Meilen betrug.
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Ja, dem armen „Marianischen Maultier" wurde die Würde, am Bau eines von Propheten geweissagten eisernen Weltreiches beteiligt zu sein, mit schwerer Mühe und Bürde gewürzt. Wer sich eine richtige Vorstellung von dieser Bürde, überhaupt von der Leistungsfähigkeit des römischen Soldaten machen will, der vergegenwärtige sich einmal die Größe des Trosses, der die Legionare hätte ersetzen müssen, wenn diese z. B. Proviant nur für 3 statt für 16 Tage getragen hätten. Es machen aus: 13 Portionen an Weizen 33",'48 röm. Pfd. = 11,076 kg, an Fleisch (9 Hammelfleisch- u. 4 Speckportionen) 4 3 /s röm. Pfd. = 1,433 kg, an Käse und Salz rund l'/i2 röm. Pfd. = 0,518 kg, das ergibt zusammen für den Mann 39 2/ä röm. Pfd. = 12,962 kg, für die 60 Mann einer Zenturie, wenn wir die Legion zu höchstens 3600 M. (vgl. mein „Lager u. Heer der Kömer" S. 1—23) schätzen, 2380 röm. Pfd. = 777,720 kg. Eine solche Last ist schon zu viel für ein einziges Gespann. Ein zweispänniger Lebensmittelwagen im deutschen Heere befördert im Durchschnitt 10 Zentner = 500 kg (Felddienst-Ordnung § 319), ein antiker schwerlich viel mehr, freilich mehr als 1000 röm. Pfd. = 327,45 kg (Cod. Theodos. VIII 5, 8; vgl. mit Ael. Spart, vit. Hadr. [script. hist. aug. I] c. 22, 6), aber weniger als oder höchstens 25 Talente = 2000 röm. Pfd. = 654,90 kg (vgl. Xenoph. Cyrop. VI 1, 54). Jeder Wagen benötigt 1 Troßknecht (calo) und zwei Zugtiere (iumenta), Pferde oder Maultiere, und jeder Knecht muß für 16 Tage 43 8 / 9 röm. Pfd. = 14,369 kg Mundvorrat und jedes Zugtier (gewöhnlich Maultier) für 16 Tage mindestens 15 modii = 225 röm. Pfd. = 73,676 kg Gerste (Polyb. VI 39,13—14) erhalten 1 ). Hiernach würde die Ladung von zwei Wagen betragen: 87 7/o röm. Pfd. = 28,738 kg Lebensmittel für zwei Knechte, 900 röm. Pfd. = 294,70 kg Gerste für 4 Maultiere und 2380 röm. Pfd. = 777,720 kg Lebensmittel für die Zenturie, in Summa 3367 7/9 röm. Pfd. = 1101,158 kg, so daß jeder Wagen rund 1683 röm. Pfd. = 550 kg oder 11 Zentner Last, d. h. noch mehr als der heutige Lebensmittelwagen zu befördern hätte. Cäsar hatte bei seinem Marsch gegen Ariovist 6 Legionen, d. h. 6 x 60 *) Vgl. Anhang, letztes Kapitel.
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= 360 Zenturien. Für diese 360 Zenturien würden, wenn die Legionare Lebensmittel nur für drei Tage getragen hätten, nötig gewesen sein: 720 Troßknechte, 720 Wagen und 1440 Maultiere, um 3960 Zentner Nahrungsmittel den Truppen nachzufahren. Sehr begreiflich, daß die Römer das, was wir Troß, Bagage oder großes Gepäck nennen, impedimenta, d. h. „Behinderungsmittel" des Heeres nannten. „Jede Bagage beeinträchtigt die Bewegungsfreiheit der Truppen" (FelddienstOrdnung § 312; vgl. dazu Veget., De re milit. III 1), vermehrt die Zahl der Nahrung verbrauchenden Menschen und Tiere und steigert damit indirekt die Schwierigkeit der schon an sich nicht leichten Heeresverpflegung und verschlingt, was bei Geldknappheit sich in der Kriegführung unangenehm fühlbar macht, riesige Summen Geld. So würden z. B. 1440 Maultiere heutzutage, selbst wenn jedes Tier durchschnittlich nur zu 500 Mark geschätzt würde, 720000 Mark kosten und in 16 Tagen 216000 modii = 1890,864 Hektoliter = 3240000 röm.Pfd. = 10609,38 Doppelzenter oder so viel Gerste fressen, daß zu deren Ankauf heute, den Doppelzentner niedrig zu 15 Mark geschätzt, rund 16040 Mark erforderlich wären. Noch mehr begreiflich, daß jeder römische Feldherr, zumal im feindlichen Lande, sein durch impedimenta „behindertes" (impeditus) Heer möglichst „frei" (expeditus) von den „Behinderungsmitteln" (Troß) zu machen suchte, daher heißt jeder Kriegszug im feindlichen Lande bei den Römern sehr bezeichnend expeditio, d. i. Zug ohne oder doch nur mit wenig Troß (vgl. Hirt b. Gall. Yffl 8, 3; Caes. b. G. IY 30, 1—2; Frontin. strateg. IV 1, 7; Ammian. XYII 9, 2; Cic. pro Mil. c. 21, 55). Und auf den „Expeditionen" ersetzten größtenteils den Troß mit seinen leibhaftigen Maultieren die vielen Tausend in Legionare verwandelten „Marianischen Maultiere"; diese „Maultiere", die ob ihrer Leistungsfähigkeit nicht mit Gold zu bezahlen waren, trugen im Schweiße ihres Angesichts geduldig gewaltige Lasten von den Fluten des Rheins bis zum Euphrat, von dem dürren Sand, der die Pyramiden umweht, bis zu den blauen Wellen der Donau, geduldig, um desto sicherer mit ihrer Mühe der ewigen Roma die Weltherrschaft bis zu den Enden des Erdkreises zu erkämpfen. Hundert-
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tausende von schweren Menschenbürden bildeten das eisenfeste Fandament der römischen Weltherrschaft Ohne Arbeit keine Palme! Segen ist der Mühe Preis! Mit der Natur der Sache ist aufs engste verknüpft die weitere Frage: WIE TRUG DAS „MABIANISCHE MAULTIER" SEIN GEPACK? Es ist keine neue Idee, wenn ich wieder, wie jüngst in meinem „Lager und Heer der Römer" (S. 37), ankämpfe gegen die allzu tief gewurzelte Vorstellung, als ob die Muli Mariani Proviant für einen halben Monat so getragen hätten, wie Legionare auf einem der bekannten Bilder der Trajanssäule Gepäck tragen 1 ). Dem Yater dieser verkehrten Vorstellung Lipsius ist schon im J. 1655 und 1671 Joannes Schefferus (geb. 1621 in Straßbnrg, gest. 1679 als Professor in Upsala) in seinem heute noch mustergültigen, aber leider zu wenig gewürdigten und nicht genug benutzten Werke: De re vehiculari veterum ') Herrn Grosse (Dtsch. Literaturzeitung, Jahrg. 1913, S. 744—747) weiß ich Dank für sein sachliches Referat Aber mein „Lager und Heer der Römer", doch sehe ich mich genötigt zu beanstanden seine Bemerkung : „Dabei schreibt Oehler S. 4 ausdrücklich: "Dazu kam noch Getreide (cibaria) auf drei Tage, und soviel hat der kopfgrofie Sack sicher enthalten'", denn Oehler (Bilder-Atlas, 2. Aufl., S. 4) läßt „das von dem Legionär zu tragende Gesamtgewicht von 60 römischen Pfund ( = ca. 20 kg)" auch (!) in dem angeblichen Ausnahmefalle, wo es überschritten, „aber höchstens um die Hälfte" (also 10 kg und das Gewicht von L e b e n s m i t t e l n gemeint!) überschritten werde, so wie auf dem Bilde der Trajanssäule tragen. Oehlera Bilder-Atlas schätze ich sehr hoch, nur hat sich Oehler in dem einen Falle gr&ndlich vertan. Herrn Grosse nehme ich weiter nicht übel, wenn er manche meiner Ausdrücke als zu grob empfindet. Darüber läßt sich streiten, wo die Grobhoit am Platze ist. Nur möchto ich leise bezweifeln, ob Grosses eigener Satz: „Dabei rennt St. manchmal in grimmem Zorn offene Türen ein" so ganz frei von den üblichen Manieren der „Journalistik" wäre! Nichts für ungut! Mein hartes Wort (Lag. u. H. d. R. S.49): „von der Güte der 'Keltenwege' f a s e l n " habe ich nicht ohne Bedacht ausgesprochen und auch angedeutet, gegen wen es gerichtet ist; vgl. dazu jetzt: Stolle, Das auf dem sog. „Afterberg" bei Epfig angeblich aufgedeckte Cäsarlager eine „Dichtung" (Elsässische Monatsschrift, III. Jahrg. Zabern 1912. S. 66—84, bes. 67 u. Anm. 1).
