Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803: Rechtmäßigkeit, Rechtswirksamkeit und verfassungsgeschichtliche Bedeutung [1 ed.] 9783428522132, 9783428122134

Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation ist in den letzten Jahren verstärkt in den Mittelpunkt des wissenschaftliche

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German Pages 329 Year 2007

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Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803: Rechtmäßigkeit, Rechtswirksamkeit und verfassungsgeschichtliche Bedeutung [1 ed.]
 9783428522132, 9783428122134

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Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 77

Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 Rechtmäßigkeit, Rechtswirksamkeit und verfassungsgeschichtliche Bedeutung

Von

Ingo Knecht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

INGO KNECHT

Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803

Schriften zur Verfassungsgeschichte Band 77

Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 Rechtmäßigkeit, Rechtswirksamkeit und verfassungsgeschichtliche Bedeutung

Von

Ingo Knecht

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität zu Marburg hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0553 ISBN 978-3-428-12213-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität zu Marburg im Wintersemester 2005/2006 als Dissertation angenommen. Bis Anfang Mai 2006 – teilweise auch darüber hinaus – erschienene Literatur und Rechtsprechung konnten für die Druckfassung noch berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zu allererst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Werner Frotscher. Während meines Studiums hat er in diversen Lehrveranstaltungen mein Interesse an der Verfassungsgeschichte geweckt und wachgehalten. In der Zeit meiner Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl unterstützte er mich durch zahlreiche wertvolle Anregungen einerseits und die Gewährung des erforderlichen Freiraums zum eigenständigen Tätigwerden andererseits. So hat er das Entstehen dieser Arbeit erst ermöglicht. Auch Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Gilbert Gornig möchte ich für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens herzlich danken. Für viele förderliche Diskussionen bin ich Frau Christiane Schütz und Herrn Dominik Best zu großem Dank verpflichtet. Danken möchte ich auch dem Verlag Duncker & Humblot für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe „Schriften zur Verfassungsgeschichte“. Meine Eltern haben mir mit vielfältiger und unschätzbarer Unterstützung auf meinem bisherigen Lebensweg stets zur Seite gestanden. Ihnen wie auch meiner Schwester gilt daher mein ganz besonderer Dank. Marburg, im Mai 2006

Ingo Knecht

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Erster Teil Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung durch den Reichsdeputationshauptschluß A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation I.

23 23

Quellen des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

II. Der Staatsaufbau des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

B. Die Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 . . .

37

I.

Der Erste Koalitionskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

II. Der Zweite Koalitionskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

III. Die Ausarbeitung des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . .

45

C. Der wesentliche Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . .

50

I.

Säkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51

II. Mediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

III. Besetzung und Kompetenzen der Reichsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

IV. Die Auswirkungen auf die Religionsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

Zweiter Teil Die Rechtmäßigkeit und die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses A. Die Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91 91

II. Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

95 III. Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 IV. Rechtfertigung durch Staatsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 B. Die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 220

8

Inhaltsübersicht I. Rechtswirksamkeit als revolutionärer Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Rechtswirksamkeit durch die „normative Kraft des Faktischen“ . . . . . . . . . 226 III. Spätere Unwirksamkeit aus der Säkularisation erwachsener staatlicher Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 Dritter Teil Die verfassungsgeschichtliche Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

A. Die staatsorganisatorischen Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schwächung der alten Reichsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stärkung moderner Staatlichkeit auf der Territorialebene . . . . . . . . . . . . . . . III. Entstehung des Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das Verhältnis von Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Sozialstaatsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die ökonomischen Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses und deren gesellschaftliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235

236 236 238 238 239 240 244 245

C. Der Reichsdeputationshauptschluß als Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I. Das Essentiale eines Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. Die gesellschaftsreformerische Zielsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Erster Teil Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung durch den Reichsdeputationshauptschluß A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation . I. Quellen des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Reichsgrundgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Goldene Bulle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Ewige Landfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Wahlkapitulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Augsburger Religionsfrieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Der Westfälische Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Reichsherkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Staatsaufbau des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Territorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die territoriale Zersplitterung und ihre Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Besonderheit der geistlichen Reichsglieder und die Bedeutung der Kirche im Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Kurfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Reichsfürsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die freien Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die nicht reichsständischen Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die freien Reichsdörfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Reichsritterschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Reichsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Reichsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Reichskreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 23 24 24 25 25 25 26 26 28 29 29 29 31 32 32 33 33 34 34 34 35 35 36 37 37

10

Inhaltsverzeichnis

B. Die Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 . . . I. Der Erste Koalitionskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die erste Kriegsphase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Sonderfrieden von Basel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Sonderfrieden von Campo Formio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Der Reichsfriedenskongreß zu Rastatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Zweite Koalitionskrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Kriegsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Friedensvertrag von Lunéville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Ausarbeitung des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 38 39 41 42 43 43 44 45

C. Der wesentliche Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . I. Säkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Säkularisation der geistlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Territoriales Ausmaß der Säkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inhalt der Säkularisation geistlicher Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Säkularisation sonstigen kirchlichen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . a) Übergang der Verwaltung geistlicher Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . b) Einziehung von Kirchenvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Dispositionsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Säkularisationsberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Rechtsfolgen der Vermögenssäkularisation gem. § 35 RDHS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Modalitäten des Eigentumsübergangs . . . . . . . . . . . . . . . (2) Übergang der Verpflichtungen und Schulden . . . . . . . . . . . . (3) Neurechtliche Verpflichtungen des Staates . . . . . . . . . . . . . . (a) Pensionszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sonstige Unterstützungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Objektiv-rechtliche Verpflichtung zu Staatsleistungen an die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegung des § 35 RDHS nach seinem Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Systematische Auslegung des § 35 RDHS . . . g) Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS . . . . . . d) Sinn und Zweck des § 35 RDHS . . . . . . . . . . . e) Die weitere Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Subjektive Rechtsposition der Kirche . . . . . . . . . . . II. Mediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Mediatisierung der Reichsstädte und anderen kleinen weltlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtlicher Inhalt der Mediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 53 53 54 55 55 57 57 57 58 58 62 65 65 66 67 68 69 71 73 74 76 78 78 79

Inhaltsverzeichnis

11

b) Der Rechtsstatus der verbliebenen Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Mediatisierung der Reichsritterschaft: Der Rittersturm . . . . . . . . . . III. Besetzung und Kompetenzen der Reichsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Kurfürstenkollegium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Reichsfürstenrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Kollegium der freien Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Auswirkungen auf die Religionsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die innere Kirchenverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Diözesaneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die kanonische Jurisdiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kirchlicher Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der konfessionelle Zustand der Territorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 82 83 83 84 85 85 86 87 87 87 88 88

Zweiter Teil Die Rechtmäßigkeit und die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses A. Die Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Reichsdeputationshauptschluß als völkerrechtlicher Vertrag des Reiches mit Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Reichsdeputationshauptschluß als Staatsvertrag der deutschen Reichsstände untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Der Reichsdeputationshauptschluß als völkerrechtlicher Vertrag der deutschen Reichsstände untereinander . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Reichsdeputationshauptschluß als Reichsgesetz . . . . . . . . . . . . . II. Formelle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ausarbeitung in der Reichsdeputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragung der Ausarbeitung auf eine Reichsdeputation . . . . . . . . b) Zusammensetzung der Reichsdeputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Religionsparitätische Besetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertretung aller drei Reichstagskurien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Einsetzung der Reichsdeputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Beschlußfassung der Reichsdeputation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Beschluß durch den Reichstag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91 91 91 91 91 92 93 94 95 95 96 96 96 96 97 97 98 98

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Inhaltsverzeichnis a) Die grundsätzlichen Mehrheitserfordernisse im Reichstag . . . . . . . . b) Die Ausnahmen vom Mehrheitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Religionsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Iura singulorum der Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Wohlerworbene Rechte der Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Mehrheitserfordernisse für den Reichsdeputationshauptschluß aa) Die Regelungen zur Mediatisierung der weltlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eingriff in iura singulorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eingriff in wohlerworbene Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Regelungen zur Herrschaftssäkularisation der geistlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Religionsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Iura singulorum und wohlerworbene Rechte . . . . . . . . . . . . . cc) Die Regelungen zur Vermögenssäkularisation in den geistlichen Fürstentümern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Religionsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Iura singulorum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Wohlerworbene Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Regelungen zur Vermögenssäkularisation der landesunmittelbaren Stifte, Klöster und Abteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Religionsangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wohlerworbene Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Die sonstigen Vorschriften des Reichsdeputationshauptschlusses d) Die Wahrung der Mehrheitserfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Verhalten der vermittelnden Mächte und der Reichstagsmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Verhalten der betroffenen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die freien Reichsstädte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die geistlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die kaiserliche Ratifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfordernis einer Ratifikation durch den Kaiser . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zulässigkeit einer teilweisen Ratifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Generelle Zulässigkeit einer teilweisen Ratifikation . . . . . . . . . bb) Möglichkeit einer teilweisen Ratifikation beim Reichsdeputationshauptschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründetheit des kaiserlichen Vetos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erfordernis einer materiellen Begründetheit des kaiserlichen Vetos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verbindliche vorherige Festlegung des Kaisers in der Ratifikationsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99 99 99 100 101 101 101 102 102 103 103 104 105 105 106 106 106 107 107 107 108 110 111 112 112 114 114 115 116 117 118 118 119

Inhaltsverzeichnis

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III. Materielle Rechtmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Regelungen zur Herrschaftssäkularisation der geistlichen Reichsstände und zur Mediatisierung der weltlichen Reichsstände . . . . . . . . . a) Verstoß gegen Naturrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen bestehende Reichsgrundgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verstoß gegen Reichsherkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verstoß von Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung gegen eine Bestandsgarantie aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Beziehung des Heiligen Römischen Reiches zu seinen Reichsgliedern nach der zeitgenössischen Publizistik . . . . . . . . (1) Die Lehre in der Zeit vor dem Westfälischen Frieden . . . . (a) Die Souveränitätslehre Jean Bodins . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die weitere Entwicklung der Staatsformdebatte im Heiligen Römischen Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Einordnung durch die Reichspublizistik vom Westfälischen Frieden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts . . . . . . . (a) Die Theorie des Samuel von Pufendorf und die Reaktionen der Publizistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die staatsrechtliche Einstufung des Heiligen Römischen Reiches in der Folgezeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Reichstheorien von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches . . . . . . . . . . . . . bb) Die Einstufung des Heiligen Römischen Reiches nach heutigen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Inhalt und Entstehung des Staatenbund-BundesstaatSchemas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kritik am Staatenbund-Bundesstaat-Schema und alternative Eingruppierungsmöglichkeit des Heiligen Römischen Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Die Theorie des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Eingruppierung des Heiligen Römischen Reiches nach der Theorie des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Gegenkritik an der Theorie des Bundes . . . . . . . . . . . . . (3) Die Einstufung des Heiligen Römischen Reiches nach dem Staatenbund-Bundesstaat-Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der staatsrechtliche Status der Territorien . . . . . . . . . . . (aa) Staatsgebiet der Territorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Staatsvolk der Territorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Staatsgewalt der Territorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenz von Staatsgewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ursprünglichkeit der Staatsgewalt . . . . . . . . . . .

120 120 120 122 123

123 126 126 126 128 129 130 133 136 141 141

142 142 143 146 146 147 148 148 150 150 153

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Inhaltsverzeichnis aa) Entstehung und Entwicklung des Reichslehnsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die praktische Bedeutung der Reichslehen im späten Heiligen Römischen Reich und ihr Zusammenhang mit der Landeshoheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Souveränität der Territorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausmaß der inneren Souveränität der Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einschränkungen der landesherrlichen Hoheitsgewalt durch den Kaiser . . . . . . . . bb) Einschränkungen der landesherrlichen Hoheitsgewalt durch die Reichsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Einschränkungen der landesherrlichen Hoheitsgewalt durch die Reichsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Äußere Souveränität der Reichsstände . . . . . . . (b) Der staatsrechtliche Status des Reiches . . . . . . . . . . . . . (aa) Staatsgebiet des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Staatsvolk des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Staatsgewalt des Reiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Folgerungen für die Rechtmäßigkeit von Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Verfügungsbefugnis über Hoheitsrechte in Einheitsstaat, Bundesstaat und Staatenbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Selbstauflösung der säkularisierten und mediatisierten Reichsglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Selbstauflösung der säkularisierten geistlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Selbstauflösung durch Zustimmung zum Friedensvertrag von Lunéville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Selbstauflösung unmittelbar im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Selbstauflösung durch konkludente Zustimmung zum Reichsdeputationshauptschluß im Reichstag (b) Selbstauflösung der mediatisierten weltlichen Reichsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Selbstauflösung durch Zustimmung zum Friedensvertrag von Lunéville . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Selbstauflösung unmittelbar im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Selbstauflösung durch konkludente Zustimmung zum Reichsdeputationshauptschluß im Reichstag

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154 158 159 163

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167 170 174 174 176 178 183 183 187 187 187 191 193 196 196 196 198

Inhaltsverzeichnis

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2. Die Vorschriften über die Vermögenssäkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Verstoß gegen positive Bestandsgarantien geistlicher Institutionen . 199 aa) Bestandsgarantien durch geschriebenes Reichsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 bb) Bestandsgarantien durch territoriales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 (1) Intention des Reichsdeputationshauptschlusses zur Aufhebung von landesrechtlichen Bestandsgarantien . . . . . . . . . . . 200 (2) Rechtmäßigkeit der Aufhebung landesverfassungsrechtlicher Bestandsgarantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 b) Verstoß gegen Bestandsgarantien geistlicher Vermögensträger aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . 204 3. Die sonstigen Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . 208 IV. Rechtfertigung durch Staatsnotstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 1. Rechtfertigung der Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung . . . . 209 a) Generelle Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 aa) Innere Zwangslage aufgrund einer überkommenen Staatsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Äußere Zwangslage durch den Einfluß Frankreichs . . . . . . . . . . 214 (1) Zwangslage durch die Vorgaben des Lunéviller Friedensvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (2) Zwangslage während des Entstehungsprozesses des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (a) Zwang zur Herrschaftssäkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (b) Zwang zur Mediatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Rechtfertigung der Vermögenssäkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a) Generelle Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 B. Die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 220 I.

Rechtswirksamkeit als revolutionärer Akt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

II. Rechtswirksamkeit durch die „normative Kraft des Faktischen“ . . . . . . . . . 226 III. Spätere Unwirksamkeit aus der Säkularisation erwachsener staatlicher Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 1. Die Ablösung staatlicher Verpflichtungen per Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . 230 2. Unwirksamkeit bestehender Pflichten aufgrund geänderter Tatsachenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Vertragliche Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 b) Verpflichtungen durch Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

16

Inhaltsverzeichnis Dritter Teil Die verfassungsgeschichtliche Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

235

A. Die staatsorganisatorischen Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 I.

Schwächung der alten Reichsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

II. Stärkung moderner Staatlichkeit auf der Territorialebene . . . . . . . . . . . . . . . 238 III. Entstehung des Föderalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 I.

Das Verhältnis von Staat und Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Die Entstehung des Staatskirchenrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 2. Innerkirchliche Auswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

II. Der Sozialstaatsgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 III. Die ökonomischen Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses und deren gesellschaftliche Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Die Folgen der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens . . . . 246 a) Mikroökonomische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Makroökonomische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Gesamtumfang der Säkularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) Die Erwerber säkularisierten Kirchenguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 2. Die Folgen der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung . . . . 254 a) Die Gesellschaftsstruktur vor dem Reichsdeputationshauptschluß . 255 aa) Die politische Situation des Adels vor dem Reichsdeputationshauptschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 bb) Die wirtschaftliche Situation des Adels vor dem Reichsdeputationshauptschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Die Gesellschaftsstruktur im Heiligen Römischen Reich nach dem Reichsdeputationshauptschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 C. Der Reichsdeputationshauptschluß als Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 I.

Das Essentiale eines Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262

II. Die gesellschaftsreformerische Zielsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Die Interessenlage Napoleons hinsichtlich Deutschlands . . . . . . . . . . . . 266 2. Gesellschaftspolitische Vorstellungen Napoleons . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 a) Gesellschaftsreformen im Königreich Neapel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 b) Gesellschaftsreformen in den Rheinbundstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . 270

Inhaltsverzeichnis

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c) Gesellschaftsreformen im Königreich Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . 271 d) Schlußfolgerungen für die Zielrichtung der napoleonischen Politik während des Entstehungsprozesses des Reichsdeputationshauptschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 Personen- und Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Art. Bearb. Begr. BGHZ BVerfGE BVerwG BVerwGE dems. ders. dies. EuGH GG Hrsg. i. E. IPM IPO i.V. m. KirchE LV m. Nachw. m. w. Nachw. NVwZ OVG RDHS Rdnr./Rdnrn. RGZ S.

Anderer Ansicht Am angegebenen Ort Artikel Bearbeiter Begründer Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts demselben derselbe dieselbe/dieselben Europäischer Gerichtshof Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Herausgeber Im Ergebnis „Instrumentum pacis Monasteriense“ (IPM), kaiserlich-französischer Friedensvertrag von Münster, „Westfälischer Frieden“ „Instrumentum pacis Osnabrugense“ (IPO), kaiserlich-schwedischer Friedensvertrag von Osnabrück „Westfälischer Frieden“ In Verbindung mit Entscheidungen in Kirchensachen Friedensvertrag von Lunéville Mit Nachweisen Mit weiteren Nachweisen Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Oberverwaltungsgericht Reichsdeputationshauptschluß Randnummer/Randnummern Amtliche Entscheidungssammlung des Reichsgerichts in Zivilsachen Satz/Seite

Abkürzungsverzeichnis VerfGH VGH Vgl. VwVfG WRV ZevKR

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Verfassungsgerichtshof Verwaltungsgerichtshof Vergleiche Verwaltungsverfahrensgesetz Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 („Weimarer Reichsverfassung“) Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht

Die vollen Namen der verwendeten Zeitschriften sind dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. Die Erklärung weiterer Abkürzungen findet sich bei Hildebert Kirchner/Cornelie Butz, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Auflage, Berlin, New York 2003.

Einleitung „Das schimpflichste und ungerechteste Werk, (. . .) das die deutsche Geschichte aufzuweisen hat,“1 wurde er genannt; kaum etwas erscheine „so häßlich, so gemein und niedrig.“2 Nur wenige Ereignisse in der deutschen Geschichte haben derart emotionale Reaktionen hervorgerufen wie der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803.3 Ob er solch harte Urteile verdient und tatsächlich ein „schroffes Unrecht“4, ein „Rechtsbruch sondergleichen“5 war, soll hier einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Wer es unternimmt, sich mit einem mehr als zwei Jahrhunderte alten Gesetz zu befassen, muß sich die Frage nach dem Sinn seines Vorhabens gefallen lassen. Darauf ist zunächst mit der historisch herausgehobenen Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses zu antworten. Im Jahr 2006 jährt sich das Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation zum zweihundertsten Mal. Man wird bei den Jubiläumsveranstaltungen eines Gebildes gedenken, das nach früher fast einhelliger Ablehnung durch die Historiker heute mehr und mehr differenziert betrachtet wird.6 Für die historische Aufarbeitung des Reichsendes ist die Betrachtung des letzten großen Reichsgesetzes mit seinen Intentionen und seinen tatsächlichen Auswirkungen unumgänglich. Neben dieser historischen Dimension kommt dem Reichsdeputationshauptschluß auch eine besondere Bedeutung für die heutige Zeit zu, die eine genauere juristische Untersuchung erforderlich werden läßt. Vor allem in der Debatte um die zukünftige Richtung der Europäischen Union wird immer wieder auf das Heilige Römische Reich verwiesen,7 sei es nun als Vorbild oder als warnen-

1

Droysen, Vorlesungen über die Freiheitskriege II, S. 127. v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 180. 3 v. Oer, in: MPI-Gesch., Festschrift für Heimpel I, S. 511 (511, 513). Zur sich wandelnden Beurteilung des Reichsdeputationshauptschlusses durch die Historiographie Weigand, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 367 ff.; dies., GWU 2003, S. 501 ff. 4 So Erler, Kirchenrecht, S. 21. 5 So Lamprecht, Deutsche Geschichte IX, S. 160. 6 Vgl. Weigand, GWU 2003, S. 501 (508); Schroeder, JuS 2006, S. 577 (578). 7 Blechinger, StudRZ 2004, S. 23 (24 ff.); Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, S. 58; Pieper, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 27 (44); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 23; Thieme, JuS 1981, S. 549 (553); Wyduckel, Rechtstheorie 29 (1998), S. 211 (234). Kritisch zu diesem Vergleich aber Burgdorf, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 27 (40); Schroeder, JuS 2006, S. 577 (578, 582). 2

22

Einleitung

des Beispiel. Auf dieser Basis ist es erforderlich, die Reformierungsversuche des Reiches zu betrachten. Konnten die notwendigen Anpassungen an die Gegebenheiten der Zeit nicht auf dem Boden der alten Reichsverfassung gelingen, so offenbart dies strukturelle Defizite des damaligen Verfassungsrechts, die in einer wie auch immer gearteten Union europäischer Staaten vermieden werden sollten. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, daß die Maßnahmen des Reichsdeputationshauptschlusses auch heute noch zum Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten werden können. So hatte erst im Jahr 2004 das Oberverwaltungsgericht Koblenz über die Eigentumsverhältnisse an einer im Jahre 1801 aufgelösten Stiftung zu entscheiden, die nur deshalb nicht in den Anwendungsbereich des Reichsdeputationshauptschlusses fiel, weil sie in einem Gebiet links des Rheins liegt, das seinerzeit nicht mehr zum Heiligen Römischen Reich gehörte.8 Die gleiche Rechtsproblematik kann sich aber natürlich auch an rechtsrheinischen Orten stellen und hat sich dort auch des öfteren gestellt.9 Für solche Streitigkeiten genügt eine Beschreibung von Zustandekommen und Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses nicht. Es muß vielmehr über seine Rechtmäßigkeit und vor allem auch über seine rechtliche Wirksamkeit Klarheit herrschen. Seit der letzten tiefgehenden verfassungsrechtlichen Untersuchung des Reichsdeputationshauptschlusses durch Klaus Dieter Hömig10 sind fast vierzig Jahre vergangen. Seitdem sind neue historische Erkenntnisse gewonnen worden, welche die juristische Würdigung nicht unberührt lassen. Vor allem die Jubiläumsveranstaltungen im Jahr 2003 ließen die Ereignisse von 1803 verstärkt in das Blickfeld der Historiker fallen. Eine primär verfassungsgeschichtliche Abhandlung über den Reichsdeputationshauptschluß erscheint also wieder lohnend.

8 Urteil vom 16.11.2004, Az.: 7 A 10146/03 (unveröffentlicht), siehe näher unten, Erster Teil, Fußn. 221. 9 Dem Streit um die „Schnetlage-Stiftung“ in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts etwa lagen Rechtsfragen zugrunde, deren Lösung einen Rückgriff auf den Reichsdeputationshauptschluß erforderten; vgl. hierzu unten, Erster Teil, Fußn. 221. 10 Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 und seine Bedeutung für Staat und Kirche unter besonderer Berücksichtigung württembergischer Verhältnisse.

Erster Teil

Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung durch den Reichsdeputationshauptschluß Als im Jahr 1803 der Reichsdeputationshauptschluß verkündet wurde, war das Heilige Römische Reich Deutscher Nation fast tausend Jahre alt. In dieser langen Zeit war seine Staatsverfassung immer wieder vielschichtigen Veränderungen unterworfen und dadurch unvermeidbarerweise recht kompliziert geworden.

A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation „Es bleibt uns nichts anderes übrig, als das Deutsche Reich (. . .) einen irregulären und einem Monstrum ähnlichen Körper zu nennen.“ Dieser vielzitierte Satz1 Samuel Pufendorfs aus seinem 1667 unter dem Pseudonym Severinus de Monzambano veröffentlichten Werk „De statu imperii Germanici“2 bringt die Schwierigkeit zum Ausdruck, die eine Beschreibung der staatsrechtlichen Verhältnisse des Heiligen Römischen Reiches zur Folge hat. Kein anderes politisches Gebilde im alten Europa läßt sich so schwer in die gängigen Staatskategorien einordnen.3 Bis heute konnte nicht einmal darüber Einigkeit erzielt werden, ob es sich überhaupt um einen Staat oder aber um eine frühe hochentwickelte internationale Organisation handelte.4 Dementsprechend erscheinen

1 Nach Burgdorf, FAZ vom 18.9.2003 (Nr. 217), S. 42, handelt es sich gar um die am häufigsten zitierte Äußerung eines Juristen überhaupt. Etwas vorsichtiger Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 221, der in der staatsrechtlichen und verfassungshistorischen Literatur kaum Sätze findet, die häufiger zitiert worden sind. 2 Kap. VI, § 9. 3 Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 272; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 220; Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 12; Wyduckel, Rechtstheorie 29 (1998), S. 211 (228). 4 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 2 f.; 94 f.; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 41 f.; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 31; ders., Historische Entwickelung II, S. 157; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 168; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 202. – Ausführlich siehe unten, S. 146 ff.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

auch die Rechtsbeziehungen der Territorien untereinander und zur Zentralebene rechtlich ziemlich unklar.

I. Quellen des Verfassungsrechts Die Schwierigkeiten bei der rechtlichen Einordnung des Heiligen Römischen Reiches beruhen nicht zuletzt auf dem Umstand, daß es noch keine einheitliche und geschriebene Verfassung in unserem heutigen modernen Sinne gab.5 Es gibt daher kein Dokument, das verbindlich und abschließend über die Kompetenzen der Reichsorgane oder die Stellung der Territorien Auskunft geben könnte. 1. Die Reichsgrundgesetze Die Regeln über den Staatsaufbau des Alten Reiches beruhten zum einen auf einer Reihe von Reichsgrundgesetzen, den sogenannten leges fundamentales. Dabei handelte es sich um Regelwerke, die aus Verhandlungen zwischen Reichsoberhaupt und Territorien hervorgegangen waren, und die deren gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen festschrieben. Sie waren also – anders als die Bezeichnung „lex“ nahelegt – in erster Linie vertraglicher Natur,6 hatten aber zugleich verfassungsrechtlichen Charakter.7 Im Gegensatz zu vielen Verträgen waren sie zudem stets auf Dauer angelegt.8 Wenn sich auch mit der Wahlkapitulation Ferdinands III. von 1636 relativ spät ein Gesetz selbst erstmals als „Reichsgrundgesetz“ bezeichnete, entstanden sie der Sache nach sehr viel früher und waren Reichstagsakten und Reichspublizistik – also der Staatsrechtslehre des Alten Reiches – auch schon lange vorher bekannt.9 Die Darstellung soll sich an dieser Stelle auf die wichtigsten leges fundamentales beschränken.10

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Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 94; Stern, Staatsrecht V, S. 61. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 172; Mohnhaupt, Art. Verfassung I, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 831 (852). 7 Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 196; Stern, Staatsrecht V, S. 63. 8 Moser, Teutsches Staatsrecht I, S. 46. Zum Begriff des Reichsgrundgesetzes auch Kremer, Der Westfälische Friede, S. 43; Mohnhaupt, Art. Verfassung I, in: Brunner/ Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 832 (852 f.); Stern, Staatsrecht V, S. 64. 9 Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 27; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 174. 10 Vgl. auch Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 175; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 162a; Feine, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 24 f.; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (159); Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 69 ff.; Menger, Deutsche Verfassungsgeschichte, Rdnr. 56; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 240. 6

A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich

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a) Die Goldene Bulle Zu nennen ist zunächst die Goldene Bulle von 1356.11 Sie hatte zum Ziel, das zuvor noch ungeordnete Recht der Königs-, später der Kaiserwahl zu regeln, die wahlberechtigten Fürsten (Kurfürsten) zu benennen und deren Status und Privilegien zu bestimmen.12 Diese Aufgabe hat die Goldene Bulle insgesamt durchaus erfolgreich und dauerhaft bewältigt: Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches 1806 haben sich weder die Zusammensetzung des Kurfürstenkollegiums noch die Modalitäten der Wahl des Reichsoberhaupts in nennenswerter Weise verändert. b) Der Ewige Landfrieden Der Ewige Landfrieden, 1495 vom Reichstag zu Worms verabschiedet,13 ist weniger wegen des dort statuierten dauerhaften Fehdeverbots erwähnenswert als vielmehr wegen der Einrichtung des Reichskammergerichts. Damit wurde erstmals ein Gericht auf Reichsebene geschaffen, was für die Entwicklung der Durchsetzungskraft des Rechts im deutschen Raum von nicht zu unterschätzender Bedeutung war.14 c) Die Wahlkapitulationen Erstmals mit der Wahl Kaiser Karls V. im Jahre 1519 und fortan bis zum Ende des Alten Reiches gab, wer zum Kaiser gekürt werden wollte, den Kurfürsten gegenüber rechtlich verbindliche Wahlversprechen ab. Diese sogenannten Wahlkapitulationen, die letztlich der Beschränkung der kaiserlichen Macht zugunsten der Reichsstände dienten, hatten neben ihrem vertraglichen auch allgemeingültigen Charakter. Zwar entstand mit jeder neuen Kaiserwahl auch eine neue Kapitulation15; die Vorgängerregelungen wurden dabei aber inhaltlich 11 Text bei Buschmann, Kaiser und Reich I, Nr. 5, S. 104 ff.; Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 71 ff.; Zeumer, Quellensammlung, Nr. 148 (S. 192 ff.). 12 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 11; Laufs, Art. Goldene Bulle, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 1739 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 98 f.; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 33. 13 Text bei Buschmann, Kaiser und Reich I, Nr. 6 (S. 157 ff.); Zeumer, Quellensammlung, Nr. 173 (S. 281 ff.). Der Ewige Landfrieden war Teil des längerandauernden Prozesses der Reichsreform im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert, dazu ausführlicher Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 170 ff.; Laufs, JuS 1995, S. 665 ff.; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 343 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 132 ff. 14 Becker, NJW 1995, S. 2077 (2077, 2081); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 101; Meurer, JA 2004, S. 848 (852). 15 Grawert, Art. Gesetz, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe I, S. 863 (888).

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

kaum verändert. Faktisch waren die Wahlkapitulationen daher auf Dauer angelegt, und da sie Machtverteilungsfragen zum Gegenstand hatten und damit staatsorganisatorische Regelungen trafen, waren auch sie zu den Reichsgrundgesetzen zu zählen.16 d) Der Augsburger Religionsfrieden Der Augsburger Religionsfrieden von 155517 verdient besondere Beachtung, weil er das erste reichsrechtliche Regelungswerk darstellt, das die von der vorangegangenen Reformation verursachten Verwerfungen der Machtstrukturen im Heiligen Römischen Reich zu glätten unternahm. Zu diesem Zweck führte er einen Grundsatz ein, der das Reich bis zu seinem Ende prägen und etwa bei Ausarbeitung und Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses eine entscheidende Rolle spielen sollte. Es handelt sich um das Prinzip der Parität von Katholiken und Lutheranern, also der Festschreibung einer prinzipiellen Gleichrangigkeit der beiden Konfessionen.18 Wenn dieses Ideal auch bis zur Endphase des Alten Reiches nie voll verwirklicht wurde, weil die Katholiken stets ein Übergewicht behielten, ist der Augsburger Religionsfriede dennoch zu „den folgenschwersten Ereignissen der neuzeitlichen Reichsverfassungsgeschichte“19 zu zählen. Er konnte den Drang beider Konfessionen dämpfen, das Monopol der jeweils eigenen Glaubensrichtung anzustreben. So verhinderte er vorerst schwerwiegendere militärische Konfrontationen, die wohl zu einem Auseinanderbrechen des Reiches geführt hätten. Gerade im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern der damaligen Zeit handelte es sich um ein recht fortschrittliches und durchaus effektives Regelwerk zur Bewältigung religiöser Gegensätze.20 e) Der Westfälische Frieden Trotz alledem konnte der Augsburger Religionsfrieden den Konflikt zwischen den Konfessionen nur mildern und den offenen Ausbruch hinauszögern, aber nicht gänzlich verhindern. Unter Einbeziehung auswärtiger Mächte kam es zur militärischen Auseinandersetzung, die sich zum Dreißigjährigen Krieg21 ausweitete, dem „größte(n) kriegerische(n) Ereignis, welches Deutschland jemals 16

Hartung, HZ 107 (1911), S. 306 ff. Es handelt sich um einen Teil des Augsburger Reichsabschieds, abgedruckt bei Buschmann, Kaiser und Reich I, Nr. 11 (S. 215 ff.); Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 127 ff.; Zeumer, Quellensammlung, Nr. 189 (S. 341 ff.). 18 Darüber hinaus finden sich einzelne Untertanenrechte, dazu näher unten, S. 263. 19 So Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 166. 20 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 115 f.; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 246. 17

A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich

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heimgesucht hat“22. Hintergrund war dabei weniger ein theologischer Disput zwischen den Konfessionen als vielmehr ein Konflikt zwischen verschiedenen Verfassungskonzeptionen für das Reich.23 Daher enthielt der Westfälischen Frieden von 164824, der den Dreißigjährigen Krieg beendete, neben religionsrechtlichen25 auch allgemein-verfassungsrechtliche Regelungen. Diese staatsorganisatorischen Bestimmungen waren so grundlegender Natur, daß sie die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation noch bis zu dessen Ende bestimmen sollten. Quintessenz war die Festigung territorialstaatlicher Kompetenzen auf Kosten der kaiserlichen Rechte. Den Herrschern der Gliedstaaten wurde das „ius territoriale“, die Territorialherrschaft, zuerkannt (Art. VIII § 1 IPO), und da sie zudem das Recht erhielten, mit auswärtigen Mächten Bündnisse zu schließen („ius faciendi foedera“; Art. VIII § 2 S. 2 IPO)26, muß ihre Autonomie dem Reichsganzen gegenüber zumindest als sehr weitgehend bezeichnet werden. Damit fand die vorübergehende Tendenz der Zentralisierung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation unwiderruflich ein Ende.27 Der Westfälische Frieden wurde nicht nur als völkerrechtlicher Vertrag verabschiedet, sondern durch den jüngsten Reichsabschied von 1654 der Forderung des Art. XVII § 2 IPO entsprechend auch zum Reichsgrundgesetz erhoben.28 Zudem fand er fortan in jede kaiserliche Wahlkapitulation Eingang, hatte also auch auf diese Weise die Geltung eines Reichsgrundgesetzes.29

21 Ausführlicher hierzu Fenske, Deutsche Geschichte, S. 48 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 184 ff. 22 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 184. 23 Der Dreißigjährige Krieg kann daher mit Recht als „gigantischer Verfassungskonflikt“ (Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 184) bezeichnet werden. 24 Text bei Buschmann, Kaiser und Reich II, Nr. 12 (S. 11 ff.); Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 176 ff.; sowie auszugsweise bei Hofmann, Quellen, Nr. 34 (S. 169 ff.). In lateinischer Fassung finden sich die Westfälischen Friedensverträge bei Zeumer, Quellensammlung, Nr. 197 f. (S. 395 ff.). Der Westfälische Frieden bestand aus dem kaiserlich-französischen Friedensvertrag von Münster „Instrumentum pacis Monasteriense“ (IPM) und dem kaiserlich-schwedischen Friedensvertrag von Osnabrück „Instrumentum pacis Osnabrugense“ (IPO). Die verfassungsrechtlichen Bestimmungen sind in beiden Verträgen jedoch weitgehend identisch; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 189. 25 Dazu unten, S. 99. 26 Dazu unten, S. 170. 27 Link, JZ 1998, S. 1 (7); Schindling, Art. Westfälischer Friede, in: Erler/Kaufmann/Werkmüller, HRG V, Sp. 1302 (1306). 28 Link, JZ 1998, S. 1 (6). 29 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 189.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

2. Das Reichsherkommen Die Reichsgrundgesetze selbst erhoben keinen Anspruch auf Geschlossenheit.30 Wie etwa der Westfälische Frieden inzident anerkannte (Art. V § 30 IPO), mußte sich die Praxis an dem orientieren, was auch ohne geschriebenes Recht in den vorhergehenden Generationen praktiziert worden war, um die bestehenden Lücken zu schließen. Man griff damit auf eine Vielzahl lange geübter Gepflogenheiten zurück, die in der Regel als „observantia imperii“ oder „Reichsherkommen“ bezeichnet wurden.31 Die Entstehung neuen Reichsherkommens konnte im Einzelfall sogar einmal durch leges fundamentales geschaffenes Verfassungsrecht ändern.32 Wenn die Reichsgrundgesetze auch gegen Ende des Alten Reiches immer mehr an Bedeutung gewannen,33 blieb doch bis zur Auflösung des Reiches ihre verfassungsrechtliche Unvollständigkeit weitgehend anerkannt.34 Das ständige Erfordernis eines Rückgriffs auf jahrhundertealte Rechtsgewohnheiten gab dem Staatsrecht notwendigerweise einen konservierenden Charakter, der durch das ebenfalls hohe Alter der Reichsgrundgesetze noch verstärkt wurde. Damit schwebte immer die Gefahr einer gewissen Schwerfälligkeit und auch Rückständigkeit über dem Alten Reich. Die deutsche Rechtslage unterschied sich also grundlegend von den Verfassungen modernen Typs, die sich in den USA und in Frankreich bereits im 18. Jahrhundert durchgesetzt hatten.35 Dennoch verlieh das Reichsherkommen gemeinsam mit den Reichsgrundgesetzen dem Staatsgefüge einen so hinreichend festen Charakter, daß die zeitgenössische

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Stern, Staatsrecht V, S. 62. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 194; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 65; Stern, Staatsrecht V, S. 62. Ausführlich Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 75 ff., sowie zusammenfassend S. 121 ff. Moser, Teutsches Staatsrecht II, S. 142, definiert das Reichsherkommen als alle Fälle, in denen „von einer in die Staats-Verfaßung des Teutschen Reiches einschlagenden Sache, nichts in denen Reichs-Verträgen und Gesetzen ausdrücklich enthalten, doch aber erweislich ist, daß es vorhin in gleichen Fällen, mit Willen der Interessierten, auch also seye gehalten worden.“ 32 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 203; Moser, Teutsches Staatsrecht II, S. 143; Conrad, in: Hofmann, Die Entstehung des modernen souveränen Staates, S. 228 (235). 33 De lege ferenda kritisch zum Reichsherkommen als Quelle des Verfassungsrechts Scheidemantel, Das Staatsrecht nach der Vernunft und den Sitten der vornehmsten Völker betrachtet, S. 225; vgl. hierzu Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 122. 34 Ausführlicher zur Entwicklung der Reichspublizistik in der Frage der Geschlossenheit der Reichsgrundgesetze Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 19 ff. m. Nachw. auf die zeitgenössische Staatsrechtslehre. 35 Dazu etwa Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 28, 71 ff. 31

A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich

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staatsrechtliche Literatur einhellig davon sprach, das Reich habe eine Verfassung.36

II. Der Staatsaufbau des Reiches Das Heilige Römische Reich war zu keinem Zeitpunkt zu einem zentralistischen Staat geworden. Die Macht war also nicht beim Reichsverband konzentriert, sondern zwischen Zentralebene und Territorien verteilt.37 Beim Betrachten des Verhältnisses vom Reich zu den Gliedstaaten im Verlauf der fast tausendjährigen Geschichte des Heiligen Römischen Reiches fällt vor allem eines auf: der sich ständig steigernde Prozeß der Machterweiterung der Territorien auf Kosten des Reichsganzen.38 Dementsprechend war für die Spätzeit des Heiligen Römischen Reiches eine relativ geringe Macht der Reichsebene und unabhängig von ihrem schwer einzustufenden staatsrechtlichen Status eine rechtlich wie politisch starke Stellung der Territorien kennzeichnend.39 1. Die Territorien a) Die territoriale Zersplitterung und ihre Folgen Zählt man alle reichsunmittelbaren Gebiete40 vom großen Flächenterritorium bis zum wenige Äcker umfassenden Rittergut zusammen, existierten mehr als 1800 reichsunmittelbare Gebiete im Heiligen Römischen Reich.41 Organisation und Macht der Reichsglieder wiesen allerdings eine derart große Unterschiedlichkeit auf, daß eine generalisierende Betrachtungsweise kaum möglich ist. Einflußreiche Kurfürstentümer standen neben mindermächtigen Fürsten und Grafen, Reichsstädte verschiedenster Größe neben unbedeutenden Reichsdörfern und reichsritterschaftlichen Gütern. Bereits wegen der territorialen Verschiedenheit differierten politische Verfassung wie auch tatsächliche Machtposition der Gebiete innerhalb des Heiligen Römischen Reiches zwangsläufig stark. Die ungeheure Vielzahl meist kleiner und kleinster Territorien mußte schon per se zu einem Grundproblem des Alten Reiches werden.42 Bedenkt man, wie 36 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 4; Pütter, Historische Entwickelung I, S. 1. Zum zeitgenössischen Verfassungsbegriff siehe Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 1 ff. 37 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 164; Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, Rdnr. 37. 38 Feine, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 7. 39 Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 144; Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). 40 Als reichsunmittelbar bezeichnete man die Gebiete, die ohne weitere Zwischeninstanz allein dem Reich unterstanden. 41 Hedler, Die deutsche Verfassung im Wandel der Zeiten, S. 33.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

schwer es in der heutigen Bundesrepublik den 16 Bundesländern oft fällt, sich zu einigen, erhält man ein Bild von den enormen politischen Schwierigkeiten, die mit der territorialen Zersplitterung im Heiligen Römischen Reich mit seinen 1800 reichsunmittelbaren Staats- oder staatsähnlichen Gebilden verbunden waren. An eine einheitliche Reichspolitik war meist nicht zu denken.43 Aber auch die Volkswirtschaft litt unter der hohen Anzahl der Reichsglieder. Eine Zollschranke folgte der nächsten und hemmte so die ökonomische Entwicklung.44 Es ist wohl in erster Linie auf die Nachwirkungen der territorialen Zersplitterung zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches zurückzuführen, daß die industrielle Revolution auf deutschem Gebiet so spät erfolgte.45 Hinzu kam das verschwendungssüchtige Streben auch der Landesherren nur kleiner Gebiete nach einem Prunk, der oft ihre tatsächliche Machtlosigkeit verdecken sollte,46 aber die knappen Staatsfinanzen völlig überbeanspruchte. So hatte etwa der Fürst von Isenburg-Birstein seine eigene Armee: Ein Hauptmann, zwei Korporale und 33 Mann.47 Als militärisches Bollwerk kann diese Truppe kaum gedient haben. Welche Funktion sie hatte, außer Geld zu verschlingen, ist nicht ersichtlich. Friedrich II. von Preußen ließ sich einst zu der Bemerkung hinreißen, es wolle jeder Fürst sein eigenes Versailles bauen, seine eigene Armee halten und seinen Pompadour haben.48 Dies mußte die Verschuldung ins Unermeßliche steigern und damit letztlich die Handlungsfähigkeit der Territorien untergraben. 42

Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, Rdnr. 37. Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 65 f. 44 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 155; Jaeger, Geschichte der Wirtschaftsordnung, S. 18; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 249; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (351). In jüngster Zeit wird auch die These vertreten, die territoriale Zersplitterung habe eine ökonomisch heilsame Wirkung gehabt, da sie einen Wettbewerb um mobile Produktionsfaktoren eröffnet habe, wie er in großen, zentralgesteuerten Reichen unmöglich gewesen wäre (Volckart, VSWG 86, 1999, S. 1 ff.; im Anschluß daran auch Schmidt, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 247, 258). Diese Theorie vermag aber nicht zu überzeugen. Zum einen wird sie von der tatsächlich im Reich vorhandenen Wirtschaftskraft widerlegt. Zum anderen widerspricht sie allen heutigen wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen, die sich von der Eröffnung eines möglichst großen Wirtschaftsgebiets ökonomischen Aufschwung versprechen. Ansonsten wären nicht nur die Europäische Union, sondern auch die oft mühsamen Versuche wirtschaftlicher Einigung in anderen Kontinenten volkswirtschaftlicher Nonsens. 45 Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts II, S. 46; Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (383). Dementsprechend erhofften sich Zeitgenossen von der Verringerung der Anzahl deutscher Territorien unter Ausweitung ihres jeweiligen Gebiets eine beträchtliche wirtschaftliche Stärkung; Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 54. 46 Schulze, Kleine deutsche Geschichte, S. 62. 47 Wolff, in: Heinemeyer, Das Werden Hessens, S. 333 (344). 48 Zitiert nach Wolff, in: Heinemeyer, Das Werden Hessens, S. 333 (344). 43

A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich

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b) Die Besonderheit der geistlichen Reichsglieder und die Bedeutung der Kirche im Reich Allein die Vielzahl und unterschiedliche Größe der deutschen Territorien brachte eine faktische Verschiedenheit innerhalb des Reichsverbands mit sich. Dazu erforderte noch das Vorhandensein kirchlicher Herrschaften auf allen Ebenen eine weitere Differenzierung. Neben drei geistlichen Kurfürstentümern existierten noch fünf reichsunmittelbare Erzbistümer, 20 Reichsbistümer und zahlreiche Abteien, Stifter, Propsteien und geistliche Ritterorden, die direkt dem Reich unterstanden.49 Der Umfang kirchlicher Herrschaft war also durchaus beachtlich. Sie erstreckte sich auf circa 94.650 km2 und etwa 3,2 Millionen Einwohner, mithin auf etwa 15% der Fläche und 12% der Einwohnerschaft des Alten Reiches.50 Der Unterschied von geistlichen und weltlichen Territorien in ihrer Rechtsstellung und Politik war allerdings weitaus geringer, als man aus heutiger Perspektive vermuten könnte.51 Dies folgt nicht zuletzt aus der Art und Weise, in der die Besetzung der leitenden kirchlichen Positionen erfolgte: Sie waren dem Adel vorbehalten, dessen Mitglieder sie ohne Absolvieren der Priesterlaufbahn einnehmen konnten, so daß sich die hohen Kirchenämter zur Unterbringung nachgeborener Söhne erheblicher Beliebtheit in deutschen Adelsfamilien erfreuten.52 Bei manchen Klöstern schien es die Hauptfunktion zu sein, Adelskinder mit einträglichen Posten zu versorgen.53 Insbesondere die Reichsritterschaft sah die Kirche geradezu als ihr Eigentum an.54 Die Reichskirche hatte sich zu einer deutschen Adelskirche entwickelt55, und angesichts dessen erstaunt es nicht, daß die Kirchenfürsten der geistlichen Territorien ihre weltlichen Verpflichtungen in der Regel weitaus ernster nahmen als ihre seelsorgerischen.56 So hatte die Insti49

Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (548). Andermann, HZ 271 (2000), S. 593 (596); Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (56); Hausberger, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 35 (36). Bei Hausberger a. a. O. findet sich auch eine Landkarte des Reiches mit besonderer Markierung der geistlichen Territorien. 51 Moser, Von denen Teutschen Reichs-Ständen, S. 529; Thieme, JuS 1981, S. 549 (552). 52 Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (548 f.); Frotscher/ Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 176; Müller, Säkularisation und Öffentlichkeit, S. 123. Siehe auch unten, Dritter Teil, Fußn. 140. 53 Maier, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (15). 54 Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (28). 55 Blessing, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 335 (338); Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, S. 28; Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (78). 56 Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 113; Hartmann, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 241 (248); Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 283 f.; Thieme, JuS 1981, S. 549 (553); Zippelius, Staat und Kirche, S. 130. 50

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

tution Reichskirche insgesamt ihre sakral-sozialen Funktionen weitgehend verloren und nur mehr politische und finanzielle Aufgaben inne.57 Die Existenz geistlicher Staaten war dabei – vom päpstlichen Kirchenstaat abgesehen – ein Unikum in Europa.58 Die Ausstattung der Kirche mit weltlichen Hoheitsrechten war damit zum entscheidenden Wesensmerkmal des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation geworden.59 c) Die Reichsstände Die wichtigsten Territorien waren zugleich Reichsstände, was bedeutete, daß sie auf dem Reichstag Sitz und Stimme hatten.60 Der Reichstag war damit das Organ, das die Reichsglieder auf der Zentralebene repräsentierte. Er gliederte sich in drei Kollegien: Das Kurfürstenkollegium, den Reichsfürstenrat und das Kollegium der freien Reichsstädte.61 aa) Die Kurfürsten Am einflußreichsten war der Kreis der Kurfürstentümer. Er bestand aus nur sieben, später acht Mitgliedern. Deren Privileg bestand in erster Linie in ihrem Recht zur Königs- bzw. Kaiserwahl,62 das ihnen vor allem deswegen politisches Gewicht gab, weil sie den Kandidaten zur Abgabe zahlreicher Wahlversprechen zwingen konnten. Unter den Kurfürstentümern befanden sich mit Köln, Trier und Mainz auch drei geistliche Reichsstände.63

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Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (56). F. C. Moser, Ueber die Regierung der geistlichen Staaten, S. 31; v. Aretin, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (13 f.); Duchhardt, Europa am Vorabend der Moderne, S. 228; Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 142; Hattenhauer, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 125 (148); Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 11; Weis, Der Durchbruch des Bürgertums, S. 252. 59 Link, JZ 1998, S. 1 (3); Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (75). 60 Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 150; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 78; Stern, Staatsrecht V, S. 27; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 221; ders., Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 339. 61 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 182; Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). 62 Becker, Art. Kurfürstenrat, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1290 (1290); Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 11; Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 43; Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 110; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 96, 98. 63 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 11; Thieme, JuS 1981, S. 549 (551). 58

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bb) Die Reichsfürsten Die mit Abstand größte Gruppe unter den Reichsständen waren die Fürsten, Grafen und Prälaten, allesamt Mitglieder des Reichsfürstenrats.64 Dieser zählte 63 weltliche und 37 geistliche Stimmen,65 seine im einzelnen schwankende Mitgliederzahl belief sich aber gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf etwa 300 bis 320,66 im Jahre 1803 waren es exakt 314.67 Die Differenz zwischen Mitgliedern und Stimmen erklärt sich daraus, daß nicht alle Stimmen sogenannte Virilstimmen waren, also einem einzigen Reichsstand gehörten. Die übrigen waren Kuriatstimmen, was bedeutete, daß sich mehrere Mitglieder des Reichsfürstenrats eine Stimme teilten.68 cc) Die freien Reichsstädte In Abgrenzung zu den gewöhnlichen Territorialstädten war für die freien Reichsstädte die direkte Unterordnung unter das Reich kennzeichnend, also die Unabhängigkeit von den sie umgebenden Territorien.69 Seit dem Westfälischen Frieden stand ihnen das votum decisivum auf dem Reichstag zu, das heißt gem. Art. VIII § 4 IPO „nicht weniger als allen übrigen Reichsständen das volle Stimmrecht.“ Damit waren sie grundsätzlich gleichberechtigt, wenn auch die Reichsstädte im Beratungsverfahren nach wie vor hinter den beiden anderen, den sogenannten „höheren“ Kollegien zurückstanden.70 An der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert existierten 51 Reichsstädte,71 deren Organisation allerdings weniger dem heutigen Verständnis bürgerlicher Selbstverwaltung entsprach, als vielmehr durch ihre streng oligarchische Machtverteilung auffiel.72 64

Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 299. v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 140 f.; Theuerkauf, Art. Reichsfürsten, -stand, -rat, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 573 (575). 66 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 220; v. Srbik, Deutsche Einheit I, S. 166; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 81. 67 Luschin v. Ebengreuth, in: Hinneberg, Deutsche Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 198 (317); Schulze, Kleine deutsche Geschichte, S. 83. 68 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 267; Krings, JZ 2003, S. 173 (174); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 223. 69 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 335 f.; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 99. 70 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 525; Pütter, Historische Entwickelung I, S. 86 f.; Eitel, Art. Reichsstädte, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 754 (759); Krings, JZ 2003, S. 173 (174); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 106. 71 Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 204. 72 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 74; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 177; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 18. 65

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

d) Die nicht reichsständischen Gebiete Neben den auf dem Reichstag vertretenen Reichsgliedern existierte noch eine Vielzahl kleiner Gebiete, die ebenfalls reichsunmittelbar waren, aber kein Recht auf Sitz und Stimme im gemeinsamen Reichsorgan hatten. Sie bildeten für sich genommen keinen große Machtfaktor; höchstens indirekt konnten sie – etwa durch die Besetzung wichtiger Ämter bei Reichsständen und in der Reichskirche – Einfluß auf die Reichspolitik nehmen.73 aa) Die freien Reichsdörfer Von nur geringer Bedeutung und darüber hinaus auch nur kleiner Anzahl waren die freien Reichsdörfer. Bis zum Reichsdeputationshauptschluß waren gerade noch fünf von ihnen geblieben.74 Die Reichsdörfer waren reichsunmittelbar,75 ein Status, der ihnen indirekt auch durch Art. V § 2 IPO zugesichert wurde. Rechtlich unterschieden sie sich von den freien Reichsstädten also im wesentlichen dadurch, daß sie nicht auf dem Reichstag vertreten waren. bb) Die Reichsritterschaft Als das wohl eigenartigste staatsrechtliche Gebilde des Heiligen Römischen Reiches ist die Reichsritterschaft zu bezeichnen.76 Die Reichsritter herrschten meist zwar nur über sehr kleine Gebiete, waren aber reichsunmittelbar.77 Auf dem Reichstag waren sie jedoch nicht vertreten.78 Vor allem in den Regionen, in denen die umgebenden Territorien wenig Macht hatten, gelang es den Rittern, ihre Reichsunmittelbarkeit bis in das beginnende 19. Jahrhundert zu erhal73 Was ihnen alles in allem erstaunlich gut gelang; Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (55). 74 Es handelte sich um Gochsheim und Sennfeld bei Schweinfurt, die Freien Leute auf der Leutkircher Heide im Allgäu, Soden (Taunus) und Sulzbach bei Frankfurt am Main; Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, S. 38. 75 Pütter, Anleitung zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte II/2; S. 483; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 205; Luschin v. Ebengreuth, in: Hinneberg, Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 198 (334). 76 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 542; Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte I, S. 79; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 307. 77 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 203; Gagliardo, Reich and Nation, S. 13; Press, Art. Reichsritterschaft, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 743 (743). 78 Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte II/2, S. 474; Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 712; Gagliardo, Reich and Nation, S. 13; Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, S. 36; Thieme, JuS 1981, S. 549 (551); Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 312 Fußn. 733. Irrig insoweit Brandt, Der lange Weg, S. 19, der die Ritterschaft als „Reichsstand“ bezeichnet.

A. Die Verfassungslage im späten Heiligen Römischen Reich

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ten, während sie andernorts im Laufe der Jahrhunderte landsässig wurden.79 Daher lag der geographische Schwerpunkt der zur Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses noch vorhandenen 1475 reichsritterschaftlichen Ländereien in Schwaben, in Franken und am Rhein.80 Der Westfälische Frieden (Art. IV § 17 IPO) und seitdem auch alle Wahlkapitulationen der Kaiser enthielten besondere Schutzvorschriften für die Reichsritter.81 In moderne staatsrechtliche Kategorien läßt sich die Reichsritterschaft nicht einordnen:82 Am ehesten entsprach ihr Rechtsstatus dem einer hochprivilegierten Grundherrschaft. Eine für das Reichsleben relevante Funktion übten sie in der letzten Phase ihres Bestehens nicht mehr aus. Weder leisteten die Ritter in Kriegszeiten einen Beitrag zur Reichsarmee, noch zahlten sie überhaupt Reichssteuern,83 und ihren Lebensunterhalt vermochten sie nur auf Kosten der abgabepflichtigen Bauern zu bestreiten.84 Eine ritterliche Politik, die über die Wahrung der eigenen Pfründe hinausging, läßt sich dagegen nicht erkennen.85 2. Die Reichsebene Wenn auch faktisch die Territorien im Heiligen Römischen Reich die Ausübung politischer Macht weitgehend bei sich konzentrieren konnten, sah das Staatsrecht auch auf Reichsebene die Möglichkeit der Rechtsetzung und der Wahrnehmung judikativer Funktionen vor. Dazu hatten sich Reichsorgane mit mehr oder weniger klar umgrenztem Aufgabengebiet herausgebildet. a) Der Reichstag Der Reichstag fungierte als Vertretungsorgan der Reichsstände auf der Zentralebene. Seit 1663 tagte er permanent und war mit weitgehenden Zuständigkeiten für Beratung und Beschlußfassung in Reichsangelegenheiten sowie mit 79

Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (857). Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (838 f.); Luschin v. Ebengreuth, in: Hinneberg, Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 198 (317); Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (324). Bei Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (859), findet sich die Verbreitung der Reichsritterschaft kartographisch dargestellt. 81 Vgl. näher unten, Zweiter Teil, Fußn. 397. 82 Vierhaus, in: ders., Eigentum und Verfassung, S. 229 (232 f.); Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (857). 83 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 548. 84 Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 712; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 177. 85 Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 713; Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 75; Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (860). 80

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

umfassenden Mitwirkungsbefugnissen auf allen Materien der Reichsgesetzgebung ausgestattet.86 Ausdrücklich festgeschrieben war dies etwa im Reichsgrundgesetz Westfälischer Frieden, dessen Art. VIII § 2 den Ständen „ohne jede Einschränkung das Stimmrecht bei allen Beratungen über die Reichsgeschäfte“ zugestand, „namentlich, wenn Gesetze zu erlassen oder auszulegen, Kriege zu beschließen, Abgaben vorzuschreiben, Frieden oder Bündnisse zu schließen oder andere derartige Geschäfte zu erledigen“ waren. Der Reichstag wurde von reichsständischen Gesandten besetzt, wobei sich aus Kostengründen allerdings meist viele Territorien einen Gesandten teilten. Ende des 18. Jahrhunderts waren daher trotz der 100 Stimmen im Reichsfürstenrat nur etwa 20 Delegierte permanent anwesend.87 b) Der Kaiser Oberhaupt des Reiches war der Kaiser, gewählt durch die Kurfürsten und in der Praxis fast immer ein Mitglied des Hauses Habsburg. Da allerdings die Reichsebene insgesamt nicht besonders mächtig war und zudem der Reichstag umfassende Mitsprachebefugnisse hatte, konnten die Kompetenzen, die der Kaiser allein ausüben durfte, nicht sehr zahlreich sein. Etwas bedeutender waren allerdings seine Mitwirkungsbefugnisse, hauptsächlich das Vorschlagsrecht auf den Reichstagen und die Beteiligung an der Reichsgesetzgebung (Art. VIII § 2 IPO), die darin bestand, daß die Gültigkeit eines Reichsgesetzes von der kaiserlichen Zustimmung abhing. Eine gewisse Bedeutung hatte der Kaiser schließlich auf jurisdiktioneller Ebene in seiner Funktion als oberstes Haupt und Richter des Reichhofsrats, die er nach Titel I, § 1 Reichshofratsordnung von 165488 innehatte.89 Die geschichtliche Entwicklung war schon dadurch vorgezeichnet, daß es dem Kaiser nicht gelang, auf Reichsebene eine Erbmonarchie einzuführen. Jede Wahl eines neuen Reichsoberhaupts erforderte Zugeständnisse seinerseits, was seine Machtposition stetig schwächen mußte. Als eine staatliche Verwaltung im modernen Sinne entstand, wurde sie von den Ländern eingerichtet und übte ihr Ermessen im Namen des entsprechenden Gliedstaats und nicht des Reiches aus.90 Der Prozeß der Machterweiterung der Länder auf Kosten des Reiches 86

Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 184. Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 254. 88 Abgedruckt bei Buschmann, Kaiser und Reich II, Nr. 13 (S. 129 ff.); Hofmann, Quellen, Nr. 33 (S. 164 ff.); sowie auszugsweise bei Zeumer, Quellensammlung, Nr. 199 (S. 443 ff.). 89 Allgemein zur verfassungsrechtlichen Stellung des Kaisers Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 ff.; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 96. Ausführlicher noch unten, S. 163. 90 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 136 f. 87

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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wirkte somit während der ganzen Bestandszeit des Heiligen Römischen Reiches mit ständig steigender Intensität fort.91 c) Die Reichsgerichtsbarkeit Für den Bürger zeigte sich die Reichsgewalt am deutlichsten in den beiden Reichsgerichten Reichskammergericht und Reichshofrat. Beide hatten ähnliche Kompetenzen; sie fungierten als Entscheidungsinstanz in Straf- und Zivilsachen, aber auch in Streitigkeiten, denen heute verfassungsrechtliche Natur zugeschrieben würde. Am stärksten unterschieden sich die beiden Reichsgerichte in der Praxis dadurch, daß das Reichskammergericht unter reichsständischem, der Reichshofrat aber unter kaiserlichem Einfluß stand.92 3. Die Reichskreise Die insgesamt zehn Reichskreise lassen sich weder als Einrichtungen des Reiches noch als solche der Territorien klassifizieren. Sie waren alle nach den Vorgaben der Reichsexekutionsordnung organisiert und in Aufbau und Funktionsweise daher ähnlich. Ihre Effektivität unterschied sich in der Praxis allerdings deutlich voneinander.93 Die Reichskreise wurden wegen des Fehlens von Reichsorganen mit exekutiver Funktion notwendig. Sie hatten die Verwaltungsarbeit oder zumindest die Koordination der reichsständischen Politik in den Bereichen zum Ziel, die möglichst reichseinheitlich erfolgen sollten oder zu deren Ausübung den schwächeren Ständen die Kapazitäten fehlten. In heutiger Terminologie fungierten die Reichskreise also als eine Art „mittelbarer Reichsverwaltung“.94

B. Die Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 Die Verfassungsverhältnisse im Alten Reich waren im ausgehenden 18. Jahrhundert in vielem anachronistisch geworden. Der österreichisch-preußische 91

Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (118). Ausführlicher unten, S. 151. Siehe unten, S. 167. 93 Zur Effektivität der Reichskreise Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (35) m. w. Nachw. 94 Menger, Deutsche Verfassungsgeschichte, Rdnr. 54. Zu den Reichskreisen Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 309 ff.; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 341 ff.; v. Aretin, Das Reich, S. 23; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 99; Krings, JZ 2003, S. 173 (175); Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, S. 43 ff.; Thieme, JuS 1981, S. 549 (553); Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 41 f.; ausführlich Dotzauer, Die deutschen Reichskreise. 92

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

Dualismus lähmte das ohnehin schwerfällige Funktionieren der Reichsinstitutionen, doch hielt der Reichsverband in seiner angestammten Form nach wie vor zusammen. Er stand damit in scharfem Kontrast zu seinem westlichen Nachbarn Frankreich, dessen Staatsstruktur gerade erst durch eine Revolution völlig neu geschaffen worden war. Erst dieser Gegensatz sollte zu nachhaltigen Veränderungen der Reichsverfassung führen.

I. Der Erste Koalitionskrieg Die Ereignisse der Französischen Revolution wurden in der deutschen Öffentlichkeit überwiegend mit Begeisterung aufgenommen.95 Allein im Jahr 1789 erreichten 250 in deutscher Sprache abgefaßte prorevolutionäre Propagandaschriften das Alte Reich; in der Presse wurde über die Revolution im Nachbarland meist positiv berichtet.96 Auch die Äußerungen der zeitgenössischen deutschen Dichter bewegten sich überwiegend zwischen Zustimmung zu den französischen Errungenschaften und deren euphorischer Anpreisung.97 Diese Entwicklung wurde in den europäischen Herrscherhäusern, insbesondere im Heiligen Römischen Reich, verständlicherweise mit Sorge aufgenommen.98 1. Die erste Kriegsphase Angetrieben von den Bedenken eines Übergreifens der revolutionären Ideen auf die eigene Bevölkerung entschlossen sich Kaiser Leopold II. und der preußische König Friedrich Wilhelm II. bei einer Zusammenkunft mit französischen Adligen in Pillnitz bei Dresden zu einem offensiveren Vorgehen. Sie verurteilten die Französische Revolution und riefen zur Intervention in Frankreich auf.99 Dort empfand man die sog. „Pillnitzer Deklaration“ vom 27. August 1791 als grobe Einmischung in innere Angelegenheiten und erklärte Österreich den Krieg.100 Den beiden Alliierten kam das nicht ungelegen; angesichts der militärischen Schwäche ihres Gegners waren sie von ihrem Sieg fest überzeugt. Sie spekulierten auf eine Erweiterung ihres Machtkreises, denn auf einen Franzosenkönig von ihren Gnaden würden sie auf lange Zeit einen bestimmenden Ein-

95

Vierhaus, Der Staat 6 (1967), S. 175 (193). Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 324. 97 Vgl. v. Aretin, in: ders./Härter, Revolution und konservatives Beharren, S. 9 (13); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 191; sowie Starck, in: ders., Der demokratische Verfassungsstaat, S. 380 (389), mit ausgewählten Beispielen. 98 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (21). 99 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 157; Müller, Schlaglichter der deutschen Geschichte, S. 134. 100 Botzenhart, Reform, Restauration, Krise, S. 17. 96

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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fluß ausüben können. Zudem trieb sie die Hoffnung auf territoriale Gewinne an.101 Entgegen ihren Erwartungen verlief der nur als kurze „Polizeiaktion“102 geplante Krieg für die Verbündeten aber nicht erfolgreich. Sie konnten zwar kurzzeitig auf französischen Boden vordringen, wurden aber bereits nach der – militärisch eigentlich bedeutungslosen – Kanonade von Valmy am 20. September 1792 zum Rückzug gezwungen.103 Zugleich radikalisierte sich die Revolution in Frankreich erheblich. In den Folgetagen schaffte der Nationalkonvent die Monarchie ab, rief die Republik aus und führte eine neue Zeitrechnung ein.104 Im Januar 1793 wurde der bisherige König Ludwig XVI. hingerichtet. Noch folgenreicher als diese nach innen wirkenden Maßnahmen war für das Heilige Römische Reich der nunmehr verstärkte Drang des westlichen Nachbarn, die revolutionären Ideale nach außen zu tragen.105 Die französische Armee besetzte dementsprechend in der Folgezeit linksrheinische deutsche Fürstentümer.106 Daraufhin erklärte der Reichstag entgegen seiner früheren Beschlußfassung den bisher nur von Preußen und Österreich geführten Krieg zum Reichskrieg und machte damit das Reich selbst zur Konfliktpartei.107 Es schloß sich eine im einzelnen wechselnde Koalition europäischer Mächte an, deren wichtigste Partner Rußland und England waren.108 2. Der Sonderfrieden von Basel Trotz vereinter Kräfte stellte sich kein militärischer Erfolg für das Reich ein. Vom Mißerfolg des Kriegs überzeugt brach Preußen aus der Koalition aus und schloß am 5. April 1795 in Basel einen Separatfrieden mit Frankreich.109 Darin lag ein eindeutiger Bruch der Reichsverfassung: Wie in §§ 86 f. des Reichsabschieds von 1641 erstmals bestimmt worden war, und wie es seitdem anerkann101 Botzenhart, Reform, Restauration, Krise, S. 17 f.; Gotthard, Das Alte Reich, S. 152. 102 So Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 326; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 256; Wunder, Europäische Geschichte, S. 83. 103 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 400; Fenske, Deutsche Geschichte, S. 99; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 158; Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 202; Müller, Schlaglichter der deutschen Geschichte, S. 135. 104 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 75. 105 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 158; Wunder, Europäische Geschichte, S. 85. 106 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (22). 107 Beschluß vom 22. März 1793; vgl. v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 398 f.; Härter, Reichstag und Revolution, S. 282; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 28; Schroeder, JuS 2006, S. 577 (578); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 218. 108 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 28. Die anderen Verbündeten Holland, Spanien, Portugal, Sardinien und Neapel waren von militärisch eher untergeordneter Bedeutung.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

termaßen geltendem Verfassungsrecht entsprach, durfte kein Reichsstand in einem Reichskrieg ohne die Zustimmung des Sacrum Imperium Neutralität wahren.110 Darüber hinaus waren gem. Art. VIII § 2 IPO Bündnisse verboten, die sich gegen Kaiser und Reich richteten.111 Eine weitere Sondervereinbarung Preußens mit Frankreich barg letztlich aber eine noch größere Sprengkraft für die alte Reichsverfassung: Preußen ließ sich im Gegenzug für die Abtretung seiner linksrheinischen Besitzungen an Frankreich territoriale Entschädigung versprechen, die im einzelnen noch genauer zu vereinbaren war. Dieser Handel sollte freilich nicht öffentlich bekannt werden, sondern wurde in einem geheimen Zusatzartikel festgehalten.112 Wenn auch selbst in diesem Geheimdokument nicht direkt ausgesprochen, herrschte Einigkeit darüber, daß in erster Linie kirchliche Besitzungen als Entschädigungsobjekte dienen sollten.113 In einer weiteren geheimen Übereinkunft zwischen Frankreich und Preußen wurde dann konsequenterweise auch das Wort „Secularisation“ verwendet,114 mit dem man die Verweltlichung von Kirchengut bezeichnete. Der Sonderfrieden von Basel sollte sich im Rückblick als die „eigentliche Geburtsstunde“ des Reichsdeputationshauptschlusses erweisen.115 Dem Beispiel Preußens folgten weitere deutsche Territorien. Im August 1795 schloß Hessen-Kassel einen Neutralitätsvertrag mit Frankreich, der rechtsrheinische Entschädigungen für die Abtretung der linksrheinischen Gebiete vorsah.116 Ein Jahr später vereinbarten auch Baden und Württemberg einen Separatfrieden – auch diese verfassungswidrig und auch diese jeweils einschließlich eines geheimen Zusatzprotokolles.117

109 Der Text findet sich bei Demel/Puschner, Deutsche Geschichte VI, S. 28 ff.; Hofmann, Quellen, Nr. 63 (S. 319 ff.); Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 2 (S. 37 ff.). 110 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 602 f.; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 290; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S 23; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (145). 111 Siehe unten, S. 172. 112 Vgl. Hoke/Reiter, Quellensammlung, Nr. 1561; Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 2, S. 37 (38). 113 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 442; Brandt, Der lange Weg, S. 18; Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (26). 114 Art. I, III und V der Geheimen Convention zwischen Preußen und Frankreich vom 5. August 1796; abgedruckt bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 3 (S. 40 ff.); v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 3 (S. 14 f.). 115 So Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (145); ähnlich Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 23; Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (817). 116 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 30; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (9); Raab, in: Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte V, S. 533 (546); Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 330. 117 Vgl. Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nrn. 4 und 5 (S. 44 ff.).

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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3. Der Sonderfrieden von Campo Formio Nach dem Ausscheiden vieler Reichsstände setzte der Reichstag am 21. August 1795 einen Ausschuß ein, nach damaliger Terminologie Deputation genannt,118 der Friedensverhandlungen mit Frankreich zur Aufgabe hatte. Allerdings wünschten einige Reichsglieder, vor allem Österreich, den Ersten Koalitionskrieg fortzuführen. Der Friedensdeputation war daher keine große Effektivität beschieden.119 Doch vermochte das Reich das Blatt nicht zu wenden. Die dauernde Erfolglosigkeit bewog schließlich auch Österreich zum Abschluß eines Separatfriedens mit Frankreich. Durch Vertrag vom 17. Oktober 1797, abgeschlossen in dem Dorf Campo Formio bei Udine, wurde den Franzosen die Inbesitznahme des größten Teils der Gebiete links des Rheins zugestanden (Art. III).120 In den geheimen Zusatzartikeln wiederum wurde Österreich eine Kompensation durch kirchliche Gebiete versprochen; insbesondere das Erzbistum Salzburg sollte in seinen Besitz übergehen (Art. V). Mit dieser Vereinbarung hatte der österreichische König und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Franz II. das Ziel der Integrität der Reichsverfassung aufgegeben.121 Um den Rechtsbruch zu kaschieren und das Vertrauen der in Wahrheit als Entschädigungsgut vorgesehenen geistlichen Fürstentümer und der eventuell auch bedrohten kleinen weltlichen Reichsstände nicht zu verlieren, erklärte der Kaiserhof dem Reichstag zu Regensburg aber wahrheitswidrig, der Friedensschluß sei unter Wahrung aller Rechte der Reichsglieder zustande gekommen.122

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Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 213; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 551; Neuhaus, Art. Reichsdeputation, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 549 (549). Die Einsetzung außerordentlicher Reichsdeputationen war insbesondere zur Umsetzung von Friedensschlüssen üblich. Wie bereits der Name nahelegt, war dem Reichsstaatsrecht auch eine ordentliche Reichsdeputation bekannt, die aber mit der Einrichtung des Immerwährenden Reichstags 1663 faktisch bedeutungslos wurde; Luschin v. Ebengreuth, in: Hinneberg, Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 198 (320). 119 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 446. 120 Abgedruckt bei Demel/Puschner, Deutsche Geschichte VI, S. 33 ff.; Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 6 (S. 54 ff.); v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 4 (S. 15 f.). 121 Gagliardo, Reich and Nation, S. 188; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (11); Schroeder, JuS 2006, S. 577 (578). 122 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 461; Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (22).

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

4. Der Reichsfriedenskongreß zu Rastatt Um die Separatverträge zu einem endgültigen Frieden zusammenzufassen, wurde am 11. August 1795 die zwei Jahre zuvor gegründete Reichsfriedensdeputation mit der Aufnahme von Verhandlungen mit Frankreich beauftragt.123 Der Reichstag erklärte die Integrität des Reiches dabei zur nicht verhandelbaren Bedingung.124 Wieder trieb der Kaiser ein doppeltes Spiel, indem er sich in einem Dekret dieser Forderung anschloß, obwohl sie mit dem Geheimartikel des von ihm selbst abgeschlossenen Friedensvertrags zu Campo Formio nicht in Einklang zu bringen war.125 Es stand von vornherein fest, daß Gebiet und Besitz der geistlichen Reichsstände als Entschädigung für die enteigneten weltlichen Fürsten dienen sollten, nur der Umfang der vorzunehmenden Territorialverschiebungen war noch offen.126 Einige Reichsglieder, darunter Preußen, befürworteten sogar eine Totalsäkularisation. Während sich das gesamte Jahr 1798 über Fürsprecher wie Gegner einer solch radikalen Lösung in der Reichsdeputation unversöhnlich gegenüberstanden und ein Friedensschluß dadurch immer unwahrscheinlicher wurde, setzte sich in Österreich unterstützt durch Rußland die Ansicht durch, ein Wiedereintritt in den Kriegszustand sei vorteilhafter.127 Der kaiserliche Vertreter erklärte alle bisherigen Beschlüsse per Veto für unwirksam,128 dann ließ Wien den Rastatter Friedenskongreß auseinandertreiben.129 Die – wohl nicht befohlene – Ermordung der französischen Gesandten durch österreichische Husaren (sog. Rastatter Gesandtenmord) setzte schließlich den Schlußpunkt unter das Scheitern des Friedenskongresses zu Rastatt.130

123

v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 460. Gotthard, Das Alte Reich, S. 156. 125 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 461; Gotthard, Das Alte Reich, S. 156; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 34. 126 Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 17; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 24; Meurer, Bayerisches Kirchenvermögensrecht II, S. 39; Wahl, Geschichte des europäischen Staatensystems, S. 98; Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 49. 127 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 466; Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 280. 128 Gotthard, Das Alte Reich, S. 157; Hackner, JA 2001, S. 813 (816); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 35 f.; Krings, JZ 2003, S. 173 (176). 129 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 468; Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 332. 130 Botzenhart, Reform, Restauration, Krise, S. 24; v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 468; Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 332; Wahl, Geschichte des europäischen Staatensystems, S. 100. 124

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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II. Der Zweite Koalitionskrieg 1. Der Kriegsverlauf Nachdem die Kampfhandlungen bereits in der Schlußphase der Verhandlungen der Reichsfriedensdeputation wieder aufgenommen worden waren,131 beschloß der Reichstag am 16. September 1799 auch formal die Wiederaufnahme des nie beendeten Ersten Koalitionskriegs.132 Auf Seiten des Reiches kämpften in dem heute als „Zweiten Koalitionskrieg“ bezeichneten Konflikt im wesentlichen Österreich, Rußland und England. Preußen dagegen verhielt sich – wohl aufgrund erfolgreicher französischer Einflußnahme – neutral, was für den Ausgang des Kriegs entscheidend sein sollte.133 Anfangs erschien der Feldzug aus Perspektive des Reiches vielversprechend. Die kleineren und mittelgroßen Reichsglieder sahen nun eine Chance, ihrer Auflösung zu entgehen, und scharten sich daher wieder um den Kaiser; es kam für kurze Zeit noch einmal ein längst verloren geglaubtes Zusammengehörigkeitsgefühl im Reich auf.134 Als sich das Blatt aber wendete und sich vor allem durch österreichische Fehler in der Kriegsführung eine Niederlage des Reiches abzuzeichnen begann, stellte sich ein egoistischer Kampf der größeren Reichsstände um möglichst hohe Gebiets- und Vermögensgewinne auf Kosten der anderen Reichsglieder ein, der auf den Bestand des Reichsganzen wenig Rücksicht nahm.135 Dagegen hatte Österreich, wenngleich nicht frei von Egoismen, seine Politik geändert und hielt nunmehr einen Erhalt der alten Reichsverfassung für vorteilhaft.136 Zu Beginn des Jahres 1801 zwangen die militärischen Mißerfolge den Kaiser dazu, der Aufnahme von Friedensverhandlungen zuzustimmen. Daran wurde anders als zur Beendigung des Ersten Koalitionskrieges keine Reichsfriedensdeputation beteiligt; vielmehr verhandelten allein Frankreich und der römisch-deutsche Kaiser im Namen des Reiches.137 Nach gut einmonatigen Verhandlungen schlossen beide Seiten im lothringischen Lunéville einen Friedensvertrag zur Beendigung des Zweiten Koalitionskriegs.138

131 Botzenhart, Reform, Restauration, Krise, S. 24; Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 221. 132 Hackner, JA 2001, S. 813 (816). 133 Hackner, JA 2001, S. 813 (816); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 39; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (13). 134 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 469. 135 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 470. 136 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 475. 137 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 39. 138 Hackner, JA 2001, S. 813 (816); Wunder, Europäische Geschichte, S. 97.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

2. Der Friedensvertrag von Lunéville Kaiser Franz II. hatte den Friedensvertrag von Lunéville139 im Namen des Reiches abgeschlossen, ohne daß ihm die Reichsstände vorher eine entsprechende Ermächtigung erteilt hatten.140 Der Reichstag stimmte dem Vertrag aber durch Reichsgutachten vom 7. März 1801 einstimmig und ohne Proteste zu.141 Die kaiserliche Ratifikation erfolgte am 9. März 1801, die der Republik Frankreich zwei Tage später.142 Damit trat der Frieden von Lunéville zugleich als völkerrechtlicher Vertrag und als Reichsgrundgesetz in Kraft.143 Der Frieden von Lunéville (LV) sollte sich als ein für die weitere Entwicklung des Heiligen Römischen Reiches äußerst folgenreiches Regelwerk erweisen.144 Wie schon in Campo Formio beschlossen, wurden Frankreich alle bislang dem Reichsverband angehörenden linksrheinischen Gebiete abgetreten (Art. 2, 6 LV), die „schönsten und reichsten Provinzen“145 des Heiligen Römischen Reiches.146 Nach Art. 7 LV war den „Erbfürsten“ (also den weltlichen Fürsten147), „die von ihren Besitzungen auf dem linken Rhein-Ufer entsetzet“ worden waren, „in Gemäßheit der auf dem Congreß zu Rastadt förmlich festgesetzten Grundsätze [. . .] eine Entschädigung zu geben, welche in dem genannten teutschen Reiche148 selbst genommen werden, und zwar nach den Verfügungen, die, dieser Grundlage gemäß, in der Folge genauer bestimmt werden sollen“. Die zentrale Norm hinsichtlich der Entschädigung für Gebietsverluste drückte sich damit merkwürdig verklausuliert aus. Sie war in gewisser Weise sogar widersprüchlich:149 Wenn auf die Grundsätze des Rastatter Friedenskongresses 139 Text bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 7 (S. 57 ff.), sowie auszugsweise bei Demel/Puschner, Deutsche Geschichte VI, S. 41 ff.; Hofmann, Quellen, Nr. 65 (S. 323 ff.), und Zeumer, Quellensammlung, Nr. 211 (S. 508). 140 Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 221; Wunder, Europäische Geschichte, S. 97. 141 Härter, Reichstag und Revolution, S. 572; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 39; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (13). 142 Hackner, JA 2001, S. 813 (817). 143 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 21; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 18; Hackner, JA 2001, S. 813 (813, 817); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 26; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 39; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (13); Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (145); Schroeder, JuS 1989, S. 351 (352). 144 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 160; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 40. 145 So Neuer deutscher Zuschauer I, S. II. 146 Die wenigen im Gegenzug von Frankreich aufgegebenen rechtsrheinischen Besitzungen fallen dagegen kaum ins Gewicht; Maek-Gérard, Art. Lunéville, Frieden von, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 99 (99). 147 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 161. 148 Es wird Bezug auf einen Passus im gleichen Artikel genommen, in dem weiter oben vom „gesammten teutschen Reiche“ die Rede ist.

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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verwiesen wurde, konnte damit nur die Säkularisation kirchlicher Herrschaftsund Besitzrechte gemeint sein.150 Dieses Prinzip wurde aber nicht direkt benannt, sondern im Gegenteil durch den Verweis auf die in Zukunft noch zu schaffenden Regelungen relativiert.151 Vollends verwirren mußte schließlich der Hinweis auf die das Reich insgesamt treffende Entschädigungspflicht. Damit schienen gerade nicht nur die geistlichen Staaten und Besitzungen Gegenstand von Entschädigungsleistungen werden zu können, wie in Rastatt geplant, sondern durchaus auch weltliche Institutionen.152 Die unbestimmte Formulierung des Art. 7 LV war den geistlichen Reichsständen geschuldet. Mit der konkreten Anordnung einer wie umfangreich auch immer ausfallenden Säkularisation hätten sie dem Friedensvertrag im Reichstag sicher nicht wie geschehen die Zustimmung erteilt. So aber konnten sie sich der Hoffnung hingeben, in der folgenden Phase der Konkretisierung des Art. 7 LV ihren Bestand und ihr Eigentum noch retten zu können.153 Neben diesen die große Politik betreffenden Regelungen ist schließlich noch bemerkenswert, daß auch die Privatpersonen im Frieden von Lunéville nicht vergessen wurden. Den „Particuliers“ wurde das Eigentum in dem vor dem Krieg bestehenden Umfang garantiert (Art. 9 LV).154

III. Die Ausarbeitung des Reichsdeputationshauptschlusses Nach Abschluß des Friedens von Lunéville begann für das Heilige Römische Reich die schwierige Aufgabe, die Vorgaben des Art. 7 LV zunächst zu konkretisieren und dann in gültiges Reichsrecht zu übertragen. Dies war nach der Reichsverfassung grundsätzlich auf drei verschiedenen Wegen möglich: Der Reichstag konnte die Ausarbeitung in pleno vornehmen, sie auf eine Deputation 149 Hackner, JA 2001, S. 813 (817); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 25 f. Die Aussage Harls, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 18, Art. 7 LV sei „nicht ganz bestimmt“, ist noch eine recht vorsichtige Formulierung. 150 Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 96; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 26; Meurer, Bayerisches Kirchenvermögensrecht II, S. 39. Dies stellte auch der französische Gesandte beim Reichstag Bacher später klar; vgl. Härter, Reichstag und Revolution, S. 572 Fußn. 20; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 27. 151 Hackner, JA 2001, S. 813 (818). 152 Härter, GWU 2003, 484 (488); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 40. 153 Härter, Reichstag und Revolution, S. 572; Häusser, Deutsche Geschichte II, S. 335; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (13 f.); Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (58). 154 Das entspricht auch dem hohen Stellenwert, den die französische Menschenrechtserklärung von 1789 der Eigentumsgarantie als „natürliche(m) und unverzichtbare(n) Menschenrecht“ (Art. 2) zumißt; vgl. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 65.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

übertragen oder dem Kaiser eine beschränkte oder unbegrenzte Vollmacht erteilen.155 Die Positionen der Reichsstände in der Frage, wer mit der Ausarbeitung betraut werden sollte, wurden durch ihre Haltung zum bevorstehenden Entschädigungsgeschäft bestimmt. Den geistlichen Reichsständen war eine Beauftragung des Kaisers am liebsten, weil sie von ihm als Garanten der Reichsverfassung noch am ehesten Schutz für ihre Existenz erwarten konnten.156 Das Reichsoberhaupt selbst war an einer derart dominierenden Rolle aber gar nicht interessiert; Franz II. befürchtete, zwischen den teilweise kollidierenden Interessen des Reichsganzen einerseits und Österreichs andererseits aufgerieben zu werden.157 Wien bevorzugte eine nur aus Sachsen und Mainz gebildete kleine Reichsdeputation – die beiden Kurfürstentümer waren als Säkularisationsgegner bekannt. Preußen als Befürworter einer Totalsäkularisation wollte hingegen die Einsetzung einer möglichst großen Reichsdeputation erreichen.158 Für die sehr umständliche und zeitaufwendige Variante, das Entschädigungsgeschäft im Plenum des Reichstags zu beraten, fanden sich schließlich mit Kursachsen und SachsenGotha nur zwei Anhänger.159 Auf Vorschlag Hannovers einigte man sich im Reichstag am 30. April 1801 schließlich auf eine beschränkte Bevollmächtigung des Kaisers. Er sollte nach Absprache mit den relevanten auswärtigen Mächten – also Rußland und in erster Linie Frankreich – einen ersten Entschädigungsplan vorlegen, der dann im Reichstag diskutiert und eventuell unter Abänderungen verabschiedet werden sollte.160 Diese Verfahrensweise lief den Interessen Wiens völlig zuwider, weshalb sich der Kaiser entschloß, den Reichstagsbeschluß nicht zu ratifizieren und ihm so die Rechtskraft zu verweigern.161 Nun mußte eine neue Lösung gefunden werden. Da Franz II. die Beweggründe für seine Position nicht mitgeteilt hatte, herrschte im Reichstag allgemeine Unschlüssigkeit über das weitere Vorgehen. Man vertagte die Entscheidung zunächst bis zum Sommer 1801162 und verschenkte damit wertvolle Zeit. 155 Friedrich, Politik Sachsens, S. 25; Härter, Reichstag und Revolution, S. 573; Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich, S. 53. 156 Härter, Reichstag und Revolution, S. 575; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (16). 157 Härter, GWU 2003, S. 484 (490). 158 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 492. 159 Härter, Reichstag und Revolution, S. 575. Zur sächsischen Entscheidungsfindung in dieser Frage vgl. Friedrich, Politik Sachsens, S. 26 f. 160 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 492 f.; Härter, Reichstag und Revolution, S. 576; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 44. 161 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 493; Härter, Reichstag und Revolution, S. 577 f.; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (146); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 221.

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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Weil vom Reich offenbar nichts zu erwarten war, wandten sich nämlich unterdessen zahlreiche Reichsstände an Napoleon in Paris, um von ihm unter Zahlung beachtlicher Geldbeträge die Zusicherung möglichst hoher Entschädigungen zu erlangen.163 Damit wuchs das französische Interesse an der eigenen detaillierten Ausarbeitung des Entschädigungsplans, und der Spielraum des Reiches zu autonomen Regelungen wurde dementsprechend immer kleiner. Im August 1801 nahm der Reichstag erneut Verhandlungen auf, die aber zunächst ergebnislos blieben. Nachdem sich Österreich und Preußen informell auf die Einsetzung einer größeren Reichsdeputation geeinigt hatten, wurde schließlich am 2. Oktober 1801 mehrheitlich beschlossen, dieser Forderung Folge zu leisten.164 Die Reichsdeputation wurde mit einer nahezu unbeschränkten Vollmacht ausgestattet. Mit Brandenburg (Preußen), Bayern, Württemberg und Hessen-Kassel war sie von sehr säkularisationsfreundlichen Mächten dominiert. Dem standen als Gegner einer weitgehenden Säkularisation die Vertreter Böhmens (Österreichs), des Deutschen Ordens, Sachsens und des geistlichen Kurfürstentums Mainz gegenüber.165 Sachsen allerdings galt als stark von Preußen beeinflußt; es war daher nicht zu erwarten, daß es seine grundsätzliche Abneigung gegen die Ablösung geistlicher Herrschaft durch weltliche in aktive Politik umsetzen würde.166 Auch die Interessenlage von Kurmainz wurde allgemein so eingeschätzt, daß man um der Erhaltung der eigenen Existenz willen gegen die Auflösung der anderen geistlichen Staaten wenig zu unternehmen bereit sei. Ein Vertreter der um ihre Existenz besorgten Reichsstädte und Reichsgrafen fehlte entgegen dem Usus ganz.167 Damit dominierten eindeutig die Säkularisationsbefürworter den Ausschuß. Im Grunde war schon durch die Besetzung der Reichsdeputation die Vorentscheidung über das Ausmaß des Entschädigungsgeschäfts getroffen worden.168 162

v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 493; Härter, Reichstag und Revolution, S. 579. v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 493; Gotthard, Das Alte Reich, S. 157; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 45. 164 Härter, Reichstag und Revolution, S. 583. 165 Besetzung der Reichsdeputation in RDHS-Protokolle I, S. II ff. Zu den Interessen der in der Deputation vertretenen Reichsstände Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 107. 166 Anders als Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 107, und Oberthür, Die Säkularisation im Urteil der deutschen Kirchenrechtswissenschaft, S. 23, vermuten, war wegen der Abhängigkeit von Preußen keine rein objektive Haltung der Sachsen zu erwarten, auch wenn sie selbst durch den Entschädigungsplan weder Einbußen noch Gewinne zu erwarten hatten; Härter, Reichstag und Revolution, S. 584. Ausführlich zur schwankenden Haltung der sächsischen Diplomatie zwischen der Unterstützung Preußens einerseits und der ablehnenden Position gegenüber der Säkularisation andererseits Friedrich, Politik Sachsens, S. 67 ff. 167 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (26); Härter, Reichstag und Revolution, S. 583 f. Vgl. auch unten, S. 97. 168 Härter, Reichstag und Revolution, S. 584; ders., GWU 2003, S. 484 (490). 163

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

Der Kaiser ratifizierte das Reichsgutachten vom 2. Oktober 1801 am 7. November desselben Jahres.169 Unverständlicherweise zögerte der kaiserliche Hof aber trotz der raschen Ratifikation die Einsetzung der Reichsdeputation unerträglich lange hinaus. Damit wurde weiteren Reichsständen die Chance geboten, direkt mit Napoleon in Kontakt zu treten und für sich unter Aufwendung hoher Bestechungsgelder möglichst viele Vorteile herauszuschlagen.170 Es wurde berichtet, der französische Minister Talleyrand habe auf diese Weise 10– 15 Millionen Franc eingenommen.171 Bis zum Sommer 1802 war das französisch-russische Entschädigungswerk172 dann bis in fast alle Details ausgearbeitet, ohne daß die Reichsdeputation überhaupt zu tagen begonnen hatte. Von der Existenz des Plans erfuhren Kaiser und Reichstag freilich erst aus der Zeitung.173 Erst dann, am 2. August 1802, berief der Kaiser die Reichsdeputation nach Regensburg ein.174 Der französisch-russische Entschädigungsplan sah umfangreiche Gebietsverschiebungen vor, die über die Vorgaben des Friedens von Lunéville weit hinausgingen. Der am 24. August 1802 erstmals zusammengetretenen Reichsdeputation175 blieb kaum etwas anderes übrig, als ihn zur nahezu unangreifbaren Grundlage ihrer Arbeit zu machen. Lediglich über finanzielle Entschädigungen und Rentenzahlungen wurde noch erbittert gefeilscht. Bezeichnenderweise taucht in den Protokollen der Reichsdeputation kein anderes Wort häufiger auf als „Gulden“.176 Bereits am 8. September 1802 stimmte man mehrheitlich für seine Annahme in kaum modifizierter Fassung.177 Der Kaiser allerdings wollte sich hiermit nicht zufrieden geben; er hoffte auf Nachverhandlungen mit Paris zur Verringerung der vorgesehenen Territorialverschiebungen. Daher verwei169 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (25); Härter, Reichstag und Revolution, S. 584; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (352). 170 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 498; Gagliardo, Reich and Nation, S. 193; Härter, Reichstag und Revolution, S. 586 f.; ders., GWU 2003, S. 484 (491); Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (17); Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (146); Rob, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 107 (113); Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 44; Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (65). Als Beispiel für die landesherrliche Politik dieser Zeit können die Entschädigungsverhandlungen Hessen-Darmstadts mit Frankreich dienen; dazu Germann, Die Entschädigungsverhandlungen Hessen-Darmstadts, S. 118 ff. 171 Weis, Der Durchbruch des Bügertums, S. 250. 172 Der Plan war in Frankreich entwickelt worden, Rußland trat ihm später bei; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (17). 173 Härter, Reichstag und Revolution, S. 588. 174 Härter, Reichstag und Revolution, S. 589; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 27. 175 Vgl. RDHS-Protokolle I, S. 3. 176 Salewski, Geschichte Europas, S. 849. 177 Härter, Reichstag und Revolution, S. 590. Konklusum in RDHS-Protokolle I, S. 45 (54 f.).