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(Über das Fahrwesen der Alten) lib. II cap. 2 mit stichhaltigen Gründen entgegen getreten, freilich ohne — Erfolg. Das an sich löbliche Verlangen, Beschreibungen durch Bilder zu veranschaulichen, war früher und ist ja besonders heutzutage so stark, daß das Interesse für das Bild bei vielen das Interesse für dessen Beschreibung erstickt hat; auch in der Frage, wie die Muli Mariani wirklich ausgesehen haben, scheint durch ein Bild der Blick für Beschriebenes und Beschreibung getrübt zu sein, denn es gibt aus dem Altertum von dem Mulm Marianus leider kein Bild mehr, nur dürftige trockene, doch trotz ihrer Dürftigkeit das Wesentliche treffend hervorhebende Beschreibungen, hinwiederum zu dem bekannten Bilde der Trajanssäule keinen erläuternden Text, und was jetzt diesen Text ersetzen will, das paßt nicht zum Bilde. Wie kommt das ? Man hat eben zwei nicht zusammengehörige Dinge einem interessanten Bilde zuliebe zu einer unnatürlichen Vermischung genötigt, um durch diese ein interessantes „Maultier" zu züchten. Zum Beweise dafür werden wir zunächst die Hauptstellen, welche den Mulm Marianus beschreiben, zusammenstellen, übersetzen und besprechen. Es lautet Fest, apud Diac. p. 24 M: Aerumnulas Plautus refert furcillas, quibtis rdigatas sarcinas viatores gestabant. Quorum usum quia Gaius Marius rettulit, Muli Mariani postea appellabantur. ltaque aerumnae labores onerosos significant, sive a Graeco sermone deducuntur. Natu atpeiv Graece, Latine tollere dicitur, d. h. ,,'Bürdelchen' (aerumnulae) nennt Plautus die Gäbelchen (furcillae), in welche Wanderer Bürden (sarcinae), die sie zu tragen pflegten, aufgebunden hatten. Weil den Gebrauch derselben (nämlich „Bürdelchen" oder Tragreffe) C. Marius (im Heere) eingeführt hat, hießen sie später Marianische Maultiere. Daher bezeichen 'Bürden* (aerumnae) drückende Arbeiten, oder sie werden vom Griechischen abgeleitet. Denn atpeiv („in die Höhe heben" um zu tragen, „aufbürden", von atpeiv kommt aipofievr], woraus lat. aerumna) heißt griechisch was lateinisch 'tollere'". Fest p. 148 M ( = p. 149 M): Muli Mariani dici solent a Mario instiluti, cuius milites in furca interposita tabella varicosius onera sua portare assueverant, d. h. „Die Marianischen Maultiere pflegen so zu Stolle
Römischer Legionär
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heißen, weil sie von Marius eingeführt sind, dessen Soldaten gewöhnlich in einer Gabel auf einem dazwischen gelegten Brettchen ihre Lasten trugen". Frontin. strateg. IV 1, 7 : C. Marius recidendorum impedimentorum gratia, quibus maxime exercitus agrnem oneratur, vasa et cibaria militis in fasciculos aptata furcis inposuit, sub quibus et habile onus et facilis esset: unde et proverbium tractum est 'muli Marian? ^ d. h. „C. Marius ließ, um die Bagage (impedimenta) zu beschränken, durch welche besonders ein marschierendes Heer belastet wird, Geräte und Mundvorrat des Soldaten, in Bündel passend zusammengepackt, in Gabeln (furcae) legen, so daß unter diesen sowohl die Last leicht zu handhaben als auch das Ruhen leicht zu bewerkstelligen war: hiervon ist auch das Sprichwort abgeleitet 'Marianische Maultiere 5 " 1 ). Was folgt aus diesen Stellen? — Aerumna wie sarcina heißt zunächst nur „Bürde" (abgeleitet von beran = ferre, cpepeiv, bringen, tragen), aerumnula, Deminutiv von aerumna, zunächst nur „Bürdel", dann heißen aerumna, sarcina und aerumnula aber auch die Bürde, bzw. das Bürdel zugleich mit dem Gerät, auf dem die Bürde oder das Bürdel befestigt ist. Das Gerät selbst nennt Frontin furcae (furcis inposuit), d. i. Gabeln, weil er es sich aus zwei oder mehreren Gabeln bestehend vorstellt, Festus nennt es furca (in furca) d. i. Gabel oder furcilla d. i. Gäbelchen, weil ihm die zu einem Ganzen verbundenen Gabeln oder Gäbelchen als Ganzes wieder wie eine einzige Gabel, bzw. eine einziges Gäbelchen erscheinen, d. h. furca (furcilla) verhält sich zu furcae wie foris (Tür) zu fores (Tür = zweiflüglige Tür) oder 9upa zu 9üpai; beide, Festus und Frontin, meinen, wieSchefferus richtig des näheren begründet, eine Doppelgabel. Die Schenkel jeder der beiden Gabeln der furca (aerumna, sarcina) bestanden nach Schefferus aus Holzstäben oder, wie wir lieber sagen möchten, aus zwei Ästen einer natürlichen Holzgabel (Abb. 4), denn die Esche z. B., der von den Römern ') Zum Namen vgl. noch Plut. Mar. c. 13. Die Erklärung Plutarchs, daß m a n in der Folge arbeitsame, sich stillschweigend und gutwillig allen Befehlen unterwerfende Leute 'Marianische Maultiere' (rmiövoui; Mctpiavou?! genannt habe, hat viel für sich. Plutarch gibt noch eine andere Erklärung, die wenig wahrscheinlich ist.
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vielerlei verwendete Baum (vgl. H. Blümner, Technologie u. Terminologie der Gewerbe u. Künste bei Griechen u. Römern. Leipzig 1879. Bd. II, S. 268 f.), bot so viele praktische Holzgabeln fertig dar, daß der Soldat die ihm passenden bloß abzuschneiden und zurecht zu stutzen brauchte. Zwischen die Doppelgabel wurde ein Brettchen (in furca interposita tabella) in der Art gelegt, d. h. eingeklemmt und befestigt, daß es einerseits die beiden einzelnen einen gewissen Raum von einander abstehenden Gabeln parallel zu einander und senkrecht zum horizontalen Brettchen festhielt, andererseits als Boden diente, um die Bürde (aerumna, sarcina) darauf zu legen. Brettchen und Doppelgabel bildeten so ein recht einfaches Tragreff. Wir können sogar das sehnsüchtige Verlangen nach einem Bilde desselben befriedigen. Das Tragreff, wie es sich Festus und Frontin vorstellen, hat eine verblüffende Ähnlichkeit 1) mit dem Tragreff des Schweizer Tornisters (Abb. 6), 2) mit dem im Elsaß vor Jahrhunderten und noch heute existierenden sogen. Holzkretsle. Joannes Schefferus hat seinem Werke (Graev. et Gronov. antiq. tom. V, S. 1248) ein Bild des Kretsle in der Gestalt, wie er es selbst in Straßburg z. Z. des 30 jährigen Krieges gesehen, beigefügt und bemerkt von diesem Geräte, daß „man es allgemein Krets oder' Kretsle" (vulgo Krets et Kretsle nuncupant) nenne. Aus eigner Beobachtung kann ich hinzufügen, daß man das Kretsle noch heute im Elsaß, z. B. in Schlettstadt, gewöhnlich zum Tragen von Kleinholz verwendet (Abb. 5). Nicht genug damit, auf dem berühmten einen italienischen Knaben mit einem gesattelten Esel darstellenden Gemälde Karel Dujardins (1622 bis 78), der eine Vorliebe hatte, mit eigenen Augen gesehene Szenen aus dem italienischen Volksleben auf die Leinwand zu bannen, ist der Sattel des Esels schlecht und recht ein Doppelkretsle (Abb. 3), so daß man begreift, daß der gesattelte Esel bzw. das gesattelte Maultier^ von der Seite angesehen, und der mit Kretsle auf dem Rücken bepackte Soldat, von hinten gesehen, einander wie Brüder geglichen haben müssen. Die Ähnlichkeit beider Brüder können wir noch um einen Zug bereichern. Aus Joseph, b. Jud. I I I 5 (6), 5 wissen wir, daß der Soldat einen Koqnvoq (cophinus) d. i. einen Schanzkorb trug, der
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wie sein Name besagt (vgl. Hultsch, Metrol. S. 542 u. Anm. 4) attisch-römisch etwa 9,85 Liter hielt, und Bilder der Trajanssäule (Oehler, Bilder-Atlas. S. 58 u. Abb. 31; Cichorius, Die Reliefs der Trajanssäule. Erster Tafelband: Tafel XI, XII, XV, X X X , X L usw.) zeigen uns Schanzkörbe von dieser Größe. Es gehört nun nicht viel Phantasie zu der nicht abzuweisenden Annahme, daß der Korb auf das Brettchen gestellt und zwischen die Gabeln des Tragreffs eingeklemmt worden ist, um zugleich als der bequemste Aufbewahrungsort f ü r die Bürde zu dienen. In jede Eselssattelhälfte auf dem Gemälde Dujardins ist gleichfalls ein Korbgeflecht so eingeklemmt, daß die Sattelhälfte dem Kretsle mit Korb noch ähnlicher wird (Abb. 3, 4 u. 5). Wir brauchen nicht noch besonders zu bemerken, daß die Geräte, deren Bilder wir zur Veranschaulichung der "Worte des Festus und des Frontin beigefügt haben, Gegenden entstammen, wo einst die Römer geherrscht haben. So mancher römische Brauch hat in Landschaften, wo Römer durch andere Völker abgelöst worden sind, die Jahrhunderte überdauert, wie z. B. das T r a g e n auf dem K o p f e 1 ) ; warum sollte das Holzkretsle im Tragreff des einst z. B. in Straßburg, Mainz, Windisch (in der Schweiz) wandelnden Legionars nicht seinen Vater haben? Wir unterstreichen ferner mit Schefferus die Tatsache, daß die Bürde (sarcina, aerumna) nicht an der Spitze einer „Stange" hoch über der Schulter geschwebt, sondern in und mit dem Tragreff selbst direkt auf dem Rücken geruht hat. Hiermit stimmt auch überein, daß z. B. Ammian klipp und klar sagt, daß Julian seine Soldaten Proviant für 16 (in röm. Zählweise 17) Tage habe „auf den Nacken" (XVII 9, 2: cervicibus vehebat) tragen und Zwieback für 20 Tage ihnen „auf die Schultern" (XVII 8, 2: umeris inposuit Hbentium militum) legen lassen, selbstverständlich mit den Tragreffen, welche die Lebensmitteln enthielten. — Der antiken Beschreibung des vom Mulus Marianus gebrauchten Tragreffs stellen wir jetzt einige der meist gelesenen heutigen Beschreibungen desselben gegen') Das in Deutschland dort üblich ist, wo einst Römer geherrscht haben.
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über, um zu zeigen, wie verkehrt es ist, in den Legionaren auf dem bekannten Bilde der Trajanssäule die Muli Mariani sehen zu wollen 1 ). Marquardt (Rom. Staatsverw. 1. Aufl. II, S. 413 u. Anm. 9 = 2. Aufl. II, S. 426 u. Anm. 9) sagt, Marius habe das Gepäck „an einer S t a n g e befestigt und durch ein kleines Brett breit auseinander gehalten auf d e r S c h u l t e r führen" lassen und zitiert zur Begründung seiner Worte in Anm. 9 Fest p. 148 M; p. 24 M u. Frontin str. IV 1, 7, vergißt aber a. 0 . das ihm bekannte Werk Froehners La colontte Trojane zu zitieren, dem er die „Stange" entlehnt hat. Fröhlich (Das Kriegswesen Casars S. 75) schließt sich wörtlich an Marquardt an und verweist zudem, um Marquardts Übersehen wieder gut zu machen, ausdrücklich auf „Froehner, La
colonne
Trajane
(kleine Ausgabe)
pag. 70",
wo
muli
Mariani abgebildet wären. Oehler (Bilder-Atlas. 2. Aufl. S. 5 u. S. XII u. XIII u. Abb. 47 nach der Trajanssäule) läßt „Marius die vasa und cibaria, in ein Bündel gepackt, an g e g a b e l t e n , vom Soldatenwitz 'muli Mariani' getauften S t a n g e n auf der Schulter tragen". H. Rheinhard (C. Julii Caesaris commentarii de hello Gallico. Illustrierte Schulausgabe. Stuttgart 1883) spricht zu Caes. b. G. I 24, 1 (sarcinas) von dem „Gepäck, welches der Soldat selbst (seit Marius) auf einer gabelförmigen Stange (furca) trug (daher der Name für einen so bepackten Soldaten mulus Marianus)" und bietet dazu eine nach der Trajanssäule willkürlich zurechtgestutzte seiner eigenen Beschreibung widersprechende Illustration (Nr. 4). ß. Schneider (Das röm. Kriegswesen. S. 225) schreibt: „Marius hatte die Soldaten gelehrt, ihre Habseligkeiten in ein Bündel zu packen und an einem g e g a b e l t e n S t o c k e ü b e r der Schulter zu tragen, daher heißen diese Gabeln noch immer tntdi Marian?1; Kaiinka (Das röm. Kriegswesen. S. 235 u. ') Der bekannte Maler Leo Schnug (Bilder aus vergangener Zeit, herausgegeben von Jul. Manias und Leo Schnug. Straßburg. Blatt 32: Argentoratum) führt uns in seinem Argentoratum eine Abteilung (Zenturie) Legionare der einst in Argentoratum (Straßburg) garnisonierenden Leg. VIII vor Augen, wie sie von einer Felddienstübung zu ihrem Standlager heimkehrt Diese Legionare tragen ihr „Gepäckbündel" ähnlich wie auf der Trajanssäule; es ist ein Bild von erschütternder Komik!