B. Ereignisse im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses

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gerte der von ihm nach Regensburg entsandte Delegierte Hügel die kaiserliche Anerkennung.178 Daraufhin übergaben die „vermittelnden Mächte“ Frankreich und Rußland am 8. Oktober der Reichsdeputation einen geringfügig modifizierten Plan („plan général et définitif d’indemnité“)179, der dem Kaiser zwar einerseits hinsichtlich der geplanten Stimmenverteilung im Reichstag etwas entgegenkam,180 andererseits aber die Entschädigungsmasse entgegen der Hoffnung Wiens gegenüber dem ersten Vorschlag sogar noch ein wenig vergrößerte.181 Die Reichsdeputation stimmte auch dem plan général am 21. Oktober 1802 zu,182 doch wiederum ließ Franz II. ankündigen, ihn auf keinen Fall akzeptieren zu wollen.183 Diesmal ließen sich weder die Ausschußmitglieder noch die Vertreter der vermittelnden Mächte von den kaiserlichen Bedenken beeindrucken. Nach nur minimalen Änderungen verabschiedete die Reichsdeputation den Plan am 23. November als sogenannten Ersten Deputations-Hauptschluß.184 Diesen ließen Frankreich und Rußland durch ihre Vertreter Laforêt und Bühler Anfang Dezember 1802 dem Reichstag zur Abstimmung vorlegen, obwohl die Deputation noch nicht zu tagen aufgehört hatte.185 Am 7. Januar 1803 begannen die Verhandlungen am Reichstag.186 Dessen Handlungsspielraum war inzwischen so gering, daß er nur noch als „Erfüllungsgehilfe“187 der auswärtigen Mächte fungieren konnte.188 Gleichzeitig erforderten eine neue Übereinkunft hinsichtlich der Entschädigung Toskanas189 sowie verschiedene französische und russische Änderungs-

178

RDHS-Protokolle, Beil. I, S. 52 ff. RDHS-Protokolle, Beil. II, S. 19 ff. 180 Härter, Reichstag und Revolution, S. 590. 181 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 28. 182 18. Sitzung der Reichsdeputation; RDHS-Protokolle I, S. 325 (348). 183 v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 447; Härter, Reichstag und Revolution, S. 590. 184 RDHS-Protokolle II, S. 571 ff. 185 Härter, Reichstag und Revolution, S. 591. 186 Härter, Reichstag und Revolution, S. 591. 187 So Brandt, Der lange Weg, S. 19. Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 4, sieht den Reichstag gar nur noch als „Schreibkraft“ der vermittelnden Mächte. 188 Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (9); Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 144; Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 222. Mit Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 355, hörte man auch einen Zeitgenossen klagen: „Ich habe die Kreuz- und Querschnitte des Messers, das unser Deutschland theilte für ein Merkmal angesehen, daß eine ausländische Hand es führte.“ Weniger plastisch, aber inhaltlich ähnlich auch die Bewertung des „Neuen deutschen Zuschauers“ I, S. III. 189 RDHS-Protokolle, Beilagen III, S. 344 (346 ff.). 179

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

wünsche eine Überarbeitung des Ersten Hauptschlusses.190 Die endgültige Fassung nahm die Reichsdeputation dann am 25. Februar 1803 an und legte das als „Reichsdeputationshauptschluß“ (RDHS) bekannt gewordene Entschädigungswerk vor.191

C. Der wesentliche Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses Dem Auftrag der Reichsdeputation entsprechend, die Vorgaben des Friedens von Lunéville zu konkretisieren, hatte der Hauptschluß die Entschädigung der Fürsten mit Gebieten und Besitz, „welche in dem [. . .] Reiche selbst genommen werden“ (Art. 7 LV) zum Inhalt. Nach den Ereignissen im Verlauf der Verhandlungen konnte es niemanden mehr erstaunen, daß das Entschädigungswerk vor allem auf zwei Säulen basierte: Zum einen war dies die Verweltlichung kirchlicher Herrschaft und kirchlichen Eigentums, zum anderen der Zuschlag kleiner weltlicher Territorien zu den benachbarten größeren. Demgemäß charakterisieren vor allem zwei Schlagworte die territoriale Umgestaltung und die daraus resultierende politisch-verfassungsrechtliche Neuordnung infolge des Reichsdeputationshauptschlusses: Säkularisation und Mediatisierung. Beides bewirkte eine so erhebliche Umgestaltung der Verfassungsstruktur des Heiligen Römischen Reiches, daß ihre Wirkungen und Folgen sogar noch die Veränderungen übertrafen, die 1648 durch den Westfälischen Frieden ausgelöst worden waren.192 Die Gebietsveränderungen193 waren derart enorm, daß der Reichsdeputationshauptschluß in der verfassungshistorischen Literatur oftmals als „territoriale Revolution“ bezeichnet wird.194

190

Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 28. Text des Conclusums: RDHS-Protokolle II, S. 833 (839 f.). Der Text des Reichsdeputationshauptschlusses findet sich in RDHS-Protokolle II, S. 841 ff.; ferner bei Buschmann, Kaiser und Reich II, Nr. 16 (S. 317 ff.); Demel/Puschner, Deutsche Geschichte VI, S. 99 ff.; Huber, Dokumente I, Nr. 1 (S. 1 ff.); Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 9 (S. 69 ff.); Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht I, Nr. 1 (S. 459 ff.); Zeumer, Quellensammlung, Nr. 212a (S. 509 ff.). Auszugsweise auch bei Hofmann, Quellen, Nr. 66 (S. 329 ff.); v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 16 (S. 54 ff.). 192 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 397; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (354). 193 Die wichtigsten finden sich zusammengestellt bei Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 326 ff.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 47 ff. 194 Etwa Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 68; Fenske, Der moderne Verfassungsstaat, S. 190. 191

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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I. Säkularisation Unter Säkularisation versteht man die Eingliederung kirchlicher Herrschaft und kirchlichen Vermögens in weltliche Territorien.195 Die im Reichsdeputationshauptschluß angeordnete Säkularisation war so umfassend, daß sie die Kirchen nicht nur in mehreren Rechtspositionen zugleich betraf, sondern daß sie sich auch auf fast alle Ebenen der kirchlichen Hierarchie vom reichsunmittelbaren Kurfürstentum bis zu landsässigen Abteien oder Klöstern erstreckte. Neben den katholischen wurden auch lutherische und reformierte Institutionen zur Verweltlichung freigegeben.196 Die von Protestanten beherrschten Territorien hatten sich allerdings bereits in den vorangegangen Jahrhunderten in viel größerem Ausmaß in den Besitz kirchlichen Vermögens bringen können. Echte Säkularisationsmaßnahmen waren hier zwar rechtlich genauso problematisch wie bei den Katholiken, sie waren aber auch gar nicht erforderlich: Unter immer weiter gehendem Verständnis ihres Oberaufsichtsrechts konnten die Territorien nämlich im Wege der Zwangsanleihe auf das Kirchenvermögen zugreifen.197 Oftmals übernahm die weltliche Herrschaft im Gegenzug Aufgaben, die zuvor der Kirche oblegen hatten.198 Die Parallelen zur Säkularisation geistlicher 195 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 254 f.; Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (93). Statt „Säkularisation“ wird in neuerer Zeit häufiger auch wieder das Wort „Säkularisierung“ verwendet (etwa Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, S. 107; Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 134; Krings, JZ 2003, S. 173 ff.; Maurer, Staatsrecht I, § 2 Rdnr. 16). Die beiden Begriffe bezeichnen, wenngleich in früherer Zeit tatsächlich einmal synonym gebraucht [vgl. Lehmann, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 7 (9); Ruh, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche, S. 1 (2)], jedoch nicht dasselbe. Säkularisierung bezeichnet die gesamte Entwicklung der Ablösung gesellschaftlicher und ethischer Verhaltensnormen sowie Mentalitäten von einem religiös-sakralen Hintergrund. Es handelt sich also um einen sehr weiten Oberbegriff, aus dessen Bedeutungsfeld „Säkularisation“ nur einen kleinen Teilbereich beschreibt, vgl. Baruzzo, in: Rauscher: Säkularisierung und Säkularisation vor 1800, S. 121 (122); Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (80); Kaufmann, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 103 (103); Klueting, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 65 (66 f.); Lill a. a. O.; Mückl, JZ 2003, S. 461 (461, 462); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (54), jeweils m. w. Nachw. Diesem sehr viel präziseren Ausdruck ist der Vorzug zu geben. Zur Begriffsgeschichte vgl. Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 ff.; Lehmann, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 7 ff.; Ruh, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche, S. 1 ff. 196 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (129 f.); Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (149); Weis, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (155). 197 Klueting, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 65 (69 f.); Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 134. Dies galt auch für landesherrliche Zugriffe auf die reichen Bibliotheksbestände der kirchlichen Institutionen; Plassmann, Büchervernichtung, S. 14 f.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

Institutionen durch den Reichsdeputationshauptschluß und ihren Folgen liegen auf der Hand. Weil diese Möglichkeit der Kapitalbeschaffung den nichtprotestantischen Herrschern bis 1803 versagt geblieben war, war die katholische Kirche sehr viel vermögender und daher faktisch von den Säkularisationsmaßnahmen des Reichsdeputationshauptschlusses stärker betroffen als die protestantische.199 Die Säkularisation von Kirchenvermögen war 1803 längst keine Neuheit mehr. In ganz Europa war sie immer wieder vorgenommen worden, seit die Kirche in nennenswertem Umfang Eigentum erworben hatte.200 Daher wird der Reichsdeputationshauptschluß häufig in eine Traditionslinie der Säkularisation eingereiht.201 Bei solchen Kategorisierungen ist aber doch Vorsicht geboten. In der Tat waren die Maßnahmen selbst nicht neu, wohl aber die Intention zu ihrer Ergreifung. Die bisherigen Verweltlichungen hatten bewahrenden Charakter; sie sollten die Kirche nicht nachhaltig beeinträchtigen, sondern reformieren.202 Säkularisationsgut wurde daher meist vom erwerbenden Staat nicht veräußert, sondern zweckgebunden weitergenutzt. Dies änderte sich in größerem Stil203 erstmals mit der Französischen Revolution. Jetzt waren die Ziele gesellschaftspolitischer und nicht zuletzt fiskalischer, also rein profaner Natur (näher dazu unten). In diese gerade erst entstandene Entwicklung läßt sich der Reichsdeputationshauptschluß einreihen, aber nicht in die Säkularisationstradition der vergangenen Jahrhunderte.204

198 Klueting, in: ders., 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 27 (39 f.); Müller, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 67 (71); v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (196); Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 135. 199 de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (11); Wunder, Europäische Geschichte, S. 98. 200 v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 372; Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 73; Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (44 ff.); v. Oer, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 9 (10); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (15). 201 Vgl. etwa Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 15; Nowak, Geschichte des Christentums in Deutschland, S. 45; Raab, in: Rauscher, Säkularisierung und Säkularisation vor 1800, S. 9 (11). 202 Heckel, in: Kaufmann/Scheuner/Weber, Festschrift für Smend, S. 103 (115); Müller, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 67 (71 f.). 203 v. Oer, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 367 (368), weist darauf hin, daß in Einzelfällen wegen großer Finanznot des Staates auch zuvor schon zur Aufbesserung des Landeshaushalts säkularisiert wurde. Dies entsprach aber nicht der Regel. 204 U. Andermann, in: K. Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 13 (27); Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (125); Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (81); Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (164).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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1. Die Säkularisation der geistlichen Reichsstände Besonders folgenreich war die Säkularisation für die geistlichen Reichsstände. Zwar blieben ihre Herrscher bis zu ihrem Tode persönlich reichsunmittelbar (§ 48 RDHS), die Territorien sollten aber nach §§ 1–29 RDHS einem weltlichen Reichsstand zugeordnet werden. a) Territoriales Ausmaß der Säkularisation Die Säkularisation erfaßte nahezu die gesamte geistliche Reichsebene. 22 Erzbistümer und Bistümer sowie mehr als 40 reichsunmittelbare Klöster und Stifte verloren ihre staatsrechtliche Eigenständigkeit.205 Lediglich die beiden deutschen Ritterorden, die Deutschherren und die Malteser, blieben gem. § 26 RDHS nicht nur verschont, sondern erhielten im Gegenteil sogar noch selbst Entschädigungen,206 die für den Deutschen Orden allerdings nur gering ausfielen.207 Allerdings sollte auch ihre noch einmal bewahrte Selbständigkeit nicht mehr von langer Dauer sein. Bereits 1809 wurde der Deutsche Orden von Napoleon verboten.208 Sämtliche geistlichen Fürstentümer wurden säkularisiert. Dies bestimmte der Reichsdeputationshauptschluß zwar nicht ausdrücklich, es folgt aber daraus, daß sie vollständig in §§ 1–29 RDHS aufgezählt waren.209 Eine Sonderregelung findet sich nur in § 25 RDHS für den Kurfürsten Erzkanzler, also den Erzbischof von Mainz.210 Da er in der Reichsdeputation vertreten gewesen war, war man auf seine Zustimmung zum Entschädigungswerk angewiesen, die aber nur gewonnen werden konnte, wenn sein Gebiet von der allgemeinen Säkularisation verschont blieb.211 Die meisten seiner Besitzungen, insbesondere die Stadt Mainz, waren linksrheinisch gewesen und daher bereits 1801 an Frankreich ge205

Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1

(2). 206 Diese Vorzugsbehandlung wurde offiziell mit den militärischen Verdiensten der beiden geistlichen Ritterorden gerechtfertigt. In Wahrheit handelte es sich um eine rein persönlich-politische Entscheidung. Der Malteserorden stand unter russischer Protektion; der Deutsche Orden wurde vom Wiener Kaiserhof geschützt, weil der Bruder des Kaisers Ordensgroßmeister war; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (59); Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (67 f.). Zweifel an der Richtigkeit der in § 26 RDHS genannten offiziellen Motive äußert auch Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 324. 207 Hofmann, Der Staat des Deutschmeisters, S. 338. 208 Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (14). 209 Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (59); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (39). 210 Schwaiger, Die altbayerischen Bistümer, S. 245. 211 Ausführlich zu den Gründen für die wohlwollende Behandlung des Kurfürsten von Mainz Rob, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 107 ff.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

fallen.212 Der Reichsdeputationshauptschluß schuf für ihn daraufhin unter Zusammenfassung verschiedener Restgebiete von Köln, Mainz und Salzburg das neue Kurfürstentum Aschaffenburg-Regensburg, das noch bis 1810 als geistlicher Staat bestehen bleiben sollte.213 Zudem durfte er das Amt des Erzkanzlers verbunden mit der Kurwürde behalten (§ 25 Abs. 1 S. 1 RDHS), das allerdings politisch kaum noch von Bedeutung war.214 Die früher große Zahl von geistlichen Reichsfürstentümern im Alten Reich reduzierte sich mit dem Reichsdeputationshauptschluß also auf ein einziges. Mit den Folgen der Abtretung der linksrheinischen Gebiete an Frankreich zusammengerechnet traten rund 10.000 km2 geistliches Staatsgebiet und 3.161.776 geistliche Staatsuntertanen durch die Säkularisation unter weltliche Herrschaft.215 b) Inhalt der Säkularisation geistlicher Reichsstände Wenn auch in den Bestimmungen des Reichsdeputationshauptschlusses nicht immer genau unterschieden, umfaßte die Säkularisation eine Übertragung zweier unterschiedlicher Rechtspositionen. Zum einen ging die Hoheitsgewalt, das sogenannte „imperium“, auf die weltlichen Reichsstände über; insoweit spricht man von Herrschaftssäkularisation.216 Um aber zum anderen auch das finanzielle Wohl der erwerbenden Territorien nicht zu vernachlässigen, umfaßte die Säkularisation zugleich das Vermögen der geistlichen Reichsstände, das „dominium“.217 Diese dem Bereich der Vermögenssäkularisation218 zugehörigen Maßnahmen waren sehr weitgehend: Sie erstreckten sich gem. § 34 RDHS nicht nur auf das Vermögen der reichsunmittelbaren Fürstentümer selbst, son212

Schwaiger, Die altbayerischen Bistümer, S. 245. Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (14). Ausführlich zur Schaffung und Politik Aschaffenburg-Regensburgs Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (67 ff.). 214 Rob, in: Decot, Die Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 107 (118). 215 Burgdorf, FAZ vom 25.2.2003 (Nr. 47), S. 40; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 29; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 46; Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (8); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (2); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (15). 216 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 166; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 52; Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (97); ders., in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 327 (327); Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 (84). Kritisch gegenüber dem Begriff „Herrschaftssäkularisation“ Maier, in: Marré/ Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (7); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (2), der den Ausdruck „Depossedierung“ als dem Sprachgebrauch von 1803 besser entsprechend bevorzugt. Um Begriffsverwirrungen vorzubeugen, soll hier und im folgenden aber weiter von „Herrschaftssäkularisation“ gesprochen werden. 213

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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dern auch auf das der Domkapitel und der Inhaber höherer Kirchenämter. Hinsichtlich der bestehenden Schulden säkularisierter Reichsstände findet sich eine Regelung in § 77 RDHS. Es „versteht sich zuvörderst von selbst“, so diese Vorschrift, daß derjenige, der die Landeshoheit bekommt, auch die Schulden zu übernehmen hat. Damit ist ein Übergang aller Verbindlichkeiten auf den erwerbenden Staat ausdrücklich angeordnet.219 2. Die Säkularisation sonstigen kirchlichen Vermögens Nicht nur das Vermögen der Reichsstände, sondern auch ein großer Teil des sonstigen Kirchenvermögens konnten nach dem Reichsdeputationshauptschluß zur Entschädigung herangezogen werden. Für die Stifte, Klöster und Abteien spielte die Herrschaftssäkularisation höchstens eine geringe Rolle, weil sie nicht oder nur geringfügig mit Hoheitsrechten ausgestattet waren, die hätten übertragen werden können.220 Es handelte sich also in erster Linie um eine Vermögenssäkularisation, innerhalb derer sich wiederum zwei Facetten unterscheiden lassen. a) Übergang der Verwaltung geistlicher Institutionen § 42 RDHS unterstellte die Klöster und § 65 RDHS die wohltätigen Stiftungen (sog. Stiftungsgut) der Verwaltung des jeweiligen Landesherrn. Letztere genossen zwar gem. § 65 RDHS Bestandsschutz221; die Übernahme der Verwal217 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 52; Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (97); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (57). 218 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 166; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 52; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (20); Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (103); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (56). 219 Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818). 220 Etwas zu pauschal dagegen Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 37 Fußn. 54, der eine Herrschaftssäkularisation für Abteien, Stifte und Klöster völlig ausschließt. Für die Bettelorden trifft dies zu; die Prälatenorden Benediktiner, Zisterzienser, Augustiner-Chorherren und Prämonstratenser konnten dagegen zum Teil beachtlichen Grundbesitz ihr eigen nennen [Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (11)]. Die damit verbundene Grundherrschaft wies durchaus auch hoheitsrechtliche Elemente auf, welche durch die Klostersäkularisation auf die neuen Herren übertragen wurden. Mit der Vermögenssäkularisation ging insoweit also auch eine Herrschaftssäkularisation einher. 221 Die in den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts zwischen dem Bistum und der Stadt Osnabrück geführte Auseinandersetzung um die Rechtslage der „Schnetlage-Stiftung“ verdeutlicht die heute noch relevante Bedeutung des Säkularisationsverbots frommer Stiftungen gem. § 65 RDHS. Die Stiftung wurde von Nicolaus Eberhard von Schnetlage 1683 als Konvikt „für ewige Zeiten“ begründet. Dieses wäre

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

tung durfte also nicht zu einer Änderung des Tätigkeitsbereichs genutzt werden. Dieser eigentlich umfassende Schutz konnte aber nicht verhindern, daß einzelne Territorialherrscher ihr Aufsichtsrecht doch zur Auflösung der mildtätigen Stiftungen nutzten.222 Eine immerhin eingeschränkte Existenzsicherung wurde den Frauenklöstern zuteil, für deren Säkularisation gem. § 42 S. 1 RDHS ein Einverständnis des zuständigen Diözesanbischofs einzuholen war,223 eine Verpflichtung, die in der Folgezeit allerdings meist ignoriert wurde.224 Hinsichtlich der Männerklöster lag es nunmehr aber allein in der Hand des Landesherrn, ob er sie aufheben oder beibehalten wollte. Dabei unterstrich die Vorschrift durch die Formulierung „nach freiem Belieben“ (§ 42 S. 2 RDHS) die Ungebundenheit der neuen Verfügungsberechtigten noch einmal in besonderer Weise. So konnten sie beispielsweise die Klöster sofort auflösen oder auch durch die Nichtaufnahme von Novizen das Klosterleben zum langsamen Sterben verurteilen.225 Durch diese Neuerung entstand eine nie dagewesene Abhängigkeit der Klöster von der Territorialgewalt. Strätz sieht die Klostergemeinschaften staatskirchenrechtlich gar in die Nähe illegaler Vereinigungen gerückt, über deren Fortbestand allein die politische Opportunität entscheidet.226 Auch die formal in ihrem Bestand unangetasteten Institutionen fielen so einer „teilweisen Säkularisation“227 anheim.

grundsätzlich gem. § 34 RDHS auf den erwerbenden Landesherrn übergegangen, da es sich um Vermögen des Domkapitels handelte. Indes war die Schnetlage-Stiftung eine mildtätige Stiftung, so daß § 65 RDHS das allgemeine Prinzip des § 34 RDHS durchkreuzte mit der Folge, daß das Bistum Osnabrück nach wie vor Eigentümerin blieb; vgl. Schirmeyer, Schola Carolina 90 (1974), S. 1 (28). Anders wurde dagegen in den linksrheinischen Gebieten verfahren, die 1801 infolge des Friedens von Lunéville an Frankreich gefallen waren. Hier wurden bis auf wenige Ausnahmen auch die wohltätigen Stiftungen säkularisiert; vgl. näher OVG Koblenz, Urteil vom 16.11.2004, Az.: 7 A 10146/03 (unveröffentlicht), S. 32. 222 de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (67); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (18 f.). 223 Der Grund für die bevorzugte Behandlung der Frauenklöster dürfte in den persönlichen Erfahrungen des französischen Außenministers Talleyrand gelegen haben, der bei den Säkularisationen in Frankreich das große Elend der vertriebenen Nonnen gesehen hatte. Alleinstehende Frauen hatten in der damaligen Zeit kaum eine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen; Weis, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (205). 224 Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 74; Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (51). 225 Vgl. Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 74; Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (50). 226 In: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (50 f). 227 So Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (54).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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b) Einziehung von Kirchenvermögen Während § 42 RDHS in erster Linie die Verwaltung der Klöster betraf, fand sich in § 35 RDHS eine Regelung hinsichtlich der Säkularisation ihres Vermögens („Güter“). Es handelt sich hierbei um eine der rechtlich wie politisch wichtigsten Vorschriften des Reichsdeputationshauptschlusses,228 die aber zugleich zu den problematischsten gehört.229 aa) Das Dispositionsgut Der Umfang des zur Säkularisation stehenden Kirchenbesitzes allerdings ist in § 35 RDHS klar umschrieben: Objekt waren die „Güter der fundirten Stifte, Abteyen und Klöster“, das sogenannte Dispositionsgut.230 Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß im wesentlichen nur noch die örtlichen Pfarrkirchen von der Freigabe zur Säkularisation ausgenommen waren.231 Damit fielen insgesamt ca. 90% des Immobilien- und Rentenvermögens der Kirchen dem staatlichen Zugriff anheim.232 bb) Die Säkularisationsberechtigten Anders als der Kreis der Entschädigungsobjekte ist die Frage nach den Säkularisationsberechtigten nicht ganz eindeutig zu beantworten. Eine Entschädigung setzt nach allgemeinem Sprachgebrauch einen Schaden voraus.233 Daher ist vertreten worden, nur diejenigen Landesherren dürften sich gemäß § 35 RDHS Kirchengüter aneignen, die auch tatsächlich linksrheinische Gebiete an Frankreich hatten abtreten müssen.234 Die Vorschrift des § 35 RDHS wiederholt den Entschädigungsgedanken aber nicht, sondern trifft im Gegenteil keine weitere Differenzierung zwischen den 228

Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. Nach Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 277, war § 35 RDHS gar „einer der unerklärbarsten Puncte im ganzen Entschädigungsplane“. 230 Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 284; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 53. 231 Freisen, Rhein. Zeitschr. für Zivil- und Prozeßrecht 5 (1913), S. 507 (520); Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 287; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 448; Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (53); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (28). Ungenau dagegen Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (85): § 35 RDHS „bedeutete die Totalsäkularisation“. 232 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (128). 233 Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (240). 234 Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 51. 229

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Landesherren.235 Damit bringt bereits der Wortlaut klar zum Ausdruck, daß alle Territorialherrscher zur Säkularisation befugt sein sollten, unabhängig davon, ob sie linksrheinische Gebiete an Frankreich hatten abtreten müssen oder nicht, und unabhängig davon, ob sie im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses Land erhalten hatten.236 Dies wird durch einen Blick in die Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS bestätigt. Die endgültige Fassung beruht auf einer Note der vermittelnden Mächte, in welcher der Anwendungsbereich der Vorschrift von einer ursprünglich vorgesehenen Beschränkung auf neuerworbene Gebiete ausdrücklich auf alle Ländereien ausgedehnt wird.237 Daran zeigt sich bereits, daß sich der Reichsdeputationshauptschluß offenbar nicht auf den bloßen Ausgleich von Gebietsverlusten beschränkte, sondern die gezielte Bereicherung vieler Territorien bezweckte.238 cc) Die Rechtsfolgen der Vermögenssäkularisation gem. § 35 RDHS Problematischer als der Tatbestand sind aber die Rechtsfolgen des § 35 RDHS. Hier haben vor allem drei Fragen immer wieder Anlaß zu juristischen Streitigkeiten gegeben. Zum einen ist aus der Vorschrift nicht ohne weiteres ersichtlich, welche eigentumsrechtlichen Folgen sie für die Stifte, Abteien und Klöster vorsah, zum zweiten ist auch das Schicksal der Verbindlichkeiten dieser Institutionen nicht ausdrücklich geregelt. Schließlich wird bis heute darüber gestritten, ob mit der Säkularisation auch neue Verpflichtungen des Staates zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben entstanden. (1) Die Modalitäten des Eigentumsübergangs Unklar erscheint, ob die Säkularisation bereits unmittelbar durch den Reichsdeputationshauptschluß stattfand oder ob der Landesherr nur zur Säkularisation ermächtigt werden sollte. Anders ausgedrückt ist also fraglich, ob der Reichsdeputationshauptschluß nicht nur für die geistlichen Reichsstände (das Entschädigungsgut), sondern auch für die Stifte, Klöster und Abteien (das Dispositionsgut) die Säkularisation mit Immediatwirkung vorsah239 oder ob noch ein Konfiskationsakt durch den Landesherrn erforderlich war.240 235 Aus diesem Grund zweifelt Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 279, an seiner Auffassung, daß nur die Landesherren säkularisieren dürften, die Gebiete verloren hatten. 236 Droysen, Vorlesungen über die Freiheitskriege II, S. 128; Klueting, in: Reißland, Vom Kurkölnischen Krummstab, S. 14 (19); Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (240); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 448; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. 237 RDHS-Protokolle, Beilagen IV, S. 88 (96): „tant des anciennes que des nouvelles possessions“. 238 Dazu näher unten, S. 266.

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Für die Immediatwirkung läßt sich die Vorschrift des § 36 RDHS anführen, welche Entschädigungs- und Dispositionsgut gleich behandelt. Für das Entschädigungsgut ergibt sich nun aus § 34 RDHS eindeutig, daß die Säkularisation ohne weiteren Konfiskationsakt eintreten sollte (s. o.), so daß man gleiches auch für das Dispositionsgut folgern könnte.241 Auch läßt sich argumentieren, wenn § 35 RDHS die Güter „zur freyen und vollen Disposition“ stelle, sei damit dem Landesherrn eine solch umfassende Rechtsposition eingeräumt worden, daß er letztlich bereits durch diese Verfügungsbefugnis in alle Rechtsbeziehungen eingerückt sei und somit die Rechtsfolgen der Säkularisation bereits mit Inkrafttreten des § 35 RDHS eingetreten seien.242 Das deckt sich mit der französischen Fassung, die ebenso wie der deutsche Text den Begriff „disposition“243 verwendete, der in der dortigen Säkularisationsgesetzgebung immer einen unmittelbaren Eigentumsübergang bezeichnete.244 Angesichts der Tatsache, daß der Entstehungsvorgang des Reichsdeputationshauptschlusses von Frankreich genau überwacht wurde,245 kann die französische Version durchaus zur Interpretation der deutschen herangezogen werden. Allerdings zeigt sich an anderer Stelle, daß der Reichsdeputationshauptschluß insoweit von der üblichen französischen Terminologie abgewichen sein muß: In § 42 RDHS, der es unstreitig dem freien Willen der Landesherren überließ, ob sie die Männerklöster aufhoben oder bestehen ließen, wurde die gleiche Formulierung („seront à la disposition des Princes territoriaux“) wie in § 35 RDHS („sont mis à la libre et pleine disposition“)246 verwendet.247 Jedenfalls in § 42 RDHS hatte das Wort „disposition“ eine andere Bedeutung als in der französi239 So Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (53); Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818); ders., ZNR 18 (1996), S. 278 (281). 240 So Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 65; U. Andermann, in: K. Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 13 (28); Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (370); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 168; Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 253; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 37; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 54; Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 75; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 153; Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 189; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (243); Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden, S. 23; Schultze, Die Rechtslage der evangelischen Stifter, S. 16; Solte, Art. Staatsleistungen, in: v. Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott, Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht III, S. 593 (593). 241 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (53). 242 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (53); Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818). 243 Vgl. die französische Fassung in RDHS-Protokolle II, S. 841 (905). 244 Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 248 Fußn. 5; Meurer, Begriff und Eigenthümer der heiligen Sachen II, S. 336 f. 245 Siehe oben, S. 49. 246 Hervorhebungen jeweils nicht im Original. 247 Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 152.

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schen Säkularisationsgesetzgebung. Wenn es in § 35 RDHS genauso verwendet wurde, muß es auch dort bedeutet haben, daß das Eigentum am Dispositionsgut nicht unmittelbar auf die Neuerwerber übergehen sollte. Dieses Ergebnis wird durch einen Vergleich des § 35 RDHS für das Dispositionsgut mit § 34 RDHS für das Entschädigungsgut untermauert: Indem das Entschädigungsgut gem. § 34 RDHS den neuen Besitzern unmittelbar zugewiesen wird, während § 35 RDHS ganz anders formuliert ist und sich eher wie die Anordnung einer Verfügungsbefugnis liest, wird eine unterschiedliche Behandlung von beidem nahegelegt. Eine faktisch volle Verfügungsbefugnis ist nicht notwendigerweise identisch mit dem Eintritt in die Rechtsposition als Eigentümer. Mancherorts wurden Klöster unangetastet gelassen.248 Es wäre eigenartig, wenn sich ihre rechtliche Stellung nur dadurch veränderte, daß der Landesherr sie hätte an sich ziehen können. Bereits der Wortlaut spricht also gegen die Auffassung, § 35 RDHS ordne eine Säkularisation mit Immediatwirkung an. Die Vorschrift des § 36 RDHS, der das Entschädigungs- und Dispositionsgut gleich behandelt, ist damit durchaus vereinbar. Unter Dispositionsgut im Sinne dieser Vorschrift kann auch nur dasjenige verstanden werden, das der Landesherr bereits durch einen Konfiskationsakt säkularisiert hat. In diesem Stadium waren Entschädigungs- und Dispositionsgut ja tatsächlich rechtlich gleich zu behandeln. Schließlich sind Sinn und Zweck des § 35 RDHS zu bedenken. Die Norm diente jedenfalls in erster Linie der finanziellen Stärkung der Territorien.249 Zahlreiche kirchliche Einrichtungen nahmen aber für die Bevölkerung wichtige sozial-karitative Aufgaben wahr, die nach dem Willen der Landesherren weiterzuführen waren. Diese kirchlichen Tätigkeiten verschlangen erhebliche Geldsummen, weshalb es für die Territorialherrscher lukrativer war, sie im Verantwortungsbereich der Kirche zu belassen.250 Zudem wäre, wenn die Vermögenssäkularisation wie im Falle der Herrschaftssäkularisation die Übernahme der Schulden mit sich bringen sollte251, ein sofortiger Übergang aller Stifte, Klöster und Abteien für die landesherrliche Haushaltslage wenig vorteilhaft gewesen. Dem Ziel einer Einnahmenverbesserung konnte nur gedient werden, wenn die Territorialherrscher ihr Säkularisationsgut selbst auswählen konnten.252 Dieser Ansicht war offenbar auch die Reichsdeputation.253 248

Siehe unten, S. 62. Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 253. Ausführlicher unten, S. 74 ff. 250 Ausführlicher zu dieser Problematik noch unten, S. 73. 251 Zu dieser Frage siehe unten, S. 62 ff. 252 Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 153. 253 Vgl. die Äußerung des hoch- und teutschmeisterlichen Subdelegierten in der 16. Sitzung der Reichsdeputation am 16. Oktober 1802, RDHS-Protokolle I, S. 277 (287), 249

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Dementsprechend gesteht auch die Theorie der Immediatwirkung zu, die Landesherren würden nicht sofort zum vollen Eigentümer des Dispositionsguts.254 Sie sieht sich daher gezwungen, eine Beibehaltung des Kircheneigentums anzunehmen, während die Landesherren ein „wie auch immer geartetes Obereigentum“255 erworben hätten. Damit verstößt sie gegen die selbstgesetzte Prämisse, Entschädigungsgut, bei dem sofort der volle Übergang sämtlicher Rechtspositionen eintrat, und Dispositionsgut gleich zu behandeln. Die rechtliche Konstruktion einer Teilung des Eigentums in Ober- und Nutzeigentum war damals zwar verbreitet, und entsprach der Situation im Lehnsrecht.256 Das Obereigentum war aber eine praktisch nur sehr beschränkt nutzbare Rechtsposition, die mehr ideeller Natur war und den Inhaber darüber hinaus mit vielerlei Verpflichtungen gegenüber dem Untereigentümer belastete. Beispielsweise war eine Veräußerung der Immobilie mitsamt Nutzungsrecht ohne dessen Einwilligung nicht möglich.257 Zur „freye(n) und volle(n) Disposition“ über eine Sache berechtigte das Obereigentum nach gängigem Verständnis also ganz und gar nicht. Die Kreation einer wenig exakten Kategorie sui generis namens „wie auch immer geartetes Obereigentum“ dagegen läßt sich vermeiden, wenn man dem Wortlaut des § 35 RDHS getreu die Rechtswirkungen der Säkularisation erst mit der Konfiskation durch den Landesherrn als eingetreten ansieht. Rechtsfolge des § 35 RDHS ist daher keine Säkularisation mit Immediatwirkung, sondern eine bloße Säkularisationsermächtigung für den Landesherrn. Damit ergibt sich eine deutliche Unterscheidung der Rechtswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses für das Entschädigungs- und das Dispositionsgut: Während die Einverleibung der reichsunmittelbaren Bistümer und Abteien gem. § 34 RDHS eine Reichs-Säkularisation zugunsten der Territorien darstellte, enthielt § 35 RDHS eine reichsrechtliche Ermächtigung zur Landes-Säkularisation.258 Letztere konnte nur dann, wenn von ihr Gebrauch gemacht nach dessen Ansicht es oft im Interesse der landesherrlichen Politik lag, den Status der Stifter und Klöster nicht zu verändern. Über die genannte Aussage hinaus bietet die Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS aber keine Interpretationshilfe in dieser Frage. Schmitt, Staat und Kirche, S. 37, behauptet, die Vermögenssäkularisation hätte im ersten von Frankreich vorgelegten Entschädigungsplan noch von Gesetzes wegen stattfinden sollen, was erst auf Intervention der Landesherren hin geändert worden sei. Dies wäre in der Tat ein Beleg gegen eine beabsichtigte Vermögenssäkularisation mit Immediatwirkung. Die These Schmitts beruht aber offenbar auf einer falschen Übersetzung; vgl. Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 248 Fußn. 1, mit Zitat der entsprechenden Passage aus dem Entschädigungsplan. 254 Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818). 255 So Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818). 256 Hagemann, Art. Eigentum, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 882 (892 f.); Olzen, JuS 1984, S. 328 (332); Roellecke, Der Staat 30 (1991), S. 379 (382). Siehe zum Lehnsrecht noch unten, S. 153. 257 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 88; Schwab, Art. Eigentum, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 65 (71).

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

wurde, ebenfalls einen Übergang konkreter Rechtspositionen259 zur Folge haben. Von der Säkularisationsermächtigung des § 35 RDHS wurde in den folgenden Jahren in regional unterschiedlichen Ausmaßen Gebrauch gemacht.260 Sachsen und der Deutsche Orden verzichteten ganz auf sie, der Kurerzkanzler in Aschaffenburg-Regensburg weitgehend und Österreich in Teilen.261 Insgesamt wurde die Möglichkeit der Vermögenssäkularisation aber sehr häufig genutzt.262 Annähernd 400 Klöster wurden aufgehoben; das Ordensleben im Reich kam weitgehend zum Erliegen.263 Der landesherrliche Konfiskationsakt erging zunächst meist als Administrativmaßnahme, etwa ab 1805 überwog die Säkularisation durch Gesetz.264 (2) Übergang der Verpflichtungen und Schulden Das kirchliche Vermögen bestand selbstverständlich nicht nur aus den Bauwerken oder der Gläubigerposition in Verträgen, welche die Reichsstände gerne übernahmen, sondern es umfaßte auch die Lasten, die auf den Grundstücken ruhten, sowie die Stellung der geistlichen Institutionen als Schuldner. Es stellte sich damit die Frage, ob die Landesherren auch in diese für sie unliebsamen Rechtspositionen einrücken mußten. Eine eindeutige Regelung, wie sie § 77 RDHS hinsichtlich der Schulden geistlicher Fürstentümer trifft, findet sich für die Passiva der sonstigen kirchlichen Institutionen nicht. Als rudimentäre Normierung eines Übergangs aller Rechtspositionen, auch der Schulden, auf den erwerbenden Landesherrn lassen sich höchstens die Säkularisationsvorschriften § 34 und § 61 RDHS ansehen. Diese bestimmen allerdings dem Wortlaut nach nur den Übergang der Säkularisationsobjekte selbst. Das muß nicht zwangsläufig heißen, daß damit zugleich auch die Schulden und Lasten übertragen werden.265 Vor dem Hintergrund, daß der Sinn der Säkularisationsmaßnahmen nicht zuletzt in der Vermögensmehrung 258

Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 54. Dessen genauer Umfang ist umstritten, dazu sogleich. 260 Die Säkularisationspolitik der verschiedenen deutschen Gebietsbereiche findet sich zusammengefaßt bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 54 f. 261 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (130 Fußn. 31). 262 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 168; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 83; ders., Staat und Kirche, S. 129. 263 Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (373). 264 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 256; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 54. 265 So aber Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818). 259

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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der Territorialherren lag, wäre etwa auch eine Regelung denkbar gewesen, die ein Erlöschen der Lasten oder einen Übergang auf andere, noch bestehende kirchliche Institutionen vorsähe. Bedeutete die allgemein gehaltene Formulierung der Übertragung des Entschädigungsguts und der damit verbundenen positiven Rechte auf den neuen Landesherrn in §§ 34, 61 RDHS zugleich einen sofortigen Eintritt in alle Rechtspositionen, wäre zudem die Vorschrift des § 77 RDHS sinnlos, die den Übergang von Schulden der geistlichen Fürstentümer gesondert regelt. Jedenfalls die allgemeinen Vorschriften §§ 34, 61 RDHS bestimmen daher nur die Übertragung der Säkularisationsobjekte, geben aber keine klare Auskunft darüber, was mit Lasten und Nebenrechten geschehen soll. Dem Reichsdeputationshauptschluß könnte allerdings das Prinzip der Universalsukzession, also der Gesamtrechtsnachfolge, zugrunde gelegen haben, ohne daß es ausdrücklich ausgesprochen worden wäre. Der eben genannte § 77 RDHS drückte dann einen allgemeinen Rechtsgedanken aus, daß die entschädigten Territorialherren nicht nur in die Eigentümerstellung, sondern auch in alle anderen Rechtspositionen eintreten sollten.266 Das ist mit der Behauptung bezweifelt worden, die Universalsukzession sei ein zivilrechtliches Prinzip, das auf die staatsrechtlich ausgestalteten Säkularisationen nicht passe.267 In eine ähnliche Richtung geht die Argumentation, der automatische Eintritt in bestehende Rechtspositionen ergebe sich aus dem im Völkerrecht anerkannten Grundsatz des Schuldenübergangs auf den erwerbenden Staat im Falle der Annexion.268 Eine solche völkerrechtlich begründete Universalsukzession könne daher nur für die im Eigentum geistlicher Staaten stehenden Kirchengüter gelten, also nur für den Regelungsbereich des § 34 RDHS.269 Bei der praktisch sehr viel häufigeren Vermögenssäkularisation nach § 35 RDHS könne das Prinzip der Universalsukzession dagegen keine Anwendung finden, hier gingen lediglich die mit dem Objekt unmittelbar verbundenen – also die dinglichen – Rechtspositionen automatisch auf den Erwerber über. Alle übrigen Pflichten dagegen übernehme der Territorialherrscher nur, wenn er dies ausdrücklich anerkenne.270 266 Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (258 f); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 449. 267 Zängl, BayVBl. 1988, S. 609 (614). Ähnlich auch OLG Celle, KirchE 4, 104 (109). 268 Dazu BGHZ 8, 169 (175 f.); Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 25 Rdnr. 11; Schweitzer, Art. Staatennachfolge, in: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 387 (391). Zur Annexion siehe unten, Zweiter Teil, Fußn. 741. 269 Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 145. 270 Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 146. Er beruft sich allerdings zu Unrecht auf Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 79 f., 142. Dieser beschäftigt sich mit der Begründung neuer Rechtspflichten durch den Reichsdeputationshauptschluß (dazu unten, S. 65), was eine von der Übernahme schon bestehender Rechtspositionen zu trennende Frage ist.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

Die Universalsukzession ist ein historisch altes Prinzip. Schon in römischer Zeit galt der Rechtsgrundsatz, daß man mit dem Erwerb eines Gesamtvermögens für die mit ihm verbundenen Verpflichtungen aufzukommen hat.271 Auch im frühen 19. Jahrhundert war die Universalsukzession als allgemeines Rechtsprinzip anerkannt,272 das sowohl im Privatrecht als auch im Öffentlichen Recht Anwendung fand.273 Das Prinzip der Universalsukzession war also weder auf das Zivil- noch auf das Völkerrecht beschränkt. Demgegenüber wäre die Begrenzung einer Rechtsnachfolge auf für den erwerbenden Landesherrn günstige Positionen und ein Erlöschen aller übrigen ein juristisch ungewöhnliches Konstrukt. Hätte der Reichsdeputationshauptschluß dies gewollt, dann hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft.274 Wie sich in der Deputation herausstellte, hielten aber die Delegierten die Universalsukzession für ein selbstverständlich anwendbares Prinzip.275 Insbesondere die Formulierung in § 77 RDHS, die Schuldenübernahme durch die neuen Eigentümer „versteh(e) sich zuvörderst von selbst“, läßt erkennen, daß den Verfassern des Reichsdeputationshauptschlusses eine detailliertere Regelung der Rechtsnachfolge nicht nötig erschien und daß damit alle Fragen des Rechtsübergangs nach den Grundsätzen dieser Vorschrift zu lösen sein sollten.276 Damit kam in § 77 RDHS der allgemeine Rechtsgedanke zum Ausdruck, daß sich die Vermögenssäkularisation als eine Universalsukzession darstellen solle.277 Der Erwerber von Entschädigungsgut nach § 34 RDHS rückte mithin in alle zuvor bestehenden Rechtspositionen genauso ein wie der Landesherr, der von der Säkularisationsermächtigung des § 35 RDHS Gebrauch machte. 271 OLG Celle, KirchE 4, 109 (119); Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 66. 272 Gesetzliche Ausprägung hat es beispielsweise in § 201 II 6 ALR und in Art. 2093 Code civil gefunden; vgl. Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 66 Fußn. 3, und Schmitt, Staat und Kirche, S. 50 f., jeweils m. w. Nachw. 273 RGZ 101, 10 (12); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 107; Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 66; Schmitt, Staat und Kirche, S. 51. 274 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 107; Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 67. 275 Vgl. die Äußerung des kurmainzischen Delegierten in der zweiten Sitzung der Reichsdeputation am 24. August 1802, RDHS-Protokolle I, S. 17 (30 f.). 276 RGZ 101, 10 (13). 277 Im Ergebnis, aber mit unterschiedlicher Begründung, wird dies in Rechtsprechung und Literatur nahezu einhellig so gesehen, etwa RGZ 101, 10 (13); Brennberger, ZevKR 2 (1952/53), S. 329 (344); Ebers, Art. Säkularisation und Säkularisationsverbot, in: Stier-Somlo/Elster, Handwörterbuch der Rechtswissenschaft V, S. 244 (245); Gutmann, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1209 (1209); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 108; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 55; ders., Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 67; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (258 f.); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 449; Schmitt, Staat und Kirche, S. 64 f.; Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (54); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (65); Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (818).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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Die Anordnung, auch die Verpflichtungen der erworbenen kirchlichen Institutionen übernehmen zu müssen, hatte für die Landesherren erhebliche und oft unvorhergesehene finanzielle Belastungen zur Folge. Beispielsweise war in der Vergangenheit das Vermögen vieler Pfarreien im Wege der Inkorporation auf Institutionen der geistlichen Reichsstände übergegangen, die sich umgekehrt zu ihrer Finanzierung verpflichtet hatten.278 Diese Verpflichtungen gingen nun aufgrund der Universalsukzession mit der Säkularisation dieser Gebiete durch den Reichsdeputationshauptschluß auf die Neuerwerber über, die einen guten Teil der eben erworbenen Vermögensmasse schon wieder für die Tilgung der Altschulden und für die Renovierung alter Kirchen und Pfarrhäuser ausgeben mußten.279 Insgesamt erzielten die Staaten im Durchschnitt geringere Gewinne als von den meisten Säkularisationsbefürwortern erwartet.280 (3) Neurechtliche Verpflichtungen des Staates Es hat sich bereits gezeigt, daß die Säkularisation für die erwerbenden Territorien nicht nur mit Vermögenszuwächsen, sondern auch mit der Übernahme von Verpflichtungen verbunden war. Weitaus problematischer erscheint aber die Frage, ob den Reichsgliedern mit der Säkularisation auch neu entstehende Verpflichtungen gegenüber der Kirche erwuchsen. (a) Pensionszahlungen Die Rechtslage, die der Reichsdeputationshauptschluß für die Pensionen der aus dem Kirchendienst ausscheidenden Beschäftigten vorsah, ist allerdings eindeutig: Diese Pensionsansprüche standen den Geistlichen nunmehr gegen den jeweiligen Landesherrn zu. Die Geistlichkeit konnte ihre Ansprüche auf § 35 RDHS stützen,281 wobei §§ 47 ff. RDHS die Pensionsberechtigungen für einzelne Gruppen von ihnen konkretisierte.282 Angesichts der ausdrücklichen Re278

Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 399, 408 f. Neuer deutscher Zuschauer II, S. I f.; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 32; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (53); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (54); Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 52; Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (75); Zorn, Kleine Wirtschafts- und Sozialgeschichte, S. 20. Vgl. die Beispiele für Bayern und Baden bei Ullmann, Staatsschulden und Reformpolitik I, S. 118, 178, 336. 280 Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (170). Speziell zu Bayern Kraus, Geschichte Bayerns, S. 374. 281 Becker, Art. Reichsdeputationshauptschluß, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 554 (556); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 108; Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 1290. 282 Dazu Schroeder, JuS 1989, S. 351 (357). 279

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

gelung ist der Übergang der Pensionsansprüche unumstritten, wenn auch die Praxis zeigen sollte, daß die erwerbenden Territorien ihren Verpflichtungen oft nur sehr zögerlich nachkamen.283 Die Höhe der Rentenzahlungen war sehr unterschiedlich. Einfache Klosterbedienstete konnten kaum von ihnen leben; wer eine gehobenere kirchliche Position innegehabt hatte, erfreute sich dagegen recht üppiger Geldbeträge. Warum eine insgesamt derart günstige Regelung für die Kirchenangehörigen gerade im Reichsdeputationshauptschluß geschaffen wurde, der sich ansonsten nicht eben durch besonderes Wohlwollen den verfaßten Religionsgemeinschaften gegenüber auszeichnete, erschließt sich nicht ohne weiteres. Dies gilt um so mehr, als sich die Normierung der Pensionsansprüche ehemaliger Kirchenbediensteter als eine für die Landeshaushalte in der Folgezeit sehr schwerwiegende Bestimmung erweisen sollte.284 Der Grund für die Aufnahme dieser Vorschriften dürfte in der erfolgreichen Einflußnahme geistlicher Partikulargesandter liegen. Die kirchlichen Reichsstände waren zwar in der Reichsdeputation stark unterrepräsentiert, hatten aber zahlreiche Vertreter nach Regensburg entsandt, die dort gewissermaßen Lobbyarbeit leisteten. Sie strebten weniger die Verhinderung der Säkularisation an als das persönliche Wohl ihrer Auftraggeber und blieben dabei offenbar nicht ganz erfolglos, wie sich am Ergebnis zeigt.285

(b) Sonstige Unterstützungsansprüche Die Vorschriften über die Pensionszahlungen an Kirchenbedienstete waren in den ersten Jahren nach Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses noch von großer Tragweite gewesen. Mit dem Tod der Anspruchsberechtigten haben sie aber ihre praktische Bedeutung verloren. Ganz anders verhält es sich mit der Frage, ob der Reichsdeputationshauptschluß den Kirchen auch Ansprüche auf Staatsleistungen zur Erfüllung ihrer sakralen und gemeinnützigen Aufgaben gewährte. Wegen der weitreichenden Auswirkungen auf das Staatskirchenrecht bis in die heutige Zeit hinein ist diese Problematik noch immer besonders diskussionswürdig. Genau betrachtet handelt es sich um zwei voneinander zu trennende Problemkreise. Voraussetzung für einen Anspruch der Kirchen ist zunächst, daß der Reichsdeputationshauptschluß die Reichsstände überhaupt dazu verpflichtete, den Kirchen zur Finanzierung ihrer Aufgaben Geld zukommen zu lassen. Sollte 283 Vgl. die diversen Eingaben und Verfahren im „Neuen deutschen Zuschauer“ I und II. 284 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (153); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 450. 285 Burgdorf, FAZ vom 25.2.2003 (Nr. 47), S. 40.

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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dies der Fall gewesen sein, ist weiter zu klären, ob die Rechtspflicht des Staates auch derart konkretisiert worden ist, daß mit ihr zugleich ein Anspruch der Kirchen korrespondiert. (aa) Objektiv-rechtliche Verpflichtung zu Staatsleistungen an die Kirche Eine Verpflichtung der Territorien könnte sich aus § 35 RDHS ergeben. Allerdings ist diese Norm mehr als unklar formuliert, wenn sie das Kirchengut „der freyen und vollen Disposition der respectiven Landesherren, sowohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen“286 unterstellte. Dieser Formulierung scheint ein unübersehbarer Widerspruch innezuwohnen: Wenn etwas zur freien Disposition gestellt wird, kann der Verwendungszweck nicht hernach genauer bestimmt werden. Die Verfügungsbefugnis muß sich dann im Rahmen der Konkretisierung halten und ist damit eben nicht mehr frei. Über diesen Widerspruch ließe sich noch mit der Argumentation hinwegsehen, § 35 RDHS bringe in Wahrheit gar keine Einschränkung zum Ausdruck, wenn er den Verwendungszweck der Säkularisationsgewinne den Landesherren vollständig zur Erleichterung ihrer Finanzen überlassen sollte. Vielmehr würde in anderer Formulierung noch einmal ausgedrückt, was mit „der freyen und vollen Disposition“ bereits gesagt wurde. Zentrale Frage ist also, ob es der Teilsatz „sowohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen“ den Landesherren völlig freistellte, inwieweit sie die durch die Säkularisation erworbenen Mittel zu kirchlichen und sozialen Zwecken oder zur allgemeinen Aufbesserung der Staatsfinanzen einsetzen konnten,287 oder ob § 35 RDHS als staatliche Verpflichtung zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben288 zu verstehen war.

286

Hervorhebungen nicht im Original. So Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 253 f.; Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 72 (anders aber ders., Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 56); Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 154; Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 1290; Schmitt, Staat und Kirche, S. 37; Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 136. 288 So v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 32; Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 256; Ebers, Art. Säkularisation und Säkularisationsverbot, in: Stier-Somlo/Elster, Handwörterbuch der Rechtswissenschaft V, S. 244 (246 f.); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 118; Isensee, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 1009 (1011); Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts, S. 384; Müller, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 67 (73); Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 26, 107, 115; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (255). 287

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

a) Auslegung des § 35 RDHS nach seinem Wortlaut Zunächst ist der Wortlaut des § 35 RDHS daraufhin zu untersuchen, ob er eine Auslegung zugunsten der einen oder der anderen Auffassung fordert. So ist teilweise behauptet worden, die Formulierung „sowohl . . . als“ bringe die Nachrangigkeit des zweiten Teilsatzes zum Ausdruck.289 In concreto gingen also die zuerst genannten kirchlich-sozialen Verwendungszwecke der Säkularisationsgewinne der erst nachfolgend erwähnten allgemeinen Besserung des Landeshaushalts vor.290 Jedoch bedeutet die Konjunktion „sowohl . . . als“ im allgemeinen Sprachgebrauch gerade im Gegenteil, daß die beiden durch sie verbundenen Satzteile gleichrangig nebeneinander stehen.291 Die Verbindung der Satzteile könnte daher eher für ein freies Auswahlrecht des Landesherrn hinsichtlich der Mittelverwendung sprechen. Andererseits erscheint nicht einsichtig, warum sich in § 35 RDHS dann überhaupt noch eine Aufzählung der möglichen Verwendungszwecke findet. Sollte der Reichsdeputationshauptschluß dem erwerbenden Territorium völlige Freiheit in der Verwendung der durch die Säkularisation erworbenen Mittel gewähren wollen, hätte er sie einfach dem allgemeinen Landeshaushalt zuordnen können. Indem der kirchlich-soziale und der allgemein-fiskalische Verwendungszweck des Säkularisationsgewinns mit der Konjunktion „sowohl . . . als“ verbunden wird, wird etwas anderes ausgedrückt, als wäre die Formulierung „entweder . . . oder“ bzw. schlicht „oder“ verwendet worden. Werden zwei Wortgruppen mit „sowohl . . . als (auch)“ verbunden, sieht der Autor beide als einschlägig an. Im Einzelfall mag einer der beiden Satzteile bedeutsamer sein als der andere, aber wenn nur ein Teil einschlägig ist und der andere nicht, ist die Grenze vom „sowohl . . . als (auch)“ zum „entweder . . . oder“ überschritten. Somit spricht der Wortlaut des § 35 RDHS gegen eine völlig freie Mittelverwendung durch den Landesherrn und für die Begründung einer Verpflichtung zu Staatsleistungen an die Kirchen.292 Über den Umfang dieser Leistungen und eine eventuelle subjektive Rechtsposition der Kirchen ist damit allerdings noch nichts gesagt.

289 So Miller, Das katholische Kirchengut, Diss. Tübingen 1932, S. 32 (hier zitiert nach Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 114). 290 Hinschius, Das landesherrliche Patronatrecht, S. 38; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (255). 291 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache VIII, S. 3614. 292 Anders Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 115, nach dessen Ansicht der Wortlaut keinerlei Anhaltspunkte für die Beantwortung der Frage bieten kann, ob § 35 RDHS eine Pflicht zu Staatsleistungen an die Kirche begründet.

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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b) Systematische Auslegung des § 35 RDHS Die bisher aus dem Wortlaut des § 35 RDHS gewonnene Interpretation muß nun anhand der Gesetzessystematik bestätigt, konkretisiert oder auch widerlegt werden. So läßt sich gegen die Festlegung einer Verpflichtung zu Staatsleistungen aus § 35 RDHS die Vorschrift des § 1 Abs. 1 RDHS anführen, der eine spezielle Verpflichtung zur Dotation der Geistlichkeit in den beiden säkularisierten Diözesen Trient und Brixen vorsieht. Eine entsprechende Vorschrift für andere Gebiete enthält der Reichsdeputationshauptschluß dagegen nicht. Daraus könnte zu schließen sein, daß diese Art Staatsleistung nicht als Regel betrachtet werden sollte, denn sonst hätte es ihrer besonderen Festschreibung in § 1 Abs. 1 RDHS nicht bedurft.293 Allerdings muß die Norm auch als rein deklaratorische Bestätigung schon bestehender rechtmäßiger Forderungen nicht zwangsläufig unsinnig sein. Die Ansprüche der Geistlichkeit in Trient und Brixen wären so doppelt gesichert – angesichts der bei Ausarbeitung des Reichsdeputationshauptschlusses wahrscheinlich schon vorausgesehenen Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung von § 35 RDHS eine alles andere als überflüssige Maßnahme. Vor allem aber definiert § 35 RDHS nicht die Höhe der geforderten Zahlungen, selbst wenn er eine landesherrliche Verpflichtung zur Finanzierung des Gottesdienstes enthält. Sollte die Norm tatsächlich eine Verpflichtung zur vollen Weiterfinanzierung des Gottesdienstes enthalten, wäre § 1 Abs. 1 RDHS tatsächlich nur deklaratorischer Natur. Läßt sich aus ihr aber nur auf die Pflicht zu einer gewissen Grundfinanzierung der kirchlich-sozialen Aufgaben schließen, ohne daß die gesamte Geistlichkeit vollständig vom weltlichen Herrscher zu bezahlen gewesen wäre, wären die Ansprüche der Geistlichkeit in Trient und Brixen allein durch § 35 RDHS nicht in gleichem Maße garantiert wie durch § 1 Abs. 1 RDHS. Sollte eine solch weitgehende Dotationsverpflichtung für die beiden Bistümer statuiert werden, war also eine ausdrückliche Anordnung wie in § 1 Abs. 1 RDHS geschehen erforderlich. Als weiteres systematisches Argument bietet sich der Vergleich der hier relevanten Vorbehaltsklausel des § 35 RDHS mit der in derselben Vorschrift ausgesprochenen Aufgabe des Landesherrn an, die Domkirchen zu unterhalten und die Pensionen der Geistlichkeit zu zahlen.294 Dieser Normteil ist derart eindeutig formuliert, daß an der Statuierung einer staatlichen Rechtspflicht kein Zweifel bestehen kann.295

293

Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 143. Das Dispositionsgut steht dem Landesherrn zur freien und vollen Disposition „unter dem bestimmten Vorbehalte der festen und bleybenden Ausstattung der Domkirchen, welche werden beybehalten werden, und der Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit“. 295 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 108 f., 110 f.; Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 69; Schmitt, Staat und Kirche, S. 37. 294

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

Auch hinsichtlich der Begründung von Staatsleistungen für die übrigen kirchlichen Aufgaben lassen sich Erkenntnisse gewinnen. Die Staatsausgaben „zum Behuf des Aufwands für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten“ müssen etwas qualitativ anderes gewesen sein, als die Verpflichtung zur Finanzierung der Domkirchen und der Pensionen. Ansonsten hätte man nicht beides inhaltlich voneinander trennen müssen.296 Die Nennung der Zahlungspflicht an Domkirchen und die pensionierte Geistlichkeit wäre nicht nur überflüssig gewesen, sondern auch als „Vorbehalt“ falsch bezeichnet worden. Allenfalls als Beispiel hätte sie in den Normtext aufgenommen werden können, wenn sie nicht ganz weggelassen worden wäre. Also muß die staatliche Geldleistung für kirchliche Aufgaben ein Minus zur vollen Ausstattungspflicht der Domkirchen sein. Das kann bedeuten, daß der Vorbehalt der landesherrlichen Unterhaltspflicht für die Domkirchen erforderlich geworden ist, weil der vorangegangene Gesetzestext überhaupt keine verbindliche Verpflichtung enthielt.297 Diese Schlußfolgerung ist aber keineswegs zwingend. Die vollständige Beibehaltung der domkirchlichen Ausstattung unter staatlicher Finanzierung könnte genauso auch deshalb in den Reichsdeputationshauptschluß aufgenommen worden sein, weil die Staatsleistungen „zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten“ die Fortführung des bisherigen kirchlichen Betätigungsfelds nicht in Gänze, sondern nur teilweise finanzieren sollten. Ausgeschlossen ist aus systematischen Aspekten also nur ein subjektiver Anspruch der Kirchen auf eine vollständige Weiterfinanzierung des Tätigkeitsfelds vor der Säkularisation. Damit ist auch aus diesem Grund die schon mit dem Wortlaut unvereinbare Auffassung eines Vorrangs der Finanzierung kirchlich-karitativer Aufgaben abzulehnen, der eine allgemeine Stärkung des Landeshaushalts nur zuließe, wenn nach vollständiger Bezahlung der kirchlichen Wünsche noch Geld übrig bliebe. Es kann höchstens um eine Verpflichtung zur Grundfinanzierung der religiösen Institutionen gegangen sein. Hinsichtlich der weiteren Frage, ob die Bezahlung von seelsorgerischen und sozialen Aufgaben der Kirchen durch § 35 RDHS zur Rechtspflicht des Landesherrn geworden ist, wie der Wortlaut es nahelegt, oder ob sie in dessen Belieben gestellt worden ist, läßt die Systematik aber keinen eindeutigen Schluß auf die richtige Interpretation des Reichsdeputationshauptschlusses zu.

296

Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 154. So Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 71; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 154; Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 1290. 297

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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g) Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS Genauere Auskunft über eine eventuelle Verpflichtung zu Staatsleistungen könnte aber die Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS geben. In ihrer endgültigen Fassung entstand die Vorschrift erst relativ spät. Noch im „plan général“ vom 8. Oktober 1802298 und dem darauf basierenden Deputationshauptschluß vom 23. November 1802299 war die Vermögenssäkularisation des § 35 RDHS auf neuerworbene Länder beschränkt300; dafür fehlte der Hinweis auf die Finanzierung des Gottesdienst sowie der Unterrichts- und anderen gemeinnützigen Anstalten noch ganz. Eine Ausnahme bildete nur § 6 RDHS, der die Säkularisation in Württemberg regelt. Dort sollte eine Aneignung des Kirchenguts auch in alten Landesteilen erlaubt sein; im Gegenzug waren die damit verbundenen Pflichten für den Landesherrn sehr viel weitgehender ausgestaltet. Die württembergischen Landstände301 hatten nämlich befürchtet, daß ihnen der Landesherr durch die Säkularisation das Wächteramt über Verwaltung und Verwendung des Kirchenguts entziehen könnte, das sie traditionell innehatten.302 Um dem entgegenzuwirken, war zunächst in § 6 RDHS der Vorbehalt hinzugefügt worden, daß die Säkularisation der württembergischen Klöster „ohne Abbruch der verfassungsmäßigen Bestimmung der letzteren“ stattfinden müsse.303 Damit sollte die weitere Tätigkeit der Klöster auf dem Gebiet von Gottesdienst und Sozialwesen garantiert werden,304 mangels eigener Mittel nunmehr unter staatlicher Finanzierung. Unterdessen forderte Bayern, dessen Finanzlage besonders prekär war und das zur Aufbesserung der Staatskasse ein umfassendes Säkularisationsprogramm anstrebte,305 daß die zunächst auf die Entschädigungsländer beschränkte Konfiskationsbefugnis des § 35 RDHS sich im gesamten Reich auf alle Kirchengüter 298

Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 179. RDHS-Protokolle II, S. 571 ff.; § 35 RDHS in der Ursprungsfassung findet sich auf S. 599 f. Textauszug auch bei Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 146 f. Zum geschichtlichen Zusammenhang siehe oben, S. 49. 300 Nach Ansicht des kursächsischen Deputierten in der vierten Sitzung der Reichsdeputation am 14. September 1802 lag dies geradezu in der Natur der Sache, jedenfalls aber in allgemeinen Rechtsgrundsätzen, begründet; RDHS-Protokolle I, S. 61 (79). Vgl. auch Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 15; Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 251; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (244). 301 Die noch von Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (253 f.), vertretene These, verantwortlich für die ursprüngliche Fassung des § 6 RDHS seien die schwäbischen Reichsstädte gewesen, gilt heute als widerlegt; vgl. Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 116 m. w. Nachw. 302 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 116. 303 RDHS-Protokolle II, S. 575 (581). Es handelt sich um eine wenigen Punkte, an denen die Reichsdeputation den plan général verändert hat. § 6 des plan général enthielt den Vorbehalt noch nicht; RDHS-Protokolle, Beilagen II, S. 19 (26). 304 Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (253). 299

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

oberhalb der örtlichen Pfarrkirchen erstrecken sollte.306 Dem stimmten die vermittelnden Mächte schließlich mit dem Hintergedanken zu, so den Zorn Bayerns darüber besänftigen zu können, daß das eigentlich schon ihnen versprochene Bistum Eichstätt nun doch überwiegend an den Großherzog von Toskana fallen sollte (vgl. § 1 Abs. 4 RDHS).307 Zudem sollte die erweiterte Befugnis zur Vermögenssäkularisation gewissermaßen als ein Ausweichgeschenk für die Bayern ebenfalls verwehrte Einverleibung der freien Reichsstädte Augsburg und Nürnberg fungieren.308 Infolge dessen wurde § 35 RDHS von der Reichsdeputation entsprechend umgeschrieben. Aus Sorge um die Funktionsfähigkeit der Kirchen bei einer derartigen territorialen Ausweitung des Geltungsbereichs sollte aber die sich in § 6 RDHS befindliche Klausel hinzugefügt werden und damit der ursprünglich nur für Württemberg formulierte Vorbehalt im gesamten Reich gelten. Ebendies wollte man durch die unglückliche Formulierung „sowohl zum Behuf des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten als zur Erleichterung ihrer (sc. der säkularisierenden Territorialherrscher) Finanzen“ in § 35 RDHS erreichen. Daher erklärte der württembergische Subdelegierte in der 43. Sitzung der Reichsdeputation am 15. Februar 1803, nun könne man den genannten Vorbehalt in § 6 RDHS ja wieder streichen, da sich die Einschränkung der Freiheit in der Mittelverwendung bereits aus der allgemeinen Vorschrift des § 35 RDHS ergebe.309 Auch der Vertreter des Hoch- und Deutschmeisters zeigte sich überzeugt, daß der Zusatz in § 35 RDHS nicht anders als der vormals in § 6 RDHS befindliche zu verstehen sei.310 Weder er noch der württembergische Subdelegierte ernteten daraufhin in der Reichsdeputation Widerspruch.311 Damit ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS, daß eine staatliche Pflicht zur Finanzierung von Gottesdienst, Unterrichts- und anderen gemeinnützigen Anstalten statuiert werden sollte, mit der 305 Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (374); Demel, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 115 (121); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 448. 306 Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (372); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 116; Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 251; Kraus, Geschichte Bayerns, S. 373; Weis, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (201 f.). Ausführlich zu den Bemühungen Bayerns um eine Ermächtigung zu umfassenden Säkularisationen Demel, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 115 (126 ff.). 307 Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 251; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (16); Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (251); Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 46. 308 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 448; Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 46. 309 RDHS-Protokolle II, S. 797 (812). 310 RDHS-Protokolle II, S. 797 (810). 311 Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (253).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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eine völlige Entscheidungsfreiheit des Landesherrn hinsichtlich der Verwendung der durch die Säkularisation erworbenen Mittel nicht vereinbar war. d) Sinn und Zweck des § 35 RDHS Dieses Ergebnis soll nun mittels einer teleologischen Auslegung überprüft werden. Die Ratio des § 35 RDHS läßt sich angesichts seiner allgemein schwierigen Verständlichkeit nicht ohne weiteres feststellen. Denkbar wäre es, die Aufbesserung der landesherrlichen Kassen für die alleinige Zielsetzung zu halten. Mit diesem Zweck wäre eine Rechtspflicht des Staates zur Finanzierung der kirchlich-sozialen Aufgaben nur bedingt vereinbar. Es bestand die Gefahr, daß die durch die Säkularisation eingenommenen Mittel für die Staatsleistungen gleich wieder ausgegeben werden mußten, ohne die finanzielle Lage der säkularisierenden Reichsstände zu verbessern. Zweifellos war die Schaffung einer neuen staatlichen Geldquelle ein Hauptmotiv der in § 35 RDHS angeordneten Vermögenssäkularisation. Handelte es sich indes um das einzige Ziel, ließe sich nicht erklären, wieso die Vermögenssäkularisation nicht in noch weitergehendem Umfang angeordnet wurde, indem man auch die örtlichen Pfarreigüter mit einbezog. Auffälligerweise wurden mit den Stiftern, Abteien und Klöstern diejenigen Institutionen zur Säkularisation freigegeben, deren Tätigkeit primär innerkirchlich blieb. Dagegen sollten die örtlichen Pfarreien, also der wichtigste Verbindungspunkt von Kirche und Volk und gewissermaßen die Basis der Seelsorge, nicht angetastet werden. Offenbar war es die Zielsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses, die seelsorgerische und karitative Arbeit der Kirche im Grundsatz fortzuführen. Das entsprach der im Reich zur damaligen Zeit vorherrschenden Grundstimmung. Anders als in den Anfangszeiten der Französischen Revolution wurde die radikale Forderung der Verstaatlichung aller kirchlichen Aufgaben in Deutschland nicht erhoben.312 Vom landesherrlichen Standpunkt aus betrachtet, wäre dies auch nicht vernünftig gewesen. Der Fortfall der bisherigen seelsorgerischen Tätigkeit der Kirche hätte große Teile der Bevölkerung hart getroffen, und wenn plötzlich der Unterricht an kirchlichen Schulen oder die Armenfürsorge ersatzlos weggefallen wären, hätte eine massive Verschlechterung des sozialen Lebens gedroht. Dies hätte der Funken sein können, der das Feuer der Französischen Revolution auch in den deutschen Territorien entfacht hätte. Also durften die geistlich-karitativen Tätigkeiten nicht aufgegeben werden. Eine Finanzierung der von der Kirche ausgeübten Fürsorge mußte dabei mit dem Ziel der Aufbesserung des Landeshaushalts nicht schlechthin unvereinbar sein. Unterstützungszahlungen an kirchliche Institutionen waren oft preiswerter als die Fortführung ihrer karitativen und sozialen Tätigkeiten unter alleiniger staatlicher Regie.313 Darüber hinaus 312

Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 142.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

benötigten die Landesherren zu Propagandazwecken die Pfarrer, die im Volk eine große Autorität besaßen und ihre Gemeinden so zugunsten der landesherrlichen Politik beeinflussen konnten.314 Der eben durchgeführte Blick in die Entstehungsgeschichte bestätigt, daß die Steigerung der landesherrlichen Finanzkraft um jeden Preis nicht alleinige Zielsetzung der Vermögenssäkularisation durch § 35 RDHS war. Offenbar trieb wenigstens einige Delegierte auch die Sorge um die Kontinuität der von kirchlichen Einrichtungen wahrgenommenen seelsorgerischen und sozialen Aufgaben an. § 35 RDHS verfolgt mithin eine doppelte Zielsetzung: Einerseits sollte die Kassenlage der Landesherren verbessert werden, andererseits waren die bisher von der Kirche wahrgenommenen Aufgaben jedenfalls im Grundsatz fortzuführen.315 Demnach ergibt sich nur die mögliche Auslegung, daß § 35 RDHS eine Rechtspflicht zur Finanzierung kirchlich-sozialer Aufgaben statuiert. e) Die weitere Staatspraxis Im Gegensatz zur Entstehungsgeschichte des Reichsdeputationshauptschlusses kann das Verhalten der Reichsstände nach Durchführung der Säkularisationen über die richtige Auslegung des § 35 RDHS keine verbindliche Auskunft geben,316 denn selbstverständlich konnten die Territorien bei allem, was sie taten, auch einem falschen Normverständnis aufgesessen sein. Wenigstens eine indizielle Wirkung kann der überwiegenden Staatspraxis zu einer Zeit, in der die Entstehung des Reichsdeputationshauptschlusses noch nicht lange zurücklag, aber doch zukommen. Auffälligerweise begannen zahlreiche Regierungen bald nach Inkrafttreten des Reichsdeputationshauptschlusses mit der Finanzierung kirchlicher Aufgaben. Bayern leistete schon seit 1804 Dotationen an die säkularisierten Stiftsund Klosterkirchen und begründete dies ausdrücklich mit seiner Rechtsauffassung, durch § 35 RDHS zu den Zahlungen verpflichtet zu sein.317 Das äußerst säkularisationsfreundliche Preußen legte sich in § 4 des Edikts über die Einziehung sämtlicher geistlicher Güter in der Monarchie vom 30. Oktober 1810 selbst die Verpflichtung zur „reichliche(n) Dotirung der Pfarreien, Schulen und milden Stiftungen“ sowie anderer kirchlicher Einrichtungen auf, deren bisherige Einnahmequellen weggefallen waren.318 § 82 der württembergischen Verfassung 313

Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (819). Blessing, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 335 (346). 315 So im Ergebnis auch Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (54). 316 So zu Recht Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 71. 317 Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (255). Vgl. auch Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (92 f.). 314

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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von 1819319 sah die Schaffung eines Fonds zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben vor, wobei sich aus der Entstehungsgeschichte die damals herrschende Überzeugung entnehmen läßt, hierzu aus § 35 RDHS verpflichtet zu sein.320 Als schließlich am 7. Oktober 1818 zwölf deutsche Staaten einen Vertrag zur Errichtung der Domkirchen in Freiburg, Mainz, Fulda, Rottenburg und Limburg schlossen, verankerten sie in § 3 der Grundzüge dieses Staatsvertrags, daß ihrer Überzeugung nach § 35 RDHS „die Güter der Stifte, Abteien und Klöster zwar der vollen und freien Disposition der Landesherren“ überlassen habe, „jedoch nur unter dem bestimmten Vorbehalte [. . .], den Aufwand für den Gottesdienst, Unterricht und andere gemeinnützige Anstalten daraus zu bestreiten.“321 Bemerkenswert ist an dieser hier beispielhaft dargestellten Praxis die weitgehend übereinstimmende Anerkenntnis der Staaten, zur Finanzierung sakraler und sozialer Aktivitäten der Kirchen verpflichtet zu sein.322 Hätten sie sich von jeglicher Verbindlichkeit freisprechen wollen, wäre dies eventuell mit der Sorge um den eigenen Haushalt erklärbar. So aber läßt sich ihre juristische Überzeugung schwerlich als politisch motiviert bezeichnen.323 Die hier im Wege der Auslegung ermittelte Statuierung einer Pflicht zu Staatsleistungen zum Zwecke 318 Gesetzessammlung für die Kgl. Preußischen Staaten 1810, S. 28 f. Vgl. auch Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 281 f.; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 164; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (255 f.); Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (819). Niedner a. a. O., S. 164 f., stellt zu Recht fest, primäres Motiv der preußischen Regierung für die Durchführung der allgemeinen Säkularisation sei die Gewinnung von Finanzmitteln gewesen. Dies spricht entgegen seiner Argumentation aber für die These, man habe sich zur Finanzierung kirchlich-karitativer Aufgaben verpflichtet gesehen. Wenn nicht der Zusammenhang des Edikts mit dem Reichsdeputationshauptschluß gänzlich bestritten wird (wie dies Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 284, tut), ist es anders als mit der Überzeugung, einer entsprechenden Rechtspflicht zu unterliegen, nicht erklärbar, warum Preußen im Edikt Leistungen versprach, die ihm politisch gar nicht am Herzen lagen. 319 Text bei Dürig/Rudolf, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, Nr. 3 (S. 21 ff.); Huber, Dokumente I, Nr. 55 (S. 187 ff.). 320 Im Verfassungsentwurf vom September 1816 findet sich die Formulierung: „Zu diesem Fonds gehört insbesondere, was an den Gütern und Gefällen der im Jahre 1803 säkularisierten Stifter, Abteien und Klöster zufolge des damaligen Vorbehaltes für die angezeigten Zwecke ausgesetzt werden wird.“ Mit dem „Vorbehalt für die angezeigten Zwecke“ können nur die in § 35 RDHS genannten kirchlich-sozialen Aufgaben gemeint gewesen sein; vgl. Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (256). Wenn auch die in der Verfassungsurkunde gewählte Formulierung weniger eindeutig ausfiel als der Entwurf, herrschte in den Verhandlungen Übereinstimmung darin, daß die notwendige Finanzierung der Kirche verfassungsrechtlich gesichert werden sollte; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 120; Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 60 ff. 321 Vgl. Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 80 i.V. m. S. 71. Der Vertragstext findet sich auch bei Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 42. 322 Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (255). 323 Unverständlich ist, warum Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 72, den Juristen der betreffenden Staaten genau dies vorwirft.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

der Finanzierung kirchlich-sozialer Aufgaben gem. § 35 RDHS entspricht offensichtlich der damals vorherrschenden Ansicht. (bb) Subjektive Rechtsposition der Kirche Mit der Feststellung, daß § 35 RDHS eine objektiv-rechtliche Verpflichtung der weltlichen Herrschaften enthält, zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben beizutragen, ist noch nicht die weitergehende Frage beantwortet, ob diese Rechtspflicht auch durch die Kirchen einklagbar ist.324 Eine objektive Rechtspflicht ist nur notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für den Anspruch eines Rechtssubjekts.325 § 35 RDHS müßte den Kirchen also eine subjektive Rechtsposition vermitteln. Merkmal eines subjektiven Rechts ist, daß es nicht nur im Interesse der gesamten (objektiven) Rechtsordnung besteht, sondern gerade auch den Interessen des Anspruchsberechtigten zu dienen bestimmt ist.326 Dies läßt sich etwa von der in § 35 RDHS angeordneten Dotationspflicht für den Erhalt der Domkirchen und für die Pensionszahlungen annehmen.327 Was den „Aufwand für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten“ angeht, müssen dagegen Zweifel aufkommen. Die Ratio dieser Regelung liegt neben der Verbesserung der Staatsfinanzen in der Sorge um die Fortführung der kirchlichen Aufgaben.328 Dies lag im Interesse der gesamten Rechtsordnung, nicht aber spezifisch in demjenigen der Kirche. Für die sakrale und karitative Arbeit benötigte man nach wie vor die Gemeinden, welche die Landesherren in Abhängigkeit halten wollten. Die Institution Reichskirche konnte dafür nur schädlich sein; ihr subjektive Rechte zuzugestehen, wäre politischer Unsinn gewesen. Zudem ist der fragliche Teilsatz des § 35 RDHS derart unbestimmt formuliert, daß sich weder der genaue Umfang eventueller kirchlicher Ansprüche ermitteln ließe, noch, welche der zahlreichen kirchlichen Institutionen zu den Berechtigten gehören sollten. Das spricht schon aus Praktikabilitätsgründen dagegen, daß mit der Aufforderung an den Landesherrn, Säkularisationsgewinne auch „zum 324 Dagegen vermischt Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 154, beide Fragen, was möglicherweise seine ablehnende Haltung hinsichtlich der Anerkenntnis einer objektiven Rechtspflicht des Landesherrn zur Finanzierung sakraler und sozialer Aufgaben der Kirche erklärt. Wie hier aber Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 118; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (258). 325 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 396; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 1; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 6. 326 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 399; Erbguth, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 3; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 8; Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 81. 327 Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 71. Zur objektiven Rechtspflicht des Staats siehe insoweit schon oben, Erster Teil, Fußn. 295. 328 Siehe oben, S. 74.

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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Behuf des Aufwands für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten“ einzusetzen, ein einklagbares Recht der Kirchen verbunden war.329 Schließlich spricht auch der Wortlaut des § 35 RDHS gegen die Verleihung einer subjektiven Rechtsposition an die Kirchen zur Finanzierung ihrer sakralen und sozialen Aktivitäten. Die ohnehin nicht eben verständliche Formulierung, die Säkularisationsgewinne stünden dem Landesherrn zur „freyen und vollen Disposition zu“, verlöre vollends ihren Sinn, wenn die Religionsgemeinschaften einklagbare Ansprüche erhielten. Bei Bestehen einer bloß objektiven Rechtspflicht blieb dem Landesherrn noch ein Spielraum hinsichtlich Umfang und Zweckbestimmung der Zahlungen an die Kirche, der sich bei einem weiteren Verständnis als freie und volle Disposition bezeichnen läßt. Könnten aber die geistlichen Institutionen von sich aus tätig werden und aus § 35 RDHS die Finanzierung der von ihnen selbst festgesetzten Verwendungszwecke erzwingen, ginge jeglicher staatlicher Entscheidungsspielraum verloren. Es entstünde die Gefahr einer derartigen Steigerung kirchlicher Ausgaben, daß für den allgemeinen Landeshaushalt kein Geld übrig bliebe. Damit würde aber der Wortlaut des § 35 RDHS unterlaufen, der eine exklusive Mittelverwendung für kirchlichkaritative Aufgaben ebenso ausschließt wie die alleinige Aufwendung der durch die Säkularisation erworbenen Gelder zur Verbesserung der landesherrlichen Finanzlage. Es hat sich damit gezeigt, daß die objektive Rechtspflicht des Staates, das durch die Säkularisation erlangte Vermögen auch zur Finanzierung sakraler und kirchlich-karitativer Tätigkeiten aufzuwenden, keine subjektive Rechtsposition der Kirchen begründete.330 Dies entspricht im übrigen auch der überwiegenden Staatspraxis des 19. Jahrhunderts, die eine Umsetzung der Rechtspflicht zu Staatsleistungen durch landesgesetzliche Regelungen für erforderlich hielt,331 wie die oben dargestellten Beispiele illustrieren.

329 RGZ 101, 10 (12); Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 71; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 154; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (258). 330 Neben den Autoren, die schon das Bestehen einer objektiven Rechtspflicht aus § 35 RDHS ablehnen, ebenso RGZ 101, 10 (12); dass., Urteil vom 29. 10. 1898, Gruchot 43 (1899), S. 1046 (1047); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 119; Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts, S. 384; Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 143; Scharnagl, HJb 70 (1951), S. 238 (258 f.); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (67); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (17). Für eine subjektive Rechtsposition der Kirchen aus § 35 RDHS dagegen Gutmann, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1209 (1209); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 32; Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (92); Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 172. Unentschieden Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (56). 331 Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 143.

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

II. Mediatisierung Neben der Verweltlichung geistlicher Reichsstände und Besitztümer sah der RDHS auch eine Eingliederung weltlicher Reichsglieder in benachbarte Fürstentümer vor (vgl. beispielhaft § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 5 Satz 2 RDHS). Diese Fälle der Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit von Gebieten, verbunden mit dem Zuschlag ihres Territorialbesitzes zu einem Reichsfürstentum, werden als Mediatisierung bezeichnet.332 1. Die Mediatisierung der Reichsstädte und anderen kleinen weltlichen Reichsstände Der Mediatisierung fielen viele der kleineren weltlichen Reichsstände zum Opfer; am stärksten waren aber die freien Reichsstädte betroffen.333 Gem. § 27 RDHS sollte ihr Kollegium auf dem Reichstag nur noch aus den sechs freien und reichsunmittelbaren Städten Augsburg, Lübeck, Nürnberg, Frankfurt, Bremen und Hamburg334 bestehen. Damit wurden durch den Reichsdeputationshauptschluß 41 rechtsrheinische Städte mediatisiert, wohingegen mit der Einverleibung der linksrheinischen Gebiete durch Frankreich nur vier Reichsstädte an den Eroberer gefallen waren.335 Selbst wenn die Zahl der mediatisierten weltlichen Gebiete hinter derjenigen der geistlichen zurückblieb336, handelte es sich neben den Säkularisationen durch den Reichsdeputationshauptschluß um den zahlenmäßig größten Herrschaftswechsel im deutschen Raum seit dem Dreißigjährigen Krieg.337

332 Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (837); Frotscher/ Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 167; Schroeder, ZWLG 2002, S. 285 (288); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261; Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (817). Die Herrschaftssäkularisation geistlicher reichsunmittelbarer Gebiete ist im Grunde genommen ein spezieller Fall der Mediatisierung; Maier, in: Marré/Schümmelfelder/ Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (14); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (1 Fußn. 2); Müller, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 327 (327); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (99, 107); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. Üblicherweise wird aber nur die Aufhebung der Reichsunmittelbarkeit weltlicher Reichsglieder als „Mediatisierung“ bezeichnet, so daß der Begriff in Abgrenzung zur Säkularisation gebraucht wird; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 44; Krings, JZ 2003, S. 173 (177); Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (146). 333 Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (147). 334 Das waren die sechs wichtigsten deutschen Handelsstädte, Wunder, Europäische Geschichte, S. 97. 335 Becker, Art. Reichsdeputationshauptschluß, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 554 (554); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 165; Hugo, Die Mediatisirung der deutschen Reichsstädte, S. 25; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 281. 336 Krings, JZ 2003, S. 173 (177).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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a) Rechtlicher Inhalt der Mediatisierung In den mediatisierten Gebieten wurden zwar die Herrschaftsverhältnisse geändert, die Eigentumsverhältnisse blieben aber grundsätzlich unberührt.338 Eine Art „Vermögensmediatisierung“, die über die den aufgelösten Reichsständen selbst gehörenden Gebiete hinausging, gab es also nicht. Die Landesherren verloren daher zwar ihre Hoheitsrechte, behielten aber nach wie vor das Eigentum an ihrem Privatbesitz. Bei den freien Reichsstädten stellte sich allerdings das Problem, daß Eigentümer vielfach keine natürliche Person, sondern die Stadt als solche war. Die mit dem Untergang der reichsstädtischen Existenz freigewordenen Rechtspositionen gingen daher auf die erwerbenden Territorien über.339 Hinsichtlich der Schulden der mediatisierten Reichsstände findet sich keine ausdrückliche Bestimmung. Konsequenterweise mußte sie nach dem allgemeingültigen Prinzip der Universalsukzession der Neuerwerber tragen, sofern es sich nicht um persönliche Verbindlichkeiten der ehemaligen Landesherren handelte.340 Die Mediatisierung hatte nach dem Wortlaut verschiedener Normen des Reichsdeputationshauptschlusses Immediatwirkung und bedurfte folglich keines weiteren Rechtsakts durch die neuen Territorialherren mehr. Sie beendete ein seit Jahrhunderten gewachsenes System mit eigenem Rechts- und Wirtschaftsleben. Der Status der mediatisierten Städte unterschied sich nun in nichts mehr von dem der gewöhnlichen Territorialstädte.341 Zwar verpflichtete § 27 Abs. 14 RDHS Kurfürsten und Fürsten, die ihnen zugefallenen ehemaligen Reichsstädte sowohl im Hinblick auf ihre Kommunalverfassung als auch auf die Eigentumsrechte grundsätzlich nach dem Recht des im Land jeweils am meisten privilegierten Standes zu behandeln. Diese Verpflichtung wurde aber durch den Vorbehalt sogleich wieder entwertet, daß die Landesorganisation und das allgemeine Beste einer solchen Behandlung der Städte nicht entgegenstehen dürften. In der Praxis wurde der Verpflichtung aus § 27 RDHS daher fast keine Beachtung geschenkt; der einst als „magna charta“ der Städte bezeichneten Vorschrift kam kaum ein Wert zu.342

337 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 397; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (356); ders., NJW 2003, S. 630 (631). 338 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 76. 339 Vierhaus, in: ders., Eigentum und Verfassung, S. 229 (230). 340 Vgl. oben, S. 63. 341 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (356). 342 Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (147); Schroeder, JuS 1989, S. 351 (356); ders., in: Blickle/Schmauder, Die Mediatisierung der oberschwäbischen Reichsstädte, S. 15 (25).

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

b) Der Rechtsstatus der verbliebenen Reichsstädte So hart die freien Reichsstädte auch betroffen wurden, für die noch verbliebenen unter ihnen sah der Reichsdeputationshauptschluß umfassende Rechte vor. § 27 Abs. 2 RDHS sicherte ihnen die eigene Landeshoheit, das Stimmrecht im Reichstag, eine eigene Gerichtsbarkeit und die Neutralität auch in Reichskriegen343 zu. Insoweit handelte es sich überwiegend um die Bestätigung von Rechten, die den freien Reichsstädten bereits nach Art. VIII § 4 IPO reichsverfassungsrechtlich zugesichert waren. Darüber hinaus sollten sie selbst Empfänger von Entschädigungsleistungen werden (§ 27 Abse. 3 ff. RDHS). Dennoch darf nicht übersehen werden, daß auch der Status der noch verbliebenen sechs freien Reichsstädte erheblich beschränkt wurde. Durch die Verkleinerung des vormals zahlreich besetzten Reichstagskollegiums der freien Reichsstädte auf gerade einmal sechs Mitglieder wurde ihnen die Durchsetzung ihrer Interessen auf Reichsebene nahezu unmöglich gemacht.344 Das Reich aber war die einzige Stütze ihrer Herrschaft gewesen. Wenn diese faktisch wegfiel, konnte die Reichsunmittelbarkeit nicht mehr auf Dauer bewahrt werden.345 Die sechs Städte hatten daher zwar ihre Reichsunmittelbarkeit kurzfristig noch einmal retten können. 1803 ließ sich aber bereits absehen, daß es keine Rettung auf Dauer sein konnte und auch die letzten freien Reichsstädte nicht mehr lange bestehenbleiben würden.346 2. Die Mediatisierung der Reichsritterschaft: Der Rittersturm Eine unmittelbar die Rechtsstellung der Reichsritterschaft regelnde Vorschrift enthielt der Reichsdeputationshauptschluß nicht. Indirekt wurde die Reichsritterschaft in ihrem Bestand aber durch § 28 RDHS geschützt, indem sie dort überhaupt Erwähnung fand und ihr Entschädigungen zugestanden wurden, die meist in Form von Geldzahlungen festgesetzt waren (§ 24 RDHS). Direkten Schutz erlangten die Reichsritter zudem durch das Reichsgutachten vom 24. März 1803,347 das den Fortbestand der alten Reichsverfassung in allen nicht vom 343 Die Neutralität sollte Behinderungen des Handels während Reichskriegen vermeiden; Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 36 f. 344 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 254; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (356). 345 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 18. 346 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 23. Frankfurt/Main büßte seine Unabhängigkeit 1806 ein, Augsburg und Nürnberg 1815, Lübeck erst 1937. Hamburg und Bremen haben ihre Eigenstaatlichkeit bis heute bewahren können. Vgl. Eitel, Art. Reichsstädte, in: Erler/Kaufmannm, HRG IV, Sp. 754 (759); Meinert, Art. Frankfurt am Main, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 1203 (1207).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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Reichsdeputationshauptschluß abgeänderten Punkten festschrieb.348 Die für sie überraschend günstigen Regelungen hatten die Ritter der Zahlung üppiger Bestechungsgelder an Napoleon349 sowie der Einflußnahme ihrer Partikulargesandten auf die Regensburger Reichsdeputation zu verdanken.350 Mehr als einen Pyrrhussieg konnten sie rückblickend betrachtet aber nicht erringen. §§ 24, 28 RDHS wichen von der damaligen Realität so sehr ab, daß sie für die folgenden Ereignisse kein Gewicht mehr hatten. Obwohl der Reichsdeputationshauptschluß die Reichsritterschaft scheinbar so gnädig behandelte, brachte er ihr faktisch erhebliche Verschlechterungen.351 Nicht nur verloren die Adligen durch den Wegfall ihres Monopols auf die hohen Kirchenämter ihre wichtigste Einnahmequelle,352 auch die mittelbare Bestandsgarantie im Reichsdeputationshauptschluß hatte für die Reichsritterschaft in der Praxis keinen Wert.353 In Anbetracht der Tatsache, daß viele Reichsstände mediatisiert worden waren, die zwar klein, aber doch immer noch größer als die Rittergüter waren, paßte die Reichsritterschaft nicht mehr in die neue Verfassungsstruktur des Heiligen Römischen Reiches; ihre Fortexistenz inmitten der Flächenterritorien erschien anachronistisch.354 Die vorher schon mediatisierungswilligen Landesherren richteten nach ihrem Machtzugewinn ihre Augen erst recht auf die Güter der reichsunmittelbaren Ritterschaft.355 Daher gingen die Reichsstände bereits ab November 1803 im sogenannten Rittersturm dazu über, die Reichsritterschaft unter Zwang und ohne Rechtsgrundlage zu mediatisieren.356 Fast alle Landesherren, in deren Nähe sich 347

So zu Recht Härter, Reichstag und Revolution, S. 601 Fußn. 174 i.V. m. Fußn.

160. 348

Dazu noch ausführlich unten, S. 224. Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (839); Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (331). 350 Burgdorf, FAZ vom 25.2.2003 (Nr. 47), S. 40; Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (839). 351 v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 457; Schroeder, JuS 2006, S. 577 (580). 352 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 459; Vierhaus, in: ders., Eigentum und Verfassung, S. 229 (231). Siehe oben, S. 31, und unten, S. 259. 353 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 281; Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (332); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. 354 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 170; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 47; Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (326); Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (58), der allerdings darauf hinweist, daß trotz dieses Anachronismus der Untergang der Reichsritterschaft keinesfalls von vornherein und zwangsläufig feststand. 355 Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (865). 356 Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (839 f.); Frotscher/ Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 170; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 460; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. 349

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

reichsritterschaftliche Güter befanden, ließen die Besitzungen der Ritter militärisch besetzen, um ihren Herrschaftsanspruch zu manifestieren.357 Daß es dabei alles andere als rücksichtsvoll zugegangen sein muß, verdeutlicht ein Zitat, das Kurfürst Friedrich von Württemberg zugeschrieben wird. Er soll seinen Okkupationskommissaren zugerufen haben: „Derjenige von Ihnen ist mir der willkommenste, über den die meisten Klagen einlaufen.“358 Nach Beschwerden aus dem Kreis der Reichsritterschaft bemühte sich das Reich um die Rettung ihrer Existenz. Der Reichshofrat erließ am 23. Januar 1804 ein Konservatorium, das bei Androhung der Exekution allen Reichsständen vorschrieb, die Eigentumsverhältnisse der Reichsritterschaft in den Stand zurückzuversetzen, den sie am 1. Dezember 1802 gehabt hatten.359 Die Landesherren wichen daraufhin tatsächlich noch einmal kurzzeitig zurück,360 bis aber im Dezember 1805 mit dem Frieden von Preßburg zumindest für die süddeutschen Gebiete eine Rechtsgrundlage zur Mediatisierung der Reichsritterschaft geschaffen wurde.361 Die Unfähigkeit des Reiches, eine seiner Institutionen zu retten, zeigt dessen extreme Schwäche im beginnenden 19. Jahrhundert.362 Das Reich, schreibt von Aretin, war gewissermaßen unter die Herrschaft von Raubfürsten geraten.363

III. Besetzung und Kompetenzen der Reichsorgane Angesichts der umfassenden Veränderungen, welche die Säkularisation und Mediatisierung im Heiligen Römischen Reich bewirkten, wäre es nicht verwunderlich gewesen, wenn dessen Verfassungsstruktur insgesamt überarbeitet worden wäre. Die vermittelnden Mächte hatten jedoch beschlossen, die Reichsorgane als solche bestehen zu lassen und so jedenfalls die Fassade der alten Reichsverfassung zu bewahren.364

357 Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (337); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 225. 358 Wiedergegeben bei v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 459, und bei Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (339 Fußn. 73). 359 Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (841); Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 76; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 460; Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (341); Vierhaus, in: ders., Eigentum und Verfassung, S. 229 (231). 360 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. 361 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 524; Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (842); Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 76; Schroeder, JuS 2006, S. 577 (580). 362 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (68). 363 In: Heiliges Römisches Reich I, S. 459, und: Das Alte Reich III, S. 508. 364 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (355).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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1. Der Reichstag Konsequenterweise blieb die Gliederung des Reichstags in die drei Kurien Kurfürstenkolleg, Reichsfürstenrat und Kollegium der freien Reichsstädte unangetastet, wenn auch erhebliche Veränderungen in ihrer Besetzung notwendig wurden. a) Das Kurfürstenkollegium Durch die Säkularisation waren den beiden geistlichen Kurfürstentümern Trier und Köln ihre Herrschaft und die letzten noch verbliebenen rechtsrheinischen Gebietsreste genommen worden, nachdem der größte Teil ihres Territoriums ohnehin schon durch den Frieden von Lunéville an Frankreich gefallen war.365 Daher schieden sie aus dem einstmals aus acht Mitgliedern bestehenden Kurfürstenkolleg aus. Andererseits waren neue Mittelstaaten entstanden, deren gesteigerte politische Bedeutung auch eine gewichtigere Stellung im Reichstag erforderlich erscheinen ließ.366 Man entschloß sich daher, einige von ihnen zu Kurfürstentümern zu erheben, so daß gem. § 31 RDHS nunmehr zusätzlich das säkularisierte Salzburg, Württemberg, Baden und Hessen-Kassel im Kurfürstenrat vertreten sein sollten. Mit Regensburg-Aschaffenburg, das dem Reichserzkanzler statt Mainz zugeteilt worden war,367 und den schon bisher vorhanden Kurfürstentümern Böhmen, Bayern, Sachsen, Brandenburg und Hannover war das Kurfürstenkolleg damit auf zehn Mitglieder angewachsen.368 Infolgedessen hatte sich zugleich das zuvor bestehende Übergewicht katholischer Kurfürstentümer in eine protestantische Mehrheit umgewandelt,369 ein Umstand, der ange365 Elicker, JA 2003, S. 995 (998); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 171; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 34; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (148). 366 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 34; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (148). 367 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 213. 368 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 49 f.; Krings, JZ 2003, S. 173 (177). 369 v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 456; Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 330; Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 360; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (148); Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (88); Wunder, Europäische Geschichte, S. 100. Zu dem Ergebnis, es habe konfessionelle Parität geherrscht, kommen dagegen Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 50, Elicker, JA 2003, S. 995 (998), und Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 171. Dies dürfte auf die unzutreffende Einstufung Sachsens als katholisches Kurfürstentum zurückzuführen sein (die Huber a. a. O. auch ausdrücklich vornimmt). Sachsen war jedoch seit dem 16. Jahrhundert in protestantischer Hand (Blaschke/Kretzschmar, in: Sante, Geschichte der deutschen Länder I, S. 481). Zwar war der Landesherr 1696 zur katholischen Konfession übergetreten, an der Religionseigenschaft der von ihm geführten Stimmen änderte der

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

sichts des damals stark konfessionell geprägten Stimmverhaltens370 von nicht zu unterschätzender Bedeutung war.371 Es war keineswegs gewiß, ob die damals noch erwartete nächste Wahl eines Kaisers wieder von einem Habsburger gewonnen werden konnte.372 b) Der Reichsfürstenrat Erhebliche Änderungen wurden auch im Reichsfürstenkolleg nötig. Auf Grund des Lunéviller Friedens war die Stimmenzahl im Fürstenrat 1801 von 100 auf 86 zurückgegangen.373 Die Stimmen der rechtsrheinischen einstmals geistlichen Fürstentümer blieben nach deren Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluß dagegen erhalten und standen nunmehr demjenigen weltlichen Fürsten zu, der das säkularisierte Gebiet erwarb.374 Den geänderten Verhältnissen versuchte der Reichsdeputationshauptschluß in § 32 durch eine Vermehrung der Virilstimmen375 Rechnung zu tragen. Die Gesamtzahl der Stimmen im Fürstenrat stieg auf 131 an376 und war damit so groß wie nie zuvor. Auch die Umbesetzungen im Reichsfürstenkolleg hatten für das Verhältnis der Konfessionen Bedeutung. Es war bereits seit 1801 protestantisch dominiert, denn unter den seinerzeit weggefallenen Fürstenratsstimmen der linksrheinischen Gebiete waren nur eine protestantische, aber 17 katholische gewesen.377 Diese Übermacht wurde infolge des Reichsdeputationshauptschlusses noch dadurch verstärkt, daß sich unter den säkularisierten Fürstentümern nur ein rein protestantisches befand378, aber eine Vielzahl katholischer Stimmen auf evangelische Landesherren überging.379 persönliche Konfessionswechsel aber nichts (Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 244). So führte der Kurfürst von Sachsen im Falle der Trennung der Reichsstände nach Konfessionen bis zum Ende des Alten Reiches den corpus evangelicorum an (Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 224 f.; Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 193). 370 Dazu Luh, Unheiliges Römisches Reich, S. 56 ff. 371 Vgl. Duchhardt, Protestantisches Kaisertum und Altes Reich, S. 314. 372 Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (88 f.); Weis, Der Durchbruch des Bürgertums, S. 253; Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (171). 373 Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 330; Härter, Reichstag und Revolution, S. 605 f. Unzutreffend dagegen die Angabe von Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 214, Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 303, und Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 34, die Zahl der Sitze sei gar auf 82 reduziert worden. 374 Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 182 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 50. 375 Zum Begriff der Virilstimme siehe oben, S. 33. 376 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 50. 377 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 65.

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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c) Das Kollegium der freien Reichsstädte Die Änderungen im Städtekollegium waren dagegen wenngleich folgenreich, so doch verhältnismäßig unkompliziert. Sie erstreckten sich gem. § 27 Abs. 1 RDHS auf die Selbstverständlichkeit, daß nunmehr nur noch die verbliebenen sechs freien Reichsstädte vertreten sein sollten. Durch diese Dezimierung ging das politische Gewicht ihrer Kurie im Reichstag weitgehend verloren.380 Wie die beiden anderen Kollegien war auch der schon immer protestantisch dominierte Städterat mit fünf evangelischen Mitgliedern und dem paritätischen Augsburg fest in der Hand der Lutheraner und Calvinisten.381 2. Der Kaiser Am Kaisertum selbst hatte der Reichsdeputationshauptschluß nichts verändert.382 Im Gegenteil wurde dem Kaiser der grundsätzlich unangetastete Fortbestand seiner reichsoberhauptlichen Rechte garantiert (§ 1 Abs. 1 RDHS: „Alle . . . Rechte, die Sr. Majestät dem Kaiser und König . . . als höchstem Reichsoberhaupte zustehen, bleiben Ihnen vorbehalten . . .“). Faktisch mußte er aber doch erhebliche Machteinbußen hinnehmen. Zum einen wurden die Reichsstädte, die zur Wahrung ihrer Souveränität an einem starken Reich interessiert waren, erheblich dezimiert. Städte und Kaiser hatten in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis gestanden. Die Städte benötigten kaiserlichen Schutz gegen die benachbarten, meist mächtigeren Flächenterritorien, der Kaiser war auf die Städte als zumeist fest an seiner Seite stehendes Reichstagskollegium angewiesen. Auch die geistlichen Reichsstände hatten zu den treuesten Unterstützern des Kaisers gezählt.383 Durch den fast vollständigen Verlust der freien Reichsstädte und der geistlichen Fürstentümer verloren der Kaiser und mit ihm das Reich die Pfeiler ihrer Macht.384 378 Es handelt sich um das Evangelische Stift Lübeck (§ 8 RDHS). Hinzu kam noch gem. § 4 das Fürstbistum Osnabrück, dessen Regierung alternierend einem katholischen und einem lutherischen Fürsten zufiel; Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (75); de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (11 f. Fußn. 12). 379 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 304; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 65. Genaue Zahlenangaben finden sich bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 50. 380 Siehe oben, S. 80. 381 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (355); v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 181. 382 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (355); ders., JuS 2006, S. 577 (579). 383 v. Rebmann, Die Abtretung des linken Rheinufers, S. 33; Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (28). 384 v. Wessenberg, Die Folgen der Säkularisationen (1801), abgedruckt bei v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 10 (S. 24 ff., hier S. 26); Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 714; Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

Des weiteren mußte die Durchsetzungsfähigkeit Kaiser Franz II.’ dadurch geschmälert werden, daß er als Katholik sich einem aus drei protestantisch dominierten Kollegien zusammengesetzten Reichstag gegenübersah.385 Der Kaiser hatte Grund zur Befürchtung, daß nunmehr der gesamte Reichstag in Opposition zu ihm stehen würde. Er konnte wie dargelegt nur wenige und zumeist unbedeutende Rechte allein ausüben; für die wichtigen Kompetenzen wie insbesondere die Gesetzgebung benötigte er dagegen die Mitwirkung der Reichsstände.386 Es stand eine gegenseitige Blockade von Kaiser und Reichstag bevor, die das Reich handlungsunfähig werden zu lassen drohte.387 Tatsächlich zeigte sich in den folgenden Jahren, daß es nur noch wenige Vorhaben realisieren konnte.388

IV. Die Auswirkungen auf die Religionsverfassung Die Probleme, die sich aus der konfessionellen Spaltung ergaben, und die Reihe von Gesetzen, die diese Schwierigkeiten zu lösen versuchten, ziehen sich wie ein roter Faden durch die deutsche Geschichte seit der Reformation. In diese Tradition, gebildet etwa durch den Passauer und den Augsburger Religionsfrieden sowie den Westfälischen Frieden, reiht sich auch der Reichsdeputationshauptschluß ein.389 Die Grundlinie gab § 60 RDHS vor. Danach blieb in den säkularisierten Ländern die politische Verfassung – damit war die gesamte vorherige Rechtslage gemeint390 – grundsätzlich bestehen. Diese allgemein gehaltene Garantie wurde allerdings durch die Einschränkung weitgehend entwertet, daß sie für die gesamte Zivil- und Militäradministration nicht galt.391

und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (198); Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 69; Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (324 f.); Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (860). v. Aretin, Das Reich, S. 37, bezeichnet die kleinen Reichsstände und die Reichsritterschaft als „den Mörtel in den Fugen des Reichsgebäudes“; Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (35), als das „Lebenselixier“ des Reiches. 385 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (355). 386 Siehe oben, S. 36, und unten, S. 163. 387 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 254; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 68. 388 Aegidi, Der Fürsten-Rat, S. 313 ff., mit einer Zusammenstellung der Verhandlungs- und Entschließungstätigkeit von 1804 bis 1806. 389 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 30; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 51. 390 Runde, Ueber die Erhaltung der öffentlichen Verfassung, S. 29. 391 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (49).

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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1. Die innere Kirchenverfassung Zwar hatte der Reichsdeputationshauptschluß das Ende der alten Germania Sacra bewirkt, die innere Kirchenverfassung sollte aber im Grundsatz überall dort beibehalten werden, wo sie nicht mit Hoheitsrechten in Berührung kam.392 a) Die Diözesaneinteilung Der geographische Zuschnitt der Bistümer war ein solcher Fall, in dem dieses Prinzip wirken konnte. Hoheitsgebiet und kirchenrechtliches Diözesangebiet eines geistlichen Reichsfürsten waren nicht nur theoretisch trennbar, sondern meist auch tatsächlich schon seit jeher auseinandergefallen. Die kirchliche Zuständigkeit des Fürstbischofs erstreckte sich fast immer über ein sehr viel größeres Gebiet als seine landesherrlichen Rechte reichten.393 So fiel es der Reichsdeputation nicht schwer, trotz Auflösung der geistlichen Fürstentümer die Diözesaneinteilung nicht zu verändern (§ 62).394 Allerdings war für die Zukunft eine Neueinteilung per Reichsgesetz vorgesehen. Wenn auch in § 62 RDHS nicht expressis verbis vorgeschrieben, sollte dessen Inhalt durch ein Reichskonkordat – also einen Vertrag zwischen Reich und Kirchen – vorbestimmt werden.395 Zwar wurden schon nach kurzer Zeit Verhandlungen mit Rom aufgenommen, bis zum Untergang des Reiches kam es aber nicht mehr zu der in § 62 RDHS vorgesehenen Diözesanneugliederung.396 b) Die kanonische Jurisdiktion Die weltliche Rechtsprechungsfunktion der geistlichen Reichsstände mußte als Hoheitsrecht mit der Herrschaftssäkularisation zwangsläufig auf das erwerbende Territorium übergehen.397 Dagegen war die kanonische Jurisdiktion eine 392 Der Delegierte des Hoch- und Teutschmeisters vertrat in der 16. Sitzung der Reichsdeputation am 16. Oktober 1802 die Auffassung, eine Änderung der inneren Kirchenverfassung liege außerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Reichsdeputation; RDHS-Protokolle I, S. 277 (285). 393 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (44); Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (33 f.). 394 Ausnahmevorschrift ist der oben (S. 54) zitierte § 25 RDHS, der für den Erzbischof von Mainz das neue Kurfürstentum Aschaffenburg-Regensburg schuf. 395 Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (149); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (44). 396 Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (149); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (45); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (62); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (9). 397 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (44).

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

primär innerkirchliche Angelegenheit. Folgerichtig durfte sie grundsätzlich von Reichs wegen nicht verändert werden. Zwar blieb sie durch den Reichsdeputationshauptschluß nicht gänzlich unberührt, denn § 1 Abs. 2 RDHS ordnete die Aufspaltung der Diözesan-Gerichtsbarkeit des Passauer Bischofs in einen bayerischen und einen österreichischen Teil an. Diese Norm blieb aber weitgehend bedeutungslos. Zum einen brachte sie durch ihren offensichtlichen Ausnahmecharakter zum Ausdruck, daß die kirchliche Jurisdiktion außerhalb ihres geographisch engen Anwendungsbereichs reichsrechtlich unangetastet bleiben sollte.398 Zum anderen wurde selbst im Bereich der Kirchengerichtsbarkeit des Bischofs von Passau die vorgeschriebene Trennung nie durchgeführt.399 c) Kirchlicher Besitz Als Spezialvorschrift zu § 60 RDHS und in Parallele zur Regelung des § 27 RDHS zugunsten der Reichsstädte400 findet sich in § 63 RDHS eine Bestimmung, die den status quo des konfessionellen wie vermögensrechtlichen Besitzstandes der drei großen christlichen Glaubensgemeinschaften Katholiken, Lutheraner und Calvinisten sicherte. Selbstverständlich konnte die Schutzbestimmung des § 63 Halbsatz (Hs.) 2 RDHS nicht für das Kirchenvermögen gelten, das durch den Reichsdeputationshauptschluß selbst säkularisiert bzw. zur Säkularisation freigegeben wurde.401 Dies findet sich zwar nicht expressis verbis niedergeschrieben, ist aber eine normlogische Selbstverständlichkeit, weil § 63 Hs. 2 RDHS als die genereller gefaßte Bestimmung hinter die spezielleren Säkularisationsvorschriften zurücktreten mußte, um letztere nicht gegenstandslos werden zu lassen. Da das kirchliche Vermögen von den Säkularisationen aber sehr umfangreich betroffen wurde402, war die Garantie des § 63 Hs. 2 RDHS praktisch nur von geringem Wert. 2. Der konfessionelle Zustand der Territorien Während § 63 Hs. 2 RDHS nur wenig Bedeutung hatte, entfalteten § 63 Hs. 1 und 3 RDHS auch in der Praxis beträchtliche Rechtswirkungen.403 § 63 Hs. 1 398

Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (44). Schwaiger, Die altbayerischen Bistümer, S. 211. 400 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (48). 401 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 173; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 37; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 52; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (150); Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (60); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (65); Zippelius, Staat und Kirche, S. 129. 402 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 232. 403 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (49). 399

C. Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses

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RDHS garantierte die Beibehaltung des gerade bestehenden konfessionellen Zustands. Damit wurde das im Westfälischen Frieden festgesetzte Normaljahr 1624 (Art. V §§ 31 ff. IPO), also das Datum, entsprechend dessen der Besitzstand geistlicher Güter und die konfessionellen Verhältnisse wiederhergestellt beziehungsweise konserviert werden sollte,404 durch den Stichtag 25. Februar 1803 ersetzt.405 Auf diese Weise ist zugleich die konfessionelle Lage auch dort sanktioniert worden, wo sie der Regelung des Westfälischen Friedens widersprach.406 Bedeutung erlangte § 63 Hs. 1 RDHS vor allem in den zahlreichen säkularisierten und mediatisierten Gebieten, die der Herrschaft eines Staates anderer Konfession unterworfen worden waren und deren Einwohner nun keinen zwangsweisen Übertritt mehr fürchten mußten.407 In der großen Mehrzahl handelte es sich um Katholiken, die unter die Herrschaft eines protestantischen Fürsten gerieten;408 insbesondere in Bayern fanden sich aber auch Einwohner mediatisierter protestantischer Reichsstädte in einem katholischen Gebiet wieder.409 § 63 Hs. 1 RDHS war allerdings der Einschränkung des § 63 Hs. 3 unterworfen, nach der der Landesherr abweichend vom Status-quo-Prinzip auch nach dem Toleranzprinzip verfahren, das heißt auch andere Religionen als die bisher im Staat praktizierte anerkennen konnte. Dies taten die Landesherren meist allein schon aus Gründen der Staatsräson.410 Wenn § 63 Hs. 3 RDHS von „andere(n) Religionsverwandte(n)“ sprach, waren damit entgegen dem ersten Anschein allerdings nicht alle Religionen gemeint.411 Art. VII § 2 IPO beschränkte die im Reich anerkannten Konfessionen auf Lutheraner, Calvinisten und Katholiken. Der Westfälische Frieden war aber selbstverständlich auch im Jahr 1803 noch geltendes Recht.412 „Andere Religionsverwandte“ im Sinne des Reichsdeputationshauptschlusses konnten also nur die durch den Westfälischen Frieden festgelegten zulässigen Bekenntnisse sein.413 Dennoch brachte § 63 Hs. 404 Hafke, Art. Normaljahr, in: Erler/Kaufmann, HRG III, Sp. 1038 (1038); Pieper, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 27 (45). 405 Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rdnr. 463; de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (14). 406 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (49). 407 Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 287; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 51; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 4. 408 Der Anteil der katholischen Reichsbürger, die durch den Reichsdeputationshauptschluß unter protestantische Herrschaft kamen, wird auf über 50% geschätzt; v. Aretin, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (30); Hartmann, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 241 (244). 409 de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (59); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (13). 410 Fitschen, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 257 (265). 411 So aber inzident Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (149). 412 Vertreter des Hoch- und Teutschmeisters in der 15. Sitzung der Reichsdeputation am 14. Oktober 1802, RDHS-Protokolle I, S. 253 (267).

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1. Teil: Die wesentlichen Änderungen der Reichsverfassung

3 RDHS einen bedeutenden Zuwachs an religiöser Toleranz.414 Durch ihn wurde auch formell das ohnehin nur noch selten genutzte landesherrliche ius reformandi abgeschafft, welches nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Herrschers statuiert hatte, für die Aufrechterhaltung der ausgeübten Religion als der einzigen in seinem Hoheitsgebiet zu sorgen.415 Eine jahrhundertealte Rechtspraxis, beginnend mit § 24 des Augsburger Religionsfriedens und fortgeführt in Art. V § 30 IPO, fand damit ihren Abschluß. Von der Befugnis des § 63 Hs. 3 RDHS machten die Landesherren in der Folgezeit häufig Gebrauch.416 Die frühere konfessionelle Geschlossenheit der Staaten verlor sich damit immer mehr.417 Bereits während der Verhandlungen in der Reichsdeputation gaben die Delegierten ihre Beeinflussung vom aufklärerischen Gedankengut der grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche und der religiösen Toleranz zu erkennen.418 Insgesamt demonstriert gerade die Regelung des § 63 RDHS mit der grundsätzlichen Unabhängigkeit der inneren Kirchenverfassung und der Unantastbarkeit der Konfessionszugehörigkeit, daß der Reichsdeputationshauptschluß unbeschadet aller Entschädigungsregelungen den Geist der Aufklärung atmete.419 413 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 94 Fußn. 276; de Wall, in: Marré/ Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (60); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (15). 414 de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (14). 415 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 18; Schlaich, Art. Jus reformandi, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 498 (501). 416 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 51, 398 f.; de Wall, in: Marré/ Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (60). 417 Feine, Kirchliche Rechtsgeschichte, S. 597; Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 287; Preuß, in: AK-GG, Art. 140 Rdnr. 4; Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (90). 418 Das zeigt sich etwa an der Äußerung des kurbrandenburgischen Delegierten in der 18. Sitzung der Reichsdeputation am 21. Oktober 1802, RDHS-Protokolle I, S. 325 (354): „Desto lauter fordern es der Geist und die Ehre unsers gegenwärtigen Zeitalters, keine beschränkende Vorschrift zu sanctionieren, die einem vernünftigen Toleranzsysteme, und einer allgemein freien Religionsausübung im Wege stehen könnte.“ In der 35. Sitzung der Reichsdeputation am 22. Dezember 1802 zeigt sich derselbe erfreut, daß „Dank sey es dem Geist unsers Jahrhundert – überhaupt die Zeiten vorüber seyen, wo Aberglauben und Fanatismus jeden politischen Welthandel zur Religionssache prägen konnten.“; RDHS-Protokolle II, S. 679 (682). Der Delegierte Württembergs forderte in der 19. Sitzung der Reichsdeputation am 23. Oktober 1802, dem Grundsatz der Religionsduldung möge „zur Beförderung und Verbreitung dieser edlen Denkungsart . . . der Weg gebahnt“ werden; RDHS-Protokolle I, S. 361 (386). In der 35. Sitzung der Reichsdeputation konstatiert derselbe Delegierte eine „in neuern Zeiten in und ausser Teutschland gebildete tolerantere Denkungsart“; RDHS-Protokolle II, S. 679 (688). 419 Fitschen, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 257 (264 f.); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 173; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 36.

Zweiter Teil

Die Rechtmäßigkeit und die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses Die bisherigen Ausführungen beschäftigten sich mit dem Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses. Es fragt sich nun, ob er auch zu geltendem Reichsrecht geworden ist. Das ist unzweifelhaft dann der Fall, wenn er rechtmäßig war (A.). Verstieß der Reichsdeputationshauptschluß jedoch gegen maßgebliches Recht, stellt sich die Frage, ob er dennoch wirksam war (B.).

A. Die Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses I. Vorfragen Vor Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses sind zunächst zwei Vorfragen zu beantworten. Zum einen muß geklärt werden, welche der im Laufe der Entstehung variierenden Fassungen relevant ist, zum anderen, welches Recht als Prüfungsmaßstab anzulegen ist. 1. Prüfungsgegenstand Die Bezeichnung „Reichsdeputationshauptschluß“, die sich in der Folgezeit für jenes Regelwerk eingebürgert hat, birgt die Gefahr einer gewissen Begriffsverwirrung in sich.1 Sie benennt dem Wortsinn nach nur den Abschlußbericht des Ausschusses zu Regensburg, der aber noch keine Rechtswirkung entfaltete. Er kann daher für die weitere rechtliche Würdigung auch nicht maßgeblich sein. Der Hauptschluß ist also erst in der Fassung relevant, in der er endgültig vom Reichstag verabschiedet und vom Kaiser ratifiziert worden ist. 2. Prüfungsmaßstab Um die Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses überprüfen zu können, ist zunächst zu klären, an welchem Recht er zu messen ist. Das ist ab1

Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 281; Stern, Staatsrecht V, S. 56 f.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

hängig von seiner Rechtsnatur. Es könnte sich um einen völkerrechtlichen Vertrag des Heiligen Römischen Reiches mit Frankreich gehandelt haben.2 Möglicherweise ist er aber auch als staats-3 oder völkerrechtlicher Vertrag der deutschen Reichsstände untereinander zu qualifizieren. Schließlich könnte er ein Reichsgesetz gewesen sein, wie die ganz überwiegende Literatur dies behauptet.4 a) Der Reichsdeputationshauptschluß als völkerrechtlicher Vertrag des Reiches mit Frankreich Die Vermutung, der Reichsdeputationshauptschluß sei ein völkerrechtlicher Vertrag des Heiligen Römischen Reiches mit Frankreich gewesen, ist insbesondere deswegen nicht abwegig, weil Frankreich maßgeblich an seiner Ausarbeitung beteiligt war und seinen Inhalt mehr oder weniger nach freiem Belieben bestimmen konnte. Weder ging der Anstoß zur Schaffung der Regelungen vom Alten Reich aus, noch hatte dieses im Entstehungsprozeß faktisch große Möglichkeiten, selbstbestimmt Inhaltsänderungen vorzunehmen.5 Hinzu kamen Einzelverträge zahlreicher Reichsglieder mit Frankreich, in denen die Säkularisationen in dem später auch im Reichsdeputationshauptschluß geregelten Umfang schon weitgehend ausgesprochen waren.6 Allerdings kommt es für die Klassifizierung eines Regelwerks als völkerrechtlichen Vertrag nicht darauf an, wer seinen Inhalt beeinflußt hat. Entschei2 Freisen, Rhein. Zeitschr. für Zivil- und Prozeßrecht 5 (1913), S. 507 (520); Kahl, Lehrsystem des Kirchenrechts und der Kirchenpolitik I, S. 178; Meurer, Bayerisches Kirchenvermögensrecht II, S. 40, 42, 51. 3 So Preußischer Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte, PrVBl. Bd. 45, S. 42 (42). 4 So RGZ 101, 10 (17); Becker, Art. Reichsdeputationshauptschluß, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 554 (554); Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 318; Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 255 Fußn. 3; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 42; Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 69; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (146); Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 138; Oberthür, Die Säkularisation im Urteil der deutschen Kirchenrechtswissenschaft, S. 100; Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 163 Anm. 17. Auch der Wiener Kaiserhof muß den Reichsdeputationshauptschluß als Reichsgesetz betrachtet haben, wenn sich in einem kaiserlichen Dekret vom 26. Juli 1805 die Weisung an den Reichshofrat findet, den Reichsdeputationshauptschluß gleich anderen Reichsgesetzen als gesetzliche Norm zu befolgen (Niedner, a. a. O., S. 138). Die gleiche Aufforderung findet sich bereits 1804 bei Klüber, Das Occupationsrecht, S. 9 f. 5 Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 222. 6 So hatte Preußen bereits am 23. Mai 1802 eine besondere Konvention mit Frankreich geschlossen; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 152. Ähnliche Verträge gab es auch zwischen Frankreich und Bayern, Württemberg, Baden und Mainz; Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (14). Zum historischen Zusammenhang siehe oben, S. 48.

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dend ist, ob ein Staat alleine es verabschiedet hat oder ob es einer Vereinbarung mit einem anderen Staat entspringt. Als eine Vertragspartei schien sich Frankreich aber nicht zu sehen, was etwa die Äußerungen des französischen Ministers Talleyrand zu erkennen gaben, der die Vorschläge seines Landes nur als „Entwurf“ und „guten Rath“ bezeichnete, den man dem Reichstag unterbreiten wolle.7 Wenn auch der Einfluß Frankreichs erheblich war, wirkte das Land in dieser Phase also nur mehr als Vermittler;8 unmittelbar an der Beschlußfassung beteiligt waren allein Organe des Heiligen Römischen Reiches.9 Damit war der Reichsdeputationshauptschluß kein völkerrechtlicher Vertrag mit Frankreich. b) Der Reichsdeputationshauptschluß als Staatsvertrag der deutschen Reichsstände untereinander Möglicherweise war der Reichsdeputationshauptschluß aber ein Staatsvertrag der deutschen Reichsstände untereinander. Dieser Gedanke liegt insofern nahe, als die Frage, ob er sich noch auf dem Boden der Reichsverfassung bewegte, für äußerst problematisch erachtet wurde. Man könnte daher argumentieren, die Fürsten hätten lieber einen Vertrag untereinander schließen wollen, statt sich auf den von der Reichsverfassung vorgesehenen, aber rechtlich unsicheren Weg zu begeben.10 Jedoch muß man einer Regelung, die man eventuell für verfassungswidrig hält, nicht gleich den Charakter als Gesetz absprechen.11 Zudem ist ein Staatsvertrag von einzelnen Territorien des Heiligen Römischen Reiches, der den Bestand anderer Reichsglieder angreift, als Vertrag zu Lasten Dritter rechtlich noch viel zweifelhafter. Vor allem aber durchlief der Reichsdeputationshauptschluß alle Stufen des Reichsgesetzgebungsverfahrens,12 seien sie nun ordnungsgemäß absolviert worden oder nicht. Hätten die Fürsten nur untereinander einen Staatsvertrag schließen wollen, wäre dieses Verfahren unnötig gewesen. 7 Erste Sitzung der Reichsdeputation am 24. August 1802; RDHS-Protokolle I, S. 3 (14), und bei Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 102 f. Direkt im Anschluß unterstreicht auch der Delegierte Kurböhmens seine Überzeugung von der Entscheidungsautonomie des Reichstags, RDHS-Protokolle I, a. a. O. 8 Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 139 Fußn. 3; Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 28 f. 9 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 41. 10 Dies könnte zur Ansicht des Preußischen Gerichtshofs zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte geführt haben. 11 Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 29. 12 Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 137. Unzutreffend verkürzend dagegen Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 54: „Eine außerordentliche Deputation des Reichstags . . . erließ auch die notwendigen verfassungsrechtlichen Änderungen im Reichsdeputationshauptschluß 1803“. Näher dazu unten, S. 95 ff.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

Dementsprechend äußerte auch der kurbrandenburgische Deputierte in einer der einleitenden Sitzungen der Reichsdeputation, es ginge darum, dem von Frankreich unterbreiteten „Vorschlag“13 „zur Vervollständigung der staatsrechtlichen Form“14 zu verhelfen. Auch die kaiserliche Ratifikation vom 28. April 1803 sprach von einer „gesetzliche(n) Vollendung“ der eingegangenen Pflichten.15 Damit gingen die maßgeblichen Organe einhellig davon aus, der Reichsdeputationshauptschluß sei ein förmliches Reichsgesetz. Sie hatten also offensichtlich nicht den Willen, einen Vertrag miteinander zu schließen. c) Der Reichsdeputationshauptschluß als völkerrechtlicher Vertrag der deutschen Reichsstände untereinander Schließlich ist eine dritte Variante der Einstufung des Reichsdeputationshauptschlusses denkbar: Wenn man das Heilige Römische Reich, wie es bisweilen geschieht,16 nicht als Staatsgebilde betrachtet, sondern als einen Verbund souveräner Staaten, der konsequenterweise nach völkerrechtlichen Regeln organisiert war, dann wäre der Begriff Reichsgesetz für den Reichsdeputationshauptschluß eine zumindest mißverständliche Bezeichnung. Vielmehr handelte es sich dann um einen völkerrechtlichen Vertrag der Reichsstände untereinander, wobei es im Unterschied zur soeben erörterten Auslegungsvariante als Staatsvertrag überhaupt keine Reichsgesetze im eigentlichen Sinne des Wortes geben konnte. Dieses Modell weicht freilich von der Einstufung des Reichsdeputationshauptschlusses als Reichsgesetz nur scheinbar ab. Wenn das Alte Reich tatsächlich ein Staatenbund war, dann waren sämtliche Reichsgrundgesetze als spezielle völkerrechtliche Rechtssätze und das Reichsherkommen als spezielles Völkergewohnheitsrecht zu interpretieren. Das von der Literatur sogenannte „Reichsverfassungsrecht“ trüge dann zwar einen irreführenden Namen, aber der Reichsdeputationshauptschluß wäre ebenso an ihm zu messen, wie es der Fall ist, wenn es sich um Gesetze im staatsrechtlichen Sinne handelte. Er könnte dennoch zu den „leges fundamentales“ gehören, die dann – ebenfalls mit mißverständlicher Bezeichnung belegt – allesamt völkerrechtlicher Natur wären. Daher muß zumindest an dieser Stelle die schwierige Frage nach der Staatsqualität des Heiligen Römischen Reiches noch nicht entschieden werden.

13

Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 102. Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 125. 15 Zweiter Absatz des Ratifikationsdekrets, vgl. Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 11 (S. 122). 16 Vgl. unten, Zweiter Teil, Fußn. 551. 14

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d) Der Reichsdeputationshauptschluß als Reichsgesetz Der Reichsdeputationshauptschluß war mithin kein völkerrechtlicher Vertrag mit Frankreich und kein Staatsvertrag der deutschen Länder untereinander. Er durchlief alle Stationen des Gesetzgebungsverfahrens – ob nun unter Einhaltung der Regeln oder nicht – und war daher ein förmliches Reichsgesetz17. Weil sich das Reich in Lunéville zuvor völkerrechtlich zur Umsetzung des Entschädigungsplans verpflichtet hatte, läßt er sich also in etwa mit einem Transformationsgesetz im Sinne des Art. 59 Abs. 2 GG nach heutiger Rechtslage vergleichen.18 Im übrigen war der Reichsdeputationshauptschluß wegen seines verfassungsändernden Charakters auch Reichsgrundgesetz.19 Also ist er anhand der reichsverfassungsrechtlichen Normen über das Reichsgesetzgebungsverfahren zu überprüfen.

II. Formelle Rechtmäßigkeit Die Verfahrensregeln für das Zustandekommen von Reichsgesetzen gehörten zum gesicherten Bestandteil des Verfassungsrechts im Heiligen Römischen Reich. Ein Reichsschluß, also ein Reichsgesetz, wurde nur dann als gültig angesehen, wenn es zunächst im Reichstag als sogenanntes Reichsgutachten beschlossen20, und dann durch den Kaiser ratifiziert wurde.21 Im Fall des Reichsdeputationshauptschlusses war jedoch dem gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren noch eine Station vorgeschaltet. Die Ausarbeitung wurde durch ein Reichsgutachten vom 2. Oktober 1801 einer außerordentlichen Reichsdeputation, also einem Ausschuß des Reichstags, übertragen. Der Kaiser ratifizierte diesen Überweisungsbeschluß durch Dekret vom 7. November 180122 und berief die Deputation am 2. August 1802 nach Regensburg ein.23 Sie trat erstmals am 24. August desselben Jahres zusammen.24 17 Unabhängig davon, ob der Begriff ein Gesetz im staatsrechtlichen Sinne bezeichnet oder nicht doch einen völkerrechtlichen Vertrag in einem Verbund unabhängiger deutscher Staaten. 18 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 162. 19 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (354); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (33); Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 318; a. A. ohne Begründung Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 60. 20 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 516; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 198. 21 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 29; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 516, 521; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 208; Pütter, Historische Entwickelung II, S. 166. 22 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 169. 23 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 174. 24 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 175.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

1. Die Ausarbeitung in der Reichsdeputation Zunächst ist erforderlich, daß die Übertragung der Beratungen auf die Reichstagsdeputation generell zulässig war [a)] und im konkreten Fall auch ordnungsgemäß erfolgt ist [b), c)]. Außerdem muß die Reichsdeputation verfahrensfehlerfrei gearbeitet haben [d)]. a) Übertragung der Ausarbeitung auf eine Reichsdeputation Die Möglichkeit einer Ausschußbildung war schon im 18. Jahrhundert allgemein anerkannt;25 ihr lag damals wie heute der Gedanke zugrunde, daß komplizierte Angelegenheiten sinnvollerweise nicht vollständig vom Plenum ausgearbeitet werden können, sondern effektiver behandelt werden, wenn sie zunächst auf eine kleinere Gruppe Abgeordneter übertragen werden.26 Damit war es grundsätzlich zulässig, die Ausarbeitung des späteren Reichsdeputationshauptschlusses an die Deputation zu delegieren. b) Zusammensetzung der Reichsdeputation Die Reichsdeputation muß aber ferner ordnungsgemäß besetzt gewesen sein. Sie bestand aus den acht Mitgliedern Kurmainz, Kurböhmen, Kurbrandenburg, Kursachsen, Bayern, Württemberg, Hessen-Kassel und dem Hoch- und Deutschmeister. aa) Religionsparitätische Besetzung Vier der Delegierten waren katholisch, die anderen vier evangelisch.27 Damit war jedenfalls das allgemeingültige und für die Besetzung von Reichsdeputationen zwingende28 Gebot der religionsparitätischen Zusammensetzung gem. Art. V § 51 IPO gewahrt.

25 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 275; Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 57. 26 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 275; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 213 f.; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 212. 27 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 27 Fußn. 44. 28 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 277 f.; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 554; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 220; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 213; Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 57.

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bb) Vertretung aller drei Reichstagskurien Die Reichsdeputation bestand je zur Hälfte aus Mitgliedern des Kurfürstenund des Fürstenkollegiums.29 Eine Unzulässigkeit der Ausschußbesetzung könnte sich aber aus dem Gesichtspunkt ergeben, daß die Mitglieder der freien Reichsstädte bei der Auswahl übergangen wurden. Teilweise ist in der späteren Literatur davon ausgegangen worden, in den Reichsdeputationen müßten stets Mitglieder aller drei Reichstagskollegien anwesend gewesen sein.30 Dann wäre bereits wegen fehlender Vertretung der Städte die Besetzung der Reichsdeputation unrichtig gewesen. Jedoch ergibt sich aus der zeitgenössischen Literatur, daß die Anwesenheit von Vertretern aller drei Kurien nur die Regel war, daß Ausnahmen also durchaus zulässig sein sollten.31 Bemerkenswerterweise hatten sogar diejenigen dem gemeinsamen Konklusum zur Einsetzung des Ausschusses zugestimmt, die am stärksten negativ betroffen waren, nämlich die Bank der freien Reichsstädte selbst.32 Hätte damals an der ordnungsgemäßen Zusammensetzung der Deputation gezweifelt werden können, wären wohl am ehesten von dieser Seite Einwände zu erwarten gewesen. Damit war die Besetzung der Reichsdeputation nicht aus dem Grund unzulässig, daß die Reichsstädte nicht vertreten waren. Sie war also insgesamt zulässig. c) Die Einsetzung der Reichsdeputation Schließlich ist erforderlich, daß die Reichsdeputation ordnungsgemäß eingesetzt worden ist. Dazu war ein ordentlicher Reichsschluß erforderlich, der insbesondere den Einsetzungsauftrag klar umschrieb.33 Der für einen Reichsschluß erforderliche Beschluß des Reichstags und die anschließende kaiserliche Ratifikation sind am 2. Oktober 1801 bzw. am 7. November 1801 erfolgt (s. o.). Der Auftrag der Deputation bestand laut der ReichsGeneral-Vollmacht vom 3. August 1802 darin, „[. . .] die in dem Lüneviller Friedensschlusse Art. 5 et 7 einer besondern Uebereinkunft noch vorbehaltenen Gegenstände [. . .] näher zu untersuchen, zu prüfen und mit Rücksicht auf das von Sr. Kaiserl. Majestät ratifizierte Reichsgutachten vom 2ten Oktober d. J. zu er-

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Siehe genauer oben, Erster Teil, Fußn. 165. Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 96; Burgdorf, FAZ vom 25.2.2003 (Nr. 47), S. 40. 31 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 277; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 553; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 220. 32 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (353); ders., Das Alte Reich und seine Städte, S. 25, 69. 33 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 277, 278 f. 30

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

ledigen.“34 Das genügte den Anforderungen an einen hinreichend klaren Einsetzungsauftrag. Damit ist die Reichsdeputation ordnungsgemäß eingesetzt worden. d) Die Beschlußfassung der Reichsdeputation Staatsrechtler früherer Jahrhunderte haben die Frage diskutiert, ob ein Reichsdeputationsschluß einer Ratifikation durch den Kaiser bedurfte. Dies hätte dem Kaiser ein Vetorecht an die Hand gegeben, mit dem er schon die endgültige Beschlußfassung im Reichstag hätte verhindern können. Da allerdings die Deputationen nur als Ausschüsse des Reichstags fungierten, konnte eine Eingriffsmöglichkeit des Kaisers in diesem frühen Stadium des Gesetzgebungsverfahrens nicht logisch begründet werden. Gegen Ende des Alten Reiches wurde dann auch Einigkeit darüber erzielt, daß ein Deputationsschluß vor seiner Weiterleitung an den Reichstag keiner kaiserlichen Ratifikation bedurfte.35 Mangels weiterer in Betracht kommender Fehler waren die Einsetzung der Reichsdeputation und der Verfahrensablauf mithin im ganzen rechtmäßig. 2. Der Beschluß durch den Reichstag Zwar hatte die Reichsdeputation ihren Hauptschluß nach längeren Beratungen am 25. Februar 1803 verabschiedet, zuständig für die Verabschiedung von Gesetzen war aber der Reichstag im ganzen (Art. VIII § 2 IPO); daher erlangte der Reichsdeputationshauptschluß noch nicht am 25. Februar 1803 Rechtswirksamkeit, sondern mußte als erster Schritt im eigentlichen Gesetzgebungsverfahren in Form des Reichsgutachtens vom Reichstag beschlossen werden.36 Dieser Beschluß fand am 24. März 1803 statt.37 Ob das Reichsgutachten ordnungsgemäß zustande gekommen ist, erscheint allerdings überaus problematisch. So stellt sich vor allem die Frage, ob es die im Reichstag erforderliche Mehrheit erhalten hat.

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RDHS-Protokolle, Beilagen I, S. 6 (7). Vgl. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 557 ff. 36 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 272; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 281. 37 Der Text dieses Reichsgutachtens findet sich bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 10 (S. 120 f.); Zeumer, Quellensammlung, Nr. 212b (S. 529); sowie im Internet über das „documentarchiv“ unter „http://www.documentarchiv.de/nzjh/ 1803/reichsgutachten-rdhs.html.“ 35

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a) Die grundsätzlichen Mehrheitserfordernisse im Reichstag Dazu muß zunächst geklärt werden, welche Mehrheitsverhältnisse grundsätzlich für erforderlich gehalten wurden. Die drei Reichstagskurien mußten sich untereinander stets einig sein, damit ein gültiges Reichsgutachten zustande kommen konnte.38 Nicht auf den ersten Blick erkennbar ist dagegen, welche Mehrheitsanforderungen innerhalb der Gremien bestanden. Ausdrückliche Regelungen über die erforderliche Stimmenzahl finden sich nicht; angesichts der in früheren Jahrhunderten vorherrschenden Praxis, daß die Stimmen bei Abstimmungen im Reichstag nicht einmal genau gezählt wurden,39 waren sie auch gar nicht nötig. Als sich aber eine genaue Zählung einbürgerte, wurde es stets als selbstverständlich angesehen, daß innerhalb der Reichstagskurien grundsätzlich eine Mehrheit der Stimmen vonnöten sei.40 Das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit war damals noch unbekannt, so daß die einfache Stimmenmehrheit zur Beschlußfassung grundsätzlich als ausreichend angesehen wurde, sei es, daß Reichsgrundgesetze erlassen, sei es, daß nur einfache Reichsgesetze verabschiedet oder abgeändert werden sollten.41 b) Die Ausnahmen vom Mehrheitsprinzip Die Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses könnte allerdings einen Ausnahmefall gebildet haben, in dem Einstimmigkeit innerhalb der Reichstagskurien erforderlich war. Nach damaliger Rechtslage mußten die Beschlüsse der Reichstagskurien in bestimmten Konstellationen einstimmig gefaßt werden, die sich mehr oder weniger eindeutig dem Art. V § 52 IPO entnehmen ließen. aa) Religionsangelegenheiten Zum einen verlangte Art. V § 52 IPO, daß in Religionsangelegenheiten eine gütliche Einigung („amicabilis compositio“) zu erzielen sei. Die in dieser Vorschrift vorgesehene übliche Prozedur war die, daß sich die drei Kollegien in zwei Blöcke, einen protestantischen und einen katholischen, aufteilten und sich 38 Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 201; ders., Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 83. 39 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 80. 40 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 583; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 80; Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 97; v. Gierke, Schmollers Jahrbuch 39 (1915), S. 565 (569); Luschin v. Ebengreuth, in: Hinneberg, Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte I, S. 198 (318); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 229. 41 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 80; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 47 Fußn. 63.

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bemühten, ein einheitliches Ergebnis zu erzielen (sogenannte itio in partes).42 Solange sich keines finden ließ, blieb die Sache ungelöst.43 Wurde aber die itio in partes nicht durchgeführt, obwohl es Religionsangelegenheiten zu entscheiden galt, verlangte Art. V § 52 IPO Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien.44 bb) Iura singulorum der Reichsstände Sehr viel undurchsichtiger ist die zweite in Art. V § 52 IPO geregelte Variante des Einstimmigkeitserfordernisses „ubi status tanquam unum corpus considerari nequeunt“, also wenn die Reichsstände nicht als ein Corpus anzusehen waren. Diese gesetzliche Formulierung verdunkelt mehr, als sie klärt, denn wann ein solcher Fall eintreten solle, gab der Westfälische Friedensvertrag an keiner Stelle zu erkennen.45 Wenn auch die spätere Reichsstaatslehre insoweit nie völlige Einigkeit erzielen konnte46, hatten Theorie und Praxis dem derart unbestimmten Rechtsbegriff bis zur Spätphase des Alten Reiches allerdings doch einigermaßen feste Konturen gegeben. Die Reichsstände sollten im Sinne des Art. V § 52 IPO in den Angelegenheiten nicht als ein Corpus anzusehen sein, die ein Recht betrafen, das einem Reichsstand gerade als solchem und in seiner Funktion zustand, das er also nicht im Reichsinteresse, sondern ohne Rücksicht auf die gesellschaftliche Verbindung aller Reichsstände nur im eigenen Interesse zu verteidigen hatte.47 Diese sogenannten „iura singulorum“ betrafen nicht in erster Linie das Reichsganze, weshalb insoweit auch kein Reichsstand überstimmt werden durfte.48 Deswegen war bei Eingriffen in die iura singulorum ebenfalls Einstimmigkeit erforderlich.49

42 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 592; Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 245; Pieper, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 27 (45); Schindling, Art. Westfälischer Friede, in: Erler/Kaufmann/ Werkmüller, HRG V, Sp. 1302 (1306). 43 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 609; Daur, Art. Itio in partes, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 451 (452); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 226. 44 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 289, 295 f.; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 57. 45 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 184. 46 Vgl. dazu Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 182 ff. m. w. Nachw. 47 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 585 f.; Laband, Annalen des Deutschen Reiches 1874, Sp. 1487 (1492). 48 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 583; Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, § 129; Laband, Annalen des Deutschen Reiches 1874, Sp. 1487 (1492). 49 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 585; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 210 f.

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cc) Wohlerworbene Rechte der Reichsstände Nicht ausdrücklich geregelt, aber doch allgemein anerkannt, war schließlich eine dritte Fallgruppe von Angelegenheiten, über die nur einstimmig entschieden werden durfte. Über Art. V § 52 IPO hinaus waren alle wohlerworbenen Rechte eines Reichsstands, die sogenannten iura singularia oder iura quaesita, Mehrheitsbeschlüssen entzogen.50 Bedingung war jedenfalls, daß der betroffene Reichsstand dem Rechtseingriff zustimmte, daß er also nicht überstimmt wurde. Die Abgrenzung von wohlerworbenen Rechten zu den iura singulorum ist dabei nicht einfach zu ziehen.51 Die iura quaesita umfaßten alle subjektiven Rechte, die eine Person einmal erworben hatte und die ihr nun mit erhöhtem Bestandsschutz zugeordnet waren.52 Gleichgültig war, ob es sich um eine natürliche oder juristische Person handelte.53 Auf die Situation der Reichsstände übertragen bedeutete das, daß die iura singulorum die Rechte waren, die ihnen losgelöst vom Reichsverband zustanden, die iura singularia hingegen die Rechte gerade gegenüber dem Reichsverband.54 c) Die Mehrheitserfordernisse für den Reichsdeputationshauptschluß Wenn sich die Regeln des Reichsdeputationshauptschlusses einer der drei genannten Gruppen zuordnen lassen, war statt einer gewöhnlichen Mehrheitsentscheidung des Reichstags eine einstimmige erforderlich. aa) Die Regelungen zur Mediatisierung der weltlichen Reichsstände Zunächst soll für die Mediatisierung der weltlichen Reichsstände untersucht werden, ob Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien notwendig gewesen ist.

50 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 238; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 587; Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 97; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 48. 51 Teilweise findet sich auch eine völlige Gleichsetzung, z. B. Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 97. 52 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 585 f.; Bauer, Geschichtliche Grundlagen, S. 38. Ausführlich Malmendier, Vom wohlerworbenen Recht, S. 41 ff. 53 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 357 f.; Pirson, Art. Jura quaesita, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 472 (472). 54 Laband, Annalen des Deutschen Reiches 1874, Sp. 1487 (1496). Inzident auch Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 238.

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(1) Eingriff in iura singulorum Die Entscheidung mußte zum einen dann einstimmig erfolgen, wenn die Normen einen Eingriff in iura singulorum darstellten. Dann müßten nach obiger Definition mit der Reichsunmittelbarkeit Rechte verbunden gewesen sein, die den mediatisierten Reichsständen gerade als solchen und losgelöst von ihrer Beziehung zum Reichsverband zustanden. Den Territorien kam aufgrund ihrer Reichsunmittelbarkeit Landeshoheit zu, sei sie abgeleitet oder originär. Diese Hoheitsgewalt war nach damaligem Verständnis die Summe aller Rechte, die der Reichsstand gegenüber seinen Untertanen hatte.55 Sie war mithin eine nach innen wirkende Rechtsposition und damit zumindest auch ein Recht, das nicht in Beziehung zum Reichsganzen stand. Daher waren mit der Reichsunmittelbarkeit Rechte verbunden, die den Reichsständen gerade als solchen und losgelöst vom Reich als Gemeinwesen zustanden und die somit unter die Gruppe der iura singulorum fielen.56 Durch den vollständigen Entzug der Hoheitsrechte im Wege der Mediatisierung griff der Reichsdeputationshauptschluß in diese iura singulorum der weltlichen Reichsstände ein.57 Es war folglich insoweit Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien erforderlich. (2) Eingriff in wohlerworbene Rechte Dazu könnte noch kommen, daß die Mediatisierung der weltlichen Reichsglieder einen Eingriff in ihre wohlerworbenen Rechte bedeutete und auch aus diesem Grund einstimmig erfolgen mußte. Dann müßte die Reichsunmittelbarkeit zusätzlich zu ihrer Zugehörigkeit zu den iura singulorum den Reichsständen eine Rechtsposition vermittelt haben, die ihnen gegenüber dem Reichsganzen zustand. Im Reichstag waren nur die Reichsstände vertreten und damit ausschließlich reichsunmittelbare Gebiete. Verlor ein Gebilde seine Reichsunmittelbarkeit, war auch der Verlust der Reichstagsmitgliedschaft unausweichlich. Der Reichstag wiederum hatte eine erhebliche Einwirkungsmöglichkeit auf die Politik und Rechtsetzung des Alten Reiches,58 so daß die Reichsunmittelbarkeit zugleich mit einem Recht zur Mitbestimmung bei Reichspolitik und -gesetzgebung verbunden war. Dadurch gelang es den Reichsständen, auch eigene Interessen ge55 Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 47 f.; Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 181 f. Ausführlich siehe unten, S. 159 ff. 56 Vgl. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 586, der allgemein die Rechte der Reichsstände in ihrem Land unter die iura singulorum subsumiert. 57 Unentschieden Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 48. 58 Siehe oben, S. 35.

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genüber dem Reichsganzen durchzusetzen. Auf diese Weise vermittelte die Reichsunmittelbarkeit nicht nur eine Rechtsposition der Territorien gegenüber ihren Untertanen, sondern auch gegenüber dem Reichsganzen dadurch, daß sie zu einem Sitz im Kurfürsten-, Reichsfürsten- oder Städterat berechtigte. Also war die Reichsstandschaft ein wohlerworbenes Recht;59 in das durch ihren Entzug unzweifelhaft eingegriffen wurde. Damit war für die Vorschriften des Reichsdeputationshauptschlusses, soweit sie die Mediatisierung der reichsunmittelbaren Territorien vorsahen, Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien sowohl wegen Eingriffs in iura singulorum als auch wegen Eingriffs in wohlerworbene Rechte erforderlich.60 bb) Die Regelungen zur Herrschaftssäkularisation der geistlichen Reichsstände Auch für die Anordnung der Herrschaftssäkularisation der kirchlichen Reichsstände könnte Einstimmigkeit erforderlich gewesen sein. (1) Religionsangelegenheiten Gem. Art. V § 52 IPO war eine einstimmige Entscheidung notwendig, wenn die Herrschaftssäkularisation eine Angelegenheit in Religionssachen war. Die Definition von Religionssachen im Sinne des Westfälischen Friedens konnte nie zufriedenstellend erfolgen.61 Sinn der Regelung war es jedenfalls, einen Bürgerkrieg zu verhindern, indem eine Unterdrückung der jeweiligen religiösen Minderheit eines Gebiets durch Mehrheitsentscheid verhindert wurde.62 Es kam demnach nicht darauf an, ob ein Reichsgesetz religiöse Fragen im engeren Sinne regelte. Vielmehr enthielt ein Reichsgesetz schon dann Regelungen in Religionssachen, wenn es eine Konfession stärker betraf als die anderen, wenn also das Verhältnis der Konfessionen untereinander berührt war.63 Wie sich auch an Art. V § 9 IPO ersehen läßt64, waren dafür vorrangig politische Regeln

59 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 586; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 48 f.; Laband, Annalen des Deutschen Reiches 1874, Sp. 1487 (1496). 60 Anders Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 48 f., der von einer strengen Alternativität von iura quaesita und iura singulorum auszugehen scheint, sich aber nicht festlegt, welche im Fall des Reichsdeputationshauptschlusses betroffen waren. 61 Link, JZ 1998, S. 1 (6). 62 Pütter, Historische Entwickelung II, S. 80; Daur, Art. Itio in partes, in: Erler/ Kaufmann, HRG II, Sp. 451 (452); Heckel, ZRG 80 Kan. Abt. 49 (1963), S. 261 (385); Link, JZ 1998, S. 1 (6). 63 Pütter, Historische Entwickelung II, S. 80; Heckel, ZRG 80 Kan. Abt. 49 (1963), S. 261 (385).

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ausreichend, die sich auf die Religionsangelegenheiten lediglich mittelbar auswirken.65 Faktisch betraf die Herrschaftssäkularisation wesentlich stärker katholische als evangelische Reichsstände. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Umwandlung der katholischen Dominanz in den beiden höheren Reichstagskollegien in eine protestantische.66 Eine weitreichendere Berührung des Verhältnisses der Bekenntnisse zueinander als die direkte Umkehrung der Mehrheiten in den Reichstagskurien ist in der damaligen Zeit kaum vorstellbar. Daß sie von erheblicher praktischer Relevanz sein mußte, zeigt auch die spätere Widerstandshaltung des Kaisers gerade gegen die Schaffung einer lutherischen und reformierten Übermacht im Reichstag, während alle anderen Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses sein Einverständnis bekamen.67 Daher handelte es sich bei der Herrschaftssäkularisation der geistlichen Reichsstände um eine Religionssache im Sinne des Art. V § 52 IPO.68 Wäre das Verfahren der itio in partes gewählt worden, also der Aufteilung des Reichstags in einen evangelischen und einen katholischen Block, hätte dies ausdrücklich erklärt werden müssen,69 was nicht geschah. Also ist bezüglich der Herrschaftssäkularisation gem. Art. V § 52 IPO wegen Regelungen in Religionssachen Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien erforderlich gewesen.70 (2) Iura singulorum und wohlerworbene Rechte Zudem bedeutet der Entzug der Reichsunmittelbarkeit für die geistlichen Gliedstaaten ebenso wie für die weltlichen einen Eingriff in iura singulorum

64 Nach der Übersetzung von Buschmann, Kaiser und Reich II, Nr. 12, S. 15 (37), lautet Art. V § 9 IPO: „Eine Stimmenmehrheit in Angelegenheiten, die die Religion mittelbar oder unmittelbar betreffen, findet nicht statt und soll den Bürgern im Heiligen Römischen Reich, die der Augsburgischen Konfession angehören, ebensowenig von Nachteil sein, wie den Kurfürsten, Fürsten und Ständen [. . .].“ 65 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 238; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 211. Die allgemein weite Auslegung der Religionsangelegenheiten im Sinne des Westfälischen Friedensvertrags führte dazu, daß nahezu alle die Reichsinstitutionen betreffenden Entscheidungen des Reichstags im Wege der itio in partes getroffen wurden; Luh, Unheiliges Römisches Reich, S. 56. 66 Siehe oben, S. 83 f. 67 Dazu näher unten, S. 115. 68 So auch Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 210; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 57 Fußn. 144. 69 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 295. 70 So auch Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 210; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 57 Fußn. 144; Krings, JZ 2003, S. 173 (176); Richter/ Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 211.

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und wohlerworbene Rechte (s. o.). Auch aus diesem Grund mußte daher der Reichsdeputationshauptschluß einstimmig angenommen werden. Damit war für die Herrschaftssäkularisation der geistlichen Reichsfürstentümer Einstimmigkeit zum einen wegen einer Regelung in Religionsangelegenheiten gem. Art. V § 52 IPO, zum anderen wegen Eingriffs in iura singulorum und wohlerworbene Rechte erforderlich. cc) Die Regelungen zur Vermögenssäkularisation in den geistlichen Fürstentümern Die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer beschränkte sich nicht auf den Entzug ihrer Hoheitsgewalt. Vielmehr sollte zugleich der größte Teil ihres Vermögens, das Entschädigungsgut, auf das erwerbende Territorium übergehen. Auch für diese Dimension der Säkularisation war möglicherweise ein einstimmiger Beschluß des Reichstags erforderlich. (1) Religionsangelegenheiten Hinsichtlich der Vermögenssäkularisation in den geistlichen Reichsfürstentümern liegt wie schon bei der Herrschaftssäkularisation der Gedanke nahe, daß es sich um eine Religionsangelegenheit handelte, deren Regelung gem. Art. V § 52 IPO der Einstimmigkeit bedurfte. Wie oben dargestellt lag eine Religionsangelegenheit im Sinne des Westfälischen Friedens zumindest dann vor, wenn das Verhältnis der Konfessionen untereinander berührt war. Hätten die reichen Besitztümer der Domkapitel weiterhin der Kirche gehört, hätte sie trotz Abgabe ihrer weltlichen Hoheitsrechte in den Erwerberländern noch einen beachtlichen Machtfaktor gebildet, den sie zur Einflußnahme auf die Politik des erwerbenden Gliedstaats hätte nutzen können. So aber mußte die Kirche zusehen, wie ihr nicht nur ihr Besitz, sondern mit ihm auch ihre politisches Gewicht entzogen wurde; ein Verlust, der durch den Übergang der Klosterverwaltung auf den Staat noch verstärkt wurde. Da von der Säkularisation wesentlich mehr katholische als protestantische Reichsfürstentümer betroffen waren,71 wurde die katholische Kirche in ihren finanziellen Möglichkeiten durch die Vermögenssäkularisation in ungleich stärkerer Weise beeinträchtigt als die protestantische. Also berührten die entsprechenden Vorschriften des Reichsdeputationshauptschlusses das Verhältnis der Konfessionen zueinander, so daß eine Religionsangelegenheit im Sinne des Art. V § 52 IPO vorlag. Das Verfahren der itio in partes ist nicht ausdrücklich erklärt worden (s. o.), mithin war auch gem. Art. V § 52 IPO Einstimmigkeit erforderlich. 71

Siehe oben, S. 84.

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(2) Iura singulorum Dagegen stand das Eigentum am Kirchenvermögen den geistlichen Fürstentümern nicht in ihrer Funktion als Reichsstände zu. Ein Eingriff in ihre iura singulorum bedeutete die Vermögenssäkularisation somit nicht. (3) Wohlerworbene Rechte Die Vermögenssäkularisation könnte aber ein Eingriff in wohlerworbene Rechte der kirchlichen Reichsstände gewesen sein. Dann müssen die Rechte an den Kirchengütern den geistlichen Reichsfürstentümern als subjektive Rechtsposition zugestanden haben. Wie oben dargestellt lag das Wesen der Säkularisation gerade darin, daß nicht nur die Hoheitsrechte, sondern in weitem Umfang auch geistliches Eigentum an Grund und Boden sowie an sonstigen vermögenswerten Gütern auf den neuen Landesherrn überging.72 Das Eigentum im zivilrechtlichen Sinne ist aber der Hauptanwendungsfall eines Rechts, das dem einzelnen zusteht und damit geradezu ein Musterbeispiel eines wohlerworbenen Rechts.73 Auch damals konnte es nicht nur Privaten, sondern ebenso der öffentlichen Hand zustehen.74 Das Eigentum der säkularisierten reichsunmittelbaren Fürstentümer an Grund und Boden und den Vermögensbestandteilen unterfiel daher der Gruppe der wohlerworbenen Rechte.75 Durch den Reichsdeputationshauptschluß wurde das reichsunmittelbare Kirchenvermögen der säkularisierten Gebiete anders als das mittelbare mit Immediatwirkung vollständig entzogen. Damit bedeutete die Vermögenssäkularisation einen Eingriff in die wohlerworbenen Rechte einiger Reichsstände. Auch insoweit war also Einstimmigkeit erforderlich. Es ergibt sich somit, daß für die Vermögenssäkularisation in den reichsunmittelbaren geistlichen Territorien aufgrund einer Regelung in Religionsangelegenheiten und eines Eingriffs in wohlerworbene Rechte Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien notwendig war. dd) Die Regelungen zur Vermögenssäkularisation der landesunmittelbaren Stifte, Klöster und Abteien Darüber hinaus könnte auch für die Säkularisationsbefugnis des § 35 RDHS Einstimmigkeit erforderlich gewesen sein. 72

Siehe oben, S. 54. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 384 f.; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 356, 362. 74 Klüber, Öffentliches Recht des Teutschen Bundes, § 328. 75 Vgl. Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 355. 73

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(1) Religionsangelegenheiten Das ist zum einen dann der Fall, wenn die Vermögenssäkularisation des § 35 RDHS eine Regelung in Religionsangelegenheiten im Sinne des Art. V § 52 IPO war. Dann muß sie nach obigen Ausführungen das Verhältnis der Konfessionen zueinander berührt haben. Zwar differenzierte der Reichsdeputationshauptschluß nicht zwischen protestantischem und katholischem Kirchengut, in der Praxis waren aber die Güter der katholischen Kirche wesentlich zahlreicher als die der Lutheraner und Calvinisten. Geistliche Stifte etwa gab es bei den Protestanten überhaupt nicht.76 Daher mußte die katholische Konfession sehr viel mehr Dispositionsgut zur Verfügung stellen als die evangelische.77 Also ist auch für die landesherrliche Ermächtigung zur Säkularisation der geistlichen landesunmittelbaren Kirchengüter durch § 35 RDHS gem. Art. V § 52 IPO wegen einer Regelung in Religionsangelegenheiten Einstimmigkeit in allen Reichstagskurien erforderlich gewesen. (2) Wohlerworbene Rechte Durch die Regelung über das Dispositionsgut wurde zwar in das Eigentum und folglich in wohlerworbene Rechte eingegriffen, jedoch handelte es sich um iura quaesita der Kirche und nicht eines Reichsstands. Daher war keine Einstimmigkeit wegen Eingriffs in wohlerworbene Rechte eines Reichstagsmitglieds notwendig. Insgesamt ergibt sich das Einstimmigkeitserfordernis aber für die Säkularisation landesunmittelbaren Kirchenvermögens aus Art. V § 52 IPO. ee) Die sonstigen Vorschriften des Reichsdeputationshauptschlusses Fraglich bleibt aber, ob sich das Erfordernis der Einstimmigkeit, das für alle Säkularisations- und Mediatisierungsvorschriften galt, auch auf die übrigen Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses erstreckte. Als Beispiel kann etwa § 33 RDHS dienen, der den Kurfürsten das unbedingte Privilegium de non appellando gewährte.78 Isoliert betrachtet kommt diesen Vorschriften jedenfalls weder der Charakter als Religionsangelegenheiten im Sinne des Art. V § 52 76

Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 277. Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 211. 78 „Das unbedingte Privilegium de non appellando kömmt allen Kurfürsten, für alle ihre Besitzungen, deßgleichen dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt für seine alten und neuen zu statten, und es wird dem Gesammthause Nassau für seine alten und neuen Besitzungen verwilliget werden.“ Das Privilegium de non appellando schloß Rechtsmittel zu den höchsten Reichsgerichten aus, verlieh einem Landesherrn also das Privileg der vollständigen Gerichts77

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IPO noch als Eingriff in iura singulorum oder iura quaesita der Reichsstände zu. Das Einstimmigkeitserfordernis könnte sich aber daraus ergeben, daß es bereits für die Säkularisations- und Mediatisierungsvorschriften galt. Betrachtet man den Reichsdeputationshauptschluß als ganzen, so sind diese Regeln nicht nur der Grund für die Schaffung des Gesetzes, sondern stehen auch inhaltlich in dessen Mittelpunkt. Die Paragraphen, die sich nicht unmittelbar mit der Säkularisation und Mediatisierung befassen, dienen dazu, deren Folgen und Auswirkungen zu regeln. Ohne die Hauptregelungen ergäben sie einen ganz anderen Sinn und entsprächen nicht mehr den Zielen, die der Gesetzgeber mit ihnen verfolgte. Sie wären der Torso eines Reichsgutachtens, der einen völlig anderen Inhalt hätte, als der eigentlich mit dem Reichsdeputationshauptschluß gewollte. Es ist keine Konstellation denkbar, in der eine Verabschiedung dieses Teils unter geringeren Mehrheitsanforderungen sinnvoll gewesen wäre, während der Rest am Einstimmigkeitserfordernis unter Umständen scheiterte. Der Reichsdeputationshauptschluß stellte sich damit als einheitliches Gesetz dar, das seinen Regelungsgehalt ohne die Säkularisation und Mediatisierung völlig verändert hätte.79 Daher war es nicht möglich, für die Verabschiedung eines Teils von ihm geringere Mehrheitsanforderungen zu stellen.80 Also erstreckte sich das Erfordernis der Einstimmigkeit auf den gesamten Reichsdeputationshauptschluß, mithin auch auf die Vorschriften, die sich nur mittelbar mit der Säkularisation und Mediatisierung befaßten. d) Die Wahrung der Mehrheitserfordernisse Bei Betrachtung der Beratung über den Reichsdeputationshauptschluß durch den Reichstag und der anschließenden Verabschiedung als Reichsgutachten finden sich Vorgänge, die erhebliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit wecken. So waren die Reichsstände, die aufgelöst werden sollten, bei den Sitzungen nicht anwesend.81 Dies hatte etwa im Kollegium der Reichsstädte zur Folge, daß sich von den nach dem Friedensschluß von Lunéville noch übriggebliebenen 47 Städten gerade einmal die Vertreter von Augsburg, Lübeck, Nürn-

herrschaft in seinem Gebiet. Zum Privilegium de non appellando siehe noch unten, S. 169. 79 Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 255; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 57. 80 Ähnlich argumentiert das Bundesverfassungsgericht bei der sich im heutigen Recht parallel stellenden Problematik der Reichweite der Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzen im Bundesrat, wenn nur ein Teil derselben die Zustimmungsbedürftigkeit begründet; BVerfGE 55, 274 (326 f.). 81 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 56; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 25.

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berg, Frankfurt, Bremen und Hamburg an der Abstimmung beteiligen konnten. Die anderen zu säkularisierenden oder zu mediatisierenden Reichsstände hatten entweder ihren Reichstagsgesandten nicht nach Regensburg geschickt oder gar keinen solchen mehr legitimiert.82 Bei den Sitzungen verfuhr man folgendermaßen: Man rief auch die abwesenden Reichsstände zur Abstimmung auf. Als sich daraufhin wie nicht anders zu erwarten niemand meldete, wurden die Stände dem üblichen Verfahren entsprechend als „abwesend“ eingetragen, falls ihr Vertreter nicht erschienen war, oder als „vacat“, wenn gar kein Gesandter mehr legitimiert war.83 In der Schlußabstimmung wurde schließlich auf den Aufruf der Abwesenden ganz verzichtet.84 Der Reichsdeputationshauptschluß wurde mit Reichsgutachten vom 24. März 1803 von allen anwesenden Gesandten unbedingt angenommen.85 Keiner der Anwesenden hat also dem Reichsdeputationshauptschluß seine Zustimmung verweigert. Dennoch war dem Einstimmigkeitskriterium nicht genügt, wenn auch die Stimmen der auf den betreffenden Sitzungen nicht vertretenen Reichsstände hätten abgegeben werden müssen. Hierüber gibt die bloße Abwesenheit einzelner Reichsstände bei den Verhandlungen im Reichstag noch keine Auskunft. Es war in der Geschichte des Alten Reiches schon häufig vorgekommen, daß bei den Sitzungen nicht alle Gesandten präsent waren.86 Das Reichsherkommen verlangte die Anwesenheit aller Reichstagsvertreter auch nicht zwingend, sondern fingierte ihre Abwesenheit als Zustimmung zu dem entsprechenden Verhandlungsgegenstand. Voraussetzung war allerdings immer gewesen, daß die Reichsstände nicht gegen ihren Willen von den Sitzungen des Reichstags ausgeschlossen wurden, sondern den Abstimmungen freiwillig fernblieben.87 Damit ist die über die formelle Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses entscheidende Frage formuliert: Wurden die zur Säkularisation bzw. Mediatisierung vorgesehenen Reichsstände gegen ihren Willen von den Reichstagssitzungen ferngehalten oder verzichteten sie freiwillig auf ihre Anwesenheit und ihr Stimmrecht? Bevor mit der Beantwortung dieser Frage begonnen werden kann, muß allerdings festgelegt werden, wie Freiwilligkeit in diesem Zusammenhang zu verstehen ist. Gänzlich freiwillig war das gesamte Entschädigungsgeschäft ohnehin nicht, denn es war dem Heiligen Römischen Reich von 82

Härter, Reichstag und Revolution, S. 594. Härter, Reichstag und Revolution, S. 595; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 56; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 26. 84 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 56. 85 Härter, Reichstag und Revolution, S. 596. Quellenangaben: Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 37. 86 Härter, GWU 2003, S. 484 (494). 87 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 255 f.; Härter, Reichstag und Revolution, S. 592; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 55. 83

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auswärtigen Mächten, vor allem Frankreich, aufgezwungen worden. Doch forderte das Reichsherkommen keine – im einzelnen schwierig feststellbare – inhaltliche Übereinstimmung der Reichsstände mit dem Reichsgutachten, bei deren Abstimmung sie fehlten. Vielmehr kam es nur darauf an, ob die Entscheidung über die Nichtbeteiligung an den konkreten Sitzungen freiwillig erfolgte, um ihre Zustimmung zu fingieren. Nur diese Frage und nicht etwa die eventuelle Absicht der Reichsstände zur Abgabe ihrer eigenen Hoheitsrechte ist hier zu untersuchen.88 aa) Das Verhalten der vermittelnden Mächte und der Reichstagsmehrheit Eine Stimmabgabe der aufzulösenden Reichsstände hätte eine einstimmige Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses als Reichsgutachten ganz offensichtlich gefährdet. Dieser Gefahr bewußt strebten die „vermittelnden Mächte“ Frankreich und Rußland die Suspendierung all derjenigen Reichsstände an, deren Säkularisation bzw. Mediatisierung beschlossen werden sollte.89 Sie übermittelten dem Reichstag eine genaue Auflistung der von ihnen gewünschten Stimmführung. Konkret verlangten die Vertreter Frankreichs und Rußlands, Laforêt und Bühler, den Ausschluß aller Territorien von den Beratungen, die mit dem Frieden von Lunéville an Frankreich gefallen waren.90 Des weiteren forderten sie die Suspendierung der Stimmen aller geistlichen Reichsstände, ausgenommen lediglich Mainz, denn der Kurerzkanzler sollte auf dem Reichstag fortan für Aschaffenburg-Regensburg sprechen dürfen.91 Auch von den Reichsstädten sollten nur noch diejenigen stimmberechtigt sein, die von der Mediatisierung verschont werden sollten. Dagegen war vorgesehen, die Abgabe aller durch den Reichs88 So zu Recht auch Härter, Reichstag und Revolution, S. 592, Fußn. 132. Vgl. auch unten, S. 193. 89 Zum folgenden Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 55 f.; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 25 f.; sowie ausführlich Härter, Reichstag und Revolution, S. 593 ff. 90 Der Annahme Härters (Reichstag und Revolution, S. 593), diese Forderung sei noch mit der Reichsverfassung vereinbar gewesen, kann nicht ohne weiteres zugestimmt werden. Zwar trifft zu, daß der Lunéviller Frieden und damit die Abtretung der linksrheinischen ehemals deutschen Gebiete vom Reichstag ratifiziert worden sind, ob sie aber rechtmäßig und rechtswirksam waren, ist von der Rechtmäßigkeit des Lunéviller Friedens abhängig, von der zumindest nicht bedenkenlos ausgegangen werden kann. Nicht umsonst gehen einige Autoren vom „Revolutionscharakter“ (und damit inzident von der Verfassungswidrigkeit) dieses Reichsgesetzes aus; vgl. näher unten, Zweiter Teil, Fußn. 777. Hinzu kommt, daß der Aufruf im Fürstenrat nach der Ratifikation des Lunéviller Friedens in der Praxis nicht verändert worden ist (vgl. Härter a. a. O.). 91 Siehe oben, S. 54.

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deputationshauptschluß neu geschaffenen Voten – insgesamt handelt es sich um 19 – bereits jetzt zu ermöglichen. Im Grunde forderten also die vermittelnden Mächte eine Antizipierung der Stimmverhältnisse, wie sie nach erfolgreicher Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses herrschen sollten. Zur Begründung gaben sie an, „aus reinem Zartgefühl“ wolle man den zu säkularisierenden und mediatisierenden Ländern „die Peinlichkeit“ ersparen, an ihrer eigenen Vernichtung mitwirken zu müssen.92 Die Suspendierung der Voten aller vom Reichsdeputationshauptschluß negativ betroffenen Reichsstände hätte allerdings einen offenkundigen Bruch der Reichsverfassung bedeutet. Daher wollte die Mehrheit der Gesandten am Reichstag die Forderung der vermittelnden Mächte nicht vorbehaltlos akzeptieren. Sie forderten Verhandlungen über diese Frage oder lehnten das Begehren gleich rundweg ab.93 Salzburg plante sogar einen formellen Protest, der später auch tatsächlich erhoben wurde,94 und selbst der sonst so nachgiebige Kaiser erhob Einspruch.95 Weil aber die vermittelnden Mächte genauso wie die meisten Reichsstände96 großen Wert darauf legten, daß sich der Reichsdeputationshauptschluß zumindest formell auf dem Boden der Reichsverfassung bewegte97, zogen sie ihre Forderung wieder zurück.98 Daraufhin beschloß der Reichstag am 5. Januar 1803, daß der bisherige Aufruf der Stimmen unverändert bleibe.99 Der Vorschlag, die Stimmen der von den Säkularisations- und Mediatisierungsmaßnahmen betroffenen Reichsstände zu suspendieren, war damit endgültig ad acta gelegt. bb) Das Verhalten der betroffenen Reichsstände Die eben dargestellte Vorgeschichte spricht bereits gegen einen zwangsweisen Ausschluß der vom Verlust ihrer Hoheitsrechte bedrohten Territorien von den entscheidenden Reichstagssitzungen. Dieser Eindruck verstärkt sich bei Betrachtung des Verhaltens der betroffenen Reichsstände selbst im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses.

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Zitiert nach Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 25 f. Härter, Reichstag und Revolution, S. 594. 94 Härter, Reichstag und Revolution, S. 594 f. 95 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 55. 96 Lediglich Preußen befürwortete nach wie vor eine Suspendierung der Voten entsprechend dem ursprünglichen Plan; Härter, Reichstag und Revolution, S. 594. 97 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (34); Härter, GWU 2003, S. 484 (489). 98 Härter, Reichstag und Revolution, S. 594; ders., GWU 2003, S. 484 (494). 99 Härter, Reichstag und Revolution, S. 595. 93

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(1) Die freien Reichsstädte Die Mediatisierungen standen auf dem letzten Städtetag in Ulm, der gleichzeitig zu den ersten Sitzungen der Reichsdeputation stattfand, für die freien Reichsstädte schon nicht mehr grundsätzlich in Frage, sondern waren bereits Diskussionsgrundlage für die dortigen Verhandlungen.100 Besonders schicksalsergeben zeigte sich der schwäbische Städtetag in einer Eingabe, die er am 21.8.1802 an die außerordentliche Reichsdeputation richtete: Die Mitgliedsstädte seien bereit, selbst das Äußerste zu tun und ihre Hoheitsgewalt aufzugeben, um so das gesamte Reich zu retten.101 Dieser später sogenannten „Johann Baptist Hofer-Gedenkschrift“102 schlossen sich auch die fränkischen Reichsstädte an.103 Dieser hinsichtlich ihrer drohenden Mediatisierung wenig kämpferischen Haltung paßte das Städtekollegium auch sein Verhalten im Reichstag an: Als der Plan der vermittelnden Mächte zur Suspendierung ihres Votums noch im Raume stand, hatte es hiergegen keine Einwände erhoben und darüber hinaus von sich aus beschlossen, sich bereits nach den neuen, noch gar nicht rechtsverbindlich verabschiedeten Stimmverhältnissen zu richten.104 Genauso verfuhr man dann bei den Abstimmungen und Beratungen über den Reichsdeputationshauptschluß.105 Diejenigen freien Reichsstädte, deren Mediatisierung der Reichsdeputationshauptschluß anordnete, wurden von den betreffenden Reichstagssitzungen also nicht zwangsweise ausgeschlossen, sondern verzichteten freiwillig auf ihr Teilnahme- und Stimmrecht.106 (2) Die geistlichen Reichsstände Etwas weniger eindeutig ist das Verhalten der zu säkularisierenden geistlichen Reichsstände zu beurteilen. Diese zeigten sich widerspenstiger als die freien Reichsstädte. Ein Äquivalent zur „Johann Baptist Hofer-Gedenkschrift“ 100

Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 26. So der erste Paragraph, wörtlich wiedergegeben bei Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 27. 102 Johann Baptist Hofer war Amtsbürgermeister von Rottweil; Kießling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 717 (719). 103 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 27. 104 Härter, Reichstag und Revolution, S. 594. 105 Siehe oben, S. 109. 106 Wie hier Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (550 f.); Härter, Reichstag und Revolution, S. 596; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (25). Teilweise abweichend Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 26 f., und JuS 1989, S. 351 (357). Seiner Ansicht nach wurden die Reichsstädte von Seiten der Reichstagsmehrheit bewußt von den Verhandlungen ausgeschlossen. Dieser Ausschluß ging aber ins Leere, denn sie wären auch im gegenteiligen Fall nicht erschienen, waren also mit ihrem Ausschluß konkludent einverstanden. 101

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etwa findet sich für sie nicht. Dennoch erwiesen sich auch die geistlichen Fürstentümer nicht als entschlossene Kämpfer gegen ihre Auflösung. Unsicher über ihr Vorgehen bei der Deliberation des Reichsdeputationshauptschlusses fragten sie Wien um Rat und erhielten mangels klarer Direktiven vom kaiserlichen Konkommissar Hügel die Auskunft, sie sollten sich nach eigenem Gutdünken verhalten.107 Später schloß sich auch der Kaiser selbst diesem wenig hilfreichen Vorschlag an. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten allerdings zahlreiche geistliche Fürsten bereits auf die Legitimierung eines Gesandten in Regensburg verzichtet oder gar schon ihre Herrschaft niedergelegt, freilich nicht ohne zuvor ihren persönlichen Unterhalt gesichert zu haben.108 Sie waren mithin gar nicht mehr in der Lage, ihre Rechte am Reichstag wahrzunehmen,109 so daß bei ihnen jeder zwangsweise Ausschluß – sollte er versucht worden sein – ohnehin ins Leere gegangen wäre.110 Das Problem des Stimmverhaltens bei Verabschiedung des Reichsgutachtens zum Reichsdeputationshauptschluß betraf insgesamt nur noch vier Stimmen von zur Säkularisation vorgesehenen geistlichen Territorien.111 Diese vier faßten schließlich im Januar 1803 den Entschluß, an den Beratungen nicht teil- und auch ihr Stimmrecht nicht wahrzunehmen.112 Andere vom Verlust der Hoheitsrechte nicht betroffene geistliche Reichsstände, etwa Mainz/Regensburg oder der Hoch- und Deutschmeister,113 machten dagegen von ihrem Anwesenheits- und Abstimmungsrecht Gebrauch.114 Die Nichtbeteiligung der zur Säkularisation vorgesehenen geistlichen Reichsstände stellt sich also ebensowenig wie bei den freien Reichsstädten als zwangsweiser Ausschluß dar, sondern als freiwilliges Fernbleiben.115 Als Ergebnis ist damit folgendes festzuhalten: Kein Reichsstand, dessen Auflösung der Reichsdeputationshauptschluß vorsah, wurde gegen seinen Willen von den Verhandlungen und Abstimmungen im Reichstag ausgeschlossen. Der Aufruf ihrer Stimmen im Reichstag war kein „Täuschungsmanöver“ für die kritische Öffentlichkeit, wie Klaus Dieter Hömig dies annimmt.116 Ihre Abwesen107

Härter, Reichstag und Revolution, S. 594 f. Härter, Reichstag und Revolution, S. 594 f.; ders., GWU 2003, S. 484 (494). 109 Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (25). 110 Härter, GWU 2003, S. 484 (494). 111 Salzburg, Passau/Freising, Berchtesgaden sowie die Schwäbischen Prälaten gemeinsam mit Trient/Brixen; vgl. Härter, Reichstag und Revolution, S. 594. 112 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (29); Härter, Reichstag und Revolution, S. 594. 113 Vgl. Härter, Reichstag und Revolution, S. 595 f. 114 Sie stimmten allesamt für den Reichsdeputationshauptschluß; Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 256. 115 Im Ergebnis ebenso Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 255 f. 116 Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 56. 108

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heit war vielmehr freiwillig, so daß ihre Stimmen dem Reichsherkommen entsprechend als Zustimmung zum Reichsdeputationshauptschluß zu werten waren. Damit wurde dem Einstimmigkeitserfordernis Genüge getan; das Reichsgutachten vom 24. März 1803 ist formell rechtmäßig zustande gekommen.117 3. Die kaiserliche Ratifikation Im Reichsgesetzgebungsverfahren folgte als nächster Schritt nach Verabschiedung des Reichsgutachtens dessen Ratifikation durch den Kaiser. Dieser Tradition gehorchend ratifizierte Franz II. den Reichsdeputationshauptschluß am 28. April 1803.118 Auch diese Maßnahme wirft einige rechtliche Probleme auf, die zur formellen Rechtswidrigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses führen könnten. a) Erfordernis einer Ratifikation durch den Kaiser Fraglich ist zunächst, ob eine kaiserliche Zustimmung zu einem abgeschlossenen Reichsgutachten überhaupt zwingend erforderlich war, denn nur dann können eventuelle Rechtsfehler für den Bestand des Gesetzes relevant werden. Eine geschriebene Regelung, nach der eine Ratifikation vom Staatsoberhaupt 117 Wie hier Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (550 f.); Härter, Reichstag und Revolution, S. 596; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (25). Teilweise abweichend Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 26, und JuS 1989, S. 351 (357), der von einer formellen Rechtmäßigkeit der reichsstädtischen Mediatisierungen, aber nicht der Herrschaftssäkularisationen ausgeht, weil die geistlichen Reichsstände gegen ihren Willen von den Verhandlungen ausgeschlossen worden seien. Anderer Ansicht Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 56; ders., Art. Reichsdeputationshauptschluß, in: v. Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott, Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht III, S. 397 (399); Berbig, Das kaiserliche Hochstift Bamberg II, S. 429; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 174; Krings, JZ 2003, S. 173 (176 i.V. m. 179); v. Oer, in Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 13; Rob, Karl Theodor von Dalberg, S. 346 f. Nach deren Ansicht war keiner der aufzulösenden Reichsstände freiwillig von den Reichstagsverhandlungen ferngeblieben. 118 Über die genaue Datierung des kaiserlichen Ratifikationsdekrets ist die Literatur uneins. Es findet sich auch der 26. April (z. B. Mückl, VBlBW 2003, S. 144, 146) und der 27. April 1803 (z. B. Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 137), sowie – unverständlicherweise – auch der 23. April 1803 (Eichhorn, Deutsche Staatsund Rechtsgeschichte IV, S. 590). In Wahrheit erfolgte die Ratifikation aber wohl erst am 28. April 1803; vgl. Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (33 Fußn. 7). Der Text des „Kaiserliche(n) Ratifications-Commissions-Dekret(s)“ findet sich bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 11 (S. 122 ff.); Zeumer, Quellensammlung, Nr. 212c (S. 529 ff.); sowie im Internet über das „documentarchiv“ unter http:// www.documentarchiv.de/nzjh/1803/reichsgutachten-ratifikation-rdhs.html.

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erteilt werden mußte, gab es jedenfalls nicht.119 Jedoch war es in den vergangenen Jahrhunderten immer Usus gewesen, daß ein Reichsgesetz nur zustande kam, wenn der Kaiser das ihm vorgelegte Reichsgutachten ratifizierte.120 So sollte dem Reichsoberhaupt wenigstens ein geringer Einfluß auf das Reichsgesetzgebungsverfahren gesichert werden, wenn es schon nicht selbsttätig Gesetze erlassen durfte.121 Einen Zweifel an der Notwendigkeit dieses Schrittes gab es nie.122 Damit hatte sich ein Reichsherkommen gebildet, das die Zustimmung des Kaisers als Teil des Gesetzgebungsverfahrens unabdingbar erforderte. b) Zulässigkeit einer teilweisen Ratifikation Problematisch erscheint jedoch, ob das Verhalten Kaiser Franz II.’ den Anforderungen an eine Ratifikation genügte. Er ratifizierte den Reichsdeputationshauptschluß nämlich nicht vollständig, sondern verweigerte die Genehmigung des § 32 RDHS insoweit, als er eine Vermehrung der Virilstimmen123 anordnete. Dies begründete er im Ratifikationsdekret mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die große protestantische Übermacht im Reichsfürstenrat.124 In Wahrheit dürfte den (katholischen) Kaiser allerdings die Sorge um die eigene politische Handlungsfähigkeit gegenüber einer von drei mehrheitlich lutherischreformierten Reichstagskurien zu seinem Schritt bewogen haben.125

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Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 29. Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 516, 521; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 200; Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 29; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 66; Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 55; Mohnhaupt, in: Dölemeyer/Klippel, Gesetz und Gesetzgebung, S. 83 (95). 121 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (50). 122 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 29. 123 Zum Begriff der Virilstimme siehe oben, S. 33. 124 Der Kaiser erklärte, „daß, nachdem die Bedenken, welche von Sr. Kaiserl. Majestät bei Gelegenheit der in den früheren Deputationsvorschlägen gemachten Anträge zur Vermehrung der Virilstimmen im Reichsfürstenrathe geäußert wurden, durch die späteren Vorschläge keineswegs gehoben worden sind, Se. Kaiserliche Majestät Sich durch Ihre für die Erhaltung der Reichsverfassung und die Beschützung der katholischen Religion heilig beschwornen Pflichten gemüßigt sehen, Ihre Ratification über diesen Gegenstand einstweilen zu suspendiren, . . . damit durch angemessene Vorschläge dafür gesorgt werde, daß, nachdem dem protestantischen Religionstheile schon in den Kurfürstlichen und Reichsstädtischen Collegien eine so entschiedene Stimmenmehrheit zufällt, die hergebrachten Verhältnisse der zwei Religionstheile nicht auch in dem fürstlichen Collegium, bis zur wesentlichen Ueberschreitung der Stimmenparität, abgeändert werden.“ Vgl. die Quellenangaben in Zweiter Teil, Fußn. 118. 125 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 371. 120

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aa) Generelle Zulässigkeit einer teilweisen Ratifikation Es fragt sich bereits, ob die Einlegung eines solch teilweisen Vetos nach dem Verfassungsrecht des Alten Reiches generell zulässig war. Der Reichsschluß (conclusum imperii), also ein Reichsgesetz, bestand aus den zwei Teilen Reichsgutachten (consultum imperii) und kaiserliche Ratifikation. Solange der Kaiser nicht ratifizierte, war das Reichsgutachten nicht mehr als ein Entwurf. Traf der Kaiser umgekehrt selbst Anordnungen und ratifizierte sie zugleich, fehlte es am Reichsgutachten, und es lag ebenfalls kein Reichsschluß vor. Nahm er also inhaltliche Änderungen vor, so waren Reichsgutachten und Ratifikation nicht mehr inhaltsgleich und bildeten insoweit keinen Reichsschluß.126 Das bewog einige Vertreter Bayerns und Brandenburgs zu der Argumentation, der Kaiser nehme, wenn er nur einem Teil des Reichsgutachtens zustimme, eine Inhaltsänderung vor, was ihm untersagt sei. Daher habe er nur die Möglichkeit, dem Reichsgutachten als ganzes die Zustimmung zu versagen oder es vollständig zu ratifizieren.127 In der Tat war ein Reichsschluß als Gemeinschaftswerk von Reichstag und Reichsoberhaupt konzipiert. Das wäre unterlaufen worden, wenn der Kaiser durch gezielte Einlegung eines Vetos entscheidenden Teilen des Reichsgutachtens die Wirksamkeit hätte versagen können. Auf diese Weise wäre der Inhalt des ganzen Gesetzes derart verändert worden, daß es dem Willen des Reichstags nicht mehr entsprach. Seine Stellung als letztes Glied im Gesetzgebungsverfahren hätte das Reichsoberhaupt so in eine dem Reichstag überlegene Stellung gebracht. Es hätte Regelungen zum Reichsgesetz machen können, über die gar kein Konsens mit den Reichsständen herrschte. Den Vertretern Bayerns und Brandenburgs ist recht zu geben, daß dies mit der Reichsverfassung unvereinbar gewesen wäre. Allerdings erscheint schon auf den ersten Blick nicht einleuchtend, warum der Kaiser zwar die Zustimmung zu einem Reichsgutachten im ganzen versagen durfte, ihm aber die sehr viel weniger weitgehend in reichsständische Rechte eingreifende Variante der Ratifikationsverweigerung nur zu einzelnen Punkten generell verwehrt bleiben sollte.128 Wenn der Kaiser nur die Ratifikation einzelner, logisch abtrennbarer Vorschriften verweigerte, aber das Reichsgutachten im Kern unverändert beließ, bestand die Gefahr einer gezielten Inhaltsänderung durch den Kaiser nicht.129 Dann wurden nur die Teile zum Inhalt

126 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 451; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 522; Wagner, Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches, § 108. 127 Vgl. Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 30. 128 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 523. 129 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 523.

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eines Reichsgesetzes, von denen es sowohl der Reichstag als auch das Reichsoberhaupt wünschten. Im Gegenteil: Hätte man den Kaiser stets vor die Wahl gestellt, ein Reichsgutachten nur im ganzen anzunehmen oder abzulehnen, hätte er unter Umständen wesentlichen Regelungen zustimmen müssen, mit denen er gar nicht einverstanden war, um die Gesetzeskraft anderer von ihm unbedingt gewünschter Normierungen zu erreichen. Entweder wären so Reichsgesetze entstanden, deren Inhalt in Wahrheit nur von der Vertretung der Reichsstände, aber nicht vom Kaiser gewollt war, die also kein Gemeinschaftswerk dieser beiden Reichsorgane darstellten. Oder die Gesetzgebungsarbeit des Reiches wäre noch viel eingeschränkter gewesen, als sie ohnehin schon war. Der Sinn der kaiserlichen Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren, Reichsschlüsse nur als Produkt eines Konsenses von Reichstag und Reichsoberhaupt zustande kommen zu lassen, erforderte also geradezu das kaiserliche Recht, Teilen eines Reichsgutachtens die Zustimmung zu verweigern. Daher muß die Versagung der Ratifikation einzelner Punkte grundsätzlich möglich gewesen sein, sofern sie inhaltlich mit dem Gesamtwerk nicht derart verbunden waren, daß ihr Herauslösen seinen Charakter völlig verändert hätte.130 bb) Möglichkeit einer teilweisen Ratifikation beim Reichsdeputationshauptschluß Wie oben dargestellt, machten die Säkularisations- und Mediatisierungsvorschriften den wesentlichen Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses aus. Die Änderung der Virilstimmen im Reichsfürstenrat gem. § 32 RDHS beeinflußte das Entschädigungswerk als solches nicht. Daher ließ sich diese Regelung inhaltlich vom Gesamtgesetzeswerk trennen.131 Der Kaiser durfte mithin grundsätzlich gegen § 32 RDHS insoweit sein Veto einlegen, als er die Änderung der Virilstimmen zum Gegenstand hatte. Zu prüfen ist aber weiter, ob Franz II. seine Zustimmung auch mit der von ihm gegebenen Begründung verweigern durfte. Das erscheint insofern problematisch, als der Kaiser sein Veto mit einer vorgeblichen Verletzung der verfassungsrechtlich gebotenen religionsrechtlichen Parität begründete.132

130 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 271; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 523; Mohnhaupt, in: Dölemeyer/Klippel, Gesetz und Gesetzgebung, S. 83 (95). 131 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 35 f. 132 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 124.

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(1) Begründetheit des kaiserlichen Vetos Möglicherweise verstieß die Besetzung des Reichsfürstenrats mit mehr protestantischen als katholischen Stimmen – damit zugleich aber auch die zuvor jahrhundertelang währende Dominanz der Katholiken – tatsächlich gegen das Paritätsgebot des Art. V § 1 IPO. Der Einwand des Kaisers wäre dann berechtigt gewesen. Die konfessionelle Parität der Reichstagsstimmen wird von Art. V § 1 IPO nicht expressis verbis gefordert, widerspricht seinem Wortlaut aber auch nicht. Jedoch ist der Regelungszusammenhang zu beachten. In Art. V § 52 IPO war das Verfahren der itio in partes geregelt, also die Aufteilung des Reichstags in einen protestantischen und einen katholischen Teil, wenn Religionsangelegenheiten zu entscheiden waren. Eine solche Aufteilung wäre aber sinnlos gewesen, wenn der Westfälische Frieden ohnehin von einer paritätischen Stimmenverteilung im Reichsfürstenrat ausgegangen wäre.133 Art. V § 52 IPO ist gerade Ausdruck der Furcht vor der Dominanz einer Konfession134, die aber nie eintreten konnte, wenn beide je zur Hälfte vertreten waren. Die paritätische Besetzung käme also einer dauerhaften Installierung der itio in partes gleich, von der Art. V § 52 IPO gerade nicht ausgegangen ist.135 Schließlich zeigt auch die Entstehungsgeschichte des Art. V § 52 IPO, daß an eine Gleichstellung der Stimmen im Reichsfürstenrat nicht gedacht war.136 Die von § 32 RDHS angeordnete neue Verteilung der Virilstimmen verstieß also nicht gegen das religionsrechtliche Paritätsgebot des Art. V § 1 IPO. Die Begründung Kaiser Franz II.’ zur Einlegung seines Vetos war juristisch nicht tragfähig. (2) Erfordernis einer materiellen Begründetheit des kaiserlichen Vetos Die Versagung der Zustimmung war dennoch rechtmäßig, wenn dem Kaiser sein Vetorecht nach freiem Belieben zustand, und es auf die Tragfähigkeit seiner Begründung mithin gar nicht ankam. Die Beteiligung an der Gesetzgebung war seit dem Westfälischen Frieden ein verbrieftes Recht der Stände. Nach Art. VIII § 2 IPO kam kein Gesetz ohne „Zustimmung“ des Reichstags zustande. Durch diese Formulierung wurde einerseits der Einfluß der Reichsstände gesichert, andererseits aber auch inzident ausgesprochen, daß sie kein gültiges Gesetz im Alleingang verabschieden konnten. Es mußte ein maßgebliches Mitbestimmungsrecht anderer Entscheidungsträger im Normsetzungsver133 134 135 136

Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 57, 60. Siehe oben, S. 46. Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 57, 60. Hierzu ausführlich Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 55, 58.

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fahren geben. Damit konnte nur der Kaiser gemeint sein, denn außer ihm waren keine weiteren Organe an der Gesetzgebung beteiligt. Eine Ratifikationspflicht ohne politischen Ermessensspielraum wäre also schon wegen des Wortlauts von Art. VIII § 2 IPO mit der Reichsverfassung unvereinbar gewesen. Zudem wurden die kaiserlichen Rechte beim Erlaß von Reichsgesetzen unabhängig von der Funktion des Reichsoberhaupts als Teil des Reichshofrats, also seiner Aufgaben im Bereich der Judikative gesehen. Die Ratifikation stellte also keine vorgezogene rechtliche Überprüfung dar. Der Kaiser sollte bei der Entscheidung über die Ratifikation der Reichsgutachten frei sein und nach eigenem Gutdünken unabhängig von einer tragfähigen juristischen Begründung von seinem Vetorecht Gebrauch machen dürfen.137 Die fehlerhafte Begründung steht der Rechtmäßigkeit des Vetos mithin nicht entgegen. (3) Verbindliche vorherige Festlegung des Kaisers in der Ratifikationsfrage Im Fall des Reichsdeputationshauptschlusses liegt allerdings eine Besonderheit darin, daß der Kaiser sein Vetorecht durch vorherige Verzichtserklärung ausgeschlossen haben könnte. Franz II. hatte sich in Art. IV eines am 26. Dezember 1802 mit Frankreich geschlossenen völkerrechtlichen Vertrags dazu verpflichtet, den Hauptschluß der Reichsdeputation zu ratifizieren.138 In dem Veto gegen § 32 RDHS könnte nun ein Verstoß gegen die völkerrechtliche Verpflichtung liegen. Jedoch war der völkerrechtliche Vertrag vom 26. Dezember 1802 mit zwei bedeutsamen Einschränkungen versehen: Zum einen sollte die Verpflichtung zur Ratifikation nicht jeden beliebigen Hauptschluß betreffen, sondern nur den Entwurf vom 23. November 1802, in dem die Vorschrift des § 32 RDHS über die Mehrung der Virilstimmen aber noch nicht enthalten war.139 Zum anderen sollte der Kaiser das Vetorecht mit Zustimmung Frankreichs für die Regelungen behalten, die für die Durchführung des Entschädigungsplans nicht unbedingt erforderlich waren.140 Die Mehrung der Virilstimmen stellte sicherlich keine derart zwingende Notwendigkeit dar. Das schien Napoleon nicht anders gesehen zu haben, denn gegen das Veto durch den Kaiser wurden von seiner Seite keine Einwände erhoben.141 137 Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 66; Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 270 f.; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 208. 138 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 31. Text bei de Clercq, Recueil des traités de la France, S. 583 ff. 139 RDHS-Protokolle II, S. 571 (598 f.); Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 35 f. 140 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 34 f. 141 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 35 f.

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Also erstreckte sich die Verpflichtung Franz II.’ zur Ratifikation des Hauptschlusses aus dem völkerrechtlichen Vertrag mit der französischen Republik vom 26. Dezember 1802 nicht auf die Mehrung der Virilstimmen gem. § 32 RDHS. Auf die weitere Frage, ob Vereinbarungen mit auswärtigen Mächten das Vetorecht des Kaisers überhaupt beschneiden konnten, kommt es mithin nicht mehr an. Damit hat der Kaiser sein Vetorecht ordnungsgemäß ausgeübt.142 Die Änderung der Virilstimmen durch § 32 RDHS hat also wegen fehlender Ratifikation durch das Reichsoberhaupt nie Gesetzeskraft erlangt.143 Alle anderen Regelungsinhalte des § 32 RDHS144 sowie die übrigen Vorschriften wurden dagegen am 28. April 1803 zum Reichsgesetz.

III. Materielle Rechtmäßigkeit Nachdem sich der Reichsdeputationshauptschluß als formell rechtmäßig erwiesen hat, stellt sich nun die Frage seiner Vereinbarkeit mit materiellem Recht. 1. Die Regelungen zur Herrschaftssäkularisation der geistlichen Reichsstände und zur Mediatisierung der weltlichen Reichsstände Die Herrschaftssäkularisation und die Mediatisierung betrafen beide den Entzug territorialer Hoheitsrechte durch das Reich. Sie beinhalteten eine parallele, genau genommen sogar eine weitgehend identische Rechtsproblematik145, so daß ihre materielle Rechtmäßigkeit gemeinsam überprüft werden kann. a) Verstoß gegen Naturrecht Viele Zeitgenossen bemühten sich, eine Bestandsgarantie jedenfalls für die geistlichen Territorien aus dem Naturrecht abzuleiten. Der damals durchaus moderne Naturrechtsgedanke ging von einer neben der tatsächlichen Rechtsordnung stehenden natürlichen Ordnung der Dinge aus. Ähnlich wie die Welt den physikalischen Naturgesetzen gehorcht, richte sich auch das geordnete Zusammenleben nach naturgegebenen Gesetzen. Diese verkörperten in ihrer Gesamtheit einen Idealzustand, in dem den Menschen ein möglichst großer individueller Entscheidungsspielraum zugestanden und zugleich das Wohl der Allgemein142 So auch Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 66; anderer Ansicht ohne Begründung v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 182. 143 So auch Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 274. 144 Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 263. 145 Vgl. oben, Erster Teil, Fußn. 332.

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heit am umfassendsten gewährleistet wurde. Aufgabe des Rechtswissenschaftlers mußte es sein, diese natürliche Ordnung zu erkennen; dem gerechten Normgeber oblag es dann, die Rechtsordnung den Grundsätzen der Natur anzugleichen.146 Vor diesem gedanklichen Hintergrund wurde von Säkularisationsgegnern eine Überlegenheit der geistlichen Territorien gegenüber den weltlichen behauptet. Sie galten ihnen als Ausdruck der Volkssouveränität, denn nur in ihnen sei das Oberhaupt ein gewähltes. Die geistlichen Reichsglieder seien für die Bevölkerung daher das „Palladium ihrer Freiheiten“147, die „Urquelle (ihres) Glücks“148. In der Tat wurde das Amt des kirchlichen Fürsten nicht wie bei den weltlichen Reichsständen durch die Erbfolge bestimmt, sondern durch Wahl im Domkapitel.149 Das Domkapitel allerdings war nicht vom Volk gewählt, sondern wurde fast durchweg durch Adlige besetzt.150 Daher war die Tatsache der Wahl des Herrschers in den geistlichen Territorien noch kein Ausdruck von Volkssouveränität. Ganz davon abgesehen konnte ein seriöser Naturrechtler auch nicht behaupten, geschriebene Gesetze könnten durch Naturrecht außer Kraft gesetzt werden. Die Naturrechtsordnung als gedanklicher Idealzustand war nur als Vorgabe an den Herrscher zur Reformierung der bestehenden Rechtsordnung zu verstehen, aber nicht als eo ipso wirksames Recht. Dementsprechend wird heute die Herleitung einer territorialen Bestandsgarantie aus Naturrecht auch weniger als ernsthafte juristische Begutachtung, sondern eher als verzweifelter Versuch gewertet, die alte Ordnung mit modernen Argumenten zu retten.151 146 Zur Naturrechtslehre im Überblick Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnrn. 307 ff.; Zippelius, Art. Naturrecht, in: Erler/Kaufmann, HRG III, Sp. 933 ff. 147 Vgl. Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 70; v. Oer, in: MPI-Gesch., Festschrift für Heimpel I, S. 511 (517); Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 60 Fußn. 72, S. 82. Ähnlich auch § 16 der „Patriotische(n) Bemerkungen in Hinsicht der Sekularisation und dessen unvermeidlich betrüblichen Folgen“, 1802, auszugsweise abgedruckt bei v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 13 (S. 39 ff., hier: S. 43 f.). 148 So Rebmann, Die Abtretung des linken Rheinufers, S. 33. Diese These entsprach allerdings keineswegs der überwiegenden Sichtweise der Zeitgenossen, die im Gegenteil gerade das Wahlprinzip als Manko der geistlichen Staaten ansahen; vgl. Andermann, HZ 271 (2000), S. 593 (603); Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 17 ff. 149 v. Aretin, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (14); Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 143 f.; Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (17); Oestreich, Verfassungsgeschichte, S. 111; Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 282; Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 35. Sowohl dem Papst als auch dem Kaiser kam jedoch ein Vetorecht zu, das gerade letzterer recht intensiv nutzte; Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (26). 150 Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (17). 151 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 7.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

b) Verstoß gegen bestehende Reichsgrundgesetze Auf den ersten Blick erscheint ein Verstoß der Säkularisation und Mediatisierung gegen bestehende Reichsgrundgesetze naheliegend. So gewährte Art. VIII § 1 IPO den Reichsständen die Unantastbarkeit ihres „ius territorii et superioritatis“. Diese Formulierung könnte nun durchaus dahingehend auszulegen sein, daß den Reichsständen die Unabänderlichkeit ihrer Grenzen und damit ihr unversehrter Gebietsbestand garantiert wurden.152 Hinzu kommt ein in Art. V § 14 IPO ausgesprochenes Säkularisationsverbot als besonderer Schutz für die geistlichen Fürstentümer. Der Reichsdeputationshauptschluß schien ganz offensichtlich mit dem Westfälischen Frieden in Kollision zu treten. Die Wahlkapitulation des im Jahre 1803 amtierenden Kaisers Franz II.’153 bestätigte die reichsständischen Rechte aus dem Westfälischen Frieden (Art. II § 4). Darüber hinaus garantierte sie, alle Reichsstände „bei ihren Hoheiten, geist- und weltlichen Würden, Gerechtigkeiten, Macht und Gewalt, wie sie dieselbe in und außer ihren Territorien hergebracht haben, . . . [zu] lassen.“ (Art. I § 2) und sie nicht ihrer „Landes-Regierung . . . zu entsetzen“ (Art. I § 4). Auch in der – im Rang eines Reichsgrundgesetzes stehenden154 – Wahlkapitulation Franz II.’ war also ein Bestandsschutz für alle Territorien des Reiches verbürgt.155 Das damalige Reichsverfassungsrecht kannte allerdings keine Ewigkeitsklausel wie den heutigen Art. 79 Abs. 3 GG. Leges fundamentales konnten also durch neue Reichsgrundgesetze oder auch durch einen Wandel des Reichsherkommens immer abgeändert werden.156 Der Verstoß eines Reichsgrundgesetzes gegen ein anderes ist daher gar nicht denkbar. Die zweifellos bestehende inhaltliche Kollision des Fundamentalgesetzes Reichsdeputationshauptschluß mit dem Westfälischen Frieden und der Wahlkapitulation Franz II.’ war daher schlicht eine grundsätzlich immer mögliche Verfassungsänderung und führte nicht zur materiellen Rechtswidrigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses.157 152 So Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (115); Schindling, Art. Westfälischer Friede, in: Erler/Kaufmann/Werkmüller, HRG V, Sp. 1306 (1307). 153 Wahlkapitulation vom 5. Juli 1792; Text bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 1 (S. 33 ff.). 154 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 16. 155 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 27; ders., JuS 1989, S. 351 (357). 156 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 60; ders., in: Hofmann, Die Entstehung des modernen souveränen Staates, S. 228 (235); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 42. 157 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 47 Fußn. 63. Mißverständlich Schroeder, JuS 1989, S. 351 (357); ders., in: Blickle/Schmauder, Die Mediatisierung der oberschwäbischen Reichsstädte, S. 15 (24), nach dessen Ansicht die im Westfälischen Frieden und in der Wahlkapitulation Franz II.’ ausgesprochene Existenzgarantie für die Reichsstände gar nicht bzw. nur mit deren Zustimmung aufgehoben werden

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c) Verstoß gegen Reichsherkommen Die Ermittlung des Reichsherkommens benötigt Präzedenzfälle aus der Zeit des Alten Reiches. Diese Suche muß indes ergebnislos bleiben. Zwar wurden infolge des Dreißigjährigen Kriegs geistliche Territorien mit dem Ziel aufgelöst, sie an weltliche Herrscher zum Ausgleich für erlittene Verluste zu übertragen158; darauf konnte aber im Jahre 1803 kein Bezug genommen werden, denn mit dem Westfälischen Frieden war die Reichsverfassung so grundlegend verändert worden, daß die Beurteilung staatsrechtlicher Fragen davon nicht unberührt geblieben sein konnte.159 In der Zeit nach 1648 traten dagegen keine Fälle einer solchen Auflösung von Territorien durch Reichsgesetz mehr auf.160 Selbst wenn sich ein entgegenstehendes Reichsherkommen gebildet hätte, wäre ein Verstoß des Reichsdeputationshauptschlusses gegen das Gewohnheitsrecht unmöglich. Das Reichsherkommen war den leges fundamentales gleich-, aber nicht vorrangig. Es konnte durch ein Reichsgrundgesetz also auch abgeändert werden.161 d) Verstoß von Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung gegen eine Bestandsgarantie aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts Eine reichsrechtliche Bestandsgarantie der Territorien des Heiligen Römischen Reiches, die auch vor einer Änderung durch Reichsgrundgesetze sicher war, konnte es also nur mittels ungeschriebener Grundsätze des Verfassungskonnte. Die Änderung der bestehenden Reichsverfassung erforderte aber grundsätzlich keine qualifizierten Mehrheiten im Reichstag. Daher mußte der Aufhebung von verfassungsrechtlichen Garantien grundsätzlich kein Einverständnis aller Reichsstände vorausgehen; vgl. oben, Zweiter Teil, Fußn. 41. Wenn also eine territoriale Bestandsgarantie existierte, konnte sie nicht allein in den bestehenden Reichsgrundgesetzen begründet liegen. 158 Klueting, in: Reißland, Vom Kurkölnischen Krummstab, S. 14 (15). Vgl. etwa die fruchtlosen Bemühungen des Domkapitels von Halberstadt, die Säkularisation des Bistums abzuwenden; Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 83 f. 159 Vgl. Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 57 Fußn. 58. A. A. Härter, GWU 2003, S. 484 (495); Klueting, in: Reißland, Vom Kurkölnischen Krummstab, S. 14 (15); Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (76), und wohl auch Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich, S. 51. Sie berücksichtigen indes zu wenig, daß durch den Westfälischen Frieden gerade die Macht der Reichsebene beschränkt wurde. Es ist daher gut möglich, daß die Herrschaftssäkularisation durch Reichsgesetz zuvor noch möglich, hernach aber untersagt war. Mindestens hinsichtlich der Mediatisierung der Reichsstädte gab es kein Reichsherkommen. Eine solche hatte seit 1437 nicht mehr stattgefunden, selbst der Westfälische Frieden ließ die Städte unberührt; Hugo, Die Mediatisirung der deutschen Reichsstädte, S. 24 f. 160 Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 57. 161 Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 512.