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Fig. 20 nach der Trajanssäule): man befestigte „das Gepäckbündel am oberen, verbreiterten Ende einer Stange, die man auf der linken Schalter trug (vgl Fig. 20); der Soldatenwitz nannte diesen von Marius erfundenen Träger mulus Marianus.11 W. Yotsch, Cajus Marius S. 27 f. schreibt: „Das Gepäck wurde, nachdem es bündeiförmig über ein Brettchen geschnürt war, an dem oberen Ende einer gabelförmigen Stange befestigt, welche der Soldat auf dem Marsche über der Schulter t r u g . . . . Die Marianischen Esel vertraten also die Stelle unserer heutigen Tornister. In dieser Weise sind die auf der columna Traiana abgebildeten, ins Feld rückenden römischen Soldaten ausgerüstet". „Das Gepäck (sarcina) trug" nach Fügner, Hilfsheft, S. 39, „der Soldat auf dem Marsche auf einer Gabel (mulus Marianus, weil von C. Marius eingeführt) über der Schulter". A. Müller (in Baumeister, Denkmäler des klass. Altertums. Bd. III, S. 2062, Abb. 2277 nach der Trajanssäule auf S. 2061) schreibt richtig: „daß das Gepäck an der Spitze einer Stange, welche auf der linken Schulter ruhte, getragen wurde", verdirbt aber seine Beschreibung des auf der Trajanssäule gepäcktragenden Legionars durch die Worte: „Diese Stangen sollen von Marius eingeführt sein und hießen daher muli Mariani (Fest. Ep. p. 184 M)". Der geistvolle Erklärer der Bilder der Trajanssäule C. Cichorius beschreibt (Die Reliefs der Trajanssäule. Zweiter Textband, S. 30, vgl. dazu Tafelband I: „Bild IY. Tafel VII. VIII. 12. 13. 14", siehe hinten Abb. 1) den Legionär der Trajanssäule am ausführlichsten und richtigsten, doch bringt auch er zu dem Worte „Gepäck" (2. Textband. S. 35) in eine klare Sache wieder eine gewisse Dunkelheit mit seiner Bemerkung: „es sind die bekannten muli Mariani dargestellt". Worin bestehen nun die Schiefheiten in den eben von uns angeführten Beschreibungen? — Nicht der mulus Marianus, sondern der Legionär auf der Trajanssäule trägt — wir wollen vorläufig die Ausdrücke gelten lassen — eine „Stange" oder einen „Stock". Diese „Stange" oder der „Stock" ist gerade, nicht „gegabelt" noch „gabelförmig" noch in ein „verbreitertes Ende" auslaufend und hat mit
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der furca1) oder den furcae1) des Marianischen Tornisters rein gar nichts gemein. Das Gepäck des m. Marianus ruht „auf der Schulter", das des Legionars der Säule ist am oberen Ende der „Stange" derart befestigt, daß das Gepäck selbst hoch über der Schulter, ohne diese zu berühren, ja noch höher, hoch über dem Kopfe schwebt und nur die Stange auf der (linken) Schulter ruht. Auf dem Bilde der Säule ist weder von einem kleinen Brett, welches das Gepäck „breit auseinander gehalten" habe, noch von einer tabella interposita d. h. einen d a z w i s c h e n (zwischen die furca oder furcae) gelegten Brettchen eine Spur zu sehen. Man lasse also bei Erläuterung der Bilder der Trajanssäule die m. Mariani hübsch aus dem Spiele und suche lieber die Frage zu beantworten: Was
bezweckt
der
Künstler
der
Trajanssäule
s e i n e m B i l d e , auf d e m L e g i o n a r e G e p ä c k
mit
tragen?
Nach Cichorius (2. Textband S. 29—39) hält der Künstler der Säule auf Bild I V Tafel V I I (Abb. 1) den Moment fest, in dem die aus Germania superior herangezogene Legio I Adiutrix auf einer Schriffbrücke die Donau überschreitet, während vor den dargestellten Truppen bereits andere, nämlich
die
mösischen Legionen, am feindlichen linken Donauufer im Vorterrain,
aber
noch
nicht in Feindesnähe weilen.
Die
Legio I Adiutrix maschiert also wie in F r e u n d e s l a n d . Aus Cichorius' Beschreibung der gepäcktragenden Legionäre auf Bild I V heben wir zunächst folgende Sätze (2. Textband S. 29 f.) heraus: „Ueber der rechten Schulter (des Legionars) hängt, mit schmalem Riemen auf dem Rücken befestigt, der Helm.
A m l i n k e n Arme tragen die Soldaten,
teilweise auf den Rücken geschoben, den gewölbten, vier' ) Gewiß bedeutet furca „Gabel" mit und ohne Stiel (Heugabel, Mistgabel usw.), aber daneben auch „Tragreff", vgl. Plaut. Casin. II, 4,
14—15: remittam ad te rirum Cum furca (einem Tragreff, in dem der Kohlenkorb steht) in urbem tamquam carbonarium" (Kohlenhändler) und dazu Schefferus de re vehic. VI, c. 2 u. oben S. 34 unsere Bemerkung zu dem Plural furcae. Oder glaubt jemand, die Kohlen wären mit Gabeln getragen worden?
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eckigen Legionsschild, das acutum, das als Emblem um den verzierten umlo, den Schildbuckel, einen Kranz und in den Ecken je einen rechtwinkeligen Haken zeigt. Die in Brusthöhe erhobene zusammengeballte Rechte hielt aufrecht einen in Stein nicht ausgeführten Gegenstand, wohl sicher das pilum. Ueber der linken Schulter tragen die Leute an einer Stange ein nur zwölfmal dargestelltes Gepäckbündel, bestehend aus je einem größeren Henkelgeschirr, einem, ungewiß womit, gefüllten Netz, einer breiten Tasche mit Riemen, einem zweiten kleineren Kochgeschirr und zu oberst einem aus umgekehrtem Thierfell gebildeten Sack, dessen oberes Ende zugeschnürt ist; die einzelnen Gegenstände sind mit Riemen an einem bogenförmigen hölzernen Gestelle befestigt". Zu dieser Beschreibung seien folgende erweiternde und zum Teil berichtigende Bemerkungen hinzugefügt: Die Art, wie die Legionare ihre Helme tragen (vgl. dazu Caes. b. G. II 21, 5 u. Bell. Afric. c. 12, 3), und der Umstand, daß sie Gepäckbündel bei sich f ü h r e n (vgl. Caes. b. G. I I 17, 2 mit 19, 1—2) beweisen, daß sie fern vom Feind wie in Freundesland impediti d. h. nicht kampfbereit marschieren. Der Schild, so getragen wie sonst auf dem Marsche (vgl. Polyb. X V I I I 18, 4), ist nicht, wie man erwarten müßte, mit Lederdecke überzogen (Caes. b. Gall. I I 21, 5; Dio L Y I 21, 8: Tai? Yt äcmiaiv cae Kai biaßpöxotq oucraiq, wo biaßpöxoiq d. h. durchnäßt sich auf die Decke bezieht); diese Decke ist aus künstlerischen Gründen weggelassen, um nicht die Embleme zu verhüllen, die allein es erkennen lassen, daß es eine sieggewohnte Legion ist, nämlich leg. I Adiutrix, die von ihrer weitentfernten Garnison in Obergermanien zur Donau herbeigeeilt ist, um dem Kaiser Trajan zum sicheren Siege über die Dacier zu verhelfen (Cichorius, 2. Textband S. 30—35). Selbstverständlich ist diese Legion von Obergermanien kürzesten Weges auf der r ö m i s c h e n H e e r s t r a ß e zur Donau so s c h n e l l w i e m ö g l i c h gekommen, war sie doch, in F r e u n d e s l a n d auf der H e e r s t r a ß e von mansio (Nachtquartierort) zu mansio zu marschierend, in jeder mansio übernachtend, unterwegs der Mühe überhoben, jeden Tag, wie sonst üblich, ein verschanztes Marschlager aufzuschlagen
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(vgl. mein „Lager u. Heer der Römer" S. 3 2 — 3 5 u. S. 51), and dazu möglichst von allem befreit, was die Schnelligkeit ihres Marsches hätte hindern können. Dies indirekt anzudeuten läßt sich der Künstler auch angelegen sein. Wie heute besonders in Freundesland, fern von Feinden, den Truppen, um deren Marschleistung zu steigern, wenn irgend angängig, z. B. die Tornister nachgefahren werden (vgl. Felddienst-Ordnung § 236), so ist auch Ähnliches bei den Römern vorgekommen, so z. B. erzählt Aelius Lampridius in seiner vita Alex. Sever. c. 47, daß Alexander Severus seine Soldaten auf Märschen in Freundesland in den mansiones verpflegt und ihnen so das Tragen des Proviants für 16 Tage und infolgedessen auch der hierzu unbedingt nötigen „Tragreffe" erspart, ja ihnen auch im feindlichen Lande einen Teil der Last abgenommen habe, um ihn Maultieren und Kamelen aufzubürden, und ein Bild der Säule des Marcus Aurelius (vgl. in Oehlers Bilder-Atlas Abb. 7) zeigt Gepäckwagen und -karren, beladen mit Schilden und Spießen 1 ). I)ie Schilde freilich mußte der Künstler der Trajanssäule beibehalten, weil ihr Fehlen sonst seine oben berührte künstlerische Absicht verdunkelt hätte, nichts dagegen stand im Wege, die Spieße oder genauer pila wegzulassen. Und in der Tat sollen unseres Erachtens die pila nicht etwa, obwohl „in Stein nicht ausgeführt", doch als wirklich vorhanden, sondern weil in Stein nicht ausgehauen, wirklich als nicht vorhanden gelten, denn während eine untätige mit dem Arme schlaff herunterhängende Hand in der Kunstsprache stumm und dem Beschauer höchst gleichgiltig ist, reizt gerade die „zusammengeballte Rechte" zur Lösung des Rätsels, warum die Hand, die gewohnt ist, das bekannte pilutn zu halten, trotz ihrer wie zum Greifen zusammengeballten Finger nichts umfaßt, und für die mit römischem Heeresbrauch vertrauten Beschauer, darunter so mancHe Legionsveteranen, war es nicht schwer, das Rätsel zu lösen, d. h. zu wissen, daß die pila deshalb nicht da sind, weil sie im Gepäckkarren den in Freundesland marschierenden ') Lehrreich ist auch Suet. Calig. c. 43: iter ingressus est confeeitque modo tarn festinanter et rapide, ut praetorianae eohortes contra morem Signa iumentis imponere . . . cogerentur.
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Soldaten nachgefahren wurden. "Was das Gepäck betrifft, so durfte der Künstler seiner höheren Idee zuliebe nicht jegliche Spur desselben im Steine tilgen, denn völlig gepäcklose Legionare würden, was sie nicht sollten, Soldaten geglichen haben, die entweder schon zum Kampfe mit dem Feinde bereit waren oder in der Nähe ihres gewöhnlichen Standquartiers irgend eine Felddienstübung machten. Weggefallen sind mit Recht nur die Tragreffe (furca oder furcae), weil sie sonst die falsche Vorstellung wachgerufen hätten, als ob leg. I Adiutrix, mit schwerstem Gepäck belastet, nicht mehr in Freundes-, sondern schon tief in Feindeslande stünde, beibehalten ist aber wohlweislich die gewöhnlich im Tragreff verwahrte, auf der Trajanssäule an der „Stange" befestigte Bürde oder sarcina (aerumna, fascis) im engeren Sinne des Wortes, d. h. die aus einzelnen Bündeln (fasciculi) bestehenden zu einem Bündel (fascis) passend zusammengefügten Geräte (vasa) und Nahrungsmittel. Denn das „Netz" ist ohne Zweifel ein Brotnetz; vgl. z . B . Horat. sat. 11, 47—48: Reticulum panis venales (sc. servos) wter onusto I Forte vehas humero\ luven, sat. II 60: Mox cum reticulis et pane et ventre lagonae. Nach seinem schlaffen Aussehen kann es nicht viel Brot mehr enthalten. Was bedeutet aber der merkwürdige „aus umgekehrtem Tierfell gebildete Sack"? Nun, ich denke, mit Brot (panis), sozusagen dem König, und Fleisch (caro), der Königin unter den Lebensmitteln, ist synekdochisch im wesentlichen alles bezeichnet, was der Soldat ißt, und wie Brot im „Netz", ist auch das Fleisch (mit Salz, Käschen usw.) irgendwo und, da im Netz es nicht sein kann, wo denn sonst anders verwahrt gewesen als im ledernen „Sack"? Dieser Sack ist ja groß genug, um 1,910 kg Fleisch, 0,327 kg Salz und 0,436 kg Käschen (vgl. oben S. 27) bequem zu fassen. Zudem mußten gute, billige Ledersäcke, da die römische Heeresverwaltung für die Soldaten, um ihnen abwechselnd 2 Tage Hammelfleisch und nur 1 Tag Schweinespeck (vgl. oben S. 20) zu liefern, unzählige Hämmel schlachten ließ, Hammelfelle in Hülle und Fülle dem Legionär zur Verfügung stehen. Nun ist das „umgekehrte Tierfell" gerade so groß wie das eines kleineren Tieres, z. B. eines kräftigen Kaninchens,
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eines Hasen oder eines jungen Hämmelchens (verveUa oder omcula), und ich bin fest überzeugt, es soll wirklich ein — Hämmelchenfell sein, denn es war sicher praktischer, bequemer und billiger zu dem Sack, in den die Soldaten gewöhnlich ihr Fleisch hineinsteckten, ein ganzes Hämmelchenfell, zumal da es vollkommen ausreichte, zu verwerten als verschiedene Lederstücke zusammenzunähen. Warum stellt aber der Künstler das Fell „umgekehrt" dar? Offenbar will er damit ähnlich wie mit der „Stange" (vgl. unten S. 46 ff.) zweierlei versinnbilden, nicht bloß, daß das Hammelfellsäckchen ein gewöhnliches Proviantsäckchen ist, sondern auch, daß es jetzt in dem Moment, wo es der Legionär an der „Stange" hoch über seinen Kopf hält, — kein Fleisch mehr birgt. Um uns ein Proviantsäckchen vorzutäuschen, stellt er das „obere Ende", d. h. den Hals des Hämmelchenfells, „zugeschnürt" und zugleich das ganze Fell aufgeblasen d. h. so dar, als ob es mit etwas, natürlich Proviant, gefüllt wäre; er konnte 6s nicht gut anders tun, denn ein leeres, flach zusammengedrücktes Hammelfell läßt sich im Stein nicht so aushauen, daß unsere Augen den Zweck, dem es dienen soll, leicht zu erkennen vermöchten. Den Kniff, das Fell aufzublasen, verwendet der Künstler sehr geschickt zugleich dazu, uns in die Illusion zu versetzen, als ob das Proviantsäckchen leer wäre. Nicht ohne Absicht gibt er nämlich dem Proviantsäckchen nicht, wie zu erwarten, eine runde, glatte Form, sondern die Gestalt eines bestimmten Tierchens, dessen 4 Beinspuren sich in die Höhe spreizen und dem Beschauer aufdringlich zuzurufen scheinen: Kennst Du nicht das Hämmelchen? Ohne das Fell aufzublasen, wäre es ihm unmöglich gewesen, im Stein die Umrisse des Hämmelchens deutlich horvortreten und uns sehen zu lassen, daß das Fell des besagten Hämmelchens — „umgekehrt" ist Was will er damit symbolisieren? Will UDS jemand drastisch klar machen, daß z. B. seine „Katze" (Geldkatze), seine Tasche, sein Hosensack usw. völlig leer ist, so kehrt er die „Katze" usw. um und hält sie uns so hin, daß wir die traurige Öde ja sehen und mit ihm seufzen können: „Und der Beutel schlaff und leer". Die Alten dachten darüber nicht anders als wir heutzutage (vgl.