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rechts geben. Darunter sind die grundlegenden verfassungsgestaltenden Prinzipien zu verstehen, auf deren Basis die Verfassungsordnung errichtet wurde und beruht.162 Vom Naturrecht unterscheiden sich die ungeschriebenen Grundsätze des Verfassungsrechts dadurch, daß sie keine bloßen Zielvorgaben liefern, sondern unmittelbare Rechtswirkung entfalten.163 Der Unterschied zum Verfassungsgewohnheitsrecht – beziehungsweise in der Terminologie der alten Reichsverfassung zum Reichsherkommen – liegt darin, daß ihre rechtliche Wirksamkeit keine langandauernde Übung erfordert.164 Anders als diese können sie damit auch keiner konkludenten Änderung durch Neufassung einzelner Verfassungsgesetze unterliegen, solange nicht die gesamte Verfassung zuvor, etwa im Wege einer Revolution, ihren Charakter geändert hat.165 Ein ungeschriebener Grundsatz des Verfassungsrechts läßt sich dabei selbstverständlich nicht „aus der Tiefe des Gemüts schöpfen“, sondern nur durch schlüssige Folgerungen aus der jeweiligen Verfassungsordnung ableiten, wie sie sich in geschriebener und in tatsächlich gelebter Form darstellt.166 Es stellt sich somit die Frage, ob es im Heiligen Römischen Reich einen ungeschriebenen Grundsatz des Verfassungsrechts gab, nach dem ein Territorium nicht ohne Einwilligung aufgelöst werden durfte. Die eben dargestellten Reichsgrundgesetze diesen Inhalts stellten dann nur eine Ausprägung eines solchen tiefer liegenden Rechtssatzes dar. Der Frage einer territorialen Bestandsgarantie aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts hat sich der Sache nach in fundierterer Weise zuerst der Verfassungshistoriker Ernst Rudolf Huber 1957 gewidmet. Er versucht, einen Bestandsschutz der Reichsglieder im Alten Reich mit einem Verweis auf die Verfassungslage in späteren Zeiten herleiten zu können: Wenn selbst die Teilstaaten im Deutschen Reich von 1871 mit seiner starken Zentralgewalt eine Existenzgarantie genossen, müsse dies erst recht im Alten Reich mit seinen schwachen Reichsorganen gegolten haben.167 Diese Argumentation vermag allerdings nicht zu überzeugen. Die Frage, ob die Existenz der Gliedstaaten im Deutschen Reich von 1870/71 tatsächlich garantiert war, ist keineswegs so eindeutig zu beantworten.168 Die Bundesrepublik Deutschland jedenfalls, die über 162 Grundlegend H. J. Wolff, in: Bachof u. a., Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 33 (47 ff.); dazu H. A. Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 146 ff. Unter der Geltung des Grundgesetzes ist der Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens als wichtigstes Beispiel für einen ungeschriebenen Grundsatz des Verfassungsrechts zu nennen; vgl. BVerfGE 12, 205 (254); 43, 291 (348); Ipsen, Staatsrecht I, Rdnr. 703; v. Münch, Staatsrecht I, Rdnr. 595; Stern, Staatsrecht I, S. 701. 163 Wolff, in: Bachof u. a., Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 33 (34, 49 f.). 164 Wolff, in: Bachof u. a., Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 33 (50). 165 Wolff, in: Bachof u. a., Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 33 (49 f.). 166 Wolff, in: Bachof u. a., Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 33 (52). 167 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 56 f.

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das Bundesstaatsprinzip den Ländern eine zumindest nicht bedeutungslose Stellung zuweist, kennt über Art. 29 GG die Möglichkeit der Auflösung einzelner Bundesländer.169 Die Vorgehensweise Hubers erscheint zudem methodisch fragwürdig. Die Geltung eines Rechtsgrundsatzes zu einem früheren Zeitpunkt mag sich durchaus auch einmal im Wege einer Betrachtung nachfolgender Jahre feststellen lassen. Denkbar ist dies etwa, wenn der Gesetzgeber neu geschaffene Regeln in späterer Zeit ausdrücklich als Umsetzung eines schon lange geltenden Rechtsgrundsatzes bezeichnet. Auch aus heute anerkanntem Gewohnheitsrecht lassen sich Rückschlüsse auf die Geltung in früherer Zeit ziehen, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen nicht wesentlich geändert haben. So ist eine verfassungsrechtliche Frage heute nicht anders zu beantworten als zu einem früheren Zeitpunkt unter der Geltung des Grundgesetzes, wenn sich keine Anhaltspunkte für die Änderung der Verfassung oder ihrer Auslegung in dieser Angelegenheit finden lassen. Dagegen wird sich die Lösung eines Rechtsproblems unter der Weimarer Verfassung schon nicht mehr ohne weiteres auf die heutige Zeit übertragen lassen, weil keine ausreichende verfassungsrechtliche Kontinuität mehr herrscht. Von einer Fortgeltung der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen des Jahres 1803 auch noch im Deutschen Reich von 1870/71, wie Huber sie offenbar voraussetzt, kann aber keine Rede sein.170 Daher kann die Existenzgarantie von Gliedstaaten im Deutschen Reich von 1870/71 kein Argument für eine solche auch im Alten Reich bilden.171 Von einer territorialen Bestandsgarantie als einem ungeschriebenen Grundsatz des Verfassungsrechts kann vielmehr nur dann ausgegangen werden, wenn sich der Entzug territorialer Hoheitsgewalt durch die Zentralgewalt „Reich“ aus der Natur der Sache heraus verbot. Dabei kommt dem Grad der Eigenständigkeit der Territorien dem Reichsganzen gegenüber starke Indizwirkung zu. Waren die Reichsglieder selbst Staaten, eventuell unter dem Dach eines Gebildes mit eigener Staatsqualität, erscheint eine Auflösungsbefugnis sehr viel weniger gut möglich, als wenn nur das Reich ein Staat und die Territorien bloße Untereinheiten waren. In einem ersten Schritt soll zunächst die Auffassung der zeitgenössischen Staatsrechtswissenschaft zu dieser Frage untersucht werden.

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Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 43. Siehe unten, S. 185. 170 Vgl. etwa Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnrn. 178–367, für die zahlreichen verfassungsrechtlich bedeutsamen Ereignisse in der Zeit zwischen 1803 und 1870. 171 So auch Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 43 f. 169

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aa) Die Beziehung des Heiligen Römischen Reiches zu seinen Reichsgliedern nach der zeitgenössischen Publizistik Die Frage, welche Stellung die Reichsglieder zum Reichsganzen einnahmen, bewegte die Zeitgenossen über viele Jahrhunderte. Eine genauere Betrachtung der Entwicklung in der Publizistik – also der Staatsrechtswissenschaft – zeigt zwar eine zunehmende Konkretisierung der Antworten, aber eine überwiegend gleichbleibende Grundtendenz. Radikale Verschiebungen der Mehrheitsmeinung sind nicht feststellbar. (1) Die Lehre in der Zeit vor dem Westfälischen Frieden Die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches vor und nach 1648 kann wegen der gewandelten Stellung der Territorien nicht uneingeschränkt miteinander verglichen werden. Dennoch hat der Westfälische Frieden die Reichsstruktur nicht von Grund auf und vollständig verändert,172 und auch in der staatsrechtlichen Wissenschaft lassen sich Kontinuitäten feststellen. Daher ist auch die Sicht der Publizistik aus der Zeit vor 1648 nicht irrelevant. (a) Die Souveränitätslehre Jean Bodins Die Darstellung der Strukturdebatte im Heiligen Römischen Reich muß mit dem Begründer der modernen Staatsrechtstheorie, Jean Bodin, beginnen.173 Als erster Staatstheoretiker174 legte er in seinen 1576 erschienenen „Six livres de la République“ konsequent den Begriff der Souveränität (souveraineté) als Voraussetzung für die Staatlichkeit zugrunde,175 und gab auf diesem Weg das gedankliche Fundament für die Reichspublizistik der nächsten Jahrhunderte vor. Souveränität war für Bodin die höchste Macht im Staate. Er verstand sie als allumfassend und folgerichtig auch als nicht teilbar.176 Der Herrscher als Inhaber dieser Macht konnte keinem von Menschen gemachten Recht unterworfen 172 Ob er berechtigterweise als „Wendemarke“ in der deutschen Verfassungsgeschichte bezeichnet werden kann, ist deshalb unter heutigen Historikern umstritten, vgl. Schmidt, in: Der Staat, Beiheft 10, S. 45 ff. m. w. Nachw. 173 1529–1596, Lebenslauf bei Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 35 f.; Mayer-Tasch, in: ders., Jean Bodin, S. 11 (11 ff.); Selmer, Art. Bodin, Jean, in: Erler/ Kaufmann, HRG I, Sp. 464 (464 f.). 174 So die selbstbewußte Einschätzung des Autors selbst (Sechs Bücher über den Staat, Buch I, Kap. 8), die aber sachlich durchaus zutreffend ist; Burgdorf, FAZ vom 18.9.2003 (Nr. 217), S. 42; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 31 f.; Randelzhofer, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 17 Rdnr. 16. 175 Bodin, Sechs Bücher über den Staat, Buch I, Kap. 1, 8. 176 Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 41; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 65.

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sein.177 Diese Sichtweise, die zugleich eine theoretische Grundlage für den Absolutismus lieferte,178 zwang zu der Alternative, Staatengebilde entweder als Einheitsstaat oder als Verbund unabhängiger Staaten – also in modernen Begrifflichkeiten als Staatenbund – zu begreifen. Die Variante des aus Staaten zusammengesetzten Staates mußte dagegen versperrt bleiben.179 Dementsprechend klassifizierte Bodin Frankreich als Einheitsstaat und die Schweizerische Eidgenossenschaft als Staatenbund.180 Das Alte Reich – allerdings noch nicht in der Form, welche ihm der Westfälische Frieden gegeben hat – begriff Bodin als einen einzigen Staat. Der faktischen Bedeutung der Landesherren versuchte er dadurch Rechnung zu tragen, daß er es nicht als Monarchie, sondern als Aristokratie einstufte.181 Das war eine ungewöhnliche Sichtweise,182 die schon bald die Kritik deutscher Publizisten provozierte.183 Rückblickend muß die Bewertung von Bodins Einfluß auf die weitere Reichspublizistik zwiespältig ausfallen. Positiv ist ihm anzurechnen, daß er mit seiner Konzentration auf die Souveränität der späteren Reichspublizistik überhaupt erst eine Basis für die Entwicklung ihrer Dogmatik gegeben hat. Andererseits hat sein strenger Souveränitätsbegriff den Blick auf eine realistische Beschreibung der Staatsverhältnisse im Heiligen Römischen Reich verstellt.184 Jedenfalls hat Bodin die Vorgehensweise der deutschen Staatsrechtler fortan185 entscheidend geprägt.

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Vgl. Selmer, Art. Bodin, Jean, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 464 (465). Vgl. Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 33; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 40; Mayer-Tasch, in: ders., Jean Bodin, S. 11 (34); Selmer, Art. Bodin, Jean, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 464 (465); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 173; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 65. 179 Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 40 f.; Koselleck, Art. Bund, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe I, S. 583 (628); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 77. 180 Vgl. Koselleck, Art. Bund, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe I, S. 583 (628). 181 Vgl. Denzer, in: von Pufendorf, Die Verfassung des deutschen Reiches, S. 281 (307 f.); Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 32; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 182. 182 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 199. 183 Vgl. Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 32; Klippel, Art. Staat und Souveränität VIII, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 107 (118); Schubert, Die deutschen Reichstage, S. 360 ff.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 182; ders., Der Staat Beih. 11 (1996), S. 63 (79); Quaritsch, Art. Souveränität, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 1714 (1717). 184 Ähnlich auch die Bewertung von Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 34. Auch Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 127, und Quaritsch, Art. Souveränität, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 1714 (1717), betonen die Unvereinbarkeit der Bodinschen Lehre mit der Wirklichkeit des Heiligen Römischen Reiches. 178

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(b) Die weitere Entwicklung der Staatsformdebatte im Heiligen Römischen Reich Nicht nur das lebhafte Interesse, mit dem sich zahlreiche Staatsrechtler bereits vor und während des Dreißigjährigen Kriegs der forma imperii-Debatte widmeten, ist auffällig; beachtlich ist auch die Bandbreite der damals vertretenen Ergebnisse. Zwischen den beiden Extremen, einer streng monarchischen Sicht auf das Reich186 und einer Einstufung als Aristokratie187, wurde alles vertreten, wobei die Mehrheit der Autoren einer gemischt monarchisch-aristokratischen Theorie zuneigte.188 Die Einordnung des Reiches in die Staatsformen Monarchie, Aristokratie und Demokratie war die Frage, welche die Publizistik vor 1648 am meisten interessierte. Das Verhältnis von Reich und Territorien stand dagegen nicht im Mittelpunkt ihrer Untersuchungen. Wenigstens beiläufig beschäftigten sich aber auch damals schon zahlreiche Staatsrechtler mit diesem Problem. Dabei herrschte nicht selten Ratlosigkeit, bedingt durch die Unvereinbarkeit des strengen Bodinschen Souveränitätsverständnisses mit den tatsächlichen Verhältnissen im Heiligen Römischen Reich, die föderalen Strukturen ähnelten. Dieses Dilemma bestimmte etwa die Ausführungen von Johannes Althusius (1614) und von Christoph Besold (1613 und 1623). Sie konnten über eine sehr allgemein gehaltene Beschreibung des Föderalismusgedankens nicht hinauskommen, weil sie die Ausübung der Souveränität nur als vollständig auf den Kaiser übertragen begreifen konnten.189 Daher kann Besold auch nicht als erster Vertreter der

185 Die Rezeption erfolgte ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 174. Nach Reinhard, Geschichte der Staatsgewalt, S. 114, wirkte die Lehre Bodins gar „wie ein Funken im Pulverfaß“. 186 Etwa Dietrich Reinkingk 1619 und Dominicus Arumaeus 1620, vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 136 f.; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 50 ff.; Hoke, Art. Reinkingk, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 840 (843); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 70 ff.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 218 ff.; Wyduckel, Ius Publicum, S. 154 f., 162. 187 Neben Bodin vor allem auch Bogislav Philipp von Chemnitz unter dem Pseudonym Hippolithus a Lapide in seiner 1640 oder 1647 (das Erscheinungsjahr ist bis heute umstritten; vgl. Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 74) erschienenen Dissertatio de ratione status in Imperio nostro Romano-Germanico; vgl. Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 137 ff.; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 57 ff.; Randelzhofer a. a. O., S. 73 ff.; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 27 ff. 188 Als wichtigster Vertreter dieser Lehre gilt Johann Limnaeus mit seiner dreibändigen Schrift „Juris publici Imperii Romano-Germanici“ (1629–1634); Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus, S. 10; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 54 ff.; Hoke, Die Reichsstaatslehre des Johannes Limnaeus, S. 54 ff.; ders., Art. Limnaeus, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 2038 ff.; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 42 ff.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 221 ff.; Wyduckel, Ius Publicum, S. 145 f., 156 ff.

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Lehre vom Reich als Staatenstaat gelten, wie dies in früherer Zeit behauptet worden ist.190 Konsequenterweise finden sich also aus der Zeit vor Ende des Dreißigjährigen Krieges trotz des bisweilen großen gedanklichen Aufwands keine exakten Beschreibungen des Verhältnisses von Territorien und Heiligem Römischen Reich. Das Reich wird weder als aus Staaten zusammengesetzter Staat beschrieben, noch wurde die Theorie vom Reich als Verbund unabhängiger Staaten vertreten. Während der damals herrschende Souveränitätsbegriff für die fehlende Klassifizierung als Staatenstaat verantwortlich gemacht werden kann, muß die ausbleibende Einstufung als Verbund unabhängiger Staaten andere Ursachen gehabt haben. Ein Bund unabhängiger Staaten wäre mit Bodins Theorie unproblematisch in Einklang zu bringen gewesen. Einzige Erklärung kann daher nur sein, daß die Publizisten am Staatscharakter des Reiches keinen Zweifel hegten. (2) Die Einordnung durch die Reichspublizistik vom Westfälischen Frieden bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts Das besondere Interesse an der Beschreibung der Staatsverhältnisse im Alten Reich kam mit dem Westfälischen Frieden auf: Die stärker gewordenen Landesfürsten schätzten das zuvor herrschende Bild vom Heiligen Römischen Reich als Monarchie mit dem Kaiser als Staatsoberhaupt nicht mehr. Ihnen lag an einer Sichtweise, die ihnen größere Autonomie zubilligte.191 Die Beschreibung der Reichsverfassung in den Kategorien des Staatsrechts wurde für die nächsten Jahrhunderte zu einer der Hauptaufgaben der zeitgenössischen Staatsrechtswissenschaft, gleichzeitig aber auch zu einem der Probleme, die ihr die größten Schwierigkeiten bereiteten.192 Dies zeigt sich deutlich am oben schon zitierten Pufendorfschen Bild des Reiches als „irreguläre(m) und einem Monstrum ähnlichen Körper“193, das die Staatsrechtler einerseits empörte,194 gleichzeitig aber auch zu einer vertiefteren Auseinandersetzung mit der Problematik animierte.195

189 Hierzu Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 131 ff.; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 35; 59 ff.; Hoke, Die Reichsstaatslehre des Johannes Limnaeus, S. 65 ff.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 77 f. 190 Etwa v. Gierke, Johannes Althusius, S. 246. Dagegen zu Recht Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 61; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 78. 191 von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (132). 192 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 47. 193 Siehe oben, S. 23. 194 Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 28, 49; Schroeder, JuS 1995, S. 959 (964). 195 v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 347 f.

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(a) Die Theorie des Samuel von Pufendorf und die Reaktionen der Publizistik In seiner 1667 erschienenen Abhandlung „De statu imperii Germanici“196 versuchte Samuel von Pufendorf unter dem Pseudonym des durch Deutschland reisenden Veronesers Severinus de Monzambano197 eine Einordnung des Reiches in die von Aristoteles entwickelte Staatsformenlehre. Er legte seinen Ausführungen den Souveränitätsbegriffs Bodins zugrunde und kam zu dem Ergebnis, daß das Heilige Römische Reich Deutscher Nation weder eine absolute Monarchie noch eine Aristokratie noch eine Demokratie sei.198 Damit lasse sich das Reich in keine der sogenannten einfachen aristotelischen Staatsformen199 einordnen; es sei also ein irreguläres Gebilde. Nichts anderes war mit dem Wort „monstrum“ gemeint, das seinerzeit eine wertneutrale Bezeichnung für etwas war, das von seinesgleichen in irgendeiner Form abweicht.200 „Es kan ein Monstrum so schön oder noch schöner seyn, als eine andere Creatur in ihrer Art“, bemerkte der bekannte Publizist Johann Jakob Moser im 18. Jahrhundert.201 Es war also kein per se negativ besetzter Begriff,202 und ist nach heutigem Erkenntnisstand von Pufendorf auch gar nicht in einem abwertenden Sinne gebraucht worden.203 Das Reich als Monstrum – diese Bezeichnung war für den Gedankengang gar nicht notwendig und von Pufendorf ursprünglich wohl nur verwendet worden, um Aufmerksamkeit zu erregen.204 Wahrscheinlich merkte er, daß seine Formulierung vielen Zeitgenossen als Angriff auf die Würde des Reiches erschien und so von der eigentlich beabsichtigten Aussage ablenkte.

196 Mit vollem Titel „Severini de Monzambano Veronensis, De statu imperii Germanici ad laelium fratrem, dominum Trezolani, liber unus“. Die Schrift erreichte die für damalige Verhältnisse fast unvorstellbar hohe Auflage von 300.000 Exemplaren allein in Deutschland bis 1710. Dazu kamen noch die ins Französische, Englische und Holländische übersetzten Versionen, die auf dem dortigen Markt entsprechenden Absatz erreichten; Schroeder, JuS 1995, S. 959 (963). 197 Zum Lebenslauf Pufendorfs etwa Schroeder, JuS 1995, S. 959 (962 f.); Willoweit, Art. Pufendorf, Samuel von, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 105 (105 f.). 198 v. Pufendorf, De statu imperii Germanici, Kap. VI §§ 3–8; seine Begründung findet sich in knapper Form zusammengefaßt bei Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 61; von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (122); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 82 f. 199 Dazu Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 169 f. 200 Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 26. 201 Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 551. 202 Dem seinerzeit verbreiteten Mißverständnis scheint auch heute noch Barudio, Der Teutsche Krieg, S. 589, zu unterliegen, wenn er schreibt, die Reichsverfassung sei kein Monstrum, sondern ein „Kunstwerk“ gewesen. 203 Hammerstein, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 172 (190); Kohler, in: Fröschl, Föderationsmodelle und Unionsstrukturen, S. 119 (125); Schroeder, JuS 2006, S. 577 (577). 204 Vgl. Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 28 f.: „Der Ausdruck ist mehr ,journalistischer‘ Knalleffekt.“

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Jedenfalls schwächte er seine scharfe Wortwahl in den folgenden Neuauflagen des Monzambano ab.205 In der letzten von ihm bearbeiteten Ausgabe 1706 verzichtete er schließlich ganz auf das Wort „Monstrum“,206 was freilich seine Befürworter wie Kritiker nicht daran hinderte, gerade diesen Begriff weiterhin in den Mittelpunkt ihrer Abhandlungen über „De statu imperii Germanici“ zu stellen.207 Wichtiger als dieses Schlagwort erscheint aber, ob und inwieweit Pufendorf das Reich als einen Staat betrachtete. Der wahre Grund für die harte Kritik seiner Rezensenten dürfte sein, daß sie den Gedankengang des Monzambano als Leugnung der Staatlichkeit des Heiligen Römischen Reiches interpretierten und dieses Ergebnis ablehnten.208 Vermutlich hat sie die Wortwahl „System“ zu dieser Ansicht verleitet, mit der Pufendorf das Reich zu bezeichnen versuchte.209 Dieser fühlte sich aber offenbar mißverstanden. In seiner 1676 veröffentlichten Schrift „Addenda dissertationi de republica irregulari“ befand er es für notwendig zu betonen, es sei ihm bei Verfassen des Monzambano lediglich um eine wertneutrale Beschreibung der Reichsverfassung gegangen. Er habe das Reich nicht abwerten und ihm erst recht nicht seine Staatlichkeit absprechen wollen.210 Aus „De statu imperii Germanici“ läßt sich herauslesen, daß diese Behauptung zutrifft, und Pufendorf seine Meinung nicht etwa innerhalb eines guten Jahrzehnts – eventuell aufgrund neuer Entwicklungen – geändert hat.211 So sah Pufendorf ausdrücklich die Entwicklung des Reiches zu einem Staatenbund voraus,212 was impliziert, daß er es nicht für einen solchen hielt, als er seine Schrift verfaßte.213 Auch die Bezeichnung „System“ verwendete er nicht 205

v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 346. Burgdorf, FAZ vom 18.9.2003 (Nr. 217), S. 42; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 64; Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 28, 37 Fußn. 4; Schroeder, JuS 1995, S. 959 (964); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 234. 207 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 64; Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 28. 208 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 64; Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 48; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 61. 209 v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 348; Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 30. 210 Vgl. v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 348. 211 Wie v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 348, unterstellt. 212 De statu imperii Germanici, Kap. VI § 9; vgl. hierzu von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (123 f.). Das weitverbreitete Urteil, Pufendorf habe einen deutschen Staatenbund gefordert, ist indes unzutreffend. Die als Beleg herangezogene Textpassage aus „De statu imperii Germanici“ a. a. O. ist allein deskriptiv; so auch Schröder, in: Asbach/Malettke/Externbrink, Altes Reich, Frankreich und Europa, S. 123 (126). 213 Wie er selbst hervorhebt kommt das Heilige Römische Reich „einem Bund mehrerer Staaten sehr nahe“ (De statu imperii Germanici, Kap. VI § 9), ist also kein 206

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durchgehend, sondern nannte verschiedentlich das Reich auch „imperium“,214 ein Begriff, der auf nichtstaatliche Gebilde kaum paßt. Damit muß Pufendorf von der Staatlichkeit des Reiches ausgegangen sein. Die Bezeichnung „systema“ steht dem nicht entgegen, sie begann sich damals durchaus auch für echte Staatsgebilde durchzusetzen.215 Der Grund für die vielen Mißverständnisse die Auffassung Pufendorfs betreffend dürften aus seiner laxen Behandlung der Staatlichkeit des Reiches herrühren. Er maß der Problematik kein Erkenntnisinteresse zu, da es sich letztlich um eine reine Definitionsfrage handele.216 Die Staatlichkeit des Reiches legte Pufendorf also seinen Ausführungen als gegeben zugrunde, um auf dieser Basis zu der ihn eigentlich interessierenden Frage nach dessen Beschaffenheit zu kommen. Als Folgefrage muß sich anschließen, wie Pufendorf die Staatlichkeit der Territorien beurteilte. Hier findet sich eine eindeutige Aussage in seinen Schriften: Das Reich sei „aus mehreren winzigen und untergeordneten Staaten . . . zu einem höchsten System“ zusammengesetzt.217 Wenn aber das Reich ein Staat war und die Territorien ebenso, dann kann das Heilige Römische Reich nach Pufendorf zwangsläufig nur gewesen sein, was man heute einen Bundesstaat nennt.218 Es liegt an seinem Festhalten am strengen Souveränitätsbegriff Bodins, daß er diese Konsequenz nicht selbst ausspricht, ja sie sogar ausdrücklich ablehnt.219 Indem Bodin die Unteilbarkeit der höchsten Staatsgewalt voraussetzte, verleitete er Pufendorf dazu, die Möglichkeit der Existenz eines aus Staaten zusammengesetzten Staats von vornherein auszuschließen.220 solcher; hierzu auch Denzer, in: von Pufendorf, De statu imperii Germanici, S. 179 (201). 214 v. Pufendorf, Disquisitio de republica irregulari, S. 43, § 13, hier zitiert nach Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 49. 215 Vgl. Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 35 m. w. Nachw. 216 Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 48 f. 217 Vgl. Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 49. 218 Ähnlich offenbar Carl Friedrich Necker, der das Reich als aus Staaten zusammengesetzten Staatskörper bezeichnet und sich in seiner 1764 erschienenen Schrift „Beschreibung der gegenwärtigen Regierung des Deutschen Staates, insgemein das Heilige Römische Reich genannt“, ausdrücklich auf den „berühmten Puffendorf“ als Begründer dieser Theorie beruft. Hier zitiert nach Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 63. Auch Molitor, Grundzüge der Neueren Verfassungsgeschichte, S. 23, interpretiert Pufendorfs Sicht auf das Reich als eine bundesstaatliche. Kritisch dazu aber Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 98. 219 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 116; Deuerlein, Föderalismus, S. 41; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 61; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (166 f.); von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (123); Schroeder, JuS 1995, S. 959 (964). 220 Dieser Vorwurf der erkenntnistheoretischen Selbstbeschränkung muß Pufendorf aus heutiger Sicht gemacht werden; so auch Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte,

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Die Schrift „De statu imperii Germanici“ verdient aus mehreren Gründen eine hervorgehobene Darstellung, zum einen ihrer realistischen Sichtweise auf die Rechtsverhältnisse des Reiches wegen,221 zum anderen aber auch der Reaktionen wegen, die sie hervorrief. Der Grund für die Heftigkeit der Debatte waren bezeichnenderweise die Zweifel an der Staatlichkeit des Reiches, die durch eine verbreitete Mißdeutung von Pufendorfs Thesen aufkamen (siehe schon oben). Das demonstriert die emotionale Bindung an das Reichsganze, die zur damaligen Zeit geherrscht haben muß. Der Monzambano fand in der deutschen Publizistik jedenfalls einen derartigen Widerhall, daß ganze Bücher mit einer detaillierten Darstellung gefüllt werden könnten.222 Eine solches Vorhaben wäre aber nicht lohnend, weil sich die Argumente von Befürwortern wie Gegnern Pufendorfs weitgehend wiederholten.223 Festgehalten zu werden verdient jedoch: So leidenschaftlich Pufendorf angefeindet oder verteidigt wurde, so gut wie kein Autor stellte in Frage, daß das Heilige Römische Reich ein Staat war.224 (b) Die staatsrechtliche Einstufung des Heiligen Römischen Reiches in der Folgezeit Die Frage der Staatlichkeit des Reiches und der richtigen Beschreibung des Verhältnisses von Reich und Territorien wurde erst nach Erscheinen des Monzambano 1667 zum ernsthaften Gegenstand der publizistischen Diskussion.225 Zu Beginn des 18. Jahrhunderts entwickelte sich die Lehre von der Verfassung des Reiches, die bisher Bestandteil der Universalgeschichte gewesen war,226 soS. 84; Wyduckel, Ius Publicum, S. 174. Zur Beurteilung der „Monzambano“-Schrift vom heutigen Standpunkt aus Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 65. 221 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 65. 222 Recht ausführlich hierzu Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 49 ff. Das Interesse an Pufendorfs Schrift war übrigens keineswegs auf das Heilige Römische Reich beschränkt. So wurde der Monzambano insbesondere in Frankreich intensiv rezipiert, de Prades übernahm gleich im Erscheinungsjahr 1667 sogar die Formulierung „Estat monstreux“ zur Kennzeichnung der Staatsverfassung, die er aber wie der Schöpfer dieser Worte ebenfalls in keinem negativen Sinne verwenden wollte; vgl. v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 24; Malettke, Blätter für deutsche Landesgeschichte 124 (1988), S. 455 (467, 476). 223 Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 60. 224 v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 348, 360; Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 60. 225 Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 70; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 182 f. 226 Daß es sich bei der Reichshistorie um eine historische Disziplin handelte, erklärt sich aus der Natur des Verfassungsrechts im Alten Reich. Da es zum großen Teil aus dem Reichsherkommen bestand, mußte es aus der Entwicklung heraus, also mit Blick auf die Vergangenheit erklärt werden. Ein Staatsrechtler mußte deshalb immer

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gar zu einer eigenen akademischen Disziplin, der sogenannten Reichshistorie. Es handelt sich um die Geburtsstunde des Fachs Verfassungsgeschichte, freilich ausschließlich als Hilfswissenschaft des Staatsrechts.227 Ihr Begründer Heinrich von Cocceji war bezeichnenderweise der Lehrstuhlnachfolger Pufendorfs in Heidelberg.228 Die Reichshistorie wies ein beachtliches Meinungsspektrum hinsichtlich der staatstheoretischen Einstufung von Reich und Territorien auf. Einzelne Publikationen ließen eine stark zentralistische Sicht auf das Reich erkennen. Sie schrieben dem Kaiser eine geradezu absolutistische Machtfülle zu, die sie allerdings weniger aus Betrachtungen der Realität, sondern eher aus staatsrechtlichem Wunschdenken und manchmal sogar theologisch herleiteten.229 Von etwas mehr Realismus geprägt war eine korporative Betrachtungsweise des Reiches, die auch quantitativ stärker vertreten war. Sie versuchte die Verfassung des Reiches mittels eines Vergleichs mit dem Körper und seinen Organen zu erklären. Wenn die Territorien als Organe des Reichskörpers betrachtet wurden, waren sie immerhin notwendige Funktionsträger, was sie im Gegensatz zur rein absolutistischen Sichtweise aufwertete. Sie wiesen aber immer noch keine eigene Staatsqualität auf.230 Dagegen erkannte eine meist im Dienste territorialer Herrscher stehende und im frühen 18. Jahrhundert zunehmende231 Richtung von Reichshistorikern föderative Strukturen im Heiligen Römischen Reich. Die Landesherrschaften hätten zugunsten des Reichsganzen aus freien Stücken auf einen Teil ihrer im Grundsatz unbeschränkten Machtfülle verzichtet, weshalb der Kaiser zwar als Repräsentant des Reiches an dessen Spitze stehe, aber in seiner Machtausübung an das reichsständische Plazet gebunden sei.232 Von diesem Standpunkt aus war die Interpretation des Reiches als aus Staaten zusammengesetztem Staat nur konsequent und wurde in der Tat auch mit stets steigender Tendenz vertreten.233 Dabei kam das Reichsverständnis des Univerauch Historiker sein; Moser, Teutsches Staats-Recht II, S. 237 f.; Ebel, Johann Stephan Pütter, S. 106. 227 Zum Beginn der Reichshistorie Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 107; Hoke, Art. Reichspublizistik (Neuzeit), in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 719 (725); von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (118 f.). Zu ihrem Fortgang Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 299 ff. 228 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 107. 229 Dies betrifft vor allem Eucharius Rinck (1670–1745); vgl. von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (125 f.). 230 von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (127 ff., 131 f.). 231 von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (132). 232 Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 56; Hoke, Die Reichsstaatslehre des Johannes Limnaeus, S. 128. Unzutreffend ist dagegen die Behauptung von zur Mühlens, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (133), diese Richtung der Reichsstaatslehre habe eine Gleichrangigkeit von Kaiser und Reichstag oder sogar dessen Unterordnung unter die Versammlung der Reichsstände vertreten.

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salgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz234 dem heutigen Bundesstaatsbegriff am nächsten. Seine unter dem Pseudonym Caesarinus Fuerstenerius235 1677 erschienene Denkschrift „De jure suprematus ac legationis principum Germaniae“ zeichnete sich insbesondere durch ihre weitreichende Loslösung vom strengen Souveränitätsverständnis Jean Bodins aus.236 Leibniz unterschied zwischen der „confoederatio“, einem Bündnis unabhängiger Staaten, das selbst keine Hoheitsgewalt habe, und der „unio“, in der es noch eine eigene, über den Mitgliedern stehende Staatsgewalt gebe. Das Heilige Römische Reich betrachtete er als eine solche unio. Damit kam dem Reich ebenso Staatsqualität zu wie den Territorien, welche die für Staaten notwendige Hoheitsgewalt durch die majestas ihrer Herrscher nach innen hatten. Daß es demnach verschiedene Träger der Staatsgewalt im Reich gab, focht Leibniz nicht an. Er betonte die unterschiedlichen Wirkungssphären von Reich und Territorien, in denen jeweils entweder die eine oder die andere Seite die absolute Hoheitsgewalt innehatte.237 Damit hatte Leibniz faktisch das Heilige Römische Reich Deutscher Nation dem heutigen Verständnis nach als Bundesstaat klassifiziert.238 Es hat sich damit eine erstaunliche Bandbreite der von der Publizistik des 17. und frühen 18. Jahrhunderts vertretenen Reichstheorien gezeigt. Dennoch hat auch nach dem Westfälischen Frieden kein einziger Autor das Heilige Römische Reich als Konföderation unabhängiger Staaten begriffen,239 auch wenn diese Form der Staatenverbindung in damaliger Zeit durchaus bekannt war und nicht nur – wie etwa von Leibniz – theoretisch beschrieben worden ist, sondern in der Schweizer Eidgenossenschaft und den Generalstaaten der Niederlande bereits praktische Beispiele gefunden hatte.240 Die einhellige Abneigung gegen 233 Sie war sogar schon vor Erscheinen des Monzambano von Ludolph Hugo in seiner Dissertation von 1661 vertreten worden, hatte seinerzeit aber noch kein großes Echo gefunden; vgl. Deuerlein, Föderalismus, S. 39 f.; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 61 f.; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 56 ff.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 78 f.; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 53 ff.; Wyduckel, Ius Publicum, S. 172 f. 234 Ein kurzer Lebenslauf findet sich bei Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 62; Schneider, in Stolleis, Staatsdenker, S. 197 (198 f.). 235 Mit diesem Scheinnamen wollte Leibniz wohl seine Ausgewogenheit zwischen kaiserlichen und landesherrlichen Interessen ausdrücken; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 63; Huber, ZGesStaatsWiss 102 (1942), S. 593 (613). 236 Schröder, in: Asbach/Malettke/Externbrink, Altes Reich, Frankreich und Europa, S. 123 (135). 237 Vgl. Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 62 f.; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 63 ff.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 80 f.; Schneider, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 197 (205 ff.). 238 So auch Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 80 f.; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 60. Kritisch dagegen mit Blick auf die Verfassungswirklichkeit v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 354 f. 239 Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 70.

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eine Klassifizierung des Reiches als Gebilde ohne Staatscharakter und damit ohne Hoheitsgewalt über seine Mitglieder ist gerade deshalb bemerkenswert, weil sie auch den im Fürstendienst stehenden Juristen zu eigen war, die ansonsten nichts unversucht ließen, um die Durchsetzung der politischen Ambitionen ihrer Auftraggeber reichsverfassungsrechtlich zu unterstützen.241 (3) Die Reichstheorien von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Im Verlauf des 18. Jahrhunderts versachlichte sich die Debatte um die Staatsform des Reiches zunehmend, weil die Publizisten nun immer seltener bereit waren, reine Gefälligkeitsgutachten für ihre Auftraggeber zu erstellen, sondern statt dessen stärker auf den objektiv-wissenschaftlichen Wert ihrer Arbeiten pochten.242 Qualität und Ausmaß der staatsrechtlichen Literatur nahmen dementsprechend zu. In dieser Atmosphäre entstand etwa das immens umfangreiche Werk Johann Jakob Mosers243, das mindestens 331 Titel umfaßt und heute wohl immer noch nicht vollständig erschlossen ist.244 Moser äußerte sich auch zur Frage der Staatsform des Heiligen Römischen Reiches, wenngleich er dies eher widerwillig zu tun scheint. „Teutschland wird auf teutsch regiert“, schrieb er, und zwar ohne daß herkömmliche Begrifflichkeiten oder der Vergleich mit auswärtigen Staaten dies näher erklären könnten.245 Aus dieser Passage erwuchs ihm später der Vorwurf, sich einer Festlegung in der Debatte über die Staatsform des Reiches ähnlich wie Pufendorf einfach verweigert zu haben.246 In der Tat war die Mosersche Haltung in der Staatsformfrage uneinheitlich, bisweilen sogar widersprüchlich.247 An einigen Stellen in seinem Werk scheinen aber doch konkretere Antworten durch. So erteilte Moser einer Interpretation des Reiches als Konfö240 Deuerlein, Föderalismus, S. 37 f.; von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (133 f.). 241 von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (132). Dieser Umstand läßt sich nicht – wie von zur Mühlen a. a. O. meint – damit erklären, daß die Reichshistorie die Staatlichkeit des Reiches als Grundlage vorausgesetzt habe und diese daher nicht hätte angezweifelt werden können, ohne gleich die Existenz der ganzen Disziplin in Frage zu stellen. Die Reichshistoriker hätten das Reich durchaus auch staatenbündisch interpretieren und dann unter dem gleichen Namen statt Staatsrecht Völkerrecht betreiben können. 242 Kremer, Der Westfälische Friede, S. 48. 243 Zu seiner Biographie etwa Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 113 f.; Laufs, JuS 1985, S. 670 (670 ff.); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 258 ff. 244 Schömbs, Das Staatsrecht Johann Jakob Mosers, S. 281. 245 Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 550. 246 Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 150. 247 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 87.

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deration souveräner Staaten eine eindeutige Absage. Kein Reichsstand sei unabhängig, sondern jeder einzelne habe Kaiser und Reich als höhere Autorität zu achten.248 Dennoch zeichne sich die deutsche Reichsverfassung durch ein „Regierungs-Gleichgewicht“ von Kaiser und Reichsständen aus.249 Die Gesamtschau von Mosers Werk zeigt, daß wohl die Interpretation des Reiches als aus Staaten zusammengesetztem Staat seiner Ansicht am besten gerecht wird,250 auch wenn er selbst dies ausdrücklich bestritt.251 Die Einstufung des Heiligen Römischen Reiches als Staatenstaat findet sich wesentlich deutlicher bei Mosers Zeitgenossen Johann Stephan Pütter252. Er stellte die Staatsqualität aller in Deutschland existierenden reichsunmittelbaren Territorien fest, auch der reichsritterschaftlichen Gebiete,253 lehnte aber die Interpretation des Reiches als völkerrechtlich organisierten Staatenverein ausdrücklich ab.254 Die Gliedstaaten wiesen keine völlige Unabhängigkeit auf, wie sich etwa an ihrer Unterordnung unter die Reichsgerichtsbarkeit zeige.255 Vielmehr sei auch das Heilige Römische Reich ein Staat, eben ein „aus Staaten zusammengesetzter Staat“256. Gegen eine Vergleichbarkeit von Pütters Reichsbegriff mit dem heutigen Bundesstaat kann nun eingewendet werden, er habe die Reichsgewalt als rein kaiserliche und nicht als gesamtstaatliche Bundesgewalt verstanden.257 Wenn Pütter sich auf den Kaiser als das Reichsoberhaupt berief, so mag er damit aber einfach ein Synonym für Reichsgewalt gesucht haben. Zusammensetzung und Befugnisse des Organs Reichstag werden ihm nicht unbekannt gewesen sein. Auch aus der von ihm argumentativ eingesetzten Unterordnung der Gliedstaaten unter die Reichsgerichte – also nicht nur unter den Reichshofrat, sondern auch unter das vom Kaiser wenig beeinflußte Reichskammergericht258 – folgt, daß er von einer Unterwerfung der Reichsstände nicht allein unter das Amt des Kaisers, sondern auch unter die föderalistischen Reichsorgane ausging. Pütters Verständnis vom Heiligen Römischen Reich als einem aus Staaten zusammen248

Von der Landeshoheit, S. 26. Von denen Kayserlichen Regierungs-Rechten und Pflichten, S. 32. 250 Vgl. Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 86 f. 251 Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 551. 252 Lebenslauf bei Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 125 f.; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 81 ff.; Link, in: Stolleis, Staatsdenker, S. 310 (310 ff.); sowie ausführlich bei Ebel, Johann Stephan Pütter, S. 7 ff. 253 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 31. 254 Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 35 f. 255 Pütter, Historische Entwickelung III, S. 235 f. 256 Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 38; ders., Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 44 f. 257 So Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 89. 258 Siehe näher unten, S. 167. 249

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gesetzten Staat, dessen Mitglieder nicht unabhängig waren, ist also im wesentlichen mit dem identisch, was heute „Bundesstaat“ genannt wird.259 Dementsprechend betrachtete sich Pütter selbst als Schöpfer der Lehre vom Bundesstaat.260 Die Theorie Pütters vom Reich als aus Staaten zusammengesetztem Staat wurde in der Folgezeit von zahlreichen Publizisten mehr oder weniger übernommen;261 darunter als bekannteste etwa Christian Gottlob Biener262, Christian Ernst Weiße263 und Carl Friedrich Häberlin.264 Die meisten Staatsrechtler maßen damit nicht nur den Territorien, sondern auch dem Reich eine nicht unerhebliche Bedeutung zu. Es kann keine Rede davon sein, sie seien „bereit (gewesen), das Reich aus der Geschichte zu verabschieden“265. Auch noch nach dem Reichsdeputationshauptschluß und der dadurch eingetretenen weiteren Lokkerung der Herrschaftsgewalt des Reiches wurde sie in den am meisten verbreiteten Lehrbüchern des Staatsrechts von Justus Christoph Leist266 und von Nicolaus Thaddäus Gönner267 vertreten. Dazu kommen zahlreiche weitere bekannte und unbekanntere Publizisten.268 In einer für die Reichspublizistik immer noch so bedeutenden Frage wie der Staatsnatur des Reiches mußte es natürlich nach wie vor auch abweichende Meinungen geben. Der Rechtslehrer des österreichischen Erzherzogs und späteren Kaisers Joseph II., Christian August Beck, brachte seinem Schüler bei, die Reichsstände wiesen keine eigene Staatlichkeit auf und das Reich sei ein Einheitsstaat.269 Bemerkenswerterweise maß mit Adam Christian Gaspari selbst im Jahr des Reichsdeputationshauptschlusses noch ein Autor allein dem Reich Staatsqualität bei und sprach den Reichsständen sogar jegliches Mitregierungsrecht ab.270 259 Nach Maurer, Staatsrecht I, § 2 Rdnr. 23, und Link, in: Loos, Rechtswissenschaft in Göttingen, S. 75 (90), ist Pütters Reichsbegriff mit dem des heutigen Bundesstaats identisch; Deuerlein, Föderalismus, S. 45, sieht in ihm zumindest einen unmittelbaren Vorläufer. 260 Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 20 f. Dies geschah freilich zu Unrecht, weil seine Gedanken wie oben gezeigt so neu nicht waren. 261 Koselleck, Art. Bund, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe I, S. 583 (634); v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 70; Willoweit, Art. Pütter, Johann Stephan, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 114 (115). 262 Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 190. 263 Von den Vortheilen der teutschen Reichsverbindung, S. 9 ff. 264 Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 146 f., 370. 265 So aber Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 236. 266 Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, 2. Aufl. 1805, S. 54 ff. 267 Teutsches Staatsrecht, S. 94, 98, 333. 268 Vgl. die Übersicht bei Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 356 f. Eine beschränktere Auswahl findet sich auch bei Kremer, Der Westfälische Friede, S. 70 ff. 269 Vgl. Conrad, Recht und Verfassung des Reiches, S. 431.

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Die Gegenansicht, also die Annahme der Staatsqualität allein der Gliedstaaten und nicht des Reiches, findet sich noch seltener als die Theorie vom Einheitsstaat. Für die Zeit vor dem Reichsdeputationshauptschluß könnte man allenfalls Georg Wilhelm Friedrich Hegel mit seinem im Jahr 1802 ausgesprochenen und berühmt gewordenen Satz „Deutschland ist kein Staat mehr“271 nennen.272 Mindestens ebenso deutlich ist seine weniger bekannte Aussage, Deutschland sei nicht mehr „als vereinigtes Staatsganzes, sondern als eine Menge unabhängiger und dem Wesen nach souveräner Staaten anzusehen.“273 Damit sprach er dem Reich die Staatlichkeit ab, wenngleich seine Formulierung („. . . kein Staat mehr“) erkennen läßt, daß auch er offenbar noch kurz zuvor das Reich als einen Staat angesehen haben muß.274 Allerdings schien Hegel selbst seiner berühmten Aussage gar keine so große Bedeutung beizumessen wie die Nachwelt, denn die Veröffentlichung seiner Schrift über die Reichsverfassung lehnte er ab.275 Bei der Interpretation der Sicht Hegels müssen die Besonderheiten seines Staatsverständnisses beachtet werden. Für ihn war nur der moderne Zentralstaat ein echter Staat,276 und weil er einen solchen im Alten Reich nicht mehr zu erblicken vermochte, mußte er diesem zwangsläufig die Staatlichkeit absprechen. Davon abgesehen hat sich Hegel zwar tiefgründig mit philosophischen und politischen Perspektiven für die Zukunft beschäftigt, von der Reichsgeschichte – und diese war für das Verständnis des Verfassungsrechts unumgänglich277 – verstand er aber wenig.278 Hegel kann daher kaum als Zeuge für die 270 Der Deputations-Receß I, S. 64. Es handelt sich um eine „erstaunliche, aus dem Rahmen der zeitgenössischen Publizistik fallende These“; Kremer, Der Westfälische Friede, S. 80 Fußn. 203. 271 In: Die Verfassung Deutschlands, auszugsweise abgedruckt bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 8 (S. 65 ff.). Fehlerhaft ist die Angabe bei Huber, ZGesStaatsWiss 102 (1942), S. 593 (627), der fragliche Ausspruch sei erst 1803 von Hegel getätigt worden. 272 Der Franzose Abbé de Saint-Pierre kann nicht als Vertreter einer völkerrechtlichen Sichtweise auf das Reich schon im frühen 18. Jahrhundert genannt werden. Zwar nennt er das Reich einen Staatenbund. Seine Erkenntnisse können allerdings nicht mit der deutschen Staatsrechtslehre verglichen werden, weil er eine Idealvorstellung des Heiligen Römischen Reiches schilderte, aber nicht nach Reichsgrundgesetzen und Reichsherkommen versuchte, die deutsche Staatsverfassung in ihrer tatsächlichen Erscheinung zu erklären; Asbach, in: ders./Malettke/Externbrink, Altes Reich, Frankreich und Europa, S. 171 (217); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 102 Fußn. 50. 273 Zititiert nach Hofmann/Thieme, JuS 1982, S. 167 (167). 274 Burgdorf, FAZ vom 18.9.2003 (Nr. 217), S. 42; Thieme, JuS 1981, S. 549 (550). 275 Burgdorf, FAZ vom 18.9.2003 (Nr. 217), S. 42. 276 Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (41); Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 113; Hofmann/Thieme, JuS 1982, S. 167 (168); Schmidt, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 247 (260). 277 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 226.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

fehlende Staatlichkeit des Reiches und schon gar nicht für eine völkerrechtliche Sichtweise angeführt werden.279 Karl Salomo Zachariä kann als einziger Autor herangezogen werden, der noch zur Bestandszeit des Heiligen Römischen Reiches eine völkerrechtliche Sichtweise auf das Reich vertrat.280 Das ist im vorliegenden Zusammenhang aber nur von geringer Bedeutung, denn Zachariäs Aufsatz entstand erst vor dem Hintergrund des Reichsdeputationshauptschlusses.281 Für die Beurteilung des Staatscharakters des Reiches im Jahre 1803 ist das nicht weiterführend. Es hat sich damit gezeigt, daß die zeitgenössische Publizistik nahezu einhellig von der Staatlichkeit des Heiligen Römischen Reiches ausging, die ganz überwiegende Auffassung aber auch die Territorien als (nichtsouveräne) Staaten betrachtete.282 Die Einschätzung der zeitgenössischen Staatsrechtslehre, die Territorien hätten eine relativ starke Stellung dem Reich gegenüber inne, legt nahe, daß die Reichsebene keine reichsständischen Gebiete gegen deren Willen säkularisieren bzw. mediatisieren konnte. Bewiesen ist diese Vermutung indes nicht. Die damalige Staatsrechtslehre zog nicht explizit den Schluß von der Staatlichkeit der Territorien auf ihre Unauflösbarkeit. Zum größten Teil wurden zusammengesetzter Staat und Staatenverbund ohne eigene Staatsqualität auch noch nicht in der heute üblichen Klarheit getrennt. Die Kategorisierung durch die zeitgenössische Publizistik genügt daher nicht. Es bleibt nur der Ausweg, auf allgemein anerkannte Grundsätze zurückzugreifen, die unabhängig von der aktuellen Verfassungsordnung gelten. Diese Grundsätze sind zum größten Teil erst nach Untergang des Heiligen Römischen Reiches wissenschaftlich entwickelt worden. 278

Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (40). Wie dies Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 225, tut. Wie hier dagegen Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 91. 280 In: Woltmanns Zeitschrift, Bd. I, 1804, 34 ff. Hier zitiert nach Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 133; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 99. Nach einer mehr politischen denn juristischen Diskussion kommt er zu dem Ergebnis, das Reich sei kein Bundesstaat (er benutzte den Begriff „Völkerstaat“), sondern ein Verbund unabhängiger Staaten. 281 Vgl. Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 133, 304. 282 So auch die Einschätzung von v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 96; Duchhardt, Das Zeitalter des Absolutismus, S. 182; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 142; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 86; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (166); Kremer, Der Westfälische Friede, S. 76; Schmidt, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 247 (252); Stolleis, Der Staat Beih. 11 (1996), S. 63 (79); von zur Mühlen, ZRG Germ. Abt. 89 (1972), S. 118 (145); Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 90. Beispielhaft seien hier genannt: Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 333; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 375; Moser, Von der Landeshoheit, S. 13 f.; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 40; ders., Historische Entwickelung II, S. 167 f. 279

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Daher ist eine Einordnung des Heiligen Römischen Reiches nach den Kriterien der heutigen Allgemeinen Staatslehre erforderlich. bb) Die Einstufung des Heiligen Römischen Reiches nach heutigen Kriterien Die noch immer gängigste Kategorisierung staatlicher Zusammenschlüsse ist diejenige nach Bundesstaat und Staatenbund, wenn sie heute auch bisweilen kritisch bewertet wird. (1) Inhalt und Entstehung des Staatenbund-Bundesstaat-Schemas Die Unterscheidung von Bundesstaat und Staatenbund fällt zumindest der Theorie nach leicht. Ein Staatenbund ist ein bloß völkerrechtlicher Zusammenschluß. Er weist keine eigene Staatsqualität auf und beläßt die volle Souveränität bei den Mitgliedsstaaten. Dagegen ist der Bundesstaat selbst ein Staat, der sich vom Einheitsstaat dadurch unterscheidet, daß nicht nur ihm, sondern auch seinen Mitgliedern Staatsqualität zukommt.283 Die Wortbildungen Bundesstaat und Staatenbund sind noch vergleichsweise jung: Sie kamen in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts auf.284 Besonders bedeutsam war das Begriffspaar damals aber noch nicht, obwohl es zur staatsrechtlichen Einordnung des Deutschen Bundes hätte beitragen können. Das änderte sich erst im ausgehenden 19. Jahrhundert, als sich aufs neue das Bedürfnis verstärkte, föderale Systeme in Gesamtstaaten und völkerrechtliche Staatenverbunde zu unterscheiden. Hintergrund war insbesondere der Wunsch, das neu gegründete Deutsche Reich von 1871 vom Deutschen Bund abgrenzen und es als starken und einheitlichen Nationalstaat interpretieren zu können.285 Vor allem diese Zielsetzung verfolgte die klassische Staatslehre,286 als sie die Begriffe Bundesstaat und Staatenbund heranzog, sie als strikte Gegensätze interpretierte und ihnen so die heute noch übliche Gestalt gab.287

283 Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rdnr. 155; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschn. IV Rdnr. 4 ff.; Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 278; Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 29 Rdnr. 9; Maurer, Staatsrecht I, § 10 Rdnr. 6 f.; Stein/Frank, Staatsrecht, S. 109; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 70, 412. 284 Vgl. Koselleck, Art. Bund, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe I, S. 583 (651). 285 Herzog, Art. Staatenverbindung, in: ders., Ev. Staatslexikon II, Sp. 3376 (3376); Schönberger, AöR 129 (2004), S. 81 (90); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts II, S. 366 f. 286 Wie Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 298, auch deutlich zu erkennen gibt.

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(2) Kritik am Staatenbund-Bundesstaat-Schema und alternative Eingruppierungsmöglichkeit des Heiligen Römischen Reiches Die Unterscheidung föderaler Systeme in Bundesstaaten und Staatenbünde ist seit ihrem Bestehen immer auch angegriffen worden.288 Die theoretisch sehr eindeutigen Differenzierungskriterien seien überzeichnet; sie bildeten nur zwei Extreme ab, könnten die sich zwischen ihnen befindlichen Gebilde aber nicht erklären. Sie müßten ihnen daher in der einen oder anderen Weise ungerecht werden, weil sie dazu zwängen, alle ihrer Eingruppierung im Wege stehenden Indizien schlicht zu ignorieren. Das Staatenbund-Bundesstaat-Schema entspringe einer historischen Situation, die durch eine stark nationalistische Sichtweise geprägt war, wie sie heute (glücklicherweise) überholt ist. Es sei anhand der damals existenten Staatsgebilde entwickelt worden, auf die es möglicherweise auch gepaßt habe, aber den Gegebenheiten aus der Zeit vor und nach ihrer Entstehung könne es nicht mehr gerecht werden. Diesen Argumenten ist zuzugestehen, daß sich heutige föderale Gebilde in der Tat nur schwer in die gängige Unterscheidung von Staatenbund und Bundesstaat eingruppieren lassen. Probleme bereiten supranationale Zusammenschlüsse wie vor allem die Europäische Union, die Merkmale des Staatenbundes ebenso auf sich vereint wie solche des Bundesstaates. Dementsprechend hat sich schon bald nach Beginn des europäischen Einigungsprozesses Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine lebhafte Debatte an der Frage entzündet, ob nun ein Bundesstaat oder ein Staatenbund geschaffen worden sei, oder ob sich der Verbund – wie die große Mehrheit es beurteilt – weder in die eine noch in die andere Gruppe einordnen lasse, sondern schlicht ein Gebilde sui generis darstelle.289 (a) Die Theorie des Bundes Als Alternative zur Einstufung föderaler Gebilde nach Bundesstaaten und Staatenbünden ist immer wieder die von Carl Schmitt entwickelte Kategorie des Bundes aufgegriffen worden. Mit ihrer Hilfe wurde versucht, die Europäische Gemeinschaft staatstheoretisch zu erklären,290 aber auch, dem Staatssy287 Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 401 f.; Schönberger, AöR 129 (2004), S. 81 (88); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts II, S. 367. Die ursprünglich von Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 278, eingeführte weitere Kategorie des Staatenstaats, der sich vom Bundesstaat im wesentlichen durch die geringere Einflußnahmemöglichkeit der Zentralgewalt auf die Einwohner in den Ländern unterscheiden sollte, ist heute nicht mehr gebräuchlich; Herzog a. a. O., S. 398 f. 288 Ausführlich Herzog, Allgemeine Staatslehre S. 400 ff. 289 Vgl. Schönberger, AöR 129 (2004), S. 81 (82 f.) m. w. Nachw.

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stem des Heiligen Römischen Reiches gerecht zu werden.291 Wenn ein Bund vorliegt, sollen die Gliedstaaten nach der Theorie Schmitts staatsrechtlich, anderenfalls nur völkerrechtlich verbunden sein. Dabei definieren sich Bünde als „auf freier Vereinbarung beruhende, dem gemeinsamen Zweck der politischen Selbsterhaltung aller Bundesmitglieder dienende, dauernde Vereinigung(en), durch welche der politische Gesamtstatus jedes einzelnen Bundesmitgliedes im Hinblick auf den gemeinsamen Zweck verändert“ wird.292 Letztendlich soll den Ausschlag geben, wem das Recht zur Kriegsführung zusteht: Nur wenn die Gliedstaaten auf ihr ius belli untereinander dauerhaft verzichten, kann von einem Bund (im Gegensatz zum bloßen Bündnis) gesprochen werden.293 Militärische Konflikte mit Nichtbundesgliedern bleiben dagegen grundsätzlich erlaubt, sofern sie sich nicht gegen den Bund selbst richten.294 Konsequenz der Aufgabe des internen Kriegsführungsrechts der Bundesmitglieder ist, daß ihr Bestand nunmehr von der Zentralebene garantiert wird, selbst wenn das in der Bundesverfassung nicht ausdrücklich niedergelegt ist. Auch der bloß teilweise Entzug territorialen Besitzstandes durch den Bund ist undenkbar.295 (b) Eingruppierung des Heiligen Römischen Reiches nach der Theorie des Bundes Die Richtigkeit der Theorie Schmitts unterstellt, waren die im Reichsdeputationshauptschluß angeordnete Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung materiell rechtswidrig, sofern das Alte Reich tatsächlich ein Bund war. Das ist dann der Fall, wenn sich die Reichsstände als Bundesmitglieder untereinander auf ein Verbot der Kriegsführung geeinigt hatten. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrtausends war noch das Fehdewesen verbreitet, von einem Gewaltverbot konnte keine Rede sein. Mit dem Ewigen Landfrieden von 1495 und der Schaffung des Reichskammergerichts wurde dann aber jede Fehde untersagt.296 Obwohl der Schwerpunkt dieses Reichsgrundgesetzes in der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit innerhalb 290 Schönberger, AöR 129 (2004), S. 81 ff., der darüber hinaus die Bundestheorie Carl Schmitts auch zur Einstufung Deutschlands in verschiedenen historischen Epochen empfiehlt, auf das Heilige Römische Reich aber nicht eingeht. 291 Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (475). 292 Schmitt, Verfassungslehre, S. 366; ähnliche Begriffsbestimmung bei Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 661. 293 Schmitt, Verfassungslehre, S. 369. Vgl. dazu auch Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rdnr. 157. 294 Schmitt, Verfassungslehre, S. 370. 295 Schmitt, Verfassungslehre, S. 368. 296 Wenn auch der Ewige Landfrieden vor allem in der unmittelbaren Folgezeit nicht jede Fehde hat verhindern können (Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rdnr. 276; Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 93), ist seine Bedeutung für die Rechtsentwick-

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der Territorien lag,297 war mit ihm bereits ein erster Schritt in Richtung eines reichsinternen Kriegsverbots getan, weil sich der Landfrieden ausdrücklich auch an die Kurfürsten und Fürsten richtete.298 Der Ewige Landfrieden wurde in etlichen Reichsabschieden in der Folgezeit bekräftigt und im Landfrieden von 1548 nicht nur erneuert, sondern auch erweitert. Nunmehr war nicht nur unmittelbare Gewalt, sondern auch das Anstacheln fremder Untertanen gegen ihre Herrscher untersagt. Außerdem wurden die innerdeutsche Kriegsführung, Belagerung, Ausübung fremder Gerichtsbarkeit und das Schließen bestimmter Bündnisse verboten.299 Dies sind Taten, die überhaupt nur von Landesherren als solchen begangen werden können. Damit hat sich der Landfrieden von einer schwerpunktmäßig innerterritorial ausgerichteten Regelung zu einem hauptsächlich an die Reichsstände adressierten Gesetzeswerk gewandelt.300 Eine zumindest vorläufige Vollendung dieser Entwicklung brachte dann die Exekutionsordnung von 1555.301 Sie bestätigte ebenfalls den Ewigen Landfrieden, richtete sich ansonsten aber nur noch an die Reichsstände und legte ihnen recht weitgehende Handlungsbeschränkungen auf, etwa das Verbot zersetzender oder umstürzlerischer Tätigkeiten in anderen Ländern oder auch nur einen Reichsstand zu „beleidigen und betrüben“.302 Mit Verabschiedung der Exekutionsordnung war der Zeitpunkt erreicht, in dem den Reichsständen die Gewaltanwendung untereinander eindeutig untersagt war.303 Ob das Heilige Römische Reich deswegen ein Bund im Sinne der Schmittschen Theorie war, ist höchstens noch unter dem Aspekt fragwürdig, daß seine Mitglieder in der Regel Staaten sind, die Staatsqualität für die reichsständischen Gebiete in dieser Zeit aber zweifelhaft ist.

lung in Deutschland nicht hoch genug einzuschätzen, vgl. Angermeier, Die Reichsreform, S. 174. 297 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 255. 298 Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 343. 299 Textauszug bei Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte II/2, S. 327 f. 300 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 255 f. 301 Zu ihrer verfassungsgeschichtlichen Bedeutung ausführlich Angermeier, Die Reichsreform, S. 320 ff. 302 Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 254. 303 Moser, Nachbarliches Staatsrecht, S. 142. Eine Ausnahme galt allerdings nach damals herrschender Auffassung dann, wenn ein Reichsstand von einem anderen militärisch angegriffen wurde. In diesem Fall, der rechtmäßigerweise natürlich nie auftreten konnte, hatte der attackierte Reichsstand auch das Recht zur militärischen Selbstverteidigung; Moser, Nachbarliches Staatsrecht, S. 122; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte II/2, S. 329; v. Römer, Das Völkerrecht der Teutschen, S. 195 f.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 258.

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Eine erneute Wendung nahmen sowohl die Frage nach der Staatlichkeit der Territorien als auch die Problematik des reichsinternen Gewaltverbots mit dem Inkrafttreten des Westfälischen Friedens von 1648. Nunmehr wurde den Reichsständen das Bündnisrecht mit auswärtigen Mächten eingeräumt (Art. VIII § 2 IPO), das nach einhelliger Auffassung auch das Recht zur Kriegsführung umfaßte.304 Das könnte bewirkt haben, daß das Gewaltverbot innerhalb des Heiligen Römischen Reiches keine uneingeschränkte Geltung mehr beanspruchen konnte.305 Gegen eine solche Argumentation spricht aber, daß der Friedensvertrag mit Art. XVII § 7 IPO eine Bestimmung enthält, die mit dem Verbot der Gewaltausübung des Ewigen Landfriedens genau übereinstimmt. Gleiches folgt aus Art. VIII § 4 IPO, der die gewissenhafte Befolgung aller bestehenden Reichsgrundgesetze anordnet (wozu auch der Ewige Landfrieden zählt, siehe oben, S. 25). Tatsächlich hat die Praxis in der Zeit von 1648 bis 1806 gezeigt, daß kriegerische Auseinandersetzungen zwischen deutschen Territorien nur äußerst selten vorkamen.306 Dies ist schon eine bemerkenswerte Tatsache angesichts des großen Konfliktpotentials – vor allem der konfessionellen Gegensätze und Forderungen nach Gebietsabtretungen.307 Es ist also der damals ganz herrschenden Literaturansicht recht zu geben, daß militärische Auseinandersetzungen zwischen Territorien des Heiligen Römischen Reiches noch bis zu dessen Auflösung 1806 verboten blieben.308 Damit ist das nach der Bundestheorie Carl Schmitts letztlich entscheidende Kriterium der Aufgabe des ius belli durch die Mitglieder zugunsten des Bundes erfüllt. Das Alte Reich ist also nach dieser Definition ein Bund309 und somit ein Gebilde, das den Bestand seiner Mitglieder inklusive ihres gesamten Territorialbesitzes garantierte. Demnach waren die Herrschaftssäkularisation und die Mediatisierung durch den Reichsdeputationshauptschluß materiell rechtswidrig.

304 Siehe Pütter, Historische Entwickelung II, S. 83, 365; ders., Anleitung zum Teutschen Staatsrechte II/2, S. 316; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 198; v. Römer, Das Völkerrecht der Teutschen, S. 194; Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (471). 305 Diese Folgerung wurde von einigen wenigen Zeitgenossen offenbar auch tatsächlich gezogen, vgl. Moser, Nachbarliches Staats-Recht, S. 142 f., der sie schildert, aber mit drastischer Wortwahl („Unsinn“) ablehnt. 306 Moser, Nachbarliches Staatsrecht, S. 144; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 259. 307 Ähnlich Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 259. 308 Pütter, Historische Entwickelung II, S. 83 f., 365; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 194; v. Römer, Das Völkerrecht der Teutschen, S. 195; ebenso Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (474). 309 So im Ergebnis auch Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (475).

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(c) Gegenkritik an der Theorie des Bundes Die Existenz einer Bestandsgarantie der Reichsglieder ist aber noch nicht letztendlich festgestellt, denn die Theorie des Bundes, aus der dieses Ergebnis abgeleitet werden kann, weist ihrerseits Schwachpunkte auf. Wenn der Einteilung Staatenbund-Bundesstaat entgegengehalten wird, in einer bestimmten historischen Situation verhaftet zu sein, die vorher und nachher nicht mehr existierte, so trifft dieser Vorwurf die Hypothese Schmitts noch viel deutlicher. In heutiger Zeit etwa hat das Kriegsführungsrecht der Staaten an Bedeutung für Zusammenschlüsse verloren. Wer die Theorie des Bundes als Erklärungsmodell für die Europäische Union vorschlägt, ist daher gezwungen, die Grundaussagen Schmitts doch wieder zu relativieren und als Bundeszweck etwa wirtschaftliche oder soziale Fortschritte anzusehen.310 Dadurch ändern sich aber auch die Konsequenzen der Einstufung eines Gebildes als Bund. Aus einer gemeinsamen Marktordnung wird sich kaum eine Schutzfunktion für die Existenz der Mitglieder herleiten lassen. Hier fragt sich, welcher Erkenntnisgewinn daraus folgt, daß die Europäische Union als Bund eingestuft wird. Wenn man auf das Kriterium des ius belli verzichtet und dementsprechend die Bestandserhaltung seiner Mitglieder nicht mehr als das Hauptziel des Bundes ansehen kann, bleibt die Einstufung von Staatsgebilden nach Schmitts Theorie für die Praxis folgenlos. Im Gegensatz zur Theorie des Bundes haben die Kategorien Staatenbund und Bundesstaat den Vorteil der größeren theoretischen Eindeutigkeit. Sie basieren auf bereits gründlich behandelten und definierten Begriffen wie Staat, Staatsrecht und Völkerrecht und bieten so ein solideres Fundament für die weitere juristische Argumentation. Um den Preis einer praktisch schwierigeren Kategorisierung ist daher das klassische Begriffspaar Staatenbund-Bundesstaat vorzuziehen. (3) Die Einstufung des Heiligen Römischen Reiches nach dem Staatenbund-Bundesstaat-Schema Für die Einstufung nach den Kategorien Bundesstaat und Staatenbund ist anders als nach der Theorie des Bundes das ius belli der Mitglieder kein ausschlaggebendes Kriterium, denn in beiden Fällen ist ihnen die Kriegsführung untereinander verboten.311 Ansatzpunkt muß die Staatlichkeit von Reich und Territorien sein. Als Ergebnis einer erfolgreichen Kategorisierung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation nach dem Staatenbund-BundesstaatSchema kommt nur eine der drei folgenden Möglichkeiten in Betracht: Wenn das Reich Staatsqualität aufwies, die Territorien aber nicht, dann handelte es 310 311

Wie Schönberger, AöR 129 (2004), S. 81 (101), dies tut. Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 309.

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sich um einen Einheitsstaat. Waren sowohl das Reich als auch die Territorien Staaten, dann muß es als Bundesstaat eingestuft werden. Kam dagegen nur den Territorien, aber nicht dem Reich Staatscharakter zu, dann war es nach heutiger Begrifflichkeit ein Staatenbund. (a) Der staatsrechtliche Status der Territorien Hatten die Territorien keine Staatsqualität, war das Reich weder Staatenbund noch Bundesstaat. Dann kann es nur als Einheitsstaat begriffen werden, sofern nicht das Vorhandensein von Staatlichkeit auf deutschem Boden vor 1806 generell abgelehnt wird. Die Annahme, das Reich könne ein Einheitsstaat gewesen sein, erscheint angesichts seiner inneren Machtverteilung auf den ersten Blick fernliegend. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, daß diese – von einigen Zeitgenossen ja vertretene – Variante nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Auch ein Einheitsstaat kann dezentralisiert, also in Verwaltungseinheiten untergliedert sein, die Staatsgewalt ausüben.312 Das äußere Erscheinungsbild ist dann dem eines Bundesstaats ähnlich. Der Unterschied liegt nur darin, daß die Gliedstaaten nicht kraft eigener Hoheitsgewalt handeln, sondern diejenige der Zentralebene ausüben. Dies erscheint im Heiligen Römischen Reich durchaus möglich. Damit ist eine Beantwortung der Frage vonnöten, ob die Territorien selbst Staaten waren. Ein Staat setzt nach der zwar bisweilen kritisierten313, aber ganz überwiegend doch für tauglich befundenen Drei-Elementen-Lehre Georg Jellineks die Existenz eines Staatsgebiets, eines Staatsvolks und einer Staatsgewalt voraus.314

312 Zum Einheitsstaat Haller/Kölz, Allgemeines Staatsrecht, S. 137 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschn. IV Rdnr. 5; Stern, Staatsrecht I, S. 653. 313 Vgl. etwa Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 85 ff.; sowie die Diskussion bei Kettler, Die Drei-Elementen-Lehre, S. 56 ff. 314 BVerfGE 2, 266 (277); 3, 58 (88 f.); 36, 1 (16); Berg, Staatsrecht, Rdnr. 44; Doehring, Völkerrecht, § 2 Rdnr. 49; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rdnr. 2; Haller/Kölz, Allgemeines Staatsrecht, S. 6; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 67; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR II, § 15 Rdnr. 49 ff.; Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 394 ff., 406 ff., 427 ff. Diese allgemein gebräuchliche Begriffstrias soll der Klarheit halber auch hier verwendet werden, obwohl es einen gewissen Widerspruch in sich birgt, die Wörter -gebiet, -volk, und -gewalt jeweils mit dem Ausdruck „Staat“ zu kombinieren, noch bevor die Staatsqualität des zu untersuchenden Gebildes tatsächlich festgestellt worden ist; so zu Recht Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 128.

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(aa) Staatsgebiet der Territorien Das territoriale und personelle Element ist jeweils rein tatsächlicher Natur.315 Das Staatsgebiet versteht sich als abgegrenzter Teil der Erdoberfläche.316 Im Heiligen Römischen Reich der Neuzeit waren die Grenzen der Reichsglieder untereinander mehr als deutlich vorhanden, das wirtschaftliche Fortkommen Deutschlands betreffend sogar zu deutlich. Wer das Reich durchreist, schrieb ein Zeitgenosse, wird schon nach einer Tagesreise kaum glauben, daß es sich um einen einheitlichen Staat handelt.317 Die Gesetzgebung wich erheblich voneinander ab; Paß-, Münz- und Maßwesen differierten stark.318 Daß die Territorien ein Staatsgebiet aufwiesen, kann daher ohne Zweifel angenommen werden.319 (bb) Staatsvolk der Territorien Das Staatsvolk bezeichnet einen dauerhaft auf dem Staatsgebiet ansässigen Personenverband320 und wird nicht erst seit Jellinek, sondern bereits nach der Publizistik des späten Alten Reiches als Voraussetzung für die Staatlichkeit eines Gebildes angesehen.321 Der Begriff Staatsangehörigkeitsrecht begann sich zwar erst zur Zeit des Deutschen Bundes durchzusetzen,322 aber Vorläufer lassen sich bereits auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches in Form des Untertänigkeitsverhältnisses finden. Mit der Wohnsitznahme323 in einem Territorium wurde man zum Untertan des jeweiligen Landesherrn.324 Diese Rechtsbeziehung wurde so bedeutsam, daß es spätestens seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sogar die Standesschranken verwischte: Subditus – Untertan – 315

Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 6. Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 77; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rdnr. 4; Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 7; Stein/v. Buttlar, Völkerrecht, Rdnr. 266. 317 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 35. 318 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 35. 319 So auch Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 127 f. 320 Grawert, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 16 Rdnr. 20; Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 6. 321 Vgl. v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 201. 322 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 135; ders., in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 16 Rdnr. 43; Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 87; Stern, Staatsrecht I, S. 254. 323 In damaliger Zeit sprach man vom „Domizil“ einer Person. Dieses läßt sich in etwa als auf Dauer angelegter und rechtserheblicher Lebensmittelpunkt beschreiben (Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 84) und ähnelt insoweit dem heutigen Wohnsitz. 324 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 79; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 299 f. 316

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war der landsässige Adlige ebenso wie der Leibeigene, wohlgemerkt auch letzterer gegenüber dem Territorialherrscher, nicht etwa gegenüber seinem Leibherrn.325 An das Untertänigkeitsverhältnis wiederum waren zahlreiche Rechte und vor allem Pflichten geknüpft. Letztere wurden oft mit der wohlklingenden Begriffstrias „Treue, Gehorsam und Schutz“ zusammengefaßt,326 die aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, daß in der Praxis die Verpflichtung zur Steuerleistung im Vordergrund stand.327 Darüber hinaus bieten aber auch die im Augsburger Religionsfrieden festgelegte Regel des „cuius regio – eius religio“328 oder das ius reformandi329 Beispiele für Rechtsbeziehungen zwischen dem Territorialherrscher und seinen Untertanen. Der – allerdings nicht eben häufige – Fall des Umzugs in ein anderes Gebiet löste das alte Untertänigkeitsverhältnis ohne weiteres auf und begründete ein neues.330 Der Untertan gehörte zum Land ähnlich wie Zubehör.331 Darin liegt ein erheblicher Unterschied zur heutigen Rechtslage, nach der die Staatsangehörigkeit in der Regel auch bei einem Umzug in einen fremden Staat für lange Zeit erhalten bleibt.332 Definiert man das Staatsvolk als Summe aller Staatsangehörigen im Sinne des (modernen) Staatsangehörigkeitsrechts333, dann kann es mangels eines solchen Rechts weder auf deutschem Gebiet zu Zeiten des Heiligen Römischen Reiches noch bei den anderen europäischen Mächten dieser Zeit ein Staatsvolk gegeben haben. Allerdings steht die Ausgestaltung des Staatsangehörigkeitsrechts auch heute noch bis zur Grenze der Anwendung völlig sachfremder Kriterien im Belieben eines jeden Staates.334 Die Zugehörigkeit zum Staatsvolk allein an den Wohnort zu knüpfen, ist aber keinesfalls sinnlos335, und wäre daher auch heute zulässig, wenngleich angesichts der Mobilität der Bevölkerung

325 Scheidemantel, Das Staatsrecht nach der Vernunft und den Sitten der vornehmsten Völker betrachtet, S. 41; Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 40. 326 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 102. 327 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 114. 328 Ausführlicher unten, Dritter Teil, Fußn. 185. 329 Dazu oben, S. 90. 330 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 90; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 299 f. 331 Kimminich, in: Bonner Kommentar zum GG (Dritte Bearbeitung), Art. 16 Rdnr. 2. 332 Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 87. 333 So etwa Grawert, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 16 Rdnr. 20. Dagegen zu Recht Becker, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz I, Art. 16 Rdnr. 1. 334 Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rdnr. 5; Herdegen, Völkerrecht, § 25 Rdnr. 4; Kokott/Doehring/Buergenthal, Grundzüge des Völkerrechts, Rdnr. 37. 335 So auch Epping/Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rdnr. 5; Herdegen, Völkerrecht, § 25 Rdnr. 4; Kokott/Doehring/Buergenthal, Grundzüge des Völkerrechts, Rdnr. 37.

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praktisch nur noch schwer vorstellbar. Es ist also zu eng, nur diejenigen Personen als Mitglieder des Staatsvolks zu bezeichnen, die ihm auch nach einem Umzug ins Ausland noch zugehörig bleiben. Nimmt man den Grundsatz ernst, daß ein Staat immer die Möglichkeit der Einflußnahme auf das Staatsvolk haben muß, war das Prinzip des Staatsvolks in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches sogar noch konsequenter ausgeprägt als heute. Am effektivsten lassen sich diejenigen beeinflussen, die sich im Staatsgebiet aufhalten. Durch das Untertanenrecht mit seiner Anknüpfung rechtlich relevanter Folgen allein an das Kriterium des Wohnsitzes im fraglichen Gebiet gelingt das am besten. Die Glieder des Heiligen Römischen Reiches wiesen also auch ein Staatsvolk im Sinne der Drei-Elementen-Lehre auf.336 (cc) Staatsgewalt der Territorien Im Gegensatz zum Staatsgebiet und Staatsvolk bedarf die Feststellung der Staatsgewalt neben einer tatsächlichen auch einer rechtlichen Würdigung. Das bedeutet, daß in einem Gebiet nicht nur irgendeine Staatsgewalt vorhanden sein und ausgeübt werden muß [a)]; Voraussetzung ist ferner ihre Ursprünglichkeit. Sie darf also von keinem Träger eigener Hoheitsgewalt abgeleitet sein [b)]. a) Existenz von Staatsgewalt Die Staatsgewalt stellt die organisatorische Verbindung der Elemente Staatsgebiet und Staatsvolk dar.337 Sie verlangt ein Mindestmaß tatsächlicher legaler Einflußnahmemöglichkeiten auf die im Staatsgebiet lebenden Personen zur Erfüllung staatlicher Ordnungsaufgaben.338 Voraussetzung dafür ist eine gewisse Effektivität. Der Machtanspruch des Staates darf sich also nicht nur auf die theoretische Ebene beschränken, er muß auch tatsächlich durchsetzbar sein.339 Das setzt nicht nur den herrschaftlichen Willen voraus, die Lebensverhältnisse 336

Ebenso Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 127 f. Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rdnr. 7; Herdegen, Völkerrecht, § 8 Rdnr. 7; Herzog, Allgemeine Staatslehre, S. 85. 338 Herdegen, Völkerrecht, § 8 Rdnr. 8. Wenn neben dieser „inneren Herrschaftsgewalt“ auch eine äußere verlangt wird, dergestalt, daß der Staat keinem anderen untergeordnet sein darf, handelt es sich hierbei um eine Voraussetzung für den Staat im völkerrechtlichen Sinne, aber nicht für das Bestehen von Staatlichkeit schlechthin (vgl. Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR II, § 15 Rdnr. 53; Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 51). Um eine solche Untersuchung geht es hier aber (noch) nicht. Irrig daher Burgdorf, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 27 (36), der die Souveränität als eines der „entscheidende(n) Merkmale der Staatlichkeit“ ansieht. 339 Doehring, Völkerrecht, § 2 Rdnr. 116; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rdnr. 10; Kokott/Doehring/Buergenthal, Grundzüge des Völkerrechts, Rdnr. 39; Schweitzer, Staatsrecht III, Rdnr. 579; Stein/v. Buttlar, Völkerrecht, Rdnr. 285. 337

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der Untertanen rechtlich zu ordnen, sondern auch eine behördliche Organisation auf Landesebene, um dieses Anliegen praktisch umsetzen zu können. Herrschaftliche Ambitionen zur Regelung der Lebensverhältnisse im Territorium lassen sich schon im 15. Jahrhundert feststellen, als das geordnete Zusammenleben in der Gemeinschaft, „Policey“ genannt340, zum Ziel fürstlicher Politik wurde. Mit diesem Begriff war nicht nur die Gefahrenabwehr im engeren Sinne gemeint, sondern allgemein die Wohlfahrt und das Glück der Untertanen.341 Damit entstand – auch auf Seiten der Bevölkerung – das Bedürfnis zur Einführung allgemeinverbindlicher Bestimmungen und einer gewissen staatlichen Organisation, um die Beachtung dieser Normen durchzusetzen und effektiv zu kontrollieren.342 Bereits vor dem Westfälischen Frieden war daher in den meisten deutschen Territorien eine strukturierte Verwaltung entstanden, die in den größeren Ländern sogar bereits wie heute hierarchisch aufgebaut war.343 Das galt für weltliche und geistliche Staaten gleichermaßen.344 Als dann im Zuge des Absolutismus die staatlichen Aufgaben immer mehr anwuchsen, und die Herrscher schließlich den Anspruch auf Regelung der gesamten Lebensumstände ihrer Untertanen erhoben, kam es zu einer geradezu flutartigen Entstehung neuer Ämter.345 Eine hauptberuflich tätige und nur vom Landesherrn abhängige Beamtenschaft sollte für die Umsetzung des monarchischen Willens sorgen.346 Auch die kleineren Gebiete hatten Verwaltungseinheiten eingerichtet, die zwar infolge ihrer geringen Größe nicht in Instanzen gegliedert waren, deren Wirkkraft den Behörden in den großen Territorien aber kaum nachstand.347 Zweifel am Vorliegen einer hinreichend effektiven staatlichen Organisation könnten allerdings doch bei den kleinsten der damals vorhandenen Reichsglieder aufkommen, nämlich bei der Reichsritterschaft und bei den freien Reichs340 Wobei allerdings zahlreiche verschiedene Schreibweisen herrschten, vgl. Harnischmacher/Semerak, Deutsche Polizeigeschichte, S. 15; Maier, Art. Polizei, in: Erler/Kaufmann, HRG III, Sp. 1800 (1800). Ausführlich zur Begriffsgeschichte Maier, Die ältere deutsche Staats- und Verwaltungslehre, S. 92 ff. 341 Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, Rdnr. 1320; Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 276. 342 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 32 f.; Harnischmacher/Semerak, Deutsche Polizeigeschichte, S. 17. 343 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 134 ff. 344 Zuber, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 133 (141 f.). 345 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 208. 346 Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, Rdnr. 38; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 67; Müller, Schlaglichter der deutschen Geschichte, S. 114. Ausführlich Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, S. 99 ff. 347 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 136 Fußn. 55.

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städten. Manche reichsritterschaftlichen Gebiete348 bestanden nur aus wenigen Grundstücken, auf denen eine entsprechend geringe Zahl von Menschen lebte. Die staatliche Organisation eines derart kleinen Territoriums wäre gar nicht möglich gewesen.349 Im Bewußtsein dieses Mankos ihrer Gebiete in einer Zeit sich vollziehender Staatsbildung schlossen sich die Reichsritter zu Kantonen zusammen, deren Spitze Rechtsprechungsfunktionen übertragen wurden und die später sogar eine mit eigenem Personal ausgestattete Exekutive aufbauten.350 Auch wenn die Kantone nicht zu einem ritterschaftlichen Gesamtstaat ausgebaut worden sind,351 kann selbst für diese Kleinstterritorien die Ausübung eines Mindestmaßes an Staatsgewalt, nur eben zum Teil übertragen auf eine übergeordnete Ebene, konstatiert werden.352 Ähnliches ergibt sich bei Betrachtung der freien Reichsstädte. Sie konzentrierten zwar entgegen dem absolutistischen Zeitgeist die Macht nicht auf eine Einzelperson, hatten aber mit dem oligarchisch organisierten Rat eine Exekutivspitze,353 in deren Auftrag Juristen und Sekretäre eine in etwa dem Standard der Flächenterritorien entsprechende Verwaltungsarbeit leisteten.354 Auch sie wiesen daher eine für das Vorliegen von Staatsgewalt hinreichend durchsetzungsfähige Organisation auf. Insgesamt herrschte also in den Territorien des Heiligen Römischen Reiches eine so effektive Durchsetzbarkeit staatlicher Herrschaftsgewalt, daß vom Vorliegen einer Staatsgewalt im Sinne der Drei-Elementen-Lehre ausgegangen werden kann.

348 Die Frage einer Staatlichkeit der reichritterschaftlichen Gebiete wird hier nur der Vollständigkeit halber kurz behandelt. Weil der Reichsdeputationshauptschluß ihre Existenz formal nicht berührte, kommt es für die Beurteilung seiner Rechtmäßigkeit auf den verfassungsrechtlichen Status der Reichsritter nicht an. 349 Gagliardo, Reich and Nation, S. 13; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 196; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 140. 350 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 413 f.; Bader, Der deutsche Südwesten, S. 169; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 202 f.; Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (838); Gagliardo, Reich and Nation, S. 13 f.; Kollmer, Die schwäbische Reichsritterschaft, S. 18; Press, Art. Reichsritterschaft, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 743 (744 f.); Schulz, ZWLG 1988, S. 323 (324); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 217. 351 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 217. Nicht zutreffend ist daher die Ansicht Baders, Der deutsche Südwesten, S. 170, die Kantone seien Inhaber des ius territoriale gewesen. 352 Bader, Der deutsche Südwesten, S. 169; ähnlich Endres, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 837 (838), der von einer „quasi-staatlichen“ Organisation der Reichsritterschaft ausgeht. 353 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 119; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 197; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 231; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 185. Als Synonym für „Rat“ war auch die Bezeichnung „Magistrat“ gebräuchlich; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 261. 354 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 217.

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b) Ursprünglichkeit der Staatsgewalt Ein Staat unterscheidet sich von einem bloßen Verwaltungsträger dadurch, daß ihm seine Hoheitsrechte von niemandem übertragen wurden, sondern daß er eigene, also unabgeleitete Herrschaftsgewalt ausübt. Die Beantwortung der Frage, ob die Staatsgewalt, kraft derer die Territorien auf ihrem Gebiet handelten, de iure ihre eigene war, oder ob sie lediglich diejenige des Reiches ausübten, ist insbesondere wegen des Instituts der Reichslehen schwierig. Das Recht der Reichslehen war im Grundsatz mit den Regeln des gemeinen Lehnsrechts identisch.355 Mit der Belehnung räumte der Lehnsherr dem Vasallen ein Nutzungsrecht am Lehnsgut ein, behielt aber selbst das (Ober-)Eigentum.356 Neben diese dinglichen Aspekte trat zugleich eine ganze Reihe persönlicher Rechte und Pflichten, etwa die Schutzpflicht des Lehnsherrn für den Vasallen und im Gegenzug dessen Pflicht zu Kriegsdiensten.357 aa) Entstehung und Entwicklung des Reichslehnsrechts Die Praxis der Reichslehen, also einer Belehnung der Landesherren durch den Kaiser, hatte sich bis zum 12. Jahrhundert voll ausgeprägt; die Eigenschaft als kaiserlicher Vasall war geradezu zum Wesensmerkmal des Hochadels geworden.358 Damit war einerseits eine Stärkung der Reichsfürsten durch den Erwerb von vorher dem Reich zustehenden Rechten verbunden. Andererseits erweiterte sich aber auch der kaiserliche Handlungsspielraum, denn bei Unbotmäßigkeit des Vasallen konnte das Lehen wieder entzogen werden.359 Spätestens aber mit dem Tod des Belehnten fiel es nach der ursprünglichen Konzeption wieder an das Reich zurück (sog. Heimfall) und konnte erneut vergeben werden.360 355 Ausführlich zum Wesen der Reichslehen Moser, Von der Teutschen Lehens-Verfassung, S. 5 ff. 356 Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 254; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 16 ff.; Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 93. 357 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 17; Spieß, Art. Lehnspflichten, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1722 ff. 358 Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 45; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 78. Zum Begriff des Hochadels siehe unten, Dritter Teil, Fußn. 133. 359 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 335; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 256; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 184; Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 156; Spieß, Art. Lehnspflichten, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1722 (1725); Theuerkauf, Art. Felonie, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 1098 (1099). 360 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 159; Moser, Von der Teutschen Lehens-Verfassung, S. 219.

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Für die Bewertung der staatlichen Eigenständigkeit der Territorien in der Spätphase des Heiligen Römischen Reiches muß sich die Folgefrage anschließen, wie sich die Praxis der Reichslehen in der Neuzeit weiterentwickelt hat, und vor allem, wie sie im Jahre 1803 ausgestaltet war. Jedenfalls formal blieb die Lehnsverfassung bis zum Ende des Alten Reiches 1806 bestehen.361 Sie erfuhr in quantitativer Hinsicht sogar bis zuletzt eine Ausweitung,362 das heißt immer mehr reichsunmittelbare Gebiete wurden zu Reichslehen, immer weniger Land war noch allodial363. Zwar befanden sich innerhalb der Reichslehen auch in den letzten Jahren des Heiligen Römischen Reiches immer noch einzelne Allodialgebiete. Diese erstreckten sich aber in der Regel nur auf wenige Güter; größere lehnsunabhängige Territorien gab es kaum. Alle Kurfürsten- und Fürstentümer waren Reichslehen, ebenso die große Mehrheit der Grafschaften.364 Eine Ausnahme bildeten neben den geistlichen Stiften lediglich die freien Reichsstädte, die ihr Territorium zwar nicht zu Lehen erhielten, dafür aber durch einen Huldigungseid die Abhängigkeit ihrer Herrschaftsrechte vom Kaiser manifestierten.365 bb) Die praktische Bedeutung der Reichslehen im späten Heiligen Römischen Reich und ihr Zusammenhang mit der Landeshoheit Somit ist festgestellt, daß die Reichsstände in ihrer großen Mehrheit im Jahre 1803 Reichslehen waren. Das beantwortet aber die Frage noch nicht, ob die Belehnung bei aller Bedeutung, die ihr bis zum Ende des Alten Reiches noch 361 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 22; Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 107; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 137; Mitteis/Lieberich, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 345; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 24; Spieß, Art. Lehn(s)recht, Lehnswesen, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1725 (1738). 362 V. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 81 f. 363 „Allod“ wird üblicherweise als Gegenbegriff zu „Lehen“ verwendet; Allodien sind also alle Gebiete, die nicht zu Lehen gegeben worden sind; Auge, Art. Allod, Allodifikation, in: Cordes/Lück/Werkmüller, HRG I2, Sp. 180 (181); Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 93; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 75. 364 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 209; Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (75). Vgl. ferner die Aufzählung bei v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 82. 365 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 212 f.; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 51; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 73; Bader/Dilcher, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 716; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 185; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 2; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 113. Gleiches gilt übrigens für die Reichsritter; Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 135.

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zukam, für die Entstehung von Landeshoheit konstitutiv war.366 Nur in diesem Fall ist die territoriale Staatsgewalt tatsächlich eine vom Reich weitergegebene gewesen, die konsequenterweise wie das gesamte Lehen auch wieder entzogen werden durfte. Die These der Ausübung fremder Staatsgewalt durch die Glieder des Heiligen Römischen Reiches will zu der Machtfülle zumindest der größeren unter ihnen nicht recht passen. Wohl deshalb wird die Existenz der Reichslehen allzu gern mit dem lapidaren Hinweis abgetan, die Belehnung sei in der Spätphase des Reiches nur mehr ein tradierter Ritus ohne rechtliche Wirkung, eine inhaltsleere Hülse, so unwichtig, daß selbst ihre Abschaffung fast schon der Mühe zu viel gewesen wäre.367 Auf die Landeshoheit könne sie also keinen Einfluß gehabt haben. In dieser Einschätzung ist einiges an Wahrheit enthalten. Das Lehnswesen überschnitt sich schon früh mit dem Prinzip des Übergangs der Herrscherstellung kraft Erbfolge, das sich auf der Ebene der weltlichen Gliedstaaten herausbildete.368 Das Land fiel immer häufiger nicht mehr an das Reich zurück, welches es erneut zu Lehen gab, sondern wurde faktisch auf der Ebene der Territorialherren direkt weiterübertragen.369 Bis zur Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert waren alle Lehen erblich geworden.370 Schränkte bereits das Prinzip der Vererbung von Reichslehen den kaiserlichen Handlungsspielraum massiv ein, mußte die neuzeitliche Entwicklung der Machtverhältnisse im Heiligen Römischen Reich, gekennzeichnet durch eine ständige Stärkung der Territorien auf Kosten der Reichsgewalt, zur Verminderung der mit dem Recht der Reichslehen verbundenen lehnsherrlichen Kompetenzen führen. Anerkanntermaßen war der Kaiser zu keinem Eingriff in Regierungsangelegenheiten der Gliedstaaten befugt.371 Damit kann aber das Reichslehnswesen noch nicht für praktisch bedeutungslos erklärt werden. Nur die mächtigsten Reichsstände entzogen sich der Belehnung und auch diese erst in der letzten Bestehensphase des Reiches.372 Anson366 So Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 64; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 73; v. Rebmann, Die Abtretung des linken Rheinufers, S. 32; Schröder/v. Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 938. 367 Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (75 Fußn. 1; 119); Krause, HZ 209 (1969), S. 17 (25); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 169 f.; Wyluda, Lehnrecht und Beamtentum, S. 39. 368 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 161; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 239; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 18; Müller, Schlaglichter, S. 36; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 134. 369 Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 246. 370 Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 56. 371 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 91. 372 Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (77).

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sten wurde bis zum Schluß die traditionelle Belehnungszeremonie peinlich genau eingehalten373 und auch die Lehnstaxe stets bezahlt.374 Das zeigt, daß auch die Reichsstände die vom Kaiser persönlich vorzunehmende Belehnung als verfassungsrechtlich zwingend gefordert ansahen.375 Deshalb bot sich dem Reichsoberhaupt bei jedem Wechsel in seinem Amt oder in der Person des Vasallen die Möglichkeit, die Neuvergabe des Lehens an Bedingungen zu knüpfen und so vor allem auf die Politik der kleinen und mittelgroßen Fürstentümer Einfluß zu nehmen.376 Hinzu kommen die Gebühren, die mit einer Belehnung fällig wurden und dem Kaiser zwar nicht üppige, aber doch mehr als nur symbolische Finanzmittel einbrachten.377 Es ist daher kein zulässiges Vorgehen, die Lehnsverfassung zum Ausklang des Alten Reiches zu einer überholten Konstruktion ohne Rechtswirkung zu erklären und damit jeden Einfluß auf die Landeshoheitsrechte auszuschließen.378 Erforderlich ist vielmehr eine genauere Untersuchung des Wesens der Landeshoheit, um sie dann mit dem Inhalt des Reichslehens vergleichen zu können. Ursprünglich wurde noch keine scharfe Trennung zwischen öffentlichem und privatem Recht vorgenommen.379 Wer die dingliche Nutzungsbefugnis am Land hatte, dem kam zugleich auch die Herrschaftsbefugnis über die darauf lebende Bevölkerung und somit in modernen Kategorien Hoheitsgewalt zu.380 Nach diesem Modell konnte kein Zweifel daran herrschen, daß die Landeshoheit Gegenstand der Reichslehen war, weil der Kaiser mit der Belehnung neben der Begründung personaler Rechtsbeziehungen auch die Übertragung der dinglichen Rechte am Land vornahm. Dementsprechend liest man noch im 18. Jahrhundert bei Moser, die Fürsten würden mit der Landeshoheit belehnt.381 Merkwürdigerweise durften aber die Reichsstände grundsätzlich noch vor der Belehnung Sitz und Stimme im Reichstag und in den Kreistagen führen und die 373

Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (55). Spieß, Art. Lehn(s)recht, Lehnswesen, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1725 (1736). 375 Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (76). 376 Schroeder, JuS 2006, S. 577 (579); Spieß, Art. Lehn(s)recht, Lehnswesen, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1725 (1736). Ausführlich und mit Beispielen zur politischen Bedeutung des Reichslehnsrechts im 18. Jahrhundert v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 208 ff. 377 Spieß, Art. Lehn(s)recht, Lehnswesen, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 1725 (1736). 378 So im Ergebnis auch Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 74; Press, in: Kunisch, Volker Press – Das alte Reich, S. 189 (198). 379 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (126); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 65. 380 Roellecke, Der Staat 30 (1991), S. 380 (383). 381 Moser, Von der Teutschen Lehens-Verfassung, S. 21; Moser, Von der Landeshoheit, S. 53. Ebenso der Unterricht des Erzherzogs Joseph; vgl. Conrad, Recht und Verfassung des Reiches, S. 568. 374

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Regierungsgeschäfte antreten.382 Derselbe Moser, der an anderer Stelle die Landeshoheit als Gegenstand des Reichslehens bezeichnet hat,383 zieht daraus die einzig mögliche Konsequenz, daß der Erwerber eines reichsunmittelbaren Gebiets zugleich die an diesem haftende Landeshoheit erlangte, unabhängig davon, ob seine Belehnung schon vorgenommen worden war oder nicht.384 Hier zeigen sich die Auswirkungen einer Fortentwicklung des Verfassungsrechts, das seinerzeit zwischen der Staatsgewalt selbst und der sie ausübenden Person zu differenzieren begann und die Landeshoheit als ein dem Gebiet anhaftendes Phänomen begriff.385 Ein personeller Wechsel an der Spitze eines Territoriums konnte die Landeshoheit danach nicht berühren. Dementsprechend wurde der Landesherr in der staatsrechtlichen Literatur bewußt auch nicht mehr als „Eigentümer“ der Staatsgewalt bezeichnet.386 Eine Betrachtung der Kompetenzverteilung bestätigt, daß die Landeshoheit in der Spätphase des Alten Reiches als ein dem Gebiet anhaftendes Phänomen begriffen worden sein muß. Dabei ist der bloße Umfang der Befugnisse auf Reichs- und auf Territorialebene noch nicht ausschlaggebend. Selbst bei einem deutlichen Übergewicht des landesherrlichen Kompetenzbereichs könnte es sich um die Ausübung ursprünglich fremder und bloß übertragener Macht gehandelt haben, denn das Reich hätte die Wahrnehmung seiner Befugnisse theoretisch in unbegrenztem Maße den Territorien überlassen können. Von stärkerer Bedeutung war die Verteilung neu entstehender Regelungsmaterien. Faktisch wurde sie durch die politischen Möglichkeiten bestimmt,387 mit der Folge, daß die landesrechtlichen Gesetze überwogen.388 Das deckte sich mit der Auffassung der Staatsrechtslehre, die nach der von Johann Stephan Pütter formulierten „Pütterschen Grenzformel“ alle seit dem Westfälischen Frieden neu entstehenden Regelungsmaterien grundsätzlich in den Zuständigkeitsbereich der Gliedstaaten fallen sah.389 Hätten die Territorien über keine ursprüngliche Staatsge-

382 Conrad, Recht und Verfassung des Reiches, S. 658; Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 263 f.; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (162). 383 Der Vorwurf einer gewissen Widersprüchlichkeit innerhalb seiner Ausführungen trifft Moser nicht zu Unrecht; siehe in anderem Zusammenhang bereits oben, Zweiter Teil, Fußn. 247. 384 Moser, Von der Landeshoheit, S. 55. Ebenso Conrad, Recht und Verfassung des Reiches, S. 617; Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 347. Für die geistlichen Staaten Moser a. a. O., S. 90. 385 Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, S. 36; Klueting, in: ders., 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 27 (28); Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (161). 386 Vgl. v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 193 m. w. Nachw. 387 Krause, Art. Gesetzgebung, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 1606 (1614). 388 Thieme, JuS 1981, S. 549 (552). 389 Pütter, Historische Entwickelung II, S. 83; III, S. 274. Ihm folgend Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 335; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 371.