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z. B. Plaut. Aul. IY 4, 18—25). Wenn nun der Legionär seine Hammelfleischportionen oder synekdochisch gesprochen sein „Hämmelchen" ganz verzehrt hat, so bleibt ihm halt nichts übrig als — die Haut. Er wirft, immer im Bilde gesprochen, die Haut, da die Heeresverwaltung solches verböte, nicht weg, sondern verwertet sie weiter als Proviantsäckchen, um frisches Fleisch, wenn er es geliefert bekommt, hineinzupacken, er kehrt aber zum Beweise dafür, daß das Fleisch oder genauer Hammelfleisch, der Vertreter des Ganzen, im Sack verschwunden, bildlich das „Hämmelchen" ohne Fleisch ist, die Haut um und hält sie mit der ,,Stange" hoch über seinen Kopf, um uns ja merken zu lassen: Aha, nicht wahr, feistes Hämmelchen ? Nichts ist drin, ein W i n d b a l l 1 ) (follis pugilatorius)1) ist es nur noch, ihr Dummköpfe und Hammel ? Es ist nicht unmöglich, ja sogar, obwohl es, wie so vieles andere auch, durch Klassikerstellen nicht bezeugt ist, sehr wahrscheinlich, daß der Soldatenwitz, wie er anderen Dingen sofort charakteristische Namen gab — vgl. mulus Marianus, arten, sucula, caput porcinum, scurpio, (mager, musculus usw. so auch den Proviantsack, weil er einem „Hämmelchen" glich oder aus Hammelfell verfertigt oder gewöhnlich mit Hammelfleisch gefüllt war, „Hämmelchen" (vervella oder ovicula) taufte; wenigstens läßt sich mit dieser Annahme die Bildersprache des Künstlers der Trajanssäulc am besten erklären. Im Gepäckbündel ferner will Cichorius „ein größeres Henkelgeschirr" und noch ein „ z w e i t e s kleineres Kochgeschirr" eingehängt erkennen, uns dünkt es jedoch weit wahrscheinlicher zu seiD, daß von den beiden Geschirren nur eines ein Kochtopf, das andere dagegen ein Trinkgefäß sein solle, dessen Fehlen sonst auffallen würde, denn nach Appian. Iber. c. 85 u. Polyaen. V I I I 1 6 , 2 hat jeder Legionär e i n e n ehernen Kochtopf und dabei noch ein Trinkgeschirr in der Größe eines Schoppen (ÖIKOTUXOV = 2 cotylae = 1 sextarius = 0,547 Liter). Sei dem wie ihm wolle, jeden') Vgl. Plaut. Rud. III 16—17: ego te follem pugilatorium jFaciarn et pendentem incursabo pugnis; Martial. epigr. VII 32, 7 u. XIV 47, 2 und dazu unter „Ballonschlagen" in Baumeisters Denkm. Bd. I S. 247 Abbildung 226, welche uns ein ausgestopftes oder a u f g e b l a s e n e s T i e r f e l l als W i n d b a l l vorführt.
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falls ist die gesamte Bürde (sarcina) an der „Stange" vom Künstler in Beziehung gebracht zur Magenfrage des Soldaten. In dieser Bürde dürfen wir nicht allein nach ihrem Aussehen, sondern auch schon nach ihrer Größe und vor allem nach der Art, wie sie getragen wird, schwerlich Proviant für drei, geschweige denn für 16 Tage, vielleicht überhaupt keinen Proviant mehr wittern, denn die Legionare halten die oben an Stangen befestigten sarcinae so keck und kühn nicht nur hoch über ihren Schultern, sondern hoch über ihren Köpfen, wie um urbi et orbi zu verkünden: Von fernher kommen wir gezogen; nichts im Netz und nichts im Säckel, federleicht sind unsere Päckel! Was soll dies bedeuten? Von Obergermanien auf der Heerstraße bis zur Donau marschierend, brauchten die Legionare nicht viel Proviant zu tragen, weil sie unterwegs wenn nicht in jeder, so doch mindestens in jeder dritten maiisio, der sogen. stativa, Mundvorrat für den Weitennarsch erhielten (vgl. mein „Lager und Heer der Römer" S. 32 f.), und darum hatten sie es nicht nötig, sich mit den wuchtigen Tragreffen zu beschweren, die ihnen bis zum Betreten des feindlichen Bodens nachgefahren worden sein mögen, sie konnten ihre leichten sarcinae auch ohne Tragreffe mitschleppen. Dies wollte der Künstler indirekt im Steine ausdrücken und aussprechen, zugleich aber noch etwas anderes: wenn z. B. jemand eine längere Gebirgstour unternimmt, so packt er seinen Rucksack voll mit den für die Reise nötigen Lebensmitteln und anderem; bei Antritt der Reise ist der Rucksack voll und schwer, bei deren Ende ganz oder fast leer und leicht: ebenso leicht und leer, wie der Rucksack am Ende der Reise, sollen uns die Gepäckbündel der Legionare symbolisch andeuten, daß die legio I Adiutrix mit ihrer Ankunft an der Donau gerade das Ende ihres Marsches erreicht hat, der sie mit den übrigen Legionen zum Zug ins feindliche Land vereinigen sollte. In gewissem Sinne Gegenstück zu dem fraglichen Bilde der Trajanssäule ist ein Genrebildchen auf einer apulischen Amphora, darstellend den Abschied eines ausziehenden Kriegers (Baumeister, Denkm. I S. 683 u. Abb. 743. siehe am Ende Abb. 2): „Ein auf einen
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langen Krückstock sich stützender Alter, in tiefem Schmerze die Linke auf sein kahles Haupt gepreßt, steht vor einem großen stattlich ausgerüsteten Krieger, der ernst und bewegt den Vater und die hinter demselben stehende Mutter anblickt. Letztere hebt den umhüllenden Mantel, um die Tränen zu trocknen oder dem Sohne Abschied zu winken, denn dessen Diener hat sich bereits in Bewegung gesetzt. Dieser Diener ist kenntlich durch den Petasos (Reisehut), die leichte Chlamys (Reisemantel), d e n von M a m a m i t L e b e n s m i t t e l n z u m S t r o t z e n v o l l g e s t o p f t e n R a n z e n (pera), der auf dem R ü c k e n ruhend mit der Rechten gehalten wird, u n d d e n l a n g e n m i t d e r L i n k e n g e f a ß t e n W a n d e r s t a b (paßboq, baculus, virgaY'. Wie h i e r der v o l l e Ranzen, die volle Bürde, mit den übrigen Attributen zusammen den A n f a n g , so symbolisiert das l e e r e Gepäckbündel, hoch über dem Kopf gehalten, auf der Trajanssäule das E n d e einer Reise oder eines Marsches. Das Marschende im Stein zu veranschaulichen wäre dem Künstler nicht möglich gewesen, ohne die Tragreffe wegzulassen, die Gepäckbündel aber beizubehalten und so, wie geschehen, auszuhauen. Was ist nun die „Stange" (oder der „Stock"), an der die sarcina hängt? Weil sie in der L i n k e n gehalten auf der l i n k e n Schulter ruht, die R e c h t e aber vom Künstler als die ans pilurn gewohnte Hand (vgl. auch d a z u in O e h l e r s B i l d e r - A t l a s Abb. 7) charakterisiert ist, so kann sie kein pilurn sein. Außer pilurn tragen nun die Legionare im Felde noch einen oder mehrere Schanzpfähle (valli, xapaKe?; vgl. Polyb. XVIII 18, bes. § 8; Liv. X X X I I I 5, bes. § 9; III 27, 3; epit. 57; Cic. Tuscul. II 16, 37; Flor. II 18, 10; Polyaen. VIII 16, 3; Lat. Pacati Drepanii panegyricus Theodosio Augusto dictus c. 10; Veget. I 24 vgl. mit III 8; Isidor. Orig. X V 9 , 2 ; Varro, Ling. Lat. V 117 usw.) und zwar mehrere so gut wie einen in e i n e r Hand (Polyb. XVIII 18, 7—8) 1 ), natürlich wenn in der rechten das pilum, so in der l i n k e n den Schanzpfahl (ev. mehrere). Man könnte versucht sein, die fragliche in der Linken gehaltene „Stange" mit dem gleichfalls in der Linken gehaltenen Schanzpfahl zu gleichen und >) Vgl. S. 47 Anm. 1.