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walt verfügt, wären die Kompetenzen nicht ihnen, sondern wenigstens für eine logische Sekunde zunächst dem Reich zugefallen.390 Zusammengefaßt setzte die Ausübung der territorialen Landeshoheit also keine Belehnung voraus.391 Die Vergabe eines Gebiets als Reichslehen hatte jedenfalls im 18. Jahrhundert keine konstitutive Wirkung für die Entstehung der Landeshoheit mehr, sondern diente nur noch zur Bekräftigung bereits bestehender personaler Rechte und Pflichten. Aus diesem Grund und nicht wegen einer angeblichen faktischen Bedeutungslosigkeit des Lehnsnexus zwischen Kaiser und Landesherrn war die Landeshoheit keine vom Reich abgeleitete, sondern ursprüngliche Staatsgewalt.392 Die bisherige Untersuchung hat also gezeigt, daß den Territorien des Heiligen Römischen Reiches, die nun mit Recht Gliedstaaten genannt werden dürfen, Staatsqualität zukam.393 Damit kann bereits ausgeschlossen werden, daß das Heilige Römische Reich als Einheitsstaat zu begreifen ist. (dd) Souveränität der Territorien Nach Feststellung der Staatlichkeit der Territorien ist jetzt auch ihre Unabhängigkeit zu untersuchen, um das Reich in die noch offenstehenden Kategorien Bundesstaat und Staatenbund einordnen zu können. Der Bundesstaat besteht aus abhängigen Staaten, der Staatenbund ist ein – selbst nichtstaatlicher – Zusammenschluß souveräner Staaten. Zwar kann auch dieser Hoheitsrechte ausüben, es handelt sich dann aber nicht um genuin eigene Befugnisse, sondern nur um Rechte, die ihm von seinen Mitgliedern freiwillig und aus völliger staatsrechtlicher Autonomie heraus übertragen wurden. Eine derartige Sichtweise entsprach den Positionen der Naturrechtslehre. Der Theorie vom Gesellschaftsvertrag zufolge waren die Menschen frei geboren, schlossen sich aber zu Staaten zusammen, deren Herrschern sie ihre Freiheitsrechte übertrugen, um im Gegenzug staatlichen Schutz garantiert zu bekommen.394 Nach dieser Sicht hatten sich die ursprünglich frei umherziehenden ger-

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Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (162 f.). Conrad, Recht und Verfassung des Reiches, S. 658; Moser, Von der Teutschen Lehens-Verfassung, S. 341. 392 So indirekt wohl auch Moser, Von der Landeshoheit, S. 13. 393 So auch neben den oben genannten zeitgenössischen Autoren Berber, Lehrbuch des Völkerrechts I, S. 19, 141; Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (473); Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 48; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 223; Meurer, JA 2004, S. 848 (850); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 143; Stern, Staatsrecht V, S. 95. 394 Vgl. Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 176; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 201 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 135. 391

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manischen Stämme im Reichsverband zusammengeschlossen. Nicht die Reichsglieder hatten demnach die Hoheitsrechte vom Kaiser bekommen, sondern umgekehrt das Reich von ihnen. Dabei handelt es sich allerdings um eine rein gedankliche Konstruktion, die mit den rechtlichen Realitäten des Reiches nicht unbedingt übereinstimmen mußte. Von der völligen rechtlichen Unabhängigkeit eines Staates kann nur ausgegangen werden, wenn er sowohl nach innen [a)] wie auch im Hinblick auf die Außenbeziehungen [b)] keinen Schranken unterliegt, die er sich nicht selbst gesetzt hat.395 Die Untersuchung der gliedstaatlichen Souveränität396 im Heiligen Römischen Reich nach dem Westfälischen Frieden von 1648 muß also diese beiden Dimensionen berücksichtigen. a) Ausmaß der inneren Souveränität der Reichsstände Nach Art. VIII § 1 IPO sollte allen Reichsständen die Unantastbarkeit ihres „ius territorii et superioritatis“ auf ewig garantiert werden.397 Dieser Ausdruck ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Der Gebrauch des Singular anstelle der früher üblicherweise im Plural gehaltenen Bezeichnung „iura territorialia“ (meist mit „landesherrliche Regalien“ übersetzt) deutet bereits auf die Anerkennung eines umfassenden, als Quelle aller landesherrlichen Befugnisse auszumachenden territorialen Hoheitsrechts hin.398 Auffällig ist weiter, daß der Text des Westfälischen Friedensvertrags in keiner Weise zwischen den Territorien differenziert, obwohl diese faktisch wegen ihrer ungleichen Größe und der stark un395 Vgl. Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (465); Randelzhofer, in: Isensee/ Kirchhof, HStR II, § 17 Rdnr. 24. 396 Souveränität wird hier und im folgenden als staatliche Unabhängigkeit verstanden. 397 Die Reichsritter waren zwar keine Reichsstände, dennoch gingen die meisten Zeitgenossen davon aus, daß auch sie in ihren Gebieten die Landeshoheit innehatten; vgl. Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 204 m. w. Nachw.; Gagliardo, Reich and Nation, S. 13; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 195 f.; anders Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 99, nach deren Ansicht die Reichsritterschaft keine eigene Landeshoheit innehatte, sondern nur eine der Landeshoheit angenäherte Gewalt. Dementsprechend genossen die Reichsritter nach überwiegender zeitgenössischer Auffassung die gleiche Garantie wie die Reichsstände aus Art. VIII § 1 IPO. Meist wurde sie aus Art. V § 28 IPO abgeleitet; vgl. Randelzhofer, a. a. O.; Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 320 Fußn. 762. Zur Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses war die Rechtslage indes völlig geklärt, weil seit Ende des 18. Jahrhunderts die kaiserlichen Wahlkapitulationen den Reichsrittern die gleichen Rechte zubilligten wie den übrigen Reichsständen (Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 203). Eine solche Regelung enthielt auch Art. I § 2 der hier relevanten Wahlkapitulation Franz II.’ von 1792; vgl. Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 1, S. 33 (33). 398 Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 192 f.; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 129 Fußn. 16.

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einheitlichen internen Machtstruktur die ihnen gewährten Rechte sehr unterschiedlich nutzen konnten. Der zugestandene Freiheitsraum mag für einige große Gliedstaaten zu eng gewesen sein; für die zahlreichen mindermächtigen Territorien aber war er kaum auszufüllen.399 Dennoch ging die Reichsverfassung von der rechtlichen Gleichordnung aller Reichsglieder aus.400 Schon früh diskutierte die Publizistik die Frage, inwieweit durch Art. VIII § 1 IPO neue Rechte begründet oder schon vorhandene lediglich verschriftlicht worden sind.401 Bezeichnenderweise formulierte der Westfälische Frieden nicht, er verleihe den Gliedstaaten nunmehr die Hoheitsgewalt. Vielmehr wurde das ius territoriale der Reichsstände „bestätigt und bekräftigt“, was impliziert, daß es schon vorher vorhanden gewesen sein mußte. Auch das Verhalten des Kaisers während der Ausarbeitung des Westfälischen Friedens läßt Vermutungen in diese Richtung zu. Sein geringer Widerstand gegen die Zusage eigener und nicht mehr dem Reich untergeordneter Hoheitsgewalt fiel schon damals auf.402 Es erscheint kaum glaubhaft, daß der Kaiser die Abtretung von Herrschaftsrechten an die Gliedstaaten ohne Widerstand hingenommen hätte. Er wird eher beschlossen haben, den Reichsständen einfach das zu gegeben, was sie ohnehin schon hatten. Die deklaratorische Bestätigung schon bestehender Rechtspositionen war dem Westfälischen Frieden generell nicht fremd. So war auch das in Art. VIII § 2 Satz 3 IPO festgeschriebene Bündnisrecht der Reichsstände mit auswärtigen Mächten anerkanntermaßen auch vor Verabschiedung des Westfälischen Friedens bestehendes Recht.403 Die Annahme liegt nahe, daß gleiches auch für das „ius territorii et superioritatis“ galt. Die Festschreibung schon allgemein anerkannter Grundsätze war auch keineswegs sinnlos. Ungeschriebenes Recht ist faktisch immer schwieriger durchsetzbar als geschriebenes. 1648 konnte niemand voraussehen, ob der Kaiser nicht doch noch einmal stärker werden und den Gliedstaaten ihre Rechte wieder streitig machen würde. Eine Festschreibung des „ius territorii et superioritatis“ diente damit als Versicherung und Schutz vor widerrechtlichen Veränderungen durch faktische Machtverschiebungen.404 Folglich schrieb VIII § 1 IPO nur schon bestehende Rechtspositionen fest.405

399 Becker, Der Kurfürstenrat, S. 353; Press, in: Kunisch, Volker Press – Das alte Reich, S. 189 (195); Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 129. 400 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 102 f. 401 Dazu Quaritsch, Souveränität, S. 81 f. 402 Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 326. 403 Näher unten, S. 170. 404 Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (70). 405 Moser, Von der Landeshoheit, S. 39; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 193; ders., Historische Entwickelung II, S. 159; Kormann, ZfP

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Die Debatte über die konstitutive oder deklaratorische Wirkung des „ius territorii et superioritatis“ im Westfälischen Frieden ist aber von wesentlich geringerer Bedeutung als die Frage, wie weit die Superiorität reichte und ob sie im heutigen Sinne souveräne Staatsgewalt war. Schon das lang andauernde Unvermögen, sich auf einen geeigneten deutschen Begriff zu einigen, ist ein Indiz für die Schwierigkeiten, die dieses Problem der Publizistik bereitete. Man sprach etwa von „landesfürstlicher Obrigkeit“ und „hoher Obrigkeit oder Botmäßigkeit“. Die Bezeichnung „Landeshoheit“, die sich erst im 18. Jahrhundert allmählich durchsetzte, war zunächst noch wenig verbreitet.406 Das „ius teritorii et superioritatis“ war in der französischen Fassung des Westfälischen Friedensvertrags mit „droit de souveraineté“ übersetzt worden.407 Bezeichnenderweise übernahmen die deutschen Publizisten den Begriff „Souveränität“ aber nicht, obwohl dieses Wort im hiesigen Sprachraum bereits seit Beginn des 17. Jahrhundert existierte.408 „Souverän“ nannte man meist die Herrschaften, die frei von der Reichsgewalt waren,409 und ebendiesen Terminus sollte nach dem Willen der Franzosen nun auch der Westfälische Frieden zur Beschreibung der territorialen Kompetenzen gebrauchen.410 Wäre dem französischen Wunsch nachgekommen worden, hätte an der Statuierung der gliedstaatlichen Unabhängigkeit durch den Westfälischen Frieden kein Zweifel mehr herrschen können.411 Gegen die Übernahme des Begriffs „Souveränität“ opponierte verständlicherweise Kaiser Ferdinand III., der allerdings Mitte des Jahres 1648 militärisch derart geschwächt war, daß ein Durchmarsch der vereinigten schwedisch-französischen Streitkräfte bis nach Wien und dort das Diktat eines Friedensvertrags nach deren Geschmack ohne weiteres möglich gewesen wäre.412 An den Protesten des Kaisers kann es also nicht gelegen haben, daß die Reichsstände gegen den Willen der Sieger dem Wortlaut des Westfälischen Friedensvertrags nach 7 (1914), S. 139 (145); Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 144; Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (51); Schroeder, JuS 1995, S. 959 (960); Stern, Staatsrecht V, S. 95. 406 Zur Begriffsgeschichte Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 170. 407 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 180; Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte I, S. 49; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte III, S. 43; Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (67). 408 Klippel, Art. Staat und Souveränität VIII, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 107 (116). Im 17. Jahrhundert herrschte im Reich allerdings generell ein weitverbreitetes Mißtrauen gegenüber dem Terminus „Souveränität“; Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (68 f.). 409 Hofmann/Thieme, JuS 1982, S. 167 (169); Klippel, Art. Staat und Souveränität VIII, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 107 (116); sowie Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 168 m. w. Nachw. 410 Hofmann/Thieme, JuS 1982, S. 167 (169); Klippel, Art. Staat und Souveränität VIII, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 107 (116); Quaritsch, Souveränität, S. 83. 411 Hofmann/Thieme, JuS 1982, S. 167 (169); Quaritsch, Souveränität, S. 91. 412 v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 157.

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keine „Souveränität“ erhielten. Inzwischen weiß man, daß es die Territorien selbst waren, deren Mehrheit sich gegen die von Frankreich und Schweden vorgeschlagene Festschreibung einer weitergehenden Unabhängigkeit zur Wehr gesetzt hatten.413 Gerade den mindermächtigeren unter ihnen war der Schutz durchaus bewußt, den ihnen die Reichsverfassung bot, und wohl nicht zu Unrecht witterten sie die Gefahr einer zu großen Abhängigkeit von Frankreich, sollten sie dieser Sicherheit verlustig gehen.414 Auch mag die Furcht des Hochadels eine Rolle gespielt haben, sich nach Auflösung des Reiches und damit verbunden dem Verlust ihrer Reichsstandschaft nicht mehr gegenüber der niederadeligen Opposition im eigenen Land abzuheben.415 Die Formulierung des Art. VIII § 1 IPO, den Reichsständen (nur) die Superiorität, aber nicht die Souveränität zuzubilligen, ist daher bereits ein Indiz dafür, daß die Reichsverfassung keine völlige Unabhängigkeit der Territorien vorsah.416 In der Folgezeit enthielten alle kaiserlichen Wahlkapitulationen eine dem Art. VIII § 1 IPO entsprechende Regelung und bestätigten sie damit immer wieder aufs neue.417 Die Vermutung einer nicht vollständigen inneren Souveränität der Territorien soll nun anhand der vorhandenen Kompetenzen von Reichsorganen innerhalb der reichsständischen Gebiete überprüft werden. Der Grad der verfassungsrechtlich möglichen Einflußnahme entscheidet dabei über die Unabhängigkeit der Gliedstaaten. Wenn ein damals gängiges Rechtssprichwort zutraf, jeder Herrscher sei „Kaiser in seinem Land“418, oder wenn die hoheitlichen Befugnisse der Landesherren zumindest nur durch die Landstände419, aber nicht durch Reichsorgane eingeschränkt waren, ist den Territorien des Heiligen Römischen Reiches die innere Souveränität nicht abzusprechen. Dabei sind nicht allein die Vorgaben der Reichsgrundgesetze entscheidend, sondern auch deren tatsächliche Beachtung. Zwar wird grundsätzlich Unrecht auch durch seine dauernde Praktizierung nicht zu Recht. Diese Erkenntnis ist

413 Haug-Moritz, ZHF 19 (1992), S. 445 (452); Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß, S. 117; Schindling, in: Weber, Politische Ordnungen und soziale Kräfte, S. 113 (136 f.); Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (69). 414 Blechinger, StudRZ 2004, S. 23 (33 Fußn. 39). 415 Schindling, in: Weber, Politische Ordnungen und soziale Kräfte, S. 113 (141). 416 Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (169). 417 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 46. 418 Das Sprichwort ist wiedergegeben bei Pütter, Beyträge zum Teutschen Staatsund Fürstenrechte I, S. 188. Sein Wahrheitsgehalt wurde von der Publizistik allerdings vehement bestritten; Moser, Von der Landeshoheit, Vorwort; Pütter a. a. O. 419 Selbst in der Hochphase des Absolutismus bewahrten sich die Repräsentanten des Landes in vielen mittleren und kleinen Territorien eine mehr oder weniger entscheidende Rolle. In den freien Reichsstädten und den geistlichen Fürstentümern schließlich konnte sich schon strukturbedingt keine absolute Herrscherposition herausbilden; Schilling, Höfe und Allianzen, S. 128.

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für das Verfassungsrecht des Alten Reiches aber nur begrenzt zutreffend. Entwickelte sich aus einem ursprünglich als contra legem beurteilten Verhalten eine dauernde Übung und setzte sich die allgemeine Ansicht durch, diese sei nunmehr rechtmäßig, dann hatte sich ein neues Reichsherkommen gebildet, welches das bisherige Reichsverfassungsrecht abänderte.420 aa) Einschränkungen der landesherrlichen Hoheitsgewalt durch den Kaiser Als Reichsorgan mit Einwirkungsmöglichkeiten auf die Landeshoheit ist zunächst der Kaiser zu nennen, formal gesehen die Spitze des Reiches. Doch waren in der Neuzeit die Kompetenzen, die er alleine ausüben durfte – die sogenannten iura reservata caesarea –, äußerst gering;421 so gering, daß der Wiener Naturrechtslehrer Franz von Zeiller sogar das Recht, die Kinder der Henker ehrlich zu machen, zu „den wesentlichen Rechten des Kaisers“, die „besonders wichtig sind“, zählte.422 „Jeder Abteilungsleiter eines Betriebes, jeder Amtsrichter oder Kompaniechef hat heutzutage größere Vollmachten“, meint Thieme.423 Allerdings kamen in stärkerem Umfang als die iura reservata caesarea die Mitwirkungsbefugnisse des Kaisers hinzu, hauptsächlich sein Propositionsrecht424 und seine Beteiligung an der Reichsgesetzgebung.425 Wenn man berücksichtigt, daß ein Territorium allein keine effektive Reichspolitik betreiben konnte, sondern immer nur zusammen mit den anderen Reichsständen, stellt sich die kaiserliche Macht den Reichsgliedern gegenüber keineswegs als völlig unbedeutend dar.426 Von erheblicher praktischer Bedeutung war auch die Funk420 Auch Regelungen in Reichsgrundgesetze konnten durch Reichsherkommen verändert werden; siehe oben, Erster Teil, Fußn. 32. 421 Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 267; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 96; Gotthard, Das Alte Reich, S. 12; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 226. Die kaiserlichen Reservatrechte finden sich beispielhaft aufgezählt bei Blechinger, StudRZ 2004, S. 23 (33); Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 176; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 36. 422 In: Wagner, Das Staatsrecht des Heiligen Römischen Reiches, § 33. 423 JuS 1981, S. 549 (551). 424 Das Propositionsrecht stand dem Kaiser nach überwiegender, aber bestrittener Auffassung aufgrund Reichsherkommens zu. Es hat allerdings mit Einrichtung des Immerwährenden Reichstags sehr an Bedeutung verloren. Damit war ihm die zuvor gern genutzte Möglichkeit versperrt, durch eine Plazierung unliebsamer Themen am Ende der Tagesordnung deren Übergehen oder sehr rasche Abhandlung zu erreichen. Ausführlicher zum Propositionsrecht Roeck, Reichssystem und Reichsherkommen, S. 140 ff. 425 Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (50). 426 Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (26); Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (56 f.); Link, JZ 1998, S. 1 (7).

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tion als oberstes Haupt und Richter des Reichhofsrats, die der Kaiser nach Titel I, § 1 Reichshofratsordnung von 1654 innehatte.427 Auf diesem Weg bot sich die Möglichkeit der Durchsetzung kaiserlicher Politik in den Territorien.428 bb) Einschränkungen der landesherrlichen Hoheitsgewalt durch die Reichsgesetzgebung Neben diesen punktuellen Eingriffen durch den Kaiser könnte die landesherrliche Machtausübung auch generell durch die Reichsgesetze beschränkt worden sein. Zwar war spätestens seit der Permanenz des Reichstags 1663 anerkannt, daß Reichsgesetze keine direkte Wirkung gegenüber den Landesuntertanen entfalten konnten, sondern hierfür stets einer gesonderten Publikation durch die Territorialherrscher bedurften.429 Es existierte aber eine ganze Reihe von Reichsgesetzen, die unmittelbare Verpflichtungen der Reichsstände enthielten. Dieses Reichsrecht genoß bei zwingendem Charakter Vorrang vor dem Landesrecht.430 Wenn auch die Tätigkeit des Reichstags als Gesetzgebungsorgan nach 1648 deutlich erlahmte,431 finden sich derartige Bestimmungen bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches auf den verschiedensten Sachgebieten.432 Als Beispiel für die späteren unter ihnen kann die Reichshandwerksordnung von 1731 dienen, die alle Landesherren zum Vorgehen gegen Mißstände im Handwerk verpflichtete und zu diesem Zweck einmal jährlich öffentlich verlesen werden mußte.433 Daneben enthielten auch die Wahlkapitulationen nicht nur Pflichten des Kaisers, sondern auch solche der Reichsstände. Im Falle ihrer Mißachtung kam dem Reich die Befugnis zum Eingriff in landesherrliche Rechtspositionen zu. Nicht zuletzt der Reichsdeputationshauptschluß von 1803

427

Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 88. Moser, Von der Teutschen Justiz-Verfassung II, S. 11; Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (51 f.); Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (78); Press, in: Kunisch, Volker Press – Das alte Reich, S. 189 (211); Roellecke, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 93 (98); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 228. 429 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 164; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (169); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 181. 430 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 456; Bornhak, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 136; Gagliardo, Reich and Nation, S. 21; Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 244. Wenn auch diese Regel in späterer Zeit manchmal nicht beachtet worden ist, wurde sie stets als bestehendes Recht angesehen, Conrad, in: Hofmann, Die Entstehung des modernen Staates, S. 228 (234). 431 Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 273. Die gesetzgeberische Arbeit des Immerwährenden Reichstags wird von der heutigen Literatur uneinheitlich bewertet; vgl. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 98 m. w. Nachw. 432 Buschmann, in: Murswiek/Storost/Wolff, Festschrift für Quaritsch, S. 449 (452 ff.). 433 Buschmann, in: Murswiek/Storost/Wolff, Festschrift für Quaritsch, S. 449 (464). 428

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schließlich enthielt zahlreiche, zum Teil detaillierte rechtsverbindliche Vorgaben an die Territorien, etwa die genau in Gulden festgelegte Verpflichtung zur Entschädigung der Fürstbischöfe (§ 51 RDHS), die vielfältigen Pensionsverpflichtungen und die in § 55 RDHS festgelegten Versorgungsansprüche der Stiftsfräulein434. Das Vorhandensein reichsrechtlicher Normen mit unmittelbarer Geltung für die Gliedstaaten kann für sich genommen allerdings noch keine Auskunft über eventuelle Beschränkungen der territorialen Unabhängigkeit geben. Hatte der Reichsstand ein Vetorecht zur Verhinderung des fraglichen Gesetzes, konnte dieses also gegen seinen frei gefaßten Willen nicht zustande kommen, dann war auch seine Souveränität nicht beschnitten.435 Aus diesem Grund ist die Geltung des Mehrheits- bzw. des Einstimmigkeitsprinzips bei Erlaß verbindlicher Rechtsvorschriften ein wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen Bundesstaaten und Staatenbünden.436 Die eben genannten Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses scheiden aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses für die Bewertung der inneren Souveränität der Territorien also aus. Grundsätzlich sah die Reichsverfassung jedoch das Mehrheitsprinzip vor437 mit der Folge, daß Reichsstände einem Gesetz unterworfen werden konnten, das sie im Reichstag abgelehnt hatten. Dieser Grundsatz blieb verfassungsrechtlich bis zum Ende des Alten Reiches bestehen, obwohl die Voraussetzungen, unter denen Einstimmigkeit herrschen sollte, im Lauf der Jahrhunderte einer immer extensiveren Auslegung unterlagen und Mehrheitsentscheidungen demnach proportional seltener wurden.438 Spricht auch die regelmäßige Geltung des Mehrheitsprinzips im Gesetzgebungsverfahren gegen eine uneingeschränkte innere Souveränität der Gliedstaaten, kann ein Blick auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen dieses vorläufige Urteil doch wieder ins Wanken bringen. Ein Gebilde verfügt nämlich nur dann über eigene Staatsgewalt, wenn es die Fähigkeit besitzt, sich selbst neue Regelungsbefugnisse anzueignen. Daher liegt diese sogenannte Kompetenz-Kompetenz bei Staatenbünden ausschließlich bei den Mitgliedsstaaten, in Bundesstaaten ist sie zwischen Zentralebene und Gliedern geteilt.439 Nach der bereits erwähnten „Pütterschen Grenzformel“ fielen alle nach 1648 neu entste-

434 „Die Stifts-Frauen und Fräulein bleiben in so lange bei ihrem bisherigen Genusse, als es dem neuen Landesherrn nicht räthlicher scheint, sie gegen eine zu ihrer Zufriedenheit zu regulirende Abfindung aufzuheben.“ 435 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 181. 436 Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 296. 437 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 40. 438 Vgl. Pütter, Historische Entwickelung III, S. 260. Ähnlich Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte I, S. 52. 439 Schönberger, AöR 129 (2004), S. 81 (105).

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henden Materien automatisch in den Bereich der Landeshoheit.440 Auf den ersten Blick scheinen also für die Zeit nach dem Westfälischen Frieden nur die Gliedstaaten, aber nicht das Reich die Kompetenz-Kompetenz innegehabt zu haben. Allerdings implizierte die Püttersche Grenzformel, wenn sie neu entstehende Rechte stets bei den Territorien ansiedelte, daß Kaiser und Reich die Kompetenzen für immer behielten, die sie vor dem Westfälischen Frieden innegehabt hatten. Der Westfälische Frieden brachte also keine so weitgehende Restriktion der kaiserlichen Befugnisse mit sich, wie es zunächst den Anschein hat. Während der Vertragsverhandlungen war noch ein Kompetenzkatalog vorgesehen worden, der dem Kaiser Rechte entzogen hätte; im Ergebnis ließ der Friedensvertrag dann aber doch die kaiserlichen Kompetenzen im Grundsatz unangetastet.441 Diese Befugnisse waren anders als nach dem für die Europäische Union geltenden „Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung“ nicht von den Reichsständen übertragen worden, sondern rührten aus der eigenen Herrschaftsmacht des Reiches her. Auch von der Regelung neuer Sachbereiche war das Reich nicht von vornherein ausgeschlossen. Das Fehlen eines Kompetenzkatalogs442 sowohl im geschriebenen Teil der Reichsverfassung als auch im Reichsgewohnheitsrecht hatte eine grundsätzlich unbeschränkte Gesetzgebungszuständigkeit des Reiches zur Folge.443 Die Püttersche Grenzformel traf also lediglich eine Aussage über die Regelungskompetenz für neu entstehende Rechte bei Untätigbleiben der Reichsorgane. Das Reich in Gestalt seiner gesetzgebenden Organe war aber nicht daran gehindert, sich durch den Erlaß neuer Normen im Rahmen des üblichen Gesetzgebungsverfahrens zugleich zusätzliche Befugnisse zuzueignen. Es besaß folglich die Kompetenz-Kompetenz. Deren vergleichsweise seltener Gebrauch hatte politische, keine rechtlichen Ursachen. Dies muß im übrigen der Urheber der „Pütterschen Grenzformel“ wie die ihm folgende Staatsrechtslehre ebenso gesehen haben, denn am Staatscharakter des Reiches zweifelten sie einhellig nicht.444 Damit hat sich eine Beschränkung der gliedstaatlichen Souverä440

Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 389. Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (58); ders., in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 43 (69); Haug-Moritz, ZHF 19 (1992), S. 445 (452); Kremer, ZRG 117 Kan. Abt. 86 (2000), S. 446 (458); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 192. 442 Wie er unter dem heutigen Regime des Grundgesetzes und – mehr oder weniger detailliert – in allen Bundesstaaten existiert; vgl. Stettner, in: Dreier, Grundgesetz II, Art. 73 Rdnr. 6. 443 Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rdnr. 291; Grawert, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 863 (889); Laband, Annalen des Deutschen Reiches 1874, Sp. 1487 (1491); Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 254; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 123. 444 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 282. 441

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nität auch durch die Reichsgesetzgebung gezeigt, die sowohl die vorhandenen Gesetze als auch die Befugnis zum Erlaß neuer Regelungen betraf. gg) Einschränkungen der landesherrlichen Hoheitsgewalt durch die Reichsgerichtsbarkeit Weitere Beschränkungen der territorialen Landeshoheit könnten sich schließlich im judikativen Bereich ergeben, denn auch hier existierten mit dem Reichskammergericht und dem Reichshofrat zwei Reichsorgane mit Einflußnahmemöglichkeit auf die inneren Angelegenheiten der Gliedstaaten. Die Zuständigkeit der obersten Reichsgerichte war größtenteils identisch, so daß es meist im Belieben der Betroffenen stand, an welches der beiden er sich wandte.445 Das wenig effiziente Nebeneinander der beiden Gerichte ist allein machtpolitisch zu erklären. Das Recht zur Besetzung der Richterstellen des 1495 gegründeten Reichskammergerichts ging im 16. Jahrhundert nahezu vollständig auf die Reichsstände über,446 wodurch dem Kaiser – offiziell bis 1806 oberster Gerichtsherr im Reich447 – jurisdiktionelle Mitsprachebefugnisse weitgehend genommen wurden. Um ein ihm wohlgesonnenes Gegengewicht zum Reichskammergericht zu schaffen, versuchte er den Reichshofrat in Wien als weiteres oberstes Reichsgericht zu etablieren, was ihm Mitte des 16. Jahrhunderts auch gelang.448 Die Reichshofräte wurden vom Kaiser ernannt, der zudem nach Titel I § 1 der Reichshofratsordnung als Oberhaupt des Gerichts fungierte, und der so einen nicht unwesentlichen Einfluß auf die höchstrichterliche Rechtsprechung im Reich auszuüben vermochte.449 Bemerkenswerterweise waren Reichslehnssachen und Streitigkeiten über kaiserliche Privilegien – also solche Fragen, die in besonderer Weise das Verhältnis des Reichsoberhaupts zu den Ständen be445 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 486; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 188; Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 164; Sellmann, in: Külz/Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt I, S. 25 (29); Westphal, in: Sellert, Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 83 (89 f. Fußn. 21). 446 Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 269; Meurer, JA 2004, S. 848 (850). 447 Maurer, Staatsrecht I, § 2 Rdnr. 11; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 36. 448 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 386; Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rdnr. 294; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 189; Gagliardo, Reich and Nation, S. 28; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 46. 449 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (19); Döhring, Geschichte der deutschen Rechtspflege, S. 22 f.; Press, in: Battenberg/Ranieri, Festschrift für Diestelkamp, S. 349 (362); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 191. Ferdinand III soll 1646 die Rechtsprechung des Reichshofrats als einziges noch vorhandenes echtes kaiserliches Machtinstrument im Imperium bezeichnet haben; Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (78).

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rührten – im Gegensatz zur grundsätzlich parallelen Zuständigkeit der obersten Reichsgerichte ausschließlich beim Reichshofrat konzentriert.450 Neben den nach heutiger Klassifizierung dem Staatsorganisationsrecht zuzuordnenden Rechtsstreitigkeiten machte die Bearbeitung von Untertanenklagen einen Gutteil der reichsobergerichtlichen Tätigkeit aus. Dabei handelte es sich nicht nur um Streitigkeiten von Privatleuten untereinander, sondern auch um Klagen von Untertanen gegen ihren Landesherrn.451 Von dieser für die damalige Zeit im europäischen Vergleich einzigartigen Rechtsschutzmöglichkeit wurde bis zur Auflösung von Reichskammergericht und Reichshofrat mit stets steigender Tendenz Gebrauch gemacht.452 Das Ansehen des Kaisers im Volk wurde dadurch enorm gesteigert, daß er als oberster Gerichtsherr gegen landesherrliche Willkür Recht verschaffen konnte.453 Die Reichsgerichtsbarkeit war also zu weitgehenden Eingriffen in die landesherrliche Autonomie befugt, was schon für sich genommen als Grund angesehen worden ist, den Territorien die volle Souveränität abzusprechen.454 Gegen eine Beschränkung der territorialen Souveränität durch das Reichskammergericht und den Reichshofrat kann nun ein Rechtsinstitut ins Feld geführt werden, das in der Praxis zu Restriktionen der theoretisch sehr weit reichenden Kompetenzen der obersten Reichsgerichte führte. Ihre Zuständigkeit für Klagen von Privatleuten erstreckte sich keinesfalls auf das gesamte Reichsgebiet. Vielmehr wurde die Einlegung von Rechtsmitteln sowohl beim Reichskammergericht als auch beim Reichshofrat mit Verleihung eines sogenannten 450 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 519; Moser, Von der Teutschen Lehens-Verfassung, S. 148 f.; Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 269; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 168; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 188; ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (53); Gagliardo, Reich and Nation, S. 30; Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 164; Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 64; Moraw, Art. Reichshofrat, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 630 (635); Sellmann, in: Külz/Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt I, S. 25 (29); Westphal, in: Sellert, Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 83 (89 Fußn. 21). A. A. Sellert, Über die Zuständigkeitsabgrenzung von Reichshofrat und Reichskammergericht, S. 72, der eine grundsätzlich parallele Zuständigkeit beider höchster Reichsgerichte in Reichslehnssachen annimmt. Unentschieden in dieser Frage Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 342; Schroeder, JuS 1992, S. 170 (173). 451 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 377; Cordes, zeitenblicke 3 (2004), Abs.-Nr. 9; Gabel, in: Scheurmann, Frieden durch Recht, S. 273 (273); Diestelkamp, in: Becker u. a., Festschrift für Erler, S. 435 (447 f.); Malmendier, Vom wohlerworbenen Recht, S. 389; sowie ausführlich Sailer, Der Untertanenprozeß. 452 Sailer, Der Untertanenprozeß, S. 467. Die Möglichkeit der Untertanen, auf dem Rechtsweg gegen ihre Herrscher vorzugehen, könnte eine zentrale Ursache für das Ausbleiben einer deutschen Revolution nach den französischen Ereignissen von 1789 gewesen sein; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 89; Cordes, zeitenblicke 3 (2004), Abs.-Nr. 9; Sailer, a. a. O. 453 Press, in: Kunisch, Volker Press – Das alte Reich, S. 189 (214). 454 Moser, Von der Teutschen Reichsstände Landen, S. 1147.

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„Privilegium de non appellando“ ganz oder teilweise ausgeschlossen, so daß in dem betroffenen Gebiet nunmehr ausschließlich bzw. weitgehend die territoriale Gerichtsbarkeit wirkte.455 Derartige Privilegien wurden mit stetig wachsender Tendenz verliehen, bis schließlich im 18. Jahrhundert Appellationen zum Reichskammergericht und Reichshofrat in den Gebieten fast aller größeren und mittleren Reichsstände ausgeschlossen oder zumindest eingeschränkt waren.456 Allerdings waren fast nur die Kurfürsten mit einem unbegrenzten Privilegium ausgestattet,457 und in jedem Fall blieb das Reichskammergericht in anderen Verfahren als den Rechtsmittelprozessen zuständig.458 Dazu zählten auch die Klagen von Untertanen gegen Reichsstände.459 Ferner wurde das Appellationsprivileg nie bedingungslos gewährt, sondern nur unter der Voraussetzung, daß das territoriale Gerichtswesen eine Rechtsmittelinstanz vorsah, die nach dem Vorbild des Reichskammergerichts aufgebaut war und dessen Verfahrensgrundsätze anwendete.460 Die oberste Reichsgerichtsbarkeit ist also auch dort nicht ohne Einfluß gewesen. Insgesamt wurde damit die freie Ausübung der landesherrlichen Hoheitsrechte durch das Reichskammergericht und den Reichshofrat in einem beachtlichen Ausmaß beschränkt. Für die Beurteilung der reichsständischen Souveränität ist aber letztlich entscheidend, daß sich auch die mächtigsten Glieder des Reiches nicht selbst mit einem Privilegium de non appellando ausstatten konnten – etwa durch landesherrliches Dekret oder durch Vereinbarung mit den Landständen –, sondern daß 455 Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 227; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 238; Schadow, Art. Privilegia de non appellando, in: Erler/Kaufmann, HRG III, Sp. 2011 (2011). Man unterschied zwischen dem Privilegium limitatum, das die Einlegung von Rechtsmitteln nur bei manchen Sachverhalten verbot (etwa ein Streitwert unter einer bestimmten Mindestgrenze oder nur bestimmte Rechtsgebiete) und dem Privilegium illimitatum, das nur Nullitätsklagen bzw. Anfechtungen bei verzögerter oder nicht gewährter Justiz zuließ; Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 160; Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (20); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (271 f.). 456 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 188 f. Bis zum Ende des Reiches waren insgesamt 250 Gebiete mit Appellationsprivilegien ausgestattet; vgl. Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (264); sowie die Aufzählung bei Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen privilegia de non appellando, S. 127 ff. 457 Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (21, 24); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (271). 458 Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (272). 459 Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (26); Laufs, Art. Reichskammergericht, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 655 (659); Pahlow, Justiz und Verwaltung, S. 88; Schmelz, Die Entwicklung des Rechtswegestaates, S. 32; Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (272). 460 v. Seckendorff, Teutscher Fürsten-Staat, S. 71; Cordes, zeitenblicke 3 (2004), Abs.-Nr. 8; Diestelkamp, in: Becker u. a., Festschrift für Erler, S. 435 (452); Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (54 f.); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (264).

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dessen Verleihung in der ausschließlichen Kompetenz des Kaisers stand.461 Selbst im Falle einer nahezu vollständigen Unabhängigkeit von den reichsgerichtlichen Vorgaben handelte es sich also um eine von einem Reichsorgan gewährte Freiheit und nicht um eine aus eigener Herrschaftsmacht herrührende Kompetenz.462 Daher kann aus den zahlreicher werdenden Appellationsprivilegien nicht auf eine uneingeschränkte gliedstaatliche Souveränität geschlossen werden. Die Betrachtung der gliedstaatlichen Beschränkungen im exekutiven, legislativen und judikativen Bereich hat damit insgesamt ergeben, daß das ius territorii et superioritatis der Gliedstaaten keiner inneren Souveränität gleichkam. b) Äußere Souveränität der Reichsstände Nunmehr ist die Freiheit der territorialen Außenbeziehungen in den Blick zu nehmen und zu untersuchen, ob und inwieweit auch sie durch die Reichsgewalt beschränkt war. Art. VIII § 2 IPO sprach den Reichsständen das Recht zu, mit auswärtigen Mächten Bündnisse und völkerrechtliche Verträge zu schließen. Dieser Umstand allein sagt aber über ihre staatliche Souveränität noch nichts aus.463 Ein internationaler Vergleich zeigt, daß heute in vielen Bundesstaaten die Glieder eine völkerrechtliche Vertragsschließungskompetenz innehaben.464 Dazu zählt gem. Art. 32 Abs. 3 GG auch die Bundesrepublik, deren Länder aber unbestrittenermaßen dennoch Bestandteile des deutschen Bundesstaats sind. Somit kann nicht das bloße Vorhandensein des Bündnisrechts, sondern nur sein Umfang und der zulässige Inhalt der völkerrechtlichen Verträge über den Grad der Unabhängigkeit der Territorien im Alten Reich Auskunft geben. Seit dem hohen Mittelalter schlossen sich Reichsstände zur Sicherung ihrer Existenz häufig untereinander zu Bündnissen zusammen.465 Auch der Abschluß 461 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit II, S. 107; Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 462 f.; Moser, Von der Teutschen Justiz-Verfassung I, S. 232 f.; Buschmann, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 41 (53); Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (18); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (264). Es handelte sich damit um eine der wenigen Privilegien, die bis zur Reichsauflösung ohne reichsständische Mitwirkungsbefugnisse exklusiv dem Kaiser vorbehalten waren; Eisenhardt a. a. O. Das gab dem Kaiser politische Möglichkeiten an die Hand, die er auch ausgiebig nutzte. Als Gegenleistung für die Erteilung eines Appellationsprivilegs konnte er von den Territorien Loyalitätsbeweise und sonstige Zuwendungen einfordern; Gabel, in: Diestelkamp, Die politische Funktion des Reichskammergerichts, S. 75 (76). 462 So auch Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (65). 463 Hofmann/Thieme, JuS 1982, S. 167 (168); Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 308; Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 161. 464 Doehring, Völkerrecht, § 2 Rdnr. 143.

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von Pakten mit auswärtigen Mächten wurde bereits seit Jahrhunderten praktiziert466 und war nach Reichsherkommen zulässig467, wie der einer allzu freundlichen Gesinnung den Reichsständen gegenüber unverdächtige Reichshofrat im Juli 1645 entschied.468 Art. VIII § 2 S. 2 IPO war also nur eine Bestätigung der allgemein anerkannten Rechtslage.469 Bedeutungslos war die Norm dennoch nicht. Sie hatte zum einen die praktische Folge, daß der Kaiser jetzt nicht mehr wie früher bisweilen geschehen das reichsständische Bündnisrecht anzweifeln konnte.470 Zum anderen bestimmte sie inzident, daß der entsprechende Gliedstaat zumindest für den Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen – a maiore ad minus war die Befugnis der Reichsstände zum Abschluß einfacher völkerrechtlicher Verträge im inhaltlich weitergehenden militärischen Bündnisrecht enthalten471 – als Völkerrechtssubjekt gelten mußte.472 In der Tat durften sich die deutschen Fürsten im diplomatischen Verkehr mit Bezeichnungen schmükken, die üblicherweise nur souveränen Herrschern zustanden.473 Allein dieser Grund ist in der späteren (nicht aber in der zeitgenössischen) Staatsrechtswissenschaft oft schon als starkes Indiz für die Souveränität der Territorien des Reiches gewertet worden, die mehr oder weniger gleichberechtigt am „Konzert der europäischen Mächte“ teilgenommen hätten.474 Auf eine solch weitgehende Unabhängigkeit kann allerdings nur dann geschlossen werden, wenn das reichsständische Recht zum völkerrechtlichen Vertragsschluß weitge-

465 Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (456, 458); Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 142 ff.; Neuhaus, Das Reich in der frühen Neuzeit, S. 30; Press, in: Kunisch, Volker Press – Das alte Reich, S. 189 (194). 466 Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (30); Brunner, in Rassow, Deutsche Geschichte im Überblick, S. 286 (315); Erdmannsdörffer, Deutsche Geschichte I, S. 49; Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (69); Vierhaus, Staaten und Stände, S. 76. Nicht zutreffend dagegen Wesel, Geschichte des Rechts, S. 360, der das Bündnisrecht als verfassungsrechtliche Neuerung durch den Westfälischen Frieden begreift. 467 Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 43 (66); Schindling, in: Weber, Politische Ordnungen und soziale Kräfte, S. 113 (132). 468 Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (69). 469 Der fehlende Widerstand gegen die Festschreibung des reichsständischen Bündnisrechts bei den Verhandlungen des Westfälischen Friedenskongresses zeigt, daß seinerzeit offenbar der gesamte Kaiserhof dieser Rechtsansicht war; Ruppert, Die kaiserliche Politik auf dem Westfälischen Friedenskongreß, S. 114. 470 Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (124). 471 Vgl. Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 159 m. w. Nachw. 472 Pütter, Historische Entwickelung III, S. 274 f.; ders., Beyträge I, S. 32; v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 358; Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (473); Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 169; Kunisch, Absolutismus, S. 128; Schröder/v. Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 937; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 192. 473 Schilling, Höfe und Allianzen, S. 133. 474 Etwa Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 162 f.

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hend unbeschränkt war. Die Grenzen, die ihm von Art. VIII § 2 S. 2 IPO gesetzt wurden, müssen demnach vernachlässigenswert gewesen sein. Laut Vertragstext durfte das Bündnisrecht ausdrücklich nur zum Zwecke der eigenen Erhaltung und Sicherheit und vor allem nur unter der Bedingung genutzt werden, daß man sich nicht gegen Kaiser und Reich und nicht gegen die leges fundamentales Landfrieden und Westfälischer Frieden richtete. Also waren nach Reichsverfassungsrecht alle Verträge verboten, die in irgendeiner Weise das Funktionieren des Heiligen Römischen Reiches oder einzelner seiner Glieder hätten beeinträchtigen können. Damit korrespondierte die Pflicht zum Bündnisschluß gegen jeglichen Versuch, die durch die Reichsgrundgesetze Landfrieden und Westfälischer Frieden wesentlich geprägte Reichsverfassung gewaltsam zu verändern. Insgesamt unterlag das Bündnisrecht also schon vom Wortlaut her durchaus beträchtlichen Beschränkungen.475 Die Entstehungsgeschichte des Art. VIII § 2 IPO spricht im übrigen ebenfalls gegen eine weitgehende Bedeutungslosigkeit der Einschränkungsklausel. Wie schon bei der Ausformulierung des „ius territorii et superioritatis“ gem. Art. VIII § 1 IPO fällt auch im Hinblick auf die Außenbeziehungen die Weigerung der Reichsstände auf, für sich selbst allzu weitgehende Rechte in Anspruch zu nehmen, obwohl die auswärtigen Mächte auf die Festschreibung eines unbeschränkten Bündnisrechts geradezu gedrängt hatten.476 Ein solches auf den ersten Blick befremdliches Verhalten war für die Reichsstände durchaus rational. Die vollständige völkerrechtliche Vertragsfreiheit barg das Risiko einer Verwicklung in Konflikte europäischer Dimension in sich, aus denen die Reichsglieder unmöglich als Sieger hätten hervorgehen können.477 Den kleineren und mittleren Territorien genügte es aber völlig, wenn sie sich vor einer zu großen Einflußnahme Schwedens und Frankreichs schützen konnten und vor einer Einverleibung durch die großen Reichsstände sicher waren. Dafür reichten reichsinterne Bündnisse und Verträge mit auswärtigen Staaten, die nicht mit der Vorbehaltsklausel des Art. VIII § 2 S. 2 IPO kollidierten, völlig aus.478 Den großen Reichsgliedern wiederum kam das Bündnisgebot zum Schutz vor jeglichem illegalen Veränderungsversuch der Reichsverfassung entgegen. Dies mußte den Kaiser selbst im Falle einer zukünftigen Erstarkung an der Aneignung neuer Kompetenzen hindern.479 Große wie kleine Reichsstände waren also 475 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts III, S. 203; v. Aretin, Das Reich, S. 167 f.; Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (33); Buschmann, in: Murswiek/Storost/Wolff, Festschrift für Quaritsch, S. 449 (458 f.); Schindling, in: Weber, Politische Ordnungen und soziale Kräfte, S. 113 (133). Vgl. auch Moser, Nachbarliches Staatsrecht, S. 184, mit Fällen, in denen um die Auslegung des Bündnisrechts gestritten wurde. 476 Dickmann, Der Westfälische Frieden, S. 145. 477 Becker, Der Kurfürstenrat, S. 353 f. 478 Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (70).

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in erster Linie an einer Bewahrung der damaligen Machtstruktur und Verfassungsverhältnisse interessiert, die nicht zuletzt durch die lehnsrechtlich begründete Überordnung des Kaisers geprägt waren. Dementsprechend wurde die Lehnsbindung der Reichsstände anders als etwa im Ewigen Landfrieden von 1495480 in Art. VIII § 2 IPO ausdrücklich erwähnt („. . . salvo per omnia iuramento, quo quisque Imperatori et Imperio obstrictus est“). Diesem Ziel sollte der gesamte Westfälische Frieden dienen.481 In ihm die Zuerkennung der territorialen Souveränität zu erblicken, stellte die ratio des Art. VIII § 2 IPO also geradezu auf den Kopf. Nun lassen sich in der weiteren Geschichte nicht wenige Beispiele finden, in denen Reichsstände die Beschränkungen des Bündnisrechts ignorierten.482 Namentlich die größeren Territorien ließen sich in Art und Umfang ihrer Teilnahme am diplomatischen Verkehr oft nicht hineinreden.483 Es könnte sich also reichsgewohnheitsrechtlich eine uneingeschränkte äußere Souveränität entwikkelt haben. Allerdings waren im 18. Jahrhundert nur noch wenige deutsche Reichsstände so mächtig, daß sie mit auswärtigen Mächten auf gleicher Augenhöhe verhandeln konnten.484 Was ihre Autonomiebestrebungen angeht, darf bezweifelt werden, daß sie ihr Verhalten selbst stets als rechtmäßig ansahen. Darüber hinaus hielten sich die weitaus meisten Bündnisse der Reichsglieder in den vom Westfälischen Frieden gesetzten Grenzen, ob nun aus Reichstreue, oder weil auswärtige Staaten gar kein Interesse an Vertragsschlüssen mit mindermächtigen Ständen hatten. Eine Abschaffung der Einschränkungsklausel des Art. VIII § 2 S. 2 IPO durch Reichsgewohnheitsrecht kommt also nicht in Betracht.485 So war das Verbot des Westfälischen Friedens, gegen Kaiser und Reich gerichtete Verträge zu schließen, kein unbedeutendes Beiwerk, sondern zentrales Wesensmerkmal des reichsständischen Bündnisrechts.

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v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 168. Buschmann, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 43 (66). 481 So auch die Wertung von Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (26); Burkhardt, Der Dreißigjährige Krieg, S. 107; Schilling, Höfe und Allianzen, S. 131; Schindling, Die Anfänge des Immerwährenden Reichstags, S. 33; Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (70, 72). 482 Vgl. Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 162. 483 Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (477); Duchhardt, Europa am Vorabend der Moderne, S. 233; Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 241. 484 Wunder, Europäische Geschichte, S. 24. 485 So im Ergebnis auch Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (169). Nicht überzeugend ist dagegen die Argumentation Randelzhofers, da die Territorien selbst dem Westfälischen Frieden zugestimmt hätten, hätte keine seiner Einschränkungen ihre Unabhängigkeit beseitigen können (Völkerrechtliche Aspekte, S. 162). Hier wird das Ergebnis – die völlige Unabhängigkeit der Gliedstaaten – zur Prämisse gemacht. 480

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Die Gliedstaaten waren also weder nach innen noch nach außen mit völliger Souveränität versehen.486 Sollten sich mächtigere Reichsstände einmal selbst souverän genannt haben, so mag es sich um Wunschdenken gehandelt haben,487 das einer rechtlichen Grundlage aber entbehrte. (b) Der staatsrechtliche Status des Reiches Die fehlende Souveränität der Gliedstaaten gibt noch keine Auskunft über den Staatscharakter des Reiches. Es wäre durchaus denkbar, dem Reich die Staatlichkeit abzusprechen mit der Folge, daß weder die Territorien noch das Reich souveräne Staaten waren.488 Das Heilige Römische Reich wäre dann mangels eigener Staatsqualität weder Einheitsstaat noch Bundesstaat; wegen der fehlenden Souveränität seiner Mitglieder könnte man es aber auch nicht als Staatenbund bezeichnen. Es wäre ein Gebilde, das „mit den Mitteln der juristischen Logik nicht zu begreifen“489 ist. (aa) Staatsgebiet des Reiches Das Sacrum Imperium sah sich in der Tradition des antiken Römischen Reiches und zugleich als universales Gebilde mit dem Anspruch der Repräsentation des gesamten Christentums. Von diesem geistig-ideologischen Standpunkt aus betrachtet mußte es per se unbegrenzt sein.490 Das Vorhandensein eines fest definierten Staatsgebiets vertrug sich damit nicht. Allerdings war der ideelle Anspruch des Reiches schon früh als unrealisierbar erkannt worden, und man 486 Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (33); Böckenförde, Der Staat 8 (1969), S. 449 (475); Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 239; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 163; Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 132; Kroeschell, Deutsche Rechtsgeschichte III, S. 43 f.; Mejer, Einleitung in das deutsche Staatsrecht, S. 74; Schindling, Art. Westfälischer Frieden, in: Erler/Kaufmann/Werkmüller, HRG V, Sp. 1302 (1308); Thieme, JuS 1981, S. 549 (550); Link, JZ 1998, S. 1 (8); Vierhaus, Staaten und Stände, S. 77; Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 205. Etwas abgeschwächt, aber im Ergebnis ähnlich, ist die These, die Territorien seien beinahe (aber nicht vollständig) souverän gewesen, so Dipper, Deutsche Geschichte, S. 231; Meisner, AöR 77 (1951/52), S. 225 (248); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 367. 487 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 107; Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (25); Koselleck, Vorbem. zu Art. Staat und Souveränität, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe VI, S. 1 (1); Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 405. 488 So Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 29 Rdnr. 2. 489 So Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 220. Sachlich ähnlich, aber mit abfälliger Formulierung, meint Meisner, AöR 77 (1951/52), S. 225 (248), daß das Reich „jeder juristischen Begriffsbestimmung spottete.“ 490 Erler, Art. Reichsgrenzen, in: ders./Kaufmann, HRG IV, Sp. 594 (594).

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hatte sich auf eine an den Realitäten ausgerichtete Politik verlegt.491 Dennoch war noch kein Staatsgebiet entstanden. Der „Staat“ des Mittelalters war als Personenverband organisiert; entscheidend war die Stammeszugehörigkeit und nicht das bewohnte Land.492 Das Territorialitätsprinzip begann sich erst im Spätmittelalter durchzusetzen und den Weg für eine theoretische Begründung des Staatsgebiets zu ebnen.493 Dennoch muß bezweifelt werden, ob die Reichsgrenzen im Mittelalter und in der frühen Neuzeit bestimmt genug waren, um den Anforderungen an den territorialen Bestandteil der Drei-Elementen-Lehre genügen zu können.494 Mit dem Westfälischen Frieden und seinen teilweise umfangreichen territorialen Veränderungen trat insoweit allerdings ein Wandel ein. Die Reichsgrenzen bildeten sich nun sehr viel deutlicher heraus.495 Zwar war die Westgrenze des Reiches noch immer schwer auszumachen, denn dort fanden sich bis 1801 Gebiete, in denen auch fremde Hoheitsträger Rechte über die Untertanen innehatten.496 Streitig war aber nur der genaue Status dieser Gebiete, die Reichszugehörigkeit als solche stand nicht in Frage. Die mit einigen auswärtigen Staaten schwelenden Grenzstreitigkeiten beeinträchtigten die Eindeutigkeit der Reichsgrenzen ebenfalls nicht. Im Gegenteil, sie belegten den allgemeinen Willen genauer Grenzziehungen und die offenbar vorhandene Vorstellung, welches Gebiet sie umrahmen sollten. Zudem wird für das Vorhandensein eines Staatsgebiets auch nach heutigen Kriterien keine exakte Grenzziehung gefordert, sondern nur eine ungefähre Definierbarkeit des Territoriums.497 Diesem Erfordernis genügt das Reich der Neuzeit. Wie die zeitgenössische Publizistik feststellte, setzte sich das „Teutsche Reich“ allein aus seinen Gliedern zusammen, ohne daß es Gebiete gab, die nur dem Reich, aber keinem Territorium zugeordnet waren.498 Damit muß zwangsläufig das Reichsgebiet einigermaßen genau bestimmbar gewesen sein. Es existierte also ein Reichsstaatsgebiet im Sinne der Drei-Elementen-Lehre.499

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Mitteis, Der Staat des hohen Mittelalters, S. 368. Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 115; v. Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 18 Rdnr. 2. 493 Quaritsch, Staat und Souveränität, S. 115; v. Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 18 Rdnr. 2; Wesel, Geschichte des Rechts, S. 363. 494 Ausführlich Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte I, S. 243 ff. 495 Erler, Art. Reichsgrenzen, in: ders./Kaufmann, HRG IV, Sp. 594 (595). 496 Gotthard, Das Alte Reich, S. 3; v. Unruh, in: Jeserich/Pohl/ders., Deutsche Verwaltungsgeschichte I, S. 270. Ausführlich Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 37 ff.; Moser, Von Teutschland und dessen Staats-Verfassung, S. 24 ff. 497 Hobe/Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 77; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rdnr. 4; Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR II, § 15 Rdnr. 51. 498 Etwa Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 74; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürsten-Rechte II, S. 46. 492

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(bb) Staatsvolk des Reiches Weniger offensichtlich ist die Antwort auf die Frage, ob es ein „Staatsvolk“ des Heiligen Römischen Reiches gab. Um von einem hierfür erforderlichen Personenverband sprechen zu können, müssen die „Reichsbürger“ in einer Art rechtlicher „Schicksalsgemeinschaft“500 gelebt haben. Dies erscheint deshalb fraglich, weil der Adressatenkreis der von den Reichsinstitutionen ausgehenden Normen oder Weisungen grundsätzlich auf die Reichsstände und sonstigen Reichsunmittelbaren beschränkt blieb und nicht den einzelnen Einwohner umfaßte.501 Zu den „Reichsbürgern“ im strengen Sinne zählten daher auch nur die Reichsunmittelbaren.502 Trotzdem existierten auch einige Berührungspunkte zwischen der Zentralebene und den Landesuntertanen.503 So wurde der Kaiser regelmäßig durch die Wahlkapitulationen verpflichtet, über die Wahrung des Gehorsams der Untertanen den Landesherren gegenüber zu wachen.504 Diese Aufgabe des Reichsoberhaupts wurde durch die kaiserliche Befugnis ergänzt, in Rechtsstreitigkeiten zwischen Untertanen und Territorialherrschern zugunsten einer Verfahrensbeschleunigung bei den landesherrlichen Gerichten einzugreifen und dabei auch nicht an die Grenzen gebunden zu sein, die ihm ansonsten durch die territoriale Landeshoheit gesetzt waren.505 Überhaupt wies der judikative Bereich die stärkste Überschneidung der Rechtskreise von Reichsorganen und Landesuntertanen auf. Die Möglichkeit von Appellationen an die obersten Reichsgerichte wurde häufig genutzt; es liegen Untersuchungen für die erste Bestehensphase des Reichskammergerichts vor, nach denen Privatpersonen mit etwa 60–70% den größten Teil der Prozeßparteien stellten.506 Dadurch hatte die höchste Reichsgerichtsbarkeit einen nicht zu vernachlässigenden Einfluß auf die Privatrechtsverhältnisse weiter Kreise des Volkes.507 Insgesamt ist die für das Bestehen eines Staatsvolks notwendige rechtliche Bindung der Bevölkerung an den Staat im Heiligen Römischen Reich damit gegeben.508 499 Anders Randelzhofer von dem Standpunkt ausgehend, die Gliedstaaten seien unabhängige Territorien und demnach nur territorialfreie Gebiete als Staatsgebiet des Reiches denkbar. Da es solche nicht gab, konnte nach seiner Argumentation das Reich auch kein Staatsgebiet haben, a. a. O., S. 194. Siehe zum Reichsgebiet auch Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 1 f. 500 So Doehring, Völkerrecht, § 2 Rdnr. 56; Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 11. 501 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 429. 502 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 60; Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 158 Fußn. 331a. 503 So auch Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 230. 504 Buschmann, in: Murswiek/Storost/Wolff, Festschrift für Quaritsch, S. 449 (460). 505 Moser, von der Teutschen Justiz-Verfassung I, S. 5; Buschmann, in: Murswiek/ Storost/Wolff, Festschrift für Quaritsch, S. 449 (460); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 263 (271). 506 Ranieri, ZNR 4 (1982), S. 113 (122, 126 f.).

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Wenigstens eine indizielle Wirkung, die dieses Ergebnis untermauern könnte, kommt auch dem Reichsbewußtsein der Bevölkerung zu.509 Die Frage, wie die Einwohner zum Reich standen, ist in der späteren Literatur recht unterschiedlich bewertet worden. So wird ein Tagebucheintrag Johann Wolfgang von Goethes 1806, in dem er seine Gleichgültigkeit gegenüber der gerade erfolgenden Reichsauflösung zu erkennen gibt,510 als Indiz für ein generell mangelndes Interesse der deutschen Bevölkerung am Bestand des Alten Reiches herangezogen. Wenn auch die Mutter des Dichters in einem Brief an ihren Sohn dessen Einschätzung nicht zu teilen vermochte, war in der Tat in weiten Teilen der Bevölkerung kein Bedauern über den Verlust des Heiligen Römischen Reiches zu vernehmen. Sofern sich überhaupt Äußerungen finden lassen, zeugen diese eher von Fassungslosigkeit angesichts der grundstürzenden Veränderungen,511 manchmal wohl auch von Erleichterung.512 Allerdings bezeichnete das Jahr 1806 den Endpunkt einer Phase des stetigen Niedergangs des Reiches. Es muß allgemein Gewißheit darüber geherrscht haben, daß es nicht mehr lange würde Bestand haben können. Das Schweigen der Zeitgenossen zum Eintritt dieses vorhersehbaren Ereignisses kann daher nicht weiter erstaunen. Blickt man aber einige Jahre zurück, findet man eine größere Begeisterung für das Reich. Die Formulierung Hans Erich Feines 1932 und 1936, für „Millionen Deutscher“ sei „die Formel ,Kaiser und Reich‘ Stolz der Vergangenheit und über alle trübe Gegenwart hinweg Traum einer besseren Zukunft“513 gewesen und die 1940 getätigte Äußerung Heinrich Ritter von Srbiks, „für Millionen deutscher Seelen“ habe sich „mit dem Reich die Idee des Vaterlandes und des Rechts“ verbunden514, waren wohl durch den damaligen Zeitgeist beeinflußt und sind sicherlich zu pathetisch ausgefallen.515 In der Tat herrschte aber in

507 Diestelkamp, in: Becker u. a., Festschrift für Erler, S. 435 (447 f.); Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (53); ders., Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 193. 508 So auch Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 73 Fußn. 12. 509 Das Zusammengehörigkeitsgefühl als subjektives Element des Volksbegriffs hat zwar keine konstitutive, aber doch indizielle Wirkung für die Einstufung einer Personengruppe als Staatsvolk; vgl. Grawert, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 16 Rdnr. 14; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 84. 510 Zitiert bei Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (21). 511 Mader, Das Reichskammergericht, S. 29 f. 512 Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (20 f.). 513 ZRG Germ. Abt. 52, S. 65 (67), und: Das Werden des deutschen Staates, S. 3. 514 Deutsche Einheit I, S. 129. 515 Zur Sichtweise v. Sribks auf das Alte Reich Derdansky, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 189 ff. Allgemein zur Beeinflussung der Verfassungsgeschichtsschreibung in den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts durch politische Umstände Grothe, KritV 2005, S. 13 (16 ff.).

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den Kreisen der einfachen Bevölkerung eine aus heutiger Sicht fast schon naive Verehrung von Kaiser und Reich.516 Auch in den gebildeteren Schichten gab es ein waches Reichsbewußtsein,517 das sich im 18. Jahrhundert sogar noch einmal zu einem regelrechten „Reichspatriotismus“518 steigerte und das auch in den letzten Jahrzehnten noch gegenwärtig gewesen sein muß.519 Als bei den Friedensverhandlungen von Lunéville 1801 ein Sterben des Reiches wahrscheinlicher wurde, war der Wunsch nach einem neuen gesamtdeutschen Staat sehr viel ausgeprägter zu vernehmen als der nach einer Föderation unabhängiger Staaten.520 Bezeichnenderweise empfahlen noch nach Ende der napoleonischen Herrschaft fast alle Schriften, die sich mit der Zukunft Deutschlands befaßten, die Schaffung eines neuen deutschen Reiches mit einem Kaiser als Reichsoberhaupt.521 Damit ist insgesamt festzustellen, daß die Bewohner des Alten Reiches nicht nur tatsächlich eine rechtliche Schicksalsgemeinschaft im Sinne des Staatsvolkbegriffs bildeten, sondern sich dessen auch bewußt waren. (cc) Staatsgewalt des Reiches Das Vorliegen von Staatsgewalt verlangt ein Mindestmaß tatsächlicher legaler Einflußnahmemöglichkeiten auf die im Staatsgebiet lebenden Personen zur Erfüllung staatlicher Ordnungsaufgaben.522 Im Reichsgebiet lebten die landsässigen Untertanen genauso wie die reichsunmittelbaren Territorialherrscher. Auf beide Gruppen müßte die Reichsgewalt Einfluß gehabt haben, damit von ihr als einer echten Staatsgewalt gesprochen werden kann. Die Untersuchung des Ausmaßes gliedstaatlicher Souveränität hat bereits ergeben, daß die Reichsorgane aus eigener Kompetenz heraus rechtliche und politische Entscheidungen treffen konnten. Die Feststellung von Elementen einer dem Reich zukommenden Staatsgewalt beantwortet aber die Frage noch nicht, ob das Alte Reich dieses Merkmal auch im Sinne der Drei-Elementen-Lehre erfüllte. Dazu ist die effektive Durchsetzbarkeit des staatlichen Machtanspruchs erforderlich.523 Diese litt unzweifelhaft am Fehlen von Reichsbehörden, die un516

Thieme, Art. Reich, Reichsverfassung, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 506

(515). 517

Fenske, Deutsche Geschichte, S. 78. So Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 8. 519 Nowak, Geschichte des Christentums, S. 48. Vgl. etwa das überschwengliche Loblied v. Rebmanns auf das Reich; Die Abtretung des linken Rheinufers, S. 48 ff. 520 Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (42); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 225, 227; Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 75. 521 Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (45). 522 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 338. 518

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abhängig vom Wohlwollen der Territorien oder der Durchsetzungskraft der Reichskreise524 den Willen der Reichsorgane hätten realisieren können.525 Theoretisch gab es zwar ein ausgefeiltes System, wonach bei Erfolglosigkeit der Intervention durch die Reichskreise sogar ein Reichsexekutionskrieg gegen einen widerspenstigen Reichsunmittelbaren geführt werden durfte.526 Eine wirksame Drohkulisse für die großen Territorien war das aber nicht, weil die Realisierung von vornherein aussichtslos war. Wie oben aufgezeigt, waren die mächtigsten Reichsstände in ihrem Souveränitätsstreben in der Spätphase des Alten Reiches kaum aufzuhalten, jedenfalls ließen sie sich nicht durch Anweisungen des Reiches einschüchtern. In der Tat waren die Reichsorgane zur Durchsetzung ihrer Entscheidungen in erster Linie auf das Wohlwollen der Reichsstände angewiesen. Das aber funktionierte gar nicht so schlecht wie manchmal angenommen. Die tatsächliche Macht des Kaisers etwa war nicht überall so klein, wie die geringe Anzahl seiner Reservatrechte vermuten lassen. Die größeren Territorien konnten zwar Einwände des Reichsoberhaupts ignorieren, ohne ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Kaiserliche Disziplinierungsmöglichkeiten existierten ihnen gegenüber kaum. Die kleineren Gebiete einschließlich der freien Reichsstädte aber waren sich bewußt, daß sie ihre Existenz allein dem Schutz durch das Reich verdankten.527 Der deutsche Fürstenbund erklärte 1785 seine Treue zur Reichsverfassung528; die Städte beharrten noch zu Zeiten des Rastatter Kongresses529 auf kaiserlichen Beistand und manifestierten damit zugleich ihre Treue zum Reichsoberhaupt auch noch in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts.530 Da die mindermächtigen Reichsstände auf die Stärke der Reichsinstitutionen angewiesen waren, konnten sich die Kaiser hier eine bisweilen geradezu exzessive Einmischungspolitik erlauben, die weit über das hinausging, was ihnen die Reichsverfassung zugestand.531 523

Dazu schon oben, S. 150. Die den mächtigen Territorien gegenüber nicht sehr groß war; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 125. 525 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 231; Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 270; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (157); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts I, S. 367. 526 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 570. 527 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (198); Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 66; Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 121. 528 Ausführlich zum Fürstenbund v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 299 ff.; Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 268. 529 Dazu oben, S. 42. 530 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 40. 531 Pütter, Historische Entwickelung II, S. 212; Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (101); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 178; v. Schönberg, Das Recht der Reichslehen, S. 201. 524

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Selbst mittelgroßen Territorien erschien es oft ratsam, sich den kaiserlichen Wünschen zu beugen. Die süddeutschen Länder hielten eine kaiserfreundliche Politik schon wegen ihrer geographischen Nähe zu Österreich für geboten, da das Amt des Reichsoberhaupts von der Habsburgermonarchie in praxi nicht zu trennen war.532 Aber auch die auf dem alten Lehnsrecht beruhenden personalen Kompetenzen des Kaisers wie etwa die aus heutiger Perspektive als bloßes „Ehrenrecht“533 belächelten Standeserhöhungen entfalteten eine beträchtliche Attraktivität. Sie waren gerade im Barockzeitalter begehrt, zum einen der mit ihnen verbundenen Reputationssteigerung wegen, zum anderen aber auch, weil die Position eines Herrschers im Zusammenspiel der deutschen und europäischen Mächte von seinem Stand abhing.534 Standeserhöhungen waren aber nur durch den Kaiser zu erreichen, so daß selbst mächtige Reichsstände ihre Politik nolens volens auf Wien ausrichteten. Als Beispiel können die Welfen dienen, die 1692 die neunte Kurwürde erlangten, und auch der ewige Widerpart Habsburgs, die Hohenzollern, gewannen die preußische Königswürde nur mit der Unterstützung des Reichsoberhaupts.535 Der entschlossene Kampf Habsburgs um die Rückeroberung der 1742 mit der Wahl Karls von Bayern verlorenen Kaiserwürde belegt die Bedeutung, die dem Amt des Reichsoberhaupts offenbar auch in der Spätphase des Alten Reiches noch zugekommen sein muß.536 So bleibt zu konstatieren, daß die Position des Kaisers trotz aller Schwäche ihrer rechtlichen Ausgestaltung bis in die letzten Jahre des Reiches hinein einen nicht zu vernachlässigenden Machtfaktor bildete.537 Auch die Urteile der obersten Reichsgerichtsbarkeit blieben nicht grundsätzlich wirkungslos. Zwar brachten katholische wie protestantische Territorien den Gerichten nur geringes Interesse entgegen und blieben ihre „Kammerzieler“, also Zahlungen zur Unterhaltung des Reichskammergerichts538, oft schuldig. Dadurch konnte die judikative Tätigkeit aber nicht dauerhaft gehemmt werden. Durch ihr passives Verhalten verstärkten die Reichsstände unfreiwilligerweise wieder den kaiserlichen Einfluß auf die Besetzung des Reichskammerge532 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 180; Schilling, Höfe und Allianzen, S. 160. 533 So Blechinger, StudRZ 2004, S. 23 (33). 534 Schilling, Höfe und Allianzen, S. 161. 535 Schilling, Höfe und Allianzen, S. 161; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 195. Bis in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein mag zudem eine immer noch vorhandene persönlich-politische Bindung der Hohenzollern an das Amt des Kaisers eine allzu reichsunabhängige Politik verhindert haben, wie dies für Friedrich Wilhelm I behauptet worden ist; Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (109 f.). 536 Forsthoff, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 66. 537 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 180; Maurer, Staatsrecht I, § 2 Rdnr. 11; Schroeder, JuS 2006, S. 577 (579). 538 Henning, Art. Kammerzieler, in: Erler/Kaufmann, HRG II, Sp. 590 (590); Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 143.

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richts539 und trugen zudem zu dessen von Zeitgenossen vielbeklagter Langsamkeit und Durchsetzungsschwäche in seiner späten Phase bei, berühmt geworden durch die Beschreibung des Rechtspraktikanten Johann Wolfgang von Goethe540. Die Prozeßparteien wußten sich aber zu helfen, indem sie immer häufiger auf Klagen vor dem Reichshofrat auswichen, der eine effektivere Arbeit vorweisen konnte.541 Die Reichsgerichte hatten wie der Kaiser keine eigenen Organe zur Durchsetzung ihrer Urteile und waren daher auf die Mitarbeit der Reichsstände zur Exekution ihrer Entscheidungen angewiesen.542 Daß die mächtigeren Territorien sich dem im Falle unliebsamer Entscheidungen widersetzten, liegt nahe und ist zweifellos auch vorgekommen543; es handelte sich hierbei allerdings nur um spektakuläre Einzelfälle, die keineswegs verallgemeinerungsfähig sind.544 Bezeichnenderweise herrschte bis zum Untergang des Heiligen Römischen Reiches ein hohes Interesse an der Erlangung eines kaiserlichen Privilegiums de non appellando. Noch der Reichsdeputationshauptschluß traf eine diesbezügliche Regelung in § 33545; das letzte wurde erst 1804 vergeben.546 Hätten die Reichsstände den Urteilen des Reichskammergerichts und des Reichshofrats ohne weiteres die Beachtung versagen können, wäre ein Appellationsprivileg nicht mehr erstrebenswert gewesen. Die obersten Reichsgerichte spielten also auch im beginnenden 19. Jahrhundert noch eine praktische Rolle im Rechtsleben des Reiches.547 539

Duchhardt, in: Scheurmann, Frieden durch Recht, S. 35 (38). Dichtung und Wahrheit, 3. Teil, 12. Buch; hier zitiert nach Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 102. 541 Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 269; v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 143; Eisenhardt, in: ders., Die kaiserlichen Privilegia de non appellando, S. 1 (54); Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (94); Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 164. 542 Sellert, in: Gerhardt u. a., Festschrift für Henckel, S. 817 (818). 543 Vgl. z. B. Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (19); Press, in: Kunisch, Volker Press – Das alte Reich, S. 189 (216); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (281); Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 125. 544 Cordes, zeitenblicke 3 (2004), Abs.-Nr. 13; Diestelkamp, in: Becker u. a., Festschrift für Erler, S. 435 (478 ff.); Vierhaus, in: ders./Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 337 (345). Dagegen schätzt Sellert, in: Gerhardt u. a., Festschrift für Henckel, S. 817 (838), das Ausmaß der faktisch nicht vollstreckbaren Urteile größer ein. 545 Text im Wortlaut in Zweiter Teil, Fußn. 78. 546 Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (264). 547 Wie groß die politische Bedeutung des Reichskammergerichts und Reichshofrats war, ist im einzelnen in der rechtshistorischen Literatur umstritten. Einen erheblichen Einfluß messen den höchsten Reichsgerichten zu Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 193; Laufs, in: ders., Die Reichskammergerichtsordnung von 1555, S. 1 (4); Schmidt, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 247 (255); Sydow, Der Staat 41 (2002), S. 261 (279); v. Unruh, in: Jeserich/Pohl/ders., Deutsche Verwaltungsgeschichte I, S. 276. Für eine eher geringe Bedeutung von Reichskammergericht und Reichshofrat 540

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In der Praxis konnten sich also die Reichsinstitutionen auch ohne eigenen Verwaltungsunterbau häufig durchsetzen. Wer nun das nahezu völlige Fehlen von Reichsbehörden als Grund für eine mangelnde Effektivität der Hoheitsgewalt des Reiches ansieht548, berücksichtigt nicht ausreichend, daß der Staat in damaliger Zeit generell weniger Aufgaben hatte als in der Gegenwart.549 Auch die Verwaltung war deshalb nicht in dem heute üblichen Maße ausgebaut. Dies gilt nicht nur für das Heilige Römische Reich, sondern auch für die anderen europäischen Mächte, die schon sehr viel weiter auf dem Weg zum modernen Nationalstaat vorangeschritten waren. Immerhin gab es aber mit den Reichskreisen gemeinsame Verwaltungseinheiten, und es existierte eine gut funktionierende Reichspost – eine für die damalige Zeit besonders wichtige Institution.550 Des weiteren darf die in einem Bundesstaat übliche Verteilung der Verwaltungstätigkeit nicht verkannt werden. Auch in der Bundesrepublik obliegt die Ausführung der Bundesgesetze gem. Art. 30, 83 GG grundsätzlich den Ländern, so daß der Bund über vergleichsweise wenige eigene Verwaltungseinheiten verfügt. Betrachtet man die Zahl der Bundesbehörden nicht absolut, sondern in Relation zu den Verwaltungsorganen der Länder, dann schneidet der Bund heute wohl nicht viel besser ab als in damaliger Zeit das Alte Reich im Vergleich mit seinen Gliedstaaten, von denen die kleineren ja auch keine umfangreiche Verwaltung besaßen. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der damaligen Zeit ist also die Möglichkeit der Durchsetzbarkeit von Normen und Entscheidungen der Reichsorgane nicht derart gering, daß das Bestehen von Staatsgewalt auf Reichsebene aufgrund mangelnder Effektivität ausschiede. Das Heilige Römische Reich wies somit Staatsgewalt, Staatsvolk und Staatsgebiet auf, ist also nicht nur nach Ansicht der damaligen Publizistik, sondern auch nach der heutigen Drei-Elementen-Lehre ein Staat.551 Mithin hat sich gedagegen Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 239; Sellmann, in: Külz/Naumann, Staatsbürger und Staatsgewalt I, S. 25 (34); Stern, Staatsrecht V, S. 53. Die Tendenz in der verfassungshistorischen Forschung geht in Richtung einer größeren Bedeutung des Reichskammergerichts. So auch die Einschätzung von Becker, in: Eckert, Festschrift für Hattenhauer, S. 23 (34). 548 Wie dies etwa Gotthard, Das Alte Reich, S. 6 f., und Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, Rdnr. 1635 f., tun. Sich nicht festlegend Vierhaus, Deutschland im Zeitalter des Absolutismus, S. 121: Das Reich war „wenig Staat“, da mangels Reichsverwaltung wenig effektiv. 549 Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 131 f. 550 Schmidt, in: Schnettger, Imperium Romanum, S. 247 (254). Das Postwesen war grundsätzlich Reichsangelegenheit, wurde teilweise allerdings auch den Territorien überlassen; Planitz/Eckhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 272. 551 v. Aretin, Das Alte Reich I, S. 40; Burgdorf, FAZ vom 18.9.2003 (Nr. 217), S. 42; Härter, Reichstag und Revolution, S. 44 f.; Kormann, ZfP 7 (1914), S. 139 (166, 168); Kremer, Der Westfälische Friede, S. 79; Oberthür, Die Säkularisation im Urteil der deutschen Kirchenrechtswissenschaft, S. 65; Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 73.

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zeigt, daß sowohl die Territorien als auch das Reich selbst Staaten waren. Als aus Staaten zusammengesetzter Staat kann das Heilige Römische Reich daher nach heutiger Kategorisierung als Bundesstaat bezeichnet werden.552 cc) Folgerungen für die Rechtmäßigkeit von Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung Wesentlicher Inhalt von Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung ist die Entziehung der gesamten Hoheitsrechte einzelner Gliedstaaten durch das Reich und ihre Zuordnung zu anderen Territorien. Es liegt nahe, die Verfügungsbefugnis über die Staatsgewalt demjenigen zuzusprechen, dem sie originär zukommt. Das bedeutet, daß das Reich zu ihrem Entzug und der Weitergabe nach eigenem Belieben nur befugt war, wenn es selbst sie einst verliehen hatte, mit anderen Worten, wenn die im einzelnen Gliedstaat ausgeübte Hoheitsgewalt eine vollständig vom Reich abgeleitete war.553 Hatten die Territorien dagegen eine eigene aus sich heraus bestehende, also originäre Hoheitsgewalt inne, lag diese außerhalb des Rechtskreises des Reiches.554 Dann hätte der Reichsverfassung als ungeschriebener Grundsatz eine Existenzgarantie der Gliedstaaten zugrunde gelegen. (1) Die Verfügungsbefugnis über Hoheitsrechte in Einheitsstaat, Bundesstaat und Staatenbund Diese These gilt es nun zu verifizieren. Übertragen auf eine allgemeinere Ebene heißt es, daß ein Bundesstaat, dessen Wesensmerkmal die originäre

Etwas nebulös v. Srbik, Deutsche Einheit I, S. 124: Das Reich war nach dem Westfälischen Frieden wohl noch ein Staat, aber nicht mehr „eigenkräftig“. Anders Berber, Lehrbuch des Völkerrechts I, S. 19, 141; Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 223; Meurer, JA 2004, S. 848 (850); Randelzhofer, Völkerrechtliche Aspekte, S. 196, Rudolf, Art. Staatenbund, in: Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, S. 383 (383), die das Reich folgerichtig als Staatenbund beschreiben. 552 Krause, in: Schröder, 350 Jahre Westfälischer Friede, S. 9 (41); Maurer, Staatsrecht I, § 2 Rdnr. 23; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 44. Ähnlich bereits die Ansicht der meisten zeitgenössischen Staatsrechtler, siehe oben, S. 138 ff. Teilweise wird auch vorsichtiger vom Heiligen Römischen Reich als Vorläufer eines Bundesstaats gesprochen, etwa Liermann, in: Rüdinger, Unser Geschichtsbild, S. 51 (60); Müller, Die Beziehungen der Gliedstaaten, S. 13. 553 So die Argumentation von Schröder/v. Künßberg, Lehrbuch der deutschen Rechtsgeschichte, S. 938, und wohl auch von Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte II, S. 120. 554 Weniger überzeugend ist dagegen die These von Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 44, nach der sich eine Auflösungsbefugnis des Bundesstaats nach der „konkret-geschichtlichen Stellung der Gliedstaaten in der Verfassungsordnung“ richte. Auch der Zusatz „konkret“ läßt diese Begrifflichkeit nicht exakter werden.

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Staatsgewalt der zusammengeschlossenen Länder ist,555 grundsätzlich nicht die Befugnis hat, einen seiner Gliedstaaten aufzulösen. Dagegen hat sich Jellinek mit dem Hinweis gewandt, die Souveränität des Gesamtstaats sei unerträglich eingeschränkt, wenn er seine Glieder nicht zu bloßen Verwaltungseinheiten zurückstufen dürfte.556 Folgerichtig muß er daher dem Bund die Kompetenz zur Auflösung seiner Mitglieder zugestehen. Nun war Jellinek erklärtermaßen von dem Ziel geleitet, die Stellung des Deutschen Reiches von 1871 als besonders stark darzustellen.557 Dementsprechend ist seine Argumentation auch mehr politisch als verfassungsrechtlich geprägt. Jellinek führt an, der Bund kümmere sich im Zweifel nicht um die Verfassung und löse seine Glieder notfalls auch im Wege des Verfassungsbruchs auf.558 Damit propagiert er eine vorauseilende Anpassung des Rechts an die Machtverhältnisse. Wenn aber dem Staat alles erlaubt wird, was ihm zu tun beliebt, wird jede Verfassung obsolet. Eine tragfähige Begründung, warum dem Bund eine Aufhebungsbefugnis der Staatlichkeit seiner Glieder zustehen solle, bietet Jellinek nicht. Genauso wenig kann es überzeugen, das Auflösungsrecht vom tatsächlichen Machtverhältnis zwischen Ländern und Zentralebene abhängig zu machen. So hat Konrad Hesse die Theorie aufgestellt, der von ihm sogenannte „unitarische Bundesstaat“, dessen Teilstaaten so wenig kulturelle und soziale Eigenständigkeit mehr aufweisen, daß er nach außen quasi wie ein Zentralstaat erscheint, dürfe seine Glieder auflösen, andere Bundesstaaten nicht.559 Eine solche Differenzierung entbehrt jeglicher rechtlicher Grundlage. Die wesentlichen Merkmale eines Bundesstaats müssen allgemeingültig sein. Konsequenterweise müßte Hesse im Fall eines Einheitsstaats, dessen Regionen aber kulturell und sozial wenig miteinander gemein haben, eine interne Umstrukturierungsbefugnis des Staates ausschließen. Damit wird aber die Grenze zwischen Bundesstaat und Einheitsstaat bis zur Ununterscheidbarkeit verwischt. Wenn ein Staat nach außen hin wie ein Zentralstaat erscheint, ist vielmehr eine Untersuchung angebracht, ob es sich nicht tatsächlich um einen solchen handelt. Steht am Ende

555 BVerfGE 1, 14 (34); 60, 175 (207); Herzog, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 20 Abschn. IV Rdnr. 10, 26; Maunz, in: Isensee/Kirchhof, HStR IV, § 94 Rdnr. 3; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 405. Anders noch Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 272 f.; in dieser Tradition Meyer/Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts I, S. 73. 556 Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 304, 306. 557 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 286. 558 Jellinek, Die Lehre von den Staatenverbindungen, S. 305. 559 Hesse, in: Häberle/Hollerbach, Konrad Hesse – Ausgewählte Schriften, S. 116 (146). Für das Heilige Römische Reich kann allerdings eine solche Einheitlichkeit der Territorien ohnehin nicht angenommen werden; so auch Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 45.

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dieser Prüfung die Klassifizierung als Bundesstaat, dann sind auch die allgemeinen diese Gruppe von Staatsgebilden betreffenden Regeln anzuwenden. Die heute überwiegende Sichtweise ist zu Recht restriktiver. So wird zur aktuellen Rechtslage vertreten, die Abtretung von Bundesgebiet an einen ausländischen Staat dürfe nur mit Zustimmung des betroffenen Bundeslandes erfolgen, auch wenn das Grundgesetz diese Forderung nicht expressis verbis erhebt.560 Der Eigenstaatlichkeit der Länder widerspreche es, wenn andere Hoheitsträger über ihr Gebiet verfügen dürften.561 In der deutschen Geschichte findet sich eine ausdrücklich formulierte Gebietsgarantie der Länder in Art. 78 Abs. 3 WRV562, und ein internationaler Vergleich zeigt eine derartige Verbreitung der Zustimmungspflicht des betroffenen Gliedstaats bei Gebietsabtretungen, daß sie schon als Wesensmerkmal eines Bundesstaats begriffen werden kann.563 Dabei geht es wohlgemerkt nur um einen kleinen Teil der eigenen Fläche, keinesfalls um den Gesamtbestand des Landes wie im Reichsdeputationshauptschluß. Gegen die These, im Bundesstaat sei eine Auflösung der Gliedstaaten durch den Bund stets ausgeschlossen, ließe sich allerdings die heutige Regelung zur Neugliederung des Bundesgebiets anführen. Nach Art. 29 GG darf der Bund einzelne Länder zusammenlegen564; es handelt sich also um die Regelung einer der Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung vergleichbaren Situation, die hier zugunsten der Zentralebene gelöst wird. In der Tat wird Art. 29 GG heute als eine massive Einschränkung der Landessouveränität empfunden.565 Die ausdrückliche Nennung der Bundesbefugnis zur Zusammenlegung von Ländern deutet aber auf ein Recht hin, das dem Bund nicht schon aus der allgemeinen Regel des Bundesstaatsprinzips zukommt. Die Existenz des Art. 29 GG ist vor allem mit der besonderen Situation bei Gründung der Bundesrepublik zu erklären.566 Dementsprechend ist die deutsche Regelung der Länderneugliederung durch die Zentralebene auch heute noch für Föderalstaaten nahezu einzigartig.567 Die Regelung des Art. 29 GG ist damit kein Ausfluß des Bundesstaatsprinzips, sondern im Gegenteil eine ausdrücklich formulierte Beschränkung, 560 So etwa Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 32 Rdnr. 7; Maunz, in: ders./Dürig, Grundgesetz, Art. 32 Rdnr. 23; Soell, AöR 95 (1970), S. 423 (444); Stern, Staatsrecht I, S. 249; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 27; a. A. im Hinblick auf den Wortlaut des Art. 32 Abs. 2 GG dagegen: Pernice, in: Dreier, Grundgesetz II, Art. 32 Rdnr. 33; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz II, Art. 32 Rdnr. 31; v. Vitzthum, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 18 Rdnr. 35. 561 Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 32 Rdnr. 7; Stern, Staatsrecht I, S. 249; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 27. 562 Abgedruckt bei Blanke, Deutsche Verfassungen, S. 247 ff.; Huber, Dokumente IV, Nr. 157 (S. 151 ff.); Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 637 ff. 563 Vgl. Soell, AöR 95 (1970), S. 423 (440). 564 Ähnlich schon die Regelung in Art. 18 WRV. 565 Pernice, in: Dreier, Grundgesetz II, Art. 29 Rdnr. 12. 566 Kunig, in: v. Münch/ders., Grundgesetz II, Art. 29 Rdnr. 2.

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eine Ausnahme. Eine Existenzgarantie der Gliedstaaten eines Bundesstaats besteht immer dann, wenn die Gesamtstaatsverfassung nichts anderes bestimmt. Vor allem ist zu bedenken, daß der Bund zwar gem. Art. 29 GG die Befugnis zur Zusammenlegung von Bundesländern hat, jedoch seit der Novellierung von 1976 nur mit der Zustimmung durch die Landesbevölkerung. Also muß zwar nicht das Land als Körperschaft zustimmen, aber sein Souverän. So betrachtet ist die Auflösung keine zwangsweise durch den Bund, sondern vielmehr eine einverständliche von Bund und Ländern. Das entspricht der Vermutung, daß über die Hoheitsgewalt nur verfügen kann, wem sie originär zusteht. Also steht auch Art. 29 GG der These nicht entgegen, daß der Bestand eigener Hoheitsrechte grundsätzlich zugleich auch eine Gebietsgarantie für die Gliedstaaten mit sich bringt. Dafür spricht schließlich auch der Sinn eines Zusammenschlusses von Ländern zu einem Bundesstaat. So entstehen Bundesstaaten häufig gerade aus Angst kleinerer eigenständiger Staaten vor einer Annexion durch das Ausland.568 Wenn sich die Gliedstaaten zu einem Bundesstaat verbinden, geschieht dies also zum Schutz ihres eigenen Bestandes; es wäre widersinnig, wenn nunmehr der Bund sie auch gegen ihren Willen auflösen dürfte. Quasi als Gegenleistung für den Verzicht auf die Ausübung einzelner Hoheitsrechte zugunsten der Zentralebene müssen die Gliedstaaten somit zumindest die Garantie ihrer Existenz verlangen können.569 Selbst wenn sich eine allgemeingültige Bundesstaatstheorie bisher noch nicht hat herausbilden können,570 kann aus der Eigenstaatlichkeit der Bundesglieder nur ein einheitliches Ergebnis für die Auflösungsbefugnis von Ländern durch den Bund folgen: Es muß unabdingbares Wesensmerkmal eines Bundesstaats sein, daß er seine Gliedstaaten nicht gegen deren Willen auflösen darf.571 Also genossen die Territorien eine Bestandsgarantie aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts, wenn sie eine originäre Hoheitsgewalt innehatten. Das ist mit der Einstufung des Heiligen Römischen Reiches als Bundesstaat bereits festgestellt worden. Wäre das Reich als Staatenbund klassifiziert worden, hätte es im übrigen eine ebensolche Bestandsgarantie gegeben, denn 567 Vgl. Pernice, in: Dreier, Grundgesetz II, Art. 29 Rdnr. 9, mit verfassungsvergleichenden Ausführungen. 568 Speziell für das Heilige Römische Reich: Weiße, Von den Vortheilen der Reichsverbindung, S. 22; allgemein: Schmidt, Der Staat Beih. 10 (1993), S. 45 (50). 569 So auch der anonyme Verfasser der 1799 erschienen „Allgemeine(n) Grundsätze des Völkerrechts“, S. 235, zitiert bei Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 86. 570 Jestaedt, in: Isensee/Kirchhof, HStR II, § 29 Rdnr. 8; Sˇarc ˇ evic´, Das Bundesstaatsprinzip, S. 21. 571 So Schmitt, Verfassungslehre, S. 368, zu der von ihm entwickelten Kategorie des Bundes (siehe oben, S. 143).

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auch hier haben die Glieder eigenständige, unabgeleitete Hoheitsgewalt. Nur in einem Einheitsstaat ist die Befugnis zur Auflösung der Untergliederungen, die dort nur Verwaltungseinheiten ohne Staatsqualität darstellen, problemlos gegeben. (2) Selbstauflösung der säkularisierten und mediatisierten Reichsglieder Die Erkenntnis, daß Gebilde mit eigener Hoheitsgewalt auch durch einen ihnen übergeordneten Hoheitsträger nicht aufgelöst werden dürfen, führt noch nicht per se zur Rechtswidrigkeit von Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung durch den Reichsdeputationshauptschluß. Die zur Säkularisation bzw. Mediatisierung stehenden Staaten könnten ihre Hoheitsrechte nämlich im unmittelbaren Vorfeld oder zeitgleich mit Erlaß des Reichsdeputationshauptschlusses selbst abgegeben haben. Dann käme diesem Reichsgrundgesetz nur deklaratorische Wirkung zu; es beschriebe, was kurz vorher geschehen ist oder gerade vonstatten geht, löste die geistlichen und kleinen weltlichen Territorien aber nicht selbst auf. In diesem Falle stünde auch seine Rechtmäßigkeit außer Frage. Mangels ausdrücklicher Selbstauflösung kommt nur eine konkludent erklärte in Betracht. Die Auslegung eines Gesamtverhaltens als konkludente Erklärung erfordert allerdings, daß das Verhalten eindeutig und bei verständiger Betrachtungsweise nicht anders interpretierbar ist. Das gilt um so mehr, je schwerwiegender die Folgen für den Erklärenden sind. Der vollständige Verlust der Eigenstaatlichkeit ist von einem Gewicht, dessen Steigerung kaum vorstellbar ist. (a) Selbstauflösung der säkularisierten geistlichen Reichsstände Weil sich das Verhalten der säkularisierten geistlichen Reichsstände und der mediatisierten weltlichen Territorien teilweise unterschied, kann eine eventuelle Selbstauflösung nicht für alle in ihrem Bestand bedrohten Gebiete gemeinsam untersucht werden. Zunächst soll der Standpunkt der kirchlichen Staaten zu ihrer bevorstehenden Auflösung herausgearbeitet und geprüft werden, ob sich ihr Verhalten als freiwillige Abgabe der Hoheitsrechte deuten läßt. (aa) Selbstauflösung durch Zustimmung zum Friedensvertrag von Lunéville Möglicherweise haben die geistlichen Reichsfürsten die Säkularisation ihrer Gebiete selbst eingeleitet, indem sie den Lunéviller Friedensvertrag von 1801 genehmigten. Den Frieden von Lunéville hatte zunächst der Kaiser allein im Namen des Reiches getätigt, er wurde aber nachträglich vom Reichstag einstim-

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mig genehmigt, also einschließlich der Stimmen aller geistlichen Reichsstände.572 Dieses Verhalten erscheint in der Tat wenig schlüssig, wenn die geistlichen Staaten tatsächlich Interesse an ihrem Fortbestand hatten. Daher ist der Gedanke nicht ganz fernliegend, mit der Genehmigung des Friedensvertrags von Lunéville hätten sie sich zugleich mit ihrer eigenen Säkularisation einverstanden erklärt.573 Bei genauer Betrachtung ist das aber nur bei zwei Alternativen der Fall: entweder, wenn die Auflösung der geistlichen Fürstentümer bereits unmittelbar durch den Friedensvertrag von Lunéville erfolgt ist,574 oder wenn sie durch den Vertrag im später durchgeführten Ausmaß unabwendbar festgelegt wurde. Es ist demnach eine genauere Auslegung der Bestimmungen über die Säkularisation im Frieden von Lunéville erforderlich. Die Entschädigungsfrage ist in Art. 7 des Lunéviller Friedensvertrags (LV) geregelt. Demnach oblag es dem Deutschen Reich, den Fürsten für die Verluste ihrer linksrheinischen Gebiete Ausgleich zu verschaffen. Dies hatte „in Gemäßheit der auf dem Congreß zu Rastadt förmlich festgesetzten Grundsätze“ zu erfolgen, wobei hinzuzufügen ist, daß der Rastatter Kongreß bereits ansatzweise die Einbeziehung der geistlichen Reichsstände in die Entschädigungsmasse vorgesehen hatte.575 Es steht daher außer Zweifel, daß die geistlichen Staaten schon 1801 um die Gefahren für den eigenen Bestand wußten, die das Inkrafttreten des Lunéviller Friedensvertrags hervorrufen würde.576 Fraglich bleibt aber, als wie konkret diese Gefahr 1801 angesehen wurde. Zwar wurde selbst von Kirchenvertretern nicht bestritten, daß der Lunéviller Frieden im Grundsatz Säkularisationsmaßnahmen anordnete, doch schien innerhalb der Kirche das St. Florians-Prinzip nicht weniger verbreitet gewesen zu sein als in den weltlichen Institutionen. Die drei geistlichen Kurfürsten hatten gegen die Säkularisation der übrigen klerikalen Reichsstände wenig einzuwenden, versprachen sich hiervon sogar eigene Gewinne. Die Erzbischöfe meinten, mit der Auflösung oder Verkleinerung der einfachen Bistümer könne den Vorgaben des Friedens von Lunéville hinreichend Rechnung getragen werden, so daß sie selbst verschont blieben. Die Bistümer schließlich waren bereit, den Zugriff auf Klostergüter zuzulassen mit dem Hintergedanken, daß dann ihre Herrschaft nicht mehr säkularisiert werden mußte.577 So schien jeder einzelne kirch572

Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 141. So Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 174 f. 574 Davon ausgehend Aegidi, Der Fürsten-Rath, S. 174 f., 190 f. 575 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 126. 576 Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 63; Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich, S. 54. Nach v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 461, ahnten nur die größeren Reichsstände bereits zu Zeiten des Rastatter Kongresses, daß umfassende Säkularisationen geplant waren. 577 Aus den Memoiren des Ritters von Lang, auszugsweise abgedruckt bei v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 6 (S. 17 f., hier S. 18). 573

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liche Amtsträger zu glauben, es werde zwar grundsätzlich zu Säkularisationsmaßnahmen kommen, er selbst könne Herrschaft und Vermögen aber behalten. In dieser Annahme mußten sie sich im Jahr 1801 tatsächlich noch bestärkt fühlen. Bereits unter zeitgenössischen Autoren setzte eine lebhafte Diskussion über die Frage der richtigen Auslegung des Art. 7 LV ein.578 Besonders im Streit stand dabei der Adressat der Entschädigungsverpflichtung. Als solchen bezeichnete der Friedensvertrag wie gesehen das „gesammte(s) Reich“, bzw. in der französischen Fassung „l’Empire germanique collectivement“579, was offen ließ, wer genau den Verlust seiner Herrschaft oder seines Vermögens befürchten mußte. Angeblich soll der französische Abgeordnete beim Reichstag Bacher geäußert haben, der Ausdruck „collectivement“ sei nur deshalb eingefügt worden, um keinem geistlichen Stand die Ausflucht zu lassen, von der Säkularisation verschont zu werden.580 Selbst wenn diese Äußerung tatsächlich gefallen581 und auch inhaltlich zutreffend gewesen sein sollte, so findet sich ihr Aussagegehalt im Wortlaut des Vertrags nicht wieder. Im Gegenteil: Man verzichtete bewußt auf den Terminus „Säkularisation“, um die Zustimmung der geistlichen Reichsstände zu erhalten, ohne die der Friedensvertrag von Lunéville nicht rechtsgültig hätte zustande kommen können.582 Die französische Sichtweise hat sich also beim Abschluß des Friedensvertrags nicht in Gänze durchsetzen können und ist daher auch kein alleiniger Maßstab für dessen Auslegung. Wie später vor allem die geistlichen Fürsten hervorhoben,583 beschränkte sich der Vertrag selbst ausweislich seiner Formulierung nicht nur auf die Kirchenstaaten, sondern bezog sich auf alle Reichsstände.584 Daß sie alle vollständig aufgelöst werden sollten, konnte aber ganz offensichtlich nicht gemeint sein. Aus Art. 7 LV läßt sich also 578

Vgl. Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 55 f. Hervorhebungen jeweils nicht im Original. Die französische Fassung des Friedensvertrags von Lunéville findet sich im Internet unter der Adresse: http:// www.1789–1815.com/tr_luneville_txt.htm. 580 Vgl. Härter, Reichstag und Revolution, S. 572. 581 Zweifelnd insoweit Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 56 Fußn. 56. 582 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 153. 583 Besonders die Vertreter der geistlichen Territorien beriefen sich auf die offene Formulierung des Art. 7 LV, der eine Einbeziehung auch weltlicher Ländereien in die Entschädigungsmasse verlange; vgl. Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich, S. 54. 584 Seuffert, Versuch einer doctrinellen Auslegung des siebenten Friedensartikels von Lüneville, 1801, S. 16 ff. (zitiert bei Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 55 Fußn. 49); Härter, GWU 2003, S. 484 (488); Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 87. Das Argument von Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 87, mit dem Begriff „collectivement“ sei die Beschränkung der Entschädigungsmasse auf einen Stand, nämlich den geistlichen, ausgeschlossen, vermag trotz zutreffenden Ergebnisses nicht zu überzeugen. Die geistlichen Territorien bildeten nicht einen einzigen, sondern sehr viele Reichsstände. 579

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keinesfalls herauslesen, alle geistlichen Fürstentümer sollten ausnahmslos zur Säkularisation freigegeben werden. Zur Zeit des Lunéviller Friedens war noch nicht allgemein absehbar, daß die geistlichen Besitztümer über die Entschädigung weltlicher Reichsstände für den Verlust linksrheinischer Gebiete hinaus auch noch zur Mehrung der Finanzmittel säkularisiert werden würden.585 Es stand 1801 nicht einmal fest, ob wirklich alles an Frankreich abzugebende Land auszugleichen war.586 Und selbst wenn es dazu kommen sollte: Die linksrheinischen Gebietsverluste weltlicher Fürsten waren sehr viel geringer, als rechtsrheinisches geistliches Territorium zur Verfügung stand: Während der Umfang der rechtsrheinisch gelegenen geistlichen Territorien 1131 Quadratmeilen betrug, gingen den deutschen weltlichen Herrschern linksrheinisch nur 463 Quadratmeilen verloren.587 Daher erschien der Umfang der Entschädigungsmasse noch deutlich geringer, als er dann 1803 tatsächlich ausfallen sollte. Das mußte die Hoffnung der auflösungsbedrohten Reichsglieder nähren, selbst nicht betroffen zu sein. Vor allem eine weitere Formulierung des Art. 7 LV schien einen Zeitaufschub zu gewähren. Die Entschädigung der Fürsten für ihre linksrheinischen Gebietsverluste hatte nämlich „nach Verfügungen, die dieser Grundlage (sc. Entschädigung aus der Mitte des Reiches) gemäß, in der Folge genauer bestimmt werden sollen“, zu erfolgen. Damit ist zum Ausdruck gebracht, daß der Lunéviller Frieden die Säkularisation der geistlichen Fürstentümer weder unmittelbar einleitete noch unabwendbar anordnete.588 Die geistlichen Reichsstände konnten 1801 also durchaus noch damit rechnen, nur einen Teil ihrer Hoheitsgewalt und des kirchlichen Eigentums aufgeben zu müssen.589 Nur die aus der unbestimmten Formulierung von Art. 7 geschöpfte Hoffnung auf ihren zumindest teilweisen Erhalt erklärt ihre Zustimmung zum Frieden von Lunéville.590 Also haben die geistlichen Reichsstände mit der Genehmigung des Friedensvertrags im Reichstag nicht zugleich ihre eigene Existenz aufgegeben.