— u m s o lieber z u g l e i c h e n , sonderen Bündelstange
47
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je w e n i g e r
einleuchtet.
der Z w e c k Der
w ü r d e doch w o h l die paar H a b s e l i g k e i t e n , p ä c k b ü n d e l der Trajanssäule darstellt, Schanzpfahl g e b u n d e n haben. a u c h k e i n Schanzpfahl sein, die
der
Schanzpfahl
XXXIII 5; behren,
be-
Römer
w i e sie das Ge-
ans pilum
oder
den
U n d d o c h kann die „Stange" denn sie entbehrt der Zacken, muß
(Polyb. X V I I I 1 8 ;
Liv.
Varro, Ling. Lat. V 117), u n d — soll sie ent-
warum?
mitgebracht,
haben
einer
praktische
D e r Schanzpfahl
sondern
wird n i c h t v o n
g e w ö h n l i c h erst auf f e i n d l i c h e m
Hause oder
v o m F e i n d e b e d r o h t e m B o d e n gefällt (Liv. V I I I 3 8 , 7 ; X 25, 6 — 7 ; X X V 36, 5 - 6 ;
X X X I I I 5, 4 — 5 ) » ) u n d w ü r d e daher
d e m s o n s t v o m K ü n s t l e r i m Steine
deutlich
ausgedrückten
Gedanken, daß die leg. I A d i u t r i x in F r e u n d e s l a n d oder dort, w o Schanzpfähle ü b e r f l ü s s i g sind, marschiert, ganz e n t s c h i e d e n widersprechen.
S e h r auffällig ist aber der Umstand, daß die
„Stange"auf d e m Säulenbilde e t w a so dick u n d so lang w i e e i n ») Delbrück (Gesch. d. Kriegskunst. Erster Theil S. 250 Anm. 1) bezweifelt, „daß die Legionare die Schanzpfähle regelmäßig mitgegenommen", und beruft sich dafür auf Liv. VIII 38, 7; X 25, 6; XXV 36, 5 und besonders XXXIII 6, 1, „wo das Mitschleppen offenbar als etwas Ausnahmsweises" erscheine. Er übersieht indes, daß Liv. XXXIII5, 4—6,1 sich an Polyb. XVIII18 anschließt, wo der griechische und der römische Schanzpfahl (xdpaE, vallus) mit einander verglichen und 18 § 8 gesagt wird: ö 'f"P ci? ävrjp ipdpa xpeTc; Kai Terrdpoui;, übersieht, daß nicht bloß Cic. Tuscul. II 16, 37, sondern auch andere Stellen (vgl. oben im Text) das Tragen des Schanzpfahls als ein regelmäßiges erscheinen lassen, übersieht, daß Livius XXXIII 5, 1—2 die Anlage eines Lagers als geschehen und die Verwendung von Schanzpfählen dabei als selbstverständlich voraussetzt und § 4 (milites per agros dimissos vallum caedere et parare iubet) von solchen Pfählen spricht, die nicht etwa für das § 1—2 erwähnte Lager, sondern für ein späteres (XXXIII 6, 1) verwandt werden sollen, übersieht in Livius XXXIII 6, 1 : Quinctius postero die vallum securn ferente milite, ut paratus omni loco castris ponendis esset, progressus, daß die Worte vallum—ponendis esset vgl. mit Polyb. XVIII 18 gerade etwas allgemein Gülliges ausdrücken sollen. Selbstverständlich haben die Römer die Schanzpfähle nicht von H a u s e mitgenommen, sondern erst im Feld dort, wo sie Krieg führten, gefällt, dabei aber, praktisch wie sie waren, die Vorsicht gebraucht, zur Verschanzung des jedesmaligen Marschlagers m i t g e b r a c h t e Pfähle zu verwenden, um nicht zumal in Feindesnähe mit dem Herbeiholen von Pfählen unnütze
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Pilum-Schaft erscheint, und was sollte dem entgegenstehen, in. ihr einen Reserveschaft zu erblicken? Wäre es doch höchst unvorsichtig gewesen, Ersatzteile beschädigter Waffen, z. B. gerade eben Eschenschäfte, erst in Feindesland, wo das für die Pila schwer entbehrliche Eschenholz oft überhaupt nicht zu finden war, zu suchen und — zuzubereiten, viel praktischer war es indes — und praktisch war der Römer — gleich von Hause d. h. vom Standquartier fertige glatt geschabte Eschenschäfte ins Feld mitzunehmen und sie unterwegs, solange der Soldat, auf der heimischen Heerstraße mit wenig Proviant marschierend, die Tragreffe nicht nötig hatte, zugleich — als Bündelstangen zu benutzen. Die eschene „Stange", in der Linken gehalten, ist nun dem ebenfalls in der Linken gehaltenen Wanderstabe auf der erwähnten apulischen Amphora wie überhaupt einem antiken Wanderstabe ganz ähnlich und so ähnlich, daß das nicht blanker Zufall sein kann, sondern künstlerische Absicht dahinter stecken muß. Bekanntlich waren (vgl. z. B. Matth. 10, 10; Marc. 6, 8; Luc. 9, 3; 1 Reg. 17, 40; Martial, epigr. IV, 53; Apul. apol.) und sind Wanderstab (baculus, paßöo?, virga) und Brotsack (irripa, pera) das für jeden deutlichste Sinnbild der Reise, und diesem Sinnbilde gleichen Eschenstange und Proviantbündel (sarcina) wie ein Ei dem andern, nur in einem Punkte weichen Amphora und Trajanssäule mit gutem Grunde voneinander ab, nämlich darin, daß j e n e den von der Rechten festgepackten Ranzen, weil er voll gestopft und schwer ist, auf der Schulter ruhen und den Stab lose mit der Linken halten, d i e s e das Proviantbündel, weil es mehr oder weniger leer und leicht ist, oben am Stabe befestigt hoch über dem Kopfe schweben läßt, jene, um den A n f a n g , diese, um das E n d e der Reise ins Feld Zeit zu verlieren und dann erst, wenn das Lager fertig war und Zeit und Umstände es gestatteten, neue für das kommende holen zu lassen usw. Die römischen Schanzpfähle waren im Vergleich zu den griechischen leicht (Liv. XXXIII 5, 9 : Romanos leves . . . vallos caedit, vgl. Polyb. XVIII 18), so leicht, daß 3 und 4 (Polyb. XVIII 18, 8), ja sogar 7 (Liv. ep. 57) bis 12 (Liv. III 27, 3—5) von einem Manne getragen werden konnten, jedenfalls nicht so stark, lang und groß, w i e sie Napoléons III. Atlas (Planche 27 Fig. 4) zu dessen Hist. de Jules César uns vorführt.
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uns so klar wie möglich vor Augen zu führen. Ferner ist die Spannweite des „bogenförmigen hölzernen Gestells", genauer wohl des hölzernen ungewiß wie (vielleicht mit einem Riemen?) gespannt gehaltenen Bügels wie die B r e i t e der am Bügel befestigten Bündelmasse (sarcina) auffälligerweise gerade so groß, daß der Soldat bequem mit einem Griff die sarcina in einen Schanzkorb (cophinus), der bei 9,85 Liter Inhalt etwa 20 cm Höhe hatte, hineinsenken und ebenso bequem aus ihm wieder herausheben konnte. Wir ziehen daraus den Schluß, daß in dem Falle, wo in Feindesland sowohl der Schanzkorb als auch das zum Mitnehmen von Proviant für 16 Tage nicht entbehrliche Tragreff vom Soldaten selber getragen wurde, die voll gefüllte sarcina größtenteils in dem auf dem Querbrettchen des Tragreffs ruhenden Schanzkorb eingesackt war und die einzelnen zu einem Pack (sarcina., fascis) vereinigten Bündel (fasciculi) deshalb an einem Haltebiigel befestigt wurden, um den beim täglichen Schlagen des Marschlagers nötigen Schanzkorb für sofortigen Gebrauch schnell mit einem Griff entleeren und die sarcina, am Tragreff angehängt, mit dieser zusammen ohne lange Schererei beiseite legen zu können. Das Bild der Trajanssäule mit gepäcktragen den Legionaren ist also nur aus dem Zwecke heraus zu verstehen, dem der Künstler dient; es will uns schlecht und recht bloß das E n d e des Marsches veranschaulichen, den die legioIAdiutrixvon ihrer weit entfernten Garnison leicht bepackt auf der Heerstraße von mansio zu mansio ziehend schnell zurückgelegt hat, um an der Donau sich mit den übrigen schon anwesenden Truppen für den dakischen Krieg zu vereinigen. In keiner Weise aber zeigt es uns schwer bepackte muH Mariani, die langsamen Trittes grätschbeinig auf feindlichem Boden ihres Weges ziehen, um plötzlich, des Gepäcks entledigt (expediti), den angetroffenen Feind gleich grimmen Katzen anzuspringen (Abb. 1). DIE GESAMTBELASTUNG DES LEGIONARS. Der Mundvorrat (cibaria) und die naturnotwendig mit ihm zusammenhängenden Geräte (vasa)') bilden das gesamte l ) Vasa sind nicht bloß Gefäße, sondern auch Geräte (vgl. Plaut. Aul. I 1, 17—19; Dig. XXXIII 7,8; XXXIV 5,19).