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v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 489. Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 54. 587 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 489. Vgl. auch Härter, GWU 2003, S. 484 (488); Rob, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 107 (109). 588 v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 455 Fußn. 9; ders., Das Alte Reich III, S. 489. 589 Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (549). 590 So auch Härter, Reichstag und Revolution, S. 572; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (13 f.). 586

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(bb) Selbstauflösung unmittelbar im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses Wie schon dargestellt verhielten sich die geistlichen Reichsstände während des gesamten Entstehungsprozesses des Reichsdeputationshauptschlusses sehr passiv und ließen lautstarke Proteste vermissen. Bis zu ihrem Ende gab es von ihrer Seite weder gewaltsamen Widerstand591 noch besonders lauten Widerspruch.592 Dieses Verhalten könnte als konkludent erklärte Abtretung ihrer Hoheitsrechte zu werten sein. Der Reichsdeputationshauptschluß fiel in eine Zeit der Spannungen zwischen der mächtigen deutschen Reichskirche und der vatikanischen Zentralmacht. Die geistlichen Landesherren lebten in der Furcht, eine zu enge Anbindung an Rom könne ihre Machtposition im Reich schwächen, und strebten daher eine möglichst große Unabhängigkeit vom Papst an. Sogar an eine völlige Autonomie der deutschen Reichskirche war im 18. Jahrhundert gedacht worden.593 Ob dieser Bestrebungen beunruhigt war Rom daran interessiert, Macht und Einfluß der deutschen Glaubensgenossen einzudämmen.594 Die geplanten Säkularisationen kamen dabei durchaus zupaß. So hatte bereits 1798 Papst Pius VI. Bayern Teilsäkularisationen von Klostergut gestattet, um das territoriale Staatskirchentum gegenüber der Reichskirche zu stärken.595 Noch schwächeren Widerstand gegen Verweltlichungen leistete sein Nachfolger, der 1800 gewählte Pius VII. Die wenigen Protestäußerungen, die es überhaupt gab, fielen sehr schwach, geradezu lustlos aus.596 Die einzige energischere Aktion, die von Rom ausging, erfolgte im Februar 1803 – zu einem Zeitpunkt, da der Umfang der Säkularisationen schon fast unveränderlich feststand – und bestand in einem geradezu grotesken päpstlichen Breve. Den katholischen Reichsfürsten, die sich an den geplanten Säkularisationen beteiligten, wurde mit dem Verlust ihrer Territorien

591

v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (193). Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (125); Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (47); Nowak, Geschichte des Christentums, S. 45; Raab, in: Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte V, S. 533 (549). 593 Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (15); Zippelius, Staat und Kirche, S. 103. 594 v. Aretin, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (31); Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 11 f.; H. Müller, Säkularisation und Öffentlichkeit, S. 68; W. Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (56); Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (177). 595 v. Aretin, Art. Säkularisation, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 1263 (1265). 596 Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (57), spricht von „wenig effiziente(n) Routineproteste(n)“. Ein Beispiel findet sich in dem Breve Papst Pius VII. an Kaiser Franz II. vom 17. Juni 1801, abgedruckt bei v. Oer, Die Säkularisation 1803, Nr. 9 (S. 22 ff.). 592

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und ihres Seelenheils gedroht.597 Eine Wegnahme von Land konnte die katholische Kirche aber ohnehin praktisch nicht durchsetzen; ob sie auf das Seelenheil der Fürsten Einfluß nehmen konnte, ist eine Glaubensfrage, die aber die Fürsten in dieser schon sehr säkularen Zeit kaum bewegt haben dürfte.598 Angesichts des offensichtlich geringen Interesses des Papstes am Schutz der deutschen Kirche herrschte auch in der Reichskirche selbst Resignation.599 Zudem hatten es die geistlichen Fürstentümer im Vorfeld der großen Säkularisation von 1803 versäumt, eine persönliche Bindung der einfachen Bevölkerung und des landsässigen Adels an ihr Territorium zu schaffen. Aufklärerische Gedanken fanden kaum Eingang in die höchste Regierungsebene der geistlichen Staaten.600 Die verstärkte Abkehr von weltlichem Prunk und Zuwendung zu den seelsorgerischen Funktionen, die am Ende des 18. Jahrhunderts zu verzeichnen war,601 kam zu spät. Daher berührte die Auflösung der kirchlichen Staaten ihre Bewohner auch nicht besonders,602 obwohl sie ihnen nicht die schlechtesten Lebensbedingungen im Alten Reich boten.603 So erklärt sich die allgemeine Zurückhaltung, als die Säkularisationspläne konkreter wurden. Trotzdem kann keine Rede davon sein, die geistlichen Territorien hätten die Säkularisationen völlig widerspruchslos hingenommen. Sie protestierten zwar nicht laut, aber doch vernehmbar und ausdrücklich.604 Eine Selbstauflösung ist damit auch später nicht erfolgt.

597 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 501. Zu den ebenfalls sehr leise vorgebrachten Bedenken Roms gegen die Säkularisation der Klöster, Abteien und Stifte vgl. Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (382 ff.). 598 Dementsprechend erbost fiel auch die Reaktion des Wiener Kaiserhofs aus, vgl. v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 501 f. 599 Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (550); Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (95); Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (57). 600 Duchhardt, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 55 (64); Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (40). 601 Hausberger, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 35 (41 f.); Klompen, Die Säkularisation im Arrondissement Krefeld, S. 197; Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (84 f.); Zuber, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 133 (148). 602 Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (47); Müller, Säkularisation und Öffentlichkeit, S. 73. Siehe auch unten, Zweiter Teil, Fußn. 786. 603 Siehe näher unten, S. 213. 604 Häusser, Deutsche Geschichte II, S. 334; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 56; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (57 f.); Richter/Dove/Kahl, Lehrbuch, S. 269; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 26; Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (176).

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(cc) Selbstauflösung durch konkludente Zustimmung zum Reichsdeputationshauptschluß im Reichstag Denkbar wäre aber noch eine Selbstaufgabe der zur Auflösung stehenden Reichsstände durch ihren freiwilligen Verzicht auf die Teilnahme an den Reichstagssitzungen, bei denen die Verhandlungen über den Reichsdeputationshauptschluß auf dem Programm gestanden hatten.605 Da ihnen das Reichsherkommen bekannt sein mußte, nach dem dieses Verhalten als Zustimmung zum jeweiligen Verhandlungsgegenstand zu werten war, erscheint der Schluß vom Fernbleiben der auflösungsbedrohten Staaten auf die Abgabe ihrer Hoheitsgewalt und teilweise ihrer Eigentumsrechte durchaus naheliegend und wird in der verfassungshistorischen Literatur auch gezogen.606 Sollte also tatsächlich ein Junktim zwischen dem freiwilligen Fernbleiben vom Reichstag und der selbst herbeigeführten Auflösung bestehen, so könnte ohne weitere Untersuchungen von der materiellen Rechtmäßigkeit der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung der in Rede stehenden Reichsstände durch den Reichsdeputationshauptschluß ausgegangen werden. Doch drängen sich insoweit Zweifel auf. Die beiden Rechtsprobleme, wie nicht abgegebene Stimmen auf dem Reichstag zu werten waren, und ob das Heilige Römische Reich die Befugnis zur Auflösung seiner Glieder hatte, hängen nicht notwendigerweise miteinander zusammen. Die Frage der Wertung nicht abgegebener Stimmen auf dem Reichstag ist formeller Natur und ihre Beantwortung durch das Reichsherkommen klar geregelt; die Befugnis zur Auflösung von Gliedstaaten ist dagegen eine materiell-rechtliche Problematik, für die sich in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches keine Präzedenzfälle finden lassen.607 Zwar ist eine Verknüpfung formell- und materiell-rechtlicher Fragen dergestalt, daß die Beantwortung der ersten zwangsläufig die der zweiten bestimmt, generell denkbar, aber es handelt sich hierbei doch um Ausnahmefälle. Die formell-rechtliche Problematik des Fernbleibens von Reichstagsverhandlungen und der Abgabe der Hoheitsgewalt von Gliedstaaten ist jedenfalls bis zu den hier in Rede stehenden Sitzungen von 1803 von sehr unterschiedlicher Tragweite gewesen. Die nach dem Reichsherkommen erfolgende Fiktion der Zustimmung eines Reichsstands bei Nichtteilnahme an Sitzungen des Reichstags wird in der großen Mehrzahl der Fälle erfolgt sein, weil der Gliedstaat gar kein Interesse an der entsprechenden Regelung hatte und daher keinen Wert auf eine eigene Vertretung am Reichstag legte. Dagegen war die Aufgabe der Hoheitsgewalt – soweit herrscht Einigkeit – keinem betroffenen Reichsstand 605 606 607

Vgl. näher oben, S. 108. So i. E. Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (25). Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 159.

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gleichgültig. Während für die formellrechtliche Seite die bloße Feststellung der Freiwilligkeit des Fernbleibens von den Reichstagsverhandlungen ausreicht, um den Gesetzesbeschluß als ordnungsgemäß zustandegekommen anzusehen, müssen für die materiell-rechtliche Frage der Aufgabe der Landeshoheit, ja der eigenen Existenz, höhere Anforderungen gestellt werden. Bloße Passivität kann hier kaum ausreichend sein. Mit einer gewissen Berechtigung kann nun eingewendet werden, die geistlichen Reichsstände und die freien Reichsstädte legten ein widersprüchliches Verhalten an den Tag, wenn sie mit ihrer Auflösung nicht einverstanden waren, aber auch die Verhandlungen über das Reichsgutachten versäumten und so das Schlimmste nicht zu verhindern versuchten. Diese Vorgehensweise kann aber durchaus auch andere Beweggründe gehabt haben. Wie schon gezeigt, hatte der Reichstag bei den Verhandlungen über den Reichsdeputationshauptschluß wegen der Einflußnahme Frankreichs nur einen sehr geringen Gestaltungsspielraum.608 Darüber hinaus war die Mehrzahl derjenigen Reichsstände, die von Säkularisation und Mediatisierung zu profitieren hofften, auch gar nicht zu Änderungen bereit. Es muß zu befürchten gewesen sein, daß die neuen Herren auch dort ohne gültige Ermächtigungsgrundlage von den erhofften Ländereien Besitz ergreifen würden, wo dies nicht wie sehr oft ohnehin schon geschehen war.609 Wie das spätere Schicksal der Reichsritter610 zeigt, waren derartige Bedenken jedenfalls nicht unbegründet. Zudem muß die Frage gestellt werden, inwieweit die Säkularisations- bzw. Mediatisierungsopfer, die von ihren neuen Herren bereits widerrechtlich besetzt worden waren, zur Bildung eines eigenen Willens überhaupt noch in der Lage waren. Darüber hinaus erscheint kaum einsichtig, warum die aufzulösenden Reichsstände nun ausgerechnet in einem Reichsorgan um ihre Existenz kämpfen sollten, wo doch das Reich wie oben gesehen zu den ihm angesonnenen Regelungen gar nicht befugt war. Der Reichstag wäre also ein möglicher, aber kein besonders effektiver Ort für den Kampf gegen Säkularisation und Mediatisierung gewesen. Daß ihn die geistlichen und kleinen weltlichen Reichsstände nicht in Anspruch nahmen, bedeutet damit nicht ihr grundsätzliches Einverständnis mit diesen Maßnahmen. Die Freiwilligkeit, mit der die Reichsstände von den Reichstagsverhandlungen

608

Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 188. Kurmainzischer Delegierter in der zweiten Sitzung der Reichsdeputation am 24. August 1802, RDHS-Protokolle I, S. 17 (29); Kießling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 717 (720); Kraus, Geschichte Bayerns, S. 371; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (60 f.); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (14); Weitlauff, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 29 (67 f.). 610 Zum sog. Rittersturm siehe oben, S. 80. 609

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ferngeblieben sind, kann also nicht mit der freiwilligen Übernahme des Inhalts des Reichsdeputationshauptschlusses gleichgesetzt werden.611 Noch ein weiterer Umstand spricht gegen die Gleichsetzung von Freiwilligkeit des Fernbleibens von den Reichstagsverhandlungen und freiwilliger Abgabe der eigenen Hoheitsgewalt. Von der bisherigen Literatur offenbar nicht beachtet ist dies die besondere Problematik der freien Reichsdörfer. Diese waren reichsunmittelbar, aber nicht auf dem Reichstag vertreten.612 Dennoch wurden auch sie in die Entschädigungsmasse einbezogen (vgl. §§ 2, 7 RDHS). Die Mediatisierung der freien Reichsdörfer veränderte weder das Verhältnis der Konfessionen im Sinne des Art. V § 52 IPO zueinander noch betraf sie wohlerworbene Rechte von Reichsständen. Daher war insoweit auch keine Einstimmigkeit auf dem Reichstag erforderlich. Da die Auflösung der freien Reichsdörfer logisch von der Säkularisation und Mediatisierung der Reichsstände abtrennbar war, wurde sie vom ansonsten geltenden Einstimmigkeitserfordernis auch nicht umfaßt. Aber selbst wenn man dies anders sähe: Die freien Reichsdörfer hatten nicht einmal die theoretische Möglichkeit, ihren Protest auf dem Reichstag kundzutun, so daß ihr Fernbleiben über ihre Position zur bevorstehenden Auflösung keine Auskunft geben kann. Eine Betrachtungsweise, welche die materielle Aufgabe der Hoheitsrechte mit dem Stimmverhalten im Reichstag verbindet, stößt hier an ihre Grenzen. Sie müßte folgerichtig den Reichsdeputationshauptschluß hinsichtlich der mediatisierten Reichsstände als rechtmäßig ansehen, nicht aber hinsichtlich der freien Reichsdörfer. Dieses wenig überzeugende Ergebnis wird soweit ersichtlich von niemandem vertreten. Die Auflösung der nicht reichsständischen Gebiete verdeutlicht, daß die Rechtsproblematik von Säkularisation und Mediatisierung nicht anhand der Freiwilligkeit der Abwesenheit von den Reichstagsverhandlungen zu behandeln ist, sondern daß es sich allein um eine materiell-verfassungsrechtliche Frage handelt. Damit kann vom Verhalten der betroffenen Reichsstände beim Reichstag nicht zugleich auf ihre Haltung zur materiellen Frage von Säkularisation und Mediatisierung geschlossen werden.613 Die geistlichen Reichsstände haben also ihre Hoheitsrechte nicht selbst abgegeben. Die durch den Reichsdeputationshauptschluß angeordnete Herrschaftssäkularisation war mithin rechtswidrig.

611

Hierauf verweist zu Recht Härter, Reichstag und Revolution, S. 592 Fußn. 132. Siehe oben, S. 34. 613 Und im übrigen genauso wenig umgekehrt von ihrer Haltung zu Säkularisation und Mediatisierung auf die Freiwilligkeit des Fernbleibens von den Sitzungen am Reichstag. Diese gedankliche Verknüpfung führt Hömig zur falschen formell-rechtlichen Bewertung des Reichsdeputationshauptschlusses, und nicht mangelndes Quellenstudium, wie ihm Härter, Reichstag und Revolution, S. 593 Fußn. 134, vorwirft. 612

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

(b) Selbstauflösung der mediatisierten weltlichen Reichsstände Allerdings könnten sich die mediatisierten weltlichen Reichsstände, insbesondere die freien Reichsstädte, selbst aufgelöst haben. (aa) Selbstauflösung durch Zustimmung zum Friedensvertrag von Lunéville Die nahezu vollständige Mediatisierung der freien Reichsstädte stand 1801 noch nicht fest. Selbst die Frage, ob überhaupt weltliche Reichsstände in die Entschädigungsmasse einbezogen werden sollten, war seinerzeit noch offen. Die Zustimmung der Reichsstädte zum Friedensvertrag von Lunéville stellte damit noch eindeutiger als bei den geistlichen Reichsständen keine Einwilligung in die eigene Auflösung dar (vgl. oben). (bb) Selbstauflösung unmittelbar im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses Im Vergleich zu den geistlichen Reichsständen, die ja auch nicht durch besonders laute Agitation auf sich aufmerksam gemacht hatten, verhielten sich die freien Reichsstädte noch passiver. Auf dem wohl einzigen Kupferstich, der eine satirische Auseinandersetzung mit dem Reichsdeputationshauptschluß zum Inhalt hat, sieht man sie in demutsvoller Pose Napoleon gegenüber dargestellt.614 In der Tat waren Proteste gegen den Verlust der Hoheitsgewalt von ihrer Seite kaum zu hören.615 Im Gegenteil, die oben genannte „Johann Baptist Hofer-Gedenkschrift“ scheint sogar eine freiwillige Aufgabe der eigenen Hoheitsgewalt nahezulegen.616 Aus diesem Verhalten könnte zu schließen sein, daß die Reichsstädte konkludent ihre Hoheitsrechte aufgegeben hätten.617 Das Kollegium der freien Reichsstädte hatte zugestimmt, daß es in der außerordentlichen Reichsdeputation nicht vertreten war. Dies geschah aber ausdrücklich unter dem Vorbehalt, ihnen dürfe kein Nachteil daraus erwachsen.618 Tat614 Der Kupferstich befindet sich im Historischen Museum der Pfalz, Speyer, Inv.Nr. HM 0/2338, und ist wiedergegeben bei Burgdorf, FAZ vom 25.2.2003, S. 40; Härter, GWU 2003, S. 484 (497), und Mader, Das Reichskammergericht, S. 34 f., mit einer eingehenden Interpretation auf S. 9 ff. 615 Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 735; Härter, Reichstag und Revolution, S. 594; Kießling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 717 (717); v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 183. 616 So der erste Paragraph der Eingabe des Schwäbischen Städtetags an die außerordentliche Reichsdeputation vom 21. August 1802, die sogenannte „Johann Baptist Hofer-Gedenkschrift“, zitiert bei Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 27. Siehe oben, S. 112. 617 So Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 26.

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sächlich trat später aber für fast alle Reichsstädte der vollständige Verlust ihrer eigenen Existenz ein. Die Städte vertrauten darauf, daß die Reichsdeputation nur die Umsetzung des Art. 7 LV zur Aufgabe hatte. In dieser Vorschrift waren sie nicht ausdrücklich genannt; der Verweis auf den Rastatter Kongreß hätte sogar eine Exklusivität der Säkularisation geistlicher Territorien bedeuten können. So glaubten sie, auch vom Reichsdeputationshauptschluß nicht betroffen zu werden.619 Da das zur Verfügung stehende geistliche Land mehr als genügt hätte, um die linksrheinischen Gebietsverluste auszugleichen620, war diese Hoffnung nicht unrealistisch.621 Dementsprechend findet sich auch in der zitierten Eingabe des schwäbischen Städtetages, man habe nach dem Inhalt des Lunéviller Friedensvertrags „niemals vermuten sollen, daß zur Entschädigung . . . auch Reichsstädte sollten bestimmt werden.“622 Ein derart radikaler Wandel ihrer Ansicht innerhalb von zwei Jahren dahingehend, daß sie plötzlich gegen den Verlust der Reichsunmittelbarkeit nicht nur keine Einwände mehr hatten, sondern sie gar freiwillig aufgeben wollten, erscheint wenig wahrscheinlich. Belege für einen solch radikalen Meinungswechsel finden sich jedenfalls nicht. So kann auch die Interpretation des eben genannten Kupferstichs, die freien Reichsstädte hätten sich Napoleon als „willige, sich andienende ,Opfer‘“623 präsentiert, keine uneingeschränkte Zustimmung finden. Die Städter wenden sich auf der Darstellung zwar Napoleon zu, sind aber gerade damit beschäftigt, ihm Bestechungsgelder zu zahlen. Dieses Verhalten wäre sinnlos, wenn sie hätten mediatisiert werden wollen; es kann nur mit dem Ziel geschehen sein, ihre Auflösung abzuwenden. Betrachtet man die 1803 herrschenden äußeren Umstände, läßt sich das Verhalten der freien und reichsunmittelbaren Städte besser erklären. Die freien Reichsstädte waren noch in den herkömmlichen traditionalen Gesellschafts- und Verfassungsstrukturen verfangen. Zu einer Reaktion auf die großen politischen Veränderungen sahen sie sich gar nicht in der Lage.624 Letzter Garant für ihren Schutz vor den umliegenden Territorien war der Kaiser gewesen.625 1803 schien allerdings Kaiser Franz II. resigniert und kein großes Interesse am Fort618

Schroeder, JuS 1989, S. 351 (353); ders., Das Alte Reich und seine Städte,

S. 69. 619 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (353); ders., Das Alte Reich und seine Städte, S. 69; ders., in: Blickle/Schmauder, Die Mediatisierung der oberschwäbischen Reichsstädte, S. 15 (18). 620 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 587. 621 Gaspari, Der Deputations-Receß II, S. 356. 622 Zitiert nach Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 29. 623 So Härter, GWU 2003, S. 484 (496). 624 Bader/Dilcher, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 742. 625 Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (101); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 3.

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bestand der freien Reichsstädte mehr zu haben.626 Auf der anderen Seite befanden sich die mächtigen Landesherren, die – meist irrtümlich627 – eine große Wirtschaftskraft der Städte vermuteten und es kaum abwarten konnten, daß sie ihnen endlich zufielen.628 Es gab also niemanden, an den die Städte in dieser Situation ihre Proteste hätten richten können. Ein Erscheinen auf dem Reichstag und eine formelle Ablehnung des Reichsdeputationshauptschlusses wäre sinnlos gewesen. Daß sie sich gegen ihre Auflösung nicht wehrten, erscheint in diesem Licht als Resignation, als Ausdruck von Ratlosigkeit und dem Bewußtsein der eigenen Ohnmacht.629 Auch die oben zitierte „Johann Baptist Hofer-Gedenkschrift“630 liest sich nicht als echte Erklärung des eigenen Willens, sondern als Kapitulation vor dem Unausweichlichen. Die Städte verwiesen in ihr kaum verklausuliert darauf, daß sie ihre Mediatisierung als ungerecht empfanden und diese nur den ungünstigen äußeren Umständen geschuldet war. Wer sich aber in sein Schicksal fügt, weil ihm Proteste aussichtslos erscheinen, erklärt damit nicht, er stimme dem zu, was ihm geschieht. Damit stellt sich das Verhalten der Städte als bloßes Nichtstun dar. Schweigen allein hatte aber auch im frühen 19. Jahrhundert keinen Erklärungswert.631 Dem Gesamtverhalten der freien Reichsstädte läßt sich mithin keine konkludent erklärte Selbstmediatisierung entnehmen. (cc) Selbstauflösung durch konkludente Zustimmung zum Reichsdeputationshauptschluß im Reichstag Das Fernbleiben bei den Verhandlungen zum Reichsdeputationshauptschluß und der Verabschiedung als Reichsgutachten schließlich kann ebensowenig wie bei den geistlichen Reichsständen als freiwillige Abgabe der eigenen Hoheitsrechte gewertet werden. Somit haben weder die säkularisierten geistlichen noch die mediatisierten weltlichen Reichsstände ihre Hoheitsrechte selbst aufgegeben. 2. Die Vorschriften über die Vermögenssäkularisation Nachdem die materielle Rechtswidrigkeit der im Reichsdeputationshauptschluß angeordneten Aufhebung von Landeshoheitsrechten im Wege der Herr626 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 257; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 71. 627 Feine, ZRG Germ. Abt. 52 (1932), S. 65 (100); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 14. 628 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (356). 629 v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 183. 630 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 616. 631 Wacke, JA 1982, S. 184 (184 f.).

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schaftssäkularisation und Mediatisierung festgestellt worden ist, bleibt als weiterer, rechtlich ebenfalls problematischer Regelungskomplex noch die Vermögenssäkularisation. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Widerrechtlichkeit der Vermögenssäkularisation nicht schon durch die Rechtswidrigkeit der Herrschaftssäkularisation indiziert wird. Das wäre dann der Fall, wenn beide Komplexe inhaltlich derart miteinander in Verbindung standen, daß sie unabhängig voneinander nicht sinnvoll bestehen konnten.632 Insoweit ist eine Differenzierung erforderlich. Das Eigentum am Land und an den weiteren Besitztümern der aufgelösten Reichsstände selbst ging denknotwendig zusammen mit den Hoheitsrechten auf die Neuerwerber über. Die Einverleibung eines fremden Gebietes umfaßt immer Herrschaft (imperium) und Besitz (dominium) zugleich.633 Eine Trennung dergestalt, daß die Hoheitsrechte erlöschen, aber das Land im Eigentum des untergegangenen Staates verbleibt, ist logisch ausgeschlossen und wurde vom Reichsdeputationshauptschluß auch nicht vorgenommen. Daher ist die Rechtmäßigkeit des Eigentumsübergangs an allen Besitzungen der aufgelösten Reichsstände zwangsläufig ebenso zu beurteilen wie die der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung selbst. Aus deren Unrechtmäßigkeit ergibt sich also auch die Rechtswidrigkeit der damit verbundenen Vermögenssäkularisation. Dagegen stellt sich die Lage hinsichtlich des Besitzes mittelbarer kirchlicher Vermögensträger wesentlich anders dar, sei er direkt einem neuen Herrn übertragen oder gem. § 35 RDHS zur Säkularisation freigegeben worden. So erstreckte sich die in § 35 RDHS ausgesprochene Säkularisationsbefugnis auf alle Landesherrschaften, unabhängig davon, ob sie säkularisiertes bzw. mediatisiertes Land erhalten sollten oder ob die kirchlichen Güter in den Entschädigungslanden belegen waren.634 Eine solche „Enteignungs“-Ermächtigung kann auch isoliert von der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung bestehen. Die Rechtswidrigkeit der §§ 1–29 RDHS stellt also ihre Rechtmäßigkeit nicht automatisch in Frage. Daher muß die Vermögenssäkularisation einer genaueren rechtlichen Betrachtung unterzogen werden, soweit sie sich nicht auf das Eigentum aufgelöster geistlicher Reichsstände bezieht. a) Verstoß gegen positive Bestandsgarantien geistlicher Institutionen Den Stiften, Abteien und Klöstern war oftmals vorher ihr Bestand garantiert worden, und dies nicht nur durch Reichsverfassungsrecht, beispielsweise Art. V 632 Dies nehmen Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 255, und Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 57, an, letzterer allerdings vom Standpunkt aus, der gesamte Reichsdeputationshauptschluß sei formell rechtswidrig. 633 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 52. 634 Siehe oben, S. 58.

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§§ 14, 15 IPO, sondern auch durch Landesverfassungsrecht, vor allem landständische Schutzrechte. aa) Bestandsgarantien durch geschriebenes Reichsverfassungsrecht Keine Probleme bereiten die reichsverfassungsrechtlichen Regeln wie Art. V §§ 14, 15 IPO. Diese Normen wurden vom Reich erlassen und konnten von diesem daher auch ohne rechtliche Schwierigkeiten wieder aufgehoben werden.635 bb) Bestandsgarantien durch territoriales Recht Fraglich ist dagegen, ob auch landesrechtliche Garantien durch das Reich aufgehoben werden konnten. Diese Problematik stellte sich nicht generell, sondern nur in den Fällen, in denen der Landesherr von seiner Befugnis zur Säkularisation nach § 35 RDHS Gebrauch machen wollte, aber der Bestand des begehrten geistlichen Vermögensobjekts durch das Recht seines Landes geschützt war. (1) Intention des Reichsdeputationshauptschlusses zur Aufhebung von landesrechtlichen Bestandsgarantien Die Frage, ob der Reichsdeputationshauptschluß überhaupt Landesrecht aufheben636 und sich nicht nur auf die Beseitigung reichsverfassungsrechtlicher Bestandsgarantien beschränken wollte,637 ist mangels ausdrücklicher Regelung nicht ohne Schwierigkeiten zu beantworten. Die ratio legis der Vorschriften über die Vermögenssäkularisation, den Landesherren zur schnellen Aneignung kirchlicher Güter zu verhelfen, spricht für die Intention einer unmittelbaren Aufhebung aller entgegenstehender Rechtsvorschriften, also auch der landesrechtlichen. Viele dieser territorialen Schutzrechte entsprangen Verträgen mit den Landständen, die kaum geneigt waren, ihre Schutz- und Aufsichtsrechte preiszugeben, wie die Ereignisse in Württemberg während des Entstehungsprozesses des Reichsdeputationshauptschlusses zeigen.638 Zudem war der Absolutismus in zahlreichen Territorien nicht besonders stark ausgeprägt, die Landesherren konnten sich nicht ohne weiteres gegen die Landstände durchsetzen.639 635

Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 53. So Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 254 f. 637 So Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 78; Schultze, Die Rechtslage der evangelischen Stifter, S. 17; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 152. 638 Siehe oben, S. 71. 636

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Mußte sich der Territorialherrscher aber erst dieser internen Restriktionen entledigen, war ihm eine schnelle Aneignung des Besitzes kirchlicher Vermögensträger kaum möglich. Die Entstehungsgeschichte des § 35 RDHS legt indes das gegenteilige Ergebnis nahe. In den Sitzungen der Reichsdeputation sprachen sich zwei Delegierte dafür aus, daß § 35 RDHS keine Aufhebung landesverfassungsrechtlicher Garantien anordne.640 Hiergegen erhob sich kein Widerspruch. Die anderen Deputierten gingen auf das Thema nicht ein; zu einer Diskussion kam es nicht. Eine Beantwortung der problematischen Frage, ob und inwieweit der Reichsdeputationshauptschluß auch Landesrecht aufheben wollte, ist dann nicht erforderlich, wenn ein solches Vorgehen rechtmäßig gewesen wäre. (2) Rechtmäßigkeit der Aufhebung landesverfassungsrechtlicher Bestandsgarantien Damit stellt sich das Rechtsproblem, inwieweit landesrechtliche Bestandsgarantien, insbesondere landständische Schutzrechte, durch ein Reichsgesetz aufgehoben werden konnten. Mangels einer einschlägigen geschriebenen Norm ist die Frage nach dem Reichsherkommen zu beurteilen. Eine eventuelle Aufhebung der landesrechtlichen Bestandsgarantien für die Stifte, Klöster und Abteien wäre demnach zulässig, wenn in lang andauernder Praxis eine Beseitigung von Landesrecht durch Reichsgrundgesetze als rechtens angesehen wurde. Hier ließe sich zum einen mit dem Status der Länder gegenüber dem Reich argumentieren. Wie bereits ausgeführt, verfügten die Gliedstaaten über eine eigene, unabgeleitete Hoheitsgewalt,641 also auch über eine begrenzte Autonomie. Damit vertrüge es sich schlecht, wenn eigene Gesetze und vertragliche Verbindungen von einer anderen Staatsebene aufgehoben werden dürften. Eine aufgenötigte Änderung der Verfassung könnte die Autonomie eines Landes sogar noch mehr beschränken als erzwungene Herrschaftswechsel.642 Dies gilt vor allem für die landständischen Garantien, denn im Gegensatz zu den Landesherren genossen die Landstände bei Beratung und Beschlußfassung im Reichstag kein Mitspracherecht, hatten also auch keine Möglichkeit, unliebsame Entwicklungen 639

Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 215 f. Kursächsischer Delegierter in der vierten Sitzung der Reichsdeputation am 14. September 1802; RDHS-Protokolle I, S. 61 (79), in der 21. Sitzung der Reichsdeputation am 30. Oktober 1802, RDHS-Protokolle I, S. 429 (448 f.), sowie in der 43. Sitzung der Reichsdeputation am 15. Februar 1803, RDHS-Protokolle II, S. 797 (802); Delegierter des Hoch- und Teutschmeisters in derselben Sitzung; RDHS-Protokolle II, S. 797 (810); vgl. Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 149. 641 Siehe oben, S. 158. 642 Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 63. 640

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abzuwenden.643 Die Beseitigung landesrechtlicher Schutznormen durch Reichsrecht erschiene mit dieser Sichtweise daher als eine unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten der Gliedstaaten. Gegen diese etwa vom Subdelegierten Sachsens in der Reichsdeputation644 vorgetragene Argumentation spricht allerdings die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches. Es ist eine Reihe von Fällen bekannt, in denen Reichsgrundgesetze teils ausdrücklich, teils konkludent landesverfassungsrechtliche Regelungen aufhoben. Als Beispiel für eine konkludente Aufhebung können Titel 26 des Landfriedens von 1548, § 101 der Reichsexekutionsordnung im Reichsabschied von 1555 und Art. XVII § 3 IPO gelten.645 Einen besonders deutlichen Fall stellte § 14 des Jüngsten Reichsabschieds von 1654 dar, der landständische Verträge und Privilegien erwähnte und deren Aufhebung sogar ausdrücklich anordnete.646 Die hier genannten Vorschriften bilden dabei nur einen Ausschnitt der insgesamt vorhandenen.647 Umgekehrt sind keine Fälle bekannt, in denen sich Reichs- oder Landstände mit der Begründung gegen ein Reichsgrundgesetz gewendet haben, es finde eine Einmischung in innere Angelegenheiten statt.648 Damit gab es eine jahrhundertealte Praxis, landständische Schutz- und Aufsichtsrechte durch Reichsgrundgesetze aufzuheben, die auch allgemein für rechtens erachtet wurde, so daß sich ein Reichsherkommen diesen Inhalts gebildet hat. Bedenkt man die Konsequenzen, die ein Verbot der Aufhebung landesverfassungsrechtlicher Bestandsgarantien durch die Reichsebene hätte, bestätigt dies die inhaltliche Berechtigung des eben festgestellten Reichsherkommens. Die Reichsgrundgesetze hatten die Funktion, die grundlegenden Fragen des Verfassungslebens im Heiligen Römischen Reich zu regeln.649 Das Reichsrecht genoß bei zwingendem Charakter Vorrang vor dem Landesrecht.650 Setzt man diese Regel in Zusammenhang mit der grundsätzlich unbegrenzten Gesetzgebungszuständigkeit des Reiches, muß sich die Regelungskompetenz des Reiches auch auf Rechtsgebiete erstreckt haben, für die bereits einzelne gliedstaatliche Normen existierten.

643

Moser, Nebenstunden IV, S. 519, der dieses Argument schildert, jedoch nicht

teilt. 644 Vierte Sitzung der Reichsdeputation am 14. September 1802; RDHS-Protokolle I, S. 61 (79). 645 Jeweils wörtlich wiedergegeben bei Moser, Nebenstunden IV, S. 517 ff. 646 Wiedergegeben bei Moser, Nebenstunden IV, S. 526. 647 Weitere Beispiele bei Moser, Nebenstunden IV, S. 517 ff. 648 Moser, Nebenstunden IV, S. 518. 649 Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 172; Stern, Staatsrecht V, S. 63 f. 650 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 430.

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Könnten die Reichsgesetze keine entgegenstehenden landesrechtlichen Hindernisse beseitigen, wäre ihre einheitliche Anwendung im gesamten Reichsgebiet angesichts der enormen Anzahl von Gliedstaaten nicht mehr möglich. Ein Land, das eine entgegenstehende Regelung vorzuweisen hatte, hätte sich immer gefunden, so daß das Reich die betreffende Materie für dieses Gebiet schon nicht mehr in seinem Sinne hätte regeln können. An eine effektive Anwendung der Reichsgrundgesetze wäre dann nicht mehr zu denken.651 Angesichts der Schwerfälligkeit des Reichsgesetzgebungsverfahrens käme es einer Aufforderung an die Reichsstände gleich, durch den zügigen Erlaß eines Gesetzes oder den Abschluß eines Herrschaftsvertrags das Vorhaben des Reichstags zu vereiteln. De facto wäre dann das Reich weder umfassend gesetzgebungsbefugt, noch genösse das Reichsrecht Vorrang vor dem gliedstaatlichen Recht. Es entstünde ein Widerspruch zu anerkannten Rechtsgrundsätzen des Heiligen Römischen Reiches. Dementsprechend sah sich etwa Häberlin, der dem Reich eine entsprechende Befugnis absprach, dazu genötigt, eine Aufhebung landesverfassungsrechtlicher Garantien durch ein Reichsgrundgesetz ausnahmsweise zuzulassen, wenn ansonsten das Staatswohl gefährdet wäre.652 Das hätte aber unlösbare Definitionsund Abgrenzungsfragen mit sich gebracht. Angesichts einer sicher zu erwartenden Differenz der Auffassungen über seine zwingende Notwendigkeit wäre die Rechtmäßigkeit eines Gesetzes nie eindeutig zu klären gewesen. Wird hiergegen das Prinzip der Autonomie der Gliedstaaten geltend gemacht, so ist dies eher eine aus der faktischen Stärke der Territorien gewonnene Argumentation als eine juristisch begründete. Damit ergibt sich aus Reichsherkommen und Zweckmäßigkeitserwägungen, daß das Reich das Recht zur Aufhebung landesverfassungsrechtlicher Bestandsgarantien für die mittelbaren Stifte, Abteien und Klöster hatte. Damit ist die Vermögenssäkularisation auch nicht hinsichtlich derjenigen geistlichen Güter wegen entgegenstehenden Landesrechts rechtswidrig, die durch territoriale Bestandsgarantien besonders geschützt waren. Der Vermögenssäkularisation standen also insgesamt keine geschriebenen Rechtsregeln entgegen, die der Reichsdeputationshauptschluß nicht hätte überwinden können.

651 Ähnlich die Argumentation des EuGH, nach der dem Europarecht entgegenstehendes nationales Recht unbeachtlich ist, sofern dadurch die effektive und einheitliche Anwendung des europäischen Rechts gefährdet ist. Dies gilt ausdrücklich auch für Bestandsgarantien rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte aus Landesverwaltungsverfahrensrecht, obwohl die Bundesländer nicht an der europäischen Entscheidungsfindung beteiligt sind; EuGH, NVwZ 1990, S. 1161 (1161) – Alcan –; dazu Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 38 d. 652 Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 58.

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b) Verstoß gegen Bestandsgarantien geistlicher Vermögensträger aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts Anders als geschriebenes Reichs- und Landesrecht konnten Bestandsgarantien aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts nicht ohne weiteres durch ein Reichsgrundgesetz abgeändert werden. Fraglich erscheint daher, ob auch die Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens gegen einen ungeschriebenen Grundsatz des Verfassungsrechts verstieß. Ein derartiger Bestandsschutz gegenüber staatlichen Eingriffen ist dann anzunehmen, wenn das Kirchengut als vom Hoheitsanspruch des Staates unabhängig anerkannt war. Galt es dagegen als dem Staat untergeordnet, war ein Zugriff grundsätzlich möglich.653 Die Frage war zu Beginn des Heiligen Römischen Reiches noch leicht zu beantworten. Das Kirchengut galt als Eigentum Gottes und seiner Heiligen, weshalb die Veräußerung einmal gewidmeten Guts unmöglich war.654 Es verstand sich nach dem alten Vorstellungsbild von selbst, daß es niemandem, auch keinem Herrscher, gestattet war, sich an Gottes Besitztümern zu vergreifen. Bald aber kam es im Alten Reich zu einer Durchmischung staatlicher und kirchlicher Aufgaben und Güter. In größerem Stil zeigte sich das erstmals mit der Reformation, als infolge des Konfessionswechsels ein großer Teil der kirchlichen Liegenschaften seine geistliche Zweckbestimmung verlor und dadurch gleichsam automatisch dem Staat zufiel.655 Im Gegenzug begann dieser, ehemals kirchliche Aufgaben zu übernehmen und aus seinen Mitteln zu bestreiten.656 Weil sich der Landesherr, auch der weltliche, als Herrscher von Gottes Gnaden begriff und keine Instanz zwischen Gott und sich akzeptierte, sah er sich selbst in der Pflicht, die Kirche in seinem Gebiet zu überwachen. Die Herrschaft über die Religionsgemeinschaften in seinem Gebiet entwickelte sich zu seinem Regal.657 In den weltlichen Territorien hatte sich so ein kompliziertes System von Ansprüchen der Länder auf Einkünfte aus den teilweise sehr reichen Kirchengütern entwickelt.658 Eine noch stärkere Vermischung von kirchlichem Besitz und Staatseigentum herrschte in den geistlichen Fürstentümern, in denen Kirche und Staat vereint waren. Die geistlichen Landesherren scheuten sich nicht, in ihren Gebieten Klö653 So auch Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 58; Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden, S. 324. 654 v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (199); Ogris, Art. Tote Hand, in: Erler/Kaufmann/Werkmüller, HRG V, Sp. 281 (281). 655 Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 64; v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (196). 656 Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 65. 657 Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (15). 658 v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (197).

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ster oder sonstiges kirchliches Vermögen zu säkularisieren, um die freigewordenen Mittel für staatliche Aufgaben zu verwenden.659 Es ließ sich noch weniger als bei den weltlichen Herrschaften bestimmen, welche Vermögensgegenstände wem zugeordnet waren. Daraus ergibt sich aber noch kein klares Über- und Unterordnungsverhältnis von Staatsgewalt und Eigentumsrechten kirchlicher Vermögensträger. Art und Umfang des Zugriffsrechts der Herrscher auf das in ihrem Territorium vorhandene Kirchengut bestimmte sich letztlich nach den Eigenheiten des in Zeiten des Alten Reiches herrschenden Eigentumsbegriffs, der sich vom heutigen stark unterschied. Das Grundeigentum war kein absolutes Recht, das seinen Inhaber zum Ausschluß anderer berechtigt hätte.660 Meist teilte es sich in das Unterund das Obereigentum auf. Ersteres war eine Art Nutzungsrecht, letzteres verlieh seinem Inhaber eine eher ideelle Rechtsposition – eine aus heutiger Perspektive schwer verständliche Konstruktion.661 Da sich eine strikte Trennung von öffentlichem und privatem Recht in der damaligen Zeit noch nicht durchgesetzt hatte, wendete man den Eigentumsbegriff auch auf die Verhältnisse im Staat an. Seit dem Absolutismus wurde die staatliche Herrschaft als Obereigentum des Souveräns über die Vermögensgegenstände in seinem Land (dominium eminens) begriffen;662 die unmittelbaren Nutzer hingegen nahmen die Stellung des Untereigentümers ein. Dementsprechend unterstanden auch die sakralen Güter trotz ausschließlicher Nutzungsbefugnis der Geistlichkeit dem Staat.663 Allerdings gewährte die bloße Unterordnung des kirchlichen Vermögens unter das dominium eminens dem Landesherrn noch keine Enteignungsbefugnis. Diese hätte das grundsätzlich unentziehbare Nutzungsrecht des Untereigentümers verletzt, sofern nicht ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund eingriff.664 Die Vermögenssäkularisation stellt sich aus dieser Perspektive als rechtswidrig dar. Das könnte sich bis zum Reichsdeputationshauptschluß indes geändert haben. Die Unterteilung in Ober- und Untereigentum war im Jahre 1803 zwar immer noch die gängige Rechtskonstruktion. Kurz darauf begann aber eine Hinwendung zum absoluten Eigentumsbegriff, wie er etwa in Savignys Schrift „Das 659

Becker, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 147 (152 f.). Anders, hier aber nicht weiter relevant, beim Mobiliareigentum. Dieses galt schon seit dem Mittelalter als Privateigentum, sofern der entsprechende Gegenstand nicht untrennbar mit einer Immobilie verbunden war; Schwab, Art. Eigentum, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 65 (94 f.). 661 Hagemann, Art. Eigentum, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 882 (892 f.); Olzen, JuS 1984, S. 328 (332). 662 Repertorium des gesammten positiven Rechts X, S. 117. 663 v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (202, 212); Schlaich, in: Heckel/Heun, Gesammelte Aufsätze, S. 204 (208 f.). 664 Dazu unten, S. 217. 660

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

Recht des Besitzes“ erkennbar wurde, die in ebendiesem Jahr erschien.665 Erste Anzeichen für diesen grundlegenden Wandel des Rechtsverständnisses vom Eigentum waren auch im Jahr 1803 schon erkennbar. Die mit ihm verbundene Tendenz zur Individualisierung des Eigentums kam in der seinerzeit häufig vertretenen Auffassung zum Ausdruck, persönliches dominium sei wertvoller als korporatives. Das (Ober-)Eigentum des Landesherrn als individuelles Recht zählte nach dieser Sichtweise also sehr viel mehr als das (Unter-)Eigentum der kirchlichen Einrichtungen, das keiner natürlichen Person zugeordnet werden konnte.666 Daraus wurde gefolgert, das dominium eminens verleihe dem Landesherrn gegenüber den Gütern in geistlicher Trägerschaft eine wesentlich umfassendere Rechtsposition als gegenüber seinen Untertanen.667 Vielfach wurde dem Territorialherrscher ein „Obervormundschaftsrecht“ über sämtliches korporatives Eigentum in seinem Lande zugeschrieben, also über Zünfte und Universitäten, aber eben auch über Stifte, Abteien und Klöster.668 Hinsichtlich geistlicher Einrichtungen wurde dieses Recht teilweise sogar so weitgehend interpretiert, daß die Verwaltung kirchlichen Vermögens durch den Staat in Analogie zur Vormundschaft für Schwachsinnige gefordert wurde.669 Andere erklärten sämtlichen kirchlichen Besitz zugleich zu alleinigem Staatseigentum.670 Mit einer solchen Argumentation könnte man also dem Obereigentum des Landesherrn eine so starke und dem Untereigentum der geistlichen Einrichtungen eine derart schwache Rechtsposition zuschreiben, daß der Schutz geistlichen Eigentums der Reichsverfassung nicht als ungeschriebener Grundsatz zugrunde lag. Die Regelungen zur Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens durch den Reichsdeputationshauptschluß wären dann materiell rechtmäßig. Andererseits gewährleistete – angefangen von Art. V § 31 IPO über die kaiserlichen Wahlkapitulationen – eine ganze Reihe von Reichsgrundgesetzen die Unantastbarkeit des geistlichen Guts auch gegenüber staatlichen Eingriffen.671 Von einer völligen Unterordnung unter die Staatsgewalt nach Reichsverfassungsrecht kann nach diesen Reichsgrundgesetzen also keine Rede sein. Hinzu kommt, daß die Argumentation, aus der Individualisierung des Eigentumsbegriffs folge die Minderwertigkeit korporativen Eigentums gegenüber dem domi665 Hagemann, Art. Eigentum, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 882 (893); v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (220). 666 Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 331; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (7); ders., in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 327 (331); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (101). 667 Vgl. Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (126). 668 Etwa Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 561. 669 Vgl. v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (208). 670 Vgl. Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 92. 671 Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 3.

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nium eminens des Landesherrn,672 nicht eben schlüssig ist. Mit der sich langsam durchsetzenden Auffassung vom Eigentum als absolutem dinglichen Recht war die Trennung des staatlichen Obereigentums in Gestalt einer abstrakten Rechtsposition von der Nutzungsbefugnis der Klöster, Abteien und Stifte nicht mehr vereinbar.673 Wollte man aber den kirchlichen Vermögensträgern die Nutzungsbefugnis an ihren eigenen Gütern nicht völlig absprechen, was angesichts der umfassenden Bestandsgarantien keine allgemeine Rechtsauffassung gewesen sein kann, mußten nach der modernen Terminologie sie und nicht der Staat als Eigentümer und damit alleinige dinglich Berechtigte gelten. Auch in allen anderen Bereichen resultierte aus dem Abschied von der Figur des geteilten Eigentums ein allgemeiner Bedeutungsverlust des Obereigentums. Damit zeigt sich ein Denkfehler der seinerzeit propagierten Lehre von der Dominanz des individuellen landesherrlichen Obereigentums gegenüber dem korporativen geistlichen Untereigentum. Die Auffassung, der Staat und alle seine Güter seien persönliches Eigentum des Regenten, war seit den Zeiten der Aufklärung im Verschwinden begriffen. Wenn der Herrscher, wie Friedrich II. in seinem politischen Testament von 1752 schrieb, „der erste Diener des Staates“674 war, setzte dies eine Trennung von Landesherr und Staat voraus.675 Dann aber stand das Obereigentum dem Staat und nicht dem Herrscher persönlich zu. Es war also ebenso ein korporatives Eigentum wie das der geistlichen Einrichtungen. Konsequenterweise folgte aus der Entwicklung von dem 1803 noch vorherrschenden geteilten Eigentumsbegriff hin zum absoluten also eine Schwächung und nicht eine Stärkung des landesherrlichen Oberaufsichtsrechts. Das Obereigentum des Herrschers war daher dem Eigentumsrecht der kirchlichen Vermögensträger jedenfalls nicht in der Weise übergeordnet, daß ein Rückgriff ohne besondere Umstände möglich gewesen wäre.676 Indem der Reichsdeputationshauptschluß die Vermögenssäkularisation mittelbarer geistlicher Güter anordnete oder gem. § 35 RDHS erlaubte, verstieß er somit – vorbehaltlich einer eventuellen Rechtfertigung – gegen eine materiell-rechtliche Bestandsgarantie aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts.677

672

Vgl. oben, Zweiter Teil, Fußn. 667. Olzen, JuS 1984, S. 328 (334 f.). 674 Zitiert bei Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 126. 675 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 127. 676 Dies wurde auch vom überwiegenden Teil der Zeitgenossen so gesehen, vgl. Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (127). 677 So auch v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (228). 673

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3. Die sonstigen Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses Wesentlicher Inhalt des Reichsdeputationshauptschlusses waren zum einen die Herrschaftssäkularisation und die Mediatisierung und zum anderen die Vermögenssäkularisation. Darüber hinaus gab es allerdings noch eine ganze Reihe weiterer Vorschriften. Diese sollten allein die Folgen der dadurch hervorgerufenen Umwälzungen bewältigen, konnten für sich allein also nicht sinnvoll bestehen.678 Wenn sich nach derzeitigem Stand der Untersuchung Säkularisation und Mediatisierung als rechtsverletzend darstellen, bringt dies zugleich die Rechtswidrigkeit der übrigen Regelungen des Reichsgrundgesetzes mit sich. Damit verstieß der Reichsdeputationshauptschluß im ganzen gegen Reichsverfassungsrecht.

IV. Rechtfertigung durch Staatsnotstand Die festgestellten Rechtsverstöße durch die Säkularisations- und Mediatisierungsvorschriften des Reichsdeputationshauptschlusses könnten allerdings gerechtfertigt gewesen sein. Denkbar ist eine Rechtfertigung durch Staatsnotstand. Der rechtlichen Problematik ihrer Entscheidung durchaus bewußt beriefen sich einige Vertreter der Reichsdeputation679 ebenso wie zeitgenössische Autoren680 auf dieses sogenannte ius eminens. Dabei konzentrierte man sich auf die Herrschafts- und die Vermögenssäkularisation. Äußerungen zur Rechtfertigung der Mediatisierungen lassen sich in der zeitgenössischen Publizistik dagegen kaum finden.681 Offenbar sah man hier das Notstandsrecht so unzweifelhaft als einschlägig an, daß man auf weitere Erörterungen verzichten zu können glaubte.682 Ob aber das Notstandsrecht tatsächlich die Maßnahmen des Reichsdeputations-

678

Vgl. in weiterem Zusammenhang schon oben, Zweiter Teil, Fußn. 632. Etwa der kurbrandenburgische Subdelegierte in der vierten Sitzung der außerordentlichen Reichsdeputation am 14. September 1802; RDHS-Protokolle I, S. 61 (67). 680 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 746; Klüber, Das Occupationsrecht, S. 18 f.; Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 26, der allerdings der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Säkularisationen ausdrücklich kein weiteres Interesse entgegenbringt. Vgl. auch die Nachweise bei Oberthür, Die Säkularisation im Urteil der deutschen Kirchenrechtswissenschaft, S. 123 ff., und bei Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 76 ff. Unter den heutigen Autoren wird eine Rechtfertigung des gesamten Reichsdeputationshauptschlusses durch Staatsnotstand noch von Oberthür a. a. O., S. 162, angenommen. Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 28 f., und in: Blickle/Schmauder, Die Mediatisierung der oberschwäbischen Reichsstädte, S. 15 (24 f.), sieht allein die Mediatisierung der Reichsstädte als durch Staatsnotstand gerechtfertigt an. 681 Schroeder, ZWLG 2002, S. 285 (290). 682 Schroeder, ZWLG 2002, S. 285 (290). 679

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hauptschlusses rechtfertigen konnte und gegebenenfalls in welchem Umfang, erscheint äußerst fraglich. 1. Rechtfertigung der Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung Probleme bereiten zunächst die Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung. Hier ging es um den Entzug von Hoheitsgewalt – eine zumindest nicht gängige Konstellation, die in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches nach 1648 auch keine historischen Vorbilder hatte. Fraglich erscheint zum einen, ob das Recht des Staatsnotstands zu Eingriffen dieser Art überhaupt berechtigte [a)], und zum anderen, ob dessen Voraussetzungen erfüllt waren [b)]. a) Generelle Anwendbarkeit Ob das Heilige Römische Reich im Falle eines Notstands zur Aneignung einzelner Kirchengüter berechtigt war, ist in der zeitgenössischen Staatsrechtslehre relativ umfassend untersucht worden. Ob es seinen Gliedstaaten aber nicht nur Vermögen nehmen, sondern sie gleich ganz auflösen konnte, hat die damalige staatsrechtliche Literatur weit weniger beschäftigt.683 Zur Beantwortung der Frage, inwieweit das Reich bei einem Staatsnotstand zu an sich rechtswidrigen Eingriffen in die Landeshoheitsgewalt ermächtigt war, muß man sich die theoretische Herleitung dieses Rechtfertigungsgrundes vor Augen führen. Das Notstandsrecht der Landesherren folgte nach dem Staatsrecht der damaligen Zeit aus der Machtvollkommenheit des Staates,684 also dem dominium eminens des Fürsten. Nun verlieh das Obereigentum wie schon gesehen grundsätzlich kein unmittelbares Zugriffsrecht auf die in Rede stehende Sache. Wenn sich allerdings, so die zeitgenössische Publizistik, der Staat in einer solch außergewöhnlichen Situation befand, daß er seine Existenz im Rahmen des geltenden Rechts nicht mehr gewährleisten konnte, dann gewährte die Machtvollkommenheit dem Souverän die Verwertung der in seinem Hoheitsgebiet liegenden Gegenstände.685 Es handelte sich der Sache nach um eine Kollision der wohlerworbe-

683 Dies hat sie mit den späteren Kirchen- und Profanhistorikern gemeinsam; Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (101). 684 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit I, S. 6 f.; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts II, S. 294; Pütter, Anleitung zum Teutschen Staatsrechte I, S. 151; Weiße, Ueber die Sekularisation, S. 157. Nicht anders wird es noch heute hergeleitet, vgl. etwa Bleckmann, Allgemeine Staats- und Völkerrechtslehre, S. 142. 685 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 746; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 385; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 264 f.; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürsten-Rechte I, S. 359 f.

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nen Rechte des Untereigentümers mit dem Machtanspruch des Staates, wobei in diesem Falle letzterer überwog.686 Konsequenterweise berechtigte daher das Notstandsrecht grundsätzlich nur Landesherren zu Maßnahmen gegenüber ihren Untertanen.687 In Analogie zum gewöhnlichen Notstandsrecht behaupteten einzelne Juristen nun auch die Existenz eines reichsrechtlichen ius eminens, das im Notfall das Reich zu Eingriffen in landeshoheitliche Rechte ermächtigen sollte.688 Eine theoretische Fundierung dieser Extension findet sich allerdings nicht, so daß das Notstandsrecht des Reiches bei manchen Staatsrechtlern merkwürdige Ausformungen annahm. So behauptete etwa Christian Gottlob Biener, das Reich könne in Notfällen geistliche Territorien säkularisieren und Reichsstädte mediatisieren, keinesfalls aber dürften andere Reichsstände aufgelöst werden.689 Wie er zu dieser Differenzierung gelangt, erklärte Biener jedoch nicht. Eine fundierte Begründung erscheint auch kaum vorstellbar, denn nach der Reichsverfassung waren alle Glieder gleich zu behandeln.690 Der Grund für die unkritische Übertragung des landesherrlichen ius eminens auf die Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung durch das Reich dürfte in der mangelnden Trennschärfe der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht liegen. Den zeitgenössischen Juristen war vermutlich nicht immer klar, daß der bloße Übergang des Eigentums an einzelnen Vermögensgegenständen etwas grundsätzlich anderes ist als die Übertragung von Hoheitsrechten. In Wahrheit konnte das Notstandsrecht als Ausfluß der Machtvollkommenheit des Staates nur so weit reichen wie die Hoheitsgewalt selbst. Wie bereits gezeigt, verfügten aber nicht nur das Reich, sondern auch die Territorien über originäre Staatsgewalt. Wollte also das Reich – und sei es im Falle akuten Notstands – auf das ius eminens zurückgreifen, dann kollidierte der Machtanspruch des Reiches nicht mit Eigentumsrechten von Untertanen, sondern mit dem Machtanspruch der Gliedstaaten. Das Reich war zwar durch den Lehnsnexus zwischen Kaiser und Landesherr Obereigentümer des gliedstaatlichen Gebiets, aber die Landeshoheit war originärer Bestandteil der Territorien und gerade

686 v. Justi, Staatswirtschaft I, S. 383 f.; Leist, Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts, S. 270. 687 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit I, S. 6 f.; Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts I, S. 385; Brauneder, Österreichische Verfassungsgeschichte, S. 61. 688 So die sog. „Püttersche Notformel“; Pütter, Beyträge zum Teutschen Staats- und Fürstenrechte I, S. 315; ders., Anleitung zum Teutschen Staatsrechte II/1, S. 80 Anm. 1 und 2. Ferner Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 255; Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 746; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 54. 689 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 253. 690 Siehe oben, S. 160.

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kein Gegenstand der Belehnung.691 Reich und Glieder standen also nicht in einem Verhältnis, das demjenigen von Ober- und Untereigentümer entsprach. Was das persönliche Eigentum der Fürsten anging, mochte das Reich im Falle des Notstands ein Zugriffsrecht haben. In staatsrechtlicher Hinsicht waren Reich und Territorien dagegen zwei nebeneinander stehende Träger von Hoheitsgewalt. Die Ausgangslage ist daher eine grundlegend andere als beim herkömmlichen ius eminens, so daß sich eine Analogie von vornherein verbietet. Das Notstandsrecht ist für die Herrschaftssäkularisation und die Mediatisierung durch den Reichsdeputationshauptschluß also nicht anwendbar. b) Voraussetzungen Selbst wenn man die grundsätzliche Anwendbarkeit des Notstandsrechts für die Maßnahmen der Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung im Reichsdeputationshauptschluß unterstellt, ist noch immer offen, ob dessen materielle Voraussetzungen vorlagen. Da das ius eminens von den Zeitgenossen derart häufig zur Rechtfertigung des Reichsdeputationshauptschlusses herangezogen worden ist, soll – wenn diese Herangehensweise auch unzutreffend war – geprüft werden, ob unter der Prämisse seiner Anwendbarkeit auch seine Voraussetzungen vorlagen und Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung rechtfertigen konnten. Bedingung für das Eingreifen des ius eminens war, daß sich der Staat in einer existentiellen Notlage befand, welche die in Frage stehenden Handlungen unbedingt erforderte.692 Ob sich das Heilige Römische Reich tatsächlich in einer solchen Lage befand, erscheint aber problematisch. aa) Innere Zwangslage aufgrund einer überkommenen Staatsstruktur Eine existenzbedrohende Notlage des Alten Reiches könnte daraus hergerührt haben, daß seine Funktionsfähigkeit mit den Institutionen und Garantien der bestehenden Verfassung nicht mehr zu gewährleisten war. Die Verfassungsstruktur des Heiligen Römischen Reiches war 1803 fast tausend Jahre alt. In vielem war sie überholt und für die Weiterentwicklung Deutschlands hinderlich. Der Partikularismus mit seinen vielen Zollschranken, dem unterschiedlichen Maßwesen und den verschiedenen Währungen behinderte die wirtschaftliche Entwicklung enorm.693 Auch die Teilhabe der Kirche an der weltlichen Macht wirkte spätestens seit der Aufklärung anachronistisch,694 nicht zuletzt aufgrund eigenen

691 692 693

Siehe oben, S. 158. Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 685. Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 44.

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Verschuldens der geistlichen Fürstentümer, denen eine plausible theoretische Begründung der Notwendigkeit ihrer Existenz anhand des damals alles beherrschenden Kriteriums der Staatsräson nicht gelang.695 Gleichzeitig gab es aber eine Bestandsgarantie zu Gunsten der Gliedstaaten aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts und damit aus an sich unabänderlichem Recht. Einzige Möglichkeit der Auflösung wäre eine Zustimmung der betroffenen Hoheitsträger gewesen, die aber faktisch kaum zu erwarten war.696 In einer solchen Lage erschien die Modernisierung der Verfassung im Rahmen des geltenden Rechts unmöglich, so daß insofern an eine existenzbedrohende Notlage des Reiches im Sinne eines Staatsnotstands zu denken ist.697 Allerdings durfte nicht jede politisch schwierige Situation zu einem rechtmäßigen Umsturz der Verfassungsordnung führen. Eine Rechtfertigung durch Staatsnotstand konnte bei einem so schwerwiegenden Eingriff wie dem vollständigen Entzug der Hoheitsrechte oder Eigentümerbefugnisse nur die ultima ratio sein.698 Eine pauschale Aussage über die ökonomische und finanzielle Situation der geistlichen Herrschaften läßt sich nicht treffen.699 Bemängelt wurde allenthalben ihre wirtschaftliche Rückständigkeit, weil den Fürstbischöfen eine Anhäufung größeren Reichtums bei einzelnen ihrer Untertanen unchristlich erschien und sie der nichtagrarischen Wirtschaft daher kritisch gegenüber standen.700 Jedenfalls die größeren unter den geistlichen Territorien waren aber al694 Andermann, HZ 271 (2000), S. 593 (594); Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (125); Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (5, 43 f.); Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (78); Willoweit, Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt, S. 247. Zur zeitgenössischen Diskussion um die Existenzberechtigung der geistlichen Staaten vgl. Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 700 ff.; Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (5 ff.); sowie ausführlich Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung. 695 Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (16); Zuber, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 133 (148). 696 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 59. 697 So in der Tat Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 746. 698 Biener, Bestimmung der kaiserlichen Machtvollkommenheit III, S. 251; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 54. 699 Ausführlich ab der Zeit des Dreißigjährigen Krieges Hüttl, ZBLG 37 (1974), S. 3 (33 f.). 700 Andermann, HZ 271 (2000), S. 593 (615); Hersche, in: Schmidt, Stände und Gesellschaft im Alten Reich, S. 133 (139). Nicht überzeugend ist dagegen die These von Nowak, Geschichte des Christentums, S. 45, der fehlende Aufbau einer Herrscherdynastie habe zur wirtschaftlichen Rückständigkeit der geistlichen Territorien geführt, weil keine ausreichende politische Kontinuität geherrscht habe. Allzu große politische Umbrüche waren mit einem Herrscherwechsel in den geistlichen Staaten in der Regel nicht verbunden; im Gegenteil, allenthalben wurde die zu große Unbeweglichkeit beklagt. Wenn auch in den weltlichen Territorien der neue Herrscher aus der Familie des Vorgängers stammte, werden politische Veränderungen dort nicht weniger deutlich ausgefallen sein.

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les andere als lebensunfähig701 und galten daher als durchaus erhaltenswert.702 Trotz teilweise anachronistischen Zustands der inneren Verfassung boten einige geistliche Fürstentümer ihren Untertanen weit bessere Lebensbedingungen und waren vor allem funktionstüchtiger als die weltlichen.703 „Unter dem Krummstab ist gut leben“ war nicht umsonst zum gängigen Sprichwort geworden.704 Wenn auch die Geschichte stets von einer solchen Vielzahl unvorhersehbarer Faktoren bestimmt wird, daß sich hypothetische Verläufe kaum konstruieren lassen, kann man doch die Aussage wagen, die Kirchenstaaten hätten sich den weltlichen Territorien immer weiter angenähert, wären sie nicht 1803 säkularisiert worden.705 Dann wäre auch der politische Einfluß des Klerus weiter zurückgegangen. Angesichts dessen erscheint es nicht einsichtig, warum die Säkularisation der geistlichen Territorien zwingend erforderlich gewesen sein soll. Jedenfalls ihre nahezu totale Auflösung war also nicht unbedingt notwendig, um das Heilige Römische Reich im ganzen zu retten. Schließlich ist auch zu den freien Reichsstädten zu bemerken, daß bei allen notwendigen Differenzierungen706 ihre Existenz wegen ihrer stark oligarchischen Organisation überholt wirkte.707 Für eine Rechtfertigung durch ius eminens hätten sie aber nicht einfach nur unzeitgemäß oder ökonomisch hinderlich sein dürfen, sondern hätten das Heilige Römische Reich insgesamt in seinem Bestand gefährden müssen. Dies kann schon aus dem Grund nicht der Fall gewesen sein, daß sechs Reichsstädte noch weiterbestehen durften. Daher führte auch die Existenz der freien Reichsstädte nicht zu einer solchen inneren Zwangslage des Reiches, daß ihre nahezu vollständige Abschaffung durch ius eminens gerechtfertigt wäre, selbst wenn dessen grundsätzliche Anwendbarkeit unterstellt wird.

701 Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (5); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (29); a. A. Oberthür, Die Säkularisation im Urteil der deutschen Kirchenrechtswissenschaft, S. 162. 702 Becker, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 147 (149); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 453. 703 Andermann, HZ 271 (2000), S. 593 (605 ff., 613); Hausberger, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 35 (44 f.); Hersche, in: Schmidt, Stände und Gesellschaft im Alten Reich, S. 133 (146); Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (5); Weis, in: Berding/Ullmann, Deutschland zwischen Revolution und Restauration, S. 43 (55). 704 Vgl. F. C. Moser, Ueber die Regierung der geistlichen Staaten, S. 70 f. 705 Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (29). 706 Auf die Kießling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 717 (728), hinweist. 707 Andreas, Das Zeitalter Napoleons, S. 293; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 177; Zippelius, Kleine deutsche Verfassungsgeschichte, S. 69.

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bb) Äußere Zwangslage durch den Einfluß Frankreichs Wenn auch die inneren Verhältnisse das Reich nicht in eine existenzbedrohende Notlage führten, könnten aber die äußeren Einflüsse, namentlich die Forderungen Napoleons, zu einer solchen Situation geführt haben. (1) Zwangslage durch die Vorgaben des Lunéviller Friedensvertrags Das Reich hatte nach der militärischen Niederlage gegen Napoleon im Friedensvertrag von Lunéville der Abtretung der linksrheinischen Gebiete an Frankreich und der Entschädigung der rechtsrheinischen Fürsten zustimmen müssen. Frankreichs militärische Übermacht hätte einen Verstoß gegen die Lunéviller Vorgaben unmöglich gemacht und eine Militäraktion hervorgerufen, die das Reich nur um so schneller in den Untergang getrieben hätte.708 Zu diesem faktischen Element kommt die rechtliche Seite, daß die im Krieg unterlegene Partei anerkanntermaßen die Forderungen des Siegers erfüllen muß.709 Daher mußte das Reich den Vorgaben des Lunéviller Friedensvertrags in jedem Fall Folge leisten. Art. 7 des Vertrags enthielt jedoch nur die vage Formulierung, es solle nach den Grundsätzen des Rastatter Kongresses Entschädigung aus der Mitte des Reiches geleistet werden. Damit war die grundsätzliche Durchführung von Herrschafts- wie Vermögenssäkularisationen vorgegeben,710 aber nicht ihr Ausmaß.711 Die Mediatisierung der freien Reichsstädte schließlich wurde vom Lunéviller Frieden überhaupt nicht verlangt, wenn sie auch nicht ausgeschlossen wurde.712 Also hat der Friedensvertrag von Lunéville das Heilige Römische Reich nicht in eine solche Zwangslage gebracht, daß die Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung im ganzen durch ius eminens gerechtfertigt wären.713

708

Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 281. v. Rebmann, Die Abtretung des linken Rheinufers, S. 3. 710 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 150. 711 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 489; Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (18). 712 Härter, GWU 2003, S. 484 (490); Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 28. 713 Ebenso zur Herrschaftssäkularisation Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 84 f. 709

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(2) Zwangslage während des Entstehungsprozesses des Reichsdeputationshauptschlusses Möglicherweise hat Napoleon aber in der Folgezeit die Säkularisations- und Mediatisierungsmaßnahmen nicht nur generell, sondern in der im Reichsdeputationshauptschluß vorgeschriebenen Weise gefordert. (a) Zwang zur Herrschaftssäkularisation Zu prüfen ist dies zunächst für die säkularisierten geistlichen Fürstentümer. Napoleons Motivation für die Säkularisation war unter anderem die Entschädigung der weltlichen Fürsten für linksrheinische Gebietsverluste, aber auch die Schaffung stärkerer Mittelstaaten als Gegengewicht zu Österreich.714 Es ist offensichtlich, daß die dafür benötigten Gebiete von anderen Ländern genommen werden mußten; dafür war aber eine totale Beseitigung aller geistlichen Reichsstände nicht unbedingt erforderlich.715 Im Endeffekt gewannen die weltlichen Territorien sogar wesentlich mehr, als sie verloren, was den ursprünglichen Entschädigungsgedanken konterkarierte.716 Hessen-Darmstadt erhielt zum Beispiel in Fläche gerechnet das Dreifache und in prognostizierten Einkünften das Doppelte seiner Verluste717. Die württembergischen Einbußen wurden vierfach ausgeglichen. Hinsichtlich Badens schwanken die Angaben zwischen sieben-718 und mehr als zehnfachem719 Ausgleich. Hätte Napoleon darauf bestanden, die geistlichen Fürstentümer in Gänze auszulöschen, so hätte er die Herrschaftssäkularisation als verbindliche Vorgabe bereits im Lunéviller Friedensvertrag festschreiben lassen. Der Franzose war aber wie auch Rußland noch im Sommer 1801 an der Regelung der innerdeutschen Verhältnisse nur mäßig interessiert.720 Erst wegen der zögerlichen Haltung Wiens bei den folgenden Verhandlungen konnte er feststellen, daß das Reich die geistlichen Staaten gar nicht zu retten versuchte.721 Hätte es ernsthaft verhandelt, hätte es höchstwahrscheinlich den Bestand einiger geistlicher Territo714

Siehe näher unten, S. 266. Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 54. 716 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 283; Raab, in: Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte V, S. 533 (547); v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 180. 717 Germann, Die Entschädigungsverhandlungen Hessen-Darmstadts, S. 171; Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (86). 718 Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 326 f.; Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (9); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (4 f.). 719 Schroeder, in Blickle/Schmauder, Die Mediatisierung der oberschwäbischen Reichsstädte, S. 15 (25 f.). 720 Härter, Reichstag und Revolution, S. 577; Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich, S. 53. 715

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

rialstaaten bewahren können.722 Das muß noch in der Schlußphase der Verhandlungen in der Reichsdeputation möglich gewesen sein. Napoleon war an der Ausarbeitung und Verabschiedung seines Entschädigungsplans im Wege eines formal ordnungsgemäßen Reichsgesetzgebungsverfahrens interessiert.723 Dem Reich standen damit durchaus Druckmittel ihm gegenüber zur Verfügung, deren Nutzung zumindest eines Versuchs wert gewesen wäre. Damit hatte es nicht zuvor alle Mittel ausgeschöpft, um einen Verfassungsbruch zu verhindern oder zumindest seine Ausmaße zu reduzieren. Die praktisch vollständige Säkularisation der reichsunmittelbaren geistlichen Staaten war daher keine ultima ratio und somit auch nicht durch ius eminens gerechtfertigt.724 (b) Zwang zur Mediatisierung Napoleon hatte keine generelle Mediatisierung der Reichsstädte verlangt. Das zeigt sich schon daran, daß gem. § 27 Abs. 1 RDHS sechs Städte reichsunmittelbar bleiben durften. Allerdings sahen Verträge, die zwischen Frankreich und Bayern (24. August 1801), Württemberg (20. Mai 1802) und Preußen (23. Mai 1802) abgeschlossen worden waren, die Mediatisierung einer großen Zahl von Reichsstädten vor.725 Daher könnte argumentiert werden, ein Zwang zur Mediatisierung habe zwar nicht durch den Lunéviller Friedensvertrag, aber durch diese völkerrechtlichen Verträge bestanden.726 Jedoch ist heute nicht mehr nachweisbar, inwiefern tatsächlich Napoleon oder nicht vielmehr die deutschen Territorien an der Mediatisierung der Reichsstädte interessiert waren. Erwiesen ist jedenfalls, daß sich die Landesherren mit der Einverleibung der freien Reichsstädte einen erheblichen Wirtschaftsaufschwung erhofften.727 Sie drängten deshalb Napoleon häufig geradezu zu den Mediatisierungen; oft flossen sogar Bestechungsgelder in immenser Höhe an französische Beamte.728 Daher liegt die Vermutung nahe, die deutschen Reichsstände seien mehr als Napoleon an der weitgehenden Mediatisierung der freien Reichsstädte interessiert gewesen.

721 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 495; Becker, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 147 (154). 722 Härter, Reichstag und Revolution, S. 577. 723 Härter, GWU 2003, S. 484 (489); Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (34), geht aus diesem Grund sogar von einem weiten Gestaltungsspielraum der Reichsdeputation aus. 724 So auch Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 54. 725 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 28. 726 So Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 29. 727 Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 281. 728 Siehe oben, S. 48.

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Vor allem aber waren die genannten völkerrechtlichen Verträge gar nicht mit dem Reich abgeschlossen worden. Wenn also überhaupt eine Notlage bestand, dann höchstens für einige Gliedstaaten. Die Zwangslage einzelner Territorien konnte ein Reichsgesetz aber nicht rechtfertigen. Damit war auch die Mediatisierung der Reichsstädte nicht durch ius eminens gerechtfertigt. 2. Rechtfertigung der Vermögenssäkularisation Eine Rechtfertigung der Einziehung des ehemals im Eigentum geistlicher Reichsstände stehenden Vermögens kommt von vornherein so wenig in Betracht, wie die Herrschaftssäkularisation durch Staatsnotstand legitimiert werden konnte. Dies folgt aus dem oben bereits näher gekennzeichneten Zusammenhang beider Vorgänge. Ein Ergebnis, nach dem die geistlichen Reichsstände zwar nicht aufgelöst, ihr gesamtes Herrschaftsgebiet aber übertragen werden durfte, scheidet offensichtlich aus. Hinsichtlich der Güter, die durch den Reichsdeputationshauptschluß unabhängig von der Herrschaftssäkularisation übertragen wurden oder deren Aneignung gem. § 35 RDHS den Landesherren anheimgestellt wurde, stellt sich die Anwendbarkeit des Notstandsrechts dagegen wesentlich anders dar als für Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung. a) Generelle Anwendbarkeit Die Territorialherrscher hatten das Obereigentum an allen in ihrem Gebiet belegenen Sachen. Daher konnten sie im Falle eines existenzbedrohenden Staatsnotstands auf Besitztümer ihrer Untertanen zugreifen, gleich, ob diese im Eigentum natürlicher Personen oder eines kirchlichen Trägers standen. Es wäre also denkbar, daß sich Territorien in einem Notstand befunden hatten, welcher die im Reichsdeputationshauptschluß angeordnete Vermögenssäkularisation rechtfertigte. Dann hätte der Reichsdeputationshauptschluß insoweit nur ein den Reichsständen ohnehin zustehendes Recht formuliert. b) Voraussetzungen Das innerklösterliche Leben war bei aller Verschiedenheit jedenfalls nicht so verdorben, daß Reich und Territorien fürchten mußten, deshalb Schaden zu nehmen.729 Insoweit ist also keine Notstandslage begründet.730 Die Gliedstaaten könnten indes in eine existenzbedrohende Situation geraten sein, indem sie Anfang des 19. Jahrhunderts immer mehr Aufgaben der öffentlichen Wohlfahrt

729 730

Siehe unten, Dritter Teil, Fußn. 80, 89. Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (104).

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

übernahmen, die zuvor kirchlichen Einrichtungen oblegen hatten. Daher war es bis zu einem gewissen Rahmen erforderlich, daß sie Eigentum der „toten Hand“ erhielten, um die Erfüllung dieser Aufgaben finanzieren zu können.731 Mittels einer solchen Argumentation wurde etwa in Frankreich die Rechtmäßigkeit einer Wegnahme von Kirchengut zu begründen versucht.732 Einige deutsche Säkularisationsbefürworter schlossen sich ihr dankbar an.733 Der Reichsdeputationshauptschluß knüpfte die Säkularisation mittelbaren Kirchenvermögens jedoch nicht an die Voraussetzung unabdingbarer Erforderlichkeit für die Wahrnehmung ehemals kirchlicher Aufgaben. Die einen Objekte mittelbaren Kirchenvermögens übertrug er gleich selbst. Die anderen, in den Anwendungsbereich des § 35 RDHS fallenden, durften von den Landesherren auch zur allgemeinen Besserung der Finanzlage eingezogen werden. Damit lud der Reichsdeputationshauptschluß geradezu zu Säkularisationen zur Steigerung des Staatsvermögens ein. Für die Finanzierung von staatlichen Wohlfahrtsaufgaben wäre auch eine Regelung ausreichend gewesen, welche die Säkularisation einer jeweiligen Einzelfallentscheidung überließ und an die Voraussetzung knüpfte, daß sie für die Erfüllung sozialer und kultureller Aufgaben unabdingbar war.734 Daher führte auch die Übernahme ehemals kirchlicher Angelegenheiten nicht zu einer solchen Zwangslage der Territorien, daß die Säkularisation des größten Teils geistlichen Vermögens pauschal gerechtfertigt wäre. Ähnlich ist auch die Argumentation einiger aufgeklärter Wirtschaftstheoretiker zu bewerten. Ihnen war die große Masse des dem Wirtschaftskreislauf entzogenen Kapitals der „toten Hand“735 ein Dorn im Auge. Ihre Forderung, Kirchengut zur ökonomischen Stärkung der deutschen Staaten zu säkularisieren,736 war also volkswirtschaftlich durchaus sinnvoll,737 konnte aber nicht mehr als politischer Natur sein. Eine akute Zwangssituation, die nur mittels Enteignung

731 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 60 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 59. 732 Vgl. Dipper, in: Deutschland und Italien, S. 127 Fußn. 13. Allgemein zum Wert kirchlichen Eigentums in der französischen Säkularisationsdiskussion v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 204 (210 f.). 733 Vgl. Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 701. 734 Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 60 f. 735 Vor der großen Säkularisation von 1803 befand sich beispielsweise 56% der Fläche des gesamten Kurfürstentums Bayern in kirchlichem Eigentum; Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (374). 736 Vgl. Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (11); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (6); Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (8); ders., in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 327 (331). 737 wie der ökonomische Aufschwung nach den tatsächlich erfolgten Säkularisationen zeigen sollte; siehe näher unten, S. 245.

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der Kirche hätte gelöst werden können, verursachte diese schon seit Jahrhunderten bestehende Lage nicht. Nun könnte ein die Vermögenssäkularisation rechtfertigender Staatsnotstand nur noch durch äußere Umstände hervorgerufen worden sein. Eine direkte Einflußnahme Napoleons, die sich auf Besitzungen außerhalb derjenigen der geistlichen Reichsstände erstreckte, erfolgte aber kaum. Auch eine so weitgehende Säkularisation wie die in § 35 RDHS angeordnete hatte er nie gefordert.738 Vielmehr wurde diese auf Druck Bayerns in den Reichsdeputationshauptschluß aufgenommen, das so seine Kassen zu füllen gedachte. Sie erfolgte zudem erst kurz bevor die Reichsdeputation ihre Arbeit einstellte. Eine vorherige, weniger weitgehende Version des § 35 RDHS war von Frankreich bereits gebilligt worden.739 Damit herrschte weder durch äußere noch durch innere Umstände eine Zwangslage, die eine Säkularisation des kirchlichen Vermögens in diesem Umfang unbedingt geboten hätte.740 Also sind weder die direkte Säkularisation mittelbarer kirchlicher Güter noch die Säkularisationsbefugnis gem. § 35 RDHS durch ein ius eminens gerechtfertigt. Es hat sich somit gezeigt, daß der Reichsdeputationshauptschluß im ganzen materiell rechtswidrig war. Völker- und staatsrechtlich betrachtet stellt die Herrschafts- und Vermögenssäkularisation der geistlichen Reichsstände sowie die Mediatisierung der weltlichen Reichsglieder als gewaltsamer Erwerb fremden Territoriums zugunsten eines anderen Staates einen Akt der Annexion dar.741 Die Säkularisationsbefugnis für die Dispositionsgüter ist dagegen ein Sonderfall der Konfiskation,742 also einer entschädigungslosen Enteignung.743

738 Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 60; v. Oer, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 9 (14). 739 Siehe oben, S. 71. 740 Ebenso Häberlin, Ueber Aufhebung mittelbarer Stifter, S. 60 f.; Kress, Ist der bayerische Staat . . . verpflichtet?, S. 85, 95. 741 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 30; Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rdnr. 459; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 54; Krings, JZ 2003, S. 173 (177); Mückl, JZ 2003, S. 461 (462). 742 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 54. 743 Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 47 Rdnr. 16; Mückl, JZ 2003, S. 461 (462). In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß der Begriff der Enteignung zur Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses noch nicht existierte, sondern erst in der Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelt wurde, unter anderem um Konstellationen wie die Vermögenssäkularisation besser erklären zu können; Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (126); Schwab, Art. Eigentum, in: Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe II, S. 65 (98).

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

B. Die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses Mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses ist noch nicht das endgültige Urteil über seine Wirksamkeit gesprochen. Jedenfalls grundsätzlich sind Normen, die gegen höherrangiges Recht verstoßen, nichtig.744 Anderenfalls könnte rechtswidriges Verhalten nicht sanktioniert werden und der Staat verlöre sein Interesse daran, sich überhaupt noch im Rahmen des geltenden Rechts zu bewegen. Eine Nichtigkeit der durch den Reichsdeputationshauptschluß hervorgerufenen Veränderungen wirkt rein vom Ergebnis her betrachtet allerdings befremdlich. Alte Hoheits- und Besitzverhältnisse de iure als noch bestehend betrachten zu wollen, die de facto längst überholt waren, ist ein aussichtsloses Unterfangen. Konsequenterweise müßte die Rechtslage nicht nur bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches im Jahr 1806 konserviert werden, was schon unpraktikabel genug wäre. Die Niederlegung der Kaiserkrone und die Auflösung des Reiches durch Franz II. im August 1806 waren ebenfalls rechtswidrig;745 betrachtete man auch diese Akte als nichtig, müßten die Verhältnisse aus der Zeit vor dem Reichsdeputationshauptschluß rechtlich mindestens noch bis zur Gründung des Deutschen Bundes, wenn nicht sogar darüber hinaus, aufrechterhalten werden. Rechtslage und Wirklichkeit fielen dann in unerträglicher Weise auseinander.

I. Rechtswirksamkeit als revolutionärer Akt Wohl der praktischen Konsequenzen wegen herrscht über die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses heute Einigkeit. Im Gegensatz zur zeitgenössischen Literatur wird dabei meist keine Rechtfertigung durch Staats744 Detterbeck, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rdnr. 839; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 20. 745 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 402; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 183; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 73; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 263. Ausführlich Kleinheyer, in: Köbler, Festschrift für Kroeschell, S. 124 (136 ff.), und Walter, Der Zusammenbruch des Heiligen Römischen Reichs, S. 71 ff. Anders Hattenhauer, Europäische Rechtsgeschichte, Rdnr. 1639, der in der Erklärung Franz II.’ lediglich eine rechtmäßige persönliche Abdankung erblickt, aber keine Erklärung, das Reich auflösen zu wollen. Diese Sicht verkennt aber, daß der Kaiser alle Reichsstände von ihren Pflichten dem Reichsoberhaupt gegenüber entband und einseitig die Herauslösung der habsburgischen Lande aus dem Reichsverband proklamierte; vgl. dazu den Text der Erklärung, abgedruckt bei Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 181; Huber, Dokumente I, Nr. 5 (S. 37 f.); Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht I, Nr. 3 (S. 492 f.); Zeumer, Quellensammlung, Nr. 217 (S. 538 f.); sowie im Internet unter „www.documentarchiv.de/nzjh/1806/franz-II-niederlegungkaiserkrone.html“. Dies ist mehr als nur eine persönliche Abdankung.

B. Die Rechtswirksamkeit

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notstand mehr angenommen. Vielmehr, so wird überwiegend argumentiert746, sei der Reichsdeputationshauptschluß zwar rechtswidrig, entfalte aber als revolutionärer Akt Rechtswirkungen. Weil er selbst Gesetzesform aufwies, wird er bisweilen als „legale Revolution“ bezeichnet747 – eine etwas mißverständliche Begrifflichkeit, weil sie Rechtmäßigkeit suggeriert. Die Einstufung des letzten Reichsgrundgesetzes als „Revolution“ ist seit der rechtlichen Begutachtung durch Ernst Rudolf Huber 1957 fast schon zum verfassungshistorischen Allgemeingut geworden.748 Selbst eine weitgehende Vergleichbarkeit mit der Französischen Revolution von 1789 wird bisweilen behauptet.749 Der Revolution im juristischen Sinne mit der Folge der Schaffung einer neuen Rechtsbasis liegt der Gedanke zugrunde, daß jede Verfassung nur so lange gilt, wie sie nicht durch eine neue ersetzt wird.750 Soll eine ganz neue Staatsordnung geschaffen werden, kann dies wegen des Ewigkeitsanspruchs der bestehenden Verfassung nicht in deren Rahmen geschehen; eine Revolution muß daher begriffsnotwendigerweise rechtswidrig sein.751 Es wäre mit der Souveränität eines Staates unvereinbar, wenn er selbstgesetzte Grenzen nicht auch wieder beseitigen könnte.752 Es tritt dann wieder die ursprüngliche, unbegrenzte Gewalt des Verfassungsgebers an die Stelle der Kompetenzen des Verfassungsgesetzgebers.753 Neue Verfassungsverhältnisse müssen sich also auch dann etablieren können, wenn sie unter Verstoß gegen die alte Rechtsordnung entstanden sind.754 So erklärt sich, daß im Wege der Revolution neu geschaffenes 746 Berbig, Das kaiserliche Hochstift Bamberg II, S. 429 Fußn. 1089; Boldt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 284; Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (125); Elicker, JA 2003, S. 995 (995); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 175; Härter, Reichstag und Revolution, S. 592; J. Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter, S. 255; M. Heckel, Der Staat Beih. 11 (1996), S. 165 (169); Hömig, Der Reichsdeputationshaupschluß, S. 61; ders., Art. Reichsdeputationshauptschluß, in: v. Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott, Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht III, S. 397 (399); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 58; Kraus, Geschichte Bayerns, S. 370; v. Oer, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 9 (14); Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden, S. 323; Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 340; Stern, Staatsrecht V, S. 57; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 364. 747 So Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 57; Härter, Reichstag und Revolution, S. 597. 748 Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (100); Ziekow, ZNR 18 (1996), S. 278 (282). 749 So Elicker, JA 2003, S. 995 (995), der bereits im Titel seines Beitrags den Reichsdeputationshauptschluß als „Die ,Deutsche Revolution‘“ bezeichnet. 750 Isensee, in: ders./Kirchhof, HStR VII, § 166 Rdnr. 1. 751 Heckel, Der Staat Beih. 11 (1996), S. 164 (169); Klein, in: Badura/Scholz, Festschrift für Lerche, S. 459 (464); zweifelnd Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rdnr. 239. 752 Heckmann, Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen, S. 206 f.; Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, S. 3. 753 Zur Unterscheidung Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, S. 47 f. 754 BVerfGE 6, 309 (331); RGZ 100, 25 (27).

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

Recht nach heutigem Verständnis trotz Verfassungswidrigkeit wirksam ist; eine Ansicht, die sich allerdings erst im 19. Jahrhundert in der Staatslehre wirklich durchzusetzen vermochte.755 Der Reichsdeputationshauptschluß entfaltet also dann Wirksamkeit, wenn er eine Revolution gewesen ist. Dazu ist zunächst zu klären, welche Anforderungen an das Vorliegen einer Revolution zu stellen sind. Bereits diese Grundvoraussetzung gutachtlichen Arbeitens, die Definitionsbildung, bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Der Revolutionsbegriff ist im alltäglichen Sprachgebrauch und in diversen wissenschaftlichen Disziplinen derart unterschiedlich ausgestaltet, daß es schwer fällt, einen gemeinsamen Nenner zu finden. Die „Industrielle Revolution“ etwa weist mit der Französischen Revolution nur wenige Ähnlichkeiten auf. Kuba und Nordkorea behaupten heutzutage, sich bereits seit den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Dauerzustand der Revolution zu befinden.756 Auch in der westlichen Welt bezeichnen Politiker die von ihnen vorgeschlagenen Maßnahmen gerne als „revolutionär“, um ihnen eine Tragweite zuzuschreiben, die sie möglicherweise gar nicht haben. Offensichtlich meinen sie damit etwas anderes, als was man landläufig unter dem Begriff Revolution versteht. Er ist zu einem „Modewort“757 geworden, dessen Konturen zunehmend unklar werden.758 Der alltägliche Sprachgebrauch ist sehr viel enger und verbindet mit einer Revolution einen in der Regel – aber nicht notwendigerweise – mit Gewalt verbundenen Umsturz,759 der zumeist von Teilen der Bevölkerung ausgeht.760 Beide Merkmale treffen auf den Reichsdeputationshauptschluß indes offensichtlich nicht zu: Weder wurde auf Waffen zurückgegriffen, noch wurden die Umwälzungen von den Reichsbürgern initiiert. Die einzigen inländischen Akteure waren die etablierten Reichsorgane; der Reichsdeputationshauptschluß kann daher allenfalls eine Revolution „von oben“, eine „Fürstenrevolution“ gewesen sein.761

755 Gurwitsch, Das Revolutionsproblem, S. 45; Zachariä, Vierzig Bücher vom Staate III, S. 80. 756 Zum marxistisch-leninistischen Revolutionsbegriff Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, S. 217 ff. 757 So Koselleck, Art. Revolution, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe V, S. 653 (787). 758 Nach Koselleck, Art. Revolution, in: Brunner/Conze/ders., Geschichtliche Grundbegriffe V, S. 653 (656), werden der Revolution so viele widersprüchliche Elemente zugeordnet, daß eine in sich logische Begriffsbestimmung gar nicht möglich ist. 759 Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rdnr. 239; Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, S. 21 f.; Stolleis, Art. Revolution, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 961 (962); Wehling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1159 (1159). 760 Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, S. 22; Klein, in: Badura/Scholz, Festschrift für Lerche, S. 459 (464); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (26), der aber auch keine Würdigung der rechtlichen Folgen einer Revolution vornimmt.

B. Die Rechtswirksamkeit

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Den allgemeinen Definitionsschwierigkeiten wollen Ernst Rudolf Huber und ihm folgend Klaus Dieter Hömig entgehen, indem sie Veränderungen einen revolutionären Charakter nur dann zuschreiben, wenn „übergeordnete“ bzw. „echte“ Staatsnotwendigkeiten sie erforderten.762 Offenbar sollen also starke Parallelen zwischen dem Rechtfertigungsgrund Staatsnotstand und der Revolution herrschen, die zur Rechtswirksamkeit führt.763 Erstaunlicherweise wollen beide Autoren allerdings ausreichen lassen, daß die in Rede stehenden Handlungen nicht schlechthin willkürlich waren. Da der Reichsdeputationshauptschluß zweifellos nicht völliger Willkür entsprang, sei er durch echte Staatsnotwendigkeiten geboten und daher als Revolution rechtswirksam gewesen.764 Diese Definitionsbildung ist allerdings schon mit dem gängigen Sprachgebrauch unvereinbar: Was nicht willkürlich ist, ist noch lange nicht notwendig. Auch dürfte nicht nur von kritischen Geistern bezweifelt werden, daß alle Umwälzungen in der Geschichte tatsächlich nötig waren, die gemeinhin als Revolution bezeichnet werden. Offen bleibt vor allem, aus welcher Perspektive die „echte Staatsnotwendigkeit“ zu beurteilen ist. Ob Veränderungen der Verfassungslage tatsächlich Verbesserungen brachten, zeigt sich immer erst im Nachhinein und ist zudem von der Sicht des jeweiligen Betrachters abhängig. Kann aber erst ex post beurteilt werden, welche Umgestaltungen notwendig waren, ist die erforderliche Rechtssicherheit zum Zeitpunkt oder zumindest in den Folgejahren des Umsturzes nicht mehr gegeben. Daher kann die „übergeordnete“ oder „echte Staatsnotwendigkeit“ kein Erfordernis für das Vorliegen einer Revolution im juristischen Sinne sein. Einzige Voraussetzung für die Bewertung eines Rechts- oder Realakts als Revolution mit der Folge der rechtlichen Wirksamkeit für die Zukunft bleibt, neben der allgemeinen Beachtung durch die Adressaten, daß er auf einen vollständigen oder teilweisen Umsturz der bestehenden Rechtsordnung gerichtet ist.765 Das wird nicht nur vom allgemeinen Sprachgebrauch gefordert, sondern erklärt 761 Droysen, Vorlesungen über die Freiheitskriege II, S. 131; Hömig, Art. Reichsdeputationshauptschluß, in: v. Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott, Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht III, S. 397 (399); v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 180. 762 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 59; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 59 ff. 763 Dies veranlaßt Oberthür, Die Säkularisation im Urteil der deutschen Kirchenrechtswissenschaft, S. 158 Fußn. 483, zu der Kritik, Huber und Hömig hätten auch gleich eine Rechtfertigung durch Staatsnotstand annehmen können, wenn sie für eine Revolution das Vorliegen einer echten Staatsnotwendigkeit fordern. 764 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 59; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 61. 765 So auch RGZ 100, 25 (27); Fiedler, Der Staat 31 (1992), S. 436 (444); Griewank, Der neuzeitliche Revolutionsbegriff, S. 22; Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 3; Klein, in: Badura/Scholz, Festschrift für Lerche, S. 459 (464 f.).