S t o l l e , Römischer Legionär.
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„Gepäck" des Legionärs. Dieses Gepäck wiegt, wie oben S. 25 ff. bemerkt, 60 röm. Pfd. = 19,647 kg und zwar der Mundvorrat f ü r 16 Tage 43 8 /9 röm. Pfd. = 14,369 kg und die Masse der Geräte, denen jedoch der Scbanzkorb nicht zuzuzählen ist, 16 l /9 röm. Pfd. = 5,278 kg. Zu den Gepäckgeräten gehört in erster Linie das Tragreff ( f u r c a oder furcae). Wir schätzen, wovon wir uns durch praktischen Versuch überzeugt haben, nicht zu niedrig, wenn wir dem aus natürlichen Eschengabeln zusammengefügten Tragreff 10 röm. Pfd. — 8,275 kg oder fast so viel Gewicht geben, wie es z. B. das Schweizer Tragreff hat. Dieses wiegt mit Riemen, aber ohne Biwackdecke, die f ü r den Römer durch Schanzkorb, Brotnetz, Ledersack usw. entbehrlich war, rund 3,5 kg. E s bleiben somit übrig 6 ^ 9 röm. Pfd. = 2,003 kg = r u n d 4 deutsche Pfund f ü r die sonstigen Geräte. Die Geräte sind: 1 Bratspieß (ößeXoqößeXicXKoc) 1 ), 1 eherner Kochtopf (xuTpa XaXKrj1)), 1 Trinkgefäß (£KTTuj|aa') €ktt. öikötuXov2)) in der Größe eines Schoppen (sextarius = 2 cotylae = 0,547 Liter), 1 Brotnetz (reticulum panis), 1 Ledersäckchen und 1 Ledertasche, die noch manches dem Soldaten unentbehrliche Stück, wie z.B. Messer usw., enthalten mochte. "Wenn auch n u r durch die Trajanssäule bezeugt, darf diese Ledertasche oder etwas ihr Ähnliches auch f ü r die Zeit der Republik als vorhanden angenommen werden. Es können gewogen haben: Bratspieß 1 /s röm. Pfd = 109,15 g, Kochtopf und Trinkgefäß 3 röm. Pfd. = 982 g, Brotnetz, Ledersäckchen und Tasche 21h röm. Pfd. = 910 g, so daß in der Tat 6V9 röm. Pfd. = r u n d 2 kg und schwerlich erheblich mehr heraus kommen, um gerade die 60 röm. P f u n d voll zu machen, die nach Veget. de r e milit. I 19 das Gepäck des Legionars gewogen haben soll. Nach Nißen (Geschichte von Novaesium S. 15—16) wog „die Rüstung des Legionars zu Schutz und Trutz" (scutum 5700 g, cassis 1625 g, gladius 1500 g, pugio 700 g, balteus 1575 g, schweres pilum 1900 g, l e i c h t e s pilum 1350 g, zusammen 14,350 kg, wozu Lederpanzer und Beinschienen kommen) „über 15 kg". Ein Gewicht von gerade 15 kg = ') Vgl. Appian. Iber. c. 85 u. Polyaen. VIII 16,2. ) Vgl. Polyaen. VIII 16,2.
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rund 46 röm. Pfd. dürfte zutreffen, da wir nur ein einziges pilum (vgl. Marquardt, Röm. Staatsverw. 2. AfL II S. 339—42; Fröhlich, das Kriegswesen S. 62—64; Oehler, Bilder-Atlas S. 54—56) in Rechnung zu setzen haben. Neben Gepäck und Rüstung trug der Legionär noch 1) einen Schanzpfahl (vallus) oder wenn nötig sogar mehrere1), ferner, wie Josephus de bell. Jud. III. 5 (6), 5 aus Augenschau berichtet*), 2) einen Schanzkorb (xocpivo; cofinus), 3) eine Handsäge (Trpiwv, serra), 4) einen Spaten (¿mi, rutrum), 5) eine Axt (neXeKuc, securis), 6) einen Riemen (ifia;, lorum), 7) eine Sichel (bptTravov, falx) und 8) eine Kette (ä\uaivi£ nicht als ?mepoTpo(pt( gälte. Liv. IY 15, 6 ist, wie wir gleich sehen werden, ein Beispiel dafür, daß den Römern ebenso wie den Griechen eine xolvig Weizen als das Quantum galt, das der Mensch zu seiner täglichen Ernährung nötig hat Bei Liv. IV 15, 6 wird dem Spurius Mälius, der die Plebejer durch Getreidespenden (largitiones frumenti) für sich gewonnen hatte (IY 13), nachgesagt, bilibris farris (far Spelt, eine Weizenart) sperasse libertatem se civium suorutn emisse ciboque obiciendo ratum victorem finitimorum omnium populum in servitutem perlici posse. Was heißt hier bili') Vgl. oben S.8.
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bris? Weißenborn (in s. erklär. Livius-Ausgabe. 5. Aufl.) versteht unter bilibris „je zwei Pfund" ( = 2 x 327,45 g) d. h. ein Gewicht, und glaubt, daß die von Mälius jedem Plebejer täglich gespendeten Speltportionen nicht für je eine Person bestimmt gewesen wären, sondern „wohl für jede Familie, da auf den Freien »/* Pfund (s. 5, 47, 8; vgl. 7, 37, 3) gerechnet" worden sei. Er irrt sich indessen sehr, denn Livius erzählt V 47, 8, daß dem Retter des Kapitols Manlius die Soldaten universi selibraa farris et quartarios vini. . . contulerunt, und VII 37, 3, daß den Soldaten, die unter Führung des P. Decius das Heer gerettet hatten (c. 34 sqq.), legiones libras farris et sextarios vini cotUulerunt, er bietet also nur Beispiele für die römische Sitte, Kämpfer, die sich durch irgend eine außerordentliche Kriegstat wohl verdient gemacht hatten, eine außerordentliche Ehre in der Art zu erweisen, daß jeder Mitkämpfer ihnen je eine kleine Gabe von Spelt (far) und Wein überreichte (vgl. Plin. n. bist. XVIII 3, 9: dona ampfissima imperatorum ac fortium civium. . . quartarii farris aut heminae conferente populo, 3, 14; 8, 81; 8, 83 u. Fr. Vollmer, Epitome thesauri Latini unter adoria), spricht aber mit keiner Silbe von dem, was gewöhnlich ein Freier täglich an Getreide nötig hat, und auch Plut. Cam. c. 27: TW bk MaXXiw... (TuvrivexKav öcrov fijupa? (täglich, aber nicht unter gewöhnlichen Umständen, sondern T6T€ t>£ TUIV mxiujv fjbn tMöXPW? kou |i6Xi