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

sich auch aus dem Wesen der Revolution als Akt der Verfassungsgebung. Deren Rechtswirksamkeit liegt nur in der unbeschränkten Machtfülle des Staates bei Neuschaffung der Verfassung begründet. Wird die Konstitution dagegen nur geändert und nicht ersetzt, dann wird nicht der Verfassungsgeber tätig, sondern der verfassungsändernde Gesetzgeber. Dieser ist aber an die Grenzen der Konstitution gebunden. Aus diesem Grund kann von einer Revolution im juristischen Sinne nur die Rede sein, wenn die bisherige Rechtsordnung ersetzt werden soll. Dabei muß nicht jede einzelne Norm abgeschafft werden;766 Voraussetzung ist aber doch, daß der bisherige Zustand nicht im wesentlichen beibehalten wird.767 Der Reichsdeputationshauptschluß wird seiner weitreichenden tatsächlichen Folgen wegen meist ohne weiteres als ein solcher Umsturz der Verfassungsordnung angesehen.768 Das liegt aber keinesfalls so offensichtlich zutage. § 60 RDHS garantierte im Grundsatz die Fortgeltung alles bestehenden Landesrechts.769 Auch das Reichsgutachten vom 24. März 1803 zur Bestätigung des Reichsdeputationshauptschlusses ordnete an, daß die deutsche Reichsverfassung „in allen übrigen [sc. nicht durch den Reichsdeputationshauptschluß abgeänderten] Puncten, . . . [wie] bisher bestanden, auch für die Zukunft zu verwahren sey.“770 Und diese Punkte waren nicht etwa vernachlässigenswert wenige. Der Reichsdeputationshauptschluß ließ alle Reichsorgane bestehen, und wenn sich auch ihre Zusammensetzung zwangsläufig ändern mußte, wurden ihre Kompetenzen nicht angetastet. Sie alle arbeiteten mehr oder weniger effektiv weiter. Am meisten galt das für die obersten Reichsgerichte, die nach wie vor mit nur geringen Beeinträchtigungen funktionierten.771 Der Reichsdeputationshauptschluß beseitigte eben nicht wie die Französische Revolution das ancien régime772, sondern ging von dessen Fortexistenz aus. Dementsprechend fielen auch die Reaktionen der Zeitgenossen aus. Der Reichsdeputationshauptschluß ließ die Publizistik relativ ungerührt; sie stellte 766 Dies gilt allerdings nur aus rein pragmatischen Gründen. Da die Verfassung „Quelle allen Rechts“ ist, muß sich der Umbruch konsequenterweise auch auf einfaches Gesetzesrecht erstrecken, was jedoch unpraktikabel ist, weil bis zur Neuregelung aller Lebensbereiche der Eintritt eines rechtlichen Chaos unvermeidlich wäre; Doehring, Allgemeine Staatslehre, Rdnr. 241. 767 Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, S. 3 f. 768 Blessing, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 335 (337); Elicker, JA 2003, S. 995 (995); Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (10); Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden, S. 323; Wehling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1159 (1159). 769 Siehe oben, S. 86. 770 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 37. 771 v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 521 f.; Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 330; sowie ausführlich Mader, Das Reichskammergericht, S. 15 ff. 772 Wie Elicker, JA 2003, S. 995 (995), dies behauptet.

B. Die Rechtswirksamkeit

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das Staatsrecht nach 1803 nicht anders dar als zuvor, und legte größten Wert darauf, die Ereignisse auf dem Boden der Reichsverfassung zu erklären, wenn sie nicht schlichtweg ignoriert wurden.773 Mit dem 1803 in erster und 1805 in zweiter Auflage veröffentlichten „Lehrbuch des Teutschen Staatsrechts“ von Justus Christoph Leist und dem 1804 erschienen „Teutschen Staatsrecht“ von Nikolaus Thaddäus Gönner, um nur die prominentesten Werke zu nennen774, erlebte die Reichsstaatsrechtslehre sogar noch einmal eine späte Blüte. Auch die Vorstellungen für die Weiterentwicklung des Reiches im politischen Schrifttum waren ganz überwiegend nicht auf die Schaffung gänzlich neuer Strukturen, sondern auf Kontinuität gerichtet.775 Der Reichsdeputationshauptschluß habe die notwendigen inneren Veränderungen gebracht, damit das Reich mit seinen bestehenden Strukturen auch in der Zukunft existieren könne.776 Bei aller Bedeutung, die dem letzten Reichsgrundgesetz zukam; das Reich sollte an die politischen Gegebenheiten angepaßt, seine Verfassungsverhältnisse im Grundsatz aber gerade nicht verändert werden. Der Reichsdeputationshauptschluß war daher im Prinzip auf die Bewahrung der bestehenden Rechtsordnung gerichtet. Alle Veränderungen sollten sich innerhalb dieses Rahmens bewegen. Er war also im Kern traditionalistischen, bewahrenden Charakters. Selbst bei weitester Interpretation kann er mithin nicht als Revolution betrachtet werden,777 und jedenfalls nicht mit dieser Begründung Rechtswirksamkeit beanspruchen.

773 Etwa Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 746. Vgl. v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 503; Krings, JZ 2003, S. 173 (177); Schroeder, JuS 2006, S. 577 (581). 774 Weitere Abhandlungen dieser Zeit sind genannt bei v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 502 f.; Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts II, S. 53 ff.; Friedrich, Geschichte der deutschen Staatsrechtswissenschaft, S. 137 f. 775 Vgl. Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (24). 776 Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 32. 777 So auch v. Aretin, Das Alte Reich III, S. 530; ders., Das Reich, S. 48. Im Ergebnis ähnlich, aber mit anderer Begründung Hufeld, in: ders., Der Reichsdeputationshauptschluss, S. 1 (24), und Karenberg, Die Entwicklung der Verwaltung, S. 20 f., die im Frieden von Lunéville eine Revolution zu erkennen glauben und dem Reichsdeputationshauptschluß auf der Basis des dort geschaffenen Rechts Rechtmäßigkeit attestieren. Damit berücksichtigen sie indes die unbestimmte Formulierung des Lunéviller Friedensvertrags nicht hinreichend, die eben keine Totalsäkularisation und keine Mediatisierung zwingend vorschrieb und damit keine wirksame Änderung der Reichsverfassung dahingehend bewirkt haben kann, daß die Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses rechtmäßig gewesen wären. Der Frieden von Lunéville war keine Revolution, sondern (nur) eine Reform; Brandt, Der lange Weg, S. 18.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

II. Rechtswirksamkeit durch die „normative Kraft des Faktischen“ Die menschliche Natur neigt dazu, in der von ihr als Realität erkannten Umwelt Gesetzmäßigkeiten zu suchen und diese dann als für sich bindende Regeln zu empfinden.778 Weicht die abstrakte Rechtsordnung von ihnen ab, hält man sich im Zweifel an die „natürlichen Regeln.“ In einem bestimmten Stadium ist dann nicht mehr zu erwarten, daß die Gesetze überhaupt noch beachtet werden. Sie verkommen zu einer Buchstabensammlung ohne praktischen Wert. Es liegt daher im Interesse der Rechtsordnung selbst, sich gegebenenfalls an das Faktische anpassen und sich so wieder in Übereinstimmung mit den Tatsachen zu bringen zu können. Diese Gedanken liegen der Lehre von der „normativen Kraft des Faktischen“ zugrunde, die von Georg Jellinek entwickelt wurde.779 Die Verfassungslage werde nicht nur durch verfassungsändernde Gesetze, die auf dem von der Verfassung selbst vorgesehenen Weg erlassen worden seien, und nicht nur durch die Schaffung einer ganz neuen Konstitution im Wege der Revolution verändert. Auch allein durch die Wirklichkeit, durch eine dauernde gegen die Buchstaben der Verfassung verstoßende Übung, könne sich die Rechtslage unaufhebbar wandeln.780 Der Unterschied der normativen Kraft des Faktischen zu einer Revolution im juristischen Sinne liegt also mehr im quantitativen als im qualitativen Bereich:781 Auch bei letzterer ist die allgemeine Befolgung durch die Normadressaten Voraussetzung für die wirksame Kreation neuen Rechts. Während die Revolution aber auf die Entstehung einer ganz neuen Rechtsordnung gerichtet ist, kann sich der Rechtswandel durch die normative Kraft des Faktischen auch auf nur einzelne Gesetzesbestimmungen beschränken. Die sehr weitgehende Gleichsetzung von Verfassung und Verfassungswirklichkeit, die Jellinek vorgenommen hat, ist ein unter den Voraussetzungen des modernen Gesetzgebungsstaates schwer nachvollziehbarer Gedanke.782 Die Verfassung des Alten Reiches aber war von ihrer nur mühsamen Veränderbarkeit gekennzeichnet, so daß auf neue Entwicklungen oft nicht mit Verfassungsände778

Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 338. Allgemeine Staatslehre, S. 337 ff.; ders., Verfassungsänderung und Verfassungswandel, S. 3, 21 ff. In letzterer Schrift verwendet Jellinek für Veränderungen der Verfassung, die nicht auf dem formellen Wege erfolgen, den Begriff des „Verfassungswandels“ (a. a. O., S. 3). Zu Jellineks Schrift siehe Wolff, in: Paulson/Schulte, Georg Jellinek – Beiträge zu Leben und Werk, S. 133 (142); Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts II, S. 452 f. 780 Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandel, S. 23. 781 Dementsprechend begreift Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 347 ff., die Revolution als einen Unterfall der normativen Kraft des Faktischen. 782 Wolff, in: Paulson/Schulte, Georg Jellinek – Beiträge zu Leben und Werk, S. 133 (142). 779

B. Die Rechtswirksamkeit

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rungen reagiert wurde. Das hatte zur Folge, daß durch eine Wandlung der äußeren Umstände überholte Regeln oft einfach nicht mehr beachtet wurden. Im Ergebnis veränderten die Tatsachen damit die bestehende Verfassungslage, es wurde durch die normative Kraft des Faktischen neues Recht geprägt. Wenn Jellinek ihr auch diese Aufgabe gar nicht primär zugedacht hat, gelingt es seiner Theorie doch, Phänomene des Verfassungsrechts im Alten Reich zu erklären.783 Der Lehre von der normativen Kraft des Faktischen entsprechend ist eine Mindestvoraussetzung für die Rechtswirksamkeit eines von der verfassungsrechtlich vorgesehenen Lage abweichenden Zustands, daß er sich gefestigt und dauerhaft etabliert hat.784 Wie oben dargestellt, gab es gegen die Mediatisierung durch den Reichsdeputationshauptschluß keine Widerstände seitens der freien Reichsstädte. Die Landesherren der säkularisierten geistlichen Fürstentümer protestierten zwar schwach, stellten sich der Auflösung ihrer Territorien aber ebenfalls nicht entgegen.785 Auch die Bevölkerung der betroffenen Gebiete begrüßte den Herrschaftswechsel zwar selten, nahm ihn aber doch überall hin.786 Dies gilt für die unmittelbar im Reichsdeputationshauptschluß angeordneten Herrschafts- und Eigentumswechsel ebenso wie für die in dem Reichsgrundgesetz gar nicht vorgesehene Mediatisierung der Reichsritterschaft.787 Auch die Staatsrechtslehre hat sich mit den neu geschaffenen Verhältnissen schnell abgefunden. Dementsprechend setzte sich die neue Rechtslage im gesamten Alten Reich durch. Ein formales Fortbestehen der alten Herrschaftsverhältnisse entgegen der neuen faktischen Staatsmacht hätte zu einer unüberwindbaren Abweichung von 783 Dies demonstriert Jellinek anhand eines anderen Problems der alten Reichsverfassung, nämlich der Staatlichkeit der Territorien: Diese sei ursprünglich nicht vorhanden gewesen und erst im Laufe der Zeit aus der faktischen Stärke der Landesherrschaften heraus entstanden. Es handele sich damit um einen Vorgang der normativen Kraft des Faktischen; Allgemeine Staatslehre, S. 345 f. 784 Wie auch bei der Revolution, dazu BVerfGE 6, 309 (331); RGZ 100, 25 (27). 785 Siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 592. 786 v. Oer, in: Vierhaus, Eigentum und Verfassung, S. 193 (194); Oeter, Integration und Subsidiarität, S. 22; Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 455. Die meisten aufgeklärt-gebildeten Zeitgenossen waren über die Auflösung der geistlichen Territorien nicht weiter empört (Krüger-Löwenstein, Rußland, Frankreich und das Reich, S.118), während das „einfache Volk“ die Herrschaftssäkularisation allgemein mit Niedergeschlagenheit und sogar Angst aufnahm; Hersche, in: Schmidt, Stände und Gesellschaft im Alten Reich, S. 133 (148). 787 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (65). Zur Mediatisierung der Reichsritterschaft siehe oben, S. 80. Wer die Rechtswirksamkeit der Säkularisationen und Mediatisierungen mit dem angeblichen Revolutionscharakter des Reichsdeputationshauptschlusses begründet, vermag die Aufhebung der reichsritterlichen Hoheitsgewalt nicht für rechtswirksam zu erklären. Die Existenz der Reichsritterschaft wäre konsequenterweise durch die 1803 im Wege der Revolution neu geschaffene Staatsverfassung bestätigt und nicht beseitigt worden. Der eigentlich folgerichtige Schluß der Nichtigkeit aller im Rittersturm erfolgten Mediatisierungen wird dennoch soweit ersichtlich nicht gezogen.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

Recht und Wirklichkeit geführt, die das Funktionieren des Staates unmöglich gemacht hätte. Damit hat sich die durch den Reichsdeputationshauptschluß neu geschaffene Herrschaftsordnung effektiv und dauerhaft durchgesetzt. Sie wurde also aufgrund der normativen Kraft des Faktischen wirksam, obwohl sie rechtswidrig entstanden war. Zu fragen ist schließlich, ob die Rechtswirksamkeit neben der Verfassungsordnung auch die durch den Reichsdeputationshauptschluß geänderten zivilrechtlichen Verhältnisse erfaßte, insbesondere den Eigentumswechsel am Kirchengut. Die Säkularisation der Klöster, Abteien und Stifte wurde durch § 35 RDHS nicht unmittelbar angeordnet, sondern den Landesherren nur ermöglicht. Jedenfalls primär zielt Jellineks Lehre von der normativen Kraft des Faktischen nur auf Veränderungen der Verfassungslage, nicht aber des einfachen Rechts, was schon die von ihm gewählte Begrifflichkeit „Verfassungswandel“ verdeutlicht.788 Allerdings ist ein Auseinanderfallen von Recht und Wirklichkeit grundsätzlich bei einfach-gesetzlichen Rechtsverhältnissen ebenso zu befürchten wie im Verfassungsrecht. Das verdeutlicht die Situation im Vorfeld des Reichsdeputationshauptschlusses: Ein Verzicht der Territorialherren auf die Säkularisation war nicht zu erwarten; um die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen hätten sie sich kaum gekümmert. Wäre die geschaffene Tatsachenlage nicht rechtswirksam geworden, hätte erneut der dauerhafte Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Rechtslage gedroht, den es zu vermeiden galt. Darüber hinaus stand der Eigentumswechsel am Kirchengut zwar zu großen Teilen nicht in unmittelbarer, aber doch in mittelbarer Verbindung mit dem Reichsdeputationshauptschluß. Die Eigentumsverhältnisse wären mit der neuen Verfassung nicht mehr in Einklang zu bringen gewesen, wenn sie sich nicht mit ihr hätten ändern können. Daher umfaßt die normative Kraft des Faktischen auch einfaches Recht, das durch einen Verfassungswandel entstanden ist.789 Die Wirksamkeit der durch den Reichsdeputationshauptschluß getroffenen Regelungen erstreckte sich folglich nicht nur auf die Änderung der Herrschaftsverhältnisse, sondern auch auf den Übergang der Eigentümerpositionen etwa infolge der Säkularisation des Kirchenguts.790 Ergebnis: Der Reichsdeputationshauptschluß war im ganzen zwar formell rechtmäßig, aber materiell rechtswidrig. Seine Regelungen wurden indes durch die normative Kraft des Faktischen wirksam.

788 Gleiches gilt für Revolutionen; Stolleis, Art. Revolution, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 961 (964). 789 So für die Revolution Stolleis, Art. Revolution, in: Erler/Kaufmann, HRG IV, Sp. 961 (964). 790 Im Ergebnis ebenso Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 60; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 59.

B. Die Rechtswirksamkeit

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III. Spätere Unwirksamkeit aus der Säkularisation erwachsener staatlicher Verpflichtungen Da sich die Verhältnisse, die der Reichsdeputationshauptschluß geschaffen hatte, durch das Institut des Verfassungswandels etablieren konnten, muß auch ihre Abschaffung auf dem gleichen Wege möglich sein. Es stellt sich also die Folgefrage, ob die vor zwei Jahrhunderten begründeten Verbindlichkeiten aufgrund einer erneuten Wandlung der tatsächlichen Umstände inzwischen ganz oder teilweise aufgehört haben zu bestehen.791 Dabei sind weniger die Eigentumsverhältnisse am Kirchengut Gegenstand der heutigen Diskussion und schon gar nicht die Frage, welchem Hoheitsträger welches Gebiet zusteht. Aktuell umstritten sind vielmehr die Staatsleistungen an die großen Kirchen. Sie bilden nach Art und Umfang ein breites Spektrum, bestehend aus Geldzahlungen gleichermaßen wie aus Naturalleistungen und – praktisch besonders wichtig – aus Kirchenbaulasten.792 Die Staatsleistungen sind als Entschädigung für Säkularisationen entstanden, von denen die meisten durch den Reichsdeputationshauptschluß herbeigeführt wurden.793 Allerdings begründete dieses Reichsgrundgesetz kaum unmittelbare Ansprüche, sondern war wie oben ausgeführt zumeist nur der traditionelle Anknüpfungspunkt für die staatlichen Zahlungen an die Kirche.794 Konkretisiert und zu subjektiv-öffentlichen Rechten gefestigt wurden sie erst in der Folgezeit durch Verträge und Gesetze. Wo der Reichsdeputationshauptschluß tatsächlich einmal eine konkrete Anspruchsgrundlage für die Kirchen bot, etwa hinsichtlich von Pensionszahlungen oder der Ausstattung der Domkirchen, sind die Ansprüche inzwischen durch den Tod der persönlich Berechtigten oder durch Novation vollständig erloschen (dazu sogleich).795 Es stellt sich also die Frage nach der Fortgeltung später eingegangener staatlicher Verpflichtungen und nicht nach einer eventuellen Unwirksamkeit des ursprünglich durch den Reichsdeputationshauptschluß gesetzten Rechts. Im Kern ist der Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit nicht mehr betroffen; daher soll auf die Problematik auch nur kursorisch eingegangen 791 Vgl. BVerwGE 28, 179 (182), für eine 1711 begründete Kirchturmbaulast; OVG Münster, ZevKR 15 (1970), 275. Offengelassen dagegen von BVerwGE 38, 76 (81 ff.) für den Fall einer Anfang des 18. Jahrhunderts begründeten Kirchenbaulast. 792 Czermak, DÖV 2004, S. 110 (111); Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 28. Ausführlich zu den Kirchenbaulasten Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden. 793 Baldus, JR 1970, S. 52 (53); Gutmann, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1209 (1210); Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 54; Solte, Art. Staatsleistungen, in: v. Campenhausen/Riedel-Spangenberger/Sebott, Lexikon für Kirchen- und Staatskirchenrecht III, S. 593 (593); Wehdeking, Die Kirchengutsgarantien, S. 4. 794 Siehe oben, S. 77. 795 de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (66).

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

werden. Ein Erlöschen staatlicher Verpflichtungen gegenüber der Kirche kommt unter zwei Gesichtspunkten in Betracht. Zum einen könnten sie durch neues Recht abgeschafft worden sein, zum anderen könnte die Wandlung der äußeren Umstände zu einer Veränderung der Rechtslage geführt haben. 1. Die Ablösung staatlicher Verpflichtungen per Gesetz Bereits die Weimarer Reichsverfassung erteilte dem Gesetzgeber den Auftrag, alte staatliche Leistungspflichten den Kirchen gegenüber abzulösen, also gegen Entschädigung zu beenden (Art. 138 Abs. 1 WRV).796 Diese Direktive ist gem. Art. 140 GG unverändert in das heutige Verfassungsrecht übernommen worden. Trotzdem sind entsprechende Ablösungsgesetze bis dato nicht erlassen worden,797 und es sind zur Zeit auch keine derartigen Ambitionen erkennbar.798 Selbst wenn die Ignorierung des in Art. 138 Abs. 1 WRV ausgesprochenen Auftrags verfassungswidrig sein sollte,799 folgt daraus keine automatische Ablösung der staatlichen Leistungspflichten. Wenn die Verfassung in Art. 138 Abs. 1 S. 1 WRV den Gesetzgeber zur Ablösung bestehender Staatsleistungen auffordert, zeigt sie damit zwar den Wunsch zur Neuregelung der kirchlichen Alimentierung, bestätigt aber zugleich die alten staatlichen Verpflichtungen so lange, bis dem Verfassungsauftrag nachgekommen wird.800 Jedenfalls eine allgemeine Aufhebung der infolge der Säkularisation entstandenen Verpflichtungen per Gesetz ist nicht erfolgt. In der Praxis haben sich Länder und Gemeinden bisweilen dadurch beholfen, daß sie in Einzelfällen im Konsens mit den Kirchen alte Rechtspflichten abge796 Brauns, Staatsleistungen, S. 65; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 350; Korioth, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 140 GG/Art. 138 WRV Rdnr. 11; Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 20; Wolff, ZRP 2003, S. 12 (13). Streitig ist für diesen Fall, inwieweit die Ablösungssumme einer vollen oder nur einer angemessenen Entschädigung entsprechen muß; dazu Czermak, DÖV 2004, S. 110 (114 f.); Isensee, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 1009 (1035 f.); Korioth a. a. O.; Morlok a. a. O. 797 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 330; Isensee, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 1009 (1043); Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 21. 798 Czermak, DÖV 2004, S. 110 (113). 799 So Jarass, in: ders./Pieroth, Grundgesetz, Art. 140 GG/Art. 138 WRV Rdnr. 1; Czermak, DÖV 2004, S. 110 (113); a. A. Korioth, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 140 GG/Art. 138 WRV Rdnr. 3 Fußn. 9. 800 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz III, Art. 138 WRV Rdnr. 7; Hammer, ZRP 2003, S. 298 (298); Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 349; Lindner, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 317 (323); Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 13, 24; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (153); Wolff, ZRP 2003, S. 12 (13); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (73 f.); a. A. Sailer, ZRP 2001, S. 80 (83); Renck, DÖV 2001, S. 103 (105).

B. Die Rechtswirksamkeit

231

löst haben, selbstverständlich unter Zahlung entsprechender Entschädigungen.801 Obwohl dieses Vorgehen im Hinblick auf den in Art. 138 Abs. 1 WRV normierten Gesetzgebungsvorbehalt rechtlich nicht unbedenklich ist, wird es überwiegend für zulässig erachtet, so daß insoweit staatliche Leistungspflichten erloschen sind.802 Für die zahlreichen anderen Verpflichtungen bleibt die Problematik dagegen weiter bestehen. 2. Unwirksamkeit bestehender Pflichten aufgrund geänderter Tatsachenlage Die umfangreichen finanziellen Zuwendungen des Staats an die Kirchen, die oft konkreter Rechtsgrundlagen entbehren, stellen einen besonders unübersichtlichen Teil staatlicher Ausgaben dar. In die heutige Zeit der – vor allem von Brüssel geforderten803 – Subventionsbegrenzungen wollen sie nicht recht passen. Auch die Frage einer ungerechtfertigten Bevorzugung der etablierten Großkirchen gegenüber in Deutschland neuen Glaubensrichtungen stellt sich immer dringlicher.804 Zudem ist fraglich, ob die Staatsleistungen ihren eigentlichen Sinn und Zweck, Ersatz für Säkularisationen zu bieten805, nach über 200 Jahren (manchmal sogar nach noch deutlich längerer Zeit) nicht längst erfüllt haben. Den jahrhundertealten Verpflichtungen von Staatsleistungen an die Kirchen ist ein gewisser Anachronismus nicht abzusprechen. Die rechtspolitische Forderung, den seit 1919 geltenden Verfassungsauftrag ernst zu nehmen und endlich mit einer Ablösungsgesetzgebung zu beginnen,806 ist daher mehr als berechtigt. De lege lata ist diese Zielvorstellung dagegen irrelevant. Für die bestehende Rechtslage kommt es lediglich darauf an, ob die Veränderung der äußeren Umstände eine Aufhebung bestehender Staatsleistungspflichten zur Folge hatte. 801 Baldus, JR 1970, S. 52 (55); Czermak, DÖV 2004, S. 110 (113); Korioth, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 140 GG/Art. 138 WRV Rdnr. 12; Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 21. 802 Czermak, DÖV 2004, S. 110 (113). Ausführlich Wehdeking, Die Kirchengutsgarantien, S. 122 ff. 803 Da die Kirchen auf zahlreichen Betätigungsfeldern im Wettbewerb mit Privaten stehen, kommt ein Verstoß gegen das europäische Beihilfenrecht in Betracht; vgl. Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 374; Link, ZevKR 42 (1997), S. 130 (138); Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 8. 804 Czermak, DÖV 2004, S. 110 (115); Renck, BayVBl. 2001, S. 513 (514); ders., DÖV 2003, S. 526 (533); Sailer, ZRP 2001, S. 80 (86). Zur Frage der Vereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG siehe Lindner, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 317 (320 ff.) m. w. Nachw. 805 Ehlers, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 2; Morlok, in: Dreier, Grundgesetz III, Art. 140/Art. 138 WRV Rdnr. 2; Wolff, ZRP 2003, S. 12 (12). 806 So etwa v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 335; Czermak, DÖV 2004, S. 110 (115 f.); Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 350; Sailer, FR vom 12.6.2001, S. 7; ders., ZRP 2001, S. 80 ff.

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

a) Vertragliche Verpflichtungen Wie in § 60 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) ausdrücklich normiert, geht das heutige Recht für den Bereich der öffentlich-rechtlichen Verträge von der Geltung der „clausula rebus sic stantibus“ aus. Jeder Verwaltungsvertrag wird unter dem stillschweigenden Vorbehalt geschlossen, daß sich die Umstände nicht wesentlich ändern. Sollte dies eintreten, ist der Vertrag kündbar oder kann zumindest an die neuen Verhältnisse angepaßt werden. Da § 60 der VwVfGe der Länder analog auch auf Verträge anwendbar ist, die vor Inkrafttreten dieser Gesetze abgeschlossen worden sind,807 kommt grundsätzlich ein staatliches Kündigungsrecht von vertraglich vereinbarten Leistungen der öffentlichen Hand in Betracht. Dabei bedarf es allerdings einer sorgfältigen Untersuchung im Einzelfall, ob tatsächlich die wesentliche Grundlage des Vertrags entfallen ist. Weil es sich um eine Ausnahme vom allgemeinen Rechtsgrundsatz „pacta sunt servanda“ handelt, müssen hier strenge Anforderungen gestellt werden.808 Hat sich etwa eine Kommune einst zu Zahlungen an die Kirche verpflichtet, um den Unterhalt des als Wohnung für den Gemeindepfarrer dienenden Pfarrhauses zu unterstützen, kommt ein Kündigungsrecht in Betracht, wenn die Pfarrstelle nicht mehr besetzt wird. Entsprechend kann sich der Staat von Kirchenbaulasten nur befreien, wenn das Gotteshaus nicht mehr als solches genutzt wird. Der bloße Rückgang der Zahl der Gottesdienstbesucher läßt dagegen die Vertragsgrundlage nicht entfallen. Insgesamt dürfte in den meisten Fällen keine wesentliche Änderung der bei Vertragsschluß mitberücksichtigten Umstände vorliegen. Außerhalb eines kleinen Ausnahmebereichs kann es daher zu keiner einseitigen Aufhebbarkeit vertraglicher Verpflichtungen von Bund, Ländern oder Gemeinden wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage kommen.809 b) Verpflichtungen durch Rechtsnormen Eine Nichtigkeit nach dem Rechtsgedanken des § 60 VwVfG ist ohnehin nur für vertraglich vereinbarte Staatsleistungen denkbar, nicht für Verpflichtungen, die auf Rechtsnormen beruhen.810 Zu diesen zählen Gesetze im heutigen Sinne, 807 Die Ansicht Lindners, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 317 (327), der von einer unmittelbaren Geltung ausgeht, berücksichtigt indes den Grundsatz der Unanwendbarkeit der §§ 54 ff. VwVfG für Verträge nicht, die vor Inkrafttreten des Gesetzes im Jahre 1977 geschlossen wurden, vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 54 Rdnr. 3. 808 Vgl. VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 1230 (1231), für den Fall einer Kirchturmbaulast. 809 Ausführlich Germann, BayVBl. 1998, S. 422 ff.; Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 231 ff.; ders., in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 317 (326 ff.); Renck, BayVBl. 2001, S. 513 (516 ff.); ders., DÖV 2001, S. 103 (107 ff.).

B. Die Rechtswirksamkeit

233

aber auch gewohnheitsrechtlich entstandene Normen (Observanz).811 Allgemeine Rechtssätze können normalerweise nicht durch eine Veränderung der Tatsachenlage unwirksam werden. Einen der seltenen Ausnahmefälle kann es nur geben, wenn den neuen – eigentlich rechtswidrigen – Umständen allgemein Folge geleistet wird, so daß das ursprünglich geltende Recht faktisch obsolet wird. Die Tatsachen müssen also die Normlage prägen. Es handelt sich dann um einen Fall der normativen Kraft des Faktischen,812 die allerdings genau entgegengesetzt wirkt als beim Reichsdeputationshauptschluß von 1803. Diesmal läßt sie keine rechtswidrigen Normen wirksam werden, sondern führt zur Unwirksamkeit einstmals rechtmäßig eingegangener gesetzlicher Verpflichtungen. Hier zeigt sich allerdings die verfassungsrechtliche Problematik, die einem Verfassungswandel durch die normative Kraft des Faktischen in der heutigen Zeit mit ihrem nahezu vollständig kodifizierten Recht und der Möglichkeit seiner effektiven Durchsetzung innewohnt. Unstrittigerweise unterfallen alle wohlerworbenen Rechte der Kirchen dem Schutzbereich des Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV, also auch die ihnen als Ausgleich für Säkularisationen zugebilligten Entschädigungsansprüche.813 Es handelt sich um eine nur sprachlich modifizierte Wiederholung des Regelungsgehalts von § 63 RDHS.814 Wenn also die vermögenswerten Rechte der Kirchen sogar vor einem ersatzlosen Entzug durch den demokratisch legitimierten Gesetzgeber geschützt sind, bedeutete es nicht nur einen Verstoß gegen Art. 140 GG i.V. m. Art. 138 Abs. 2 WRV815, sondern auch gegen das Rechtsstaatsprinzip gem. Art. 20 Abs. 3 GG, wenn sie durch eine Wandlung der tatsächlichen Umstände still verschwinden könnten.816 Denkbar wäre nun nur noch ein Verfassungswandel, der die Kirchengutsgarantie des Grundgesetzes wirksam abgeschafft hat. Ein Blick auf die Wirklichkeit zeigt aber schnell die erheblichen Unterschiede zu der Situation, die Jellinek seinerzeit bei der Entwicklung seiner Theorie von der normativen Kraft des Faktischen vor Augen hatte. Der Wegfall des ursprünglichen Grundes zum Erlaß eines Gesetzes mag den Gesetzgeber zum Tätigwerden animieren, begründet aber noch keine Nichtigkeit der Norm.817 So kann die Erschließung neuer Einnahmequellen, insbesondere die heute recht üppig fließende Kirchensteuer, die 810 Frisch, ZevKR 44 (1999), S. 244 (251); Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 266. 811 Baldus, JR 1970, S. 52 (53). 812 BVerwGE 28, 179 (182). 813 VerfGH NRW, ZevKR 27 (1982), S. 396 (399); BVerwG, ZevKR 24 (1979), S. 398 (401); ZevKR 29 (1984), S. 626 (627); ZevKR 36 (1991), S. 56 (62). 814 v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz III, Art. 138 WRV Rdnr. 30; Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (153). 815 Kästner, JuS 1995, S. 784 (787). 816 VGH München, ZevKR 19 (1974), S. 169 (179); Baldus, JR 1970, S. 52 (54); a. A. BVerwGE 28, 179 (182).

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2. Teil: Rechtliche Würdigung des Reichsdeputationshauptschlusses

Staatsleistungen für die Kirchen weniger essentiell werden lassen als zur Zeit ihrer Begründung; selbständig Rechtsnormen zum Erlöschen bringen kann sie nicht.818 Fehlende Zeitgemäßheit begründet noch keinen Verfassungswandel. Voraussetzung ist vielmehr ein Auseinanderfallen von Normen und Wirklichkeit, in concreto also eine dauernde Weigerung des Staats, kirchliche Verpflichtungen zu erfüllen. Bund, Länder und Gemeinden erkennen aber im großen und ganzen die gegen sie gerichteten kirchlichen Ansprüche an; manchmal erklären sie sich sogar aus Gefälligkeit oder dem Gefühl rein moralischer Verpflichtung dazu bereit, für Unkosten der Kirchen aufzukommen.819 Zwar mögen sie sich im Einzelfall vor Gericht gegen Staatsleistungen wehren; bei für sie negativer Entscheidung kommen sie aber ihren Verpflichtungen stets nach. Damit hat sich keine der Rechtslage entgegenstehende Praxis gebildet, die für eine Schaffung neuen Rechts im Wege des Verfassungswandels erforderlich wäre.820 Es hat sich im Ergebnis also gezeigt, daß – unbeschadet von Besonderheiten im Einzelfall821 – die als Entschädigung für die Säkularisationen entstandenen Pflichten zu Staatsleistungen an die Kirchen nicht durch die Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse weggefallen sind, also allesamt nach wie vor bestehen. Diese Linie hat sich zu Recht in Rechtsprechung822 und Literatur823 durchgesetzt.

817 Baumeister, Das Rechtswidrigwerden von Normen, S. 311; Germann, BayVBl. 1998, S. 422 (427 f.); Scheuner, ZevKR 14 (1968/1969), S. 353 (357); Schmidt-Jortzig, Rechtstheorie 12 (1981), S. 395 (401). 818 BVerwGE 38, 76 (81); VGH Kassel, ZevKR 19 (1974), S. 166 (168); VGH München, ZevKR 19 (1974), S. 169 (177 f.); v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Grundgesetz III, Art. 138 WRV Rdnr. 28; Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 267 i.V. m. S. 240. Anders läßt sich noch OVG Münster, ZevKR 15 (1970), S. 275 (280), interpretieren. 819 Sailer, ZRP 2001, S. 80 (82). 820 Baldus, JR 1970, S. 52 (54). 821 BVerwG, ZevKR 27 (1982), S. 400 (401). Solch ein Ausnahmefall lag der Entscheidung VGH Kassel, NVwZ 1996, S. 1227 ff., zugrunde. 822 BVerwG, ZevKR 24 (1979), S. 398 ff.; VGH Mannheim, NVwZ 1996, S. 1230 (1231); VGH München, ZevKR 19 (1974), S. 169 (178 f.); KirchE 32, 354 (357); OVG Münster, KirchE 21, 181 (191 f.); KirchE 21, 193 (206). Zahlreiche weitere Nachweise bei v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz III, Art. 138 WRV Rdnr. 28 Fußn. 18. Anders noch BVerwGE 28, 179 (182); OVG Münster, ZevKR 15 (1970), S. 275 (280). Eine inhaltliche Zusammenfassung der wesentlichen Rechtsprechung zu dieser Frage findet sich bei Böttcher, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR II, S. 19 (41). 823 Baldus, JR 1970, S. 52 (54); v. Campenhausen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz III, Art. 138 WRV Rdnr. 28; Frisch, ZevKR 44 (1999), S. 244 (257); Germann, BayVBl. 1998, S. 422 (427); Lindner, Baulasten an kirchlichen Gebäuden, S. 266.

Dritter Teil

Die verfassungsgeschichtliche Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses Der Reichsdeputationshauptschluß blieb bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches als Reichsgrundgesetz in Kraft, also gerade einmal drei Jahre. In Form von Landesrecht galt er jedoch nach 1806 weiter,1 was für die Rheinbundstaaten in Art. 2 S. 2 der Rheinbundakte vom 12. Juli 18062 auch ausdrücklich festgelegt wurde.3 Seine Auswirkungen auf das deutsche Staatsleben und die weitere Verfassungsentwicklung gehen aber weit über seinen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus. Der Reichsdeputationshauptschluß würde zu Unrecht als eines der wichtigsten Reichsgrundgesetze eingestuft, ließe sich seine Bedeutung auf einzelne Aspekte reduzieren. Er beendete jahrhundertealte Traditionen und markierte zugleich den Ausgangspunkt für neue Entwicklungslinien.4 Wie die meisten im Rückblick als grundlegend zu bezeichnenden Gesetze von Verfassungsrang hatte er äußerst vielschichtige Auswirkungen. Die offen zutage tretenden gebietsrechtlichen Veränderungen und ihre unmittelbaren Folgen im Bereich von Staatsaufbau und -organisation (A.) machen nur einen Teil der Bedeutung dieses letzten Reichsgrundgesetzes aus. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß fast alle Bereiche des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens nachhaltig betroffen 1 RGZ 101, 10 (17); v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 32; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 60; Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 165; Niedner, Die Ausgaben des preussischen Staats, S. 139; Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 26; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (357). Unpräzise insoweit Schmid, Die Säkularisation der Klöster in Baden, S. 324, der den Reichsdeputationshauptschluß in der Zeit nach 1806 als von den Ländern anerkannte reichsrechtliche Quelle bezeichnet. 2 Text in französischer Sprache bei Huber, Dokumente I, Nr. 2 (S. 28 ff.); in französischer und deutscher Sprache bei Hofmann, Quellen, Nr. 69 (S. 374 ff.); Dürig/Rudolf, Texte zur deutschen Verfassungsgeschichte, Nr. 1 (S. 1 ff.); Kotulla, Deutsches Verfassungsrecht I, Nr. 4 (S. 497 ff.); Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 413 ff.; Zeumer, Quellensammlung, Nr. 214 (S. 532 ff.); sowie auszugsweise bei Hufeld, Der Reichsdeputationshauptschluss, Nr. 14 (S. 134 ff.). 3 Es handelt sich damit um eine Ausnahme des in Art. 2 S. 1 der Rheinbundakte festgeschriebenen Grundsatzes der Nichtweitergeltung aller Reichsgesetze. Dies übersieht Schultze, Die Rechtslage der evangelischen Stifter, S. 16, der den Reichsdeputationshauptschluß als in den Rheinbundstaaten unanwendbar bezeichnet. 4 Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (362).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

waren. Das führte auch zu konkreten Veränderungen für die Rechtspositionen der einzelnen Bürger. Die historische Bedeutung dieser Neuerungen, deren Auswirkungen sich oft noch heute zeigen, steht den staatsorganisatorischen in nichts nach (B.).

A. Die staatsorganisatorischen Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses Die Veränderungen auf der politischen Landkarte sind die am deutlichsten sichtbaren Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses. Aus den einstmals etwa 1800 reichsunmittelbaren Herrschaften waren gerade einmal knapp über 30 geworden.5 Das war eine territoriale Umgestaltung bisher ungekannten Ausmaßes,6 die bis zum Zweiten Weltkrieg die umfänglichste Gebietsveränderung in Deutschland bleiben sollte.7

I. Schwächung der alten Reichsstruktur Eine wesentliche Folge des Reichsdeputationshauptschlusses war die Zerstörung der aus dem Mittelalter stammenden Reichsstruktur. Das Prädikat der Heiligkeit hatte die Verfassung des Reiches in eine über dem Recht gewöhnlicher Staaten schwebende Sphäre gehoben.8 Was heilig war, konnte nicht angetastet geschweige denn aufgelöst werden, sondern war unangreifbar.9 Dadurch wurde eine Reaktion der Zentralebene auf veränderte Verhältnisse schon aus theoretischen Gründen unmöglich; zwangsläufige Folge war der Stillstand. Mit der Vertreibung der Kirche von der weltlichen Macht durch die Säkularisation ging eine Entsakralisierung der überhöhten Reichsidee einher. Dementsprechend benutzte der Reichsdeputationshauptschluß nur noch die Bezeichnung „Deutsches Reich“; die Illusion seiner Heiligkeit war aufgegeben.10 Darüber hinaus waren dem Reich mit der Reichskirche und großen Teilen des reichsunmittelbaren Adels seine treuesten Verteidiger genommen worden; die Herrschaftsgrundlage der vergangenen Jahrhunderte war weggefallen.11

5

Müller, Schlaglichter, S. 136. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 165. 7 Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (363); Schroeder, JuS 1989, S. 351 (354). 8 Stern, Staatsrecht V, S. 49. 9 Hattenhauer, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 125 (141). 10 Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 161. 11 Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (56); Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 68; Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (77). 6

A. Die staatsorganisatorischen Auswirkungen

237

Aus diesem Grund galt unter Historikern lange als ausgemacht, daß der Reichsdeputationshauptschluß faktisch das Ende des Heiligen Römischen Reiches bereits unabwendbar eingeläutet hatte und die Reichsauflösung drei Jahre später nur noch ein rein formaler Akt war.12 Bezeichnenderweise ist in der Forschung kaum die Frage diskutiert worden, warum das Reich zu Beginn des 19. Jahrhunderts unterging, sondern vornehmlich, warum es sich so lange halten konnte.13 Diese Einschätzung fand sich vereinzelt auch schon unter den Zeitgenossen. „Deutschland ist kein Staat mehr“ schrieb der junge Hegel als Reaktion auf den Lunéviller Friedensvertrag 1801,14 und auch ein Bericht an Karl Friedrich von Baden beschreibt im selben Jahr die Unabwendbarkeit des Umsturzes der alten Reichsverhältnisse.15 Die weit überwiegende Mehrheit der damaligen Bevölkerung schien allerdings 1803 noch nicht mit der völligen Auflösung des Reichsverbands zu rechnen, und auch die Staatsrechtslehre ahnte das baldige Ende des Reiches nicht voraus.16 Der Reichsdeputationshauptschluß beschränkte sämtliche Veränderungen auf die Notwendigkeiten, die das Entschädigungswerk mit sich brachte; die Reichsorgane blieben fortbestehen.17 Vom heutigen Standpunkt aus läßt sich die Prognose wagen, das Reich habe in dem Zustand von 1803 eine realistische Überlebenschance gehabt, die letztlich nur durch die spätere Expansionspolitik Napoleons vereitelt wurde.18 Angesichts dessen muß die These in Frage gestellt werden, daß der Verfall des Heiligen Römischen Reiches nach 1803 bereits sicher gewesen sei.19 Wenn auch der Reichsdeputationshauptschluß nicht zwangsläufig das Ende des Heiligen Römischen Reiches vorausbestimmte, so mußte er doch das Reichsleben erheblich verändern. Er hob die anachronistischen und von der Wirklichkeit längst überholten Elemente der alten Reichsverfassung auf,20 was

Schon in der Zeit vor dem Reichsdeputationshauptschluß wurde prognostiziert, das Ende der geistlichen Staaten werde auch zur Auflösung des Reichsverbands führen; vgl. Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 72 f. 12 Etwa Brandt, in: ders., An der Schwelle zur Moderne, S. 5 (11); Elicker, JA 2003, S. 995 (999); Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 71; Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (8); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (2); Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht I, S. 140; Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts I, S. 261; Zuck, MDR 1987, S. 286 (287). 13 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 77. 14 Siehe schon oben, Zweiter Teil, Fußn. 271. 15 Vgl. v. Aretin, Heiliges Römisches Reich I, S. 461. 16 Dazu oben, S. 225. 17 Vgl. schon oben, S. 225. 18 Schindling, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 69 (91). 19 So auch Angermeier, ZRG Germ. Abt. 107 (1990), S. 19 (23); Härter, GWU 2003, S. 484 (485); Schroeder, JuS 2006, S. 577 (580).

238

3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Grundvoraussetzung für eine realistischere Politik angesichts der völlig veränderten äußeren Verhältnisse in Europa war. Dadurch schuf er zugleich die Grundlage für den Aufbau einer neuen Verfassungsordnung.21

II. Stärkung moderner Staatlichkeit auf der Territorialebene Der Reichsdeputationshauptschluß beschränkte sich nicht auf die Zerstörung alter Strukturen, sondern gab bereits die Richtung der Weiterentwicklung vor. In den Gliedstaaten entstand ein dringender Änderungsbedarf der Staats- und Verwaltungsorganisation, denn die herkömmliche durch Partikularismus und ständische Privilegien geprägte Verwaltungsstruktur war nun weggefallen.22 Auch der zum Teil erhebliche Gebietszuwachs zwang zu Verwaltungsreformen, um die alten mit den neu hinzugekommenen Territorien zu einer staatlichen Einheit verschmelzen zu können.23 So erprobte der Freiherr vom Stein, 1802/ 03 mit der Eingliederung von Entschädigungslanden in Preußen beauftragt, erstmals hier seine Staats- und Justizreformen,24 die später auch im Kernland umgesetzt wurden und zu umwälzenden Veränderungen führten.25 Schließlich wurden auch die gedanklichen Grundlagen für die Entwicklung moderner Staatlichkeit gelegt. Die Schaffung größerer und leistungsfähiger Staaten gab erst den Weg für den Gedanken der uneingeschränkten Landessouveränität frei. Es ist kein Zufall, daß das erste staatsrechtliche Werk, in dem das Heilige Römische Reich aus staatenbündischem Blickwinkel betrachtet wurde, im Jahre 1804 erschien.26

III. Entstehung des Föderalismus Die Zusammenfügung kleinerer Machteinheiten zu größeren und die endgültige Schwächung des Reiches bis zur Bedeutungslosigkeit hatte die Entwicklung 20

v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 181. Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 253; v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 181. 22 Schroeder, JuS 1989, S. 351 (354 f.). 23 Andreas, Das Zeitalter Napoleons, S. 297; Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (164); Fenske, Der moderne Verfassungsstaat, S. 190; Knemeyer, in: Jeserich/Pohl/v. Unruh, Deutsche Verwaltungsgeschichte II, S. 182. 24 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 69. 25 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 189 ff.; Nolte, Staatsbildung als Gesellschaftsreform, S. 28 ff. 26 „Geist der neuesten Deutschen Reichsverfassung“ von Karl Solomo Zachariä; siehe oben, Zweiter Teil, Fußn. 280. Dazu Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 136 f. 21

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

239

einzelner, völlig unabhängiger Mittelstaaten zur Folge. Daraus ist in der historischen Forschung der Schluß gezogen worden, der Reichsdeputationshauptschluß habe einen Rückschritt auf dem Weg Deutschlands zum modernen Föderalstaat bedeutet.27 Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, daß das Gegenteil der Fall war. Die Schaffung eines Nationalstaats war schon durch die gesamteuropäische Entwicklung vorgegeben und wäre in Deutschland wohl auch ohne die territorialen Veränderungen durch den Reichsdeputationshauptschluß früher oder später erfolgt.28 Hätte aber die Vielzahl der schwachen Kleinstaaten fortbestanden, wäre es den beiden großen deutschen Mächten Preußen und Österreich gelungen, die kleinen Gebiete zu annektieren und zu einem zentralistischen Staat zusammenzuschweißen, wie er in Frankreich seit langem bestand.29 Durch die Schaffung neuer, lebensfähiger Mittelstaaten war dagegen gewährleistet, daß sich der zukünftig entstehende deutsche Nationalstaat aus ihrer Mitte bilden würde.30 Er konnte damit nicht zentralistisch, sondern nur föderalistisch aufgebaut sein.31 In der Tat ist der Föderalismus zum zentralen deutschen Staatsprinzip geworden, das auch der Nationalsozialismus mit seiner für die deutsche Geschichte atypischen Gleichschaltung von Ländern und Reich32 nicht dauerhaft beseitigen konnte und das mit Inkrafttreten des Grundgesetzes gem. Art. 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG zu einem unabänderlichen Verfassungsprinzip geworden ist.

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen Neben den Folgen für die Staatsstruktur hatte der Reichsdeputationshauptschluß auch beachtliche Auswirkungen auf das gesamte Staats- und Gesellschaftsleben, die kaum einen Einwohner unberührt gelassen haben dürften.

27

v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 181. Droysen, Vorlesungen über die Freiheitskriege II, S. 130. 29 Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 398; Grzeszick, Vom Reich zur Bundesstaatsidee, S. 137. 30 Elicker, JA 2003, S. 995 (999); Freund, Napoleon und die Deutschen, S. 22; Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (87); Klueting, in: Berding/Ullmann, Deutschland zwischen Revolution und Restauration, S. 184 (201); Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (10, 21); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (21). Auch von Zeitgenossen ist diese Entwicklung vorausgeahnt und begrüßt worden; Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 33 f. 31 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (201); Nipperdey, Nachdenken über die deutsche Geschichte, S. 82. 32 Dazu Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 577 ff.; Stern, Staatsrecht V, S. 784 ff.; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 387 f. 28

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

I. Das Verhältnis von Staat und Kirche Der Reichsdeputationshauptschluß griff in den Bereich des Staatskirchenrechts, also das Recht zur Regelung des Verhältnisses von Staat und Kirche, so weitgehend ein wie in kein anderes Gebiet (1.).33 Die gesellschaftliche Institution, welche die Folgen des Reichsdeputationshauptschlusses am stärksten zu spüren bekam, war unzweifelhaft die Reichskirche. Auch innerkirchliche Veränderungen waren nun in einem Ausmaß unvermeidbar geworden, das die Säkularisation von 1803 zum einschneidendsten Ereignis der deutschen Kirchengeschichte macht (2.).34 1. Die Entstehung des Staatskirchenrechts Das Verhältnis der staatlichen zur kirchlichen Gewalt bildete ein Grundproblem der abendländischen Staaten. Im Heiligen Römischen Reich des Mittelalters versuchte man es mit der aus einer Stelle im Lukas-Evangelium (Lk 22, 38) entwickelten Zweischwerterlehre zu erfassen. Gott habe den Menschen zwei Schwerter verliehen: Eines streite für das Seelenheil der Menschheit, das andere gewährleiste den Erhalt der irdischen Reiche. Das erste Schwert interpretierte man als Sinnbild der kirchlichen Gewalt, das zweite sollte die staatliche Gewalt symbolisieren.35 Streit herrschte nur darüber, ob nun das Kirchenregiment dem staatlichen übergeordnet sei, weil es das höhere Ziel verfolge, oder ob beide gleichrangig nebeneinander bestanden.36 Die Legitimität weltlicher Herrschaft durch Gott und der damit verbundene Anspruch der Kirche, auf politische Entscheidungen Einfluß zu nehmen, waren jedenfalls allgemein anerkannt.37 Das Rechtsgebiet Staatskirchenrecht, das die staatliche Kompetenz zur Schaffung religionsbezogener Regelungen voraussetzt,38 existierte noch nicht. Doch begann der Einfluß der weltlichen Herrschaften auf die Kirche bereits weit vor dem 16. Jahrhundert zu wachsen, was durch ein geschwächtes Papsttum begünstigt wurde.39 Die Reformation brachte dann eine verstärkte Abhän33 Hoke, Österreichische und deutsche Rechtsgeschichte, S. 286; Jeand’Heur/Korioth, Grundzüge des Staatskirchenrechts, Rdnr. 23. 34 Erler, Kirchenrecht, S. 21. 35 Gmür/Roth, Grundriss der deutschen Rechtsgeschichte, Rdnr. 114; Mikat, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 111 (128 f.). 36 Mikat, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 111 (128 f.); Wesel, Geschichte des Rechts, S. 304 f.; Zippelius, Staat und Kirche, S. 59 ff. 37 Hartung, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 142; Hattenhauer, in: Brauneder, Heiliges Römisches Reich, S. 125 (148). 38 Pirson, in: Listl/ders., HdbStKirchR I, S. 3 (4). 39 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 10.

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

241

gigkeit der Kirche von den Staaten mit sich. Dies galt zu allererst für die Protestanten, die ihren weltlichen Führungsanspruch ausdrücklich aufgaben, aber auch für die Katholiken, die sich an die Fürsten binden mußten, um den verbliebenen Besitzstand zu wahren.40 Diese Entwicklung intensivierte schließlich der Absolutismus mit seiner Theorie des unbeschränkten landesfürstlichen Herrschaftsanspruchs, der sich auf alle Lebensbereiche und damit auch auf die Religionsgemeinschaften erstreckte.41 Die in der Praxis schon lange bestehende Unterordnung der Kirche unter die weltliche Macht trieb der Reichsdeputationshauptschluß weiter auf die Spitze.42 Zum einen bedingte schon die weitgehende Auflösung der geistlichen Reichsstände einen Abschied von ihren Einflußmöglichkeiten auf die Politik. Zum anderen brachten Regelungen wie § 35 und § 42 RDHS, die kirchliche Einrichtungen unter die Aufsicht des Staates stellten und ihr Fortbestehen oft ganz vom Willen des Territorialherrn abhängig machten, die Unterordnung der Kirche unter das Staatswesen zum Ausdruck. Damit konnten die weltlichen Herrschaften den Religionsgemeinschaften rechtliche Vorgaben machen; es ergab sich zwangsläufig ein Regelungsbedürfnis für das Gebiet des Staatskirchenrechts.43 Die seinerzeit begründete Zuständigkeit der Länder für dieses Rechtsgebiet hat sich im Grundsatz bis heute erhalten.44 Die Kirchen sahen sich in der Folgezeit mit recht detaillierten Regelungen konfrontiert, die vor allem in dem Bestreben begründet waren, eine Art katholisches Staatskirchentum in Analogie zum protestantischen zu schaffen.45 So durfte in Hessen-Darmstadt kein katholischer Religionsangehöriger mehr direkte Eingaben an die Kurie richten, sondern mußte sie dem hessischen Residenten in Rom zusenden, der sie nach entsprechender Prüfung weiterleitete.46 Württemberg gefiel es, in den Frauenklöstern die Abschaffung der lateinischen Sprache für die Breviergebete anzuordnen, um die Augen der Klosterfrauen zu schonen, und exakte Ausgabengrenzen für Meßwein, Hostien und Weihrauch 40

v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 25. Siehe oben, S. 151. 42 Gönner, Teutsches Staatsrecht, S. 691; Hausberger, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 35 (51); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (58). 43 Pirson, in: Listl/ders., HdbStKirchenR I, S. 3 (4). Der Begriff „Staatskirchenrecht“ wurde um 1800 allerdings nur sporadisch verwendet. Er begann sich erst Ende des 19. Jahrhunderts durchzusetzen; de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (5). 44 Krings, JZ 2003, S. 173 (177); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (43); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (58). 45 de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (10). Dieser Versuch sollte allerdings im Ergebnis scheitern; de Wall a. a. O., S. 11. 46 Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 257. 41

242

3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

festzusetzen.47 In anderen Staaten war jede kirchliche Äußerung an das landesherrliche Plazet gebunden, der Verkehr mit Rom sogar nur noch über die weltliche Herrschaft möglich.48 Rückblickend wird in diesem Zusammenhang vom Beginn einer „modernen Variante der Kirchenverfolgung“ gesprochen.49 Das verstärkte Unterordnungsverhältnis und die umfassende Enteignung bedingten jedoch auch umfangreiche Finanzleistungen des Staates an die Kirchen. Unabhängig von der Streitfrage, inwieweit § 35 RDHS tatsächlich zur Finanzierung der Kirchen verpflichtete,50 erkannten alle Staaten in der Folgezeit finanzielle Verpflichtungen an. Während die einen kaum Taten folgen ließen, erbrachten andere Zahlungen, deren Umfang bisweilen weit über die Pensionslasten gem. §§ 35, 47 RDHS hinausging.51 Leistungen des Staates an die Kirchen hatte es auf freiwilliger Basis schon vorher oft gegeben,52 der Reichsdeputationshauptschluß aber schuf erstmals rechtliche Verpflichtungen. So läßt sich § 35 RDHS als Urbild der Begründung von Staatsleistungen klassifizieren,53 das später Aufnahme in Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung und über Art. 140 in das heutige Grundgesetz fand.54 Es hat sich somit gezeigt, daß der Reichsdeputationshauptschluß weniger die staatskirchenrechtliche Praxis der damaligen Zeit veränderte als vielmehr schon lange vorhandene Entwicklungen nun auch rechtlich nachvollzog und damit verfestigte.55 Aus der formal noch immer geltenden alten Zweischwerterlehre war endgültig eine „Einschwerttheorie“56 geworden.57 Der Reichsdeputationshauptschluß markierte zugleich einen großen Schritt auf dem Weg zur konfessionellen Neutralität des Staates.58 Nachdem sich die anfangs oft übertriebene Einmischungspolitik allgemein normalisiert hatte, setzte sich auch der Toleranzgedanke des letzten Reichsgrundgesetzes59 wieder 47

Mückl, VBlBW 2003, S. 144 (151 Fußn. 125). Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (59). 49 Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (373). 50 Siehe dazu oben, S. 65 ff. 51 Sägmüller, Der Rechtsanspruch, S. 46, 51. Ausführlicher oben, S. 74 f. 52 Huber, Garantie der kirchlichen Vermögensrechte, S. 65. 53 Isensee, in: Listl/Pirson, HdbStKirchR I, S. 1009 (1011); Maier, in: Marré/ Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (21 f.); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (22). 54 v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 32; Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 165; Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (362); Renck, DÖV 2003, S. 526 (530); Schroeder, JuS 1989, S. 351 (355). 55 Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (61). 56 Auch wenn sich dieser Name so nie durchgesetzt hat; Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (62). 57 v. Treitschke, Deutsche Geschichte I, S. 186 f. 58 Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 451. 59 Siehe oben, Erster Teil, Fußn. 418. 48

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

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häufiger durch. Die Abschaffung des ius reformandi und die in der Praxis von den Landesherren häufig genutzte Möglichkeit des § 63 Halbsatz 3 RDHS, verschiedene Konfessionen in ihrem Territorium zu dulden,60 stärkten die religiöse Freiheit des einzelnen sowie die Gleichberechtigung zumindest der drei anerkannten Konfessionen. Der Reichsdeputationshauptschluß bildete damit den Ausgangspunkt für das heutige Verhältnis von Staat und Kirche, geprägt durch das Spannungsverhältnis zwischen Nichteinmischung in innerkirchliche Angelegenheiten einerseits und die Eigenschaft der Religionsgemeinschaften als öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie als Empfänger umfangreicher Staatsleistungen andererseits.61 2. Innerkirchliche Auswirkungen Durch die organisatorische Schwächung hatte die katholische Kirche in Deutschland ihre Macht und ihr Selbstbewußtsein eingebüßt. Absetzbewegungen von Rom sollten in Zukunft nicht mehr vorkommen. Im Gegenteil, die deutsche Kirche band sich wie nie zuvor an das Papsttum.62 Die Einschätzung eines Zeitgenossen, nunmehr nähmen die „höchst ungerechte(n) und ausschweifende(n) Verordnungen der Römischen Herrsch- und Habsucht“ ein Ende63, behielt nicht allzu lange ihre Richtigkeit. So nachteilig die Säkularisation den Kirchen erschien, es darf dennoch die positive Wirkung des letzten Reichsgrundgesetzes auch für sie nicht übersehen werden. Kurzfristig mag die Reichskirche unter dem Verlust ihres Besitzes und ihrer Organisationsstruktur gelitten64 und darüber auch ureigenste kirchliche Aufgaben vernachlässigt haben.65 Auf längere Sicht ist aber nicht die Kirche als solche, sondern nur die Reichskirche durch die Säkularisation getroffen worden.66 Dies war auch Intention des Reichsdeputationshauptschlusses, der grund60

Siehe oben, S. 89. Heckel, in: Kaufmann/Scheuner/Weber, Festschrift für Smend, S. 103 (118); Krings, JZ 2003, S. 173 (177); Strätz, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 31 (62); Wehling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1159 (1171). 62 Demel, Reich, Reform und sozialer Wandel, S. 328; Hausberger, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 272 (274, 298); de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (10). 63 Harl, Deutschlands neueste Staats- und Kirchenveränderungen, S. 90. 64 Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 711; Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (29). 65 Hartmann, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 241 (247). Zum Beispiel wurde von 1803 bis in die zwanziger Jahre des 19. Jahrhunderts keine Firmung gespendet; v. Aretin, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (30). 66 Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (373). Die Formulierung v. Aretins, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (30), die Säkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluß sei „die größte Katastrophe, 61

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

sätzlich eine kirchliche Autonomie in internen Angelegenheiten vorsah.67 Die Religionsgemeinschaften konnten sich durch die Befreiung von staatlichen Aufgaben wieder mehr auf den seelsorgerischen Bereich konzentrieren, den die alte Reichskirche mit ihrem weltlichen Herrschaftsanspruch allzu oft vernachlässigt hatte.68 Darüber hinaus bewirkte die Entfeudalisierung des höheren Klerus eine völlige personelle Umgestaltung der Kirche.69 Daraus entwickelte sich in der Folgezeit eine neue Kraft und Stärke, die es auch ermöglichte, eine allzu exzessive staatliche Bevormundung abzuwehren.70

II. Der Sozialstaatsgedanke Die Folgen der Entflechtung von Staat und Kirche gingen weit über das Staatskirchenrecht hinaus. So sind die Auswirkungen auf die Entwicklung des Sozialstaatsprinzips unverkennbar, auch wenn der Reichsdeputationshauptschluß unmittelbar keine Regelungen enthielt, die im heutigen Sinne als Ausformung dieses Grundsatzes gelten können. Mit dem Ausbau der Staatsaufgaben und der Verringerung des Einflusses der Kirche ging zwangsläufig auch die Fürsorge für die Untertanen allmählich in den Pflichtenkreis des Staates über.71 Dieser Prozeß, der schon früher begonnen und sich in der Zeit der Aufklärung verstärkt hatte, wurde durch den Reichsdeputationshauptschluß mit seinen umfangreichen Säkularisationsmaßnahmen wesentlich beschleunigt.72 Der Grund für das Interesse an der Armenfürsorge lag allerdings oft weniger in einem gestiegenen Ver-

die den deutschen Katholizismus je getroffen hat“, erscheint daher übertrieben. Kritisch zu dieser These auch Hartmann, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 241 (247). 67 Siehe oben, S. 86. 68 Hausberger, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 35 (51); Klompen, Die Säkularisation im Arrondissement Krefeld, S. 197; Laufs, Rechtsentwicklungen, S. 165; Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (26); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 1 (28); Raab, in: Langner: Säkularisation und Säkularisierung, S. 63 (95); Vierhaus, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 13 (28 f.); de Wall, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (8); Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 367; Zippelius, Staat und Kirche, S. 130. 69 Fenske, Deutsche Geschichte, S. 102; Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (111). 70 Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 86; Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (101). 71 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 69; Hömig, Der Reichsdeputationshauptschluß, S. 60 f.; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 59; Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 16. 72 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (160); Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (101); de Wall, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 53 (78); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 5 (19).

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

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antwortungsbewußtsein der Landesherren ihren Untertanen gegenüber;73 vielmehr bot die Sorge um die öffentliche Wohlfahrt eine willkommene Begründung für die Ausweitung des eigenen Machtbereichs. Noch folgenreicher für die weitere Entwicklung war aber, daß sich die Zielsetzung der Nutzung von ehemals kirchlichem Vermögen änderte: Die Güter sollten nicht mehr dem Seelenheil dienen, sondern der materiellen Wohlfahrt.74 Eine direkte Linie vom Reichsdeputationshauptschluß zur Ausformung des modernen Wohlfahrtsstaats zu ziehen, erscheint allerdings zu gewagt. Nicht nur der schon viel weiter zurückliegende Beginn, sondern auch die mangelnde Konstanz dieser Entwicklung in der Folgezeit spricht gegen eine derartige These. So lenkte der Ausbau der bürgerlichen Gesellschaftsordnung den auf die Armenfürsorge gerichteten Blick schnell wieder fort in Richtung der Betonung individueller Freiheiten.75 Festzuhalten bleibt aber, daß der Reichsdeputationshauptschluß eine wesentliche Rolle für die spätere Ausbildung des Sozialstaatsprinzips spielte76, indem er Ideen der Französischen Revolution nach Deutschland trug, zu denen auch die öffentliche Wohlfahrt gehörte77, und indem er die Kirche gegenüber dem Staat entscheidend schwächte.

III. Die ökonomischen Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses und deren gesellschaftliche Folgen Die Säkularisation setzte ein enormes wirtschaftliches Potential dadurch frei, daß sie die zuvor unveräußerlichen Kirchengüter dem normalen Wirtschaftskreislauf unterwarf.78 Da wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Veränderungen zusammenhängen, konnte das nicht ohne Auswirkung auf die Sozialstruktur bleiben. 73 Auch dies mag im Einzelfall eine Rolle gespielt haben. Im beginnenden 19. Jahrhundert herrschte ein „philanthropische(s) Staatsideal“ vor, das die Übernahme der Wohlfahrtspflege auf den Staat propagierte; Heckel, in: Kaufmann/Scheuner/Weber, Festschrift für Smend, S. 103 (117). 74 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 261. 75 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 25. 76 Blessing, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 335 (362); Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 70; Klompen, Die Säkularisation im Arrondissement Krefeld, S. 198; Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (101); Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (375). 77 Stolleis, Geschichte des Sozialrechts, S. 24 f. 78 Fehrenbach, Vom Ancien Régime zum Wiener Kongreß, S. 71. Nicht zu vernachlässigen ist auch die Wirkung der gezielten staatlichen Förderung der lokalen Wirtschaft, die nur größeren, modern strukturierten Territorien möglich war; Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (383).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

1. Die Folgen der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens Zu unterscheiden sind die kurzfristigen Säkularisationsfolgen mit nur mikroökonomischer Bedeutung [a)] von den langfristigen und makroökonomischen Auswirkungen [b)]. a) Mikroökonomische Folgen Die Klöster des Alten Reiches waren ausgedehnte und meist auch florierende Wirtschaftsbetriebe;79 manche erlebten in der Schlußphase des Reiches sogar noch einmal eine wirtschaftliche Blüte.80 Die Einstellung ihrer Tätigkeit hatte einen ökonomischen Einbruch zur Folge. Dementsprechend waren die Klosterbediensteten81 am stärksten von der Säkularisation betroffen.82 Zur Sicherung ihrer Existenz sahen sich einige von ihnen gar gezwungen, bei der Versteigerung des verweltlichten Landes mitzubieten. Es wurden zahlreiche Fälle berichtet, in denen Tagewerker unter Einsatz ihrer letzten Ersparnisse und Aufnahme von teuren Krediten ein kleines Stück Land erwarben, das dann aber nicht die erforderlichen Erträge abwarf. Die Pauperisierung nahm dadurch massiv zu.83 Aber auch kleineren Handwerkern im Umland – heute würde man sie als Zulieferbetriebe bezeichnen – wurde ihre Existenzgrundlage entzogen.84 Zudem hatten die Klöster einen Teil ihrer Gewinne auch für Bedürftige ausgegeben und sich um die soziale Absicherung ihrer Beschäftigten gekümmert,85 was die allgemeine Not gelindert hatte. Solche Zahlungen gab es nun nicht mehr.

79

Hartmann, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 241 (251). Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (165). 81 Zu ihrer Sozialstruktur Stutzer, Klöster als Arbeitgeber, S. 137 ff. 82 Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (380); Blessing, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 335 (357); Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (44); Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (172); Weis, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (220 f.). 83 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (157). 84 Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (44); Raab, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 63 (93); Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 49. Auch der Ausfall der Klöster als zuvor wichtige Kreditgeber für die weniger kapitalkräftige Bevölkerung brachte die lokale Wirtschaft in beachtliche Turbulenzen; dazu Hartmann, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 241 (253); Müller a. a. O.; v. Oer, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 121 (129); Walther, in: Andermann, Die geistlichen Staaten am Ende des Alten Reiches, S. 161 (173). 85 Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 23. 80

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Die neu entstandenen Privatbetriebe mochten effizienter arbeiten, humaner waren sie nicht.86 Die kurzfristigen und mikroökonomischen Konsequenzen der Säkularisation waren allerdings nicht durchweg derart negativ. Manche Klöster waren so schlecht geführt worden, daß sie einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatten.87 Ihre Säkularisation, verbunden mit dem Übergang der Schuldnerstellung auf die erwerbenden Territorien88, diente in diesen Fällen dem Gläubigerschutz und erwies sich geradezu als Segen für die lokale Wirtschaft.89 Die neuen Betriebe, die sich in den ausgedienten Klosteranlagen ansiedelten, brachten dort ökonomische Impulse, die zur Einstellung gerade erst arbeitslos gewordener ehemaliger Klosterbediensteter führten.90 Weil sich allerdings die neuen Unternehmen meist nicht sehr lange halten konnten, darf zumindest für die Gebiete rechts des Rheins diese grundsätzlich positive Entwicklung auch nicht überbewertet werden.91 Insgesamt waren die mikroökonomischen Auswirkungen der Vermögenssäkularisation von regional stark unterschiedlicher Tragweite. In Bayern waren sie verhältnismäßig gering, obwohl in größerem Stil Säkularisationen durchgeführt wurden. Das lag daran, daß die Klöster an ihren Ländereien meist nur Obereigentum hatten. Mit dessen Wechsel änderte sich allein der Empfänger von Grundabgaben und sonstigen Leistungen, nicht aber der Bewirtschafter.92 Der einzige Unterschied zu früher bestand darin, daß die Bauern eine stärkere Verbindung zum vorher noch geistig weit entfernt liegenden bayerischen Staat als neuem Grundherrn aufbauten.93 Im Herzogtum Westfalen war dagegen die Eigenwirtschaft von Klöstern wesentlich häufiger.94 Deren Veräußerung hatte des86

Blessing, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 335 (358). Gefürchtet war etwa das Kloster St. Veit bei Neumarkt, dessen Mönche regelmäßig in Wirtshausschlägereien in der näheren Umgebung verwickelt waren. St. Veit war allerdings ein Ausnahmefall zu den im allgemeinen gut funktionierenden bayerischen Klöstern; Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (103 f.); Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 23. 88 Siehe oben, S. 62 ff. 89 v. Oer, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 121 (123). 90 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (166 f.). 91 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (168). 92 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (132); Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (112); Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (50); ders., in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (104); Weis, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (216). Zur teilweise abweichenden Bewertung aus kulturhistorischer Sicht Plassmann, Büchervernichtung, S. 11 ff. 93 Kraus, Geschichte Bayerns, S. 377. 87

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

halb größere Auswirkungen als in Bayern, obwohl insgesamt sehr viel weniger Säkularisationsgut zur Verfügung stand.95 Ein Pauschalurteil, wie man es bisweilen in der Literatur findet,96 ist also nicht ohne weiteres möglich.97 Es handelte sich allerdings ohnehin nur um bloß vorübergehende Auswirkungen, wie sie mit jeder plötzlichen Veränderung der Wirtschaftsordnung unvermeidbar einhergehen. Sie können nichts über die langfristige Bedeutung oder über eventuelle sozioökonomische Intentionen des Reichsdeputationshauptschlusses aussagen.98 b) Makroökonomische Folgen Von größerer Bedeutung sind die makroökonomischen Auswirkungen der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens und ihre Folgen für die Gesellschaftsstruktur. Diese wurden von der Geschichtswissenschaft zunächst zugunsten der klarer zutage tretenden staatsorganisatorischen und staatskirchenrechtlichen Veränderungen eher vernachlässigt; die Forschung beschränkte sich auf einige Arbeiten über regional eng begrenzte Gebiete.99 Oft wurden sie von katholischen Kirchenhistorikern vorgenommen und zielten daher eher auf die einseitige Darstellung des von ihren Auftraggebern erlittenen Unrechts als auf eine einigermaßen objektive Zusammenfassung.100 Das änderte sich erst in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, beginnend mit dem Beitrag von Morsey „Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Säkularisation in Deutschland“.101 Ab diesem Zeitpunkt wuchs die Auseinandersetzung mit den soziologischen Folgen der Vermögenssäkularisation. Die meisten Untersuchungen beschränkten sich auf regional begrenzte Gebiete,102 manche bemühten sich jedoch auch um Rückschlüsse auf das gesamte Deutschland. 94

Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (113). Klueting, in: Berding/Ullmann, Deutschland zwischen Revolution und Restauration, S. 184 (192); ders., in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (116 f.); Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 367. 96 Diese Urteile fallen wegen des Arbeitsplatzverlustes der Klosterbediensteten durchweg negativ aus, etwa Benz, Saeculum 26 (1975), S. 364 (380); Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (367 f.); Raab, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 63 (93). 97 v. Oer, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 121 (123); Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 367. 98 So auch Härter, GWU 2003, S. 484 (498). 99 Zur früheren historischen Forschung zu dieser Frage Klueting, in: Berding/Ullmann, Deutschland zwischen Revolution und Restauration, S. 184 (184 ff.). 100 Vgl. Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (124). 101 In: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 ff. 102 Nach Ziekow, ZNR 18 (1996), S. 278 (278), ist die regionale oder lokale Begrenzung der Darstellungen schon fast zur Tradition geworden. 95

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

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Bedauerlicherweise wird jedoch das Bild mit jeder neu hinzukommenden Untersuchung nicht eben klarer. Morsey ging noch von gigantischen Auswirkungen der Säkularisation von 1803 aus, die eine Umschichtung des Grundbesitzes verursacht hätten, wie sie bis 1945 nie wieder stattgefunden habe,103 und die mit die größten sozialen und politischen Veränderungen in der Neuzeit überhaupt gezeitigt hätten.104 Dagegen kommen andere Autoren zu dem Ergebnis, die Besitzumschichtungen seien von eher geringerem Ausmaß gewesen.105 Dabei werden tendenziell dem Reichsdeputationshauptschluß wirtschaftliche Auswirkungen größeren Stils von der neueren Literatur stärker abgesprochen als von der älteren.106 Eine genauere Beurteilung der makroökonomischen und sozialen Folgen der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Besitzes erfordert zunächst einen aussagekräftigen Gradmesser. Ein bloßer Vergleich des Bruttosozialprodukts vor und nach 1803 sagt über die Auswirkungen der Säkularisation nur wenig aus. Selbst wenn es gelänge, eine Art gesamtwirtschaftliche Leistungsbilanz der damaligen Zeit zu errechnen, so könnte man daraus nicht mehr ablesen als die Auswirkungen sämtlicher für das Wirtschaftsleben relevanter Faktoren. Es wäre unmöglich zu beurteilen, inwieweit diese mit dem Reichsdeputationshauptschluß kausal oder nur rein zeitlich verbunden waren. Über die Veränderungen der Gesellschaftsstruktur ließe sich gar keine Aussage treffen. Daher gehen die bisher vorliegenden Untersuchungen zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte zu Recht auch gar nicht abstrakt vom Wirtschaftsleben der damaligen Zeit aus, sondern wählen den Erwerberkreis säkularisierten Gutes als Gradmesser. Diejenige Bevölkerungsschicht, welche die meisten Güter erworben hat, hat am stärksten von den Veränderungen profitiert. Dabei wird lediglich der Eigentumswechsel bei Immobilien als dem alleinigen Säkularisationsgut von nennenswerter ökonomischer Bedeutung betrachtet.107 Der Erwerb von 103

In: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (362 f.). Ähnlich, aber auf die rheinischen Departements beschränkt: Müller, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 23 (28), und Schieder, in: Speitkamp/Ullmann, Festschrift für Berding, S. 99 (108 f.). 104 Festgabe für v. Raumer, S. 361 (361 f.). Ähnlich auch Klompen, Die Säkularisation im Arrondissement Krefeld, S. 198; Müller, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 327 (344). 105 Etwa Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 221; weitere Nachweise bei Fehrenbach, Vom ancien regime zum Wiener Kongreß, S. 219 ff. Wiederum anders Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 367, nach dessen Ansicht die Besitzverschiebungen zwar die größten in Deutschland bis 1945 gewesen, ihre sozialen Auswirkungen aber gering geblieben seien. 106 Zu dieser Einschätzung gelangen auch Schieder/Kube, Säkularisation und Mediatisierung, S. 2, und Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 451. 107 Die Veräußerung beweglicher Gegenstände nahm ebenfalls ein beträchtliches Ausmaß an. So wurde nicht nur das Mobiliar der aufgelösten Klöster versteigert, sondern auch viele Reliquien. Der Verlust der Kirche ist aber in erster Linie religiöser

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Grundbesitz war mit materiellem Gewinn geradezu gleichzusetzen, da Land in der damaligen Zeit noch immer das wichtigste Wirtschaftsgut war. Zugleich bedeutete er auch einen Prestigegewinn, denn zu Zeiten Napoleons war Grundbesitz nicht nur die ergiebigste Einnahmequelle, sondern auch das meistbeachtete Kennzeichen des sozialen Status.108 Die Frage nach den langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Säkularisation von Klöstern, Abteien und ähnlichen Institutionen samt zugehörigem Grund und Boden kann zufriedenstellend nur in zwei Schritten beantwortet werden. Zunächst ist zu überprüfen, wieviel Grundbesitz überhaupt der Säkularisation unterworfen wurde [aa)]. Daran muß sich ein Vergleich der erwerbenden Bevölkerungsgruppen anschließen, um zu bestimmen, welche gesellschaftlichen Schichten proportional am meisten von den Besitzumschichtungen profitiert haben [bb)]. aa) Gesamtumfang der Säkularisation Am meisten Kirchengut wechselte dort den Besitzer, wo der Reichsdeputationshauptschluß nicht galt, nämlich in den linksrheinischen Gebieten, in denen Napoleon bereits seit 1801 in großem Stil Enteignungen durchführte.109 Hier wurden nicht nur die Kirchen, sondern auch weltliche Adlige enteignet – ein bedeutender Unterschied also zur Säkularisation in den rechtsrheinischen Gebieten.110 Beim Vergleich nur der Länder, die 1803 noch zum Heiligen Römischen Reich gehörten, fallen starke regionale Unterschiede von Umfang und Auswirkungen der Säkularisation auf. Bayern etwa tat sich durch besonders viele und kultureller Art, in finanzieller Hinsicht fiel er gesamtwirtschaftlich betrachtet kaum ins Gewicht. Ausführlich zur Veräußerung des Mobiliareigentums im Zuge der Säkularisationen von 1803 Raab, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 63 (84 ff.). 108 Dufraisse, in: Geschichte und Gesellschaft 6 (1980), S. 467 (477); Villani, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 171 (174). Auch Napoleon persönlich hegte ein tiefes Mißtrauen gegen jeden Reichtum, der nicht auf Landbesitz basierte; Broers, Europe under Napoleon, S. 94. 109 Zu den Rechtsgrundlagen siehe Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (128), zur tatsächlichen Säkularisationspolitik Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 ff., jeweils m. w. Nachw. 110 Müller, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/1, S. 327 (338); ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (324); Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 (85 ff.); ders./Kube, Säkularisation und Mediatisierung, S. 16; Ziekow, ZNR 18 (1996), S. 278 (281). Schieder/Kube a. a. O., S. 7, und Müller, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 93 (102), verwenden hierfür den Begriff „Vermögensmediatisierung“, der sich bisher aber nicht allgemein durchsetzen konnte.

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

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Klosterauflösungen hervor. Andere Länder111 legten etwas mehr Zurückhaltung an den Tag. Aufs ganze Heilige Römische Reich bezogen war der Gesamtumfang des Säkularisationsguts allerdings beachtlich.112 Das Potential für große gesellschaftliche Veränderungen war also vorhanden. bb) Die Erwerber säkularisierten Kirchenguts Hinsichtlich der relativen Besitzveränderungen, also des Anteils der einzelnen Bevölkerungsgruppen an den Erwerbern des Säkularisationsguts, bietet sich ein recht differenziertes Bild. Als geklärt kann heute jedenfalls gelten, daß die Religion oder Konfession der Erwerber keinen Einfluß auf das Kaufverhalten hatte.113 Die entsprechenden Statistiken ergeben darüber hinaus, daß die Käufer aus allen gesellschaftlichen Schichten stammten. Reiche Adlige profitierten ebenso wie wohlhabende Bürger. Die meisten Käufer brachten nur ein einziges Landgut in ihr Eigentum, es gab aber (nachgewiesen zumindest für die linksrheinischen Gebiete) auch eine kleine Gruppe sehr wohlhabender Städter, die eine Vielzahl an Gütern erwarben. Sie hatten weder deren Bewirtschaftung noch Pachteinnahmen im Sinn, sondern handelten allein in der Absicht, die Güter gewinnbringend weiterzuveräußern.114 Diese marktorientierte Betrachtung des Bodens bildete den Ausgangspunkt einer ganz neuen Wirtschaftsmentali-

111 Es liegen etwa Untersuchungen zu Baden, Bayrisch-Schwaben, Württemberg und Nassau vor. Nachweise bei Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (113). 112 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (128). 113 Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 80; Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (139); Morsey, in: Vierhaus/ Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (364); Oepen, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 87 (107 f.); Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 (98); Weis, Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 49; ders., in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (219). Die in früherer Zeit aufgestellte These, die katholische Bevölkerung hätte sich aus Pietätsgründen beim Kauf säkularisierten Kirchenguts besonders zurückgehalten, so daß Protestanten und vor allem Juden den Erwerberkreis dominierten, ist inzwischen durch Studien von Käuferstatistiken zumindest für die ab 1803 erfolgten Säkularisationen widerlegt. Dazu wird beigetragen haben, daß der Papst 1801 seinen Anspruch auf die säkularisierten Güter aufgegeben und die Erwerber von Sanktionen freigestellt hat (Art. XIII der Konvention des Heiligen Stuhls mit der Französischen Republik vom 15. Juli 1801, abgedruckt bei Huber/Huber, Staat und Kirche I, S. 12 ff.); vgl. Aubert, in: Jedin, Handbuch der Kirchengeschichte VI/1, S. 3 (67 ff.); M. Müller, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 23 (32); W. Müller, in: Brandmüller, Handbuch der bayerischen Kirchengeschichte III, S. 1 (52). Zu den älteren Forschungen vgl. Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (365). 114 Oepen, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 87 (108); Schieder, in: Speitkamp/Ullmann, Festschrift für Berding, S. 99 (114).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

tät.115 Alles in allem offenbart eine Auswertung der Versteigerungsprotokolle, daß die Grundstücke nur selten von ihren Bewirtschaftern erworben wurden, sondern meist von reichen Bürgern und auch von Adligen, soweit sie über ausreichende Finanzmittel verfügten. Auf dieser Basis gelangen viele Autoren zu der Ansicht, die Bodenverschiebung durch den Reichsdeputationshauptschluß sei von einer eher geringen sozialen Breitenwirkung gewesen.116 Dieses Bild bestätigt sich aber nicht, wenn auch die Eigentumsverhältnisse in den unmittelbaren Folgejahren berücksichtigt werden. Die Weiterveräußerung eben erst erworbener säkularisierter Grundstücke ist bislang nur für die Gebiete links des Rheins genauer untersucht worden;117 die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sind aber nach allem, was bisher bekannt ist, auf die rechtsrheinischen Ländereien weitgehend übertragbar.118 Bemerkenswerterweise erfolgte der Weiterverkauf zum einen sehr schnell und zum anderen in sehr großem Ausmaß. Links des Rheins wechselte fast die Hälfte aller Immobilien noch zur Zeit der französischen Besatzung mehr als einmal den Eigentümer. Dabei wurden die Ländereien im Gegensatz zur Erstveräußerung kleiner parzelliert. Sie konnten so auch von weniger kapitalkräftigen Bevölkerungskreisen erworben werden, die von der ihnen gebotenen Möglichkeit – meist unter Aufnahme teurer Kredite119 – tatsächlich häufig Gebrauch machten.120 Auf diese Weise wurden viele Landwirte Eigentümer am von ihnen bewirtschafteten Land. Der Käuferkreis in der zweiten Verkaufswelle unterschied sich damit ganz wesentlich von demjenigen der ersten. 95% der Erwerber im linksrheinischen Deutschland waren Landwirte; es gab dort sogar immer wieder Fälle, daß Tagelöhner zu Grundeigentümern wurden.121 Diese zweite Verkaufsphase hatte damit eine wesentlich größere soziale Breitenwirkung als die erste. Hinzuweisen ist schließlich auf die hessisch-darmstädtische und bayerische Entwicklung, die sich im Vergleich zum übrigen Deutschland als Sonderweg darstellt. In Hessen-Darmstadt erwarben sehr viel häufiger als in den meisten 115

Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (89). Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 221. 117 Müller, Säkularisation und Grundbesitz, S. 164 ff.; ders., in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 23 ff. 118 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (169); Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (115 f.). 119 Müller, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 23 (29). 120 Klompen, Die Säkularisation im Arrondissement Krefeld, S. 205 f.; Müller, Säkularisation und Grundbesitz, S. 179; ders., in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 23 (25); Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 (96). 121 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (169); Müller, Säkularisation und Grundbesitz, S. 188; ders., in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 23 (28). 116

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

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anderen deutschen Gliedstaaten Bauern schon unmittelbar nach der Säkularisation das von ihnen selbst bewirtschaftete Land. Sie konnten sich so sogar zu einer eigenen gesellschaftlichen Schicht entwickeln, die in der Folgezeit nicht ohne Einfluß auf die hessische Politik blieb.122 Auch Bayern hatte die Möglichkeit, über den Landverkauf Gesellschaftspolitik zu betreiben, sofort erkannt und von allen Gliedstaaten des Heiligen Römischen Reiches am konsequentesten genutzt. Große Klostergüter, deren Erwerb weniger wohlhabende Bürger überfordert hätte, wurden konsequent parzelliert und zu erschwinglichen Preisen veräußert. Diese Praxis verfolgte natürlich das Ziel, höhere Gewinne zu erwirtschaften.123 Sie sollte aber zugleich sozialpolitischen Zwecken dienen und einen ganz neuen Stand schaffen, den der ländlichen Kleinbesitzer.124 In Bayern erwarben schon von vornherein zahlreiche Landwirte und Tagelöhner das säkularisierte Land; aus diesem Grund nahm die auch dort stattfindende zweite Verkaufswelle einen umgekehrten Verlauf als in den übrigen deutschen Staaten. Die finanziell häufig doch überforderten ländlichen Kleinbesitzer mußten ihren Besitz an kapitalkräftige Mitglieder der Bürgerschicht veräußern. In den weiteren Verkaufsphasen nahm daher der Anteil reicher Bürger und Adliger zu.125 Auf längere Sicht unterschied sich die Beteiligung der verschiedenen Gesellschaftsschichten am Erwerb säkularisierten Landes also nicht vom übrigen Deutschland, nur war die Entwicklung eine andere. Es läßt sich also hinsichtlich der langfristigen ökonomischen Veränderungen bei allen regionalen Verschiedenheiten für das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation eine einheitliche Grundrichtung feststellen. Von der Neuverteilung des Landes profitierten Landwirte und Tagelöhner, wenn auch in geringerem Ausmaß.126 Größere Gewinne an Grundbesitz erzielten finanzkräftige Bürger und reiche Adlige. Der verarmte Adel konnte sich beim Erwerb nicht behaupten. Die Untersuchungen der Käuferstatistiken führen damit zu einem wenig überraschenden Ergebnis: Da das säkularisierte Land verkauft wurde, profitierten diejenigen am meisten, die am kapitalkräftigsten waren.127

122 Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (367); Veit, in: Freiburger Diözesan-Archiv 55 (1927), S. 1 (103). 123 Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 181; v. Oer, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 9 (21). 124 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (137 f.); Weis, in: Schmid, Die Säkularisation in Bayern 1803, S. 152 (227 f.); ders., Die Säkularisation der bayerischen Klöster, S. 49. 125 Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (115 f.). 126 Zu pauschal ist die Wertung von Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 70, 222, „das Millionenheer der ländlichen Bevölkerung“ habe überhaupt nicht von den Säkularisationen profitiert. 127 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (170); Dufraisse, in: Geschichte und Gesellschaft 6 (1980), S. 467 (477).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Über diese schon nahezu selbstverständliche Folgerung hinaus läßt sich auch etwas über die soziale Tiefenwirkung der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Besitzes aussagen. Es wäre zu kurz gegriffen, allein aus der Betrachtung der Erstkäufer Rückschlüsse auf die Besitzumschichtungen durch die Vermögenssäkularisation des Reichsdeputationshauptschlusses zu ziehen.128 Bezieht man die Weiterverkäufe in den Folgejahren ein, stellt sich die Vermögenssäkularisation als eine sehr weitreichende Umverteilung des Landes auf die verschiedenen Gesellschaftsschichten dar. Dieses Ergebnis verstärkt sich noch, wenn man die Rahmenbedingungen der damaligen Zeit beachtet und berücksichtigt, daß zuvor das System der Grundherrschaft nahezu jeglichen Eigentumswechsel von Immobilien verhindert hatte.129 Das Urteil Morseys kommt damit den Realitäten sehr viel näher als viele der neueren Untersuchungen.130 Die Vermögenssäkularisation durch den Reichsdeputationshauptschluß begünstigte in so starkem Umfang vermögende Bevölkerungsgruppen gegenüber der verarmten Adelsschicht, daß in der Tat von einer beträchtlichen wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierung und einem Schlag gegen die alte ständisch organisierte Gesellschaft die Rede sein kann. 2. Die Folgen der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung Es liegt auf der Hand, daß die Herrschaftssäkularisation und die Mediatisierung diejenigen reichsständischen Landesherren begünstigte, deren Territorien nicht aufgelöst wurden. Sie konnten nicht nur ihr Vermögen durch die Veräußerung säkularisierten Kirchenguts mehren, sondern kamen auch in den Genuß von zum Teil erheblichen Gebietszuwächsen, denn zusammen mit der Hoheitsgewalt erwarben sie sämtliches Land und sonstiges Eigentum der aufgehobenen Reichsstände. Die sozioökonomischen Auswirkungen der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung beschränkten sich aber nicht auf die Besserstellung einiger Landesherren. Sie waren vielmehr so weitreichend, daß sie diejenigen der Vermögenssäkularisation sogar noch übertreffen dürften.131 Um die gesellschaftlichen Folgen der Herrschaftssäkularisation und der Mediatisierung beurteilen zu können, muß die Gesellschaftsstruktur vor [a)] und nach 1803 [b)]

128 Diese Kritik äußert auch Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (141). 129 Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 (96). 130 Ähnlich Klueting, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 102 (115), der aber unter einem anderen Blickwinkel (nämlich im Vergleich zu den linksrheinischen Verhältnissen) dann doch wieder eher geringe Auswirkungen zu erkennen glaubt (a. a. O., S. 119). 131 Klueting, in: Berding/Ullmann, Deutschland zwischen Revolution und Restauration, S. 184 (200).

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

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untersucht werden. Dabei ist ein besonderes Gewicht auf den Adel als Träger der Herrschaftsgewalt im Reich zu legen. a) Die Gesellschaftsstruktur vor dem Reichsdeputationshauptschluß Das Heilige Römische Reich war geprägt vom Ständewesen: Vermögen und beruflicher Werdegang wurden nicht durch die Qualifikation, sondern durch die Herkunft vorbestimmt. Vor allem die rechtliche Stellung des Einzelnen war von vornherein festgelegt. Es existierte eine unüberschaubare Vielzahl feudaler, kirchlicher und kommunaler Privilegien.132 Steuern zahlte nur die gewöhnliche Bevölkerung. Von diesem System profitierte in erster Linie der deutsche Adel. aa) Die politische Situation des Adels vor dem Reichsdeputationshauptschluß De iure gab es bis zur Auflösung des Alten Reiches nur zwei Gruppen von Adligen: Zum hohen Adel oder Reichsfürstenstand zählte, wer ein Territorium beherrschte und damit Reichsstand war, und dem niederen Adel gehörte an, wer lediglich ein Gut sein eigen nennen konnte, gleichgültig ob es reichsunmittelbar oder landsässig war.133 De facto konnte aber die reichsverfassungsrechtliche Zweiteilung die soziale Stellung des Adels nur unzureichend wiedergeben, denn innerhalb dieser Gruppen existierten große Unterschiede in den Lebensverhältnissen, aber auch in den Möglichkeiten politischer Einflußnahme.134 Ein landsässiger Junker in Preußen hatte kaum Gemeinsamkeiten mit einem Reichsritter im südwestdeutschen Raum, ein Reichsbischof gehörte einer völlig anderen gesellschaftlichen Gruppierung an als ein reichsstädtischer Patrizier, und wieder anders lebte ein neunobilitierter Beamter.135 Trotz aller Unterschiede innerhalb der Adelsschicht gab es aber doch auch eine ganze Reihe Gemeinsamkeiten, die vor allem auf den Besonderheiten der deutschen Reichsverfassung beruhten. Zu den wichtigsten Instrumenten der Sicherung adliger Macht zählte die Reichskirche. Seit einem Breve Alexanders VI. im Jahre 1500 waren die hohen geistlichen Ämter ausschließlich dem Adel vorbehalten, und zwar entgegen dem Kirchenrecht, das eine Postenvergabe nach beruflicher Qualifikation verlangte.136 Auch in den evangelischen Kirchen herrschte vereinzelt ein solches 132

Schroeder, Das Alte Reich und seine Städte, S. 458. Köbler, Deutsche Rechtsgeschichte, S. 137; Reif, Adel im 19. und 20. Jahrhundert, S. 2. 134 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (54). 135 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (178). 133

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Adelsmonopol. An dieser Situation hatte sich noch bis 1803 nichts geändert.137 Ausnahmen, in denen einmal ein Bürgerlicher den Sprung in ein hohes kirchliches Amt schaffte, waren derart selten, daß sie die Regel nur bestätigten.138 Dieses Ämtermonopol brachte dem Adelsstand weitreichende Vorteile. Die enge Verknüpfung der Germania Sacra mit weltlichen Einrichtungen, insbesondere über die geistlichen Fürstentümer, gewährte vielfältige Möglichkeiten direkter politischer Einflußnahme. Darüber hinaus waren die kirchlichen Pfründen außerordentlich üppig ausgestattet.139 Auch dies trug neben dem persönlichen finanziellen Gewinn für ihre Inhaber indirekt zum Funktionieren der alten Gesellschaftsordnung bei. Die adligen Familien hätten ihr meist nur sehr geringes Vermögen unmöglich zu gleichen Teilen an ihre Kinder weitervererben können, wenn sie den Besitz nicht innerhalb weniger Generationen nahezu vollständig verlieren wollten. Weil sie aber die Kirche als Versorgungsanstalt für nachgeborene Söhne und Töchter nutzen konnten, wurde der Besitz ungeteilt an die Erstgeborenen weitergegeben und so in vollem Umfang erhalten.140 Insgesamt stellte sich die Reichskirche als stärkster Pfeiler adliger Macht141 und damit als bedeutendste Stütze der ständischen Gesellschaftsordnung im Heiligen Römischen Reich dar.142 Weiteren Rückhalt erfuhr der Adel durch die Dezentralisation staatlicher Macht im Alten Reich.143 Die Vielzahl der oft nur kleinen reichsunmittelbaren Gebiete führte zu einer quantitativ starken Schicht des Hochadels144, also der Reichsstände. Aber auch der niedere Adel profitierte erheblich von der territorialen Zersplitterung. Hier fließen freilich Ursache und Wirkung ununterscheidbar ineinander. Je mehr Staaten es gab, desto mehr Spitzenämter in Militär und Verwaltung mußten besetzt werden. Wenn auch der Adel sein Monopol auf die höchsten Verwaltungs- und Militärämter schon in Zeiten des Absolutismus eingebüßt hatte,145 so wurde er bei der Besetzung dieser Posten doch immer noch

136 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (56); Heer, Das Heilige Römische Reich, S. 347. 137 Kallenberg, in: Gerlich, Vom Alten Reich zu neuer Staatlichkeit, S. 76 (77). 138 Burkhard, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 135 (139). 139 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (56). 140 Demel, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 213 (215 f.); Heer, Das Heilige Römische Reich, S. 347. 141 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (55, 58); Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (184); Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (93). 142 v. Aretin, in: Decot, Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 13 (30); Becker, in: de Wall/Germann, Festschrift für Link, S. 547 (547); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 53. 143 Pohl, VSWG 88 (2001), S. 48 (61). 144 Zum Begriff siehe oben, Dritter Teil, Fußn. 133.

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überproportional stark berücksichtigt. Es handelte sich zwar wegen der allgemeinen Finanzknappheit der meisten Fürstentümer in der Regel um nicht besonders hoch dotierte Stellen, aber zur Finanzierung einer einigermaßen adäquaten Lebensführung genügte die Bezahlung durchaus.146 Der hohe wie der niedere Adel war daher an einer ungeschmälerten Fortexistenz der zahlreichen Gliedstaaten interessiert, und weil ihn diese Vielzahl machtpolitisch stärkte, war er auch dazu in der Lage, eine Zerschlagung einzelner Fürstentümer zu verhindern. Hier wird also die Wirkung der territorialen Zersplitterung zugleich zu ihrer Ursache. bb) Die wirtschaftliche Situation des Adels vor dem Reichsdeputationshauptschluß Die deutschen Adligen konnten keine großen Reichtümer ihr eigen nennen. Im Gegenteil unterlag die überwiegende Mehrheit der Aristokratie einem sich ständig verschärfenden Armutsprozeß,147 der am Ende des 18. Jahrhunderts bereits so weit fortgeschritten war, daß gar von „proletaroide(n) . . . Existenzen“148 in ihren Reihen gesprochen werden kann. Der Grund für die Verarmung lag noch nicht allein in dem meist nur sehr bescheidenen Umfang ihres Grund und Bodens, der sich durch zahlreiche Neunobilitierungen prozentual immer weiter verringert hatte.149 Der Grundbesitz war zwar nicht groß, hätte aber die wirtschaftliche Existenz des hohen Adels aus den umfangreichen Regalien und Steuern und des niederen Adels aus grundherrlichen Abgabeverpflichtungen durchaus sichern können. Die deutschen Adligen verstanden die ihnen gebotenen Möglichkeiten aber nicht zu nutzen. Sie ließen sich mehr von althergebrachtem Standesdenken leiten als von den Anforderungen des Marktes und pflegten fast durchweg eine geradezu dilettantische Wirtschaftsführung.150 Wegen der Mißwirtschaft hatten nicht nur der niedere Adel, sondern auch die meisten der kleineren weltlichen Reichsstände am Ende des 18. Jahrhunderts Schul145 Eckert, Art. Adel, in: Cordes/Lück/Werkmüller, HRG I2, Sp. 69 (75); Vierhaus, in: ders./Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 337 (354). 146 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (184). Die adlige Lebensführung mochte zwar finanziell gesichert sein, der Verlust an sozialem Prestige mit der Aufgabe des Ämtermonopols in Verwaltung und Militär war allerdings unübersehbar: Indem die Qualifikation zum Einstellungskriterium wurde, mußten sich die Adligen auch mit Nicht-Standesgenossen messen lassen und sich somit auf ein „bürgerliches Niveau“ herabbegeben; Vierhaus, in: ders./Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 337 (354). 147 Pohl, VSWG 88 (2001), S. 48 (60). 148 So für einige schwäbische Reichsritter Kollmer, Die schwäbische Reichsritterschaft, S. 243. 149 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (186).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

den von so gigantischem Ausmaß angehäuft, daß keine Aussicht mehr bestand, sie jemals wieder begleichen zu können.151 Abgesehen von einigen großen reichsunmittelbaren Fürsten läßt sich die wirtschaftliche Situation der Nobilität also mit dem schlichten Wort „verheerend“ zusammenfassen. Könnte man von der Wirtschaftskraft auf den politisch-gesellschaftlichen Einfluß schließen, so wie das heute in Grenzen der Fall ist, dann hätte die Macht des Adels im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gering sein müssen. Es hat sich aber gezeigt, daß die desolate wirtschaftliche Lage und die althergebrachte politische Machtposition des hohen wie des niederen deutschen Adels in scharfem Widerspruch zueinander standen. Besonders der Kontrast zum europäischen Ausland ist bemerkenswert: Den meisten französischen und englischen Adligen ging es wirtschaftlich besser, die dortige Hocharistokratie sah sich sogar im Besitz großen Reichtums.152 Ihre deutschen Standesgenossen waren zwar wesentlich ärmer, aber zahlreicher, und hatten viel größeren politischen Einfluß. Nur im Alten Reich war dem Adel gelungen, woran er im restlichen Europa gescheitert war: Nur hier hatte er erreichen können, daß sich der Absolutismus nicht auf der Reichs-, sondern auf der Territorialebene entwickelte.153 Das Phänomen des (reichsunmittelbaren) Hochadels blieb ein deutsches Unikat.154 Diese starke adlige Machtposition war in erster Linie auf die Existenz der Reichskirche und in zweiter Linie auf die deutsche Kleinstaaterei zurückzuführen. b) Die Gesellschaftsstruktur im Heiligen Römischen Reich nach dem Reichsdeputationshauptschluß Weil der deutsche Adel seine gesellschaftliche Position zum einen der Institution Reichskirche und zum anderen der extremen territorialen Zersplitterung zu verdanken hatte, mußte eine Beseitigung dieser beiden Besonderheiten des Al-

150 Dipper, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 53 (54); Kollmer, Die schwäbische Reichsritterschaft, S. 178; Walther, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 857 (860 f.). 151 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (185). Die freie und Reichsstadt Augsburg sah sich zum Beispiel vor so immensen finanziellen Problemen, daß der Rat Ende des 18. Jahrhunderts sogar kurzzeitig daran dachte, die Reichsunmittelbarkeit freiwillig aufzugeben; Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 738. 152 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (186). 153 Es handelt sich um den zentralen Unterschied zwischen der Erscheinungsform des Absolutismus in den deutschen Gebieten und im restlichen Europa, Frotscher/ Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 106. 154 Press, in: v. Reden-Dohna/Melville, Der Adel an der Schwelle des bürgerlichen Zeitalters, S. 1 (2).

B. Gesellschaftlich-soziale Auswirkungen

259

ten Reiches die adlige Macht zwangsläufig beschränken. In der Tat ließen spürbare Veränderungen der Gesellschaftsstruktur nach 1803 nicht lange auf sich warten. Nach dem Wegfall des Adelsmonopols auf die hohen Ämter der Reichskirche standen diese Posten jedermann offen. Adlige wie Bürgerliche mußten gleichermaßen die gewöhnliche Priesterlaufbahn absolvieren und sich auf diesem Weg für den hohen Klerus qualifizieren.155 Dadurch wurde die Germania Sacra für die Aristokratie uninteressant. Die Auswirkungen zeigten sich sofort: Zwischen 1803 und 1813 entschied sich kein einziger Adliger mehr für den Beruf des Priesters,156 und schon Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich der hohe Klerus ganz überwiegend in bürgerlicher Hand.157 Nebenbei bemerkt hatte dies auch Konsequenzen für das niedere Priestertum, das sich jetzt stärker aus den Angehörigen des Bauern- und Kleinbürgertums rekrutieren konnte.158 Es kam insgesamt zu einer „Demokratisierung“ der Geistlichkeit.159 Das Ende der alten Reichskirche zog fast sofort eine finanzielle Schwächung des Aristokratenstandes nach sich. Zum einen versiegte der Geldfluß aus den hochdotierten kirchlichen Posten. Zum anderen sahen sich die Adelsfamilien eindringlicheren Forderungen ihrer nachgeborenen Söhne und Töchter nach anderen standesgemäßen Einkommensquellen ausgesetzt, wenn sie schon von der Kirche keinen Lebensunterhalt mehr erwarten konnten.160 So waren die Adligen gezwungen, entweder größere Vermögensgegenstände als Mitgift zur Verfügung zu stellen oder aber ihr Erbe an alle Kinder gleichmäßig zu verteilen und damit zu minimieren. Beides mußte innerhalb kürzester Zeit ihre finanziell privilegierte Stellung erschüttern, soweit sie überhaupt noch vorhanden war. Der Adel sah sich vielfach genötigt, Grundbesitz zu verkaufen und sich damit in einen

155 Duchhardt, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 255; Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (372); Schnabel, Deutsche Geschichte IV, S. 20; Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte I, S. 366; Wehling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1159 (1171). 156 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (161); Epstein, Die Ursprünge des Konservativismus, S. 710; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 176. Zweifelnd v. Oer, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 9 (28). 157 v. Oer, in: Langner, Säkularisation und Säkularisierung, S. 9 (28); Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte, Kap. 9 Rdnr. 11; Schorn-Schütte, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 216 (235); Wehling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1159 (1171). Ausführlich zum Zeitraum der Ablösung adliger durch bürgerliche Kircheneliten Burkhard, in: Decot, Kontinuität und Innovation um 1803, S. 135 (146 ff.). 158 Schorn-Schütte, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 216 (235). 159 So Wehling, in: Rudolf, Alte Klöster – Neue Herren II/2, S. 1159 (1171). 160 Andreas, Das Zeitalter Napoleons, S. 293; Krings, JZ 2003, S. 173 (175).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Teufelskreis noch weiter sinkender Einnahmen zu begeben.161 In Bayern etwa verfügten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nur noch 8–10% aller Aristokraten über Land in einem Ausmaß, das eine angemessene Lebensführung aus Pachteinnahmen und ähnlichen Einkünften ermöglichte. Über die Hälfte aller Adelsfamilien besaß dagegen überhaupt keinen nennenswerten Grund und Boden mehr.162 Doch auch jenseits aller finanziellen Auswirkungen traf die Herrschaftssäkularisation, also die Aufhebung (fast) aller geistlicher Reichsstände, den Adel schwer, weil er mit ihnen eine Quelle enormen politischen Einflusses verlor. Die Reichskirche alter Ordnung war die letzte noch streng hierarchisch-feudal organisierte Institution gewesen.163 Zwar blieb die hierarchische Gliederung erhalten,164 aber ihre Verknüpfung mit dem Standeswesen fiel fort. Das nahm dem Adel eine ganze Reihe von Privilegien, die der Abgrenzung zu anderen Gesellschaftsschichten gedient hatten.165 Die deutsche Aristokratie büßte also neben Einkommen auch an Prestige ein166 und war in weiten Teilen der Existenz als bloßer „Nominaladel“167 einen großen Schritt nähergerückt. Die Mediatisierung der zahlreichen kleinen weltlichen Reichsglieder hatte ganz ähnliche Folgen für die deutsche Adelswelt. Der Wegfall vieler einträglicher Ämter168 entzog den alten Eliten ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage, und ihr politischer Einfluß ging unwiederbringlich verloren. Der gesellschaftliche Veränderungsprozeß, der 1803 angestoßen worden war, entwickelte schon in der unmittelbaren Folgezeit eine rasante Eigendynamik. Die übriggebliebenen Mittelstaaten waren zwecks Eingliederung der neu hinzugekommenen Gebiete zu verwaltungstechnischen und gesellschaftlichen Reformen gezwungen.169 Bemerkenswerterweise waren die gesellschaftlichen Umwälzungen dort am größten, wo die meisten Gebietszuwächse zu verzeichnen waren.170 Bald 161

Demel, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 213 (215). Demel, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 213 (215). 163 Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 53; Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (371 f.). 164 Schorn-Schütte, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 216 (235 f.). 165 Demel, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 213 (214). 166 Demel, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 213 (214); Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (206). 167 Diesen Ausdruck gebraucht Zentner in einem Vortrag im Geheimen Rat des neugeschaffenen Königreichs Bayern im Frühjahr 1811 (hier zitiert nach Demel, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 213, 214). 168 Zum Zusammenhang mit der territorialen Zersplitterung siehe oben, S. 257. 169 Siehe oben, Dritter Teil, Fußn. 23. 170 Hölzle, in: Hofmann, Die Entstehung des modernen souveränen Staates, S. 262 (269). 162

C. Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte

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schon übertrafen diese indirekten Säkularisations- und Mediatisierungsfolgen die direkten Auswirkungen des Reichsdeputationshauptschlusses.171 In sozioökonomischer Hinsicht brachten Vermögenssäkularisation, Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung also einen grundlegenden Abbau althergebrachter Privilegien und Standesschranken mit sich. Der Reichsdeputationshauptschluß übertrug damit einen weitreichenden Prozeß sozialer Gleichstellung in Kirche, Gesellschaft und Staat auf das ganze Reich,172 der bisher nur in einigen Territorien und auch dort nur sehr zaghaft stattgefunden hatte.173 Mit dieser Egalisierung war zugleich eine größere Freiheit des vermögenden Bürgertums verbunden, das sich von Standesschranken befreit eine höhere Stellung erkaufen konnte.174 In Deutschland hatte es eine politisch mächtige Bourgeoisie als eigenständige Gesellschaftsschicht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht gegeben.175 Jetzt waren die Bedingungen für ihre Entstehung geschaffen. Es kam zu einer sozialen Ausdifferenzierung, wie sie für moderne Gesellschaften kennzeichnend ist.176 Damit wurde auch auf deutschem Boden der Übergang zum Bürgerlichen Zeitalter eingeleitet.177

C. Der Reichsdeputationshauptschluß als Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte Der Abbau der alten Standesschranken trug zur rechtlichen Gleichstellung aller Reichseinwohner bei und erweiterte so den Handlungsspielraum des einzelnen. Anders ausgedrückt: Der Reichsdeputationshauptschluß brachte der Gesellschaft einen Zuwachs an Freiheit und Gleichheit. Zwei zentrale Forderungen der französischen Revolutionäre wurden nun auch im Heiligen Römischen Reich umgesetzt, ohne daß das letzte Reichsgrundgesetz dies an irgendeiner Stelle ausdrücklich angeordnet hätte. Damit vollzog das Reich auch im Hinblick auf die Grundrechtsentwicklung den gesamteuropäischen Trend nach.

171 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (162). 172 Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (201); Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 53; Morsey, in: Vierhaus/Botzenhart, Festgabe für v. Raumer, S. 361 (371 f.). 173 Vgl. Fehrenbach, Vom Ancien Regime zum Wiener Kongreß, S. 54. 174 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 177; Schmiedl, in: Decot, Die Säkularisation der Reichskirche 1803, S. 87 (104). 175 Vierhaus, Der Staat 6 (1967), S. 175 (178). 176 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (170). 177 Becker, in: Schmid/Unger, 1803 – Wende in Europas Mitte, S. 17 (34).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Es drängt sich die Frage auf, ob diese gesellschaftlichen Auswirkungen bloße Nebenfolgen von Säkularisation und Mediatisierung waren, die vielleicht nicht unerwünscht, aber jedenfalls auch nicht beabsichtigt waren, oder ob der Reichsdeputationshauptschluß grundrechtliche Intentionen beinhaltete. Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Schritte vonnöten. Zunächst ist zu prüfen, was der essentielle Bestandteil eines Grundrechts ist (I.), und sodann, ob mit dem Reichsdeputationshauptschluß der Schaffung von Grundrechten in diesem Sinne gedient werden sollte (II.).

I. Das Essentiale eines Grundrechts Der Begriff „Grundrechte“ kam in der deutschen Verfassungsgeschichte erst 1848 und damit sehr spät auf.178 Das derzeitige Grundrechtsverständnis ist noch weit weniger alt als der Begriff. Es entstand erst zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als Georg Jellinek die Aufgaben der Grundrechte herausarbeitete und mit den Begriffen „status negativus“, „status positivus“ und „status activus“ belegte.179 Die wichtigste Grundrechtsfunktion ist heute die Verleihung einer subjektiven Rechtsposition des Bürgers, die gerichtlich durchsetzbar und damit effektiv gewährleistet ist.180 Legt man die Maßstäbe dieses engen Grundrechtsverständnisses auch an die Geschichte an, dann waren Grundrechte in der Zeit des Reichsdeputationshauptschlusses auf deutschem Boden unzweifelhaft nicht vorhanden. Die deutsche Grundrechtsgeschichte begänne dann noch nicht einmal mit der Weimarer Reichsverfassung mit ihrem umfassenden Katalog an Grundrechten, sondern erst mit Schaffung des Grundgesetzes, denn der Gedanke, daß die juristische Durchsetzungskraft notwendiger Bestandteil der Bürger- und Menschenrechte ist, wurde erst zu diesem Zeitpunkt in geltendes Verfassungsrecht umgesetzt.181 Das läßt bereits erkennen, daß ein zu enger Grundrechtsbegriff für die historische Darstellung nicht sachgerecht ist. 178 Kleinheyer, Grundrechte – Zur Geschichte eines Begriffs, S. 6; Malmendier, Vom wohlerworbenen Recht, S. 140; Stern, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, § 1 Rdnr. 31. 179 Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 87, 94 ff. Vgl. hierzu im Überblick etwa Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 57 ff. 180 Nach Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 124, ist die gerichtliche Durchsetzbarkeit der „bedeutsamste gleichsam aus dem Zentrum des positiven Status entspringende Anspruch“. 181 Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 754; Klein, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, § 5 Rdnr. 13. Weit ihrer Zeit voraus war in grundrechtlicher Hinsicht die Paulskirchenverfassung, die nicht nur einen umfangreichen Grundrechtskatalog enthielt, sondern den Staatsbürgern darüber hinaus auch eine der heutigen Verfassungsbeschwerde des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG vergleichbare Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung einräumte (§ 126 Buchst. g). Doch blieben die Grundrechte der Paulskirchenverfassung ohne größere praktische Wirkung. Obwohl sie durch Gesetz vom 27. Dezember 1848 in

C. Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte

263

Den Grundrechten kam im Verlauf der Geschichte wie auch heute noch die Aufgabe zu, gesellschaftliche Entwicklungen in rechtliche Formen zu gießen.182 Dementsprechend fällt ihr Charakter je nach Epoche und geistesgeschichtlichem Hintergrund höchst unterschiedlich aus. Für eine historische Betrachtung ist also nach Kriterien zu suchen, die epochenübergreifend den Kernbestandteil eines Grundrechts ausmachen.183 Erste Voraussetzung für die Einstufung eines Rechts als Grundrecht ist seine bürgerbegünstigende Wirkung. Solche individuellen Rechte gab es in Europa schon sehr lange. Ihre Geschichte reicht bis in das Mittelalter zurück, als es einigen Landständen gelang, ihren Fürsten in Herrschaftsverträgen Privilegien abzuringen.184 In der Neuzeit wurden dann schon teilweise weitgehende Individualrechte verbrieft, wie sie besonders im deutschen Raum auf dem Gebiet der Religionsfreiheit ausgeprägt waren. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 ermöglichte den Landesherren die Wahl zwischen den anerkannten Konfessionen. Ihre Untertanen mußten die von ihnen gewählte Konfession übernehmen, eine Regelung, die später mit dem Schlagwort „cuius regio – eius religio“ belegt worden ist.185 Ihnen wurde zwar in § 24 des Reichsabschieds von 1555 ein Auswanderungsrecht zugesprochen, um dem Zwang zur Übernahme einer unerwünschten Konfession zu entgehen. Angesichts der Ungewißheit, die eine Emigration zur damaligen Zeit mit sich brachte, wurde dieses ius emigrandi allerdings kaum in Anspruch genommen.186 Ein knappes Jahrhundert später billigte der Westfälische Frieden dann sogar denjenigen Untertanen, die anderen Glaubens als ihr Landesherr waren, das Recht auf Hausandacht zu.187

Kraft gesetzt worden waren und immerhin bis zum Aufhebungsbeschluß der Bundesversammlung vom 23. August 1851 formell im ganzen deutschen Reich geltendes Recht waren, war die Gegenrevolution schon zu mächtig, als daß die großen Staaten Preußen und Österreich sich noch zu ihrer Publikation genötigt sahen. Vgl. z. B. Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 317, 326; Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland, S. 22 ff.; Kühne, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, § 3 Rdnrn. 3 ff.; sowie ausführlich ders., Die Reichsverfassung der Paulskirche, S. 159 ff. 182 Bernhardt, Art. Grundrechte, in: Erler/Kaufmann, HRG I, Sp. 1843 (1843); Oestreich, in: Bettermann/Neumann/Nipperdey, Die Grundrechte, S. 1 (104). 183 So auch Oestreich, in: Bettermann/Neumann/Nipperdey, Die Grundrechte, S. 1 (9). 184 Kleinheyer, Grundrechte – Zur Geschichte eines Begriffs, S. 8; Stern, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, § 1 Rdnr. 12; Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 157. Als prominenteste Beispiele mittelalterlicher Herrschaftsverträge sind die englische Magna Charta libertatum von 1215 (Text bei Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 3 ff.) und der Tübinger Vertrag von 1514 (Text bei Willoweit/Seif a. a. O., S. 34 ff.) zu nennen. 185 Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 168. 186 Heun, ZRG 117 Kan. Abt. 86 (2000), S. 334 (337).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Einen ganz anderen gedanklichen Hintergrund hatten die Individualrechte, die im Zuge der nordamerikanischen und der Französischen Revolution entstanden.188 Diese waren im wesentlichen von vernunft- und naturrechtlichem Gedankengut inspiriert189 und stellten demnach das Individuum in den Mittelpunkt der Rechtsgewährleistungen. Dieser Tradition folgt auch das heutige Grundgesetz, indem es die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1) an die Spitze des Grundrechtskatalogs stellt.190 Die in Nordamerika und später in Frankreich geschaffenen Grundrechte waren unmittelbar an den Einzelnen adressiert; sie fielen ihm nicht mehr als bloßer Reflex zu, weil er einem bestimmten Stand angehörte, dem insgesamt Rechte gewährt wurden.191 Dadurch hielt zwangsläufig auch ein Element der Gleichheit Einzug,192 das den früheren Freiheitsverbriefungen fremd war und angesichts ihrer theoretischen Grundlage auch sinnwidrig gewesen wäre. Ein Vergleich der in Nordamerika und Frankreich geschaffenen Individualrechte mit denen des Mittelalters und der frühen Neuzeit zeigt damit entscheidende qualitative Unterschiede. Früher gab es zwar eine Reihe von Pflichten, die dem Monarchen gegenüber dem Volk als Ganzen oblagen. Es fehlte aber eine Konstituierung von Rechten der einzelnen Bürger gegenüber dem Machthaber.193 „Der Verband“ war „das Primäre, das Individuum nur das Sekundäre.“194 So wurde auch die oben beschriebene frühe Religionsfreiheit in erster Linie korporativ verstanden.195 Es konnte nur eine Art abgestufte Gleichheit innerhalb der jeweiligen Personengruppen geben.196 In der Welt des Mittelalters 187 Vgl. Goertz, Deutschland 1500 – 1648, S. 253; Starck, in: ders., Der demokratische Verfassungsstaat, S. 364 (366). 188 Vgl. dazu Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 25, 40, 58 ff.; Stern, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, § 1 Rdnr. 25 ff. 189 Kriele, in: Achterberg, Festschrift für Scupin zum 70. Geburtstag, S. 187 (193); Pieroth, Jura 1984, S. 568 (572 f.); Scheuner, in: Forsthoff/Weber/Wieacker, Festschrift für Huber, S. 139 (142). Inwieweit auch Ideen der deutschen Naturrechtslehre von Bedeutung waren, ist umstritten, vgl. Pieroth a. a. O., S. 568 (571) m. w. Nachw. 190 Unabhängig von den feinen Verästelungen, den verschiedenen Ausprägungen, welche die heutige Rechtslehre und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung dem Art. 1 des Grundgesetzes hat zukommen lassen, besteht über ihre Grundaussage doch Einigkeit: Der Mensch hat seine Würde und die ihm daraufhin zustehenden Grundrechte aufgrund seiner Eigenschaft als Mensch. 191 Hartung, in: ders./Commicheau/Murphy, Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, S. 15 (15 f.). 192 Wenn jedem einzelnen kraft seiner Eigenschaft als Mensch Freiheit zukommt, muß die Freiheit untrennbar mit der Gleichheit aller der menschlichen Rasse angehörenden Wesen zusammenhängen; Hattenhauer, Die geistesgeschichtlichen Grundlagen, Rdnr. 66; Stern, in: Achterberg/Krawietz/Wyduckel, Festschrift für Scupin zum 80. Geburtstag, S. 627 (640). 193 Hartung, in: ders./Commicheau/Murphy, Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, S. 15 (16); Huber, AöR 62 (1933), S. 1 (3); Pieroth, Jura 1984, S. 568 (570). 194 Stern, in: Isensee/Kirchhof, HStR V, § 108 Rdnr. 4.

C. Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte

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und der frühen Neuzeit war niemand im modernen Sinne frei, nicht einmal der Adel197, der keinen bürgerlichen Beruf ergreifen konnte, ohne seine privilegierte Rechtsstellung zu verlieren.198 Das Bewußtsein dafür, daß die Grundrechte jedem einzelnen einen Freiheitsraum schaffen sollen, auf den der Staat nicht zugreifen darf, konnte erst in der von Standesschranken weitgehend befreiten bürgerlichen Gesellschaft aufkommen.199 Daran zeigt sich, was für ein Grundrecht essentiell ist: Jedenfalls im abendländischen Kulturraum hat sich als zentraler, alle Grundrechte umfassender Wert herausgebildet, daß das Individuum jeweils in ihrem Mittelpunkt steht.200 Die weitere Entwicklung, also insbesondere die Schaffung effektiver gerichtlicher Durchsetzungsmöglichkeiten, ist auf dieser Basis nur eine logische Folge. Die Grundrechtsgeschichte wurde mit der nordamerikanischen und Französischen Revolution nicht einfach fortgeschrieben, in Wahrheit begann sie erst dort.201

II. Die gesellschaftsreformerische Zielsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses Der Reichsdeputationshauptschluß ermöglichte den Einzug der auf Freiheit und Gleichheit basierenden bürgerlichen Gesellschaftsordnung in Deutschland, wie sie für die Durchsetzung von Grundrechten im modernen Sinne unabdingbar war. Es kann sich damit nun eine Untersuchung anschließen, ob und inwieweit diese Veränderungen tatsächlich beabsichtigt waren oder nur eine bloße Nebenfolge der reichsverfassungsrechtlichen Veränderungen darstellten. Bevor auf diese Problemstellung eingegangen werden kann, muß jedoch zunächst geklärt werden, wessen Motivation entscheidend ist.

195 Heun, ZRG 117 Kan. Abt. 86 (2000), S. 334 (337); Starck, in: ders., Der demokratische Verfassungsstaat, S. 364 (366). 196 Pieroth, Jura 1984, S. 568 (570). 197 Anders Pieroth, Jura 1984, S. 568 (570). 198 Scheuner, in: Birtsch, Grund- und Freiheitsrechte im Wandel von Gesellschaft und Geschichte, S. 376 (378). 199 Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland, S. 2; Pieroth, Jura 1984, S. 568 (570); Würtenberger, in: Merten/Papier, Handbuch der Grundrechte I, § 2 Rdnr. 1. 200 Oestreich, in: Bettermann/Neumann/Nipperdey, Die Grundrechte, S. 1 (104). 201 Ähnlich Geiger, in Fürst/Herzog/Umbach, Festschrift für Zeidler II, S. 1401 (1402 f.), inzident auch Pieroth, Jura 1984, S. 568 (570). Natürlich hat die hier vorgenommene Grenzziehung – wie in der Geschichte üblich – keine ausschließliche Gültigkeit. So findet sich der moderne Grundrechtsgedanke auch schon im 17. Jahrhundert, vornehmlich in England. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang die Petition of Rights vom Jahre 1628 und die Habeas-Corpus-Akte von 1679, vgl. Hartung, in: ders./Commicheau/Murphy, Die Entwicklung der Menschen- und Bürgerrechte, S. 15 (16).

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Normalerweise kommt es auf die Intention des Normgebers an, wenn der Zweck eines Gesetzes bestimmt werden soll. Das waren für den Reichsdeputationshauptschluß formal betrachtet der Reichstag und der Kaiser, die sich bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Interessen in ihrer Ablehnung einer auf den Idealen von Freiheit und Gleichheit beruhenden Gesellschaft weitgehend einig waren. Allerdings ist zweifelhaft, ob für die Bestimmung der Zielsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses tatsächlich die Motivation von Reichstag und Kaiser maßgeblich ist. Schließlich waren nicht sie die eigentlich bestimmenden Akteure, sondern auswärtige Mächte, in erster Linie Frankreich.202 Fragte man nach der Motivation der Reichsorgane, mißachtete man die historischen Umstände der Entstehung dieses Reichsgrundgesetzes. Aus diesem Grund kann die Zielsetzung des Reichsdeputationshauptschlusses nicht nach den Beweggründen des Gesetzgebers im formalen Sinne bestimmt werden, sondern nach denjenigen Frankreichs und damit letztlich Napoleons. 1. Die Interessenlage Napoleons hinsichtlich Deutschlands Das Vorgehen Napoleons in den ersten Jahren nach der Jahrhundertwende hat unter Historikern zunächst einiges Erstaunen hervorgerufen. Auf den ersten Blick erscheint es ja tatsächlich eigenartig, daß sich ein siegreicher Feldherr bemüht, Gebiet und Vermögen seiner Gegner zu mehren, und daß er in diesem Zusammenhang die Kapazitäten seiner höchsten Diplomaten bindet.203 Heute herrscht Einigkeit darüber, daß Napoleon eine Stärkung der deutschen Mittelstaaten anstrebte, um ein innerdeutsches Gegengewicht zu seinem Hauptfeind Österreich zu schaffen.204 Diese These wird durch die Tatsache untermauert, daß in der Kategorie des Landzuwachses gerechnet Preußen und die deutschen Mittelstaaten im Vergleich zu Österreich die Gewinner waren.205 Hinsichtlich der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens allerdings muß sich Napoleon verkalkuliert haben. Diese Möglichkeit kam den Habsburgern nicht an202

Siehe näher oben, S. 49. Die scheinbare Paradoxie der napoleonischen Politik wird besonders in der französischen Geschichtsschreibung betont; vgl. Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 283 m. w. Nachw. 204 Brandt, Der lange Weg, S. 19; Gagliardo, Reich and Nation, S. 195; Hackner, JA 2001, S. 813 (814); Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, S. 282; Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (96); Maier, in: Marré/Schümmelfelder/Kemper, Essener Gespräche 38 (2004), S. 7 (10); Schmidt, Geschichte des Alten Reiches, S. 340; Schroeder, JuS 1989, S. 351 (354); ders., JuS 2006, S. 577 (579); Ziekow, DÖV 1985, S. 817 (817). Diese Einschätzung wurde vereinzelt auch schon von Zeitgenossen getroffen; Gaspari, Der Deputations-Receß I, S. 90; vgl. ferner Wende, Die geistlichen Staaten und ihre Auflösung, S. 68 f. 205 Härter, GWU 2003, S. 484 (491); Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (99). 203

C. Instrument zur Schaffung moderner Grundrechte

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ders als den kleineren Reichsständen zugute, und sie machten von ihr sehr erfolgreich Gebrauch. So konnte sich Österreich durch eine geschickte Politik den mit der Vermögenssäkularisation verbundenen Verpflichtungen206 recht weitgehend entziehen und muß daher auch zu den finanziellen Gewinnern des Reichsdeputationshauptschlusses gezählt werden.207 Hingegen gelang es vielen Mittelstaaten nicht, die eingegangenen Verbindlichkeiten so gering zu halten, daß von den Veräußerungserlösen noch nennenswerte Gewinne übrig geblieben wären.208 Doch hingen die praktischen Folgen der Vermögenssäkularisation von der Politik der einzelnen Staaten ab, auf die der Erste Konsul trotz seiner unbestreitbaren Machtfülle keinen direkten Einfluß nehmen konnte. Daher erschüttern die tatsächlichen Gewinne Österreichs auch nicht die Richtigkeit der These, der Reichsdeputationshauptschluß habe eine „antihabsburgische Stoßrichtung“209 gehabt, und Napoleon habe die Mittelstaaten gezielt stärken wollen. 2. Gesellschaftspolitische Vorstellungen Napoleons Die Feststellung, die französische Politik habe die Schaffung eines Blocks kleinerer lebensfähiger Staaten in Deutschland erstrebt, ist allerdings nur von beschränkter Aussagekraft. Sie beinhaltet noch keine Antwort auf die viel entscheidendere Frage, auf welchem Wege dies erreicht werden sollte. Insoweit bereitet der Umstand Schwierigkeiten, daß die napoleonische Politik in der Expansionsphase nicht eben stringent war, sondern stets unter einer gewissen Widersprüchlichkeit litt.210 Napoleon verfolgte gleichzeitig mehrere Ziele, die sich nicht voll miteinander vereinbaren ließen. Der Schwerpunkt des politischen Interesses wechselte dabei öfters. Bisweilen wird sogar gefolgert, Napoleon habe gar keine Pläne für den Aufbau und die innere Struktur seines künftigen Imperiums gehabt.211 Diese These erscheint allerdings doch realitätsfern. Ein derartiger militärischer Erfolg wie der französische zur damaligen Zeit wäre nie möglich gewesen, wenn er nach einem festgefügten Plan erfolgt wäre, von dem abzuweichen man nicht bereit war. Erfahrungsgemäß zeichnet sich der erfolgreiche Heerführer dadurch aus, daß er auf zwangsläufig auftretende unerwartete Ereignisse spontan reagieren und seine Strategie entsprechend anpassen kann. Diese Fähigkeit muß Napoleon generell zu eigen gewesen sein. Daher ist die teilweise Wi-

206

Siehe oben, S. 62 ff. Mempel, Die Vermögenssäkularisation II, S. 217. 208 Siehe oben, S. 65. 209 So etwa Scheyhing, Deutsche Verfassungsgeschichte, Kap. 9 Rdnr. 12 210 Berding, Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, S. 15. 211 So speziell zur Rheinbundpolitik Tulard, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 1 (4); ähnlich auch Lefebvre, Napoleon, S. 156. 207

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

dersprüchlichkeit seiner Vorgehensweise kein Indiz für eine fehlende theoretische Konzeption, sondern vielmehr für die erforderliche Flexibilität. Heute gilt es als gesicherte Erkenntnis, daß die napoleonische Gesellschaftspolitik zwar nicht allein planmäßiger Anlage, aber auch nicht bloßer Improvisation entsprang.212 Es erscheint also trotz aller Widersprüchlichkeiten keineswegs ausgeschlossen, einen „roten Faden“ der napoleonischen Politik auszumachen, ein Gesamtkonzept, das Bonapartes Deutschlandplänen zugrunde lag.213 Allerdings bereitet der Umstand Schwierigkeiten, daß Napoleon soweit ersichtlich keine Aussagen dazu hinterlassen hat, was genau er mit den Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses bezweckte. Sollte er tatsächlich die Stärkung von Bürgerrechten angestrebt haben, wäre eine Kundgabe allerdings auch töricht gewesen. Die deutschen Landesherren, wegen der Aussichten auf reiche Entschädigungsleistungen dem Franzosen überwiegend wohlgesonnen, hatten für die gezielte Schaffung einer bürgerlichen Gesellschaft wenig Sympathie. Wollte Napoleon also tatsächlich soziale Reformen auf ihrem Territorium durchführen, so konnte er dies nicht offen tun. Angesichts fehlender unmittelbarer Äußerungen Napoleons über seine Vorstellungen von der zukünftigen Gesellschaftsstruktur des Heiligen Römischen Reiches erscheint es sinnvoll, seine Politik für das außerfranzösische Europa in der Zeit zu betrachten, in der er seine Macht noch weiter gefestigt hatte. Hier konnte er seine Vorstellungen schon mit weniger Rücksichtnahme auf Althergebrachtes durchsetzen. Was sich dort an Gemeinsamkeiten zeigt, kann als Indiz auch für die geplante Vorgehensweise einige Jahre vorher dienen. Nun waren Napoleon nie alle faktisch von ihm beherrschten Staaten gleichermaßen wichtig. Während er die einen als Kern seines künftigen Imperiums ansah und ihrer politischen und rechtlichen Verfassung daher größte Bedeutung zumaß, sollten die anderen entweder bloß wirtschaftlich ausgebeutet oder als Verhandlungsmasse genutzt werden.214 Damit ergibt sich für die folgende Betrachtung die Notwendigkeit, die Staaten heranzuziehen, die zur ersten Gruppe gehörten, die Napoleon also ebenso stärken wollte wie die deutschen Mittelstaaten im Jahre 1803. Als Beispiele hierfür bieten sich das Königreich Neapel und die Rheinbundstaaten, hier vor allem das Königreich Westfalen, an.

212 Schieder, in: Speitkamp/Ullmann, Festschrift für Berding, S. 99 (100) m. w. Nachw. 213 So auch Weis, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 57 (57), speziell zur Rheinbundpolitik. 214 Woolf, in: Dipper/Schieder/Schulze, Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, S. 29 (32).

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a) Gesellschaftsreformen im Königreich Neapel Das Königreich Neapel stand seit 1806 unter napoleonischer Herrschaft.215 Bemerkenswert war, daß seine unmittelbaren Herrscher Joseph Bonaparte und später Joachim Murat zum Kreis der engsten Vertrauten Napoleons zählten und auf diesen einen dementsprechend großen Einfluß hatten. Dieser gestand ihnen einen größeren Spielraum für eigene politische Entscheidungen zu als jedem anderen Herrscher eines napoleonischen Satellitenstaates.216 An die Umstrukturierung der bestehenden Feudalordnung ging man in Neapel nicht nur mit großer Geschwindigkeit, sondern auch mit einem Eifer, der fast schon als sozialrevolutionär zu bezeichnen ist. Das gesellschaftsreformerische Mittel war die Veräußerung von Land, größtenteils Säkularisationsgut aus aufgelösten sehr wohlhabenden Orden, Konventen und Klöstern.217 Dabei war es der innerste Führungszirkel, der von antifeudalen Ideen besonders beseelt war. Murat selbst schrieb 1810 an den neapolitanischen Minister für Inneres Zurlo: „Ohne Zweifel wird der größte Gewinn meiner Herrschaft in der völligen Abschaffung des Feudalismus liegen.“218 Nirgendwo wurden so radikale Landreformen durchgeführt wie hier,219 nirgendwo war der Wille zur Umverteilung von Wirtschaftskraft und damit Macht so groß. Dabei sollten nicht nur die Bürger, sondern auch und gerade die Bauern von den Besitzumschichtungen profitieren. Zurlo bezeichnete es 1810 als seine Hauptintention, „die bedürftige Klasse in den Status von Eigentümern zu heben [. . .]. Wenn einzelne vorübergehende Aspekte diesen wohltätigen Zielen entgegenstehen, müssen wir es in Angriff nehmen, diese zu beseitigen; unter keinen Umständen dürfen sie die wichtigsten Ziele“ beeinträchtigen.220 In der Folgezeit sollte sich freilich zeigen, daß im Königreich Neapel bisweilen doch mit einem Übereifer zu Werke gegangen worden war, der dem angestrebten Ziel nicht dienlich war. Entgegen aller Planungen trat an die Stelle der alten Eliten eine neue Schicht wohlhabender Großgrundbesitzer aus der Bourgeoisie.221 Die Zerstörung der alten Gesellschaftsordnung gelang, der Aufbau einer neuen dagegen nicht.222 Dennoch ist der antifeudalistischen Politik Joseph 215 Salvatorelli, Geschichte Italiens, S. 547; Wunder, Europäische Geschichte, S. 155. 216 Dies ist am ehesten auf die große geographische Entfernung zum französischen Mutterland zurückzuführen, Woolf, in: Dipper/Schieder/Schulze, Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, S. 29 (32). 217 Villani, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 171 (172). 218 Zitiert nach Valente, Gioacchino Murat, S. 278. 219 Broers, Europe under Napoleon, S. 89. 220 Zitiert nach Broers, Europe under Napoleon, S. 89. 221 Villani, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 171 (187); Wunder, Europäische Geschichte, S. 156.

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3. Teil: Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses

Bonapartes und Murats im Rückblick eine weitreichende Wirkung beizumessen.223 b) Gesellschaftsreformen in den Rheinbundstaaten 16 deutsche Staaten erklärten in der Rheinbundakte vom 12. Juli 1806224 ihren Austritt aus dem Reichsverband (Art. 1) und unterstellten sich der Schirmherrschaft Napoleons, der das neugeschaffene Amt des Bundesprotektors bekleidete.225 Trotz der pro forma unbeschränkten Souveränität der Mitgliedsstaaten (Art. 4) nahm Bonaparte massiven Einfluß auf die Gesellschaftspolitik im Rheinbund. Während Art. 27 dem hohen Adel den Schutz seiner althergebrachten Privilegien garantierte, wurde die Verbürgerlichung des niederen Adels in den Rheinbundstaaten massiv vorangetrieben.226 Dies geschah zum einen durch die Einführung französischen Rechts, das auf dem Gedanken staatsbürgerlicher Gleichheit beruhte,227 was im Rückblick wohl die wirkungsvollste Maßnahme zur Konsolidierung französischer Herrschaft war.228 Darüber hinaus führten die größeren Rheinbundstaaten von sich aus weitreichende Gesellschaftsreformen durch.229 Sie schafften das Stände- und Zunftwesen ab, nahmen die Bauernbefreiung und die Schaffung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz in Angriff und schrieben eine weitreichende Religionsfreiheit fest.230 Eine Bemerkung Napoleons unterstreicht, daß er diese auf eine Stärkung des Bürgerstandes gerichteten Reformen gezielt angestrebt hatte: „Entweder müssen sich die Regierungen unserer Nachbarländer an unsere Regierungsform anglei222

Broers, Europe under Napoleon, S. 89. Broers, Europe under Napoleon, S. 89; Wunder, Europäische Geschichte, S. 155. 224 Siehe oben, Dritter Teil, Fußn. 2. In juristischen Kategorien handelte es sich um einen völkerrechtlicher Vertrag zwischen Frankreich auf der einen und den Mitgliedsstaaten auf der anderen Seite; Ebel/Thielmann, Rechtsgeschichte, Rdnr. 465; Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 405. 225 Bis 1808 war ihre Zahl bereits auf 39 angewachsen, Eisenhardt, Deutsche Rechtsgeschichte, Rdnr. 405. 226 Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 252. 227 Diese gesellschaftsreformerische Wirkung durch scheinbar unpolitische Gesetze aus dem Bereich des Zivil-, Straf- oder Prozeßrechts ist lange verkannt worden; Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte I, S. 84; Nolte, Staatsbildung als Gesellschaftsreform, S. 138. 228 Was von Napoleon auch so beabsichtigt war, wie er am 31.10.1807 an seinen Außenminister Champagny schrieb; Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 217 Fußn. 3. 229 Weis, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 57 (63). 230 Weis, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 57 (63). Allgemein zu den Reformen in den Rheinbundstaaten siehe auch Nolte, Staatsbildung als Gesellschaftsreform. 223

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chen, oder wir müssen unsere politischen Institutionen mehr in Einklang mit den ihren bringen. Zwischen den alten Monarchien und einer ganz jungen Republik besteht immer ein Kriegszustand.“231 Die Regierungsform Frankreichs basierte seit der Revolution auf der gleichheitsgeprägten bürgerlichen Gesellschaft. Das moderne französische Verwaltungssystem konnte nur funktionieren, wenn es das Monopol zur Regelung öffentlicher Angelegenheiten innehatte. Feudale Privilegien, die ja hoheitliche Rechte des Adels einschlossen, standen dem in unauflösbarem Widerspruch entgegen.232 Gleiches galt für die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben durch die Kirchen.233 Sie durften nicht fortbestehen, wenn die zentralisierte Verwaltung funktionieren sollte. c) Gesellschaftsreformen im Königreich Westfalen Besondere Beachtung verdient im vorliegenden Zusammenhang das Königreich Westfalen. Ohne geschichtlichen Vorläufer im Jahre 1807 aus verschiedenen Staatsgebieten zusammengesetzt, war es um den Kern des ehemaligen Kurfürstentums Hessen mit der Hauptstadt Kassel gelegen.234 Als Herrscher installierte Napoleon seinen jüngsten Bruder Jérôme.235 Kaum ein Land bot sich so gut an wie das Königreich Westfalen, Modellstaat nach dem Muster des französischen Kaiserreichs auf deutschem Boden zu werden.236 Es hatte keine Geschichte und würde sich damit, so schrieb der spätere Finanzminister Malchus euphorisch, wie das Weltall bei der Schöpfung völlig neu formen lassen.237 Napoleon selbst hatte das Königreich Westfalen als Modellstaat nicht nur für die Rheinbundstaaten, sondern für das gesamte von ihm künftig zu beherrschende Europa auserkoren, wie er seinem Bruder Jérôme mitteilte.238 Dementsprechend intensiv kümmerte er sich persönlich um die innere Verfassung Westfalens mit der Folge, daß der eigentliche König im Vergleich zu den anderen Herrschern von Napoleons Gnaden den geringsten eigenen Gestaltungsspielraum hatte.239 Daher finden sich hier zahlreiche Instruktionen des französischen 231 Napoleon zu Thibaudeau, zitiert bei Tulard, Napoleon oder der Mythos des Retters, S. 176. 232 Broers, Europe under Napoleon, S. 86. 233 Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 257. 234 Karte des Königreichs Westfalen in der ersten Bestehensphase bei Connelly, Napoleon’s Satellite Kingdoms, S. 178; Knemeyer, Regierungs- und Verwaltungsreformen, S. 60. 235 Ham, ZNR 26 (2004), S. 227 (228). 236 Berding, Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, S. 20; Broers, Europe under Napoleon, S. 91; Wunder, Europäische Geschichte, S. 158. 237 zitiert nach Fabre, Jérôme Bonaparte, S. 67. 238 Brief vom 15.11.1807: „aussi sous le point de vue du système générale de l’Europe.“; vgl. Berding, Napoleonische Herrschafts- und Gesellschaftspolitik, S. 21; Schulz, Herrschaft durch Reformen, S. 66 Fußn. 132.

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Kaisers, und es zeigt sich an diesem Königreich die Art am deutlichsten, in der Bonaparte seine Eroberungen zu sichern gedachte. Herzstück des Königreichs Westfalen sollte die neugeschaffene Verfassung werden.240 Sie wurde vom Straßburger Juristen Christoph Wilhelm Koch ausgearbeitet, der aber einer ständigen Einflußnahme des Kaisers selbst und seiner Räte ausgesetzt war.241 Diese Verfassung war die erste geschriebene Konstitution auf deutschem Boden242 und enthielt zahlreiche Vorschriften, welche die Rechte des einzelnen und die Gesellschaftsstruktur betrafen. Zentrale Norm war Art. 10 der Westfälischen Verfassung, der „die Gleichheit aller Untertanen vor dem Gesetz und die freie Ausübung des Gottesdienstes der verschiedenen Religionsgemeinschaften“ anordnete. Mit der praktischen Umsetzung dieser Garantien wurde sehr konsequent begonnen: Die Juden genossen nirgendwo sonst in Deutschland eine so weitgehende Gleichstellung mit den Angehörigen anderer Religionen wie in Westfalen.243 Die Verfassung verfügte ausdrücklich die Aufhebung der Leibeigenschaft (Art. 13) und sämtlicher Adelsprivilegien (Art. 14). Die alten Landstände wurden dadurch ebenso abgeschafft wie die überkommene Zunftverfassung.244 An deren Stelle trat mit Dekret vom 5. August 1808 die Garantie der Gewerbefreiheit.245 Als wirksamstes Mittel im Programm des Antifeudalismus sollte sich allerdings Art. 45 der Westfälischen Verfassung erweisen: „Der Codex Napoleon soll vom ersten Januar 1808 an, das buergerliche Gesetzbuch des Koenigreichs Westphalen seyn.“ Gegen alle Warnungen sollte der Modellstaat geradezu überfallartig mit den Ergebnissen der Französischen Revolution beglückt werden.246 Daß die praktischen Probleme eines solch radikalen Übergangs schnell Überhand nahmen, kann kaum erstaunen.247 239 Woolf, in: Dipper/Schieder/Schulze, Napoleonische Herrschaft in Deutschland und Italien, S. 29 (32). 240 Abgedruckt bei Willoweit/Seif, Europäische Verfassungsgeschichte, S. 419 ff.; Rob, Regierungsakten des Königreichs Westphalen, S. 41 ff. 241 Hattenhauer, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 67 (70). 242 Ham, ZNR 26 (2004), S. 227 (227); Hattenhauer, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 67 (69); Rob, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 239 (240); Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 237. 243 Berding, in: Weis, Reformen im rheinbündischen Deutschland, S. 269 (277); Hattenhauer, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 67 (77). 244 Hattenhauer, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 67 (77 f.); Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland, S. 11; Rob, in: Klueting, 200 Jahre Reichsdeputationshauptschluß, S. 239 (240). 245 Broers, Europe under Napoleon, S. 92; Hattenhauer, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 67 (78); Wunder, Europäische Geschichte, S. 159. 246 Broers, Europe under Napoleon, S. 91. Westfalen nahm hierbei eine Sonderstellung innerhalb der von Napoleon besetzten Gebiete ein: Neben dem Königreich rezipierte überhaupt nur noch das benachbarte Großherzogtum Berg den Code ohne Einschränkungen und Modifikationen, dort allerdings erst nach einer dreijährigen Übergangszeit; Fehrenbach, Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon, S. 16. Das darf allerdings nicht über die – nach zum Teil geringfügigen Änderungen – weitver-

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Auch zu den Beweggründen für die im historischen Kontext gesehen sehr weitgehende Durchsetzung von Freiheit und Gleichheit im Königreich Westfalen äußerte sich Napoleon selbst. In dem Brief, mit dem er ihm die Verfassung übersandte, schrieb er an seinen Bruder Jérôme: „Mir liegt am Wohl Ihrer Völker, . . . auch aus dem Gesichtspunkt der Gesamtordnung Europas. . . . Was die deutschen Völker ungeduldig ersehnen, ist, daß auch der fähige Nichtadelige das gleiche Recht auf Ihre Berücksichtigung und auf Anstellungen habe, daß jede Form von Leibeigenschaft und vermittelnder Glieder zwischen dem Souverän und der untersten Volksklasse vollständig aufgehoben werde. Die Errungenschaften des Code Napoléon . . . werden gleichfalls Unterscheidungsmerkmale Ihrer Monarchie sein. Und, um Ihnen meine ganze Meinung zu sagen, ich verlasse mich für die Ausdehnung und Befestigung Ihres Thrones mehr auf deren Auswirkungen als auf das Ergebnis größter Siege. Ihre Völker müssen sich einer Freiheit, einer Gleichheit und eines Wohlstandes erfreuen, die den deutschen Völkern unbekannt sind. . . . Diese Regierungsweise wird eine mächtigere Barriere sein, um Sie von Preußen zu trennen, als die Elbe, als die Festungen und als der Schutz durch Frankreich. Welches Volk wird unter die willkürliche preußische Regierung zurückkehren wollen, wenn es an den Wohltaten einer weisen und freiheitlichen Verwaltung Geschmack gefunden hat? Die Völker Deutschlands, Frankreichs, Italiens, Spaniens sehnen sich nach Gleichheit und verlangen freiheitliche Ideen.“248 Im weiteren Verlauf der Geschichte sollte sich zwar erweisen, daß die Durchsetzung dieser Vorstellung größtenteils gescheitert ist, vor allem, weil die fortwährende Kriegslage zur finanziellen und militärischen Auspressung der Westfalen zwang.249 Die angestrebte Liebe der Bevölkerung zu den Errungenschafbreitete Annahme des Code in deutschen Gebieten hinwegtäuschen, die nach Napoleons Willen wohl noch größer gewesen wäre, hätte er sich nicht aus politischer Klugheit bei einigen Staaten mit dem Ansinnen der Einführung seines Gesetzbuchs zurückgehalten, näher Hölzle, in: Hofmann, Die Entstehung des modernen souveränen Staates, S. 262 (267). 247 Vgl. hierzu näher Fehrenbach, Traditionale Gesellschaft und revolutionäres Recht, S. 80; dies., Der Kampf um die Einführung des Code Napoléon, S. 34; v. Hippel, in: Berding/Ullmann, Deutschland zwischen Revolution und Restauration, S. 296 (306); Schubert, Französisches Recht in Deutschland, S. 111. 248 Zitiert nach Hattenhauer, in: Großfeld u. a., Westfälische Jurisprudenz, S. 67 (69 f.). 249 Rob, in: ders., Regierungsakten des Königreichs Westphalen, S. 1 (6); Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 67; Wunder, Europäische Geschichte, S. 159. Westfalen mußte 25.000 Mann für die Grande Armée stellen und damit mehr Soldaten pro Kopf der Bevölkerung als in jedem anderen europäischen Land, Connelly, Napoleon’s satellite kingdoms, S. 196; Lahrkamp, in: Kohl, Westfälische Geschichte II, S. 37; Sheehan, Der Ausklang des alten Reiches, S. 238. Die ständig steigende Steuerlast wurde so unerträglich, daß in der Endzeit des Königreichs 1813 Jérôme an seinen Bruder schreiben mußte, er könne die Abgaben nicht weiter einfordern, denn wenn die Steuereintreiber kämen, verließen die Westfalen ihre

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ten der Französischen Revolution hielt sich daher in Grenzen,250 wenngleich allerdings dem hessischen Kurfürsten auch nur wenige nachtrauerten. Dennoch sind die eben zitierten Äußerungen des französischen Kaisers nicht einfach als Propaganda abzuqualifizieren.251 Zum einen wäre es sinnlos, in einem Brief zu lügen, der nicht unmittelbar für die Öffentlichkeit bestimmt war, zum anderen waren – wie schon dargestellt – die Verfassung und die folgenden Gesetze tatsächlich an den Idealen von Freiheit und Gleichheit orientiert. Es zeigt sich damit gleich mehreres: Das Wohl der Bevölkerung war kein Selbstzweck, sondern diente der Festigung der napoleonischen Herrschaft. Nicht nur militärische Durchsetzungskraft, sondern vor allem die Zustimmung der einfachen Bevölkerung sollten seine Herrschaft europaweit absichern. Und diese Sympathie, dachte Bonaparte, würde ihm wegen der Einführung von Freiheit und Gleichheit entgegengebracht. Das Ziel der Westfälischen Verfassung war damit letztlich die Durchsetzung der bürgerlichen Gesellschaft.252 d) Schlußfolgerungen für die Zielrichtung der napoleonischen Politik während des Entstehungsprozesses des Reichsdeputationshauptschlusses Aus der Zusammenschau des Vorgehens Napoleons in den Folgejahren ergibt sich, daß der französische Kaiser Landgewinnen allein nicht die höchste Priorität zumaß.253 Vielmehr waren seine Eroberungen stets militärischer und moralischer Art zugleich.254 Dabei waren diejenigen Herrscher, die Napoleon am nächsten standen, auch die größten Reformer. Als eigentlicher Gesellschaftsreformer muß aber Napoleon selbst gelten.255 Bonaparte strebte zwar die Schaffung einer neuen Adelsschicht an und nahm dazu sogar neue Nobilitierungen vor256 – hierin liegt ein Teil der Widersprüchlichkeit bonapartischer Herrschaft begründet.257 Die neuen Eliten erhielten aber Wohnungen und töteten sich aus lauter Verzweiflung selbst, Brief vom 16. Juni 1813, zitiert nach Goecke/Ilgen, Das Königreich Westfalen, S. 263. 250 Goecke/Ilgen, Das Königreich Westfalen, S. 151. 251 So auch Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 66 f. 252 Ham, ZNR 26 (2004), S. 227 (227); Kröger, Grundrechtsentwicklung in Deutschland, S. 11. 253 Broers, Europe under Napoleon, S. 31. 254 Schulz, Herrschaft durch Verwaltung, S. 67. 255 Broers, Europe under Napoleon, S. 92. 256 Deshalb nahm Napoleon auch im französischen Kernland immer wieder Neunobilitierungen verdienter Armeemitglieder und hoher Beamter vor; Fehrenbach, in: Berding/François/Ullmann, Deutschland und Frankreich im Zeitalter der Französischen Revolution, S. 177 (202 f.). 257 Broers, Europe under Napoleon, S. 86.

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keine im modernen Sinne hoheitlichen Befugnisse; die Gleichheit vor dem Gesetz wurde nicht angetastet.258 Napoleon ging es letztlich um eine Stärkung des Bürgertums als neuer Basis seiner Herrschaft. Er hat also in Wahrheit die Französische Revolution nicht überwunden, sondern konsolidiert und ihre Grundideale Freiheit und Gleichheit auf Europa ausgedehnt.259 Damit ist zu konstatieren: Das Interesse Napoleons bei Schaffung des Reichsdeputationshauptschlusses 1803 war die gezielte Stärkung der deutschen Mittelstaaten. Die Stärkung abhängiger Gebiete erfolgte stets durch den Kampf gegen die alten Eliten und damit verbunden die Einführung größerer Freiheit und Gleichheit. Dies ist eine von Ort und Zeit unabhängige Konstante napoleonischer Eroberungspolitik.260 Auch der Reichsdeputationshauptschluß von 1803 bewirkte die Schwächung der alten Adelsschicht, zeitigte also genau die Folgen, die auch die anderen Gesellschaftsreformen Napoleons mit sich brachten oder zumindest mit sich bringen sollten. Es spricht daher alles dafür, daß die gesellschaftlichen Folgen von Säkularisation und Mediatisierung beabsichtigt,261 ja das eigentliche Ziel dieses Reichsgrundgesetzes waren. Der Reichsdeputationshauptschluß bezweckte die Einführung einer an Freiheit und Gleichheit orientierten Gesellschaftsordnung. Er stellt sich so als Motor für die moderne Grundrechtsentwicklung in Deutschland dar. Die abschließende Bewertung der verfassungsgeschichtlichen Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses fällt deshalb positiv aus: Er brachte die notwendige juristische Beseitigung überkommener Strukturen, um die wirtschaftliche, soziale und politische Fortentwicklung in Deutschland zu ermöglichen und den Weg zum modernen Verfassungsstaat zu ebnen.262

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Broers, Europe under Napoleon, S. 95. Broers, Europe under Napoleon, S. 273. 260 Neben den hier näher beleuchteten Beispielen zeigt sie sich ebenfalls im französischen Mutterland, und auch in den 1801 eingegliederten rheinländischen Gebieten führte Bonaparte ein ausgeprägtes Entfeudalisierungsprogramm durch; Schieder, in: Crusius, Zur Säkularisation geistlicher Institutionen, S. 84 (88). 261 Wenig überzeugend ist dagegen die These von Freund, Napoleon und die Deutschen, S. 13, nach welcher der Sinn der Säkularisationen darin gelegen haben soll, die Herrschaft über die Kirchen und dann auf geistlichem Wege über die Bevölkerung zu erlangen. Daß sich Napoleon religiöser Mittel bediente, um seine Herrschaft zu festigen, läßt sich für das französische Kernland durchaus behaupten, gilt aber in dieser Allgemeinheit nicht. Auch Freund belegt seine These nicht. 262 Dipper, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 123 (164, 170); Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 177; Lill, in: v. Reden-Dohna, Deutschland und Italien im Zeitalter Napoleons, S. 91 (101). 259

Zusammenfassung I. Der Reichsdeputationshauptschluß vom 25. Februar 1803 ist ein Produkt der militärischen Konfrontation zwischen Frankreich und dem Heiligen Römischen Reich. Sein Regelungsschwerpunkt lag in der nahezu vollständigen Auflösung der geistlichen Fürstentümer (Herrschaftssäkularisation) und vieler kleiner weltlicher Reichsglieder, vor allem der freien Reichsstädte (Mediatisierung). Sie wurden den verbliebenen Territorien zugeordnet, so daß eine vergleichsweise geringe Zahl an leistungsfähigen Mittelstaaten entstand. Mit den geistlichen Reichsständen und den kleinen weltlichen Reichsgliedern wurden dem Alten Reich seine natürlichen Stützen genommen. Die Verfassungsordnung wurde fragiler, wenn sie auch formal weiter Bestand hatte. Zudem durften die Territorialherrscher über das meiste Kirchengut in ihren Ländereien nach ihrem Willen frei verfügen; einen Teil des kirchlichen Eigentums übertrug der Reichsdeputationshauptschluß den Landesherren sogar direkt (Vermögenssäkularisation). Dem Übergang der Rechtspositionen auf die Neuerwerber lag allerdings das Prinzip der Universalsukzession zugrunde mit der Folge, daß auch bestehende Lasten und Schulden mit übernommen werden mußten. Über diese Verpflichtungen hinaus begründete der Reichsdeputationshauptschluß auch neue Verbindlichkeiten der Landesherren. § 35 RDHS statuierte eine objektiv-rechtliche Verpflichtung der Territorialherrscher zu Zahlungen an die Kirchen. Diese Rechtspflicht mußte freilich in der Folgezeit erst durch Verträge, Administrativmaßnahmen und Gesetze konkretisiert werden. Unmittelbar aus § 35 RDHS ergaben sich keine Ansprüche der Kirchen auf Unterstützungszahlungen.

II. Die Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses ist sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht problematisch. 1. Das letzte Reichsgrundgesetz ist formell rechtmäßig. Anders als eine starke Meinung in der Literatur dies sieht, kam es konform mit den geschriebenen und ungeschriebenen Verfahrensvorschriften der alten Reichsverfassung zustande. Zwar nahmen die aufzulösenden Reichsstände an den entscheidenden

Zusammenfassung

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Sitzungen im Reichstag nicht teil und stimmten dem Gesetzeswerk damit auch nicht ausdrücklich zu. Darin lag aber kein Verstoß gegen das Reichsverfassungsrecht, das für den gesamten Reichsdeputationshauptschluß Einstimmigkeit in allen drei Kurien des Reichstags verlangte. Gewohnheitsrechtlich galt nämlich das freiwillige Fernbleiben von Reichstagsverhandlungen als Zustimmung zum Abstimmungsgegenstand. Die zur Säkularisation und Mediatisierung stehenden Reichsstände blieben den entscheidenden Sitzungen des Reichstags freiwillig fern. Einige hatten schon keine Gesandten am Regensburger Reichstag mehr legitimiert, die anderen hatten ihren Vertreter nicht entsandt. Beides erfolgte frei von unmittelbarem Zwang. 2. Die materielle Rechtmäßigkeit des Reichsdeputationshauptschlusses ist dagegen zu verneinen. Das Heilige Römische Reich ist richtigerweise als Bundesstaat zu qualifizieren. In einem solchen aus Staaten zusammengesetzten Staat ist die Existenzgarantie eines jeden Gliedstaats ein ungeschriebener Grundsatz des Verfassungsrechts. Damit hätten die aufzulösenden Reichsstände ihrer Herrschaftssäkularisation bzw. Mediatisierung zustimmen müssen, was nicht geschehen ist. Das freiwillige Fernbleiben der betroffenen Reichsstände von den Reichstagsverhandlungen reicht hierfür nicht aus. Die fehlende Bereitschaft, auf dem Reichstag um die eigene Existenz zu kämpfen, war allein ihrer Resignation angesichts fehlender Verbündeter und einer teilweise bereits erfolgten Besetzung durch die erwerbenden Gliedstaaten geschuldet. Aus ihrem Gesamtverhalten ergibt sich aber, daß sie mit ihrer Auflösung materiell nicht einverstanden waren. Auch die Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens war materiell rechtswidrig. Das Eigentum der kirchlichen Vermögensträger bildete eine geschützte Rechtsposition, die für Reich und Territorien grundsätzlich unangreifbar war. Die Regelungen des Reichsdeputationshauptschlusses sind entgegen der überwiegenden Ansicht in der staatsrechtlichen Literatur des frühen 19. Jahrhunderts auch nicht durch Staatsnotstand gerechtfertigt. Für die Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung war das ius eminens, das dem Recht des Staatsnotstands zugrunde lag und dem Obereigentümer in Ausnahmefällen einen Zugriff auf Rechtspositionen des Untereigentümers erlaubte, von vornherein nicht anwendbar. Die Landeshoheit war eine ursprüngliche Herrschaftsgewalt, die der Hoheitsgewalt des Reiches in keiner Weise untergeordnet war. Das Verhältnis des Reiches zu den Territorien war demjenigen des Ober- zum Untereigentümer nicht vergleichbar. Hinsichtlich der Säkularisation mittelbaren kirchlichen Vermögens war das Recht des Staatsnotstands zwar anwendbar, es fehlte aber an seinen Voraussetzungen. Die Säkularisation der kirchlichen Vermögensträger war nicht die letzte verbleibende Möglichkeit, den Bestand von Reich und Territorien zu sichern.

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Zusammenfassung

3. Der rechtswidrige Reichsdeputationshauptschluß ist dennoch rechtswirksam. Die Schaffung des neuen, gültigen Rechts erfolgte allerdings nicht im Wege der Revolution. Anders als dies überwiegend behauptet wird, war der Reichsdeputationshauptschluß nicht auf einen Austausch der alten Reichsverfassungsordnung gerichtet. Er ließ bewußt sämtliche Reichsorgane mit ihren Kompetenzen bestehen und nahm Veränderungen nur dort vor, wo sie aufgrund der territorialen Umgestaltung zwingend erforderlich wurden. Die Rechtswirksamkeit des Reichsdeputationshauptschlusses ergibt sich jedoch aus der normativen Kraft des Faktischen. Nach dieser von Georg Jellinek entwickelten Theorie, die auch auf die Verfassung des Alten Reiches anwendbar ist, wird ein allgemein zur Kenntnis genommener und akzeptierter tatsächlicher Zustand auch dann rechtswirksam, wenn er auf rechtswidrige Weise entstanden ist. Die Zeitgenossen nahmen die Veränderungen durch den Reichsdeputationshauptschluß trotz schon damals geäußerter Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit allgemein hin, so daß die normative Kraft des Faktischen die neue tatsächliche Lage rechtlich wirksam werden ließ.

III. 1. Die herausgehobene Bedeutung des Reichsdeputationshauptschlusses für die weitere deutsche Verfassungsgeschichte liegt zunächst in seinen staatsorganisatorischen Auswirkungen. Er begünstigte die Entstehung moderner Mittelstaaten und bildete damit die Grundlage für die deutsche Ausprägung des Föderalismus. Zugleich markierte er den Ausgangspunkt für die heute noch gültigen Grundprinzipien des Staatskirchenrechts und ist die Quelle vieler finanzieller Leistungsverpflichtungen des Staats gegenüber den Kirchen. 2. Darüber hinaus bewirkte der Reichsdeputationshauptschluß nachhaltige gesellschaftlich-soziale Veränderungen. Der Einfluß der Adelsschicht wurde mit der Beseitigung vieler Privilegien massiv geschmälert. Dagegen konnte das finanzkräftige Bürgertum vom Erwerb säkularisierter kirchlicher Güter wirtschaftlich profitieren, was bald auch eine politische Stärkung zur Folge hatte. 3. Der Reichsdeputationshauptschluß wirkte schließlich auch als Motor der Grundrechtsentwicklung in Deutschland. Seine gesellschaftlich-sozialen Auswirkungen stärkten das Prinzip individueller Freiheit, wie es der bürgerlichen Gesellschaft zugrunde lag. Dies entsprach dem Wunsch Napoleons, sich mit einer an den Idealen der Französischen Revolution orientierten Gesellschaftsstruktur einen breiten Rückhalt in der Bevölkerung zu verschaffen, wie er es später in vielen eroberten Ländern auch anstrebte.

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Personen- und Sachwortverzeichnis Absolutismus – Auswirkungen auf den Adel 256 – Auswirkungen auf die Landstände 162 – im europäischen Vergleich 258 – und Eigentumsverhältnisse 205 – und Entwicklung der Verwaltung 151 – und Souveränitätslehre Bodins 127 Abteien siehe Mittelbare geistliche Institutionen Adel – als Erwerber säkularisierten Kirchengutes 251 – Auswirkungen des RDHS 248–261 – englischer ~ 258 – französischer ~ 258 – Hochadel 153, 255 – Niederadel 255 – Stellung im Heiligen Römischen Reich 255–258, 264 – und Reichskirche 31, 256, 259 – wirtschaftliche Situation 258 Allodien 154 Althusius, Johannes 128 Annexion, Begriff 219 Anspruch siehe Subjektives Recht Appellationsprivileg siehe Privilegium de non appellando Aschaffenburg-Regensburg 54, 62, 110 Aufklärung – Auswirkungen auf Eigentumsverhältnisse 207 – Gedankengut im RDHS 90 – und geistliche Reichsglieder 192 – und Sozialstaatsprinzip 244 Augsburg 78, 80, 108, 258 Augsburger Religionsfrieden 26, 86, 90, 149, 263

Baden, Säkularisationsgewinne 215 Basel, Sonderfrieden von siehe Sonderfrieden von Basel Bauern – als Erwerber säkularisierten Kirchengutes 252, 269 – Auswirkungen der Säkularisation auf die ~ 247, 259 Bayern – Politik im Vorfeld des RDHS 72, 191, 219 – Säkularisationspolitik 47, 72, 247, 250, 253 – Staatsleistungen 74 Beck, Christian August 138 Besold, Christoph 128 Bestechungszahlungen 48, 81, 197, 216 Biener, Christian Gottlob 138 Bodin, Jean 126 f. Bremen 78, 80, 109 Brixen 69 Bund siehe Theorie des Bundes Bundesstaat – Begriff 141, 183 – Bestandsgarantie der Gliedstaaten im ~ 183–186 – Entwicklung der Lehre vom ~ 141 – Heiliges Römisches Reich als ~ 129, 132, 135, 138, 141–183 – Kritik an der Lehre vom ~ 142 f. – nach der Souveränitätslehre Jean Bodins 127 – und Verteilung der Exekutivkompetenzen 182 – unitarischer 184 Bündnisrecht der Reichsstände 27, 145, 170–173

Personen- und Sachwortverzeichnis Bürgerliche Gesellschaft, Entstehung 261, 265, 274 Bürgertum – als Erwerber säkularisierten Kirchengutes 251, 274 – Auswirkungen des RDHS auf das ~ 261, 270 Caesarinus Fuerstenerius siehe Leibniz, Gottfried Wilhelm Campo Formio, Sonderfrieden von siehe Sonderfrieden von Campo Formio Chemnitz, Bogislav Philipp von 128 clausula rebus sic stantibus 232 Cocceji, Heinrich von 134 conclusum imperii siehe Reichsschluß consultum imperii siehe Reichsgutachten Dalberg, Karl Theodor von 54, 83 Deputation – Begriff 41, 95 – zur Ausarbeitung des RDHS siehe Reichsdeputation (zur Ausarbeitung des RDHS De statu imperii Germanici (Pufendorf) 23, 133 Deutschherrenorden siehe Ritterorden Diözesanneugliederung 87 Dispositionsgut siehe Säkularisationsbefugnis gem. § 35 RDHS Drei-Elementen-Lehre 147, 146–183 Eigentum – absoluter Eigentumsbegriff 205 – als wohlerworbenes Recht 45, 106, 209 – Begriff 61, 205 – geistliches ~ 204–207, 218 – geteiltes ~ 61, 153, 205–207, 209, 254 – und Lehnswesen 153 Einheitsstaat 147 Einleitung 21 f. Entschädigungsgut, Begriff 58

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Entschädigungsplan Frankreichs und Rußlands – Erster ~ 48 – plan général et définitif d’indemnité 49 – plan général et défintif d’indemnité 71 Erster Koalitionskrieg 38–42 Erzkanzler siehe Dalberg, Karl Theodor von Europäische Union – in der Theorie des Bundes 142 – und Heiliges Römisches Reich 21 Ewiger Landfrieden von 1495 25, 143, 173 Ewigkeitsklausel (Art. 79 GG) 122, 239 Exekutionsordnung (1555) 37, 144, 202 Exekutivmöglichkeiten des Reiches 178 Fehdewesen 25, 143 Feudalismus siehe Adel Föderalismusprinzip 128, 238 f. formelle Rechtmäßigkeit des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, formelle Rechtmäßigkeit Frankfurt/Main 78, 80, 109 Franz II. (Kaiser) – Abschluß des Friedensvertrags von Lunéville 44 – Auswirkungen des RDHS auf Machtposition siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf das Kaisertum – Niederlegung der Kaiserkrone 220 – Politik im Vorfeld des RDHS 41, 46– 49, 113, 119 f., 197 – Ratifikation des Reichsgutachtens zum RDHS siehe Ratifikation, kaiserliche – Wahlkapitulation 35, 122, 162 Französische Revolution – Auswirkungen im Heiligen Römischen Reich 221, 224, 245, 261, 39 – Menschenrechtserklärung siehe Menschenrechtserklärung (Frankreich)

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Personen- und Sachwortverzeichnis

– und Napoleon 272, 274 – und Säkularisation 52, 59, 73 Frauenklöster 56, 241 Freie Reichsdörfer siehe Reichsdörfer Freie Reichsstädte siehe Reichsstädte Frieden von Lunéville – Entstehung 43 f. – Inhalt 44 f., 50, 83, 190, 197, 214 – Position der geistlichen Reichsglieder 45, 187–190 – Rechtsqualität 44 Frieden von Preßburg 82 Friedenskongreß zu Rastatt siehe Reichsfriedenskongreß zu Rastatt Friedrich II. (der Große) 30, 207 Friedrich Wilhelm II. (Preußen) 38 Gaspari, Adam Christian 138 geistliche Reichsglieder – allgemein 31 – Ansehen in der Bevölkerung 192, 212 – Herrscherwahl 121 – öknomische Situation 192 – ökonomische Situation 212 – Säkularisation siehe Herrschaftssäkularisation, Vermögenssäkularisation – Schicksal der Herrscher 53 – Selbstauflösung 187–195 – und Aufklärung siehe Aufklärung – und Heiliges Römisches Reich 85, 236 – Verhalten bei Abstimmung über den Frieden von Lunéville 45, 187–190 – Verhalten bei Abstimmung über den RDHS 112 f., 193–195 – Verhalten im Vorfeld des RDHS 187– 195 geistliches Eigentum siehe Eigentum, geistliches Gesamtrechtsnachfolge siehe Universalsukzession Gesetzgebungsverfahren siehe Reichsgesetzgebungsverfahren Goldene Bulle 25

Gönner, Nikolaus Thaddäus 225 Grundrechte – Begriffsbestimmung 262–265 – Begriffsgeschichte 262 – im Königreich Westfalen 272 – in den Rheinbundstaaten 270 – und RDHS 261–275 Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens 124 Grundsätze des Verfassungsrechts, ungeschriebene siehe Ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts Häberlin, Carl Friedrich 138, 203 Hamburg 78, 80, 109 Hannover, Politik im Vorfeld des RDHS 46 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 139 f., 237 Heiliges Römisches Reich – als Aristokratie 127 f. – als Monarchie 127 f. – Ansehen in der Bevölkerung siehe Reichsbewußtsein der Bevölkerung – Auflösung 21, 220, 237 – Quellen des Verfassungsrechts 24–29, 124 – Staatsaufbau 29–37, 141–183 – Staatscharakter 126–183 – Staatscharakter nach Bodin 127 – Staatscharakter nach der zeitgenössischen Lehre 126–141, 238 – Staatscharakter nach Hegel 139 f. – Staatscharakter nach heutigen Kriterien 141–183 – Staatscharakter nach Moser 136 f. – Staatscharakter nach Pufendorf 132 – Staatscharakter nach Pütter 137 f. – Staatsgebiet 174 f. – Staatsgewalt 178–183 – Staatsvolk 176–178 – territoriale Zersplitterung siehe Territoriale Zersplitterung – Territorien siehe Reichsstände

Personen- und Sachwortverzeichnis Heimfall 153 Herrschaftssäkularisation – als Religionsangelegenheit 103 f. – Begriff 54, 78 – durch den Frieden von Lunéville 44, 188–190 – infolge des Dreißigjährigen Kriegs 123 – materielle Rechtmäßigkeit 120–198 – Mehrheitserfordernisse im Reichstag 103–105 – mittelbarer geistlicher Institutionen 55 – Rechtfertigung durch Staatsnotstand 217 – Rechtsinhalt 53–55, 78, 103–105 – Umfang 54, 83–85, 89 – Verbot durch Westfälischen Frieden 122 – Verstoß gegen Naturrecht 120 f. – Verstoß gegen ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts 123–187 – vor dem RDHS 123 Hessen-Darmstadt – Kirchenpolitik 241 – Säkularisationsgewinne 215 – Säkularisationspolitik 252 Hochadel siehe Adel, Hochadel 255 Hugo, Ludolph 135 Industrielle Revolution 30, 222 Instrumentum pacis Monasteriense (IPM) siehe Westfälischer Frieden 27 Instrumentum pacis Osnabrugense (IPO) siehe Westfälischer Frieden 27 Isenburg-Birstein 30 itio in partes 99, 104, 118 iura quaesita siehe Wohlerworbenes Recht iura singularia siehe Wohlerworbenes Recht iura singulorum – Begriff 100, 102 – Mehrheitserfordernisse im Reichsgesetzgebungsverfahren siehe Reichsgesetzgebungsverfahren, Mehrheitserfor-

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dernisse bei Abstimmung über reichsständische ~ ius eminens siehe Notstandsrecht ius facienda foedera siehe Bündnisrecht der Reichsstände ius reformandi 90, 149, 243 ius territoriale siehe Territorialherrschaft/ Landeshoheit ius territorii et superioritatis siehe Territorialherrschaft/Landeshoheit Jellinek, Georg 147, 184, 226, 262 Jérôme Bonaparte 271 Johann Baptist Hofer-Gedenkschrift 112, 196, 198 jure suprematus ac legationis principum Germaniae (Leibniz) 135 Kaiser – als Reichsorgan 36 f., 119, 163 f., 179 – Auswirkungen des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf das Kaisertum – Franz II. siehe Franz II. (Kaiser) Kaiserliche Ratifikation siehe Ratifikation, kaiserliche Kammerzieler 180 Kanonade von Valmy 39 Kanonische Jurisdiktion – Auswirkungen des RDHS 87 f. – im Bistum Passau 88 Kirche siehe Reichskirche Kirchenbaulasten siehe Staatsleistungen Klöster siehe Mittelbare geistliche Institutionen Koalitionskrieg siehe Erster bzw. Zweiter Koalitionskrieg Konfiskation, Begriff 219 Konfiskationsbefugnis gem. § 35 RDHS siehe Säkularisationsbefugnis gem. § 35 RDHS Königreich Westfalen – allgemein 271–274

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Personen- und Sachwortverzeichnis

– Ansehen in der Bevölkerung 273 – König siehe Jérôme Bonaparte – Napoleons Zielsetzung 271, 273 – Verfassung 272 Kurfürsten, allgemein 25, 31–32, 36 Kurfürstenrat 32, 83 Kuriatstimme 33 Kurmainz siehe Mainz Kursachsen siehe Sachsen Landeshoheit – Auswirkungen des Reichslehnswesens 154–157 – Rechtsinhalt 122, 150–170 – und Notstandsrecht 210 Landfrieden von 1548 144, 202 Landfrieden, Ewiger siehe Ewiger Landfriesen von 1495 Lapide, Hippolithus a 128 leges fundamentales siehe Reichsgrundgesetze Leibniz, Gottfried Wilhelm 134 Leist, Justus Christoph 138, 225 Leopold II. 38 Lübeck – Evangelisches Stift 85 – freie Reichsstadt 78, 80, 108 Ludwig XVI. (Frankreich) 39 Lunéville (Ort) 43 Lunéville, Frieden von siehe Frieden von Lunéville Mainz – Erzbischof siehe Dalberg, Karl Theodor von – Politik im Vorfeld des RDHS 47 – Verhalten bei Abstimmung über den RDHS 113 Malteserorden siehe Ritterorden Materielle Rechtmäßigkeit des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, materielle Rechtmäßigkeit Mediatisierung – Ausmaß siehe Mediatisierung, Umfang

– Begriff 78 – der freien Reichsstädte 47, 79, 85, 89, 112, 179, 194, 198, 210, 213 f., 216 – der Reichsritterschaft siehe Rittersturm – materielle Rechtmäßigkeit 123–198 – Mehrheitserfordernisse im Reichstag 103 – Rechtfertigung durch Staatsnotstand 217 – rechtlicher Inhalt 79 – Rechtmäßigkeit siehe Reichsdeputationshauptschluß, Rechtmäßigkeit – Rechtsstatus der mediatisierten Reichsstädte siehe Reichsstädte, Rechtsstatus nach Mediatisierung – Schuldenübergang siehe Universalsukzession – Umfang 78, 80–82, 217 – und Vermögen der Mediatisierungsobjekte 79, 250 – Verstoß gegen ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts 187 – vor dem RDHS 123 Mehrheitserfordernisse im Reichsgesetzgebungsverfahren siehe Reichsgesetzgebungsverfahren, Mehrheitserfordernisse Menschenrechtserklärung (Frankreich) 45, 264 f. mittelbare geistliche Institutionen – Ansehen in der Bevölkerung 217 – Bestandsgarantie aus geschriebenem Reichsrecht 200 – Bestandsgarantie aus ungeschriebenen Grundsätzen des Verfassungsrechts 204–207 – Säkularisation 57–77, 198–207, 245– 254 – Schutz durch territoriales Recht 200– 203 – Verwaltung 56, 241 – Wirtschaftskraft 246 f. Monzambano, Severinus de siehe Pufendorf, Samuel von Moser, Johann Jakob 130, 136 f., 156

Personen- und Sachwortverzeichnis Napoleon – gesellschaftspolitische Vorstellungen 267–275 – Interessenlage bei Ausarbeitung des RDHS 119, 216, 266 f. – Interessenlage im Vorfeld des RDHS 47, 49, 215, 250 – Politik nach dem RDHS 53, 237, 268–274 – und Französische Revolution 274 Naturrecht – allgemein 120 f., 264 – und Souveränität der Reichsglieder 158 – und ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts 124 – Verstoß der Herrschaftssäkularisation gegen ~ 120 f. Neapel, Königreich 269 f. Neugliederung des Bundesgebiets (Art. 29 GG) 124 f., 185 f. neurechtliche Verpflichtungen siehe Säkularisation und Begründung neuer Verpflichtungen Normaljahr 89, 243 Normative Kraft des Faktischen, Lehre von der – Anwendbarkeit im Heiligen Römischen Reich 226 – Heutige Anwendbarkeit 233 – Inhalt 227 – Rechtswirksamkeit des RDHS 228 Notstandsrecht – Anwendbarkeit auf Herrschaftssäkularisation und Mediatisierung 209–211 – Anwendbarkeit auf Vermögenssäkularisation 217 – Rechtfertigung von Säkularisation und Mediatisierung 209–219 – theoretische Herleitung 209 Nürnberg 78, 80, 108 Obereigentum 61, 153, 205–207, 209, 247

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observantia imperii siehe Reichsherkommen Observanz, Begriff 233 Osnabrück, Fürstbistum 85 Österreich – Politik im Vorfeld des RDHS siehe Franz II., Politik im Vorfeld des RDHS – Säkularisationspolitik 62, 266 Papst – Alexander VI. 255 – Pius VI. 191 – Pius VII. 192 – Stellung zur Säkularisation 192 – Verhältnis zur Reichskirche 191, 243 – Veto bei der Wahl von Fürstbischöfen 121 Paritätsgebot 26, 96, 118 Pensionsverpflichtungen aufgrund des RDHS 65–69, 164, 229, 242, 66 Pillnitzer Deklaration 38 plan général et définitif d’indemnité siehe Entschädigungsplan Frankreichs und Rußlands Policey 151 Preßburg, Frieden von siehe Frieden von Preßburg Preußen – Politik im Vorfeld des RDHS 38–39, 43, 46, 111, 216 – Säkularisationspolitik 42, 266 – Staatsleistungen 74 Privilegium de non appellando 107, 168, 181 Publizistik – Begriff 126 – Rechtmäßigkeit des RDHS 209 f. – staatsrechtliche Charakterisierung des Heiligen Römischen Reiches 126– 141, 148, 161, 175 Pufendorf, Samuel von 23, 129–133 Pütter, Johann Stephan 157 Püttersche Grenzformel 157, 165 f., 210

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Personen- und Sachwortverzeichnis

Rastatt, Reichsfriedenskongreß zu ~ siehe Reichsfriedenskongreß zu Rastatt Rastatter Gesandtenmord 42 Ratifikation, kaiserliche – als Bestandteil des Reichsgesetzgebungsverfahrens 95, 114 f. – des Einsetzungsbeschlusses der Reichsdeputation 95 – des RDHS 94 – des Reichsgutachtens zum RDHS 114–120 – Erfordernis bei Deputationsschlüssen 98 – Zulässigkeit einer teilweisen ~ 116 f. Rechtmäßigkeit des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Rechtmäßigkeit Rechtsanspruch siehe Subjektives Recht Reichsbewußtsein der Bevölkerung 177 f. Reichsdeputation – Begriff 41, 95 – im Reichsgesetzgebungsverfahren 96 Reichsdeputation (Reichsfriedensdeputation zu Rastatt) siehe Reichsfriedensdeputation (Rastatt) Reichsdeputation (zur Ausarbeitung des RDHS) – Auftrag 97 – Einsetzung 47–48, 95 – Handlungsspielraum 48, 49, 92, 214 – Rechtmäßigkeit der Beschlußfassung 98 – Zusammensetzung 47, 53, 66, 96 f., 196 Reichsdeputationshauptschluß – Abstimmung im Reichstag über den ~ 109 – als Motor der Grundrechtsentwicklung 261–275 – als Reichsgrundgesetz 95, 235 – als Revolution 220–225 – Auswirkungen auf das Kaisertum 86, 115

– Auswirkungen auf das Verhältnis der Konfessionen 52, 82–86, 88–90, 103 f., 107, 195 – Auswirkungen auf den Reichstag 83– 85 – Auswirkungen auf die Gesellschaftsstruktur 248–261 – Auswirkungen auf die Kirchen siehe Säkularisation, Auswirkungen auf die Kirchen – Auswirkungen auf die Reichsorgane 82–86, 224, 237 – Auswirkungen auf die Reichsritter 81, 194, 258 – Auswirkungen auf die Reichsritterschaft 227 – Auswirkungen auf die Reichsstädte 78–80, 85 – Auswirkungen auf die Religionsverfassung 86–90, 242 – Begriff 91 – Bestandsgarantie des Kirchenguts 88 – Bestandsschutz von Kirchengut 204, 242 – Bewertung durch die Zeitgenossen 224, 227, 237 – Bewertung durch Historiker 21 – Entstehung 45–50 – formelle Rechtmäßigkeit 95–120 – Gebietsveränderungen siehe Reichsdeputationshauptschluß, Territoriale Umgestaltung – Geltungsdauer 235 – Inhalt 50–90 – Mehrheitserfordernisse im Reichstag 99–108 – Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmung im Reichstag 108–114 – ökonomische Auswirkungen 245–254 – Rechtfertigung durch Staatsnotstand 208–219 – Rechtmäßigkeit 91–219 – Rechtsnatur 91–95, 235 – Rechtswirksamkeit 220–228

Personen- und Sachwortverzeichnis – Territoriale Umgestaltung 50, 236 – und Aufklärung siehe Aufklärung, Gedankengut im RDHS – und Bürgerliche Gesellschaft 261 – und entgegenstehendes Territorialrecht 200–203 – und Entstehung des Föderalismus 238 f. – und Entwicklung des Sozialstaatsprinzips 244 f. – verfassungsgeschichtliche Bedeutung 235–275 – Vorgeschichte 37–50 – Zusammenhang mit Auflösung des Heiligen Römischen Reiches 237 Reichsdörfer 29, 34, 195 Reichsexekutionsordnung siehe Exekutionsordnung (1555) Reichsfriedensdeputation (Rastatt) 41 f. Reichsfriedenskongreß zu Rastatt 42, 44, 179, 188, 197, 214 Reichsfürstenrat 33, 36, 84, 115, 116– 118 Reichsgerichte 37, 167–170, 176, 180 Reichsgesetzgebungskompetenzen 164– 167 Reichsgesetzgebungsverfahren – allgemein 36, 95, 98, 114, 118 – Einstimmigkeitserfordernis 99–101 – Mehrheitserfordernisse 99–101 – Mehrheitserfordernisse bei Abstimmung über den RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Mehrheitserfordernisse im Reichstag – Mehrheitserfordernisse bei Änderung eines Reichsgrundgesetzes 99 – Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmung über den RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmung im Reichstag Reichsgrenzen 175 Reichsgrundgesetz – Abänderbarkeit 99, 122 – allgemein 24–27

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– RDHS als ~ siehe Reichsdeputationshauptschluß als Reichsgrundgesetz Reichsgutachten – als Bestandteil des Reichsgesetzgebungsverfahrens 114, 95 – Mehrheitserfordernisse siehe Reichsgesetzgebungsverfahren, Mehrheitserfordernisse – Mehrheitsverhältnisse bei ~ zum RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmung im Reichstag – Rechtmäßigkeit des ~s zum RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Rechtmäßigkeit – zum Frieden von Lunéville 44 – zum RDHS 80, 98–114, 224 – zur Einsetzung der Reichsdeputation 48 Reichsherkommen – allgemein 29 – hinsichtlich der Abwesenheit von Reichsständen im Reichstag 109, 193 – und ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts 124 – Veränderung des Verfassungsrechts durch ~ 28, 122, 162 – Verstoß des RDHS gegen ~ 123, 202 f. Reichshistorie – als Begründung der Disziplin Verfassungsgeschichte 134 – Begriff 133 f. – Sichtweise des Staatscharakters des Reiches 134 f. Reichshofrat 36 f., 164, 170, 180 Reichskammergericht 37, 143, 167–170, 176, 180 Reichskirche – als Adelskirche 31, 81, 256, 259 – Auswirkungen des RDHS auf ~ 51– 77, 86–88, 105, 107, 236, 240–244 – und Papsttum siehe Papst, Verhältnis zur Reichskirche – und Staatsgewalt 204

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Personen- und Sachwortverzeichnis

– Verhältnis zur Staatsgewalt 31, 240– 243 Reichskonkordat – Begriff 87 – zur Diözesanneugliederung 87 Reichskreise 37, 178, 182 Reichslehen – Begriff 153 – Entstehung und Entwicklung 154 – Erblichkeit 155 – und Landeshoheit 154–157 – und Staatsgewalt der Territorien 153– 157 Reichsorgane – allgemein 24, 35–37, 179, 182 – Auswirkungen des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf die Reichsorgane Reichspost 182 Reichsritter – Auswirkungen des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf die Reichsritter – Landeshoheit 137, 159 – Mediatisierung siehe Rittersturm – Rechtsstatus 34 f., 137, 159 – Schutz durch RDHS 80 – Schutz durch Reichshofrat 82 – Staatsgewalt 151, 159 – wirtschaftliche Situation 35, 257 Reichsschluß – Begriff 95, 116 – Rechtmäßigkeit des ~ zum RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Rechtmäßigkeit – zur Einsetzung der Reichsdeputation 95, 97 – Zustandekommen 95 Reichsstädte – allgemein 33, 213 – Anwesenheit bei Abstimmung im Reichstag über den RDHS 108

– Auswirkungen des RDHS siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf die Reichsstädte – Huldigungseid gegenüber dem Kaiser 154 – im Machtgefüge des Heiligen Römischen Reiches 80, 179 – Mediatisierung siehe Mediatisierung der freien Reichsstädte – Politik im Vorfeld des RDHS 112, 179, 194, 196–198, 227 – Rechtsstatus der beibehaltenen ~ 80, 85 – Rechtsstatus nach Mediatisierung 79 – Repräsentation in der Reichsdeputation 97 – Schutz durch Westfälischen Frieden siehe Westfälischer Frieden, Schutz der Reichsstädte – Staatsgewalt 152 – Übergang an Frankreich 78 – und Reichslehnswesen 154 – Verhalten im Reichstag 112 – Vertretung in der Reichsdeputation 47 – wirtschaftliche Lage 213, 257 Reichsstände – allgemein 32 f. – als Völkerrechtssubjekte 171 – Begriff 32 – Bündnisrecht siehe Bündnisrecht der Reichsstände – geistliche siehe Geistliche Reichsglieder – in der Reichsverfassung 32 f., 35, 86, 118, 122, 137 – iura singulorum siehe Iura singulorum – Repräsentation auf Reichsebene 35 – Souveränität siehe Souveränität der Reichsglieder – Staatsgebiet 148 – Staatsgewalt 150–158 – Staatsqualität 147–174 – Staatsvolk 148–150

Personen- und Sachwortverzeichnis – Verhalten bei Abstimmung über den RDHS 111–114, 193 – wohlerworbene Rechte siehe Wohlerworbenes Recht Reichstag – allgemein 32, 36, 98 – Auswirkungen des RDHS auf den ~ siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf den Reichstag – Beschlußfassung über den RDHS siehe Reichsgutachten zum RDHS – Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmung über den RDHS 108–114 – Verfahren bei Abstimmung über den RDHS 109 Religionsangelegenheit – Begriff 103, 104–105, 107 – Einstimmigkeitserfordernis siehe Reichsgesetzgebungsverfahren, Mehrheitserfordernisse bei Abstimmungen über Religionsangelegenheiten – Herrschaftssäkularisation als ~ siehe Herrschaftssäkularisation als Religionsangelegenheit – Vermögenssäkularisation als ~ siehe Vermögenssäkularisation als Religionsangelegenheit Religionsfreiheit 263, 270, 272 Revolution – Begriff 222 – Französische siehe Französische Revolution – RDHS als ~ 220–225 – und ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts 124 – verfassungsrechtliche Begründung 221 Rheinbund (1806) 235, 270 f. Ritterorden – Auswirkungen des RDHS 53 – Säkularisationspolitik des Deutschen Ordens 62 Rittersturm 80–82, 194

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Sachsen – Konfessionszugehörigkeit 83 – Politik im Vorfeld des RDHS 46 – Säkularisationspolitik 62 Sachsen-Gotha, Politik im Vorfeld des RDHS 46 Säkularisation – Auswirkungen auf das Verhältnis der Konfessionen siehe Reichsdeputationshauptschluß, Auswirkungen auf das Verhältnis der Konfessionen – Auswirkungen auf die Kirchen 51, 87–90, 229–234, 240–244 – Begriff 51 – Begriffsgeschichte 51 – der geistlichen Reichsglieder 53–55, 86–90, 103–106, 120–195, 212, 215, 240–244, 261 – Dispositionsgut siehe Säkularisationsbefugnis gem. § 35 RDHS – durch den RDHS 50–77, 103–107, 198–207, 240–245, 261 – im Friedensvertrag von Lunéville 45, 50, 190, 197, 214 – im Königreich Neapel 269 – mittelbarer geistlicher Institutionen siehe Mittelbare geistliche Institutionen, Säkularisation – ökonomische Folgen siehe Reichsdeputationshauptschluß, ökonomische Auswirkungen 245 – Umfang 51, 54, 57, 62, 251, 266 f. – und Begründung neuer Verpflichtungen 65–77, 229–234, 244 f. – und Schuldenübergang siehe Universalsukzession – vor dem RDHS 51 f., 191 Säkularisationsbefugnis gem. § 35 RDHS – als Religionsangelegenheit 107 – Dispositionsgut, Begriff 57 – Eigentumsübergang 58–62 – Entstehungsgeschichte 61, 71–73 – Erwerberkreis 251–254

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Personen- und Sachwortverzeichnis

– landesherrliche Säkularisationspolitik 60, 62, 74–76, 251, 267 – Mehrheitserfordernisse im Reichstag 106 f. – Rechtsfolgen 58–77 – Säkularisationsberechtigte 57 f. – Umfang 58, 62, 251, 266 f. – und Begründung neuer Verpflichtung siehe Säkularisation und Begründung neuer Verpflichtungen – Zielsetzung 73 f., 266 f. Säkularisationspolitik siehe Säkularisationsbefugnis gem. § 35 RDHS, Landesherrliche Säkularisationspolitik Säkularisierung 51 Satellitenstaaten, napoleonische 269– 274 Savigny, Friedrich Carl v. 205 Schmitt, Carl 142 Schnetlage-Stiftung 22, 55 Schuldenübergang siehe Universalsukzession Separatfrieden siehe Sonderfrieden Six livres de la République (Jean Bodin) 126 Sonderfrieden von Basel 40 Sonderfrieden von Campo Formio 41 Souveränität – Begriff 159 – Begriffsgeschichte 161 – der Reichsglieder 27, 158–174 – der Rheinbundstaaten 270 – Souveränitätslehre Jean Bodins 126 f., 130, 135 Sozialstaatsprinzip 244 f. Staatenbund – Begriff 141 – Entwicklung der Lehre vom ~ 141 – Kritik an der Lehre vom ~ 142 f. Staatenstaat – nach Georg Jellinek 142 – und Heiliges Römisches Reich siehe Bundesstaat Staatsangehörigkeitsrecht 149 f.

Staatsbegriff siehe Drei-Elementen-Lehre Staatsgebiet – Begriff 148 – der Territorien 148 – des Heiligen Römischen Reiches 175 Staatsgewalt – Begriff 150, 178 – der freien Reichsstädte 151 – der Reichsritter 151 – der Territorien 150–158 – des Heiligen Römischen Reiches 178– 183 Staatskirchenrecht – als Rechtsgebiet 240 – Entstehung 204, 240–242 Staatsleistungen – Ablösung im Konsens 230 – Ablösung per Gesetz 230 f. – Begründung durch RDHS 67–77, 229, 242 – Erlöschen 229–234 – in Bayern siehe Bayern, Staatsleistungen – in Preußen siehe Preußen, Staatsleistungen – in Württemberg siehe Württemberg, Staatsleistungen – landesherrliche Politik 74–76 – Subjektives Recht der Kirchen siehe Subjektives Recht der Kirchen auf Staatsleistungen – verfassungsrechtlicher Ablösungsauftrag 230 Staatsrechtslehre siehe Publizistik Staatsvolk – Begriff 148, 176 f. – der Territorien 148–150 – des Heiligen Römischen Reiches 176– 178 Stifte siehe Mittelbare geistliche Institutionen Subditus siehe Untertänigkeitsverhältnis

Personen- und Sachwortverzeichnis Subjektives Recht – Begriff 76 – der Kirchen auf Staatsleistungen 76 f., 229–234 Talleyrand, Charles Maurice de 48, 56, 93 territoriale Zersplitterung 29 f., 148, 256 Territorialherrschaft 27, 102, 150–170 Territorialrecht, Aufhebbarkeit durch Reichsrecht 201–203 Territorien siehe Reichsstände Theorie des Bundes – allgemein 142 f. – Einstufung des Heiligen Römischen Reiches nach der ~ 143–145 – Kritik an der ~ 146 Tote Hand siehe Eigentum, geistliches ~ Transformationsgesetz 95 Trient 69 Unabhängigkeit, staatliche siehe Souveränität Ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts – Begriff 124 – Bestandsgarantie der mittelbaren geistlichen Institutionen aus ~ 204–207 – Bestandsgarantie der Reichsglieder aus ~ 123–187 Universalsukzession – als völkerrechtliches Prinzip 63 – Begriff 63 – rechtshistorische Entwicklung 64 – Schuldenübergang bei Säkularisation und Mediatisierung 55, 62–65, 79, 247 Unterstützungszahlungen des Staats an die Kirchen siehe Staatsleistungen Untertanenklage 37, 168, 176 Valmy, Kanonade von siehe Kanonade von Valmy Vatikan siehe Papst

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Verfassungsrecht – Änderung und Neuschaffung 122, 223, 226 – Ewigkeitsklausel 122, 239 – Gesetzgebungsverfahren siehe Reichsgesetzgebungsverfahren – Quellen 24–29, 124 – Reichsgrundgesetze siehe Reichsgrundgesetz – Reichsherkommen siehe Reichsherkommen – und Revolution 221 – ungeschriebene Grundsätze des ~ siehe Ungeschriebene Grundsätze des Verfassungsrechts Vermittelnde Mächte – Verhalten bei Abstimmung über den RDHS 110 f. – Verhalten im Vorfeld des RDHS 46, 49 Vermögenssäkularisation – als Religionsangelegenheit 105, 107 – Begriff 54 – der geistlichen Reichsglieder 54 f. – Mehrheitserfordernisse im Reichstag 106 f. – ökonomische Auswirkungen 245–254 – Rechtfertigung durch Staatsnotstand 217–219 – Rechtmäßigkeit 198–207 – Umfang 55–77, 199, 215, 251, 267 – verschiedene Arten 199 Vertragsschließungskompetenz, völkerrechtliche siehe Bündnisrecht der Reichsstände Verwaltungsgeschichte 151, 238, 271 Verweltlichung siehe Säkularisation Veto des Kaisers – bei der Wahl von Fürstbischöfen 121 – gegen § 32 RDHS 114–120 – gegen einen Reichsschluß 114–117 Veto des Papstes siehe Papst, Veto Virilstimme – Begriff 33

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Personen- und Sachwortverzeichnis

– Veto des Kaisers gegen Neuverteilung der ~n siehe Veto des Kaisers gegen § 32 RDHS Wahlkapitulation – allgemein 25 f., 35 – Franz II.’ 122 Weiße, Christian Ernst 138 Westfalen – Herzogtum, Säkularisationspolitik 247 – Königreich siehe Königreich Westfalen Westfälischer Frieden – allgemein 26 f., 36 – Bündnisrecht der Reichsstände siehe Bündnisrecht der Reichsstände – Einstimmigkeitserfordernis bei Reichsgesetzgebung siehe Reichsgesetzgebung, Einstimmigkeitserfordernis – Gewaltverbot 145 – Normaljahr 89 – Paritätsgebot siehe Paritätsgebot – Religionsfreiheit 263 – Säkularisationsverbot 122 – Schutz der Reichsritter 35

– Schutz der Reichsstädte 80 – und Landeshoheit siehe Landeshoheit Wohlerworbenes Recht – Begriff 101, 106 – Eigentum als ~ 106, 209 – Mehrheitserfordernisse bei Abstimmung über ~ der Reichsstände siehe Reichsgesetzgebungsverfahren, Mehrheitserfordernisse – Reichsstandschaft als ~ 102 f. Wohlfahrtsstaat siehe Sozialstaatsprinzip Württemberg – Kirchenpolitik 241 – Politik im Vorfeld des RDHS 216 – Säkularisationsgewinne 215 – Spezialvorschriften für Säkularisation 71 – Staatsleistungen 74 – Verhalten im Rittersturm 81 Zachariä, Karl Salomo 140, 238 Zweiter Koalitionskrieg 43–45